Ökonomie bei Platon 9783110457070, 9783110455670

Plato’s reflections on economics are deserving of more attention, as shown by this systematic examination of his key tex

225 29 704KB

German Pages 199 [200] Year 2016

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
1 Einführung
2 Zur Begrifflichkeit
3 Der Forschungskontext
3.1 Forschungen zur antiken Wirtschaft
3.2 Der Ansatz der Neuen Institutionenökonomik
3.3 Forschungen zur Ökonomie Platons
4 Methodische Bemerkung zur Lektüre Platonischer Dialoge
5 Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon
5.1 Wirtschaftliches Handeln als Spezifikum menschlicher Natur
5.2 Die Pleonexie
5.3 Die Gefahr einer Verselbständigung des Marktgeschehens und die Notwendigkeit seiner Regulierung
6 Der homo oeconomicus: Ein Vergleich von Kategorien der modernen Ökonomie mit dem Platonischen Ansatz
6.1 Eigennutz und ‚Nutzen‘
6.2 Rationalität
6.3 Das Problem der ‚Moral‘
6.4 Die Vorstellung von Maximierung
6.5 Resultat
7 Das Verhältnis von individuellem Nutzen und kollektivem Nutzen
8 Die Konzeptionen von Politeia und Nomoi
8.1 Der Modellcharakter beider Staatskonzeptionen
8.2 Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Politeia und Nomoi
9 Der Wert der Neuen Institutionenökonomik für eine Analyse von Platons Vorstellungen
9.1 Die Unsicherheit menschlichen Handelns und die Bedeutung von Peithó (Überzeugung/Überredung) und Bía (Sanktionen)
9.2 Mechanismus Design
10 Institutionen in den Nomoi
10.1 Das Staatsziel der Nomoi, die Aufgabe des Gesetzgebers und die Agreementproblematik
10.2 Interne und externe Institutionen in den Nomoi
10.3 Die Rolle der Erziehung
10.4 Die Rolle von Religion und Theologie
10.5 Die Funktion der Proömien
10.6 Kontroll- und Sanktionsinstanzen: die Organe des Staates
11 Institutionen im Bereich der Wirtschaft
11.1 Das Problem der Vereinbarkeit von politischer und wirtschaftlicher Betätigung
11.2 Einzelne Regelungen in den Nomoi
11.2.1 Ökonomische Voraussetzungen für einen ‚Sozialen Frieden‘
11.2.2 Grundbesitz und Eigentum
11.2.3 Landwirtschaftsgesetze
11.2.4 Handel, Markt und Kreditvergabe
12 Die Bewertung des Eids in den Nomoi
13 Ergebnisse und Ausblick
Bibliographie
A Ausgaben, Kommentare, Übersetzungen
B Sekundärliteratur
Stellenindex
Sach- und Personenindex
Recommend Papers

Ökonomie bei Platon
 9783110457070, 9783110455670

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Sabine Föllinger Ökonomie bei Platon

Sabine Föllinger

Ökonomie bei Platon

ISBN 978-3-11-045567-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-045707-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-045569-4 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Platon-Porträt, Marmorherme, römische Kopie nach einem Original des späteren 4. Jh. v. Chr. © Museo Pio Clementino, Rom (Sala delle Muse, Inv. 305). Satz: Michael Peschke, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Für Oliver und Martin

Inhalt 1 Einführung 

 1  5

2

Zur Begrifflichkeit 

3 3.1 3.2 3.3

 9 Der Forschungskontext  Forschungen zur antiken Wirtschaft   9 Der Ansatz der Neuen Institutionenökonomik  Forschungen zur Ökonomie Platons   23

4

Methodische Bemerkung zur Lektüre Platonischer Dialoge 

5

Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon   33 Wirtschaftliches Handeln als Spezifikum menschlicher Natur   33 Die Pleonexie   39 Die Gefahr einer Verselbständigung des Marktgeschehens und die Notwendigkeit seiner Regulierung   43

5.1 5.2 5.3

 20

 31

6 Der homo oeconomicus: Ein Vergleich von Kategorien der modernen Ökonomie mit dem Platonischen Ansatz   49 6.1 Eigennutz und ‚Nutzen‘   49 6.2 Rationalität   54 6.3 Das Problem der ‚Moral‘   56 6.4 Die Vorstellung von Maximierung   59 6.5 Resultat   61  63

7

Das Verhältnis von individuellem Nutzen und kollektivem Nutzen 

8 8.1 8.2

 71 Die Konzeptionen von Politeia und Nomoi  Der Modellcharakter beider Staatskonzeptionen   71 Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Politeia und Nomoi 

9

Der Wert der Neuen Institutionenökonomik für eine Analyse von Platons Vorstellungen   81 Die Unsicherheit menschlichen Handelns und die Bedeutung von Peithó (Überzeugung/Überredung) und Bía (Sanktionen)   81 Mechanismus Design   84

9.1 9.2

 73

VIII 

 Inhalt

10 10.1

Institutionen in den Nomoi   89 Das Staatsziel der Nomoi, die Aufgabe des Gesetzgebers und die Agreementproblematik   89 Interne und externe Institutionen in den Nomoi   93 Die Rolle der Erziehung   110 Die Rolle von Religion und Theologie   113 Die Funktion der Proömien   118 Kontroll- und Sanktionsinstanzen: die Organe des Staates   122

10.2 10.3 10.4 10.5 10.6

 127 Institutionen im Bereich der Wirtschaft  Das Problem der Vereinbarkeit von politischer und wirtschaftlicher Betätigung   127 11.2 Einzelne Regelungen in den Nomoi   130 11.2.1 Ökonomische Voraussetzungen für einen ‚Sozialen Frieden‘   131 11.2.2 Grundbesitz und Eigentum   132 11.2.3 Landwirtschaftsgesetze   140 11.2.4 Handel, Markt und Kreditvergabe   142 11 11.1

12

Die Bewertung des Eids in den Nomoi 

13

Ergebnisse und Ausblick 

 151

 157

 167 Bibliographie  A Ausgaben, Kommentare, Übersetzungen  B Sekundärliteratur   168

Stellenindex 

 178

Sach- und Personenindex 

 184

 167

1 Einführung Platon, dessen Dialoge unser Denken bis heute mittelbar und unmittelbar so stark beeinflußt haben, daß Whitehead die abendländische Philosophie bekanntlich als ‚Fußnoten zu Platon‘ bezeichnen konnte,1 wird gemeinhin nicht gerade als Vordenker in ökonomischen Dingen angesehen. Er habe, so eine lange Zeit verbreitete Meinung, die Eigenständigkeit des wirtschaftlichen Bereichs nicht erkannt, bzw. seine moralische Fokussierung habe ihn zu einer prinzipiellen Verurteilung wirtschaftlicher Realität gelangen lassen. Die Gründe für diese lange Zeit gültige und von der Forschung bis vor kurzem fast einhellig geteilte Meinung sind unterschiedlicher Natur und werden im folgenden noch zur Sprache kommen.2 Dieses Verdikt hat aber jedenfalls auch mit einem bestimmten Verständnis von Wirtschaft und Ökonomie zu tun. Und so erhoben sich vereinzelt kritische Stimmen, die darauf hinwiesen, daß es ahistorisch sei, an die Platonischen Überlegungen einen modernen Begriff von Ökonomie anzulegen. Aber so richtig dieser Einwand auf den ersten Blick erscheinen mag: Stimmt das? Und was ist ‚Ökonomie‘? Ist dem Platonischen Werk nur deshalb eine Beschäftigung mit Ökonomie abzusprechen, weil sie nicht in Form mathematischer Modelle präsentiert wird? Denkt Platon trotzdem in ökonomischen Kategorien und wie? Ist es möglich, einen Zugang zu finden, der seine Anschauungen verständlich macht? Bietet sich dieser Zugang geradezu an, oder erscheint er künstlich? Wenn es einen für die Platonische und die moderne Ökonomie gemeinsamen Zugang gibt, worin unterscheiden sich beide? Um der Antwort auf diese Fragen näherzukommen, gibt es nur einen Weg. Er besteht darin, in einem ersten Schritt Platon zu lesen und in einem zweiten zu analysieren, mit welchen Kategorien sein Ansatz zu fassen ist. Der Ausgangspunkt muß also der Platonische Text selbst sein. Er war es auch für die Überlegungen, die ich mit diesem Buch vorlegen möchte. Dabei verfolge ich ein doppeltes Ziel: Auf der Grundlage der Texte soll die Vielschichtigkeit von Platons Reflexionen zur Ökonomie dargestellt werden. Dabei werden einzelne Passagen, die zentral sind, zitiert und detaillierter betrachtet. Dies soll zum einen dem Leser und der Leserin ermöglichen, die zum Weiterdenken anregende, oft auch verstörende Herausforderung, die Platon heute noch bietet, selbst zu erleben. Zum anderen bedarf es der genaueren Textinterpretation, wenn es darum geht, mögliche Vergleichbarkeit und Unterschiedlichkeit Platonischer und moderner Ökonomie zu untersuchen. Und dies ist das zweite Anliegen des Buches: zu zeigen, daß 1 „Die sicherste allgemeine Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas lautet, daß sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht“ (Whitehead 1987, 91). 2 Siehe unten, S. 23–30. DOI 10.1515/9783110457070-001

2 

 Einführung

es durchaus einen Zugang zu Platons Ökonomie auch von modernen Kategorien aus gibt und daß insbesondere die Perspektive der Neuen Institutionenökonomik einen Schlüssel für die Analyse bietet. Die Kenntnis dieser Wirtschaftstheorie verdanke ich meinem früheren althistorischen Kollegen Kai Ruffing, der inzwischen an die Universität Kassel gewechselt ist. Als er mich mit ihrer Bedeutung für die Erforschung der antiken Wirtschaft bekanntgemacht hatte, reifte in mir die Überzeugung, daß sie auch für ein adäquates Verständnis der Platonischen Auseinandersetzung mit ökonomischen Fragestellungen einen Schlüssel darstellt. Der kollegiale Austausch mit der Alten Geschichte fand im Rahmen der Zusammenarbeit der Marburger Altertumswissenschaftler im ‚Marburger Centrum Antike Welt‘ statt. Diesem Verbund ist auch die Bekanntschaft mit meiner Kollegin Evelyn Korn aus der Mikroökonomie zu verdanken. Ohne sie wäre der zweite Schritt, die Frage nach der Vergleichbarkeit Platonischer und moderner ökonomischer Kategorien und Erklärungsansätze, nicht möglich gewesen. Ihr bin ich für die stete Bereitschaft zur Expertise in Fragen der Institutionenökonomik und für die inspirierende Zusammenarbeit sehr dankbar. Unsere, ebenfalls im ‚Marburger Centrum Antike Welt‘ begonnene, gemeinsame institutionenökonomische Lektüre Platons, die auf unser beider Überzeugung von der Bedeutung dieses Ansatzes für das Verständnis Platons, auch im Hinblick auf mögliche Anregungen für die moderne Ökonomie, beruht, hat einen schönen Rahmen gefunden, der uns eine vertiefte Forschungsmöglichkeit bietet: Seit Anfang 2015 wird das, in seiner Verbindung von Gräzistik und Volkwirtschaft wohl einzigartige, interdisziplinäre Projekt „Wirtschaftliches Handeln bei Platon. Eine institutionenökonomische Analyse von Platons Idealstaatsvorstellungen“ von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert.3 Es hat auch den beiden Doktoranden, Philipp Bösherz aus der Mikroökonomik und Hans Lauritz Noack aus der Gräzistik, die Möglichkeit eröffnet, in origineller Weise disizplinenübergreifend zu arbeiten. Das vorliegende Buch soll in die Probleme und Fragen, die uns beschäftigen, einführen und einen Auftakt zu weiteren Publikationen, die aus dem gemeinsamen Forschungsprojekt entstehen werden, bilden. So sollen die vorliegenden Überlegungen ein ‚Appetizer‘ sein, der nicht nur Fragen beantwortet, sondern auch zu neuer Auseinandersetzung herausfordern will. Da entsprechend dem verbreiteten Interesse an Ökonomie die Leserschaft heterogen sein und wohl aus Fachleuten wie aus einem allgemeineren Adressatenkreis bestehen wird,4 habe ich mich bemüht, die Erläuterungen in verschiedene Richtungen verständlich zu halten. Für die kritische Lektüre des Manu3 http://www.uni-marburg.de/fb10/klassphil/thyssenprojekt. 4 Zur Heterogenität der Disziplinen bzw. des Personenkreises, der sich mit der Geschichte des ökonomischen Denkens beschäftigt, vgl. Holub (2005) 23.

Einführung 

 3

skripts danke ich herzlich Evelyn Korn, Oliver Stoll, Brigitte Kappl, Diego De Brasi und Hans Lauritz Noack. Umsichtige und wertvolle Korrekturarbeit haben Karina Haus, Henrik Vollbracht und Egon Strauch geleistet. Die intensive Durchsicht des Manuskripts, die ich Thomas Busch verdanke, hat mich ebenfalls vor etlichen Fehlern bewahrt. Er hat auch, zusammen mit Daniel Fuchs, die Bibliographie überarbeitet. Den Index hat Nicole Föbinger erstellt. Ihnen allen, die zur Gestaltung dieses Buches wesentlich beigetragen haben, danke ich von ganzem Herzen. Mein herzlicher Dank gilt auch der professionellen und umsichtigen Betreuung durch den Verlag, vor allem Frau Katharina Legutke, Frau Dr. Serena Pirrotta und Frau Katja Brockmann. Das Buch widme ich meinem Mann Oliver Stoll. Er hat mich mit der Bedeutung des Xenophontischen Oikonomikos für die Wirtschaftsgeschichte bekanntgemacht und damit mein Interesse für die ökonomische Literatur der Antike geweckt. Dafür und für so vieles andere danke ich ihm. Auch bei unserem Sohn Martin möchte ich mich für die Geduld mit dem Dauerthema ‚Platon‘ bedanken, obwohl sein Wunsch des öfteren wie der von Lilian Wylie in Werner Herzogs Film „Königin der Wüste“ gelautet haben dürfte: „Laßt uns nicht über Platon reden“. Nun aber soll das Gegenteil der Fall sein: Laßt uns über Platon reden!

2 Zur Begrifflichkeit Was ist Ökonomie? Diese Frage scheint nur auf den ersten Blick einfach zu sein; denn eine schlichte Definition gibt es nicht, so daß wir etwas weiter ausholen müssen. Geht man auf die Etymologie des Wortes zurück, so läßt sich schnell feststellen, daß sie nur bedingt Aufschluß geben kann: Der Begriff ‚Ökonomie‘ leitet sich vom griechischen οἰκονομία (oikonomía) ab. Er ist aus οἶκος (oíkos = „Haushalt“ im umfassenden Sinn) und νέμειν (némein = zuteilen/verwalten) zusammengesetzt. Die Verbindungen ‚οἰκονομία (oikonomía)‘ und ‚οἰκονομικός (oikonomikós)‘ bezeichnen seit dem 4.  Jhdt.  v.  Chr., in dem sie zum ersten Mal belegt sind,5 bis in die Spätantike den Bereich der Hausverwaltung, seltener den der städtischen Finanzverwaltung.6 Die oikonomiké téchne ist die Lehre bzw. Methode der Hausverwaltung. Dementsprechend sind in der Altertumswissenschaft ‚Ökonomische Literatur‘ im engeren Sinne Schriften, die sich mit der so verstandenen oikonomía, der Hausverwaltung, beschäftigen.7 Dazu gehören im 4. Jhdt. v. Chr. Xenophons Oikonomikos und unter einem eingeschränkten Blickwinkel die ps.-aristotelischen Oikonomika I und II.8 ‚Oikonomía‘ bzw. ‚oikonomiké téchne‘ bezeichneten also in der Antike nicht eine systematische Reflexion bzw. Theorie. Diese Tatsache bzw. das Fehlen eines solchen Metabegriffes überhaupt führte zu der vor allem von Finley stark gemachten Anschauung, es habe weder eine Wirtschaftstheorie noch eine Wirtschaft im modernen Sinne gegeben.9 Die These, man könne nicht von Wirtschaft im modernen Sinne sprechen, ist inzwischen von verschiedenen Seiten angegriffen worden und kann, auch wenn die Diskussion über die Formen antiker Wirtschaft noch lebhaft im Gang ist, als überholt gelten. In Hinsicht auf Wirtschaftstheorie(n) hingegen herrscht noch mehr Diskussionsbedarf.10 Damit ist die erste wichtige Differenzierung gegeben: ‚Wirtschaft‘ und ‚Ökonomie‘ werden im Alltag zwar immer wieder synonym gebraucht. Aber sie sind nicht dasselbe und müssen deshalb hier streng geschieden werden. Mit Wieland kann man Wirtschaft bestimmen als „ein empirisches Phänomen, das alle Tätigkeiten zur Reproduktion des Lebens als Reaktion auf Mangel zur Daseinsfürsorge und Entfaltung menschlicher Bedürfnisse in je historischer Bestimmung

5 Platon, Apologie 36B7; Phaidros 248D5. 6 Vgl. Zoepffel (2006) 49–65, mit kritischer Diskussion der älteren Literatur, und Föllinger (2014) 584. 7 Vgl. Audring/Brodersen (2008) 17. 8 Zu dem ganzen Komplex vgl. Zoepffel (2006). Zu Oikonomika II vgl. Brodersen (2006). 9 Vgl. Zoepffel (2006) 49–65. 10 Zur Forschungsdiskussion vgl. unten, S. 23–30. DOI 10.1515/9783110457070-002

6 

 Zur Begrifflichkeit

umfaßt.“11 Davon unterschieden ist die auf dieses Phänomen sich beziehende systematisierende Reflexion.12 Diese Bestimmung ist weit gefaßt. Denn sie kann sich auf jede Art von Reflexion beziehen. Damit vermeidet sie die heuristische Falle, daß man eine abstrahierende Systematisierung nur dann als Ökonomie bezeichnen könne, wenn sie bestimmte Anforderungen erfülle. Dies ist etwa dann der Fall, wenn man, ausgehend von der Moderne, unter Ökonomie ausschließlich die Reflexion auf marktwirtschaftliche Prozesse versteht oder Ökonomie eng an Volkswirtschaft bindet. Jene allgemeine Bestimmung hat also den großen Vorteil, offen für verschiedene historische Formen ökonomischer Reflexion zu sein. In der rezenten ökonomischen Forschung gibt es eine breite Diskussion darüber, was Ökonomie sei. Daß die Ansätze recht unterschiedlich sein können, kommt in der – vielleicht nicht ganz ernst gemeinten – Formulierung, die Jacob Viner zugeschrieben wird, zum Ausdruck: „economics is what economists do“13. Da diese Bestimmung unbefriedigend ist, aber hier nicht die (inner)ökonomische Diskussion aufgerollt werden kann, sei erst einmal festgehalten, daß den Ausgangspunkt ökonomischer Theorien der Mangel darstellt, den auch Wieland als Kern von Wirtschaft und damit implizit der Ökonomie ansieht. So faßte Lionel Robbins in einem einflußreichen Ansatz Ökonomie als „Theorie der Wahlhandlungen unter Knappheitsbedingungen“14. Ökonomie befaßt sich also mit menschlichem Handeln, das auf Wahl und damit auf Entscheidung beruht. Diese Definition ist weit, denn sie läßt das Objekt der Wahl offen, das nicht unbedingt materieller Natur sein muß. Es können also auf Ziele unterschiedlicher Art gerichtete Wahlhandlungen Gegenstand ökonomischer Analyse sein. Analyse bedeutet dabei, auf der Grundlage empirischer Beobachtungen Hypothesen zu bilden, mit denen prognostiziert werden kann, welche Veränderung äußerer Bedingungen („Restriktionen“) zu welchen Handlungen bzw. welchem Geschehen führen kann:15 „Its (gemeint ist:“positive economics“) task is to provide a system of generalizations that can be used to make correct predictions about the consequences of any change in circumstances.“16 Eine solch weitere Bestimmung des Gegenstands von Ökonomie vertritt auch Kirchgässner in einer aktuellen Publikation: „Ökonomik ist der Versuch, menschliches Verhalten dadurch zu erklären, dass man unterstellt, dass sich die einzelnen Individuen ‚rational‘ verhalten. Indivi11 Wieland (2012) 28. Dieser Unterscheidung von ‚Wirtschaft‘ und ‚Ökonomie‘ entspricht im Englischen die Differenzierung in ‚economy‘ und ‚economics‘. 12 Vgl. Wieland (2012) 28. 13 Zitiert nach Blaug (2016). 14 Manstetten (2004) 79. 15 Ökonomische Hypothesen können auch dazu genutzt werden, Kausalitäten für vergangenes Geschehen herzustellen (Friedman 1966, 9). 16 Friedman (1966) 4.



Zur Begrifflichkeit 

 7

duen handeln dadurch, dass sie aus den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eine rationale Auswahl treffen, wobei sie sich in ihrer Entscheidung an den (erwarteten) Konsequenzen ihres Handelns orientieren.“17 Da Gegenstand ökonomischer Untersuchungen nicht nur das wirtschaftliche Handeln des Menschen sein kann, unterscheidet Kirchgässner „Ökonomik“ als sozialwissenschaftliche Methode von der „Ökonomie“ als der Anwendung dieser Methode auf den Bereich der Wirtschaft.18 Inwiefern ein solch umfassender Ansatz gerechtfertigt ist, wird diskutiert, ebenso wie das Verhältnis von ‚positiver‘ und ‚normativer‘ Ökonomik.19 Um das wirtschaftliche Handeln, also den Bereich der Ökonomie, wird es im folgenden gehen. Aber während Ökonomen hervorheben, daß ihre Wissenschaft primär positiver Natur ist, greifen bei Platon ‚positive‘ und ‚normative‘ Perspektive ineinander. Dies wird vor allem in den Nomoi deutlich. Denn Platons Vorschläge zur Lenkung menschlichen Handelns beruhen auf Prognosen, die aus der Analyse von ‚Ist-Zuständen‘ resultieren. Aber weil er seine Vorstellungen zum wirtschaftlichen Handeln vor allem – wenngleich nicht nur – im normativen Kontext seiner Staatsmodelle entwickelt, kann man leicht übersehen, daß die Normierungen eine Folge der Analyse von ‚Ist-Zuständen‘ darstellen, die sich hinter den Normierungen erkennen läßt – manchmal ist sie auch explizit. Bei ihm finden sich also eine explizite normative Ökonomie und eine vielfach implizite positive Ökonomie. Beides muß unterschieden werden. Daher ist es nötig, bei der Lektüre immer wieder den normativen von dem deskriptiven Aspekt zu trennen. Ich werde im folgenden sowohl von Platons ‚ökonomischen Überlegungen/ Reflexionen‘ als auch von Platons Ökonomie sprechen. Der erste Ausdruck soll dem Umstand gerecht werden, daß Platon nicht ein geschlossenes Werk mit einer systematisch und deduktiv dargestellten Wirtschaftstheorie verfaßt hat. Die Verwendung des Terminus ‚Ökonomie‘ hingegen weist darauf hin, daß es dennoch möglich ist, für Platon eine ‚ökonomische Theorie‘ zu proklamieren. Diese ergibt sich aus der Lektüre und Interpretation seiner über verschiedene Werke und in unterschiedlichen Kontexten entwickelten Überlegungen, die man zusammenführen kann.20 Allerdings ist es keine Selbstverständlichkeit, von Platons ‚Ökonomie‘ zu sprechen. Diese Problematik steht im Zusammenhang mit der Diskussion 17 Kirchgässner (2013) 2. Im Hinblick auf ein weites Verständnis von Ökonomie hat man – affirmativ und kritisch – von der Ökonomie als „Universaltheorie menschlichen Verhaltens“ gesprochen, (Manstetten 2004, 80). Vgl. unten, S. 58f. 18 Kirchgässner (2013) 2. 19 Friedman (1966) 3–7; Blaug (2016). 20 Dieser Punkt betrifft das methodische Problem, wie man die Platonischen Dialoge lesen soll. Vgl. hierzu Kapitel 4. Zu Schumpeters Dreiteilung ‚ökonomisches Denken‘, ‚Systeme der politischen Ökonomie‘ und ‚ökonomische Analyse‘ vgl. Holub (2005) 66–70.

8 

 Zur Begrifflichkeit

über den Status der antiken Wirtschaft im allgemeinen und mit der viel diskutierten Frage, ob es in der Antike überhaupt ‚ökonomische Theorien‘ gab.

3 Der Forschungskontext 3.1 Forschungen zur antiken Wirtschaft Wie die Überlegungen zur Begrifflichkeit zeigen, ist es sinnvoll, ‚Wirtschaft‘ und ‚Ökonomie‘ zu unterscheiden. Beschäftigt man sich aber mit der Forschungsgeschichte, muß man beide Bereiche in den Blick nehmen, auch wenn das Thema dieses Buches nicht die griechische oder athenische ‚Wirtschaft‘ als ein historisches Phänomen, sondern die ‚Ökonomie‘ als Reflexion darstellt. Denn beides wurde in der Forschung in engem Zusammenhang gesehen. Beispielhaft dafür ist Finleys Bewertung, aus dem – vermeintlichen – Fehlen von Ökonomie in der Antike könne man folgern, daß es die ihr zugrundeliegenden wirtschaftlichen Phänomene nicht gegeben habe. Im folgenden will ich mich auf die für die vorliegende Arbeit wesentlichen Züge der schon verschiedentlich gut aufgearbeiteten modernen Forschung zur antiken Wirtschaft beschränken.21 Der Ausgangspunkt für den Streit über den Charakter der antiken Wirtschaft war die berühmte Debatte zwischen den sogenannten Primitivisten und Modernisten. Karl Bücher hatte in seinem 1893 erschienenen Werk „Die Entstehung der Volkswirtschaft“22 die These vertreten, in der Antike habe eine auf Autarkie und Subsistenz ausgerichtete und mit anderen Haushalten nur spärlich im Austausch stehende Hauswirtschaft vorgeherrscht, die er als erste Stufe seiner drei Wirtschaftsweisen Hauswirtschaft, Stadtwirtschaft und Volkswirtschaft verstand. Daran entzündete sich die Kritik von Eduard Meyer, die er in einem Vortrag von 1895 über „Die wirtschaftliche Entwicklung des Altertums“ äußerte.23 Gegen Bücher, der seine Ansicht recht quellenfern entwickelt hatte, konnte Meyer anhand von Quellen zeigen, daß – im Gegensatz zur Auffassung seines Kontrahenten – Handel eine wichtige Rolle spielte. Meyer verglich die homerische Zeit mit dem Mittelalter und vertrat die These, in der nachhomerischen Zeit hätten sich Industrie und Handel ausgeweitet, so daß etwa die hellenistische Zeit mit dem 17. und 18. Jhdt. vergleichbar sei. Bücher hingegen rechtfertigte sich damit, seine Charakterisierung als „‚hauswirtschaftlich‘“ sei nur „‚idealtypisch‘“ zu verstehen.24 21 Für diesen Überblick waren v.a. die folgenden althistorischen Arbeiten hilfreich: Eich (2006) 7–104, der sich auch klug mit den methodischen Schwächen der referierten Positionen auseinandersetzt; Ruffing (2012) 8–14; Morris (Foreword in Finley 1999); Bresson (2007) 7–34; von Reden (2015) 89–105. 22 Bücher (1893). 23 Meyer (1895). 24 Eich (2006) 43. DOI 10.1515/9783110457070-003

10 

 Der Forschungskontext

Einen nachhaltigen Einfluß hatte im folgenden Max Webers These, der Mensch der Antike sei ein homo politicus gewesen,25 das heißt: Auch das wirtschaftliche Handeln sei von dem Primat der Politik bestimmt gewesen, auf Profit ausgerichtete Strukturen und Denkweisen hätten deshalb gefehlt. Aus diesem Grund könne man die Wirtschaft der Antike nicht mit den neoklassischen Kategorien des homo oeconomicus beschreiben, sondern nur nach soziologischen Kriterien analysieren. Auch Weber ist von althistorischer Seite der Vorwurf gemacht worden, seine Thesen ohne adäquate Quellenauswertung aufgestellt zu haben.26 Dagegen spielte die Auswertung unterschiedlicher Quellengattungen für die Vertreter einer ‚modernistischen‘ Sicht eine zentrale Rolle. Die Untersuchung von Inschriften, Papyri, Münzen und archäologischen Funden bildete auch die Grundlage für die Forschungen von Michail I.  Rostovtzeff, der 1926 eine Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Römischen Reiches und 1941 eine Wirtschaftsund Sozialgeschichte der hellenistischen Welt vorlegte.27 Allerdings litt die gesamte Debatte darunter, daß sie von den Kategorien moderner marktwirtschaftlicher Ökonomie ausging. Dies führte zu Beurteilungen, daß etwas ‚schon da war‘ oder ‚noch nicht da war‘, die aus einer problematischen, wenn auch nicht explizit gemachten „teleologische(n) Perspektive“ vorgenommen wurden.28 In einer solchen Tradition stand auch Karl Polanyi mit seinem Werk „The Great Transformation“ von 1944.29 Er vertrat die Anschauung, die antike Wirtschaft sei eine Subsistenzwirtschaft gewesen, in der über die Selbsterhaltung hinausreichende Bedürfnisse durch Tausch befriedigt wurden. Die antike Wirtschaft sei also von Redistribution und Reziprozität geprägt gewesen.30 Einen ‚Markt‘ habe es als Einrichtung der Polis gegeben; überregionale Handelsbeziehungen hätten dagegen kaum eine Rolle gespielt und seien von den Polisbürgern als bedrohlich angesehen worden. Die (vermeintliche) Bestimmung wirtschaftlicher Prozesse durch politische, soziale und kulturelle Faktoren, die die Entwicklung eines durch Preismechanismen geregelten unabhängigen Markts verhindert hätten, bezeichnete Polanyi als embeddedness („Einbettung“).31 Diese Einschätzung der antiken Wirtschaft wird inzwischen von der althistorischen Forschung als ein aus einem „idealtypischen Entwurf“32 resultierendes „quellenfernes 25 Weber (1999) 275. 26 Vgl. die Kritik von Eich (2006) 13–18 und Bresson (2007) 14–18. 27 Rostovtzeff (1926) und Rostovtzeff (1941). 28 Eich (2006) 19f. Vgl. Wieland (2012) 26f. 29 Polanyi (1944). Vgl. Eich (2006) 30–42. 30 Vgl. Schefold (1989) 53. 31 Polanyis Auffassung schließen sich Austin/Vidal-Naquet (1984) 8–10 an. 32 Eich (2006) 37.



Forschungen zur antiken Wirtschaft 

 11

Gebilde“33 beurteilt, bei dem es sich um „eine Suggestion, nicht um eine realitätsnahe Beschreibung“34 handele. Die Quellen sprächen eine andere Sprache: „Während einer Hungersnot des ausgehenden vierten Jahrhunderts trieben die Seehandelsunternehmer den Getreidepreis in Athen innerhalb kurzer Zeit (von ca.  5) auf 16 Drachmen pro Medimnos hoch,35 der Latifundist Phainippos soll zeitweise für 18 Dr./M. verkauft haben. Schon dieses Beispiel zeigt in aller Eindeutigkeit, daß von ‚Einbettung‘ (oder Reziprozität, prioritärer Orientierung am Bedarf der einzelnen Gemeinschaftsmitglieder) im Polanyischen Sinn mit Bezug auf die Polisökonomie keine Rede sein kann: Die Freiheit des Anbieters, sich an Marktchancen zu orientieren, ist hier das Basisphänomen“36. Auch wenn hier, so Eich, „vormoderne Marktphänomene (ohne Konzerne, Aktienmärkte, Gewerkschaften …)“ vorlägen, gehe es „nichtsdestoweniger um Marktphänomene.“37 Eich bringt einen anderen wichtigen Hinweis zur Methodik: Auch wenn Kleinhandel, Bankenwesen, Detailverkauf und Handwerker offensichtlich keinen hohen sozialen Status hatten, dürfe daraus nicht geschlossen werden, daß diese keine Funktion besaßen: „Das ‚Sozialprestige‘ der Besatzungen von Tankschiffen ist möglicherweise niedriger als dasjenige New Yorker Wertpapierhändler, aber niemand hat daraus bisher gefolgert, daß der Erdölhandel in der modernen Weltwirtschaft von marginaler Bedeutung sei. Ebensowenig besagt der von Verachtung geprägte Stil, in dem antike Latifundisten über (freie) Handwerker, Kleinbauern oder auch Sklaven sprachen, daß die Tätigkeit dieser Gruppen funktional-ökonomisch bedeutungslos war.“38 Unzufriedenheit mit den offensichtlich zu kurz greifenden Kategorien von ‚Primitivismus‘ und ‚Modernismus‘ führte zu dem Bestreben, antike Wirtschaft aus den vorhandenen Quellen heraus zu verstehen. So verwandte etwa Heichelheim in seiner 1938 publizierten Darstellung der antiken Wirtschaft die Kategorie von ‚Wirtschaftsstilen‘ und sah Hauswirtschaft, Stadtwirtschaft, Landwirtschaft und Volkswirtschaft in der Antike präsent.39 Diesen Ansatz griff Bertram Schefold 1994 als zielführend auf, da man so eine Untersuchung der antiken Wirtschaft

33 Eich (2006) 33. 34 Eich (2006) 39. 35 Zu den stark schwankenden Getreidepreisen vgl. auch Bleicken (1995) 136. 36 Eich (2006) 39. Vgl. auch die Kritik von Bresson (2007) 14–22. Harris (2002) 75–77 führt schlagende Beispiele für das Bewußtsein und Ausnutzen von Marktprozessen im Sinne von „determination of prices by the forces of supply and demand regardless of the scale of transactions“ an (Bohannan/Dalton 1962, 1, zitiert bei Harris 2002, 75). 37 Eich (2006) 40. 38 Eich (2006) 41. 39 Heichelheim (1938). Vgl. Ruffing (2012) 10.

12 

 Der Forschungskontext

nach modernen (und damit möglicherweise ahistorischen) Kategorien vermeide.40 Prägenden Einfluß auf die Debatte über den Charakter der antiken Wirtschaft übte der von M.I. Finley gewählte Zugang, den er in seinem epochemachenden Buch „The Ancient Economy“ (1973) entwickelte, aus.41 Insofern er die Position vertrat, in der Antike habe es keine der Moderne vergleichbaren wirtschaftlichen Strukturen gegeben, verfolgte er einen Ansatz, der gerne in die Nähe zum Primitivismus gerückt bzw. als ‚Neo-Primitivismus‘ bezeichnet wurde, auch wenn Finley selbst seinen Ansatz mit der Forderung verband, eine Terminologie und Methode, die den „antiken Erfahrungshorizonten“ entspreche, anzuwenden.42 Seine Urteile über den Charakter antiker Wirtschaft erfolgten allerdings im Rahmen eines methodisch fragwürdigen Vorgehens, das im Zusammenhang mit Platon besonders interessieren muß. Denn er schloß nicht nur aus dem Fehlen statistisch belastbarer Angaben, sondern auch aus dem Fehlen einer ökonomischen Theorie darauf, daß es die einer ökonomischen Theorie zugrundeliegenden Prozesse nicht gegeben habe. Dabei verstand er unter Ökonomie dezidiert die Theorie von Marktprozessen. Er glaubte, aus der – vermeintlichen – Tatsache, daß Begriffe wie „labour, production, capital, investment, income, circulation, demand, entrepreneur, utility, at least not in the abstract form required for economic analysis“ nicht existiert hätten und daß sie sich auch nicht ins Griechische oder Lateinische übersetzen ließen, die Schlußfolgerung ziehen zu können, die Antike habe die damit verbundenen Phänomene und Reflexionskategorien nicht gekannt.43 Ein solches Vorgehen ist methodisch problematisch.44 Darüberhinaus aber stützt sich Finley für seine These, das Fehlen einer ökonomischen Theorie (im modernen Sinne) sei nicht in einer intellektuellen Defizienz der antiken Denker, sondern in dem Fehlen der wirtschaftlichen Phänomene begründet, weniger auf Quellen als auf Autoritäten wie Hume, Salin und Roll: „Hence, too, the perennial complaints about the paucity and mediocrity of ancient ‚economic‘ writing rest on a fundamental misconception of what these writings were about.“45 Diese grundlegende Ansicht bezeichnete Finley selbst allerdings nur als „working hypothesis“: „As a working hypothesis, I suggest that 40 Schefold (1994). 41 Im folgenden richten sich die Zitate nach Finley (1999). 42 Eich (2006) 44. 43 Finley (1999) 21. 44 Vgl. auch Eich (2006) 40 Anm. 83: „Für den spezifischen Charakter der Polisökonomien hat das Fehlen einer wissenschaftlichen Fachliteratur kaum Aussagekraft. Im übrigen: Die Athener, Spartaner oder Thebaner haben keine erwähnenswerte militärische Fachliteratur hervorgebracht. Beweist das, daß sie friedlich zu Hause gesessen haben?“ 45 Finley (1999) 21.



Forschungen zur antiken Wirtschaft 

 13

such a moment46 never came in antiquity because ancient society did not have an economic system which was an enormous conglomeration of interdependent markets; that the statements by Hume and Salin, which I selected to exemplify the point, were observations about institutional behaviour, not about an intellec­ tual failing. There were no business cycles in antiquity; no cities whose growth can be ascribed, even by us, to the establishment of a manufacture … .“47 Auch Finley zufolge waren die wirtschaftlichen Prozesse von Haushalt und Polis allein subsistenzorientiert.48 Wie Weber vertrat er die Ansicht, wirtschaftliches Handeln sei in der Antike stets politisch bedingt gewesen. Nicht ‚rationale‘, also auf Gewinnmaximierung ausgerichtete, sondern andere übergeordnete Zwecke hätten es bestimmt. Darum hätten sich weder freie Märkte noch Strukturen und Organisationen wie Banken, die für die Wirtschaft der Moderne typisch sind, entwickeln können.49 Finleys Werk ist bis jetzt prägend für die Forschung zur antiken Wirtschaft. Seinen Versuch, einen Zugang zu entwickeln, der nicht von modernen Kategorien geprägt ist, hat man gewürdigt und in der Folgezeit gegen ‚primitivistische‘ Interpretationen verteidigt.50 Gleichzeitig wurde aber auch Kritik laut, daß seine Sicht zu einfach sei und den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht werde. Dies gilt zum einen für den Umstand, daß man nicht von ‚der Wirtschaft‘ der Antike sprechen kann, sondern in unterschiedliche Zeiten und Räume differenzieren muß.51 Zum anderen haben Untersuchungen erwiesen, daß Finley die Bedeutung von Strukturen und Organisationen wie Industrie, Banken, Handwerk unterschätzt hat und auch seine Vorstellung, es habe keine freien Märkte gegeben, zu kurz gegriffen ist.52 Die Frage, inwieweit die landwirtschaftliche Produktion tatsächlich, wie Finley annahm, ausschließlich auf Sklaven beruhte, wird in der rezenten althistorischen Forschung diskutiert.53 So lautet eine prinzipielle Kritik an Finleys Vorgehen, daß er seine Urteile zu apodiktisch getroffen habe und nicht 46 Gemeint ist der Übergang einer politischen Ökonomie in eine Wissenschaft. 47 Finley (1999) 22f. 48 Die Polarisierung Subsistenzwirtschaft contra Marktwirtschaft dürfte wohl zu einfach sein. Vgl. Ruffing (2012) 68f. 49 Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts werden die unterschiedlichen Richtungen in der Diskussion um die antike Wirtschaft als ‚Substantivisten‘-‚Formalisten‘-Debatte bezeichnet. Zur Begrifflichkeit vgl. von Reden (2015) 94f. 50 Vgl. Morris (1994). 51 Vgl. Ruffing (2012) 11f. 52 Vgl. Harris (2002); Bressson (2007; 2008); zusammenfassend Ruffing (2012) 11; Bresson (2016); Harris u. a. (2016). 53 Vgl. Davies (2007) 354. Vgl. auch Ruffing (2012) 54 und 64, der auf die hohen Kosten für den Erwerb und die Unterhaltung eines Sklaven hinweist: Am Ende des 5. Jhdts. v. Chr. hatten Angehörige der (reichen) attischen Oberschicht wohl maximal acht Sklaven. Zur Diskussion über

14 

 Der Forschungskontext

willens gewesen sei, sie durch antike Zeugnisse, die ihnen widersprechen, zu modifizieren.54 An dieser Stelle sei insbesondere auf den problematischen Charakter der Finleyschen Textlektüre hingewiesen, wie er sich an verschiedenen Beispielen aufweisen läßt. So differenzierte Finley nicht genügend, wo es sich in den Texten um deskriptive und wo um normative Passagen handelt, darüberhinaus war seine Textlektüre unvollständig. Ein Beispiel ist die mangelnde Berücksichtigung einer für die Frage nach der Existenz eines antiken Marktes zentralen Passage in Platons Politeia,55 ein anderes gibt Harris56 in seinem instruktiven Beitrag zur Bedeutung des Handwerks für den athenischen Markt: Am Anfang der Aristophanischen Komödie ‚Die Acharner‘ beschwört der Bauer Dikaiopolis die Zeit, in der man das Wort ‚kaufen‘ noch nicht gekannt und die Erde das, was man brauchte, hervorgebracht habe (V.  33–36). Finley verwandte diese Worte zwar, um eine Theorie über den antiken Markt aufzustellen, berücksichtigte aber nicht den Verlauf der Komödie: „Had Finley read the rest of the play, he would have discovered that Dikaiopolis does not want peace because he wants to retreat to the isolation of his autarcic homestead. Dikaiopolis makes his treaty with the enemy to reap the benefits of trade with other poleis.“57 Insgesamt kann man wohl von einer momentan differenzierten Haltung gegenüber Finley sprechen. Sein Plädoyer, man müsse antike Wirtschaft mit aus der Antike stammenden Kategorien verstehen, ist ebenso auf fruchtbaren Boden gefallen wie auch seine Sicht von der engen Zusammengehörigkeit kultureller und wirtschaftlicher Prozesse als weiterführend angesehen wird. Von seiner These, die antike Wirtschaft sei stets der Politik untergeordnet gewesen und darin bestehe der entscheidende Unterschied zwischen antiker und moderner Wirtschaft, hat man allerdings aus folgenden Gründen inzwischen Abstand genommen: Erstens dürfte es keinen Zweifel mehr geben, daß in der Antike nicht nur die Politik die Wirtschaft bestimmte, sondern daß umgekehrt ökonomische Gründe für politische Maßnahmen in der Antike gut belegt sind. So sollen, Thukydides zufolge, Spartas Alliierte auf der Bundesversammlung 432/1 v. Chr. als Grund für den (Peloponnesischen) Krieg die Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Interessen durch Athens Kontrolle der Ägäisschiffahrt angegeben haben.58 Dieser

die Bedeutung der Sklavenarbeit vgl. etwa Osborne (1991) 136–140. Zum gleitenden Unterschied zwischen Freiheit und Unfreiheit vgl. von Reden (1992) 26. 54 Vgl. Bresson (2007) 21f. 55 Vgl. unten, S. 34. 56 Harris (2002) 78. 57 Harris (2002) 78. 58 Thukydides 1,120. Vgl. Eich (2006) 50 Anm. 110.



Forschungen zur antiken Wirtschaft 

 15

Befund läßt sich durch Indizien, die uns andere literarische Werke vermitteln, bestätigen. Einen wichtigen Hinweis liefert Xenophons Oikonomikos.59 Den Ausgangspunkt dieses als Sokratischer Dialog gestalteten Werks bildet die prekäre finanzielle Situation des Kritobulos, der der reichen Athener Oberschicht angehört. Aufgrund seiner verschwenderischen Lebensweise gelingt es ihm nicht, sein Geld zusammenzuhalten, darum möchte er sich von Sokrates über eine profitorientierte Wirtschaftsweise belehren lassen. Dieser jedoch lehnt das Ansinnen mit einem Hinweis auf sein eigenes Unvermögen ab und gibt stattdessen ein Gespräch wieder, das er vor einiger Zeit mit dem als vorbildlich (kaloskagathós) geltenden Ischomachos geführt habe. Jener habe ihn – Sokrates – belehrt, wie er seinen Betrieb gewinnorientiert führe. Unter anderem stellte ihm Ischomachos die Vorgehensweise seines Vaters als vorbildhaft hin. Dieser, so Ischomachos, habe „aus Liebe zur Landwirtschaft und zur Arbeit“ (20,25: δία τὴν φιλογεωργίαν καὶ φιλοπονίαν) heruntergekommenes Land aufgekauft, wieder in Schuß gebracht und dann weiterverkauft. Sokrates reagiert ironisch und weist darauf hin, daß Ischomachos’ Vater nichts anderes getan habe als die Getreidehändler, die aus ‚Liebe zum Getreide‘ (20,27: φιλόσιτοι) Getreide an Orten, an denen es keines gebe, besonders gerne verkauften. Die Erzählung und die Ironie des Sokrates, die Ischomachos durchschaut (20,29: παίζεις), lassen erkennen, daß Gewinnorientierung, Ausrichtung am wirtschaftlichen Maximum, Ausnutzung von Notsituationen, Kenntnis und Ausnutzung ‚marktwirtschaftlicher Gesetze‘ durchaus verbreitet waren. Einen Hinweis darauf, daß ein solches Verhalten üblich war, bietet Sokrates’ Verallgemeinerung, alle liebten von Natur aus (φύσει) das, woraus sie Nutzen ziehen könnten (20,29). Einen ganz deutlichen Beweis dafür, daß die Ausnutzung von ‚Marktgesetzen‘ im 4. Jhdt. v. Chr. gang und gäbe war, bietet auch die Kritik des athenischen Gesprächspartners an der Praxis der Monopolbildung in Platons Nomoi (XI 918A–920C).60 Er demonstriert sie an dem Gebaren eines Herbergbesitzers, der die einsame Lage seiner Unterkunft durch Wucherpreise auszunutzen weiß. Diese Passage ist insofern besonders aufschlußreich, weil Platons Gesprächsführer ein solches auf Maximalgewinn zielendes Verhalten explizit mit den Gepflogenheiten der Gastfreundschaft kontrastiert, die eigentlich vorsehen, den in die Einsamkeit verirrten Fremden freundlich aufzunehmen und ihn mit Gastgeschenken zu versehen, anstatt ihm noch etwas wegzunehmen. Was hier ganz deutlich wird, ist, daß Gewinnmaximierung unter Ausnutzung von Mangelsituationen eine durchaus übliche Erfahrung war. Anderenfalls müßte Platon seine Dialogfiguren nicht mit solcher Vehemenz dagegen antreten lassen bzw. würde und könnte er 59 Zur Analyse dieses Werks vgl. Föllinger (2006b). 60 Vgl. hierzu unten, S. 16 und 143.

16 

 Der Forschungskontext

nicht gerade ein solches Beispiel wählen, dessen rhetorische Gestaltung darauf hinweist, daß der Rezipient die Pointe sofort verstand. Diese Art von Hinweisen möchte ich als Indizien ex negativo bezeichnen, die, gerade weil sie ein positives normatives Gegenbild aufbauen, einen Rückschluß auf reales wirtschaftliches Handeln zulassen. An diesen Beispielen läßt sich auch die Differenz und gleichzeitig die Verbindung von wirtschaftlichem Handeln, ‚positiver Ökonomie‘ und ‚normativer Ökonomie‘ fassen: Platons und Xenophons Ökonomie gehen hier von einer bestimmten Art wirtschaftlichen Handelns aus, das offensichtlich Realität war. Es ist die Orientierung des Individuums am Eigennutz in Form von Gewinnmaximierung des einzelnen. Wir finden hier, modern gesprochen, eine Art von homo oeconomicus vor, der die ihm verfügbaren Informationen im Sinne eines – in der modernen ökonomischen Terminologie – ‚rationalen‘ Handelns nutzt.61 Der Duktus der Passage macht klar, daß dieses Verhalten als normal betrachtet wird. Denn die Gesprächspartner des Dialogs gehen von dem allgemein schlechten Ruf des Handels aus, der daher rührt, daß sich die mit ihm Befaßten in der Regel so verhalten. Darauf, daß es als Normalität galt, verweisen ebenfalls sowohl die Generalisierung des Xenophontischen Sokrates als auch Platons Anthropologie, derzufolge fest mit einem eigennützigen Verhalten des Menschen zu rechnen ist.62 Aus ihrer Analyse leiten beide Denker nun Regelungen für ein nach ihrer Ansicht gutes wirtschaftliches Handeln ab, betreiben also ‚normative Ökonomie‘: Platon setzt den kulturellen Code der Gastfreundschaft gegen ein die Monopolstellung ausnutzendes Verhalten. Er fordert zwar nicht eine Rückkehr zu einer ausschließlich von Normen der Gastfreundschaft geprägten Gesellschaft, wohl aber die Steuerung des wirtschaftlichen Handelns des Individuums durch eine Vielzahl von Regeln unterschiedlicher Art. Bei Xenophon ist die Sachlage insofern etwas komplizierter, als er den Oikonomikos offensichtlich durchaus als eine Art Anleitung für eine profitable Betriebsführung gedacht hat, aber den Dialogpartner Sokrates auf versteckte Weise die Prinzipien eines solchen Ziels gleichzeitig partiell ironisieren und damit eine alternative ‚sokratische‘ Wertewelt erkennen läßt.63 Die Beispiele verdeutlichen, wie wichtig eine sorgfältige Lektüre der Werke, die sich mit ökonomischen Fragen befassen, ist. Zieht man die unterschiedlichen literarischen Formen, in denen Platon, Aristoteles und Xenophon schrieben, in Betracht und interpretiert in der beschriebenen Weise die Texte adäquat, so geben sie uns mehr Aufschluß über reales wirtschaftliches Handeln und eine darauf aufbauende ökonomische Analyse, als man auf den ersten Blick vermuten 61 Zum Begriff der Rationalität vgl. unten, S. 54–56. 62 Vgl. hierzu unten, S. 49–54. 63 Vgl. hierzu Föllinger (2006b) 19–23.



Forschungen zur antiken Wirtschaft 

 17

könnte und vermutet hat. Dabei gilt es vor allem, zwischen der Ebene des IstZustandes und der des Soll-Zustandes zu unterscheiden. Tut man dies, so erkennt man, daß die ‚politische Einbettung‘ bei Platon nicht daher rührt, daß im klassischen Athen die Politik die Wirtschaft bestimmte, sondern weil – im Gegenteil – Platon gerade die potentielle Problematik eines ‚freien Marktes‘ erkannte und, ausgehend von dem Modell eines in der Regel am Eigennutz orientierten Menschen, dem etwas entgegenzusetzen suchte. Dies wird im Verlauf der vorliegenden Untersuchung noch detaillierter zu betrachten sein. Dieser Blick auf die literarischen Zeugnisse für Wirtschaft und ökonomisches Denken zeigt meines Erachtens, daß man durch eine differenzierte Lektüre auch Aufschluß über Wirtschaft als historische Realität bekommen kann. Dagegen scheint mir Skepsis geboten gegenüber der Verabsolutierung von Erklärungsansätzen, die Texte als Repräsentationen kultureller Diskurse lesen, so daß die reichtumskritischen Äußerungen, wie sie sich bei Platon und Aristoteles finden, als Ausdruck des Unwillens einer ‚aristokratischen Klasse‘ gegenüber dem Einfluß von ‚Neureichen‘ zu verstehen seien, also Teil eines Statusdiskurses bildeten, aber keinen Aufschluß über reale wirtschaftliche Verhältnisse zuließen.64 Diese Vorsicht gilt auch für die Ansicht, „ruling ideas do tend to be the ideas of a society’s rulers“, wie Paul Cartledge sie mit Bezugnahme auf Finley äußert,65 zumal seine Begründung einen tautologischen Charakter hat: „Certainly, there were those outside the ruling classes or élites of ancient Greece who adhered to alternative ideologies, but as long as politics dominated economics and traditional landed property-owners dominated politics, ‘commercial’ or ‘market’ mentalities or ideologies were not actually going to prevail.“66 Hier wird vorausgesetzt, daß die Wirtschaft der Politik untergeordnet war. Dies müßte aber erst bewiesen werden bzw. dies wird in der althistorischen Forschung angezweifelt.67 Überdies zeigt die Lektüre der Platonischen und Aristotelischen Werke, daß ihre Forderung nach Unterordnung der Wirtschaft unter die Politik eine Reaktion auf als unbefriedigend empfundene Umstände darstellt. Sie ist also gerade nicht ein Abbild der Realität, läßt aber durch sorgfältige Interpretation Rückschlüsse auf die Realität zu. Insgesamt ist eine Nivellierung der Autoren, die sich zu Ökonomie geäußert haben, indem man auf eine gemeinsame Klassenzugehörigkeit

64 Vgl. Dougherty/Kurke (1993). Eine Auseinandersetzung damit bei Morris (1994) 351f. Vgl. auch Kurke (2002) zur Beurteilung von Themistokles’ wirtschaftlichem Handeln in verschiedenen literarischen Werken. 65 Cartledge (1998) 8. 66 Cartledge (1998) 8. 67 Vgl. die Diskussionen bei Eich (2006) und Ruffing (2012). Siehe oben, S. 12–14.

18 

 Der Forschungskontext

hinweist, meines Erachtens nicht zielführend.68 Denn zum einen gehörte etwa Aristoteles, selbst ein Metöke, nicht zur ‚politischen Klasse‘ Athens. Er konnte also weder Landbesitz haben noch politischen Einfluß ausüben. Xenophon selbst war lange Zeit verbannt. Daß Platons Überlegungen irgendeinen Einfluß auf die Realpolitik ausübten, ist umstritten und dürfte weniger wahrscheinlich sein.69 Auch repräsentiert seine Reichtumskritik nicht eine allgemeine Ansicht der athenischen Oberschicht, sondern kritisiert sie, wie eine aktuelle Arbeit von Anna Schriefl gezeigt hat.70 Darüberhinaus weisen Xenophon und Platon einen unterschiedlichen Fokus auf und gelangen auch zu unterschiedlichen Resultaten, was die Normierung wirtschaftlichen Handelns angeht.71 Dem läßt sich hinzufügen, daß Xenophon in seinen Poroi sogar eine Besserstellung der Metöken vorschlägt, was nicht gerade eine allgemeine Ansicht der athenischen Oberschicht und ‚leader group‘ widergespiegelt haben dürfte. Im Gegensatz dazu überläßt Platon in den Nomoi den Metöken als einer nicht zu den Bürgern gehörenden Gruppe das wirtschaftliche Handeln. Während Xenophon in den Poroi eine profitablere Nutzung der athenischen Silberbergwerke fordert, gibt es im Staat der Nomoi kein Silbergeld und wird der Ausbau von Silbergewinnung und Goldgewinnung überhaupt als nicht erstrebenswert betrachtet (V 742D). Dies sind nur einige wenige Einwände gegen eine Sicht, die die Äußerungen verschiedener antiker Autoren ‚über einen Kamm scheren‘ will. Eine weitere Kritik an Finleys Position merkt an, daß Phänomene, die aus Sicht des modernen Ökonomen ‚irrationales‘ Handeln offenbaren, wie etwa die zentrale Stellung des Landbesitzes als Einkommensquelle, durchaus nicht nur kulturelle Gründe haben – die Besitzer müssen nicht selbst arbeiten –, sondern auch ökonomisch begründet sein können: Einkommen aus Landbesitz zu beziehen war weniger riskant als andere Einkommensquellen, und die Arbeitskraft war billig.72 Ferner aber ist die Bedeutung politischer und kultureller Faktoren für wirtschaftliches Handeln kein Phänomen antiker Wirtschaft, sondern gilt auch für die Moderne. Ein Grieche der Klassischen Zeit wäre – so Eich – wohl auf Unverständnis gestoßen, wenn er sein Land verkauft und ein bezahltes Arbeitsverhältnis aufgenommen hätte, wie es umgekehrt in unserer Gesellschaft eine Forderung darstellt, daß der einzelne arbeiten muß und die Arbeitslosigkeit mit einem

68 Vgl. auch die Problematisierung bei Cartledge (1998) 8. 69 Vgl. Trampedach (1994), vor allem 278–283. 70 Schriefl (2013a). 71 Vgl. unten, S. 27 mit Anm. 126. 72 Eich (2006) 51.



Forschungen zur antiken Wirtschaft 

 19

sozialen Stigma behaftet ist.73 Daß Politik und Wirtschaft auch in der Moderne eng zusammenhängen, beweisen Versuche, politisches Wohlverhalten durch wirtschaftliche Maßnahmen zu beeinflussen, wie etwa im Fall der Ukrainekrise. Schließlich haben Untersuchungen ergeben, daß es wirtschaftliche Prozesse, wie Finley sie abstritt, gab.74 So betont Ruffing auf der Grundlage von Bresson,75 daß die antike Polis sehr wohl Wirtschaftspolitik betrieb, indem sie den Schutz des Eigentums garantierte und den institutionellen Rahmen für Austauschbeziehungen im Inneren und nach außen bereitstellte. Dazu gehört, daß als Raum wirtschaftlicher Transaktionen die agorá und als Ort des Außenhandels das empórion festgesetzt war, daß es staatliche Münzprägung gab, daß Agoranomen Preiskontrollen durchführten und daß mit Anreizen wie etwa Privilegien und Vorschriften zum Zoll gearbeitet wurde.76 Die Reglementierung von Preisen von seiten der Polis ist Beweis für die Einsicht in Marktgesetzlichkeiten. Da also auch Finleys Ansatz einer kategorialen Scheidung in eine kapitalistische und eine vorkapitalistische Wirtschaft letztendlich keinen Schlüssel für ein adäquates Verständnis antiker Wirtschaft bot,77 suchte und sucht man nach anderen Möglichkeiten,78 antike Wirtschaftsweisen besser zu verstehen, anstatt ihre Kennzeichen nur in Abgrenzung von moderner Wirtschaft zu gewinnen.79 Ein aktueller, in den Forschungen der Alten Geschichte nutzbar gemachter Ansatz ist die wirtschaftswissenschaftliche Theorie der ‚Neuen Institutionenökonomik‘.80

73 Eich (2006) 55. Zur Problematik des Begriffs ‚Arbeit‘ vgl. von Reden (1992). 74 Vgl. zu der bereits angeführten Literatur auch Harris (2002), der die Bedeutung der Spezialisierung des Handwerks (in Form einer ‚horizontalen‘ Spezialisierung) für die athenische Wirtschaft herausarbeitet und aufzeigen kann, daß ein Großteil der athenischen Bevölkerung nicht in der Landwirtschaft tätig war. Diese Diversifizierung habe auch zur räumlichen Aufteilung des Marktes auf der agorá geführt (74f.). Harris gibt eine lange Liste der unterschiedlichen Tätigkeiten (88–99). 75 Bresson (2000). 76 Ruffing (2012) 69–72. Vgl. auch von Reden (2010) 31f. 77 Zur kritischen Würdigung der Verdienste und Defizite von Finleys Werk vgl. neben Morris (1994) und Cartledge (1998) auch Scheidel/von Reden (2002b). 78 Vgl. Bresson (2007) 20–22. 79 Vgl. etwa Pleket (1990) 25–160. 80 Vgl. Morris (2002); Bresson (2007) 23–36; Scheidel u. a. (2007); Ruffing (2012) 12f.; Günther (2012b); von Reden (2015) 91, 102–104.

20 

 Der Forschungskontext

3.2 Der Ansatz der Neuen Institutionenökonomik Die Neue Institutionenökonomik entwickelte sich81 in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Reaktion auf Defizienzen des neoklassischen Ökonomiekonzepts.82 Dieses geht von der Annahme aus, daß der einzelne bei seiner wirtschaftlichen Entscheidung ein ‚rationaler Nutzen-Maximierer‘ ist, das heißt: Er trifft seine Entscheidung unter Auswertung aller Informationen und auf der Grundlage eines auf maximalen Nutzen angelegten Kalküls unter Ausklammerung anderer Gesichtspunkte. Weil alle so handeln, stellt sich auf dem Markt ein Gleichgewicht her. Dieses neoklassische Modell kann aber in vielen Fällen die Realität nicht adäquat wiedergeben. So widerspricht der Annahme eines auf dem ‚rationalen‘ wirtschaftlichen Handeln des einzelnen beruhenden Funktionieren des Marktes die alltägliche Erfahrung, aber auch die Existenz von Firmen, die – neben anderem – Ausdruck dafür ist, daß das Marktgeschehen nicht von allein gelingt. Darum besteht das Ziel der Neuen Institutionenökonomik darin, mehr Parameter, die für die wirtschaftlichen Entscheidungen von Individuen eine Rolle spielen, zu berücksichtigen. Der Ausgangspunkt sind menschliche Interaktionen, die die Neue Institutionenökonomik als „Transaktionen“ bezeichnet und für deren Gelingen ein Informationsaustausch nötig ist.83 Dieser gelingt nie vollständig, so daß die Transaktionen mit Unsicherheit behaftet sind. Institutionen dienen dazu, dennoch ein mögliches Maß an Sicherheit zu schaffen. Institutionen sind sowohl formale Regeln als auch informelle Normen und die ihrer Implementierung dienenden Maßnahmen,84 also etwa Verträge, Gesetze, religiöse Vorschriften, aber auch nicht-kodifizierte Regeln wie Traditionen, Verhaltenscodes u.  a., deren NichtBeachtung mit Sanktionen verbunden ist.85 Da Sanktionen einen wichtigen Bestandteil von Institutionen darstellen, ist es bei der Analyse von Institutionen wichtig zu beachten, auf welche Weise die Regelübertretung bestraft wird, oder in der ökonomische Ausdrucksweise: wie hoch die Kosten für jemanden, der die 81 Im Unterschied zur Institutionenökonomik knüpft die Neue Institutionenökonomik an die Theorie der Neoklassik an, vgl. hierzu Söllner (2012) 124. 82 Zur Einführung in die Neue Institutionenökonomik siehe North (1988); North (1992); Furubotn/Richter (2005); Erlei u. a. (2007); Voigt (2009); Bresson (2016) 15–27. 83 Vgl. Bresson (2016) 19: „Transactions, which as a set are nothing more than what is ordinarily called social life, presuppose exchanges of information.“ 84 North (1988) 211; North (1992) 4; Erlei u. a. (2007) 22–27. 85 Der Begriff „Institution“ (englisch „institution“) unterscheidet sich also von der alltagssprachlichen Verwendung von ‚Institution‘ im Sinne staatlicher Einrichtungen. Bei diesen handelt es sich um „Organisationen“, vgl. North (1992) 5; Voigt (2009) 79.



Der Ansatz der Neuen Institutionenökonomik 

 21

Regel nicht einhält, sind. Aus diesem Grund vergleicht Douglass North Institutionen mit Spielregeln, wie man sie vom Sport kennt.86 Institutionen können ‚geschaffen‘ sein wie das Grundgesetz Deutschlands oder ‚gewachsen‘ wie bestimmte sittliche Normen. Manche Regeln sind von übergeordneten Regeln abhängig, wie etwa einzelne Gesetze im Rahmen einer bestimmten Verfassung erlassen werden. Regeln können informell oder formalisierter Natur, kodifiziert, sein. Kulturelle Normen können kodifizierte Gesetze beeinflussen.87 Regeln sind veränderbar und sind deshalb bei der Frage, wie man menschliches Handeln steuern kann, von Interesse. Denn menschliches Handeln ist aus ökonomischer Sicht nur mit Hilfe von durch Regeln auferlegten Beschränkungen (Restriktionen) veränderbar, indem diese in die Parameter88 des Handelns eingreifen.89 Institutionen sind auch ein Faktor von Transaktionen. Denn Transaktionen haben Kosten. Das wird beispielsweise deutlich in dem Moment, da staatliche Instanzen oder Gerichte, die Geld kosten, eingeschaltet werden, aber auch andere Transaktionen sind mit – nicht unbedingt pekuniären – Kosten verbunden. Beispiele dafür sind etwa der staatliche Schutz für die Einhaltung von Verträgen oder Abzahlung von Krediten. Wenn solche Abmachungen, die mündlich oder schriftlich erfolgen können, verletzt und Gerichte eingeschaltet werden, um die Konflikte zu lösen, ist dieses Vorgehen mit pekuniärem und personellem Aufwand verbunden. Funktionieren Verträge innerhalb einer Gesellschaft nur durch Handschlag und gegenseitiges Vertrauen, weil religiöse oder soziale Institutionen diese Transaktionen verbindlich regeln und alle sich an die Regeln halten, ist es kostengünstiger, als wenn man einen großen Apparat an Gerichten und anderen Organen vorsehen muß und diese vielfach zum Zuge kommen müssen. Transaktionskosten sind also ein wichtiger Aspekt der Neuen Institutionenökonomik. Aber der institutionenökonomische Ansatz findet nicht nur im wirtschaftlichen Bereich Anwendung. Vielmehr wird auch die Wirkweise politischer Institutionen untersucht und geprüft, welche Anreize auf politische Akteure wirken.90 Insgesamt kann man folgende Schwerpunkte der Neuen Institutionenökonomik 86 North (1992) 4. Zur Problematik des ‚Altruismus‘ im neoklassischen Modell vgl. North (1988) 11f. und unten, S. 56–59 und 63–69. 87 Zur Vielfalt von Institutionen vgl. Erlei u. a. (2007) 22–26. 88 Ostrom spricht von „sets of actions“: „Rules specify sets of actions or sets of outcomes …“ (Ostrom 1986, 6). Vgl. die Unterscheidung von „rules“ auf der einen Seite und „physical and behavioural laws“ auf der anderen Seite bei Ostrom (1986) 5. 89 Vgl. hierzu unten, S. 56f. 90 Vgl. hierzu Erlei u. a. (2007) 41–43, die eine klare Übersicht der unterschiedlichen Zweige der Institutionenökonomik bieten.

22 

 Der Forschungskontext

ausmachen:91 Bei der Analyse von Institutionen, die für das Marktgeschehen Bedeutung haben, steht die Transaktionskostenanalyse im Mittelpunkt und die Frage, welche Faktoren im Zusammenspiel des Arbeitslebens für Sicherheit sorgen können: Mit welchen Maßnahmen kann etwa ein Chef (in der institutionenökonomischen Ausdrucksweise ein ‚Prinzipal‘) dafür sorgen, daß ein Arbeiter oder Angestellter (ein ‚Agent‘), dessen Verhalten er nicht genau vorausberechnen kann, im Sinne des vereinbarten Zieles arbeitet? Bei der Analyse von in der Politik wichtigen Institutionen steht die Frage im Mittelpunkt, wie das Verhältnis von Anreiz und politischem Handeln ist. Dabei gibt es auch eine normative Ausrichtung der Institutionenökonomik, die die Erkenntnis über das Verhältnis von Restriktionen und Anreizen zur politischen Lenkung einzusetzen versucht. Für die Geschichtswissenschaft bildet die Neue Institutionenökonomik einen fruchtbaren Ansatz. Denn sie erlaubt durch die Integration der genannten Faktoren, verschiedene Weisen wirtschaftlichen Handelns wertfrei zu untersuchen, gleichgültig, ob für das Handeln der Wirtschaftssubjekte Profitmaximierung, religiöse Vorstellungen, soziale Vorgaben oder eine Kombination verschiedener Motive ausschlaggebend sind. Damit bietet sie eine adäquate Zugangsweise für historische Analysen, da sie es möglich macht, die Wirtschaftsprozesse unterschiedlicher Epochen zu vergleichen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten ohne teleologische Werturteile zu benennen: „La tâche de l’analyste n’est donc pas de porter un jugement de valeur, d’établir une frontière entre «sociétés de rationalité» et «sociétés d’irrationalité économique». Elle est d’abord de décrire la logique d’un système institutionnel et éventuellement d’établir de manière comparative son degré de performance. On voici ainsi qu’on doit donner de l’économie, comme discipline, une définition différente de celle qui avait été rappelée initialement.“92 Douglass North93 hat die Methode der Neuen Institutionenökonomik in der Geschichtswissenschaft etabliert, um Wandelprozesse erklären zu können. In der Alten Geschichte haben sie u. a. Kehoe, Silver, Bresson und Ober fruchtbar gemacht.94 So hat etwa Silver gezeigt, daß man die religiöse Kontextualisierung des Marktgeschehens auf dem Forum Boarium als Maßnahme zur Senkung von Transaktionskosten verstehen kann.95 Auch den Eid, der in der Antike eine wich-

91 Erlei u. a. (2007) 41f. 92 Bresson (2007) 31. Andere für die Forschungen zur antiken Wirtschaft aktuelle Ansätze nennt Ruffing (2012) 13, der von einer „Pluralität des Zugangs“, die die frühere Dichotomie abgelöst habe, spricht. 93 North (1988). 94 Kehoe (1992); Silver (1995); Bresson (2007; 2008); Ober (2010). 95 Silver (1995) 7f.



Forschungen zur Ökonomie Platons 

 23

tige Rolle spielte, versteht er in diesem Sinne:96 Der Eid als Maßnahme, eine Regel durchzusetzen, ist kostengünstiger als organisations- und kostenaufwendige Sanktionen. Vor diesem Hintergrund ist die in Platons Nomoi geäußerte Skepsis gegenüber dem Eid als einem verläßlichen Mittel sozialer Interaktion von besonderem Interesse, wie noch zu sehen sein wird.97 Der Ökonom Carl Hampus Lyttkens hat die Interdependenz von Institutionen und Wirtschaftsleistung Griechenlands, vor allem Athens, untersucht98 und die These aufgestellt, daß sein Wirtschaftswachstum, das man vor allem im 4. Jhdt. v.  Chr. verzeichnen könne, auf Institutionen im Bereich der Besteuerung und des Marktes beruhte. Daraus folgert er, daß den Athenern der Zusammenhang bekannt gewesen sei,99 und bezieht auf diese Weise klar Stellung gegen eine Anschauung wie diejenige Finleys, derzufolge die Griechen nicht über theoretische ökonomische Kenntnisse verfügt hätten. Insgesamt läßt sich feststellen, daß der Ansatz der Neuen Institutionenökonomik in der Alten Geschichte zur Untersuchung realer wirtschaftlicher Verhältnisse fest etabliert ist. Dagegen betritt man mit seiner Anwendung auf die theoretischen Konstruktionen Platons Neuland.

3.3 Forschungen zur Ökonomie Platons Im Vergleich mit der antiken Wirtschaft ist die Forschungslage zur antiken Wirtschaftstheorie spärlicher und auch noch nicht umfassend dokumentiert,100 so daß hier einige, für die vorliegende Untersuchung wesentliche Punkte genügen müssen. Zwar gibt es Arbeiten, die sich mit einzelnen Denkern und Ansätzen beschäftigen,101 aber eine systematische Aufarbeitung antiker Wirtschaftstheorien fehlt. Selbst ein Werk, das die Ansätze des 4. Jhdts. v. Chr., die Platon, Xenophon und Aristoteles sowie die Ps.-Aristotelischen Oikonomika bieten, vergleichend untersuchen würde, existiert nicht.102 Versucht man eine Skizze des Forschungsstandes,103 so ergibt sich folgendes Bild: 96 Silver (1995) 10–18. 97 Vgl. unten, S. 151–156. 98 Lyttkens (2013). 99 Lyttkens (2013) 126f. 100 Einen Ansatz stellt die Bibliographie von Baloglou/Peukert (1996) dar. 101 Lowry (1987); Schefold (1989); Wieland (2012). 102 Vgl. auch Zoepffel (2006) 172 Anm. 267. 103 Einen Einblick in die Geschichte der Lehrbücher zur Geschichte der Ökonomik allgemein gibt Holub (2005) 75–89.

24 

 Der Forschungskontext

Forschungsstimmen, die der Antike – mit der Ausnahme von Ansätzen bei Aristoteles104 – ökonomische Analyse absprachen, überwogen bis vor kurzem.105 Die Begründungen waren unterschiedlicher Art, konnten aber ineinandergreifen. Ein Argument war, die antiken Philosophen hätten kein Interesse an der Reflexion wirtschaftlicher Prozesse gehabt, weil sie unter dem Primat der Ethik standen.106 Damit zusammen hing die Auffassung, wirtschaftstheoretische Überlegungen hätten sich in der Antike nicht herausgebildet, weil die Eigenständigkeit des wirtschaftlichen Bereichs nicht erkannt worden sei.107 Finley stritt der Antike Marktwirtschaft und ökonomische Reflexion ab,108 wobei er, wie oben gesehen,109 umgekehrt vorging: Das Fehlen einer antiken ökonomischen Literatur lasse darauf schließen, daß es in der Antike von politischen Parametern unabhängige Marktprozesse nicht gegeben habe.110 Dem homo oeconomicus der Neuzeit stehe der homo politicus der Antike gegenüber. Beide Urteile sind nicht zu halten – und zwar nicht nur dann, wenn man ihre Verwendung ahistorischer Kategorien kritisiert,111 sondern selbst dann, wenn man sie nach den Kriterien moderner Ökonomie bemißt. Denn die Theoretiker des 4. Jhdts. v. Chr. reflektieren, wie die oben genannten Beispiele zeigen,112 sehr wohl marktwirtschaftliche Prozesse.113 Dies geschieht nicht in Form explizierter mathematischer Modelle.114 Aber eine Reflexion von Marktprozessen kann auch

104 Polanyi (1957); Schumpeter (1965) 100, der von der „embryonalen ‚reinen‘ Ökonomie des Aristoteles“ spricht. Zur Literatur über Aristoteles vgl. etwa Schefold (1989) 51–53. 105 Vgl. Schefold (1989) 19–22; Helmer (2010) 12–14. 106 Stellvertretend kann man Piérarts (1974, 466) Bewertung zitieren: „On l’a souvent répeté, les préoccupations des penseurs politiques grecs sont, avant tout, d’ordre moral. Les difficultés politiques, sociales et économiques que connaissent les cités grecques leur apparaissent comme la manifestation d’une corruption dont l’amour des richesses est le facteur principal. Platon n’échappe pas à la règle générale. La place minime qu’il donne aux questions relatives à l’organisation financière de sa cité prouve suffisament combien il est insensible à cet aspect de la crise des cités helléniques.“ Vgl. Engels (1988) 102; Morris (1994) 354. 107 Polanyi (1979) 154–156. 108 Vgl. Finley (1999) 17–34. Zu Polanyi und Finley vgl. Schefold (1989) 53. 109 Vgl. oben, S. 12. 110 Vgl. Finley (1999) 21–24. 111 Daß die moderne Erwartungshaltung an antikes ökonomisches Denken ahistorisch ist, hat die Forschung der jüngeren Zeit betont (Lowry 1987, 76–81; Zoepffel 2006, 55–65; Audring/Brodersen 2008, 7–10; Wieland 2012, 8–10). 112 Vgl. oben, S. 14–17. 113 Finleys Urteil war ein methodischer Fehlschluß. Vgl. auch die Kritik von Cartledge (1998) 7 an Finleys methodischem Vorgehen. 114 Inwiefern Regelungen, die Platon in den Nomoi entwirft, in mathematische Modelle umsetzbar sind, ist ein Aspekt der ökonomischen Analysen des Marburger Platon-Projekts.



Forschungen zur Ökonomie Platons 

 25

dann erfolgen, wenn man diese nicht mathematisiert, und ist dennoch Ökonomie, legt man die oben gegebene Bestimmung von Ökonomie zugrunde. Daß Platon auch ohne Mathematisierung Modelle benutzt, bei denen er von einer gewissen Regelmäßigkeit von Prozessen in Abhängigkeit von bestimmten Faktoren ausgeht, wird unten zu sehen sein.115 Darüberhinaus ist es notwendig, die Reflexionen, die Platon, Xenophon und Aristoteles bieten, als je eigenständige Ansätze zu lesen, die zum Teil unterschiedliche Facetten von Ökonomie behandeln. So interessieren sich Platon und Aristoteles weniger für die Aspekte der Haushaltsökonomik, wie sie Xenophon darstellt, dessen Oikonomikos eine Anleitung zur profitablen Bewirtschaftung der Betriebseinheit ‚oíkos‘ geben möchte.116 So wie sich in der althistorischen Forschung die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß im Zentrum die differenzierte Untersuchung der vorliegenden Quellen stehen muß, ist für die Untersuchung der ökonomischen Überlegungen antiker Autoren eine genaue, differenzierte und die Eigenheiten der Texte berücksichtigende Lektüre geboten. Dabei ist es wiederum ein Fehlschluß, zu glauben, weil sich die Überlegungen in normierenden Zusammenhängen finden, würden die Autoren die Prozesse nur unter ethischem Blickwinkel betrachten und hätten deshalb kein Verständnis für die Unabhängigkeit marktwirtschaftlicher Prozesse. Wie bereits die obigen Beispiele zeigen konnten,117 muß man genau das Umgekehrte annehmen: Die Versuche der Normierung bei Platon sind ein Resultat der Erkenntnis, daß marktwirtschaftliche Prozesse sich verselbständigen. Daraus resultiert seine Forderung einer politischen Reglementierung des wirtschaftlichen Bereichs. Aber seine Ausführungen sind nicht als Beschreibung eines IstZustandes der ‚Embeddedness‘ zu lesen.118 Weiterführend war der Ansatz von Lowry,119 der eine ‚Archäologie‘ ökonomischen Denkens in der Antike versuchte und den von Xenophon und Platon geleisteten Beitrag in ihrer Behandlung wirtschaftlicher Probleme unter dem Aspekt der Verwaltung sah. Wichtig sind aber vor allem die Perspektive von Schefold, der vorschlug, im Sinne einer wertfreien Analyse das Konzept von Wirtschafts-

115 Vgl. unten, S. 85–87. 116 Vgl. hierzu Föllinger (2006b). Zu der sog. ‚Ökonomischen Literatur‘, also Xenophons Oiko­ nomikos und die Ps.-Aristotelischen Oikonomika, vgl. Föllinger (2014) mit weiterer Forschungsliteratur. 117 Vgl. unten, S. 43–48. 118 Nur vereinzelt gab es Stimmen, die darauf hinwiesen, daß man in der Antike sehr wohl das Bewußtsein für die Eigenständigkeit wirtschaftlicher Prozesse gehabt (Wieland 2012, 42) und Marktprozesse erkannt habe. Für Platon vgl. etwa Schefold (1989) und Schofield (1993). 119 Lowry (1987).

26 

 Der Forschungskontext

stilen zu verwenden,120 sowie die Herangehensweise von Wieland, der versucht, Kategorien aus den antiken Texten selbst zu erarbeiten.121 Aber es gibt auch vereinzelt Ansätze, die erkennen, daß in der antiken Wirtschaftstheorie durchaus auf aus der Moderne bekannte Prozesse reflektiert wird. Hierzu gehört Schefolds Untersuchung,122 die Platon und Aristoteles als Kritiker marktwirtschaftlicher Prozesse betrachtet. Als Schlußfolgerung läßt sich festhalten: Offensichtlich können wir erwarten, daß Autoren des 4. Jdhts. v. Chr. sowohl über Gegebenheiten, die uns auch in der Moderne geläufig sind, wie Eigennutz, Marktgesetzlichkeiten, Preise, reflektieren als auch einen Blickwinkel einnehmen, der sich von dem unseren – zumindest partiell – unterscheidet. Platon spielte bei der Beschäftigung der modernen Forschung mit antiken ökonomischen Theorien lange Zeit eine marginale Rolle, obwohl ihm immer wieder ein gewisser Platz in der Geschichte der Ökonomie zugewiesen wurde.123 Hierfür sind meines Erachtens verschiedene Gründe, die ineinandergreifen, auszumachen. Sie liegen zum einen in der bereits skizzierten Problematik, die sich mit der Diskussion über die antike Wirtschaft im allgemeinen und mit der Frage, ob es in der Antike überhaupt ‚ökonomische Theorien‘ gab, verbindet. So bezog die Einschätzung,124 die Autoren der klassischen Periode hätten nur in politischen bzw. ethischen Kategorien gedacht oder man habe aufgrund der Subsistenzwirtschaft kein Interesse an ‚wirklicher Ökonomie‘ gehabt, auch Platon mit ein.125 Ebenso traf und trifft man immer wieder auf eine mehr oder minder pauschale, biographistisch orientierte (Ab)qualifizierung, die die in den Dialogen entwickelten ökonomischen Überlegungen oder Teile von ihnen mit der konservativen bzw. reaktionären Ansicht des aristokratischen Autors gleichsetzt, so, als

120 Schefold (1994). 121 Wieland (2012). Der jüngst (2013) von De Gennaro/Kazmierski/Lüfter herausgegebene Sammelband vereint epochenübergreifend Beiträge, die die Rolle von Wirtschaft und Ökonomie in Dichtung und Philosophie untersuchen und dabei auch auf grundlegende methodische Fragen eingehen. 122 Schefold (1989). 123 Rameil (1973) 79–82; Lowry (1987); Amemiyas Monographie (2007) zeugt von Interesse am antiken ökonomischen Denken, äußert sich zu Platon aber – einer Einführungsschrift entsprechend – nur kurz (120–130 und 138–149). Zur Marginalisierung Platons vgl. auch Rameil (1973) 2; Zoepffel (2006) 174 und 172 Anm. 267; Helmer (2010) 9–22. Vgl. auch die Einführung zur Forschung in Föllinger/Korn (2016). 124 Vgl. oben, 3.2. 125 Vgl. Schefold (1989) 25–33; Helmer (2010) 9f. und 15f.



Forschungen zur Ökonomie Platons 

 27

ob die – in der Regel nicht näher erläuterte – Zuschreibung „Aristokrat“ oder „konservativ“ schon etwas erklären könnte.126 Zweitens bietet die Beschäftigung mit Platons Ökonomie darüberhinaus die Schwierigkeit, daß er nicht nur kein ‚ökonomisches‘ Werk geschrieben hat, sondern auch – anders als Aristoteles – keine systematisch zusammenhängende ökonomische Betrachtung anstellt. Vielmehr bietet er über Ökonomie in verschiedenen Werken unter unterschiedlicher Perspektive Reflexionen, und dies nicht in eigener Person in Form eines wissenschaftliches Traktates wie Aristoteles, sondern stets in der dialogischen Gestaltung mehrerer Gesprächspartner.127 So urteilte etwa Schumpeter, Platons Politeia sei ein „Staatsroman“, der „ebensowenig Analyse“ sei, „wie die Darstellung der Venus durch einen Maler wissenschaftliche Anatomie ist“. Dieses Urteil hinderte Schumpeter aber nicht daran, gleichzeitig zu erkennen, daß bei Platon „doch … irgendwie der Ansatz zur Analyse vorhanden“ 128 sei, und sich damit selbst zu widersprechen. Drittens stand in der Platonforschung lange Zeit die Politeia im Mittelpunkt. In ihr bietet Platon zwar grundlegende Erkenntnisse zum Verhältnis von Anthropologie und Ökonomie, geht aber aufgrund der Schwerpunktsetzung, die er mit ihr intendiert, nicht ausführlicher auf den Bereich der Wirtschaft ein. Dagegen waren die Nomoi, in denen differenzierte Ausführungen zu Wirtschaft und Ökonomie zum Zuge kommen, bis in jüngere Zeit ein Stiefkind der Forschung, da sie als untypisch für Platon galten oder ihnen die Authentizität überhaupt abgesprochen wurde.129 Viertens kommt erschwerend hinzu, daß die für Platons ökonomische Reflexionen zentralen Staatskonzeptionen, insbesondere die Politeia, nicht einem modernen egalitären Verständnis von Staat und Gesellschaft entsprechen, so daß auch dies ein Hindernis für eine tiefere Auseinandersetzung mit seinen ökonomischen Vorstellungen gewesen sein könnte. 126 Vgl. hierzu die Ausführungen oben, S. 17f. Siehe z. B. Engen (2010) 202: „It is no wonder that the reactionary Plato, even in regard to the ‚practical‘ state of the Laws, makes no mention of metic eisphora or of metics serving in the military. In Plato’s views, the polis must remain of the citizens, for the citizens and by the citizens. But Athens had to deal with the reality of the late fourth century, not the timeless theoretical realm of philosophy.“ Daß Platon für die Metöken in den Nomoi anderes vorschlägt als Xenophon in den Poroi, liegt an einer unterschiedlichen Zielsetzung der Werke. Es sind durchaus Anreize für die Metöken vorgesehen, vgl. dazu unten, S. 145f. Daß Platons Nomoi nicht als reaktionär zu bezeichnen sind, zeigt die Tatsache, daß er in der Gesamtkonzeption des Staates wie auch in Einzelregelungen, auch wenn er in Details mitunter auf frühere Gesetze zurückgreift, Neues bietet. Vgl. den Forschungsüberblick bei Schriefl (2013a) 14–29. 127 Vgl. Anm. 128. 128 Schumpeter (1965) 94. Zur Kritik an dieser Widersprüchlichkeit vgl. auch Wieland (2012) 48. 129 Vgl. hierzu Laks (2000) 258; Erler (2007) 277–282.

28 

 Der Forschungskontext

In jüngster Zeit läßt sich hingegen eine gewisse Trendwende feststellen. Dies betrifft das Interesse speziell an den Nomoi, aber ansatzweise auch an den ökonomischen Überlegungen Platons allgemein: Zwei im Jahr 1989 erschienene Arbeiten weisen auf Platons Bedeutung für die Geschichte ökonomischen Denkens hin: Schefold berücksichtigte in seinem Beitrag zu Platons und Aristoteles’ ökonomischem Denken Politeia und Nomoi und sah in den Nomoi die Verbindung von „Planelemente(n) und Markt“ gegeben.130 Insbesondere seine Abschlußbemerkung ist wegweisend: „Dabei skizzieren sie (sc. Platon und Aristoteles) Theorien eigener Methodik, welche zum Verständnis der wirklichen griechischen Wirtschaftsgeschichte wohl nicht weniger beitragen als die modernen Wirtschaftstheorien.“131 Hiermit ist das Plädoyer ausgesprochen, die Kategorien für das Verständnis antiker Ökonomie(n) soweit möglich aus den Texten selbst zu entwickeln. Einen solchen Versuch unternahm zeitgleich und unabhängig von Schefold Josef Wieland 1989 in einer – in der Platonforschung offensichtlich weniger zur Kenntnis genommenen132 – Arbeit, die 2012 in einer zweiten Auflage erschien.133 Er beansprucht für Platon in der Entstehung des ökonomischen Denkens eine wichtige Rolle, weil er die Ökonomie als Form theoretischen Wissens begründet habe.134 Wesentlich für ein adäquates Verständnis sei es, die dichotomischen Kategorien von ‚primitivistisch‘ contra ‚modernistisch‘ zu vermeiden. Diesem Anliegen versucht Wieland gerecht zu werden, indem er, ausgehend von den antiken Texten, aufzeigt, wie von Homer an Kategorien ökonomischen Denkens entwickelt werden, die ihren Kulminationspunkt in Platons Konzeption von Ökonomie hätten. Dabei bildet seine Basis eine kritische Auseinandersetzung mit dem Rationalitätsbegriff der neoklassischen Wirtschaftstheorie. Ihr setzt Wieland vier hierarchisch gestufte Rationalitätstypen135 entgegen, die er im antiken Denken ausmacht. Wielands Verdienst liegt in dem Nachweis, daß ‚der Markt‘ Platon sehr wohl bekannt war, und in dem Versuch, Kategorien für die Beurteilung antiken ökonomischen Denkens aus den Texten heraus zu entwickeln.136 Auch Étienne Helmer vertritt in seinem 2010 erschienenen Buch die Auffassung, Platon habe 130 Schefold (1989) 32. 131 Schefold (1989) 54. 132 Bei Schriefl (2013a) etwa findet sich kein Verweis. 133 Dieser stellte Wieland ein aktuelles Vorwort voraus, in dem er auf die Governanceethik verweist. 134 Wieland (2012), vor allem 351–414. 135 Wieland (2012) 34–37. 136 Der Frage, inwieweit Platon auf marktwirtschaftliche Prozesse rekurriere, widmete sich ein 1993 erschienener Beitrag von Malcolm Schofield. Dieser ist wiederabgedruckt in Schofield (1999).



Forschungen zur Ökonomie Platons 

 29

die Wirtschaft als eigenständigen Bereich erkannt, und ordnet seinen Ansatz als politische Ökonomie ein.137 Mit der moralphilosophischen Seite der Reichtumskritik Platons befaßten sich Danzig/Schaps (2001).138 Sie arbeiten heraus, daß Platon das Geld zwar kritisch sieht, weil mit ihm eine – im Unterschied zu anderen menschlichen Bedürfnissen – nicht zu sättigende Gier erwächst, daß er aber dennoch nie den Vorschlag macht, von der Geldwirtschaft zur Tauschwirtschaft zu wechseln. Der Reichtumskritik Platons widmet sich umfassend die jüngst (2013) erschienene Arbeit von Anna Schriefl. Ihr Fokus liegt auf der Frage, auf welche Weise Platon das Verhältnis von Geld und Tugend (Areté) bestimmt. Sie vertritt die These, daß Platon nicht eine traditionelle aristokratische Reichtumskritik äußert, sondern daß er sich im Gegenteil mit seiner Reichtumskritik von einer konventionellen, auch aristokratischen positiven Sicht von Gelderwerb und Reichtum absetzt und für ein neues Verständnis von Tugend (Areté) plädiert.139 Parallel zu einer verstärkten, vor allem von philosophischer Seite aus erfolgenden Fokussierung auf ökonomische Aspekte in Platons Denken wandte sich die Platonforschung vermehrt den Nomoi zu. Hatten frühere Arbeiten eher wirtschaftliche Einzelbestimmungen im Zentrum (Bisinger 1925140; Lauffer 1936), so sind mit den Arbeiten von Morrow (1960) und Piérart (1974) Untersuchungen entstanden, die im Detail die Bezüge von Regelungen, die Platon in den Nomoi trifft, zu zentralen Gesetzen griechischer Staaten aufweisen. In den letzten Jahren tragen Übersetzungen und Kommentare (Schöpsdau 1994; 2003; 2011) sowie Sammelbände (Lisi 2001a; Scolnicov/Brisson 2003; Bobonich 2010; Horn 2013) zu der Erschließung der Nomoi bei. Der Forschungsüberblick hat vorgeführt, daß eine systematische Beschäftigung mit Platons Ökonomie sich erst in den Anfängen befindet. Dieses Buch soll ein Beitrag dazu sein. Dabei werden zwei Schritte, die in meiner Erforschung des Themas aufeinander folgten, partiell miteinander verschränkt. Denn zum einen sollen auf der Grundlage wesentlicher Stellen Platons Reflexionen über Ökonomie vorgestellt und durch den Bezug auf seine grundlegenden Auffassungen verständlich gemacht werden. Bei der Textanalyse ist, wie erwähnt, genau zu unterscheiden, wo Platon einen Ist-Zustand vorstellt und wo er einen Soll-Zustand imaginiert und wo man implizit in der Normierung den Ist-Zustand erkennt. Zum anderen soll gezeigt werden, daß die Art des Platonischen Zugriffs gut mit dem analytischen Instrumentarium einer modernen Wirtschaftstheorie zu fassen ist. 137 Vgl. etwa Helmer (2010) 40–49 und 63f. 138 Danzig/Schaps (2001). 139 Vgl. hierzu meine Rezension (Föllinger 2015b). 140 Vgl. Piérart (1974, IX: „une brève mais excellente étude“).

30 

 Der Forschungskontext

Denn mit der Methodik der Neuen Institutionenökonomik – so die These dieses Buches – lassen sich Platons ökonomische Vorstellungen adäquat erklären, denen – so eine andere These dieses Buches – die Ansicht von der grundlegenden Bedeutung des wirtschaftlichen Bereichs zugrundeliegt. Eine Dichotomie, die einen Platonischen homo politicus oder homo ethicus dem modernen homo oeconomicus gegenüberstellt, läßt sich damit jedenfalls nicht halten.

4 Methodische Bemerkung zur Lektüre Platonischer Dialoge Da in der Platonforschung diskutiert wird, wie man die Platonische Dialogform zu verstehen habe, möchte ich mein eigenes Verständnis hier kurz skizzieren, ohne die Forschungsdiskussion ausführlich auszubreiten. Der gewissermaßen selbstverständliche Zugang, den Gesprächsführer eines Dialogs – meistens die Figur des Sokrates, aber im Fall der Nomoi den namenlosen Athener – als Sprachrohr Platons zu verstehen, ist in die Diskussion geraten, unter anderem deshalb, weil Sokrates innerhalb eines Dialoges Dinge äußern kann, die sich widersprechen, oder weil die Dialoge im Vergleich miteinander Widersprüchliches zu vertreten scheinen – ein Phänomen, das man früher entwicklungsgeschichtlich zu erklären versuchte.141 Dies gilt auch für das Verhältnis von Politeia und Nomoi.142 Dagegen betonen rezente Ansätze, daß die Dialoge, in denen Platon ja nie in eigener Person spricht, argumentative Verläufe bieten, so daß es unzulässig sei und zu Verzerrungen führen könne, wenn man den Kontext nicht mit berücksichtige.143 Diesem Vorbehalt ist auf jeden Fall zuzustimmen. Allerdings ist meines Erachtens ein solches Verfahren nicht dahingehend zu verabsolutieren, daß man gar nicht mehr zu Aussagen wie solche über eine ‚Platonische Konzeption‘ etc. gelangen könnte. Denn eine dialogübergreifende Lektüre läßt bestimmte Leitthemen und -ansichten erkennen. Zwar können sie, je nach Argumentationsziel und -verlauf, unterschiedlich behandelt sein. Dieser Umstand muß aber nicht zu der Schlußfolgerung führen, Platon habe bewußt eine Bildung von Propositionen verhindern wollen. Man muß Differenzen zwischen Dialogen auch nicht unbedingt entwicklungsgeschichtlich erklären. Vielmehr können Widersprüchlichkeiten innerhalb eines Dialogs und zwischen Dialogen darin begründet sein, daß unterschiedliche Aspekte dargestellt oder Dinge, die an einer Stelle kürzer eingeführt werden, an einer anderen Stelle ausführlicher erläutert werden. Dies ist ein Interpretationsansatz, auf den besonders die Forschungen von Michael Erler Licht geworfen haben144 und den auch Jean-François Pradeau in seiner wegweisenden Studie von 1997145 verfolgt.146 Ihm zufolge steht im Zentrum von Platons 141 Zur Forschung vgl. Erler (2007) 60–98. 142 Vgl. hierzu unten, S. 75. 143 Vgl. Blößner (1997) und Blößner (2007). 144 Vgl. Erler (2007) 434f. mit verschiedenen Beispielen für eine kontextbezogene Interpretation. 145 Pradeau (22010 ; 11997). 146 Vgl. Gills Charakterisierung von Pradeaus Ansatz (Gill 2002, xiv–xvi), insbesondere ebd., xiv: „The variations between the dialogues do not indicate change in these core ideas. Rather, DOI 10.1515/9783110457070-004

32 

 Methodische Bemerkung zur Lektüre Platonischer Dialoge

Denken und Werk die Bedeutung von Erkenntnis und Wissen. Das Wissen ist auch der Leitfaden von Politeia und Nomoi und gleichzeitig ihre Verbindung: Die Politeia fokussiert die Erkenntnis unter dem Aspekt ihrer psychologischen Verortung und sieht in ihr durch den Vergleich von Seele und Staat das verbindende Element zwischen dem Individuum und dem Staat.147 Die Nomoi arbeiten, auf der Basis anderer Dialoge, wie dem Politikos, heraus, wie das Wissen Eingang in Verfassung und Politik finden und für die Regulierung des individuellen und gesellschaftlichen wie staatlichen Lebens fruchtbar gemacht werden kann und soll.148 Es lassen sich also über Brüche bzw. unterschiedliche Zielsetzungen hinweg einheitliche Linien erkennen bzw. es ist ein vielversprechendes Projekt, die Fäden zusammenzuführen, gerade in Anerkennung der Tatsache, daß die jeweiligen Argumentationsverläufe unterschiedlich sein können. Aus diesem Grund ist es meines Erachtens auch zulässig, von ‚Platons Ökonomie‘ zu sprechen, weil die Gesamtschau der Überlegungen, auch wenn sie in Dialogen mit unterschiedlichen Intentionen und dementsprechend differierenden Kontexten und Argumentationsverläufen vorgebracht werden, einen systematischen Zusammenhang ergibt.

different dialogues have different conceptual projects which examine various aspects of these ideas.“ 147 Pradeau (2010) 61–97. 148 Pradeau (2010) 187–229. Vgl. Neschke (1971) 274.

5 Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon 5.1 Wirtschaftliches Handeln als Spezifikum menschlicher Natur149 Bei Platon haben wirtschaftliche Prozesse eine grundlegende Bedeutung, weil der Mensch für seine Lebensvollzüge auf sie angewiesen ist. Gerade dieser Umstand macht wirtschaftliches Handeln risikoreich. Denn der Mensch ist darauf angelegt, immer mehr haben zu wollen. Diese beiden Aspekte zielen auf die Deskription des Ist-Zustandes. Mit dem zweiten Aspekt hängt die normierende Perspektive, die Platon vielfach einnimmt, zusammen: die Suche nach Regelungsmöglichkeiten. Platon weist dem Bereich der Wirtschaft für das menschliche Leben eine konstitutive Rolle zu, weil der Mensch von Natur aus ein nicht-autarkes Lebewesen und darum von Tausch und Handel abhängig ist. Dies demonstrieren die Überlegungen des Platonischen Sokrates in der Politeia. Sie finden im Rahmen der Diskussion über die Frage, was Gerechtigkeit ist, statt. Worin Gerechtigkeit besteht, soll zuerst am Staat demonstriert werden, weil dies, so Sokrates, leichter sei, als sie beim Individuum aufzuzeigen, da der Staat ein größeres Gebilde darstelle. Darum wird im Gespräch eine Staatskonzeption entworfen, deren Anfang die Genese des Staates bildet: Die staatliche Gemeinschaft entstehe aufgrund der fehlenden Autarkie des einzelnen. Der Mensch sei von Natur aus auf andere Menschen angewiesen, um seine materiellen Bedürfnisse zu befriedigen (Politeia II 369B7–370B3):150 (Sokrates): „Nach meiner Meinung … entsteht die Stadt, weil keiner von uns sich selbst genügen kann, sondern jeder viele andere nötig hat. … Einer teilt also dem anderen gegebenen Falles etwas mit oder er empfängt etwas von dem anderen, wenn er meint, das sei für ihn besser? … Bei deinen Worten fällt mir nämlich ein, daß erstens keiner von uns von Natur ganz gleich ist wie der andere, sondern daß jeder verschiedene Anlagen hat, der eine zu dieser, der andere zu jener Betätigung.“151

149 Den Ausführungen in 5.1 liegen meine Überlegungen in Föllinger (2015a) zugrunde. Sie wurden überarbeitet, und für die Frage, warum die Analyse der Gerechtigkeit von der depravierten Stadt ausgeht, komme ich nun zu anderen Schlußfolgerungen als im Aufsatz. 150 Der Text der Politeia folgt der Ausgabe von Slings (2003). Die Übersetzung ist, wenn nicht anders angegeben, hier und im folgenden von Rufener (2000). 151 Γίγνεται τοίνυν … πόλις, ὡς ἐγᾦμαι, ἐπειδὴ τυγχάνει ἡμῶν ἕκαστος οὐκ αὐτάρκης, ἀλλὰ πολλῶν ἐνδεής· … Μεταδίδωσι δὴ ἄλλος ἄλλῳ, εἴ τι μεταδίδωσιν, ἢ μεταλαμβάνει, οἰόμενος αὑτῷ DOI 10.1515/9783110457070-005

34 

 Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon

Tausch und Kauf sind also nicht etwas der menschlichen Natur Fremdes, sondern im Gegenteil konstituierender Bestandteil des Menschen. Der Grund ist ein Mangel, den es durch die Kooperation und den Austausch mit anderen zu beseitigen gilt. Diese sind möglich, weil die Menschen unterschiedliche Fähigkeiten haben, die eine Arbeitsteilung möglich und sinnvoll machen. Denn es ist besser, wenn jeder das tut, was den eigenen Fähigkeiten entspricht, weil er diese Betätigung optimieren kann.152 Damit aber entsteht eine Vielfalt an Berufen. Die Stadt selbst ist auch nicht autark, sie bedarf vielmehr des Imports. Dafür muß sie wiederum exportieren, was voraussetzt, daß sie Überschuß produziert (Politeia II 371A4f.): Man muß also die heimischen Erzeugnisse nicht nur für den eigenen Bedarf in genügender Menge herstellen, sondern auch solche und so viele Dinge, wie jene brauchen, von denen man etwas nötig hat.153

Selbst in dieser schlichten, von Sokrates als „gesund“ bezeichneten Stadt hat Platon also nicht eine Subsistenzwirtschaft im Auge. Die einzelnen Berufsgruppen werden dadurch größer, als es für die Erhaltung der Stadt eigentlich nötig wäre. So führt die Notwendigkeit des Tauschs zur Institution des Großhandels (emporía) (371A), der wiederum auf den Verkauf in der Polis angewiesen ist. Damit aber sind die Institution des Marktes (agorá) und des Geldes (nómisma) erforderlich. Da die Produzenten nicht die Zeit haben, ihre Produkte selbst auf dem Markt zu verkaufen, bildet sich die Berufsgruppe der Kleinhändler, der kápeloi, heraus, die die Produkte kauft und weiterverkauft. Dies sind, so die übereinstimmende Meinung der Gesprächspartner, meistens Personen, die zu schwach für die herstellenden Berufe sind. Auch den Verkauf der eigenen Körperkraft durch die Lohnarbeiter (misthotoí) subsumiert die Gesprächsrunde hier unter den Handel (371E). Diese Textstelle ist überaus wichtig, weil Platon klar von einem ‚Markt‘ ausgeht und ihn sogar als etwas, was zum menschlichen Leben wesentlich dazugehört, betrachtet.154 Er arbeitet hier zwei positive Aspekte des Marktes heraus: Zum einen ermöglicht er die Verteilung der Güter an verstreut lebende ἄμεινον εἶναι; … ἐννοῶ γὰρ καὶ αὐτός, εἰπόντος σοῦ, ὅτι πρῶτον μὲν ἡμῶν φύεται ἕκαστος οὐ πάνυ ὅμοιος ἑκάστῳ, ἀλλὰ διαφέρων τὴν φύσιν, ἄλλος ἐπ’ ἄλλου ἔργου πρᾶξιν. 152 Vgl. Politeia II 370C3–5, wo von den unterschiedlichen Individualnaturen (phýsis) die Rede ist. Vgl. auch Politeia III 395B4 und III 414B–415D. 153 Δεῖ δὴ τὰ οἴκοι μὴ μόνον ἑαυτοῖς ποιεῖν ἱκανά, ἀλλὰ καὶ οἷα καὶ ὅσα ἐκείνοις ὧν ἂν δέωνται. 154 Harris (2002) 71–74 weist darauf hin, daß diese Textstelle ein wichtiges Indiz für die Existenz eines ‚Marktes‘ in Athen darstellt, und moniert (86 Anm. 6), daß Finley sie nicht einmal erwähne. Vgl. oben, S. 14.



Wirtschaftliches Handeln als Spezifikum menschlicher Natur 

 35

Personen, hat also die Funktion der Distribution, zum anderen ermöglicht er eine effiziente Arbeitsweise, da die auf ihm verhandelten Produkte Resultate der Arbeitsteilung sind. Diese resultiert aus den unterschiedlichen Begabungen. Aber ihr Zweck erschöpft sich nicht darin, daß ‚jeder das Seine tut‘. Denn genau betrachtet, ermöglicht dieser Umstand zwar die Arbeitsteilung, doch der Sinn davon, daß diese auch umgesetzt wird, liegt darin, daß mehr Produkte und diese auch besser hergestellt werden können. Märkte dienen also der Sicherung von Transaktionen,155 die einen Mangelzustand beseitigen sollen. Die Passage macht deutlich, daß Mangel eine wichtige Kategorie in Platons ökonomischem Denken darstellt. Er verbindet ihn mit der Unbegrenztheit der menschlichen Bedürfnisse, wie der weitere Verlauf der Passage verdeutlicht: Der nun folgenden Schilderung der gewissermaßen idyllischen Lebensweise der so entworfenen Stadt folgt nach Glaukons Einwand, die Frugalität entspreche eher einer Stadt für Schweine, eine Ausweitung zur ‚luxuriösen‘ Stadt. Dadurch, daß die Menschen mehr Bedürfnisse hätten, würden mehr und verfeinerte Berufszweige nötig. Dazu gehörten nicht nur Handwerker, sondern etwa auch Künstler, Dichter, Ärzte. Da es aber immer mehr Menschen würden, reiche das bisherige Land nicht aus (Politeia II 373D4–E1): Und das Land, das damals die Menschen jener Zeit hinreichend ernähren konnte, wird nicht mehr genügen, sondern zu klein sein. … So müssen wir also etwas vom Gebiet der Nachbarn abtrennen, wenn wir genügend Land zum Weiden und Bebauen haben sollen, und diese vom unsrigen, falls auch sie über das Maß des Notwendigen hinausgehen und sich dem unbegrenzten Erwerb von Gütern ergeben.156

Dadurch, daß die von Sokrates entworfene Stadt als Luxusvariante der ursprünglichen, als „gesund“ bezeichneten Stadt gegenübergestellt wird, entsteht der Eindruck, diese Polis sei eigentlich minderwertig. Warum nun geht die Analyse der Gerechtigkeit im folgenden von einer depravierten Version der Stadt aus?157 Die 155 Zur Funktion von Märkten, Transaktionen zu sichern, vgl. Bresson (2008) 17–34. 156 Καὶ ἡ χώρα που, ἡ τότε ἱκανὴ τρέφειν τοὺς τότε, σμικρὰ δὴ ἐξ ἱκανῆς ἔσται. … Οὐκοῦν τῆς τῶν πλησίον χώρας ἡμῖν ἀποτμητέον, εἰ μέλλομεν ἱκανὴν ἕξειν νέμειν τε καὶ ἀροῦν, καὶ ἐκείνοις αὖ τῆς ἡμετέρας, ἐὰν καὶ ἐκεῖνοι ἀφῶσιν αὑτοὺς ἐπὶ χρημάτων κτῆσιν ἄπειρον, ὑπερβάντες τὸν τῶν ἀναγκαίων ὅρον; 157 Auf dieses Problem ist meines Erachtens bisher nur unbefriedigend eingegangen worden. Schofield sieht den Sinn der Passage darin, daß mit der Arbeitsteilung auf die Definition der Gerechtigkeit ‚jeder soll das Seine tun‘ vorausverwiesen wird (Schofield 1999, 185). Helmer vertritt die These, daß Platon mit dieser Passage den politischen Charakter der Ökonomie demonstriere, insofern die Arbeitsteilung zur Einheit des Staates beiträgt. Den ambivalenten Charakter, den der Bereich der Ökonomie bei Platon besitzt, bezeichnet Helmer – etwas unpräzise – als „faire et défaire la cité“ (Helmer 2010, 69 u. ö.).

36 

 Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon

Ursache liegt meines Erachtens darin, daß Platon Mangel bei gleichzeitiger Unbegrenztheit der Bedürfnisse als ein menschliches Grundgefühl zeichnen möchte, das die Basis des wirtschaftlichen Handelns bildet. Denn die Unbegrenztheit menschlicher Bedürfnisse, die, wie Sokrates im folgenden erläutert, zum Krieg führt, ist die Pleonexie, die Begierde, immer mehr haben zu wollen. Der Begriff fällt hier zwar nicht, ist aber eindeutig mit der Formulierung „über das Maß des Notwendigen hinausgehen“ und dem „unbegrenzten Erwerb von Gütern“ gemeint. Damit aber ist ausgedrückt, daß der Mensch stets Mangel empfindet, weil seine Wünsche immer das, was zur Verfügung steht, übersteigen. Die Pleonexie ist ein Teil des Menschen,158 die nicht nur ihn, sondern auch die politische Gemeinschaft gefährdet, und das im Dialog entwickelte Modell von Gerechtigkeit soll einen Weg aufzeigen, dem abzuhelfen. Für Platon ist also die Existenz wirtschaftlicher Prozesse ein Kennzeichen des Menschen als eines nicht autarken, sondern auf die Gemeinschaft angewiesenen, das heißt: sozialen Lebewesens, unabhängig von der jeweiligen politischen Struktur. Tausch, Wirtschaft, Markt und Geld gehören zum Menschen aufgrund seiner Physis. Das Geld ist bereits ein Element der ‚gesunden Stadt‘, ist also nicht Zeichen einer vom ‚Natürlichen‘ bereits abgewichenen, degenerierten Wirtschaftsweise.159 Darum sind wirtschaftliche Prozesse und Geld für Platon nicht per se negativ. Für diese Interpretation läßt sich flankierend eine aufschlußreiche Stelle der Nomoi anführen: Der die Dominanz im Gespräch innehabende Fremde aus Athen schlägt vor, in einer Vorrede zu dem Gesetz über den Handel, die den Boden für die Zustimmung der Bürger bereiten soll, folgendes vorzubringen (Nomoi XI 918A8–C3):160 Der Kleinhandel in einer Stadt ist nämlich durchweg nicht entstanden, um zu schaden, jedenfalls seiner wahren Natur nach, sondern ganz im Gegenteil. Denn wie sollte nicht jeder ein Wohltäter sein, der den unangemessenen und ungleichen Besitz von irgendwelchen Gütern zu einem gleichen und angemessenen macht? Dies bewirkt, so müssen wir behaupten, auch die Macht des Geldes, und dies ist die Aufgabe des Kaufmanns, wie wir sagen müssen. Auch ein Lohnarbeiter und ein Gastwirt und andere Berufe, die teils mehr, teils weniger ehrbar sind, sind sämtlich dazu fähig, allen eine Hilfe für ihre Bedürfnisse und Gleichheit des Besitzes zu ermöglichen.161 158 Vgl. hierzu unten, S. 39–43 und die grundlegende Arbeit von Schriefl (2013a). 159 Platon geht es hier um eine Analyse, nicht um die Beschreibung der historischen Entwicklung einer Polis. 160 Der Text folgt der Edition von Burnet (1907). Die deutsche Wiedergabe der Nomoi stammt aus der dreibändigen kommentierten Übersetzung von Schöpsdau (1994/2003/2011). Abweichungen sind angegeben. 161 Kαπηλεία γὰρ κατὰ πόλιν πᾶσα γέγονεν οὐ βλάβης ἕνεκα τό γε κατὰ φύσιν, πᾶν δὲ τοὐναντίον· πῶς γὰρ οὐκ εὐεργέτης πᾶς ὃς ἂν οὐσίαν χρημάτων ὡντινωνοῦν, ἀσύμμετρον



Wirtschaftliches Handeln als Spezifikum menschlicher Natur 

 37

Handel und Geld sind also als solche naturgemäß, sinnvoll, ja gut. Aber problematisch werden sie dadurch, daß sie – man kann sagen: wie keine andere menschliche Tätigkeit – darauf angelegt sind, die Pleonexie, die ein negativer Zug des menschlichen Wesens ist, zu verstärken. Denn wenn sich die Möglichkeit zur Bereicherung bietet, werden die wenigsten widerstehen können (Nomoi XI 918C9–D8): Mein lieber Kleinias, nur eine kleine Sorte von Menschen, die ihrer Natur nach selten ist und eine hervorragende Erziehung erhalten hat, ist imstande, wenn sie in die Lage geraten, daß sie etwas brauchen oder sich etwas wünschen, die Kraft zur Mäßigung aufzubringen, und bleibt, wenn sich die Möglichkeit bietet, viel Geld zu gewinnen, nüchtern und zieht dem Vielen lieber das Maßvolle vor. Die große Masse der Menschen verhält sich genau umgekehrt wie diese: in ihren Bedürfnissen sind sie maßlos, und wenn ein mäßiger Gewinn möglich wäre, ziehen sie einen unersättlichen Gewinn vor; und dadurch sind alle mit dem Kleinhandel und dem Großhandel und der Bewirtung zusammenhängenden Berufe in Verruf geraten und mit Schimpf und Schande überhäuft.162

Als illustratives Beispiel wird die Gewinnsucht von Gastwirten, die aufgrund ihrer Monopolstellung in einer menschenleeren Gegend Wucherpreise verlangen, in sarkastischer Überspitzung angeführt. Würden, so der Athener, besonders gute Frauen oder Männer Berufe in Kleinhandel und Gastronomie bekleiden, so wären diese Tätigkeiten allen willkommen. Aber die Realität sehe anders aus (Nomoi XI 918E7–919B3): Jetzt aber ist es so: Wenn jemand um des Geschäfts willen an einsamen Plätzen, die aus allen Richtungen nur über lange Wegstrecken erreichbar sind, Häuser errichtet und Leute, die nicht mehr weiter können, mit einem willkommenen Obdach aufnimmt oder Leute, die von der Gewalt wütender Stürme hergetrieben werden, und diesen friedliche Windstille oder bei Hitze Kühlung anbietet, danach aber ihnen nicht, als hätte er Freunde aufgenommen, freundliche Gastgeschenke im Anschluß an die Aufnahme gibt, sondern sie wie Feinde, die als Gefangene in seine Hand geraten sind, nur gegen ein gewaltiges, ungerechtes und sündhaftes Lösegeld freiläßt, so sind es diese und vergleichbare Formen beschämenden

οὖσαν καὶ ἀνώμαλον, ὁμαλήν τε καὶ σύμμετρον ἀπεργάζηται; τοῦτο ἡμῖν χρὴ φάναι καὶ τὴν τοῦ νομίσματος ἀπεργάζεσθαι δύναμιν, καὶ τὸν ἔμπορον ἐπὶ τούτῳ τετάχθαι δεῖ λέγειν. καὶ μισθωτὸς καὶ πανδοκεὺς καὶ ἄλλα, τὰ μὲν εὐσχημονέστερα, τὰ δὲ ἀσχημονέστερα γιγνόμενα, τοῦτό γε πάντα δύναται, πᾶσιν ἐπικουρίαν ταῖς χρείαις ἐξευπορεῖν καὶ ὁμαλότητα ταῖς οὐσίαις. 162 Ὦ φίλε Κλεινία, σμικρὸν γένος ἀνθρώπων καὶ φύσει ὀλίγον καὶ ἄκρᾳ τροφῇ τεθραμμένον, ὅταν εἰς χρείας τε καὶ ἐπιθυμίας τινῶν ἐμπίπτῃ, καρτερεῖν πρὸς τὸ μέτριον δυνατόν ἐστιν, καὶ ὅταν ἐξῇ χρήματα λαβεῖν πολλά, νήφει καὶ πρότερον αἱρεῖται τοῦ πολλοῦ τὸ τοῦ μέτρου ἐχόμενον· τὰ δὲ τῶν ἀνθρώπων πλήθη πᾶν τοὐναντίον ἔχει τούτοις, δεόμενά τε ἀμέτρως δεῖται καὶ ἐξὸν κερδαίνειν τὰ μέτρια, ἀπλήστως αἱρεῖται κερδαίνειν, διὸ πάντα τὰ περὶ τὴν καπηλείαν καὶ ἐμπορίαν καὶ πανδοκείαν γένη διαβέβληταί τε καὶ ἐν αἰσχροῖς γέγονεν ὀνείδεσιν.

38 

 Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon

Fehlverhaltens, wie sie in allen derartigen Berufen begegnen, welche der Hilfe in einer Notlage den üblen Ruf eingetragen haben.163

Platon skizziert hier als Gegenbild eines profitgierigen Handelns des Gastwirts den Verhaltenscode der Gastfreundschaft, der eine freundliche und kostenfreie Aufnahme des Reisenden fordert und ihn noch dazu mit Gastgeschenken zum Abschied versieht, anstatt sein letztes Geld aus ihm ‚herauszupressen‘. Platon ist sich also der kulturellen Bedingtheit wirtschaftlichen Handelns bewußt. Aber signifikanterweise vertraut er in den Nomoi nicht darauf, daß man kulturelle Codes im Bereich der Wirtschaft, wie etwa den der Gastfreundschaft, (wieder) einführen könne – im Unterschied zu anderen Normen im Bereich der Sexualität und der Religion.164 Das Problem ist also nicht die Existenz wirtschaftlicher Prozesse, sondern der Umstand, daß sie die negativen Seiten im Menschen fördern können. Läge der Handel in den Händen integrer Menschen, würde er über einen besseren Ruf verfügen. Aber für den Platonischen Gesprächsführer ist es unvorstellbar, daß Menschen, die etwas auf ihren Ruf geben und moralisch sein wollen, sich mit Handel beschäftigen. Folgendes läßt sich resümieren: Platon hat nicht die Eigenständigkeit und Bedeutung wirtschaftlicher Prozesse verkannt – im Gegenteil: Er sieht die unumgängliche Notwendigkeit und die positiven Funktionen des Marktes. Er hat aber auch erkannt, daß das Marktgeschehen eigenen Gesetzlichkeiten unterliegt. Gerade darin aber sieht er angesichts der menschlichen Unvollkommenheit eine Gefährdung für den einzelnen und für das staatliche Zusammenleben.165

163 νῦν δὲ ὁπόταν εἰς ἐρήμους τις καπηλείας ἕνεκα τόπους καὶ πανταχόσε μήκη ἔχοντας ὁδῶν ἱδρυσάμενος οἰκήσεις, ἐν ἀπορίᾳ γιγνομένους καταλύσεσιν ἀγαπηταῖς δεχόμενος ἢ ὑπὸ χειμώνων ἀγρίων βίᾳ ἐλαυνομένους, εὐδιεινὴν γαλήνην παρασχὼν ἢ πνίγεσιν ἀναψυχήν, τὰ μετὰ ταῦτα οὐχ ὡς ἑταίρους δεξάμενος φιλικὰ παράσχῃ ξένια ἑπόμενα ταῖς ὑποδοχαῖς, ὡς δ’ ἐχθροὺς αἰχμαλώτους κεχειρωμένους ἀπολυτρώσῃ τῶν μακροτάτων καὶ ἀδίκων καὶ ἀκαθάρτων λύτρων, ταῦτά ἐστιν καὶ τὰ τοιαῦτα ἐν σύμπασιν τοῖς τοιούτοις ὀρθῶς ἁμαρτανόμενα τὰς διαβολὰς τῇ τῆς ἀπορίας ἐπικουρήσει παρεσκευακότα. 164 Vgl. dazu unten, S. 107–109. 165 Daß Platon zufolge wirtschaftliche Faktoren auch das politische Geschehen steuern können, macht nicht nur seine Analyse des Krieges klar, sondern auch der Umstand, daß der Verfassungsverfall in Politeia VIII und IX mit ökonomischen Faktoren erklärt wird. Zum Verfassungsverfall vgl. Morrow (1960) 101; Frede (1997b), die sich gegen eine historische Deutung wendet und betont, daß die Überspitzung in dem Modellcharakter begründet sei und dem pädagogischen Zweck diene, die Instabilität der beschriebenen Systeme herauszustellen; Schriefl (2013a) 194–203.



Die Pleonexie 

 39

5.2 Die Pleonexie Der Begriff Pleonexie (πλεονεξία) hat eine weite Bedeutung. Er bezeichnet die Störung der Harmonie und die Begierde, immer mehr haben zu wollen, im umfassenderen Sinn166 und stellt einen Schlüsselbegriff für politische Analysen im ausgehenden 5.  Jhdt. v.  Chr. dar.167 Für Platon ist Pleonexie ein festes Element der menschlichen Psyche,168 der man mit Erziehung nur bedingt und dann auch nicht zuverlässig vorbeugen kann. Eine zentrale Stelle hierzu, die aufgrund ihrer Bedeutung ausführlich zitiert werden soll und uns auch weiter unten noch beschäftigen wird, findet sich im Kontext der Strafrechtsregelungen in Buch IX der Nomoi. Hier heißt es im Proömium zu den Regelungen bei Körperverletzungen (IX 874E7–875D5): Für alle derartigen Fälle ist nun folgendes vorauszuschicken: Gesetze aufzustellen und nach Gesetzen zu leben ist für die Menschen unbedingt notwendig, oder sie werden sich in nichts von den allerwildesten Tieren unterscheiden. Die Ursache hierfür ist folgende: Keines Menschen Natur wird mit einer solchen Fähigkeit geboren, daß er erkennt, was den Menschen für die Verwaltung ihrer Stadt nützt, und dann, wenn er es erkannt hat, auch allzeit fähig und willens ist, das Beste zu tun. Denn erstens ist es schwierig zu erkennen, daß es der wahren Staatskunst nicht um die eigenen Interessen, sondern um das Gemeinwohl gehen muß – denn das Gemeinsame bindet die Städte zusammen, das Eigene zerreißt sie – und daß es für beide, das Gemeinwohl wie für die eigenen Interessen, von Nutzen ist, wenn es eher um das Gemeinsame als um das Eigene gut bestellt ist. Das Zweite: selbst wenn sich jemand wirklich die Erkenntnis, daß sich dies naturgemäß so verhält, in seiner Kunst gründlich angeeignet hat, er aber hernach frei von jeder Verantwortung und in eigener Machtvollkommenheit über eine Stadt herrscht, so wird er wohl nie die Kraft aufbringen, diesem Grundsatz treu zu bleiben und sein ganzes Leben hindurch vorzugsweise das Gemeinwohl in der Stadt zu fördern und das eigene Interesse erst nach dem Gemeinwohl; sondern seine sterbliche Natur wird ihn stets dazu antreiben, mehr haben zu wollen und die eigenen Interessen zu befriedigen, weil sie unvernünftigerweise vor dem Schmerz flieht und der Lust nachjagt; dem Gerechteren und Besseren wird sie dies beides vorziehen, und indem sie in sich selbst Finsternis erzeugt, wird sie am Ende sich selbst und die ganze Stadt mit lauter Übeln anfüllen. Wenn allerdings einmal ein Mensch mit einer geeigneten Naturanlage durch göttliche Fügung geboren würde und fähig wäre, sich diese Einsicht anzueignen, so bräuchte er keinerlei Gesetze, die über ihn herrschen müßten; denn dem Wissen ist kein Gesetz und keine Anordnung überlegen; und es wäre auch nicht recht, wenn die Vernunft etwas anderem gehorsam und dessen Sklavin wäre, sondern sie muß über alles Herrscherin sein, wenn anders sie echt und frei in ihrem Wesen ist. Nun aber ist dies ja nirgends und auf keine Weise der Fall, außer in geringem Maße; deshalb muß man das

166 Dies arbeitet gut Helmer (2010) 84–86 heraus. 167 Vgl. Vegetti (2004). 168 Zur Verankerung der Pleonexie in Platons Psychologie vgl. Schriefl (2013a) 171–194.

40 

 Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon

Zweitbeste wählen, die Anordnung und das Gesetz, die zwar die häufigsten Fälle ins Auge fassen und berücksichtigen, aber nicht jeden möglichen Fall berücksichtigen können.169

Diese wichtige Passage verdeutlicht folgendes: Der Maßstab ist eigentlich ein Maximum, nämlich ein absolutes Wissen (das wohl als göttlich zu bezeichnen ist). Dieses ist aber im menschlichen Bereich nicht (oder kaum) realisierbar. Denn selbst wenn einer dieses Wissen hat, ist die Gefahr der Korruption, sobald er eine führende Stellung bekleidet, gegeben. Darum bedarf es der Gesetze, auch wenn sie eine zweitbeste Lösung darstellen. Die Implikationen dieser Auffassung für Platons politische Philosophie werden weiter unten Thema sein, an dieser Stelle gilt es festzuhalten: Platon geht von einer naturgegebenen Grenzenlosigkeit der Bedürfnisse und Eigennutzorientierung des Menschen aus, die das Gemeinwohl gefährden. Würde man diese Stelle verabsolutiert lesen, müßte man Helmer recht geben, der von einem „pessimisme anthropologique de Platon“ spricht.170 Flankiert man aber die Überlegungen der Politeia, deren Psychologie die prinzipielle – wenn auch individuell unterschiedlich ausgeprägte – Fähigkeit des Menschen zu Vernunfttätigkeit und Erziehbarkeit im Fokus hat, sowie die Bedeutung des Wissens und der Erkenntnis, die Kern des Platonischen Werks ist, und das Interesse für Fragen der Erziehung, das aus vielen Dialogen spricht, so kommt man zu dem Ergebnis, daß man nicht von einem prinzipiellen Pessimismus sprechen kann. In der Politeia wird davon ausgegangen, daß eine gute Konstitution des

169 προρρητέον δή τι περὶ πάντων τῶν τοιούτων τοιόνδε, ὡς ἄρα νόμους ἀνθρώποις ἀναγκαῖον τίθεσθαι καὶ ζῆν κατὰ νόμους ἢ μηδὲν διαφέρειν τῶν πάντῃ ἀγριωτάτων θηρίων. ἡ δὲ αἰτία τούτων ἥδε, ὅτι φύσις ἀνθρώπων οὐδενὸς ἱκανὴ φύεται ὥστε γνῶναί τε τὰ συμφέροντα ἀνθρώποις εἰς πολιτείαν καὶ γνοῦσα, τὸ βέλτιστον ἀεὶ δύνασθαί τε καὶ ἐθέλειν πράττειν. γνῶναι μὲν γὰρ πρῶτον χαλεπὸν ὅτι πολιτικῇ καὶ ἀληθεῖ τέχνῃ οὐ τὸ ἴδιον ἀλλὰ τὸ κοινὸν ἀνάγκη μέλειν—τὸ μὲν γὰρ κοινὸν συνδεῖ, τὸ δὲ ἴδιον διασπᾷ τὰς πόλεις—καὶ ὅτι συμφέρει τῷ κοινῷ τε καὶ ἰδίῳ, τοῖν ἀμφοῖν, ἢν τὸ κοινὸν τιθῆται καλῶς μᾶλλον ἢ τὸ ἴδιον· δεύτερον δέ, ἐὰν ἄρα καὶ τὸ γνῶναί τις ὅτι ταῦτα οὕτω πέφυκεν λάβῃ ἱκανῶς ἐν τέχνῃ, μετὰ δὲ τοῦτο ἀνυπεύθυνός τε καὶ αὐτοκράτωρ ἄρξῃ πόλεως, οὐκ ἄν ποτε δύναιτο ἐμμεῖναι τούτῳ τῷ δόγματι καὶ διαβιῶναι τὸ μὲν κοινὸν ἡγούμενον τρέφων ἐν τῇ πόλει, τὸ δὲ ἴδιον ἑπόμενον τῷ κοινῷ, ἀλλ᾽ ἐπὶ πλεονεξίαν καὶ ἰδιοπραγίαν ἡ θνητὴ φύσις αὐτὸν ὁρμήσει ἀεί, φεύγουσα μὲν ἀλόγως τὴν λύπην, διώκουσα δὲ τὴν ἡδονήν, τοῦ δὲ δικαιοτέρου τε καὶ ἀμείνονος ἐπίπροσθεν ἄμφω τούτω προστήσεται, καὶ σκότος ἀπεργαζομένη ἐν αὑτῇ πάντων κακῶν ἐμπλήσει πρὸς τὸ τέλος αὑτήν τε καὶ τὴν πόλιν ὅλην. ἐπεὶ ταῦτα εἴ ποτέ τις ἀνθρώπων φύσει ἱκανὸς θείᾳ μοίρᾳ γεννηθεὶς παραλαβεῖν δυνατὸς εἴη, νόμων οὐδὲν ἂν δέοιτο τῶν ἀρξόντων ἑαυτοῦ, ἐπιστήμης γὰρ οὔτε νόμος οὔτε τάξις οὐδεμία κρείττων, οὐδὲ θέμις ἐστὶν νοῦν οὐδενὸς ὑπήκοον οὐδὲ δοῦλον ἀλλὰ πάντων ἄρχοντα εἶναι, ἐάνπερ ἀληθινὸς ἐλεύθερός τε ὄντως ᾖ κατὰ φύσιν. νῦν δὲ οὐ γάρ ἐστιν οὐδαμοῦ οὐδαμῶς, ἀλλ᾽ ἢ κατὰ βραχύ. διὸ δὴ τὸ δεύτερον αἱρετέον, τάξιν τε καὶ νόμον, ἃ δὴ τὸ μὲν ὡς ἐπὶ τὸ πολὺ ὁρᾷ καὶ βλέπει, τὸ δ᾽ ἐπὶ πᾶν ἀδυνατεῖ. 170 Helmer (2010) 84.



Die Pleonexie 

 41

Menschen und eine gute, Körper und Seele ansprechende Erziehung sich gegenseitig ergänzen; dabei ist nicht nur die Naturanlage für die Erziehung wichtig, sondern umgekehrt hat eine gute Erziehung auch fördernden Einfluß auf die Physis (Politeia IV 424A). Dem entsprechen Vorstellungen, wie sie im Timaios geäußert werden.171 In den Nomoi handelt es sich also um die Zuspitzung einer Formulierung, die sich auch in anderen Passagen als der zitierten findet und die dem Projekt, das dieses Spätwerk verfolgt, entspricht: dem Entwurf einer Verfassung und eines Regelwerks, die zwar von der prinzipiellen Erziehbarkeit des Menschen, aber gleichzeitig von der nicht völligen Vorhersehbarkeit menschlichen Handelns ausgehen. Auch muß man zur richtigen Einordnung der Passage beachten, daß sie die Formulierung eines Proömiums darstellt, die der athenische Gesprächspartner in den Nomoi als Vorrede für ein Strafgesetz vorschlägt, das die Bürger von der Notwendigkeit diesbezüglicher Gesetze überzeugen soll. Ein solches weist, natürlich, eine andere argumentative Strategie auf als ein epistemologischer Diskurs. Darüberhinaus ist in der zitierten Passage mit der Formulierung „außer in geringem Maße“ (IX 875D3: ἀλλ’ ἢ κατὰ βραχύ) angedeutet, daß es wenige Ausnahmen gibt,172 daß also prinzipiell Wissen und Erkenntnis möglich sind.173 Die Pleonexie ist aber deshalb ein besonderes Problem, weil sie, wie es die Erzählung der Polisgenese verdeutlicht, einen Zug der menschlichen Natur darstellt, dem selbst mit Erziehung kaum und vor allem nicht zuverlässig beizukommen ist. Dementsprechend ist im Platonischen Werk allenthalben Skepsis gegenüber der Selbstkontrollkompetenz des Menschen im materiellen Bereich anzutreffen. Dieser Vorbehalt zielt nicht prinzipiell gegen Geld und Vermögen, sondern gegen ein Übermaß. Dabei differiert die Reichtumskritik, die Platon konkret in seinen Dialogen zu Wort kommen läßt, je nach Dialogintention und argumentativem Verlauf. Dies hat Schriefl herausgestellt.174 So verlangt etwa 171 Vgl. dazu Föllinger (2016b). 172 Es ist nicht eindeutig, wie ἀλλ’ ἢ κατὰ βραχύ aufzufassen ist: Bezieht es sich darauf, daß nur wenige Menschen über festes Wissen und eine autonome Vernunft verfügen, bedeutet es „nur für kurze Zeit“, oder ist gemeint, daß die Fähigkeit, wenn sie auftritt, nur in geringem Maße vorhanden ist? Die zweite Lösung ist meines Erachtens unwahrscheinlicher, weil der Zeitfaktor im vorhergehenden ja schon behandelt worden ist. So muß sich der Ausdruck eher auf das Maß beziehen oder auf die Tatsache, daß es nur wenige Menschen gibt, die über Wissen verfügen und eine autonome Vernunft haben. Die letztere Deutung stimmt mit der Auffassung, die man in der Politeia findet, überein und wird auch von mehr Interpreten vertreten. Vgl. Schöpsdau (2011) 348. 173 Vgl. Laks (2005) 169: „un optimisme de principe et un pessimisme de fait“. 174 Schriefl (2013a). Sie gruppiert die variierenden Auffassungen, die der Platonische Sokrates gegenüber dem Reichtum vertritt, in drei Positionen (5): Eine – vor allem in den Frühdialogen vorzufindende – Vorstellung ist die, daß Areté keine Kenntnis der Chrematistik benötigt. Diese

42 

 Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon

Sokrates in der Politeia von den Wächtern als Voraussetzung ihrer eigenen Eudaimonie und der des Staates eine völlige Konzentration auf ihre Aufgabe und deshalb Eigentumsverzicht (Politeia III 416D–IV 421C). In der Staatskonzeption der Nomoi hingegen wird das Eigentum beibehalten. Dies ist eine Konsequenz daraus, daß die Verfassung mehr Elemente der athenischen Demokratie enthält175 und alle Bürger politische Akteure sind. Aber gleichzeitig wird durch verschiedene Regelungen auf eine Balance im Staat hingearbeitet, da das Auseinanderklaffen der ‚sozialen Schere‘ als größte Gefährdung für die Gemeinschaft angesehen wird. Dem eigentlichen Staatsziel der Eudaimonie entsprechend wird eine Güterordnung entwickelt, innerhalb derer der Reichtum an unterster Stelle steht:176 Materielle Mittel sind dem Wohlergehen von Körper und Seele unterzuordnen (Nomoi V 743D5–E1). Platon übt nicht Kritik an einer Bedürfnisbefriedigung, die der Selbstliebe des Individuums entspringt, sondern an einem Übersteigen des Maßes. Ein solches ist gerade bei materiellen Begierden gegeben, weil sie keine Begrenzung haben bzw. diese sehr spät zum Zuge kommt. Im Unterschied zu der Lust auf gutes Essen kann die Begierde nach Geld unermeßlich sein, weil es kein ‚natürliches‘ Maß wie ein Sättigungsgefühl gibt. Die Wünsche und Begierden, die mit Geld zu tun haben, können also potentiell ins Unermeßliche steigen.177 Das Problem, das Platon dabei sieht, ist aber nicht allein die moralische Gefährdung des Individuums, sondern – und vor allem – die Gefährdung der anderen und der Gemeinschaft.178 Darum kann man das Besitzverbot, das in der Politeia für den politisch verantwortlichen Philosophen- und Wächterstand gilt, als radikale Maßnahme gegen die Pleonexie ansehen.179 Dabei ist Geld für Platon, im Unterschied zu anderen früheren Autoren, nicht per se schlecht,180 und er hinterfragt an keiner Stelle die Existenz des Geldes. Schlecht wird es durch den Gebrauch, weil es die potentiell unersättlichen Begier-

Auffassung nennt Schriefl „Irrelevanzthese“. Eine zweite radikalere Position („Inkompatibilitätsthese“) sieht Areté und Reichtum als einander widersprechend an. Diese ist in der Politeia repräsentiert, wohingegen die Nomoi im Reichtum zwar einen gewissen Wert sehen, ihn aber auf der untersten Stufe in der Hierarchie der Güter ansiedeln („Subordinationsthese“). 175 Wo im folgenden die Rede davon ist, daß die Nomoi eine eher demokratische Verfassung aufweisen, ist damit ‚demokratisch‘ im Sinne der athenischen Demokratie gemeint. Zur Charakterisierung der Verfassung der Nomoi vgl. S. 122f. 176 Nomoi IX 870A6–B6, vgl. III 697B; V 743E–744A; I 631B–C. 177 Vgl. Schindler (2009) 401f. 178 Dazu vgl. unten, S. 127–130. 179 Zu dem Problem, warum selbst für den obersten Stand, der doch die beste Erziehung genossen hat, strenge Reglements gelten, vgl. Schriefl (2013a) 174–194. 180 Vgl. hierzu Schriefl (2013a). Zur Bewertung des Geldes vgl. Kloft (2002) 192–194.



Die Gefahr einer Verselbständigung des Marktgeschehens 

 43

den des Menschen181 unterstützt und verstärkt182 und weil es als Tauschmittel gegen alles eingesetzt werden kann (Nomoi IX 870A1–5). Also gerade die Eigenschaft des Geldes, die für Freiheit und Ausgleich sorgt, birgt auch eine negative Komponente. Deshalb kann Geld aus Bürgern Händler und Tyrannen (Nomoi VIII 831C4–832A2) machen und sie zu Verbrechern werden lassen. Und darum kann Reichtum nicht ein Staatsziel sein.183 Insbesondere aber verhindert Reichtumserwerb, weil er die Bürger gedanklich mit Beschlag belegt und überdies viel Zeit braucht, die Beschäftigung mit dem wirklich Wichtigen: der politischen Betätigung (Nomoi VIII 831B–832B). Eine interessante Interpretation von Platons Reichtumskritik vertritt Schindler:184 Für Platon sei das Geld aus epistemologischen und ontologischen Gründen, als sýmbolon, mit Kunstgegenständen vergleichbar: „an image twice removed from reality“. Als solches sei es gut, aber nur solange berücksichtigt werde, daß es ‚Abbild‘ sei. Das heißt: Geld ist dann schlecht, wenn es nicht seinem Abbildcharakter gemäß untergeordnet, also in Gebrauch ist, sondern wenn es als eigene Entität betrachtet wird.185 Dies entspricht der hier gegebenen Interpretation: Platon bewertet Handel und Geld eigentlich positiv, negativ wird der schlechte Umgang mit ihnen, der aus dem Eigennutzdenken und dem Gewinnstreben des Menschen resultiert.

5.3 Die Gefahr einer Verselbständigung des Marktgeschehens und die Notwendigkeit seiner Regulierung Die menschliche Pleonexie ist es, die eine Gefährdung des Marktgeschehens, das eigentlich eine positive Funktion hat, darstellt. Gerade weil er die Eigenständigkeit des Marktes erkannt hat, sieht Platon das Risiko, das entsteht, wenn Menschen, ihrer Pleonexie folgend, die Marktgesetze ausnutzen. Deshalb sind Handel und Händler immer wieder Beispiele negativer Ausprägung wirtschaftlichen Handelns. Daß Kritik an Auswüchsen im Handel nicht nur eine literarische Topik ist, macht die Formulierung deutlich, allgemein habe das Händlergewerbe einen schlechten Ruf (Nomoi XI 918D6–8: διὸ πάντα τὰ περὶ τὴν καπηλείαν καὶ

181 In der Platonischen Psychologie gehört die Liebe zum Geld zur Instanz des epithymetikón, demjenigen Motivationszentrum im Menschen, das in besonderer Weise Materielles begehrt und gewinnorientiert ist (Politeia IX 580E–581A: φιλοχρήματον und φιλοκερδές). 182 Politeia IX 580D10–581A8, vgl. IV 442A5–7. 183 Vgl. Helmer (2010) 80–84. 184 Schindler (2009) 405f. 185 Vgl. Schindler (2009) 419–426.

44 

 Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon

ἐμπορίαν καὶ πανδοκείαν γένη διαβέβληταί τε καὶ ἐν αἰσχροῖς γέγονεν ὀνείδεσιν). Auch die Kritik an der Monopolbildung und die restriktiven Regelungen für die Wirtschaft in Politeia und Nomoi186 haben ihren Grund in Platons Kenntnis von den Gefahren einer Verselbständigung des Marktes. Weil dem Streben nach Reichtum keine Grenze gesetzt ist, vergrößert sich, wenn man dem wirtschaftlichen Handeln der einzelnen Akteure freien Lauf läßt, die Schere zwischen Arm und Reich. Dies aber gilt es nach Platon, der selbst in einer Zeit starker sozialer Spannungen lebte,187 auf jeden Fall zu verhindern, weil zu großer Reichtum wie auch zu große Armut den Charakter verschlechtern, indem sie den Hang zur Übervorteilung (hýbris), zu übermäßigem Konkurrenzkampf (zéloi) und Neid (phthónoi) hervorbringen (Nomoi III 679B–C).188 Diese Folgen sind aber nicht nur ein moralisches Risiko für das Individuum, sondern gefährden massiv Gesellschaft und Staat,189 weil sie den Zusammenhalt der Bürger sprengen können. Denn um das Gute für den Staat – und damit ein gelungenes Leben (Eudaimonie190) für Individuum und Gemeinschaft – zu erreichen, ist die Einheit zentral, die innenpolitisch Harmonie und außenpolitisch Sicherheit bedeutet und so für Stabilität sorgt (Politeia IV 422A–423D). So ist die Oligarchie deshalb zu verurteilen, weil in ihr die Armen prinzipiell von der politischen Verantwortung ausgeschlossen sind, so daß viele „in der Stadt wohnen, ohne an ihr teilzuhaben“ (Politeia VIII 552A7–10).191 Besondere Kritik erfährt dabei der Umstand, daß die einen verarmen, weil sie durch die Umstände gezwungen sind, den anderen ihren Besitz zu verkaufen. Weil also nicht wirtschaftliche Prozesse oder Geld schlecht sind, sondern erst durch das Handeln des Menschen ihre eigentliche Funktion verlieren, hängt es von der Erziehung und den Gesetzen ab, ob Menschen von beidem einen guten

186 Vgl. dazu oben, S. 15f. 187 Zu den sozialen Spannungen in Athen vgl. Rohde (2012) 28 und Ruffing (2012) 74. 188 Vgl. Nomoi XI 919B–C und Politeia IV 422A: Eine fehlende Balance von Reichtum und Armut bewirkt auf der einen Seite einen Hang zum Luxus, auf der anderen Seite Trägheit. 189 Mit der Frage, inwieweit der Begriff ‚Staat‘ für antike ‚Staaten‘ verwendet werden kann, beschäftigt sich der Beitrag von Walter (1996) v. a. 22–26. Der in den Nomoi entworfene Staat entspricht den ebd., 24, genannten Kriterien für die Bezeichnung ‚Staat‘: „Tätigwerden institutionalisierter staatlicher Funktionen, die kontinuierlich besetzt und mit so vielen Machtfunktionen ausgestattet sind, daß ihre Durchsetzungskraft nicht mehr oder nicht mehr primär von der persönlichen Leistungsfähigkeit eines gerade im Amt befindlichen Funktionsträgers abhängt.“ Die Entkopplung von Amt und Person ist Thema der im Politikos geführten Diskussion (vgl. unten, S. 75–77). Daß aber auch in einer solchen Organisationsform die persönliche Qualität des einzelnen Funktionsträgers für das Gelingen des Ganzen wichtig ist, wird als Anliegen Platons deutlich. 190 Zur Bedeutung von ‚Eudaimonie‘ vgl. unten, S. 63f. 191 Vgl. Helmer (2010) 132.



Die Gefahr einer Verselbständigung des Marktgeschehens 

 45

Gebrauch machen.192 Allerdings mißtraut Platon offensichtlich gerade im Hinblick auf das wirtschaftliche Handeln der Nachhaltigkeit von Erziehung, weshalb in seinen Staatskonzeptionen der Bereich der Wirtschaft besonders streng geregelt ist. In Bezug auf den ‚Markt‘ gilt es also, klar deskriptive und normative Ökonomie bei Platon zu trennen: Platon erkennt die Autonomie des Marktes und fordert die Heteronomie.193 Diese soll aber nicht darin bestehen, daß durch politische Maßnahmen oder kulturelle Steuerung Geld und wirtschaftliches Handeln – die ja für Platon per se positive Funktionen haben – abgeschafft würden, sondern in einer besonderen, politischen Regulierung der Wirtschaft. Wenn man Platons Überlegungen zu der anthropologischen Gegebenheit des Eigennutzdenkens und zu den Möglichkeiten seiner Regulierung untersucht, liegt es nahe, einen Vergleich mit Adam Smith als Begründer des Wirtschaftsliberalismus anzustellen, bei dem ebenfalls der menschliche Eigennutz eine zentrale Rolle für das wirtschaftliche Handeln spielt.194 Sowohl für Platon als auch für Smith besteht ein grundlegender Wesenszug des Menschen darin, daß er sein Handeln im ökonomischen Bereich primär am Eigeninteresse ausrichtet. Bei Smith kommt dies komprimiert in der berühmten Aussage zum Ausdruck (An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations i.ii.2): It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker, that we expect our dinner, but from their regard to their own interest. We address ourselves, not to their humanity but to their self-love, and never talk to them of our own necessities but of their advantages.

Aber Smith glaubt bekanntlich, es gebe eine allen Wirtschaftsprozessen unterliegende Gesetzlichkeit, aufgrund derer das Gemeinwohl dadurch, daß jeder das eigene Interesse verfolge, gefördert werde. Es ist die berühmte Theorie der ‚unsichtbaren Hand‘ („invisible hand“). Diese Anschauung, die die geistige Grundlage des Konzepts der „Freien Marktwirtschaft“, bildet, erläutert Smith am

192 Vgl. Lysis 220A1–5. Zur Bedeutung einer Erziehung, die gegen die Gier vorgeht, vgl. Nomoi IX 870A5–7. 193 Zu den Begriffen ‚Heteronomie‘ und ‚Autonomie‘ vgl. Helmer (2010) 64, dessen Ausführungen aber mißverständlich sind, weil er nicht klar die deskriptive von der normativen Seite in Platons Analyse trennt. 194 Der Vergleich von Platons Analyse und dem Ansatz von Adam Smith findet sich auch in Föllinger (2015a). Dort wird ausführlicher auf die Rolle des ‚Unparteiischen Zuschauers‘ eingegangen, während in der vorliegenden Fassung Bemerkungen zur religiösen Komponente in Smiths Denken eingeflossen sind.

46 

 Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon

Beispiel des heimischen Gewerbes (An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations iv.ii.9): As every individual, therefore, endeavours as much as he can both to employ his capital in the support of domestick industry, and so to direct that industry that its produce may be of the greatest value; every individual necessarily labours to render the annual revenue of the society as great as he can. He generally, indeed, neither intends to promote the publick interest, nor knows how much he is promoting it. By preferring the support of domestick to that of foreign industry, he intends only his own security; and by directing that industry in such a manner as its produce may be of the greatest value, he intends only his own gain, and he is in this, as in many other cases, led by an invisible hand to promote an end which was no part of his intention. Nor is it always the worse for the society that it was no part of it. By pursuing his own interest he frequently promotes that of the society more effectually than when he really intends to promote it. I have never known much good done by those who affected to trade for the publick good.

Die „unsichtbare Hand“ sorgt also für die effiziente und allen förderliche Interdependenz von Eigeninteresse und Gemeinwohl. Sie ist gewissermaßen ein abstrakter Ordnungsfaktor, eine den Einzelprozessen unterliegende Gesetzmäßigkeit, die für den harmonischen Ausgleich sorgt. Die Störungsfreiheit dieses Prinzips, so Smiths optimistische Überzeugung, führe dazu, daß das wirtschaftliche Leben gelinge, resultiere also in der Wohlfahrt des Staates. Die Vagheit von Smiths Vorstellung zeigt sich bereits in der Metaphorik der „unsichtbaren Hand“. Ihre Existenz begründet Smith mit der von der Stoa übernommenen Anschauung,195 es gebe eine harmonische Weltordnung, „die alles regelnde Vorsehung eines weisen, mächtigen und gütigen Gottes, die dazu neigt, das Glück zu fördern“196. Smith referiert auch andernorts197 die stoische Anschauung von einer göttlichen Vorsehung. Das dynamische Moment in Smiths Gesetzeskonzeption ist allerdings nicht auf die Stoa zurückführen, sondern verweist auf den Einfluß von Newtons Astronomie.198 Diese repräsentiert für ihn ein System, „dem es gelingt, ‚to bind together all the discordant phaenomena that occur in a whole species of things‘“.199 Grundlage dieses Denkens ist die Ansicht, Philosophie bzw. Wissenschaft müsse „Ordnung in dieses Chaos der Erscheinungen … bringen“200: „A system is an imaginery machine invented to connect together in the fancy those

195 Zum folgenden vgl. Föllinger (2008) 1063–1079. 196 Kraus (2000) 185. 197 The Theory of Moral Sentiments i.ii.3.4. 198 Manstetten (2004) 43. 199 Manstetten (2004) 43. Das Zitat stammt aus Smith, History of Astronomy IV 19 (Wightman/ Bryce 1982, 66). Vgl. dazu Manstetten (2004) 43. 200 Manstetten (2004) 43.



Die Gefahr einer Verselbständigung des Marktgeschehens 

 47

different movements and effects which are already in reality performed.“201 Die neuzeitliche Mechanik steht hinter der Auffassung, daß sich auch andere als physikalische Prozesse mit mechanistischen Modellen erklären lassen. Bei Smith ist es also die vage Größe der ‚unsichtbaren Hand‘, die für die Koinzidenz von Eigenliebe und Gemeinwohl sorgt. Gleichzeitig aber führt Smith in seiner Schrift The Theory of Moral Sentiments eine Art von Instanz ein, die vorbeugen soll, daß die Eigenliebe zu mächtig wird. Er nennt sie, wiederum metaphorisch, den „unparteiischen Zuschauer“ (vii.ii.1.44): By Nature the events … which immediately affect ourselves, our friends, our country, are the events which interest us the most, and which chiefly excite our desires and aversions, our hopes and fears, our joys and sorrows. Should those passions be, what they are very apt to be, too vehement, Nature has provided a proper remedy, and correction. The real or even the imaginary presence of the impartial spectator, the authority of the man within the breast, is always at hand to overawe them into the proper tone and temper of moderation.

An diesem Punkt wird auch Smiths Anthropologie normativ (The Theory of Moral Sentiments iii.3.11): Man, according to the Stoics, ought to regard himself, not as something separated and detached, but as a citizen of the world, a member of the vast commonwealth of nature. To the interest of this great community, he ought at all times to be willing that his own little interest should be sacrificed.

Offensichtlich ist die ‚unsichtbare Hand‘ doch nicht ganz so mächtig, durch den Egoismus des einzelnen allgemeines Wohlergehen zu generieren. Vielmehr ist das moralische Verhalten des einzelnen, das den Rahmen für die Wirkung der ‚unsichtbaren Hand‘ bildet, durchaus nötig.202 Dem Wirken einer ‚unsichtbaren Hand‘ gegenüber wäre Platon wohl skeptisch gewesen203 – und dies aus zwei Gründen: Zum einen unterliegt für ihn der Bereich menschlichen Handelns, um den es sich in der Ökonomie handelt, mehr der Kontingenz als Naturgesetzlichkeiten, und die Anschauung eines ‚von außen‘ 201 Smith, The History of Astronomy IV 19 (Wightman/Bryce 1982, 66). Vgl. dazu Manstetten (2004) 43. 202 Daß Smith die mechanistische Vorstellung in Bezug auf die Politische Ökonomie nicht verabsolutiert hat, zeigt Manstetten (2004). Denn Smith war klar, daß es politische und soziale Aspekte gibt, die durch eine solche nicht erfaßt sind (Manstetten 2004, 43f.). 203 Ich teile also nicht die Auffassung von Lowry (1987) 84, der Platons Auffassung der Interaktion von Individuum und Gemeinschaft in der Politeia mit dem von Adam Smith vertretenen Konzept der „invisible hand“ parallelisiert. Die Rolle des Glaubens in Smiths Konzept betont Manstetten (2004) 154 Anm. 12 und 155.

48 

 Die grundlegende Bedeutung wirtschaftlichen Handelns bei Platon

wirkenden Moments wie die – letztendlich aus der Stoa – kommende Vorstellung eines ordnenden kosmischen Prinzips hätte er abgelehnt. Smith verband mit seinen Anschauungen eine religiöse Fundierung, die nicht allein theistische Vorstellungen prägten, sondern die einen personalen Gott kennt.204 Und auch wenn er nicht von einem Eingreifen Gottes in die Prozesse der Welt ausging, so finden sich in seinen Ausführungen doch immer wieder Äußerungen über den wohlwollenden Gott, der hinter der Naturgesetzlichkeit steht.205 Für Platon hingegen gibt es keine außerhalb des Menschen wirkende Kraft, die die wirtschaftlichen Prozesse zum Guten lenkt. Hier ist der Mensch auf sich gestellt. Zum zweiten sieht Platon die Eigenschaft, die Smith durch den ‚unparteiischen Zuschauer‘ ausgeschaltet wissen will, als Grundzug des Menschen: die Pleonexie. Und trotz eines grundlegenden Optimismus, was die Erziehungsfähigkeit des Menschen angeht, möchte Platon im wirtschaftlichen Bereich nicht darauf vertrauen – nicht einmal bei gut erzogenen Menschen –, daß der einzelne sein Eigennutzstreben sein ganzes Leben lang selbst begrenzen kann.206 Vielmehr hält er das Verführungspotential materieller Vorteile für zu groß, als daß man darauf vertrauen könnte, daß ein Mensch zuverlässig dagegen immun sei, oder kurz gesagt: In diesem Bereich ist Vertrauen gut, Kontrolle aber besser. Die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre, die auch von Auswüchsen menschlicher Pleonexie geprägt waren, wie die Bankenkrise gezeigt hat, geben ihm zumindest nicht Unrecht.

204 Zur Diskussion über Smiths Religionsauffassung vgl. Hottinger (1998) 57–67. 205 Vgl. Theory of Moral Sentiments vi.ii.3.5.: „The idea of that divine Being, whose benevolence and wisdom have, from all eternity, contrived and conducted the immense machine of the universe, so as at all times to produce the greatest possible quantity of happiness, is certainly of all the objects of human contemplation by far the most sublime.” 206 Vgl. etwa Nomoi IX 874E7–875D5. Mit diesem Problem setzt sich ausführlich Schriefl (2013a) 170–194 auseinander.

6 Der homo oeconomicus: Ein Vergleich von Kategorien der modernen Ökonomie mit dem Platonischen Ansatz207 Die moderne Ökonomie legt ein bestimmtes Menschenbild oder besser gesagt: Modell zugrunde, das der Begriff ‚homo oeconomicus‘ umreißt.208 Dieser ist der neoklassischen Theorie zufolge ein „egoistischer rationaler Nutzenmaximierer“209, der seine persönlichen Ziele ausschließlich im eigenen Interesse verfolgt, ohne von den Zielen eines anderen Individuums beeinflußt zu sein.210 Dabei sind es nicht nur materielle Ziele, die die Ökonomie untersucht, sondern auch Zielvorstellungen wie Freizeit, Ruhe, familiäres Wohlergehen, soziale Bezüge u. a. fallen darunter. Inwiefern läßt sich nun das Modell des egoistischen rationalen Nutzenmaximierers mit Platons Menschenbild vergleichen?

6.1 Eigennutz und ‚Nutzen‘ Der Vergleich von Platon und Adam Smith im letzten Kapitel hat gezeigt, daß beide ein unterschiedliches Vertrauen in die positiven Folgen von Marktgesetzlichkeiten besitzen. Aber beide gehen davon aus, daß Menschen als handelnde Individuen eigennutzorientiert sind. Auf den ersten Blick mag es verwundern, eine Anschauung, die beim Eigennutzdenken des Menschen ansetzt, mit Platon in Verbindung zu bringen. Aber bei näherer Betrachtung wird deutlich, daß die Dialoge unter verschiedenen Perspektiven darauf Bezug nehmen. Ein wichtiges Indiz ist die Zeichnung des Sokrates. Dieser erblickt seine Aufgabe darin, andere zur richtigen Sorge um sich selbst anzuleiten. Er ist daran interessiert, die Gesprächspartner zum Nachdenken und 207 Die in diesem Kapitel vorgestellten Aspekte ‚Nutzen‘ und ‚Rationalität‘ werden in einem Aufsatz von Philip Bösherz und Hans Lauritz Noack (in Vorbereitung) weiter ausgeführt, wobei auch die Kategorie der Lust eine breitere Behandlung erfährt. 208 Der Begriff ‚homo oeconomicus‘ ist ein moderner Begriff und etablierte sich wohl am Ende des 19.  Jhdts. in der Reaktion auf und Diskussion um John Stuart Mills Ökonomie, vgl. dazu Persky (1995) 222. Zur Geschichte des homo oeconomicus vgl. Tietzel (1981) und Persky (1995). 209 Manstetten (2004) 169. Dabei wird der homo oeconomicus nicht als ein Maximierer im mathematischen Sinn aufgefaßt, sondern als jemand, der so lange verschiedene Möglichkeiten abwägt bzw. ausprobiert, bis er eine findet, die ihn unter gegebenen ‚Restriktionen‘ befriedigt, vgl. Kirchgässner (2013) 32–34. 210 Vgl. Manstetten (2004) 168–170; Kirchgässner (2013) 14. DOI 10.1515/9783110457070-006

50 

 Der homo oeconomicus

Umdenken, zur kritischen Reflexion und Selbstreflexion, zur Loslösung von nur übernommenen Werturteilen und Maßstäben, zur Autonomie der Moral, zur Selbstsorge zu bewegen. Nichts macht dies deutlicher als das berühmte und in Opposition zu den traditionellen Werten der griechischen Tradition formulierte Sokratische Paradoxon, Unrecht zu tun sei schlimmer als Unrecht zu erleiden, weil Unrecht zu tun die eigene Seele schädige.211 In der Politeia identifiziert Sokrates sogar das Gute mit dem Nützlichen. Damit hat Platon, wie Peter Stemmer in einer wegweisenden Studie zeigen konnte,212 auf die sophistische Kategorie des Nutzens reagiert und diesen Begriff in seinem Sinne fruchtbar gemacht: Die Sophistik stellte den Aspekt, inwieweit ein bestimmtes Handeln einem selbst nütze, ins Zentrum ihrer ethischen Überlegungen und gebrauchte dafür den Begriff ‚συμφέρον/symphéron‘ („zuträglich“), der eigentlich aus der Medizin kommt und seit den 30er Jahren des 5. Jhdts. v. Chr. häufig verwendet wurde. Platon übernimmt den „motivationstheoretische(n) Grundsatz“ der Sophisten,213 daß das Ziel menschlichen Handelns der eigene Nutzen ist. Doch seine Konzeption läuft darauf hinaus zu zeigen, daß das Gute (ἀγαθόν/agathón) auch nützlich ist.214 Dabei schließen sich die Frage nach dem Nutzen für die eigene Person und moralisches Handeln nicht aus, wie das Sokratische Paradoxon zeigt. Der eigentliche Punkt besteht vielmehr darin, eine ‚Letztbegründung‘ für Handeln zu finden. Eine solche stellt der Verweis auf eine moralische Pflicht nicht dar, wohl aber die Begründung, daß ein bestimmtes Handeln ‚gut‘ und damit dem Gelingen des eigenen Lebens (Eudaimonie), also dem Lebensziel, dienlich ist. Daß ein gelungenes Leben, die Eudaimonie, die Letztbegründung für das individuelle Handeln darstellt, macht Sokrates im Dialog Sym­ posion (205A1–3) deutlich.215 Die Zusammengehörigkeit von ‚gut‘ und ‚nützlich/zuträglich‘216 zeigt sich auch sprachlich. Denn vielfach wird bei Platon, wie Stemmer auf der Grundlage einer gründlichen Analyse zeigen konnte, agathón durch Wörter, die ‚nützlich‘ bedeuten: συμφέρον/symphéron, ὠφέλιμον/ophélimon, χρήσιμον/chrésimon, ersetzt. Dabei ist agathón ein reflexiver Begriff: d. h. ‚gut sein‘ bedeutet ‚für jemanden gut sein‘: „ ... alles, was ein ἀγαθόν ist, ist letztlich für das Glück dessen

211 Zur Sokratischen ‚Seelsorge‘ bei Platon vgl. Erler (2006) 70–84. 212 Stemmer (1988). 213 Stemmer (1988) 536. 214 Stemmer (1988) 541. Der Aspekt des Nutzens wird etwa im Lysis ausführlicher behandelt (vor allem 222B–C), vgl. Erler (2006) 201. 215 κτήσει γάρ, ἔφη, ἀγαθῶν οἱ εὐδαίμονες εὐδαίμονες, καὶ οὐκέτι προσδεῖ ἐρέσθαι Ἵνα τί δὲ βούλεται εὐδαίμων εἶναι ὁ βουλόμενος; ἀλλὰ τέλος δοκεῖ ἔχειν ἡ ἀπόκρισις. 216 Vgl. Jüssen (1984) 993f.



Eigennutz und ‚Nutzen‘ 

 51

gut, der über dieses ἀγαθόν verfügt“217. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß der Mensch tut, was er selbst als für sich selbst zuträglich betrachtet.218 Auf die Identität von gutem Handeln und Wohlergehen weist die Formel ‚εὖ πράττειν (eu práttein)‘ hin, die Platon in den Dialogen wiederholt benutzen läßt.219 Aber die Gemeinsamkeit von Platonischem Ansatz und moderner Ökonomie geht über die Annahme, daß Menschen eigennutzorientiert handeln, hinaus. Denn beide ziehen daraus die Schlußfolgerung, daß man diesen anthropologischen Grundzug in Rechnung stellen, ja, sich an ihm orientieren muß sowohl, um Prognosen über menschliches Verhalten treffen zu können, als auch, um geeignete Motivationsstrategien zu entwickeln, die Menschen zu einem bestimmen Verhalten bewegen. Von den Begriffen des Eigennutzes und des ‚Nützlichseins‘ in dem beschriebenen Sinne ist der Begriff ‚Nutzen‘ als terminus technicus der modernen Ökonomie zu unterscheiden. Dieser stellt ein Maß für die Präferenzen eines Akteurs dar: „Utility is a measure of an actor’s preferences over the outcomes that reflects his or her willingness to take risks to achieve desired outcomes and avoid undesirable outcomes.“220 Als mathematische Funktion abstrahiert der Nutzen eine Gegebenheit aus dem Bereich der Güter. Er ist damit inhalts- und wertfrei gebraucht221 und kann sich sowohl auf materielle als auch auf ideelle Gegebenheiten beziehen. Als solcher sagt ‚Nutzen‘ in der Ökonomie nichts darüber aus, ob man von einem externen Standpunkt aus das Objekt, auf das sich der bemessene Nutzen bezieht, als gut oder schlecht beurteilen würde. Bei Platon hingegen ist Nutzen nicht ein wertfreies Maß, sondern er ist normativ besetzt. Denn von den vielen Dingen, die Menschen als Nutzen für sich betrachten, ist ein Nutzen zu unterscheiden, der ‚wirklich‘, also objektiv, als Nutzen bestimmbar ist.222 Dies ist der auf das Gute ausgerichtete Nutzen. Es kommt darauf an, zu erkennen, was dasjenige ist, das wirklich und nachhaltig Nutzen bringt, und es im individuellen und staatlichen Bereich umzusetzen. Darum müssen Menschen motiviert werden, den wahren Nutzen zu verfolgen. In der Terminologie der modernen Ökonomie könnte man sagen, daß die Identifikation von ‚gut‘ und ‚nützlich‘ Platons Nutzenfunktion definiert. Für ihn ist das oberste Ziel das Gute. Damit wird ihm zufolge Nutzen maximiert, wenn das Gute

217 Stemmer (1988) 547. Vgl. Erler (2007) 435. Stemmer nennt dies das „‚eudaimonistisch Gute‘“ (ebd.). 218 Vgl. etwa Menon 77B–78B; Symposion 204C–205A. Siehe Stemmer (1988); Erler (2006) 173. 219 Vgl. Erler (2006) 173. 220 Morrow (1994) 16. 221 Vgl. auch Morrow (1994) 16–49; Manstetten (2004). 222 Zu Platons objektivem Glücksbegriff vgl. Blößner (2007) 256.

52 

 Der homo oeconomicus

erreicht ist. Diese Vorstellung wird in den Dialogen als Norm vermittelt. Der von Platon mit dem Guten gleichgesetzte Nutzen ist also ein Aspekt dessen, was der moderne ökonomische terminus technicus ‚Nutzen‘ bezeichnet. Daneben läßt sich eine weitere Differenz fassen. Anders als die moderne Ökonomie, die einen Gemeinschaftsbezug nicht als Element zur Erklärung individuellen Handelns integriert, gibt es diese Verbindung bei Platon in seiner Konzeption des Optimum. Denn dieses besteht darin, daß individueller Nutzen und Gemeinschaftsnutzen zusammenfallen. Wenn jemand sich selbst etwas Gutes tun will, indem er beispielsweise falsche Preise für eine bestimmte Ware oder die Ausübung eines bestimmten Handwerks nimmt oder wenn er nachlässig mit fremdem Eigentum wie dem Nachbargrundstück umgeht, schadet er nicht nur, gemäß der Maxime des Sokrates, sich selbst, indem er Ungerechtigkeit begeht, weil er die Harmonie der eigenen Seele zerstört, sondern er schadet auch sich selbst, weil er mit der Zerstörung von Vertrauen den Wert einer Gemeinschaft untergräbt, deren Teil er selbst ist. Es geht also nicht darum, daß der Mensch nicht auf seinen Nutzen und Vorteil bedacht sein dürfte, sondern darum, daß er seinen Nutzen umsichtig überdenkt und auf seinen ‚wahren‘ Nutzen aus ist.223 Allerdings sind nur die wenigsten fähig zu erkennen, was das in Wahrheit für einen selbst und damit für die Gemeinschaft Zuträgliche ist.224 Deswegen muß den Nomoi zufolge der Gesetzgeber Strategien überlegen, wie man die Bürger, indem man sie ihre eigenen Interessen verfolgen läßt, zum richtigen Handeln bewegen kann. Aus diesem Grund wird in den Nomoi immer wieder hervorgehoben, daß verkehrtes Verhalten, wie etwa die Pleonexie, nicht nur die anderen, sondern auch den Täter selbst schädigt. In der Formulierung, mit der ein potentieller Täter davon abgehalten werden soll, sich Funde anzueignen,225 wird geradezu ein Nutzenkalkül aufgemacht, warum es für ihn selbst gewinnbringender ist, den Schatz nicht für sich zu behalten (Nomoi XI 913B3–8): Denn niemals hätte ich für meinen Besitz an Geld einen so großen Zugewinn, wenn ich es an mich nähme, wie ich den Bestand an Tugend der Seele und an Gerechtigkeit vergrößern würde, wenn ich es nicht an mich nähme; denn ich würde mir so statt des einen Besitzstückes 223 In diesem Sinne läßt sich auch sagen, daß der Mensch bei Platon ein Egoist ist und sein darf. Vgl. Schmitt (2003) 384; Erler (2007) 435 mit weiterer Forschungsliteratur. Daß Gerechtigkeit für das Individuum nützlich ist, wird in der Politeia diskutiert, vgl. III 392C. 224 So ist diese Fähigkeit wohl den Philosophenherrschern der Politeia zu unterstellen, auch wenn die Philosophen im Höhlengleichnis geradezu dazu gezwungen werden müssen, vom Licht wieder in die Höhle zurückzukehren, um die dort Verbliebenen an ihren Erkenntnissen teilnehmen zu lassen (Politeia VII 519B7–521B11). 225 Zur juristischen Seite vgl. Klingenberg (1990): In Griechenland hing es vom Recht der jeweiligen Polis ab, ob ein Finder die Sache zurückgeben mußte. Auch im attischen Recht, wie in den Platonischen Nomoi, galt das Behalten von Fundsachen als Delikt (ebd., 102).



Eigennutz und ‚Nutzen‘ 

 53

ein anderes, besseres Besitzstück in einem besseren Teile meiner selbst erwerben, indem ich den Besitz von Gerechtigkeit in der Seele dem Reichtum unter meinen äußeren Gütern vorzog.226

Weil verkehrtes Tun sich gegen den Täter richtet, er sich also selbst schadet, hat Strafe primär den Sinn, den Täter zu heilen.227 Breit ausgeführt wird diese Ansicht in der Ansprache, die der athenische Gesprächspartner als Vorrede des Gesetzeswerkes formuliert. Sie ist für die Siedler der neuen Kolonie gedacht, die den (fiktiven) Ausgangspunkt für die Gesetzgebung der Nomoi darstellt.228 Hier warnt der Athener die Kolonisten vor der Eigenliebe (Nomoi V 731D6–732B4) – aber nicht, weil sie prinzipiell zu verdammen wäre, sondern weil zu große Eigenliebe blind für eine richtige Selbsteinschätzung macht und damit zu fehlerhaftem Verhalten führt. Das Gegenteil zu übermäßiger Selbstliebe ist nicht ein uneigennütziges Verhalten. Vielmehr besteht es darin, denjenigen, der besser ist, nachzuahmen, ohne sich zu schämen. Der Gegensatz besteht also nicht in Egoismus auf der einen Seite und Altruismus auf der anderen Seite, sondern zwischen zu großer und damit unkritischer Selbstliebe und der selbstbewußten Nachahmung eines positiven Vorbildes.229 Dies schließt nicht aus, daß es durchaus eine richtige und positive Selbstliebe geben kann, zu der aber die wenigsten fähig sind, weswegen es für sie besser ist, sich an Vorbildern auszurichten. Die positive Form der Selbstliebe ist ebenfalls Thema der Ansprache an die Kolonisten. Eine solche Selbstliebe besteht in der adäquaten Bewertung der unterschiedlichen Güter und der richtigen Sorge um die eigene Seele (Nomoi V 726A1–729B1), entspricht also der Sokratischen „Sorge um sich selbst“.230 Bei Platon ist also der Eigennutz eine wichtige Kategorie. Das Ziel des Platonischen Gesetzgebers, genauso wie des Platonischen Sokrates, besteht aber nicht darin, Menschen davon abzubringen – dies wäre auch, folgt man den Platonischen Nomoi, in der Regel gar nicht machbar –, sondern darin, dem einzelnen die Erkenntnis zu ermöglichen, was das für ihn wirklich Gute und Nützliche ist. Da nur wenige diese in vollem Umfang erlangen können, ist es ein wichtiger Weg des Gesetzgebers, die einzelnen durch Strategien, die auf ihren Eigennutz rekurrieren, zu einem Handeln, das auf das Richtige ausgerichtet ist, zu bewegen. 226 οὐ γάρ ποτε τοσοῦτον εἰς χρημάτων ὠφεληθείην ἂν κτῆσιν ἀνελών, ὅσον εἰς ὄγκον πρὸς ἀρετὴν ψυχῆς καὶ τὸ δίκαιον ἐπιδιδοίην μὴ ἀνελόμενος, κτῆμα ἀντὶ κτήματος ἄμεινον ἐν ἀμείνονι κτησάμενος, δίκην ἐν τῇ ψυχῇ πλούτου προτιμήσας ἐν οὐσίᾳ κεκτῆσθαι πρότερον. 227 Siehe vor allem Nomoi IX 870A6–B2: Die Griechen und andere Völker schaden mit ihrer Hochschätzung des Reichtums der nächsten Generation und „sich selbst“. 228 Vgl. unten, S. 106. 229 Diese positive Imitation wird als Wesen der timé (Ehre) bezeichnet (Nomoi V 728C). 230 Vgl. auch Schöpsdau (2003) 268.

54 

 Der homo oeconomicus

Anders als in der modernen Ökonomie geht es Platon auch um eine normative Anwendung, insofern das, was wirklich Nutzen bedeutet, ‚das Gute‘, das Eudaimonie für Individuum und Staat bedeutet, ist. Es gibt bei ihm also einen richtigen und einen falschen Nutzen.

6.2 Rationalität Zeigen sich also im Hinblick auf den ‚Nutzen‘ Gemeinsamkeit und Unterschied von Platonischem Denken und moderner Wirtschaftstheorie, so ist dies auch im Hinblick auf die ‚Rationalität‘ der Fall. Auch hier ist die Terminologie der Ökonomie enger als in der Alltagssprache. Während ‚Nutzen‘ die Voraussetzung für eine Handlung ist, meint ‚Rationalität‘ das Vorgehen bei der Handlung selbst. Dabei bezeichnet sie in der Ökonomie nicht den ganzen Komplex mental-kognitiver Prozesse, sondern die Bedeutung ist enger: Wenn ein Akteur, ein bestimmtes Ziel vorausgesetzt, sich unter Verwertung aller ihm zur Verfügung stehenden Informationen auf bestimmte Art und Weise entscheidet, um dieses Ziel zu erreichen, spricht die Ökonomie von Rationalität. Dies betont Morrow: „ … rational behavior for our purposes means much less than the common meaning of the term. Put simply, rational behavior means choosing the best means to gain a predetermined set of ends. It is an evaluation of the consistency of choices and not of the thought process, of implementation of fixed goals and not of the morality of those goals.“231 Weiter führt Morrow explizit aus, daß die Nutzentheorie nicht auf eine Gesamterklärung rationaler Prozesse ziele: „Utility theory is not an attempt to explain the cognitive processes of individuals. It is an attempt to capture the important considerations underlying decisions in a general framework that can be manipulated mathematically while allowing for variations across the choices of individuals. Our purpose is not to explain cognition, but rather to understand political acts. We use the abstract model of choice here to represent individuals’ choices in political settings. Strategic logic is quite complex even with this simple model of cognition. Rational choice models attempt to capture key facets of a situation and examine actors’ decisions as a consequence of their preferences in conjunction with the constraints of a situation. To do so, we use the rational choice model to simplify away from the complexity of actual cognition.“232 In der modernen Ökonomie geht es also um Nutzenkalkül.233 Vor allem aber analysiert 231 Morrow (1994) 17. 232 Morrow (1994) 17. 233 Dieses Kriterium geht letztendlich auf Benthams Utilitarismus zurück, vgl. An Introduction to the Principles of Morals and Legislation XIV,28 (Burns/Hart 1970, 173f.): „When matters of such

Rationalität 

 55

ökonomische Nutzentheorie nur die Entscheidungen, die ein Akteur trifft, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, nicht aber das Ziel selbst: „… rationality tells us nothing about an actor’s preferences over outcomes – only about its choices given those preferences and the situation that confronts it.“234 Ökonomische Rationalität umfaßt also zum einen nur einen kleinen Bereich dessen, was man sonst unter Rationalität versteht, zum anderen erweist sich ihr technischer Charakter darin, daß ihr Bereich das Verhältnis der vom Akteur gefällten Entscheidungen zu dem von ihm ins Auge gefaßten Ziel ist. Inwieweit das Ziel selbst richtig gewählt ist, fällt nicht in den Bereich ökonomischer Rationalität.235 Was in der Ökonomie Rationalität genannt wird, widerspricht nicht dem, was man bei Platon darunter zu verstehen hat, sondern es ist nur ein Teilbereich. Sowohl in der Platonischen Ethik als auch in der Platonischen Politik geht es zwar auch darum, die Mittel zu überlegen, mit denen man am besten und effizientesten zum Ziel gelangen kann.236 Aber es geht vor allem darum, zu überlegen, was das Ziel ist und ob dieses richtig gewählt ist. Hier ist der Unterschied zur modernen Ökonomie zu sehen.237 Denn ein rationaler Akteur zeichnet sich nach Platon gerade dadurch aus, daß er das Ziel richtig wählt, wozu er wiederum nur dann in der Lage ist, wenn er Erkenntnis in das Richtige erlangt hat. Die Voraussetzung hierfür ist, daß sein ‚vernunftbegabter Seelenteil‘ (logistikón) richtig erzogen ist, das heißt: in Abstimmung mit den anderen menschlichen Instanzen und sie anleitend die Entscheidungen trifft. Auch die politische Téchne ist dadurch bestimmt, daß sie von Menschen ausgeübt wird, die sie aufgrund ihres Wissens beherrschen, und daß diese sie anwenden, um alle Bürger zur Erkenntnis gelangen zu lassen, also ihre rationalen Fähigkeiten zu fördern. Diese wichtige Bestimmung der politischen Téchne läßt Platon im Euthydemos Sokrates im Gespräch mit Kriton entwickeln (292B–D).238 Hier wird auch deutlich, daß die politische Téchne allen Bürgern nützen und sie „glücklich“ (eudaímones) machen importance as pain and pleasure are at stake, and these in the highest degree (the only matters, in short, that can be of importance) who is there that does not calculate? Men calculate, some with less exactness, indeed, some with more: but all men calculate. I would not say, that even a madman does not calculate. Passion calculates, more or less, in every man.“ Vgl. hierzu Hottinger (1998) 235–246. Von Bentham stammt die Vorstellung, daß Nutzen meßbar sei. 234 Morrow (1994) 20f. Vgl. Kirchgässner (2013) 13–28. 235 Vgl. auch Manstetten (1994) 166–168. 236 Dies ist dann nicht unbedingt ein kurzer Weg, wie etwa die lange Ausbildungszeit der Philosophen in der Politeia zeigt. 237 Zu der Diskussion innerhalb der Ökonomie, inwiefern eine Trennung von Werthaftigkeit des Ziels und Wertfreiheit der Mittel tatsächlich möglich ist, vgl. Manstetten (2004) 54–105, der eine anregende Auseinandersetzung mit den einzelnen Positionen bietet (u.  a. mit Robbins, ebd., 75–86, mit Friedman, ebd., 87–96, mit Becker, ebd., 96–104). 238 Vgl. Pradeau (2010) 51–60.

56 

 Der homo oeconomicus

soll.239 Aus diesem Grund sind die Anforderungen, die die Platonischen Staatskonzeptionen an die Regierenden stellt, hoch, egal ob es sich um eine hierarchisch geordnete Staatsform wie in der Politeia mit ihren Philosophenherrschern oder um eine mehr demokratisch ausgerichtet Staatsform wie in den Nomoi, in der jeder Bürger an der Regierung teilhaben kann, handelt.

6.3 Das Problem der ‚Moral‘ Ein Charakteristikum des oben beschriebenen Platonischen Konzepts, das auf einen modernen Menschen befremdlich wirkt, ist der Umstand, daß es offensichtlich keine Trennung zwischen Egoismus und Altruismus gibt: Menschen sollen nicht gut sein, obwohl es ihren eigenen Interessen und ihrem Nutzen zuwiderläuft, sondern Menschen werden, wenn sie erkannt haben, was wirklich gut, ist, dieses auch tun – und gerne tun. Allerdings wird im Platonischen Werk deutlich, daß die Verbindung von Erkenntnis und Tun des Guten sozusagen die Optimalleistung eines Menschen ist – etwas, auf was der Mensch dank seiner Struktur angelegt ist, was er aber im Normalfall nur in eingeschränktem Maß erreichen kann. Darum kann man zwar als Gesetzgeber das Maximalziel vor Augen haben, muß aber, wie es an einer wichtigen Stelle heißt,240 das Bestmögliche zu verwirklichen versuchen. Das Verhältnis von Egoismus und Altruismus wird in der modernen Ökonomie diskutiert: Der homo oeconomicus handelt aus Eigeninteresse und nimmt die Interessen des anderen nur wahr, wenn sie sein Eigeninteresse berühren, ansonsten steht er ihnen neutral gegenüber im Sinne von Rawls’ „‚gegenseitig desinteressierte(r) Vernünftigkeit‘“241. Moderne Ökonomen lassen in der Regel ‚Moral‘ als Beschreibungsmodus nicht zu, da Werte keiner wissenschaftlichen Untersuchung unterliegen könnten:242 „Die moderne ökonomische Theorie unterscheidet sich aber vom Marxismus bzw. zumindest von vielen seiner Versionen in einem zentralen Punkt: Sie geht von einem realistischen Menschenbild aus und nimmt die Menschen mit ihren Wertvorstellungen (Präferenzen) als 239 Zu dieser Zielsetzung vgl. Nomoi I 631B; 636D–E; V 743C. Sie macht auch der Dialog Gorgias deutlich. 240 Vgl. unten, S. 60. 241 Kirchgässner (2013) 16. Er argumentiert ausführlich dafür, warum es sinnvoll ist, im Modell des homo oeconomicus von Eigennutz auszugehen, auch wenn altruistisches Verhalten nicht auszuschließen ist. 242 So hebt Kirchgässner hervor, daß die Kategorie der Moral, da sie nicht wissenschaftlich sei, mit dem Modell des homo oeconomicus nicht vereinbart werden könne. Wenn auf konstitutioneller Ebene Werte vorgeschrieben würden, bestehe Totalitarismusverdacht (2013, 45).



Das Problem der ‚Moral‘ 

 57

gegeben hin. Sie versucht nicht, sie zu ‚verbessern‘ bzw. behauptet nicht, dass sie unter anderen Bedingungen ‚besser‘ werden.“243 Wie das Zitat deutlich macht, gehen Ökonomen davon aus, daß Veränderungen von Restriktionen eine Veränderung menschlichen Verhaltens bewirken, daß es aber nicht um Veränderung des Bewußtseins und damit der Präferenzen gehen kann. Eine Bewußtseinsänderung sei nicht gleichermaßen stabil, wenn nicht gleichzeitig die Restriktionen stark genug seien.244 Ein wesentlicher Faktor dabei ist, daß der Mechanismus von Restriktionsänderung und Verhaltensänderung solidere Prognosen über das erwartbare Verhalten und damit mehr Sicherheit bei dem Einsatz von Anreizen erlaubt.245 Hier fassen wir einen wesentlichen Unterschied zum Platonischen Konzept. Denn Platon hält gerade ein auf Wissen beruhendes Verhalten und damit eine Beeinflussung des Verhaltens durch Erziehung, Überzeugung und kognitives Training für die nachhaltigere Vorgehensweise, weil Handeln, das auf Einsicht basiert, sich nicht so leicht ändert. Vergleichbar kann auch ein Handeln aus Gewöhnung Stabilität haben – mehr als eines, das nur aus der Angst vor Sanktionen resultiert. Platon hält den individuellen Menschen prinzipiell für einsichts- und erkenntnisfähig. Aber – und hier ist die Gemeinsamkeit mit dem modernen ökonomischen Ansatz zu sehen – im Hinblick auf die Absicherung gesellschaftlicher und staatlicher Gemeinschaft setzt auch er auf Restriktionen, so daß das Vorgehen der Gesetzgeber in den Nomoi dem von Kirchgässner geschilderten Verfahren ähnelt: Weil nur die wenigsten Menschen Wissen erlangen und auch gut erzogene Menschen im Lauf ihres Lebens von ihren Prinzipien abkommen können, ist es zwar der bessere und nachhaltigere Weg, mit Überzeugung zu arbeiten, aber der realistische und risikoärmere, auf Restriktionen zu setzen.246 Auch die Platonischen Nomoi arbeiten darum mit Anreizen und gehen dabei davon aus, daß bestimmte Restriktionen die Bürger zu einem bestimmten Handeln anleiten werden. Folgende Aspekte, die Kirchgässner zufolge bei poli-

243 Kirchgässner (2013) 28. 244 Kirchgässner (2013) 46f. 245 Die Annahme, daß Präferenzen gleichbleiben und verändertes Verhalten auf einer Veränderung der Restriktionen und der damit verbundenen Informationen beruht, ist für Nicht-Ökonomen problematisch. Für das ökonomische Modell ist diese Annahme von Vorteil, weil man Präferenzen bzw. eine Veränderung von Präferenzen nicht untersuchen kann, im Unterschied zu Restriktionen, vgl. Kirchgässner (2013) 40–47. Er führt das veränderte Umweltbewußtsein als Beispiel dafür an, daß nicht die Präferenz sich geändert habe, sondern man mehr Informationen über die Auswirkungen bestimmter Vorgänge besitze. 246 Vgl. unten, S. 81–84.

58 

 Der homo oeconomicus

tischem Vorgehen beachtet werden sollten,247 spiegeln sich, wie noch zu sehen sein wird, auch in den in den Nomoi vorgeschlagenen Maßnahmen: –– Politische Maßnahmen sollten auch wirksam sein, wenn Individuen eigennutzorientiert handeln. Die Anreize sollten also so beschaffen sein, daß die Individuen zusammen mit ihrem Eigeninteresse das Allgemeininteresse verfolgen. Auch die Regelungen der Nomoi machen den Ausgangspunkt Platons deutlich, daß Menschen ihr Handeln danach bemessen, ob ihnen etwas nützt, und integrieren dementsprechende Anreize, um das Ziel der Einheit von Nutzen und Gutem zu erreichen. –– Man sollte mit Nebeneffekten rechnen und Vorsorge tragen. –– Man soll darauf setzen, daß Bürger lernfähig sind. Für Stabilität sind dabei Langzeiteffekte wichtig, deswegen sollte man nicht mit Informationsdefiziten arbeiten. Die Information der Bürger durch den Gesetzgeber ist ein ganz zentraler Punkt im Konzept der Nomoi, so daß darauf gezielt wird, die Bürger von frühester Kindheit an in den Werten des Staates zu erziehen und für alle, auch für die erwachsenen Bürger, den Sinn von Regelungen transparent zu machen. Diesem Ziel dienen die Erläuterungen zu den Gesetzen und speziell die Proömien, aber auch Elemente des musischen Lebens wie die Chöre, die explizit das Ziel verfolgen, die Bürger zu den richtigen Werten anzuleiten. Eine Diskussion gibt es über den ontologischen Status des homo oeconomicus: Handelt es sich dabei um ein Modell, dessen reduktiver Charakter eben der Modellhaftigkeit geschuldet ist, und das nur bestimmte Momente am Menschen erklären soll, oder kann man beanspruchen, mit dem homo oeconomicus den Menschen als ganzen zu erfassen?248 So plädiert der Nobelpreisträger Diamond dafür, den Modellcharakter des homo oeconomicus ernstzunehmen und das Modell nicht mit der Realität zu verwechseln.249 Ökonomische Theorien jüngerer 247 Kirchgässner (2013) 260f. 248 Vgl. Manstettens (2004) kritische Auseinandersetzung mit Robbins’ methodischem Vorgehen, der sich für die „Herleitung des Postulates der Präferenzordnung“ auf die Alltagserfahrung berief (85) und sie für ein empirisch fundiertes Faktum hielt – anders als Mill, der die Meinung vertreten hatte, das reduktionistische Menschenbild der Ökonomie habe Hypothesencharakter (47f.). Becker zufolge betreiben alle Menschen Nutzenmaximierung, da alle bestimmte „pleasures“ anstrebten (Manstetten 2004, 97f.). Im Unterschied zu Bentham aber ist der Begriff ‚pleasure‘ bei Becker inhaltlich nicht gefüllt. Becker meint, daß mit seinem Ansatz alles menschliche Verhalten erklärt werden könne: „Indeed, I have come to the position that the economic approach is a comprehensive one that is applicable to all human behaviour“ (Becker 1976, 9, zitiert nach Manstetten 2004, 99). Manstetten kritisiert die Grundannahme, man könne alles menschliche Verhalten erklären, wenn man nur alle Bedingungen kennen und benennen könnte. 249 Vgl. das Zitat unten, S. 71f. Auch Sautter (2013) 218f. fordert, daß das Modell des homo oeco­­ nomicus nicht überstrapaziert werden dürfe. So kann man mit ihm nicht Moral erklären, weil



Die Vorstellung von Maximierung 

 59

Zeit hingegen vertreten die Ansicht, das dem homo oeconomicus zugeschriebene Verhalten beschreibe nicht nur das menschliche Agieren im wirtschaftlichen Bereich, sondern könne auch auf menschliches Verhalten überhaupt angewandt werden. Dabei werden soziale Interaktionen als Austauschprozesse angesehen, die nicht nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern auch in Politik und Familie stattfinden.250 Je nachdem wird dabei vollkommen negiert, daß eine von einem eigennutzorientierten Verhalten unabhängige Moral existiert, oder man versucht zu zeigen, daß diese letztendlich im Eigennutz aufgeht,251 oder aber man konstatiert, daß es nicht auf Eigennutz reduzierbares moralisches Verhalten gibt.252

6.4 Die Vorstellung von Maximierung In der modernen ökonomischen Theorie spielt das Maximieren eine wichtige Rolle, weil der Mensch im Modell des homo oeconomicus ein Nutzenmaximierer ist und weil es in der Ökonomie um Maximierung von Zielen geht.253 Wie sieht es damit bei Platon aus? Das in den Platonischen Staatskonzeptionen angestrebte Ziel selbst ist ein Optimum, das gleichzeitig ein Maximum darstellt. Es ist das Maximum an Areté und Eudaimonie.254 Von dieser Maximalvorstellung als Ideal diese die „Reflexion von Zielen, Interessen, Präferenzen, Vorteilen“ beinhaltet. Sautter warnt vor einem naturalistischen Fehlschluß, der Wünsche und Präferenzen von Individuen, nur weil sie existieren, für eine legitime Grundlage von Entscheidungen hält: „Genau dies (sc. die Prüfung von Präferenzen etc.) wird aber mit der Konstruktion eines ökonomischen Verhaltensmodells ausgeschlossen. Die Präferenzen sind hier stets eine gegebene Größe, denn nur so ist eine ökonomische Verhaltenserklärung möglich. Sie modelliert jede Verhaltensänderung als eine Antwort des ‚Homo Oeconomicus‘ auf die Änderung der Restriktionen – bei gegebenen, unreflektierten Präferenzen.“ (Sautter 2013, 218). 250 Kirchgässner (2013) 7f. 251 Kirchgässner (2013) 175 mit Literaturhinweisen. Kirchgässner lehnt Beckers Ansatz, altruistisches Verhalten in der Familie sei letztendlich als eigennutzorientiert (vgl. Anm. 248) zu betrachten, ab (ebd., 176). 252 Vgl. unten, S. 66f. 253 Koslowski zufolge konstituiert die „Maximierungs-Minimierungs-Aufgabe“ die Ökonomie: „1. Wie werden Mittel für gegebene Zwecke ökonomisch effizient eingesetzt? Wie kann die Zielsetzung maximiert oder der Mitteleinsatz minimiert werden? Diese Maximierungs-Minimierungs-Aufgabe bildet das wirtschaftliche Problem im engeren Sinne. 2. Wie können individuell maximierende Strategien der Wirtschaftssubjekte so koordiniert werden, daß die größtmögliche Realisierung der Pläne aller Individuen zustande kommt? Die Aufgabe der besten Koordination individueller Pläne und Handlungen beschreibt das ökonomische Problem im weiteren Sinne, die Frage nach der richtigen Wirtschaftsordnung und den bestmöglichen Institutionen der gesellschaftlichen und politischen Koordination“ (Koslowski 1991, 13). 254 Vgl. auch Horn (2013b) 10f., der von „Perfektionismus“ spricht.

60 

 Der homo oeconomicus

wird das Ziel unterschieden, das ein Gesetzgeber als ein wenigstens annäherungsweise erreichbares Maximum vor Augen haben sollte. Eine solche Differenzierung zwischen Idealziel bzw. Maximum und Machbarem klingt schon in der Politeia an (V 472A–473B) und wird in der hierarchischen Abstufung der Modelle deutlich, die in den Nomoi vorgenommen wird.255 Diese Abstufung zeigt deutlich die Optimierungsvorstellungen Platons und den Modellcharakter von Politeia und Nomoi, der in den Nomoi auch in der Aussage des Atheners zum Ausdruck kommt, bei einem ‚Parádeigma‘ müsse man sich an das Schönste und Wahrste halten, wohingegen man bei der Realisierung Abstriche machen müsse (746B5– C2).256 Denn der Gesetzgeber eines konkreten Staates müsse sein Ziel so wählen, daß es erreichbar sei (Nomoi V 742E2–6): Das Mögliche wird nun der Ordner einer Stadt wollen, das Unmögliche aber wird er weder in vergeblichen Wünschen wollen noch an seine Verwirklichung gehen. Daß nun die Bürger glücklich (eudaímonas) und zugleich gut (agathoús) werden, ist so gut wie unerläßlich: das wird er also wollen.257

Auch der Beginn der Nomoi formuliert als das Ziel, das der Gesetzgeber verfolgt, „das Beste“ (τοῦ ἀρίστου ἕνεκα), und dieses besteht nicht, wie die Passage verdeutlicht, in der Beseitigung eines defizitären Zustandes, etwa der Beendigung eines Krieges, wobei die schlimmste Form des Krieges der im eigenen Staat, die stásis, ist (I 628A9–B4 und 629C6–D5). Eine solche Maßnahme ist vielmehr nur eine notwendige Voraussetzung (I 628C6—D2). Denn das Ziel des Gesetzgebers ist die Areté der Bürger.258 Auch in anderen Zusammenhängen unterscheidet Platon die Alternative von ‚dem Besten‘ und ‚dem Notwendigen‘.259 Besonders deutlich wird seine Maximalforderung in dem Vergleich aus der Medizin, den der athenische Gesprächspartner anstellt (I 628D2–E1): Die Ansicht, es genüge, einen kranken Körper zu heilen, sei irrig. Vielmehr muß man auch der Pflege des gesunden Körpers und der Vorbeugung Aufmerksamkeit schenken. Entsprechend besteht die Sorge des richtigen (ὀρθός/orthós) Staatsmannes darin, sein Hauptaugenmerk nicht auf den Krieg, sondern auf den Staat im Friedenszustand zu lenken. Hier wird also eine Norm für Politiker und Gesetzgeber aufgestellt: Ziel des Staates ist nicht das Notwendige, sondern das Beste. Deutlich wird das Maxi255 Vgl. dazu unten, S. 71. 256 Vgl. Schöpsdau (1991) 142. Zum Begriff ‚Parádeigma‘ siehe unten, S. 71f. 257 τὰ μὲν οὖν δυνατὰ βούλοιτ᾽ ἂν ὁ διακοσμῶν, τὰ δὲ μὴ δυνατὰ οὔτ᾽ ἂν βούλοιτο ματαίας βουλήσεις οὔτ᾽ ἂν ἐπιχειροῖ. σχεδὸν μὲν γὰρ εὐδαίμονας ἅμα καὶ ἀγαθοὺς ἀνάγκη γίγνεσθαι— τοῦτο μὲν οὖν βούλοιτ᾽ ἄν […]. Zur weiteren Diskussion dieser Stelle vgl. unten, S. 91f. 258 Vgl. Lisi (1985) 26–65. 259 Vgl. etwa Nomoi IX 857E10–858A6.

Resultat 

 61

malziel im Rahmen von Überlegungen zur besten Lage der neu zu gründenden Stadt benannt (IV 707D1–5): Aber wir richten ja jetzt unseren Blick auf die Vorzüglichkeit einer Staatsverfassung und prüfen unter diesem Aspekt sowohl die natürliche Beschaffenheit des Landes als auch seine gesetzliche Ordnung, wobei wir nicht die bloße Rettung und Existenz (τὸ σῴζεσθαί τε καὶ εἶναι) als das Wertvollste für die Menschen erachten wie die große Menge, sondern daß sie möglichst gut werden (ὡς βελτίστους γίγνεσθαι) und dies bleiben, solange sie leben.260

Diese Stelle verdeutlicht, wie ein Maximalziel, die umfassende Areté, die es aber aufgrund der Unvollkommenheit des Menschen im menschlichen Bereich nicht geben kann, etwas abgemildert wird: Es geht um das möglichst Beste. Betrachtet man Koslowskis Kritik am Maximierungsprinzip, da „totale Maximierung als konkrete Anweisung für das politische Handeln auf der operativen Ebene eine ‚totalitäre‘, unrechtmäßige Übertragung einer metaphysischen Konzeption auf eine empirische bzw. kategoriale Anwendung“261 sei, so kann man sagen, daß der Diskurs, der Politeia, Politikos und Nomoi prägt, genau diese Frage problematisiert: Welches Maximum ist im menschlichen Bereich möglich? Die Antwort ist, daß ein Idealziel bestehen, aber die Maximierung den Umständen menschlichen Handelns angepaßt werden muß. Dies geschieht im Regelwerk der Nomoi. Hier fassen wir eine Parallele zur Neuen Institutionenökonomik, da die Methode des Mechanismus Design ein Verfahren darstellt, für eine bestimmte Situation den bestmöglichen Mechanismus zu finden.262

6.5 Resultat Für einen Vergleich zwischen den Platonischen Anschauungen und dem Ansatz der modernen Ökonomie kann man folgendes festhalten: Bei Platon ist der Wunsch, den eigenen Nutzen zu maximieren,263 ein zentraler Zug des Menschen. Dieser äußert sich in der Pleonexie, die vor allem auf materiellen Gewinn ausgerichtet ist, aber auch in anderen Handlungen und Zielsetzungen. Deswegen

260 ἀλλὰ γὰρ ἀποβλέποντες νῦν πρὸς πολιτείας ἀρετήν, καὶ χώρας φύσιν σκοπούμεθα καὶ νόμων τάξιν, οὐ τὸ σῴζεσθαί τε καὶ εἶναι μόνον ἀνθρώποις τιμιώτατον ἡγούμενοι, καθάπερ οἱ πολλοί, τὸ δ’ ὡς βελτίστους γίγνεσθαί τε καὶ εἶναι τοσοῦτον χρόνον ὅσον ἂν ὦσιν … . 261 Koslowski (1991) 24. 262 Vgl. hierzu unten, S. 84–87. 263 Wie an einigen Beispielen gezeigt, finden wir nicht nur die Vorstellung, sondern auch die Begrifflichkeiten von ‚Nutzen‘ und ‚Maximum‘.

62 

 Der homo oeconomicus

läßt Platon seine Sokratesfigur und in den Nomoi den Athener mit dem Nutzen argumentieren. Denn wo es darum geht, daß Sokrates bzw. der athenische Gesprächspartner Strategien anwendet oder vorschlägt, wie man Menschen für etwas gewinnen kann, rekurriert er darauf, daß man es den Menschen schmackhaft machen soll, indem man ihnen zeigt, daß bestimmte Entscheidungen, die ‚gut‘ sind, auch ‚nützlich‘ bzw. ‚lustvoll‘ sind oder ‚glücklich‘ machen. Dies wird in der Politeia etwa dann evident, wenn Sokrates auf den Einwand seiner Gesprächspartner reagieren muß, die für die Wächter vorgesehene Lebensweise werde diese nicht glücklich machen, und zu beweisen versucht, daß das Leben der Wächter, das für den Staat gut ist, auch die Wächter selbst glücklich macht und allen nützt.264 Auch die Regelungen in den Nomoi lassen sowohl in der Form ihrer Begründungen als auch in der Durchführung erkennen: Platon geht davon aus, daß Menschen ihren ‚Nutzen‘ maximieren wollen265 und daß sie deshalb entweder lernen müssen, was der wahre Nutzen ist,266 oder daß in dem Fall, wo ein solches Lernen nicht nachhaltig gesichert ist – so im wirtschaftlichen Bereich –, strenge Reglementierungen fällig sind. Es ist also möglich, die Platonische Ökonomie in modernen Kategorien zu erklären, wenn man sich der Unterschiede bewußt ist.

264 Politeia IV 419A–420B. Allerdings fällt es Sokrates’ Gesprächspartnern schwer, dies einzusehen. 265 Man könnte die Frage stellen, ob man auch diejenigen Menschen, die zu wirklicher Einsicht fähig sind, die Philosophen, als Nutzenmaximierer bezeichnen kann. Dies scheint nicht unmöglich, wenn man untersucht, auf welche Weise Sokrates in der Politeia für dieses Leben wirbt. 266 Vgl. etwa Nomoi IX 880D8–E3.

7 Das Verhältnis von individuellem Nutzen und kollektivem Nutzen Platon greift in verschiedenen Zusammenhängen das Thema von Reichtum, materiellem Eigennutz und Geld auf.267 Aber es sind seine Staatskonzeptionen, in denen die Frage nach dem wirtschaftlichen Handeln des einzelnen in einen weiteren Zusammenhang gestellt wird, weil diese systematisch dem Verhältnis von Individuum und Staat nachgehen und die Frage behandeln, wie man das Wohlergehen beider sichern kann. Dabei ist der Leitbegriff die Eudaimonie (εὐδαιμονία), die allgemein268 in der griechischen Kultur und Philosophie eine zentrale Rolle spielt.269 Diesen Terminus übersetzt man gemeinhin mit „Glück“ und spricht von antiker „Glücksethik“. Um falsche Assoziationen zu vermeiden, scheint es mir besser, ‚Eudaimonie‘ mit „gelungenes Leben“ zu übersetzen: „Eudaimonie meint die Erfüllung eines sinnvollen Lebensentwurfes, dessen Voraussetzungen allgemein vermittelbar sind.“270 Das Kriterium dafür, ob man ein Leben als gelungen bezeichnen kann, hängt für Platon nicht von der je eigenen Wahrnehmung ab. Vielmehr unterliegt die Eudaimonie ‚objektiven‘ Kriterien. Wie diese zu bestimmen sind, so daß die Frage danach, wie man selbst leben soll, gleichzeitig die Frage ist, wie ‚man‘ leben soll,271 ist die Aufgabe, die sich vor allem die Gesprächspartner in der Politeia stellen. ‚Sollen‘ meint aber nicht ein moralisches Handeln im Sinn einer Pflichtethik, sondern zielt auf die Überlegung, wie man leben soll, um glücklich zu sein, oder besser gesagt: um das Urteil zu ermöglichen, daß man ein gelungenes Leben habe.272 Ob das individuelle Leben gelingt, ist abhängig von der Areté (ἀρετή) des Betreffenden.273 Dieser Begriff kommt aus der alltäglichen Sprache und wird von Platon inhaltlich neu gefaßt. Man übersetzt ihn vielfach mit „Tugend“, was aber – jedenfalls für ein mit antiker Philosophie nicht vertrautes Publikum – irreführend sein kann. Denn Areté ist nicht primär ein ethischer Terminus, vielmehr bezeichnet sie erst einmal die optimale Qualität, mit der jemand oder etwas der jeweils zukommenden Aufgabe bzw. Fähigkeit gerecht wird. Deswegen greift 267 Dies hat die Arbeit von Schriefl (2013a) umfassend untersucht. 268 Zur Eudaimonie als antiker Leitvorstellung vgl. Horn (1998). 269 Zu Platons Eudaimoniebegriff vgl. Erler (2007) 430–440; Buddensiek (2007). 270 Erler (2006) 174. 271 Stemmer (1988) 529–532. 272 Stemmer (1988) 529f.; Erler (2006) 173 273 Zur Platonischen Areté vgl. Stemmer (1988); Cürsgen (2007); Erler (2007) 432–435. Zur Abgrenzung der Glücksethik der Politeia gegen Pflichtethik und Zweckethik vgl. Blößner (2007) 254f. und 257f. DOI 10.1515/9783110457070-007

64 

 Das Verhältnis von individuellem Nutzen und kollektivem Nutzen

man zu Übertragungen wie „Bestheit“ oder „Exzellenz“. Auch Werkzeuge oder Tiere haben Areté, wenn sie das für sie Spezifische in besonders guter Weise tun. Areté ist also das, was jemanden oder etwas von anderem abgrenzt.274 So hat der Mensch eine andere Areté als das Pferd. Die Areté des Menschen beruht auf dem Ineinandergreifen dreier unterschiedlicher Instanzen. Diese nennt Platon in der Politeia modellhaft275 ‚Seelenteile‘. Er unterscheidet drei seelische Instanzen: eine mit der sinnlichen Wahrnehmung eng zusammenhängende Instanz des Begehrens (epithymetikón), eine für das diskursiv-reflexive Denken zuständige Instanz (logistikón) und eine dritte Instanz, die zwischen den beiden anderen liegt. Sie trägt die Bezeichnung ‚thymoeidés‘ („sich Ereiferndes“). Für den letztgenannten ‚Seelenteil‘ bietet die deutsche Sprache kaum eine adäquate Übersetzung, weil in unserer letztlich dualistischen Auffassung vom Menschen ein Begriff fehlt. Eine eindeutige Lösung wird dadurch erschwert, daß sich im Platonischen Werk unterschiedliche Verwendungsweisen finden. Doch ein Aspekt ist in besonderer Weise bestimmend: Das thymoeidés ist die Instanz im Menschen, die mehr als die anderen mit der sozialen Dimension des Menschen zu tun hat, indem sie etwa bestimmte Erfahrungen als Herabsetzung der eigenen Person interpretiert.276 Daß Platon diesen Zug als eine anthropologische Konstituente ansieht, ist im Rahmen meiner Untersuchung wichtig. Denn der Gesetzgeber der Nomoi rekurriert auf sie in besonderer Weise, indem er in seinem Anreizsystem vielfach mit dem Streben nach Anerkennung durch andere, Abwehr von Schande und Peinlichkeiten und Sorge um die eigene Reputation rechnet.277 Die gegenseitige Bezogenheit der seelischen Instanzen und der körperlichen Verfaßtheit arbeitet Platon in seinem Spätwerk Timaios heraus. Es zeigt auf, wie diese sich gegenseitig beeinflussen und mit zur Individualität des Menschen beitragen, und schlägt Maßnahmen zu einer Ausbalancierung vor, die die Nomoi im Rahmen ausführlicher Überlegungen zu einer gelingenden Erziehung von Kindern und Jugendlichen, aber auch zur positiven Beeinflussung von Erwachsenen wieder aufnehmen.278 Gemäß der je individuellen Begabung haben Menschen unterschiedliche Betätigungsbereiche von Areté. Weil den Menschen als Menschen seine Vernunft auszeichnet, ist für Platon eine Areté, die diese opti274 Diese Bestimmung von Areté entwickelt Sokrates in der Politeia, um die Auffassung des Sophisten Thrasymachos, der ungerechte Mensch habe ein gutes Leben, zu widerlegen (Politeia I 352B–354A). An späterer Stelle wird mit den individuellen Unterschieden die quantitative und qualitative Effizienz der Arbeitsteilung begründet (Politeia II 369E–370D). 275 Zum Modellcharakter der Politeia vgl. unten, S. 71–73. 276 Vgl. Schriefl (2013a) 181f. mit weiterer Literatur; Schmitt (2013) 97; Erler (2007) 384. Eine umfassende Untersuchung des thymós bietet Brinker (2008). 277 Vgl. dazu unten, Kapitel 10. 278 Vgl. Müller (2015).



Das Verhältnis von individuellem Nutzen und kollektivem Nutzen 

 65

miert, die am höchsten zu bewertende. Mit ihr verbinden sich ein Habitus und ein Handeln, die auf Wissen und Einsicht beruhen.279 Aber auch Verhaltensweisen, deren Basis weniger Wissen ist, sondern die eher das Resultat von Naturanlage, Gewöhnung und Erziehung darstellen, sind Folgen von Aretaí. Es handelt sich dabei, im Unterschied zu der auf Einsicht und Wissen beruhenden Areté, um ‚bürgerliche Tugenden‘.280 Diese Tugenden weist etwa der Großteil der Bürger des in den Nomoi entworfenen Staates auf bzw. soll sie aufweisen, aber auch der unterste Stand in der Politeia.281 Sie sind sehr wichtig, weil, wenn überhaupt, nur wenige Menschen zu einer Optimierung von Wissen und Erkenntnis und damit zu Einsicht in das Gute und dessen Umsetzung fähig sind. Dabei ist ein Aspekt am Guten die Lust, die Verwirklichung des Guten und Richtigen bedeutet.282 Weil Lust ein wesentlicher Antrieb menschlichen Handelns ist, spielt sie in der Motivationspsychologie der Nomoi, insbesondere im Hinblick auf die Erziehung, eine wichtige Rolle.283 Eudaimonie ist also mit Areté verknüpft. Sie bedeutet Balance und Harmonie der Seeleninstanzen in Verbindung mit dem Körper in einer auf das jeweilige Individuum zugeschnittenen Form. Wenn Platon davon spricht, daß jemand eudaímon ist, dann kann dieser es nur sein, wenn er Areté hat. Ohne Areté keine Eudaimonie. Sie bedarf also der Anstrengung – aber sie bedarf auch fördernder äußerer Umstände.284 Diese sind zum einen in den sogenannten ‚äußeren Gütern‘ wie Gesundheit, gutem Aussehen und Wohlstand gegeben. Sie werden nicht per se abgewertet, aber ihre Bedeutung wird gegenüber dem, was man als seelische oder moralische Güter bezeichnen kann, als geringer betrachtet.285 Zum anderen betreffen die äußeren Umstände die Tatsache, daß ein Mensch die Eudaimonie nicht im Alleingang erreichen kann, sondern ihr Gelingen auch von anderen Menschen und Gegebenheiten abhängt. Dies fängt mit der Erziehung an, die 279 Vgl. Buddensiek (2007) 118f. 280 Diese Unterscheidung wird besonders deutlich in Nomoi XII 967D–968A formuliert. Zu anderen Stellen vgl. Cürsgen (2007) 286. 281 Vgl. Sauvé Meier (2003) 213. 282 Die Frage, inwieweit die Areté als Vervollkommnung des Guten mit Lust verbunden ist, wird in verschiedenen Werken Platons, insbesondere im Philebos, thematisiert. Ihr hat Voigtländer (1960) eine Untersuchung gewidmet, in der er zu dem Ergebnis gelangt, daß der Zusammenhang von Gutem und Lust je nach Intention und Argumentationsverlauf des jeweiligen Dialogs unterschiedlich gesehen wird, daß bei Platon aber ‚gut‘ und ‚lustvoll‘ nicht gleichgesetzt werden, sondern Lust ein Aspekt am Guten ist. Zum Philebos vgl. auch Frede (1997a). 283 Vgl. hierzu unten, S. 104f. und 110. 284 Zur Bedeutung äußerer Güter für die Eudaimonie finden sich im Platonischen Werk, auch abhängig von den jeweiligen Argumentationszusammenhängen, unterschiedliche Gewichtungen. Vgl. hierzu Buddensiek (2007) 118 und vor allem Schriefl (2013a) passim. 285 Vgl. hierzu Schriefl (2013a) 227f. und unten, S. 128f.

66 

 Das Verhältnis von individuellem Nutzen und kollektivem Nutzen

für Platon in verschiedenen Dialogen, wie Laches, Protagoras, Politeia, Timaios und Nomoi, ein wichtiges Thema darstellt. Es betrifft die Seelenlenkung, auch im Erwachsenenalter, durch andere weiter fortgeschrittene und philosophisch geschulte Personen, wie sie das Vorgehen des Sokrates in den Platonischen Dialogen repräsentiert. Aber positive äußere Umstände resultieren auch aus einem Staat, der in Organisationform und Institutionen möglichst gute Bedingungen schafft, die das Leben des einzelnen und das Zusammenleben fördern. Aus diesem Grund gehören bei Platon moralisches Handeln und politisches Handeln und auf theoretischer Ebene Ethik und politische Philosophie zusammen.286 Für die Platonische Konzeption ergibt sich nun folgendes Dilemma: Falls es überhaupt möglich ist, daß ein Mensch das, was gut und richtig ist, erkennen kann, so gilt das nur für ganz wenige Personen. Nur wer wirklich über Vernunft verfügt, ist zu der Einsicht fähig, daß das absolut Gute gleich dem Guten für das Individuum und für die Gemeinschaft ist. In der Politeia wird diese Fähigkeit den Philosophen als Resultat einer besonderen Begabung und eines langen und harten Ausbildungsweges zugeschrieben, die deswegen auch herrschen sollen. In den Nomoi, die ein eher demokratisches Staatsmodell repräsentieren, werden an Gesetzgeber und Politiker relativ hohe Anforderungen gestellt, und in besonderer Weise für Wissen qualifiziert ist das Organ der ‚Nächtlichen Versammlung‘.287 Auch die Bürger als politische Akteure werden in die Verantwortung einbezogen. Dabei stellt sich die Frage: Wie ist es möglich, durch die Gesetzgebung alle Bürger des Staates zu motivieren, das Richtige zu tun? Platon stellt also die Gesprächspartner seiner Dialoge vor das Problem, wie diejenigen, die die Erkenntnis haben, die anderen dazu bringen können, entsprechend zu handeln. Auf welche Weise also kann man es erreichen, daß die Bürger eines Staates sich so verhalten, daß individueller Nutzen und Gemeinnutzen gefördert werden? Platon setzt beim Verhalten des einzelnen an, und die Regelungen sollen es beeinflussen.288 Wie diese Vorstellungen in Politeia und Nomoi umgesetzt werden und welche Rolle das wirtschaftliche Handeln dabei spielt, soll uns weiter unten beschäftigen. Das Verhältnis von individuellem Nutzen und Gemeinnutzen ist auch für moderne Ökonomen ein schwerwiegendes Problem. Der spätere Nobelpreisträger Amartya Sen hat in seiner wegweisenden Studie „Rational Fools“ (1977) das behaviouristische Modell des homo oeconomicus kritisiert.289 Man müsse, schlug er vor, noch ein Element des „commitment“ integrieren. Darunter versteht er ein 286 Vgl. Neschke (1971) passim; Schriefl (2013a). 287 Vgl. hierzu unten, S. 125. 288 Dies arbeitet Pradeau (2010) heraus. Daß man beim Individuum ansetzen muß, zeigt etwa Politeia IV 435E–436A. 289 Sen (1977).



Das Verhältnis von individuellem Nutzen und kollektivem Nutzen 

 67

Verhalten, das zwischen der Eigennutzorientierung und einer moralischen Orientierung, die eher von religiösen oder politischen Gesichtspunkten beeinflußt ist, liegt.290 Gebhard Kirchgässner wiederum spricht von einer „Minimalmoral“, die man, anders als die rein auf den Eigennutz setzende Neoklassik, voraussetzen müsse, damit Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft funktionieren.291 Sie betrifft vor allem das Vertrauen darauf, daß Verträge eingehalten werden.292 Kirchgässner zufolge ist diese Form von Moral nicht mit einem „verkappte(n) Egoismus“ gleichzusetzen, wie es vertragstheoretische Ansätze oder mit der Spieltheorie arbeitende Ansätze wollen.293 Dabei entstehe Moralität weniger durch eine angeborene Disposition zum Altruismus, sondern durch die Erziehung von Eltern und Lehrern. Allerdings kann man, so Kirchgässner, nicht zu hohe Ansprüche an die Minimalmoral stellen, und sie funktioniert nur unter bestimmten Bedingungen. So dürfen die Kosten für moralisches Handeln nicht zu hoch sein, weil in solchen Fällen nur ein „Held“294 zu moralischem Handeln bereit ist, nicht aber der Durchschnittsakteur. Weitere Bedingungen für die Stabilität von Moral sieht Kirchgässner darin, daß das öffentliche Gut, das verwirklicht werden

290 Sen (1977) 329. 291 Kirchgässner (1996). Vgl. auch Kirchgässner (2013) 202–205. In eine ähnliche Richtung weisen Sautters (2013) Überlegungen, die er in seiner kritischen Besprechung zu Lütge (2012) anstellt. Sie heben hervor, daß intrinsische Moral auch für das Funktionieren der Wirtschaft wichtig ist. Abgesehen davon, daß man erst einmal klären müsse, was unter „Vorteil“ zu verstehen ist, wenn dieser das überall anzuwendende Kriterium sei, könne man Moral nicht auf das von Vorteilsstreben geleitete Zusammenspiel von Regeln reduzieren. Dies beweise schon die Logik: Wenn zwischen „tatsächlichen, kurzfristig eintretenden Vorteilen einerseits und langfristigen, paradigmatischen Vorteilen andererseits“ entschieden werde, könnten die Entscheidungskriterien selbst nicht mit dem Vorteilsbegriff deckungsgleich sein (213). Darüberhinaus verweist Sautter auf die Abschaffung der Sklaverei als Beispiel für ein Vorgehen, das nur unter Verzicht auf handfeste ökonomische Vorteile, ja sogar unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile stattfand: „Nicht ohne Grund wird sprachlich zwischen Vorteilen und Werten unterschieden. Moralische Werte und Normen lassen sich nicht auf Vorteile reduzieren. Die für eine ethische Reflexion unverzichtbare qualitative Unterscheidung zwischen verschiedenen Kategorien von Vorteilen ist nur möglich, wenn es dafür Kriterien gibt, die nicht im Vorteilsbegriff aufgehen, und das sind nun einmal ethische Kriterien“ (214 Anm. 8). Zur Bedeutung der Moral für eine funktionierende Wirtschaft vgl. auch Herold (2012) 20. 292 Zur Bedeutung des Vertrauens für das Funktionieren der Wirtschaft vgl. Herold (2012) 17; Sautter (2013) 217. Vertrauen ist für das Gelingen der Platonischen Staatskonzeption wichtig. Es ist Voraussetzung für die Einheit und Harmonie der Bürger. 293 Kirchgässner (1996) 234–236. 294 Kirchgässner (1996) 230 und 243. Zur Typologisierung in „moralischer Durchschnittsmensch“, „Held“, „Idealist“ und „Fanatiker“ siehe Kirchgässner (2013) 178f.

68 

 Das Verhältnis von individuellem Nutzen und kollektivem Nutzen

soll, auch tatsächlich realisierbar sein muß295 und daß die Bürger „die moralische Anforderung an sich selbst auch langfristig akzeptieren“296 müssen. Für Situationen, in denen richtiges Verhalten hohe Kosten für das Individuum verursacht und in denen nur noch „Helden“ richtig handeln, sind Institutionen sinnvoll, die ein eigennütziges Verhalten fördern, das den moralischen Normen entspricht. Das bedeutet, daß man im Hinblick auf den Durchschnittsakteur mit Sanktionen arbeiten muß.297 Meines Erachtens ist dieser Ansatz gut mit Platonischen Überlegungen vergleichbar. Kirchgässners „Held“ entspricht dem Platonischen ‚Philosophen‘ (er ‚entspricht‘ ihm, ist aber nicht mit ihm gleichzusetzen): Der Platonische Philosoph, der dadurch gekennzeichnet ist, daß seine Rationalität auf dem Höchststand entwickelt ist, handelt richtig, weil er erkannt hat, was das Gute ist, und diese Erkenntnis auf die jeweilige Situation anwenden kann. Doch dieser Typus existiert, falls er überhaupt in der Realität auftritt, nur vereinzelt. Im Blick auf Gesetze und Regelungen muß man aber den Durchschnittsakteur im Blick haben. Dies läßt Platon die Gesprächspartner seiner Nomoi deutlich sagen, wie wir noch sehen werden: Für den Durchschnittstyp werden die Regeln entworfen. Darum muß man mit Blick auf diesen dafür argumentieren, daß das richtige Verhalten auch dem eigenen Nutzen des einzelnen entspricht. Aus diesem Grund entwerfen die Nomoi zum einen Institutionen, die, um mit Kirchgässer zu sprechen, vermitteln, „daß eigennütziges Verhalten moralisch akzeptable Ergebnisse zeitigt“298. Dies sind etwa Regeln, die vorwiegend auf die Reputation als Anreiz setzen. Zum anderen wird auf das Mittel der Sanktion zurückgegriffen. Ganz wichtig ist für Platon auch die ‚langfristige Akzeptanz‘ dessen, was vorgeschlagen wird, durch die Bürger. Allerdings fordert er hier die Bürger mehr, als Kirchgässner dies vertritt, weil es durchaus auch um Dinge geht, bei denen die Kosten nicht klein sind, wie etwa in den Regeln zur Sexualmoral.299 Einen gewichtigen Grund hierfür kann man in einem Punkt erblicken, den Kirchgässner außer acht läßt bzw. lassen kann, weil er von dem modernen Ansatz ausgeht, daß religiöse bzw. meta295 Als Beispiele führt Kirchgässner (1996) 243f. die Wahlbeteiligung an: Auch wenn nur wenige wählen, ist „die Legitimität des Ergebnisses und damit des demokratischen Prozesses nicht gefährdet“ (ebd., 244), anders als beim Tempolimit: Bereits wenige Verkehrsrowdies gefährden die Verkehrssicherheit. 296 Kirchgässner (1996) 245. 297 Kirchgässner (1996) 246f.: „Es gibt daher gute Gründe, durch institutionelle Arrangements Klein-Kosten-Situationen so weit als möglich zu vermeiden. Für die Ethik bedeutet dies, daß sie wesentlich als Anreizethik konzipiert werden sollte, d. h. so, daß eigennütziges Verhalten moralisch akzeptable Ergebnisse zeitigt.“ 298 Kirchgässner (1996) 247. 299 Vgl. hierzu unten, S. 107–109.



Das Verhältnis von individuellem Nutzen und kollektivem Nutzen 

 69

physische Normen nicht bemüht werden können, wenn es um die Frage geht, was eigentlich moralisches Handeln ist: „Geht man von vorgegebenen (göttlichen) Normen aus, die bestimmte Handlungen fordern, so wird eine Handlung nie um ihrer selbst willen ausgeführt, sondern um dieser Norm zu entsprechen. Damit stellt sich die Frage, weshalb man einer solchen Norm entsprechen sollte. Diese von den einzelnen Religionen unterschiedlich beantwortete Frage transzendiert den wissenschaftlichen Diskurs. Ohne Berufung auf übermenschliche Autoritäten verbleibt als Möglichkeit kaum etwas anderes als der Rekurs auf die Interessen anderer Menschen. Moralisches Verhalten wird damit identisch mit altruistischem Verhalten, weshalb diese beiden Begriffe im folgenden synonym verwendet werden.“300 Im Unterschied hierzu aber ist für Platon der Nutzen, im Sinne des eigenen Nutzens, ein Aspekt des Guten. Zwar ist das Gute nicht deckungsgleich mit dem Nutzen, aber der Nutzen spielt eine entscheidende Rolle, und zwar deshalb, weil derjenige, der das Richtige erkannt hat, es im Handeln umsetzt und damit sich und anderen nützt. Aber da dies eben nur die philosophischen ‚Helden‘ vermögen, ist es wichtig, daß diejenigen, die überhaupt Einsicht haben, den anderen zeigen, inwiefern das richtige Handeln einem selbst nutzt. Der Aufweis des Eigennutzes im Kirchgässnerschen Sinne ist also auch eine wichtige Strategie bei Platon.

300 Kirchgässner (1996) 226f. Dies ist der Grund, warum Kirchgässner dann im folgenden nur von Altruismus spricht und Berechnungsmöglichkeiten von Altruismus vorlegt.

8 Die Konzeptionen von Politeia und Nomoi Der Umstand, daß die in Politeia und Nomoi dargebotenen Staatskonzeptionen deutlich unterschieden sind, ist Gegenstand reger Forschungsdiskussion.301 Meines Erachtens lassen sie sich als Modelle verstehen, die unterschiedliche Aspekte ein und derselben Fragestellung behandeln. Darauf soll im folgenden kurz und nur, soweit es für die vorliegende Untersuchung nötig ist, eingegangen werden.

8.1 Der Modellcharakter beider Staatskonzeptionen Über den Status ihrer Konzeptionen geben die Werke selbst Auskunft. Die Staatskonzeption der Politeia wird als Parádeigma bezeichnet.302 Der Staatsentwurf der Nomoi wird als zweitbeste Lösung von einem besten Entwurf abgesetzt,303 unter welchem man wohl den der Politeia zu verstehen hat.304 Ja, es wird sogar eine dritte Staatsordnung ins Spiel gebracht, mit der die Umsetzung in die konkrete Realität gemeint sein dürfte,305 denn auch die in den Nomoi gegebene Konzeption versteht sich, im Unterschied zu einer konkreten Verwirklichung, als ‚Vorschlag‘. Darüberhinaus bezeichnen die Gesprächspartner in den Nomoi ihr Konstrukt als Umriß bzw. Skizze306. Den Begriff ‚Parádeigma‘ übersetzt man meines Erachtens am besten mit „Modell“.307 Ein Modell ist dadurch charakterisiert, daß es eine Verkürzung darstellt und ein heuristisches Analogon bildet.308 Auch beim homo oeconomi­ cus handelt es sich um ein Modell. Daß dieser Umstand ernstgenommen werden sollte, hat Peter Diamond in einer Rede anläßlich der Verleihung des Nobelpreises hervorgehoben: The complexity of the economy calls for the use of multiple models that address different aspects … I am concerned that … too many economists take the findings of individual studies literally as a basis for policy thinking, rather than drawing inferences from an individual study, and combining them with inferences from other studies that consider other 301 Zur Politeia vgl. Erler (2007) 207f., zu den Nomoi Erler (2007) 278–280. 302 Politeia IX 592A–B. In VIII 543C6–544A1 wird sogar eine Polis, die besser als die in der Po­ liteia konzipierte kallípolis ist, erwähnt. 303 Nomoi V 739A3–5; V 739B2f.; V 739E3f.; IX 875D3. 304 Vgl. Laks (2000) 269. 305 Schöpsdau (1991) 139. 306 σχῆμα und ὑπογραφή (V 737D6f.). 307 Vgl. Schöpsdau (1994) 132. 308 Vgl. Föllinger (2009) 58f. DOI 10.1515/9783110457070-008

72 

 Die Konzeptionen von Politeia und Nomoi

aspects of a policy question, as well as with intuitions about aspects of policy that have not been formally modeled. Assumptions that are satisfactory for basic research, for clarifying an issue by isolating it from other effects, should not play a central role in policy recommendations if those assumptions do not apply to the world. To me, taking a model literally is not taking a model seriously. It is worth remembering that models are incomplete – indeed, that is what is meant to be a model.309

Thesenhaft kann man sagen, daß sowohl die Politeia als auch die Nomoi die Frage behandeln, wie Eudaimonie für Individuum und Staat ermöglicht werden kann, und daß sie dabei auf die Bedeutung von Wissen, Einsicht und Vermittlung des Guten verweisen. Aber beide behandeln diese Fragestellung in unterschiedlicher Perspektivierung. Über die Frage, inwieweit die Nomoi mit ihrer größeren Realitätsnähe für eine praktische Umsetzung gedacht waren, herrscht in der Forschung keine Einigkeit. Schöpsdau betrachtet die Nomoi als Modell, „wie eine an den Prinzipien seiner (sc. Platons) Philosophie orientierte Gesetzgebung auszusehen hätte“, und sieht in ihnen eine Art „Handbuch für einen Gesetzgeber, der die politische Wirklichkeit in platonischem Geiste gestalten will“.310 Aber Platon habe auch einen über die Akademie hinausreichenden Adressatenkreis im Auge gehabt, dem er seine Vorstellungen idealer Politik vermitteln wollte.311 Diese Ansicht findet eine Stütze darin, daß Platon eine gewissermaßen metapoetische Deutungshilfe anbietet, wenn er den Athener sagen läßt (VII 811B–E), das bisher Erarbeitete sei ein Modell (Parádeigma) für Schullektüre, ja es solle in der Schule selbst gelesen werden.312 Gegen die Realisierbarkeit spricht sich Trampedach aus.313 Er kritisiert Veyne,314 der das Konzept der Nomoi als ein praktisch umsetzbares Projekt ansieht, mit dem Argument,315 die Bestimmungen zur Lage der Stadt wären ebensowenig durchzuführen gewesen wie der Entwurf eines nach außen abgeschotteteten Staates und die Innovationen im Bereich der Religion. Die Nomoi seien „trotz der Nähe zur Realität und trotz unleugbarer Realisierbarkeit mancher

309 Diamond (2011) 1045f., zitiert bei Barr (2012) 5, von dem die Kursivierungen stammen. 310 Schöpsdau (1994) 132. Vgl. auch De Brasi (2013) 112–119. 311 Schöpsdau (1994) 133. 312 Vgl. Schöpsdau (1994) 134f. 313 Während Schöpsdau (1994) 132f. auf die in der Antike bezeugte politische Tätigkeit von Platonschülern hinweist, untersucht Trampedach in seiner in demselben Jahr (1994) erschienenen Monographie die Zeugnisse näher und kommt zu dem Ergebnis, daß man nicht von einem gemeinsamen philosophischen Programm der in der Politik aktiven Platonschüler sprechen könne (vgl. vor allem Trampedach 1994, 144–149). 314 Veyne (1982). 315 Trampedach (1994) 246–253.



Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Politeia und Nomoi 

 73

Details „eine ‚literarische Fiktion‘“, die „kein anwendungsfähiges politisches Programm“ enthielten.316 Das Problem, wie man den Staatsentwurf der Nomoi einordnen soll, hängt damit zusammen, daß er unrealistisch anmutende Konzepte wie die Abschließung gegenüber der Außenwelt und eine Neuregelung der Religion mit ganz konkreten, auch aus moderner ökonomischer Sicht sinnvollen Regelungen etwa für den Fall des Nachbarschaftsstreits zusammenstellt. Das einigende Band dieses spannungsreichen Miteinanders ist die Hinordnung auf die Eudaimonie von Individuum und Staat, die der gute Gesetzgeber im Auge haben muß: Diese ist das Ziel aller, von den umfassenden bis zu den banalsten, Regelungen. Womöglich liegt die Intention also gerade darin, aufzuzeigen, daß nur der umfassende, Struktur schaffende Bezug auf ein wohlüberlegtes Staatsziel, der auch noch in marginalen Angelegenheiten deutlich wird, einen sinnvollen politischen Weg darstellt. Die Intention des Werkes bestünde dann darin, die politische Reflexion anzuregen.317 Dabei bedeutet der modellhafte Zugang, gerade durch Überspitzung Wesentliches aufzuzeigen, ohne daß mit der realen Umsetzung jedes Details gerechnet werden müßte, entsprechend Diamonds Warnung: „taking a model literally is not taking a model seriously“318.

8.2 Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Politeia und Nomoi Der Ausgangspunkt der Politeia ist die Frage, was Gerechtigkeit ist. Nach einer vor allem mit dem Sophisten Thrasymachos geführten Diskussion, in der Sokrates zu beweisen versucht, daß Gerechtigkeit nicht die Macht des Stärkeren, seinem Vorteil entsprechend zu handeln, darstellt, muß er den beiden jüngeren Gesprächspartnern Glaukon und Adeimantos Rede und Antwort stehen, was Gerechtigkeit ist und warum es für den, der ungestraft Unrecht tun könnte, besser ist, es nicht zu tun. Die für das Individuum aufgeworfene Problematik möchte Sokrates am Beispiel des Staates beantworten,319 weil er ein größeres und damit 316 Trampedach (1994) 254. 317 Die Frage, ob man die Nomoi als Utopie bezeichnen möchte, hängt davon ab, was unter Utopie zu verstehen ist. Vgl. hierzu De Brasi (2013) 103–105: Wenn Utopie ein „Wunschdenken“ ist, dann sind die Nomoi keine Utopie, wenn Utopie aber im Sinne von ‚Eutopia‘ verstanden wird, als Modell also, nach dem man sich richten muss, um den status quo zu verbessern, und das irgendwie auch als partiell realisierbar gedacht wird, dann kann man sie als Utopie bezeichnen. 318 Vgl. oben, S. 71f. 319 Blößner (2007) hat gezeigt, wie wichtig die Dialogsituation (Sokrates’ Reaktion auf Glaukon und Adeimantos) für die Argumentation ist.

74 

 Die Konzeptionen von Politeia und Nomoi

leichter zu erforschendes Objekt darstellt. Die Staatskonzeption wird also eingeführt, um eine Analogie mit dem einzelnen Menschen zu ermöglichen. Darum liegt der eigentliche Fokus auf der Psychologie. Sokrates entwickelt das Modell eines hierarchisch gegliederten Staates, der aus einem für die praktischen Arbeiten zuständigen untersten Stand – zu dem die Bauern, Handwerker, Händler und Lohnarbeiter gehören –, einem für die Verteidigung zuständigen Wächterstand und einem aus Philosophen bestehenden Herrscherstand besteht. Dieser Aufteilung liegt die Ansicht zugrunde, daß es unterschiedliche Typen von Menschen mit unterschiedlichen Befähigungen gibt.320 Der Dreiteilung im Staat entspricht die Dreiteilung der menschlichen Seele in Vernunft, muthaften Teil und begehrenden Teil.321 Ethische und politische Perspektiven sind also in der Politeia miteinander verwoben, im Blick stehen „sowohl die politische als auch die personale Gerechtigkeit“.322 Wie im Menschen die Vernunft die höchste Instanz darstellt und deswegen auch immer die Herrschaft innehaben muss – hier verbinden sich Deskription und Normierung –, ist es im Staat der Politeia der Stand der Philosophenherrscher (Politeia IV 428B–429A; IX 586D–587B). Deren Regierung ist unabdingbar für das Gelingen des Staates, da nur sie eine umfassende Einsicht in das Gute haben. Für diese Qualität ist nicht nur eine natürliche Eignung, sondern auch eine lange Erziehung und Ausbildung nötig. Drei berühmte Gleichnisse – Sonnengleichnis, Liniengleichnis und Höhlengleichnis – illustrieren die unterschiedlichen Möglichkeiten der Erkenntnis, die Bedeutung der Vernunft für die Erkenntnis und die Verpflichtung derjenigen, die die Erkenntnis erlangt haben, anderen daran Anteil zu vermitteln. In dem Dialog Nomoi hingegen ist die Ausgangsfrage, welche Gesetze ein optimaler, neu zu gründender Staat haben müsse, wobei der Anlaß die (fiktive) Gründung einer neuen kretischen Kolonie, Magnesia323, ist. Über diese diskutieren ein namenloser Athener, der Spartaner Megillos und der Kreter Kleinias. 320 Vgl. Politeia III 414B–415D. 321 Vgl. oben, S. 64. 322 Höffe (1987) 230. Dagegen neigen Verfechter einer eher ethischen Interpretation der Po­ liteia dazu, in der Analogie entweder ein rhetorisches Mittel des Sokrates zu sehen, um seine Anschauung zur Gerechtigkeit im Individuum besser veranschaulichen zu können (z. B. Blößner 1997), oder sie als Vergleich zu deuten, so daß zwischen den zwei in der Analogie verglichenen Bereichen (Individuum und Staat) nur eine Parallele, aber keine Interdependenz besteht (so z. B. Ferrari 2003). Annas (1997) zufolge sind bestimmte politische Aspekte auf jeden Fall ernstzunehmen, aber nicht überzubewerten, da der Fokus darauf liegt, „to provide an illustration for the virtuous individual“ (160). 323 Der Name ‚Magnesia‘ taucht in den Nomoi nicht auf, aber es ist von der „Stadt der Magneten“ (z. B. IX 860E6) die Rede, und die moderne Forschung hat Verbindungen zu einer Stadt gleichen Namens auf Kreta, die zu Platons Zeit nicht mehr existierte, gezogen. Zu der – letztlich nicht lösbaren – Frage nach der Historizität vgl. Schöpsdau (2003) 140–142.



Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Politeia und Nomoi 

 75

Die Nomoi sind Platons letztes Werk.324 Aufgrund bestimmter Ungereimtheiten und vermeintlicher Widersprüche zu anderen Werken Platons war man früher der Ansicht gewesen, sie enthielten zwar aus Platons Feder stammendes Material, seien aber nicht von ihm überarbeitet, sondern von seinem Schüler Philipp von Opus redigiert und herausgegeben worden.325 Allerdings beruht dieses Urteil auch auf subjektiven Auffassungen, was die Anforderungen an die Einheit eines Werkes angeht. Die Annahme, die von Wilamowitz vertrat, daß die Nomoi Platons Altersresignation widerspiegelten, kann jedenfalls als hinfällig betrachtet werden, zumal Platon offensichtlich an Politeia und Nomoi gleichzeitig arbeitete.326 Einen überzeugenden Schlußpunkt unter die Diskussion setzt meines Erachtens das Plädoyer von Schöpsdau, der nach jahrelanger Beschäftigung mit den Nomoi und auf der Basis einer feinsinnigen Argumentation zu dem Ergebnis kommt, man solle den Text als „genuin platonisch“ betrachten und sich bei (mutmaßlichen) Ungereimtheiten mehr um die Interpretation bemühen, anstatt das Werk Philipp von Opus zuzuschreiben.327 Auch in den Nomoi ist das Ziel, für Individuum und Staat Eudaimonie zu erlangen (III 701D–702B). Aber anders als in der Politeia wird die beste Möglichkeit, diese zu verwirklichen, nicht in einer Herrschaft von Philosophenkönigen gesehen. Vielmehr sollen die höchste Stelle Gesetze innehaben, die von einem ausgeklügelten Beamtenwesen durchgesetzt, weiterentwickelt und optimiert werden.328 Warum entwirft Platon zwei so unterschiedliche Modelle? Darauf gibt eine differenzierte Reflexion im Politikos eine Antwort (293E–301A). Der Ausgangspunkt ist die Aufrechterhaltung der in der Politeia entwickelten Ansicht, daß ein perfekter Herrscher das beste sei. Denn ein solcher hat zwei Vorteile: Er verfügt über ein umfassendes Wissen, was Gesetze nicht leisten können, und er kann flexibel auf jede Situation reagieren, wozu Gesetze ebenfalls nicht in der Lage sind. Die Nachteile eines solchen Herrschers sind: Er kann nicht bei jedem einzelnen seiner Bürger direkt präsent sein, und für die Zeiten seiner Abwesenheit müssen Vorkehrungen getroffen werden. Das größte Problem aber ist: Einen solchen Herrscher gibt es in der Realität nicht.329 Demgegenüber liegt der Vorteil von Gesetzen darin, daß sie räumlich und zeitlich nicht gebunden sind, daß sie 324 Vgl. Erler (2007) 278f. 325 Zur Diskussion vgl. Erler (2007) 279. Die Forschungsgeschichte ist gut zusammengefaßt bei Lisi (2001b) 11–17. Den Besonderheiten der Nomoi widmet sich Bobonich (2002). 326 Von Wilamowitz-Moellendorff (1919) I, 688; vgl. Erler (2007) 278 und 443f. 327 Schöpsdau (1994) 142. Vgl. auch Lisi (2001b) 23f; Erler (2007) 280. 328 Die Überarbeitung der Gesetze ist also nötig (VI 769D–E), gleichzeitig rechnen die Gesprächspartner damit, daß diese innerhalb absehbarer Zeit abgeschlossen sein kann. 329 Das ist der Grund, warum Platon in diesem Werk die Zeit eines solchen perfekten Herrschers in das Zeitalter von Kronos verlegt (Politikos 271C–272B, vgl. Nomoi IV 713B–714B).

76 

 Die Konzeptionen von Politeia und Nomoi

überparteilich sind und daß sie auch dann, wenn kein umfassender menschlicher Sachverstand waltet, wie es in der Realität das Normale ist, eine gewisse Qualität verbürgen können. Ein Nachteil der Gesetze hingegen besteht darin, daß sie klaren menschlichen Verstand nicht ersetzen können (Politikos 294A–C). Darum müssen Gesetze verbessert werden (299E). Auch im Politikos wird also die Vorstellung, daß die Herrschaft des Gesetzes das Zweitbeste ist (297D–E; 300B–C; vgl. Nomoi IX 875D), aufrechterhalten, dabei aber deutlich gemacht, daß die Annahme eines perfekten Herrschers eine Fiktion ist. Man kann sagen, sie bildet eine Art Optimalvorstellung, um die Bedeutung der Qualität des einzelnen Verantwortlichen aufzuzeigen. Darüberhinaus wird deutlich gemacht, daß selbst unter einem optimalen Herrscher Regeln gelten müssen. Wenn als Begründung für die Notwendigkeit von Regeln angegeben wird, daß auch ein optimaler Herrscher nicht immer und überall präsent sein kann,330 so entspricht dies genau dem Sinn von Institutionen: Sie sollen Sicherheit gewähren. In der Summe ist also, angesichts der Realität, einem Staat, in dem die Gesetze die oberste Richtschnur bilden, der Vorzug zu geben. Dabei muß das Gesetz, wie der ideale, aber nicht reale, Herrscher, auf die Areté ausgerichtet und dementsprechend ‚vernünftig‘ sein. Dies entspricht Platons Ziel, Gesetze auf verbindlichen, metaphysisch verankerten Normen zu begründen als Gegenreaktion „zu jener realen Politik zur Zeit Platons, die von einer moralischen Ungebundenheit des Politischen … und einem erkenntnistheoretischen Relativismus ausging sowie in Gesetzen blosse Setzungen sah“331. Für den Primat der Gesetze prägt Platon eine neue Begrifflichkeit (Nomoi IV 715A–D), indem er den Athener den für die politischen Funktionsträger in der athenischen Verfassung üblichen Begriff „Archonten“ – der mit „Beamten“ bzw. „Magistraten“ übersetzt wird – durch „ὑπηρέται τοῖς νόμοις“ („die den Gesetzen dienen“) ersetzen läßt.332 Das heißt: Auch die Beamten unterstehen den Gesetzen, sie sind „guardiens des lois“333. Dasselbe gilt selbstredend für die Bürger. Um die Differenz von Politeia und Nomoi und die Zwischenstellung des Politikos zu erläutern, ist eine entwicklungsgeschichtliche Erklärung also nicht nötig.334 Vielmehr sollte man die Werke als einen literarischen Diskurs Platons über das Verhältnis von individueller und politischer Eudaimonie lesen, inner-

330 Vgl. Schöpsdau (1994) 130 mit Stellenangaben. 331 Erler (2007) 441 mit Verweis auf Trampedach (1994) 176–186. 332 Diese Bestimmung steht im Gegensatz zu der Auffassung, die Platon in der Politeia Thrasymachos vertreten läßt: Herrscher legen Gesetze in ihrem eigenen Interesse fest, vgl. Benardete (2000) 137. 333 Piérart (1974) 124. 334 Vgl. die Forschungsdiskussion bei Erler (2007) 281f.



Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Politeia und Nomoi 

 77

halb dessen die Dialoge verschiedene Aspekte stark machen. Gemeinsamkeiten über die erwähnten hinaus bestehen darin, daß auch in der Politeia Zweifel daran geäußert werden, ob ein optimaler Herrscher jemals existieren kann (VI 493B–C; VI 502A–C), und daß der Unterschied zwischen Theorie und Realität thematisiert wird (V 473A; IX 592A–B). Dem entspricht, daß in den Nomoi (V 739A–E) das Ideal des in der Politeia entworfenen Konzeptes bestehen bleibt (V 739A–E) und das in ihnen vorgelegte Modell als zweitbeste Lösung bezeichnet wird (V 739A; 739E). Daß die Nomoi nicht eigens einen philosophischen Werdegang, wie ihn die Politeia vorsieht, thematisieren, ist angesichts der anderen Perspektivierung verständlich. Dennoch wird immer wieder deutlich, daß auch in diesem Modell diejenigen, die Ämter innehaben, sich durch ihre intellektuelle Kompetenz und Moral unterscheiden müssen (III 690B; VI 757C; XII 961A–969D).335 Darüberhinaus ist der Erwerb von Wissen eine wichtige Aufgabe für die Bürger Magnesias, mit der sie viel Zeit verbringen sollen (VII 807D). Dementsprechend liegt eine entscheidende Gemeinsamkeit beider Werke in der Bedeutung, die der richtigen Erziehung und Bildung der politischen Akteure zugemessen wird. Daß Platon den Wert von Erkenntnis, Wissen und moralischer Integrität so hoch ansetzt, beruht auf seiner Kritik an der athenischen Demokratie. In ihr wurden die Ämter politischer Funktionsträger zum großen Teil per Los besetzt, die Volksversammlung hatte weitreichende Befugnisse, und die Gerichte bestanden nicht aus Fachleuten, sondern aus Laienrichtern. Platon hat selbst die oligarchische Willkürherrschaft am Ende des Peloponnesischen Krieges erlebt und war nicht zuletzt von der Erfahrung geprägt, daß ein Volksgericht Sokrates zum Tod verurteilt hatte. Aber seine Werke zielen nicht darauf, eine bestimmte politische Verfassung zu empfehlen, sondern den Diskurs über den Zusammenhang von Vernunftwissen und politischer Verantwortung anzuregen. Dies hat vor allem Pradeau überzeugend herausgearbeitet.336 Eine solche Einordnung von Platons Ansatz zielt auch gegen den von Popper angesichts der modernen Erfahrung mit Diktaturen erhobenen Vorwurf, Platons Entwurf der Politeia sei totalitaristisch.337 Ihn hat die Forschung aus verschiede335 Vgl. Knoll (2013) 163. 336 Pradeau (2010). Die Essenz von Pradeaus Analyse hat Gill gut zusammengefaßt (2002) xiii: „What Plato is trying to define are certain core ideas, which apply to political life in all types of constitution, and which are significant for non-political life as well. The chief of these is the idea that politics is – or should be – an art of craft, a form of knowledge, grounded in objective principles. A central role of this art is that of creating a community that is genuinely unified; and, without this art, no community can achieve real unity. As Pradeau brings out, this means that Plato is neither anti- nor pro-democratic, any more than he is (as he has often been thought to be) pro-Spartan, pro-aristocratic or pro-monarchical.“ 337 Dies heißt, natürlich, nicht, daß man Platon ‚schönreden‘ kann. Egalitär ist Platon nicht. So hat er etwa nie die Sklaverei zur Disposition gestellt. Zu den abschreckenden und anregenden

78 

 Die Konzeptionen von Politeia und Nomoi

nen Perspektiven modifiziert, kritisiert oder zurückgewiesen.338 Für ein angemessenes Verständnis, das auch den Totalitarismusverdacht entkräftet, muß man der Politeia die Nomoi flankierend zur Seite stellen. Beispielhaft dafür, daß die Eudaimonie des einzelnen im Zentrum steht, ist eine Passage in der Vorrede an die Staatsbürger (Nomoi VI 770C7–E6): Unsere Überstimmung läßt sich in einem einzigen Hauptpunkt zusammenfassen: wie man ein guter Mensch werden kann, der die einem Menschen gemäße Tugend der Seele besitzt, sei es nun infolge einer bestimmten Beschäftigung oder einer Charaktereigenschaft oder einer bestimmten Erwerbsart oder aufgrund eines Begehrens oder einer Meinung oder irgendwelcher einmal erworbenen Kenntnisse, und unabhängig davon, ob jemand unter unsern Mitbürgern männlichen oder weiblichen Geschlechts ist und ob jung oder alt – daß auf eben dieses erwähnte Ziel das ganze Bemühen das ganze Leben hindurch gerichtet sein muß; was aber die übrigen Dinge angeht, soweit sie diesem Ziel im Wege stehen, so darf niemand sich dabei sehen lassen, daß er einem davon einen höheren Wert beimißt, am Ende nicht einmal der Stadt, falls es sich als notwendig erweisen sollte, daß sie eher zugrunde geht, als daß sie das Sklavenjoch auf sich nimmt und sich von schlechteren Leuten regieren läßt, oder daß man die Stadt verlassen muß, um in die Verbannung zu gehen. Denn alles Derartige muß man eher auf sich nehmen, als daß man sich eine Verfassung einhandelt, die geeignet ist, die Menschen schlechter zu machen.339

An erster Stelle steht explizit die Aufmerksamkeit für das Individuum. Sie bildet ein Gegengewicht zu der provozierenden Ansicht des Sokrates in der Politeia (IV 420C–D). Dieser muß auf den Einwand seiner Gesprächspartner reagieren, daß die Wächter, da sie ohne eigene Familie und Besitz leben müßten, gar nicht glücklich sein könnten. Darauf erwidert er, auch bei einem Kunstwerk müßten nicht alle Einzelteile schön sein, sondern es komme auf den Gesamteindruck an. Wie Blößner gezeigt hat,340 ist dies allerdings eine vorläufige, dem momentanen Diskussionsstand entsprechende Argumentation, die an späterer Stelle (Politeia

Seiten von Platons Überlegungen in der Politeia vgl. Annas (1981) 1–13, der zufolge Platon die Verstörung der Leser beabsichtigte, um einen Reflexionsprozeß anzuregen. Vgl. auch die differenzierte Stellungnahme von Erler (2006) 184f. 338 Vgl. Höffe (1997c) 354–360; Gill (2002) xii–xiii. 339 ἦν δὲ ἡ συγχώρησις ἓν ἔχουσα κεφάλαιον, ὅπως ποτὲ ἀνὴρ ἀγαθὸς γίγνοιτ᾽ ἄν, τὴν ἀνθρώπῳ προσήκουσαν ἀρετὴν τῆς ψυχῆς ἔχων ἔκ τινος ἐπιτηδεύματος ἤ τινος ἤθους ἢ ποιᾶς κτήσεως ἢ ἐπιθυμίας ἢ δόξης ἢ μαθημάτων ποτέ τινων, εἴτε ἄρρην τις τῶν συνοικούντων οὖσα ἡ φύσις εἴτε θήλεια, νέων ἢ γερόντων, ὅπως εἰς ταὐτὸν τοῦτο ὃ λέγομεν τεταμένη σπουδὴ πᾶσα ἔσται διὰ παντὸς τοῦ βίου, τῶν δ᾽ ἄλλων ὁπόσα ἐμπόδια τούτοις μηδὲν προτιμῶν φανεῖται μηδ᾽ ὁστισοῦν, τελευτῶν δὲ καὶ πόλεως, ἐὰν ἀνάστατον ἀνάγκη φαίνηται γίγνεσθαι πρὶν ἐθέλειν δούλειον ὑπομείνασα ζυγὸν ἄρχεσθαι ὑπὸ χειρόνων, ἢ λείπειν φυγῇ τὴν πόλιν· ὡς πάντα τὰ τοιαῦτα ἄρ᾽ ἔσθ᾽ ὑπομενετέον πάσχοντας πρὶν ἀλλάξασθαι πολιτείαν ἣ χείρους ἀνθρώπους πέφυκε ποιεῖν. 340 Blößner (2007) 259.



Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Politeia und Nomoi 

 79

V 465D–466A) modifiziert wird. Dieser Hinweis und die eindeutige Ponderierung in der Passage der Nomoi, aber auch die das ganze Platonische Werk durchziehende Ausrichtung auf das Individuum341 machen deutlich, daß an erster Stelle das Individuum steht. Die Eudaimonie ist nicht die des ‚Ganzen‘, dem der Bürger untergeordnet ist. Vielmehr kann man nur dann von einem ‚gelungenen Leben‘ des Staates sprechen, wenn alle Bürger eudaímones sind.342 Entscheiden und Handeln des einzelnen und die Frage, wie der Gesetzgeber es beeinflussen kann, stehen im Mittelpunkt. Wie man die Interaktion von Individuum und Gemeinschaft optimieren kann, indem man, durchaus unter steter Berücksichtigung auch der Optimierung des Individuums, möglichst optimale Strukturen schafft – optimal in dem Sinn, daß sie das individuelle Handeln im Sinne individueller und staatlicher Eudaimonie fördern: das ist die Fragestellung der Nomoi. Daß dieses Spätwerk in einer im Vergleich mit anderen Platonischen Schriften ungewöhnlichen Art und Weise Detailregelungen gewidmet ist, ist also nicht ‚unplatonisch‘, sondern ist ein Resultat der gegenüber der Politeia anderen Perspektivierung. So entspricht der in der Politeia entwickelten Fiktion idealer Herrscher und der Möglichkeit einer perfekten Erziehung die Vorstellung, daß die von klein auf richtig erzogenen Kinder von alleine selbstverständliche Verhaltensregeln wie etwa den respektvollen Umgang mit Erwachsenen und Älteren sich aneignen würden. Darum wird auf den Entwurf von Einzelregelungen dort bewußt verzichtet (IV 425B–E). Die Frage der Umsetzung von Einzeldingen ist in der Politeia also nicht wesentlich.343 Andererseits aber wird auch in ihr darauf verwiesen, daß im Fall der Umsetzung in die Realität viele Einzelregelungen nötig wären (V 473A).344 Insofern machen die Nomoi die Politeia nicht rückgängig, sondern behandeln als Modell komplementär die Frage, welche Vorsorge man als Staatengründer treffen muß, wenn man nicht mit idealen Regierenden rechnen kann und zu erwarten hat, daß die Erziehung der Individuen nicht homogen verläuft.345 Es geht also um die Frage, welche Regeln es geben soll angesichts der Unsicherheiten, mit denen ein Gesetzgeber rechnen muß. Dies aber ist genau der Punkt, an dem die Neue Institutionenökonomik ins Spiel kommt. 341 Die Ausrichtung am Individuum zeigt sich beispielsweise in der Fundierung einer philosophischen Rhetorik, die am individuellen Gegenüber ausgerichtet ist, im Phaidros, in der Thematisierung der Unsterblichkeit der individuellen Seele im Phaidon, in der Bedeutung der kosmologischen Kínesis im Timaios für das Individuum und in der Charakteristik adressatenorientierter Sprech- und Diskussionsweise des Platonischen Sokrates. 342 Zu dieser Alternative vgl. Erler (2007) 447. 343 Politeia V 472Dff.; vgl. Schöpsdau (1994) 126. 344 Die Bedeutung der Gesetze ist also auch in der Politeia deutlich (vgl. Pradeau 2010, 142). 345 Vgl. Nomoi V 734E5f.

9 Der Wert der Neuen Institutionenökonomik für eine Analyse von Platons Vorstellungen 9.1 Die Unsicherheit menschlichen Handelns und die Bedeutung von Peithó (Überzeugung/Überredung) und Bía (Sanktionen) Auf die Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit menschlichen Verhaltens geht der Politikos ein. In der bereits erwähnten Passage 294B2–6 heißt es: „Die Menschen und ihre Handlungen sind nämlich immer wieder anders, und in menschlichen Dingen gibt es sozusagen niemals Ruhe. Dieser Umstand verbietet es, daß irgend­ eine Kunst für alles einfach und für alle Zeiten die Dinge darstellen könnte.“346 An dieser Stelle formuliert Platon die Problematik, die die Neue Institutionenökonomik als ‚Informationsasymmetrie‘ bezeichnet: Der, der die Regeln erläßt (in der institutionenökonomischen Terminologie: ‚der Prinzipal‘), weiß nicht, auf welche Akteure (in der institutionenökonomischen Terminologie: ‚der Agent‘) er trifft bzw. wie zuverlässig sie sind. Da Menschen unterschiedliche Präferenzen haben, werden verschiedene Individuen auf die gleichen Regeln unterschiedlich reagieren. Es ist damit unklar, wie die Akteure mit den Regeln umgehen. Planungen für eine gelungene Interaktion zwischen Mensch und Gesellschaft haben einen Unsicherheitsfaktor. Ein signifikantes Beispiel für das Bewußtsein einer solchen Unsicherheit ist das Gesetz gegen Tempelraub in den Nomoi. Eigentlich, so der Athener, sollte man bei kultivierten Menschen, wie sie der neue Staat hervorbringe, gar nicht davon ausgehen, daß es ein solches Sakrileg geben könne, aber dennoch müsse man „aus Vorsicht gegenüber der Schwäche der menschlichen Natur“ (Nomoi IX 853D10–854A1: τὴν τῆς ἀνθρωπίνης φύσεως ἀσθένειαν εὐλαβούμενος) auch für einen solchen Fall Vorsorge treffen. Es ist also die Unsicherheit, ob sich die Bürger des Staates an die Regeln und Normen halten werden. Das Problem der Prognose, wie Menschen sich verhalten und welche Regelungen welche Auswirkungen haben werden, thematisieren die Gesprächspartner der Nomoi immer wieder. 347 Die Neue Institutionenökonomik spricht hier von „strategische(r) Unsicherheit“348. Die Funktion von Institutionen besteht darin, „Unsicherheit 346 αἱ γὰρ ἀνομοιότητες τῶν τε ἀνθρώπων καὶ τῶν πράξεων καὶ τὸ μηδέποτε μηδὲν ὡς ἔπος εἰπεῖν ἡσυχίαν ἄγειν τῶν ἀνθρωπίνων οὐδὲν ἐῶσιν ἁπλοῦν ἐν οὐδενὶ περὶ ἁπάντων καὶ ἐπὶ πάντα τὸν χρόνον ἀποφαίνεσθαι τέχνην οὐδ᾽ ἡντινοῦν. 347 Nomoi III 691C5–D5; IX 875A1–C3. Vgl. Schütrumpf (2013) 190. 348 Voigt (2009) 25. DOI 10.1515/9783110457070-009

82 

 Der Wert der Neuen Institutionenökonomik

zu reduzieren“349. Die Neue Institutionenökonomik untersucht, wie gesetzliche Regelungen, gesellschaftliche Normierungen und auch ethische Wertvorstellungen das Handeln des einzelnen beeinflussen. Dabei werden Institutionen verstanden als „allgemein bekannte Regeln, mit deren Hilfe wiederkehrende Interaktionssituationen strukturiert werden und die mit einem Durchsetzungsmechanismus bewehrt sind, der eine Sanktionierung bzw. Sanktionsdrohung im Falle eines Regelverstoßes bewirkt“350. Die Aspekte der Ordnung und Stabilität betont Voigt: Regeln sind „gemeinhin bekannte Vorschriften, die von einer Gruppe von Teilnehmern genutzt werden, um wiederholt auftretende Interaktionen zu ordnen. Regeln sind Ergebnis eines impliziten oder expliziten Versuchs einer Gruppe von Individuen, Ordnung beziehungsweise stabile Erwartungen innerhalb wiederkehrender Situationen zu erzielen“351. Genau darum aber geht es in Platons Staatsmodellen: Platon sucht nach verläßlichen und durchsetzbaren Regeln, die die Eudaimonie des Individuums und des Staates fördern. Damit bietet die Neue Institutionenökonomik eine geeignete Herangehensweise, um Platons Konzeptionen besser zu erfassen und das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren, die Platon als maßgeblich für das individuelle Handeln ansieht, zu verstehen. Die Suche nach Regeln in den Platonischen Nomoi geschieht auf zwei Ebenen: Zum einen wird eine Verfassung angestrebt, die auf die Eudaimonie ausgerichtet ist und die eine Vielzahl von Regeln, die ihrerseits das höchste Ziel des Staates im Auge haben, ermöglichen. Zum anderen wird das Regelwerk selbst entworfen.352 Es besteht sowohl aus kodifizierten Gesetzen als auch aus ‚ungeschriebenen Gesetzen‘ und Vorschlägen, wie diese zu formulieren und durchzusetzen sind. Politeia und Nomoi unterscheiden sich darin, daß sie unterschiedliche Verfassungen als Rahmen aufweisen und dementsprechend das diesem untergeordnete Regelwerk differiert. Entsprechend dem Ziel der Politeia, grundsätzliche Überlegungen und Einsichten zur Ontologie, Epistemologie und Psychologie zu vermitteln, ist das in ihr vorgestellte Regelwerk weniger dicht und ist selektiv auf die beiden oberen Schichten ausgerichtet. In den mehr auf die Realität ausgerichteten Nomoi mit ihrer eher demokratische Züge aufweisenden Verfassung werden

349 Voigt (2009) 25. Vgl. auch die Ausführungen zur Neuen Institutionenökonomik oben, S. 20– 23. 350 Voigt (2009) 27 im Anschluß an Ostrom (1986). Vgl. Furubotn/Richter (2005) 7 und North (1992) 3. 351 Voigt (2009) 27. 352 Vgl. Schütrumpf (2013) 191–202 zur Unterscheidung zwischen „‚Ordnende(n) Gesetze(n)‘“ und „‚Korrigierende(n) Gesetze(n)‘“.



Die Unsicherheit menschlichen Handelns und die Bedeutung von Peithó 

 83

Regeln für alle Bürger und auch Nicht-Bürger und für viele Teilbereiche des Lebens formuliert. Hier ist das konkrete Verhältnis von individuellem Handeln und staatlichem Wohlergehen im Blick. Aus diesem Grund stehen in den folgenden Überlegungen die Nomoi im Zentrum. Gerade daß der Institutionenbegriff der Neuen Institutionenökonomik kodifizierte und informelle Regeln umfaßt, bildet eine hervorragende Basis, um Platons Vorstellungen zu untersuchen, die von der Bedeutung formaler Institutionen, wie Gesetzen und staatlichen Sanktionen, aber auch ethischer und gesellschaftlicher Regeln aller Art geleitet sind. Auf diese Weise schließt sich die Schere, die die moderne Forschung zwischen Platons ‚ethischem Ansatz‘ und der modernen Ökonomie sah. In den Nomoi läßt Platon die Gesprächspartner zwei Möglichkeiten vorschlagen, mit denen die Unsicherheit eingegrenzt werden kann: Die eine ist die Einsicht. Die Bürger sollen dazu gebracht werden, die Richtigkeit von Staatsziel und Mitteln zu erkennen und ihnen deshalb auch zuzustimmen. Dies ist die Aufgabe der die rationale Fähigkeit, aber auch andere Instanzen des Menschen ansprechenden Peithó (Überredung/Überzeugung). Ein solches Vorgehen ist nachhaltig: Wenn ich von etwas überzeugt bin, tue ich es auch dann, wenn keine Sanktionen drohen. Aber aufgrund der ‚strategischen‘ Unsicherheit muß man als Gesetzgeber und Regelgestalter davon ausgehen, daß nicht alle Menschen gleich einsichtig sind und daß Menschen sich ändern können, darum müssen flankierend zu diesem eigentlich besseren Weg mögliche Sanktionen hinzutreten, dies ist der Weg des Zwangs (Bía) (Nomoi IV 718A6–B5): Was aber die Pflichten gegenüber den Nachkommen, Verwandten, Freunden und Mitbürgern und die von den Göttern gebotenen Dienstleistungen an den Fremden und die Formen des Umgangs mit ihnen allen betrifft, durch deren Erfüllung man sein Leben dem Gesetz gemäß aufhellen und verschönern soll, so wird die ausführliche Darlegung der Gesetze selbst, indem sie dazu überzeugt/überredet und die der Überzeugung/Überredung353 unzugänglichen Gemüter durch Gewalt und gerechte Strafe züchtigt, unsere Stadt mit Zustimmung der Götter glückselig und erfolgreich machen.354

353 Schöpsdau: „Überredung“. Peithó wird gemeinhin in diesem Kontext als ‚Überredung‘ übersetzt, wie auch hier von Schöpsdau. Dagegen ist einzuwenden, daß der Begriff ‚Überredung‘ suggeriert, es handele sich um eine nicht argumentative Beeinflussung der Bürger. Da aber in den Nomoi Peithó ein semantisch mehrdeutiger Begriff ist und die Beeinflussung der Bürger auf verschiedene Weise erfolgt, ist die Übersetzung ‚Überzeugung/Überredung ‘ zu bevorzugen. Weiteres zu dieser Problematik vgl. unten, S. 93. 354 ἃ δὲ πρὸς ἐκγόνους καὶ συγγενεῖς καὶ φίλους καὶ πολίτας, ὅσα τε ξενικὰ πρὸς θεῶν θεραπεύματα καὶ ὁμιλίας συμπάντων τούτων ἀποτελοῦντα τὸν αὑτοῦ βίον φαιδρυνάμενον κατὰ νόμον κοσμεῖν δεῖ, τῶν νόμων αὐτῶν ἡ διέξοδος, τὰ μὲν πείθουσα, τὰ δὲ μὴ ὑπείκοντα πειθοῖ τῶν

84 

 Der Wert der Neuen Institutionenökonomik

Aus der grundsätzlichen Zweiteilung in das Mittel der Peithó auf der einen und Sanktionen auf der anderen Seite resultiert das vielfältige Geflecht, mit dem Platon in den Nomoi Institutionen normativ zur Steuerung des individuellen Verhaltens einsetzen läßt. Grundlegend dabei ist die Erkenntnis, daß man durch die Veränderung von Regeln die Rahmenbedingungen menschlichen Handelns steuern kann. Aus institutionenökonomischer Perspektive formuliert dies Ostrom: „Rules are the means by which we intervene to change the structure of incentives in situations. It is, of course, frequently difficult in practice to change the rules participants use to order their relationships. Theoretically, rules can be changed while physical and behavioural laws cannot. Rules are interesting variables precisely because they are potentially subject to change.“355

9.2 Mechanismus Design Das Zusammenspiel von Peithó und Bía in den Nomoi bietet einen weiteren guten Anknüpfungspunkt für die institutionenökonomische Analyse. Denn Platon legt vor allem in diesem Werk eine detaillierte Ausführung vor, wie die Einwirkung auf innere und äußere Motivierung von seiten des Gesetzgebers aussehen muß. Die Neue Institutionenökonomik bietet ein passendes Analyseinstrumentarium, da ihr Untersuchungsgegenstand der Zusammenhang von eigennutzorientiertem individuellem Handeln und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist.356 Das Zusammenspiel von intrinsischer und extrinsischer Motivation ist Gegenstand des sogenannten Mechanismus Design. An dieser Stelle möchte ich nur einige Anstöße zur prinzipiellen Vergleichbarkeit geben.357 Mechanismus Design befaßt sich mit der Frage, wie möglichst gute Regeln und Durchsetzungsverfahren, in der spieltheoretischen Ausdrucksweise „Mechanismen“,358 gefunden werden können, die Individuen, deren Verhalten ἠθῶν βίᾳ καὶ δίκῃ κολάζουσα, τὴν πόλιν ἡμῖν συμβουληθέντων θεῶν μακαρίαν τε καὶ εὐδαίμονα ἀποτελεῖ. 355 Ostrom (1986) 6. 356 Vgl. die grundlegenden Erläuterungen zur Neuen Institutionenökonomik oben, S. 20–23 und S. 80–84. 357 Die Anregung verdanke ich Evelyn Korn, die sich im ökonomischen Teil unseres Projekts auch mit dem Versuch der formalen Modellierung Platonischer Regelentwürfe befaßt. Differenziertere Ausführungen zum Mechanismus Design und seiner Anwendung auf die Platonischen Nomoi sind in Vorbereitung (Föllinger/Korn 2016). 358 Dabei repräsentiert ein Mechanismus in der Ökonomie in formaler Weise die Entscheidungen als Resultate aus dem Umgang mit den Informationen, über die die jeweiligen Entscheider verfügen. Vgl. dazu Myerson (2008a); Myerson (2008b).



Mechanismus Design 

 85

man nicht kennt, zu einem bestimmten Verhalten bewegen. Viele der in Politeia und Nomoi getroffenen Regelungen lassen sich als Versuch, solche bestmöglichen Mechanismen zu finden, interpretieren. Weil es um die Frage geht, wie soziale Koordination zwischen Akteuren betrieben werden kann, wird dabei mitunter die Fiktion einer zentralen Instanz, eines ‚sozialen Planers‘, eingeführt, der Regeln für die Akteure entwirft. Die Rolle eines solchen Planers läßt Platon in Politeia und Nomoi verschiedene Gruppen spielen. Es sind zum einen die jeweiligen Gesprächspartner der Dialoge, die die Regeln festlegen, auf einer anderen Ebene sind es die Philosophenherrscher der Politeia bzw. die künftigen Gesetzgeber der Nomoi, die die von den Gesprächspartnern erarbeiteten Vorschläge umsetzen sollen. Denn es handelt sich in den Nomoi um ein Regelsystem, das in der – nach der Fiktion – aktuell zu gründenden Kolonie in Kreta Anwendung finden soll, aber auch Anregung geben kann für weitere künftige Staatsgründungen oder -veränderungen.359 Sowohl die Neugründung eines Staates als auch die Reform schon bestehender Staaten stehen offensichtlich im Hintergrund von Platons Modell.360 Es mag verwundern und ahistorisch erscheinen, daß im Zusammenhang mit Platons politischer Philosophie der Begriff ‚Mechanismus‘ gebraucht wird, weil die Vorstellung einer dynamischen Gesetzmäßigkeit, die auch Wirtschaftsprozessen unterliegt, ein neuzeitliches Verständnis ist, mit dem Smith unter Newtons Einfluß stand361 – ganz abgesehen davon, daß die Mathematisierung dieser Prozesse sich erst später entwickelte. Was aber berechtigt, diese Methode mit Platon in Verbindung zu bringen, ist die Tatsache, daß Platon selbst offensichtlich annimmt, ein bestimmtes Verhalten der Menschen unter bestimmten Umständen lasse sich durch bestimmte Regeln bewirken. Er geht also – trotz aller Unsicherheit, die mit menschlichem Verhalten verbunden ist – von einer Art idealtypischer Regelmäßigkeit aus.362 Dies geht auch aus der Analogisierung von kindlichem Spielverhalten und Gesetzesbefolgung hervor, die der Athener vornimmt (Nomoi VII 797A–798D): Wenn Kinder lernten, daß es konstante Regeln und Spiele gebe, und man unterbinde, daß sie sich dauernd Neuem zuwendeten, sei dies, ebenso wie stets nach denselben Wertmaßstäben erfolgender Lob und Tadel, eine gute Voraussetzung dafür, daß sie später auch die Gesetze konsequent befolgten, ohne diese immer wieder umwerfen zu wollen (Nomoi VII 797A9–B4):

359 Vgl. Nomoi IV 702D1–5. 360 Vgl. Schöpsdau (2003) 290. 361 Vgl. dazu oben, S. 46f. 362 Auch Laks (2000, 267) spricht im Hinblick auf die Nomoi von „political mechanisms“.

86 

 Der Wert der Neuen Institutionenökonomik

Denn wenn die Spiele fest geregelt sind und den Grundsatz verwirklichen, daß dieselben Leute nach denselben Regeln und in derselben Weise stets dieselben Spiele treiben und sich an denselben Vergnügungen erfreuen, dann lassen sie auch die zu ernsten Zwecken aufgestellten Gesetze ungestört fortbestehen.363

Das Ziel der Maßnahme ist es, Änderungen an den – für gut befundenen – Gesetzen durch eine entsprechende Erziehung zu vermeiden. Im Rahmen meiner Überlegungen ist die Passage ein Indiz dafür, daß ein regelhafter Zusammenhang zwischen einer bestimmten Motivierung bzw. Beeinflussung und dem daraus resultierenden Verhalten gesehen wird. Auch semantisch findet man eine Bestätigung dafür, daß sich Platons Regelentwerfer mit dem ‚Sozialen Planer‘ vergleichen lassen. Denn die Gesprächspartner bezeichnen ihr Vorgehen als ein „Spiel“ und zielen damit darauf, daß die Planungen einen Gedankenentwurf darstellen. Dies geschieht in folgendem Gespräch (Nomoi IV 709D–712A): Der Athener führt aus, daß es ein Glücksfall wäre, wenn ein sehr guter Gesetzgeber mit einem optimalen, nämlich umsichtigen und sittlich gefestigten, Alleinherrscher zusammenarbeiten könnte, da durch sein Vorbild die Gesetze schnell umgesetzt werden könnten.364 Kleinias aber bezweifelt, daß die Bürger dem Vorbild eines solchen Herrschers bzw. seinen Werten folgen würden. Daraufhin erwidert der Athener, ihr Gespräch entspreche dem, was Kinder täten, auch wenn sie bejahrte Kinder seien: Sie wollten in Gedanken die Gesetze formen (Nomoi IV 712B2: πλάττειν τῷ λόγῳ τοὺς νόμους). Dem entspricht der Hinweis des Atheners an späterer Stelle (Nomoi VI 769A1), was man hier tue, sei eine πρεσβυτῶν ἔμφρων παιδιά, „ein mit Verstand durchgeführtes Spiel älterer Männer“365, worauf Kleinias ergänzt, daß es sich um eine καλὴ σπουδὴ ἀνδρῶν, einen „schönen ernsthaften Zeitvertreib von Männern“, handele. Den Charakter des Spiels bringt auch ganz deutlich Nomoi V 735A–736C zum Ausdruck. Hier stellt der Athener fest, daß es bei einer Staatsgründung eigentlich wichtig sei, schlechte Charaktere auszusondern; aber da es sich um eine Staatsgründung „im Gespräch“ bzw. „in Gedanken“ handele, solle vorausgesetzt sein (Nomoi V 736B5–7), daß die Qualität der Bürger gut sei. Die Formulierung 363 ταχθὲν μὲν γὰρ αὐτὸ καὶ μετασχὸν τοῦ τὰ αὐτὰ κατὰ τὰ αὐτὰ καὶ ὡσαύτως ἀεὶ τοὺς αὐτοὺς παίζειν τε καὶ εὐθυμεῖσθαι τοῖς αὐτοῖς παιγνίοις, ἐᾷ καὶ τὰ σπουδῇ κείμενα νόμιμα μένειν ἡσυχῇ. Die Übersetzung stammt von Trampedach (1994) 234f. (sie entspricht der korrigierten Schleiermacherschen Übersetzung). 364 Der ‚Soziale Planer‘ heißt in der modernen Ökonomie manchmal auch der ‚Wohlmeinende Diktator‘. 365 Vgl. die Formulierung in Nomoi III 685A7f.: παίζοντας παιδιὰν πρεσβυτικὴν σώφρονα.



Mechanismus Design 

 87

im Imperativ (πεπεράνθω: „es soll … vollendet sein“) stammt aus der Gesetzessprache und wurde in der Mathematik für die Formulierung von Voraussetzungen gebräuchlich. Der Entwurf von Gesetzen und Regeln ist also ein mit seriöser Absicht betriebenes ‚Spiel‘, bei dem Regeln gegeben, Voraussetzungen formuliert und Schlüsse auf das erwartete Verhalten der Akteure gezogen werden.

10 Institutionen in den Nomoi 10.1 Das Staatsziel der Nomoi, die Aufgabe des Gesetzgebers und die Agreementproblematik Daß Platon von Gesetzgebern (und Politikern) Wissen, Erkenntnis und Einsicht und damit die Beherrschung eines politischen Fachwissens, einer téchne politiké, fordert, ist ein Novum.366 Er stellt sie in eine Reihe mit Steuermannskunst und Medizin (Nomoi IV 708E–709D). So wird der Gesetzgeber zum Gestalter, dessen Aufgabe es ist, ein Staatsziel zu formulieren und Gesetze sowie Regeln und Wege zu deren Durchsetzung zu überlegen. Während feinere Ausführungen dazu nicht im Fokus der Politeia stehen, weil sie den künftigen Philosophenherrschern überlassen werden, stellen sie in den Nomoi die Aufgabe der ‚Nomotheten‘ dar. Ein Gesetzgeber muß vor allem das Ziel kennen, das der Staat verfolgen soll. Es steht an erster Stelle (Nomoi XII 962A9–C3): (Der Athener:) „Wie steht es aber mit einer Stadt? Wenn sich zeigen sollte, daß jemand das Ziel, das ein Staatsmann ins Auge fassen muß, nicht kennt, würde er da erstens mit Recht ein Herrscher genannt werden können und ferner imstande sein, das zu erhalten, dessen Ziel er überhaupt nicht kennt? (Kleinias:) Wie könnte er! (Der Athener:) Also muß es offenbar auch jetzt, wenn unsere Besiedlung des Landes ihre Vollendung finden soll, ein Organ367 geben, das erstens das erkennt, wovon wir sprechen, das Ziel nämlich, was auch immer dieses Ziel des Staatsmannes für uns sein mag, und das sodann erkennt, auf welche Weise dieses Ziel zu erreichen ist und wer ihm hierbei einen guten Rat geben kann oder nicht, welches Gesetz zunächst und dann welcher Mensch. Wenn aber eine Stadt ohne ein solches Organ ist, ist es kein Wunder, wenn sie, ohne Vernunft und ohne Sinneswahrnehmung, in all ihrem Tun jedesmal dem Zufall folgt.368

366 Zum Begriff ‚Téchne‘ vgl. Asper/Föllinger (2014) 455f. Zur Politik als Téchne bei Platon vgl. Pradeau (2010) 99–128. 367 Schöpsdau wählt für das im Griechischen unbestimmte ‚tí‘ („es muß etwas geben, das erkennt“) die Übersetzung „Organ“. 368 {ΑΘ.} Τί δὲ δὴ περὶ πόλιν; εἴ τις τὸν σκοπὸν οἷ βλέπειν δεῖ τὸν πολιτικὸν φαίνοιτο ἀγνοῶν, ἆρα ἄρχων μὲν πρῶτον δικαίως ἂν προσαγορεύοιτο, εἶτα σῴζειν ἂν δυνατὸς εἴη τοῦτο οὗ τὸν σκοπὸν τὸ παράπαν μηδ’ εἰδείη; {ΚΛ.} Καὶ πῶς; {ΑΘ.} Δεῖ δὴ καὶ τὰ νῦν, ὡς ἔοικεν, εἴπερ μέλλει τέλος ὁ κατοικισμὸς τῆς χώρας ἡμῖν ἕξειν, εἶναί τι τὸ γιγνῶσκον ἐν αὐτῷ πρῶτον μὲν τοῦτο ὃ λέγομεν, τὸν σκοπόν, ὅστις ποτὲ ὁ πολιτικὸς ὢν ἡμῖν τυγχάνει, ἔπειτα ὅντινα τρόπον δεῖ μετασχεῖν τούτου καὶ τίς αὐτῷ καλῶς ἢ μὴ συμβουλεύει, τῶν νόμων αὐτῶν πρῶτον, ἔπειτα ἀνθρώπων· εἰ δ’ ἔσται τοῦ τοιούτου κενή τις πόλις, οὐδὲν θαυμαστὸν ἄνους οὖσα καὶ ἀναίσθητος εἰ πράξει τὸ προστυχὸν ἑκάστοτε ἐν ἑκάσταις τῶν πράξεων. DOI 10.1515/9783110457070-010

90 

 Institutionen in den Nomoi

Steht das Ziel fest, muß der Gesetzgeber Unter- bzw. Zwischenziele setzen, die aber stets auf das höchste Ziel ausgerichtet werden.369 Dieses Vorgehen soll, worauf Schöpsdau hingewiesen hat, bewirken, daß der Gesetzeskodex widerspruchsfrei und konsistent ist, und steht im Einklang mit dessen ‚technischem‘ Charakter.370 Das Staatsziel der Nomoi, die Eudaimonie, ist nur zu erreichen, wenn die Bürger sich gegenseitig verbunden sind. Die wichtigsten Voraussetzungen hierfür sind Übereinstimmung, Harmonie und Einheit der Bürger, denen die Leitbegriffe ‚Freundschaft (philía)‘, ‚Frieden (eiréne)‘, ‚Wohlwollen (philophrosýne)‘ und ‚Freiheit371 (eleuthería)‘ entsprechen.372 Die Forderung nach Einheit ist nicht als eine Banalität zu werten. Denn sie wird sowohl in der Politeia373 als auch in den Nomoi erhoben und resultiert aus den Erfahrungen politischer Instabilität.374 Daraus ergibt sich der Appell, das primäre politische Anliegen müsse darin bestehen, Einheit und Eintracht unter den Bürgern herzustellen. Die kollektiven Qualitäten setzen die Areté des einzelnen, aber auch die diese fördernden Institutionen und Instanzen voraus. Möglich ist dies alles nur, wenn die Gesetze ‚richtig‘ und damit ‚vernunftbasiert‘ sind.

Der letzte Satz dürfte ein Seitenhieb gegen die gesetzgebenden Organe Athens, Rat und Volksversammlung, sein. Das Organ, das die Gesetzgeber in den Nomoi für wissend und fachlich kompetent halten, ist die sog. ‚Nächtliche Versammlung‘. 369 Eine schöne Stelle, die die Differenzierung zwischen Ziel und Mittel bringt, ist Nomoi I 631B–D: Hier wird unterschieden zwischen Gütern (631B–D), die es zu erstreben gilt, und einer Gesetzgebung, die auf diese Güter ausgerichtet sein muß (631D3–6). 370 Schöpsdau (2001) 181: „Diese Ziel-Weg-Relation kann sich auf verschiedenen Ebenen wiederholen, indem der Weg auf einer niedrigeren Ebene seinerseits zum Ziel wird, für dessen Erreichen wiederum ein Weg zu suchen ist. Eine solche Ausrichtung auch der scheinbar unbedeutendsten Gesetzesbestimmung auf ein oberstes Ziel hin sichert dem Gesetzeskodex die innere Widerspruchsfreiheit und Konsistenz, die von jedem Produkt irgendeiner Techne zu verlangen ist. Im Falle der Gesetzgebung ist dieses oberste Ziel … die Arete der Bürger.“ 371 Zum vielfältigen Begriff der Freiheit in den Nomoi vgl. Schöpsdau (1994) 448. Am häufigsten ist die auch an dieser Stelle gemeinte Bedeutung der „innerhalb der Polis bestehende(n) oder zu gewährleistende(n) freie(n) Verfügungsgewalt der Bürger über sich selbst“ (ebd.). 372 Politeia IV 422Eff.; V 462B; Nomoi III 702A7–B1. 373 Vgl. etwa 462A–B; 422A–423D. 374 Trampedach (1994) 153f., vgl. vor allem 154: „Platons gesamtes Werk, seine ethische und metaphysische genauso wie seine im engeren Sinne politische Philosophie, kann m. E. als umfassende Antwort auf die seit der archaischen Nomothetik immer wieder gestellte Frage nach der Einheit der Polis verstanden werden.“ Zur Problematik der Platonischen Vorstellung von staatlicher ‚Einheit‘ und der Aristotelischen Kritik an ihr vgl. Trampedach (1994) 174f. Zu der Bedeutung, die das Ziel der staatlichen Einheit für Platons Sicht des Geschlechterverhältnisses hat, und der damit verbundenen Problematik vgl. Föllinger (1996) 83f., 96–101, 116.



Das Staatsziel der Nomoi 

 91

Ein ganz und gar von der Vernunft (Nous) gesteuertes Gesetz ist im menschlichen Bereich zwar nicht realisierbar, aber es wird vorausgesetzt, daß das Gesetzeswerk, das in den Nomoi entwickelt wird, ihm möglichst nahe kommt.375 Die Vernunft, an der der Mensch teilhat, ist für Platon „das göttliche Ordnungsprinzip des gesamten Universums, einschließlich von dessen Seele“ (Nomoi XII 966D–E).376 Dies ist der Punkt, an dem man eine Verbindung zwischen philosophischer Theologie und Götterfrömmigkeit, die für die Implementierung der Regeln in den Nomoi eine wichtige Rolle spielt,377 feststellen kann. Der Differenz zwischen einer absoluten und der im menschlichen Bereich möglichen Vernunft entspricht die Unterscheidung zwischen einem Optimalzustand, der unerreichbar ist, aber gewissermaßen den Wertmaßstab abgibt, und dem für einen Gesetzgeber Machbaren. Sie formuliert ein „nomothetische(r) Methodenexkurs“378 (Nomoi V 742 D2–E6) 379: Nun ist die Absicht eines vernünftigen Staatsmanns, wie wir meinen, nicht die, die er nach Meinung der Masse haben müsste, die da meint, ein guter Gesetzgeber müsse wollen, daß die Stadt möglichst groß sei, der er wohlmeinend Gesetze gibt, und möglichst reich und daß sie Gold- und Silberminen besitze und zu Lande und zu Wasser über möglichst viele herrsche; … . Das Mögliche wird nun der Ordner einer Stadt wollen, das Unmögliche aber wird er weder in vergeblichen Wünschen wollen noch an seine Verwirklichung gehen. Daß nun die Bürger glücklich (eudaímonas) und zugleich gut (agathoús) werden, ist so gut wie unerläßlich: das wird er also wollen.380

Weder Reichtum noch Macht sind das Staatsziel, sondern das gelungene Leben und die Qualität der Bürger. Dieses Ziel ist durchaus anspruchsvoll381 und demonstriert das an anderer Stelle (Nomoi VIII 838E2f.; 839C6–D1) vorgetra375 Vgl. Perkams (2013) 232f. 376 Perkams (2013) 232. 377 Vgl. hierzu unten, S. 113–118. 378 Schöpsdau (2003) 325. 379 Vgl. auch Nomoi IV 717A; V 744A: Der Gesetzgeber muß selbst immer wieder sein Ziel und die Frage, ob er auf dem richtigen Weg dazu ist, überprüfen. Drechsler bezieht sich auf diese Stelle als zentrale Stütze seiner These, daß Platon der erste war, der die Prinzipien von Laws and Economics anwandte, Drechsler (2003) 218. 380 ἔστιν δὴ τοῦ νοῦν ἔχοντος πολιτικοῦ βούλησις, φαμέν, οὐχ ἥνπερ ἂν οἱ πολλοὶ φαῖεν, δεῖν βούλεσθαι τὸν ἀγαθὸν νομοθέτην ὡς μεγίστην τε εἶναι τὴν πόλιν ᾗ νοῶν εὖ νομοθετοῖ, καὶ ὅτι μάλιστα πλουσίαν, κεκτημένην δ’ αὖ χρύσεια καὶ ἀργύρεια, καὶ κατὰ γῆν καὶ κατὰ θάλατταν ἄρχουσαν ὅτι πλείστων· … τὰ μὲν οὖν δυνατὰ βούλοιτ’ ἂν ὁ διακοσμῶν, τὰ δὲ μὴ δυνατὰ οὔτ’ ἂν βούλοιτο ματαίας βουλήσεις οὔτ’ ἂν ἐπιχειροῖ. σχεδὸν μὲν γὰρ εὐδαίμονας ἅμα καὶ ἀγαθοὺς ἀνάγκη γίγνεσθαι – τοῦτο μὲν οὖν βούλοιτ’ ἄν. 381 Daß der Gesetzgeber die gesamte Areté, nicht nur Teile wie die Tapferkeit, im Auge haben muß, wird verschiedentlich betont, so in Nomoi I 629E–630E.

92 

 Institutionen in den Nomoi

gene Plädoyer, daß ein Gesetzgeber weder zu kleinmütig sein noch sich schon im vorhinein durch die Erwartung eines etwaigen Protestes von seinen Regelungen abbringen lassen dürfe. Vielmehr müsse er erkennen, welcher Widerstand darauf zurückzuführen sei, daß die Bürger aufgrund einer bereits eingefleischten Mentalität ein bestimmtes Ziel für unerreichbar hielten. Diesem Misstrauen (ἀπιστία/apistía) setzt Platon ein Plädoyer für ein nicht zu risikoscheues Vorgehen (θαρρεῖν/tharreín382) des Gesetzgebers entgegen, der bei aller Rücksicht auf die Realisierbarkeit auch nicht zu ängstlich sein darf.383 In diesen Überlegungen wird ein Problem deutlich, mit dem sich die Nomoi intensiv beschäftigen und das die Problematik der Regelimplementierung berührt. Auf welche Weise können die Bürger – die in den Nomoi alle politische Akteure sind – mit einbezogen und motiviert werden, die Gesetze und Regeln, die Fachleute überlegt haben, zu befolgen? Daß die Bürger zustimmen und daß möglichst Einvernehmlichkeit herrscht, wird als zentrales Element für ein Gelingen des Projekts betrachtet. Die Notwendigkeit von Konsens wird bereits in den Überlegungen, wie die Gruppe der Siedler des neuen Staates optimalerweise beschaffen sein solle, thematisiert (Nomoi IV 708B–D). Für den Fall der neu zu gründenden Kolonie wird die Bürgerschaft neu zusammengesetzt. Ist die Auswahl homogen, so erzeugt dies gegenseitige Verbundenheit (philía), aber die Akzeptanz von Regelungen, die gegenüber der alten Heimat neu sind, wird niedriger sein. Eine neu zusammengesetzte Gruppe hingegen akzeptiert wohl eher neue Regeln, wird aber weniger konsensfähig sein. Daraus ergibt sich, daß es die Aufgabe des Gesetzgebers ist, auf die Zustimmung zu den Gesetzen und damit die Übereinstimmung der Bürger hinzuwirken.384 Wenn es Aufgabe des Gesetzgebers ist, dafür zu sorgen, daß die Bürger gut und ‚glücklich‘ werden, heißt das: Er muß den Rahmen schaffen, innerhalb dessen sie sich möglichst gut entwickeln können.385 Dieser wird durch Institutio-

382 Nomoi II 657 A. 383 Vgl. Schöpsdau (2001) 185. 384 Mit der erstrebten Homogenität läßt es sich auch begründen, warum in der neuen Kolonie vor allem Peloponnesier aufgenommen werden sollen (Nomoi IV 708A). Sie sind wie die Kreter dorischer Herkunft, so daß mit einem gewissen Grad an Übereinstimmung zu rechnen ist. Andererseits unterscheiden sie sich auch, so daß die Chance auf Akzeptanz von Innovationen besteht; vgl. Knoll (2003) 144f. Dieser Anspruch ist ausgedrückt in der Formulierung, als Gesetzgeber müsse man die Bürger „zahmer … und wohlwollender“ (ἡμερώτερον ... καὶ εὐμενέστερον, Nomoi IV 718D4) und so aufnahmefähiger machen (718C8–D7). 385 Vgl. Neschke (1971) 133; Schmitt (2013).



Interne und externe Institutionen in den Nomoi 

 93

nen und Erziehung386 gebildet. Platon geht es also auch um die Verbesserung von Institutionen und Organen des Staates.387

10.2 Interne und externe Institutionen in den Nomoi Platon geht von der – oben bereits erläuterten – prinzipiellen Alternative aus, mit der man Menschen motivieren könne: dadurch, daß man die Bürger des Staates mental für die Regeln gewinnt, und dadurch, daß man Sanktionen anwendet. Mit der Formulierung „mental gewinnt“ übertrage ich den Platonischen Begiff der Peithó. Er wird gerne, so auch von Schöpsdau, mit „Überredung“ übersetzt, was aber meines Erachtens zu reduktiv ist. Denn er enthält auch Elemente der Überzeugung. Auf diesen Umstand werde ich weiter unten eingehen. Hier soll die Unterscheidung genügen, daß Platon mit Peithó ein zu Bía konträres Konstrukt bezeichnet, einen Komplex von Strategien, die an die verschiedenen Instanzen im Menschen appellieren, so daß er von sich aus zustimmt. Dagegen sind mit ‚Bía‘ Sanktionen gemeint, die Zwang ausüben und die in den Nomoi von verbaler Kritik über körperliche Züchtigung bis zur Todesstrafe reichen. Um die Platonischen Institutionen differenziert zu analysieren, ist eine prinzipielle Unterscheidung in interne und externe Institutionen, wie die Neue Institutionenökonomik sie unternimmt, hilfreich. Nach Voigt sind interne Institutionen Regeln, die der eigenen Überwachung oder der Überwachung anderer gesellschaftlicher Akteure unterliegen, wohingegen die Regeln externer Institutionen von staatlicher Seite kontrolliert werden.388 Die von Voigt gegebenen Kategorien stellen einen Ansatzpunkt dar, um die Vielzahl der von Platon vorgesehenen Institutionen zu differenzieren, auch wenn man Modifikationen bzw. Erweiterungen vornehmen muß:389

386 Damit ist die Aufgabe des Gesetzgebers und der Gesetze, die Bürger zu erziehen, gemeint; vgl. Nomoi IX 857B9–E7. Denn der Gesetzgeber muß erkennen, wie die Seelen veranlagt sind (Nomoi I 650B), um eine richtige Wirkung entfalten zu können. 387 Insofern scheint mir die Ansicht, Platons politische Philosophie habe „die Seelen der Bürger, nicht Institutionen verbessern“ (Erler 2007, 280) wollen, erweitert werden zu müssen. 388 Vgl. Voigt (2009) 31. 389 Voigt (2009) 31. Die Bezeichnungen „Typ 1“ etc. beziehen sich auf die Erläuterungen, die Voigt (2009) 28–30 gibt.

94 

 Institutionen in den Nomoi

Regel

Art der Überwachung

Institutionentyp Beispiel

1. Konvention

Selbstüberwachung

Intern vom Grammatikalische Typ 1 Regeln der Sprache Intern vom Typ 2 Dekalog, kategorischer Imperativ Intern vom Gesellschaftliche Umgangsformen Тур з Intern vom Typ 4 Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft Extern Privat- und Strafrecht

2. Ethische Regel

Imperative Selbstbindung 3. Sitte Spontane Überwachung durch andere Akteure 4. Formelle private Regel Geplante Überwachung durch andere Akteure 5. Regel positiven Rechts Organisierte staatliche Überwachung

Externe und interne Institutionen können miteinander in Widerspruch stehen, etwa wenn sich ein gesellschaftlich akzeptierter Verhaltenskodex herausbildet, der der Verfassung eines Staates oder seinen Gesetzen widerspricht. Aber beide Institutionen können sich auch ergänzen. Dies ist der Fall, wenn „die Regeleinhaltung sowohl staatlich als auch privat überwacht“ wird.390 Für die Stabilität einer Verfassung ist die Entsprechung bzw. Komplementarität von externen und internen Institutionen entscheidend. Eine Regierung, so Voigts Beispiel, wird dann weniger gegen die Verfassung verstoßen, wenn sie mit breitem Widerstand der Bevölkerung rechnen kann.391 Dies wird dann der Fall sein, wenn interne Institutionen, die der Verfassung entsprechen, existieren. In den Nomoi ist dies Platons Ziel: einen Staat zu entwerfen, dessen sämtliche Institutionen auf die Verfassung und die Rahmengesetzgebung ausgerichtet sind. Diesen Zweck und die ihm entsprechende Methode, die Teil des Fachwissens eines Gesetzgebers ist, begründet er explizit.392 Ebenso gehen die Nomoi ausführlich auf die Bedeutung, die interne Institutionen für die Stabilität des Staates haben, ein.393 Im Zentrum von Platons Regelwerk steht die „Ethische Regel“. Denn sie entspringt besonders einer intrinsischen Motivation und wird durch die imperative Selbstbindung kontrolliert. Nur ein Handeln, das Resultat einer festen Überzeugung ist, erfolgt auch dann, wenn keinerlei Kontrolle vorhanden ist und keine Sanktionen drohen. Beispielsweise fahre ich auch ohne eine drohende Fahrkartenkontrolle dann nicht schwarz, wenn ich mir bewußt bin, daß dieses Verhalten auf Kosten der Gemeinschaft geht. Allerdings ist Voigts Schema im Hinblick auf Platon dahingehend zu erweitern, daß die Selbstbindung möglichst auf der Grundlage der Erkenntnis dessen, was gut und richtig ist, erfolgen sollte. 390 Voigt (2009) 64. 391 Voigt (2009) 118. 392 Vgl. oben, S. 89f. 393 Vgl. unten, S. 97–99.



Interne und externe Institutionen in den Nomoi 

 95

Wichtig ist also das kognitive Element. Auf eine solche Fundierung richtigen Verhaltens wollen die Gesetzgeber der Nomoi mit Hilfe von Institutionen hinarbeiten. Aber gleichzeitig gehen sie davon aus, daß dieses Ziel ein Optimalziel ist, das die meisten, wenn überhaupt, nur unvollkommen erreichen. Aus diesem Grund und aufgrund der allgemeinen Unsicherheit, menschliches Handeln komplett vorhersagen zu können, ist eine Vielzahl von Institutionen nötig. Voigt trifft die Unterscheidung zwischen Regeln, die das Ergebnis menschlichen Handelns sind, und Regeln, die das Ergebnis eines menschlichen Entwurfs darstellen. Dabei bezieht er sich auf den Nobelpreisträger Hayek, der die Formulierung „‚Ergebnis menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Entwurfs‘“ benutzt habe, um darauf hinzuweisen, daß Regeln vielfach das Resultat einer Entwicklung darstellen.394 Als Beispiele könnte man Verhaltensregeln anführen: Die Ansichten darüber, was als höflich bzw. unhöflich oder peinlich oder rufschädigend gilt, sind kulturell unterschiedlich und unterliegen einer Entwicklung. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt Platons Nomoi, so besteht das Besondere darin, daß das dort vorgelegte Regelwerk zwar das Ergebnis eines expliziten Entwurfs ist, aber ein Teil der Regeln darauf zielt, ein bestimmtes menschliches Handeln zur Gewohnheit werden zu lassen, also die Evolution395 bestimmter Regeln und damit Verhaltensweisen zu steuern und auf diese Weise Normen zu produzieren. Aufgabe der Gesetzgeber ist es, evolutionäre Prozesse zu initiieren. Die optimalen Mittel hierfür sind Erziehung und Überzeugung, aber der implizite Regelbildungsprozeß kann auch etwa dadurch gesteuert werden, daß ein bestimmtes negatives Handeln konsequent durch Verlust sozialer Reputation geahndet wird.396 Eine Entstehung interner Institutionen in Form von selbstüberwachten Konventionen und einem sittlichen Konsens zu forcieren, ist ein schwieriges und langwieriges Unterfangen, wie Vertreter der Neuen Institutionenökonomik betonen.397 Und Platons Dialogpartner sind sich der Schwierigkeit, die Durchsetzung interner Regeln von außen zu steuern, auch bewußt. So heißt es im Zusammenhang mit den im Staat neu zu besetzenden Ämtern: Daß die richtigen Personen in die Ämter mit Verantwortung gewählt würden, setze nicht nur die Qualität der Kandidaten, sondern auch die der Wähler voraus. Von 394 Voigt (2009) 27f. 395 Vgl. den Begriff „evolutorische Komponente“, den Voigt (2009) 27 unter Rückbezug auf Hayek gebraucht. 396 Die verschiedenen Formen der Reputation und den gezielten Einsatz von Reputationsverlust als Steuerungselement in den Nomoi hat Hunter (2011) untersucht. 397 Vgl. North (1992) 7: „Im Unterschied zu formgebundenen Regeln, die infolge von politischen oder gerichtlichen Entscheidungen über Nacht geändert werden können, sind formlose Beschränkungen, wie sie in Sitten und Gebräuchen, Überlieferungen und Gepflogenheiten verkörpert sind, durch eine vorsätzliche Politik viel weniger leicht zu beeinflussen.“

96 

 Institutionen in den Nomoi

dieser könne man aber nur ausgehen, wenn sie nach den Wertmaßstäben der Gesetze erzogen worden seien. Dies sei aber bei einer Neugründung gerade nicht der Fall, sondern nur dann, wenn der neue Staat schon länger bestehe und man mit einer Generation rechnen könne, die an die neuen Regeln gewöhnt sei (Nomoi VI 751C–752C). In dem Begriff der „Gewöhnung“ ist das Bewußtsein von der Dauer der Regelimplementierung deutlich. Ein Problem ist, ob die sozialen Normen, die Platon vielfach als Regulierungsinstrumente einsetzen läßt, als externe oder interne Regeln zu verstehen sind. Kirchgässner hat darauf hingewiesen, daß auch soziale Normen – diese entsprechen Punkt 3 in Voigts Tabelle398 – externe Regeln darstellen können, wohingegen moralische Richtlinien in der Regel interne Regeln sind, daß aber der Übergang fließend ist und daß es wohl wenige moralische Regeln gibt, die ausschließlich intern sind.399 Diese Differenzierung läßt sich meines Erachtens gut auf die Platonischen Bestimmungen anwenden. Denn wie bilden sich moralische Richtlinien? Sie werden nach dem Platonischen Konzept durch eine richtige Erziehung von klein auf vermittelt und geübt und später auch kognitiv verarbeitet, so daß sie verinnerlicht werden. Flankiert werden sie durch die Strategien der Peithó von seiten der Gesetzgeber und staatlichen Instanzen. Dies ist der Königsweg. Aber in Anbetracht der notorischen ‚strategischen Unsicherheit‘, die der Gesetzgeber im Hinblick auf das Handeln der Bürger berücksichtigen muß, ist es effektiver, diesen Prozeß durch soziale Regeln zu begleiten. Diese werden auch eingesetzt, um Erwachsene, die nicht die richtige Erziehung genossen haben, zu motivieren. Deshalb werden Maßnahmen wie der Druck der öffentlichen Meinung, die Kontrolle durch die anderen Bürger u. a. zur Regelimplementierung verwandt. Aber selbst die Implementierung von Regeln durch soziale Gewöhnung ist Platons Meinung nach nur der zweitbeste Weg. Der beste Weg ist die eigene Überzeugung. Damit nimmt Platon gewissermaßen eine im Verhältnis zu einer ordnungsethischen Anschauung umgekehrte Position ein: Während etwa nach Lütges Konzeption Moral die Funktion einer „Reststeuerung“ für Lücken im Regelsystem innehat400, ist für Platon ein System von Regeln notwendig, weil die Annahme, daß Menschen perfekt aus intrinsischen guten Motiven agierten, unrealistisch ist: Die Regeln supplementieren also die intrinsischen Motive, nicht umgekehrt. Dies entspricht dem Ausgangspunkt des Mechanismus Design: Informationsasymmetrie und Zielkonflikte machen Regeln nötig. Die besondere Bedeutung, die Platon zufolge internen Institutionen zukommt, verdeutlichen die Überlegungen des Atheners über den richtigen Umgang mit 398 Vgl. oben, S. 94. 399 Kirchgässner (2013) 38. 400 Ich übernehme hier Sautters Charakterisierung von Lütges Ansatz (vgl. Sautter 2013, 215).



Interne und externe Institutionen in den Nomoi 

 97

Säuglingen und Kleinkindern (Nomoi VII 788A–793E): Regelungen für den privaten Bereich der Familie dürften nicht übergangen werden. Allerdings könne man nicht ein Gesetz im eigentlichen Sinne (νόμος/nómos) dafür aufstellen, sondern man müsse mit Belehrung (διδαχή/didaché) und Appell (νουθέτησις/ nouthétesis) arbeiten. Denn ein Gesetz würde nicht ernstgenommen und von den betreffenden Personen, den Ammen und Erzieherinnen, sowieso nicht umgesetzt werden. Vielmehr müsse man darauf rechnen, die ‚aufgeklärten‘401 (ἐλευθερίους/ eleutheríous) Bürger durch Information und Belehrung erreichen und ihnen vermitteln zu können, wie grundlegend die Regelung der privaten Lebensführung für die Stabilität des Staates sei. Das Problem, das hier formuliert wird, ist die Unkontrollierbarkeit des privaten Bereichs. Sie ist deswegen ein strategisches Problem, weil in ihm die Grundsteine der Erziehung gelegt werden. Stimmt diese aber nicht mit dem Ziel des Staates und seinen Unterzielen überein, gewinnt der private Bereich eine nicht einschätzbare und damit riskante subversive Kraft. Dies ist der Grund, warum in der Politeia mit einem Modell gearbeitet wird, das für die beiden oberen, politisch verantwortlichen Stände eine umfassende, vom Säuglingsalter an stattfindende staatliche Erziehung402 vorsieht. In den Nomoi hingegen werden zwar die Maßnahmen in der Radikalität zurückgenommen, so daß es noch einen gewissen Privatbereich gibt, aber sie werden auf alle Bürger ausgedehnt, wohingegen in der Politeia der unterste Stand nicht davon betroffen ist.403 Die abschließende Passage macht die Bedeutung, die Platon bzw. sein Athener internen Institutionen zumißt, ganz deutlich (Nomoi VII 793A9–D5): Daß all das, was wir jetzt durchgehen, zu dem gehört, was von den meisten ‚ungeschriebene Gesetze‘ genannt wird; und was sie als ‚von den Vätern ererbte Satzungen‘ bezeichnen, ist nichts anderes als die Gesamtheit derartiger Vorschriften. Und außerdem hat sich auch die Bemerkung, die sich uns vorhin aufgedrängt hatte, daß man diese nämlich weder Gesetze nennen noch sie unerwähnt lassen dürfe, als richtig erwiesen. Denn dies sind die festen Bänder einer jeden Staatsverfassung, indem sie die Zwischenräume zwischen all den Gesetzen ausfüllen, die bereits schriftlich formuliert und aufgestellt worden sind und die noch aufgestellt werden müssen, ganz wie von den Vätern ererbte, uralte Bräuche, die, wenn sie richtig eingeführt und zur Gewohnheit gemacht worden sind, die bis dahin schriftlich abgefaßten Gesetze mit allem erdenklichen Schutz umhüllt haben; wenn sie aber fehlgehen und vom Richtigen abweichen, so bewirken sie, wie wenn bei einem Gebäude

401 Mit dem Begriff ‚ἐλευθερίους/eleutheríous‘ sind die Bürger gemeint, die aufgrund ihrer Erziehung in der Lage sein sollten, sich selbst ein Urteil zu bilden. 402 Auch die Einbindung der Frauen in staatliche Erziehung und Aufgaben hat eine Kontrollfunktion, vgl. dazu Föllinger (1996) 92–114. 403 Man kann also im Blick auf die Regelungen in den Nomoi von einer „quantitativen Radikalisierung“ sprechen (Föllinger 1996, 93).

98 

 Institutionen in den Nomoi

die Stützbalken der Zimmerleute sich in der Mitte verschieben, daß alles zusammenstürzt und eins unter das andere zu liegen kommt, sowohl die Stützen selbst als auch das, was später schön darauf aufgebaut wurde, weil eben das Alte nachgegeben hat. Wenn wir das bedenken, lieber Kleinias, müssen wir deine Stadt, da sie noch jung ist, von allen Seiten zusammenbinden, indem wir nach Möglichkeit weder etwas Großes noch etwas Kleines von dem beiseite lassen, was man Gesetze oder Gewohnheiten oder Einrichtungen nennt; denn durch all das wird eine Stadt zusammengehalten, und keines von beiden hat ohne das andere Bestand, so daß man sich nicht wundern darf, wenn zahlreiche und dabei scheinbar unbedeutende Satzungen oder auch bloß Gewohnheiten durch ihren Zufluß unser Gesetzeswerk anschwellen lassen.404

Nichts könnte eindringlicher die Bedeutung interner Institutionen für den Zusammenhalt eines Staates zum Ausdruck bringen: Das Ausdenken und Erlassen von Gesetzen reicht nicht aus. Es muß flankiert werden durch die internen Institutionen. Platon gebraucht hier die Bilder des „Bandes“ (δεσμός/desmós) und des „Stützbalkens“ (ἔρεισμα/éreisma), um ihre stabilisierende Funktion auszudrücken. In gewachsenen Staaten sind es die aus Tradition erwachsenen Normen, denen dieses Vermögen zukommt. Da aber die drei Gesprächspartner das Projekt einer Staatsneugründung verfolgen, stehen sie vor dem Problem, daß angesichts der Bedeutung der internen Institutionen für den Zusammenhang von Gesellschaft und Staat der Gesetzgeber ihre Entwicklung anstoßen muß. Darum darf er, um den Staat „zusammenzubinden“ (συνδεῖν/syndeín), „weder etwas Großes noch etwas Kleines von dem beiseitelassen, was man Gesetze oder Gewohnheiten oder Einrichtungen nennt“. Er muß also Traditionen in Gang setzen. Gleichzeitig rührt der Gesetzgeber aufgrund der stützenden Funktion interner Instutionen nicht an traditionellen Formen ungeschriebener Satzungen, die sich bewährt 404 Ὅτι ταῦτ’ ἔστιν πάντα, ὅσα νῦν διεξερχόμεθα, τὰ καλούμενα ὑπὸ τῶν πολλῶν ἄγραφα νόμιμα· καὶ οὓς πατρίους νόμους ἐπονομάζουσιν, οὐκ ἄλλα ἐστὶν ἢ τὰ τοιαῦτα σύμπαντα. καὶ ἔτι γε ὁ νυνδὴ λόγος ἡμῖν ἐπιχυθείς, ὡς οὔτε νόμους δεῖ προσαγορεύειν αὐτὰ οὔτε ἄρρητα ἐᾶν, εἴρηται καλῶς· δεσμοὶ γὰρ οὗτοι πάσης εἰσὶν πολιτείας, μεταξὺ πάντων ὄντες τῶν ἐν γράμμασιν τεθέντων τε καὶ κειμένων καὶ τῶν ἔτι θησομένων, ἀτεχνῶς οἷον πάτρια καὶ παντάπασιν ἀρχαῖα νόμιμα, ἃ καλῶς μὲν τεθέντα καὶ ἐθισθέντα πάσῃ σωτηρίᾳ περικαλύψαντα ἔχει τοὺς τότε γραφέντας νόμους, ἂν δ’ ἐκτὸς τοῦ καλοῦ βαίνῃ πλημμελῶς, οἷον τεκτόνων ἐν οἰκοδομήμασιν ἐρείσματα ἐκ μέσου ὑπορρέοντα, συμπίπτειν εἰς ταὐτὸν ποιεῖ τὰ σύμπαντα, κεῖσθαί τε ἄλλα ὑφ’ ἑτέρων, αὐτά τε καὶ τὰ καλῶς ὕστερον ἐποικοδομηθέντα, τῶν ἀρχαίων ὑποπεσόντων. ἃ δὴ διανοουμένους ἡμᾶς, ὦ Κλεινία, σοὶ δεῖ τὴν πόλιν καινὴν οὖσαν πάντῃ συνδεῖν, μήτε μέγα μήτε σμικρὸν παραλιπόντας εἰς δύναμιν ὅσα νόμους ἢ ἔθη τις ἢ ἐπιτηδεύματα καλεῖ· πᾶσι γὰρ τοῖς τοιούτοις πόλις συνδεῖται, ἄνευ δὲ ἀλλήλων ἑκάτερα τούτων οὐκ ἔστιν μόνιμα, ὥστε οὐ χρὴ θαυμάζειν ἐὰν ἡμῖν πολλὰ ἅμα καὶ σμικρὰ δοκούντων εἶναι νόμιμα ἢ καὶ ἐθίσματα ἐπιρρέοντα μακροτέρους ποιῇ τοὺς νόμους. Der letzte Satz liest sich geradezu als metapoetisches Statement zu dem außergewöhnlichen Charakter der Nomoi und als sozusagen vorweggenommene Erwiderung auf die Kritik der Moderne an dem Reichtum von Detailregeln in ihnen.



Interne und externe Institutionen in den Nomoi 

 99

haben. Dies gilt auch und gerade im Hinblick auf religiöse Bräuche, wie etwa die Landzuweisungen an die Götter bei der Gründung einer Kolonie (Nomoi V 738B–E). Die Vergleichbarkeit von Platons Beschreibung der Bedeutung interner Institutionen mit der institutionenökonomischen Sichtweise reicht bis zum sprachlichen Ausdruck. So spricht North davon, daß „wirksame moralische bzw. ethische Normen einer Gesellschaft … das Bindemittel der sozialen Stabilität“405 seien, und Erlei u. a. fassen – vergleichbar mit der Platonischen Metaphorik des „Umhüllens“ (perikalýptein)406 – Kultur bzw. interne Institutionen als ‚Rahmen‘ für gesetzliche und andere Regelungen.407 Vertieft werden die von den Gesprächspartnern entwickelten Ansichten durch die an anderer Stelle gegebene Erläuterung, daß dem „‚wahren Nomos‘“ im Sinne einer Konvention, in dem sich der „‚wahre Logos‘ konkretisiert“408 (Nomoi VIII 836E4), große Bedeutung zukommt. Dabei ist in diesem Fall – es geht um das richtige Sexualverhalten – „weniger ein förmliches, strafbewehrtes Gesetz gemeint als vielmehr eine ungeschriebene Satzung, die der Gesetzgeber durch soziale Ächtung sanktionieren und zur Gewohnheit machen muß (Nomoi VIII 841B)“409. Hier fassen wir den Stellenwert der ‚internen Institutionen‘. Denn der Nómos im Sinne des ungeschriebenen Gesetzes soll den Lógos repräsentieren, der nicht nur den kodifizierten Gesetzen, ob es nun die die Verfassung festlegenden oder die Einzelgesetze sind, übergeordnet ist,410 sondern auch den richtigen internen Institutionen. Der Gesetzgeber steht nun vor dem Problem, wie er den Bürgern vermitteln kann, daß die Gesetze den Lógos repräsentieren. Diesem Ziel sollen das „überzeugende Argument“ (Nomoi VIII 836C6: πιθανὸς λόγος/pithanós lógos), aber auch rhetorische Mittel und andere persuasive Formen dienen.411 Es sind also verschiedene Wege, die der Gesetzgeber beschreiten muß, um möglichst alle Bürger

405 North (1988) 48. In der englischen Originalausgabe (North 1981, 47) heißt es: „Strong moral and ethical codes of a society is the cement of social stability which makes an economic system viable.“ 406 Aufgrund der Metaphorik des Umhüllens vergleicht Lisi das Verhältnis von geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen in den Nomoi mit dem Verhältnis von Körper und Seele im Timai­ os (Lisi 1985, 271). 407 Erlei u.a. (2007) 22–24. Auch in der Abbildung (ebd., 23) erscheint die Kultur als Rahmen für die anderen Regelungen. 408 Schöpsdau (2001) 190. 409 Schöpsdau (2001) 191. 410 Vgl. Schütrumpf (2013) 193. 411 Zum Begriff ‚Epodé‘, der in diesem Zusammenhang gebraucht wird, vgl. unten, S. 120 Anm. 498.

100 

 Institutionen in den Nomoi

für die Gesetze zu gewinnen. Wie Neschke plausibel gemacht hat, geht es dem Gesetzgeber an erster Stelle darum, dem Bürger Wissen zu vermitteln,412 aber reine Sachargumente können angesichts der heterogenen Zusammensetzung der Bürgerschaft nicht das einzige Mittel sein.413 Es finden sich aber auch konkrete Vorschläge, wie man argumentativ vorgehen könne.414 Der Gesetzgeber könne Hinweise darauf geben, wo das Vorgeschlagene und zuerst einmal unrealistisch Erscheinende schon verwirklicht wurde. So kann der Verweis auf die Sauromatinnen als Beweis dafür dienen, daß Frauen die gleiche militärische Ausbildung wie die Männer erhalten können (Nomoi VII 804D–E). Wo keine historischen Beispiele vorlägen, könne auf Vergleichbares verwiesen werden. Das Inzesttabu etwa kann man dem Athener zufolge als Argument dafür verwenden, daß die Tabuisierung der Homosexualität diese verhindere.415 Unter den Maßnahmen, die der Regelimplementierung dienen sollen, spielen auch Lob und Tadel eine wichtige Rolle. Dies führt der Athener aus im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit die Einzelheiten für die Jagd gesetzlich niederzulegen seien. Hier formuliert er, in Rückgriff auf die Überlegungen, die die Gesprächspartner über die Detailregelung der Kindererziehung angestellt hatten (Nomoi VII 822D3–823A6): Über die Jagd aber müssen wir dieselben Überlegungen anstellen wie über alles andere dieser Art. Denn die einem Gesetzgeber übertragene Aufgabe ist vermutlich noch umfassender, als daß er sich ihrer durch Aufstellung von Gesetzen entledigen könnte; vielmehr

412 Vgl. dazu unten, S. 119. 413 Lange Zeit kreiste die Aufmerksamkeit für die Peithó um die Frage, ob sie rationaler oder irrationaler Natur sei. So vertrat Görgemanns (1960) die Auffassung, es gehe bei ihr nicht um wissenschaftliche Argumentation, sondern um rhetorische Strategien. Dagegen wies Bobonich (1991) auf die rationalen Momente hin. Brisson (2012) und Fossheim (2013) brachten die Proömien in Verbindung mit Platons Psychologie. Mesch (2003) vertritt die Auffassung, daß die Dichotomien von ‚Rationalität‘ und ‚Affekt‘ sowie ‚philosophischer Argumentation‘ auf der einen und ‚Rhetorik‘ auf der anderen Seite zu kurz gegriffen seien. Dies ist ein Ansatz, der meines Erachtens zielführend ist. So vermerkt auch Bobonich, daß unser heutiger und der Platonische Rationalitätsbegriff sich wohl unterscheiden (Bobonich 1991, 376 Anm.  4). Zur Diskussion vgl. Noack (2014, in Anm. 500). Auch wenn das Modell der Seelendreiteilung in den Nomoi nicht explizit aufgegriffen wird, steht die Vorstellung einer Dreiteilung doch im Hintergrund, so in IX 863B1–C2 und II 653B. Vgl. hierzu Büttner (2000) 117–121; Fossheim (2013) 90–93. Zur Diskussion des Marionettengleichnisses vgl. Müller (2013) passim und Fossheim (2013) 92, dessen Interpretation mir plausibel erscheint: „The explicit aim of the puppet metaphor appears to be not to function as a model for moral psychology, however, but to give an exhortative picture of how we should see ourselves as weak and far from the gods in qualities“ (Fossheim 2013, 92). Zur Diskussion des Platonischen Rationalitätsbegriffes vgl. Schmitt (2003). 414 Vgl. Schöpsdau (2001) 188f. 415 Vgl. unten, S. 107–109.



Interne und externe Institutionen in den Nomoi 

 101

scheint es noch etwas anderes neben den Gesetzen zu geben, das seiner Natur nach die Mitte zwischen Ermahnung und Gesetz hält und worauf wir schon mehrmals zu sprechen gekommen sind, so bei der Aufzucht der ganz kleinen Kinder. Denn einerseits dürfen solche Dinge, behaupten wir, nicht unbesprochen bleiben; wenn wir sie andererseits besprechen, so wäre es der Gipfel der Torheit, zu meinen, daß damit Gesetze aufgestellt würden. Wenn also die Gesetze und die ganze Verfassung in dieser Weise niedergeschrieben sind, so ist das Lob eines durch seine Tugend hervorragenden Bürgers noch nicht vollkommen, wenn man sagt, daß schon der, welcher den Gesetzen am besten dient und am eifrigsten gehorcht, der gute Bürger sei; vollständiger wäre folgende Ausdrucksweise: der ist es, der den schriftlichen Weisungen des Gesetzgebers, mag er damit Gesetze aufstellen oder nur Lob und Tadel aussprechen, gehorcht und so sein Leben unverfälscht hinbringt. Dies ist die richtigste Formulierung für das Lob eines Bürgers; und ein wirklicher Gesetzgeber darf nicht bloß die Gesetze niederschreiben, sondern muß neben den Gesetzen auch alles, was ihm schön zu sein scheint und was nicht, mit den Gesetzen verflechten und niederschreiben; der vollkommene Bürger aber muß dies für nicht weniger bindend betrachten als das, was von den Gesetzen mit Strafen belegt ist.416

Den ungeschriebenen Gesetzen aus Nomoi VII 793A–D entsprechen hier „die zwischen Ermahnungen und Gesetzen die Mitte haltenden (VII 822D7) Empfehlungen“ (μεταξύ τι νουθετήσεώς τε πεφυκὸς ἅμα καὶ νόμων). Anders als bei der Kindeserziehung werden diese Regeln nicht als „ungeschrieben“ bezeichnet, vielmehr sollten sie auch schriftlich niedergelegt und mit den Gesetzen verbunden werden. Der Ort für diese Verbindung ist das Gesetzesproömium, „das den gleichen Gehorsam wie das eigentliche Gesetz fordert“417. Lob und Tadel, die in der vorliegenden Passage als Steuerungsinstrumente des Gesetzgebers vorgesehen sind, sind Sanktionsmaßnahmen, die in den Platonischen Institutionen eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie staatliche Straf-

416 περὶ δὲ θήρας ὡσαύτως διανοηθῆναι χρὴ καὶ περὶ ἁπάντων ὁπόσα τοιαῦτα. κινδυνεύει γὰρ δὴ νομοθέτῃ τὸ προσταττόμενον ἐπὶ μεῖζον εἶναι τοῦ νόμους θέντα ἀπηλλάχθαι, ἕτερον δέ τι πρὸς τοῖς νόμοις εἶναι μεταξύ τι νουθετήσεώς τε πεφυκὸς ἅμα καὶ νόμων, ὃ δὴ πολλάκις ἡμῶν ἐμπέπτωκεν τοῖς λόγοις, οἷον περὶ τὴν τῶν σφόδρα νέων παίδων τροφήν· οὐ γὰρ ἄρρητά φαμεν εἶναι, λέγοντές τε αὐτά, ὡς νόμους οἴεσθαι τιθεμένους εἶναι πολλῆς ἀνοίας γέμειν. γεγραμμένων δὴ ταύτῃ τῶν νόμων τε καὶ ὅλης τῆς πολιτείας, οὐ τέλεος ὁ τοῦ διαφέροντος πολίτου πρὸς ἀρετὴν γίγνεται ἔπαινος, ὅταν αὐτόν τις φῇ τὸν ὑπηρετήσαντα τοῖς νόμοις ἄριστα καὶ πειθόμενον μάλιστα, τοῦτον εἶναι τὸν ἀγαθόν· τελεώτερον δὲ ὧδε εἰρημένον, ὡς ἄρα ὃς ἂν τοῖς τοῦ νομοθέτου νομοθετοῦντός τε καὶ ἐπαινοῦντος καὶ ψέγοντος πειθόμενος γράμμασιν διεξέλθῃ τὸν βίον ἄκρατον. οὗτος ὅ τε λόγος ὀρθότατος εἰς ἔπαινον πολίτου, τόν τε νομοθέτην ὄντως δεῖ μὴ μόνον γράφειν τοὺς νόμους, πρὸς δὲ τοῖς νόμοις, ὅσα καλὰ αὐτῷ δοκεῖ καὶ μὴ καλὰ εἶναι, νόμοις ἐμπεπλεγμένα γράφειν, τὸν δὲ ἄκρον πολίτην μηδὲν ἧττον ταῦτα ἐμπεδοῦν ἢ τὰ ταῖς ζημίαις ὑπὸ νόμων κατειλημμένα. 417 Schöpsdau (2003) 625.

102 

 Institutionen in den Nomoi

maßnahmen einnehmen.418 Denn es wird davon ausgegangen, daß ein vernünftiger Mensch davon schlimmer als von einer Geldstrafe betroffen sein wird (Nomoi XI 926D6f.). Lob und Tadel können und sollen durchaus nicht nur die Magistrate, sondern auch andere Bürger aussprechen. Die ethische Regel ist für Platon nicht nur deshalb zentral, weil sie auf der Erkenntnis beruht, sondern weil sie damit eine stabile interne Institution darstellt, die in besonderer Weise Übereinstimmung unter den Bürgern bewirkt. Diese Wirkung der ethischen Regel formuliert aus institutionenökonomischer Perspektive Voigt: „Sie (sc. internalisierte Zwänge) führen in Form geteilter Überzeugungen und Ansichten einer Gruppe zu beobachtbaren Regelmäßigkeiten und wirken daher über den rein privaten Bereich hinaus.“419 Voigt spricht hier von „internalisierten Zwängen“. Auch für Platon ist ein internalisierter Zwang eine mögliche Motivation, richtig zu handeln, aber er ist nicht der ‚Goldene Weg‘. Denn ‚internalisierte Zwänge‘ sind letztendlich brüchige Motivationen,420 im Unterschied zu Überzeugungen, die auf einer autonomen und freien Entscheidung beruhen. Denn solche sind mit dem Wissen verbunden, warum bestimmte Handlungsweisen richtig sind, und sind so weniger anfällig. Darum ist Wissen eine zentrale Grundlage für freiwilliges Handeln, wohingegen Sanktionen bzw. Gewalt Unfreiwilligkeit zur Folge haben. An der Stelle, die dieses ausführt (Nomoi VIII 832B10–D8)421, wird deutlich, daß die die Grundlage von Freiwilligkeit bildende Freiheit auch das Freisein von einer Fixierung auf Materielles bedeutet. Die Überlegungen der Nomoi verweisen auf die Diskussion zwischen Sokrates und Glaukon in der Politeia, daß es verschiedene Motivationen dafür gibt, gerecht zu sein. Die beste Motivation ist die Erkenntnis, daß die Gerechtigkeit um ihrer selbst willen erstrebenswert ist, aber für die meisten Menschen bildet die Aussicht auf Belohnung und Ansehen den eigentlichen Anreiz (Politeia II 357D–358A). Auch Günther Patzig hebt in seiner Untersuchung über die Möglichkeit der Begründung moralischer Normen hervor, daß die überlegte Zustimmung zu Regeln innerhalb einer Gesellschaft nachhaltiger („krisenfester“) sind: „Denn es leuchtet ein, daß ein Regelsystem um so krisenfester in einer Gesellschaft Wurzeln schlagen kann, je mehr Mitglieder der Gesellschaft es nach freier und mündiger 418 Zur Bedeutung von Lob und Tadel innerhalb des Platonischen Gesetzeswerks vgl. auch Schütrumpf (2013) 189–191. 419 Voigt (2009) 29. 420 Ein Beispiel ist das Handeln aufgrund von ‚policital correctness‘. Wer dadurch motiviert ist, ‚politisch korrekt‘ sein zu wollen – sei es im Hinblick auf die Geschlechterproblematik oder die Interkulturalitätsfrage –, wird zwar ‚richtig‘ handeln. Aber die Gefahr, daß diese Motivation unter veränderten Umständen nicht ausreicht, ist größer als bei einem Handeln, das aus Überzeugung erfolgt. 421 Vgl. hierzu Neschke (1971) 267.



Interne und externe Institutionen in den Nomoi 

 103

Prüfung als verbindlich erkannt haben. Auch die bloße Verinnerlichung (ohne Prüfung) hat schon einen gewissen Stabilitätswert; sie wird aber von der Gefahr einer Erstarrung begleitet, die der Anpassung des moralischen Normengefüges an veränderte Verhältnisse große Schwierigkeiten bereiten kann.“422 Die reflektierte Zustimmung zu Gesetzen ist also wesentlich. Um eine Internalisierung von Regeln herbeizuführen, schlägt Platon unterschiedliche Strategien vor. Deren wichtigste ist die richtige Erziehung,423 die von frühester Kindheit an zu erfolgen hat und deren Ziel es ist, daß das Individuum, nachdem durch kindgemäße Methoden der Grundstein gelegt ist, mit seiner Vernunft den Werten, die das Gesetz verkörpert, zustimmt. Aber darüberhinaus gibt es weitere Maßnahmen, um die Regelimplementierung hervorzurufen bzw. zu sichern: 1) Es werden systematisch öffentliches Lob, aber auch öffentliche Zurechtweisung eingesetzt.424 So soll bei Eheschließungen durch Tadel, nicht durch den Zwang des geschriebenen Gesetzes erreicht werden, daß die Betreffenden nicht auf das Geld aus sind (Nomoi VI 773D–E). An dieser Stelle werden Tadel und geschriebenes Gesetz einander entgegengesetzt, an anderen Stellen kann Tadel auch eine schriftlich niedergelegte Sanktion sein.425 Denn Lob und Tadel, so der Athener, spielen eine wichtige Rolle, um die Meinungsbildung zu beeinflussen. Deshalb muß (Nomoi V 730B) der Gesetzgeber reflektieren, welche Maßnahmen in Form von Lob und Tadel, nicht in Form des Gesetzes, die einzelnen Bürger fähig zur Aufnahme (εὐηνίους/eueníous und εὐμενεῖς/eumeneís) machen.426 2) Eine wichtige Funktion hat die Steuerung der öffentlichen Meinung (vgl. Nomoi VIII 841B1: αἰσχύνη/aischýne; VIII 838C8–D1: φήμη/phéme). Damit rekurriert Platon auf ein Element des öffentlichen Lebens in Athen. Denn die öffentliche Meinung war auch im historischen Athen der klassischen Zeit ein Steuerungselement, das etwa die politischen Redner sich zunutze machen konnten, gegen das sie ggf. aber auch angehen mußten.427 Die Furcht vor Schande wird gleich im Einleitungsgespräch der Nomoi als positive Form

422 Patzig (1971) 64. 423 Vgl. dazu unten, S. 110–113. 424 Bei bestimmtem Fehlverhalten sollen die älteren Mitbürger die jüngeren zurechtweisen. Dieses Mittel wird etwa zu familienpolitischen Zwecken angewandt. Durch Tadel sollen die Älteren die Jüngeren motivieren, ihr Sexualverhalten zu kontrollieren, damit die Zahl von 5040 Landlosen erhalten bleibt (Nomoi V 740D–E). 425 Knoch (1960) 135. 426 Vgl. Nomoi VII 824A10f. 427 Ober (1989) 148–151.

104 

 Institutionen in den Nomoi

der Furcht genannt;428 Scham (aidós) und Respekt (aischýne) stellen Leitbegriffe bei der Aufstellung von Regeln dar. Sie zielen auf die Kontrolle durch die anderen Bürger. Und tatsächlich springt ins Auge, daß Platon der Überwachung durch andere Akteure (vgl. die Punkte 3 und 4 der bei Voigt gegebenen Tabelle) viel Raum gibt. Die Bürger sollen sich gegenseitig kontrollieren. Man kann sagen, daß Platon hier die kulturellen Codes bewußt steuern lassen will. Auch in unserer Zeit sind die mit der Einhaltung sozialer Normen verbundene Reputation und ein auf Nichteinhaltung folgender Reputationsverlust wichtige Anreize. Für die Kontrolle sind Medien wie Presse und Internet von Bedeutung, mit ihnen kann man die in den Nomoi vorgesehene gegenseitige Kontrolle durch die anderen Bürger vergleichen. Kirchgässner weist darauf hin, daß Menschen aus Angst, in den sozialen Medien an den Pranger gestellt zu werden, auch Normen, die sie eigentlich nicht einsehen, einhalten.429 3) Vielfach wird der Anreiz durch Ehre bzw. Ehrentzug und Lob empfohlen.430 Indem diese Auszeichnungen bestimmte Werte vermitteln, sollen sie meinungsbildend wirken. 4) Einen positiven Anreiz soll ein Wettstreit um die Areté bewirken (Nomoi VIII 845D1f.), bei dem die höchsten Preise ausgesetzt sind (XI 922A; XII 952D4; XII 953D5). Nach Schöpsdau muß dieser Vorschlag nicht wörtlich gemeint sein, sondern kann eine Metapher für die Bewerbung um eines der führenden Ämter darstellen.431 Aber meines Erachtens spricht für eine konkrete Bedeutung dieses Wettstreits, daß die Leute, die dem Gesetz nicht gehorchen, riskieren, vom Wettbewerb ausgeschlossen zu werden, falls ihr Verhalten den Richtern hinterbracht wird (Nomoi VIII 845C–D). 5) Eine Belohnung kann auch die Wahl in ein Amt sein. Platons vielfältiges und differenziertes, verschiedene Motivationen im Menschen ansprechendes Regelsystem, das viel Wert auf die intrinsische Motivation legt,432 entspricht auf erstaunliche Weise modernen Überlegungen zu ‚informellen Steue428 Vgl. Nomoi II 671B; I 646Eff.; III 699C. 429 Kirchgässner (2013) 60f. und 163–165. Er weist darauf hin, daß Individuen, wenn sie soziale Normen nicht beachten, eine „cognitive dissonance“ verspüren. Aus populärwissenschaftlicher Perspektive beschreibt Jacquet (2015) den Einfluß der Scham auf politisches Handeln. 430 Nomoi V 730D; VI 784D–E; VIII 829C; XI 921E–922A; XII 953D; XII 964B. 431 Schöpsdau (2011) 232f. 432 Von dem differenzierten Motivationssystem kann man eine Verbindung herstellen zu Platons Psychologie, die in der Politeia entwickelt wird und derzufolge die Instanz des „Begehrenden“ (epithymetikón) vor allem auf Anreize wie Lust, Schmerz und materielle Vorteile reagiert und die Instanz des „Muthaften“ (thymoeidés) besonders durch Ehre, Anerkennung und Schande motiviert wird. Vgl. die kurzen Erläuterungen hierzu oben, S. 64.



Interne und externe Institutionen in den Nomoi 

 105

rungselementen‘. So konnte verschiedentlich gezeigt werden – etwa am Beispiel des demotivierenden Einflusses von ‚Überkontrollen‘ –, daß „ein intrinsisch verankertes Ethos und eine informelle Verhaltenssteuerung in einem komplexen Verhältnis zu den Anreizen und Sanktionen einer formellen Verhaltenssteuerung stehen“433. Aus diesem Grunde plädiert Sautter in seiner Kritik von Lütkes Ansatz dafür, ethisches Verhalten zu stärken und „nicht durch eine forcierte Institutionalisierung, die aus einer Geringschätzung dieser ‚weichen Faktoren‘ resultiert, zu schwächen. In Wirklichkeit sind ‚Institutionen‘ und ‚Moral‘ aufeinander angewiesen. Einerseits kann es auf Dauer keine Moral ohne eine institutionelle Stützung geben, und andererseits ist auch das institutionelle Gefüge einer Gesellschaft auf eine moralische Stützung angewiesen.“434 Auch North wies darauf hin, daß die Übereinstimmung der moralischen Regeln mit den rahmengebenden Verfassungsregeln für Stabilität sorgt.435 Neben der Selbstbindung, die Platon zufolge ein Ergebnis der Erkenntnis des Richtigen ist, spielt die religiöse Bindung eine wichtige Rolle und entspricht der Bedeutung, die Platon in den Nomoi der Religion zuweist.436 Hier unterscheidet sich die Ansicht, die Platon den Athener entwickeln läßt, von der modernen Auffassung, die Voigts Einteilung widerspiegelt. In dieser wird der Dekalog, zusammen mit dem kategorischen Imperativ, unter die internen Institutionen, die durch die imperative Selbstbindung überwacht werden, gerechnet.437 Zwar fällt für Platon im Idealfall die richtige Erkenntnis mit der religiösen Norm zusammen, so daß man von einer imperativen Selbstbindung sprechen kann, aber beim Normalbürger ist dieser Fall nicht anzunehmen, so daß Gesetze durchaus auch externe religiöse Sanktionen, das heißt Strafen durch die Götter, androhen. Insgesamt entspricht den Anreizen, die der Implementierung interner Institutionen dienen sollen, ein ausgefuchstes System von externen Institutionen in Form des positiven Rechts, die der staatlichen Überwachung unterliegen und die Seite der Bía darstellen. Vielfach wird mit einem doppelten Sanktionssystem gearbei-

433 Sautter (2013) 216, der empirische Untersuchungen anführt. Frey (2000) plädiert für eine stärkere Berücksichtigung der intrinsischen Motivation in der Ökonomie und weist darauf hin, daß in bestimmten Bereichen und unter bestimmten Umständen zu starke extrinsische Anreize oder Sanktionen intrinsische Motivationen unterlaufen oder schwächen können. Beispiele hierfür sind etwa die Bezahlung von Hilfe im Haushalt durch die Kinder, eine zu starke Kontrolle der Arbeitnehmerpräsenz durch den Arbeitgeber, auf kommunaler Ebene die flächendeckende Entlohnung von Leistungen im sozialen Bereich. 434 Sautter (2013) 217f. 435 North (1988) 211. 436 Vgl. dazu unten, S. 113–118. 437 Siehe die Tabelle oben, S. 94.

106 

 Institutionen in den Nomoi

tet, indem eine sakrale und eine profane Strafe angedroht werden.438 Überhaupt sind die Strafen, die Platon in den Nomoi vorsehen läßt, ganz vielfältiger Natur. Sie entsprechen den unterschiedlichen Motivationen, aus denen heraus Übeltaten begangen werden können, und haben offensichtlich auch unterschiedliche ‚Tätertypen‘ im Blick. Dabei besteht der Sinn439 von Strafe nicht darin, Vergeltung zu üben. Denn der Übeltäter verdient eher Mitleid, da er, wie der Athener mit der Sokratischen Maxime erklärt (Nomoi V 731C), unfreiwillig Unrecht tut. Strafen verfolgen in den Nomoi zwei Ziele:440 Zum einen soll der Täter gebessert werden (IX 862D).441 Zum anderen soll eine Strafe, da Besserung zwar wünschenswert, aber bei vielen Tätern eher unwahrscheinlich ist, abschrecken, und dies bereits durch die Ankündigung der Strafe. Auch wenn in bestimmten Fällen pekuniäre Strafen als Schadensausgleich vorgesehen sind, ist Wiedergutmachung kein Sinn von Strafe, da Geschehenes sich nicht ungeschehen machen läßt. Strafen zielen primär auf die Person des Täters, auch wenn die Funktion der Abschreckung Auswirkung auf andere haben kann. Die Fokussierung auf den Täter und seine psychische Disposition ist, wie Saunders in seiner umfangreichen Untersuchung von Platons Strafgesetzen gezeigt hat, eine Neuerung gegenüber dem attischen Strafrecht.442 Für ‚Unheilbare‘ sind – zum Schutz der Gemeinschaft – als letzte Möglichkeiten die Verbannung oder die Todesstrafe vorgesehen (V 731Bff.).443 Einen solchen Fall stellt etwa ein Bürger dar, der öffentliches Eigentum stiehlt. Ihn trifft die Todesstrafe, da die Erziehung, die er genossen hat, ihn von diesem Sakrileg nicht abhielt. Anders verhält es sich mit einem Sklaven oder Fremden: Weil er eine entsprechende Erziehung nicht erhalten hat, kann er noch geheilt werden und verfällt einer geringeren Strafe (Nomoi XII 941B2–942A4). Zwei Formen von Strafe sind besonders wichtig und demonstrieren den Platonischen Versuch, das Ziel der Eudaimonie institutionell abzusichern. Es sind die bereits genannte göttliche Strafe und die soziale Strafe. Von religiösen 438 Vgl. Nomoi IX 873A. Siehe auch Gorgias 525C; Phaidon 113E; Politeia X 615Aff. 439 Nomoi V 731B–D; IX 862D–863A. Vgl. Knoch (1960) 30f. 440 Vgl. hierzu Knoch (1960) 26–33; Schütrumpf (2013) 205–207. 441 Da der Platonischen Auffassung zufolge Übeltaten Resultat eines krankhaften Zustandes sind, wird die Besserung des Täters, die durch die Bestrafung erhofft wird, auch als Heilung bezeichnet. Dies mußte einem Athener des 4. Jhdts. v. Chr. paradox erscheinen, vgl. dazu Cohen (2005) 187. Zur Strafe als Heilung bei Platon vgl. Cohen (2005) 186–188. 442 Saunders (1991). 443 Vgl. hierzu Cohen (2005) 188–190. Er spricht im Blick darauf, daß Platon auch mit ‚Unheilbarkeit‘ rechnet (rechnen muß), von den „moral limits of Plato’s ‚therapeutic‘ approach to punishment“ (190) und stellt fest: „In his last dialogue, Laws, Plato must move beyond the metaphysics of punishment to its institutional manifestations“ (188).



Interne und externe Institutionen in den Nomoi 

 107

Strafen, die die Übeltäter im Diesseits treffen, sind Strafen im Jenseits zu unterscheiden. So nehmen die Ausführungen über die wichtigsten Antriebe, die Menschen zu Mord verleiten, Bezug auf die Anhänger von Mysterienreligionen, die an die Bestrafung schlecher Taten im Hades glauben (Nomoi IX 870D4–E3). Die Möglichkeit der Jenseitsstrafen nimmt die Überlegungen anderer Dialoge auf.444 Zu der ersten Gruppe der Diesseitsstrafen zählt der Fluch, der bezeichnenderweise zusammen mit einer weltlichen Strafe den Täter sanktionieren soll und der auch bei wirtschaftlichen Delikten eine Rolle spielt.445 Auch der Ausschluß vom Kult ist eine wichtige Strafmaßnahme religiöser Art. Mit ‚sozialer Strafe‘ bezeichne ich die Ehrenstrafe, die in dem Verlust von gesellschaftlicher Position oder ‚sozialem Standing‘ besteht. Sie kann nur über Bürger, aber nicht etwa über Metöken verhängt werden. Ausführlich wird auf diese Art der Bestrafung in Nomoi VIII 847A–B eingegangen. Vergleicht man insgesamt die in den Nomoi vorgesehenen mit den aus den Gesetzgebungen des 4. Jhdts. v. Chr. bekannten Strafarten, so fällt auf, daß die „Ehrenstrafen“ eine besondere Bedeutung einnehmen, die weit über das zu Platons Zeit Übliche hinausgeht.446 Dies kann angesichts der Rolle von Scham und Respekt nicht verwundern. Das Vorgehen des Platonischen Gesetzgebers, der mit verschiedenen Formen von Institutionen arbeitet, demonstriert gut die Regelung des Sexualverhaltens (Nomoi VIII 835B–842A), die Schöpsdau447 näher untersucht hat: Das Ziel der vom Athener vorgebrachten Regelung ist die Vermeidung von Homosexualität und die Durchsetzung der Monogamie. Mit dem Verdikt gegen Homosexualität kann der Platonische Gesetzgeber nicht an Bestehendes anknüpfen, weil sie – wenn auch in einzelnen Stadtstaaten in unterschiedlicher Ausprägung – kulturell verankert war; ebenfalls dürfte die Einführung der Monogamie etwas Unerhörtes gewesen sein, weil dauerhafte Beziehungen mit Nebenfrauen, in der Regel Sklavinnen, in Athen legal waren, auch wenn die einer solchen Verbindung entsprungenen Kinder kein Bürgerrecht hatten. Als Strategie, ein solch revolutionäres Gesetz durchzusetzen, empfiehlt der Athener, vergleichbar mit dem Inzesttabu (Nomoi VIII 838B1: νόμος ἄγραφος/nómos ágraphos: „ungeschriebenes Gesetz“) die Homosexualität zu tabuisieren, das Tabu religiös zu untermauern und diese Einstellung den Menschen von klein auf beizubringen. Zur Durchsetzung dieser Regel solle die Macht der öffentlichen Meinung (Nomoi VIII 838C8–D1: φήμη/ 444 Vgl. Anm. 438. 445 Vgl. hierzu unten, S. 140f. und 148–150. 446 Vgl. Knoch (1960) 129. 447 Schöpsdau (2001). Daß der Gesetzgeber auch in das ‚Privatleben‘ der Bürger eingreifen soll, dürfte bei den Athenern auf Ablehnung gestoßen sein (vgl. Schöpsdau 2001, 180). Hier diente Platon wohl eher Sparta als Vorbild. Zur Rolle Spartas bei Platon vgl. De Brasi (2013).

108 

 Institutionen in den Nomoi

phéme) beitragen. Diesem Vorschlag begegnet der Gesprächspartner Kleinias mit dem Einwand, daß sich sexuelle Zurückhaltung wohl kaum durchsetzen lasse. Daraufhin läßt der Athener die Anklage eines fiktiven jungen Mannes zu Wort kommen, „der überreichlich voller Samen ist“ und lauthals gegen dieses „unvernünftige“ und „nicht durchführbare“ Gesetz polemisiert, und er nutzt dessen Protest, um eine andere argumentative Strategie vorzubringen, mit der man vielleicht die Bürger für das Gesetz gewinnen könne. Diese besteht darin, die Bürger auf die sexuelle Askese von Athleten während der Wettkampfvorbereitungen und auf das asketische und monogame Leben von Vögeln und anderen Tieren zu verweisen. Die Strategie besteht dabei in einem argumentum e minore: Wenn Athleten um eines Zieles willen, das viel geringer anzusetzen sei als das der Bürger, sexuell abstinent sein könnten und wenn sogar Tieren dies möglich sei, dann müßten erst recht die Bürger eines solchen Staates dazu fähig sein. Ob eine solche Argumentation die Bürger des künftigen Staates von ihrer sexuellen Aktivität wird abbringen können? Der Athener ist selbst skeptisch. Denn er rechnet auch und gerade in diesem Bereich mit der Unsicherheit menschlichen Handelns und der Möglichkeit, daß alle bereits vorgebrachten Regelungen nichts nützen könnten.448 Darum empfiehlt er, sozusagen für den ‚worst case‘, eine zweitbeste Lösung: Wenn das beste Gesetz nicht durchführbar sei, dann müßten die Gesetzeswächter im Staat als Gesetzgeber tätig sein – weil sie die Gesetze korrigieren – und folgendes veranlassen: Homosexualität bleibt weiterhin verboten. Wenn Monogamie schon nicht erreichbar ist, dann müssen die Bürger Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe – der nur mit Nicht-Bürgerinnen erlaubt ist – geheimhalten und durch die Macht der Scham zur Geheimhaltung angehalten werden (Nomoi VIII 841A6–B5): Die Kraft der Lust läßt sich ja weitgehend außer Übung setzen, wenn man ihren Zufluß und ihre Nahrung durch harte Anstrengungen in andere Teile des Körpers leitet. Das dürfte zu erreichen sein, wenn beim Liebesverkehr keine Schamlosigkeit waltet. Denn wenn sie ihn 448 Daß es sich im zweiten Anlauf des Atheners um eine geänderte Strategie handelt, weil er nun von einer bestimmten Voraussetzung, nämlich einem möglicherweise ganz defizitären Handeln der Akteure, ausgeht, sieht auch Schöpsdau (2001) 187: „Die ‚Richtigkeit zweiten Grades‘ kommt indes nicht einfach durch eine graduelle Abmilderung der Forderung der ersten Regelung zustande, sondern sie beruht auf einer prinzipiellen Änderung der Strategie. Während nämlich die erste Regelung mit der Möglichkeit richtigen Sexualverhaltens rechnet und darum die Widerstandskraft des Individuums gegenüber der Lust durch Paränese und Paideia zu stärken sucht, geht die zweitbeste Regelung von der pessimistischeren Annahme aus, daß die Menschen nicht mehr fähig sind, der sexuellen Lust zu widerstehen, weil sie ‚in ihrem innersten Wesen verdorben sind‘ (Nomoi VIII 841B7). Da somit eine Stärkung der Widerstandskraft der Individuen gegenüber der Lust aussichtslos ist, bleibt dem Gesetzgeber nur der umgekehrte Weg, nämlich die Macht der Lust über die Individuen abzuschwächen.“



Interne und externe Institutionen in den Nomoi 

 109

aus Schamgefühl nur selten vollziehen, dann werden sie wohl an ihm einen schwächeren Zwingherrn haben, eben weil sie ihn seltener vollziehen. So etwas also nur heimlich zu tun – nicht jedoch, es überhaupt nicht zu tun – soll bei ihnen als ehrbares Verhalten gelten, das durch die Gewohnheit zum festen Brauch geworden ist und durch die ungeschriebene Satzung Gesetzesgeltung erlangt hat, es aber nicht heimlich zu tun als schimpflich.449

Untersucht man die Regelung zum Sexualleben auf die Verbindung unterschiedlicher Institutionen hin, so kommt man zu folgendem Ergebnis: Bei beiden Gesetzen, die der Athener vorschlägt, handelt es sich um ‚positives Recht‘. Aber das „beste Gesetz“, das Homosexualität und Monogamie ausschließt, wird nicht staatlich überwacht, sondern es soll eine Implementierungsmaßnahme, die eigentlich Bestandteil ‚interner Institutionen‘ ist, greifen: die Tabuisierung und religiöse Ahndung. Im „zweitbesten Gesetz“, das sich der Athener, um allen Eventualitäten zuvorzukommen, überlegt, soll die Regel durch die Scham (αἰσχύνη/aischýne) implementiert werden. Explizit wird die auf diese Weise erfolgende Durchsetzung der Regel als das Resultat eines aus Gewohnheit (ἔθος/éthos) zum „festen Brauch“ (νόμιμον/nómimon) gewordenen Verhaltens gewertet und die der Gewohnheit zugrunde liegende „ungeschriebene Satzung“ (ἄγραφος νόμος/ágraphos nómos) als eine Institution angesehen, die „Gesetzesgeltung“ (νομισθέν/nomisthén) hat (aber kein kodifiziertes Gesetz ist!). In dieser Formulierung wird das Wissen um den evolutionären Charakter interner Institutionen deutlich.450 Aber offensichtlich will der Athener doch nicht allein auf die Macht der internen Institution vertrauen, denn sie wird, gewissermaßen ‚im Nachgang‘, noch durch Kontrollmaßnahmen, die Bestandteil einer externen Institution sind, ersetzt: Im Fall eines Verstoßes gegen das Gebot der Verheimlichung einer heterosexuellen Nebenbeziehung soll der betreffende Mann die Bürgerrechte verlieren und auch keine staatlichen Auszeichnungen erhalten, denn, so die Begründung des Atheners: ein solcher ist „ja in der Tat ein Fremder“ (Nomoi VIII 841E4). Wir haben hier den interessanten Fall, daß eine Regelung unter beide Institutionsformen fällt, da das Gesetz sowohl durch eine Überwachungsform, die der internen Institution zuzuweisen ist, die Scham, als auch durch eine Überwachung, die Bestandteil einer externen Institution ist, die Ahndung durch den Staat, ergänzt wird. Die Komplexität der Überlegungen zur Steuerung des Sexualverhaltens bildet die Bedeutung, die Platon der Sicherung von Regelimplementierungen zuweist, ab. 449 {ΑΘ.} Ἀγύμναστον ὅτι μάλιστα ποιεῖν τὴν τῶν ἡδονῶν ῥώμην ἦν, τὴν ἐπίχυσιν καὶ τροφὴν αὐτῆς διὰ πόνων ἄλλοσε τρέποντα τοῦ σώματος. εἴη δ’ ἂν τοῦτο, εἰ ἀναίδεια μὴ ἐνείη τῇ τῶν ἀφροδισίων χρήσει· σπανίῳ γὰρ αὖ τῷ τοιούτῳ δι’ αἰσχύνην χρώμενοι, ἀσθενεστέραν ἂν αὐτὴν δέσποιναν κτῷντο ὀλιγάκις χρώμενοι. τὸ δὴ λανθάνειν τούτων δρῶντά τι καλὸν παρ’ αὐτοῖς ἔστω, νόμιμον ἔθει καὶ ἀγράφῳ νομισθὲν νόμῳ, τὸ δὲ μὴ λανθάνειν αἰσχρόν, ἀλλ’ οὐ τὸ μὴ πάντως δρᾶν. 450 Vgl. dazu oben, S. 21 und 95.

110 

 Institutionen in den Nomoi

10.3 Die Rolle der Erziehung Erziehung und Bildung nehmen in Platons Überlegungen zu Entwicklung und Qualität des Individuums und zum Verhältnis von Individuum und Staat eine zentrale Rolle ein. In der Politeia wird der Ausbildungsgang der Philosophenherrscher ausführlich entwickelt, innerhalb dessen der Mathematik eine zentrale Stellung zugewiesen wird, da sie das Abstraktionsvermögen schule und damit im Hinblick auf die Dialektik Propädeutisches leiste. In den Nomoi dagegen geht es, der Intention und Anlage des Werkes entsprechend, vor allem um die Erziehung des Durchschnittsbürgers.451 In dieser Hinsicht leistet Platons Spätwerk gegenüber der Politeia eine „quantitative Radikalisierung“452, weil nun die Erziehung aller Bürger im Blick ist und Regelungen, die in dem früheren Dialog nur für die oberen Stände gelten, für alle Bürger – wenngleich qualitativ abgemildert – entworfen werden. Der Begriff ‚παιδεία‘ (Paideía: Erziehung) umfaßt sowohl das Ziel als auch die Methode.453 Der Ansatzpunkt für sie ist das dem Menschen von Beginn an eigene Lust- und Schmerzempfinden.454 Denn der richtige Umgang mit Schmerz und Lust ist für Individuum und Staat zentral (Nomoi I 636D–E), so daß es als Aufgabe der Erziehung angesehen wird, die Menschen von klein auf daran zu gewöhnen, das Richtige als angenehm zu empfinden (I 643C).455 Es geht also nicht um eine Pflicht, die im Widerstreit zur Lust stünde. Vielmehr ist das Optimum, daß der einzelne sein Handeln auf das richtet, was gut und nützlich und angenehm ist. An die von klein auf erfolgende richtige Gewöhnung kann dann, wenn die Verstandestätigkeit einsetzt und ausgebildet werden kann, als Pendant die Vermittlung auf der kognitiven Ebene anschließen, d.  h. zur Gewöhnung tritt die Einsicht hinzu, die allerdings nicht bei allen Erwachsenen einsetzt bzw. spät einsetzen kann. Hat die Einsicht die Richtigkeit des Verhaltens, das die Gewöhnung erzeugt hat, erkannt, so bedeutet diese Übereinstimmung (Symphonía) von Lust und Verstand „die ganze Areté“ (II 653B1–6).456 Aber Platon betrachtet beide Prozesse nicht einfach als aufeinanderfolgend, sondern natürlich spielt auch beim Erwachsenen die Lust eine Rolle, ja insofern der Mensch Mensch und nicht göttlich ist, sind Lust und Schmerz stets für ihn Grundgegebenheiten (V 733A3f.).

451 Daß aber die Mathematik auch in den Nomoi eine Rolle spielt, hat Lisi (1985) 151–158 herausgearbeitet. 452 Vgl. Föllinger (1996) 93. 453 Schöpsdau (1994) 253. 454 Lust und Schmerz sind nicht nur für das menschliche Leben eigentümlich (Nomoi V 733D). 455 Vgl. Schütrumpf (2013) 192f. 456 Zu der Gliederung der Gesetzgebung nach Entwicklungsphasen vgl. Neschke (1971) 273–283.



Die Rolle der Erziehung 

 111

Im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit menschlicher Begabungen und Charaktere457 ist die Mannigfaltigkeit der mit unterschiedlichen Anreizen arbeitenden Institutionen nötig. Ebenso können die Proömien der Gesetze, die den Sinn der Gesetze den Bürgern vermitteln sollen, nicht nur auf Sachargumentation setzen, sondern müssen unterschiedliche Strategien verwenden. Auch die Tatsache, daß die abstrakte Form der Paideía, Mathematik und Dialektik, nur für begabte Mitglieder der ‚Nächtlichen Versammlung‘ gedacht ist, spricht von der Einsicht in die unterschiedlichen Talente der Menschen.458 Ein wichtiges Element im Gewöhnungsprozeß ist die musische Erziehung. Sie soll schon in einem Alter, in dem das Richtige noch nicht ‚erkannt‘ werden kann, Harmonie herstellen. Auf diese Weise soll sie dazu beitragen, daß ein Kind bzw. Jugendlicher die Gesetze akzeptiert, dient also der intrinsischen Motivation.459 Dies ist der Grund dafür, daß es Aufgabe des Gesetzgebers bzw. der staatlichen Organe ist, für die richtige musische Erziehung zu sorgen. In der Integration verschiedener (körperlicher und seelischer) Instanzen des Menschen bei der Erziehung der jüngeren Bürger ist eine Verbindung zum Dialog Timaios zu erkennen. Dieser ergänzt die Behandlung der Ausgeglichenheit der Seelenteile, die in der Politeia im Mittelpunkt steht und zur Formulierung der Gerechtigkeit als ‚das Seine‘ tun führt (Politeia IV 432E–434D), um den Aspekt der körperlichseelischen Einheit. In der Erziehung wirken also verschiedene Elemente zusammen entsprechend der Konstitution des Menschen, dessen Essenz das Zusammenspiel verschiedener seelischer Instanzen und dieser mit dem Körper ist.460 In jedem Fall aber hat die auf verschiedenen Ebenen ansetzende und die unterschiedlichen Instanzen des Menschen umgreifende und sich an sie richtende Erziehung Vorrang vor Gewalt und Sanktionen.461 Dies hat mit dem, was ich Platons Vorstellung von Nachhaltigkeit nenne, zu tun. Erziehung durch Gewöhnung und Einsichtsvermittlung haben langanhaltende Wirkung. Sanktionen arbeiten nur punktuell. An diesem Punkt ist auch gut die Verbindung zu den Gesetzesproömien zu erkennen. Deren Sinn nämlich besteht genau darin: an die verschiedenen Instanzen der Bürger zu appellieren, um Überzeugung zu vermitteln und damit Nachhaltigkeit zu bewirken. 457 Vgl. Politeia VI 503B. 458 Nomoi VII 818A; XII 965Bff. Vgl. Schöpsdau (1994) 255. 459 Nomoi I 643E; II 653B; II 659C–660A; II 664A; II 670E. 460 Vgl. auch Politeia VI 491E–492A. 461 Vgl. auch Saunders (1991) 349: „Punishment comes into the category of institutions which are undesirable but inevitable. In Plato’s view, an ideal state would be one in which all the in­ habitants either had full moral knowledge, so that on Socratic principles they would never commit injustice, or were so thoroughly conditioned by training and education, on the level of ‘right opinion’, that the same result would be achieved.“

112 

 Institutionen in den Nomoi

Die Interdependenz von Individuum und Gemeinschaft läßt sich gut an dem Hingeordnetsein der Paideía auf Gesetze und Gemeinschaft erkennen. Denn das Ziel (Nomoi I 643B–644B) besteht darin, die Kinder zu Bürgern zu erziehen, die sich an dem Maximalziel der Areté orientieren und in dem demokratisch strukturierten Staat ihren politischen Rollen verantwortlich gerecht werden, indem sie sowohl dazu fähig sind, in entsprechenden Ämtern Verantwortlichkeit zu zeigen, als auch dazu, sich den demokratisch gefällten Entscheidungen zu beugen. Dabei wird in der Kindererziehung auch die Nachahmung guter Vorbilder für wichtig gehalten. Denn die Kinder sollen sich an dem ausrichten, was von den erfahrenen Älteren als gut erkannt wurde (Nomoi II 659C–660A), da die Erfahrung der älteren Bürger „sich mit dem ὀρθὸς λόγος des Gesetzes deckt“462. Deshalb gelten als essentielle Bestandteile der Erziehung nicht der Tadel, sondern die Vorbildhaftigkeit der Erziehenden (V 729B–C) sowie der Respekt, den nicht nur die Kinder den Erziehern, sondern auch die Erzieher den Kindern entgegenzubringen haben (V 729B–C). Daß die Erziehung als Aufgabe des Gesetzgebers angesehen wird – dies ist eine im Politikos theoretisch diskutierte Position463 –, ist im Hinblick auf die athenische Realität neu.464 Ebenso ist die Festsetzung einer allgemeinen Schulpflicht (VII 804C), die eine von den individuellen pekuniären Umständen unabhängige Bildung ermöglicht, ein Novum.465 Ihr entspricht die Einrichtung eines Aufsehers über das Erziehungswesen – auch dies eine Innovation gegenüber der athenischen Wirklichkeit.466 Der Stellenwert der Erziehung schlägt sich in dem besonders hohen Rang nieder, den dieser Beamte innehat.467 Die gesamte Erziehung ist öffentlich, und die zuständigen Behörden prüfen auch die Literatur, Kunst und Musik auf ihren pädagogischen Wert hin.468 Zwar könnten Sparta und Kreta für das Prinzip einer öffentlichen Erziehung Pate gestanden haben, aber im Unterschied zu deren Ausrichtung verfolgen die Nomoi eine ‚zivile‘, stark musisch ausgerichtete Erziehung.469 Die Qualitätsanforderungen, die Platon in den Nomoi formuliert, beziehen sich nicht nur auf die institutionellen Regelungen, sondern auch auf die Qualität derjenigen, die sie umsetzen bzw. ihre Umsetzung und Einhaltung kontrollieren, also die Archonten. Solche können nur diejenigen Bürger werden, die 462 Schöpsdau (1994) 255. 463 Politikos 309A–310A. Vgl. hierzu Pradeau (2010) 143–149. 464 Vgl. hierzu Schütrumpf (2013). 465 Vgl. hierzu Morrow (1960) 322; Männlein-Robert (2013). 466 Vgl. Morrow (1960) 324–326. 467 Nomoi VI 765D–766C. 468 Zu Einzelheiten der Erziehung vgl. Morrow (1960) 318–352. 469 Vgl. Piérart (1974) 385; De Brasi (2013) 192–196 und 209–221.



Die Rolle von Religion und Theologie 

 113

umfassender und besser erzogen als die anderen sind. Ohne gute Beamte haben gute Gesetze keinen Nutzen. Darum müssen diejenigen, die kandidieren, geprüft werden – sie selbst und ihre Familie –, ob sie geeignet sind, aber auch die Wählenden müssen in den Gebräuchen der Gesetze erzogen sein. Das heißt: Sie müssen sich gegenseitig kennen, und sie müssen Paideía genossen haben (VI 751B–D). Die grundlegende Funktion, die Platon der Erziehung für das Wohl des Staates zuweist, kann man mit der Bedeutung, die ihr Günther Patzig im Hinblick auf den modernen Staat gibt, vergleichen: „Ein Staat kann nicht überleben, wenn nicht ein bestimmtes moralisches Niveau unter seinen Bürgern eingehalten wird und eine gewisse Übereinstimmung über moralische Prinzipien in seiner Bevölkerung besteht. Strafrecht und obrigkeitlicher Zwang sind jedoch für die Verbesserung und Erhaltung der Sitten ganz ungeeignete Werkzeuge. Eine so wichtige Funktion könnte viel eher vom Bildungswesen wahrgenommen werden. Außerdem kommt viel auf das gute oder schlechte Beispiel meinungsbildender Minderheiten, auf den Einfluß der Presse und auf die Erziehung in den Familien an.“470 Kirchgässner weist ebenfalls auf den Einfluß von Eltern und Lehrern für die Heranbildung einer verbindlichen Minimalmoral, die auch für das Gelingen wirtschaftlicher Prozesse wichtig ist, hin.471

10.4 Die Rolle von Religion und Theologie Zu den wichtigen Maßnahmen, die die Nomoi zur Regelimplementierung vorschlagen, ist die theologische Fundierung zu zählen. Die Bedeutung der Religion wird auf verschiedenen Ebenen deutlich. Schon das Setting des Rahmengesprächs weist auf sie hin (Nomoi I 624A–625C): Die Gesprächspartner befinden sich auf dem Weg von Knossos zur Grotte des Zeus. Der Prozeß der Reflexionen über die Gesetzgebung ist theologisch gerahmt. Denn das erste Wort des Dialogs ist θεός/theós („Gott“) und leitet die Darlegung ein, daß sowohl in Kreta als auch Sparta die Gesetzgebung auf einen Gott zurückgehe.472 Es wird auf Minos verwiesen, der sich alle neun Jahre mit seinem Vater Zeus traf und dessen Anweisungen für gute Gesetze umsetzte. Ebenfalls wird an Rhadamanthys gedacht, dessen Gerechtigkeit unübertroffen war. In der Durchführung der Gesetzgebung selbst benutzt Platon eine Verbindung zwischen verschiedenen theologischen Ebenen: Mit den Götterkulten, die im Alltagsleben der Einwohner Magnesias eine bedeutende Rolle spielen, rekur470 Patzig (1971) 21. 471 Kirchgässner (1996) 242. 472 Vgl. Trampedach (1994) 224f.

114 

 Institutionen in den Nomoi

riert er auf die übliche Volksreligion.473 Aber an entscheidenden Scharnierstellen integriert er Elemente einer philosophischen Religion. Dies ist der Fall in der Vorrede an die Kolonisten (Nomoi IV 715E7–716D4).474 Hier475 verbindet er in seinen Ausführungen über „den Gott“, in dem die Adressaten wohl Zeus erkennen sollen, Elemente der orphischen Religion476 mit der philosophischen Anschauung von der Gott angemessenen Kreisbewegung und der seit Hesiod bekannten Dikekonzeption und richtet sich gegen die Protagoreische Maxime, der Mensch sei das Maß aller Dinge, mit der Erklärung, daß Gott, verstanden als Nous (Vernunft), das Maß aller Dinge sei. Aus dieser Konzeption folgt die Forderung, daß der Mensch möglichst gottähnlich sein und entsprechend handeln müsse. Für die Vorstellung, daß die Kreisbewegung Gott gemäß sei, kann Platon auf die verbreitete Vorstellung der Göttlichkeit von Himmelskörpern, insbesondere der Sonne, zurückgreifen, so daß die unsichtbaren Götter der Volksreligion zusammen mit den sichtbaren Gottheiten wie der Sonne als maßgebende Größen erscheinen.477 Man kann sich fragen, ob die Argumente, die der Athener in den Nomoi vorträgt, zwingend sind und die Gleichsetzung von Vernunft und Gott überzeugen konnte. Doch muß man bedenken, daß Platon sie als Vorschlag, wie man argumentativ vorgehen könne, formulieren läßt. Dies ist meines Erachtens der Grund dafür, daß er die Aspekte unterschiedlicher religiöser Auffassungen integriert.478 Die Intention, die die Ausführungen des Atheners verfolgen, ist, aufzuzeigen, daß eine optimale Basis für ein Agreement der Bürger und die erwünschte Implementierung von Regeln die religiös-metaphysische Verankerung sein muß. Es geht also um die Verbindlichkeit der dem Regelwerk zugrundeliegenden Werte. Die Argumente des Atheners stellen nur einen Vorschlag dar. Die Anlage Magnesias richtet sich nach religiösen Kriterien. Denn „die Mitte des Staatsterritoriums bildet die Akropolis mit einem Heiligtum der Hestia, des Zeus und der Athene“479, von der Mitte aus werden die um die Akropolis liegende

473 Vgl. hierzu Morrow (1960) 434–436. 474 Dabei stellt sich die Frage, wie das Verhältnis von Volksreligion und philosophischer Metaphysik ist. Bordt zufolge ersetzt die Metaphysik nicht die Religion, sondern der Philosophenherrscher hat, wie Bordt im Hinblick auf die Politeia ausführt, ein „vertieftes Verständnis davon …, wovon die Rede ist, wenn innerhalb der Polisreligion von Gott und den Göttern die Rede ist“ (Bordt 2013, 211f.). 475 Vgl. hierzu Bordt (2013) 211f. 476 Vgl. die Vorstellung von Wiedergeburt und Seelenwanderung in Nomoi IX 870D–E. 477 Vgl. Knoch (1960) 34. Die Bedeutung der Kreisbewegung und der Bewegung überhaupt läßt die im Timaios dargestellte Kosmologie anklingen. Auf den Timaios weist auch der Beweis für die Existenz Gottes im Buch X der Nomoi zurück (887C5–899D3); vgl. hierzu Bordt (2013) 217–225. 478 Bordt (2006) 163. 479 Schöpsdau (1994) 108.



Die Rolle von Religion und Theologie 

 115

Stadt und das Land in zwölf Bereiche eingeteilt. In ihnen liegen die Kómai, in denen die Handwerksbetriebe, die man für die Landwirtschaft braucht, eingerichtet werden sollen. Die Religion wird in den Nomoi also politischen Gesichtspunkten untergeordnet,480 wie auch im realen Leben Athens die Polisreligion das Maßgebende war, aber dies betrifft nur die Handlungen der Volksfrömmigkeit. Für die philosophische Religion hingegen ist Gott im Nous („Vernunft“) repräsentiert, der als Prinzip des Kosmos angesehen wird und den auch die Gesetze verkörpern. Eigentlich sollen die Bürger zu der Einsicht in die metaphysische Begründung gesetzlicher Regelungen gebracht werden, weil neben Freiheit und Freundschaft der Bürger der Nous ein konstitutives Merkmal des Staates ist. Aber aufgrund des Bewußtseins, daß nicht alle Bürger gleich gut begabt für intellektuelle Einsicht sind, wird es nicht möglich sein, allen Anteil am Nous zu vermitteln. Insofern ist die konkrete Setzung von Göttern eine Entsprechung für den philosophisch erschlossenen Nous, und sie ist eher für ein nicht so intellektuelles Publikum akzeptabel.481 Auch im Bereich der Theologie arbeitet Platon also mit einer zweifachen Stufung: einem Optimum, der Erkenntnis der ‚Göttlichkeit‘ der Vernunft, und der Volksreligion, deren Zentrum ein Apollon-Helios-Kult ist.482 Im Rahmen dieser Untersuchung ist der Zusammenhang von ‚ethischer Regel‘ und Theologie von Interesse. Denn die theologische Verortung des Gesetzeswerkes insgesamt und von Einzelregeln im Speziellen soll die Internalisierung bestimmter Regeln befördern. Platon geht es hier aber nicht um eine ‚magische Steuerung‘ der politischen Akteure, sondern um die Darstellung einer metaphysisch-religiösen rationalen Fundierung.483 Die Übertragung des reflexiven Moments, das auch der Volksfrömmigkeit innewohnen soll, wird ganz deutlich in einem Anliegen, das dem Athener besonders wichtig ist: Man solle kein Gebet sprechen, wenn man sich nicht dessen bewußt sei, um was man eigentlich bitte (Nomoi III 688B–C). Dem entspricht der Hinweis, der eine Voraussetzung für die Implementierung der ethischen Regel durch Selbstbindung ist, daß die Götter sich um die Menschen kümmern (X 899D4–905D7), aber unbestechlich sind (X 905D8–907B4). 480 Zu diesem Aspekt vgl. Schofield (2013). 481 Vgl. auch Schofield (2003) 13. 482 Zur Religion in den Nomoi vgl. Trampedach (1994) 224–232. 483 Vgl. auch Cleary (2001) 125: „One general function of theology in the Laws is to provide a metaphysical and cosmological foundation for human laws, which overturns the sophistic distinction between nomos and physis. In this way Plato can be regarded as one of the founders of the natural law tradition. However, in Laws X the purpose of its theological argumentation is to set up for law-abiding citizens as an ideal goal the imitation of divine rationality, another version of the Platonic ideal of homoiôsis theou.“ Die attische Gesetzgebung zur Unfrömmigkeit behandelt Saunders (1991) 301–318.

116 

 Institutionen in den Nomoi

Der komplexen Problematik, die mit der Rolle von Theologie und Religion in den Nomoi verbunden ist, kann nicht erschöpfend nachgegangen werden.484 Festzuhalten ist, daß Platon einerseits in der Praxis der Volksreligion eine Möglichkeit sieht, Regeln zu implementieren,485 daß er andererseits mit dem göttlichen Nous eine metaphysische Vernunftinstanz einführt und dadurch auf die Bedeutung der Vernunftorientierheit von Regeln verweist.486 Regeln sind nur dann richtig begründet, wenn ihre Basis die Vernunft ist. Dann ist ihr Fundament Erkenntnis und Wissen, womit sie zum einen einen Status der Objektivität haben und zum anderen vermittelbar sind. Damit aber ist auch die Einheit des Staates gewährleistet, weil prinzipiell jeder Bürger des Staates diese Regeln einsehen kann, auch wenn verschiedene Wege der Vermittlung beschritten werden müssen. Diese Auffassung von einer Vernunft, die mit der Auffassung der Objektivität von Werten verbunden ist, unterscheidet sich von der modernen Auffassung, derzufolge Werte nicht apriorisch gegeben werden können, sondern Resultate der Aushandlung von individuellen Interessen sind, so daß Werte von Kultur zu Kultur differieren können. Den Unterschied zwischen beiden Auffassungen und seine Problematik formuliert Brisson: „Angesichts des Scheiterns des rationalen Vorgehens a priori, d. h. eines deduktiven Vorgehens, im Bereich der Ethik und Politik haben manche Philosophen versucht, die Vernunft a posteriori einzusetzen, als das Strukturprinzip einer Vorgegebenheit. Zuerst macht man alle Voraussetzungen ausfindig, die die Mehrheit der Angehörigen einer bestimmten Gemeinschaft als grundlegend anzuerkennen bereit sind. Die Rolle der Vernunft besteht dann darin, daß sie diesem Komplex von Voraussetzungen eine Kohärenz verleiht, damit sie in einem Kodex von Gesetzen und in einem Korpus von Verhaltensnormen formulierbar werden. Diejenigen, die diese Gesetze und Verhaltensnormen nicht anerkennen, werden rechtlichem und physischem Zwang ausgesetzt. Dieses Vorgehen, das in dem Erdteil, in dem wir leben, vorherrschend ist, ermöglicht ein relativ geborgenes und angenehmes Dasein. Es hat aber auch seine Schwächen. Die meisten grundlegenden Werte sind der Entscheidung des einzelnen überlassen. Ein solcher Typus von Gesellschaft ist verwundbar einerseits dadurch, daß eine Mehrheit sich über sie hinwegsetzt, andererseits gegenüber rüden und unerwarteten Angriffen von außen. Darüberhinaus ist es unmöglich, die Übertragung eines solchen Systems von Werten auf den Rest

484 Mit der Rolle der Religion in den Nomoi befaßt sich die Marburger Dissertation von Hans Lauritz Noack. 485 Zu Beispielen hierzu vgl. unten, S. 140f. und S. 148–150. 486 Vgl. Trampedach (1994) 228: „Platon steigert die politische Religion der Griechen zur politischen Theologie.“



Die Rolle von Religion und Theologie 

 117

des Planeten zu rechtfertigen, denn auch in extremen Fällen kann die kulturelle Eigenart rechtfertigend angeführt werden.“487 Wie bereits erwähnt,488 hat auch Adam Smith der Religion für die Etablierung von Regeln Bedeutung zuerkannt: „Die Vorstellung, daß wir, mögen wir auch der Beobachtung der Menschen entgehen oder infolge unserer hohen Stellung jeder menschlichen Bestrafung entrückt sein, doch immer unter den Augen Gottes handeln und den Strafen Gottes, des großen Rächers allen Unrechts, ausgesetzt sind, das ist ein Beweggrund, der fähig ist, die hartnäckigsten Leidenschaften im Zaume zu halten, wenigstens bei allen jenen Menschen, die sich durch ständiges Nachdenken mit diesem Gedanken vertraut gemacht haben. Auf diese Weise pflegt die Religion dem natürlichen Pflichtgefühl stärkere Kraft zu verleihen; und daher kommt es, daß die Menschen im allgemeinen geneigt sind, großes Vertrauen auf die Rechtschaffenheit jener Menschen zu setzen, die ein tiefes religiöses Empfinden besitzen.“489 Smiths Begründung, warum die Religion Bedeutung besitzt, hat zwei Aspekte: Die Vorstellung eines strafenden Gottes hält Menschen zu Pflichtgefühl an, und deshalb genießen religiöse Menschen größeres Vertrauen. Vergleicht man hiermit die Funktion, die die Religion in den Nomoi besitzt, so läßt sich feststellen, daß die Vorstellung von einer strafenden Gottheit am ehesten der Platonischen Volksfrömmigkeit nahekommt. Auch eine solche extrinsische Motivation kann natürlich zu einer Internalisierung von Regeln beitragen, entspricht aber nicht dem Platonischen Anspruch, daß wirkliche Verinnerlichung und Stabilität dann gewährleistet sind, wenn ein Individuum die Richtigkeit einer Handlung erkannt hat. Das Moment des Vertrauens, das Smith nennt, findet sich bei Platon ebenfalls, aber in einer anderen Akzentuierung: Religion wirkt identitätsstiftend. Denn dadurch, daß die Ausprägungen von Kulten von Polis zu Polis verschieden sind, prägt sich eine spezifische kulturelle Identität aus. Diese Funktion ist natürlich gerade für den Gesetzgeber, der um die Einheit der Polis bemüht ist, sehr wichtig.490 Dadurch, daß Religion Gemeinschaft herstellt, wirkt sie vertrauensbildend.491 Diese soziale Funktion kommt unter anderem darin zum Ausdruck, daß die öffentlichen Plätze, an denen der Kult ausgeübt wird, dem gegenseitigen Ken487 Brisson (1998) 200. 488 Vgl. oben, S. 48. 489 The Theory of Moral Sentiments iii.5.11f. in der deutschen Übersetzung von Eckstein (2004) 258. 490 Den Hinweis auf diesen Aspekt der Polisreligion in den Nomoi verdanke ich Hans Lauritz Noack. 491 Nomoi V 739B8–E7; dazu Bordt (2006) 164f., der darauf hinweist, daß auf dem Gelände der Akademie ein Musenheiligtum stand, in dem täglich Opferfeiern stattfanden.

118 

 Institutionen in den Nomoi

nenlernen der Bürger dienen sollen: Vertrautheit führt zu Offenheit und Transparenz und dazu, daß sich die Bürger gegenseitig richtig einschätzen (Nomoi V 738D). Damit verbunden sein dürfte die Hoffnung, ein Mangel an Anonymität innerhalb der Gesellschaft werde dazu beitragen, daß die Bürger eher vor Verbrechen zurückschrecken und die Zurechtweisung durch Mitbürger, die sie kennen, lieber annehmen als durch Menschen, die ihnen fremd sind.

10.5 Die Funktion der Proömien Wenn es die Aufgabe des Gesetzgebers ist, die Bürger von dem Richtigen zu überzeugen, so spielt er die Rolle des Erziehers, nicht nur von Kindern und Jugendlichen, sondern auch von erwachsenen Bürgern. Die Gesetze sollen nicht wie Tyrannen, sondern wie Eltern auftreten, aber nicht wie irgendwelche Eltern, sondern wie „liebende“ Väter und Mütter, die „über Vernunft verfügen“ (Nomoi IX 859A3f.). Dies hat Folgerungen für die Sichtweise auf das Verhältnis von Gesetz und Bürger und für die Strategien der Peithó. Denn ihre Adressaten sind nicht nur Intellektuelle, sondern Personen ganz unterschiedlichen Zuschnitts. Daß der Gesetzgeber sich vor allem darum kümmern muß, den Bürgern die Gesetze verständlich zu machen, bevor ein Gesetz mit den entsprechenden Strafen formuliert wird, vergleicht der Athener mit der Handlungsweise von Ärzten. Ärzte, die Sklaven behandeln, verordnen ihren Patienten einfach etwas. Dagegen erklären Ärzte, die Freie betreuen, ihren Patienten zuerst, woran sie leiden und warum die Medikamentierung bzw. die Therapie, die sie mit ihnen vorhaben, gut und wirkungsvoll ist. Sie versuchen also, ihre Patienten (Nomoi IV 718Bff.) erst einmal von dem, was sie tun, zu überzeugen, weil so die Heilungschancen größer sind (IV 720D–E).492 Der Arztvergleich hebt also auf das Verhältnis von Arzt und Patient ab: Der Arzt, der Freie behandelt, ist darum bemüht, den Patienten in den Heilungsprozess auf aktive Weise einzubeziehen; der Patient soll durch aktive Hinwendung zum Arzt dazu beitragen, geheilt zu werden. Genauso soll der Gesetzgeber agieren, er soll mehr, als dies bisher geschah, auf Mittel der Überzeugung setzen. Dann nämlich kann der Gesetzgeber damit rechnen, daß die Bürger willig sind, das zu tun, was die Gesetze ihnen vorschreiben (Nomoi IV 722B4–C2): 493 492 Mit diesem Verhältnis von Arzt und Patient vergleichbar ist das im Charmides von Sokrates und Charmides geforderte, das Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung durch Sokrates sei. 493 Konkret (vgl. hierzu Erler 2007, 180) gibt es in den Nomoi „reine Gesetze“ (723A), die nur mit Sanktion arbeiten, „doppelte Gesetze“, die Überredung/Überzeugung und Sanktion beinhalten,



Die Funktion der Proömien 

 119

Was dies freilich angeht (gemeint sind die am Beispiel der Ärzte ausgeführten zwei Möglichkeiten der Motivation), so scheint niemand unter den Gesetzgebern jemals folgendes bedacht zu haben: obwohl sie für ihre Gesetzgebung zwei Mittel anwenden könnten, nämlich Überredung/Überzeugung494 und Gewalt, soweit das bei einer Masse ohne Erziehung möglich ist, wenden sie doch nur das eine an; denn sie mischen nicht die Drohung mit der Überredung/Überzeugung bei ihrer Gesetzgebung, sondern bedienen sich bloß der puren Gewalt.495

Neschke hat zu diesem Arztvergleich Nomoi IX 857B8–C2 hinzugezogen, wo das Vorgehen des Freie behandelnden Arztes als ein wissenschaftliches und auf den Ursprung der Krankheit rekurrierendes Verfahren bezeichnet wird, und so plausibel machen können, daß es tatsächlich um eine Vermittlung von Wissen geht, die gerade durch die Fähigkeit, Gründe anzugeben, überzeugt.496 Den Erklärungen und Argumenten der Ärzte sollen bei der Gesetzgebung Proömien entsprechen, die den Gesetzen bzw. den wichtigsten unter ihnen vorgeschaltet werden und die begründen sollen, warum das Gesetz wichtig ist. Damit haben sie die Funktion, die Bürger aufnahmebereit zu machen. Diese Idee übernimmt Platon aus der Musik und aus der Rhetorik (Nomoi IV 722D3–E4 … 723B2–6): Zu allen Reden, ja zu allem, woran die Stimme beteiligt ist, gibt es Einleitungen und gleichsam eine Art von Aufwärmübungen, die eine kunstmäßige Vorbereitung geben sollen, die für die darauf folgende Darbietung von Nutzen ist. Und so sind, glaube ich, beim kitharödischen Vortrag den sogenannten Nomoi und überhaupt jeder Art von Musik wundervoll ausgearbeitete Proömien vorangestellt; bei den wirklichen Gesetzen aber, die wir politische Gesetze nennen, hat noch niemand je eine Vorrede vorgetragen oder als Schriftsteller ans Licht gebracht, wie wenn es der Natur der Sache nach keine gäbe. … Nachdem ich das gesagt habe, was könnte ich nun noch dem hinzugefügt wünschen? Folgendes: daß ein Gesetzgeber jeweils vor der Gesamtheit der Gesetze diese nicht ohne Vorrede lassen darf und ebenso bei jedem Einzelgesetz, wodurch sich diese dann voneinander ebensosehr unterscheiden werden, wie dies bei den vorhin vorgetragenen Gesetzesfassungen der Fall war.497

und „doppelte Gesetze“, denen ein Proömium vorgespannt ist (772E). Dazu kommt die Ansprache an die Kolonisten (Nomoi IV 715E–V 734E). 494 Zu meiner Ergänzung der Übersetzung durch „Überzeugung“ vgl. oben, S. 93. 495 πρὸς τοῦτο δὲ οὐδεὶς ἔοικε διανοηθῆναι πώποτε τῶν νομοθετῶν, ὡς ἐξὸν δυοῖν χρῆσθαι πρὸς τὰς νομοθεσίας, πειθοῖ καὶ βίᾳ, καθ᾽ ὅσον οἷόν τε ἐπὶ τὸν ἄπειρον παιδείας ὄχλον, τῷ ἑτέρῳ χρῶνται μόνον· οὐ γὰρ πειθοῖ κεραννύντες τὴν μάχην νομοθετοῦσιν, ἀλλ᾽ ἀκράτῳ μόνον τῇ βίᾳ. 496 Neschke (1971) 298–301, die auch von „Überzeugung“ spricht. Vgl. auch Yunis (1996) 211– 236. 497 τόδε εἰπεῖν βουληθείς, ὅτι λόγων πάντων καὶ ὅσων φωνὴ κεκοινώνηκεν προοίμιά τέ ἐστιν καὶ σχεδὸν οἷόν τινες ἀνακινήσεις, ἔχουσαί τινα ἔντεχνον ἐπιχείρησιν χρήσιμον πρὸς τὸ μέλλον περαίνεσθαι. καὶ δή που κιθαρῳδικῆς ᾠδῆς λεγομένων νόμων καὶ πάσης μούσης προοίμια θαυμαστῶς ἐσπουδασμένα πρόκειται· τῶν δὲ ὄντως νόμων ὄντων, οὓς δὴ πολιτικοὺς εἶναί

120 

 Institutionen in den Nomoi

Die Proömien sollen motivierend wirken, weil die Vielzahl von Menschen eigentlich nicht nach Areté strebe (Nomoi IV 718D7–719A2). Gerade deshalb muß der Gesetzgeber damit rechnen, daß in der politischen Realität die Gesetze Bürger als Adressaten haben, die über eingeschränkte Fähigkeiten zur Einsicht verfügen, und daß die Bereitwilligkeit, sie aufzunehmen, auch unterschiedlich stark ist – in IV 722B4–C2 ist von óchlos, der „Masse“, die Rede –, so daß es für den Gesetzgeber, wie für den politischen Redner verkehrt wäre, nur auf logische Argumentationsweise zu setzen.498 Also sind auch andere Strategien anzuwenden, und hier hat die Rhetorik ihren ‚Sitz im Leben‘.499 Die Proömien arbeiten also mit unterschiedlichen Strategien, um die differierenden Adressatengruppen auf jeweils andere und passende Weise zu motivieren.500 Dabei hat die philosophisch-diskursive Argumentation nicht den wichtigsten Stellenwert, denn die Adressaten, die der Gesetzgeber im Blick haben muß, sind weniger Philosophen als Bürger eines Staates, von denen anzunehmen ist, daß sie ganz unterschiedlich sein und daß die wenigsten unter ihnen Philosophen oder Intellektuelle sein werden.501 Dies heißt aber nicht, daß auf kognitive Elemente in den Proömien verzichtet würde.502 Peithó ist also offensichtlich ein φαμεν, οὐδεὶς πώποτε οὔτ᾽ εἶπέ τι προοίμιον οὔτε συνθέτης γενόμενος ἐξήνεγκεν εἰς τὸ φῶς, ὡς οὐκ ὄντος φύσει. … ταῦτ᾽ οὖν εἰπών, τί τὸ μετὰ τοῦτο ἄν μοι βουληθείην εἰρῆσθαι; τόδε, ὡς τὸν νομοθέτην πρὸ πάντων τε ἀεὶ τῶν νόμων χρεών ἐστιν μὴ ἀμοίρους αὐτοὺς προοιμίων ποιεῖν καὶ καθ᾽ ἕκαστον, ᾗ διοίσουσιν ἑαυτῶν ὅσον νυνδὴ τὼ λεχθέντε διηνεγκάτην. 498 In diesem Zusammenhang ist auch die Problematik des Begriffs ‚Epodé‘ zu sehen, der in der Forschung diskutiert ist. Nach Laín-Entralgo (1958) bezeichnet ‚Epodé‘ in den Nomoi wie in Platons früheren Schriften eine Rede, die aufgrund der „natürlichen Eigenschaften ihrer Form und ihres Gehaltes“ Wirkung entfaltet. Zu diesen Eigenschaften gehören die musikalische Betonung und der Rhythmus, die ein Vertrauensverhältnis zwischen Redner und Zuhörer herstellen (ebd., 308). „Überzeugendes Argument“ (Nomoi VIII 836C6: pithanós lógos), das in Form eines Schlusses o. ä. auftreten kann, und die „Bezauberung“ (Nomoi II 660Aff.; X 903B1ff.) arbeiten also Hand in Hand. Vgl. Helmig (2003). 499 Die Rolle der Rhetorik in den Nomoi kann in diesem Zusammenhang nicht weiter ausgeführt werden. Dazu ist ein eigener Beitrag in Vorbereitung. 500 Diese Aspekte behandelt die Staatsexamensarbeit von Hans Lauritz Noack: „Platons Motivationspsychologie in den Gesetzesproömien der Nomoi und ihre Anwendung auf das wirtschaftliche Handeln der Menschen“ (Marburg 2014). 501 Vgl. Bordt (2013) 213f. zum Adressatenkreis der theologischen Überlegungen, die sich nicht an „Fachphilosophinnen und -philosophen“ wenden. Bordt weist zu Recht darauf hin, daß der Athener vorschlägt, die theologischen Beweise schriftlich zu verfassen und so für alle zugänglich zu machen (X 890E6–891B4). Von den Adressaten, die dem Athener zufolge ein Gesetzgeber im Blick haben muß, sind die (anzunehmenden) textexternen Adressaten, die Platon im Blick gehabt haben könnte, zu unterscheiden. 502 Entsprechend dem Charakter der Nomoi steht die alethés dóxa im Mittelpunkt, vgl. Horn (2013b) v. a. 9. Aber auch in der Politeia geht es nicht nur um philosophische Argumente, sondern



Die Funktion der Proömien 

 121

komplexerer Begriff. Dies verdeutlicht die Tatsache, daß in der Politeia Peithó als – im Gegensatz zur Bía – zielführendes Vorgehen bei der Erziehung auch die Vermittlung von vernünftiger Argumentation (Lógos) und Philosophie umfaßt (Politeia VIII 548B–C). Das Bedeutende an Platons Konzeption in den Nomoi liegt in der Erkenntnis, daß die innere Beteiligung des Bürgers für die Annahme von Gesetzen und damit für die Stabilität und die Einheit der Bürger wichtig ist.503 Damit die Gesetze und ihre Proömien die Bürger erreichen, müssen sie möglichst so gestaltet sein, daß sie vor allem diejenigen, für die sie gedacht sind, ansprechen. Da der Gesetzgeber die (künftigen) individuellen Adressaten nicht kennt, muß er ‚Menschentypen‘ vor Augen haben, auf die die jeweiligen Proömien abzustimmen sind.504 Dieser Aspekt ist im Rahmen des institutionenökonomischen Zugangs von Bedeutung. Denn die Proömien bilden damit ein zentrales Element für die Implementierung von Regeln. Sie versuchen, die Beschaffenheit einer bestimmten Adressatengruppe vorwegzunehmen. Je nach vermuteter und intendierter Adressatengruppe wird mehr mit dem Rekurs auf diskursives Denken, auf soziale Gesichtspunkte wie Ehrentzug, Scham und anderes gearbeitet. So verwendet etwa das Proömium für die Sexualgesetzgebung Verweise auf die Natur und auf Konventionen, wohingegen das Proömium für die Asebiegesetzgebung eher abstrakte Argumente anführt.505 Entsprechend steht zu erwarten, daß die sprachliche Gestaltung unterschiedlich ausfällt. Sie ist keineswegs nebensächlich, weil das Gesetz auf der agorá bekanntgemacht (Nomoi X 890B5), aber auch schriftlich vermittelt werden soll. Dieselbe doppelte Publikation gilt auch für die Proömien: Sie sollen öffentlich vor den Bürgern vorgetragen (IV 715E3–6) und schriftlich verbreitet werden (X 891A1–4; XII 957C3).506 Die wünschenswerte Zweiteilung der Gesetze in Proömium und eigentliches Gesetz spiegelt die Struktur der Nomoi selbst wider. Denn eine Mittagspause teilt auch um die Bedeutung einer richtigen Beeinflussung durch die Auswahl von adäquater Musik und Literatur. Zu der Stellung von Musik und Literatur in den Nomoi vgl. Büttner (2000) 233–254 und Männlein-Robert (2013). 503 Vgl. Fossheim (2013) 88: „The advocacy of non-slavish attitudes transferred to the legal and political realm, in the form of laws that include prefaces, is tantamount to an advocay of the individuals as (in a broad sense, to be sure) thinking, deliberating, and responsible agents – agents with an ‚inside‘ that should be acknowledged in the very form of the legal code.“ 504 Einen ersten Schritt zur Untersuchung der Adressatenorientiertheit der Proömien hat Fossheim (2013) unternommen, der zeigt, daß Proömien auf unterschiedliche Weise die drei von Platon zugrunde gelegten Seeleninstanzen ansprechen können. 505 Vgl. Laks (2000) 290: „The whole gamut from beast to god can be found among the citizens of the second city. The astounding variety of preambles that the legislator must employ is only the consequence of this diversity.“ 506 Vgl. Görgemanns (1960) 70.

122 

 Institutionen in den Nomoi

das Gespräch der drei Männer in ein Vorgespräch und den Gesetzgebungsteil ein.507 Überdies sind die Nomoi gegliedert in Vorreden, die den Sinn bestimmter Regeln erklären sollen, und in die eigentlichen Gesetze.508

10.6 Kontroll- und Sanktionsinstanzen: die Organe des Staates Es ist deutlich geworden, daß Erziehung und Überzeugung als die wichtigsten Mittel zur Regelimplementierung angesehen werden, gefolgt von sozialer Kontrolle, daß der Gesetzgeber aber auch nicht umhin kann, mit dem Schlimmsten zu rechnen, und deshalb staatliche Sanktionen vorsehen muß. Den Rahmen des neuen Staates bildet eine Verfassung, deren Ziel es ist, zu gewährleisten, daß möglichst integre Bürger, die über ein dem Amt entsprechenden Wissen verfügen, regieren. Aus diesem Grund wird das Losverfahren, das in Athen den Zugang zu den meisten Ämtern regelte, als nicht zielführend angesehen. Es wird zwar als ‚Konzession an die Demokratie‘509 integriert, spielt aber eine unbedeutendere Rolle. So wird bei der Besetzung mancher Ämter eine Mischung von Los und Wahl vorgegeben510, und für wichtige Positionen gilt das Prinzip der Wahl. Dies sind die Funktionen der Nomophýlakes, der Ausgewählten Richter, des Erziehungsministers, der Exegeten und Euthynen.511 Die Mischverfassung wird als eine Verfassung betrachtet, die eine Voraussetzung für die Eudaimonie von Individuen bietet (Nomoi III 691C1–692B1). Dies ist der Grund dafür, daß die spartanische Verfassung Anerkennung erfährt, allerdings eine eingeschränkte, weil als beste Verfassung diejenige zu gelten hat, die die freie Zustimmung der Bürger zu den Gesetzen als konstitutives Element beinhaltet.512 507 Vgl. oben, S. 74. 508 So folgt einer umfangreichen Vorrede (prooímion) zum Gesetz, die die Bürger zur Einsicht in das Richtige bewegen soll, das eigentliche Gesetz (Nomoi V 734E). Jene geht auch argumentativ vor. Daneben gibt es immer wieder kleinere oder größere Proömien und Einschübe, die auf den Sinn von Gesetzen und Sanktionen hinweisen, indem sie zum Beispiel die gemeinschaftsschädigende Wirkung verfehlter Verhaltensweisen hervorheben. In IV 720Aff. gibt der Athener eine Probe dessen, wie es vorzugehen gilt. 509 Zum Losverfahren in Athen und zu seiner Bedeutung als Kennzeichen der Demokratie im Selbstverständnis der Athener vgl. Bleicken (1995) 312–321. 510 Zu den Einzelheiten vgl. Piérart (1974) 470. 511 Vgl. Piérart (1974) 472. Zu den Funktionen dieser Ämter siehe die folgenden Ausführungen. 512 Vgl. die differenzierte Analyse von De Brasi (2013) 166–189, der zu der Schlußfolgerung gelangt (189): La πολιτεία lacedaimone è chiaramente descritta come un esempio di μικτὴ πολιτεία, in cui i vari organi costituzionali assumono una posizione di reciproco autocontrollo. Sebbene ne possieda alcuni caratteri, Lacedemone non rappresenta, tuttavia, un esempio di constitutio mixta nel senso inteso dallo ξένος, che è fautore di una mescolanza sul piano morale (mista è la



Kontroll- und Sanktionsinstanzen: die Organe des Staates 

 123

Die moderne Forschung bewertet die Verfassung der Nomoi als eine Form „demokratisch legitimierte(r) Aristokratie“513. Die Bürgerschaft Magnesias ist nach Vermögensklassen aufgeteilt, was aber keine zentrale Funktion hat. Offensichtlich ist die Einführung eines Zensus eher ein gewisses Zugeständnis an ein menschliches Bedürfnis nach sozialer Distinktion. Darüberhinaus spielt sie bei Ämtern, die in besonderer Weise vor Korruption geschützt sein müssen oder deren Ausübung sehr zeitintensiv ist,514 eine gewisse Rolle.515 Um die Durchsetzung der Regeln zu gewährleisten, gibt es im Staat der Nomoi ein dichtes Netz gegenseitiger Kontrolle. Es dient der Absicherung gegen künftiges Fehlverhalten der Akteure, wobei auch mit dem Fehlverhalten von Beamten, deren Positionen anspruchsvolle Zugangsvoraussetzungen aufweisen, gerechnet wird.516 Platon behält die zu seiner Zeit in demokratischen Staaten übliche Strukturierung in Volksversammlung (Ekklesía), Rat (Boulé) und Magistrate (Archonten) bei. Aber die Rechte von Volksversammlung und Rat werden gegenüber den Gegebenheiten in Athen zugunsten der legislativen und exekutiven Macht der 37 Gesetzeswächter (νομοφύλακες/nomophýlakes) eingeschränkt.517 Diese haben zwei Funktionen: die Einhaltung der Gesetze zu bewachen und gesetzgeberisch tätig zu sein.518 In der gesetzgeberischen Funktion führen sie die Tätigkeit der eigentlichen Gesetzgeber, der Nomotheten, weiter und greifen auch verbessernd ein, wobei sie ggf. Beamte und Spezialisten mit hinzuziehen. Bereits das Vorgespräch (Nomoi I 634C–635B) weist darauf hin, wie wichtig die Kritikfähigkeit im Hinblick auf die Korrektur der Gesetze ist. Allerdings wird nur den alten Männern die Befugnis, Gesetze zu kritisieren, zugestanden (I 634D). Den Hintergrund dürfte die Anschauung bilden, daß Ältere reflexionsfähiger und weniger leichtgläubig, aber auch weniger neuerungswütig sind;519 in jedem Fall

costituzione in cui i πολῖται decidono liberamente di obbedire al νόμος e ai magistrati investiti di autorità).“ 513 Vgl. Schöpsdau (1994) 122f., der auf Menexenos 238D1f. verweist: μετ’ εὐδοξίας πλήθους ἀριστοκρατία. Vgl. Nomoi VI 756E–757A: Die Verfassung muß die Mitte zwischen monarchischer und demokratischer Verfassung einhalten. 514 Vgl. Anm. 515. 515 Vgl. Morrow (1960) 136f. 516 Eine ausgezeichnete Übersicht über die politischen Organe Magnesias bietet Schöpsdau (1994) 113–126. Vgl. Erler (2007) 285f. und Perkams (2013). 517 Vgl. Piérart (1974) 122; Schöpsdau (1994) 113. 518 Vgl. Piérart (1974) 152. 519 Vgl. hierzu auch die Forderung des Atheners an die jungen Atheisten, mit ihrem endgültigen Urteil abzuwarten, bis sie älter sind; offenbar ist eine richtige Erkenntnis überhaupt erst für das Alter angenommen. Das entspricht der Sonderstellung, die der Chor der Alten einnimmt (siehe dazu gut Morrow 1960, 313–317).

124 

 Institutionen in den Nomoi

ist Expertenwissen für einen Eingriff in die Gesetze nötig.520 Dementsprechend ist das Mindestalter für die Gesetzeswächter 50 Jahre. Ihr Amt können sie bis zu einem Alter von maximal 70 Jahren ausüben, d. h. höchstens 20 Jahre. Damit soll wohl die Kontinuität, die für die Aufsicht über die Gesetze und für ihre Verbesserung nötig ist, gewährleistet sein. Denn es ist ja eine stete Überarbeitung und Verbesserung der Gesetze nötig (Nomoi VI 769B–E). Der Herausgehobenheit des Amtes entsprechen die Konditionen der Wahl (VI 753B–D). Die Gesetzeswächter haben weitreichende Befugnisse, was Entscheidung und Mitentscheidung in unterschiedlichen inhaltlichen Fragen betrifft, und sie können Richterkompetenzen übernehmen.521 Die zehn ältesten gehören allein aufgrund ihres Amtes der ‚Nächtlichen Versammlung‘ an. Ihre Wächterfunktion bezieht sich auch auf die Überwachung interner Regeln, die nach Platonischer Vorstellung von immenser Bedeutung für das Funktionieren eines Staates sind. Es ist die Einhaltung derjenigen internen Regeln, die der Aufrechterhaltung der Areté und der guten Sitten dienen. Dazu zählt die Kontrolle von Musik, Literatur, Wirtschaft, privaten Feiern und des Verhaltens der Beamten.522 Darüberhinaus haben sie die Funktion, zu kontrollieren, ob Vermögen richtig eingetragen sind, und leiten die Verfahren wegen Vermögensunterschlagung. Die Gesetzeswächter kontrollieren die Auserlesenen Richter (VI 767E) und werden wiederum selbst von diesen kontrolliert (XI 928B). In der Neugestaltung des Richteramtes wird deutlich, welch hohen Stellenwert Platon dem Fachwissen der verantwortlichen Organe zumißt. Seine Forderung, daß diejenigen Richter, die schwerwiegendere Fälle zu beurteilen haben, Fachkenntnisse besitzen müssen, ist ein Resultat der Erfahrungen mit der Laiengerichtsbarkeit Athens, nicht zuletzt mit dem Todesurteil gegen Sokrates durch ein Volksgericht. Eine besondere Gruppe sind die ‚Auserlesenen Richter‘. Sie werden gewählt, indem „jede Behörde mit mindestens einjähriger Amtszeit ihren besten Beamten nominiert (VI 767C–D).“523 Kontrollinstanz für die Auserlesenen Richter sind die Gesetzeswächter (VI 767E). Die Auserlesenen Richter selbst wiederum haben die Aufsicht über die Euthynen (XII 946D). Dem Amt der Euthynen (Kontrollbeamte) (XII 945B–948B) kommt eine besondere Bedeutung zu, denn sie müssen, da sie Kontrollfunktion haben, den

520 Nach Höffe (1997c) 337 „greift“ Platon „mit der Veränderbarkeit der Gesetze … dem neuzeitlichen Gesetzgebungsstaat bzw. Gesetzespositivismus vor und weist ihn – mit der geforderten Einsicht – zugleich in die Schranken.“ 521 Stellen hierzu bei Schöpsdau (1994) 115. 522 Vgl. Piérart (1974) 153. Zur Frage, inwieweit der Areopag Modell für die Nomophýlakes der Nomoi waren, vgl. Piérart (1974) 153–160, der eher skeptisch ist. 523 Schöpsdau (1994) 117.



Kontroll- und Sanktionsinstanzen: die Organe des Staates 

 125

anderen Beamten an persönlicher Exzellenz überlegen sein (XII 945C2). Sie sind diejenigen Beamten, denen die anderen Beamten und ebenfalls die Richter, die Platon zu den Beamten zählt, rechenschaftspflichtig sind (VI 761E5).524 Sie haben auch die Aufsicht über die Gesetzeswächter (VI 767E525) inne. Damit bekleiden sie „das eigentliche höchste Staatsamt“526. Aufgrund ihres hohen Ansehens gehören sie qua Amt der ‚Nächlichen Versammlung‘ an.527 Die ‚Nächtliche Versammlung‘ ist eine Instanz, die Platon neu kreiert. Sie trägt deshalb diesen Namen, weil sie von Morgengrauen bis zum Sonnenaufgang zusammenkommen kann (XII 951D–952E). Sie besteht aus den Euthynen, den zehn ältesten Gesetzeswächtern, dem jetzigen Aufseher über die Erziehung und seinen Vorgängern. Gegebenenfalls kann der Beobachter, der die Gesetze anderer Orte anschaut und die ‚Nächtliche Versammlung‘ informiert, kooptiert werden. Jedes Mitglied muß einen Mann zwischen Dreißig und Vierzig mitbringen, damit ist also eine Altersmischung erreicht. Da die ‚Nächtliche Versammlung‘ die Aufsicht über die Gesetze und Eingriffsrechte hat, müssen ihre Mitglieder über eine besondere Bildung verfügen (VII 818A; XII 965B–C) und dialektisch vorgehen können. In den Anforderungen, die an sie gestellt werden, ähneln sie den Philosophenherrschern in der Politeia.528 Allerdings haben sie nur legislative Funktionen und stehen selbst unter dem Gesetz.529 Das Bestreben, Qualität zu sichern und etwaige Defizienzen zu ahnden, schlägt sich in einem gut durchdachten Prüf- und Kontrollsystem nieder. Hierzu gehören die auch in Athen übliche Kontrolle eines Beamten bei Amtsantritt (Dokimasie530) und die Rechenschaftslegung. Aber über die athenische Praxis hinausgehend ist die Möglichkeit, daß jeder Bürger einen Beamten einschließlich der Richter wegen Pflichtverletzung oder falscher Entscheidung bei der jeweiligen Aufsichtsbehörde anklagen kann. Ebenso ist die oben beschriebene gegenseitige Kontrolle, der auch die obersten Instanzen unterliegen, ein Novum (VI 767E). Insgesamt also hat Platon, obwohl er in vielen Punkten von Regelungen zeitgenössischer Staaten und insbesondere Athens und Spartas ausgeht,531 entscheidende Veränderungen angebracht: Bei der Besetzung von Ämtern drängt er Losverfahren zugunsten einer Wahl ‚der Besten‘ zurück. Volksversammlung und 524 Vgl. Schöpsdau (1994) 114. 525 Vgl. Schöpsdau (1994) 120. 526 Schöpsdau (1994) 125. 527 Sie sind so angesehen, daß sie nach ihrem Tod einen Heroenkult zugesprochen bekommen. 528 Vgl. hierzu Schöpsdau (1994) 119. 529 Zur Funktion vgl. Perkams (2013) 240–245. 530 Vgl. Morrow (1960) 215ff. 531 Vgl. vor allem Morrow (1960) und Piérart (1974). Eine Zusammenfassung findet sich bei Schöpsdau (1994) 123–126.

126 

 Institutionen in den Nomoi

Rat geben Rechte an die Gesetzeswächter ab. Das Bestreben, die Gerichtsbarkeit dem Volk zu entziehen und sie speziellen Richtern, die möglichst gut ausgebildet sein sollen, zu übertragen, ist deutlich. Es gibt neue Ämter, bei denen durch lange Amtszeiten Kontinuität gewährleistet ist: die Gesetzeswächter, die Aufseher über das Erziehungswesen, die Euthynen, die ‚Nächtliche Versammlung‘. Je mehr ein Amt an Reflexion über die Gesetze und ihren Sinn erfordert, desto mehr Bildung wird von den Inhabern dieses Amtes verlangt. Die meisten Anforderungen in diesem Punkt werden an die Mitglieder der ‚Nächtlichen Versammlung‘ gestellt.532 Die engmaschige Kontrolle und Sanktionierung wird nicht nur durch Beamte wie Agronomen (Landaufseher), Astynomen (Stadtaufseher) und Agoranomen (Marktaufseher) gewährleistet, sondern auch dadurch, daß Bürger, die gerade kein Amt innehaben, für bestimmte Funktionen integriert werden, indem sie etwa zur gegenseitigen Kontrolle, zum Aussprechen von Lob und Tadel und in bestimmten Fällen sogar zur Züchtigung berechtigt sind. Eine für die Durchsetzung der Institutionen entscheidende Funktion hat der Aufseher über das gesamte Erziehungswesen, der aus dem Kreis der Gesetzeswächter stammen muß (VI 765D4–766C1). Er muß mindestens 50 Jahre alt sein und Kinder haben. Die Anforderung an seine besondere Integrität ist in die Formulierung gefaßt, er müsse „in jeder Beziehung der Beste“ sein (VI 766A8). Dieses Amt führt Platon, wie bereits erwähnt, neu ein, und es entspricht der wichtigen Rolle der Erziehung.533 Diese kurze534 Zusammenstellung macht deutlich, daß die vielfältigen Formen staatlicher Organe dem Netzwerk von Institutionen entsprechen und daß die Vorsicht, die sich in dem Verhältnis von Charakterschulung und institutioneller Absicherung zeigt, zum Zuge kommt: Die persönliche Qualität der Beamten wird verlangt, was Platons Anforderungen an das Éthos der politisch Verantwortlichen, wie sie die Politeia herausarbeitet, entspricht. Im Unterschied zur Politeia wird aber mit der Gefahr, daß die Individuen den Anforderungen nicht genügen, gerechnet, so daß auch die Vorschriften zur gegenseitigen Kontrolle das Ergebnis genauer Überlegungen sind.

532 Vgl. Laks (2005) 61–69. 533 Vgl. oben, S. 113–118. 534 Auf welche Weise Institutionen und staatliche Organe einander genau zugeordnet sind, kann hier nicht näher betrachtet werden, sondern muß anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben.

11 Institutionen im Bereich der Wirtschaft 11.1 Das Problem der Vereinbarkeit von politischer und wirtschaftlicher Betätigung Es ist deutlich geworden, daß Platon in seinen Überlegungen, welche Maßnahmen auf dem Weg zu einem ‚gelungenen Leben‘ für Individuum, Gesellschaft und Staat nötig sind, auf unterschiedliche Formen von Institutionen setzt, die für Stabilität sorgen sollen. Die interne Institution der auf Erkenntnis des Richtigen beruhenden ethischen Selbstbindung, also ‚Moral‘, ist eine davon, die Platon zwar für besonders nachhaltig, aber gleichzeitig auch für sehr selten anzutreffen hält. Da sie allein zu unsicher wäre, muß sie durch andere ergänzt werden. Diese Einsicht gilt besonders für den wirtschaftlichen Bereich. Ihn betrachtet Platon als besonders stabilitätsgefährdend. Das ist der Grund, warum er ihn sowohl in der Politeia als auch in den Nomoi Reglementierungen unterwirft, die, verglichen mit anderen Bereichen, außerordentlich streng sind. Politeia und Nomoi unterscheiden sich in der Ausführlichkeit, mit der auf die Bestimmungen für die Wirtschaft eingegangen wird. Zwar wird in der Poli­ teia entwickelt, daß wirtschaftliche Prozesse zum Menschen dazugehören, daß also auf der theoretischen Ebene Ökonomie auch eine Frage der Anthropologie ist und Wirtschaft und Ökonomie zentrale Stellenwerte haben.535 Aber detailliertere Ausführungen, wie der wirtschaftliche Bereich auszusehen hat, werden nicht gegeben. Denn die Politeia ist konzentriert auf die Frage, wie die Regeln für die beiden oberen und politisch verantwortlichen Stände gestaltet werden müssen, wohingegen die Details für den dritten Stand kaum von Interesse sind. Da aber diesem die wirtschaftlichen Tätigkeiten obliegen, sind diese nicht ausführlicher dargestellt. Wie wichtig Platons Verständnis zufolge die Wirtschaft ist, zeigt sich daran, daß die Gesetzgeber der Nomoi ein detailliertes Regelwerk für sie entwickeln. Im Unterschied dazu verzichten sie in anderen Fällen auf Detailausführungen, wie etwa in der Frage, wie man bei Klagen gegen Beamte vorzugehen habe (Nomoi VIII 846B–C). Die Gründe für die herausgehobene Behandlung des wirtschaftlichen Bereichs sind unterschiedlicher Art und greifen ineinander. Ein erster liegt in dem von Politeia und Nomoi vertretenen Prinzip, daß politische Verantwortung und eine gewinnorientierte Tätigkeit unvereinbar sind. So ist im Staat der Poli­ teia für die oberen Schichten wirtschaftliche Aktivität verboten (III 415D–417B; 535 Vgl. oben, S. 33–38. DOI 10.1515/9783110457070-011

128 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

IV 420B–423A). In den Nomoi, in denen alle Bürger politische Akteure sind, ist diesen zwar nicht die Tätigkeit in der Landwirtschaft, wohl aber der Handel untersagt. Dieser liegt ganz in den Händen von Nicht-Bürgern.536 In dieser Trennung von Politik und Handel wird das Prinzip der Arbeitsteilung aufrechterhalten. Die politische Tätigkeit soll die volle Aufmerksamkeit des einzelnen Bürgers haben; deshalb kann er nebenher keine anderen Aufgaben übernehmen.537 So heißt es in Nomoi VIII 846D4–7: Denn ein Bürger besitzt bereits einen ausreichenden Beruf (téchne), der viel Übung und viele Kenntnisse erfordert: er muß die gemeinsame Ordnung der Stadt bewahren und erhalten, was nicht als Nebensache betrieben werden darf.538

Bürger dürfen also weder Handwerker noch Händler sein, da durch die Doppeltätigkeit zu viel Energie abflösse, die der eigentlichen Aufgabe der Bürger, der Politik, zugute kommen muß. Eine Folgerung dieses Anspruchs an die Bürger ist es, dafür zu sorgen, daß sie ihre Zeit zielgerichtet und sinnvoll zubringen (VII 807D–E). Wie dies zu geschehen hat, wird nicht näher ausgeführt, vielmehr weist der Athener darauf hin, daß eine solche Detailregelung des täglichen Lebens nicht Sache des Gesetzgebers sein könne und daß ein der Tätigkeit gewidmetes Leben nicht unbedingt durch Gesetz angeordnet sein müsse, sondern auch aus der Gewöhnung entstehen könne. Die Überschreitung des Verbotes an die Bürger, als Händler tätig zu sein, wird mit einer klaren Sanktion belegt: dem Verlust der Ehre und dem Tadel durch die Stadtaufseher (VIII 847A). Diesen Maßnahmen muß er sich so lange unterziehen, bis er sich zum Besseren gewandt hat. Wenn das nichts nützt, drohen Gefängnis und Geldstrafe, ja sogar Ausweisung. Die aus dem Prinzip der Arbeitsteilung resultierende rigide Trennung wirtschaftlicher und politischer Tätigkeit wird flankiert durch die prinzipielle Vorsicht gegenüber der menschlichen Pleonexie. Aber nicht Geld und Reichtum per se werden verworfen. Schließlich hat in der Güterhierarchie auch die materielle Sicherheit ihren Platz, wenngleich an unterster Stelle und mit der Einschränkung, es müsse umsichtig mit Vermögen umgegangen werden.539 Kritisiert und 536 Vgl. unten, S. 142–150. 537 Vgl. Bobonich (2001) 100f. 538 τέχνην γὰρ ἱκανήν, πολλῆς ἀσκήσεως ἅμα καὶ μαθημάτων πολλῶν δεομένην, κέκτηται πολίτης ἀνὴρ τὸν κοινὸν τῆς πόλεως κόσμον σῴζων καὶ κτώμενος, οὐκ ἐν παρέργῳ δεόμενον ἐπιτηδεύειν. 539 Diese Forderung ist in dem Bild des nicht blinden, sondern scharf hinblickenden Reichtums (Nomoi I 631C4f.: οὐ τυφλὸς ἀλλ’ ὀξὺ βλέπων) gefaßt. Die Güterhierarchie entwickelt Nomoi I 631B–D. Demnach sind die göttlichen Güter (in dieser Reihenfolge): Tapferkeit (ἀνδρεία), Gerechtigkeit (δικαιοσύνη), Umsicht (φρόνησις), eine vernunftgesteuerte, besonnene Seelenhal-



Das Problem der Vereinbarkeit von politischer und wirtschaftlicher Betätigung 

 129

gefürchtet wird dagegen eine Geisteshaltung, die nicht den richtigen Stellenwert von Reichtum erkennt, sondern ihn über das Wohlergehen von Seele und Körper stellt. Welchen Anreiz materielle Gier bildet, macht die Tatsache klar, daß sie dem Athener als wichtigstes Motiv für Mord gilt (IX 869E10–870C5). Schuld an einer materialistischen Mentalität hat aber nicht nur die Anlage des Menschen, immer mehr zu wollen: sie ist auch Frucht eines verkehrten Wertesystems, das wiederum einer falschen Erziehung zu verdanken ist, die – bei Griechen und anderen Völkern – den Reichtum zum höchsten Ziel erklärt.540 Darum müssen Individuum (Politeia IV 421C–422A; Nomoi 919B–D) und Staat vor Geldgier geschützt werden. So schließt Sokrates in der Politeia die Vereinbarkeit von Wertschätzung des Reichtums und maßvoller Gesinnung (Sophrosýne) aus (Politeia VIII 555C7–D1), und ein groß angelegter Gedankengang in den Nomoi hat das Ziel zu zeigen, daß ein übermäßiger Reichtum541 gar nicht ohne Unmoral zu erwerben ist (Nomoi V 742C–744A). Platon hebt hier also auf das Grundphänomen menschlicher Gier ab.542 Dies bedeutet aber nicht, daß er ausschließlich menschliche Gier als Grund für Preisschwankungen angesehen und Marktmechanismen negiert bzw. vernachlässigt hätte. Vielmehr ist die menschliche Gier der problematische Faktor im Hinblick auf Preisschwankungen. Man kann also nicht, wie etwa Morley, beides als einander ausschließende Erklärungen verwenden.543 Ein dritter Grund für die Wachsamkeit, die Platon gegenüber der Wirtschaft an den Tag legt, ist die Problematik, daß die Einheit der Bürger und die Stabilität des Staates gefährdet sind, wenn die Vermögensunterschiede zu groß sind. Daß der Mechanismus einer Marktgesetzlichkeit aber zu großen Vermögensunterschieden führen kann, ist die Erfahrung, die in allen Überlegungen zur Reglementierung der Wirtschaft mit einfließt. Denn sowohl zu großer Reichtum als auch zu große Armut verderben den Charakter, führen zu einem negativen Verhalten und sind so der Harmonie unter den Bürgern abträglich. Es geht also nicht um die Amoralität des einzelnen, sondern darum, daß eine solche Entwicklung tung (μετὰ νοῦ σώφρων ψυχῆς ἕξις). Menschliche Güter sind Gesundheit (ὑγίεια), gutes Aussehen (κάλλος), Stärke (ἰσχύς), Wohlstand (πλοῦτος). Vgl. dazu Schriefl (2013a) 225–227. 540 Vgl. hierzu oben, S. 53 mit Anm. 227. 541 So ist mit dem positiv konnotierten Reichtum nicht ein großes Vermögen, sondern „ein eher bescheidenes materielles Wohlergehen, das in der Mitte zwischen extremem Reichtum und Armut steht (V 728e–729c)“, gemeint (Schriefl 2013a, 226). 542 Zum Grundphänomen ‚menschliche Gier‘ im Zusammenhang mit der Bankenkrise vgl. Sautter (2013) 219–221. 543 Vgl. Morley (2007) 79: „The tendency of prices in the market to vary was well understood, but it was not attributed to impersonal ‚market forces‘; on the contrary, it was seen as the direct result either of changes in supply (most commonly, due to harvest failure or glut) or of the greed of individuals.“

130 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

zu Spannungen führt, die schädlich für die Einheit sind.544 So ist ein Hauptpunkt seiner Oligarchiekritik, daß sich die einen Bürger auf Kosten der anderen bereichern.545 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß in Magnesia unter allen Umständen dafür gesorgt werden soll, daß die Zahl der Landlose fix bleibt, so daß es zu keiner Umschichtung kommen kann, und daß es strenge Bestimmungen gibt, wie groß die Vermögensunterschiede sein dürfen.546 Faßt man die Gründe für Platons Position zur Wirtschaft zusammen, ist sie also nicht einfach einer moralischen Grundhaltung geschuldet. Vielmehr ist der Ausgangspunkt politischer Natur: Für eine gelingende Politik, die auf die Eudaimonie aller achtet und die Einheit des Staates im Blick hat, ist Stabilität ein zentraler Faktor. Sie hängt, natürlich, auch vom Charakter des einzelnen ab, und dieser ist nicht nur Sache der natürlichen Anlage, sondern auch der Erziehung. Hierin liegt der Kern für die Möglichkeit positiver Veränderung. Aber es wäre fahrlässig von einem Gesetzgeber, zu sehr der menschlichen Natur zu vertrauen, also sind Institutionen unter staatlicher Kontrolle unabdingbar. Im folgenden werde ich mich auf einzelne Beispiele konzentrieren, an denen sich gut zeigen läßt, wie Platon die Möglichkeiten externer und interner Institutionen für einen Regelungsmechanismus nutzt. Dabei wird, wo es für die Fragestellung dieser Arbeit nötig ist, punktuell darauf hingewiesen, worin sich die Gesetze, die die Nomoi entwerfen, von geltendem attischen Recht unterscheiden oder in welchem Verhältnis sie zu älterem Recht, wie etwa den Solonischen Gesetzen, stehen. Dafür verweise ich vielfach auf den vorzüglichen Kommentar von Schöpsdau, der die historische Perspektive auf der Grundlage rechtsgeschichtlicher Literatur aufgearbeitet hat.547

11.2 Einzelne Regelungen in den Nomoi Wenn man die Maßnahmen, die Platon in den Nomoi für den wirtschaftlichen Bereich entwickelt, summarisch bewerten möchte, läßt sich sagen, daß insgesamt

544 Politeia IV 422D–423A; VIII 551C–552E. 545 Vgl. oben, S. 44. 546 Vgl. unten, S. 133. 547 Schöpsdau (1994; 2003; 2011). Mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen den in den Nomoi entworfenen Regelungen und der historischen Situation beschäftigen sich neben Piérart (1974) und Morrow (1960) die Arbeiten von Gernet (1951) xciv–cxix; Klingenberg (1976); Rossetti (2001). Zur Diskussion der Frage, inwiefern sich valide Aussagen über die in späteren Quellen, wie der Athenaion Politeia und bei Plutarch, überlieferten Solonischen Gesetze aussagen läßt, vgl. den Sammelband von Blok/Lardinois (2011).



Einzelne Regelungen in den Nomoi 

 131

eine Abschottung Magnesias gegenüber der Außenwelt erreicht werden soll.548 Handel kann, entsprechend der Platonischen Anthropologie, nicht komplett abgeschafft, soll aber beschränkt werden. Damit wird im wirtschaftlichen Bereich ein Gegenmodell zu Athen geschaffen, das seit den Solonischen Reformen auf Wirtschaftswachstum aus war.549 Daß sich Platon in diesem Punkt also von dem Reformer Solon absetzt, auf dessen Gesetze er in anderen Belangen zurückgeht, zeigt wiederum, daß es ihm nicht darum ging, einfach Altes wiederzubeleben, sondern in einem Amalgam von Altem, Zeitgenössischem und Eigenem eine neue Konzeption zu entwickeln, die dem Ideal der Eudaimonie entspricht. Regelungen zur Wirtschaft550 finden sich in den Büchern IV, V und VI in den Maßnahmen, die für die Art des zu besiedelnden Landes, die Einrichtung von Vermögensklassen, die Steuerung der Bevölkerungsgröße, die Landverteilung und die Eigentumsregelung vorgesehen sind. In Buch VIII wird die wirtschaftliche Organisation des Staates entworfen. Buch IX geht im Rahmen des Strafrechts auf Tempelraub und Eigentumsdelikte ein, während Buch XI mit dem Eigentumsrecht befaßt ist sowie Handels- und Gewerberecht und Belange des Familienrechts behandelt. In Buch XII finden sich einige Detailregelungen.

11.2.1 Ökonomische Voraussetzungen für einen ‚Sozialen Frieden‘ Bereits die Umwelt der neu zu gründenden Stadt bildet eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen des Staatsprojektes, weil sie zu der auf Eudaimonie ausgerichteten Regeldurchsetzung beiträgt. Denn sie fördert oder erschwert die Entstehung des Vertrauens, das wiederum die Grundlage für die sozialen Tugenden bildet, menschliche Interaktion erleichtert und damit transaktionskostensenkend wirkt. Die Fähigkeit, zu vertrauen und vertrauenswürdig zu sein, ist aber dort, wo Handel eine zentrale Rolle spielt, unterentwickelt. Darum sollten schon die äußeren Gegebenheiten der Entwicklung von intensiver Handelstätigkeit keinen Vorschub leisten. Deshalb ist eine Lage weit weg vom Meer eigentlich eine gute Voraussetzung. Die Entfernung von 80 Stadien (ca. 15 km551), die Kleinias zufolge die Distanz

548 Ihr entspricht das Bestreben nach politischer Abgeschlossenheit, die schädliche Einflüsse von außerhalb abwehren soll. 549 Vgl. Stanley (1999). Auch im Atlantismythos des Kritias läßt sich Kritik an einer an Wirtschaftswachstum ausgerichteten Zielsetzung erkennen. 550 Vgl. die Strukturierungen von Schöpsdau (1994) 95–98, Pradeau (2002) 25 Anm.  1 und Schriefl (2013b) 113–120. 551 Vgl. Schöpsdau (1994) 107.

132 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

der neuen Kolonie zum Meer betragen soll, gilt dem Athener bereits als bedenklich, zumal die neue Stadt über sehr gute Häfen verfügen wird. Denn das Risiko einer meernahen Lage besteht darin, daß der Außenhandel eine größere Rolle als in einer mehr im Landesinneren liegenden Stadt einnehmen wird. Die negative Sicht gilt dabei beiden, in Politeia (II 371D) und Sophistes (223D) unterschiedenen Arten von Handel: Der maritime Großhandel führt zu übermäßiger Einfuhr von (auswärtigem) Geld und Reichtum und den damit verbundenen Gefahren moralischer Verderbnis, aber er bringt auch Gewohnheiten und Sitten mit sich, die den im neuen Staat im Hinblick auf die Eudaimonie angestrebten Werten nicht entsprechen. Der Kleinhandel wiederum verleitet zu Geldgeschäften (chrema­ tismós). Auf diese Weise aber entstehen Gesinnungen, die unzuverlässig (palím­ bola) und nicht vertrauenwürdig (ápista) sind. Damit verhindert der Handel Wohlwollen und untergräbt das Vertrauen – und zwar, wie der Athener betont, nicht nur unter den Bürgern selbst, sondern auch gegenüber anderen Menschen. Eine Einschränkung des Handels, der auch eine geeignete Lage der Stadt Vorschub leisten kann, zielt also darauf, die Wesensart der Bürger aufnahmebereit für die Institutionen des neuen Staates zu machen. Angesichts der Gefahren einer großen Gold- und Silbereinfuhr mit allen damit verbundenen Risiken für die innenpolitische Stabilität, die Magnesia durch die handelsfreundliche Lage drohen, erweist es sich dann als ein Glück, daß es keine Exportgüter besitzt, da es aufgrund der Bodenbeschaffenheit nur für den eigenen Bedarf produzieren kann. Damit kann es nicht exportieren, ist aber autark. Diese Kombination verhindert eine Anhäufung von Gold- und Silbermünzen und das damit verbundene moralische Risiko. Die individualethischen und sozialen Bedenken, die Platon den Athener gegen eine Lage am Meer äußern läßt, werden flankiert durch Kritik gegenüber dem Vorgehen und den Strukturen einer Seemacht.552 Diese physische und ideelle Positionierung Magnesias ist klar gegen athenische Verhältnisse gerichtet.553

11.2.2 Grundbesitz und Eigentum Die Basis der Regelungen zu Grundbesitz und Eigentum bildet die aus Platons Anthropologie folgende Forderung, daß die wichtigste Voraussetzung für die Staatsgründung die Vermeidung der Besitzgier sei (Nomoi V 737A) und deshalb 552 Zu der Kritik an den Prinzipien einer Seemacht vgl. Gorgias 519A und Kritias 115C: Hier siegt Ur-Athen mit seinen Landstreitkräften gegen die Seemacht Atlantis (vgl. hierzu Schöpsdau 2003, 144). 553 Vgl. Morrow (1960) 95–100.



Einzelne Regelungen in den Nomoi 

 133

der völlige Verzicht auf Eigentum die beste Regelung darstelle (V 740A). Dieser Anspruch wird zwar in dem andersartigen Staatsmodell der Politeia für die beiden oberen Stände der politischen Akteure erfüllt, aber in den Nomoi wird er nur als Maximalvorstellung beibehalten, im Hinblick auf die Durchführbarkeit des Staatsprojekts aber als unrealistisch betrachtet. Deshalb dürfen die Bürger des neuen Staates über Eigentum verfügen, aber es unterliegt strengen Reglementierungen. Diese gelten auch für die Aufteilung des Landes. Dieses ist in 5040 Landlose untergliedert, denen dieselbe Zahl von Haushalten entspricht.554 Die Landlose dürfen nicht verkauft werden. Dieser Regelung liegt die Notwendigkeit zugrunde, daß die Zahl der Landlose nicht schwanken darf. Jeder Bürger hat also den gleichen Anteil am Boden, und die Zahl der Landlose bleibt fix. Damit führt Platon zusammen mit einer Obergrenze auch eine Untergrenze für erlaubten Bodenbesitz ein,555 was seiner Forderung nach einer Balance zwischen Arm und Reich entspricht. Wie radikal seine Überlegungen zu einer möglichst umfassenden Gleichverteilung des Besitzes sind, zeigen die Vorschläge des Atheners für den Fall, daß ein bereits existierender Staat reformiert werden soll. Dann müsse von den Reichen eine behutsame und allmähliche Umverteilung des Besitzes ausgehen, und Schuldenerlasse könnten zu einer Gleichverteilung beitragen. Die Ursache der rigiden Maßnahmen dürfte die Erfahrung starker sozialer Spannungen gewesen sein, die auch Aristoteles zu Reflexionen über die Bedeutung ausgeglichener Vermögensverhältnisse veranlaßt haben (Politik II 7).556 Nur Bürger dürfen Grundbesitz haben. Dies ist eine Regelung, die sich in griechischen Stadtstaaten des 4. Jhdts. v. Chr. finden läßt,557 aber von Platon zuge­ spitzt wird, wie Piérart betont: „en subordonnant l’octroi de la qualité de citoyen à la possession d’un lot de terre, lors de la fondation de la colonie, Platon s’écarte considerablement des institutions attiques de son époque.“558

554 Zu Überlegungen, warum gerade diese Zahl gewählt wird, vgl. Bisinger (1925) 13. Der Sinn liegt wohl darin, daß sie durch alle Zahlen von 1 bis 12 außer durch 11 teilbar ist und damit eine gute Basis für die administrative Gliederung der Polis liefert (Trampedach 1994, 238). Vgl. Schöpsdau (2003) 299–301. 555 Vgl. Bisinger (1925) 60. 556 Zu dem historischen Hintergrund von Platons Regelungen vgl. Schöpsdau (2003) 296. Zu, v. a. in Kolonien, anzutreffenden staatlichen Regelungen, die die Entstehung von Großgrundbesitz verhindern sollten, vgl. Schöpsdau (2003) 316f. Die Solonischen Gesetze sollen einen ein bestimmtes Maß übersteigenden Grundbesitz verboten haben. Diese Maßnahme begründet Aristoteles (Politik II 7) mit der inneren Verfaßtheit der staatlichen Gemeinschaft. Ob es ein solches Gesetz zur Beschränkung des Grundbesitzes auch noch im Athen Platonischer Zeit gab, ist unklar (vgl. Ruschenbusch 2010, 132). 557 Vgl. Morrow (1960) 111. 558 Piérart (1974) 53.

134 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

Pradeau hat herausgearbeitet, daß die Landlose die Einheit und das Maß des Staates sind. Denn dem Ziel, die Zahl der Landlose stets identisch zu halten, werden die Vorschriften zur Familienplanung und das Familienrecht untergeordnet.559 Zu diesem gehört das Erbrecht, das Vorschriften erteilt, auf welche Weise die Vererbung auf einen Sohn erfolgen kann – und muß.560 Die Maßgabe, die Zahl der Landlose stets konstant zu halten, verfolgt offensichtlich zwei Ziele: Sie soll gewährleisten, daß die Grundstücke gleich groß bleiben und daß der unbewegliche Besitz gleichverteilt ist, so daß keine ‚soziale Schere‘ mit den damit verbundenen Streitigkeiten unter den Bürgern entstehen kann. Aber ihr unterliegt offensichtlich noch eine dritte Absicht: Die Beschränkung sorgt für eine konstante und überschaubar bleibende Anzahl von Bürgern. Der Staat soll eine überschaubare Größe haben, damit die Bürger sich gegenseitig kennen können. Dies ist ein wichtiges Anliegen, das auch in den Vorschriften für das Land, das der Götterverehrung zur Verfügung gestellt werden soll, zur Sprache kommt (Nomoi V 738C–E): Religiöse Feste dienen nicht nur der angemessenen Verehrung der Götter, sondern bilden die Gelegenheit, zu denen die Bürger sich besser kennenlernen und einschätzen lernen können (V 738E2–8): Wo nämlich nicht gegenseitig Klarheit über die Gesinnungen des andern herrscht, sondern Dunkel, da wird wohl keiner jemals die gebührende Ehre oder die Ämter oder das ihm zustehende Recht in der richtigen Weise bekommen können. Also muß jeder Mann in jeder Stadt vor allem darauf bedacht sein, daß er niemals sich selbst einem andern gegenüber als falsch erweist, sondern stets als aufrichtig und wahr, und daß ihn auch nie ein anderer mit solchen Eigenschaften täuscht.561

In dem Text wird die Bedeutung der durch Transparenz erzeugten Informationssymmetrie angesprochen. Sie ist ein wichtiger Bestandteil, um sich gegenseitig richtig einschätzen und Vertrauen entwickeln zu können. Denn wenn auf diese Weise dafür gesorgt werden kann, daß die Bürger einander kennen, ist eine gute Voraussetzung für Freundschaft und Einheit, die zentralen Elemente der Eudaimonie, geschaffen. Platon hat hier also tatsächlich das Ziel einer ‚face to face‘-Gesellschaft vor Augen, die Athen im 4. Jhdt. v. Chr. nicht war.562 Aber eine 559 Pradeau (1990). 560 Auf das Erbrecht kann in diesem Rahmen nicht ausführlich eingegangen werden. Zur Notwendigkeit, die Vererbung staatlich zu regeln, vgl. unten, S. 139. 561 ὅπου γὰρ μὴ φῶς ἀλλήλοις ἐστὶν ἀλλήλων ἐν τοῖς τρόποις ἀλλὰ σκότος, οὔτ’ ἂν τιμῆς τῆς ἀξίας οὔτ’ ἀρχῶν οὔτε δίκης ποτέ τις ἂν τῆς προσηκούσης ὀρθῶς τυγχάνοι· δεῖ δὴ πάντα ἄνδρα ἓν πρὸς ἓν τοῦτο σπεύδειν ἐν πάσαις πόλεσιν, ὅπως μήτε αὐτὸς κίβδηλός ποτε φανεῖται ὁτῳοῦν, ἁπλοῦς δὲ καὶ ἀληθὴς ἀεί, μήτε ἄλλος τοιοῦτος ὢν αὐτὸν διαπατήσει. 562 Darauf weist Ober, in Absetzung von Finley, hin. Einen solchen Charakter hatten eher die Demen (Ober 1989, 31–33).



Einzelne Regelungen in den Nomoi 

 135

solche ist nicht nur die Grundlage dafür, daß die politischen Akteure sich gegenseitig kennen und deshalb gute Voraussetzungen für die intelligente Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts haben, sondern auch dafür, daß die vom Gesetzgeber vorgesehenen Institutionen, die auf gegenseitiger Kontrolle und sozialen Strafen beruhen, funktionieren können. Denn je vertrauter das Verhältnis ist, desto besser funktionieren Strategien, die auf Ehre und Scham setzen. Vorsicht ist auch in der Bestimmung zu spüren, daß die Verteilung von besserem und schlechterem Land gleichmäßig erfolgen soll, das heißt: Das Landlos eines jeden Bürgers besteht nicht aus einem einzigen, zusammenhängenden Landstück, sondern aus verschiedenen Landstücken. Damit nicht ein Bürger nur agrarisch gutes, ein anderer schlechtes Land hat, muß man Sorge tragen, daß jeder Bürger gleichviel Anteil an gutem wie an schlechtem Boden besitzt (V 745B–E). Dies ist ein deutliches Zeichen für das Bewußtsein der Bedeutung von Risikovermeidung. Über die Frage, inwieweit die Landlose wirklich ein Zugeständnis an Privatbesitz sind, wird in der Forschung diskutiert. Morrow wies darauf hin,563 daß sie nicht verkauft werden dürfen. Helmer hat die These aufgestellt, daß sie gewissermaßen an die Stelle des oíkos treten564 und daß die Bestimmungen, die für sie gelten, einen Ausgleich zwischen dem anthropologisch gegebenen Bedürfnis nach Eigentum, „tel qu’il se manifestes dans les appétits liés au corps“, und den Erfordernissen einer „vraie politique“ schaffen sollen.565 Entscheidender als die juristische Perspektive erscheint mir aber der Umgang mit dem Besitz, den der Athener von den Bürgern fordert (Nomoi V 739E8–740B1): Nun: man soll als erstes das Land und die Wohnungen verteilen und den Boden nicht gemeinsam bebauen, da eine solche Forderung bei der jetzigen Generation und bei deren Erziehung und Bildung zu schwer wäre. Man soll aber die Verteilung wenigsten in folgender Gesinnung vornehmen: wer einen solchen Anteil durch Los erhält, der soll ihn als Gemeingut der ganzen Stadt ansehen, und da die Erde seiner Vaterstadt gehört, soll er sie noch mehr achten und pflegen als Kinder ihre Mutter, zumal da sie überdies als eine Göttin Herrin über uns Sterbliche ist; und die gleichen Gesinnungen soll man auch gegenüber den einheimischen Göttern und Dämonen hegen.566

563 Morrow (1960) 106. 564 Helmer (2010) 206. 565 Helmer (2010) 209. 566 Νειμάσθων μὲν δὴ πρῶτον γῆν τε καὶ οἰκίας, καὶ μὴ κοινῇ γεωργούντων, ἐπειδὴ τὸ τοιοῦτον μεῖζον ἢ κατὰ τὴν νῦν γένεσιν καὶ τροφὴν καὶ παίδευσιν εἴρηται· νεμέσθων δ’ οὖν τοιᾷδε διανοίᾳ πως, ὡς ἄρα δεῖ τὸν λαχόντα τὴν λῆξιν ταύτην νομίζειν μὲν κοινὴν αὐτὴν τῆς πόλεως συμπάσης, πατρίδος δὲ οὔσης τῆς χώρας θεραπεύειν αὐτὴν δεῖ μειζόνως ἢ μητέρα παῖδας, τῷ καὶ δέσποιναν θεὸν αὐτὴν οὖσαν θνητῶν ὄντων γεγονέναι, ταὐτὰ δ’ ἔχειν διανοήματα καὶ περὶ τοὺς ἐγχωρίους θεούς τε ἅμα καὶ δαίμονας.

136 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

Hier wird mit einer Selbstverpflichtung gearbeitet, die auf religiöse Bindung und politische Verantwortung des einzelnen setzt. Er soll nicht willkürlich mit dem ihm anvertrauten Grund und Boden verfahren, sondern sich immer der mit ihm verbundenen sozialen Verantwortung bewußt sein (V 740A4: ταύτην νομίζειν μὲν κοινὴν αὐτὴν τῆς πόλεως συμπάσης). Damit ist eine Grundlage geschaffen, daß der Umgang mit dem Eigentum an Boden auch durch interne Institutionen geregelt werden kann. Die Distribution der Ernte ist streng reglementiert: Zwei Drittel dienen der Verteilung an den eigenen Haushalt, ein Drittel müssen die Bürger den Metöken und den Fremden, die sich nur temporär in Magnesia aufhalten, zum Verkauf abgeben (VIII 847E–848C).567 Der Vermeidung der philochrematía dient das für historische Staaten nicht belegte Verbot für Bürger und ihre Sklaven, Handel zu treiben oder ein Handwerk auszuüben.568 Beides darf nur von Fremden und ihren Sklaven übernommen werden. Privater Geldbesitz ist strikt reglementiert. Dem liegt die Befürchtung zugrunde, daß die Anhäufung von Geld Selbstzweck wird und dieses nicht mehr als das angesehen wird, was es ist: ein Mittel auf der untersten Ebene, das der Eudaimonie dient. Aus diesem Grund dürfen die Bürger weder Gold noch Silber besitzen (V 742A–B) – eine Regel, die es vielleicht569 in früheren Zeiten in Sparta gab, die andere griechische Staaten aber nicht kannten.570 Die Bürger dürfen nur aus Landwirtschaft Gewinn ziehen und auch hier nur einen mäßigen, der das eigentliche Ziel, die Balance von Leib und Seele, nicht aus den Augen verliert (V 743C–E). Dabei liegt das Spezifikum der Platonischen Regelung in der Verbindung von Abschreckung und Charaktererziehung, die das Gesetz der Nomoi vollzieht.

567 Die Landbesitzer sind gleichzeitig die Verteidiger ihres eigenen Landes (Nomoi V 737E1–3). Der Bürger ist also Agrarier und Soldat in einem. Ob dabei die Bürger selbst sich mit Landarbeit befassen oder alles ihren Sklaven überlassen, ist umstritten; vgl. hierzu Schöpsdau (1994) 112; Schriefl (2013b) 117. Nomoi VIII 846D–847A legt nahe, daß nur die Sklaven arbeiten, weil die Bürger mit dem Bemühen um die eigene Areté und die politischen Geschäfte befaßt sind. Andere Stellen hingegen lassen vermuten, daß die Bürger der unteren Vermögensklassen selbst tätig sein müssen (vgl. Knoch, 1960, 40). Knoll (2013) 159–163 führt gute Argumente dafür an, daß die Bürger selbst nicht mitarbeiten. Zum Status der Sklaven in den Nomoi vgl. Morrow (1960) 148–152. 568 Vgl. hierzu unten, S. 142–150. 569 In der Forschung ist umstritten, inwieweit diese Regel in Sparta galt. Zu diesem Komplex vgl. Hodkinson (2000) und Figueira (2002). Offenbar ist dies eine idealisierte Version von Sparta, die auf Plutarch zurückgeht und von Platon selbst inspiriert wurde, vgl. De Brasi (2013) 211–215. 570 Vgl. Schöpsdau (1994) 112.



Einzelne Regelungen in den Nomoi 

 137

Bezahlt werden darf nur mit einer im Staat gültigen Münze. Für Devisen gelten strenge Vorschriften,571 die gut das Zusammenspiel verschiedener Institutionen demonstrieren (Nomoi V 742B3–C2): Wenn dagegen ein Privatmann wirklich einmal verreisen muß, so darf er erst reisen, wenn er von den Beamten die Erlaubnis bekommen hat, und wenn er mit fremdem Geld heimkehrt, das er von irgendwo erhalten hat und das ihm übrig geblieben ist, so soll er dies an die Stadt abführen und im entsprechenden Gegenwert einheimisches dafür bekommen; stellt sich aber heraus, daß er es für sich behalten hat, so soll es konfisziert werden, und wer darum gewußt und es nicht angezeigt hat, den soll zusammen mit dem, der es heimgebracht hat, Fluch und Schande treffen und außerdem eine Geldbuße, die nicht geringer ist als das mitgebrachte fremde Geld.572

Privatleute dürfen nur nach Anmeldung bei den zuständigen Beamten reisen; bei der Heimkehr müssen sie fremde Währung gegen die Landeswährung umtauschen. Sollten sie dennoch Devisen behalten, werden diese konfisziert; sowohl der Übeltäter als auch etwaige Mitwisser sollen mit Fluch, Tadel und einer Geldstrafe belegt werden. Hier kommt das doppelte Sanktionssystem573 von göttlicher und weltlicher Ahndung zur Geltung; religiöse Strafe, Ehrenstrafe und Geldstrafe werden kombiniert. Die strenge Bestrafung verweist auf die Größe und die soziale Dimension des Verbrechens, dessen sich nicht nur der Täter, sondern auch der Mitwisser schuldig macht.574 Die im Fall eines Vergehens angedrohte Strafe in Form von Verfluchung und Tadel bezieht sich auf die Regelung, daß bei unterlassener Anzeige der Betreffende öffentlich zum kakós, einem schlechten Bürger, zu erklären sei.575 Diese Institution zielt auf die normative Herstellung eines bestimmten sittlichen Verhaltens, das der Überwachung anderer Akteure unterliegt.576 Gleichzeitig wird mit der Auflage, daß Täter und Mitwisser eine Strafe zahlen müssen, die doppelt so hoch wie die Summe des unterschlagenen Geldes ist, eine abschreckende Wirkung erreicht. 571 Die Beispiele ‚Devisenverbot‘ und ‚Arbeitsverträge mit Handwerkern‘ sind auch in Föllinger (2016a) behandelt. 572 ἰδιώτῃ δὲ ἂν ἄρα ποτὲ ἀνάγκη τις γίγνηται ἀποδημεῖν, παρέμενος μὲν τοὺς ἄρχοντας ἀποδημείτω, νόμισμα δὲ ἄν ποθεν ἔχων ξενικὸν οἴκαδε ἀφίκηται περιγενόμενον, τῇ πόλει αὐτὸ καταβαλλέτω πρὸς λόγον ἀπολαμβάνων τὸ ἐπιχώριον· ἰδιούμενος δὲ ἄν τις φαίνηται, δημόσιόν τε γιγνέσθω καὶ ὁ συνειδὼς καὶ μὴ φράζων ἀρᾷ καὶ ὀνείδει μετὰ τοῦ ἀγαγόντος ἔνοχος ἔστω, καὶ ζημίᾳ πρὸς τούτοις μὴ ἐλάττονι τοῦ ξενικοῦ κομισθέντος νομίσματος. 573 Vgl. oben, S. 106. 574 Die soziale Dimension des Verbrechens kommt darin zum Ausdruck, daß auch der Mitwisser bestraft wird, vergleichbar mit den Regelungen zur Hehlerei (Nomoi XII 955B5f.). 575 Vgl. Schöpsdau (2003) 322. 576 Vgl. hierzu Voigt (2009) 29–31.

138 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

Die religiöse Strafe des Fluches finden wir in den Regelungen der Nomoi etwa für den Fall, daß bei Mord die Verwandten des Opfers die gerichtliche Verfolgung des Täters vernachlässigen (IX 871B), oder für Bürger, die bei der Mißhandlung von Eltern durch ihre Kinder nicht eingreifen (IX 881D7–E4), „also in Fällen, wo ein Bürger seiner Pflicht zum Schutz der Rechtsordnung nicht nachkommt“577. Das heißt: Ökonomische Delikte sind keine Kavaliersdelikte! Interne und externe Institutionen sollen Stabilität gewährleisten. Daß Platon eine Währung verlangt, die nur im Staat selbst Gültigkeit hat, war kein Novum, sondern in den meisten griechischen Staaten Realität.578 Der athenische Bouleuteneid beinhaltete im 5. Jhdt. v. Chr. das Versprechen, diejenigen, die mit anderer als athenischer Währung zahlten, anzuklagen.579 Gegenüber dieser Praxis stellt die in den Nomoi geregelte Verpflichtung jedes einzelnen Bürgers, Devisenvergehen anzuzeigen, eine Radikalisierung dar. Die Verschärfung wird darin deutlich, daß konkrete Sanktionen angedroht werden, wohingegen es im Fall der athenischen Bouleuten bei einer Selbstverpflichtung blieb. Die Bürger des Staates sollen in vier Vermögensklassen aufgeteilt werden – ein Vorschlag, der sich wohl an Solons Einteilung orientiert –, wobei die Grundlage der persönliche Besitz darstellt. Für das politische Leben in Magnesia haben sie kaum Bedeutung. Denn Rat und Volksversammlung, bei denen sie eine gewisse Rolle spielen, kommt keine wichtige Funktion zu, und für die Einsetzung der Gesetzeswächter und der Euthynen, die sehr wichtige Ämter im Staat innehaben, spielen sie keine Rolle. Warum führt Platon sie dann ein?580 Zum einen geht es darum, eine Struktur unter den Kolonisten, die mit unterschiedlichen Vermögen nach Magnesia kommen, zu schaffen (V 744A8–745B2). Auch könnte der Zweck darin bestehen, einen Maßstab für ‚Reichtum‘ zu haben. Denn niemand darf mehr als viermal so viel wie die unterste Klasse besitzen. Falls ein Freigelassener oder ein Fremder über mehr Besitz als die dritte Vermögensklasse verfügt, droht die Todesstrafe (XI 915A–D).581 Auch sollen die Vermögensklassen für proportionale Gleichheit sorgen, weil Mitgliedern der oberen Klassen mehr Ämter und Ehren zugestanden werden sollen. Der Maßstab hierfür ist aber nicht das Vermögen als solches, sondern der Gebrauch, den jemand von ihm macht (V 744C2), es wird also an die charakterliche Fähigkeit gebunden.

577 Schöpsdau (2003) 322. 578 Vgl. Schöpsdau (2003) 323. Allerdings gab es offensichtlich Versuche der Poleis, sich durch den Geldverkehr zu vernetzen, so daß eine Spannung von lokaler und überlokal gültiger Währung bestand, vgl. hierzu von Reden (2010) 65–91, v. a. 66f. 579 Vgl. Bayliss (2013) 40f. 580 Zum folgenden vgl. die gute Analyse bei Schöpsdau (2003) 329–334. 581 Zu der Maximalberechnung von Reichtum vgl. Pradeau (1990).



Einzelne Regelungen in den Nomoi 

 139

Der Vermeidung einer sozialen Schere dient auch die Regel, daß die Bürger ihre bewegliche Habe nicht beliebig vergrößern dürfen (VI 754Eff.). Geschieht dies über die vorgegebenen Grenzen hinaus, muß es den Gesetzeswächtern gemeldet werden. Wenn der betreffende Bürger dieser Regel nicht folgt, hat er keinen Anteil mehr an dem gemeinsamen Eigentum und an den staatlichen Verteilungen. Er wird vor Gericht gestellt, und lautet das Urteil auf Geldgier, wird dieses Urteil zu Lebzeiten öffentlich bekanntgemacht. Auch hier geht es also nicht nur um eine Abschreckungsmaßnahme, sondern durch die öffentliche Bloßstellung auch um den Versuch einer Besserung. Die Balance zwischen Eigentum und Sozialverpflichtung des Eigentums, um die die Platonischen Regeln bemüht sind, kommt klar im Erbrecht zum Ausdruck. Der Athener kritisiert das traditionelle Recht des Erblassers, testamentarische Verfügungen nach Lust und Laune zu verfassen,582 und erläutert die Aspekte, die ein Erblasser berücksichtigen muß. Diese zielen darauf, der Familie keinen Schaden zuzufügen und eine Erbfolge zu veranlassen, die für die betroffenen Erben akzeptabel ist und gleichzeitig die Bewahrung der Zahl der Landlose im Blick hat. Hier formuliert der athenische Fremde deutlich, daß die Interessen des einzelnen Erblassers hinter den kollektiven Interessen der Familie und des Staates zurückstehen müssen (XI 922E–923B). Wie heikel dieses Thema ist, demonstriert die Tatsache, daß das Gesetz zum Erbrecht ein eigenes Proömium besitzt, in dem Platon den Athener rhetorisch stilsicher um die Einsicht der potentiellen Erblasser bemüht sein läßt. So appelliert das Proömium an das Verständnis des Erblassers durch den Hinweis, daß die Menschen „Eintagsgeschöpfe“ (ἐφήμεροι/ ephémeroi) seien und angesichts des nahenden Todes über besonders wenig Selbsterkenntnis verfügten, so daß sie dann in besonderem Maße daran gehindert würden, uneigennützige Interessen zu verfolgen. Darum sei der Gesetzgeber gefordert, Erbregelungen zu entwerfen, die ‚über den Tag hinaus‘ Vernünftiges veranlassen.583

582 Zu einem Vergleich zwischen dem attischen Recht und den Platonischen Regelungen siehe Gernet (1951) und Schöpsdau (2011) 482–487. 583 Nomoi XI 923A2–B1: Ὦ φίλοι, φήσομεν, καὶ ἀτεχνῶς ἐφήμεροι, χαλεπὸν ὑμῖν ἐστιν γιγνώσκειν τὰ ὑμέτερ’ αὐτῶν χρήματα καὶ πρός γε ὑμᾶς αὐτούς, ὥσπερ καὶ τὸ τῆς Πυθίας γράμμα φράζει, τὰ νῦν. ἔγωγ’ οὖν νομοθέτης ὢν οὔθ’ ὑμᾶς ὑμῶν αὐτῶν εἶναι τίθημι οὔτε τὴν οὐσίαν ταύτην, σύμπαντος δὲ τοῦ γένους ὑμῶν τοῦ τε ἔμπροσθεν καὶ τοῦ ἔπειτα ἐσομένου, καὶ ἔτι μᾶλλον τῆς πόλεως εἶναι τό τε γένος πᾶν καὶ τὴν οὐσίαν … .

140 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

11.2.3 Landwirtschaftsgesetze584 Da es in Magnesia keinen Seehandel geben soll und Geldwirtschaft auf das Nötigste beschränkt wird, betreffen die Gesetze die Produktion in der Landwirtschaft und die Distribution der Produkte (Nomoi VIII 842E6–846C8). In ihnen läßt Platon den Athener Institutionen unterschiedlicher Art verbinden, die man mit der oben eingeführten Terminologie als externe und interne Institutionen bezeichnen kann, weil die Überwachung und Sanktionierung unterschiedlichen Instanzen überlassen wird. Das erste Gesetz, das gleichzeitig die Grundlage für weitere Bestimmungen darstellt, schreibt vor, daß Grenzen heilig und unantastbar seien. Es appelliert an die Einsicht der Bürger (VIII 842E9: νομίσας), daß man, wie der Athener im Rückgriff auf eine sprichwörtliche Wendung formuliert, „Unbewegliches nicht bewegen“ dürfe. Es heißt, jeder „solle“ lieber den größten Felsen als den kleinsten Grenzstein wegrücken „wollen“ (VIII 843A1: βουλέσθω). Die Formulierung macht stutzig: Wie kann man jemandem befehlen, etwas zu wollen? Es ist eine in sich widersprüchlich erscheinende Aufforderung, die aber deutlich macht, daß es um die eigene Einsicht des Bürgers in die Heiligkeit der Grenzen geht. Dieser widerspricht nicht die sakrale Kontextualisierung: Zeus ist der Schützer der Grenzen, und die Grenzziehung ist durch Eide abgesichert. Wer eine Grenze verletzt, vergeht sich also gegen die Götter. Dementsprechend ist die vorgesehene Strafe auch religiöser Natur: Der Grenzverletzer wird sich eine – nicht weiter ausgeführte – göttliche Strafe zuziehen. Aber dabei läßt es Platon nicht bewenden, sondern er arbeitet, wie in anderen Fällen, mit einer doppelten Strafe. Denn zu der Ahndung durch die Götter kommt die gesetzliche Strafe hinzu, da der Übeltäter vor Gericht angeklagt werden soll. Die sakrale Strafe sieht Platon hier entgegen der Rechtspraxis seiner Zeit vor.585 Der Grund für die doppelte und strenge Regelung liegt in der Bedeutung der Grenzen für die Freundschaft unter den Bürgern, wie es in der schön stilisierten Passage heißt.586 584 Einen ausführlichen Vergleich der Platonischen Landwirtschaftsgsetze mit griechischem Recht bietet Klingenberg (1976), der zeigt, daß die Platonischen Gesetze zwar bestehendes Recht und älteres Recht aufgreifen, es aber abändern und dabei immer wieder zu moderneren und flexibleren Lösungen gelangen (z. B. ebd., 20, 35, 83). 585 Vielleicht greift er auf eine Praxis aus älterer Zeit zurück, vgl. Schöpsdau (2011) 217; Klingenberg (1976) 13–20. 586 Nomoi VIII 843A1–4: βουλέσθω δὲ πᾶς πέτρον ἐπιχειρῆσαι κινεῖν τὸν μέγιστον ἄλλον πλὴν ὅρον μᾶλλον ἢ σμικρὸν λίθον ὁρίζοντα φιλίαν τε καὶ ἔχθραν ἔνορκον παρὰ θεῶν: „Vielmehr soll jedermann lieber den größten Felsbrocken, sofern er keine Grenze markiert, wegzurücken gewillt sein als einen kleinen Stein, der die Grenze zwischen Freundschaft und Feindschaft bildet und durch einen Schwur bei den Göttern geheiligt ist.“



Einzelne Regelungen in den Nomoi 

 141

Insgesamt wird die Regel zur Heiligkeit der Grenzen durch drei Kontrollinstanzen abgesichert, so daß sie unterschiedlichen Institutionstypen zuzurechnen ist: einer auf Einsicht und damit imperativer Selbstbindung beruhenden ethischen Regel, einem von den Göttern zu sanktionierenden religiösen Gebot und einer der Ahndung durch staatliche Instanzen unterliegenden Anordnung. Die Erhaltung von Freundschaft und Eintracht der Bürger steht auch im Mittelpunkt der Regelungen zu anderen Vergehen, die Nachbarn schädigen könnten (VIII 843B7–844D3), etwa in dem Fall, daß ein Bürger bei der Feldbestellung die Grenze zum Nachbargrundstück überschreitet.587 Der Täter soll als Strafe nicht nur den entstandenen Schaden ausgleichen, sondern zusätzlich den doppelten Betrag an den Nachbarn zahlen. Der Sinn dieses strengen Vorgehens besteht darin, daß der Täter auf diese Weise von Respektlosigkeit – gegenüber dem Nachbarn und gegenüber der Unantastbarkeit der Grenze – und einer „niedrigen Gewinnsucht“588 geheilt wird. Damit zielt die Maßnahme nicht nur auf die Entschädigung des Nachbarn, sondern auf die Person des Täters, dessen Handeln aus einer falschen Gesinnung herrührt. Diese aber ist eine Folge falscher Erziehung und Selbsterziehung und gehört, in der Terminologie Voigts, in den Bereich der ‚ethischen Regel‘. Sie wird flankiert durch eine externe Institution, indem die Verletzung des Gesetzes zum Schutz der Grenze mit einer Geldstrafe belegt wird, deren Höhe den Täter pekuniär schmerzen wird und deshalb sowohl ihn als auch andere von künftigen derartigen Vergehen abhalten soll. Die Strafe ist also auch in diesem als marginal erscheinenden Bereich sowohl Erziehung als auch Abschreckung. Der Grund, daß die Nomoi solche ‚kleinen‘, alltäglichen Fälle behandeln, liegt in der Erkenntnis, daß bereits geringfügige Streitigkeiten den Beginn für Uneinigkeit zwischen den Bürgern bilden und so ihren Zusammenhalt, die Einheit des Staates und damit letztendlich die Eudaimonie gefährden. Gleichzeitig wird deutlich, daß die besprochenen Fälle modellhafte Beispiele darstellen und es Aufgabe künftiger Gesetzgeber, nicht aber des in den Nomoi verfolgten Projekts ist, alle möglichen Detailfälle zu behandeln (VIII 843E3–844A1).589 Die Bedeutung der internen Institution der ethischen Regel, der die Erziehung und Schulung des individuellen Charakters dient, kommt auch bei fehlender Nachbarschaftskooperation wegen eines Regenwasserschadens zum Tragen 587 Vgl. hierzu die unter verschiedenen institutionenökonomischen Gesichtspunkten erfolgende Interpretation in Föllinger/Korn (2016). Ein Vergleich mit geltendem attischen Recht ist aufgrund der Überlieferungslage kaum möglich, vgl. Klingenberg (1976) 33–35. 588 Zu dieser Bedeutung von ἀνελευθερία siehe Nomoi XII 941B2f. Vgl. Knoch (1960) 65; Klingenberg (1976) 31; Schöpsdau (2011) 219. 589 Vgl. Nomoi VIII 846B6–C8.

142 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

(VIII 844C1–D3).590 Hier wird der Fall angenommen, daß zwei Grundstücke am Hang übereinanderliegen und bei starkem Regen der weiter oben am Hang wohnende Grundstücksbesitzer nicht verhindert, daß das ganze Wasser in das unter ihm liegende Grundstück abfließt, bzw. daß der weiter unten wohnende Nachbar nicht für Abfluß sorgt. In einem solchen Fall sollen die zuständigen Beamten, in der Stadt der Astynom und auf dem Land der Agronom, eingeschaltet werden. Wenn die schuldige Partei deren Anweisungen keine Folge leiset, soll der Schuldige wegen seiner unsozialen Wesensart (φθόνος und δύσκολος ψυχή) gerichtlich belangt werden und das Doppelte des Schadens an den Nachbarn zahlen.591 Bestraft wird in diesem Fall die Uneinsichtigkeit, die sich nicht der Vermittlung der vom Staat bestellten Personen beugt. Wie im Fall der Grenzverletzung hat die Strafe die doppelte Absicht der Heilung und der Abschreckung und zielt auch auf den Charakter des Täters. Das Gesetz für Diebstahl (XI 933E6–934C6) verknüpft eine Strafe, die dem Schadensausgleich dient, mit einer – je individuell festzusetzenden – Strafe, die darauf zielt, den Täter ‚zur Vernunft zu bringen‘ (XI 934A1: σωφρονιστύος592 ἕνεκα) und ihn sowie andere von weiteren solchen Taten abzuschrecken. Die Schwere der Strafe soll von dem bei dem Täter festzustellenden Grad der Vernunft abhängen: Je mehr Vernunft beim Täter anzusetzen ist, desto schwerer muß die Strafe ausfallen. Welches Strafmaß im Einzelfall angemessen erscheint, müssen die Richter entscheiden. Hier wie an anderen Stellen, an denen Platon auf Regelungen zum Diebstahl eingeht, wird das Strafmaß danach ausgerichtet, in welchem Maße der Täter als ‚heilbar‘ gilt. Dabei geht Platon durchaus von attischen Gesetzen aus, aber er integriert sie in eine Gesetzgebung, die auf den Charakter des einzelnen zielt.593 Das entspricht der Art und Weise, die Saunders für die Platonische Strafgesetzgebung ingesamt herausgearbeitet hat.594

11.2.4 Handel, Markt und Kreditvergabe Der Handel ist in den Platonischen Dialogen Gegenstand häufiger Überlegungen. Daß er nichts Sekundäres darstellt, sondern zum Wesen des Menschen dazu590 Vgl. hierzu Klingenberg (1976) 85–108. 591 Drechsler (2003) 219 hat die Regelung mit dem Coase-Theorem in Verbindung gebracht. 592 Zur Form vgl. Schöpsdau (2011) 510. 593 Vgl. Saunders (1990) 81: „… Plato applies, if anything, a more complicated, or rather a more flexible, range of penalties for theft than Attic law. His law is ‘one’ only in the sense that it provides for penalties in accordance with a single criterion: the relative intensity of the ‘injustice’ in the offender’s soul.“ 594 Saunders (1991).



Einzelne Regelungen in den Nomoi 

 143

gehört, zeigt die Politeia, in der ihm die zentrale Rolle bei der Entstehung der Polis zugewiesen wird.595 Eine aufschlußreiche Stelle im Sophistes (223B–224E)596 gibt näheren Aufschluß über die verschiedenen Teilbereiche des Handels (ago­ rastiké). Hier wird der Handel mit den eigenen Erzeugnissen (ἡ τῶν αὐτουργῶν αὐτοπωλική) von dem Handel mit Produkten anderer (ἡ τὰ ἀλλότρια ἔργα μεταβαλλομένη μεταβλητική) unterschieden und die zweite Form in einen innerstädtischen Handel, καπηλική, und Außenhandel, ἐμπορική, differenziert (223D). Auch nicht-materielle Güter wie Musik und Malerei werden als mögliche Handelsware genannt.597 An dieser Stelle ist meines Erachtens der Grund dafür zu finden, warum der Platonischen Darstellung zufolge der Zwischenhandel einen besonders schlechten Ruf genießt: Der Verkauf der eigenen Produkte ist nicht so stark auf Gewinnmaximierung fokussiert wie der Verkauf von Produkten, die andere hergestellt haben. Daß Händler geldgierig seien, ist nicht (nur) Platons eigene, moralisch-philosophisch beeinflußte Anschauung.598 Vielmehr gibt er dieses Urteil als eine Art von communis opinio wieder. So wird an einer aufschlußreichen Stelle der Nomoi ausgeführt, daß Geld und Handel per se sinnvoll sind und daß der Handel, läge er in den Händen wirklich guter Menschen, auch einen besseren Ruf genießen würde (XI 918A–920C). Aber es sei nicht vorstellbar, daß Menschen mit moralisch guten Zielen sich dem Handel widmeten. Dies wird am Beispiel der Monopolbildung – Gastronomie in einer vereinsamten Region – demonstriert.599 Weil der Handel nicht abgeschafft werden kann, muß er reglementiert werden. Auch schon die geringste Gefährdung der Einheit durch den Einfluß des Handels, der Vertrauen untergräbt und potentiell charaktergefährdend ist, soll unterbunden werden. Offensichtlich sah Platon keine Möglichkeit, daß in der Praxis der Markt auch zur Herstellung freundschaftlicher Beziehungen nützlich sein könne, obwohl er ihm dies theoretisch zugesteht.600 Die Vorsicht gegenüber dem Handel führt dazu, daß Platon in den Nomoi nur auf Regeln vertrauen läßt, für deren Einhaltung staatliche Organe zuständig sind, sein allgemeinverträgliches Funktionieren also durch externe Institutionen gesichert sehen möchte.

595 Vgl. oben, S. 33–38. 596 Vgl. Politeia II 371D. 597 Vgl. Politikos 260C–D und 289E–290A. 598 Dies wird in der Forschung immer wieder so dargestellt, vgl. z. B. Cohen (2005) 294. 599 Vgl. oben, S. 15f. und 37f. 600 Vgl. dagegen die stabilisierenden Funktionen, die Möller (2007) den griechischen Märkten zuweist.

144 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

Das wichtigste Gesetz ist, daß Bürger und ihre Sklaven keinen Handel treiben dürfen. Er wird ganz den Metöken, den Fremden mit kurzer Aufenthaltsdauer und deren Sklaven überlassen. Denn ein Fehlverhalten von ihrer Seite schadet, da sie nicht der politischen Gemeinschaft angehören, dem Staat weniger, wenngleich es nicht völlig egal ist, wie sie sich verhalten (XI 919C). Hierin weicht Platon von der Realität Athens ab, wo auch Bürger Händler und Handwerker waren.601 Weil die Bürger Magnesias ihre Landwirtschaftsprodukte nicht selbst verkaufen dürfen, müssen Fremde oder Sklaven als ‚Agenten‘ (epítropoi) diese Aufgabe übernehmen (VIII 849B). Ein Verstoß gegen diese Anordnung bedeutet einen religiösen Frevel und wird mit Gefängnisstrafe belegt (XI 919E–920A). Auch auf den realen Märkten der klassischen Zeit gab es Marktkontrollen, und Platon übernimmt aus der athenischen Praxis das Amt des Agoranomen: Er war für die Einhaltung der Ordnung zuständig, indem er die Angemessenheit der Preise überwachte, ja er konnte sogar Preise festsetzen, wobei er in den demokratischen Staaten seinerseits dem Kollektiv unterstand.602 In den Nomoi haben die Agoranomen die Verantwortung für die Heiligtümer am Marktplatz und die Kontrolle über die Einhaltung der Marktgesetze. Dazu gehört auch, daß sie das korrekte Verhalten der Händler überwachen (XI 919C). Dies gilt vor allem für die Praxis des Schwörens, der Platon skeptisch gegenübersteht: Waren anzupreisen und dabei zu schwören, wird verboten; für die Zuwiderhandlung sind Strafen vorgesehen.603 Außerdem werden genaue Vorgaben formuliert, unter welchen Bedingungen man einen fehlerhaften Kauf zurückgeben darf. Wenn man etwa als Fachmann etwas Fehlerhaftes kauft, ist die Rückgabe nicht gestattet, weil man den Mangel hätte bemerken müssen. Die freie Preisbildung ist eingeschränkt. So darf der einmal festgesetzte Preis nicht an demselben Tag steigen (XI 917C); dies soll verhindern, daß der Preis bei starker Nachfrage erhöht wird, er soll sich nur nach dem Wert des verkauften Arti601 Demosthenes or. 57,30. Vgl. Möller (2007) 368–370; Schöpsdau (2011) 476. Vielleicht kann man in dem Handelsverbot für Bürger den Einfluß Spartas erkennen, weil Lykurg den Spartiaten Geldgeschäfte verboten haben soll (Xenophon, Lakedaimonion Politeia 7,2; vgl. Rebenich 1998, 113f.). Deswegen war die wirtschaftliche Tätigkeit der Periöken wichtig, die auch über die Handelshäfen verfügten, wie Gythion (vgl. Rohde 2012). Die Periöken waren selbst nicht Bürger Spartas, sondern ihrer eigenen Poleis, sie trugen aber zum Einkommen Spartas bei, wofür sie durch militärischen Schutz und ehrenvolle Aufgaben – etwa indem sie Teil des Heeresaufgebotes des lakedaimonischen Staates waren oder diplomatische Funktionen innehatten – belohnt wurden. Vgl. Rohde (2012) 32–34. 602 Vgl. dazu Möller (2007) 373–75; Bresson (2008) 22–44 und von Reden (2015) 127f. In Athen fanden zur Sicherstellung der Getreideversorgung öfter Eingriffe statt. Dort gab es eigene Aufsichten, sitophýlakes, für den Getreidehandel, die die Verhältnismäßigkeit der Preise (das Verhältnis von Kornpreis-Mehlpreis-Brotpreis) kontrollierten (Möller 2007, 373–5). 603 Zum Eid vgl. unten, S. 151–156.



Einzelne Regelungen in den Nomoi 

 145

kels richten (XI 921B).604 Außerdem sollen beim Kleinhandel die Gesetzeswächter zusammen mit Vertretern des Kleinhandels festsetzen, welche Gewinnspanne angemessen ist, und das Ergebnis schriftlich niederlegen. Die Marktaufseher, Stadtaufseher und Landaufseher haben dann die korrekte Umsetzung zu kontrollieren. Dadurch wird verhindert, daß jemand zu viel Gewinn macht (Nomoi XI 920B–C), was auf eine Regulierung des Marktgeschehens hinausläuft. Diese Maßnahme, die auf Angemessenheit zielt, zeigt, daß Platon seine Normen gerade aufgrund seiner Kenntnis der ‚Gesetze des freien Marktes‘ entwickelt hat605 und nicht nur menschliche Gier als Grund für Preisschwankungen ansah. Dabei vertritt er nicht die Ausschaltung der Prinzipien der freien Marktwirtschaft, plädiert aber für gewisse Einschränkungen. Rameil erkennt in ihnen den Versuch, unter Beibehaltung der Privatwirtschaft für Stabilität zu sorgen, und wertet Platons Vorgehen – vor allem im Blick auf die für Handwerker geltenden Vorschriften – als Vorsorge dafür, daß der Preis einer Ware ihrem Gebrauchswert entspricht.606 Die Maßnahmen, die gegen extreme Gewinnspannen vorgesehen sind, sollen verhindern, daß die Metöken zu reich werden. Dem dienen auch andere Regelungen: Erwirbt ein Metöke ein Vermögen, das größer als das der dritten Klasse gestattete ist, wird er mit einer Geldstrafe belegt und muß es möglichst schnell reduzieren, oder er muß ausreisen. Anderenfalls verliert er es an die Polis und kann sogar – wenn er sich den Behörden widersetzt – mit dem Tod bestraft werden.607 Platon sieht also die Gefahr, daß eine zu große wirtschaftliche Macht in der Hand der Metöken zu einer Schieflage im Staat und auch zu einer Unzufriedenheit der ärmeren Bürger mit den für die Bürger geltenden strengen Regeln führen könnte.608 Weiter ist, im Unterschied zu Athen, die Aufenthaltsdauer der Metöken auf 20 Jahre begrenzt (VIII 850A–C).609 Auf diese Weise wird vermieden, daß die Metöken zu viel Einfluß gewinnen und sich ein Parallelstaat neben dem eigentlichen Bürgerstaat herausbildet. Eine solche Entwicklung wäre um so gefährlicher, da die Metöken nicht dieselbe Erziehung wie die Bürger genossen haben und durch ihre Tätigkeit im Handel stärker von dem mit diesem verbundenen moralischen Risiko betroffen sind. Es ist aber auch die Möglichkeit vorgesehen, daß ein Metöke bei Rat und Volksversammlung einen Antrag stellt, seinen Aufenthalt – ggf. sogar für sein 604 Schriefl (2013b) 116. 605 Vgl. auch Rameil (1973) 34. 606 Rameil (1973) 40f. Rameil sieht in diesen sowie in anderen Analysen und Maßnahmen Platons eine Vorwegnahme von Überlegungen, die man später bei Aristoteles und bei Adam Smith findet (ebd., 41). 607 Vgl. Knoll (2013) 157f. 608 Vgl. Knoch (1960) 53. 609 Die Söhne von Metöken, soweit sie ein Handwerk betreiben, dürfen sogar 35 Jahre bleiben.

146 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

ganzes Leben – verlängern zu dürfen, vorausgesetzt, daß er dem Staat Gutes getan hat (VIII 850B–C). Die Aufmerksamkeit, die den Metöken gewidmet wird, bezieht sich also nicht nur auf Verbote, sondern auch auf ihre Förderung. So kennt Magnesia nicht wie Athen die Einrichtung, daß der Metöke eines prostátes, einer für ihn bürgenden Person mit Bürgerrecht, bedarf, um Bleiberecht zu erhalten. Auch muß er weder Steuern und Abgaben zahlen noch Militärdienst leisten. Dafür ist, anders als in Athen, die Voraussetzung für den Metökenstatus die Ausübung eines Berufs. Vor allem aber wird von einem Metöken Besonnenheit (VIII 850B3: sophroneín) verlangt. Dies zeigt, daß auch bei den Metöken persönliche charakterliche Qualität wichtig ist (XI 919C–D), auch wenn sie nicht solch großen Schaden anrichten können, wie dies bei moralisch schlechten Bürgern der Fall wäre.610 Faßt man die Regelungen zu den Metöken zusammen, so bilden sie ein geschicktes System von Risikovermeidung und Anreiz. Gerade weil bei Menschen, die nicht in den Sitten des eigenen Staates erzogen sind, besonders unvorhersehbar ist, wie sie handeln werden, sollen die vorgeschlagenen Institutionen, vor allem die Begrenzung der Aufenthaltsdauer, der Sicherheit dienen. Anders als bei den Bürgern, die für die Gesetze kognitiv-emotional gewonnen werden sollen, verfolgen die für die Metöken geltenden Regelungen das Ziel, sie zu einem sozialverträglichen und dem Staatsziel der Eudaimonie förderlichen Verhalten zu motivieren; dies geschieht durch ein geschicktes System von Anreizen: Ihnen wird Abgabefreiheit und die Möglichkeit, einen gewissen – wenn auch nicht unbegrenzten – Wohlstand zu gewinnen, gewährt. Dies sind Motivationen, sich als Metöke in Magnesia niederzulassen. Indem ihnen bei Wohlverhalten sogar die Möglichkeit in Aussicht gestellt wird, ganz in Magnesia bleiben zu können, wird der Anreiz geschaffen, sich in besonderer Weise mit dem Staatsziel zu identifizieren und ihm zuzuarbeiten. Außenhandel gibt es im Staat der Nomoi nur für kriegswichtige Güter, er wird streng kontrolliert (VIII 847B–E) und darf nicht gewinnorientiert sein (ἕνεκα χρηματισμῶν). So gibt es auch keinen Zoll. Möglicherweise spiegelt sich hier der spartanische Luxusverzicht. Mit diesem bringt Rohde die Nachricht bei Thukydides (5,34,2) in Verbindung, daß Spartiaten nicht an Kauf und Verkauf beteiligt sein durften, anderenfalls verloren sie ihr Bürgerrecht.611

610 Die detaillierten Vorgaben für den Handel sind für die Metöken gedacht, aber sie richten sich auch an die Bürger, insofern diese als Käufer auf den Markt kommen können und weil sie bei bestimmten Fällen ein Züchtigungsrecht haben. So sind Bürger über 30 Jahre berechtigt, Händler, die beim Anpreisen ihrer Waren falsch schwören, körperlich zu züchtigen. 611 Rohde (2012) 32 Anm. 81.



Einzelne Regelungen in den Nomoi 

 147

Die Regeln, die sich für die Kreditvergabe finden, zielen darauf, die Freundschaft und Einheit der Bürger zu fördern und zu bewahren. So gilt die Maßnahme, daß Ware nur auf dem Markt auf den dafür vorgesehenen Plätzen verkauft werden darf und sofort ausgehändigt und bezahlt werden muß. Stundung und Kredit ist für den Handel auf dem Markt nicht erlaubt. An anderen Orten darf es sie nur auf eigenes Risiko geben; ein Schutz des Staates etwa in Form von Klagemöglichkeiten existiert nicht (Nomoi XI 915D–E). Auch für den éranos (‚Unterstützungsgeld‘) werden Regelungen erlassen. Bei diesem handelte es sich um zinslose private Kredite innerhalb privater Netzwerke, die man im Athen der klassischen Zeit gerne verlieh und die vielleicht eine größere Rolle als Bankenkredite spielten.612 Auch bei solchen ist in den Nomoi kein Rechtsschutz vorgesehen – anders als dies in der Realität üblich war.613 Den Hintergrund für diese strenge, von der Praxis zeitgenössischer Poleis – soweit erkennbar – abweichende Regelung614 kann man institutionenökonomisch in der Informationsasymmetrie sehen: Der Kreditgeber weiß nicht, ob sich der Kreditnehmer wie vereinbart verhalten wird. Der Dreh- und Angelpunkt ist das „Vertrauen“ (πιστεύειν). Aus diesem Grund soll man überhaupt nur Kredit geben, wenn man Vertrauen hat. Offensichtlich ist aber prinzipiell Skepsis gegenüber einem solchen Verfahren geboten. Daraus läßt sich schließen, daß durch das Verbot der offiziellen Kreditvergabe und die Verweigerung des Rechtsschutzes der Anreiz für Kredite gemindert werden soll. Dahinter steht die Absicht, Prozesse zu vermeiden. Denn da Kredite unweigerlich zu Streitigkeiten und Prozessen führen, gefährden sie die Freundschaft der Bürger und damit die Einheit, die aber das Glück der Bürger garantiert (Nomoi V 743C5–D6). Man sieht hieran gut, wie alle Maßnahmen auf das Staatsziel, die Eudaimonie, ausgerichtet sind. Zinsnahme ist in den Nomoi prinzipiell verboten. Der Grund ist aber nicht moralischer, sondern politischer Natur. Denn Zinsnahme und die damit verbundene Akkumulation großer Vermögen in den Händen weniger führt zur Abhängigkeit der Schuldner und zur Verarmung großer Teile der Bürgerschaft, was wiederum Instabilität bewirkt. Auf diese Gefahr weist Politeia VIII 555D8–556A2 hin.615 Der Hintergrund für die Maßnahme ist der Umstand, daß im Athen der klassischen Zeit Kredite vielfach von Privatpersonen verliehen wurden. Die Banken 612 Vgl. Anm. 616. 613 Vgl. Schöpsdau (2011) 468; dort finden sich auch Ausführungen über die Diskussion des Verhältnisses von Platons Bestimmungen zum attischen bzw. gemeingriechischen Recht. Auch für ein Depositum gibt es keinen Rechtsschutz (Nomoi V 742C3–6), vgl. Schöpsdau (2003) 323f. 614 Vgl. Cohen (2005) 292–296. 615 Im Hintergrund dieser Regelung stand wohl die Erfahrung des 4. Jhdts. v. Chr., daß hohe Zinsnahmen zur Verarmung in der Bürgerschaft führten. Davon zeugt etwa Isokrates’ Trapeziti­ kos. Vgl. Baloglu (1994) 186.

148 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

waren dafür da, Geld zu wechseln und Münzen zu prüfen, und übernahmen erst nach und nach die Funktion der Kreditvergabe.616 In Platons Nomoi sind keine Banken vorgesehen, was als ein Resultat der strikten monetären Bestimmungen zu verstehen ist. So unterliegt der Umgang mit Devisen aus politischen, ethischen und sozialen Gründen bestimmten politischen Beamten.617 Die Bestimmungen zum Handel setzen, wie deutlich wird, auf externe Institutionen. In anderen Bereichen der Wirtschaft spielen interne und externe Institutionen ineinander. Dies ist der Fall bei dem Gesetz für die Arbeitsverträge mit Handwerkern. Sie sind sehr streng, und verschiedene Institutionstypen werden miteinander verknüpft. Der Hintergrund ist die Tatsache, daß der Vertrag auf Vertrauen beruht618 (Nomoi XI 921A1–D3): Wenn also ein Handwerker eine Arbeit aus Nachlässigkeit nicht bis zur vereinbarten Zeit fertig stellt, ohne vor der Gottheit, die ihm seinen Lebensunterhalt schenkt, die geringste Achtung zu empfinden, weil er meint, da die Gottheit ihm nahestehe, werde sie ihm verzeihen (womit er sich als blind in seinem Denken erweist), so wird er als erstes der Gottheit eine Strafe leisten müssen; als zweites soll ein passendes Gesetz für ihn aufgestellt sein: Den Preis der Arbeiten, um die er den Auftraggeber betrogen hat, soll er diesem schulden und die Arbeit noch einmal von Anfang an in der vereinbarten Zeit unentgeltlich anfertigen. Und wer eine Arbeit übernimmt, dem gibt ein Gesetz denselben Rat, den es auch dem Verkäufer gegeben hat, nämlich nicht versuchsweise einen überhöhten Preis, sondern ganz einfach den tatsächlichen Wert zu fordern; dasselbe befiehlt es also auch dem, der eine Arbeit übernimmt; der Handwerker kennt nämlich deren Wert. In einer Stadt freier Bürger soll daher gerade der Handwerker niemals mit seiner Kunst, die doch ihrem Wesen nach eine offene und ehrliche Sache ist, die Nichtfachleute kunstvoll zu täuschen suchen; vielmehr soll in diesen Fällen dem Opfer der Ungerechtigkeit eine gerichtliche Klage gegen den Urheber der Ungerechtigkeit möglich sein. Wenn aber umgekehrt ein Auftraggeber einem Handwerker seinen Lohn nicht richtig gemäß der gesetzlich getroffenen Vereinbarung bezahlt, sondern unter Missachtung des Stadtschirmers Zeus und der Athene, beide Mitbürger unseres Staates, aus Liebe zu einem kleinen Gewinn große Gemeinschaften auflöst, so soll ein Gesetz dem einigenden Band unserer Stadt mit Hilfe der Götter beistehen. Wer nämlich eine Arbeit entgegennimmt und den Lohn hierfür nicht innerhalb der vereinbarten Frist zahlt, von dem soll der doppelte Lohn gefordert werden.

616 Vgl. Ruffing (2012) 68 und von Reden (2015) 64f. In der althistorischen Forschung wird die Bedeutung der Banken im klassischen Griechenland, zum Teil konträr, diskutiert (vgl. von Reden 2015, 158f.). In Bezug auf den Kredit dreht sich die Diskussion um die Frage, ob solche eher von Banken oder von Privatpersonen verliehen wurden. 617 Vgl. oben, S. 137f. 618 Vgl. Schöpsdau (2011) 479: „… der Vertrag basiert … auf einem Akt des Vertrauens“; ebd. auch zum historischen Hintergrund.



Einzelne Regelungen in den Nomoi 

 149

Ist hierüber ein Jahr verstrichen, so soll er – obwohl sonst alle Gelder, die einer als Darlehen gibt, zinslos sind – für jede Drachme monatlich einen Obolos als Zins zahlen; die Klagen hierüber sollen vor den Phylengerichten verhandelt werden.619

Handwerker sind durch die enge Verbindung mit Athene und Hephaistos verpflichtet, korrekt zu handeln, also ihre Arbeit in der angemessenen Zeit auszuführen,620 anderenfalls müssen sie mit einer göttlichen Sanktion rechnen. Hinzu kommt die Festsetzung einer profanen Strafe: Diejenigen Handwerker, die nicht in der festgesetzten Zeit fertig werden, müssen dem Auftraggeber den vereinbarten Preis zahlen und dann in der Zeitspanne, die verabredet war, ihre Arbeit verrichten. Wir haben hier also den typischen Fall einer doppelten Sanktion, wobei beide Strafen Bestandteile externer Institutionen darstellen. Verbunden werden diese für den Fall, daß ein Handwerker einen überhöhten Preis verlangt, mit einer internen Institution, indem an die Berufsehre des Täters appelliert wird. Hinzu kommt die Androhung eines Gerichtsverfahrens. Umgekehrt soll der Arbeitgeber, wenn er den Handwerker nicht in der vereinbarten Zeit entlohnt, den doppelten Preis, nach einem Jahr sogar Zins bezahlen. Dies scheint bemerkenswert, denn Zinsnahme ist im Staat der Nomoi ja eigentlich verboten; aber hier dient der Zins nicht dazu, das Kapital zu vermehren, sondern eine Strafe zu entrichten. Welche immense Bedeutung diesem auf den ersten Blick doch marginal erscheinenden ökonomischen Bereich zugemessen wird, macht die sprachlichstilistische Darstellung deutlich. So hat die Passage, um nur zwei Beispiele zu nennen, mit der Verpflichtung auf die Götter einen geradezu feierlichen und gleichzeitig einen durch Stilmittel wie die herausgehobene Wortstellung von βραχὺ 619 ἂν δή τις δημιουργῶν εἰς χρόνον εἰρημένον ἔργον μὴ ἀποτελέσῃ διὰ κάκην, μηδὲν τὸν βιοδότην θεὸν ἐπαιδεσθείς, ἡγούμενος ὡς οἰκεῖον συγγνώμονα εἶναι θεόν, οὐδὲν τῷ νῷ βλέπων, πρῶτον μὲν δίκην τῷ θεῷ ὑφέξει, δεύτερον δὲ ἑπόμενος αὐτῷ νόμος κείσθω· τὴν τιμὴν τῶν ἔργων ὀφειλέτω ὧν ἂν τὸν ἐκδόντα ψεύσηται καὶ πάλιν ἐξ ἀρχῆς ἐν τῷ ῥηθέντι χρόνῳ προῖκα ἐξεργαζέσθω. καὶ ἀναιρουμένῳ δ᾽ ἔργον συμβουλευτὴς νόμος, ἅπερ τῷ πωλοῦντι συνεβούλευεν, μὴ πλέονος τιμᾶν διαπειρώμενον ἀλλ᾽ ὡς ἁπλούστατα τῆς ἀξίας, ταὐτὸν δὴ προστάττει καὶ τῷ ἀναιρουμένῳ – γιγνώσκει γὰρ ὅ γε δημιουργὸς τὴν ἀξίαν – ἐν ἐλευθέρων οὖν πόλεσιν οὐ δή ποτε χρὴ τέχνῃ, σαφεῖ τε καὶ ἀψευδεῖ φύσει πράγματι, διαπειρᾶσθαι τῶν ἰδιωτῶν τεχνάζοντα αὐτὸν τὸν δημιουργόν, δίκας δὲ εἶναι τούτων τῷ ἀδικουμένῳ πρὸς τὸν ἀδικοῦντα. ἐὰν δέ τις ἐκδοὺς αὖ δημιουργῷ μὴ ἀποδῷ τοὺς μισθοὺς ὀρθῶς κατὰ τὴν ἔννομον ὁμολογίαν γενομένην, Δία δὲ πολιοῦχον καὶ Ἀθηνᾶν κοινωνοὺς πολιτείας ἀτιμάζων, βραχὺ κέρδος ἀγαπῶν, λύῃ μεγάλας κοινωνίας, νόμος ὁ βοηθῶν ἔστω τῷ τῆς πόλεως συνδέσμῳ μετὰ θεῶν· ὃς γὰρ ἂν προαμειψάμενος ἔργον μισθοὺς μὴ ἀποδιδῷ ἐν χρόνοις τοῖς ὁμολογηθεῖσιν, διπλοῦν πραττέσθω: ἐὰν δὲ ἐνιαυτὸς ἐξέλθῃ, τῶν ἄλλων ἀτόκων ὄντων χρημάτων, ὁπόσα δανεισμῷ συμβάλλει τις, οὗτος τῇ δραχμῇ ἑκάστου μηνὸς ἐπωβελίαν κατατιθέτω, δίκας δὲ εἶναι τούτων ἐν τοῖς κατὰ φυλὰς δικαστηρίοις. 620 Alle Bereiche des Staates haben jeweils spezifische Götter, hierzu vgl. Knoch (1960) 35–37.

150 

 Institutionen im Bereich der Wirtschaft

κέρδος ἀγαπῶν, λύῃ μεγάλας κοινωνίας (921C3f.) stark appellativen Charakter. Diese Eindringlichkeit zielt darauf, den Vertragspartnern die Dimension ihres Tuns, das über die momentane Schädigung hinaus grundlegend destruktiv für die ganze Gemeinschaft ist, klarzumachen. Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, den einzelnen zu überzeugen: Die auf diese Weise erfolgende Internalisierung kann durch etwaige Strafen im Grunde nicht ersetzt werden. Dies erhellen vor allem die folgenden Formulierungen: Ein Handwerker solle „in einer Stadt freier Bürger … niemals mit seiner Kunst, die doch ihrem Wesen nach eine offene und ehrliche Sache“ sei, „die Nichtfachleute kunstvoll zu täuschen suchen“; oder: der Auftraggeber, der nicht korrekt und zeitgerecht zahle, löse „aus Liebe zu einem kleinen Gewinn große Gemeinschaften“ auf, so daß in diesem Fall „ein Gesetz dem einigenden Band unserer Stadt mit Hilfe der Götter beistehen“ solle. Gerade der letzte Satz weist darauf hin, warum der ökonomische Bereich für Platon große Bedeutung hat, und zwar eine so große, daß er vielfältigen Reglementierungen unterliegt, die letztendlich auf die Schulung des Charakters und die Einsicht in die soziale Bedeutung der Interaktionen zielen. Institutionenökonomisch gesprochen, wird hier auf die interne Institution der ethischen Regel gesetzt.

12 Die Bewertung des Eids in den Nomoi Unter institutionenökonomischer Perspektive ist die Behandlung des Eids in den Nomoi aufschlußreich: Obwohl die Religion als wichtiger kultureller Bezugsrahmen neu etabliert wird, kommt dem Eid nur noch eine marginale Rolle zu bzw. wird er ganz verboten. Diese Regelung steht im Widerspruch zur zeitgenössischen Realität. Denn der Eid stellte in den antiken Gesellschaften eine Form der Absicherung dar, die in vielfältigen Bereichen zum Zuge kam. In Athen war er als Mittel der Stabilitätsgarantie allgegenwärtig.621 Er war im Wirtschaftsleben zur Absicherung von Geschäften, insbesondere Kreditgeschäften, unabdingbar, hatte seinen Platz im Gerichtswesen und wurde bei politischen Transaktionen in Geltung gebracht. Die Allgegenwärtigkeit des Eides in allen Bereichen des zeitgenössischen Athen bezeugt der Redner Lykurg,622 wenn er feststellt: „Was die Demokratie zusammenhält, ist der Eid.“623 Mit einem Eid waren eine Aussage über die Gegenwart oder Vergangenheit (assertorischer Eid) bzw. eine Zusicherung für die Zukunft (promissorischer Eid), die Anrufung einer übermenschlichen Macht, eine Selbstverfluchung und ggf. auch Opfer verbunden.624 Er basiert auf der Vorstellung von göttlichen Garanten, die gegebenenfalls strafend eingreifen würden. Die Funktion des Eids, zukünftiges menschliches Verhalten prognostizierbar zu machen und so Sicherheit zu verschaffen, betont Walter Burkert: „Um menschliches Verhalten der freien Willkür zu entziehen und voraussagbar zu machen, war der Eid manchmal fast verzweifeltes, aber jedenfalls gänzlich unersetzbares Mittel. Die ‚Benützbarkeit‘ von Göttern und Heiligtümern, kurz die Religion, war hier Fundament der staatlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Organisation schlechthin.“625 Aus institutionenökonomischer Perspektive kann man sagen, daß der Eid ein Mittel zur Absicherung ist angesichts der Asymmetrie, daß bei einem Vertragsschluß die Partner nicht wissen, ob sich das jeweilige Gegenüber vertragsgerecht verhalten wird. Dabei kann, wie zu Beginn erläutert,626 der Eid als eine preiswerte Maßnahme zur Durchsetzung einer Regel gedeutet werden.627 Denn betrachtet man ihn unter der institutionenökonomischen Perspektive von Transaktionskosten, so ist er dann kostengünstig, wenn man die Ahndung eines Meineids den Göttern überläßt und keine staatlichen Sanktionen vorsieht. Aber 621 Vgl. Graf (2005), vor allem 244. 622 Lykurg galt in der Antike als Schüler Platons, was Trampedach (1994) 130f. zufolge besser belegt ist als für Demosthenes, Aischynes und Hypereides. 623 Lykurg, Rede gegen Leokrates 79 (Übersetzung Burkert 1977, 376). 624 Vgl. Sommerstein (2013a) 3f. Zum Eidopfer siehe Burkert (1977) 376–381. 625 Burkert (1977) 381. 626 Siehe oben, S. 22f. 627 Vgl. Silver (1995) 10–18. DOI 10.1515/9783110457070-012

152 

 Die Bewertung des Eids in den Nomoi

das Problem besteht darin, daß gleichzeitig ein Meineid für den Schwörenden auch mit niedrigen Kosten verbunden ist, vor allem wenn er von der Macht göttlicher Sanktionen nicht überzeugt ist. Kann man aber nicht mehr darauf vertrauen, daß ein Eid ernst genommen wird, so bietet er keine große Sicherheit für die Stabilität von Institutionen und muß durch andere Absicherungen ersetzt oder zumindest durch flankierende Maßnahmen ergänzt werden. Diesen Schritt geht Platon in seinen Nomoi, in denen er sich mit den Regelungen zum Eid von der Praxis seiner Zeit absetzt. Dies geschieht in Form eines Gesetzes, dessen Bedeutung darin deutlich wird, daß ihm ein Proömium beigegeben ist (Nomoi XII 948B– 949C). Es rekurriert auf die Veränderungen in der Einstellung zum Eid und stellt fest: Während früher dieser noch sinnvoll gewesen sei, müsse der Gesetzgeber auf eine veränderte Situation reagieren, die durch fehlende religiöse Bindungen, eine allgemeine Anschauung von der Korrumpierbarkeit der Götter und der Praxis des Meineids geprägt sei. Daraus müsse man die Konsequenzen ziehen: „da sich … die Meinungen der Menschen über die Götter gewandelt haben, müssen sich auch die Gesetze ändern“ (XII 948D1–3).628 Die Änderungen, die die Nomoi für verschiedene Situationen im wirtschaftlichen Bereich, bei denen ein Schwur zum Zuge kommen könnte bzw. im Athen des 4. Jhdts. v. Chr. üblich war, bieten, verfolgen alle dasselbe Ziel: In Situationen, in denen ein Eid einen Gewinn (kérdos) schaffen könnte, ist er verboten. Aber auch im Prozeßwesen ist er nicht erlaubt. Im Unterschied zum athenischen Prozeßrecht, das bei Mordprozessen einen Eid von den Prozeßgegnern und den Zeugen verlangte und in anderen Gerichtsverfahren einen Eid der Prozeßgegner in der Vorverhandlung (Anákrisis) vorsah,629 schaffen die Nomoi den Eid bei den streitenden Parteien ganz ab und fordern eine rein schriftliche Beweisführung von Ankläger und Angeklagtem. Ein solches Verfahren entspreche – so der Athener – einer „mit Vernunft“ (μετὰ νοῦ) entworfenen Gesetzgebung und verfüge über ein Maß an Rationalität, dem das bisher übliche Vorgehen nicht gleichkomme. Das Kriterium der ‚Vernunftbegabtheit‘ verweist auf die prinzipielle Vernunftori628 Bei seiner Kritik an einer mißbräuchlichen Funktionalisierung des Eides haben Platon Verfahren wie die strategische Ausnutzung der Exomosía (ein Zeuge schwört, nicht zu wissen, daß eine Aussage wahr ist) vor Augen gestanden. Mit ihr konnte man einen Zeugen als unglaubwürdig erweisen. Sie wird explizit in XII 949A5–8 verboten. Zur Exomosía vgl. Sommerstein (2013b) 91–100. 629 Vgl. Thür (2003) 207f., der die Entwicklung der Funktion des Eides von der Drakontischen zur klassischen Gesetzgebung nachzeichnet (ebd., 205–208). Im Unterschied zu der ersten, bei der ein Bürgergremium darüber zu entscheiden hatte, ob der Eid des Klägers oder des Angeklagten der bessere sei, besaß die Eidablegung in der Anákrisis der klassischen Prozesse nur noch formalen Charakter (ebd.). Zum Eid im Gerichtswesen vgl. Sommerstein (2013b), speziell zur Entwicklung des Richtereids von dem eines Funktionsträgers zum Eid der Heliaía ebd., 67–80.



Die Bewertung des Eids in den Nomoi 

 153

entierung des Gesetzesstaates. Dies bedeutet nicht, daß die religiöse Fundierung aufgegeben würde, aber daß scheinreligiöse Vorgehensweisen, die für die Täter billig sind, ausgeschaltet werden. Die Innovation, die Platon vornimmt, zeigt auch, daß er nicht unbedingt zu älteren vorklassischen Gesetzesbestimmungen zurückkehrt, sondern durchaus schöpferisch tätig ist. Auch unterscheiden sich seine Bestimmungen nicht nur ‚formal‘, wie Tzitzis meint,630 von der athenischen Praxis, sondern laufen auf eine Neubewertung des Eides hinaus. Dies wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, daß die Gerichtsverfahren im Athen des 5. und 4. Jhdts. v. Chr. mündlicher Natur waren, da die Basis für die Entscheidung der Laienrichter die mündlichen Stellungnahmen der streitenden Parteien bildeten.631 Zwar wurde im ersten Drittel des 4. Jhdts. v. Chr. das Verfahren eingeführt, daß die Zeugen eine schriftlich niedergelegte Aussage bestätigten, doch war „der Übergang von der ‚mündlichen‘ zur ‚schriftlichen‘ Aussage … keineswegs als Reform des Beweisverfahrens gedacht, sondern diente – ohne Änderung des Systems – lediglich der Fixierung des Wortlauts, vermutlich, um die Klage wegen falschen Zeugnisses auf sicherere Grundlage zu stellen.“632 Aber auch im Wirtschaftsleben der Stadt wird der Eid zurückgedrängt. Diese Maßnahme steht im Gegensatz zur athenischen Realität, wo der Eid im wirtschaftlichen Leben eine ebenso wichtige Rolle spielte wie in der Gerichtsbarkeit.633 Das Eidverbot der Nomoi gilt für die auf dem Markt tätigen Metöken und Fremden. Meineid beim Handel, mit dem der Händler die Qualität einer Ware bzw. die Angemessenheit des Preises zu Unrecht absichern will, ist keine Marginalie, sondern ein soziales und religiöses Delikt. Um es zu vermeiden, ist den Marktgesetzen ein eigenes Gesetz gegen den Betrug vorgeschaltet, dem ein Proömium beigegeben ist (Nomoi XI 916D–918A). Dies verweist darauf, wie wichtig Platon das Ziel, die Bürger von den Maßnahmen der Gesetzgebung zu überzeugen, ist, die auch und gerade in den Alltagssituationen zum Tragen kommen. Weil Meineid von mangelndem Respekt gegenüber den Menschen und den Göttern zeuge, ist für Meineidige eine doppelte Strafe vorgesehen: Zum einen werden sie den Göttern verhaßt sein. Da diese Aussicht aber die wenigsten abschrecken dürfte, zumal der Gesetzgeber sich der vielfach fehlenden religiösen Bindung der Bürger bewußt ist, flankiert zum anderen eine profane Strafe die sakrale Sanktion: Jeder Bürger über 30 Jahre, der einen Händler unter Schwur eine Ware anpreisen sieht, darf ihn mit einer Prügelstrafe züchtigen. Unterläßt er dies, wird er durch einen Tadel gestraft, weil er „die Gesetze verraten hat“ (XI 917C7: προδοσίας τῶν νόμων). Wer 630 Tzitzis (1991) 66. 631 Vgl. Thür (2000) 38f. 632 Thür (2000) 39. 633 Vgl. Burkert (1977) 376–381.

154 

 Die Bewertung des Eids in den Nomoi

den Tadel ausspricht, wird nicht erwähnt, doch dürfte an die Agoranomen, denen die Kontrolle über das Marktgeschehen obliegt, zu denken sein. Mit dem Verbot, Waren unter Schwur anzupreisen, führt Platon eine Neuerung ein, denn in der griechischen Realität der damaligen Zeit gab es keine entsprechenden Gesetze.634 Was ist sein Zweck? In der Argumentation des Proömiums wird es mit der Bedeutung, die der Respekt gegenüber Menschen (αἰδεῖσθαι) und Göttern (σέβεσθαι) hat, begründet. Dabei geht es vor allem um den Respekt vor Menschen, die höhergestellt sind, in diesem Fall den Agoranomen, die den Staat vertreten. Aber diese spezielle Form von Meineid, der einer unangebrachten Form von Bereicherung dient, ist nur ein Ausdruck einer allgemeinen Mentalität, die glaubt, bei bestimmten Gelegenheiten seien kleine Lügen zum eigenen Vorteil erlaubt. Damit schädigen auch diese kleinen Vorkommnisse – vergleichbar den Übervorteilungsversuchen von Handwerkern bzw. deren Auftraggebern – das Gesamtgefüge (XI 916D6–E5): Verfälschung und Lüge und Betrug muß sich jedermann als eine einheitliche Gattung vorstellen, welcher die große Menge Ansehen zu verleihen pflegt durch die falsche Behauptung, daß so etwas, wenn es nur jeweils im richtigen Moment geschehe, oftmals rechtens sei; indem sie aber den Zeitpunkt und das Wo und Wann ungeregelt und unbestimmt lassen, erleiden sie durch dieses Gerede großen Schaden und schädigen auch andere. Ein Gesetzgeber aber darf dies nicht unbestimmt lassen, sondern muß jeweils weitere oder engere Grenzen deutlich angeben.635

Dieser schlicht wirkende Text ist vielschichtig: Er verdeutlicht, daß Warenverfälschung und falsche Reklame kein geringes Delikt darstellen, indem man ‚nur‘ eine günstige Situation ausnutzt. Vielmehr werden sie, indem sie mit Lüge und Betrug auf eine Stufe gestellt werden, als Produkt einer falschen Geisteshaltung erwiesen. Damit aber sind sie das Ergebnis falscher Erziehung bzw. falscher Gewöhnung, die in diesem Fall durch die ‚allgemeine Meinung‘ beeinflußt ist. Wie wichtig den Nomoi zufolge die richtige Steuerung der öffentlichen Meinung für das Wohlverhalten des einzelnen ist, wurde oben636 dargelegt. Daß die geschilderte Auffassung andere schädigt, ist verständlich. Aber warum sollte man sich damit selbst schädigen? Darauf gibt es meines Erach-

634 Vgl. Schöpsdau (2011) 473. 635 κιβδηλείαν δὲ χρὴ πάντα ἄνδρα διανοηθῆναι καὶ ψεῦδος καὶ ἀπάτην ὡς ἕν τι γένος ὄν, τοῦτο ᾧ τὴν φήμην ἐπιφέρειν εἰώθασιν οἱ πολλοί, κακῶς λέγοντες, ὡς ἐν καιρῷ γιγνόμενον ἑκάστοτε τὸ τοιοῦτον πολλάκις ἂν ὀρθῶς ἔχοι, τὸν καιρὸν δὲ καὶ ὅπου καὶ ὁπότε ἀτάκτως καὶ ἀορίστως ἐῶντες, τῇ λέξει ταύτῃ πολλὰ ζημιοῦνταί τε καὶ ζημιοῦσιν ἑτέρους. νομοθέτῃ δὲ οὐκ ἐγχωρεῖ τοῦτο ἀόριστον ἐᾶν, ἀλλὰ ἢ μείζους ἢ ἐλάττους ὅρους ἀεὶ δεῖ διασαφεῖν. 636 S. 107f.



Die Bewertung des Eids in den Nomoi 

 155

tens zwei Antworten. Die eine ist pragmatischer Art: Wenn alle, einschließlich der eigenen Person, die Meinung haben, daß kleine Betrügereien in Ordnung sind und dementsprechend handeln, läuft man Gefahr, selbst immer wieder Opfer eines Betrugs zu werden. Aber darüberhinaus kann man hier auch eine Anspielung auf die Sokratische Maxime sehen, daß Unrechttun schlimmer ist als Unrechtleiden, weil man der eigenen Seele schadet. Gewissermaßen versteckt gibt Platon hier also den eigentlichen Grund an, warum Betrügereien zu vermeiden sind: Sie widersprechen der rationalen Einsicht in den wirklichen Nutzen – einen Nutzen, bei dem Eigeninteresse und Fremdinteresse zusammenfallen. Eigentlich betreffen die Vorschriften zum Betrug beim Warenverkauf die Metöken. Aber gerade deshalb, weil sie nicht in den Sitten und Werten des neuen Staates erzogen sind und Tätigkeiten, die in besonderer Weise korrumpierend sind, ausüben, bedürfen sie besonderer Leitung und Kontrolle, damit auch sie „möglichst gut“ oder wenigstens „möglichst wenig schlecht“ sind (XI 920A). Außerdem ist das Proömium auch im Hinblick auf die Bürger geschrieben, denen es prinzipielle Erkenntnis über die Stellung wirtschaftlicher Delikte ermöglicht und die ja zur Ahndung herangezogen sind. Faßt man die Regelungen zum Eid zusammen, so unterliegt ihnen die Einsicht, welche Bedeutung das gegenseitige Vertrauen der Bürger hat. Dieses wird durch Meineid grundlegend untergraben (XII 948D8–E4): Denn es wäre doch schrecklich, wenn man, falls viele Prozesse in einer Stadt stattfinden, sicher wüßte, daß fast die Hälfte der Bürger einen Meineid geschworen hat und sie dennoch bei den gemeinsamen Mahlzeiten ganz unbeschwert miteinander zusammenkommen und auch bei den sonstigen Versammlungen und den privaten Zusammenkünften einzelner Bürger.637

In Situationen, in denen ein Eid nicht mit einem Vorteil verbunden ist und sogar vielleicht bestärkende oder selbstverpflichtende Wirkung hat, wird er beibehalten. Ein Beispiel ist der promissorische Eid, den die Richter in Prozessen, in denen es um die Todesstrafe geht, ablegen müssen (IX 856A6f.). Aus der Perspektive der modernen Ökonomie läßt sich die Restriktion des Eides damit erklären, daß ‚Low cost-Situationen‘, also Situationen, in denen Akteure verkehrtes Handeln nicht viel kostet, vermieden werden sollen.638 Dafür wird in Kauf genommen, daß die Maßnahmen, die den Eid ersetzen sollen, kostspieliger sind, weil sich mit ihrer Kontrolle und Sanktionierung recht großer 637 δεινὸν γάρ που, δικῶν γ’ ἐν πόλει πολλῶν γενομένων, εὖ εἰδέναι σμικροῦ δεῖν τοὺς ἡμίσεις αὐτῶν ἐπιωρκηκότας, ἐν συσσιτίοις τε ἀλλήλοις εὐχερῶς συγγιγνομένους καὶ ἐν ἄλλαις συνουσίαις τε καὶ ἰδιωτικαῖς συγγενήσεσιν ἑκάστων. 638 Vgl. Kirchgässner (2013) 204f.

156 

 Die Bewertung des Eids in den Nomoi

Aufwand verbindet.639 Daß Platon diesen Weg beschreitet und den Eid verbietet bzw. ersetzt, zeigt erneut, daß Sicherheit und Stabilität für ihn den Vorrang haben. Auch die Regelung zum Eid ist also ein Beweis für die grundlegende Vorsicht Platons gegenüber den Unwägbarkeiten menschlichen Handelns, das er durch eine Vielzahl von Institutionen gesichert sehen möchte.

639 Zum Eid als Mittel der Transaktionskostensenkung vgl. den oben, S. 22f., erläuterten Ansatz von Silver.

13 Ergebnisse und Ausblick Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung war die aktuelle Forschungslage, in der Platons ökonomische Reflexionen immer noch – trotz einiger neuerer Arbeiten – marginalisiert, als Statement des moralischen Philosophen vorschnell klassifiziert und darum nicht systematisch als ernstzunehmende Beiträge untersucht werden. Dagegen konnte gezeigt werden, daß Platon in der Politeia die grundsätzliche Bedeutung wirtschaftlichen Handelns herausarbeitet. Er wertet dieses nicht – etwa aus moralischen Gründen – per se ab, sondern sieht es als Bestandteil des Menschen, der nicht autark, sondern auf Gemeinschaft angelegt ist. Eine Problematik verbindet sich aber mit dem wirtschaftlichen Bereich, weil der Mensch von Pleonexie geleitet ist, also stets ‚mehr haben will‘ und somit seine Existenz als prinzipiell mit einem Mangel verbunden betrachtet. Dieser Zug ist eine anthropologische Konstituente, die ein Gesetzgeber im Auge haben muß. Dies widerspricht nicht der Tatsache, daß Platon den Menschen prinzipiell für erziehbar hält, aber in Anbetracht der Diversität menschlicher Anlagen und Erziehungsfähigkeiten muß der Gesetzgeber darauf achten, daß der pleonektische Zug nicht das Gemeinschaftsleben im Staat gefährdet. Daraus resultieren politische Maßnahmen für den Bereich der Wirtschaft. Der Ausgangspunkt für die hier von Platon vorgeschlagenen Restriktionen ist also weniger moralischer Art als politischer Natur. Er besteht weniger in dem Streben, den einzelnen zu verbessern, als in dem Ziel, die Einheit des Staates herzustellen. Aber um dieses Ziel zu erreichen, muß der Gesetzgeber bei der Beschaffenheit des einzelnen ansetzen. Die Vorschläge zur Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens resultieren aus dieser Zielsetzung, nicht aber daraus, daß Platon, wie etwa Finley meinte, keinen Einblick in Prinzipien der Marktgesetzlichkeiten gehabt oder als Moralist eine Abneigung gegen das Geld gehegt habe. Der Mangel, den der Mensch als Grundzug seiner Existenz sieht, bietet einen Ansatzpunkt, um Züge des Menschenbildes, das Politeia und Nomoi erkennen lassen, mit dem homo oeconomicus-Modell der modernen Ökonomie zu vergleichen. Beide gehen davon aus, daß der Mensch nach dem eigenen Vorteil strebt, also von Eigennutz bestimmt ist. Vom Eigennutz als menschlicher Grundkonstante ist der Begriff ‚Nutzen‘ zu unterscheiden. In der modernen Ökonomie ist er ein terminus technicus. Er ist inhalt- und wertfrei und bezeichnet das Maß für die Präferenzen eines Akteurs, egal, ob sie sich auf materielle oder auf ideelle Gegebenheiten beziehen. Bei Platon hingegen ist Nutzen normativ besetzt. Denn von den vielen Dingen, die Menschen als Nutzen für sich betrachten, ist derjenige zu unterscheiden, der ‚wirklich‘, also objektiv, als Nutzen bestimmbar ist. Um das Ziel der Eudaimonie, des gelungenen Lebens, verfolgen zu können, müssen DOI 10.1515/9783110457070-013

158 

 Ergebnisse und Ausblick

Menschen erkennen, was ihnen den wahren Nutzen bringt. Menschen zu einer solchen Einsicht zu bewegen, ist die Aufgabe, die sich der Platonische Sokrates stellt. In der Terminologie der modernen Ökonomie könnte man sagen, daß die Identifikation von ‚gut‘ und ‚nützlich‘ Platons Nutzenfunktion definiert. Für ihn ist das oberste Ziel das Gute. Damit wird ihm zufolge Nutzen maximiert, wenn das Gute erreicht ist. Diese Vorstellung wird in den Dialogen als Norm vermittelt. Gegenüber dem Platonischen Rationalitätsbegriff ist der Begriff der Rationalität in der Ökonomie eingeschränkt. Denn er bezeichnet hier nicht den ganzen Komplex mental-kognitiver Prozesse, sondern nur das Procedere, mit dem ein Mensch bei einer Entscheidung unter Verwertung aller ihm zur Verfügung stehenden Informationen auf beste Art und Weise sein Ziel erreicht. Ökonomische Nutzentheorie untersucht also nur die Entscheidungen, die ein Akteur trifft, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Inwieweit das Ziel selbst richtig gewählt ist, fällt nicht in den Bereich ökonomischer Rationalität. Damit ist das, was in der Ökonomie Rationalität genannt wird, nur ein Teilbereich Platonischer Rationalität. Denn sowohl in der Platonischen Ethik als auch in der Politik geht es auch darum, die Mittel zu überlegen, mit denen man am besten und effizientesten zum Ziel gelangen kann. Aber es geht auch, und zwar an erster Stelle, darum, das Ziel richtig zu bestimmen. Ein rationaler Akteur zeichnet sich nach Platon also gerade dadurch aus, daß er das Ziel richtig wählt, wozu er wiederum nur dann in der Lage ist, wenn er Erkenntnis in das Richtige erlangt hat. Dazu ist er wiederum dann fähig, wenn die Instanz in ihm, deren Aufgabe die Erkenntnis darstellt, sein ‚vernunftbegabter Seelenteil‘ (logistikón), richtig erzogen ist, das heißt: in Abstimmung mit den anderen menschlichen Instanzen und sie anleitend, die Entscheidungen trifft. Hier kreuzen sich deskriptive Anthropologie – der Mensch ist eigennützig, hat aber prinzipiell die Fähigkeit zur Erkenntnis, wobei man mit verschiedenen Begabungen rechnen muß – und normative Anthropologie: Erkenntnis und Umsetzung des als richtig Erkannten sind anzustreben. Anders als die moderne Ökonomie, die einen Gemeinschaftsbezug nicht als Element zur Erklärung individuellen Handelns integriert, gibt es diese Verbindung bei Platon in einer Optimalvorstellung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft: Wenn jemand sich selbst etwas Gutes tun will, indem er beispielsweise falsche Preise für eine bestimmte Ware oder die Ausübung eines bestimmten Handwerks nimmt oder wenn er nachlässig mit fremdem Eigentum wie dem Nachbargrundstück umgeht, schadet er nicht nur, gemäß der Maxime des Sokrates, sich selbst, indem er eine Ungerechtigkeit begeht, sondern er schadet auch deswegen sich selbst, weil er mit der Zerstörung von Vertrauen einen Gemeinschaftswert untergräbt. Dies hat Folgen nicht nur für ihn, sondern für den gesamten kollektiven Zusammenhalt.



Ergebnisse und Ausblick 

 159

Als Gemeinschaftswesen ist der Mensch, um Eudaimonie zu erlangen, auf die richtigen gesellschaftlichen und staatlichen Rahmenbedingungen angewiesen. Diesem Verhältnis von Individuum und Staat widmen sich unter verschiedenen Vorzeichen Politeia und Nomoi, die als Modelle anzusehen sind. Aus diesem Status resultiert ihre differierende Konzeption, weil sie jeweils unterschiedliche Aspekte ein und derselben Problematik, des Verhältnisses von Individuum und politischer Gemeinschaft, beleuchten wollen. Darum weisen sie einerseits grundsätzliche Gemeinsamkeiten auf, wie etwa die zugrundeliegende Psychologie und Anthropologie und die Bedeutung von Wissen und Erkenntnis, entwerfen aber unterschiedliche Verfassungen. Für diese Sicht, die eine Verbindung zwischen beiden Dialogen sieht, kann man rezente Ansätze in der Forschung, die die Gemeinsamkeit beider Werke herausstellen, nutzbar machen. Weil der Staat die richtigen Rahmenbedingungen schaffen muß, ist die politische Téchne dadurch bestimmt, daß sie zum einen von Menschen ausgeübt wird, die sie aufgrund ihres Wissens beherrschen (sollen), und daß diese sie anwenden, um die Bürger zur Erkenntnis gelangen zu lassen, also ihre rationalen Fähigkeiten zu fördern. Weil aber nicht alle Menschen als Basis ihres Handelns die Einsicht in das Richtige haben können, bedarf es der Anreize, sie das Richtige tun zu lassen. Aus diesem Grund wird in den Nomoi immer wieder hervorgehoben, daß verkehrtes Verhalten, wie etwa die Pleonexie, nicht nur die anderen, sondern auch den Täter selbst schädigt. Dabei wird durchaus das Nutzenkalkül, das Menschen bei ihren Handlungen bewegt, in den Entwurf von Motivationsstrategien mit einbezogen. Eine Stelle, die das schön zeigt, ist Nomoi XI 913B3–8. Hier wird für die Frage, wie man mit einem Geldfund umzugehen habe, ein Nutzenkalkül aufgemacht: Das Geld an sich zu nehmen, bedeute einen kleineren Profit als eine sich selbst und anderen gerecht werdende Verhaltensweise, die darin besteht, es nicht an sich zu nehmen. Aus der Unterschiedlichkeit der Verfassungen von Politeia und Nomoi resultieren die Unterschiede der jeweiligen Regelungen für die Wirtschaft im einzelnen. Den beiden Konzeptionen von Politeia und Nomoi ist die Absicht gemeinsam, politische Verantwortung und wirtschaftliches Handeln zu entkoppeln. Dies führt in der Politeia dazu, daß nur der unterste Stand, der nicht an der politischen Verantwortung beteiligt ist, wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen darf. Weil aber aufgrund der Zielsetzung der Politeia – der im Ausgang von der Frage nach der Gerechtigkeit entwickelten Psychologie und Erkenntnistheorie sowie der damit verbundenen Fokussierung auf die Bedeutung, die Wissen und Erkenntnis des einzelnen in der politischen Verantwortung Stehenden haben – die Regeln für die beiden oberen Stände im Vordergrund stehen, sind pragmatische Details ökonomischer Regelung nicht von Interesse. Dies ist anders in den Nomoi, deren Staat demokratische Strukturen integriert. Hier wird der wirtschaftliche Bereich streng

160 

 Ergebnisse und Ausblick

reglementiert, indem der für die menschliche Neigung zur Pleonexie als besonders gefährlich betrachtete Handel nur von Nicht-Bürgern ausgeübt werden darf und dabei sowohl für diese als auch für diejenigen wirtschaftlichen Tätigkeiten, die Bürger ausüben dürfen, ein ausgefeiltes Regelwerk gilt. Dieses ist Teil eines übergreifenden Systems von Gesetzen und Regeln, die Anreize bilden sollen für ein Verhalten der Bürger, aber auch der im Staat lebenden Nicht-Bürger, das der Einheit des Staates dienlich ist und damit die Eudaimonie von einzelnem und Polis fördert. Das Ziel dabei ist, angesichts der prinzipiellen Unvorhersehbarkeit menschlichen Handelns, das besonders eindrücklich in Politikos 294A10–B6 formuliert wird, Strukturen zu schaffen, die für ein Mindestmaß an Sicherheit sorgen. Dies ist der Anknüpfungspunkt der Neuen Institutionenökonomik. Die Neue Institutionenökonomik greift das Problem auf, daß das neoklassische Modell des homo oeconomicus menschliche Entscheidungen im ‚luftleeren Raum‘ stattfinden läßt, und widmet sich der Untersuchung kultureller Faktoren, die das Handeln von Menschen beeinflussen. Sie sieht Parameter menschlichen Handelns in ‚Institutionen‘, die der Absicherung dienen. Dabei werden unter Institutionen sowohl formale Regeln, wie kodifizierte Gesetze, als auch informelle Normen und die ihrer Implementierung dienenden Maßnahmen, zu denen Sanktionen zu zählen sind, verstanden. Die Suche nach Regeln, mit denen der Gesetzgeber in den Platonischen Nomoi sichern möchte, daß die Bürger des künftigen Staates im Sinne der als Ziel gesetzten Eudaimonie handeln, geschieht auf zwei Ebenen: Zum einen wird eine Verfassung angestrebt, die auf die Eudaimonie ausgerichtet ist und die eine Vielzahl von Regeln, die ihrerseits das höchste Ziel des Staates im Auge haben, ermöglichen. Zum anderen wird das Regelwerk selbst entworfen. Gerade daß der Institutionenbegriff der Neuen Institutionenökonomik kodifizierte und informelle Regeln umfaßt, bildet eine hervorragende Basis, um Platons Vorstellungen zu untersuchen. Denn weil das Vertrauen auf das gute Verhalten des einzelnen nicht ausreichen kann, sondern für einen Gesetzgeber menschliches Handeln stets einen Risikofaktor darstellt, entwerfen die Nomoi ein komplexes Regelwerk, das von umfassenderen Regeln zur Ordnung des Staates bis zu Detailregelungen reicht. Eine institutionenökonomische Analyse macht die Komplexität von Institutionen deutlich. Sie reichen von kodifizierten Gesetzen, die staatliche Sanktionsmöglichkeiten umfassen, über Regeln, deren Durchsetzung mit sozialen Sanktionen verbunden sind, bis zu Regeln, die der ethischen Selbstbindung des einzelnen unterliegen. Dabei weist Platon der Einsicht des Bürgers für die Nachhaltigkeit und die Stabilität die entscheidende Rolle zu, arbeitet aber mit vielen Anreizen, die auf den Eigennutz des Bürgers setzen: Die Richtschnur seines Gesetzgebers ist das Maximum, aber er richtet sich nach dem Machbaren aus. Die institutionenökonomische Analyse erlaubt damit, das Bild



Ergebnisse und Ausblick 

 161

des Ökonomen Platon differenziert zu betrachten und die Auffassung, er sei ein realitätsferner Moralist, zu widerlegen. Auf diese Weise schließt sich die Schere, die die moderne Forschung zwischen Platons ‚ethischem Ansatz‘ und der modernen Ökonomie sah. Denn Platons Reglementierungen sind damit nicht als rein moralisch begründete Abwehrstrategien eines konservativen Aristokraten zu betrachten, die im Widerspruch stehen zu dem, was moderne Ökonomie als Untersuchungsobjekt hat. Vielmehr sind seine Ansichten zur Wirtschaft, deren Normierung eine Folgerung seiner Analyse des status quo ist, ein Resultat der Einsicht in die Bedeutung kultureller Faktoren, die der Gesetzgeber steuern soll. Die Vergleichbarkeit von Platons Beschreibung der Bedeutung interner Institutionen mit der institutionenökonomischen Sichtweise reicht bis in den semantischen Bereich. So wird in den Nomoi (VII 793A8–D5) für die durch die Tradition gewachsenen Normen das Bild des „Bandes“ (δεσμός) bzw. des „Stützbalkens“ (ἔρεισμα) verwendet. Diese Ausdrucksweise ist vergleichbar mit der von Douglass North verwendeten Metaphorik, der „wirksame moralische bzw. ethische Normen einer Gesellschaft … das Bindemittel der sozialen Stabilität“640 nennt. In dem System von Anreizen, das die Nomoi entwickeln, genießt das Bestreben, Menschen durch Einsicht in das Richtige zu motivieren, den höchsten Stellenwert. Darum wird einer an den Werten des neuen Staates ausgerichteten Erziehung besondere Bedeutung zugewiesen. Aber aufgrund der anderen Fokussierung dieses Werkes und im Einklang mit Überlegungen, die der Politi­ kos anstellt, wird im Unterschied zur Politeia die Fiktion von Philosophenherrschern und damit von der Möglichkeit perfekter Herrscher aufgehoben. An deren Stelle tritt die Forderung nach möglichst guten Gesetzen und damit verbunden der Entwurf einer Verfassung, die an die einzelnen politischen Akteure, insbesondere aber an die Beamten, individuelle Anforderungen stellt, die über das für die athenische Polis bekannte Anforderungsprofil hinausreichen. Die Maximalforderung, die vor allem Wissen und Einsicht verlangt, unterscheidet sich nicht von den in anderen Platonischen Werken vertretenen Anschauungen, aber etwa im Unterschied zur Politeia werden die Regelungen nun explizit in dem Bewußtsein entworfen, daß die Adressaten keine Philosophen sind. Daraus erklärt sich die Vielheit und Vielfalt von Motivationen und Institutionen, mit denen gearbeitet wird. Diese werden in dem Bewußtsein entwickelt, daß man im Blick auf die Heterogenität der Bürgerschaft mit Strategien, die auf Einsicht und Überredung/ Überzeugung beruhen, aber auch mit Sanktionen arbeiten muß. Die Regelungen, die die Nomoi speziell für den Bereich der Wirtschaft formulieren, arbeiten in den Bereichen des Handels und der Kreditvergabe stark mit 640 North (1988) 48. Vgl. Anm. 404.

162 

 Ergebnisse und Ausblick

externen Institutionen, wohingegen bei anderen Regelungen durchaus externe und interne Institutionen ineinandergreifen, wenn etwa, wie bei den Regelungen für den Handwerkervertrag (Nomoi XI 921A1–D3), sowohl an die individuelle Berufsehre des einzelnen appelliert als auch mit staatlicher Strafe gedroht wird. Religiösen Institutionen weist Platon in den Nomoi eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Eudaimonie zu. Dabei greifen verschiedene Aspekte ineinander: Mit den Götterkulten rekurriert er auf die übliche Volksreligion. Sie wird auch normierend eingesetzt, etwa wenn ein Grenzvergehen als – gegen Zeus gerichteter – religiöser Frevel bezeichnet wird und Handwerker an ihre Verpflichtung gegenüber ihren ‚Zunftgöttern‘ Athena und Hephaistos erinnert werden. Gleichzeitig integriert Platon Elemente einer philosophischen Religion. Denn der Nous (Vernunft) gilt als göttliches Prinzip des Kosmos, das in richtig aufgestellten Gesetzen verkörpert wird. Diese neue vernunftorientierte religiöse Konzeption, die Platon durch die Amalgamierung verschiedener Elemente unternimmt, spiegeln auch die Regelungen zum Eid. Ihm steht Platon – trotz der normierenden Rolle, die die Nomoi der Volksreligion zuweisen – skeptisch gegenüber. Mit der Beschränkung des Eides bzw. dem Eidverbot bei wirtschaftlichen Transaktionen setzt sich Platon deutlich von der zeitgenössischen Praxis ab. An die Stelle dieser kostengünstigen Maßnahme zur Sicherung von Transaktionen treten andere, die mehr Kosten verursachen, aber auch mehr Sicherheit schaffen in einer Zeit, in der, wie der athenische Gesprächspartner formuliert, die durch Eid auferlegte religiöse Bindung nicht mehr viel zählt. Zusammenfassend läßt sich sagen: Platon hat vielfältige ökonomische Überlegungen angestellt, die auch unter moderner Perspektive als ernstzunehmende Beiträge anzusehen sind. Die Frage, wie man es erreichen kann, daß Individuen so handeln, daß sie ihr Wohl und das Gemeinwohl fördern, ist ein ‚Knackpunkt‘ auch in der modernen Diskussion. Hier ist ein Anschluß zur Wirtschaftsethik zu sehen. Denn in dem aktuell erschienenen Werk zur Wirtschaftsethik von Herold641 wird das Problem thematisiert, daß man gegenüber Menschen, die nicht moralisch sein wollen und auch keine Bereitschaft zur Einsicht zeigen, Sanktionen anwenden muß. Diese Notwendigkeit folgt daraus, daß nach einem von Herold vorgestellten Entwicklungsmodell, das der Entwicklung vom Kleinkind zum Erwachsenen verschiedene Phasen des Erlernens von Moral zuweist, nur 5% die letzten beiden Stufen erreichen, auf denen ein Individuum „bewusst und aus eigenem Willen verabredete Regeln einhält“ oder sogar – dies ist die höchste Stufe – dazu in der Lage ist, „sein Handeln selbständig an universalen

641 Herold (2012).



Ergebnisse und Ausblick 

 163

ethischen Prinzipien auszurichten.“642 Aus diesem Grund, so folgert Herold, müssen andere Maßnahmen, die sich im Bereich zwischen Kontrolle und Vertrauen bewegen, gefunden werden, und er schließt: „Die hohe Kunst der Menschenführung besteht darin, Menschen dazu zu bewegen, genau das aus eigenem Antrieb zu wollen, was sie aus Vernunftgründen tun sollen.“643 Diese Forderung unterscheidet sich nicht von der in den Nomoi erhobenen! Aber wer legt fest, was „vernünftig“ ist? Hier verweist Herold zwar darauf, daß, im Gegensatz zur Platonischen Anschauung, in einer Gesellschaft von Freien und Gleichen man nicht von der Ansicht ausgehen könne, „die höhere Einsicht des Denkers, der über die Maßstäbe und Prinzipien der Gerechtigkeit nachgedacht habe, müsse nur noch mit politischen Mitteln in Realität verwandelt werden.“644 Vielmehr gehe es darum, „zwischen diesen Freien und Gleichen eine gemeinsame Willensbildung zustande zu bringen.“645 Abgesehen davon, daß die Platonischen Überlegungen dazu, wie gezeigt werden konnte, vielschichtiger sind, die Relation von Erkenntnis und Umsetzung der Erkenntnis komplex beleuchten und die Nomoi auch auf Elemente der demokratischen Willensbildung rekurrieren, ist die Frage: In welchem Verhältnis steht die Anforderung, daß Normen demokratisch ausgehandelt werden müssen, zu der Aufgabe, durch geschickte Menschenführung Anreize zu geben, daß Menschen so handeln, wie es vernünftig ist? Denn dies setzt ja eine Trennung in solche, die wissen, was richtig ist, und andere, die man dazu bewegen muß, voraus. Dieses Problem diskutiert auch Kirchgässner, indem er den „‚kalkulatorischen‘“ Ansatz von John Rawls und den „‚kommunikativen‘“ Ansatz von Jürgen Habermas gegeneinander abwägt. Zwar sind nach seiner Meinung die „Vorschläge von John Rawls hilfreicher als viele Vorschläge aus dem Bereich der Theorie des herrschaftsfreien Diskurses bzw. der Diskursethik“646, aber er konstatiert: „Auch wenn man dem Vorschlag von John Rawls folgt, kommen rationales Verhalten und vernünftiges Handeln647 nicht immer zur Deckung, genausowenig wie sich jedes (von bestimmten Gruppen, von der Mehrheit der Bevölkerung oder gar von allen) als richtig postuliertes Verhal-

642 Herold (2012) 94. 643 Herold (2012) 94. 644 Herold (2012) 14. 645 Herold (2012) 14. 646 Kirchgässner (2013) 259 Anm. 29. 647 Mit „rational“ bezeichnet Kirchgässner (2013) 249 hier jemanden, „der – gegeben die jeweiligen Restriktionen – seine eigenen Interessen optimal durchsetzt“, mit „vernünftig im Sinne des philosophischen Ansatzes“ denjenigen, „der auf die Durchsetzung eigener (partieller) Interessen zugunsten allgemeiner (verallgemeinerungsfähiger) Interessen verzichtet.“ Zum Platonischen Rationalitätsbegriff, der sich von beiden unterscheidet, vgl. oben, S. 54–56.

164 

 Ergebnisse und Ausblick

ten durch richtiges Setzen von Anreizen erzwingen lässt.648 Statt deshalb aber nur das Auseinanderfallen von individueller und gesellschaftlicher Rationalität zu beklagen, sollte man konkrete Vorschläge machen, wie dieses Auseinanderfallen verhindert oder zumindest verringert werden kann. Die in der Philosophieund Ideengeschichte häufig zu findende Forderung nach einem neuen Menschen bzw. einem neuen Bewusstsein ist allein wenig hilfreich. Vielmehr sollte man sich darauf einstellen, dass sich die Menschen in der Regel eigennützig verhalten, weshalb die Vorschläge so geartet sein sollten, dass auch unter dieser Bedingung noch ein möglichst vernünftiges Ergebnis herauskommt.“649 Platons Ansatz ist einer, der offensichtlich ‚auf beide Pferde‘ setzt: Bewußtsein und Anreize. Dafür ist kein ‚neuer Mensch‘ notwendig, sondern der ‚alte Mensch‘ ist ausreichend, wenn man anerkennt, daß der Mensch weder nur eigennützig noch ausschließlich zur Erkenntnis und Umsetzung des Richtigen bereit ist, sondern mit Anlagen versehen ist, die gefördert werden müssen, wozu nicht nur Erziehung, sondern auch Anreize nötig sind.650 Hier sind der einzelne, die Gesellschaft und der Staat gefordert: Eudaimonie ist kein Zuckerschlecken! Ein ausführlicherer Vergleich des modernen Zugangs zu der Frage, wie Werte geschaffen werden und wie das Verhältnis von individueller Erkenntnis und der Umsetzung dieser Erkenntnis auf gesellschaftlicher und staatlicher Ebene auszusehen hat, mit dem Platonischen Ansatz ist lohnend, kann aber in diesem Rahmen nicht geleistet werden. Denn ein solcher Vergleich bedarf eines umfassenderen Projekts, das die Zusammenarbeit mit Philosophen, Ökonomen und Politologen erfordert. Diesem Ausgreifen in die Moderne entspricht eine Ausweitung der Fragestellung in eine stärker historische Dimension, die in der vorliegenden Arbeit nur am Rande thematisiert wurde und der althistorischen und auch rechtsgeschichtlichen Expertise bedürfte: In welchem Verhältnis steht Platons politiké téchne zur zeitgenössischen Politikauffassung? Wie sind seine Überlegungen zur Funktion von Strafe zu bewerten?651 Wie sind seine Vorschläge im Verhältnis zur zeitgenössischen Wirtschaftspolitik Athens und anderer Poleis einzuordnen? Ebenso weiterführend ist die Frage, inwieweit der institutionen648 Vgl. auch die Kritik, die Amartya Sen an Rawls übt (2010, 97): „John Rawls, der so überzeugend und differenziert wie kein anderer klargemacht hat, dass eine Gesellschaft auf das ‚vernünftige‘ Verhalten jedes Einzelnen angewiesen ist, um gut funktionieren zu können, muss wissen, wie problematisch die Annahme ist, dass alle Mitglieder einer Gesellschaft spontan zu allgemeinem vernünftigem Verhalten übergehen würden.“ 649 Kirchgässner (2013) 259. 650 Die Bedeutung des Lernens und die Voraussetzung, daß Individuen lernen können, macht auch Kirchgässner deutlich (2013, 261). 651 Vgl. die Beurteilung Cohens (2005) 186 einer solchen Untersuchung als „rich and rewarding topic that has by no means been fully explored“.



Ergebnisse und Ausblick 

 165

ökonomische Ansatz auf andere Wirtschaftstheorien des 4.  Jhdts., wie wir sie etwa bei Xenophon652 und Aristoteles finden, angewandt werden kann. Aber das wären etliche weitere Bücher.

652 Ein Beitrag zur Analyse des Xenophontischen Oikonomikos aus der Perspekive der institutionenökonomischen Prinzipal-Agenten-Theorie ist in Vorbereitung.

Bibliographie A Ausgaben, Kommentare, Übersetzungen Platon

Platonis Opera recognoverunt brevique adnotatione critica instruxerunt E. A. Duke et al., tom. I, Oxford/New York 1995. Platonis Opera recognovit brevique adnotatione critica instruxit I. Burnet, tom. II, Oxford 1901. Repr. Platonis Opera recognovit brevique adnotatione critica instruxit I. Burnet, tom. III, Oxford 1903. Repr. Platonis Opera recognovit brevique adnotatione critica instruxit I. Burnet, tom. IV, Oxford 1902. Repr. Platonis Opera recognovit brevique adnotatione critica instruxit I. Burnet, tom. V, Oxford 1907. Repr. Platonis Rempublicam recognovit brevique adnotatione critica instruxit S. R. Slings, Oxford/ New York 2003. Des Places, É.: Platon, Œuvres complètes XI: Les Lois, livres I–VI, texte établi et traduit par É. des Places, S. J., introduction de A. Diès et L. Gernet (Collection des Universités de France), 2 Bde., Paris 1951. Diès, A.: Platon, Œuvres complètes XII: Les Lois, livres VI–XII; Epinomis, texte établi et traduit par A. Diès [livres VI–XII] resp. É. des Places, S. J. [Epinomis] (Collection des Universités de France), 2 Bde., Paris 1956. Frede, D.: Platon, Philebos, Übersetzung und Kommentar von D. F. (Platon, Werke, im Auftrag der Kommission für Klassische Philologie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz hrsg. von E. Heitsch und C. W. Müller, III 2), Göttingen 1997 (= Frede 1997a). Rufener, R.: Platon, Der Staat · Politeia. Griechisch-deutsch, übers. von R. R. Einführung, Erläuterungen, Inhaltsübersicht und Literaturhinweise von Th. A. Szlezák (Sammlung Tusculum), Düsseldorf/Zürich 2000. Schöpsdau, K., Platon, Nomoi (Gesetze) Buch I–III, Übersetzung und Kommentar von K. S. (Platon, Werke, im Auftrag der Kommission für Klassische Philologie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz hrsg. von E. Heitsch und C. W. Müller, IX 2, 1. Teilbd.), Göttingen 1994. Schöpsdau, K.: Platon, Nomoi (Gesetze) Buch IV–VII, Übersetzung und Kommentar von K. S. (Platon, Werke, im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz hrsg. von E. Heitsch und C. W. Müller IX 2, 2. Teilbd.), Göttingen 2003. Schöpsdau, K.: Platon, Nomoi (Gesetze) Buch VIII–XII, Übersetzung und Kommentar von K. S. (Platon, Werke, im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz hrsg. von E. Heitsch, C. W. Müller und K. Sier, IX 2, 3. Teilbd.), Göttingen/Oakville (Conn.) 2011.

DOI 10.1515/9783110457070-014

168 

 Bibliographie

Ps.-Aristoteles

Audring, G.; Brodersen, K.: OIKONOMIKA. Quellen zur Wirtschaftstheorie der griechischen Antike, eingel., hrsg. u. übers. von G. A. und K. B. (Texte zur Forschung 92), Darmstadt 2008. Brodersen, K.: Aristoteles, 77 Tricks zur Steigerung der Staatseinnahmen. Oikonomika II. Griechisch/Deutsch, übers. und hrsg. von K. B. (Universal-Bibliothek 18438), Stuttgart 2006. Zoepffel, R.: Aristoteles, Oikonomika. Schriften zu Hauswirtschaft und Finanzwesen, übers. und erl. von R. Z. (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, begr. von E. Grumach, hrsg. von H. Flashar, 10 II), Berlin 2006.

Solon

Ruschenbusch, E.: Solon. Das Gesetzeswerk – Fragmente. Übersetzung und Kommentar (Hermes-Einzelschriften 215), Stuttgart 2010.

Adam Smith und Jeremy Bentham

Raphael, D. D.; Macfie, A. L. (Hrsgg.): Adam Smith, The Theory of Moral Sentiments (The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith I), Oxford 1976. Repr. Indianapolis 1982. Campbell, R. H.; Skinner, A. S. (Hrsgg.): Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith II), 2 Bde., Oxford 1979. Repr. Indianapolis 1981. Wightman, W. P. D.; Bryce, J. C. (Hrsgg.): Adam Smith, The History of Astronomy, in: dies. (Hrsgg.), A. S., Essays on Philosophical Subjects (The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith III), Oxford 1980. Repr. Indianapolis 1982, 33–105. Eckstein, W. (Hrsg.): Adam Smith, Theorie der ethischen Gefühle, nach der Aufl. letzter Hand übers. und mit Einl., Anm. und Registern hrsg. von W. E. mit einer Bibliographie von G. Gawlick (Philosophische Bibliothek 200a/b), Hamburg 2004. Recktenwald, H. C. (Hrsg.): Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, aus dem Engl. übertr. und mit einer umfassenden Würdigung des Gesamtwerkes hrsg. von H. C. R., München 1974. Burns, J. H.; Hart, H. L. A. (Hrsgg.): Jeremy Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, London 1970.

B Sekundärliteratur Amemiya, T.: Economy and Economics of Ancient Greece, London 2007. Annas, J. E.: An Introduction to Plato’s Republic, Oxford/New York 1981. Annas, J. E.: Politics and Ethics in Plato’s Republic (Book V 449a–471c), in: Höffe (1997a) 141–160.

Sekundärliteratur 

 169

Asper, M.; Föllinger, S.: IV. Fachliteratur, 1. Einleitung, in: B. Zimmermann; A. Rengakos (Hrsgg.), Handbuch der griechischen Literatur der Antike, 2. Bd.: Die Literatur der klassischen und hellenistischen Zeit, München 2014, 453–459. Austin, M.; Vidal-Naquet, P.: Gesellschaft und Wirtschaft im alten Griechenland, München 1984. Baloglou, Ch. P.: Die geldtheoretischen Anschauungen Platons, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2 (1994) 177–187. Baloglou, Ch. P.; Peukert, H.: Zum antiken ökonomischen Denken der Griechen (800–31 v. u. Z.). Eine kommentierte Bibliographie, 2., überarb. und erw. Aufl., Marburg 1996. Barr, N.: Economics of the Welfare State, Oxford 52012. Bayliss, A. J.: Oaths of Office, in: Sommerstein/Bayliss (2013) 33–46. Becker, G. S.: The Economic Approach to Human Behavior, Chicago/London 1976. Becker, W. G.: Platons Gesetze und das griechische Familienrecht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung (Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte 14), München 1932. Bernardete, S.: Plato’s “Laws”. The Discovery of Being, Chicago/London 2000. Bisinger, J.: Der Agrarstaat in Platons Gesetzen (Klio, Beiheft XVII [N. F., Heft IV]), Leipzig 1925 (Ndr. Aalen 1963). Blaug, M.: Art. ,Economics‘, in: Encyclopaedia Britannica Online, URL=, abgerufen am 27.6.2016. Bleicken, J.: Die athenische Demokratie (UTB 1330), 4., völlig überarb. und wesentlich erw. Aufl., Paderborn/München 1995. Blößner, N.: Dialogform und Argument. Studien zu Platons ‚Politeia‘ (Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz, Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse 1997, Nr. 1), Stuttgart 1997. Blößner, N.: Platons missverstandene Ethik. Das neue Bild von Platons ‚Staat‘ in der Forschung seit 1988, Gymnasium 114 (2007) 251–269. Blok, J. H.; Lardinois, A. P. M. H. (Hrsgg.): Solon of Athens. New Historical and Philological Approaches (Mnemosyne, Suppl. 272), Leiden/Boston 2006. Bobonich, Ch.: Persuasion, Compulsion and Freedom in Plato’s Laws, The Classical Quarterly N. S. 41 (1991) 365–388. Bobonich, Ch.: Plato and the Birth of Classical Political Philosophy, in: Lisi (2001a) 95–106. Bobonich, Ch.: Plato’s Utopia Recast. His Later Ethics and Politics, Oxford/New York 2002. Bobonich, Ch. (Hrsg.): Plato’s Laws. A Critical Guide, Cambridge/New York 2010. Bohannan, P.; Dalton, G. (Hrsgg.): Markets in Africa (Northwestern University African Studies 9), Evanston (Ill.) 1962. Bordt, M.: Platons Theologie (Symposion 126), Freiburg/München 2006. Bordt, M.: Die theologische Fundierung der Gesetze, in: Horn (2013a) 209–226. Bresson, A.: La cité marchande (Scripta antiqua 2), Bordeaux 2000. Bresson, A.: L’économie de la Grèce des cités (fin VIe–Ier siècle a. C.), I. Les structures e la production, Paris 2007. Bresson, A.: L’économie de la Grèce des cités (fin VIe–Ier siècle a. C.), II. Les espaces de l’échange, Paris 2008. Bresson, A.: The Making of the Ancient Greek Economy. Institutions, Markets, and Growth in the City-States, transl. by St. Rendall, Princeton (N. J.)/Oxford 2016. Brinker, W.: Platons Ethik und Psychologie. Philologische Untersuchungen über thymetisches Denken und Handeln in den platonischen Dialogen (Europäische Hochschulschriften 95), Frankfurt a. M./Berlin 2008.

170 

 Bibliographie

Brisson, L.: Vernunft, Natur und Gesetz im zehnten Buch von Platons Gesetzen (aus dem Frz. übers. von A. Havlíĉek), in: A. Havlíĉek; F. Karfík (Hrsgg.), The Republic and the Laws of Plato. Proceedings of the First Symposium Platonicum Pragense, Prag 1998, 182–200. Brisson, L.: Soul and state in Plato’s Laws, in: R. Barney u. a. (Hrsgg.), Plato and the Divided Self, Cambridge/New York 2012, 281–307. Buddensiek, F.: Art. ,Eudaimonie/Glück(seligkeit) (eudaimonía)‘, in: Schäfer (2007) 116–120. Bücher, K.: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge, Tübingen 1893. Büttner, St.: Die Literaturtheorie bei Platon und ihre anthropologische Begründung, Tübingen/ Basel 2000. Burkert, W.: Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche (Die Religionen der Menschheit 15), 2., überarb. und erw. Aufl., Stuttgart 2011. Cartledge, P. u. a. (Hrsgg.): Nomos. Essays in Athenian Law, Politics and Society, Cambridge/ New York 1990. Cartledge, P.: The Economy (Economies) of Ancient Greece, Dialogos 5 (1998) 4–24 (wiederabgedr. in: Scheidel/von Reden 2002a, 11–32). Cartledge, P. u. a. (Hrsg.): Money, Labour and Land. Approaches to the economics of ancient Greece, London/New York 2002. Cleary, J. J.: The Role of Theology in Plato’s Laws, in: Lisi (2001a) 125–140. Cohen, D.: Theories of Punishment, in: Gagarin/Cohen (2005) 170–190. Cohen, E. E.: Commercial Law, in: Gagarin/Cohen (2005) 290–304. Cürsgen, D.: Art. ,Tugend/Bestform/Exzellenz (aretê)‘, in: Schäfer (2007) 285–290. Danzig, G.; Schaps, D. M.: The Economy: What Plato Saw and What He Wanted, in: Lisi (2001a) 143–147. Davies, J. K.: Classical Greece: Production, in: Scheidel u. a. (2007) 333–361. De Brasi, D.: L’immagine di Sparta nei dialoghi platonici. Il giudizio di un filosofo su una (presunta) pólis modello (International Plato Studies 33), Sankt Augustin 2013. De Gennaro, I. u. a. (Hrsgg.): Wirtliche Ökonomie. Philosophische und dichterische Quellen, 1. Teilbd., Nordhausen 2013. Diamond, P.: Unemployment, Vacancies, Wages, The American Economic Review 101 (2011) 1045–1072. Dougherty, C.; Kurke, L.: Introduction, in: dies. (Hrsgg.), Cultural Poetics in Archaic Greece. Cult, Performance, Politics, Cambridge/New York 1993, 1–12. Drechsler, W.: Plato’s Nomoi as the basis of Law & Economics, in: Scolnicov/Brisson (2003) 215–220. Eich, A.: Die politische Ökonomie des antiken Griechenland (6.–3. Jahrhundert v. Chr.) (Passauer Historische Forschungen 14), Köln/Weimar 2006. Engels, J.: Anmerkungen zum ‚Ökonomischen Denken‘ im 4. Jahrh. v. Chr. und zur wirtschaftlichen Entwicklung des lykurgischen Athen, Münstersche Beiträge zur Antiken Handelsgeschichte VII,1 (1988) 90–134. Engen, D. T.: Honor and Profit. Athenian Trade Policy and the Economy and Society of Greece, 415–307 B. C. E., Ann Arbor 2010. Erlei, M. u. a. (Hrsgg.), Neue Institutionenökonomik, 2., überarb. und erw. Aufl., Stuttgart 2007. Erler, M.: Platon (Beck’sche Reihe 573), München 2006. Erler, M.: Platon (Grundriss der Geschichte der Philosophie, begr. von F. Ueberweg. Die Philosophie der Antike, hrsg. von H. Flashar, Bd. 2/2), Basel 2007. Erler, M.: Platon. Affekte und Wege zur Eudaimonie, in: H. Landweer; U. Renz (Hrsgg.), Klassische Emotionstheorien. Von Platon bis Wittgenstein, Berlin/New York 2008, 21–43.

Sekundärliteratur 

 171

Ferrari, G. R. F.: City and Soul in Plato’s Republic, Sankt Augustin 2003. Figueira, T.: Iron Money and the Ideology of Consumption in Laconia, in: A. Powell; St. Hodkinson (Hrsgg.), Sparta. Beyond the Mirage, Swansea/London 2002, 137–170. Finley, M. I.: The Ancient Economy, updated with a new foreword by I. Morris (Sather Classical Lectures 48), Berkeley/Los Angeles 1999 (21985; 11973). Föllinger, S.: Differenz und Gleichheit. Das Geschlechterverhältnis in der Sicht griechischer Philosophen des 4. bis 1. Jahrhunderts v. Chr. (Hermes-Einzelschriften 74), Stuttgart 1996. Föllinger, S.: Art. ,Wirtschaftslehre, II. Frühe Neuzeit‘, in: Der Neue Pauly, Bd. 15/3, Stuttgart/ Weimar 2003, 1160–1164. Föllinger, S.: Lehren im Gespräch. Der literarische Dialog als Medium antiker Wissensvermittlung, Gymnasium 113 (2006) 455–470 (= Föllinger 2006a). Föllinger, S.: Sokrates als Ökonom? Eine Analyse der didaktischen Gestaltung von Xenophons ‚Oikonomikos‘, Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft N. F. 30 (2006) 5–23 (= Föllinger 2006b). Föllinger, S.: Der Einfluß der stoischen Philosophie auf die Grundlagen der modernen Wirtschaftstheorie bei Adam Smith, in: B. Neymeyr u. a. (Hrsgg.), Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne, Bd. 2, Berlin/New York 2008, 1063–1079. Föllinger, S.: Die Geschichte der Atriden als Konfiguration weiblicher Handlungsmuster, in: M. George u. a. (Hrsgg.), Die Atriden. Literarische Präsenz eines Mythos, Dettelbach 2009, 57–69. Föllinger, S.: 10. Ökonomische Literatur, in: B. Zimmermann; A. Rengakos (Hrsgg.), Handbuch der griechischen Literatur der Antike, 2. Bd.: Die Literatur der klassischen und hellenistischen Zeit, München 2014, 584–590. Föllinger, S.: Anthropologie und Ökonomie bei Platon, in: W. D. Enkelmann; B. P. Priddat (Hrsgg.), Was ist? Wirtschaftsphilosophische Erkundungen. Definitionen, Ansätze, Methoden, Erkenntnisse, Wirkungen, Bd. 2, Marburg 2015, 413–427 (= Föllinger 2015a). Föllinger, S.: Rezension zu Anna Schriefl, Platons Kritik an Geld und Reichtum (Beiträge zur Altertumskunde 309), Berlin 2013, Gnomon 87 (2015) 589–594 (= Föllinger 2015b). Föllinger, S.: Vorstellungen wirtschaftlicher Normierung bei Platon, in: K. Droß-Krüpe u. a. (Hrsgg.), Antike Wirtschaft und ihre kulturelle Prägung, Wiesbaden 2016 [im Druck], 85–94 (= Föllinger 2016a). Föllinger, S.: Vorstellungen über den Zusammenhang von körperlicher Konstitution und Moral in antiker Philosophie und Medizin, in: Th. Buchheim u. a. (Hrsgg.), ΣΩΜΑ. Körperkonzepte und körperliche Existenz in der antiken Philosophie und Literatur (Archiv fiir Begriffsgeschichte, begr. von E. Rothacker, hrsg. von Ch. Bermes u.a.), Hamburg 2016, 61-81. Föllinger, S.; Korn, E.: Glück und Ökonomie – ein interdisziplinäres Projekt zur Bedeutung von Institutionen bei Platon, in: S. Föllinger u. a. (Hrsgg.), Die Marburger GelehrtenGesellschaft. Universitas litterarum nach 1968, Berlin 2016, [im Druck], 337–362. Fossheim, H. J.: The prooimia, Types of Motivation, and Moral Psychology, in: Horn (2013a) 87–104. Frede, D.: Die ungerechten Verfassungen und die ihnen entsprechenden Menschen (Buch VIII 543a–IX 576b), in: Höffe (1997a) 251–270 (= Frede 1997b). Frey, B. S.: Not Just for the Money. An Economic Theory of Personal Motivation, Cheltenham/ Northampton (Mass.) 1997.

172 

 Bibliographie

Friedman, M.: The Methodology of Positive Economics, in: ders., Essays In Positive Economics, Chicago 1966, 3–16 und 30–43. Furubotn, E.; Richter, R.: Institutions and Economic Theory, Michigan 22005. Gagarin, M.; Cohen, D. (Hrsgg.): The Cambridge Companion to Ancient Greek Law, Cambridge/ New York 2005. Gernet, L.: Introduction, deuxième partie: Les Lois et le droit positif, in: Platon, Œuvres complètes XI,1: Les Lois, livres I–II, texte établi et traduit par É. des Places, S. J., introduction de A. Diès et L. Gernet (Collection des Universités de France), Paris 1951, xciv– ccvi. Gill, Ch.: Foreword, in: J.-F. Pradeau, Plato and the City. A New Introduction to Plato’s Political Thought, transl. by J. Lloyd, with a Foreword by Ch. Gill, Exeter 2002, xi–xvi. Görgemanns, H.: Beiträge zur Interpretation von Platons Nomoi (Zetemata 25), München 1960. Graf, F.: Art. ,Eid‘, in: Thesaurus Cultus et Rituum Antiquorum III, Los Angeles 2005, 237–246. Günther, S. (Hrsg.): Ordnungsrahmen antiker Ökonomien. Ordnungskonzepte und Steuerungsmechanismen antiker Wirtschaftssysteme im Vergleich (Philippika 53), Wiesbaden 2012 (= Günther 2012a). Günther, S.: Einleitung, in: ders. (2012a) 1–4 (= Günther 2012b). Hansen, M. H.: Die Athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes. Struktur, Prinzipien und Selbstverständnis, Deutsch von W. Schuller, Berlin 1995. Harris, E. M.: Workshop, Marketplace and Household. The nature of technical specialization in classical Athens and its influence on economy and society, in: Cartledge u. a. (2002) 67–99. Harris, E. M. u. a. (Hrsgg.): The Ancient Greek Economy. Markets, Households and City-States, Cambridge/New York 2016. Heichelheim, F.: Wirtschaftsgeschichte des Altertums. Vom Paläolithikum bis zur Völkerwanderung der Germanen, Slaven und Araber, 3 Bde., Leiden 1938. Helmer, É.: La part du bronze. Platon et l’économie, Paris 2010. Helmig, Ch., Die Bedeutung und Funktion von ἐπῳδή in Platons Nomoi, in: Scolnicov/Brisson (2003) 75–80. Herold, N.: Einführung in die Wirtschaftsethik, Darmstadt 2012. Hirzel, R.: Der Eid. Ein Beitrag zu seiner Geschichte, Leipzig 1902. Hodkinson, St.: Property and Wealth in Classical Sparta, London 2000. Höffe, O.: Politische Gerechtigkeit. Grundlegung einer kritischen Philosophie von Recht und Staat (stw 800), Frankfurt a. M. 1987. Höffe, O. (Hrsg.): Platon, Politeia (Klassiker Auslegen 7), Berlin 1997 (= Höffe 1997a). Höffe, O.: Zur Analogie von Individuum und Polis (Buch II 367e–374d), in: ders. (1997a) 69–93 (= Höffe 1997b). Höffe, O.: Vier Kapitel einer Wirkungsgeschichte der Politeia, in: ders. (1997a) 333–361 (= Höffe 1997c). Holub, H.-W.: Eine Einführung in die Geschichte des ökonomischen Denkens, Bd. I: Methodologische Vorbemerkungen, Altertum, Mittelalter, Wien 2005. Horn, Ch.: Antike Lebenskunst. Glück und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatonikern (Beck’sche Reihe 1271), München 1998. Horn, Ch. (Hrsg.): Platon, Gesetze – Nomoi (Klassiker Auslegen 55), Berlin 2013 (= Horn 2013a). Horn, Ch.: Politische Philosophie in Platons Nomoi – Das Problem von Kontinuität und Diskontinuität, in: Horn (2013a) 1–21 (= Horn 2013b).

Sekundärliteratur 

 173

Hottinger, O.: Eigeninteresse und individuelles Nutzenkalkül in der Theorie der Gesellschaft und Ökonomie von Adam Smith, Jeremy Bentham und John Stuart Mill (Hochschulschriften 47), Marburg 1998. Hunter, V. J.: Institutionalizing Dishonour in Plato’s Laws, The Classical Quarterly N. S. 61 (2011) 134–142. Jacquet, J.: Scham. Die politische Kraft eines unterschätzten Gefühls, aus dem Amerikanischen von J. Neubauer, Frankfurt a. M. 2015. Jüssen, G.: Art. ,Nutzen, Nützlichkeit. 1. Antike‘, in: J. Ritter; K. Gründer (Hrsgg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 6, Darmstadt 1984, 992–996. Kehoe, D. P.: Management and Investment on Estates in Roman Egypt during the early Empire (Papyrologische Texte und Abhandlungen 40), Bonn 1992. Kirchgässner, G.: Bemerkungen zur Minimalmoral, Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 116 (1996) 223–251. Kirchgässner, G.: Homo Oeconomicus – Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften 74), 4., erg. und erw. Aufl., Tübingen 2013 (11991). Klingenberg, E.: Platons ΝΟΜΟΙ ΓΕΟΡΓΙΚΟΙ und das positive griechische Recht (Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung 17), Berlin 1976. Klingenberg, E.: Eigentumserwerb durch Fund, in: G. Nenci; G. Thür (Hrsgg.), Symposion 1988. Vorträge zur griechischen und hellenistischen Rechtsgeschichte (Siena–Pisa, 6.–8. Juni 1988) (Akten der Gesellschaft für griechische und hellenistische Rechtsgeschichte 7), Köln/Wien 1990, 101–110. Kloft, H.: Geld und Wirtschaft. Der griechische Horizont, Abhandlungen der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft LI (2002) 177–197. Knoch, W.: Die Strafbestimmungen in Platons Nomoi (Klassisch-philologische Studien 23), Wiesbaden 1960. Knoll, M.: Der Status der Bürger, der Frauen, der Fremden und der Sklaven in Magnesia, in: Horn (2013a) 143–164. Koslowski, P.: Gesellschaftliche Koordination. Eine ontologische und kulturwissenschaftliche Theorie der Marktwirtschaft, Tübingen 1991. Kraus, J. X.: Die Stoa und ihr Einfluss auf die Nationalökonomie (Hochschulschriften 63), Marburg 2000. Kurke, L.: Money and Mythic History: The Contestation of Transactional Orders in the Fifth Century, in: Scheidel/von Reden (2002a) 87–113. Laín-Entralgo, P.: Die platonische Rationalisierung der Besprechung (ΕΠΩΙΔΗ) und die Erfindung der Psychotherapie durch das Wort, Hermes 86 (1958) 298–323. Laks, A.: The Laws, in: Ch. Rowe; M. Schofield (Hrsgg.), The Cambridge History of Greek and Roman Political Thought, Cambridge/New York 2000, 258–291. Laks, A.: Médiation et coercition. Pour une lecture des Lois de Platon (Cahiers de philologie 22, Série Les Textes), Villeneuve d’Ascq 2005. Laks, A.: Plato’s ‚truest tragedy‘: Laws Book 7, 817a–d, in: Bobonich (2010) 217–231. Lauffer, S.: Die platonische Agrarwirtschaft, Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 29, Stuttgart 1936, 233–269. Lisi, F. L.: Einheit und Vielheit des platonischen Nomosbegriffs. Eine Untersuchung zur Beziehung von Philosophie und Politik bei Platon (Beiträge zur Klassischen Philologie 167), Königstein (Ts.) 1985.

174 

 Bibliographie

Lisi, F. L. (Hrsg.): Plato’s Laws and its historical Significance. Selected Papers of the I International Congress on Ancient thought – Salamanca 1998 (Studies in Ancient Philosophy I), Sankt Augustin 2001 (= Lisi 2001a). Lisi, F. L.: Contemporary readings of Plato’s Laws, in: ders. (2001a) 11–24 (= Lisi 2001b). Lowry, S. T.: The Archaeology of Economic Ideas. The Classical Greek Tradition, Durham 1987. Lütge, Ch.: Wirtschaftsethik ohne Illusionen. Ordnungstheoretische Reflexionen, Tübingen 2012. Lyttkens, C. H.: Economic Analysis of Institutional Change in Ancient Greece. Politics, taxation and rational behaviour (Routledge Explorations in Ecomomic History 58), Abingdon/New York 2013. Männlein-Robert, I.: Poetik: Komödie und Tragödie (VII 796e–817e), in: Horn (2013a) 123–141. Manstetten, R.: Das Menschenbild der Ökonomie. Der homo oeconomicus und die Anthropologie von Adam Smith (Alber Thesen 7), Freiburg/München 32004 (12000). Mesch, W.: Die philosophische Rhetorik des Gesetzgebers in Plato’s Nomoi, in: Scolnicov/ Brisson (2003) 59–64. Meyer, E.: Die wirtschaftliche Entwicklung des Altertums, Jena 1895. Möller, A.: Classical Greece. Distribution, in: Scheidel u. a. (2007) 362–384. Morley, N.: Trade in Classical Antiquity, Cambridge/New York 2007. Morris, I., Review Article: The Athenian Economy Twenty Years after The Ancient Economy, Classical Philology 89 (1994) 351–366. Morris, I.: Hard Surfaces, in: Cartledge u. a. (2002) 8–43. Morrow, G. R.: Plato’s Cretan City. A Historical Interpretation of the Laws, Princeton (N. J.) 1960. Morrow, J. D.: Game Theory for Political Scientists, Princeton (N. J.)/Chichester 1994. Müller, J.: Der Mensch als Marionette: Psychologie und Handlungstheorie, in: Horn (2013a) 45–66. Müller, J.: Leib-Seele-Dualismus? Zur Anthropologie beim späten Platon, in: D. De Brasi; S. Föllinger (Hrsgg.), Anthropologie in Antike und Gegenwart. Biologische und philosophische Entwürfe vom Menschen (Lebenswissenschaften im Dialog 18), Freiburg/München 2015, 59–96. Myerson, R.: Perspectives on Mechanism Design in Economic Theory, The American Economic Review 98 (2008) 586–603 (= Myerson 2008a). Myerson, R.: Art. ,Mechanism Design‘, in: St. N. Durlauf; L. E. Blume (Hrsgg.), The New Palgrave Dictionary of Economics (22008, online ed.), URL=, DOI=10.1057/9780230226203.1078 (= Myerson 2008b). Neschke, A. B.: Politik und Philosophie bei Plato und Aristoteles. Die Stellung der ‚NOMOI‘ im Platonischen Gesamtwerk und die politische Theorie des Aristoteles, Frankfurt a. M. 1971. Neschke-Hentschke, A. B.: Loi de la nature, loi de la cité. Le fondement transcendant de l’ordre politique dans les Lois de Platon et chez John Locke, in: Lisi (2001a) 255–273. North, D. C.: Structure and Change in Economic History, New York/London 1981. North, D. C.: Theorie des institutionellen Wandels. Eine neue Sicht der Wirtschaftsgeschichte (Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften 56), Tübingen 1988 (engl. Original: Structure and Change in Economic History, London 1981). North, D. C.: Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung (Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften 76), Tübingen 1992 (engl. Original: Institutions, Institutional Change and Economic Performance, Cambridge/New York 1990).

Sekundärliteratur 

 175

Ober, J.: Mass and Elite in Democratic Athens. Rhetoric, Ideology, and the Power of the People, Princeton (N. J.)/Chichester 1989. Ober, J.: Wealthy Hellas, Transactions of the American Philological Association 140 (2010) 241–286. Osborne, R.: Pride and Prejudice, Sense and Subsistence. Exchange and Society in the Greek City, in: J. Rich; A. Wallace-Hadrill (Hrsgg.), City and Country in the Ancient World, London/ New York 1991, 119–145. Ostrom, E.: An agenda for the study of institutions, Public Choice 48 (1986) 3–25. Patzig, G.: Ethik ohne Metaphysik, Göttingen 1971. Perkams, M.: Ämter und Gesetze in Magnesia, in: Horn (2013a) 227–247. Persky, J.: The Ethology of Homo Economicus, The Journal of Economic Perspectives 9 (1995) 221–231. Peukert, H.: 2. Abschnitt – Klassik, in: Schefold (2004) 179–269. Piérart, M., Platon et la Cité grecque. Théorie et réalité dans la Constitution des ‚Lois‘, Brüssel 1974. Pleket, H. W.: Wirtschaft, in: W. Fischer u. a. (Hrsgg.), Handbuch der europäischen Wirtschaftsund Sozialgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1990. Polanyi, K.: The Great Transformation, New York 1944. Polanyi, K.: Aristoteles entdeckt die Volkswirtschaft, in: ders., Ökonomie und Gesellschaft, mit einer Einl. von S. C. Humphreys, übers. von H. Jelinek (stw 295), Frankfurt a. M. 1979, 149–185 (engl. Original: Aristotle discovers the economy, in: ders. u. a. (Hrsgg.), Trade and Markets in the Early Empires, Glencoe (Ill.) 1957, 64–94). Pradeau, J.-F.: L’économie politique des Lois. Remarques sur l’institution des κλῆροι, Cahiers du Centre Gustave Glotz 11 (1990) 25–36. Pradeau, J.-F.: Plato and the City. A New Introduction to Plato’s Political Thought, transl. by J. Lloyd, with a Foreword by Ch. Gill, Exeter 2002. Pradeau, J.-F.: Platon et la cité, Paris 22010 (11997). Rameil, A.: Die Wirtschaftsstabilität und ihre Problematik in Platons Gesetzesstaat, München 1973. Reden, S. von: Arbeit und Zivilisation: Kriterien der Selbstdefinition im antiken Athen, Münstersche Beiträge zur antiken Handelsgeschichte 11 (1992) 1–31. Reden, S. von: Money in Classical Antiquity, Cambridge/New York 2010. Reden, S. von: Antike Wirtschaft, Berlin/Boston 2015. Rohde, D.: Bürgerpflicht und Gleichheitsideal. „Besteuerung“ und ihre diskursiven Grundlagen in Sparta und Athen, in: Günther (2012a) 23–40. Rossetti, L.: Le Leggi di Platone nel contesto della cultura e della letteratura giuridica attica, in: Lisi (2001a) 203–220. Rostovtzeff, M. I.: The Social and Economic History of the Roman Empire, Oxford 1926. Rostovtzeff, M. I.: The Social and Economic History of the Hellenistic World, 3 Bde., Oxford 1941. Ruffing, K.: Wirtschaft in der griechisch-römischen Antike (Geschichte kompakt), Darmstadt 2012. Saunders, T. J.: Plato and the Athenian law of theft, in: Cartledge u. a. (1990) 63–82. Saunders, T. J.: Plato’s Penal Code. Tradition, Controversy, and Reform in Greek Penology, Oxford 1991. Sautter, H.: Rezension zu Christoph Lütge, Wirtschaftsethik ohne Illusionen. Ordnungstheoretische Reflexionen, Tübingen 2012, Göttingische Gelehrte Anzeigen 265 (2013) 209–225.

176 

 Bibliographie

Sauvé Meyer, S.: The moral dangers of labour and commerce in Plato’s Laws, in: Scolnicov/ Brisson (2003) 207–214. Schäfer, Ch. (Hrsg.): Platon-Lexikon. Begriffswörterbuch zu Platon und der platonischen Tradition, Darmstadt 2007. Schefold, B., Platon und Aristoteles, in: J. Starbatty (Hrsg.), Klassiker des ökonomischen Denkens, 1. Bd.: Von Platon bis John Stuart Mill, München 1989, 19–55. Schefold, B.: Wirtschaftsstile, Bd. 1: Studien zum Verhältnis von Ökonomie und Kultur, Frankfurt a. M. 1994. Schefold, B.: Wirtschaftsstile, Bd. 2: Studien zur ökonomischen Theorie und zur Zukunft der Technik, Frankfurt a. M. 1995. Schefold, B. (Hrsg.): Wirtschaftssysteme im historischen Vergleich, Stuttgart 2004. Scheidel, W.; Reden, S. von (Hrsgg.): The Ancient Economy, Edinburgh 2002 (= Scheidel/von Reden 2002a). Scheidel, W.; Reden, S. von: Introduction, in: dies. (2002a) 1–8 (= Scheidel/von Reden 2002b). Scheidel, W. u. a. (Hrsgg.): The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World, Cambridge/New York 2007. Schindler, D. C.: Why Socrates Didn’t Charge: Plato and the Metaphysics of Money, Communio 36 (2009) 394–426. Schmitt, A.: Die Moderne und Platon. Zwei Grundformen europäischer Rationalität, Stuttgart/ Weimar 2003. Schmitt, A.: Der Staat als Möglichkeitsraum individueller Selbstentfaltung bei Platon, in: W. Vosskamp u. a. (Hrsgg.), Möglichkeitsdenken. Utopie und Dystopie in der Gegenwart (Morphemata 9), Paderborn 2013, 91–120. Schöpsdau, K.: Der Staatsentwurf der Nomoi zwischen Ideal und Wirklichkeit. Zu Plato leg. 739a1–e7 und 745c7–746d2, Rheinisches Museum für Philologie 134 (1991) 136–152. Schöpsdau, K.: Die Regelung des Sexualverhaltens (VIII 835c1–842a10) als ein Exempel platonischer Nomothetik, in: Lisi (2001a) 179–199. Schofield, M.: Plato on the economy, in: M. H. Hansen (Hrsg.), The Ancient Greek City-State. Symposium on the occasion of the 250th Anniversary of The Royal Danish Academy of Sciences and Letters, July, 1–4 1992 (Historisk-filosofiske Meddelelser 67) Kopenhagen 1993, 183–196 (wiederabgedr. in: M. Schofield, Saving the City. Philosopher-Kings and Other Classical Paradigms, London/New York 1999, 69–81). Schofield, M.: Religion and philosophy in the Laws, in: Scolnicov/Brisson (2003) 1–13. Schriefl, A.: Platons Kritik an Geld und Reichtum (Beiträge zur Altertumskunde 309), Berlin 2013 (= Schriefl 2013a) Schriefl, A.: Die Wirtschaftsordnung und die richtige Einstellung zu Besitz und Reichtum, in: Horn (2013a) 105–122 (= Schriefl 2013b). Schütrumpf, E.: Gesetze und Strafrecht, in: Horn (2013a) 189–207. Schumpeter, J. A.: Geschichte der ökonomischen Analyse. Nach dem Manuskript hrsg. von E. B. Schumpeter, 1. Teilbd., Göttingen 1965 (Ndr. 2009). Scolnicov, S.; Brisson, L. (Hrsgg.): Plato’s Laws: From Theory into Practice. Proceedings of the VI. Symposium Platonicum, Selected Papers (International Plato Studies 15), Sankt Augustin 2003. Sen, A.: Rational Fools. A Critique of the Behavioral Foundations of Economic Theory, Philosophy & Public Affairs 6 (1977) 317–344. Sen, A.: Die Idee der Gerechtigkeit, aus dem Engl. von Ch. Krüger, München 2010.

Sekundärliteratur 

 177

Silver, M.: Economic Structures of Antiquity (Contributions in Economics and Economic History 159), Westport (Conn.)/London 1995. Skultety, S. C.: Currency, Trade and Commerce in Plato’s Laws, History of Political Thought 27 (2006) 189–205. Söllner, F.: Die Geschichte des ökonomischen Denkens, Berlin/Heidelberg 32012 (11999). Sommerstein, A. H.; Bayliss, A. J.: Oath and State in Ancient Greece. With contributions by L. A. Kozak and I. S. Torrance (Beiträge zur Altertumskunde 306) Berlin/Boston 2013. Sommerstein, A. H.: Introduction, in: Sommerstein/Bayliss (2013) 3–8 (= Sommerstein 2013a). Sommerstein, A. H.: The judicial sphere, in: Sommerstein/Bayliss (2013) 57–119 (= Sommerstein 2013b). Stanley, Ph. V.: The Economic Reforms of Solon (Pharos. Studien zur griechisch-römischen Antike XI), St. Katharinen 1999. Stemmer, P.: Der Grundriss der Platonischen Ethik. Karlfried Gründer zum 60. Geburtstag, Zeitschrift für philosophische Forschung 42 (1988) 529–569. Thür, G.: Das Gerichtswesen Athens im 4. Jahrhundert v. Chr., in: L. Burckhardt; J. von UngernSternberg (Hrsgg.), Große Prozesse in Athen, München 2000, 30–49. Thür, G.: Recht im antiken Griechenland, in: U. Manthe (Hrsg.), Die Rechtskulturen der Antike. Vom Alten Orient bis zum Römischen Reich, München 2003, 191–333. Tietzel, M.: Die Rationalitätsannahme in den Wirtschaftswissenschaften oder Der homo oeconomicus und seine Verwandten, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 32 (1981) 115–138. Trampedach, K.: Platon, die Akademie und die zeitgenössische Politik (Hermes-Einzelschriften 66), Stuttgart 1994. Tzitzis, St.: Le serment chez Platon: métaphysique et droit, Revue historique de droit français et étranger 69 (1991) 63–72. Vegetti, M.: Anthropologies of Pleonexia in Plato, in: M. Migliori u. a. (Hrsgg.), Plato Ethicus. Philosophy is Life. Proceedings of the International Colloquium Piacenza (Italy) 2003, Sankt Augustin 2004, 315–327. Veyne, P.: Critique d’une Systématisation: Les Lois de Platon et la Réalité, Annales. Économies, Sociétés, Civilisations 37 (1982) 883–908. Voigt, St.: Institutionenökonomik (UTB 2339), 2., durchges. Aufl., Paderborn 2009 (12002). Voigtländer, H.-D.: Die Lust und das Gute bei Platon, Würzburg 1960. Walter, U.: Der Begriff des Staates in der griechischen und römischen Geschichte, in: Th. Hantos; G. A. Lehmann (Hrsgg.), Althistorisches Kolloquium aus Anlass des 70. Geburtstags von Jochen Bleicken 29.–30. November 1996 in Göttingen, Stuttgart 1996, 9–27. Weber, M.: Wirtschaft und Gesellschaft, Teilbd. 5: Die Stadt (MWG I/22–5), hrsg. von W. Nippel, Tübingen 1999. Whitehead, A. N.: Prozeß und Realität: Entwurf einer Kosmologie, aus dem Engl. und mit einem Nachw. versehen von H. G. Holl (stw 690), Frankfurt a. M. 1987 (engl. Original: Process and Reality. An Essay in Cosmology, New York 1929). Wieland, J.: Die Entdeckung der Ökonomie. Kategorien, Gegenstandsbereiche, Rationalitätstypen der Ökonomie an ihrem Ursprung, Marburg 22012 (11989). Wilamowitz-Moellendorff, U. von: Platon, 2 Bde., Berlin 1919. Yunis, H.: Taming Democracy. Models of Political Rhetoric in Classical Athens, Ithaca/London 1996.

Stellenindex Gorgias 56 Anm. 239 519A 132 Anm. 552 525C 106 Anm. 438

Aristophanes Die Acharner V. 33-36 14

Aristoteles Politik II 7 133 mit Anm. 556 Athenaion Politeia

130 Anm. 547

Ps.-Aristoteles Oikonomika 23 Oikonomika I und II

5

Bentham, Jeremy An Introduction to the Principles of Morals and Legislation XIV,28 54 Anm. 233

Demosthenes Oratio 57,30 144 Anm. 601

Isokrates Trapezitikos

147 Anm. 615

Lykurg Rede gegen Leokrates 79 151 Anm. 623

Platon Apologie 36B7 5 Anm. 5 Charmides Euthydemos 292B-D 55

118 Anm. 492

Kritias 115C 132 Anm. 552 Laches

66

Lysis 220A1-5 45 Anm. 192 222B-C 50 Anm. 214 Menexenos 238D1f. 123 Anm. 513 Menon 77B-78B

51 Anm. 218

Nomoi I1 624A-625C 113 628A9-B4 60 628C6-D2 60 628D2-E1 60 629C6-D5 60 629E-630E 91 Anm. 381 631B 56 Anm. 239 631B-C 42 Anm. 176 631B-D 90 Anm. 369, 128 Anm. 539 631C4f. 128 Anm. 539 634C-635B 123 634D 123 636D-E 56 Anm. 239, 110 643B-644B 112 643C 110 643E 111 Anm. 459 646Eff. 104 Anm. 428 650B 93 Anm. 386 Nomoi II 653B 100 Anm. 413, 111 Anm. 459 1 Seiten, auf denen nur allgemein auf die Nomoi verwiesen wird, sind nicht aufgeführt.

Stellenindex 

653B1-6 110 657A 92 Anm. 382 659C-660A 111 Anm. 459, 112 660Aff. 120 Anm. 498 664A 111 Anm. 459 670E 111 Anm. 459 671B 104 Anm. 428 Nomoi III 679B-C 44 685A7f. 86 Anm. 365 688B-C 115 690B 77 691C1-692B1 122 691C5-D5 81 Anm. 347 697B 42 Anm. 176 699C 104 Anm. 428 701D-702B 75 702A7-B1 90 Anm. 372 Nomoi IV 707D1-5 61 708A 92 Anm. 384 708B-D 92 708E-709D 89 709D-712A 86 712B2 86 713B-714B 75 Anm. 329 715A-D 76 715E3-6 121 715E7-716D4 114 715E-V 734E 119 Anm. 493 717A 91 Anm. 379 718A6-B5 83 718Bff. 118 718C8-D7 92 Anm. 384 718D7-719A2 120 720Aff. 122 Anm. 508 720D-E 118 722B4-C2 118, 120 722D3-E4 119 723A 118 Anm. 493 723B2-6 119 Nomoi V 726A1-729B1 53 728C 53 Anm. 229

728E-729C 129 Anm. 541 729B-C 112 730B 103 730D 104 Anm. 430 731B-D 106 Anm. 439 731C 106 731D6-732B4 53 733A3f. 110 733D 110 Anm. 454 734E5f. 79 Anm. 345 735A-736C 86 736B5-7 86 737A 132 737D6f. 71 Anm. 306 737E1-3 136 Anm. 567 738B-E 99 738C-E 134 738D 118 738E2-8 134 739A 77 739A3-5 71 Anm. 303 739A-E 77 739B2f. 71 Anm. 303 739B8-E7 117 Anm. 491 739E 77 739E3f. 71 Anm. 303 739E8-740B1 135 740A 133 740A4 136 740D-E 103 Anm. 424 741B3-C2 137 742A-B 136 742C3-6 147 Anm. 613 742C-744A 129 742D 18 742E2-6 60 743C 56 Anm. 239 743C5-D6 147 743C-E 136 743D5-E1 42 743E-744A 42 Anm. 176 744A 91 Anm. 379 744A8-745B2 138 744C2 138 745B-E 135 746B5-C2 60

 179

180 

 Stellenindex

Nomoi VI 751C-752C 96 753B-D 124 754Eff. 139 756E-757A 123 Anm. 513 757C 77 761B-D 113 765D4-766C1 126 766A8 126 767C-D 124 767E 124f. 769A1 86 769B-E 124 769D-E 75 Anm. 328 770C7-E6 78 772E 119 Anm. 493 773D-E 103 784D-E 104 Anm. 430 Nomoi VII 788A-793E 97 793A-D 101 793A8-D5 161 793A9-D5 97 797A-798D 85 797A9-B4 85 804C 112 804D-E 100 807D 77 807D-E 128 811B-E 72 818A 111 Anm. 458, 125 822D3-823A6 100 822D7 101 824A10f. 103 Anm. 426 Nomoi VIII 829C 104 Anm. 430 831B-832B 43 831C4-832A2 43 835B-842A 107 836C6 99, 120 Anm. 498 836E4 99 838B1 107 838C8-D1 107 838E2f. 91 839C6-D1 91

841A6-B5 108 841B 99 841B1 103 841B7 108 Anm. 448 841E4 109 842E6-846C8 140 842E9 140 843A1 140 843A1-4 140 Anm. 586 843B7-844D3 141 843E3-844A1 141 844C1-D3 142 845C-D 104 845D1f. 104 846B-C 127 846B6-C8 141 Anm. 489 846D4-7 128 846D-847A 136 Anm. 567 847A 128 847A-B 107 847B-E 146 847E-848C 136 849B 144 850A-C 145f. 850B3 146 Nomoi IX 853D10-854A1 81 856A6f. 155 857B8-C2 119 857B9-E7 93 Anm. 386 857E10-858A6 60 Anm. 259 859A3f. 118 860E6 74 Anm. 323 862D 106 862D-863A 106 Anm. 439 863B1-C2 100 Anm. 413 869E10-870C5 129 870A1-5 43 870A5-7 45 Anm. 192 870A6-B2 53 Anm. 227 870A6-B6 42, Anm. 176 870D-E 114 Anm. 476 870D4-E3 107 871B 138 873A 106 Anm. 438 874E7-875D5 39, 48 Anm. 206

Stellenindex 

875A1-C3 81 Anm. 347 875D 76 875D3 71 Anm. 303 880D8-E3 62 Anm. 266 881D7-E4 138 Nomoi X 887C5-899D3 114 Anm. 477 890B5 121 890E6-891B4 120 Anm. 501 891A1-4 121 899D4-905D7 115 903B1ff. 120 Anm. 498 905D8-907B4 115 Nomoi XI 913B3-8 52, 159 915A-D 138 915D-E 147 916D-918A 153 916D6-E5 154 917C 144 917C7 153 918A-920C 15, 143 918A8-C3 36 918C9-D8 37 918D6-8 43 918E7-919B3 37 919B-C 44 Anm. 188 919B-D 129 919C 144 919C-D 146 919E-920A 144 920A 155 920B-C 145 921A1-D3 148, 162 921B 145 921C3f. 149f. 921E-922A 104 Anm. 430 922A 104 922E-923B 139 923A2-B1 139 Anm. 583 926D6f. 102 928B 124 933E6-934C6 142 934A1 142

 181

Nomoi XII 941B2f. 141 Anm. 588 941B2-942A4 106 945B-948B 124 945C2 125 946D 124 948B-949C 152 948D1-3 152 948D8-E4 155 949A5-8 152 Anm. 628 951D-952E 125 952D4 104 953D 104 Anm. 430 953D5 104 955B5f. 137 Anm. 574 957C3 121 961A-969D 77 962A9-C3 89 964B 104 Anm. 430 965B-C 125 965Bff. 111 Anm. 458 966D-E 91 967D-968A 65 Anm. 280 Phaidon 113E 106 Anm. 438 Phaidros 248D5 5 Anm. 5 Politeia I2 352B-354A

64 Anm. 274

Politeia II 357D-358A 102 369B7-370B3 33 369E-370D 64 Anm. 274 370C3-5 34 Anm. 152 371A4f. 34 371D 132, 143 Anm. 596 371E 34 373D4-E1 35

2 Seiten, auf denen nur allgemein auf die Politeia verwiesen wird, sind nicht aufgeführt.

182 

 Stellenindex

Politeia III 392C 52 Anm. 223 395B4 34 Anm. 152 414B-415D 34 Anm. 152, 74 Anm. 320 415D-417B 127 416D-IV 421C 42 Politeia IV 419A-420B 62 Anm. 264 420B-423A 128 420C-D 78 421C-422A 129 422A-423D 44, 90 mit Anm. 373 422D-423A 130 Anm. 544 422Eff. 90 Anm. 372 424A 41, 44 Anm. 188 425B-E 79 428B-429A 74 432E-434D 111 435E-436A 66 Anm. 288 442A5-7 43 Anm. 182 Politeia V 462A-B 90 mit Anm. 373 462B 90 Anm. 372 465D-466A 78f. 472A-473B 60 472Dff. 79 Anm. 343 473A 79 Politeia VI 491E-492A 111 Anm. 460 493B-C 77 502A-C 77 503B 111 Anm. 457 Politeia VII 519B7-521B11

52 Anm. 224

Politeia VIII 543C6-544A1 71 Anm. 302 548B-C 121 551C-552E 130 Anm. 544 552A7-10 44 555C7-D1 129 555D8-556A2 147

Politeia IX 38 Anm. 165 580D10-581A8 43 Anm. 182 580E-581A 43 Anm. 181 586D-587B 74 592A-B 71 Anm. 302, 77 Politeia X 615Aff. 106 Anm. 438 Politikos 32, 44 Anm. 189, 61, 75f., 81, 112, 161 260C-D 143 Anm. 597 271C-272B 75 Anm. 329 289E-290A 143 Anm. 597 293E-301A 75 294A-C 76 294A10-B6 160 294B2-6 81 297D-E 76 299E 76 300B-C 76 309A-310A 112 Anm. 463 Protagoras

66

Sophistes 223B-224E 143 223D 132 Symposion 204C-205A 51 Anm. 218 205A1-3 50 Timaios 41, 64, 66, 79 Anm. 341, 99 Anm. 406, 111, 114 Anm. 477

Smith, Adam An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations i.ii.2 45 iv.ii.9 46 The History of Astronomy IV 19 46 Anm. 199, 47 Anm. 201

Stellenindex 

The Theory of Moral Sentiments i.ii.3.4 46 Anm. 197 iii.3.11 47 vi.ii.35 48 Anm. 205 vii.ii.1.44 47

Thukydides 1,120 14 Anm. 58 5,34,2 146

 183

Xenophon Lakedaimonion Politeia 7,2 144 Anm. 601 Oikonomikos 20,25 15 20,27 15 20,29 15 Poroi

3, 5, 15f., 25, 165 Anm. 652

18, 27 Anm. 126

Sach- und Personenindex Adeimantos 73 mit Anm. 319 agathón siehe „gut/das Gute“ agorá 19 mit Anm. 74, 34, 121 Agoranomen 19, 126, 144, 153f. Agronomen 126, 142 aischýne siehe „Scham“ Akropolis 114 alethés dóxa 120 Anm. 502 Altruismus 21 Anm. 86, 53, 56 mit Anm. 241, 59 Anm. 251, 67, 69 mit Anm. 300 Ämter 77, 95, 104, 112, 122f., 125f., 134, 138; siehe auch „Archonten“, „Beamte“ und „Magistrate“ Anákrisis 152 Anreiz 19, 21f., 27 Anm. 126, 57f., 64, 68 mit Anm. 629, 102, 104f. mit Anm. 432 und 433, 111, 129, 146f., 159-164 Ansehen 102; siehe auch „Ehre“ und „Reputation“ Anthropologie 16, 40, 45, 47, 51, 64, 127, 131f., 135, 158f. Arbeit 18 mit Anm. 73, 22, 34 Arbeitsteilung 34f. mit Anm. 157, 64 Anm. 274, 128, 136 Anm. 567, 148f. Archonten 76, 112, 123; siehe auch „Ämter“, „Beamte“ und „Magistrate“ Areopag 124 Anm. 522 Areté 29 mit Anm. 174, 59-61, 63-65, 76, 90f. mit Anm. 381, 104, 110, 112, 120, 124, 136 Anm. 567 argumentative Strategie 41, 78f., 100, 108, 120 Aristokrat/aristokratisch 17, 26f., 29, 123, 161 Aristophanes 14 Aristoteles 16-18, 22-27, 90 Anm. 374, 133, 145 Anm. 606, 165 Arme contra Reiche 44, 133, 145, 147; vgl. auch „,Soziale Schere‘“ Armut 129, 133, 147 mit Anm. 615 Arzt 35, 118f. Astynomen 126, 142 Athen 11, 14f., 18f., 23, 34 Anm. 154, 42, 44 Anm. 187, 77, 90, 103, 107, 112, 115, 122f.

mit Anm. 509, 124f., 131f., 133 Anm. 556, 134, 138, 144-148, 151-153, 161 Athene 114, 147f. Athener als Gesprächspartner 31, 36, 37, 41, 53, 60, 62, 72, 74, 76, 81, 85f., 89, 96f., 100, 103, 105f., 106ff., 114f., 118, 120 Anm. 501, 122, 129, 132f., 135, 139f., 152, 162 Atlantis 131 Anm. 549, 132 Anm. 552 Autarkie/autark 9, 33f., 36, 132, 157 Banken 11, 13, 147f. mit Anm. 616 Bauern 11, 74 Beamte 75, 76, 112f., 123-126, 127, 137, 142, 148, 161; siehe auch „Ämter“, „Archonten“ und „Magistrate“ Bedürfnisse 5f., 10, 33, 35-37, 40, 42, 123, 135 Begierde 42, 74, 132; siehe auch „Pleonexie“ Besitz 36, 44, 78, 133f. Besonnenheit siehe „Sophrosýne“ Betrug 153-155 Bía 81-84, 93, 105, 121 Bildung 66, 74, 77, 110-113, 125f., 135; siehe auch „Erziehung“ Boulé 123, 125, 138 Bürger 36, 41-44, 55f., 57f., 60, 65-68, 76-79, 81, 83, 86, 90-93, 99-109, 110ff., 118ff., 122f., 125f., 128-130, 132-139, 140f., 144-150, 153, 155, 159-161 Charakter 86, 111, 126, 129f., 136, 138, 141f., 143, 146, 150 Charmides 118 Anm. 492 Chöre 58 Delikte, ökonomische 138 religiöse 153 soziale 153 wirtschaftliche 107, 155 Demokratie/demokratisch 42 mit Anm. 175, 55f., 66f., 77, 82, 112, 122f., 151, 159, 163 Devisen 137f., 148



Dialektik 110f., 125 Dialogform 27, 31f., 41 Diamond, Peter 58, 71f., 73 Dichter 35 Diebstahl 142 Distribution 10, 35, 136, 140 Dokimasie 125 Drakontisch 152 Anm. 629 egalitär 27, 77 Anm. 337 Egoismus 47, 49, 52 Anm. 223, 53, 56, 67 Ehre 53 Anm. 229, 104 mit Anm. 432, 134f., 138, 149, 162; siehe auch „Ansehen“ und „Reputation“ Ehrenstrafe 104, 107, 121, 137 Ehrentzug 104, 121, 128 Eid 22f., 138, 140, 151-156, 162 eigen/das Eigene 39 Eigenliebe 47, 53 Eigennutz/Eigeninteresse 16f., 26, 39f., 43, 45f., 48, 49-54, 56, 58f., 66-69, 76 Anm. 332, 84, 116, 154f., 157f., 160, 163 Anm. 647, 164 Eigentum 19, 42, 52, 106, 131, 132-139, 158 Einheit 44, 58, 67 Anm. 292, 75, 90 mit Anm. 374, 111, 121, 129f., 134, 143, 147 Einheit des Staates 35 Anm. 157, 116f., 134, 141, 157, 160 Einsicht 57, 62 Anm. 265, 65f., 69, 72, 74, 83, 89, 110f., 115, 120, 122 Anm. 508, 139, 140f., 142, 150, 155, 157ff. Eintracht 90, 141 einzeln, der einzelne 76, 90, 110, 116, 129f., 136, 142, 150, 154, 157, 159ff. Ekklesίa siehe „Volksversammlung“ Eltern 67, 113, 118, 138 embeddedness 10, 25 emporía 34 empórion 19 Epistemologie 82, 159 epithymetikón 43 Anm. 181, 64, 104 Anm. 432 Epodé 99 Anm. 411, 120 Anm. 498 éranos 147 Erbrecht 134, 139

Sach- und Personenindex 

 185

Erkenntnis 31f., 40f., 53, 55, 56f., 65f., 74, 77, 89, 102, 105, 116, 123 Anm. 519, 127, 158ff. Erwachsene 58, 66, 79, 96, 110, 118, 162 Erziehbarkeit 40f. Erziehung 37, 39, 40f., 42 Anm. 179, 44f., 48, 57, 64f., 67, 74, 77, 79, 86, 93, 95ff., 100f., 103, 106, 110ff., 118, 121, 122, 125f., 129f., 135f., 141, 145, 154, 157, 161, 164 Ethik/ethisch 24ff., 50, 55, 63, 66, 67 Anm. 291, 68 Anm. 297, 74, 82f., 90 Anm. 374, 96, 99, 105, 116, 127, 132, 148, 158, 160, 161ff. ‚Ethische Regel‘ 83, 94, 102, 115, 141, 150 Eudaimonie 42, 44, 50, 51 Anm. 217, 54, 59, 63, 65, 72f., 75f., 78f., 82, 90, 106, 122, 130ff., 134, 136, 141, 146f., 157, 159f., 162, 164 individuelle Eudaimonie 42, 72f., 75f., 78f., 82, 122, 160 staatliche Eudaimonie 42, 72f., 75f., 79, 82, 160 Euthynen 122, 124ff., 138 Exomosía 152 Anm. 628 Export 34, 132 Familie 49, 59, 78, 97, 103 Anm. 424, 113, 131, 139 Firmen 20 Fluch/Verfluchung 107, 137, 138 Forum Boarium 22 Freie 118f., 148, 163 Freiheit 13 Anm. 53, 43, 90 Anm. 371, 102, 115 Fremde 15, 83, 106, 109, 136, 138, 144, 153 Freundschaft 90, 115, 134, 140f., 147 Frieden 60, 90; siehe auch „Sozialer Frieden“ Gastfreundschaft 15f., 38 Gastwirt/Gastronomie 36-38, 143 Geld 18, 29, 34, 36f., 41-43, 44f., 63, 102, 103, 128, 132, 136f., 138 Anm. 578, 140, 143, 144 Anm. 601, 148, 157, 159; siehe auch „Strafe, Geldstrafe“ Geldgier 29, 42, 129, 139, 143

186 

 Sach- und Personenindex

Gemeinschaft 33, 36, 42, 44, 47 Anm. 203, 52, 57, 66, 79, 94, 106, 112, 117, 128, 150, 157ff. Gemeinwohl 39f., 45ff., 52, 66, 162 Generation 53 Anm. 227, 96, 135 Gerechtigkeit 33, 35f., 52f., 73f., 102, 111, 128 Anm. 539, 159, 163 Gerichte/Gerichtsbarkeit 21, 77, 124ff., 138f., 140, 149, 151ff. Gesellschaft/gesellschaftlich 16, 21, 27, 32, 44, 57, 81ff., 84, 93f., 98f., 102, 105, 107, 116, 118, 127, 134, 158f., 161, 163f. Gesetz 20f., 39-41, 44, 46, 61, 68, 75f., 83ff., 87, 89ff., 94-109, 111ff., 116, 118ff., 122ff., 128, 130f., 133, 136, 140ff., 146, 148, 150, 160ff. kodifizierte Gesetze 21, 82, 160 ‚Ungeschriebene Gesetze‘ 82, 97f., 109 Gesetzesstaat 153 Gesetzeswächter 123ff., 138f., 145 Gesetzgeber/Gesetzgebung 53, 56-58, 60, 64, 66, 72f., 79, 83ff., 89ff., 94ff., 98f., 111 Anm. 456, 112, 113, 117, 118ff., 122ff., 128, 130, 135, 139, 142, 152f., 154, 157, 160f.; siehe auch „Nomotheten/ Nomothetik“ Gesundheit 65, 128 Anm. 539 Getreidehändler 15 Getreideversorgung 144 Anm. 602 Gewinn 37, 136, 145, 148, 150, 152 Gewinnmaximierung 13, 15f., 143 Gewinnorientierung 15, 43, 61, 127, 141, 146 Gewöhnung 57, 65, 96, 98, 108f., 110f., 128, 154 Glaukon 35, 73 mit Anm. 319 Glück 46, 50f., 63, 147 Gold 18, 91, 132, 136 Gott/Götter 46, 48, 91, 99, 105, 113ff., 134, 140f., 148f., 150, 151ff., 162 Grenzvergehen 141, 162 Grundbesitz 132-139 Grundgesetz Deutschlands 21 gut/das Gute 44, 49-54, 56, 58, 60, 62, 65f., 68f., 72, 74, 78, 91f., 94, 110, 112, 124, 155, 158 Güter 34-36, 51, 53, 65, 90 Anm. 369, 143, 146

Güterhierarchie 42, 128 mit Anm. 539 Gythion 144 Anm. 601 Habermas, Jürgen 163 Hades 107 Handel 9f., 16, 33-38, 43, 128, 131f., 136, 142-150, 153, 160 Außenhandel 9, 19, 132, 146, 156 Großhandel 34, 37, 132 Kleinhandel 11, 34, 36f., 132, 145 Seehandel 11, 140 Zwischenhandel 143 Handeln des Menschen 6f., 21, 41, 44, 49ff., 57f., 61, 65f., 79, 81-84, 94f., 108, 110, 114, 124, 137, 156, 158f., 160, 162f. Handeln, wirtschaftliches 2, 7, 10, 13, 16, 17 Anm. 64, 18, 20, 22, 33-38, 157, 159 Händler 11, 15, 43, 74, 128, 143f., 146 Anm. 610, 153 Handwerk 13f., 19 Anm. 74, 52, 115, 136, 158 Handwerker 11, 35, 74, 128, 144f., 148-150, 154, 162 Harmonie 39, 44, 52, 65, 67 Anm. 292, 90, 111, 129 Hayek, Friedrich August von 95 Heliaía 152 Anm. 629 Hephaistos 149, 162 Hesiod 114 Hestia 114 Höhlengleichnis 52 Anm. 224, 74 homo ethicus 30 homo oeconomicus 10, 16, 24, 30, 49-69, 71, 157, 160 homo politicus 10, 24, 30 Import 34 Individuum/individuell 6, 16, 20, 32f., 42, 44, 47 Anm. 203, 49, 52, 54, 57f., 59 Anm. 249, 63, 65f., 68, 72f., 74 Anm. 322, 75, 78f., 81f., 84, 103, 104 Anm. 429, 108 Anm. 448, 110, 112, 117, 122, 127, 129, 141, 158f., 162, 164 Anm. 650 Individuum und Gesellschaft/Staat 54, 63, 72f., 74 Anm. 322, 75, 110, 158f. Industrie 9, 13 Information 16, 20, 54, 57 Anm. 245, 58, 84 Anm. 358, 97, 158



Informationsasymmetrie 81, 96, 134, 147 Instabilität 38 Anm. 165, 90, 147; siehe auch „Stabilität“ Institutionen 20-23, 34, 59 Anm. 253, 66, 68, 76, 81ff., 126, 127-140, 151f., 160f. externe Institutionen 93-110, 130, 138, 140ff., 148f., 162 interne Institutionen 93-110, 130, 136, 138, 140ff., 148f., 150, 162 Ischomachos 15 Ist-Zustand 7, 17, 25, 29, 33 kallípolis 71 Anm. 302 kápeloi 34 Kapital 149 Kleinias 74, 86, 108, 131 kognitiv 57, 95, 96, 110, 146, 158 Kolonie 53, 74, 85, 92 Anm. 384, 99, 132, 133 Anm. 556 Kolonisten 53, 114, 119 Anm. 493, 138 Konsens 92, 95 Kontrolle 48, 96, 105 Anm. 433, 122-126, 130, 135, 144, 154f., 163 Konventionen 94, 95, 99, 121 Körper-Seele/körperlich-seelisch 41f., 60, 65, 111, 99 Anm. 406, 129 Korruption 40, 123 Kosten 13 Anm. 53, 20f., 67f., 152, 162 Kredit 21, 142-150, 151, 161 Kreisbewegung 114 Kreta 74 Anm. 323, 85, 112f. Krieg 36, 38 Anm. 165, 50, 60, 145 Peloponnesischer Krieg 14, 77 Kritobulos 15 Kriton 55 Kronos 75 Anm. 329 Kult 107, 113, 115, 117, 125 Anm. 527, 162 Kultur/kulturell 8, 10, 14, 16, 17, 18, 21, 38, 45, 63, 69, 104, 116, 117, 160f., Kunst/Künstler 35, 112 Landaufseher siehe „Agronomen“ Landlose 103 Anm. 424, 130, 133ff., 139 Landwirtschaft 11, 13, 15, 19 Anm. 74, 115, 128, 136, 140 Liniengleichnis 74 Literatur 112, 121 Anm. 502, 124

Sach- und Personenindex 

 187

Lob 100-104, 85, 126; siehe auch „Ehre“ und „timé“ logistikón 55, 64, 158 Lόgos 99, 121 Lohn 148 Lohnarbeiter 34, 36, 74 Losverfahren 77, 122, 125, 135 Low cost-Situationen 155 Lüge 154 Lust 42, 49 Anm. 207, 62, 65, 104 Anm. 432, 108 Anm. 448, 110 Lykurg 144 Anm. 601, 151 Magistrate 76, 102, 123; siehe auch „Ämter“, Archonten“ und „Beamte“ Magnesia 74, 77, 113f., 123, 130ff., 136, 138, 140, 144, 146 Malerei 143 Mangel 5f., 15, 34-36, 118, 144, 157 Marionettengleichnis 100 Anm. 413 Markt 10, 12, 19 Anm. 74, 20, 23f., 28, 34ff., 38, 45, 144, 146, 153 antiker Markt 14 athenischer Markt 14 freier Markt 13, 45, 145 Marktaufseher siehe „Agoranomen“ Marktgesetze 15, 19, 26, 43-48, 49, 129, 144, 153, 157 Marktregulierung 142-150 Marktwirtschaft/marktwirtschaftlich 6, 10, 13 Anm. 48, 15, 24, 26, 67 Marxismus 56 materialistisch 129 materiell 6, 33, 41f., 43 Anm. 181, 48f., 51, 61, 63, 102, 128, 104 Anm. 432, 128f., 157 Mathematik/mathematisch 1, 24, 25, 49 Anm. 209, 51, 85, 87, 110f. Maximalvorstellung 56, 59, 112, 133 Maximierung/Maximum 15, 40, 59-61, 160 Gewinnmaximierung 13, 22, 16, 143 Mechanismen 57, 84f., 96, 129 Mechanismus Design 61, 84-87, 96 Mechanismus, bestmöglicher 61, 85 Medizin 50, 60, 89 Megillos 74 Meineid 151-156

188 

 Sach- und Personenindex

Mensch, Natur des Menschen 33-38, 39-45, 48-62, 64f., 74, 93-95, 110f., 142, 157ff. Metaphysik/metaphysisch 61, 76, 90 Anm. 374, 114 Anm. 474, 115f. Metöke 4, 18, 27 Anm. 126, 107, 136, 144ff., 153, 155 Militär 100, 144 Anm. 60, 146 Minos 113 misthotoí 34 Modell 1, 17, 20, 24f., 36, 38 Anm. 165, 47, 49, 56 Anm. 241 und 242, 57 Anm. 245, 58f., 60, 64 Anm. 275, 66, 71f., 74f., 77, 79, 85, 87, 97, 100 Anm. 413, 157, 159, 160, 162 Modernisten 9, 10, 28 Monopolbildung 15, 44, 143 Moral/moralisch 1, 29, 38, 42, 44, 47, 50, 56-59, 63ff., 66ff., 96, 102f., 105, 113, 127, 130, 143, 161f. Mord 107, 129, 138, 152 Motivation 51, 65, 86, 102 mit Anm. 420, 104, 106, 146, 161 extrinsische Motivation 84, 105 Anm. 433, 117 intrinsische Motivation 67 Anm. 291, 84, 94, 104f., 111 Münzen 10, 132, 137, 148 Münzprägung 19 Musik/musisch 58, 111, 112, 119, 121 Anm. 502, 124, 143

Normen 16, 20f., 38, 52, 60, 67 Anm. 291, 68f., 76, 81, 82, 95f., 98f., 102f., 104, 105, 116, 145, 158, 160f., 163 Normierung 7, 18, 25, 29, 74, 82, 161 Nous 91, 114-116, 162; siehe auch „Vernunft/ vernünftig“ Nutzen 15, 20, 49-54, 55 Anm. 233, 56, 58, 61, 62, 69, 113, 155, 157f. individueller Nutzen 52, 63-69 kollektiver Nutzen 52, 63-69 wahrer Nutzen 51f., 54, 158 Nutzenkalkül 52, 54, 159 Nutzenmaximierer/Nutzenmaximierung 20, 49, 58 Anm. 248, 59, 62 Anm. 265 nützlich 50ff., 62, 110, 143, 158

Nachbargrundstück 52, 141, 158 Nachbarschaftskooperation 141 Nachbarschaftsstreit 73 ‚Nächtliche Versammlung‘ 66, 90 Anm. 368, 111, 124ff. Neoklassik 10, 20 mit Anm. 81, 21 Anm. 86, 28, 49, 67, 160 Neue Institutionenökonomik 2, 19, 20-23, 30, 61, 79, 81-109, 160 Newton, Isaac 46, 85 Nicht-Bürger 83, 108, 128, 160 Nomophýlakes 122f., 124 Anm. 522 Nomotheten/Nomothetik 89-91, 123 normativ 7, 14, 16, 22, 25, 29, 33, 45 mit Anm. 193, 47, 51, 54, 84, 157f.

Paideía siehe „Erziehung“ Parádeigma 60, 71, 72 Peithó 81-84, 93, 96, 100 Anm. 413, 118, 120f.; siehe auch „Überredung“ und „Überzeugung“ Peloponnes 92 Anm. 384 Periöken 143 Anm. 601 Pflicht 50, 110, 117 Pflichtethik 63 phéme siehe „Öffentliche Meinung“ Philipp von Opus 75 philochrematía 136 Philosophenherrscher 42, 52 Anm. 224, 56, 75ff., 89, 110, 114 Anm. 474, 125, 161 Philosophie 1, 26 Anm. 121, 46, 63, 72, 85, 121

Öffentliche Meinung 96, 103, 107f., 154 Ökonomie, Begriff 5-7 Haushaltsökonomie 9, 13, 25 moderne Ökonomie 2, 24, 49, 51f., 56, 61, 83, 155, 157, 158, 161 normative Ökonomie 7, 16, 45 politische Ökonomie 7 Anm. 20, 13 Anm. 46, 47 Anm. 202 positive Ökonomie 7, 16, 45 ‚Ökonomische Literatur‘ 5 Oligarchie/oligarchisch 44, 77, 130 Ontologie/ontologisch 43, 58, 82 Organe des Staates 21, 66, 90 Anm. 368, 93, 111, 122-126, 143



politische Philosophie 40, 66, 90 Anm. 374, 93 Anm. 387 Pleonexie 36, 37, 39-43, 48, 52, 61, 128, 157, 159f. Plutarch 130 Anm. 547, 136 Anm. 569, Polis 10, 13, 19, 34f., 36 Anm. 159, 52 Anm. 225, 71 Anm. 302, 90 Anm. 371 und 374, 117, 133 Anm. 554, 143ff., 160f. Polisgenese 41 Politik/politisch 10, 13f., 17ff., 22, 25f., 32, 36, 38 Anm. 165, 39, 42, 44f., 55, 58, 59, 61, 66f., 72f., 89f., 74, 95 Anm. 397, 112, 115f., 120, 126ff., 130, 133, 135f., 144, 147, 151, 157ff., 161, 163f. Popper, Karl 77 Präferenzen 51, 56f., 59 Anm. 249, 81, 157 Preise 19, 26, 52, 104, 143, 144f., 147f., 148f., 153, 158 Preisbildung 144 Preiskontrollen 19 Preismechanismen 10 Preisschwankung 129, 145 Primitivismus 9, 11ff. Prinzipal-Agenten-Theorie 22, 81, 165 Anm. 652 Privatbesitz 135, 136 Profit/profitorientiert 10, 15, 16, 18, 22, 25, 38, 159 Prognostizierbarkeit menschlichen Verhaltens 6, 7, 51, 57, 81, 151 Proömien 39, 41, 58, 100 Anm. 413, 118ff., 139, 152ff. prostátes 146 Psychologie 40, 74, 82, 104 Anm. 432, 159 Qualität 44 Anm. 189, 63, 74, 76, 86, 90, 91, 95, 110, 112, 125f., 146, 153 Rationalität/rational 6f., 13, 16, 20, 28, 49, 54-56, 66, 68, 83, 100 Anm. 413, 115f., 152, 155, 158f., 163f.; siehe auch „Vernunft/vernünftig“ und „Nous“ Rawls, John 56, 163, 164 mit Anm. 648 Realisierbarkeit 57, 60, 68 Recht 94, 105, 109, 134 Attisches Recht im Vergleich mit Platonischen Gesetzen 139 Anm.

Sach- und Personenindex 

 189



582, 140 Anm. 584, 141 Anm. 587, 147 Anm. 613 Eigentumsrecht 131 Erbrecht 139 Familienrecht 131, 134 Gewerberecht 131 Handelsrecht 131 Rechtsstaat 67 Redistribution 10 Regeln 16, 21, 24 Anm. 14, 33, 67 Anm. 291,68, 76, 79, 81, 83-87, 89, 92-96,101-105, 114-117, 121-124, 127, 139, 143,145, 147, 151, 159, 160, 162 ‚Ethische Regel‘ 115, 141, 150 formale Regeln 20f., 160 Implementierung von Regeln 91f., 96, 100, 103, 109, 113, 115, 116, 121f. informelle Regeln 21, 83, 160 kodifizierte Regeln 82f., 109, 160 soziale Regeln 96 Regelungsmechanismus 130 Regenwasserschaden 141f. Reichtum 29, 42ff., 53 mit Anm. 227, 63, 91, 128 mit Anm. 539, 129 132, 133 138; siehe auch „Arme contra Reiche“ und „‚Soziale Schere‘“ Reichtumskritik 18, 29, 41, 43 Religion/religiös 22, 38, 45 Anm. 194, 48 mit Anm. 204, 67-69, 72f., 99, 105, 107, 109, 113-118, 134, 136, 137f., 140f., 151-153, 162 Reputation 64, 68, 95, 104; siehe auch „Ansehen“ und „Ehre“ Respekt 79, 104, 107, 112, 141, 153f. Restriktionen 6, 21, 22, 49 Anm. 209, 57, 157 Rhadamanthys 113 Rhetorik 79 Anm. 341, 99, 100 Anm. 413, 119f. Richter 77, 104, 122, 124f., 142, 153, 155 Sanktionen 20, 23, 57, 68, 81, 83f., 93f., 102, 105, 111, 122, 128, 138, 140, 151f., 160-162; siehe auch „Strafe“ doppelte Sanktionen 105, 148 göttliche Sanktionen 148, 152 religiöse Sanktionen 105, 138, 140, 153 staatliche Sanktionen 83, 122, 151

190 

 Sach- und Personenindex

Sauromatinnen 100 Schadensausgleich 106, 141f. Scham 103f., 107-109, 121, 135 Schande 64, 103, 104 Anm. 432, 137 Schuldenerlasse 133 Schuldner 147 Seele/seelisch 32, 41f., 50, 52f., 64f., 74, 78f., 93 Anm. 386 und 387, 91, 95 Anm. 406, 111, 129, 136, 155 Selbstbindung 94, 105, 115, 127, 141, 160 Selbsterkenntnis 139 Selbstliebe 42, 53 Selbstreflexion 50 Selbstsorge 50 Sen, Amartya 66, 164 Anm. 648 Sexualgesetzgebung 107-109 Sexualität 38 Sexualverhalten 99, 103 Anm. 424, 107 Sicherheit siehe „Stabilität“ Silber 18, 132, 136 sitophýlakes 143 Anm. 602 Sitten 95 Anm. 397, 132 Sklaven 11, 13, 39, 67 Anm. 291, 77 Anm. 337, 106f., 118, 136 mit Anm. 567, 144 Smith, Adam 45-48, 49, 85, 117, 145 Anm. 606 Sokrates 15, 16, 31, 33-36, 41 Anm. 174, 42, 49, 50, 52f., 55, 62, 64 Anm. 274, 66, 73 mit Anm. 319, 74, 77f., 79 Anm. 341, 102, 106, 118 Anm. 492, 124, 129, 155, 158 Soll-Zustand 17, 29 Solon 130f., 133 Anm. 556, 138 Sonnengleichnis 74 Sophistik 50 Sophrosýne 129, 146 ‚Soziale Schere‘ 42, 44, 134, 139 Sozialer Frieden 131 ‚Sozialer Planer‘ 85f. Sozialverpflichtung 139 Sparta 14, 107 Anm. 447, 112, 113, 125, 136, 144 Anm. 601 Spartiaten 144-146 Spiel 21, 85-87 Staat 27, 32f., 42, 44, 54, 60-62, 63, 65f., 71-75, 79, 81-83, 94, 96-98, 110, 113, 122f.; siehe auch „Einheit des Staates“ Staatsziel 42f., 73, 83, 89-93, 97, 146f.

Stabilität 44, 57, 58, 82, 90, 94, 97f., 99, 105, 117, 121, 127, 129f., 132, 138, 145, 151f., 156, 160f.; siehe auch „Instabilität“ Stadtaufseher siehe „Astynomen“ Steuern 23, 146 Strafe 53, 83, 101, 105f., 117f., 135, 137f., 140-142, 144f., 148-150, 153, 162, 164; siehe auch „Sanktionen“ Diesseitsstrafe 107 doppelte Strafe 140, 149, 153 Gefängnisstrafe 128, 144 Geldstrafe 102, 106, 128, 135, 137, 141, 145 göttliche Strafe 105, 106, 117, 140, 153 Jenseitsstrafe 107 körperliche Strafe 93, 126, 145 Anm. 610, 153 profane Strafe 106, 153, 149 religiöse Strafe 106, 137f., 140 soziale Strafe 106f., 135, 137 Todesstrafe 93, 106, 138, 145, 155 Strafrecht 39, 94, 106, 113, 131 ‚Strategische Unsicherheit‘ 81, 83, 96 Subsistenz 9, 10, 13 mit Anm. 48, 26, 34 Tabuisierung 100, 107, 109 Tadel 85, 100, 101, 102, 103 mit Anm. 424, 112, 126, 128, 137, 153f. Tapferkeit 91 Anm. 381, 128 Anm. 539 Tausch 10, 33, 34, 36 Téchne 89 Anm. 370, 128 téchne oikonomiké 5 téchne politiké 55, 89, 159, 164 Teleologie 10, 22 Tempelraub 81, 131 Theologie 91, 113, 115, 116, 118 Thrasymachos 64 Anm. 274, 73, 76 Anm. 332 thymoeidés 64, 104 Anm. 432 timé 53 Anm. 22; siehe auch „Ehre“ und „Lob“ totalitär 56 Anm. 242, 61, 77f. Transaktionen 19ff., 35 mit Anm. 155, 162 Transaktionskosten 21f., 131, 151, 156 Anm. 639 Transparenz 58, 118, 134 Tugend 29, 52, 63, 65, 78, 101, 131; siehe auch „Areté“



Übereinstimmung 90, 92, 102, 110, 113 Überredung 83 mit Anm. 353, 93, 111, 118f., 161; siehe auch „Peithó“ und „Überzeugung“ Überschuß 34 Überzeugung 57, 83 mit Anm. 353, 95f., 99, 111, 118f., 122, 161; siehe auch „Peithó“ und „Überredung“ ‚Unparteiischer Zuschauer‘ 45 Anm. 194, 47f. ‚Unsichtbare Hand‘ 45, 46, 47 Ur-Athen 132 Anm. 552 Utopie 73 Anm. 317 Verantwortung 39, 44, 66, 77, 95, 127, 136, 144, 159 Verbannung 106 Verfassung 21, 32, 41, 42 mit Anm. 175, 76-78, 82, 94, 97, 99, 101, 122f., 159ff. Verfassungsverfall 38 Anm. 165 Vermögen 41, 124, 128, 131, 138, 145, 147 Vermögensklassen 123, 131, 136 Anm. 567, 138 Vermögensunterschiede 129f. Vermögensunterschlagung 124 Vernunft/vernünftig 39f., 41 Anm. 172, 64, 66, 74, 76f., 89-91, 102f., 114-116, 121, 128 Anm. 539, 139, 142, 152, 158, 162-164; siehe auch „Nous“ und „Rationalität/rational“ Vertrauen 21, 48f., 52, 67 mit Anm. 292, 92, 117, 131f., 134, 143, 147f., 155, 158, 160, 163 Volksversammlung 77, 90 Anm. 368, 123, 125, 138, 145 Vorbild/vorbildlich 15, 53, 86, 107 Anm. 447, 112 Vorreden siehe „Proömien“

Sach- und Personenindex 

 191

Wächter 42, 62, 74, 78 Wahl 6, 104, 113, 122, 124f., 134f. Werte 50, 56, 58, 67 Anm. 291, 86, 103, 104, 114, 116, 129, 132, 155, 161, 164 Wirtschaft 1, 5-8, 17, 36, 44f., 124, 127-129, 130f., 159, 161 antike Wirtschaft 5, 8, 14, 9-19, 26 Autonomie contra Heteronomie der Wirtschaft 45 Anm. 193 Hauswirtschaft 9,11 kulturelle Bedingtheit wirtschaftlichen Handelns 14, 38, 101, 104, 160 moderne Wirtschaft 14, 19 Stadtwirtschaft 9, 11 Tauschwirtschaft 29 Volkswirtschaft 6, 9, 11 Wirtschaftsethik 162 Wirtschaftspolitik 19, 164 Wirtschaftsstile 11, 25f. Wirtschaftstheorie 2, 5, 7, 23, 28f., 54, 165 Wirtschaftswachstum 23, 131 Wirtschaftliche Prozesse 6, 14, 19, 24, 33, 36, 38, 44, 48, 85, 113 Wissen 32, 39-41, 55, 57, 65f., 72, 75, 77, 89, 94, 100, 102, 116, 119, 122-124, 159, 161 Wohlfahrt 46 Wohlstand 65, 129 Anm. 539, 146 Wohlwollen 90, 132 Xenophon 5, 15, 16, 18, 23, 25, 27 Anm. 126, 144 Anm. 601, 165 Zensus 123 Zeus 113f., 140, 148, 162 Ziel 49-51, 55, 59-61, 89f., 97, 112, 145, 157f.; siehe auch „Staatsziel“ Zielkonflikte 96 Zinsen 147-149 Zoll 19, 145 Zwang siehe „Bía“