Konfessionelle Konkurrenz: Gelehrte Kontroversen an den Universitäten Heidelberg und Mainz (1583-1622). Dissertationsschrift 9783161592164, 9783161592171, 3161592166

Gelehrte der reformierten Universität Heidelberg und der jesuitisch dominierten Universität Mainz tauschten zwischen 158

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German Pages 450 [463] Year 2022

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand
1.1. Kontroversschriften als kirchengeschichtliche Quellen
1.2. Konfession und Modernisierung – Bemerkungen zum Forschungsstand
1.3. Konfessionelle Konkurrenz als produktiver Wirkfaktor in der Frühen Neuzeit
1.4. Vorgehensweise und Ziel dieser Studie
2. Die Universitäten Heidelberg und Mainz im Untersuchungszeitraum
2.1. Die Universität Heidelberg und ihre Theologische Fakultät
2.1.1. Entwicklung von Universität und Fakultät 1559 bis 1622
2.1.2. Profile der Hauptautoren
2.1.2.1. Daniel Tossanus
2.1.2.2. Simon Stenius
2.1.2.3. David Pareus
2.1.2.4. Abraham Scultetus
2.2. Das Wirken der Jesuiten an der Universität Mainz
2.2.1. Geschichte des Mainzer Jesuitenkollegs 1561 bis 1631
2.2.2. Profile der Hauptautoren
2.2.2.1. Petrus Thyraeus
2.2.2.2. Johannes Busaeus
2.2.2.3. Nicolaus Serarius
2.2.2.4. Johannes Spitznaes, gen. Mulhusinus
2.2.2.5. Martin Becanus
2.2.2.6. Adam Contzen
2.3. Der Streitschriftenwechsel zwischen Heidelberger und Mainzer Gelehrten und ihr Verhältnis zueinander
2.3.1. Konkurrenzen, Konversionen und Kontroversschriften
2.3.2. Kontroverstheologie in Heidelberg und Mainz
2.3.3. Druck- und Verlagswesen in der Kurpfalz und in Mainz
2.3.4. Nachwirkungen der Kontroversschriften im 17. und 18. Jahrhundert
3. Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation
3.1. Konfessionelle Kontroversschriften als Quellengruppe
3.2. Kontroversschriften zwischen gelehrter Anerkennung und konfessioneller Anfeindung
3.3. Autoren, Adressaten und Funktion
3.4. Sprache und Übersetzungen
3.5. Argumentationsweise, Strategien und Gestaltung
3.6. Kontexte: Zensur und Infrastruktur
3.7. Bedeutung der Kontroversschriften im konfessionellen Zeitalter
4. Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis
4.1. Schriftautorität und Exegese
4.1.1. Bemerkungen zum Forschungsstand
4.1.2. Die Kontroverse um die Schriftautorität zwischen Pareus, Magirus und Mulhusinus
4.1.3. Die Bedeutung von Bibel und Ursprachen für die Mainzer Jesuiten
4.1.4. Die Umwelt der Bibel: Serarius und die Kontroverse über die frühjüdischen „Sekten“
4.1.4.1. Der Beginn der Kontroverse
4.1.4.2. Die Ausweitung der Kontroverse
4.1.4.3. Die parallele Kontroverse zwischen Stenius und Gretser
4.1.4.4. Fazit
4.1.5. Fazit
4.2. Die Kirchenväter und ihre Autorität
4.2.1. Die Konversion des Justus Calvinus/ Baronius und die Kirchenväter
4.2.2. Abraham Scultetus’ Medulla Theologiae Patrum
4.2.3. Weitere Bemühungen um die Kirchenväter in Heidelberg und Mainz
4.2.4. Fazit
4.3. Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen
4.3.1. Bemerkungen zum Forschungsstand
4.3.2. Die Kontroverse um die Konstantinische Schenkung
4.3.2.1. Die Debatte um die Konstantinische Schenkung im 15. und 16. Jahrhundert
4.3.2.2. Caesar Baronius und der dritte Band der Annales Ecclesiastici
4.3.2.3. Abraham Scultetus’ Angriff auf Baronius
4.3.2.4. Marquard Freher und der zwölfte Band der Annales Ecclesiastici
4.3.2.5. Fazit
4.3.3. Die Kontroverse um die „Päpstin“ Johanna
4.3.3.1. Die Legende um die Päpstin und die Kontroverse im 16. Jahrhundert
4.3.3.2. Zwei Mainzer Publikationen zur Päpstin
4.3.3.3. Die Angriffe des Heidelbergers Konrad Decker
4.3.3.4. Fazit
4.3.4. Das Reformationsjubiläum 1617
4.3.4.1. Die Durchführung von Jubiläum und Jubeljahr in Heidelberg und Mainz und die anschließende publizistische Kontroverse
4.3.4.2. Abraham Scultetus’ Reformationsgeschichte
4.3.4.3. Adam Contzens Kontroversschriften gegen das Jubiläum
4.3.4.4. Fazit
4.3.4.5. Exkurs: Die Entwicklung der modernen Jubiläumskultur im interkonfessionellen Austausch
4.3.5. Die Kontroverse um die historische Chronologie
4.3.5.1. Joseph Justus Scaliger und die Entwicklung der Chronologie als Wissenschaft
4.3.5.2. David Pareus’ Entwurf einer „prophetischen Chronologie“
4.3.5.3. Die Kontroverse zwischen Pareus, Scaliger und Calvisius
4.3.5.4. Adam Contzens Kontroverse mit Friedrich Braunbom
4.3.5.5. Fazit
4.3.6. Kontroversen zum Gregorianischen Kalender
4.3.6.1. Konkurrierende pfälzische Gutachten zur Einführung des Kalenders
4.3.6.2. Der nachfolgende Schriftenstreit zum neuen Kalender
4.3.6.3. Fazit
4.3.7. Fazit
4.4. Ergebnisse – Das Ringen um die Wahrheit und deren Prüfsteine
5. Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie
5.1. Gnade und Rechtfertigung
5.1.1. Martin Becanus und der Gnadenstreit
5.1.1.1. Gegenstand und Verlauf des Gnadenstreits
5.1.1.2. Martin Becanus’ Schriften zu Prädestination und freiem Willen
5.1.1.3. Becanus im Konflikt mit Rom
5.1.2. David Pareus, Robert Bellarmin und die Urstandslehre
5.1.2.1. David Pareus und der Gnadenstreit
5.1.2.2. Interkonfessionelle Transfers in der Urstandslehre
5.1.3. Adam Contzen, David Pareus und die Dordrechter Synode 1618/19
5.1.3.1. Adam Contzens Schriften zur Gnade und zum Arminianischen Streit
5.1.3.2. David Pareus’ Briefgutachten auf der Synode von Dordrecht .
5.1.4. Fazit
5.2. Innerprotestantische Abendmahlskontroversen und die „Heidelberger Irenik“
5.2.1. Einführung – Das Konzept der „Heidelberger Irenik“
5.2.2. Das kontroverstheologische Profil der reformierten pfälzischen Abendmahlsschriften
5.2.3. Die Kontroverse um die „Neustadter Bibel“
5.2.4. Die „Heidelberger Irenik“ als antikatholische Initiative
5.2.5. Die Mainzer Reaktion auf die „Heidelberger Irenik“
5.2.6. Fazit
5.3. Die Kontroverse um den Rosenkranz und die Marianische Kongregation in Mainz
5.4. Historisierung der Heiligen und apologetische Systematisierung ihrer Verehrung
5.5. Abraham Scultetus’ Prager „Bildersturm“ und sein literarisches Nachspiel
5.6. Ergebnisse: Die Bedeutung interkonfessioneller Kontroversen für die Entwicklung der konfessionellen Theologien
6. Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens
6.1. Obrigkeitliche Kompetenzen in Kirchenangelegenheiten und ihre Begrenzung
6.1.1. Problemdarstellung und Begriffsklärung
6.1.2. Staat und Kirche in der Kurpfalz
6.1.3. Die katholische Lehre von weltlicher Obrigkeit und Kirche bei Robert Bellarmin und Thomas Stapleton
6.1.4. Die Kontroverse zwischen Daniel Tossanus und Petrus Thyraeus
6.1.5. Die Unterscheidung innerer und äußerer Kirchengewalt bei David Pareus
6.1.6. Mainzer Positionen zu Staat und Kirche im frühen 17. Jahrhundert
6.1.7. Fazit
6.2. Martin Becanus und die Kontroverse um den Oath of Allegiance
6.2.1. Der Oath of Allegiance und der Ausbruch der Kontroverse
6.2.2. Bellarmin und die potestas indirecta des Papsts
6.2.3. Becanus’ erste Schrift und ihre Zensur
6.2.4. Der Fortgang der Kontroverse 1610–1612
6.2.5. Die Kontakte zwischen England und der Kurpfalz und die pfälzischen Beiträge zur Kontroverse
6.2.6. Die Rezeption der Unterscheidung innerer und äußerer Kirchengewalt des Pareus im Kontext der Kontroverse
6.2.7. Becanus’ abschließende Schrift Controversia Anglicana und ihre Indizierung
6.2.8. Fazit
6.3. Toleranz im Konfessionsstaat? Martin Becanus und die Kontroverse de fide haereticis servanda
6.3.1. Bemerkungen zum Forschungsstand
6.3.2. Die Kontroverse zwischen Becanus und Brederode
6.3.3. Die Kontroverse zwischen Becanus und Pareus
6.3.4. Becanus’ Auseinandersetzung mit Rom und sein Manuale Controversiarum
6.3.5. Die Bedeutung konfessioneller Konkurrenz für die Geschichte der Toleranz
6.4. Ergebnisse: Politische Implikationen theologischer Kontroversen
7. Ergebnisse
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Ungedruckte Quellen
Vor 1800 gedruckte Quellen
Anhang: Nachwirkungen der Heidelberger und Mainzer Kontroversschriften bis ins 18. Jahrhundert
Nach 1800 gedruckte Quellen
Literaturverzeichnis
Personenregister
Ortsregister
Sachregister
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Konfessionelle Konkurrenz: Gelehrte Kontroversen an den Universitäten Heidelberg und Mainz (1583-1622). Dissertationsschrift
 9783161592164, 9783161592171, 3161592166

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Spätmittelalter, Humanismus, Reformation Studies in the Late Middle Ages, Humanism, and the Reformation herausgegeben von Volker Leppin (Tübingen) in Verbindung mit Amy Nelson Burnett (Lincoln, NE), Johannes Helmrath (Berlin), Matthias Pohlig (Berlin), Eva Schlotheuber (Düsseldorf ), Klaus Unterburger (Regensburg)

118

Tobias Dienst

Konfessionelle Konkurrenz Gelehrte Kontroversen an den Universitäten Heidelberg und Mainz (1583–1622)

Mohr Siebeck

Tobias Dienst, geboren 1991, 2016–19 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Re­ for­mationsgeschichte der Theologischen Fakultät Heidelberg. oricid.org/0000-0003-3721-2886

ISBN 978-3-16-159216-4 / eISBN 978-3-16-159217-1 DOI 10.1628/978-3-16-159217-1 ISSN 1865-2840 / eISSN 2569-4391 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nati­ onalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline aus der Minion gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungs­ beständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Kommunikation ist der Schlüssel wissenschaftlicher Tätigkeit. Auch hierum geht es in dieser Arbeit, die die Kommunikation frühneuzeitlicher Gelehrter über Konfessionsgrenzen hinweg beleuchtet – konfliktgeladen und problembehaftet, aber eben nicht unproduktiv. Auch meine Tätigkeit war auf Kommunikation und persönliche Begegnung angewiesen: Am Lehrstuhl, in den Heidelberger Bibliotheken oder trotz des überaus hilfreichen Angebots an Digitalisaten alter Drucke auch auf Forschungsreisen in Archive und Lesesäle zwischen Rom und Wolfenbüttel. In diesen Tagen der Drucklegung, während der anhaltenden COVID-19-Pandemie mit geschlossenen Fakultäten und Bibliotheken als Nebenfolge, zeigt sich eindrücklich, wie sehr Forschungstätigkeit auf zwischen­ menschliche Kommunikation angewiesen ist. Umso mehr blicke ich dankend auf meine Promotionszeit am Heidelberger Lehrstuhl für Reformationsgeschichte und Neuere Kirchengeschichte zurück. Ich danke meinem akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Christoph Strohm für die exzellente Betreuung meiner Forschungstätigkeit, meiner Kollegin Dr. Lisa Yvonne Bender für ungezählte kurzweilige und anregende Stunden im gemeinsamen Büro und den Kolleginnen, Kollegen, Kommilitoninnen und Kommilitonen an Lehrstuhl und Fakultät für die Diskussionen und Gespräche bei Kolloquien und Mittagspausen. Mein Dank gilt ferner sowohl dem Generalvikar des Bistums Mainz, Herrn Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz, und der Evangelischen Landeskirche in Baden für die Unterstützung der Drucklegung meiner Arbeit mit namhaften Druckkostenzuschüssen. Dass eine Studie zur Kontroverstheologie des 16. und 17. Jahrhunderts auf diese Weise von beiden großen Kirchen unterstützt wird, hat einen besonderen symbolischen Wert, den ich an dieser Stelle betonen möchte. Ich freue mich sehr, dass meine Dissertation in leicht überarbeiteter Form in die renommierte Reihe Spätmittelalter, Humanismus, Reformation auf­ genommen wurde. Hierfür danke ich Herrn Prof. Dr. Volker Leppin und dem erweiterten Herausgeberkreis dieser Reihe. Herrn Leppin, Herrn Prof. Dr. Klaus Unterburger sowie meinem Zweitgutachter Apl. Prof. Dr. Johannes Ehmann danke ich zudem für die Erstellung hilfreicher und anregender Gutachten zu meiner Arbeit.

VI

Vorwort

Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern Claudia und Bernhard für ihre Hilfe nicht nur mit den Korrekturfahnen und meiner Frau Franziska für die beständige Unterstützung während unserer parallelen Promotionsphase. Ostern 2020

Tobias Dienst

Inhaltsverzeichnis Vorwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V

1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1. Kontroversschriften als kirchengeschichtliche Quellen  . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2. Konfession und Modernisierung – Bemerkungen zum Forschungsstand  3 1.3. Konfessionelle Konkurrenz als produktiver Wirkfaktor in der Frühen Neuzeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.4. Vorgehensweise und Ziel dieser Studie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2. Die Universitäten Heidelberg und Mainz im Untersuchungszeitraum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.1. Die Universität Heidelberg und ihre Theologische Fakultät  . . . . . . . . . . 25 2.1.1. Entwicklung von Universität und Fakultät 1559 bis 1622  . . . . . . . 25 2.1.2. Profile der Hauptautoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1.2.1. Daniel Tossanus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1.2.2. Simon Stenius  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.1.2.3. David Pareus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.1.2.4. Abraham Scultetus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2. Das Wirken der Jesuiten an der Universität Mainz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.2.1. Geschichte des Mainzer Jesuitenkollegs 1561 bis 1631  . . . . . . . . .  32 2.2.2. Profile der Hauptautoren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2.2.1. Petrus Thyraeus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2.2.2. Johannes Busaeus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2.2.3. Nicolaus Serarius  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.2.2.4. Johannes Spitznaes, gen. Mulhusinus  . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.2.2.5. Martin Becanus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.2.2.6. Adam Contzen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.3. Der Streitschriftenwechsel zwischen Heidelberger und Mainzer Gelehrten und ihr Verhältnis zueinander  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

VIII

Inhaltsverzeichnis

2.3.1. Konkurrenzen, Konversionen und Kontroversschriften  . . . . . . . . 38 2.3.2. Kontroverstheologie in Heidelberg und Mainz  . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.3.3. Druck- und Verlagswesen in der Kurpfalz und in Mainz  . . . . . . . 47 2.3.4. Nachwirkungen der Kontroversschriften im 17. und 18. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

3. Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.1. Konfessionelle Kontroversschriften als Quellengruppe  . . . . . . . . . . . . . . 52 3.2. Kontroversschriften zwischen gelehrter Anerkennung und konfessioneller Anfeindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3.3. Autoren, Adressaten und Funktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.4. Sprache und Übersetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.5. Argumentationsweise, Strategien und Gestaltung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.6. Kontexte: Zensur und Infrastruktur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.7. Bedeutung der Kontroversschriften im konfessionellen Zeitalter  . . . . . . 75

4. Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4.1. Schriftautorität und Exegese  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.1.1. Bemerkungen zum Forschungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.1.2. Die Kontroverse um die Schriftautorität zwischen Pareus, Magirus und Mulhusinus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.1.3. Die Bedeutung von Bibel und Ursprachen für die Mainzer Jesuiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.1.4. Die Umwelt der Bibel: Serarius und die Kontroverse über die frühjüdischen „Sekten“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4.1.4.1. Der Beginn der Kontroverse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4.1.4.2. Die Ausweitung der Kontroverse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4.1.4.3. Die parallele Kontroverse zwischen Stenius und Gretser  103 4.1.4.4. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.1.5. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.2. Die Kirchenväter und ihre Autorität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.2.1. Die Konversion des Justus Calvinus/​Baronius und die Kirchenväter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.2.2. Abraham Scultetus’ Medulla Theologiae Patrum  . . . . . . . . . . . . . . 114 4.2.3. Weitere Bemühungen um die Kirchenväter in Heidelberg und Mainz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122



Inhaltsverzeichnis

IX

4.2.4. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4.3. Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen  . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4.3.1. Bemerkungen zum Forschungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4.3.2. Die Kontroverse um die Konstantinische Schenkung  . . . . . . . . . . 131 4.3.2.1. Die Debatte um die Konstantinische Schenkung im 15. und 16. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4.3.2.2. Caesar Baronius und der dritte Band der Annales Ecclesiastici  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4.3.2.3. Abraham Scultetus’ Angriff auf Baronius  . . . . . . . . . . . . . . 137 4.3.2.4. Marquard Freher und der zwölfte Band der Annales Ecclesiastici  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4.3.2.5. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4.3.3. Die Kontroverse um die „Päpstin“ Johanna  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.3.3.1. Die Legende um die Päpstin und die Kontroverse im 16. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.3.3.2. Zwei Mainzer Publikationen zur Päpstin  . . . . . . . . . . . . . . 146 4.3.3.3. Die Angriffe des Heidelbergers Konrad Decker  . . . . . . . . 148 4.3.3.4. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4.3.4. Das Reformationsjubiläum 1617  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4.3.4.1. Die Durchführung von Jubiläum und Jubeljahr in Heidelberg und Mainz und die anschließende publizistische Kontroverse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4.3.4.2. Abraham Scultetus’ Reformationsgeschichte  . . . . . . . . . . . 157 4.3.4.3. Adam Contzens Kontroversschriften gegen das Jubiläum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4.3.4.4. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4.3.4.5. Exkurs: Die Entwicklung der modernen Jubiläumskultur im interkonfessionellen Austausch  . . . . 165 4.3.5. Die Kontroverse um die historische Chronologie  . . . . . . . . . . . . . . 168 4.3.5.1. Joseph Justus Scaliger und die Entwicklung der Chronologie als Wissenschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4.3.5.2. David Pareus’ Entwurf einer „prophetischen Chronologie“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4.3.5.3. Die Kontroverse zwischen Pareus, Scaliger und Calvisius  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 4.3.5.4. Adam Contzens Kontroverse mit Friedrich Braunbom  . 181 4.3.5.5. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 4.3.6. Kontroversen zum Gregorianischen Kalender  . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4.3.6.1. Konkurrierende pfälzische Gutachten zur Einführung des Kalenders  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4.3.6.2. Der nachfolgende Schriftenstreit zum neuen Kalender  . . 190

X

Inhaltsverzeichnis

4.3.6.3. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4.3.7. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4.4. Ergebnisse – Das Ringen um die Wahrheit und deren Prüfsteine  . . . . . 199

5. Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie  . . . . . . . . . . . . 202 5.1. Gnade und Rechtfertigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 5.1.1. Martin Becanus und der Gnadenstreit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 5.1.1.1. Gegenstand und Verlauf des Gnadenstreits  . . . . . . . . . . . . 202 5.1.1.2. Martin Becanus’ Schriften zu Prädestination und freiem Willen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 5.1.1.3. Becanus im Konflikt mit Rom  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 5.1.2. David Pareus, Robert Bellarmin und die Urstandslehre  . . . . . . . . 211 5.1.2.1. David Pareus und der Gnadenstreit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 5.1.2.2. Interkonfessionelle Transfers in der Urstandslehre  . . . . . 212 5.1.3. Adam Contzen, David Pareus und die Dordrechter Synode 1618/19  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 5.1.3.1. Adam Contzens Schriften zur Gnade und zum Arminianischen Streit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 5.1.3.2. David Pareus’ Briefgutachten auf der Synode von Dordrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 5.1.4. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 5.2. Innerprotestantische Abendmahlskontroversen und die „Heidelberger Irenik“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 5.2.1. Einführung – Das Konzept der „Heidelberger Irenik“  . . . . . . . . . . 224 5.2.2. Das kontroverstheologische Profil der reformierten pfälzischen Abendmahlsschriften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 5.2.3. Die Kontroverse um die „Neustadter Bibel“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 5.2.4. Die „Heidelberger Irenik“ als antikatholische Initiative  . . . . . . . . 245 5.2.5. Die Mainzer Reaktion auf die „Heidelberger Irenik“  . . . . . . . . . . . 253 5.2.6. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 5.3. Die Kontroverse um den Rosenkranz und die Marianische Kongregation in Mainz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 5.4. Historisierung der Heiligen und apologetische Systematisierung ihrer Verehrung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 5.5. Abraham Scultetus’ Prager „Bildersturm“ und sein literarisches Nachspiel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 5.6. Ergebnisse: Die Bedeutung interkonfessioneller Kontroversen für die Entwicklung der konfessionellen Theologien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277



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XI

6. Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 6.1. Obrigkeitliche Kompetenzen in Kirchenangelegenheiten und ihre Begrenzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 6.1.1. Problemdarstellung und Begriffsklärung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 6.1.2. Staat und Kirche in der Kurpfalz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 6.1.3. Die katholische Lehre von weltlicher Obrigkeit und Kirche bei Robert Bellarmin und Thomas Stapleton  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 6.1.4. Die Kontroverse zwischen Daniel Tossanus und Petrus Thyraeus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 6.1.5. Die Unterscheidung innerer und äußerer Kirchengewalt bei David Pareus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 6.1.6. Mainzer Positionen zu Staat und Kirche im frühen 17. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 6.1.7. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 6.2. Martin Becanus und die Kontroverse um den Oath of Allegiance  . . . . . 317 6.2.1. Der Oath of Allegiance und der Ausbruch der Kontroverse  . . . . . 317 6.2.2. Bellarmin und die potestas indirecta des Papsts  . . . . . . . . . . . . . . . 320 6.2.3. Becanus’ erste Schrift und ihre Zensur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 6.2.4. Der Fortgang der Kontroverse 1610–1612  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 6.2.5. Die Kontakte zwischen England und der Kurpfalz und die pfälzischen Beiträge zur Kontroverse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 6.2.6. Die Rezeption der Unterscheidung innerer und äußerer Kirchengewalt des Pareus im Kontext der Kontroverse  . . . . . . . . 331 6.2.7. Becanus’ abschließende Schrift Controversia Anglicana und ihre Indizierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 6.2.8. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 6.3. Toleranz im Konfessionsstaat? Martin Becanus und die Kontroverse de fide haereticis servanda  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 6.3.1. Bemerkungen zum Forschungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 6.3.2. Die Kontroverse zwischen Becanus und Brederode  . . . . . . . . . . . . 348 6.3.3. Die Kontroverse zwischen Becanus und Pareus  . . . . . . . . . . . . . . . 356 6.3.4. Becanus’ Auseinandersetzung mit Rom und sein Manuale Controversiarum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 6.3.5. Die Bedeutung konfessioneller Konkurrenz für die Geschichte der Toleranz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 6.4. Ergebnisse: Politische Implikationen theologischer Kontroversen  . . . . 370

7. Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

XII

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Quellen- und Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Quellenverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Ungedruckte Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Vor 1800 gedruckte Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Anhang: Nachwirkungen der Heidelberger und Mainzer Kontroversschriften bis ins 18. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Nach 1800 gedruckte Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Personenregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 Ortsregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448

1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand 1.1. Kontroversschriften als kirchengeschichtliche Quellen Die konfessionellen Kontroversschriften, die Gelehrte des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts in großer Zahl verfassten und entlang der konfessionellen Gräben austauschten, sind in der Geschichtswissenschaft oft mit äußerst harten Worten bedacht worden.1 Die Schriften, die unter den Publikationen ihrer Au­ toren – angesehene Theologen und Gelehrte anderer Disziplinen – oft breiten Raum einnahmen, seien nach Ende des konfessionellen Zeitalters „vergessen, zumeist mit Recht.“2 Historiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts stoßen sich dabei vor allem am Stil dieser Bücher, wobei sie „pöbelhafte[] Roheit, wüstes Schimpfen, frivole Sophistik und freche Verleumdung“3 als Kerncharakteristik ausmachen. Dieser Vorwurf wird in der älteren Forschung insbesondere je­ suitischen Autoren angetragen, deren Orden nach dem „Kulturkampf “ einen besonders schweren Stand bei vielen deutschen Intellektuellen hatte.4 Einen freilich ganz anderen Weg gingen Kirchenhistoriker, die sich wie der reformierte Theologe Friedrich Wilhelm Cuno (1838–1905) der Kontroverstheologie ver­ gangener Jahrhunderte widmeten, um das eigene konfessionelle Profil gegen die „laodiceische[] Lauheit“ der Glaubensgenossen ihrer Gegenwart zu schärfen und „die gute Lehre der Wahrheit zu verteidigen und zu rechtfertigen.“5 In den folgenden Jahrzehnten hat sich die Forschungslage nur partiell verändert, Kon­ troverspublizistik und polemische Theologie gelten bis heute oftmals als rotes 1  Vgl. zur Forschungsgeschichte auch Paintner, Des Papsts neue Creatur, 24­­­–28; Dingel, Zwischen Disputation und Polemik, 17. 2  Leube, Jesuitenorden und die Anfänge, 1. 3  Krebs, Publizistik der Jesuiten, 95. 4  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 24–28; allerdings schloss sich auch Bernhard Duhr, der wichtigste (und explizit apologetisch arbeitende) Vertreter der klassischen jesuitischen Eigengeschichtsschreibung im deutschsprachigen Raum, dem vernichtenden Urteil über die jesuitische Kontroverspublizistik an. Vgl. Duhr, Geschichte der Jesuiten, I, 678–684. 5  Cuno, Daniel Tossanus, I, 201. Cuno warnt an dieser Stelle offen vor den Gefahren, „welche dem gesamten Protestantismus von der sehr dem jesuitischen Geiste seit Jahrzehnten ergebenen römisch-katholischen Kirche drohen“. Eine vergleichbare Vorgehensweise schlägt etwa auch der Jesuit Karl Brischar mitten im Kulturkampf an, indem er die Werke des Mainzer Kontroverstheologen Adam Contzen affirmativ paraphrasiert (Brischar, P. Adam Contzen).

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

Tuch. Allerdings gibt es inzwischen mehrere Studien zu den konfessionellen Kontroversen, wobei ein Fokus auf die volkssprachlichen Quellen erkennbar ist.6 Besonders herauszuheben sind die mehrbändigen Publikationen Jacques Solés zu den konfessionellen Kontroversen im französischsprachigen Raum und des Mainzer Langzeitprojekts Controversia et Confessio um Irene Dingel, das die Bedeutung der innerprotestantischen Kontroversen für die Lehrentwicklung herausstellt.7 Eine historische Beschäftigung mit Kontroversschriften lohnt in vielerlei Hin­ sicht. Potentiale bietet diese Quellengruppe unter anderem für die Literatur- und Kommunikationsgeschichte. Im 16. und 17. Jahrhundert lässt sich ein guter Teil der im deutschsprachigen Raum erschienenen Druckwerke dem kontroversen Genre zurechnen, erst recht, wenn man kürzere Flugschriften und -blätter hin­ zuzählt. Die Schriften geben Zeugnis über die literarischen Ausformungen des konfessionellen Streits und über kommunikative Strategien und Methoden. Sie ermöglichen es, die Mediensysteme dieser Zeit unter besonderer Berücksichti­ gung konfessioneller Aspekte besser zu verstehen. Ferner kann die Beschäftigung mit Kontroversschriften auch der Wissenschaftsgeschichte nützlich sein. In die konfessionellen Auseinandersetzungen involvierte Gelehrte verwandten oft einen großen Teil ihrer Energie auf diese und ließen ihr kontroverspublizistisches Engagement auch in ihre anderweitigen Publikationen und die akademische Lehre einfließen. Auch das kontroverse Profil einzelner Universitäten und oft konfessionell konstituierter Gelehrtennetzwerke ist von Interesse. Die Beschäfti­ gung mit der Kontroverspublizistik ermöglicht Einblicke in die frühneuzeitliche Gelehrtenkultur und die Art, wie der konfessionelle Streit im Rahmen geteilter Ideale ausgefochten wurde. Nicht zuletzt kommt den Kontroversschriften auch theologiegeschichtliche Bedeutung zu. In ihnen lässt sich das theologisch-kon­ fessionelle Profil der Autoren besonders pointiert ablesen. Da polemische Schrif­ ten bei einigen Theologen dieser Epoche sogar den Großteil ihres literarischen Schaffens ausmachen, wäre es unsachgemäß, Kontroversschriften aufgrund ihres polemischen Inhalts oder ihres Charakters einer Gelegenheitsschrift gegenüber den „Großwerken“ der Autoren abzuwerten oder sie gar als eine degenerierte Form theologischen Schaffens abzustempeln. Gerade aufgrund des Gelegen­ heitscharakters dieser Schriften konnten die Autoren ihre Positionen erproben und entwickeln sowie dem konfessionellen Gegner direkt begegnen. Darüber hinaus bieten konfessionelle Kontroversschriften auch Potentiale zur Beantwortung übergeordneter historiographischer Fragen. Die Epochenbezei­ chungen des „Zeitalters der Gegenreformation“, des „konfessionellen Zeitalters“ 6 So etwa in den grundlegenden Werken von Kai Bremer (Bremer, Religionsstreitig­ keiten) und Ursula Paintner (Paintner, Des Papsts neue Creatur). 7  Solé, Le Debat entre Protestants et Catholiques Francais (4 Bd.). Vgl. zum laufenden Projekt Controversia et Confessio (2007–2022?) die Projektbeschreibung: http://www.contro​ versia-et-confessio.de/projekt/projektbeschreibung.html (abgerufen am 5.7.2018).



1.2.  Konfession und Modernisierung

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und des „Zeitalters der Konfessionalisierung“ drücken gleichermaßen aus, dass Konfession unstrittig als ein, wenn nicht der überragende Faktor in Mitteleuropa zwischen Augsburger Religionsfrieden und Westfälischem Frieden anzusehen ist. Immer wieder wurde in der Forschung daraus die Frage abgeleitet, welchen Beitrag die einzelnen Konfessionen zur „Modernisierung“ geleistet haben, also zu jenen Entwicklungen, die im Rückblick zumindest für den europäisch-west­ lichen Raum als tragend erscheinen. Für die Forschung der vergangenen Jahr­ zehnte war zu dieser Frage das sogenannte „Konfessionalisierungsparadigma“ und die Kritik an diesem von entscheidender Bedeutung. Im Folgenden wird der Stand der Forschungsdiskussion ausgehend von den „Klassikern“ Max Webers und Ernst Troeltschs diskutiert. Hieraus wird erörtert, welche Beantwortungs­ potentiale sich aus der historischen Beschäftigung mit Kontroversschriften als zentralem Ausdruck der konfessionellen Konkurrenzsituation dieser Zeit er­ geben. Dabei werden auch grundlegende Wirkweisen der konfessionellen Kon­ kurrenz dargestellt.

1.2.  Konfession und Modernisierung – Bemerkungen zum Forschungsstand Wer eine Darstellung der Forschungsgeschichte zur Kulturwirkung des Pro­ testantismus mit den Arbeiten Ernst Troeltschs und Max Webers beginnt, trifft bereits eine Vorauswahl. Weder waren Troeltsch und Weber die ersten, noch waren sie die einzigen in ihrer Zeit, die sich zur Thematik äußerten. Zweifellos stechen ihre Ansätze aus der Zeit heraus und sie werden noch heute als „Klas­ siker“ rezipiert. Ihre Arbeiten, die heute eher als Positionen wahrgenommen werden, die durch ihre starke Hervorhebung des Protestantismus bei der Ent­ stehung der modernen Welt auffallen,8 entstanden im Kontext des politisch wie kulturell protestantisch dominierten Kaiserreichs. Die Überzeugung, dass der Protestantismus als die modernefähigere Konfession anzusehen sei, wurde als Gemeinplatz anerkannt. Auch in den dem Syllabus Errorum mit seiner schroffen Ablehnung des „Modernismus“ verpflichteten katholischen Milieus wurde zu­ meist lediglich die Vorteilhaftigkeit der durch den Protestantismus bewirkten Veränderung in Zweifel gezogen, so etwa in der Geschichte des deutschen Volkes des ultramontanen Historikers Johannes Janssen.9 Vor diesem Hintergrund ist die zeitgenössische Stimme des Reformationshistorikers Walther Köhler zu ver­ 8  Vgl. etwa Schorn-Schütte, Ernst Troeltschs „Soziallehren“, 138. 9  Besonders in Band 6–8 stellt Janssen in bemerkenswerter thematischer Breite von ihm negativ gewertete Kulturwirkungen der Reformation in Wissenschaft, Bildung, Kunst, Wirt­ schaft und Sozialem heraus: Janssen, Geschichte des deutschen Volkes (8 Bd.). Vor Janssen in ähnlicher Form bereits Döllinger, Die Reformation (vor Döllingers Abwendung von Rom im Zuge des 1. Vatikanischen Konzils verfasst).

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

stehen, der Troeltsch attestiert, „der Pauke ein Loch gemacht“10 zu haben, womit er auf die ins Wanken geratene Selbstverständlichkeit anspielt, dass mit Luther die (spezifisch deutsche) Moderne ihren Lauf nahm. Troeltsch, der in Vertretung des ihm nahestehenden Max Weber auf dem Historikertag 1906 in Stuttgart über Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt oder – wie er präzisiert – der „modernen euro­ päisch-amerikanischen Kultur“11 referierte, macht wiederholt deutlich, dass die Bestimmung eben jener Bedeutung „nichts Einfaches“12 sei. Bei einer um­ fassenden Betrachtung ließen sich auch dem Entstehen der Moderne entgegen­ gesetzte Elemente aufzeigen. Auch die oft zur Argumentation herangezogenen politischen und wirtschaftlichen Leistungen des Calvinismus sind für Troeltsch letztlich „nur Wirkungen wider Willen“.13 Das Gros der modernefähigen Ele­ mente im Protestantismus verortet Troeltsch überhaupt erst in dem mit der Aufklärung verbundenen „Neuprotestantismus“, nicht jedoch schon im „Alt­ protestantismus“, der der Reformation unmittelbar folgt. Wichtige der Reforma­ tion Luthers zugesprochene Aspekte wie das neue Verständnis von Kirche und Welt und die Begründung des religiösen Individualismus kämen hier erst zur Wirkung. Einen unreflektierten protestantischen Triumphalismus kann man Troeltsch kaum unterstellen. Ähnlich wie sein Freund Troeltsch, der primär an der Modernefähigkeit des Protestantismus seiner Zeit interessiert war, orientiert sich auch der Soziologe Max Weber an den zeitgenössischen Verhältnissen. Ausgehend von konfessio­ nellen Unterschieden in der Berufsstatistik und im fortwährenden Interesse an den Wechselwirkungen zwischen Religion, Wirtschaft und Gesellschaft legte er den bis heute populären Entwurf Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus vor. Im Kern geht Weber davon aus, dass besonders im Calvinismus die protestantische Ethik eine „innerweltliche Askese“ befördert habe, die mit dem entstehenden Kapitalismus harmonisiere. Man mag durchaus Weber eine nach vielen Gesichtspunkten fehlerhafte Quellenarbeit nachweisen und ihm die Schaffung „unwiderlegbarer Fehlkonstruktionen“14 vorwerfen. Zudem lässt sich mit Recht einwenden, dass sich auch im katholischen Bereich Ansätze zur Entwicklung des Kapitalismus finden.15 Dennoch verdient die Arbeit Webers, die in den Worten Peter Hersches „etwas zu vorschnell auf den Abfallhaufen der Geschichte befördert“16 wurde, auch aufgrund ihrer breiten, bis heute an­ 10  Köhler, Kirchengeschichte vom Beginn der Reformation, 485. In katholischen Milieus wurde Troeltschs Schrift zugleich als einseitig protestantisch wahrgenommen: vgl. Troeltsch, Bedeutung des Protestantismus, 20 f. 11  Troeltsch, Bedeutung des Protestantismus, 208. 12  Ebd., 232. 13  Ebd., 298. 14  Steinert, Max Webers unwiderlegbare Fehlkonstruktionen. 15  Decock, The Catholic Spirit of Capitalism? 16  Hersche, Muße und Verschwendung, I, 58.



1.2.  Konfession und Modernisierung

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haltenden internationalen Rezeption,17 ihren Platz als „Klassiker“ auch in der Reformationsforschung.18 Den beiden „Klassikern“ lassen sich Gesichtspunkte entnehmen, die bis heute Gehör verdienen. Zum einen beschreiben sie nicht nur die Bedeutung des Pro­ testantismus für die Moderne, sondern auch die Moderne selbst als ambivalent. Besonders deutlich macht dies Webers sprichwörtlich gewordenes Diktum vom „stahlharte[n] Gehäuse“,19 welches sich aus der neuen Berufsidee im Zusammen­ hang mit der protestantischen innerweltlichen Askese gebildet habe. Weder Troeltsch noch Weber besetzen den Begriff der Moderne durchweg positiv. Zum anderen bemühen sich beide darum, die Grundlage ihrer Erkenntnisse auf breiten Raum zu stellen. Entgegen einer zeitlichen Verengung auf die un­ mittelbare Reformation reicht Troeltschs Interesse bis in den „Neuprotestantis­ mus“ und auch Webers Beispiele sind weniger der Lebenszeit Johannes Calvins als vielmehr dem neuzeitlichen „Calvinismus“ in Europa und Nordamerika entnommen. Entgegen einer thematischen Verengung des Blickwinkels auf Theo­ logie und Dogmatik der Reformation und des Protestantismus strebt neben dem Soziologen Weber auch der Theologe Troeltsch eine umfassende Betrachtung möglicher Wirkungen des Protestantismus an. Troeltsch geht in den Kapiteln seines Aufsatzes auf Familie, Recht, Staat, Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst ein. Entgegen einer institutionellen Verengung fassen beide Autoren zudem den Begriff des Protestantismus weit und zeigen ein reges Interesse an den „Sekten“, was bei Troeltsch besonders in seinen Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen sichtbar wird. Auch nach Weber und Troeltsch wurde die Frage nach dem Beitrag der Reformation und des Protestantismus zur Moderne weiterhin kontrovers dis­ kutiert. Ein nennenswerter Beitrag hierzu ist sicherlich Karl Holls erstmals 1911 vorgetragene Studie zur Kulturbedeutung der Reformation. Hierin kommt er trotz seines Pochens auf der „Eigengesetzlichkeit“ der Religion zu dem Schluss, dass die Reformation „alle Gebiete der Kultur […] befruchtet“20 habe. In ex­ pliziter Abgrenzung zu Troeltsch, der Luther weitgehend als Figur des Mittel­ alters charakterisiert, behauptet Holl jedoch die Neuzeitlichkeit Luthers und des „Altprotestantismus“.21 Einen nicht zu unterschlagenden Beitrag zur Frage nach der Bedeutung des Protestantismus für die Moderne hat schließlich die marxistische Historio­ 17 Vgl. im Überblick mit eigener Positionierung Eisenstadt, Origins of the West. Vgl. zudem Ferguson, Civilization, 259–265. 18 Vgl. Lehmann, Max Weber und die Erforschung, 36 f.; Dülmen, Protestantismus und Kapitalismus. 19  Weber, Die protestantische Ethik, 201. Zu Troeltschs Sicht auf die Moderne vgl. Fi­ scher, Die Ambivalenz der Moderne. 20  Holl, Die Kulturbedeutung der Reformation, 542. 21  Holl geht in seinem Aufsatz immer wieder kritisch auf Troeltsch ein. Besonders deutlich wird diese Tendenz in Holl, Was verstand Luther unter Religion, 105–110.

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

graphie in der DDR geleistet. Hier setzte sich die These durch, Reformation und Bauernkrieg zusammenfassend als „frühbürgerliche Revolution“ zu deuten.22 Gerade auch im Umfeld des Reformationsjubiläums 1967 sorgte diese Sicht­ weise für eine neue Wertschätzung Martin Luthers und der Reformation, die nun auch in der Systematik der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft epochal nicht mehr in das Mittelalter, sondern in die Neuzeit eingeordnet wurde.23 Die Reformation und insbesondere der Calvinismus als „Kampfideologie einer reifen Bourgeoisie“24 wurden in das offizielle Geschichtsbild der DDR integriert. Dabei betont die DDR-Geschichtsforschung sehr stark die konfessionelle Differenz zum Katholizismus, dessen Dynamik in der Frühen Neuzeit als „ka­ tholische[] feudale[] Reaktion“25 gewertet wird. Maßgeblich für die Forschung zur „frühbürgerlichen Revolution“ ist die Verpflichtung auf den historischen Materialismus und dessen Prinzipien und Terminologie. Allerdings betreiben die DDR-Historiker keine Reduzierung der Reformation bloß auf ökonomische Zusammenhänge. In Bezug auf die Reformation ist sogar die Rede von einer „re­ lative[n] Selbstständigkeit ideologischer Phänomene“.26 Diesbezüglich mag Max Webers abschließende Aussage weiterhin Gültigkeit beanspruchen, dass eine „einseitig ‚materialistische[]‘“ ebenso wie eine „einseitig spiritualistische kausale Geschichts- und Kulturdeutung […] gleich möglich“ ist, aber mit beiden, „wenn sie nicht Vorarbeit, sondern Abschluß der Untersuchung zu sein beanspruchen, der historischen Wahrheit gleich wenig gedient“27 ist. Anders als die These zur „frühbürgerlichen Revolution“, die nach der Wende akademisch kaum weiterverfolgt wurde, kann das sogenannte „Konfessio­ nalisierungsparadigma“ bis heute Relevanz in der Frühneuzeitforschung be­ anspruchen. Diesem Ansatz kommt an dieser Stelle besondere Aufmerksamkeit zu, da er auch den Katholizismus miteinbezieht.28 Die Forschung zum „Kon­ fessionalisierungsparadigma“ entstand um 1980 und verband die komparative Konfessionsbildungsforschung der 1950er und 60er Jahre mit der ebenfalls in 22  Vgl. im Überblick Möbius, Überlegungen zur Theorie. 23 Vgl. Bräuer, Informelle Kontakte, 116. Vgl. zum Reformationsjubiläum 1967 in der DDR Roy, Luther in der DDR, 149–176. 24  So ein internes Dokument zur Vorbereitung der Jubiläumsfeierlichkeiten 1967: Entwurf einer politisch-ideologischen Konzeption zur Vorbereitung und Durchführung des 450. Jahres­ tags der Reformation (Signatur: SAPMO-BA DY 30/JIV A 2/9.04/88), in: Roy, Luther in der DDR, 311–316, hier 312. 25  Steinmetz, Deutschland von 1476 bis 1648, 226. 26  Brendler, Reformation und Fortschritt, 66. 27  Weber, Protestantische Ethik, 202. Vgl. zur Bedeutung des historischen Materialismus und Marx’ für Weber Dülmen, Protestantismus und Kapitalismus, bes. 89. 28  In diesem Zusammenhang geht die Fragestellung der Konfessionalisierungsforschung über die Troeltschs hinaus, der den Katholizismus meist außen vor lässt. Im begrifflich von ihm geprägten „konfessionellen Zeitalter“ sieht er säkularstaatliche Prozesse als dominant an (Troeltsch, Bedeutung des Protestantismus, 56). Vgl. zur Bedeutung Troeltschs (und Webers) für die frühe Konfessionalisierungsforschung Reinhard, Historiker, „Modernisierung“ und Modernisierung, 56–59; Schorn-Schütte, Ernst Troeltschs Soziallehren, 137–151.



1.2.  Konfession und Modernisierung

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dieser Zeit „modischen“ historisch-soziologischen Modernisierungstheorie, die im Bereich der deutschen Geschichtswissenschaft vor allem durch Hans-Ulrich Wehler popularisiert wurde.29 Aus dieser Verbindung ergibt sich ein paradigma­ tisch neuer Blick auf die Rolle der Konfessionen und Konfessionalisierung in der Frühen Neuzeit, die nun als ein weite Lebensbereiche umfassender gesellschaft­ licher „Fundamentalvorgang“30 angesehen wird. Damit wendet sich die Konfes­ sionalisierungsthese gegen Positionen, die entweder Modernisierungsprozesse einseitig Säkularisierungsvorgängen zuschreiben ode­r das alte „pseudo-dialekti­ sche“31 Geschichtsbild bedienen, nach dem die Zeit zwischen Reformation und Westfälischem Frieden als „Gegenreformation“ einen Rückschritt darstelle und erst durch Säkularisierung und Aufklärung überwunden werden musste. Zu solchen „Erben des Kulturkampfes“32 zählen nach Wolfgang Reinhard – einem der „Väter“ des Konfessionalisierungsparadigmas – auch die marxistischen His­ toriker in der DDR. Für die frühe Konfessionalisierungsforschung ist die – vor allem unintendierte – parallele Modernisierungswirkung aller Konfessionen der zentrale Ertrag des Paradigmas. Die Verbindung mit der Modernisierungsthese sei „konstitutiv und somit unverzichtbar“33 für das Paradigma. Wolfgang Rein­ hard will besonders in seinen frühen Artikeln im Hinblick auf die katholische „Gegenreformation“ an einer umfassenden Modernisierungswirkung in Staat, Kirchenführung, Jurisprudenz, Wissenschaft und Ökonomie auch einer ober­ flächlich reaktionären sozialen Großgruppe festhalten. Gerade ein vermeintlich unmoderner Orden wie die Gesellschaft Jesu hat für ihn das Potential, unbe­ absichtigt zum „Agenten der Modernisierung“34 zu werden. Heinz Schilling baut dieses Konzept ausgehend von seinen Forschungen zur sogenannten „Zweiten Reformation“ bis hin zur Spitzenthese der Konfessionalisierung als „Vorsattel­ zeit der Moderne“35 aus. Gerade für die deutsche Forschung der 80er und 90er Jahre verbindet sich die angenommene modernisierende Wirkung vor allem mit der Entwicklung des frühmodernen Machtstaats. Hierfür wurde nach Gerhard 29 Einen knappen Überblick über die Entstehung des Konfessionalisierungsparadigmas bieten Brockmann/​Weiss, „Konfessionsbildung“ und „Konfessionalisierung“, bes. 1–5. Ernst Walter Zeeden, dessen Forschung zur Konfessionsbildung eine wichtige Grundlage für die Theorie der Konfessionalisierung ist, operiert nicht mit dem Begriff der Modernisierung, verweist aber sehr wohl auf die produktive Wirkung des Konfessionellen in der Staatsbildung (Zeeden, Grundlagen und Wege, 255). Zur Modernisierungstheorie in der deutschen Ge­ schichtswissenschaft vgl. die Programmschrift Wehler, Modernisierungstheorie und Ge­ schichte. 30  Schilling, Die Konfessionalisierung im Reich, 6. 31  Reinhard, Gegenreformation als Modernisierung, 251. Es handelt sich für ihn zudem um eine unzulässige Bezugnahme auf Hegels Geschichtsbild, in dem eine Antithese zur Refor­ mation nicht möglich ist (ebd., 228). 32  Reinhard, Gegenreformation als Modernisierung, 229. 33  Schilling, Die Konfessionalisierung von Kirche, 26. 34  Reinhard, Gegenreformation als Modernisierung, 242. 35  Schilling, Aufbruch und Krise, 313–369.

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

­ estreich das Schlüsselwort „Sozialdisziplinierung“36 geprägt: Die Konfession O hilft dem Staat, wo staatlich-säkulare Mittel enden. Bereits in der frühen Phase der Konfessionalisierungsforschung kam es zu Kritik an der behaupteten modernisierenden Wirkung, die den Großteil der Forschung jedoch nicht erfasste. Der Argumentation, modernisierend wirke in erster Linie, was modern, beziehungsweise moderneträchtig ist – vor allem also säkularisierende Tendenzen  –, lässt sich entgegenhalten, dass es sich bei diesen Folgen der Konfessionalisierung überwiegend um nicht intendierte, aber wirkungsreiche Folgen handele.37 Entscheidend ist hierbei, dass die Verfechter des Konfessionalisierungsparadigmas dieses nicht als explizites Gegenmodell zur Säkularisierungsthese betrachten. Es gelte, einen solchen „anachronistischen Antagonismus“38 zu überwinden. In Folge der Konfessionalisierungsthese lässt sich in den letzten Jahrzehnten beobachten, dass auch Theoretiker, die eher eine Säkularisierung als Vehikel der Moderne ansehen, stärker auf die Konfession zurückgreifen. So erkennt etwa der Rechtshistoriker Michael Stolleis, der in der Säkularisierung die „letztlich stärkere historische Linie“39 sieht, die Kon­ fessionalisierung durchaus als wichtigen „Zwischenschritt“40 an. Dem Vorwurf einer unkritischen Verwendung des Modernebegriffs sucht Reinhard durch eine Historisierung der Moderne aus dem Standpunkt der Postmoderne zu entgehen. Aus diesem heraus sei die Moderne als eine geschichtliche Epoche unter anderen klar greifbar und in all ihrer Ambivalenz – einschließlich der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts – erfasst.41 Eine Auswirkung auf die Entwicklung der Moderne zu beschreiben, bedeutet daher nicht, ein verklärendes Geschichtsbild zu kon­ struieren. Entscheidendes Verdienst der Verbindung der klassischen Konfessionalisie­ rungsthese mit einer angenommenen Modernisierungswirkung ist die Über­ windung der mit Schillings Worten „reduktionistisch-säkularen Interessen­ ausrichtung der deutschen und westeuropäischen Gesellschaftsgeschichte in den siebziger Jahren“.42 Der geschärfte Blick für die Wirkung der reaktionär 36 Vgl. Oestreich, Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, bes. 187–196. 37  Reinhard, Was ist katholische Konfessionalisierung, 422; Reinhard, „Konfessiona­ lisierung“ auf dem Prüfstand, 80, mit direktem Bezug auf Schulze, Vom Gemeinnutz zum Eigennutz; vgl. Schulze, Rez. zu Schilling, Konfessionskonflikt und Staatsbildung. Ähnlich wie Reinhard äußert sich auch Schilling, Das konfessionelle Europa, 18 zu Schulzes Ein­ würfen. 38  Schilling, Die Konfessionalisierung von Kirche Staat und Gesellschaft, 43. 39  Stolleis, „Konfessionalisierung“ oder „Säkularisierung“, 21. 40  Ebd., 22; Reinhard, Konfessionalisierung auf dem Prüfstand, 81 wirft Stolleis jedoch vor, den säkularen Staat zu früh anzusetzen. 41  Reinhard, Konfessionalisierung auf dem Prüfstand, 86; Reinhard, Was ist katho­ lische Konfessionalisierung, 422. 42  Schilling, Die Konfessionalisierung von Kirche, Staat und Gesellschaft, 40. Die diesbezügliche Forschung der 1970er betrachtete kirchliche Religiosität, sofern sie überhaupt Gegenstand der Untersuchung wurde, meist nur dann als Teil der Entwicklung zur Moderne,



1.2.  Konfession und Modernisierung

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erscheinenden konfessionell-religiösen Phänomene der Zeit trägt maßgeblich zu einem angemesseneren Bild der Frühen Neuzeit und dem Erfolg der These als wissenschaftlichem Paradigma bei. Das maßgebliche Proprium des Konfessionalisierungsparadigmas gegenüber anderen Theorien zur Wirkung und Bedeutung religiöser Phänomene in der Frühen Neuzeit ist das zumindest in der frühen Konfessionalisierungsforschung betonte Prinzip der Parallelität der Konfessionen. Die Tendenz, „moder­ nisierende“ Kulturwirkungen auf alle Konfessionen auszuweiten, zeigt sich auch an der Diskussion zu einer überwiegend in der englischsprachigen Forschung diskutierten These: Die 1938 von dem amerikanischen Soziologen Robert K. Merton entwickelte „Merton Thesis“ geht davon aus, dass die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften maßgeblich von Protestanten, insbesondere englischen Puritanern und deutschen Pietisten, vorangetrieben wurde. Inspiriert von den Thesen Max Webers sieht Merton hierin eine – wenn auch nicht inten­ dierte – Wirkung des Protestantismus.43 Die Merton Thesis rief in der Forschung vielfältige Zustimmung, Präzisierung und Kritik hervor. Auffällig ist jedoch die in der jüngeren Forschung geforderte Ausweitung zu einer „ecumenical Merton thesis“,44 die auch die parallelen Leistungen des neuzeitlichen Katholizismus für die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften berücksichtigt wissen will. Mit Differenzierungen in Bezug auf durchaus gegebene konfessionelle Unterschiede wird dieses Anliegen in der Forschung aufgenommen.45 Seit etwa der Mitte der 1990er Jahre wird  – meist in Studien mit einem mikrohistorischen Fokus  – verstärkt Kritik an den makrohistorischen Aus­ sagen der Konfessionalisierungsthese geübt, die jedoch überwiegend auf eine Differenzierung und nicht auf die Überwindung des Paradigmas abzielt. Zu den bedeutendsten Kritikpunkten zählt hierbei der Vorwurf des „Etatismus“,46 also einer unangemessenen Fixierung auf den werdenden frühneuzeitlichen Staat. Weitere Kritik zielt auf die Nichtbeachtung des Unkonfessionellen in der Frühen Neuzeit, die starre Fixierung auf die Parallelität und die Behandlung lediglich der „Außenschalen“47 der Konfessionen. Hierbei ist von besonderem Interesse, ob den Konfessionen lediglich in ihrer Funktionalität für den frühmodernen wo sie modernisierenden Tendenzen durch Selbstzurücknahme nicht im Wege stand. Vgl. bspw. Böckenförde, Zum Verhältnis von Kirche und moderner Welt, 173–177. 43 Vgl. Merton, Science, Technology and Society; Zu ähnlichen Ergebnissen in Anlehnung an Merton kommt auch Hooykaas, Religion and the Rise of Modern Science. 44  Heilbron, Science in the Church, 11; vgl. auch Harris, Transposing the Merton Thesis. 45  Vgl. u. a. Brink, The Reformation, Rationality; Pohlig, Konfessionalisierung und frühneuzeitliche Naturwissenschaft. 46  Schmidt, Sozialdisziplinierung, 682 wirft der klassischen Konfessionalisierungsthese als „etatistischem“ Modell vor, die „Wirklichkeit nicht adäquat abbilden“ zu können. 47  Schindling, Konfessionalisierung und Grenzen, 12. Einen aktuellen Überblick über weitere Kritikpunkte bieten Brockmann/​Weiss, Konfessionsbildung und Konfessionalisie­ rung, 10–20.

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

Staat und dessen Gesellschaft oder auch aus ihren eigenen Inhalten und Propria heraus ein modernisierendes Potential zuzusprechen ist. Bezüglich der angenommenen Modernisierung ist es offenbar in der Konfes­ sionalisierungsforschung etwa seit der Jahrtausendwende zu einer Trendwende gekommen. Selbst Wolfgang Reinhard verkündete 2010, er habe sich „endgültig entschlossen, von der linearen Modernisierungsthese Abstand zu nehmen.“48 In der aktuellen Forschung wird die Behauptung der modernisierenden Wir­ kung – besonders wenn man sie entgegen der angenommenen Parallelität für eine spezifische Konfessionsgruppe beansprucht – überwiegend problematisch gesehen.49 Insgesamt ergibt sich aus diesen Vorbehalten gegenüber dem Moder­ nisierungsbegriff der klassischen Konfessionalisierungsthese ein neues Bild, nach dem die modernisierende Wirkung nicht mehr als unverzichtbarer Be­ standteil des Paradigmas gesehen wird. Der Grund hierfür ist wohl die zunehmende Abkehr vom Konzept der Postmoderne, auf dem besonders Wolfgang Reinhard seinen Modernebegriff aufbaut, seit der Jahrtausendwende. Die im Forschungsdiskurs aktuell vorherr­ schende Konzeption der multiple modernities (maßgeblich auf Shmuel Eisen­ stadt zurückgehend) sucht die Abkehr von einer meist an Europa ausgerichteten einheitlichen Modernekonzeption, in die nur ein Weg führt.50 Grundlegende Prinzipien sind dabei die Vielzahl „legitim moderner“ Entwicklungspfade und -ziele, die eine Erfassung einer Modernität im globalen Kontext möglich machen soll. Die entscheidenden Leistungen dieses Konzepts liegen in seiner Vereinbarkeit mit postkolonialen Geschichtsbildern und dem Erklärungs­ potential beispielsweise für den religiösen Fundamentalismus als modernem (!) Phänomen.51 Terminologie und Ideen der Multiple-modernities-Konzeption halten dementsprechend auch in der reformationsgeschichtlichen Forschung Einzug.52 Von dieser Konzeption ausgehend erscheint der Modernisierungsbegriff der klassischen Konfessionalisierungsforschung nicht nur allzu unbestimmt, sondern suggeriert auch eine eurozentrische Teleologie der Moderne hinsicht­ lich Entwicklungspfaden und Entwicklungszielen. Aus dieser teleologischen Entwicklung der (europäischen) Moderne ergebe sich zudem, dass die Frühe 48  Reinhard, Barockkatholizismus, 426. Bei diesem Artikel handelt es sich um eine reflektierende Rezension zu Hersche, Muße und Verschwendung. 49  So etwa bei Zwierlein, Rez. zu: Strohm, Calvinismus und Recht, 764 unter Bezug­ nahme auf Strohm, Calvinismus und Recht, 460. 50  Vgl. einführend Krause, Religion und die Vielfalt der Moderne, 275–286; Knöbl, Die Kontingenz der Moderne, 71–83. 51 Vgl. Eisenstadt, Die Vielfalt der Moderne, 174–245; Eisenstadt, Multiple Moderni­ ties. 52  So stand das vom 22. –24. September 2016 veranstaltete Kolloquium der Universitäten Heidelberg und Notre Dame unter dem bezeichnenden Titel „Multiple Modernities? Confes­ sional Cultures and the Many Legacies of the Reformation Age“.



1.2.  Konfession und Modernisierung

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Neuzeit zur „Vorgeschichte der Moderne ‚degradiert‘“53 würde. Zur adäquaten Erfassung der Frühen Neuzeit sei es vielmehr notwendig, sie nicht nur auf ihr Entwicklungspotential für spätere Epochen zu untersuchen. Luise SchornSchütte verweist dabei auf die Legitimität nicht nur „verschiedener Entwick­ lungspfade, sondern auch die Existenz verschiedener Entwicklungsziele“.54 Speziell für den frühneuzeitlichen Katholizismus diagnostiziert Peter Hersche, die Konfessionalisierungsthese sei durch ihren modernisierungstheoretischen Zuschnitt das „größte Hindernis zur adäquaten Erkenntnis“55 der historischen Sachverhalte. Ausgehend von der Einsicht, dass die durch Max Weber geprägte These der Rückständigkeit des Katholizismus „etwas zu vorschnell auf den Ab­ fallhaufen der Geschichte befördert“56 worden sei, kritisiert Hersche Reinhards These des gleichwertigen Modernisierungspotentials des frühneuzeitlichen Ka­ tholizismus scharf, ohne jedoch die katholische Rückständigkeit als abwertendes Ergebnis stehen zu lassen. In seiner Untersuchung beschreibt er vielmehr den „Barockkatholizismus“ als eigenständiges Phänomen, das sich in ein lineares Modernisierungsschema nicht einordnen lasse. Dabei will er die „eigentümliche ‚Modernität‘ des Katholizismus“57 in der Frühen Neuzeit aufzeigen, die sich nicht in das von Max Weber geprägte Modell der Rationalisierung einfüge. Eine ähnliche Sichtweise auf den Katholizismus im konfessionellen Zeitalter vertritt auch Eisenstadt.58 Die Zurückweisung des Modernisierungsaspekts in der Konfessionalisie­ rungsforschung unter Verweis auf die Vielzahl an Entwicklungswegen kon­ trastiert mit der Rezeption des Konfessionalisierungsparadigmas durch manche Theoretiker der Multiple-modernities-Konzeption. Wolfgang Knöbl, einer der produktivsten deutschsprachigen Autoren auf diesem Gebiet, führt etwa Schilling und Reinhard wiederholt als gelungene Beispiele einer Forschung an, die Differenzierungsprozesse abseits der zuvor dominierenden eindimen­ sionalen Säkularisierungsthesen vorstellen.59 In ihrem religionssoziologischen Erkenntnisinteresse scheint zumindest die deutschsprachige Forschung zu den multiplen Modernen eine mit der Konfessionalisierungsforschung vergleich­ bare Frontstellung gegenüber einseitig auf Säkularisierungsprozesse abzielende Theorien zu haben. 53  Schorn-Schütte, Konfessionalisierung als wissenschaftliches Paradigma, 66. Ähnlich äußert sich auch Hersche, Muße und Verschwendung, I, 39. 54  Schorn-Schütte, Konfessionalisierung als wissenschaftliches Paradigma, 68 (Hervor­ hebungen im Original) unter Verweis auf Mergel, Geht es weiterhin voran, 214–220. 55  Hersche, Muße und Verschwendung, I, 63. 56  Ebd., I, 58. 57  Ebd., II, 794. vgl. auch ebd., II, 450. 58 Vgl. Eisenstadt, Origins of the West, 591–596. Eisenstadt geht hierbei ähnlich wie Hersche von einer sichtbaren Rückständigkeit katholischer Territorien in einigen Dimensionen aus, ohne dem Katholizismus die generelle Modernefähigkeit abzusprechen. 59  Knöbl, Die Kontingenz der Moderne, 81; Knöbl, Aufstieg und Fall der Modernisie­ rungstheorie, 107.

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

Das spezifische „Modernisierungs“-Konzept der Konfessionalisierungs­ forschung erscheint vor diesem Hintergrund grundsätzlich mit den Errungen­ schaften der Multiple-modernities-Konzeption vereinbar. Die Konzentration auf den spezifisch europäischen Wirkfaktor Konfession muss keine teleologische Aussage über den einen linearen Weg in die Moderne treffen. Von der klassischen Modernisierungstheorie, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts im geistigen Um­ feld der Containment-Politik entwickelt wurde60 und die Notwendigkeit einer Modernisierung der „Dritten Welt“ nach westlichem Vorbild annahm, hat sich beispielsweise Wolfgang Reinhard früh explizit distanziert.61 Vielmehr lässt sich das Konfessionalisierungsparadigma als ein Modell auffassen, Besonderheiten der spezifischen europäischen Moderne(n) darzustellen. Auf die Untersuchung von Konfession als produktivem Wirkfaktor in der Geschichte muss hierbei nicht zwingend verzichtet werden.62 Eine „gewisse innere Zielgerichtetheit“63 bei der Darstellung der Auswirkungen von Reformation und Konfessionsbildung ist hierbei schwer zu umgehen. Eine undifferenzierte Rede von „Modernisierung“ erscheint heute hingegen problematisch. Weder die Singularität der Konfessio­ nalisierung als Weg in die Moderne, noch die Linearität dieses Wegs64 lassen sich ohne weiteres behaupten. Somit zeigt sich die Konfessionalisierungsthese erneut als ein durch seine Anpassungsfähigkeit äußerst langlebiges Paradigma. Mit Wolfgang Reinhards Worten aus diesem Artikel, in dem er sich von der „linearen Modernisierungstheorie“ verabschiedet: „Die Konfessionalisierung ist tot, es lebe die Konfessionalisierung!“65 In diesem Zusammenhang hoch interessant ist die Frage nach der Möglich­ keit einer über den christlich-europäischen Raum hinausgehenden Ausweitung der Konfessionalisierungsthese in der globalgeschichtlichen Betrachtung.66 So entwickelt Tijana Krstić aus frühneuzeitlichen Konversionszeugnissen zum Islam die These einer zur europäischen Entwicklung parallelen Konfessionali­ sierung im Osmanischen Reich. Wenn auch ihre These eines „Mediterranean60 Vgl. Knöbl, Aufstieg und Fall, 78–96. 61  Reinhard, Was ist katholische Konfessionalisierung, 422. 62  Dies ist wohl auch den systemtheoretisch ausgerichteten Einwänden Rudolf Schlögls entgegen zu halten, der in Bezug auf die Konfessionalisierungsthese die „strukturbildende Wirkung“ religiöser Phänomene, nicht aber ihre „handlungsorientierende Kraft“ bestreitet (Schlögl, Differenzierung und Integration, 283; vgl. auch Schlögl, Historiker, Max Weber und Niklas Luhmann. Schlögls Verweis auf die enge Verbindung von Konfessionalisierung und Säkularisierung ist hierbei aber sicherlich bedenkenswert. 63  Greyerz, Religion und Kultur, 109. Von Greyerz plädiert ebd. für die Orientierung an einer „‚schwachen‘ Modernisierungstheorie“. 64  Vgl. etwa den Einwand, dass es sich bei den mit der Konfessionalisierung verbundenen Schritten „nur um Teilmodernisierungen“ handelt: Schieder, Säkularisierung und Sakralisie­ rung, 312. 65  Reinhard, Barockkatholizismus statt Konfessionalisierung, 429. 66  Programmatisch zu dieser Sichtweise vgl. Zwierlein, Konfessionalisierung europäisch, global.



1.3. Konfessionelle Konkurrenz als produktiver Wirkfaktor

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wide ‚age of confessionalization‘“67 im eigenen Fach teils auf Widerstand stößt,68 ist es durchaus bedenkenswert, Konfessionalisierung auch in einem global­ geschichtlichen Kontext zu betrachten oder auch auf das europäische Judentum anzuwenden.69 Das Konzept der multiple modernities lässt sich darüber hinaus für die Kon­ fessionalisierungsforschung fruchtbar machen, indem sich hiermit Differen­ zierungen an der These der Parallelität aller Konfessionen vornehmen lassen. Unterschiedliche Wege und Ziele der einzelnen Konfessionen sind bei allen Strukturparallelen nicht nur denkbar, sondern, wie es etwa Peter Hersche in seinem Buch über den Barockkatholizismus aufzeigt, durchaus als legitim an­ zusehen.70 Unterschiede zwischen den Konfessionen lassen sich danach ohne das normative Urteil einer inhärenten Rückständigkeit beschreiben. Ein Weg kann hierbei sein, die produktive Wirkung des Konfessionellen in der Frühen Neuzeit nicht auf eine allgemeine, sondern auf eine zeit- und konfessionsspe­ zifische „Modernität“ zu beziehen. Auch muss eine Betrachtung der Konfession als eines produktiven (im spezifischen Sinne „modernisierendem“) Wirkfaktors nicht zwingend zur Degradierung der Eigengewichtigkeit des Geisteslebens der Frühen Neuzeit führen. Es gilt daher in dieser Studie nicht, eine quasi-teleologi­ sche Entwicklungslinie in eine feststehende Moderne aufzuzeigen, sondern die spezifische Wirkung von Konfession und konfessioneller Konkurrenz in der Zeit selbst aufzuzeigen. In diesem Sinne soll hier auch der Begriff „produktiv“ ver­ wendet werden, sodass er die innovationsfördernde Wirkung einer historischen Situation beschreibt. Dabei sollen auch Innovationen, die aus heutiger Sicht nicht (mehr) „modern“ sind, ausdrücklich miteingeschlossen werden.

1.3. Konfessionelle Konkurrenz als produktiver Wirkfaktor in der Frühen Neuzeit Die mögliche Gefahr einer Sichtweise, die den verschiedenen Konfessionen je eigene Entwicklungswege und -ziele, ja eine je „eigentümliche Modernität“ zubilligt, besteht darin, die frühneuzeitlichen Konfessionen jeweils isoliert zu betrachten. Nicht nur, aber besonders in den gemischtkonfessionellen Räumen des Reichs standen die Konfessionen miteinander in Kontakt, sodass Formen konfessioneller Koexistenz eher die Regel als Ausnahme darstellten.71 Wie territorialgeschichtliche Forschungen, etwa in der Reihe Die Territorien 67  Krstić, Illuminated by the Light, 63. 68 Vgl. Baer, Rezension zu: Krstić, Contested Conversions to Islam, S. 39 f. 69 Vgl. Lauer, Die Konfessionalisierung des Judentums, bes. 278–283. Vgl. Zwierlein, Konfessionalisierung europäisch, global als epistemischer Prozess. 70  Hersche, Muße und Verschwendung, I, 36–44. 71 Vgl. Safley, Multiconfessionalism, 1–22.

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung,72 aufgezeigt haben, können Konfessionen nicht ohne Berücksichtigung ihres räumlichen Kontexts und der anderen Konfessionen betrachtet werden. Die Konfessionen in der Frühen Neuzeit befanden sich nicht nur in einer allgemeinen, gesamt­ europäischen Konkurrenzsituation, sondern standen sich gerade in gemischt­ konfessionellen Regionen und in bikonfessionellen Städten unmittelbar gegen­ über. Zu Recht macht Anton Schindling auf das Phänomen aufmerksam, dass das „Erlebnis, die Wahrnehmung und die Deutung der Nachbarschaftskonkurrenz zu außergewöhnlichen Anstrengungen führten.“73 In diesem Sinne gelten die Überlegungen zu einer produktiven Wirkung des Konfessionellen in besonderer Weise für die „Grenz- und Konflikträume“ im Reich, sind jedoch gewiss nicht auf diese zu beschränken.74 Gerade dieser Typus der „Nachbarschaftskonkur­ renz“ soll in dieser Studie anhand Mainzer und Heidelberger Streitschriften zum Reformationsjubiläum 1617 untersucht werden. Die Untersuchung solcher „interkonfessioneller“75 Austauschbeziehungen geschieht unter der Prämisse, dass sich aus dem Kontakt auch Rückwirkungen auf die ‚Konfessionskulturen‘ ergeben. Interkonfessionelle Kommunikation, wie sie unter anderem in der Kontroversliteratur stattfindet, ließe sich demnach im begrenzten Maße als eine Form des „Kulturtransfers“76 begreifen. Als ent­ scheidender Punkt ist festzuhalten, dass die konfessionelle Konkurrenzsituation im Wechsel von Streitschriften eine institutionalisierte Möglichkeit des inter­ konfessionellen Austauschs ermöglichte. Irene Dingel prägt für dies den Begriff der kontroverstheologischen „Streitkultur“, die sie als besonderes Merkmal der nachfolgenden Reformatorengenerationen ansieht.77 Es bietet sich an, drei grundlegende Wirkweisen konfessioneller Konkurrenz zu benennen.78 Die erste ist die nahe liegende Beobachtung, dass konfessionelle Konkurrenz eine stimulierende Wirkung gerade im Bereich der Gelehrsamkeit entfalten kann. Begünstigt durch die Gegnerschaft in „fruchtbarer Konkur­ 72  Schindling/​Ziegler, Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, 7 Bd., Münster 1989–1997. 73  Schindling, Konfessionalisierung und Grenzen der Konfessionalisierbarkeit, 20. 74 Ebd.; vgl. auch Brockmann/​Weiss, Konfessionsbildung und Konfessionalisierung, 20. 75  Hierunter werden an dieser Stelle „wechselseitige Austauschprozesse zwischen einzelnen Personen und Gruppen verschiedener konfessioneller Milieus“ verstanden, die „Rückwirkung auf die jeweilige Konfession“ zeitigen (K aufmann, Einleitung: Transkonfessionalität, 15). 76  Dingel, Streitkultur und Kontroversschrifttum, 95; vgl. auch Paintner, Nunmehr allen alten Catholischen, 300–302. 77  Dingel, Streitkultur und Kontroversschrifttum, 10 f.; vgl. auch Dingel, Zwischen Disputation und Polemik, 18. Es verkennt in gewisser Weise dieses wichtige Merkmal des konfessionellen Zeitalters, von einem „non-dialogue“ zwischen den Konfessionen zu sprechen (Gregory, The Unintended Reformation, 376). 78  Vgl. zu dieser Schematik auch Strohm, Produktive Kraft konfessioneller Konkurrenz, 136–139.



1.3. Konfessionelle Konkurrenz als produktiver Wirkfaktor

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renz“79 wurden auch abseits der Theologie, etwa in der Rechtswissenschaft,80 einschlägige Themen in einer ungekannten Breite diskutiert und in einer Viel­ zahl gedruckter Streitschriften veröffentlicht. Konfessionelle Konkurrenz wirkt für die Schriftproduktion wie ein Motor. Es ist nicht zu unterschätzen, wie sich die Selbstverständlichkeit der eigenen Überlegenheit nicht nur in der „Nachbar­ schaftskonkurrenz“ auf das Geistesleben auswirkte. Ein anschauliches Extrem bietet der gelehrte Oratorianer Tommaso Bozio (1548–1610), der in seinem Traktat De signis ecclesiae Dei (1591) die breit gefächerte wissenschaftliche Überlegenheit, die er seiner Konfession zuschreibt, sogar zu den notae ecclesiae, den sichtbaren Zeichen der wahren Kirche, zählt.81 Als zweite Wirkweise lässt sich die Förderung des interkonfessionellen Austauschs ansehen. Mit der Konkurrenz ging oft ein gesteigertes Interesse für die anderen Konfessionen einher.82 Selbst zum Höhepunkt der konfessionellen Auseinandersetzungen interagierten die Konfessionen in vielfältiger Weise miteinander.83 So kam es zum Transfer von Ideen und Wissensbeständen mit­ unter auch in der Kontroversliteratur, sei es als stille Übernahmen oder unter der Formulierung eines expliziten Gegenmodells. Der stetige interkonfessionelle Austausch in der Frühen Neuzeit erschwert zudem die Zuordnung spezifischer ‚Kulturwirkungen‘ zu einzelnen Konfessionen, da sich viele nicht lange aus­ schließlich in dieser Konfession finden lassen.84 Dass sich ein Phänomen in mehr als einer Konfession aufzeigen lässt, bedeutet somit nicht, dass das Kon­ fessionelle hierbei nicht von Bedeutung wäre. Drittens ist auch eine hemmende oder sogar destruktive Wirkung konfessio­ neller Konkurrenz auf das Geistesleben in der Frühen Neuzeit zu beobachten. Das mahnende Beispiel des Dreißigjährigen Kriegs mit seinen erschreckenden Auswirkungen ist zweifellos zu bedenken, wenn von produktiven Auswirkungen der Glaubensspaltung die Rede ist. Auch wenn man keine direkte kausale Linie von den konfessionellen Kontroversen zum Kriegsausbruch ziehen will,85 ver­ bietet es sich, diese Dimension außer Acht zu lassen.86 Um diese der klassischen Sicht auf konfessionelle Streitigkeiten entsprechende Wirkweise zu beschreiben, muss der Dreißigjährige Krieg jedoch nicht einmal bemüht werden. Oft ist auch abseits von Fällen physischer Gewalt erkennbar, wie konfessionelle Konkurrenz 79  Schilling, Martin Luther, 622. 80  Strohm, Produktive Kraft konfessioneller Konkurrenz. 81  Bozio, De signis ecclesiae Dei, 237–248. Vgl. Poni, Wirtschaft, Wissenschaft, Techno­ logie und Gegenreformation. 82  Vgl. auch Schorn-Schütte, Bikonfessionalität als Chance, 316. 83  Schilling/​Tóth, From empires to family circles, 34. 84  Strohm, Produktive Kraft konfessioneller Konkurrenz, 13 f. 85  In einer solchen polemischen Zuspitzung etwa bei Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums, Bd. 9, 287–303. 86  Dies kann als verbindender Ertrag einer Forschungskontroverse zu Beginn des Jahr­ tausends gelten: Gotthard, Der deutsche Konfessionskrieg; Burkhardt, Auf der Suche nach dem Dissens.

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

den Transfer von Ideen nachhaltig behindert, etwa am Beispiel der im protestan­ tischen Bereich erst mit erheblicher Verzögerung eingeführten Gregorianischen Kalenderreform.87 Das augenfälligste Feld, in dem man eine produktive Wirkung konfessioneller Konkurrenz beobachten kann, ist das der Bildung und Erziehung.88 Noch 1576 diagnostizierte der Jesuit Petrus Canisius den eigenen Konfessionsverwandten besonders im Bereich der höheren Bildung Defizite gegenüber den Protestan­ ten.89 Treffend lassen sich die frühen Bemühungen der Gesellschaft Jesu im Bereich der Bildung als „Aufholjagd“90 fassen. Diese Bemühungen nötigten ihrerseits Vertretern der protestantischen Konfessionen Anerkennung ab, die sich nicht nur in der beständigen Warnung vor den Gymnasien, die Schülern aller Konfessionen offenstanden,91 ausdrückte. Der Straßburger Humanist und Schulreformer Johannes Sturm, der wie wenige andere das protestantische Bil­ dungssystem der Frühen Neuzeit prägte, bemerkte etwa über das Bildungsideal der Jesuiten, dass dieses „wie von unseren Quellen abgeleitet zu sein scheint.“92 Dem Umstand, dass die Gesellschaft Jesu sich in der Bildung bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung einen weitreichenden Ruf verdient hatte, kann Sturm indes etwas Gutes abgewinnen: „Dass sie uns zwingen, größeren Eifer und Wachsam­ keit einzunehmen, damit jene nicht als gewissenhafter als wir erscheinen und mehr Gebildete und Gelehrte hervorbringen, als wir hervorbringen.“93 Auch Kurfürst Friedrich III., der in der Kurpfalz den Übergang zur reformierten Religi­ on einleitete, kommentierte in ähnlicher Weise die jesuitische Schulgründungs­ welle, die die Protestanten „billich soll bewegen, nit weniger vleys anzuwenden, christliche schuhlen antzurichten, und die angerichten zuverbessern“.94 Wie sich schon in diesen Zitaten Sturms und Friedrichs III. zeigt, lässt sich konfessionelle Konkurrenz keineswegs als ‚Einbahnstraße‘ fassen, in der eine rückständige Konfession zur anderen aufschloss. Ein greifbares Beispiel eines Innovationstransfers aus dem katholischen ins protestantische Lager ist die Adaption der professionalisierten päpstlichen Diplomatie.95 Das von 87  Vgl. Kap. 4.3.6. 88 Vgl. Schilling, Martin Luther, 433–437.62 f.; Ehrenpreis, Erziehungs- und Schul­ wesen, 3 f. 89  Canisius an Kardinal Morone, Sommer 1576, 21 f. 90  Schilling, Martin Luther, 623. Vgl. auch Absmeier, Das Schlesische Schulwesen, 259–271; Unterburger, Glaube, Zweifel und Gewissheit, 164. 91  Dennoch blieb der Anteil an protestantischen Schülern auch in bikonfessionellen Reichs­ städten verhältnismäßig klein. Vgl. Duhr, Geschichte der Jesuiten, II,1, 518. 92  Sturm, Classicarum Epistolarum Libri III, fol. Aviiv : „ut à nostris fontibus deriuata esse uideatur“. 93  Ebd.: „Quod cogunt nos maius suscipere studium & uigilantiam: ne illi quam nos di­ ligentiores esse uideantur: & plures eruditos atque literatos efficere, quam nos efficiamus“ 94  Friedrich III. an Johann Friedrich den Mittleren von Sachsen, 15. August 1566, ed. Kluckhohn, 696. 95  Schilling/​Toth, From empires to family circles, 33.



1.3. Konfessionelle Konkurrenz als produktiver Wirkfaktor

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Gregor XIII. geschaffene Netzwerk päpstlicher Nuntien wurde anders als dessen Kalenderreform besonders im calvinistischen Europa in seiner Vorteilhaftig­ keit erkannt und nachgeahmt. Auch in weiteren Bereichen, man denke nur an die Künste und Architektur,96 aber auch an die Entwicklung des öffentlichen Rechts,97 kam es zu Austauschprozessen und gegenseitigem Anregen zwischen den Konfessionen. Eine interessante Wirkung konfessioneller Konkurrenz zeigt Luise Schorn-Schütte auf, die die Auswirkungen auf die Amtsideale der Geistlichen mit ihren Implikationen auf die Gesellschaftsordnung beschreibt. Da Katholiken und Protestanten nicht zuletzt auch auf dem Gebiet der Seel­ sorge in Konkurrenz standen, entwickelten sie spezifische Amtsentwürfe für ihre Pfarrer. Während die Protestanten ein neues Ideal des Pfarrers als verhei­ rateten „Pfarrhausvater“98 entwarfen, lehnte der tridentinische Katholizismus dieses Bild ab und bekräftigte die sakramentale Rolle. Einen Niederschlag dieser konfessionellen Unterschiede in den Entwürfen sieht Schorn-Schütte in den ‚Soziallehren‘ der Bekenntnisgruppen, besonders in Bezug auf die Herrschafts­ vorstellung und die Rolle der Frau. Dies beschreibt sie maßgeblich als Folge der konfessionellen Pluralität, die „trotz nachweisbarer Wirkung aufeinander zu scharfer Abgrenzung voneinander [führte]. Von einer Chance der Vielfalt kann in der hier angesprochenen Zeitspanne gerade deshalb gesprochen werden: die konfessionelle Konkurrenz erzwang und ermöglichte das Nebeneinander von herrschaftszentrierenden und herrschaftsbegrenzenden Sozialmodellen.“99 Schließlich lassen sich gerade auch im Bereich der Theologie Auswirkungen der konfessionellen Konkurrenzsituation nachzeichnen. Die aus heutiger Sicht diskreditierte Kontroverstheologie entwickelte sich im konfessionellen Zeitalter zu einem Feld reger theologischer Betätigung.100 Vertreter aller Konfessionen waren daran interessiert, ihre Positionen in einer Weise zu vertreten, die der Gegenseite wenig Angriffsfläche bot.101 Dies diente weniger der Überzeugung von Vertretern anderer Konfessionen, sondern bot vielmehr die Möglich­ keit, die eigene konfessionelle Identität nach innen zu festigen. Auch sind Transfers zwischen den Konfessionen zu beobachten. Die Erfahrungen aus interkonfessionellen Kontakten, etwa bei den offiziellen Religionsgesprächen, dürften ihren Teil dazu beigetragen haben, dass bei Lutheranern und Reformierten Systematisierungsbemühungen einsetzten, die auch Teile der von der Reformation geschmähten Scholastik adaptierten.102 Auch regte die Kon­ kurrenz im konfessionellen Zeitalter unter den Protestanten eine intensivierte 96 Vgl. Michalski, Die lutherisch-katholisch-reformierte Rivalität. 97  Stolleis, Glaubensspaltung und öffentliches Recht; Strohm, Produktive Kraft kon­ fessioneller Konkurrenz. 98  Schorn-Schütte, Bikonfessionalität als Chance, 312. 99  Ebd., 324. 100  Vgl. zur Übersicht Walter/​Jung, Einleitung. 101  Vgl. auch Steiger, Philologia Sacra, 10. 102  Vgl. einführend Trueman/​Clark, Introduction.

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

Beschäftigung mit der Patristik103 und die ursprachliche Bibelexegese unter Katholiken an.104 Somit zeigt sich auch im zuvorderst umstrittenen Feld der Theologie das Paradoxon, das Johann Anselm Steiger wie folgt formuliert: Dass es nämlich „gerade in der Zeit der stärksten konfessionellen Abgrenzung eine ausgeprägte Bereitschaft gegeben hat, die Argumentation der jeweiligen Gegenseite minutiös aufzuarbeiten, sie denkerisch zu durchdringen und ausführlicher Kritik für würdig zu befinden […], wie es in späteren Zeiten selten wieder der Fall gewesen ist.“105 Allen voran die Jesuiten waren auf das Studium theologischer Schriften der Protestanten bedacht  – selbstverständlich in der Absicht, die Fehler der Gegner aufzuzeigen. Hierzu prägte der Mainzer Jesuitenprofessor Nikolaus Serarius (ca. 1555–1609) seinen Schülern das Motto ein: „Für die Häretiker soll man nicht nur beten, sondern auch studieren“.106 Wenn an dieser Stelle die produktive Wirkung von Konkurrenz betrachtet wird, müssen wir uns aus heutiger Sicht vor Augen führen, dass wir im Grunde einen anachronistischen Konkurrenzbegriff an die Frühe Neuzeit heran­ tragen. Dieser positiv gewendete Konkurrenzbegriff ist eng mit der klassischen Soziologie des frühen 20. Jahrhunderts verbunden.107 Hier wird Konkurrenz als „vergesellschaftendes“ Prinzip der Moderne betrachtet und auf das Individuum bezogen. Programmatisch formuliert Georg Simmel, dass Konkurrenz, „die man als Kampf Aller gegen Alle kennzeichnet, […] doch zugleich der Kampf Aller um Alle“108 sei. Zudem wird in der klassischen Soziologie die „Leistungs­ konkurrenz“109 als Produzentin kulturellen Fortschritts hervorgehoben. Diese Sichtweise deckt sich jedoch nicht mit derjenigen der frühneuzeitlichen Ak­ teure, die sich uneingeschränkt und exklusiv im Besitz der vollendeten wahren Lehre sahen. Einen interessanten Einblick in die Wahrnehmung der konfessionellen Kon­ kurrenzsituation offenbart der Heidelberger Hofprediger und Professor Abra­ ham Scultetus in seiner Autobiographie. Da diese Szene die Konkurrenzsituation zwischen Heidelberg und Mainz beleuchtet, ist sie in Hinblick auf diese Studie von besonderer Anschaulichkeit. Als sich Scultetus 1595 zur Trinkkur in Bad Schwalbach im Taunus aufhielt, traf er einen ihm bekannten Mainzer Jesuiten­ 103  Vgl. Kap. 4.2. 104  Vgl. Kap. 4.1.3. 105  Steiger, Philologia Sacra, 1 f. 106  Annuae Litterae Societatis Jesu 1609 [Mainz], 374; „Pro Haereticis non orandum modo esse, sed etiam studendum.“ Dieses Studium schloss für Serarius und seine Nachfolger nicht nur katholische, sondern eben auch protestantische Autoren ein (s. u.). Im Manuskript (StAMz 15/400, fol. 2r) wird dieser Text von zweiter Hand zu „Haereticorum caussa non precibus modo, sed etiam studijs nauiter incumbendum“ emendiert. Offenbar hatte Serarius dieses Diktum mehrfach in verschiedenem Wortlaut von sich gegeben. 107  Sittig, Kulturelle Konkurrenzen, 28–35. 108  Simmel, Soziologie, 328. 109  Mannheim, Die Bedeutung der Konkurrenz, 74.



1.3. Konfessionelle Konkurrenz als produktiver Wirkfaktor

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professor. Er berichtet von dem in seiner Zeit seltener110 gewordenen direkten Aufeinandertreffen mit einem Theologen des anderen konfessionellen Lagers in größerer Ausführlichkeit als von manchem wichtigen politischen oder privaten Ereignis: „Als ich wider gesund worden bin und selbsten zu dem Sawerbrunnen hab gehen können, hab ich alda gefunden Johannem Mülhusinum, ein Meintzischen Jesuiten, so auch den Sawerbrunnen getrunken, welchen ich zwey Jahr zuvor zu Maintz hab angefangen zu er­ kennen, als ich durch sein Hülff die jesuitische Bibliothek daselbst besehen. Weil ich nun teglich bey dem Wassertrinken mit ihm in Gesprech kam, muss ich bekennen, daß mir solche Kundschaft in derselben Wüsten sehr angenehm gewesen ist.“111

Scultetus schildert sein Verhältnis zu Johannes Mülhusinus (1560–1609), einem Mainzer Jesuitenprofessor und Verfasser mehrerer recht scharfer Streitschriften gegen die Heidelberger Reformierten,112 in freundlichen Worten. Angesichts wechselseitig gepflegter konfessioneller Feindbilder mag dies zunächst erstau­ nen. Bezeichnend für Scultetus’ Wahrnehmung der Konkurrenzsituation ist, dass der Jesuit trotz seiner Konfession grundsätzlich als gleichwertiges Mitglied der intellektuellen Sphäre anerkannt wird und mangels geeigneter evangelischer Gesellschaft „in derselben Wüsten“ zum bevorzugten Gesprächspartner des Reformierten wird. Wissenschaftliche und kulturelle Errungenschaften wie die „jesuitische Bibliothek“, die Scultetus wohl im Zuge seiner patrologischen Forschungen113 besucht hatte, werden dabei durchaus anerkannt. Unweigerlich führen ihre Gespräche auch in das Gebiet der Theologie: „Er bemühet sich aber dahin, daß er mir wolt inbilden, die bäpstische Lehr sey die rechte Lehr. Solchem, sagte ich, wollte ich leichtlich Glauben zustellen, wenn er mir nur in einem genugte und wieß mir, daß in den Worten des heiligen Abendmahls und das Meßopfer befohlen sey. Welches er zu tun verhieß und nahm alle Kraft des Beweises her von dem Wort ‚FACITE‘, ‚Solches tut‘. Ich aber wendte dagegen ein, ich hette nichts dergleichen Lächerliches, sondern einen kreftigen Beweis von ihm erwartet. Denn er wüste ja wol, daß der Euangelist nicht lateinisch, sondern griechisch geschrieben habe und daß er nicht das Wort ῥέζειν (machen oder opfern) sondern ποιεῖν (tun) gebrauchet, ja, daß auch die Latei­ ner selbsten, wann sie sagen, ‚facere vitula‘, ‚poscere agno et hoedo‘, darunter verstehen den accusativum, sacrificium, daß es heiße: ein Kalb opfern, ein Lamm oder Bock zum Opfer begehren, wie Cicero bezeuget, der eine solche abgekürzte Rede ergenzet (de Aruspicum responis, Von den antworten deren, so aus dem Vögelgeschrey warsagen) und spricht von dem Opfer, welches geschicht für die Wohlfahrt des römischen Volkes. Und ob auch schon facere sollte so viel heißen als sacrificare, opfern, gleich wie beym Virgilio facere vitula, welches so viel gilt als facere ex vitula, aus dem Kalb ein Opfer machen, so müsste man hier 110  Dennoch kamen diese durchaus vor. Eine weitere Begegnung Heidelberger und Mainzer Theologen fand im August 1608 bezeichnenderweise ebenfalls in Bad Schwalbach statt (vgl. Kap. 2.3.1.). 111  Scultetus, Selbstbiographie, 35. 112  Vgl. Kap. 4.1.2. 113  Vgl. Kap. 4.2.2.

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

ebenso sagen Hoc facite, id est ex hoc (Solches tut, das ist: Machet aus diesem). Welches aber der Accusativus τοῦτω (solches) nicht zugibet, und ob ers auch gleich zugebe, so würden doch die Wort der Einsetzung dieses Opfer nicht zulassen, in welchem ‚Solches tut‘ nichts anders ist als ‚Solches esset, solches trinket‘, welches aus Pauli Worten klar und offenbar ist ‚Sooft ihr esset und trinket‘ und abermal ‚Welcher nun esset oder trinket‘.“114

In einer aus der Kürze der übrigen Ausführungen des Hofpredigers heraus­ stechenden Intensität der Wiedergabe räumt Abraham Scultetus der Darstellung dieser Gemeinplätze reformierter Kontroverstheologie höchste Wichtigkeit ein. Geradezu süffisant schildert er sein vorgebliches Erstaunen über die unzurei­ chende Argumentation seines Gegenspielers, der sich durch das Anschneiden des Themas selbst lächerlich gemacht und die ihm von Scultetus entgegen­ gebrachte intellektuelle Anerkennung verspielt hat. Genüsslich beschreibt Scultetus, wie er den Jesuiten intellektuell vorführt. Dabei bedient er sich geläu­ figer Charakterisierungen der Jesuiten als sophistischer Scheingelehrter, deren Lücken, hier im Bereich der Philologie aufgezeigt, bald zu Tage treten.115 Mit dem spöttischen Verweis auf das mangelnde Verständnis für die Bedeutung der Ursprachen der Bibel greift Scultetus einen üblichen Topos protestantischer Polemik auf.116 Im weiteren Fortgang der Erzählung werden weitere typische Darstellungselemente benutzt, um den Jesuiten zu charakterisieren. Scultetus’ Überlegenheit in der Philologie erkennend habe Mülhusinus „sich listiglich zu etwas anders gekehrt“117 und versucht, die Ungereimtheiten der Transsub­ stantionslehre mit dem Verweis auf die Uneinsichtigkeit der Trinitätsdogmen zu verteidigen. Da solch ein „ungleiches Gleichnus“ nicht überzeugen konnte, hätten sie „die theologischen Sachen beiseit geleget und von andern geredet.“118 Mit der Aufnahme dieser Schilderung in die Selbstbiographie gibt Scultetus dem Gespräch, was ihm noch fehlte: ein Publikum. Nicht, wie er erschöpfend betont, zur eitlen Darstellung seiner Fähigkeiten, sondern als exemplarisches Beispiel für die Überlegenheit protestantischer Theologie und Gelehrsamkeit. Es geht bei dieser Form der Konkurrenz nicht darum, die Überlegenheit zu erringen, sondern die feststehende Überlegenheit der eigenen Konfessions­ gruppe performativ aufzuzeigen. Im Fokus der Bemühungen der Konkurrenten steht eine „dritte Instanz“,119 um deren Gunst gerungen wird. Die hier unter­ suchten konfessionellen Auseinandersetzungen zeigen einen Sonderfall dieser „triadische[n] Struktur“.120 Die Öffentlichkeit, die von der Überlegenheit eines 114  Scultetus, Selbstbiographie., 35 f. 115  Paintner, Nunmehr allen alten Catholischen, 300–304. 116  Vgl. zur Topik der Überlegenheit in der Exegese Pollmann/​Greengrass, Religious Communication, 221. 117  Scultetus, Selbstbiographie, 36. 118 Ebd. 119  Künzer, Kulturen der Konkurrenz, 47–50; Simmel, Soziologie der Konkurrenz, 222.226; Werron, Wettbewerb als historischer Begriff, 62–78. 120  Kirchhoff, Einleitung: Konkurrenz, 13–16.



1.3. Konfessionelle Konkurrenz als produktiver Wirkfaktor

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Konkurrenten überzeugt werden soll, ist konfessionell gespalten – primär wird die eigene Konfessionsgruppe angesprochen. Hauptfunktion der Darstellung der eigenen Überlegenheit ist die darin enthaltene inkludierende Wirkung für die eigene Konfessionsgruppe, die sich dadurch selbst definieren kann. Hinzu kommt sicher auch der Gedanke, auf Außenstehende zu wirken. Diese trium­ phalistische Dimension der kontroverstheologischen Betätigung zeigt sich in besonderer Weise auch bei den Jesuiten.121 Scultetus’ Bereitschaft, sich mit Mülhusinus auf Augenhöhe auszutauschen, ist Bestandteil der frühneuzeitlichen Vorstellung einer überkonfessionellen Gemeinschaft der Gelehrten, die in der Forschung meist als Respublica litteraria oder Republic of Letters bezeichnet wird.122 In dieser „Gelehrtenrepublik“ zeig­ ten sich jedoch gerade in der Zeit um 1600 trotz des Erhalts überkonfessioneller Dialogfähigkeit eindeutige Teilungstendenzen. Sie war eher Bühne der kon­ fessionellen Konkurrenz als ein nicht von der Konfessionalisierung betroffener Ort.123 Allgemein besteht nur ein scheinbarer Widerspruch zwischen Kon­ fessionalisierung und dem überkonfessionell anmutenden (Spät-)Humanismus. Gerade im reformierten Bereich sah man humanistische Bemühungen als mit dem konfessionellen Kampf verwandt an.124 Mit der Fokussierung auf die Konkurrenzsituation der Konfessionen soll keine funktionalisierte Betrachtung der Konfessionen einhergehen.125 Der Blick auf die Inhalte und Propria der Konfessionen ist einer Betrachtung lediglich ihrer „Außenschalen“126 vorzuziehen. Zur adäquaten Betrachtung der Rolle der Konfessionen in der Frühen Neuzeit ist es notwendig, offen für die auch zeitgenössisch empfundenen Unterschiede zu sein, ohne in ein Schema von Über- und Unterlegenheit zu fallen. Im Sinne der vorgestellten Gedanken der multiple modernities gilt es, differente Entwicklungspfade darzustellen und auf die konkrete Wirkung der konfessionellen Konkurrenzsituation in der Zeit zu blicken. Außer Frage steht dabei, dass auch andere europäische und außereuropäische Konfessionen, Religionen und Kulturen  – etwa christliche Gruppen abseits der Großkonfessionen, das Judentum, aber auch Islam und 121  Bremer, Religionsstreitigkeiten, 207–209. 122  Jaumann, Respublica litteraria, bes. 19. 123 Vgl. Schubert, Kommunikation und Konkurrenz, 107. Allgemein sind Streit und Polemik keine der Gelehrtenrepublik fremden Elemente, vgl. Levine, Streit in der Gelehr­ tenrepublik; und weitere Beiträge des Sammelbandes „Gelehrte Polemik“; Grafton, Worlds Made by Words, 24. 124  Strohm, Die Universität Heidelberg als Zentrum, 211–213; Unterburger, Zwischen Irenik und Kontroverstheologie; Ferber, Cives vestros sine controversia. 125  Ebensowenig ist mit dem Begriff der konfessionellen Konkurrenz eine religionsöko­ nomische Herangehensweise gemeint, die Erfolg oder Misserfolg religiöser Strömungen zu erklären sucht. Vgl. zur Problematik dieser Herangehensweise Schieder, Konkurrenz der Religionen, bes. 274–277. 126  Schindling, Konfessionalisierung und Grenzen der Konfessionalisierbarkeit, 12.

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

Orthodoxie  – durch vielfältige Kontakte Einfluss auf die Entwicklung der ‚Moderne(n)‘ nahmen.127 Ebenfalls ist es nicht Absicht der Darstellung konfessioneller Konkurrenz als spezifisch produktivem Faktor, eine platte Apologie der konfessionellen Streitig­ keiten und ihrer teils verheerenden Auswirkungen zu liefern.128 Georg Simmel prägt die klassische Position, dass Konkurrenz ende, wo die Vernichtung des Gegners zum Ziel genommen wird.129 Die konfessionelle Konkurrenz, die in dieser Arbeit durchaus in Anlehnung an Simmel als performative Bemühung um die Gunst der Öffentlichkeit aufgefasst wird, ist allerdings untrennbar mit dem konfessionellen Kampf verbunden, der bis hin zur physischen Vernichtung des Gegners gehen konnte.130 Diese Umstände müssen mitbedacht werden, wenn von produktiven Wirkungen konfessioneller Konkurrenz die Rede ist. Auch die hemmenden, teilweise sogar destruktiven Folgen auch der Konkur­ renzsituation selbst sind stets mitzubedenken. Statt eines antiökumenischen131 Lobs der Spaltung geht es um einen konkreten Blick auf die Wirkung der his­ torischen konfessionellen Konstellation nach der Reformation. Gerade die inter­ konfessionellen Verflechtungen sollen dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Diese Perspektive soll die offensichtlichen negativen Folgen der kon­ fessionellen Spaltung wie die verstörende Feindseligkeit auf beiden Seiten und konfessionell motivierte Fehlurteile nicht leugnen oder kleinreden. Vielmehr soll, wie zu Beginn der Konfessionalisierungsforschung von Wolfgang Reinhard eingefordert,132 das nicht unmittelbar Einsichtige offengelegt werden. „Konfes­ sionelle Konkurrenz“ lässt sich eben nicht (nur) als Grundübel der europäischen Geschichte auffassen.133 Die Betrachtung konfessioneller Konkurrenz als eines produktiven Wirkfak­ tors in der europäischen Neuzeit kann dazu beitragen, im Sinne der Multiplemodernities-Konzeption verschiedene Entwicklungspfade und -ziele zu berück­ sichtigen, ohne die frühneuzeitlichen Konfessionen isoliert zu betrachten. 127 Vgl. Schilling/​Toth, From empires to family circles, 13–20.40–46. 128  Vgl. zu diesem Problem in Bezug auf den Begriff der „Streitkultur“ Dingel, Zwischen Disputation und Polemik, 1 f. 129  Simmel, Soziologie der Konkurrenz, 222. 130  Vgl. zur soziologischen Unterscheidung von Konkurrenz und Kampf Geiger, Konkur­ renz, 9–13. 131  Der Begriff ‚konfessionelle Konkurrenz‘ wird im ökumenischen Diskurs, wenn, dann pejorativ besetzt gebraucht (vgl. etwa Larentzakis, Die eine Kirche und ihre Einheit, 58.62). Hierbei handelt es sich jedoch um eine andere Begriffsprägung, die Probleme wie den innerchristlichen Missionsproselytismus vor Augen hat. Zudem sei vorerst dahingestellt, ob konfessionelle Polemik, die an dieser Stelle bewusst auch als produktiv charakterisiert wird, auch heute noch ein gangbarer Weg zwischen den christlichen Kirchen ist (so das lesenswerte, aber m. E. zu überspitzte Plädoyer von Slenczka, Vom Nutzen und Nachteil konfessioneller Polemik). 132  Reinhard, Gegenreformation als Modernisierung, 231. 133 In diesem Sinne begrifflich übereinstimmend verwendet bei Bendikowski, Der deutsche Glaubenskrieg, bes. 33 f.



1.4.  Vorgehensweise und Ziel

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Zentraler Ertrag der vorangegangenen Überlegungen ist, dass verstärkt auf interkonfessionelle Transferprozesse etwa in der Kontroversliteratur und die stimulierende Wirkung der konfessionellen Konkurrenzsituation in der Frühen Neuzeit zu blicken ist. Gewiss kann der Begriff der konfessionellen Konkurrenz nicht die gesamte Vielfalt des frühneuzeitlichen Europa abbilden. Doch handelt es sich hierbei um einen wichtigen Faktor, der besonders – aber nicht nur – in multikonfessionellen Räumen vor allem im Handeln der weltlichen und geist­ lichen konfessionellen Eliten zu beobachten ist.

1.4.  Vorgehensweise und Ziel dieser Studie Diese Studie widmet sich der Untersuchung der Wirkweisen konfessioneller Konkurrenz. Als Quellen werden vornehmlich Kontroversschriften von Heidel­ berger und Mainzer Gelehrten herangezogen. Diese eignen sich in besonderer Weise für ein solches Unterfangen, da die Universität Heidelberg  – in dieser Zeit mit das wichtigste geistige Zentrum des reformierten Europas  – und die vom assoziierten Jesuitenkolleg dominierte Universität Mainz geradezu ideal­ typisch die Merkmale einer „Nachbarschaftskonkurrenz“134 aufweisen. Die Hochschulen waren durch Rhein und Neckar, lange Territorialgrenzen und die Nähe zu Frankfurt als Zentrum des Buchhandels kommunikativ miteinander verbunden. In dieser Gemengelage entwickelte sich um 1600 ein intensiver Aus­ tausch von Kontroversschriften, an dem mehrere Gelehrte beider Seiten betei­ ligt waren. Der Untersuchungszeitraum dieser Studie umfasst im Kern die Jahre 1583 (Wiedereinführung der reformierten Konfession in Heidelberg und in­ stitutionelle Konsolidierung des Mainzer Jesuitenkollegs) bis 1622 (Zerstörung Heidelbergs). Somit werden über 200 an diesen Orten gedruckte Publikationen zweier Gelehrtengenerationen untersucht. Die Werke sollen dabei in ihrem diskursiven Zusammenhang betrachtet werden. Hierbei treten auch an anderen Druckorten publizierte Schriften in den Fokus der Untersuchung. Ziel ist die Darstellung der Kontroversen in ihrer Gesamtheit unter dem Gesichtspunkt, welche Wirkweisen der konfessionellen Konkurrenzsituation sich in diesen finden lassen. Der systematischen Dar­ stellung des argumentativen Aufbaus der Werke und der Konzeptionen der Autoren kommt demgegenüber nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Hierfür wäre an dieser Stelle angesichts der großen Menge der behandelten Quellen­ schriften nicht der Raum. Ebenso lassen sich die Kontroversen in den meisten Fällen nicht auf einzelne Personen zuspitzen. In vielen Fällen antworteten andere Autoren für Konfessionsgenossen und griffen so in eine teils seit Jahren oder Jahrzehnten andauernde Kontroverse ein. Soweit es sachdienlich ist, 134  Schindling, Konfessionalisierung und Grenzen der Konfessionalisierbarkeit, 20.

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1. Einleitung: Konfessionelle Kontroversen als Forschungsgegenstand

werden daher auch Autoren berücksichtigt, die nicht in Heidelberg oder Mainz wirkten. Zunächst werden die lokalen Begebenheiten der beiden Universitätsstand­ orte dargestellt, die den entscheidenden Kontext der Schriften darstellten. Hierunter fallen die allgemeine Kirchen- und Universitätsgeschichte dieser Städte und auch die akademischen und infrastrukturellen Grundlagen, um Kon­ troverstheologie zu betreiben und entsprechende Schriften zu publizieren. Des Weiteren werden allgemeine Beobachtungen zum untersuchten Medium selbst angestellt. Die Regeln, Autoren, Strategien und Funktionen der Kontrovers­ schriften bilden einen wichtigen Hintergrund zum Verständnis dieser Quellen. Die Kontroversschriften selbst werden in dieser Studie nicht chronologisch, sondern nach thematischen Gesichtspunkten geordnet. Hieraus ergeben sich einzelne kontroverspublizistische Diskurszusammenhänge, die teils längere Zeiträume umfassen und übergeordnete Schlussfolgerungen zulassen. Zunächst werden Kontroversen untersucht, die grundlegend oder an konkreten Fragestel­ lungen über die richtigen Methoden und Quellen der Wahrheitsfindung streiten. In der Gewichtung und Interpretation der geteilten religiösen, theologischen und historischen Tradition liegt ein übergeordneter Differenzpunkt zwischen den Konfessionen. Einige dieser Kontroversfragen lassen sich aus heutiger Perspektive anderen Disziplinen, etwa der Philologie und Historiographie zu­ ordnen, waren aber aufgrund ihrer konfessionellen Funktionalisierung eminent theologische Fragestellungen. Die im folgenden Kapitel behandelten Kontro­ versen behandeln hingegen klassische theologische Streitthemen. Anschließend werden Kontroversen mit weiterführenden Fragestellungen zur Ordnung eines christlichen Gemeinwesens behandelt. Die hier behandelten Themenfelder zum Verhältnis von Staat und Kirche und der Rolle des Rechts verweisen auf Kern­ fragen frühneuzeitlicher Gesellschaften in Europa. Diese Studie ist besonders auf die Darstellung der dezidiert produktiven Wirkweisen konfessioneller Konkurrenz in der gelehrten Welt ausgerichtet. Dies soll mitnichten die bereits ausgeführte Existenz der hemmenden, ja zer­ störerischen Wirkweisen des konfessionellen Gegeneinanders in der Frühen Neuzeit leugnen. Das mit 1622 gewählte Ende des Untersuchungszeitraums, das auf die Zerstörung Heidelbergs, die Einstellung des Lehrbetriebs und die Verschleppung der berühmten Bibliotheca Palatina verweist, zeigt augenfällig, dass dies ein Irrweg wäre. Das Ziel dieser Arbeit ist, einen weniger offensicht­ lichen Aspekt der konfessionellen Konkurrenzsituation und den besonderen Quellenwert der gelehrten Kontroversschriften herauszustellen. Für diese Vor­ gehensweise sprechen zudem methodische Erwägungen: Über verhinderte und gehemmte Transferprozesse, Schriften und Ideen lassen sich aus den Quellen weniger belastbare Aussagen treffen.

2.  Die Universitäten Heidelberg und Mainz im Untersuchungszeitraum 2.1.  Die Universität Heidelberg und ihre Theologische Fakultät 2.1.1.  Entwicklung von Universität und Fakultät 1559 bis 1622 Das späte 16. und frühe 17. Jahrhundert wird häufig als „Blütezeit“ der Uni­ versität Heidelberg bezeichnet. Heidelberg wird die Bedeutung eines „Dritten Genf “ als einem der geistigen Zentren des reformierten Europa und eines „Mekkas der antispanischen, antirömischen Intelligenz“1 zugesprochen. In der Tat verzeichnete die Universitätsmatrikel Rekorde mit einem Höchststand von 314 Immatrikulationen allein im Jahr 15852 und konnte prominente Gelehrte aus ganz Europa für die Lehrstühle aller Fakultäten gewinnen. Hierbei handelte es sich keineswegs um ein singuläres Phänomen, viele weitere Universitäten Europas verzeichneten in den Jahrzehnten vor dem Dreißigjährigen Krieg ebenfalls eine prosperierende Phase. Die Grundlagen für diese Blütephase wurden bereits in der Regierungs­ zeit Friedrichs II. (1544–1556) und Ottheinrichs (1556–1559) gelegt, die auch schrittweise reformatorische Maßnahmen im Territorium durchführten. Dabei profitierte die Hochschule insbesondere von der Säkularisation von Kloster- und Kirchengut, die die finanziellen Mittel der Universität verbesserte und den Grundstock für die berühmte Bibliotheca Palatina lieferte.3 Otthein­ rich nahm zudem die Reform der Universitätsstatuten in Angriff, die auf die neue konfessionelle Ausrichtung und die Bedürfnisse eines Territoriums im Prozess der Konfessionalisierung hin ausgerichtet werden sollten. Die Statuten von 1558 gingen zu großen Teilen auf die Konzeption Philipp Melanchthons zurück, der hierzu in Kontakt mit dem Kurfürsten stand. Von noch größerer Bedeutung sollte jedoch die Regierungszeit seines Nachfolgers sein. In den ersten Regierungsjahren Friedrichs III. (1559–1576) kam es zu einem langsam vollzogenen „Übergang“4 zur reformierten Konfession. Dieser Prozess gip­ 1  Hammerstein, Vom Dritten Genf, 39. 2  Hautz, Geschichte der Universität, II, 134.148. 3  Schaab, Geschichte der Kurpfalz, II, 10 f.; Hautz, Geschichte der Universität, II, 5–42. 4  Im Gegensatz zu einem abrupten Übertritt; vgl. Press, Calvinismus und Territorialstaat, 22 f.; Strohm, Universität als Zentrum, 198.

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2.  Die Universitäten Heidelberg und Mainz im Untersuchungszeitraum

felte in der Veröffentlichung einer neuen Kirchenordnung und des Heidelberger Katechismus im Jahr 1563. Bei diesem Katechismus handelt es sich um das wohl am häufigsten gedruckte und international am weitesten rezipierte Werk Heidel­ berger Gelehrter überhaupt. Friedrich III. setzte die Förderungspolitik seiner Vorgänger fort. Als besonders wichtig für das universitäre Leben erwies sich die Umgestaltung des Heidelberger Sapienzkollegs in eine Stipendiatenanstalt mit eigener theologischer Lehre.5 Dass mit Ludwig VI. 1576 bis 1583 ein Kurfürst regierte, der die reformierte Konfessionalisierung umzukehren suchte und das lutherische Konkordienbuch unterzeichnete, bedeutete keinen zu großen Einschnitt für die Prosperität der Universität. Die reformierten Professoren, die den Wechsel des Konfessions­ stands nicht mittragen wollten und die Universität verlassen mussten, fanden Aufnahme bei dem Bruder des Kurfürsten in Neustadt an der Haardt (heute: an der Weinstraße). Pfalzgraf Johann Kasimir bot ihnen und ihren Schülern mit dem dortigen Collegium Casimiranum eine Art Exilhochschule, an der die reformierte Heidelberger Tradition fast ungebrochen fortgeführt werden konn­ te.6 Zudem brach auch in der Heidelberger Universität unter Ludwig VI. der Lehrbetrieb nicht zusammen. Immatrikulationen und studentische Frequenz blieben auch nach dem weitgehenden Austausch der Lehrer annähernd kon­ stant. Nach dem Tod Ludwigs übernahm Johann Kasimir die Regentschaft als Kuradministrator für seinen unmündigen Neffen. Diese Macht nutzte er, um die konfessionellen Verhältnisse in Territorium und Universität erneut umzukehren. Nicht weniger als 13 Professoren verließen 1584 freiwillig oder unfreiwillig die Lehranstalt, die wieder konsequent reformiert ausgerichtet wurde.7 Die Kon­ fessionswechsel gingen jedoch nicht reibungslos am universitären Leben vorbei. Konfessionelle Spannungen trugen mit zu den Gewaltausbrüchen des „Heidel­ berger Studentenkriegs“ zwischen Studenten und Bürgern im Jahr des Univer­ sitätsjubiläums 1586 bei.8 Unter Friedrich IV. (1592–1610) und Friedrich V. (1610–1622/32) wurde die Förderungspolitik fortgesetzt und ausgebaut. Die besondere Attraktivität der Heidelberger Universität in dieser „Blütezeit“ ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es sich um die einzige Volluni­ versität reformierter Konfession im Reich handelte, die also über alle Fakultäten sowie das Promotionsrecht verfügte.9 Die Heidelberger Theologen vertraten eine eigene Form der reformierten Konfession, die weniger an den eidgenössi­ schen Reformatoren, als vielmehr an Philipp Melanchthon ausgerichtet war.10 5  Hautz, Geschichte der Universität, II, 43–94; Selderhuis, Attraktive Universität, 23–27. 6  Hautz, Geschichte der Universität, II, 112–115. 7  Ebd., 120–124. vgl. unten Kap. 5.2.2. 8  Schroeder, Tod den Scholaren, 50–52. 9  Selderhuis, Attraktive Universität, 3. 10  Ebd., 4.8–10; Strohm, Deutsch-reformierte Theologie, 115–120.



2.1.  Die Universität Heidelberg

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Unter der Federführung von Theologen wie Zacharias Ursinus, Daniel Tossanus und Philipp Pareus entwickelte sich hieraus eine reformierte Theologie eigenen Typs. Die Bezeichnung als „Calvinisten“ oder gar „Zwinglianer“ lehnten die Heidelberger stets ab und bevorzugten Selbstbezeichnungen als Reformierte, Evangelische oder „orthodoxi“. Die reformierte Ausrichtung verband sich in Heidelberg mit einer Wissenschaftskultur, die Innovationen gegenüber offen­ stand. Auch wenn die Berufung des französischen Logikers Petrus Ramus 1569 am Widerstand der Professoren scheiterte, wurden der Methodenstreit um seine revolutionäre, gegen Aristoteles ausgerichtete Neuinterpretation der klassischen Logik und weitere Neuansätze in Heidelberg intensiv diskutiert.11 Unter Fried­ rich IV. wurden zudem eine außerordentliche Professur für Geschichte und der erste Lehrstuhl für Arabistik in Europa eingeführt.12 Ein besonderes Merkmal der Universität in dieser Zeit war ihre internatio­ nale Ausrichtung. Diese entwickelte sich mit dem Übergang zum reformierten Protestantismus und der Aufnahme zahlreicher Exulanten vor allem aus Frank­ reich und den Niederlanden. Es kam zur Gründung von Fremdengemeinden, einige Glaubensflüchtlinge wie etwa Petrus Dathenus (1531–1588) gelangten in einflussreiche Positionen. Auch an der Universität waren mit Franciscus Junius, Daniel Tossanus, Hugo Donellus und weiteren sehr viele Gelehrte mit west­ europäischen Wurzeln anzutreffen. Diese „Westorientierung“13 der Universität ist abgesehen von dem lutherischen Intermezzo unter Ludwig VI. auch in der Matrikel sichtbar. Heidelberg hatte ein europaweites Einzugsgebiet, Studenten aus dem Territorium der Kurpfalz waren teilweise sogar in der Unterzahl. Viele Studenten kamen gerade aufgrund prominenter Gelehrter aus dem reformierten Ausland nach Heidelberg.14 Zunächst kamen diese Studenten vorwiegend aus der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden, um 1600 dominierten Immatrikulationen aus Ostmitteleuropa, insbesondere Ungarn und Schlesien, woher auch prägende Gelehrte wie David Pareus und Abraham Scultetus stammten.15 Die internationale Ausrichtung der Universität ging mit einer in­ ternationalen Ausrichtung der kurpfälzischen Politik einher. Die Kurfürsten waren mit diplomatischen Bemühungen, Subsidienzahlungen und teils sogar militärischem Engagement an den Hugenottenkriegen und dem niederlän­ dischen Aufstand beteiligt. Auch die Annäherung an England, die zur Hochzeit Friedrichs V. mit einer englischen Prinzessin 1613 führte, wirkte sich auf den Horizont der Universität aus.16 Die Universität strahlte nicht nur mit ihren aus­ 11  Strohm, Universität als Zentrum, 204–208. 12  Hautz, Geschichte der Universität, II, 142–144. 13 Vgl. Zwierlein, Heidelberg und der Westen, 27–55. 14  Am Beispiel der ungarischen Studenten vgl. Heltai, Die persönlichen Beziehungen. 15 Vgl. Selderhuis, Attraktive Universität, 1 f.; Strohm/​Hofmann, Universität als geistiges Zentrum, 63. 16  Vgl. unten Kap. 6.2.5.

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2.  Die Universitäten Heidelberg und Mainz im Untersuchungszeitraum

ländischen Absolventen weithin aus. Die Werke Heidelberger Gelehrter wurden im ganzen reformierten Europa gelesen. Auf der Dordrechter Synode 1618/19 zeigte sich das Renommee, das die kurpfälzischen Theologen genossen.17 Folge dieser internationalen Ausrichtung war eine Aufnahme vieler verschiedener intellektueller und lebensweltlicher Perspektiven in der Universität. Besonders prägend wurde die Verfolgungserfahrung vieler Professoren und Studenten, die zu einem gesteigerten Interesse und Engagement der Heidelberger Gelehrten an verfolgten Reformierten in ganz Europa führte. Ein weiteres Merkmal der Universität um 1600 drückt sich im Begriff des „Späthumanismus“ aus. Die kontroverspublizistisch tätigen Theologen, die im Zentrum dieser Studie stehen, stellten nur einen Teil des gelehrten Spektrums Heidelbergs in dieser Zeit dar. In Heidelberg wirkten mehrere Philologen, Dich­ ter und Historiographen, die untereinander und mit anderen Gelehrten in ganz Europa eng vernetzt waren.18 Universität und Hof bildeten dabei einen gemein­ samen intellektuellen Kommunikationsrahmen, in den auch Außenstehende wie etwa der Drucker Hieronymus Commelin integriert waren.19 Zu den Exponenten dieses Kreises zählen etwa der Jurist und Mitglied des kurfürstlichen Oberrats Georg Michael Lingelsheim (1556–1636), Marquard Freher (1565–1614),20 der Dichter Paul Melissus Schede (1539–1602) und dessen Nachfolger im Amt des Bibliothekars der Palatina Jan Gruter (1560–1627). Sie alle identifizierten sich klar mit ihrem reformierten Bekenntnis und waren teils für dieses ins Exil ge­ gangen. Die Juristen und Philologen, die sich um 1600 zusehends von der Füh­ rungsrolle der Theologen in den Wissenschaften emanzipierten, beteiligten sich jedoch in aller Regel nicht an den theologischen Kontroversen. Insbesondere das innerprotestantische „Theologengezänk“21 galt vielen als unwürdiger Streit. Verwerfungen zwischen Heidelberger Kontroverstheologen und dem Humanis­ tenzirkel sind etwa im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen David Pareus und Joseph Justus Scaliger sichtbar, als sich Gruter und Lingelsheim mit recht barschen Worten gegen Pareus stellten.22 Es wäre jedoch nicht angemessen, zwischen Heidelberger Theologen und Humanisten allzu scharf zu trennen. Gelehrte wie Abraham Scultetus, Simon Stenius und Johann Philipp Pareus betätigten sich als Philologen und Dichter und standen in regem Kontakt mit Humanistenzirkeln, verfassten zugleich jedoch mehrere theologische Kontro­ versschriften. Auch den anderen Theologen der Heidelberger Fakultät lässt sich keineswegs eine starke Orientierung an humanistischen Idealen absprechen. 17  Vgl. unten Kap. 5.1.4. 18  Vgl. grundlegend die Bände zu den kurpfälzischen Humanisten in der Reihe „Europa Humanistica. Die Deutschen Humanisten“. 19  Wolgast, Geistiges Profil, 36–38; Zwierlein, Heidelberg und der Westen, 14–22. 20  Vgl. unten Kap. 4.3.2.4. 21 Vgl. Strohm, Calvinismus und Recht, 162 in Bezug auf die Heidelberger Juristen. 22  Vgl. unten Kap. 4.3.5.3.



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Sowohl die Theologen als auch die Exponenten des „Heidelberger Späthuma­ nismus“ gingen von einem „Gleichklang der wahren Religion und der rechten Vernunft“23 aus. Mit dem gemeinsamen Feindbild des mit Aberglaube und Unbildung assoziierten Papsttums und dem geteilten reformierten Bekenntnis verband die Heidelberger Gelehrten jedweder Couleur mehr als sie trennte. Die Blütezeit der Heidelberger Universität und ihrer Theologischen Fakultät stand im Kontext mit der architektonisch im Heidelberger Schloss und seinen Gärten greifbaren Prachtentfaltung des Hofes und einer riskanten Außen­ politik.24 Es waren nicht zuletzt das kurfürstliche Selbstverständnis und die finanzielle und politische Überforderung durch die eigene Politik, die die Kur­ pfalz in die Katastrophe des Böhmisch-Pfälzischen Krieges führten. Nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 waren die militärischen Kräfte Friedrichs V. am Boden, was zur Verheerung der Kurpfalz und der Belagerung und Erstürmung Heidelbergs 1622 führte. Die berühmte Bibliotheca Palatina wurde geraubt und nach Rom verschickt, die reformierten Professoren mussten fliehen, sofern sie dies nicht bereits getan hatten. Viele Heidelberger Gelehrte starben in den Folgejahren, der Lehrbetrieb kam völlig zum Erliegen, die Studenten suchten sich andere Hochschulen in weniger vom Krieg betroffenen Territorien.25 Die Wechselfälle des Dreißigjährigen Kriegs brachten zwischenzeitlich die Jesuiten nach Heidelberg, die 1629 und nach ihrer Vertreibung durch die Schweden erneut 1635 den Versuch unternahmen, die Heidelberger Universität im Auftrag des neuen Landesherrn Maximilian von Bayern als Jesuitenhochschule wieder­ zueröffnen. Beide Anläufe zeitigten keinen dauerhaftem Erfolg.26 Auch nach den Westfälischen Friedensschlüssen und der Restitution der reformierten Kurpfalz konnte die Universität nicht unmittelbar an ihre „Blütezeit“ vor dem Krieg an­ schließen.

2.1.2.  Profile der Hauptautoren 2.1.2.1.  Daniel Tossanus Daniel Tossanus (1541–1602) wurde als Sohn des hugenottischen Reformators Pierre Toussain in der württembergischen Exklave Mömpelgard (Montbéliard) geboren. Sein Leben ist maßgeblich durch die Erfahrung von Flucht und Verfolgung geprägt. Von ersten Stationen in Tübingen, Paris und Orléans nach Mömpelgard zurückgekehrt, musste er nach einem Streit mit dem Lutheraner Jacob Andreae nach Orléans ausweichen.27 Von dort zwangen ihn die Ver­ 23  Strohm, Universität als Zentrum, 213; vgl. Strohm, Calvinismus und Recht, 161. 24  Schindling/​Ziegler, Kurpfalz, 38. 25  Hautz, Geschichte der Universität, II, 161–168; Persijn, Pfälzische Studenten und ihre Ausweichuniversitäten; Schroeder, Tod den Scholaren, 55–58. 26  Hengst, Jesuiten an Universitäten, 15 f. 27  Vgl. zur französischen Zeit Tossanus’ Petrequin, Toussain.

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folgungen der „Bartholomäusnacht“ 1572 zu einer langen Flucht, die erst im darauffolgenden Jahr mit der Annahme der Hofpredigerstelle in der Kurpfalz endete. Tossanus verbrachte das Neustädter Exil als Generalsuperintendent Johann Kasimirs und kehrte als dessen Hofprediger nach Heidelberg zurück, wobei er regen Anteil an der Recalvinisierung dieses Landesteils nahm. 1586 übernahm Tossanus die erste Theologische Professur und war bis zu seinem Tod der angesehenste Heidelberger Theologe. Zu seinem literarischen Wirken gehören philologische und exegetische Arbeiten, aber auch mehrere Kon­ troversschriften, die sich zunächst gegen die württembergischen Lutheraner, später die Jesuiten richteten. Mit beiden Gegnergruppen verband Tossanus persönliche Verfolgungserfahrungen. Sein Sohn Paul (1572–1634) und sein Neffe Daniel (1590–1655) besetzten ebenfalls theologische Lehrstühle in Heidelberg.

2.1.2.2.  Simon Stenius Der vielseitige Gelehrte Simon Stenius  – auch unter den Namen Sten, Stein oder Lithus bekannt  – wurde 1540 im sächsischen Lommatzsch geboren. Als „Kryptocalvinist“ bedrängt, flüchtete er in die Kurpfalz und übernahm nach einer Schulstelle in Neustadt 1584 die Ethikprofessur der recalvinisierten Uni­ versität Heidelberg. Hinzu kamen 1596 der Lehrstuhl für Poesie und Rhetorik und 1605 eine für ihn gegründete außerordentliche Professur für Geschichte.28 Neben einigen philologischen Schriften, Gedichten und Reden verfasste Stenius auch theologische Kontroversschriften, zunächst gegen das Konkordienbuch,29 später gegen den berühmten Jesuiten Jacob Gretser.30 Stenius’ Schriften sind durch drei Wesenszüge geprägt: Zum einen war Stenius von einem geradezu fa­ natischen Antikatholizismus getrieben. Seine Ausführungen gegen das Papsttum übertreffen in ihrer Schärfe die vieler seiner Kollegen. Zum anderen verband Stenius dies mit einem internationalen Blickwinkel. In öffentlichen Reden und Gedichtbänden machte er den Untergang der Armada 1588, die Vereitelung des Gunpowder Plots 1605 in England sowie das Interdikt von Venedig zum Thema.31 Schließlich suchte der Poetikprofessor Kontroverstheologie und humanistische Kultur zu verbinden und verfasste mehrere Kontroversschriften in Versform oder in griechischer Sprache. Er verstarb wohl im Jahr 1619.

28  Hoche, Sten, Simon. 29  Vgl. Kap. 5.2.2. 30  Vgl. Kap. 4.1.4.3. 31  Vgl. Kap. 6.2.5.

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2.1.2.3.  David Pareus Wie viele andere Heidelberger Reformierte stammte David Pareus (1548–1622, eigentlich Wängler) aus Schlesien und wanderte aus konfessionellen Gründen schon in Studienjahren in die Kurpfalz aus. Hier wurde Pareus besonders von seinem Landsmann Zacharias Ursinus geprägt und gefördert. Nach mehreren Pfarrstellen erhielt Pareus 1584 eine Anstellung am Heidelberger Sapienzkolleg, 1598 wurde er als Professor für das Alte Testament berufen. Nach dem Tod Daniel Tossanus’ 1602 rückte Pareus in die angesehenere Professur für Neues Testament auf und galt bald selbst als renommiertester Heidelberger Theo­ loge. Pareus, der vor allem für seine irenischen Bemühungen bekannt wurde,32 führte schon als Lehrer am Sapienzkolleg Kontroversen zunächst gegen die Lu­ theraner, später ausschließlich gegen Jesuiten. Der Kontroverstheologie gab er wie kein anderer seiner Kollegen großen Raum in seinen Lehrveranstaltungen.33 In seinen letzten Lebensjahren genoss Pareus ein hohes Ansehen als Exeget im gesamten reformierten Europa und wurde von den Mainzer Jesuiten als Haupt­ feind betrachtet.

2.1.2.4.  Abraham Scultetus Ebenfalls aus Niederschlesien stammt Abraham Scultetus (1566–1624). Über Wittenberg kam Scultetus nach Heidelberg, wo er bei Daniel Tossanus und Franciscus Junius studierte. Seit 1595 als Hofkaplan und seit 1615 als Hofpre­ diger war Scultetus mit dem politischen Machtzentrum verbunden und agierte als „Botschafter“ des kurpfälzischen Reformiertentums, indem er Versuche einer „Zweiten Reformation“ in Baden-Durlach (1601) und in Brandenburg (1614) beratend unterstützte. Zudem begleitete er Kurfürst Friedrich V. auf seine Brautwerbungsreise nach England (1613) und zur folgenschweren Thron­ besteigung nach Böhmen. Hier spielte sich die bedeutendste Episode seines Lebens ab, als er 1619 einen „Bildersturm“ im Prager Veitsdom anleitete und damit Empörung weit über die Stadtgrenzen hinaus provozierte.34 Schon vor seiner Ernennung zum Theologieprofessor 1618 betätigte sich Scultetus als Ge­ lehrter. Neben mehreren Predigten sind vor allem seine monumentale Patrologie Medulla Theologiae Patrum und seine unvollendete Reformationsgeschichte zu nennen.35 Auch wenn Scultetus nur wenige klassische Kontroversschriften ver­ fasste, durchzieht seine historiographischen, patrologischen und exegetischen Schriften sowie auch seine Predigten ein klares kontroverstheologisches Profil, das sich scharf gegen den Katholizismus richtet. 32  33  34  35 

Vgl. Kap. 5.2. Vgl. Kap. 2.3.2. Vgl. Kap. 5.5. Vgl. Kap. 4.2.2.; Kap. 4.3.4.2.

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2.2.  Das Wirken der Jesuiten an der Universität Mainz 2.2.1.  Geschichte des Mainzer Jesuitenkollegs 1561 bis 1631 Bereits zwei Jahre nach der 1540 erfolgten päpstlichen Bestätigung des Jesuiten­ ordens trat mit Peter Faber ein Jesuit erstmals in Mainz auf. Es handelte sich dabei um einen der frühesten Kontakte des jungen Ordens in den deutsch­ sprachigen Raum. Eingeladen von Erzbischof Albrecht hielt Faber, einer der ersten Gefährten und engsten Mitarbeiter Ignatius’ von Loyola, exegetische Vor­ lesungen und wirkte für wenige Monate als Theologe und Seelsorger in Mainz.36 Die wichtigste Weichenstellung für die Gründung eines Kollegs erfolgte 1555 mit der „Schicksalswahl“,37 als sich Daniel Brendel von Homburg im Kampf um die Erzbischofswürde gegen den der Reformation zuneigenden Reichard von Simmern, einen jüngeren Bruder des späteren pfälzischen Kurfürsten Friedrich III., durchsetzen konnte. Somit war das Erzstift auf einen gegen­ reformatorischen Kurs eingestellt. Seine Pläne, Jesuiten in Mainz anzusiedeln, verfolgte Daniel Brendel seit 1559 mit konkreten Schritten, die schließlich am 9. Dezember 1561 in der feierlichen Gründung des Kollegs mündeten. Nach Ingolstadt, Wien, München, Trier und Köln war Mainz das sechste Kolleg im Reich, in den Jahren darauf folgten etliche weitere Gründungen. Finanziert wurde die Kollegsgründung durch den Erzbischof selbst, der mit diesem Schritt die katholische Konfessionalisierung in seinem Territorium vorantreiben und Missstände an der Universität beheben wollte. Hierzu stattete er das Kolleg mit Geldmitteln und Immobilien aus und unterstützte das Unterfangen gegen­ über den Widerständen anderer Orden und Institutionen.38 Der erste Rektor, Lambertus Auer (1533–1573), war instruiert worden, in kurzmöglichster Zeit ein vollwertiges Kolleg aufzubauen, dass nicht nur die Humaniora und die Philosophie, sondern auch drei theologische Professuren sowie Lehrer für Griechisch, Hebräisch und Mathematik umfassen sollte.39 Zunächst begann die Einrichtung eines Gymnasiums und des Lehrbetriebs in den Humaniora mit 30 Schülern. Den Jesuiten gelang es, diese Zahl in zwei Jahren zu verzehnfachen und einen hervorragenden Ruf selbst unter protestantisierenden Bevölkerungs­ teilen zu erlangen.40 Das rasante Wachstum setzte sich fort, bis die Schülerzahl 1590 sogar auf 800 angestiegen war. 36 Vgl. Hengst, Jesuiten und deutschen Universitäten, 8 f.; Decot, Anfänge der Jesuiten, 4 f.; Offiziöse Gründungsgeschichte des Mainzer Kollegs, ca. 1600, ARSI Germ. 118, fol. 343r. 37  Jürgensmeier, Kurmainz, 81; vgl. auch Jürgensmeier, Bistum Mainz, 19 f. 38  Duhr, Geschichte der Jesuiten, I, 383; Brück, Anfänge der Jesuiten; Decot, Das Erz­ bistum, 106. 39  Instructio Patris Lamberti, [1561?], ARSI Rhen. Sup. 43, fol. 371–373, hier 373. 40  Mainzer Triennalsbericht Sept.  – Dez. 1562, abgedr. in: Hansen, Rheinische Akten, 45 f.; Mainzer Triennalsbericht Mai – Aug. 1564, abgedr. in: Hansen, Rheinische Akten, 502; Duhr, Geschichte der Jesuiten, I, 10 f.



2.2  Jesuiten an der Universität Mainz

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Der nächste entscheidende Schritt war die Teilinkorporation des Kollegs in die Mainzer Universität, die recht bald die Hegemonie der Jesuiten in dieser Akademie zur Folge hatte. Die 1477 gegründete Universität Mainz war vor der Ankunft der Jesuiten eine überschaubare landesherrliche Hochschule mit lediglich regionaler Bedeutung. Das Profil der Universität verband eine klerikale Prägung mit humanistischen Einflüssen.41 Die Ansiedlung der Jesuiten in Mainz traf teils auf erbitterten Widerstand in der Universität. Die Immatrikulation der ersten Jesuitenprofessoren und ihrer Schüler musste gar durch den Erzbischof erzwungen werden. Die Jesuiten, denen Daniel Brendel mit der Algesheimer Burse das wichtigste Gebäude der Universität übertragen hatte, stritten mit den anderen Professoren besonders in den ersten Jahren über das Promotionsrecht, Ämterwahlen und allgemeine Rangfragen.42 Der rechtliche Status in Mainz war kompliziert. Kolleg und Universität blieben je eigenständige Institutionen mit eigenen Ämtern und Privilegien. Da die Jesuiten recht bald alle theologischen und philosophischen Lehrstühle besetzten, entsprach das Lehrangebot des Kollegs in den studia superiora de facto dem der Fakultäten der Universität. Somit wäre die Mainzer Hochschule nicht genuin als Jesuitenuniversität zu bezeichnen, da sie anders als etwa die Dillenburger Universität nicht ausschließ­ lich unter der Kontrolle der Gesellschaft Jesu stand.43 Nur in der Medizin und der Jurisprudenz (mit Ausnahme der Kanonistik) besetzten die Jesuiten keine Lehrstühle, was diese Disziplinen in Mainz faktisch marginalisierte.44 Insgesamt erfüllte sich der Plan des Kurfürsten, mit der Gründung des Jesuitenkollegs das Ansehen seiner Universität zu heben. Insbesondere die ersten Jahre des 17. Jahr­ hunderts lassen sich als erste „Hochblüte“45 der Mainzer Universität auffassen. Auch nach der erfolgreichen Gründung kam den Mainzer Kurfürsten eine Schlüsselrolle zu. Daniel Brendel unterstützte die Jesuiten in ihren Auseinander­ setzungen mit der Universität und dem Domkapitel. Ein weiterer wichtiger Schritt war die Übertragung des Franziskanerklosters 1577 und die damit ver­ bundene weitere finanzielle Ausstattung des Kollegs. Sein Nachfolger Wolfgang von Dalberg (1582–1601) setzte die Förderung in gleicher Weise fort. Dies hatte aus Sicht der Gesellschaft Jesu auch Nachteile. In einer 1595 vorgenommen Visitation des Mainzer Kollegs durch die Ordensleitung wurde die finanzielle und rechtliche Abhängigkeit vom Erzbischof als gewichtigster Kritikpunkt moniert.46 Mit Johann Adam von Bicken (1601–1604) und Johann Schweikhard von Kronberg (1604–1626) kamen schließlich zwei ehemalige Jesuitenzöglinge 41  Just, Die alte Universität, 10; Hengst, Jesuiten an Universitäten, 117; Walter, Theo­ logie, 703–709. 42  Hengst, Jesuiten an Universitäten, 12 f.; vgl. die offiziöse Kollegsgeschichte ARSI Germ. 118, fol. 347v–349v. 43  Hengst, Jesuiten an Universitäten, 72–79; Krafft, Jesuiten als Lehrer, 260. 44  Just/​Mathy, Universität Mainz, 19. 45  Ebd., 21. 46  Status Collegij Moguntini 1595, ARSI Germ. 127, fol. 223r–v.

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2.  Die Universitäten Heidelberg und Mainz im Untersuchungszeitraum

auf den Stuhl des Mainzer Erzbischofs. Johann Schweikhard, der gemeinsam mit dem Mainzer Jesuitenprofessor Johannes Busaeus am Germanicum in Rom studiert hatte,47 nahm sich mit dem zeitweiligen Rektor des Mainzer Kollegs Jo­ hann Reinhard Ziegler sogar einen Jesuiten als Beichtvater48 und stand in Brief­ kontakt mit Ordensgeneral Claudio Acquaviva.49 Die Jesuiten erfüllten jedoch nicht nur an der Mainzer Universität für den Kurfürsten wichtige Aufgaben, sondern verrichteten ihren Dienst auch in anderen Bereichen des Erzstifts. Bis zum Beginn des Dreißigjährigen Kriegs hatten sich Jesuiten nicht nur in Mainz selbst, sondern vor allem auch in der Peripherie und Exklaven des Erzstifts mit Kollegien und Schulen in Heiligenstadt (Eichsfeld), Erfurt und Aschaffenburg sowie mit Missionsstationen in Fritzlar, Kreuznach, Kronberg und Frankfurt niedergelassen.50 Hierbei wurden Sie als „Geheimwaffe“51 etwa in der Katechese auch an anderen Schulen, in der Seelsorge und verschiedenen Reformbelangen eingesetzt. Sie initiierten Prozessionen und Wallfahrten und betätigten sich auch in der Volksmission, zu der einzelne Patres für begrenzte Zeit abgeordnet waren. Die Gesellschaft Jesu war zudem das bevorzugte Mittel, die Klerusreform im Bistum voranzutreiben, was sie zeitweilig in Konflikte mit anderen Orden und Stiften sowie dem reformunwilligen Weltklerus brachte.52 Die Bestimmungen des Reformkonzils von Trient, an dem Daniel Brendel von Homburg nicht teil­ genommen hatte, wurden im Erzbistum nur schleppend durchgesetzt. Zunächst bemühten sich die Erzbischöfe um eine eigenständige, zurückhaltende Reform­ politik mit Hilfe der Jesuiten, erst Johann Schweikhard von Kronberg setzte ver­ stärkt auf einen engeren Kontakt zu Rom.53 Bei Kollegsgründung war die Mainzer Niederlassung Teil der Nieder­ deutschen Provinz, von der sie sich schon 1564 mit Köln und Trier als neuge­ gründete Rheinische Provinz lösten.54 In dieser in den folgenden Jahrzehnten schnell wachsenden Provinz teilte sich Mainz mit Köln den Ruf als wichtigste Ausbildungsstätte, während das Noviziat in Trier ausgegliedert war. Während Köln als ältestem Kolleg ein Ehrenvorrang zugebilligt wurde, residerte der rheinische Ordensprovinzial zumeist in Mainz. Nach der erneuten Teilung der Provinz 1626 kam Mainz eine unangefochtene Vorrangstellung als Hauptort der oberrheinischen Ordensprovinz zu. Dieser Stellung entsprechend standen 47  Brück, Das Erzstift Mainz, 109. 48  Müller, Die politische Rolle, 269–275. 49  ARSI, Rhen. Inf. 4; fol. 192ff. 50  Jendorff, Reformatio Catholica, 42 f.; Pfeifer, Reform an Haupt, 210–212; Müller, Die Jesuiten, 651–662; vgl. auch Historiae Annalis Provinciae Rhenanae, StAMz 15/402, fol. 9v–10r: Erwähnung von Predigten in Frankfurt, Speyer und Wimpfen durch Mainzer Jesuiten. 51  Pfeifer, Reform an Haupt, 219; vgl. ebd. 213–219; Jendorff, Reformatio Catholica, 423. 52  Brück, Das Erzstift Mainz, 7 f.; Jendorff, Reformatio Catholica, 435–437. 53  Brück, Das Erzstift Mainz, 71–140; Decot, Erzbistum Mainz, 109–115.123–128.133– 137.141–144.165–170. 54  Müller, Die Jesuiten, 662–664.



2.2  Jesuiten an der Universität Mainz

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nicht nur die Rektoren des Kollegs, sondern vielfach auch andere Professoren und Funktionsträger des Mainzer Kollegs in engem Kontakt mit der Ordenszen­ trale, von der jedoch nur die Briefe des Ordensgenerals erhalten sind. Nach der „Hochblüte“55 des Kollegs zur Zeit Johann Schweikhards von Kronberg ist dem Mainzer Kolleg wohl nicht ganz zu Unrecht ein „Stillstand“56 attestiert worden. Zwar konnte der mit der schwedischen Eroberung Mainz’ eingestellte Unterricht nach wenigen Jahren wiederaufgenommen werden, im 18. Jahrhundert zeigten sich die Jesuiten jedoch sehr unflexibel und galten ihren Zeitgenossen metho­ disch-didaktisch wie fachlich überholt. Die umgehend durchgesetzte Auflösung des Ordens 1773 erleichterte ­­­die Pläne des Kurfürsten und seiner aufklärerisch gesinnten Berater zur Reform der Universität.57 In den für Mainz wechselvollen Jahren nach der Französischen Revolution kam es jedoch zum Niedergang der 1598 offiziell aufgelösten Universität.

2.2.2.  Profile der Hauptautoren 2.2.2.1.  Petrus Thyraeus Der 1546 in Neuss geborene Petrus Thyraeus ist der jüngere Bruder Hermann Thyraeus’ (1532–1591), der in Mainz als Rektor und Provinzial des Jesuiten­ ordens wirkte. Petrus Thyraeus war zunächst im Trierer Kolleg tätig und kam 1579 nach Mainz, wo er die zu dieser Zeit einzige Theologische Professur aus­ füllte. 1590 wechselte er nach Würzburg und blieb dort bis zu seinem Tod 1601.58 Thyraeus war der versierteste Mainzer Kontroverstheologe der 1580er-Jahre und führte einen umfangreichen Schriftwechsel mit Daniel Tossanus über die Legitimität der evangelischen Pfarrerordinationen.59 Größere Beachtung fand Thyraeus auch als Theoretiker der Dämonologie und des Exorzismus.

2.2.2.2.  Johannes Busaeus Johannes Busaeus (1547–1611), aus Nimwegen stammend, trat gemeinsam mit seinen Brüdern früh in den Jesuitenorden ein. In Mainz füllte er seit 1565 verschiedene Funktionen aus, zuletzt als Professor der Moraltheologie.60 Dem Kolleg blieb er bis zu seinem Tod erhalten. Neben mehreren kleineren Kontro­ versen, die Busaeus auch mit Heidelberger Autoren führte, trat er vor allem als 55  Ebd., 21. 56  Just, Alte Universität, 11. 57  Walter, Theologie, 715–720; Brück, Mainzer Theologische Fakultät. 58 Vgl. Krafft, Jesuiten als Lehrer, Anhang; Schulte, Thyraeus. 59  Vgl. Kap. 6.1.4. 60  Walter, Theologie bis zum Ende, 709. Im (unvollständigen) Professorenkatalog bei Krafft (Jesuiten als Lehrer, Anhang) ist Busaeus lediglich für die Jahre 1598–1601 als Professor der Moraltheologie vermerkt.

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2.  Die Universitäten Heidelberg und Mainz im Untersuchungszeitraum

Autor erbaulicher und seelsorgerlicher Schriften wie dem im 17. Jahrhundert mehrfach nachgedruckten Enchiridion piarum meditationum in Erscheinung. Darüber hinaus widmete sich Busaeus philologischen Studien zu den Kirchen­ vätern61 und übersetzte Werke anderer Jesuiten, darunter Missionsberichte aus Asien aus dem Italienischen ins Lateinische.

2.2.2.3.  Nicolaus Serarius Der aus Rambervillers bei Nancy stammende Nicolaus Serarius (1555–1609) lehrte nach seiner Ausbildung in Köln zunächst am neugegründeten Würzbur­ ger Kolleg, bis er 1598 die neu geschaffene Professur für Theologie der Heiligen Schrift in Mainz übernahm. Hier entwickelte er sich zu einem der angesehensten Exegeten des Ordens.62 Neben einer stattlichen Zahl an Kommentaren widmete sich Serarius auch der Historiographie und verfasste eine Geschichte des Main­ zer Bistums. Darüber hinaus betätigte er sich auch in der Kontroverstheologie und verfasste sowohl breitenwirksame polemische Schriften wie Deß Luthers Nachtliecht als auch Beiträge zu gelehrten Fachkontroversen, von denen die Auseinandersetzung mit Joseph Justus Scaliger und Johannes Drusius um die frühjüdischen Gruppierungen63 ihn am längsten beschäftigte.

2.2.2.4.  Johannes Spitznaes, gen. Mulhusinus Über das Leben Johannes Spitznaes’ (1560–1609), nach seinem Geburtsort Mühlhausen (Thüringen) Mulhusinus genannt, ist nur wenig bekannt. Aufgrund seiner Herkunft ist es durchaus wahrscheinlich, dass er im lutherischen Glauben erzogen wurde und konvertierte. Dies wird jedoch weder von ihm noch von seinen Gegnern thematisiert, könnte aber der Grund für die demonstrative Ver­ wendung der kleinen lutherischen Reichsstadt als Beiname sein. Nach seinem Eintritt in den Jesuitenorden 158564 kam er wohl 1598 nach Mainz, wo er die erste Professur für Scholastische Theologie übernahm, die er bis 1604 innehatte. Nachdem er diesen Lehrstuhl für die weniger angesehene zweite scholastische Professur an seinen Kollegen Martin Becanus abgeben musste, behielt er diese Stellung bis 1606, blieb jedoch offenbar bis zu seinem Tod dem Kolleg erhalten.65 Publizistisch tritt Mulhusinus fast nur im Rahmen seiner umfangreichen Kon­ troverse mit David Pareus um die Schriftautorität in Erscheinung, die er mit 61  Vgl. Kap. 4.2.3. 62  Koch, Jesuitenlexikon, 1642; Decot, Anfänge der Jesuiten, 53. 63  Vgl. Kap. 4.1.4. 64  Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexicon, IV, 751. 65 Vgl. Krafft, Jesuiten als Lehrer, Anhang. Mulhusinus ist 1608 als Teilnehmer des „Schwalbacher Kolloquium“ von Mainzer Seite belegt. Offenbar wurde er mit anderen Auf­ gaben betraut.



2.2  Jesuiten an der Universität Mainz

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einer Angriffsschrift gegen den Heidelberger selbst eröffnete. Seine reformierten Gegner schätzten ihn als einen minderbegabten Vertreter des Mainzer Kollegs ein, dem es an der Geistesgröße seiner bekannteren Kollegen mangele.66

2.2.2.5.  Martin Becanus Als Martin Schellekens 1563 in Hilvarenbeek (Nordbrabant) geboren, wurde er schließlich nach seinem Geburtsort als Becanus (van der Beek) bekannt. Nach Stationen in Köln und Würzburg kam Becanus 1601 nach Mainz, wo er zunächst die zweite, bald die angesehenere erste Scholastische Professur übernahm. Auf dem Höhepunkt seiner inzwischen internationalen Bekanntheit wechselte er 1614 nach Wien, wo er von 1620 bis kurz vor seinem Tod 1624 schließlich das Amt des kaiserlichen Beichtvaters ausfüllte. Seine Hauptwerke sind die maßgeblich noch in Mainz entstandenen Bände seiner Summa Theologiae Scholasticae und sein Manuale Controversiarum Huius Temporis (1623), einem sehr oft nachgedruckten Handbuch der katholischen Kontroverstheologie, das in seiner Wirkung lediglich durch das Werk Robert Bellarmins übertroffen wird. In der Auseinandersetzung mit den Anglikanern um den Oath of Allegiance67 erlangte er internationale Aufmerksamkeit, geriet jedoch in Schwierigkeiten, da eines seiner Werke vorübergehend indiziert wurde. Auch bei weiteren Gelegen­ heiten erwies sich Becanus intern als streitbar und geriet in Konflikt mit der römischen Ordensleitung. Die Kontroverstheologie des Mainzer Kollegs prägte Becanus wie kein anderer, zumal er auch nach seinem Fortgang nach Wien seine Publikationen am Rhein drucken ließ. Die Ausrichtung des Mainzer Kollegs als Zentrum anticalvinistischer Polemik wurde maßgeblich von Becanus betrieben.

2.2.2.6.  Adam Contzen Adam Contzen (1571–1635),68 gebürtig in Monschau (Eifel), lehrte zunächst in Würzburg, dann ab 1609 in Mainz, wo er als Nachfolger des verstorbenen Sera­ rius die Professur für die Heilige Schrift innehatte. Nach dem Weggang Martin Becanus’ 1614 füllte Contzen zudem die Rolle des produktivsten Kontrovers­ theologen des Kollegs aus, wobei er die von Becanus leidenschaftlich kultivierte Fehde mit David Pareus und den Heidelbergern fortsetzte. Sein Nachruhm ist hingegen vor allem von seinem staatswissenschaftlichen Hauptwerk Politicorum 66  Vgl. die Darstellung Mulhusinus’ in Scultetus, Selbstbiographie, 3 f.; Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, bes. 30–60. Bei Pareus fällt dies besonders im Unterschied zur Darstellung Nicolaus Serarius’ und Martin Becanus’ auf. Vgl. Kap. 4.1.2. 67  Vgl. Kap. 6.2. 68  Ältere Übersichtswerke und auch noch Seils, Staatslehre des Jesuiten Adam Contzen, 7 geben irrtümlich 1573 als Geburtsjahr an. Vgl. zur Diskussion Bireley, Maximilian von Bayern, 25.

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2.  Die Universitäten Heidelberg und Mainz im Untersuchungszeitraum

Libri Decem (1620/21) bestimmt, das ihn für das Amt des Münchner Hofbeicht­ vaters qualifizierte. Dort hatte er einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Politik Maximilians von Bayern, insbesondere bei der Durchsetzung des Restitutionsedikts.69 In seiner Münchner Zeit publizierte Contzen weiterhin staatswissenschaftliche und exegetische Schriften, beteiligte sich jedoch nicht mehr an konkreten Kontroversen.

2.3.  Der Streitschriftenwechsel zwischen Heidelberger und Mainzer Gelehrten und ihr Verhältnis zueinander 2.3.1.  Konkurrenzen, Konversionen und Kontroversschriften Das eindrücklichste Bild für das Verhältnis der reformierten Universität Heidel­ berg und des Mainzer Jesuitenkollegs stammt aus der Feder des Mainzer Jesuiten Adam Contzen. Im Jahr 1629, sieben Jahre nach der Zerstörung Heidelbergs widmete Contzen dem neuen Herrn dieser Stadt, Maximilian von Bayern, sei­ nen Römerbriefkommentar. Der bayrische Herzog und nunmehrige Kurfürst, als dessen Beichtvater er nun fungiert, hatte unlängst versucht, mit jesuitischer Hilfe den Lehrbetrieb in Heidelberg wiederaufzunehmen. Contzen will ihm dies als eine besondere Fügung Gottes nahebringen und erläutert die besondere Bedeutung dieses Vorgangs, indem er auf die wechselvolle Religionsgeschichte der Kurpfalz und die Beziehung der Universität Heidelberg zum Mainzer Jesui­ tenkolleg verweist: „Es war nämlich ein langer und auch harter Kampf zwischen den Universitäten Mainz und Heidelberg, so wie zwischen dem Haus Davids und Sauls.“70 Die Universität Heidelberg erscheint hier in der Rolle Sauls. Als katholische Universität gegründet, verlor sie nach den Konfessionswechseln die Gunst Gottes und musste vom jüngeren und gottgefälligeren Mainz zur Strecke gebracht werden. In ähnlicher Weise dachten zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch die Heidelberger Theologen über ihre anderskonfessionelle Nachbaruni­ versität. In der auf Selbstzeugnissen fußenden Biographie David Pareus’, die sein Sohn Johann Philipp posthum verfasste, wird folgende Episode aus dem Jahr 1618 überliefert, die der große Heidelberger Theologe in seiner Hauschronik verewigte: „Ich hatte früh morgens einen zweifellos unheilvollen Traum. Eine lärmende Katze war mir in meinem Arbeitszimmer [Musaeum] äußerst lästig. Ich trieb sie mit Worten fort, als sie nicht wich, öffnete ich die Tür, damit sie hinausginge. Diese täuschte einen Rückzug an, machte auf der Schwelle kehrt und zerkratze mir das Gesicht. Davon aufgeschreckt 69 Vgl. Bireley, Maximilian von Bayern; Dieter, Der Einfluß Adam Contzens. 70  Contzen, Commentaria in Epist. (…) ad Romanos, fol. (?)4v : „Fuit enim longum iam, & acre Moguntinam inter, & Heidelbergensem Academias, sicut inter domum Dauidis & Saulis certamen“.



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wachte ich auf. Es bedeutet, dass die Jesuiten wegen meiner Säkularthesen [Einer Streit­ schrift anlässlich des Reformationsjubiläums 1617] gegen mich eine Hauptanklageschrift schreiben werden. Am Vortag nämlich hatte ich die deutsche Version dieser Schrift Kor­ rektur gelesen; am darauffolgenden Tag erhielt ich aus Frankfurt die erste Seite [wohl als Abschrift] eines Mainzer Buchs, das mit Numisma Romanum [Adam Contzens Gegen­ schrift] überschrieben war. [in deutscher und lateinischer Sprache:] ‚Das ist Contzen, die Katz zu Mayntz!‘“71

Seine jesuitischen Widersacher verfolgten Pareus nicht nur in seinen Träumen, auch manche Bibelstellen legt er auf diese hin aus. Unvermittelt und ohne weitere Erklärung bringt er seine Assoziationen in die Exegese in seinem HoseaKommentar mit ein. In seinen Ausführungen zu Hos 13,2 („Aus ihrem Silber gießen sie Bilder, wie sie sich’s erdenken, Götzen, die doch nur Schmiedewerk sind. Dann sagen sie von ihnen: Wer die Kälber küssen will, der soll Menschen opfern“) kommt er plötzlich auf die beiden nächstgelegenen Niederlassungen der Gesellschaft Jesu zu sprechen: „Geh nach Speyer und Mainz, du wirst den Opferkuss sehen. Baal. Du wirst daher die baalitischen Götzendiener sehen.“72 Die grundsätzliche Abneigung aus konfessionellen Gründen verstärkte sich durch die direkte Nähe der Universitäten. Für Konvertiten aus Heidelberg und Mainz war die je andere Universität oft die erste Anlaufstelle. Das prominenteste Beispiel ist Justus Calvinus,73 der an der Heidelberger Universität als Gelehrter tätig war, dann nach brieflichem Kontakt mit Jesuiten über Speyer nach Mainz kam, wo er 1601 den katholischen Glauben annahm. Auf einer Reise nach Rom benannte er sich in Justus Baronius um, nachdem er durch den Papst gefirmt worden war. Zurück in Mainz war er in einflussreichen Verwaltungspositionen tätig und verfasste mehrere Kontroversschriften. Als weitere Beispiele sind Jo­ hann Reinhard Ziegler, der in Heidelberg studierte und in Mainz Kollegsrektor und Hofbeichtvater wurde, und der kuriose Fall des Novizen Johannes Artaesius Leodius zu nennen. Letzterer gehörte zu den ersten Studenten der Mainzer Je­ suiten. Nach einer abenteuerlichen Flucht wurde er 1565 an der Universität Heidelberg unentgeltlich in die Matrikel aufgenommen. Von dort reiste er weiter nach Italien, wo er von der Inquisition aufgegriffen wurde und reuig wieder in den Jesuitenorden aufgenommen wurde.74 Die Mainzer Jesuiten nutzten zudem 71  Pareus, Narratio Historica, 11 f.: „Somnium habui matutinum haud dubie ominosum. Felis clamosus valde mihi erat molestus in Musaeo. Abegi verbis: non cessanti aperui ianuam, vt exitet. Is simulato egressu in limine conuersus vngibus mihi inuolauit in faciem. Vnde territus ego euigilaui. Notat Iesuitas pro themate saeculari mihi dicam capitalem scripturos. Pridiem enim Germanicam eius versionem correxeram: postridie Francofurto accepi pagellam primam libri Moguntini: cui inscriptum Numisma Romanum. Das ist Contzen, die Katz zu Mayntz. Hic est Conzen felis ille Moguntinus!“ Vgl. unten Kap. 4.3.4.3. 72  Pareus, Hoseas Propheta, 248: „Abi Spiram, Moguntiam, videbis oscula sacrificantium. Baal. Videbis igitur idololatras Baaliticos.“ 73  Vgl. unten Kap. 4.2.1.; 4.3.4.5. 74 So die Schilderung der offiziösen Mainzer Kollegschronik: ARSI Germ. 118, fol. 348v–349v. Dass es sich hierbei trotz der hier nur im Ansatz wiedergegebenen abenteuerlichen

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gezielt die Grenzräume der Territorien, um unter pfälzischen Untertanen und insbesondere Studenten zu missionieren.75 Mit dieser konfessionellen und akademischen Konkurrenz war ein schwie­ riges politisches Verhältnis zwischen den Territorien verbunden. Der Mainzer Erzbischof als Reichserzkanzler und der Pfalzgraf als Reichserztruchsess standen als nominell wichtigster geistlicher bzw. weltlicher Kurfürst in einem Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz zueinander. Mit der Konflikt­ verschärfung um 1600 wurde die Arbeit des konfessionell gespaltenen Kur­ fürstenkollegiums als eines der letzten funktionalen Reichsorgane zunehmend belastet. Auf Seiten Kurmainz’ äußerte sich dies primär in einer wachsenden Angst vor dem militärisch übermächtigen reformierten Nachbarn. Diese seit dem Übergang zum reformierten Protestantismus bestehende Sorge steigerte sich erneut nach der Gründung der Union 1608.76 In den letzten Jahren vor Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs änderte Kurmainz daraufhin seine Reichsund Religionspolitik  – in der Begrifflichkeit Alexander Jendorffs  – von einem bis dahin vorherrschenden „Kompromißkatholizismus“ zu einem aggressiveren „Konfrontationskatholizismus“.77 In den Exklaven und der Peripherie des Erz­ stifts, etwa im hessischen Fritzlar wurden unter Einbezug der Jesuiten verstärkt gegenreformatorische Maßnahmen durchgeführt. Das aktive Vorgehen gegen protestantisierende Bevölkerungsteile im ganzen Erzstift belastete das Verhältnis zur benachbarten Kurpfalz zusehends.78 Die Beziehung zwischen den beiden Kurfürstentümern wurden durch Konflikte um Grenzen und Kondominate zu­ sätzlich erschwert. Die Territorien trennte und verband eine lange und historisch gewachsene Grenze mit vielen Exklaven am Mittelrhein und bei Aschaffenburg. Vor allem die Kurpfalz hatte in Gebieten, in denen sie sich Herrschaftsrechte mit Kurmainz teilte, einseitig und oft auf zweifelhafter Rechtsgrundlage vom Reformationsrecht Gebrauch gemacht.79 Aus dieser Konstellation heraus kam es zu dem Kontroversschriftenaustausch, der sich mit wechselnden Autoren und Themen über Jahrzehnte bis zur Zer­ störung Heidelbergs 1622 hinzog. In den ersten zweieinhalb Jahrzehnten nach dem Übergang der Kurpfalz zur reformierten Konfession und der Gründung des Mainzer Jesuitenkollegs wurden keine Kontroversschriften zwischen diesen Orten gewechselt. Die Mainzer waren hauptsächlich mit dem Aufbau ihres Geschichte offenbar nicht um eine Räuberpistole handelt, zeigt sich aus der Heidelberger Uni­ versitätsmatrikel, nach der am 4. Juli 1565 ein Johann oder Jonas Artesius Eburonius mit dem Vermerk „gratis“ immatrikuliert wurde. Toepke, Matrikel der Universität Heidelberg, II, 37. 75  So die Mainzer Litterae Annuae: ARSI Rhen. Inf. 48, fol. 103v [1600]; ebd., fol. 192v [1616]; ARSI Rhen. Sup. 29, fol. 84r [1616], ebd., fol. 112r [1617]. 76  Decot, Erzbistum, 112; Jendorff, Reformation Catholica, 501–503; Jürgensmeier, Bistum Mainz, 211. 77  Jendorff, Reformatio Catholica, 136. 78  Ebd., 496–504. 79  Schaab, Geschichte der Kurpfalz, II, 4 f.; Jendorff, Reformatio Catholica, 49 f.



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Lehrbetriebs und ihren seelsorgerlichen Pflichten beschäftigt. Die Jesuitenpro­ fessoren dieser Jahre waren nur eingeschränkt publizistisch tätig und veröffent­ lichten kaum kontroverstheologische Werke. Erst Johannes Busaeus ließ sich ab 1585 auf eine Kontroverse mit dem Tübinger Lutheraner Stephan Gerlach ein.80 Die Heidelberger hingegen waren in innerprotestantischen Kontroversen insbesondere mit den Württemberger Theologen verwickelt. Erst Jahre nach der Rückkehr aus dem Neustädter Exil konzentrierten sich die Heidelberger Ge­ lehrten zunehmend auf antikatholische Polemik.81 Im Jahr 1587, als sich auch die Verhältnisse an beiden Orten stabilisiert hatten, setzte der Streitschriftenwechsel mit zwei Kontroversen ein. In beiden ging die Initiative von den Heidelbergern aus – sowohl in der Auseinandersetzung zwischen Daniel Tossanus und Petrus Thyraeus um die Legitimität der protestantischen Geistlichen,82 als auch in der zwischen Bartholomäus Pitiscus und Gotfried van Driel um den Rosenkranz.83 Kurz zuvor war Petrus Thyraeus durch den Ordensgeneral Claudio Acquaviva persönlich zur Kontroverse mit den Häretikern ermuntert worden, weshalb die Mainzer beherzt zur Feder griffen.84 Während die Kontroverse zwischen Mainz und Heidelberg in den 1590er-Jahren weitgehend ruhte, brach sie nach der Jahr­ hundertwende umso heftiger wieder aus. Mit Martin Becanus und David Pareus hatten sich zwei Exponenten ihrer Universitäten gefunden, die einander als primäre Gegner ansahen. Die Mainzer Kontroverstheologie konzentrierte sich auf anticalvinistische Polemik, während sich in Heidelberg eine innerprotestan­ tische Irenik mit einer verstärkt antikatholischen Haltung verband. Hinter der gegenseitigen Ausrichtung aufeinander, an der sich auch die anderen Gelehrten in Mainz und Heidelberg beteiligten, traten andere konfessionelle Konkur­ renzen mit Lutheranern in Württemberg, Sachsen und Hessen zusehends in den Hintergrund. Parallel zur Zuspitzung des politischen Verhältnisses der beiden Kurfürstentümer verschärfte sich in den ersten beiden Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts auch die publizistische Auseinandersetzung. In dieser Situation kam es 1608 zu einem außergewöhnlichen Ereignis, als sich führende Mainzer und Heidelberger Kontroverstheologen in Schwalbach trafen und ein spontanes Kolloquium vor dem internationalen Publikum des damals sehr beliebten Kurorts im Taunus abhielten.85 Die scheinbar zufällige Be­ gegnung auf neutralem Grund war wohl absichtlich von Becanus herbeigeführt worden, als er von der Möglichkeit erfuhr, seinen langjährigen Intimfeind Pareus 80  Vgl. unten Kap. 5.2.5. 81  Vgl. unten Kap. 5.2.2. 82  Vgl. unten Kap. 6.1.4. 83  Vgl. unten Kap. 5.3. 84  Acquaviva an Petrus Thyraeus, ARSI Rhen. Inf. 2, fol. 135r. 85  Vgl. ausführlicher Dienst, Das Schwalbacher Kolloquium, 202–210. Interessanterweise hatten sich wenige Jahre zuvor auch der Heidelberger Theologe Abraham Scultetus und der Mainzer Jesuit Johannes Mulhusinus zufällig ebenfalls in Schwalbach getroffen. Vgl. unten Kap. 3.1.2.

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persönlich zu treffen. In mehreren öffentlichen Sitzungen des Kolloquiums dis­ putierten die Gelehrten über Fegefeuer, Einzelfragen der Prädestinationslehre, Marien- und Heiligenkult, das Papstamt und das Messopfer. Das spontane Kol­ loquium während ihres Erholungsurlaubs zeigt, welche Bedeutung der Nachbar­ schaftskonkurrenz durch die Beteiligten zugesprochen wurde. Nachdem Martin Becanus in mehreren Publikationen und in seinen Vorlesungen mehrfach mit seinem vermeintlichen Sieg über Pareus in Schwalbach geprahlt hatte, griff der Heidelberger, der sich nicht minder als Sieger betrachtete, zur Feder, um sich zur Wehr zu setzen. Aus seinen Notizen und seinem Gedächtnis verfertigte er zehn Jahre nach den Ereignissen die Acta Colloquiorum Swalbacensium. Dieses Werk, das auch in deutscher Übersetzung erschien, erregte wiederum den sofortigen Widerspruch Becanus’, der Pareus in einem offenen Brief scharf anging.86 Einen gewissen Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen den beiden Hochschulen bietet die Kontroverse um das in Heidelberg mehrtägig gefeierte Reformationsjubiläum 1617.87 Diese Auseinandersetzung zog sich in die folgen­ den Jahre hinein und wurde bald von den Wirren des Böhmischen Aufstandes und dem beginnenden Krieg überschattet. Das besondere Verhältnis riss damit nicht ab. Nach der Zerstörung Heidelbergs 1622 kamen bald Jesuitenpatres nach Heidelberg, um die Rekatholisierung voranzutreiben. Bei den beiden Versuchen, die Universität als Jesuitenkolleg neu zu errichten, spielte Mainz als Hauptort der oberrheinischen Provinz eine entscheidende Rolle. Im Dreißigjährigen Krieg ereilte beide Universitäten mit der Einnahme der Stadt und der Verschleppung der Bibliothek ein vergleichbares Schicksal.88

2.3.2.  Kontroverstheologie in Heidelberg und Mainz Kontroverstheologie gab es an der Universität Heidelberg spätestens seit Be­ ginn der Reformation. Mit der Heidelberger Disputation von 1518 und seinen scharfen, zugespitzten Thesen überzeugte Luther zwar nicht die Heidelberger Professoren und das versammelte Generalkapitel der Reformkongregation deutscher Augustinereremiten, wohl aber mehrere Studenten und Magister, da­ runter Martin Bucer, Johannes Brenz und Martin Frecht, die als Reformatoren im Südwesten des Reichs tätig werden sollten. Der Übergang zum reformierten Protestantismus wurde 1559 schließlich durch eine innerterritoriale Kontro­ verse ausgelöst. Der Gnesiolutheraner Tilemann Heshusen, von Ottheinrich eingesetzter Superintendent, und der reformierte Theologe Wilhelm Klebitz 86 Vgl. Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium; Becanus, Epostola ad D. Pareum; Pareus, Gespräche zu Langen-Schwalbach. 87  Vgl. unten Kap. 4.3.4. 88  Die Schweden interessierten sich jedoch vornehmlich für die kurfürstliche Bibliothek, weshalb die Bestände des Jesuitenkollegs nur geringe Schäden erlitten. Vgl. Müller, Jesuiten, 69 f.



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stritten erbittert um Form und Auslegung des Abendmahls in Heidelberg. Der Streit führte zwar zur Entlassung beider Kontrahenten, läutete jedoch die Entwicklung ein, die zur Veröffentlichung des Heidelberger Katechismus 1563 führen sollte. Daraufhin sahen sich die Heidelberger Theologen in der Defen­ sive. Um die gesicherte Rechtsstellung als Augsburger Konfessionsverwandte nicht zu verlieren, mussten die Pfälzer ihre Lehre etwa auf dem Maulbronner Kolloquium 1564 gegen die Anwürfe der Württembergischen Lutheraner ver­ teidigen. Dabei traten die Theologen der Heidelberger Universität, allen voran Zacharias Ursinus, mit zunehmendem Selbstbewusstsein auf und sahen sich als wahre Erben der Reformation. Im Neustädter Exil bezogen die reformierten pfälzischen Theologen in verschiedenen Kontroversschriften Stellung gegen das Konkordienbuch.89 Erst nach der Festigung des wieder eingeführten reformier­ ten Bekenntnisses durch Johann Kasimir führten die Heidelberger Theologen Kontroversen auch mit katholischen Autoren. Parallel und eng verwoben mit der Entwicklung der „Heidelberger Irenik“ setzte sich in der Kurpfalz im frühen 17. Jahrhundert schließlich eine dezidiert antikatholische Polemik durch, die das kontroverstheologische Profil der Universität fortan prägte.90 Einen eigenen Lehrstuhl für Kontroverstheologie, wie es etwa an vielen Je­ suitenkollegs üblich war, gab es in Heidelberg nicht. Dies sahen Kurfürst Fried­ rich IV. und seine Berater offenbar als Missstand an, weshalb sie 1599 aufgrund der anhaltenden Vakanz der Loci-Professur vorschlugen, diese aufzuspalten und einen Theologen anzustellen, der sich explizit mit der Bekämpfung der „bäpstlichen und iesuiterischen irthumb“91 befasst. An gleicher Stelle ist auch von „bäpstlichen und andern irthumben“92 die Rede, womit auch innerprotes­ tantische Kontroversen gemeint sein könnten. Nach Auffassung des Hofes sei ein solcher Schritt nützlich, um einerseits den akademischen Nachwuchs für den Ernstfall „in offentlichen colloquiis und zusammenkünfften“93 zu schulen, andererseits, um die Attraktivität der Universität zu steigern. So könnten „auch viel frembde studiosi hierdurch bewegt werden, von andern orten sich alher zu­ begeben.“94 Friedrich IV. sieht in der Kontroverstheologie also einen potentiel­ len Standortvorteil sowohl in der konfessionellen, als auch in der akademischen Konkurrenzsituation. Die abschlägige Antwort des Senats der Universität lässt erkennen, dass besonders die Professoren anderer Fakultäten diesem Vor­ haben kritisch gegenüberstanden. Man äußerte die Befürchtung, die Studenten könnten die Philosophie und das Sprachstudium vernachlässigen. Zudem gebe die finanzielle Situation die Bestallung einer neuen Professur nicht her, womit 89 Vgl. Dingel, Concordia Controversa, 104. 90  Vgl. unten Kap. 5.2.2. 91  Friedrich IV. an den Senat der Universität, 30.5.1599, abgedr. in: Winckelmann, Urkundenbuch, I, 329. 92  Ebd.; vgl. Wolgast, Heidelberger Irenik, 195. 93  Ebd., 330. 94 Ebd.

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der Senat sogleich eine Bitte um Aufbesserung verbindet. Mit der Sorge, dass „in nostro senatu neuerungen und allerlei ungleicheiten“95 würden, wird wohl die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, ein weiterer theologischer Ordinarius würde zu einem Übergewicht der Theologen im Senat führen. Stattdessen ver­ weist der Senat darauf, dass es genug gute Bücher zum Selbststudium gebe und die exegetischen Vorlesungen David Pareus’ die Studenten ausreichend kontro­ verstheologisch schulten. In der Tat räumte Pareus nicht nur als Autor, sondern auch als Lehrer der Kontroverstheologie breiten Raum ein. Er war wohl in Folge des Scheiterns des kurfürstlichen Vorstoßes zur Schaffung einer ordentlichen Professur für Kon­ troverstheologie zum Extraordinarius controversiarum theologicarum exactor et censor ernannt worden. In Folge des sogenannten Regensburger Kolloquiums zwischen Jesuiten und Lutheranern, das 1601 reichsweit für Aufsehen gesorgt hatte, begründete Pareus ab 1603 eine neue Disputationsreihe.96 Zu ver­ schiedenen Anlässen sollten erfahrene Theologiestudenten (unter ihnen auch der berühmte Johann Amos Comenius) ein klassisches Thema der Kontrovers­ theologie aufgreifen und ihre Thesen gegen mögliche Anwürfe der Katholiken verteidigen. Die insgesamt 30 kurzen Disputation dieser bis 1606 fortgesetzten Reihe wurden sogar 1611 durch Pareus’ Sohn Johann Philipp im Druck heraus­ gegeben. In den Jahren 1610 bis 1616 griff Pareus diese Idee erneut auf und rief eine gänzlich neue Veranstaltungsform ins Leben. Zum einen hielt Pareus mehrere Vorlesungen über  – oder vielmehr gegen  – die berühmten Kontro­ versien des Jesuiten Robert Bellarmin, die er anschließend als Streitschriften publizierte.97 Die Vorlesungen wurden ergänzt durch eine innovative Veranstal­ tungsform, die Pareus Collegium Antibellarminum nannte und sich in heutiger Begrifflichkeit am ehesten als eine Art kontroverstheologisches Oberseminar bezeichnen lässt. Im kleinen Rahmen der Kommilitonen sollten die Theologie­ studenten kontroverstheologische Argumentation einüben. Auch die auf diese Weise entstandenen 192 Disputationen kamen 1620 zum Druck.98 Insgesamt nahmen über den Zeitraum von sechs Jahren 109 Studenten an dieser Lehrform teil, was dem allergrößten Teil der Theologischen Fakultät in dieser Zeit ent­ spricht. Es lässt sich daher durchaus behaupten, dass die Kontroverstheologie auch in der Lehre der Heidelberger Universität ihren festen Platz hatte. Gleich­ wohl verfassten die Heidelberger Theologen auch viele Bücher, Predigten und exegetische Kommentare, die nicht oder nur sehr bedingt kontroverstheologisch geprägt sind. Von einer einseitigen Ausrichtung auf die Kontroversen lässt sich zu keinem Zeitpunkt sprechen. 95  Senat der Universität an Friedrich IV., 8.6.1599, abgedr. in: Winckelmann, Ur­ kundenbuch, I, 331. 96  Pareus, Disputationum (…) Volumen, I; vgl. unten Kap. 4.1.2. 97  Vgl. unten Kap. 5.1.3. 98  Pareus, Collegiorum Theologicorum.



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Dass die Gesellschaft Jesu zu dem Orden der Gegenreformation werden sollte, entsprach nicht der ursprünglichen Absicht ihres Gründers Ignatius von Loyola und seiner Gefährten. In den frühen Jahren lag der Schwerpunkt auf innerkatholischen Anliegen, in der Verpflichtung auf ein neues Priesterideal, in der weltweiten Mission und in einer neuen Spiritualität. Zu diesen trat das gegenreformatorische und kontroverstheologische Element erst nachträglich hinzu. Hierbei spielten der für südeuropäische Katholiken schockierende Augs­ burger Religionsfrieden 1555 und die in diesem Jahr einsetzende antijesuitische Publizistik der Protestanten eine wichtige Rolle.99 Auch in der Mainzer Nieder­ lassung lag der Schwerpunkt der Bemühungen zunächst auf dem Aufbau des eigenen Kollegs und der Reformbemühungen im eigenen Territorium. Sowohl die Gründungsurkunde des Kollegs als auch die offiziöse, an die Ordenszentrale gesandte Gründungserzählung benennen zwar den Kampf gegen die Häretiker als Aufgabe des Kollegs, schildern diesen jedoch als eine pastorale Aufgabe innerhalb des Erzstifts.100 Vereinzelte kontroverstheologische Beiträge finden sich seit den späten 1560er-Jahren in sehr allgemeiner Form in akademischen Gebrauchstexten wie Disputationen, die jedoch nicht von Protestanten erwidert wurden. In den 1580er und 90er-Jahren führten insbesondere Petrus Thyraeus und Johannes Busaeus verschiedene Kontroversen nicht nur mit dem Heidel­ berger Daniel Tossanus, sondern auch mit Marburger und Wittenberger Theo­ logen lutherischer Konfession. Zu einer Neuausrichtung der Mainzer Kontroverstheologie kam es um die Jahrhundertwende. Diese ist vornehmlich mit Nicolaus Serarius und Martin Becanus verbunden. Serarius schärfte seinen Schülern eine Professionalisierung und Akademisierung der Kontroverstheologie ein. In seinem Nekrolog ist sein Diktum „Für die Häretiker soll man nicht nur beten, sondern auch studieren“101 überliefert. Dies bedeutete in der Praxis die Übernahme der Methode Robert Bellarmins, die Reformatoren und zeitgenössischen protestantischen Theologen gründlich und im Original zu lesen, anstatt sich auf andere katholische Kon­ troversisten zu verlassen.102 Eng damit verbunden ist eine neue, über Bellarmin hinausgehende Strategie, die sich geradezu zu einem Proprium Mainzer Kontro­ verstheologie im frühen 17. Jahrhundert entwickelte. Die klassische katholische Kontroverstheologie und mit ihr der frühe Bellarmin hatten die Spielarten des Protestantismus noch als grundsätzlich gleichartige Manifestationen derselben 99  Friedrich, Die Jesuiten, 238; O’Malley, Kleine Geschichte, 39. 100  Kopie der Gründungsurkunde, StAMz 14/10, fol. 8r; Succincta narratio de Origine ac dotatione Collegij Moguntinj, ARSI Germ. 118, fol. 339r. 101  Annuae Litterae Societatis Jesu 1609 [Mainz], 374; „Pro Haereticis non orandum modo esse, sed etiam studendum“; im Manuskript (StAMz 15/400, fol. 2r) wird dieser Text von zweiter Hand zu „Haereticorum caussa non precibus modo, sed etiam studijs nauiter incumbendum“ emendiert. Offenbar hatte Serarius dieses Diktum mehrfach in verschiedenem Wortlaut von sich gegeben. 102 Vgl. Dietrich, Theologie der Kirche, 109–114.

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Häresie angesehen. Martin Becanus und ihm folgend Adam Contzen ent­ wickelten nun eine Kontroverstheologie, die die innerprotestantische Differenz nicht nur als wesentlich anerkannte, sondern zum Angelpunkt der eigenen Argumentation machte.103 Diese Entwicklung geschah nicht zufällig in Mainz und war eine Folge der Nachbarschaft und Konkurrenzsituation zur Kurpfalz. Die Heidelberger Theologen waren stets darauf angewiesen, ihren Status als Augsburger Religionsverwandte zu verteidigen, und entwickelten schließlich ein irenisches Programm. Die innerprotestantische Spaltung erschien den Mainzer Jesuiten als eine Chance, der reformierten Konfessionspartei und somit den Hauptgegnern in Heidelberg zu schaden. Vor allem Becanus richtete das Mainzer Kolleg konsequent zu einem Zentrum anticalvinistischer Kontro­ verstheologie aus.104 Dabei spielte insbesondere die bei Katholiken verbreitete Sichtweise eine große Rolle, dass die Reformierten aufgrund ihrer politischen Unberechenbarkeit, wie sie sich etwa in den Niederlanden zeige, als die größere Gefahr anzusehen seien. Becanus’ Nachfolger Adam Contzen präsentierte sich sogar gegenüber Robert Bellarmin und der Ordensspitze als die Autorität für die publizistische Bekämpfung des reformierten Protestantismus schlechthin.105 Für die Kontroverstheologie waren die Jesuitenkollegs und auch die Mainzer Niederlassung personell bestens gerüstet. Diesen Strukturvorteil erkennt sogar David Pareus neidvoll an, als er den Vorwurf zurückweist, er würde nicht kon­ sequent allen Schriften der Jesuiten antworten. Er selbst müsse die Kontroversen mit seinen Lehrverpflichtungen vereinbaren, anders als die Jesuiten, „die an Mußestunden und Anzahl an Kollegien Überfluss haben“.106 Zwar gab es auch in Mainz keinen Lehrstuhl, der dezidiert der Kontroverstheologie gewidmet war, man behalf sich jedoch mit der Teilung der Professur für Scholastische Theo­ logie seit 1597. Die Inhaber dieser angesehensten Professur (Martin Becanus und Johannes Mulhusinus) und die für Auseinandersetzungen mit Protestanten prädestinierten Professoren für die Heilige Schrift (Nicolaus Serarius und Adam Contzen) verfassten den größten Teil der Mainzer Kontroversschriften. Hierfür konnten Sie auf die Bibliothek des Mainzer Kollegs zurückgreifen, die durch großzügige Spenden und Stiftungen nicht nur des Erzbischofs ausgestattet war. Darin fand sich nicht nur eine große Auswahl katholischer Kontrovers­ 103  Vgl. unten Kap. 5.2.5. 104  Dies bezeugt Becanus sogar explizit: Becanus, Ad Fridericum Balduinum, 3; „Calvinis­ tas hactenus, non Lutheranos, ex quorum numerum tu es, hostes mihi & adversarios delegerim“. Der Ursprung des erstmals bei Happel, Katholisches und Protestantisches Christentum, 7 ohne Quellenangabe bezeugten Beinamens Malleus Calvinistarum/„Hammer der Calvinisten“ konnte nicht ausfindig gemacht werden. Weitere, von Happel abhängige Nennungen bei Duhr, Geschichte der Jesuiten II.2, 377; Baader, Verlagshaus Albin-Strohecker, 545. 105 Vgl. Contzen an Bellarmin, 24.12.1613, abgedr. in: Döllinger/​Reusch, Moral­ streitigkeiten, II, 26 f.; vgl. unten Kap. 5.1.4. 106  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 41: „vobis, qui otio, & numero in collegiis vestris abundatis“.



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literatur, sondern auch im „Giftschrank“ eine Sammlung häretischer Werke, die mit Dispens gelesen werden konnten.107 Ähnlich wie auch in Heidelberg nahm die Kontroverstheologie besonders nach der Jahrhundertwende eine wichtige, jedoch nicht allbeherrschende Position ein. Viele Jesuitenpatres beschränkten sich auf die Seelsorge oder auf Studien der Humaniora und der nicht kontro­ vers aufgeladenen Theologie. Die erbaulichen Schriften Johannes Busaeus’ etwa erlebten eine weitaus höhere Auflage als seine Kontroversschriften.108

2.3.3.  Druck- und Verlagswesen in der Kurpfalz und in Mainz Das Druck- und Verlagswesen stellt eine unabdingbare Infrastruktur der kon­ fessionellen Kontroverspublizistik dar. Die Drucker und Verleger sollten nicht nur eine schnelle und preisgünstige Produktion in akzeptabler Qualität bewerk­ stelligen, den Verfassern war auch die weite Verbreitung ihrer Schriften von höchster Wichtigkeit. Wie in den meisten Universitätsstädten etablierte sich der Buchdruck noch im 15. Jahrhundert auch in Heidelberg. Die Druckereien – im Untersuchungs­ zeitraum schwankte ihre Zahl zwischen zwei und drei Betrieben in Heidel­ berg  – blieben dem akademischen Leben eng verbunden. Für die Produktion von Kontroversschriften waren um 1600 besonders diejenigen Drucker von Bedeutung, die als Universitäts- und Hofdrucker besonders privilegiert wa­ ren.109 Der Universitätsbuchdrucker Abraham Smesmann fertigte ab 1587 die meisten Kontroversschriften – insbesondere, wenn diese als Thesendrucke dem akademischen Betrieb entsprangen. Nach dessen Tod 1595 übernahm unter der Geschäftsführung der Witwe Smesmanns Johann Lancelot zunächst als Gehilfe die Offizin, zwischen 1597 und 1619 dann als immatrikulierter Universitätsbuch­ drucker. Etwa zur gleichen Zeit wirkte auch Gotthard Vögelin, der als Sohn eines Leipziger Druckers nach Studien in den artes und der Theologie unter anderem in Heidelberg 1598 als kurpfälzischer Hofbuchdrucker bestallt wurde. Bei be­ sonders umfangreichen, bedeutenden und somit auflagenstarken Werken, die also einen höheren Kapitaleinsatz und ein gewisses unternehmerisches Risiko mit sich brachten, arbeiteten die Heidelberger Kontroverspublizisten und Dru­ 107 Vgl. Wermter, Studien und Quellen; Müller, Jesuiten, 69 f.; Burkard, Repression und Prävention, 322 mit Anm. 65. Vgl. auch den Brief Serarius an Tossanus, 5.12.1601, in: Baronius, Epistolarum Sacrarum, 175: „nostra haereticorum Bibliotheca“. Der aus dem Jahr 1674 stammende Katalog (StAMz 14/32) spiegelt in etwa den Bibliotheksbestand wider. Indi­ zierte Werke, auf die die Mainzer Jesuiten nachweislich zurückgreifen konnten, sind in diesem Katalog entweder ausgelassen oder in vielen Fällen anonymisiert aufgenommen. 108  Hierunter zählen sein Andachtsbüchlein Enchiridion Piarum Meditationum (1606), ein Tugendkatalog mit dem Titel Viridarium Christianarum Virtutum (1610) und weitere Schriften zu Askese und Moral sowie Übersetzungen erbaulicher Missionsberichte aus Ostasien. Sie sind als Spätwerk des Autors auch zeitlich von seinen Kontroversschriften abgegrenzt. 109  Vgl. zu den Druckern und ihren Biographien Reske, Buchdrucker, 359–361.

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cker mit externen Verlegern zusammen. Hier ist insbesondere der Frankfurter Drucker und Verleger Jonas Rosa zu nennen, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts mehrere Großwerke der Heidelberger Gelehrten in Frankfurt verlegte und teils wohl auch drucken ließ. Die Nähe und engen Kontakte zur Frankfurter Messe und ein mutmaßlich höherer Kapitalstock machten dieses Vorgehen attraktiv. Eine nennenswerte Zahl an Kontroversschriften Heidelberger Gelehrten wurde außerhalb der Residenzstadt am Neckar publiziert. Besonders in den Jahren unmittelbar nach der Recalvinisierung Heidelbergs wurden viele Schrif­ ten weiterhin am Ort des vergangenen Exils in Neustadt gedruckt. Verantwort­ lich hierfür war das weiterbestehende Engagement konfessionell profilierter Neustädter Drucker wie Matthäus Harnisch (1535–1596), der nach dem Tod Friedrichs III. aus Heidelberg übergesiedelt war und dem fortan insbesondere antilutherische Kontroversliteratur am Herzen lag. Auch in Amberg als weiterer Nebenresidenz finden sich Drucker wie Michael Forster, die Heidelberger Kontroversschriften auf den Markt brachten. In Amberg entstanden zudem Nachdrucke und Neuauflagen einiger zuvor in Heidelberg gedruckter Werke. Ein weiterer pfälzischer Druckort war Oppenheim. In der Offizin des kon­ fessionell engagierten Hieronymus Galler wurden vereinzelt reformierte Kon­ troversschriften auch Heidelberger Gelehrter gedruckt. Einzelne Werke wurden schließlich auch in Hanau gefertigt, einem Zentrum reformierter Drucktätigkeit überregionaler Bedeutung. Als Wirkungsstätte Johannes Gutenbergs kommt Mainz als Druckort beson­ dere Aufmerksamkeit zu. Auch in der Folge blieb Mainz aufgrund der günstigen Nähe zum Messeort Frankfurt ein wichtiger Druck- und Verlagsort, der sich im Untersuchungszeitraum zu einem der führenden „gegenreformatorischen“ Druckorte entwickelte.110 Schon bald nach Gründung des Kollegs wurden die Mainzer Jesuiten zu den wichtigsten Autoren geistlich-theologischer Literatur vor Ort. Da die Jesuiten grundsätzlich keine eigenen Druckereien betrieben,111 arrangierten sich die Jesuiten auch in Mainz mit örtlichen Druckern, die im Re­ gelfall ebenfalls den Verlag der Publikationen übernahmen. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war es dem Drucker und Verleger Franz Behem gelungen, gemeinsam mit seinem Sohn Kaspar den Mainzer Druckmarkt zu beherrschen. Als gläubige Katholiken aus Sachsen emigriert, gelang es den Behems, eine wirt­ schaftlich erfolgreiche Offizin mit gegenreformatorischem Profil aufzubauen, die von den Erzbischöfen privilegiert wurde.112 Der Behem’sche Betrieb wurde 1592 bis 1598 von Kaspar Behems Stiefsohn Heinrich Brehm weitergeführt. Erst nach Brehms Tod entstand in Mainz wieder Konkurrenz zwischen verschiedenen Druckern. Die bedeutendsten unter diesen, Balthasar Lipp 110  Baader, Das Druck- und Verlagshaus, 546; Horch, Buchwidmungen, 3 f. 111  Erste Initiativen, so etwa 1559 in Wien, wurden von der Ordensspitze bald abgelehnt: Schmitz, Reformation und Gegenreformation, 32 f. 112  Horch, Buchwidmungen, 208–217; Reske, Buchdrucker, 59 f.



2.3.  Der Streitschriftenwechsel zwischen Heidelberger und Mainzer Gelehrten

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(gest. 1622) und Johannes Albin (gest. 1620), konkurrierten auch um die Auf­ träge der Jesuiten. Balthasar Lipp musste seine ursprüngliche Wirkungsstätte Frankfurt verlassen, wo er eine katholische Offizin betrieben hatte. Wohl nach einem Konflikt mit dem Rat um nicht genehmigte Drucke siedelte er 1598 nach Mainz über, wo er aufgrund guter Kontakte etwa zum kaiserlichen Bücherkom­ missar in Frankfurt einen erfolgreichen Druckbetrieb aufbauen konnte.113 Auch der aus Trier stammende Johannes Albin profilierte sich als Drucker und Ver­ leger im Dienste der Gegenreformation und katholischen Konfessionalisierung. Dem Reformkatholizismus war Albin wohl seit seiner Jugend verbunden, auch wenn er im Rahmen der Gesellenwanderung zeitweilig sogar in der Druckwerk­ statt der reformierten Hohen Schule zu Herborn ausgebildet wurde.114 Obwohl sein Konkurrent Lipp zunächst die Privilegien der Behem-Brehm’schen Offizin übernommen hatte, gelang es Albin, sich als Drucker zu etablieren, indem er offenbar den Jesuiten attraktive Publikationsbedingungen einräumte und mit Martin Becanus, der sich als produktivster Mainzer Kontroversist erweisen sollte, schon früh eine Exklusivvereinbarung für den Druck seiner Werke aus­ handelte, die sogar nach dessen Weggang nach Wien weitergalt.115 Die Mainzer Drucker erhielten vielfältige obrigkeitliche Hilfen und Pri­ vilegien, die wohl nicht zuletzt ihre kontroverspublizistische Tätigkeit unter­ stützen sollte. Neben den in vielen Territorien üblichen Privilegien als Hof- und Universitätsbuchdrucker konnten die Mainzer Erzbischöfe ihre Funktion als Reichserzkanzler dazu nutzen, lukrative Aufträge wie den Druck der Reichstags­ abschiede zu vergeben. Seit 1606 teilten sich Albin und Lipp zudem das Privileg, die Frankfurter Messkataloge der kaiserlichen Bücherkommission zu drucken.116 Erzbischof Wolfgang von Dalberg förderte das Druckwesen 1599 auch dadurch, dass er die Anschaffung griechischer Typen unterstützte, die insbesondere für kontroverstheologische Schriften wichtig waren.117 Das an Kontroversschriften beteiligte Druck- und Verlagswesen weist in der Kurpfalz und in Mainz bezeichnende Parallelen auf. Viele Drucker, allen voran Matthäus Harnisch, Balthasar Lipp und Johannes Albin, verbindet ein erkennbar konfessionelles Profil, das sie in ihrer Tätigkeit motivierte. Dies ist bemerkenswert, da der Druck und insbesondere der Verlag der Schriften ein unternehmerisches Risiko darstellte und besonders Kontroversschriften wohl nicht immer die Druckkosten durch den Verkauf ausgleichen konnten.118 Der aufwendige und letztlich unrentable Druck einer Gesamtausgabe der Kon­ 113  Reske, Buchdrucker, 24 f. 59 f.; Horch, Buchwidmungen, 47. 114  Dies war in dieser Zeit auch für Buchdruckergesellen nicht ungewöhnlich, vgl. Baader, Das Druck- und Verlagshaus, 51 f. 115  Ebd., 531. 116  Reske, Buchdrucker, 596; vgl. auch Benzing/​Presser, 500 Jahre, 100–105. 117  Baader, Das Druck– und Verlagshaus, 537. 118  Vgl. Kap. 3.6.

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2.  Die Universitäten Heidelberg und Mainz im Untersuchungszeitraum

troversschriften Becanus’ scheint schließlich großen Anteil daran gehabt zu haben, dass Johannes Albin seiner Witwe einen hoch verschuldeten Betrieb hinterließ.119 Anders als sein Konkurrent Lipp besorgte Albin den Verlag und Vertrieb seiner Drucke mit Niederlassungen in Mainz und Frankfurt selbst und übernahm somit das volle unternehmerische Risiko des Projekts. Indirekt unterstützt wurden die Drucker von Kontroversschriften durch obrigkeitliche Privilegien und Aufträge. Es fällt auf, dass die Kontroversdrucke fast ausschließ­ lich von privilegierten Betrieben verfertigt wurden. Dies lässt an eine Art obrig­ keitlicher Querfinanzierung der Kontroversschriften denken. Hinzu dürften in einzelnen Fällen auch Druckkostenzuschüsse durch Mäzene kommen,120 die als Widmungsempfänger in Erscheinung treten. Die Jesuiten konnten zudem vertraglich Mindestabnahmen durch die Bibliotheken anderer Kollegien garan­ tieren.121 Tantiemen für die Autoren waren hingegen abgesehen von vereinbarten Autorenexemplaren unbekannt, Gewinne wie Verluste trugen die Verleger. Die Kriegswirren der Folgejahre erschwerten Druck und Verlag auch in Regionen, die nur indirekt von Kampfhandlungen betroffen waren. Die Produktion von Kontroversschriften kam dadurch jedoch nicht völlig zum Erliegen.122

2.3.4.  Nachwirkungen der Kontroversschriften im 17. und 18. Jahrhundert Nach der Zerstörung Heidelbergs 1622 und der Einnahme Mainz’ durch die Schweden 1631 verschwanden die zwischen diesen Orten gewechselten Kontro­ versschriften keineswegs im Dunkel der Geschichte. Auch wenn die Bedeutung der Kontroverstheologie nach dem Dreißigjährigen Krieg zusehends abnahm, riss die Produktion und Rezeption dieser Werke nicht ab. Dies gilt besonders für Martin Becanus und sein spätes Hauptwerk Manuale Controversiarum Huius Temporis. Bis kurz vor der Aufhebung des Jesuitenordens erfuhr dieses Werk in ganz Europa mehr als drei Dutzend Neuauflagen und Nachdrucke, darunter auch eine Übersetzung und Kurzfassungen. Noch im frühen 18. Jahrhundert wurde das Manuale mehrfach in Passau, Köln und Rom verlegt, 1750 in Rom und zuletzt 1771 in Kaufbeuren. Die Nachdrucke in Frankreich und Belgien waren Anton Strohecker, der als Nachfolger des Mainzer Druckhaus Albin das alleinige Privileg zum Druck der Werke Becanus’ besaß, ein Dorn im Auge. Mit offenbar nur mäßigem Erfolg verwandte sich der Mainzer Kurfürst 1629 für seinen Untertan beim Kaiser und der spanischen Infantin, um die Raubdrucke 119  Reske, Buchdrucker, 595. 120  Diesen Eindruck erweckt etwa ein Brief Daniel Tossanus’ an Ludwig von Sayn-Witt­ genstein, 26.10.1590, in: Cuno, Daniel Tossanus, II, 20 f. Vgl. auch Duhr, Geschichte der Je­ suiten, II.2, 373. 121  Duhr, Geschichte der Jesuiten, II.2, 371. 122  Vgl. Kap. 5.5.



2.3.  Der Streitschriftenwechsel zwischen Heidelberger und Mainzer Gelehrten

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zu unterbinden.123 Beinahe ebenso hoch wie die Zahl der Nachdrucke ist die der protestantischen Gegenschriften auf dieses Handbuch der Kontroverstheo­ logie. Noch Jahrzehnte nach Becanus Tod’, zuletzt 1694 durch den Straßburger Lutheraner Sebastian Schmid, hatte das Werk des Mainzer Jesuiten eine solche Strahlkraft, dass es Ziel vieler kontroverstheologischer Disputationen und sogar größerer Buchveröffentlichungen wurde. Diese Rezeption erfolgte teils in neuen Frontstellungen. So veröffentlichten die Helmstedter Theologen 1659 eine Schrift gegen Becanus’ De Communione Sub Utraque Specie.124 Autor dieser Thesen war Berthold Nihus (1590–1657), der zunächst in Helmstedt als luthe­ rischer Theologe ausgebildet worden war, bevor er konvertierte und schließlich als Erfurter Weihbischof im Bistum Mainz wirkte. Die posthume Publikation dieses Frühwerks geht auf seine ehemaligen Helmstedter Kollegen zurück, die den Konvertiten als wankelmütig darstellen wollten. Von den Heidelberger Theologen wurde besonders David Pareus auch nach seinem Tod weiterhin rezipiert. Dies gilt besonders für seine Überlegungen zum Verhältnis von Obrigkeit und Kirchengewalt in seinem Römerbriefkom­ mentar, die von Juristen eingehend rezipiert wurden.125 Dass Pareus’ Werke auch nach der Zerstörung Heidelbergs gedruckt wurden, geht in erster Linie auf seinen Sohn Johann Philipp zurück,126 der nach seiner Flucht aus der Kur­ pfalz in Hanau als Schulrektor wirkte. Zusammen mit dem Frankfurter Verleger Jonas Rosa127 und dessen Erben publizierte er 1622 bis 1627 Nachdrucke ver­ schiedener exegetischer Werke seines Vaters. 1628 folgte der erste Versuch einer Gesamtausgabe, die mit zwei Teilbänden jedoch nur die exegetischen Großwer­ ke abdeckt. Johann Philipp veröffentlichte 1633 eine Biographie seines Vaters, in deren Anhang er weitere Bände der Gesamtausgabe mit teils unveröffentlichten und bis heute verschollenen Werken seines Vaters ankündigt. Etwa zeitgleich gab er einen Sonderband zu den väterlichen Schriften zur Kirchengewalt heraus. Kurz vor Ende des Kriegs startete Johann Philipp 1647 erneut den Versuch einer Gesamtausgabe, der jedoch mit vier Teilbänden des ersten Bands wiederum nur die exegetischen Arbeiten berücksichtigt. Diese Bände sind trotzig der exilierten Kurfürstenfamilie gewidmet, was den politischen Gehalt dieser Frankfurter Nachdrucke verdeutlicht. Bei Jonas Rosa Erben wurde 1634 auch eine gekürzte Fassung der Medulla Theologiae Patrum Abraham Scultetus’ nachgedruckt.128

123  Opel, Nachdruck der Schriften. 124  Vgl. Kap. 5.2.5. 125  Vgl. Kap. 6.1.5. 126  Dieser wurde auch selbst kontroverstheologisch tätig, vgl. Kap. 4.1.2. 127  Vgl. Kap. 2.3.3. 128  Vgl. Kap. 4.2.2.

3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation 3.1.  Konfessionelle Kontroversschriften als Quellengruppe Der interkonfessionelle Austausch in der Konkurrenzsituation der Frühen Neu­ zeit fand in vielfältiger Weise statt  – in persönlichen Begegnungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen, über Multiplikatoren und diverse Kulturgüter. Am greifbarsten wird dieser Austausch jedoch in den Kontroversschriften, die die Gelehrten über Konfessionsgrenzen hinweg wechselten. Kontroversschriften, oft auch mit dem populäreren Begriff „Streitschriften“ bezeichnet, hatten als Quellengruppe lange Zeit einen schweren Stand in der Forschung.1 Erst in jüngerer Zeit wurden vermehrt Studien über die konfessionelle Polemik der Frühen Neuzeit veröffentlicht. In dieser Arbeit soll der Begriff der Kontroversbeziehungsweise Streitschrift als ein „aus der Notlage“2 entstandener Terminus verstanden werden, der keine literarische Gattung, sondern eine Gruppe von Quellen beschreibt, die die Behandlung von Themen zum Gegenstand haben, die zwischen den Konfessionen umstritten sind.3 Zum besseren Verständnis bietet es sich dabei an, zwischen Kontroversschriften im engeren Sinne und solchen im weiteren Sinne zu unterscheiden. Eine idealtypische Kontrovers­ schrift im engeren Sinne widmet sich einer kontroversen Fragestellung und richtet sich entweder gegen die gegnerische Konfession als solche, gegen einen einzelnen Theologen der Gegenseite oder eine abgegrenzte Gruppe von Ver­ tretern der gegnerischen Konfession. Sie kann sowohl apologetisch die eigene Position verteidigen als auch polemisch die Gegenseite angreifen. Sie hat den Charakter einer Gelegenheitsschrift und kann Teil eines längeren Kontrovers­ schriftenwechsels sein. Diese enge Definition greift jedoch zu kurz, um die Vielfalt der frühneu­ zeitlichen Kontroverspublizistik adäquat abzubilden. Viele Schriften, die primär einem anderen Ziel dienen als der unmittelbaren Abgrenzung zum konfessionel­ len Gegner – etwa der akademischen Lehre, kirchlichen Verkündigung oder re­ 1  Vgl. zur Forschungsgeschichte auch Paintner, Des Papsts neue Creatur, 24–28; Dingel, Zwischen Disputation und Polemik, 17. Vgl. Kap 1.1. 2  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 5 f. 3  Eine ähnliche Defintion stellt auch Tschopp, Politik im theologischen Gewand, 33 auf.



3.1.  Konfessionelle Kontroversschriften als Quellengruppe

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ligiöser Erbauung, sind durchzogen von kontroverstheologischen Bezügen und nur aus dem Kontext der konfessionellen Auseinandersetzungen zu verstehen. Hierunter fallen beispielsweise akademische Gebrauchtstexte wie gedruckte Dis­ putationsthesen und feierliche Reden, Lehr- und Handbücher zur Kontrovers­ theologie für einfache Geistliche, exegetische Kommentare und andere theologi­ sche Fachliteratur, popularisierte Formen der Kontroverstheologie in Predigten und Liedern sowie gelehrte Abhandlungen über benachbarte wissenschaftliche Disziplinen wie die Historiographie, Jurisprudenz oder Philologie, sofern kon­ fessionelle Streitthemen verhandelt werden. In manchen Fällen können sogar hagiographische Literatur,4 Theaterstücke5 oder andere literarische Erzeugnisse der Konfessionskulturen im gewissen Sinn als Kontroverspublizistik betrachtet werden. Teilweise sind auch nur einzelne Passagen dieser Schriften kontrovers aufgeladen. Für die Legitimität dieser erweiterten Definition der Kontrovers­ schriften spricht, dass die Autoren selbst keinen Unterschied zu setzen scheinen. Kontroversschriften im engeren Sinne entstehen in vielen Fällen als Reaktion auf Disputationsthesen, Bibelkommentare oder Predigten. Auf der anderen Seite antworten Theologen, die mit einer Kontroversschrift im engeren Sinne angegriffen wurden, zuweilen auch mit Publikationen, die diese Definition nicht voll erfüllen. Doch auch jene Kontroversschriften, die rein der Kontroverse dienen und durch Nennung eines Gegners schon im Titel als eine solche gekennzeichnet sind, bilden kein einheitliches literarisches Genre, sondern können die unter­ schiedlichsten formalen Formen annehmen. So gibt es Dialogschriften nach antikem Vorbild, in denen meist Angehörige verschiedener Konfessionen zu­ fällig aufeinandertreffen und der Vertreter der Konfession des Autors mit den besten Argumenten überzeugt. Hinzu kommen offene, publizierte Briefe an den Gegner, die oftmals auf eine schon mehrere Glieder umfassende Kette von Kontroversschriften zwischen dem Adressaten und Absender zurückblicken können. Hierbei handelt es sich um übliche Praktiken der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur, der Autor eines offenen Briefs erkennt sein Gegenüber zwar als ebenbürtigen Briefpartner an, signalisiert durch die gewählte Öffentlichkeit jedoch, dass er sich sicher ist, mit den überlegenen Argumenten zu punkten. Ein besonderer Auswuchs dieser Gelehrtenkultur sind poetische Kontrovers­ schriften, dem Anschein nach ein Proprium der Heidelberger, namentlich des dortigen Professors für Rhetorik und Poesie Simon Stenius. Da sich Stenius sei­ ner eigenen reformierten Konfession verpflichtet sah und über die erforderliche theologische Bildung verfügte, wollte er trotz seiner unpassend erscheinenden Anstellung an den Kontroversen teilnehmen und verfasste mehrere polemische 4  Sheils, Polemic as Piety. 5 Das Jesuitentheater behandelte gerade in der Frühzeit auch kontroverstheologische Themenstellungen und zielte teilweise auch auf protestantische Zuschauer ab. Das polemische Profil bleibt dabei häufig implizit. Vgl. R ädle, Das Jesuitentheater in der Pflicht.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

Schriften in lateinischen oder gar griechischen Hexametern und einen Kunst­ brief an den Jesuiten Jacob Gretser in geschliffenem Griechisch,6 der erkennbar darauf abzielt, die Sprachkenntnisse des Adressaten demonstrativ zu über­ fordern. Eine weitere wichtige Gruppe sind Kontroversschriften, die auf die Inszenierung größtmöglicher Objektivität abzielen. Hierzu zählen Sammlungen von Zitaten und Aphorismen der Gegner, die durch das Reißen aus dem Kon­ text in ein schlechtes Licht gerückt werden sollen und die Form der Acta, die vermeintlich objektiv meist ein interkonfessionelles Kolloquium dokumentieren sollen. Zuweilen folgt, wie im Fall des „Schwalbacher Kolloquiums“ zwischen Mainzer und Heidelberger Theologen eine eigene Kontroverse um die Zuver­ lässigkeit solcher Acta. Darüber hinaus finden sich auf den Titelblättern der Kontroversschriften selbst zahlreiche Genrebezeichnungen, die jedoch nicht als klar abgrenzbare Typen angesehen werden können.7 Es handelt sich vielmehr um lateinische und deutsche Signalworte, die die zu erwartende Argumentationsstrategie anzeigen. Eine übergeordnete Gruppe lässt sich als kommentierende Angriffsschriften bezeichnen. Hierbei handelt es sich um Schriften, die sich in der Regel direkt an einer gegnerischen Schrift als Vorlage orientieren und diese Schritt für Schritt widerlegen. Dabei kann der Terminus Refutatio/​Widerlegung/​Ableinung auf alle möglichen Argumentationsformen verweisen, ein Speculum/​Spiegel oder Elenchus („Verzeichnis“) zitiert für gewöhnlich einzelne Aphorismen des angegriffenen Autors und kommentiert diese polemisch. Grundsätzlich ähnlich geht das Examen vor, dem aus dem schulischen Bereich entlehnten Begriff ent­ sprechend wird hier teilweise besonderer Wert auf die Demütigung des Gegners anhand eindeutiger Fehler gelegt. Diese kommentierenden Angriffsschriften sind auch deswegen sehr beliebt, weil sie sich anhand der Vorlage mit geringem Aufwand in kurzer Zeit verfassen lassen. Demonstrativ zum Ausdruck gebracht wird dies durch die Genrebezeichnungen Notae und Animadversiones („Rüge“, „Vermerk“). Hiermit werden oftmals die in Reinschrift gebrachten Notizen der Erstlektüre der Vorlageschrift überschrieben, die demonstrativ korrigiert wird. Als zweite übergeordnete Gruppe treten die erläuternden Verteidigungsschriften hinzu. Sie sind mit Begriffen wie Apologia oder Rettung überschrieben und ar­ gumentieren primär zur Verteidigung einer vorangegangenen eigenen Schrift. Dabei werden die Argumente weiter ausgeführt und notfalls angepasst, um die gegnerischen Argumente zu entkräften. Hierbei handelt es sich in der Regel um Antwortschriften auf kommentierende Angriffsschriften der Gegenseite. Der römischen Rechtsterminologie ist das Begriffspaar Vindicatio und Vindiciae („Rechtsanspruch“, „Notwehr“) entlehnt.8 Hierbei handelt es sich in der Regel 6 Vgl. Stenius, Carmen de Abominando Missae; Stenius, Palinodia Satyrica; Stenius, Epistola ad Jacobum Gretserum. 7  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 10 f. 8  Vgl. auch Multhammer, Verteidigung als Angriff.



3.2.  Kontroversschriften zwischen Anerkennung und Anfeindung

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um erläuternde Verteidigungsschriften, die ein Dritter als „Anwalt“ für einen attackierten Theologen der eigenen Konfession schreibt. Diese Signalwörter geben in der Regel nur einen Einblick in die primär ver­ wendete Argumentationsweise der so überschriebenen Schrift. Häufig gehen Angriff und Verteidigung in den Kontroversschriften Hand in Hand. Die Mehr­ zahl der in dieser Arbeit untersuchten Schriften lassen sich der oben definierten Großgruppe der kommentierenden Angriffsschriften zurechnen, auch die im akademischen Alltag stets gegenwärtigen Disputationsthesen sind in großer Zahl anzutreffen und häufig Ausgangspunkt eines Kontroversschriftenwechsels. Zwischen den Konfessionen lassen sich nur geringe Unterschiede in den an­ zutreffenden Genres ausmachen. Aufgrund der restriktiven Bestimmungen für exegetische Schriften auf katholischer Seite finden sich Bibelkommentare, die sich als Kontroversschrift im weiteren Sinne einordnen lassen, nur auf protes­ tantischer Seite. Ansonsten besetzten die Katholiken ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch „typisch protestantische“ Genres wie das Flugblatt.9

3.2.  Kontroversschriften zwischen gelehrter Anerkennung und konfessioneller Anfeindung Eine besondere Herausforderung bei der Definition und Beschreibung der frühneuzeitlichen Kontroversschriften ist die Abgrenzung dieser Quellengruppe von stärker popularisierten Formen der Polemik wie dem illustrierten Flugblatt und reißerischen Flug-, Schmäh- und Pasquillschriften mit Titeln wie Warhafftiger, Historischer Bericht, wie der Jesuit, Robertus Bellarminus gewesener Cardinal zu Rom, unseliger Gedächtnus, in seinem Pharisauischen unheiligen Leben, mehr nicht, dann 1642. Weibspersonen beschlaffen, dieselbigen hernacher mehrertheils, sampt den Kindern durchs Schwerth, Gifft, Fewer und Wasser jämmerlich und heimlicher weiß verderbt und ummgebracht.10 Die Unglaubwürdigkeit dieser antijesuitische Zeitung wird dadurch gestärkt, dass sie noch zu Lebzeiten des berühmten jesuitischen Kontroverstheologen Robert Bellarmin über dessen Tod berichtet. Auch wenn der Protest nahe liegt, dass solches Schrifttum mit Theo­ logie „nun wirklich nichts gemein“11 habe, ist der Verweis auf den „fließenden Übergang“12 zwischen Kontroverstheologie und plumper Schmähliteratur 9  Pettegree, Catholic Pamphleteering, 122–125. Die anderslautende Einschätzung ist etwa im Falle von Buch, Sic adeunt, 172–180 primär der eingeschränkten Quellenauswahl Buchs anzulasten, wie auch ihre Beobachtung, die Protestanten hätten meist Angriffsschriften verfasst, während sich die Katholiken auf Apologien verlegt hätten (ebd., 278.). 10  Im Jahr 1614 erschienen in Anonym, Zwo Newe Zeitung. 11  Buch, Sic adeunt, 186. Buch vertritt ebenda eine recht strikte Abgrenzung von Kontro­ verstheologie, Polemik und „Propaganda“. 12  Friedrich, Die Jesuiten, 239.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

berechtigt. Auch bei hoch gelehrten Theologen finden sich zuweilen grobe Schmähungen und in manchen Fällen sogar bewusste Falschaussagen und Ver­ leumdungen. Die verwendete Sprache fällt als Unterscheidungskriterium aus. Wie sich zeigen (s. u.) wird, können sowohl lateinische als auch volkssprachliche Schrif­ ten der gelehrten Kontroverspublizistik zugeordnet werden. Ebenso finden sich auch bei angesehenen Theologen Beleidigungen und ein allgemein recht derber Ton, der sich jedoch noch „im Rahmen gelehrter Konvention“13 bewegt. Während sich die meisten gelehrten Kontroversschriften auf den laut erhobenen Vorwurf der Verleumdung, Lüge und mangelhaften Bildung sowie dazu passen­ de, vergleichsweise harmlose Invektiven wie „Marktschreier“14 beschränken, wählen einzelne Autoren sogar die Fäkalsprache15, obwohl sie ansonsten durch bestechende gelehrte Argumentation hervortreten. Das von allen Seiten hoch­ gehaltene Ideal, sich derber Verbalinjurien zu enthalten,16 wurde in der Praxis nicht immer eingehalten. Auch eine Unterscheidung zwischen sachlicher und unsachlicher Argumentation17 scheitert daran, dass Argumente ad rem und Ar­ gumente ad personam in der Praxis meist ineinander verquickt sind und ihre Vermischung gerade charakteristisch für frühneuzeitliche Kontroversschriften ist.18 Nach dem Vorbild etwa ciceronischer Gerichtsreden wird in ihnen die ge­ samte Person angegriffen. Der Erweis der Unbildung, moralischer Verfehlungen und charakterlicher Schwächen – also Argumente ad personam – sollen die Unglaubwürdigkeit der gegnerischen Schrift erweisen, sind also zugleich Argu­ mente ad rem. Der Leser soll zudem gänzlich gegen den Gegner eingenommen werden, dieser bestenfalls der Lächerlichkeit preisgegeben werden. So reagiert etwa der Mainzer Jesuitenprofessor Martin Becanus auf die Provokation, sein Nachname klinge wie das ungarische Wort für Frosch – was zu seinem li­ terarischen Gequake passe19 – mit dem Verweis, der Name seines Heidelberger Gegenspielers Pareus leite sich möglicherweise von den hebräischen Wurzeln ‫פר‬ oder ‫ פרא‬ab und erweise ihn als das Rindvieh beziehungsweise den Maulesel, als der er sich in seinen Schriften aufführe. Es ist daher nicht möglich, die gelehrten Kontroversschriften von reißeri­ schen Schmähschriften, durch die vermeintliche Abwesenheit vulgärer Polemik 13  Tschopp, Politik im theologischen Gewand, 40. 14  Becanus, Epistola (…) ad D. Davidem Pareum, 17: „circulator“. 15  Berüchtigt hierfür war etwa der Leidener Gelehrte Joseph Justus Scaliger, der in seinen Auseinandersetzungen mit Serarius und Pareus häufiger Begriffe aus der Wortgruppe stercus („Kot“, „Scheiße“) verwendet (vgl. Kap. 4.1.4.2.). 16  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 1 f.; vgl. Becanus, Epistola (…) ad D. Davidem Pareum, 50: Becanus hält Pareus hier die von ihm ausgetauschten Beleidigungen in der Aus­ einandersetzung mit Scaliger (vgl. Kap. 4.3.5.3) vor. 17  So etwa unternommen von Neumann, Invektive, 549–561. 18  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 61.191–205; Dieckmann, Streiten über das Streiten, 68–76. 19  Prati, Epistola Ad P. Martinum Becanum, 6. Vgl. Kap. 6.2.5.



3.2.  Kontroversschriften zwischen Anerkennung und Anfeindung

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abzugrenzen. Die Unterscheidung kann nur dadurch geführt werden, dass sie anders als Flug- und Pasquillschriften diese Formen der Polemik um eine ge­ lehrte Argumentation ergänzen. Während jene ein möglichst breites Publikum zu erreichen versuchen, setzen die hier beschriebenen Kontroversschriften ein hohes Maß an Gelehrsamkeit und formaler Bildung voraus, was sich auch auf die Adressaten niederschlägt.20 Zum besseren Verständnis dieses spannungsreichen Verhältnisses zwischen gelehrter Argumentation auf höchstem Niveau der zeitgenössischen Wissen­ schaft und polemischer Grobheit ist der Blick auf die Gelehrtenkultur der Frühen Neuzeit hilfreich. Nicht nur interkonfessionell, auch innerhalb der Konfessionsgrenzen waren um 1600 unter Gelehrten zuweilen ein durchaus rauer Ton, namentlicher Tadel und sogar Spott üblich.21 Zugleich umfasst die „Gelehrtenrepublik“, die res publica litteraria, im Verständnis der Zeitgenossen grundsätzlich Gelehrte aller Großkonfessionen. Konfessionelle Gegner wurden zwar als Häretiker oder zumindest als schwer im Irrtum befindlich angesehen, oft wurde auch die intellektuelle Redlichkeit in Frage gestellt oder die eigene Gelehrsamkeit als prinzipiell überlegen inszeniert, die allgemeine Anerkennung etwa akademischer Titel stand jedoch in der Regel außer Frage. Die Anwendung eines erforderlichen Mindestmaßes gelehrten Umgangs zeigt sich etwa bei dem „Schwalbacher Kolloquium“,22 einem der wenigen persönlichen Aufeinander­ treffen von Mainzer Jesuiten und Heidelberger Reformierten, das David Pareus mit durchaus ernstzunehmenden Wort als „freundschaftlichen (Wort-)Streit“23 bezeichnet. Auch sein Gegner Martin Becanus berichtet, die Mainzer Jesuiten und Pareus hätten sich gegenseitig „sehr höflich“24 begrüßt. Bei dieser Gele­ genheit freundete sich Pareus zu einem gewissen Grad sogar mit dem Jesuiten Nicolaus Serarius an, mit dem er „keinen Streit“25 habe. Mit freundlichen Wor­ ten beschreibt er seinen Kontrahenten: „Er erschien mir freundlich, energisch, offen, ohne den zweigewandigen Habit der Jesuiten, mit lebendigen Augen, er besaß einen ergrauenden Bart und eine unterdurchschnittlich kleine Statur.“26 Dieser Verweis auf die Kleidung Serarius’ ist bezeichnend. Pareus sieht offen­ bar keinen „echten“ Jesuiten in ihm, der seinem Feindbild entspricht. Serarius, mit dem sich Pareus über ihren gemeinsamen Kontroversengegner Joseph Jus­ tus Scaliger27 austauschen konnte, habe sogar ein ihm von Pareus angebotenes 20  Vgl. Kap. 3.3. 21  Conley, Vituperation. 22  Vgl. Kap. 2.3.2. 23  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 62: „amica concertatio“. 24  Becanus, Tractatus De Deo, 292: „perhumaniter“. Ähnlich schildern es auch die Annuae Litterae 1608 [Mainz], 453. 25  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 10: „nulla (…) querela“. 26 Ebd., 18: „mihi videre amicum, alacrem, apertum, nec habitu Jesuitico bipalliatum, oculis vividis, barba tenui subcanescente statura infra mediocrem.“ 27  Vgl. Kap. 4.1.4.; Kap. 4.3.5.3.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

Glas Wasser angenommen, also die Gastlichkeitsgeste eines Häretikers an­ genommen. Auch die Beziehung zu Becanus, den Pareus mit weitaus weniger netten Worten bedenkt, ist von den Konventionen der Gelehrtenkultur geprägt. Pareus empfängt von ihm eine Kontroversschrift Becanus’ und verspricht, ihm ein „Gegengeschenk“28 (ἀντίδωρον) zuzusenden. Pareus und Becanus in­ szenieren somit symbolisch ihre Beziehung als konkurrierende Gelehrte, die in Austausch zueinander stehen. In manchen Fällen konnte dieses Mindestmaß an akademischer Höflichkeit auch unter den Tisch fallen. So verzichtet Pareus in seiner gegen Johannes Mulhusinus gerichteten Vorrede zum Hoseakommentar demonstrativ auf die Namensnennung seines Gegners und bezeichnet ihn nur als „einen gewissen Mainzer Jesuiten“.29 Damit inszeniert ihn Pareus nach mehreren gewechselten Kontroversschriften30 als nicht ebenbürtigen Gegner, der einer namentlichen Nennung nicht wert ist. Auch die Praxis der Kontroverspublizistik selbst war Teil der frühneu­ zeitlichen Gelehrtenkultur und ungeschriebenen Regeln unterworfen, die alle Beteiligten als Ideale teilten und ihren Gegnern bei Verstößen vorhielten. Eine Kontroverse verstanden die beteiligten Autoren als einen legitimen Kampf innerhalb der gelehrten Welt. Bilder und Metaphern aus den Themenfeldern Waffen, Krieg, Duelle und Gladiatorenkämpfe häufen sich bei den Kontrover­ spublizisten zur Schilderung der eigenen Tätigkeit.31 Die Kontroversschriften sind ihnen die angemessenen Waffen zur Bekämpfung des Gegners. Diese Sicht­ weise erfordert es, die eigene Beteiligung an diesem „Gelehrtenkrieg“ zu legiti­ mieren. Insbesondere die Autoren, die eine Kontroverse mit einer Attacke auf den konfessionellen Gegner eröffnen, verwenden in Vorreden und Einleitungen ihrer Kontroversschriften viel Mühe darauf, die „intellektuelle Aggression“ zu rechtfertigen und als unumgänglich und gerecht zu inszenieren, etwa indem man sie als Notwehr gegenüber gegnerischen Provokationen oder der Verteidigung der Wahrheit stilisiert. Als David Pareus nach dem „Schwalbacher Kolloquium“ eine Kontroverse um die Deutungshoheit dieses Treffens eröffnet, erläutert er ausführlich die Gründe für sein Vorgehen. Erst die wiederholten Lügen seines Gegners Becanus, der sich damit brüstete, das Kolloquium gewonnen zu haben, hätten ihn zur Abfassung bewogen.32 Becanus wirft ihm hingegen vor, aus anderen Beweggründen zur Kontroverse getrieben worden zu sein: „du schließt gänzlich dein Eigeninteresse, deine Ehre, dein Ansehen bei deinen Studenten aus!“33 Hierbei handelt es sich folglich um keine legitimen Gründe, den Frieden in der Gelehrtenrepublik zu brechen. 28  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 12. 29  Pareus, Hoseas Propheta, Titelseite: „Moguntini cujusdam Jesuitastri“. 30  Vgl. Kap. 4.1.2. 31  Stolt, Wortkampf, 83–100. 32  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 4–6. 33  Becanus, Epistola (…) ad D. Davidem Pareum, 10: „omnino secludis tuam causam, tuum honorem, tuam apud discipulos aestimationem“.



3.2.  Kontroversschriften zwischen Anerkennung und Anfeindung

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Ebenfalls im Stand eines ungeschriebenen Gesetzes ist das Ideal, einer Kon­ troversschrift seines Gegners schnell und vollständig zu antworten. Immer wieder verweisen die Autoren ihre Kontrahenten darauf, dass sie einer Schrift noch nicht geantwortet hätten und implizieren damit dem Leser, ihr Gegner wäre intellektuell nicht in der Lage, eine Antwort auf die eigenen Argumente zu verfassen oder habe Angst, sich zu blamieren. Von den Jesuiten auf dem Schwal­ bacher Kolloquium darauf angesprochen, dass er der letzten Kontroversschrift seines Gegners Mulhusinus noch nicht geantwortet habe,34 gerät Pareus daher in Erklärungsnöte und verweist auf seine Lehrverpflichtung sowie die Tatsache, dass er in seinen vorangegangenen Schriften auf alle Fragen eingegangen sei.35 Da Pareus erst zehn Jahre nach dem Kolloquium die Kontroverse um die Deu­ tungshoheit eröffnete, musste er sich zudem den Vorwurf gefallen lassen, er hätte den Tod der meisten jesuitischen Teilnehmer abgewartet. Becanus urteilt daher, dass „nicht das Alter und die Geduld“ Pareus’ – wie dieser es vorbeugend erklärt hatte – „sondern die Unbeständigkeit und Pedanterie eines verwirrten Geistes“36 Grund für die verspätete Kontroversschrift seien. Eine schnelle Antwort als Zeichen der intellektuellen Dauerbereitschaft und Aufrichtigkeit war so sehr angestrebtes Ideal der Kontroversen,37 dass einige Schriften offensichtlich sogar zurückdatiert wurden, um eine unmittelbare Antwort noch im gleichen Jahr zu suggerieren.38 Da Becanus mit seiner schnellen Antwortschrift nicht auf alle von Pareus behandelten Themen eingeht, sah er sich nun selbst der Kritik ausgesetzt, nicht in der Lage zu sein, eine vollständige Rechtfertigung seiner Position zu geben. Der Neustädter Schulrektor Michael Cramer, der an Pareus’ statt die Kontroverse in deutscher Sprache fortsetzte, stellt dies sogar optisch dar, indem er ein gutes Dutzend Themen in je einem eigenen Absatz aufzählt und jeweils die rhetorische Frage stellt, wie Becanus dies beantwortet. Die immer gleiche Antwort gibt er lautmalerisch selbst: „mit o o o o o o o o o“.39 Thomas Gloning zählt neben den oben ausgeführten Regeln, dem „principle of immediate answer“ und dem „principle of comprehensive reply“, noch zwei weitere ungeschriebene Gesetze der Kontroversen auf, nämlich das „principle of brevity“ und das „principle of thematic rigour“.40 In der Tat werden zuweilen 34  Vgl. Kap. 4.1.2. 35  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 40. 36  Becanus, Epistola (…) ad D. Davidem Pareum, 4: „non aequitatem & patientiam, sed animi turbati inconstantiam & acerbitatem“. 37  Tschopp, Politik im theologischen Gewand, 38; Gloning, Pragmatic Form, 103. 38  So ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Becanus seine Antwortschrift an Pareus (Be­ canus, Epistola […] ad D. Davidem Pareum) tatsächlich noch im Jahr 1619 vollendete, da die Vorrede Pareus’ auf den 20.11.1619 datiert ist. Rechnet man den zeitlichen Druckaufwand, die Verzögerung durch den Buchhandel und die zehntägige Verschiebung durch den von Becanus verwendeten Gregorianischen Kalender mit ein, ist das Zeitfenster denkbar knapp. 39  Pareus, Gespräche zu Langen-Schwalbach, 32 f. (mehrfach). Vgl. zur Wichtigkeit der umfassenden Beantwortung Tschopp, Politik im theologischen Gewand, 40. 40  Gloning, Pragmatic Form, 102–104.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

die Gegner in den Kontroversschriften dafür getadelt, wenn sie ausschweifend argumentieren und neue Themen in die Auseinandersetzung einbringen. Aller­ dings sind diese Prinzipien dem Anspruch auf Vollständigkeit offensichtlich nachgeordnet, der mit der erwünschten Kürze kollidieren kann. Über diese Prinzipien hinaus achten die Kontroverspublizisten mit großem Eifer darüber, ob die eigenen Schriften korrekt zitiert werden. Bereits kleine Abweichungen werden als Ausweis der Unredlichkeit des Kontrahenten angeprangert.41 Neben der immer wieder zu beobachtenden Tendenz der Autoren, sich Gegner aus dem näheren regionalen Umfeld zu suchen, fällt als Regel in der Gegnerwahl auf, dass die meisten Autoren darum bemüht sind, Kontroversen gegen Ge­ lehrte zu führen, die in etwa ihrem Rang und ihrer Bekanntheit entsprechen. Diese eng mit den Praktiken der Gelehrtenkultur zusammenhängende Regel wurde auch als Begründung herangezogen, dass Antworten auf eine kontroverse Provokation verweigert wurden oder ein anderer Autor stellvertretend für den Angegriffenen reagierte. In der Kontroverse um den Oath of Allegiance des eng­ lischen Königs James I. begründet der Mainzer Martin Becanus sein Eingreifen in die Kontroverse zwischen London und Rom damit, dass sein Gegner Lancelot Andrewes einer Antwort des berühmten Kardinals Bellarmin nicht würdig sei.42 Als Becanus seinerseits König James I. mit einer Kontroversschrift angriff, ant­ wortete der Oxforder Theologe William Tooker anstelle seines Königs, für den eine Kontroverse nicht statthaft gewesen wäre, und begründete sein Eingreifen unter dem Verweis auf das Duellwesen, das das Eingreifen eines Stellvertreters erlaube.43 Bei all diesen Regeln handelt es sich jedoch vor allem um Ideale, die zwar über Konfessionsgrenzen hinweg hochgehalten, aber überwiegend der Gegen­ seite vorgehalten werden. Auch wenn sie durchaus handlungsleitend gewirkt haben, finden sich bei allen Autoren zahlreiche „Verstöße“ gegen diese Regeln.

3.3.  Autoren, Adressaten und Funktion Die Frage nach der kommunikativen Situation der Kontroversschriften, nach Autoren und Adressaten ist eng verbunden mit ihrer Funktion und Intention. Dabei ist die Frage nach den Autoren leichter zu beantworten. In der Regel handelt es sich bei ihnen um Mitglieder der „kirchlichen Funktionselite“,44 meist promovierte Theologen in Anstellung als Professoren, Schulrektoren oder in staatsnahen Tätigkeiten als Hofprediger beziehungsweise Hofbeichtväter. In der 41  Vgl. auch Paintner, Aus der Universität auf den Markt, 141. 42  Becanus, Controversia Anglicana [11612], 6. 43  Tooker, Duellum siue singulare certamen. 44  Tschopp, Politik im theologischen Gewand, 5 f. Ähnlich Paintner, Des Papsts neue Creatur, 71.



3.3.  Autoren, Adressaten und Funktion

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Regel waren sie nicht offiziell zu dieser Tätigkeit beauftragt und verfassten die Schriften in ihren „Nebenstunden“ und den akademischen Ferien.45 Nicht alle Professoren beteiligten sich an den Kontroversen, in der Regel handelte es sich bei den aktivsten Kontroverspublizisten um jene Gelehrten, die allgemein über­ durchschnittlich viele Schriften in Druck gaben. Konfessionsvergleichend lässt sich der Unterschied feststellen, dass die Jesuiten als mit Abstand kontrovers­ theologisch aktivster Orden stärker als die Protestanten auf eine Zentralisierung der Kontroverspublizistik abzielten. Mit nur wenigen Ausnahmen waren die Kontroversen bewährten Jesuitenprofessoren vorbehalten, die bestenfalls sogar einen Lehrauftrag für Kontroverstheologie innehatten. Auch gab es mit Kardinal Robert Bellarmin (1542–1621) in der hier behandelten Epoche eine überragen­ de Gestalt unter den Kontroverspublizisten, wie sich im protestantischen Raum keine findet.46 Autoren, die über keine Professorenstelle oder einen Doktor­ grad verfügten oder nicht einmal genuine Theologen waren, gab es hingegen fast nur auf Seiten der Protestanten. Hier verfassten auch einfache Geistliche, Lehrer und zuweilen auch Juristen und Gelehrte anderer Fachrichtungen kon­ fessionelle Kontroversschriften. Es fällt auf, dass diese ambitionierten Autoren anschließend in manchen Fällen Karriere machten und ihre publizistische Tätigkeit in Amt und Würden fortsetzten. Die Anforderungen an die Autoren von Kontroversschriften waren sehr hoch. Neben der sprachlichen Gewandtheit mussten die Publizisten, wie es der Senat der Heidelberger Universität in einem Schreiben an Kurfürst Friedrich IV. darlegt, „nicht allein in locis theologicis, sondern auch in omnibus aliis partibus philosophiae et linguis wol versirt und mit anderen ecclesiis und theologis exteris conversirt seien.“47 Als seltener Sonderfall ist die Beteiligung an Kontroversschriftenwechseln durch Studenten und Schüler zu betrachten. Vor allem auf protestantischer Seite kam es vor, dass gelungene kontroverstheologische Übungsarbeiten ver­ öffentlicht wurden, sei es als eigenständige Schrift,48 oder von ihrem Lehrer herausgegeben.49 In der Kontroverse zwischen Heidelberg und Mainz um den Rosenkranz50 griffen mit Bartholomäus Pitiscus und Gottfried van Driel zwei Studenten zur Feder. Beide wurden indes bald darauf promoviert und verfassten 45  Pareus gibt etwa an, er habe seine Schrift zum Schwalbacher Kolloquium in den Wein­ leseferien (vindemia ferias) geschrieben: Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 132. Es handelt sich hierbei um zweiwöchige Sonderferien der Universität Heidelberg im Spätsommer, vgl. Hautz, Geschichte der Universität, II, 138. 46  Kemper, Literarischer Glaubenskampf, 149. 47  Senat an Friedrich IV., 8.6.1599, in: Winkelmann, Urkundenbuch, I, 332. Vgl. zu den Anforderungen an Kontroversisten auch Löhr, Der Gründer des Collegium, 387. 48  So etwa die gegen den Mainzer Jesuiten Adam Contzen gerichteten Chronologia Iubili Evangelici der Schüler der reformierten Schule in Worms-Neuhausen. Vgl. Kap. 4.3.4.3. 49  Dies gilt insbesondere für Gedichte und ähnliches Beiwerk, das in Kontroversschriften aufgenommen wird. Vgl. etwa die Schülerarbeiten in Stenius, Triumphalia de Victoriis Elisabethae und die Numisma in Contzen, Iubilum Iubilorum. 50  Vgl. Kap. 5.3.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

als Hofprediger beziehungsweise Professor der Kanonistik weitere Kontrovers­ schriften. Zu dieser Konstellation einer Schülerkontroverse kam es, da Driel in der Disputation, deren Thesen Pitiscus angreift, als Respondent gewirkt hatte. In der Regel ist bei Disputationsthesen dieser Zeit der präsidierende Professor, in diesem Fall Johannes Busaeus, als Verfasser anzunehmen. Auch wenn der Respondent in manchen Fällen Einfluss nehmen konnte, galten die Thesen den Zeitgenossen als Werk des Professors und erschienen unter dessen Namen. Da Pitiscus zum Zeitpunkt der Kontroverse noch Student war, wählte er sich offen­ bar mit Driel bewusst einen gleichrangigen Gegner (s. o.). Einige Kontroversschriften erschienen anonym oder unter einem Pseudo­ nym. Diese Praktik wurde von allen Seiten geächtet und war Jesuiten sogar offi­ ziell verboten.51 Dennoch war die Verwendung von Anonyma und Pseudonyma konfessionsübergreifend weit verbreitet, da dies große Vorteile mit sich brachte. Insbesondere bei politisch aufgeladenen Schriften konnten auf diese Weise die Zensur und andere unangenehme Folgen der Publikation umgangen werden.52 Zudem erschwerten sie dem Kontrahenten die Argumentation ad personam, konnten die geringe akademische Bedeutung eines Verfassers verschleiern und den Eindruck einer größeren Autorengruppe erwecken, die hinter der ver­ tretenen Sache stand. Unter die pseudonymen Schriften zählen offensichtliche Fälschungen und Fehlattributionen, die sich typischerweise als Schrifterzeug­ nisse einsichtiger Theologen der Gegenseite ausgeben, die die eigene Konfession in ein schlechtes Licht rücken. Manche dieser Publikationen sind derart leicht als Fälschungen erkennbar, dass dies wohl eher als literarischer Kunstgriff denn als ernsthafter Täuschungsversuch zu betrachten ist.53 Als Hauptadressaten der Kontroversschriften kann man recht klar „kon­ fessionelle Trägerschichten“54 der eigenen Konfessionsgruppe benennen. Dabei handelt es sich um Geistliche und gebildete Laien, etwa städtische Magistrate und hohe Beamte des Konfessionsstaats, die als „Multiplikatoren der konfes­ sionellen Differenz“55 wirken. Dabei wurden die Kontroversschriften, wie sich an den Beständen historischer Pfarrbibliotheken ablesen lässt, nicht nur im Herkunftsterritorium, sondern überregional rezipiert.56 Die Auflage dürfte in der Regel zwischen wenigen Hundert bis wenigen Tausend Exemplaren gelegen haben.57 Wie der Begriff der „Multiplikatoren“ suggeriert, wirkten die Kon­ 51  Bremer, Religionsstreitigkeiten, 3 f.; Tschopp, Politik im theologischen Gewand, 45. 52  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 234. 53 Vgl. Prati [Ps.], Epistola Ad P. Martinum Becanum; Rittingindon [Ps.: Becanus], De Privilegiis Calvinistarum; Nicolai, Jubelklag. Beim letzten Beispiel gibt sich der wahre Autor schon auf der Titelseite zu erkennen, die Behauptung, es handele sich um die Schrift eines lutherischen Pfarrers aus der Wetterau, wird erkennbar als Fiktion markiert. 54  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 75; ähnlich Ritschl, Dogmengeschichte, IV, 235. 55  Bremer, Religionsstreitigkeiten, 187. 56  Ebd., 290–294. 57  Vgl. exemplarisch Tschopp, Politik im theologischen Gewand, 3 f.



3.3.  Autoren, Adressaten und Funktion

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troversschriften jedoch über diese primäre Leserschaft hinaus. Auch wenn die Laien selbst im protestantischen Raum nicht mehr in gleicher Weise als Teil einer „reformatorischen Öffentlichkeit“58 in die theologische Diskussion eingebunden waren wie in der Frühzeit der Reformation, verbreiteten sich grundlegende Inhalte gelehrter Publizistik durch Predigten, Unterricht und symbolische Kom­ munikation in weiteren Teilen der Bevölkerung.59 Dass sich die Kontrovers­ schriften vornehmlich an Leser der eigenen Konfession richten, zeigt sich auch daran, dass der Text der gegnerischen Vorlage zumindest großzügig zitiert und in manchen Fällen sogar vollständig mitgeliefert wird. Der Leser braucht also nicht beide Seiten gelesen zu haben, um der Kontroverse zu folgen. Kontroversschriften inszenieren somit vor dem vornehmlich konfessions­ verwandten Publikum einen polemischen Schaukampf. Autor und Kontrahent treten als „communicative flagships of their party“60 an und repräsentieren nicht nur ihre eigene Gelehrsamkeit, sondern versuchen auch die Überlegenheit und Rechtgläubigkeit der eigenen Konfessionsgruppe zu beweisen und zu dokumen­ tieren. Dies dient primär der konfessionellen Abgrenzung und Selbstbestärkung und verleiht den Kontroversschriften somit eine elementare Funktion für das konfessionelle Zusammengehörigkeitsgefühl.61 Hier ist etwa an Georg Simmels Ausspruch von der „kollektivierende[n] Wirkung des Streites“62 zu denken. In der konfessionellen Konkurrenzsituation soll die eigene Gruppe auf die eigenen Überlegenheits- und Wahrheitsansprüche eingeschworen und diese gegen äu­ ßere Angriffe verteidigt werden. Die Theologen der Gegenseite sind also nicht als die primären Adressaten der Kontroversschriften anzusehen.63 Vorreden, die sich explizit an Leser anderer Konfessionen richten, sind eine Seltenheit und erweisen sich eher als rhetorische Figur denn als ernsthafter Überzeugungsversuch.64 Berichte, Häretiker hätten sich nach der Lektüre einer Kontroversschrift zur Konversion entschlossen, gehören zwar zu den üblichen Topoi der jesuitischen Litterae Annuae,65 dokumentierte Fälle, in denen Kontroversliteratur den Anstoß zur 58  Wohlfeil, Reformatorische Öffentlichkeit. Wohlfeil bezeichnet mit diesem Begriff die Publizistik und Einbindung der Laien um 1520, die sich später nicht im gleichen Maße finde. 59  Körber, Öffentlichkeiten in der frühen Neuzeit, bes. 169–173. Körber rechnet die Kon­ troversschriften der „Bildungsöffentlichkeit“ zu. Ähnlich Füssel, Zweikämpfe des Geistes, 177; vgl. Schulze, Über ‚Öffentlichkeiten‘ im 17. Jahrhundert. 60  Gloning, Pragmatic Form, 87; vgl. Stenzel, Rhetorischer Manichäismus, 5–7. 61  Kemper, Literarischer Glaubenskampf, 145; Tschopp, Politik im theologischen Ge­ wand, 34; Bremer, Religionsstreitigkeiten, 213–221; Paintner, Des Papsts neue Creatur, 5. 62  Simmel, Soziologie, 363. 63  So vertreten von Buch, Sic adeunt, 280. Buch geht davon aus, dass nur kleine Schmäh­ schriften sich an die eigene Seite richteten. 64 Vgl. Cooke, Pope Ioane, fol. A4r–v : „to the Popish or Catholicke Reader“; Contzen, Defensio Libri De Gratia, 2: „AD Heidelbergensis Theologiae Auditores Prooemium“. 65  Vgl. u. a. Annuae Litterae 1592 [Prov. Rhen.], 141; Annuae Litterae 1593 [Mainz], 238; Annuae Litterae 1601 [Speyer], 592.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

Konversion gibt, sind jedoch eine Seltenheit. Wie im Fall des Heidelberger Konvertiten Justus Calvinus/​Baronius66 handelte es sich hierbei wenn, dann nur um ein nachgeordnetes Konversionsmotiv. Dies bedeutet indes nicht, dass Kontroversschriften überhaupt keine Leser in der anderen Konfessionsgruppe gefunden hätten. Die an Kontroversen interessierten und beteiligten Gelehrten verschafften sich über Messkataloge und den Buchhandel einen umfassenden Überblick über die Schriften der Gegenseite, um auf Provokationen schnell rea­ gieren zu können. Zudem scheinen sich insbesondere Studenten für gegnerische Kontroversschriften sehr interessiert zu haben.67 Die Autoren selbst waren sich der Tatsache bewusst, dass sie nur die wenigs­ ten ihrer anderskonfessionellen Leser würden überzeugen können. Der Mainzer Martin Becanus reflektiert dies, indem er vier Arten von Häretikern unter­ scheidet. Nicht mit Argumenten zu überzeugen seien die Pertinaces, Häretiker, die aus Stolz und Geltungssucht ihre Lehren verbreiteten und den Pharisäern ähnelten. Für diese empfiehlt er eine andere Strategie: „Es muss dennoch eine Beschämung in Sachen der Vernunft sein, die nicht durch Beschimpfungen und Schmähungen geschieht, sondern durch gerechten Tadel oder offensichtlichen Sieg.“68 Diese Gruppe, zu der Becanus wohl die meisten Autoren protestantischer Kontroversschriften zählen würde, gilt es also nicht zu überzeugen, sondern zu entzaubern und bloßzustellen. Auch die zweite Gruppe, die aus reiner Unwissenheit irrenden Zelosi, seien „nicht so sehr mit Vernunftsgründen und Argumenten zu überschütten, als vielmehr durch Gebet Gott anzuvertrauen“,69 so wie es Stephanus für Paulus und Monica für Augustinus taten. Den Frigidi, die aus Opportunismus oder anderen ungeistlichen Gründen in der Häresie ver­ harrten, sei hingegen mit aller Strenge, jedoch nicht mit gelehrten Argumenten zu begegnen. Nur die letzte Gruppe, die beherzt nach Wahrheit suchenden Dubii (und auch nur die Gebildeten unter ihnen), seien direkt mit Kontroversschriften zu erreichen. Wie Nicodemus (Joh 3) und der äthiopische Kämmerer (Apg 8) müssten diese jedoch selbst die rechte Geisteshaltung einbringen und Gottes Hilfe erhalten.70 Auch Becanus’ Mainzer Nachfolger Adam Contzen kommt zu dem Schluss, dass nur ein kleiner Teil der Häretiker zu überzeugen sei, betont aber eine weitere Funktion seiner Kontroversschriften. Die Angehörigen der ei­ 66  Vgl. Kap. 4.2.1. 67  Vgl. etwa eine von David Pareus geschilderte Szene über einen Theologiestudenten, der ihn mit Aussagen seines Gegners Becanus konfrontiert habe: Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 5. 68  Becanus, Manuale Controversiarum Huius Temporis, fol. *[7]r: „Debet tamen esse confusio rationabilis, quae non fiat per conuicia & maledicta, sed per iustum reprehensionem aut apertam victoriam.“ 69  Ebd., fol. *[7]v ; „nec tam rationibus & argumentis obruendi, quam Deo per orationem commendandi.“ 70  Ebd., fol. *[7]v–*[8]r.



3.4.  Sprache und Übersetzungen

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genen Konfession müssten angesichts der „Hundertschaften allerverseuchtester Bücher“71 der Häretiker verteidigt und mit einem „Gegenmittel“ („antidotum“) ausgestattet werden. Die Kontroversisten des konfessionellen Zeitalters sind sich also der Wirkweise ihrer Schriften durchaus bewusst und publizieren keines­ wegs rein um des Streites und der akademischen Ehre willen.

3.4.  Sprache und Übersetzungen Der Großteil der in dieser Arbeit behandelten Kontroversschriften ist in lateini­ scher Sprache verfasst, der lingua franca der gelehrten Welt in der Frühen Neu­ zeit. Der Stil dieser lateinischen Schriften ist meist ein eher schlichtes (Neu-) Latein, wie es in der gelehrten Welt der Frühen Neuzeit als Gebrauchssprache üblich war. Die Verwendung der lateinischen Sprache zeichnet diese Schriften als wissenschaftliche Abhandlungen aus und beschränkt zugleich den Kreis der möglichen Leser auf eine Minderheit, die des Lesens längerer lateinischer Texte mächtig waren  – auch unter Menschen eines gewissen Bildungsgrades keine Selbstverständlichkeit. Nur eine Minderzahl der gelehrten Kontroversschriften sind in der Volkssprache verfasst, hinzu kommen Übersetzungen lateinischer Drucke. Es wäre jedoch ein Missverständnis, hierin eine Ausweitung des aka­ demischen Diskurses auf breite Bevölkerungsschichten zu sehen. Nicht nur die Alphabetisierungsrate, sondern auch die Schriften selbst engen den Rezi­ pientenkreis ein. Die deutschen Kontroversschriften setzen ein hohes Maß an theologischer Bildung voraus, das über im Katechismusunterricht vermittelte Kenntnisse deutlich hinausgeht. Viele lateinische theologische Fachbegriffe (substantialiter, Ubiquität etc.) bleiben meist unübersetzt und werden nicht erläutert, in manchen Fällen werden sogar längere lateinische Zitate im Fließtext belassen. Als intendierte Adressaten volkssprachlicher Kontroversschriften ist daher primär ebenfalls ein akademisch gebildetes Publikum anzunehmen, dem trotz grundlegender Kenntnisse in der Theologie und womöglich auch in der lateinischen Sprache die Lektüre eines langen lateinischen Werks zu anspruchs­ voll oder zu mühsam ist.72 Zu denken wäre etwa an einfache Geistliche und Lehrer sowie Adelige und Juristen in Funktionen des Konfessionsstaats. Die Akteure der konfessionellen Kontroversen machen keinen expliziten Unterschied zwischen lateinischen und deutschen Schriften; Stil und Argumen­ tationsweisen sind in der Regel übereinstimmend. Auffällig ist nur, dass die Au­ toren für gewöhnlich in der Sprache antworten, die ihr Kontrahent verwendet. Die dafür notwendige Zweisprachigkeit war bei den meisten Autoren gegeben, 71  Contzen, Coronis Omnium Jubilorum, fol. (?)(?)(?)r [sic!]: „centurias pestilentissimo­ rum librorum“. 72  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 7 f.; Bremer, Techniken der Leserlenkung, 522.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

jedoch keine Selbstverständlichkeit für frühneuzeitliche Gelehrte.73 Dies betrifft insbesondere die Gelehrten, die nicht mit Deutsch als ihrer Muttersprache auf­ wuchsen, wie die Heidelberger Hugenotten um Franciscus Junius oder mehrere Mainzer Jesuiten, die aus dem belgischen Raum stammten wie Martin Becanus und Johannes Busaeus. Auch wenn diese sicherlich zumindest über grund­ legende deutsche Sprachkenntnisse verfügt haben und teilweise sogar in der Volkssprache predigten, fühlten sie sich in der Abfassung lateinischer Schriften wohler. Entgegen des populären Vorurteils verfassten auch katholische Autoren volkssprachige Kontroversschriften und Übersetzungen. Im Lauf des 16. Jahr­ hunderts hatten insbesondere die Jesuiten den protestantischen Vorsprung in der deutschsprachigen Publizistik weitgehend aufgeholt.74 Aufgrund ihres etwas breiteren Adressatenkreis behandeln volkssprachliche Kontroversschriften vor allem populäre Themen, die über reine Gelehrtendiskurse hinausgehen und in die Lebenswelt weiter Bevölkerungskreise hineinreichen. Hierzu zählen etwa der Abendmahlsstreit als identitätsstiftende Kontroverse schlechthin, der Streit um die Einführung des Gregorianischen Kalenders oder die Auseinanderset­ zung um die Legitimität der Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum 1617. Auch wenn man nicht generell von einem „einfacherem und weniger kon­ zentriertem Stil“75 der volkssprachlichen Kontroversschriften sprechen kann, sind viele doch darum bemüht, den Text ansprechender zu gestalten. Die deutschsprachigen Drucke und Übersetzungen der Mainzer Jesuiten, die im Verlagshaus Johannes Albin gedruckt wurden, haben anders als die meisten lateinischen Schriften aus diesem Haus eine zweifarbig gestaltete Titelseite in rot und schwarz. Von einfacher Andachtsliteratur, die tatsächlich für die gesamte lesekundige Bevölkerung gedacht ist, unterscheiden sich die volkssprachlichen Kontroversschriften dennoch sichtbar durch die Verwendung einer kleineren Schrifttype sowie Marginalglossen und Quellenverweise.76 Übersetzungen können verschiedene Formen annehmen. Ein großer Teil der in die Volks­ sprache übersetzten Kontroversschriften sind Vollübersetzungen, einige sind hingegen gekürzt. Während kleinere, meist sprachlich begründete Änderungen und der Zusatz von Marginalglossen zur üblichen Übersetzungspraxis in der Frühen Neuzeit gehören, sind volkssprachliche Übertragungen, die längere Passagen hinzufügen, eine Ausnahme.77 Aus heutiger Sicht etwas ungewöhnlich sind Übersetzungen aus der Volkssprache ins Lateinische.78 Diese seltenere 73  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 71. 74  Bremer, Religionsstreitigkeiten, 132–134. 75  Körber, Öffentlichkeiten in der Frühen Neuzeit, 172. 76 Vgl. etwa die seiner Schwester gewidmete Schrift Miletus, De Cura pro mortuis. Es handelt sich um die Übersetzung einer Schrift Augustins, nur der Titel ist in lateinischer Sprache. 77  So etwa der Übersetzer des Irenicum Pareus’ Gwinandus Zonsius: Pareus, Irenicum oder Friedemacher; vgl. Wolgast, Heidelberger Irenik, 184 mit Anm. 5. 78  Vgl. etwa Pareus, De Symbolis Sacramentalibus; Scultetus, Concio secularis.



3.5.  Argumentationsweise, Strategien und Gestaltung

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Form der Übersetzung erfüllte letztlich den gleichen Zweck wie eine volks­ sprachliche Übersetzung, nämlich die Erweiterung des Rezipientenkreises um fremdsprachige Gelehrte auch im Ausland. Dass der Buchmarkt für Kontrovers­ schriften internationalisiert war, zeigen auch insgesamt vier Übersetzungen von Werken des Mainzers Martin Becanus’ ins Englische.79 Eine Besonderheit ist Abraham Scultetus’ zunächst in deutscher Sprache erschienene Schrift Kurtzer Aber schrifftmässiger Bericht Von den Götzenbildern,80 die ins Lateinische, Tschechische und Englische übersetzt wurde.81 Übersetzungen erschienen in vielen Fällen zeitnah, gelegentlich erschienen sie auch als Antwort auf eine Gegenschrift, nun um ein Vorwort ergänzt.82 In aller Regel übersetzten die Autoren ihre Schriften nicht selbst.83 Aus Zeit­ mangel oder im Einzelfall auch mangelnder Sprachkompetenz überließen sie diese Arbeit meist Gelehrten der zweiten Reihe. Etwa die Hälfte der Überset­ zungen geben nur den Autoren des Ausgangswerkes an, es lassen sich jedoch einige Namen einordnen. Schriften der pfälzischen Theologen übersetzten die Heidelberger Stadtgeistlichen Tobias Fabricius und Andreas Keller und der Neu­ städter Schulrektor Michael Cramer, auf Mainzer Seite werden Johannes Maier, ein Jesuit und Theologiestudent, Matthaeus Kiening, Weltpriester am Mainzer Liebfrauenstift, und der Ingolstädter Jesuit Conrad Vetter namentlich genannt.

3.5.  Argumentationsweise, Strategien und Gestaltung Die Autoren der konfessionellen Kontroversschriften brachten in ihre Werke die rhetorische Ausbildung ein, die als Teil der Ratio studiorum und der an Me­ lanchthon orientierten protestantischen Studienpläne auch zu diesem Zweck aufgenommen wurde.84 Rhetorische Figuren, übergeordnete Strategien und inhaltliche Argumente sind dabei aufeinander bezogen und so sehr miteinander verbunden, dass eine Trennung zwischen „substantiellen“ und „rhetorischen“ Argumenten, wie sie etwa Marcelo Dascal für die Kontroversschriften vor­ schlägt,85 nicht sachdienlich wäre. Selbst die Argumentation ad hominem (s. o.) dient letztlich der Einschärfung des Inhalts: Person, Konfession und Lehr­ position sind untrennbar miteinander verbunden. 79  Vgl. Kap. 6.2.4. 80  Vgl. Kap. 5.5. 81  Vgl. die Publikationsliste in Scultetus, Selbstbiographie, 140. 82  So etwa Pareus, Gespräche zu Langen-Schwalbach. 83  So als Regelannahme bei Paintner, Des Papsts neue Creatur, 71. Die abweichenden Erkenntnisse könnten sich aus Unterschieden in der betrachteten Quellengruppe erklären. 84  Richardsen-Friedrich, Antichrist-Polemik, 40–43; Bremer, Religionsstreitigkeiten, 242. 85  Dascal, Controversies as Quasi-Dialogues, 148; dagegen Paintner, Des Papsts neue Creatur, 23; Stolt, Wortkampf, 119.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

Der rhetorische Aufbau der Kontroversschriften entspricht dem der Gerichtsrede, dem genus iudiciale in der antiken Rhetoriktheorie.86 Ihr Ziel ist folglich nicht die Darstellung möglicher Handlungsalternativen oder das Über­ zeugen des direkt angesprochenen Gegenübers (genus deliberativum), sondern die Aufwertung der eigenen Position bei gleichzeitiger Abwertung der gegneri­ schen Position Dritten gegenüber. Als Gerichtsrede zielt sie auf die Urteilsbil­ dung eines Publikums ab. Hieraus ergibt sich eine inhärente Dialogstruktur der Kontroversschriften, deren Ziel eine dualistische Fremd- und Selbstdarstellung ist.87 Die Gegenposition wird dabei als negatives Gegenbild der eigenen Schrift inszeniert und als argumentativ unterlegen dargestellt. Durch die Textaus­ wahl und bewusste Kontextsetzung lässt sich die Gegenposition bis zu einem gewissen Grad verzerren. Dass der Gegner somit nur gefiltert zu Wort kommt und überdies selbst nicht überzeugt werden soll, lässt sich mit Marcelo Dascals treffend mit dem Begriff „Quasi-Dialogue“88 für die Kontroversschriften aus­ drücken. Viele Schriften bauen auf dieser dialogischen Struktur ihre gesamte Argumentationsstruktur auf. Solche kommentierenden Angriffsschriften, oft mit Titeln wie Refutatio, Elenchus oder Examen gekennzeichnet (s. o.), drucken Schlüsselpassagen der Vorlageschrift ihres Gegners ab und versehen diese mit polemischen Anmerkungen und Richtigstellungen. Besonders eindrücklich zeigt sich dieses Vorgehen beispielsweise in der von dem Mainzer Jesuiten Petrus Thyraeus veröffentlichten Schrift Causa Vocationis et Missionis Ministrorum Evangelicorum, die alle zwischen ihm und seinem Heidelberger Gegen­ spieler Daniel Tossanus gewechselten Schriften in der Kontroverse um die Le­ gitimität der evangelischen Pfarrerordination beinhaltet. Thyraeus ermöglicht somit seinen Lesern in der nun schon über Jahre andauernden Kontroverse einen besseren Überblick und signalisiert zugleich, dass er die Schriften seines Gegners nicht als Bedrohung für seine Position ansieht. Die Dialogstruktur nimmt im Verlauf eines längeren Kontroversschriftenwechsels für gewöhnlich zu. Schriften, die bereits auf mehrere Vorlagen zurückblicken, legen großen Wert auf Richtigstellungen und widmen sich zunehmend kleineren Detailfra­ gen, wobei dennoch immer wieder neue Aspekte in die Kontroverse eingeführt werden können. Die Zitation des Gegners und die Darstellung seiner Position ist nicht nur wichtig, um den Lesern, die teilweise nur die Schriften der eigenen Seite lasen, die zum Verständnis notwendigen Informationen zu geben. Sie dient auch dazu, echte oder vermeintliche Widersprüche in der Argumentation des Kon­ trahenten aufzudecken und als Erweis seiner Unglaubwürdigkeit gegen ihn zu benutzen. Eine beliebte Argumentationsstrategie ist es, ausgewählte Zitate des 86  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 45.128–131; Marti, Controversia. 87  Stenzel, Rhetorischer Manichäismus; Paintner, Des Papsts neue Creatur, 141.171–180; Paintner, Aus der Universität. 88  Dascal, Controversies as Quasi-Dialogues.



3.5.  Argumentationsweise, Strategien und Gestaltung

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Gegners affirmativ zu zitieren und zu loben, nur um sie anschließend gegen andere Passagen dieses Autors auszuspielen. Einzelne Schriften wie etwa Martin Becanus’ Dissidium Anglicanum De Primatu Regis89 bestehen sogar gänzlich aus einer Aufzählung der inneren Widersprüche der Gegenseite. Popularisiert hat diese Argumentationsweise Robert Bellarmin, der als einfluss­ reichster jesuitischer Kontroverstheologe seiner Zeit erstmals in großer Menge Reformatorenzitate in seinen Kontroversschriften benutzte, um innere Wider­ sprüche und Uneinigkeit der Protestanten aufzudecken. Sein Vorgehen musste Bellarmin gegenüber ordensinterner Kritik etwa durch den ungarischen Je­ suiten Szántó Arator István verteidigen, der ihm vorwarf, Häretiker unzulässig ausführlich zu Wort kommen zu lassen und die eigene Position zu schwächen, indem Gegenpositionen verbreitet werden.90 Bellarmins Strategie erwies sich jedoch als derart effektiv, dass er sich gegen seine Kritiker durchsetzen konnte. Herausragende Kontroverspublizisten beherrschten die Kunst, durch geschick­ te Anordnung eigener und gegnerischer Positionen in der Dialogstruktur den Verlauf der Kontroverse in ihrem Sinne zu beeinflussen. Martin Becanus gelang es beispielsweise immer wieder, den Fokus der Kontroverse zu lenken, indem er die Schrift seines Gegners neu systematisiert und für ihn Thesen formuliert, die er anschließend widerlegt. Manche unerfahrenen Autoren griffen diese fremdformulierten Thesen auf und ließen sich unwissentlich durch ihren Gegner beeinflussen. Der Kontrahent wird in den Kontroversschriften als ein Zerrbild dargestellt. Oft bleibt er namenlos und wird mit der Bezeichnung adversarius auf seine Funktion als irrender, wenn nicht gar böswillig verführender Gegenspieler re­ duziert. Mit Spottnamen, Verballhornungen und einer ausgeprägten Argumen­ tation ad hominem (s. o.) soll das Publikum gegen ihn eingenommen werden. Der Leser wird nicht nur in der Vorrede direkt angesprochen und soll emotional gewonnen werden.91 Dabei streifen die Kontroversschriften immer wieder das Gebiet der Komik. Argumente des Gegners werden durch Überspitzung und Dekontextualisierung ad absurdum geführt und der Kontrahent offen verspottet. Diminutive, Wortspiele und Ironie dienen als Werkzeug der Delegitimierung des Gegners und seiner Argumente. Nachdem etwa Bellarmin in der Kontro­ verse um den Oath of Allegiance James’ I. das Pseudonym Matthaeus Tortus verwendet hatte, betitelte der anglikanische Bischof Lancelot Andrewes seine Gegenschrift Tortura Torti. Diese spöttisch-humoristischen Invektiven können dabei durchaus den guten Geschmack verletzen. Um zu beweisen, dass unmora­ lische Verträge sündlos gebrochen werden können, und um somit seine These zu verteidigen, Verträge mit Häretikern könnten unter bestimmten Positionen 89  Vgl. Kap. 6.2.4. 90 Vgl. Dietrich, Theologie der Kirche, 109–114; Löhr, Der „Gründer“ des Collegium Hungaricum, 385–403. 91  Bremer, Techniken der Leserlenkung, 520.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

gebrochen werden,92 stellt Martin Becanus ein Exempel auf, das seinen Kon­ trahenten beinhaltet: „Pareus hat mit Katharina [i. e.: generischer Frauenname] einen Pakt geschlossen, die Ehe zu brechen und ihrem jeweiligen Ehepartner Gift zu verabreichen. Die Frage ist nun, ob er den Vertrag einhalten muss und gezwungen durch diesen Pakt Ehebruch begeht und das Gift verabreicht? Schau an, was du antworten wirst.“93

Becanus, dem man allenfalls zu Gute halten kann, dass er nicht um den Tod der Ehefrau Pareus’ kurz zuvor wusste, spielt hier mit katholischen Vorbehalten gegenüber verheirateten evangelischen Theologen. Bereits der Ehestand seines Gegners gibt diesen vor den Augen Becanus’ und seiner Leser der Lächerlichkeit preis. Eine weitere beliebte Argumentationsstrategie ist die demonstrative Über­ bietung des Gegners. Antwortschriften sind häufig länger als ihre Vorlagen und versuchen, den Kontrahenten bereits mit der Quantität der gelieferten Argu­ mente und Exempla auszustechen. Hierzu eignen sich besonders Listen, die sich über mehrere Seiten erstrecken können. Die Aufzählung der Fehler und inneren Widersprüche des Gegners, der Autoritäten oder der historischen Exempla, auf die verwiesen wird, nummerieren die Autoren häufig, um den Leser zu über­ wältigen und von der Überlegenheit der eigenen Position zu überzeugen. Damit verwandt ist eine Art „Front-Load-Strategie“, mit der in kommentierenden An­ griffsschriften die ersten Seiten der gegnerischen Vorlage besonders genau ge­ prüft und teils mit mehreren Anmerkungen pro Satz versehen. Auch wenn diese Intensität der Auseinandersetzung nicht gehalten wird, erzeugen die Autoren so den Eindruck, die Schrift ihrer Gegner sei besonders fehlerhaft. Die formale Gestaltung der Kontroversschriften dient ebenfalls diesen Ar­ gumentationsstrategien. Um in der dialogischen Struktur direkte Zitate aus der Schrift des Gegners zu markieren, verwenden die Autoren und ihre Schriftsetzer meistens Kursive, um diesen „Fremdkörper“ zu markieren. Ähnlich wie die be­ liebten Listen dienen Marginalglossen und Fußnoten der Suggestion der Leser.94 Durch Verweise auf Bibelstellen, Kirchenväter, Reformatoren und andere Quellen werden dem Leser nicht nur nützliche Informationen gegeben, er soll auch von der Gelehrsamkeit des Autors und der Autorität der vertretenen Position über­ zeugt werden. Quellenverweise in Marginalglossen und Fußnoten – in extremen Fällen können mehr als ein Dutzend auf einer Seite gesetzt werden – vermitteln den gewünschten Effekt auf die Leser schon rein optisch. Da die in der Regel 50 bis 300, in Einzelfällen auch noch mehr Seiten umfassenden Kontrovers­ 92  Vgl. Kap. 6.3.3. 93  Becanus, Epistola (…) ad D. Davidem Pareum, 68: „Pareus cum Catharina pactus est de adulterio, & de venenon marito ipsius porrigendo. Quaestio est, an teneatur seruare fidem; & vi illius pacti, adulterium committere, & venenum porrigere? Vide, quid respondeas.“ 94  Bremer, Techniken der Leserlenkung, 519.



3.6.  Kontexte: Zensur und Infrastruktur

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schriften95 meist eher mühsam zu lesen sind, bemühen sich viele Autoren um eine leserfreundliche Gestaltung ihrer Werke. Ausführliche Inhaltsverzeichnisse und knappe Absatzzusammenfassungen als Marginalien finden sich in vielen Kontroversschriften und ermöglichen dem Leser, sich schnell einen Überblick über die Schrift zu erlangen und bestimmte Unterthemen gezielt anzusteuern. Zudem verstärken lange Verzeichnisse der behandelten Streitfragen und Stich­ wort-, Bibelstellen- und Quellenregister den gewünschten Eindruck von Gelehr­ samkeit und akkurater Arbeitsweise. Die Gestaltung der Titelseite zielt darauf ab, die Schrift in ihrer kommuni­ kativen Situation zu verorten. Autor und gegebenenfalls der angegriffene Kon­ trahent sind meist groß und deutlich gedruckt, Titel und Untertitel informieren über den Gegenstand der Kontroverse, sodass auch ein unbeschlagener Leser die Schrift einordnen kann. Genrebezeichnungen wie Refutatio oder Apologia geben erste Einblicke in Struktur und Argumentationsweise der Arbeit (s. o.), bei längeren Kontroversen treten oft Signalwörter wie „iteratus“ oder „alter“ hinzu, um die Schrift als eine Neuveröffentlichung auszuweisen. Trotz gelegentlicher Wortspiele sind die meisten Titel stark formalisiert. Die drucktechnische Ge­ staltung ist meist sehr schlicht, als einzige Illustrationen finden sich Druckervi­ gnetten und bei jesuitischen Schriften das IHS-Monogramm.

3.6.  Kontexte: Zensur und Infrastruktur Hinsichtlich der obrigkeitlichen Eingriffsmöglichkeiten in die Kontroverspubli­ zistik klaffen im konfessionellen Zeitalter Anspruch und Wirklichkeit auseinan­ der. Die kirchenrechtlichen Vorgaben bezüglich der Verbreitung häretischer Schriften konnten schon seit Beginn der Reformation nicht flächendeckend umgesetzt werden und auch die reichsrechtlichen Verbote von Schmähschriften erwiesen sich als kaum durchsetzbar. Nur im Rahmen der Frankfurter Messe konnten der kaiserliche Kommissar und der städtische Rat auf den Buchhandel Einfluss nehmen und auch hiervon waren die allermeisten gelehrten Kontro­ versschriften nicht betroffen. Eine effektive Beeinflussung der Kontroverspubli­ zistik war somit nur auf territorialer Ebene möglich. Für die jesuitischen Autoren kamen ordensinterne Bestimmungen hinzu. Neben der weltlichen Obrigkeit beziehungsweise dem Bischof als Landesherrn mussten sie die Approbation des Ordensprovinzials für jede Veröffentlichung einholen. Hinzu kam seit dem Generalat Claudio Acquavivas (1581–1615) die Forderung, alle Schriften vor 95  Je nach Definition einer Kontroversschrift und Quellenauswahl kann die durchschnitt­ liche Seitenzahl differieren. Gloning, Pragmatic Form, 88 geht von durchschnittlich 70 Seiten aus. Die Rechnung bei Paintner, Des Papsts neue Creatur, 93, die durchschnittlich 150 Seiten annimmt, deckt sich in etwa mit der Hochrechnung der in dieser Arbeit verwendeten Kontro­ versschriften.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

Veröffentlichung nach Rom an die Ordenszentrale zu schicken. Dem kamen allerdings die Jesuiten nördlich der Alpen selten nach. Sie konnten sich auf eine dehnbare Sonderregel für kleine Kontroversschriften und Disputationsthesen berufen.96 Aufgrund der in den Kontroversen eminent wichtigen Schnelligkeit des Schlagabtauschs galt die Vorzensur den deutschen Jesuiten als nicht prakti­ kabel und wurde von der Ordenszentrale auch nur selten angemahnt.97 Für die Zensuren war eine eigenständige Kommission bestehend aus zwei bis vier Professoren des römischen Jesuitenkollegs zuständig.98 Zensurakten zu Mainzer Schriften finden sich im Römischen Archiv der Jesuiten nur in Ausnahmefällen, so etwa zu Nicolaus Serarius’ Kommentar zu den Katholischen Briefen.99 Bei Kontroversschriften griff Rom in der Regel nur in Zweifelsfällen und erst nach der Veröffentlichung ein. Unter stärkerer Beobachtung durch Rom stand nur Martin Becanus, nachdem er gleich zweimal in Konflikt mit Rom geraten war, einmal wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen die Veröffentlichungsres­ triktionen im Gnadenstreit und ein weiteres Mal im Rahmen der Kontroverse um den Oath of Allegiance, als er sogar vorübergehend auf den Index der ver­ botenen Bücher gesetzt wurde.100 Wohl nur durch das persönliche Eingreifen Robert Bellarmins blieben Becanus härtere Konsequenzen erspart. Zu sechs weiteren Schriften sind Zensurakten in Rom archiviert, die jedoch keine oder nur geringfügige Einwände erheben.101 Eine weitere Schwierigkeit für katholische Autoren war, dass nach dem kano­ nischen Recht nominell keine häretischen Bücher erworben und gelesen werden durften. Allerdings galten für Autoren von Kontroversschriften Sonderregeln. So urteilt eine Depesche des Sanctum Officium von 1594: „Kontroversschriften zwischen den Häretikern und Katholiken sind durch den Index verboten und dürfen nicht gedruckt werden. In Deutschland aber wird ihr Druck und Verkauf gebilligt aufgrund der schlechten Bedingungen der Zeit“.102 Zudem wurden die Bestimmungen des Index in dieser Zeit von den meisten Bischöfen nicht kon­ sequent durchgesetzt. Auch in Mainz waren den Jesuiten diesbezüglich offenbar keine Schranken gesetzt.103 Die meisten Kollegbibliotheken der Jesuiten hatten eine eigene, geschlossene Abteilung mit verbotenen Büchern.104 96  Döllinger/​Reusch, Moralstreitigkeiten, I, 653. 97  Vgl. etwa ARSI, Rhen. Inf. 5, fol. 401v. 98  Döllinger/​Reusch, Moralstreitigkeiten, I, 652–656; Friedrich, Die Jesuiten, 308. 99  Vgl. Kap. 4.1.3. 100  Vgl. Kap. 5.1.1.; 6.2.4. 101  ARSI FG Cens. 654, fol. 317r–321r.322r.323r.324r.325r–326v.328r–330v. 102  Zit. nach: Köster, Studien zu den Katholischen deutschen Bibelübersetzungen, 239: „Libri controversiam inter hereticos et Catholicos sunt per Indicem prohibiti, nec possunt im­ primi. Sed in Germania tolleratur eorum impresso et venditio stante mala temporum qualitate“. Vgl. auch Becanus, Theologia Scholastica, II,2,233. 103  Die anderslautende Annahme bei Freund, Bücher- und Pressezensur im Kurfürstentum Mainz, 56, der ausschließlich von normativen Rechtsvorschriften ausgeht, ist (wie auch die



3.6.  Kontexte: Zensur und Infrastruktur

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Auch auf andere Weisen konnte eine obrigkeitliche Beeinflussung der Kon­ troversen stattfinden, etwa Kondemnationsverbote in innerterritorialen Kontro­ versen wie nach dem Konfessionswechsel in der Kurpfalz 1583/84. Ziel dieser Maßnahmen war insbesondere die Verhinderung der Kanzelpolemik und die Ausweitung der Kontroverse auf weite Bevölkerungsschichten.105 Hinzu kamen direkte Beauftragungen zur Kontroverse durch die Obrigkeiten. Obwohl in Heidelberg der kurfürstliche Vorstoß zur Schaffung einer eigenen Professur für Kontroverstheologie am Widerstand der Fakultät scheiterte, erhielt Pareus den Titel eines „Extraordinarius Controversiarum“106 und als Belohnung für seine kontroverspublizistischen Bemühungen einen Silberbecher vom Kurfürsten.107 Konkrete Beauftragungen zur Abfassung von Kontroversschriften finden sich im Jesuitenorden immer wieder. Durch die ausgeprägte Kommunikation der Gesellschaft Jesu gelang es ihr, in besonders wichtigen Kontroversen eine koor­ dinierte Position zu beziehen. Auch andere Teile der Kirchenhierarchien waren in dieses Kommunikationsnetz integriert. Martin Becanus erhielt etwa durch den zuständigen Kölner Nuntius den Auftrag, Kontroversschriften gegen die Anglikaner und König James I. zu verfassen. Unbedeutendere Kontroversen mit regionalen Gegnern gingen die jesuitischen Autoren im Regelfall aus eigener Ini­ tiative ein. Im Jesuitenorden gab es zudem Bemühungen und inoffizielle Abspra­ chen zur Bündelung der Kontroverspublizistik. Einige Kollegien spezialisierten sich auf die Kontroversenführung mit benachbarten Gegnern, in den Nieder­ landen wurde sogar der Versuch unternommen, mit dem personell organisierten „Museum Bellarminianum“ ein fest institutionalisiertes Netzwerk aufzubauen, um die Kontroversen zu steuern.108 In frühneuzeitlichen Universitätsstädten waren in der Regel mehrere Druckund Verlagshäuser angesiedelt, die die Infrastruktur für die Kontroverspublizis­ tik bereitstellten.109 Dabei spezialisierten sich häufig einzelne Drucker auf die Verlegung der örtlichen Kontroversschriften, wie etwa Johannes Albin in Mainz oder der Heidelberger Universitätsdrucker Johannes Lancellotus und der Frank­ furter Verleger Jonas Rosa. Im überregionalen Vertrieb spielte die halbjährliche Frankfurter Messe eine entscheidende Rolle. Der Frankfurter Messkatalog dien­ te den Kontroverstheologen als wichtige Informationsquelle für erscheinende Kontroversschriften der Gegenseite. Gelegentlich wurden Schriften zudem in hier behandelten Streitschriften zeigen) mit Burkard, Repression und Prävention, 322 mit Anm. 65 zurückzuweisen. 104  Friedrich, Die Jesuiten, 314. Das Bücherverzeichnis des Mainzer Kollegs umfasst sehr viel weniger Schriften protestantischer Autoren als dort sicherlich lagerten. Einzelne Werke auch Heidelberger Autoren finden sich jedoch ohne Nennung des Autors im Katalog. 105  Vgl. allgemein Körber, Öffentlichkeiten in der Frühen Neuzeit, 27 f. 106  Himmighöfer, Pareus, David. Zur gescheiterten Professur in Heidelberg vgl. Kap. 2.3.2. 107  Himmighöfer, Neustadter Bibel, 161. 108  Sawilla, Antiquarianismus, 395. 109  Vgl. Hierzu auch Kap. 2.3.3.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

anderen Städten mit oder ohne Autorisierung nachgedruckt, was jedoch nicht als Urheberrechtsverletzung oder dergleichen, sondern vielmehr als Unterstüt­ zung im konfessionellen Kampf angesehen wurde. Die in Auflagen von wenigen Hundert bis wenigen Tausend110 gedruckten Schriften refinanzierten sich häufig nicht. Ihr Satz erforderte die Beherrschung der lateinischen, teilweise auch der griechischen und hebräischen Sprache und entsprechende Drucktypen, der ein­ geschränkte Rezipientenkreis tat sein Übriges. Finanziert wurden die Schriften zuweilen durch den Autoren selbst oder durch den Orden oder die Institution, der er angehörte.111 Hinzu kamen Querfinanzierungen durch die Obrigkeit, etwa durch die Verleihung von lukrativen Druckprivilegien und Monopolen an die Verlagshäuser, die die Kontroversen unterstützten. Hinzu kommt das Mäzena­ tentum. Viele Widmungsempfänger in Kontroversschriften dürften wohl zu den Druckkosten beigetragen haben – meist der Territorialherr, andere Adelige der eigenen Konfession, im Falle der Jesuiten auch reiche Prälaten.112 Tantiemen für die Autoren waren in dieser Zeit nicht üblich. Die Produktion der Kontroversdrucke folgte diesen Erfordernissen und war darauf ausgerichtet, möglichst schnell und günstig in den Vertrieb zu gehen. Vorsichtig ausgedrückt waren sie „nicht das non plus ultra der Druckkunst“.113 Dabei wurde meist in Quart- oder Oktavformat auf günstigem Papier gedruckt. Häufig ist der Blocksatz nicht parallel zur Blattkante, die Farbverteilung ist nicht immer gleichmäßig und die Ornamente beschränken sich auf das notwendigste. Durch die hastige Produktion, oft in nur wenigen Tagen, schleichen sich zudem viele Fehler ein.114 Es finden sich viele Setzfehler in den Schriften, teils sogar auf der Titelseite,115 die angehängten Errata sind umfangreich und oft dennoch nicht vollständig, falsche Paginierungen sind nicht unüblich. Eine aufwendige Kor­ rektur der Druckfahnen fand offensichtlich nur in den seltensten Fällen statt.116 Zwischen den Konfessionen lässt sich kein nennenswertes Gefälle in den in­ frastrukturellen Möglichkeiten zur Kontroverspublizistik feststellen. Die Jesuiten förderten das lateinische und volkssprachliche Druckwesen gleichermaßen. Seit den ersten Jahren des 17. Jahrhundert. verfügten Mainzer Drucker auch über gegossene griechische und hebräische Typen.117 Die Ordensstruktur ermöglichte es den Katholiken zudem besser, Arbeitskapazitäten der Theologen für die Kon­ 110 Vgl. Tschopp, Politik im theologischen Gewand, 36. 111  Bremer, Religionsstreitigkeiten, 49. 112  Vgl. zu den Widmungsempfängern Traitler, Konfession und Politik, 98–100. 113  Bremer, Techniken der Leserlenkung, 517. 114  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 9 f. 115 Vgl. Becanus, Refutatio Torturae Torti Seu Contra Sacellannm[sic!] Regis Angliae; Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium: Auf der Titelseite ist der Monat des Kolloquiums fälschlich auf Mai 1608 (statt August) angegeben, was Pareus’ Gegner direkt bemängelt (Becanus, Epistola […] ad D. Davidem Pareum, 22. Die Schrift ist nach dem Vorwort zudem fälschlich auf das Jahr MDXIX datiert (1519 statt 1619). 116  Vgl. zur Korrekturpraxis in der Frühen Neuzeit Grafton, Humanists with inky fingers. 117  Baader, Druck- und Verlagshaus, 547.



3.7.  Bedeutung der Kontroversschriften

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troversen freizumachen. David Pareus sieht seine jesuitischen Gegner daher sogar im Vorteil bei der Produktion von Kontroversschriften: „Wenn wir [protestantischen Gelehrten], die wir verschiedenartig ausgelastet sind, nicht jedes Mal auf der Stelle antworten, so oft wir von euch, die ihr Überfluss an Mußestunden und Anzahl an Kollegien habt, herausgefordert werden, liegt es nicht daran, wie ihr euch einbildet, dass eure Schriften stahlhart wären, dass sie nicht zu widerlegen wären.“118

3.7.  Bedeutung der Kontroversschriften im konfessionellen Zeitalter Der Kontroverspublizistik wurde von allen Großkonfessionen höchste Bedeu­ tung beigemessen.119 Dies galt im konfessionellen Zeitalter für ganz Europa, besonders jedoch in gemischtkonfessionellen Räumen. Im Vergleich zu anderen Ländern legten die deutschen Provinzen der Jesuiten besonderen Wert auf die Kontroverstheologie sowohl in ihrer Ausbildung als auch in ihrer Publikations­ tätigkeit.120 Profilierte Kontroverstheologen tauschten sich mit ihren Korres­ pondenzpartnern über zirkulierende Streitschriften aus oder schickten sich diese zu.121 Die gelehrte Streitlust war in der Frühen Neuzeit nicht nur unter Theologen, sondern auch unter anderen Autoren weit verbreitet und Teil der späthumanistischen Gelehrtenkultur.122 Die beteiligten Autoren sahen die Kontroversen als natürlichen Teil der Theologie an und verwiesen hierfür auf Jesu Streitgespräche mit den Pharisäern, die Attacken des Apostels auf die Gegner in den Paulusbriefen sowie den litera­ rischen Kampf der Kirchenväter gegen die frühen Häretiker.123 Der hierbei im­ plizierte Eindruck, die Christentumsgeschichte sei in den Worten Ernestine van der Walls „almost identical with the history of religious polemics“,124 kann durch­ aus ein gewisses Wahrheitsmoment für sich beanspruchen. Dennoch stechen das 16. und 17. Jahrhundert durch die hohe Bedeutung der Kontroverstheologie in dieser Epoche heraus. Während es gedruckte Flugschriftenwechsel auch zu theologischen Themen bereits vor der Reformation vereinzelt gab,125 nahm das 118  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium: „Si nos, qui varie occupamur, non illicò toties responsamus, quoties à vobis, qui otio, & numero in collegiis vestris abundatis, laces­ simur: non est, cur vobis imaginemini, ideo scripta vestra esse adamantina, quae solvi non possint (…).“ 119  Tschopp, Politik im theologischen Gewand, 41; Gloning, Pragmatic Form, 94–96. 120  Mancia, Controversia, 234–238. 121 Vgl. z. B. die Korrespondenz des Heidelbergers Daniel Tossanus, ed. Cuno, 12 f. 154.17 f. 122 Vgl. Levine, Streit in der Gelehrtenrepublik; und weitere Beiträge des Sammelbandes „Gelehrte Polemik“. 123  Vgl. u. a. Contzen, De Pace Germaniae, 513–519; Pareus, Disputationum Theo­ logicarum, I, [Vorrede J. P. Pareus], fol. *iir–*v v. 124  Van der Wall, Ways of Polemicizing, 401. 125  Pettegree, Catholic Pamphleteering, 113–115.

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3.  Kontroversschriften als Medium der interkonfessionellen Kommunikation

polemische Schrifttum erst mit der Glaubensspaltung eine so herausgehobene Rolle ein. Ein wichtiger Einschnitt in der Geschichte der Kontroverstheologie war das Jahr 1555, das nicht nur den Augsburger Religionsfrieden, sondern auch die erste antijesuitische Streitschrift sah.126 Bald darauf wandelte die bereits 1540 als Orden gegründete Gesellschaft Jesu ihr Profil und etablierte sich als antiprotestantisches Bollwerk und mit Abstand wichtigste Vertreterin der ka­ tholischen Kontroverstheologie.127 Das Trienter Konzil und die fortschreitende Konfessionalisierung trugen weiter dazu bei, die Kontroverspublizistik zu insti­ tutionalisieren. Im protestantischen Bereich nahmen nach der Verabschiedung des Konkordienbuchs die binnenkonfessionellen Kontroversen zunehmend ab. Die folgenden Jahrzehnte waren vor allem durch Robert Bellarmin (1542–1621) als dominante Gestalt auf katholischer Seite geprägt. Die Bedeutung dieses von Protestanten als „novus Goliath“128 gefürchteten jesuitischen Kardinals, dessen mehrbändige Kontroversien über Jahrzehnte das Standardwerk katholischer Kontroverstheologie bleiben sollte, ist kaum zu überschätzen. Der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges führte auch auf Seiten der bald in Bedrängnis geratenen Reformierten nicht zu einem sofortigen Verlust der infrastrukturellen Vorausset­ zung zum Druck von Kontroversschriften.129 Dennoch wandelte sich die Kon­ troverspublizistik im Krieg. Schon kurz vor dessen Ausbruch führten die wach­ senden Spannungen zu einer Verschärfung im Tonfall und zu einer Politisierung kürzerer und längerer Kontrovers­publizistik.130 Hinzu kam die kriegsbedingte Einschränkung oder gar Einstellung des Lehrbetriebs in vielen Universitäten, besonders die dezidiert gelehrte Polemik kam immer mehr zum Erliegen. Nach dem Friedensschluss erreichte die Zahl gedruckter Kontroversschriften nicht wieder das Niveau in den Jahrzehnten vor dem Krieg.131 Die Kontroverstheo­ logie war zwar immer noch fester Bestandteil der gelehrten Publikationen, ihre nahezu „staatstragende“ Funktion verlor sie hingegen zusehends. Mit dem Be­ ginn des 18. Jahrhunderts wandelten sich die Kontroversen grundlegend. Neue Strömungen wie Pietismus und Aufklärung zweifelten am Sinn konfessioneller Polemik, die immer noch praktiziert, von immer mehr Gelehrten jedoch als un­ zeitgemäß wahrgenommen wurde. Hinzu kam der Wandel der Frontstellungen durch das Aufkommen neuer Strömungen wie des Deismus und Rationalismus und der zunehmende Bedeutungsverlust des Jesuitenordens.132 126 Vgl. Paintner, Des Papsts neue Creatur, 9. Es handelt sich um den anonymen Dialogus contra impia Petri Canysii dogmata. 127  Vgl. zu diesem „Strategiewandel“ Friedrich, Die Jesuiten, 238. 128  Tossanus, Disputatio de Ecclesia, fol. Aiiir. 129  Vgl. Kap. 5.5. 130  Paintner, Des Papsts neue Creatur, 9 f. 131 Vgl. Friedrich, Die Jesuiten, 9–11. 132  Ebd., 24 f.; van der Wall, Ways of Polemicizing, 404–409; Hornig, Abflauen der kon­ fessionellen Polemik.



3.7.  Bedeutung der Kontroversschriften

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Die Kontroversschriftenwechsel als Medium der interkonfessionellen Kom­ munikation sind eine einzigartig wertvolle Quelle für die Wirkweisen der kon­ fessionellen Konkurrenzsituation und die frühneuzeitliche Wissensgeschichte. In ihnen findet ein – oft gebrochener und indirekter – Transfer von Ideen und Wissensbeständen zwischen den Konfessionen statt. Trotz ihres Charakters als Gelegenheitsschrift gaben sich die Autoren besondere Mühe, um die Über­ legenheit ihrer Konfession unter Beweis zu stellen. Der implizierte Zwang zur vollständigen Beantwortung der gegnerischen Argumentation forderte von den Autoren ein hohes Maß an Dynamik bei der Gestaltung ihrer eigenen Argumen­ te ab. Dass sich die Kontroversschriften vornehmlich an Vertreter der eigenen Konfession richteten, tat dem keinen Abbruch. Auch vor dem eigenen Publikum sollte die konfessionelle Überlegenheit möglichst objektiv unter Beweis gestellt werden. Zudem hatten die Autoren immer auch mögliche Rezipienten auf der Gegenseite im Blick. Es lohnt sich daher, die interkonfessionellen Kontrovers­ schriftenwechsel systematisch zu untersuchen, wie es im Folgenden anhand der Auseinandersetzungen zwischen Mainzer Jesuiten und Heidelberger Reformier­ ten zwischen 1583 und 1622 geschehen soll.

4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis Mit der Reformation und der aus ihr resultierenden Kirchenspaltung kamen widerstreitende Wahrheitsansprüche bisher kaum bekannten Ausmaßes in Theologie und Kirche auf. Die grundsätzliche Verweigerung der Protestanten, das Lehramt der Bischöfe und des Papstes anzuerkennen, bedeutete, dass nicht nur die Wahrheit selbst, sondern auch die dahinterstehende Autorität umstritten war. Sinnfällig bringt dies Luthers Weigerung auf dem Wormser Reichstag zum Ausdruck, etwas anderes als klare Schrift- und Vernunftsgründe gegen seine Thesen zu akzeptieren. Der Frage, wie und woher der Wahrheitsgehalt einer Aussage überprüft werden kann, kam also eine im Wortsinn fundamentale Bedeutung zu. Dies war freilich kein völliges Novum in der Kirchengeschichte, spätestens mit dem Augsburger Religionsfrieden zeichnete sich jedoch die Persistenz dieses Zustandes ab. Zusätzliches Gewicht erhielt die Frage nach Methoden und Quellen der theologischen wie außertheologischen Erkenntnis durch die geistige Strömung des Humanismus, die der Reformation vorausging und sie begleitete. Das von Erasmus von Rotterdam geprägte Motto der Huma­ nisten „ad fontes“ („zu den Quellen“) schloss auch ein, Deutungstraditionen zu hinterfragen. In den konfessionellen Kontroversen wurde somit auch um die Frage ge­ stritten, wer im übertragenen Sinne als „iudex controversiarum“, als Richter über die Kontroversfragen anzusehen sei. Zudem erforderte die Kontrover­ spublizistik einen kritischen Blick auf die Argumente, Quellen und Verweise der Gegner. Hierzu bedienten sich die Autoren der Methodik der Philologie, wie sie die Humanisten entwickelt hatten. Sowohl katholische als auch evangelische Theologen bezogen sich oft auf identische Quellen und ihr gemeinsames his­ torisches Erbe. Somit trugen die konfessionellen Kontroversen mit dazu bei, den kritischen Blick auf die literarische Überlieferung des Christentums zu schärfen. Dies betrifft zunächst die Heilige Schrift selbst. Hier ist zu beobachten, wie die Katholiken auf das von den Reformatoren propagierte sola-scriptura-Prinzip reagierten. Die Altgläubigen wurden durch die Anwürfe ihrer Gegner dazu provoziert, das Verhältnis von Bibel und Tradition genauer zu bestimmen und sahen sich bald unter Zugzwang, in der Exegese der Heiligen Schrift methodisch zu den Protestanten aufzuschließen. Diese wiederum wurden von katholischen



4.1.  Schriftautorität und Exegese

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Kontroversisten dazu gedrängt, die Kirchenväter näher in den Blick zu nehmen. Die Reformatoren der „ersten Generation“ brachten zwar eine hohe Kenntnis insbesondere der Werke Augustins mit, behaupteten jedoch eine Übereinstim­ mung der reformatorischen Lehre mit der Alten Kirche meist ohne eingehende Belege.

4.1.  Schriftautorität und Exegese 4.1.1.  Bemerkungen zum Forschungsstand Die Bibelexegese war für die meisten der hier behandelten Autoren beider Konfessionen ihre Hauptbeschäftigung, sei es als Professoren mit exegetischem Lehrauftrag oder als Prediger. Ausflüge in andere Gebiete wie die Historiogra­ phie, Jurisprudenz oder Staatslehre sahen sie dabei als den untergeordneten Teil ihrer theologischen Betätigung an. Sehr viele Kontroversschriften befassen sich daher mit Fragen der Bibelauslegung oder erheben die Methode und Bedeutung der Exegese sogar selbst zum Gegenstand der Kontroverse. Indes ist die Ge­ schichte der Bibelauslegung des konfessionellen Zeitalters wissenschaftlich nur lückenhaft erschlossen.1 Die Bewertung der älteren Forschung misst die Exegese dieser Epoche dabei daran, inwieweit in ihr die „moderneträchtige“ Bibelkritik der Aufklärung vorgezeichnet ist. Hieraus resultiert etwa für Henning Graf Reventlow das negative Urteil, dass in dieser Zeit Fortschritte humanistischer Philologie „faktisch wieder aufgegeben“ wurden.2 In gewisser Weise finden sich hier Ähnlichkeiten zur historiographiegeschichtlichen Forschung über das kon­ fessionelle Zeitalter (s. u.). Andere Forscher zeichnen ein weitaus positiveres Bild der Bibelauslegung des frühen 17. Jahrhunderts. Während Anthony Grafton auf eine auch in den Kontroversen anzutreffende Ausweitung der exegetischen Perspektive auf außerbiblische Quellen aufmerksam macht,3 verweist Johann Anselm Steiger auf das spezifische Verständnis der Exegese in dieser Zeit. Insbesondere für den protestantischen Bereich prägt er den aus den Quellen entnommenen Begriff der Hermeneutica Sacra beziehungsweise Philologia Sacra. Die Exegese des konfessionellen Zeitalters soll damit als Konzeption eigenen Werts und nicht als Vorgeschichte der Bibelkritik beschrieben werden. Gegen die Annahmen Reventlows pocht er darauf, dass die philologische Betätigung auch in der Bibel­ auslegung fortgesetzt und ausgebaut wurde. Alles andere, so urteilt er scharf, 1  Vgl. zum Forschungsstand Steiger, Philologia Sacra, 7 f. Als gewichtigen Grund sieht Steiger die Konfessionalisierungsthese, die eher von der Behandlung der Inhalte wegführe. 2  Reventlow, Wurzeln der modernen Bibelkritik, 52; vgl. zu dieser Form der Bewertung der Exegese des konfessionellen Zeitalters Reventlow, Epochen der Bibelauslegung, III, 211–225. 3  Grafton, Joseph Justus Scaliger, II, 510.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

zeuge von „Unkenntnis der orthodox-exegetischen Literatur.“4 Die Orthodoxie als „performative Periode des Protestantismus“5 beschreibt Steiger als eine Phase der Vertiefung des reformatorischen Erbes. Ein weiteres Charakteristikum sieht er in der interkonfessionellen Kommunikation auch im Bereich der Bibel­ auslegung. Auch die Protestanten legten Wert auf die kontroverstheologische Kommunikabilität ihrer Auslegung gegenüber den Katholiken,6 ein Umstand, der sich im Hinblick auf die Überlegungen dieser Arbeit als Folge konfessionel­ ler Konkurrenz auffassen lässt. Ein von Steigers Arbeit nur angerissener Punkt ist das damit verbundene Paradoxon, dass es „gerade in der Zeit der stärksten konfessionellen Abgrenzung eine ausgeprägte Bereitschaft gegeben hat, die Ar­ gumentation der jeweiligen Gegenseite minutiös aufzuarbeiten, sie denkerisch zu durchdringen und ausführlicher Kritik für würdig zu befinden […], wie es in späteren Zeiten selten wieder der Fall gewesen ist.“7 Im Folgenden soll daher an diese Überlegungen anknüpfend untersucht werden, welche Rolle die Heilige Schrift und ihre Auslegung in den konfessio­ nellen Kontroversen einnahm und welche Rückwirkungen sich aus der kontro­ verstheologischen Betätigung in der konfessionellen Konkurrenzsituation für die exegetische Praxis und den Umgang mit der Bibel insbesondere in den Ur­ sprachen ergaben. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der katholischen Seite, der gemeinhin ein deutlicher Rückstand in der Bibelwissenschaft attestiert wird.

4.1.2.  Die Kontroverse um die Schriftautorität zwischen Pareus, Magirus und Mulhusinus Der Frage nach der Autorität der Bibel wird besonders aus protestantischer Per­ spektive höchste Bedeutung für die konfessionellen Auseinandersetzungen des Reformationsjahrhunderts zugeschrieben. Die Reformation erscheint in dieser Sichtweise als die (Wieder-)entdeckung der Heiligen Schrift als alleiniger Of­ fenbarungsquelle, wie es in dem Schlagwort sola scriptura ausgedrückt wird. Es führte jedoch in die Irre, die Beziehung der Altgläubigen zur Bibel als fort­ gesetzte Missachtung dieser anzusehen. Zwischen den Konfessionen umstritten war weniger die Schriftautorität an sich, als vielmehr die Beschaffenheit dieser Autorität. Insbesondere der Jesuit Robert Bellarmin entwickelte für den Tri­ dentinischen Katholizismus eine Schrifttheologie, die sich als Kritik am refor­ matorischen Bibelverständnis liest. Im ersten und somit herausgehobenen Teil seiner Kontroversien, De Verbo Dei, spricht er sich vor allem gegen die für die reformatorische Schrifttheologie elementare Lehre eines „testimonium spiritus sancti internum“ aus, nach der die Schrift durch jeden intellektuell befähigten 4  Steiger, Philologia Sacra, 114. 5  Ebd., 16. 6  Ebd., 10. 7  Ebd., 1 f.



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Gläubigen mithilfe des Heiligen Geists aus sich selbst heraus recht ausgelegt werden könne. Wie Martin Luther betont, ließen sich „dunkle“ Stellen durch andere erhellen, es bedürfe daher grundsätzlich keiner autoritativen Lehrinstanz wie des Papsttums, um die Schrift auszulegen. Dieser reformatorischen Spitzen­ these von der grundsätzlichen Klarheit (perspicuitas) der Bibel, die freilich nur eingeschränkt umgesetzt wurde, setzt Bellarmin den Lehrsatz einer grundsätz­ lichen Unklarheit der Heiligen Schrift entgegen. Die Schrift sei auch da, wo sie klar erscheine, lehramtlich auslegungsbedürftig.8 Mit der Lehre der obscuritas scripturae stellt Bellarmin somit nicht die Autorität der Bibel an sich in Frage, sondern die Unmittelbarkeit dieser Autorität. Lehramt und Tradition kommen für Bellarmin nicht die Rolle eines Gegenstücks zur Schrift zu, sie garantieren vielmehr als kontinuierliche Interpretationsinstanzen die Autorität der Schrift selbst. Thomas Dietrich sieht hierin eine durch die „Herausforderung durch die Methode der Gegner“ entwickelte „Erneuerung der Schrifttheologie“, die jedoch „auf halbem Wege stehen“9 bleibe. In den konfessionellen Kontroversen zählt die Schriftautorität neben der Rechtfertigungslehre und der Sakramentstheologie wenig verwunderlich zu den beliebtesten Themen der konfessionellen Kontroversen. Neuen Anschub erhielt die Thematik nach dem Regensburger Kolloquium 1601. Am Rande des Reichs­ tags hatten Maximilian von Bayern und sein lutherischer Nachbar Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg ein öffentliches Kolloquium einberufen, auf dem die Lutheraner Aegidius Hunnius, Jakob Hailbronner und Magnus Agricola sowie die Jesuiten Jakob Gretser, Adam Tanner und Albert Hunger über die Frage dis­ putierten, ob die Bibel allein als iudex controversiarum entscheidend in Glau­ bensfragen sei. Beide Seiten nutzten die Bühne, um ihre jeweils angenommene argumentative Überlegenheit darzustellen und bemühten sich anschließend, die literarische Deutungshoheit zu erringen.10 Mehrere dieser Schriften wurden in Mainz gedruckt und verlegt, so etwa 1602 ein volkssprachiger Kurtzer doch gründtlicher Bericht und 1603 eine Verteidigungsschrift Adam Tanners. Dieses medial inszenierte und überregional rezipierte Kolloquium hat mit dazu beigetragen, dass David Pareus an der Heidelberger Universität ab 1603 regelmäßig mit Studenten Übungsdisputationen zu kontroverstheologischen Themen abgehalten hat.11 In der ersten Disputation dieser Reihe, am 27. August 1603 mit dem Titel De Scripturarum Sacrarum Divina et Canonica Authoritate adversus Jesuitarum imposturas gehalten, geht Pareus mehrfach auf die je­ 8  Bellarmin, Controversia, I,1 (De Verbo Dei). Vgl. Dietrich, Theologie und Kirche, 166–170; Schmidt-Biggemann, Apokalypse und Philologie, 67–78. 9  Dietrich, Theologie und Kirche, 131. 10  Adam Tanner publizierte hierfür 1602 in deutscher und lateinischer Sprache Berichte über das Kolloquium aus jesuitischer Perspektive. 11  So schildert es Pareus in der Widmungsvorrede der Disputationssammlung: Pareus, Disputationum Theologicarum, I, 3.

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suitischen „Betrügereien“ auf dem Regensburger Kolloquium ein. Die Thematik der Kanonizität der biblischen Schriften nimmt dabei großen Raum in seiner Argumentation ein. Das geläufige jesuitische Argument, schon die Lehre der Schriftautorität und der Kanon  – also das Wissen darum, welchen Schriften Autorität zukommt – sei nur durch die Tradition vermittelt, bezeichnet Pareus als „abgedroschene[n] Singsang“.12 Aufgrund ihres göttlichen Ursprungs offen­ bare die Heilige Schrift sich selbst als solche und ihre Autorität dem gläubigen Leser. Hierzu führt Pareus mehrere Bibelstellen an, darunter auch Jes 8,20, den Leitspruch im Siegel der Theologischen Fakultät Heidelberg („ad legem et tes­ timonium“). Um das Verhältnis von Autorität und Kanon näher zu bestimmen und dem Traditionsargument entgegenzuwirken, differenziert der Heidelberger zwischen zwei Formen der Schriftautorität. Die eine ist die göttliche Autorität („authoritas divina“), die beinhaltet, dass die Heiligen Schriften nicht nur das Wort Gottes sind, sondern auch als solches erkennbar sind („agnoscuntur esse“). Die kanonische Autorität der Bibel andererseits ist die Zugehörigkeit einer Schrift zu diesem Korpus sowie die Erkennbarkeit dessen. Demzufolge sieht Pareus Autorität und Kanonizität als elementare Wesensmerkmale der Heiligen Schrift an, was ohne Vermittlung der Tradition zu jeder Zeit erkennbar sei. Ge­ druckt wurden diese Thesen erst 1611 in dem ersten Band eines von Pareus’ Sohn Johann Philipp herausgegebenen Sammelbands seiner Disputationen. Ein zeitnaher Sonderdruck der Thesen, wie es auch von Pareus zuweilen praktiziert wurde, erschien in diesem Fall nicht. Ein Tag vor der Disputation hatte Pareus einen Studenten mit den Thesen nach Speyer geschickt. In dieser multikonfessionellen Stadt13 sollte er den dorti­ gen Jesuitenpater Johannes Magirus (1553–1609), der in zahlreichen Predigten gegen Pareus polemisiert hatte, als Ehrengast und Opponenten zur Disputation nach Heidelberg einladen.14 Es ist nicht ganz klar, wie ernst Pareus die denkbar kurzfristige Einladung meinte. Magirus lehnte sie ohnehin unter Verweis auf seine Verpflichtungen und die Sorge um seine Sicherheit ab.15 Um sich keine Blöße zu geben, verfasste Magirus einen ausführlichen Antwortbrief, dem er eine inzwischen verlorene Kommentierung der Thesen Pareus’ beigab. Hieraus entwickelte sich ein insgesamt acht Briefe umfassender Briefwechsel zwischen Magirus und Pareus, der von scharfer Polemik und besonderer Härte geprägt ist. Das Grundproblem der Kontroverse fasst Pareus selbst treffend zusammen: Die Sache selbst sei so gewichtig, dass wer Einsicht zeigte, sofort konvertieren müsste. Da der Gegenstand der Kontroverse jedoch die Frage sei, welche In­ 12  Ebd., 8: „trita (…) Cantilena.“ 13  Vgl. zum Wirken der Jesuiten in Speyer und den daraus erwachsenden konfessionellen Spannungen Blum, Multikonfessionalität im Alltag, 295–334. 14  Pareus, Disceptatio Epistolaris Joannis Magiri, fol. Ar. S. 1. 15  Magirus an Pareus, 8.9.1603 [N.St.], in: Pareus, Disceptatio Epistolaris Joannis Magiri, 2.



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stanz in allen Kontroversen höchste Autorität sei, müssten die Kontrahenten sich mit den Vorbedingungen bereits auf ein Ergebnis einigen. Wer sich auf die Bedingungen des Gegners einlasse, Bibel oder Lehramt als höchste Instanz an­ zuerkennen, hätte bereits verloren.16 Dementsprechend deklarierten am Ende beide Theologen den Sieg in dieser Kontroverse für sich. Über Magirus gelangten die ungedruckten Thesen Pareus’ schließlich in die Hände des Mainzer Jesuitenprofessors Johannes Mulhusinus.17 Offenbar auf die Initiative des fortgeschrittenen Studenten Konrad Diel18 hin wurde unter dem Vorsitz Mulhusinus’ eine Disputation veranstaltet, in der Diel als Respondent beteiligt war. Diese Disputation ist als Censura der Thesen Pareus’ gestaltet und als solche betitelt. Hierzu werden die Thesen des Gegners (polemisch) gekürzt wiedergegeben und widerlegend kommentiert. Die Argumentation der Mainzer fällt in zwei Teile. Zunächst greifen sie Pareus’ Thesen direkt an. Bei der Frage nach den Quellen für den göttlichen Ursprung der Schriftautorität wirft Mul­ husinus dem Reformierten vor, einen Zirkelschluss zu ziehen, wenn er die Auto­ rität der Bibel aus dieser selbst begründet.19 Darüber hinaus bedienen sich die jesuitischen Thesen üblicher Topoi der katholischen Kontroverstheologie, etwa der – auf Reformierte freilich nicht treffende – Verweis auf Luthers zeitweilige Ab­ sicht, unter anderen den Jakobusbrief als „stroherne Epistel“ aus dem Kanon zu nehmen.20 Der zweite Teil der Argumentation ist eine Apologie der katholischen Position zur Schriftautorität. Mulhusinus wehrt sich gegen die Anschuldigung, für die Jesuiten seien Kanon und Autorität keine heilsnotwendigen Dogmen und Glaubensinhalte im eigentlichen Sinne. „Der Betrüger Pareus“21 verleumde die Jesuiten damit, dass sie die Schriftautorität als Glaubensinhalt nicht eindeutig der heilsnotwendigen fides iustificans zuordneten, sondern auf die Stufe der fides historica, der bloßen Kenntnis, zuordneten. Kanon und Schriftautorität seien jedoch für die Katholiken Bestandteil der heilsnotwendigen Glaubensartikel. Hierbei ist bemerkenswert, dass sich der Jesuitenprofessor und sein Schüler auf die von Pareus eingeführten protestantischen Gegenbegriffe zur scholastischen Theologie einlassen. Zur Entkräftung dieses Vorwurfs verwenden sie vor­ behaltslos dieses Begriffspaar, das von Melanchthon gegen die scholastische Unterscheidung von fides informis und fides charitate formata eingeführt wurde. David Pareus reagierte im folgenden Jahr mit insgesamt drei Schriften. Zunächst hielt er die später veröffentlichte Oratio de Jesuitarum Strophis Circa Canonem Scripturarum, eine akademische Rede, die Bibel und Kirchenväter 16  Pareus an Magirus, 27.9.1603 [A.St.], in: Pareus, Disceptatio Epistolaris Joannis Magiri, 2 f. 17  Vgl. [Mulhisinus]/Pareus: Sacrarum Scripturarum Autoritate, fol. *3v. 18  Vgl. ebd. 19  Mulhusinus, De Sacrarum Scripturarum Authoritate … Censura, 5. 20  Ebd., 7. 21  Ebd.: „Pareus Impostor.“

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als Erkenntnisquellen kontrastiert.22 Gegen das Argument, er begehe einen Zirkelschluss, die Schriftautorität aus der Bibel zu begründen, führt Pareus das Beispiel der Sonne an, die ebenfalls aus sich selbst heraus als unzweifelhaft hellste und größte Lichtquelle zu erkennen sei.23 Die Jesuiten, insbesondere die Mainzer, erwiesen sich als „Schriftfeinde“,24 da sie Irrlehren über die Bibel be­ haupteten. Zudem veröffentlichte er den Briefwechsel mit Magirus, der in seinen Augen den Sieg der reformierten Position erweist. Schließlich publizierte Pareus eine direkte Antwort an Mulhusinus mit dem Titel Exegesis Disputationis De Sacrarum Scripturarum, die im erweiterten Titel eine Vindicatio der Mainzer Censura verspricht. Dabei nimmt sich Pareus die Freiheit, seine Disputations­ thesen inhaltlich präziser und stellenweise rhetorisch eleganter umzuformulie­ ren. Die Änderungen sind anhand der unveränderten Thesen in der Gesamt­ ausgabe von 1611 und der Reaktion seines Gegners nachvollziehbar und nicht sinnentstellend, sondern vielmehr präzisierend. Die allzu knappe dritte These zur Schriftautorität „Und sie ist zweifach: göttlich und kanonisch“25 beispiels­ weise formuliert Pareus in der Exegesis ausführlicher: „Diese Autorität ist eine zweifache, göttlich und kanonisch, von den Heiligen Schriften sowohl absolut in sich, als auch relativ zu uns dargelegt.“26 Zusätzliche „exegetische“ Passagen erläutern apologetisch die Thesen und weisen auf Missverständnisse und Leer­ stellen in der Censura seines Gegners hin. Mulhusinus wählte noch im selben Jahr einen eher ungewöhnlichen Weg der Erwiderung. Er ließ Pareus’ bisher unveröffentlichte Disputation, die die Kon­ troverse eröffnet hatte, in Mainz erstmals drucken und erscheint namentlich auf dem Titelblatt – kleiner gedruckt als Pareus – nur als Herausgeber. Dabei lässt er es sich nicht nehmen, die Thesen seines Gegners mit einem Vorwort zu dessen angeblichen inneren Widersprüchen anzugreifen und eine fortlaufende Kom­ mentierung durch polemische „notis et animadversionibus“ anzufügen. Mul­ husinus nutzt dabei Pareus’ Umformulierungen seiner Thesen in der Exegesis aus und druckt jeweils beide Versionen ab, um ihn als unzuverlässigen Autor da­ stehen zu lassen. Zu der oben besprochenen dritten These bemerkt er etwa, dass die ursprüngliche Version noch ertragbar sei, die Erweiterungen jedoch zeigten, dass Pareus ein häretisches Verständnis von göttlicher und kanonischer Autorität habe.27 Zudem ermöglichte Mulhusinus seinem Speyrer Ordensbruder Magirus, als Anhang zu diesem Buch einen offenen Brief an Pareus zur Erwiderung auf die Veröffentlichung des Briefwechsels zu verfassen.

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22  Vgl. Kap. 4.2.1. 23  Pareus, Oratio de Jesuitarum Strophis, 11. 24  Ebd., 10: Scripturarum hostes; vgl. zur besonderen Nennung der Mainzer Jesuiten ebd., 25  Pareus, Disputationum Theologicarum, I, 5: „Et est duplex: Divina & Canonica.“ 26  Pareus, Exegesis Disputationis. 27 [Mulhisinus]/Pareus: Sacrarum Scripturarum Autoritate, 2–5.



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Die Kontroverse weitete sich in den Jahren 1604 und 1605 jenseits von Rhein und Neckar weiter aus. In der Disputatio Theologica, De Sacrarum Literarum Interprete Authentico stellt Mulhusinus in eher allgemeiner Form die katholische Position vor und wendet sich wie pflichtschuldig erneut gegen Pareus, indem er die Censura an dieser Stelle nachdruckt. Zudem richtet er sich gegen eine Jenaer Disputation unter dem Vorsitz des Lutheraners Georg Mylius. Diese wurde bereits 1602 gedruckt und richtet sich wie auch Pareus’ erste Thesen gegen die Jesuiten im Regensburger Kolloquium, wobei die Jenaer hauptsächlich auf methodische Fragen, insbesondere logische Fehlschlüsse abzielen. Mulhusinus wirft den Jenaern seinerseits Inkompetenz in der philosophischen Logik vor und unterstellt ihnen eine Nähe zum Ramismus,28 einer auch für die meisten Lutheraner diskreditierten kritischen Position zur aristotelischen Logik. Auf diese Anschuldigungen reagierte nicht Mylius, sondern der Respondent der Jenaer Disputation Johannes Mühlmann (1573–1613), Theologe und Kirchen­ lieddichter in Naumburg und Leipzig. In seiner mit Anakrisis betitelten Schrift entgegnet er dem Mainzer Jesuiten, dass seine Position rein auf der klassischen aristotelischen Logik aufbaue und greift zudem Mulhusinus’ Positionen zur Schriftautorität an.29 Pareus veröffentlichte keine direkte Gegenschrift mehr auf Mulhusinus’ Provokation, auch auf den neuen Brief Magirus’ reagierte lediglich sein Sohn Johann Philipp.30 Allerdings beschäftigte ihn die Thematik weiterhin in den erst später gesammelt veröffentlichten akademischen Disputationsthesen und auch in seiner exegetischen Arbeit. Seinem erstmals 1605 erschienenen Hoseakom­ mentar ist als Bestandteil der Prolegomena ein Abschnitt beigegeben, in dem – wie es auf der Titelseite angekündigt wird – die kanonische Autorität auch der prophetischen Schriften aus sich selbst heraus „vor den skurrilen Kritikpunkten eines gewissen Mainzer Jesuiters kurz beschützt werden“.31 Pareus wieder­ holt darin seine Argumente gegen Mulhusinus und greift weitere katholische Autoritäten wie Bellarmin, Eck und Stapleton an. Mulhusinus veröffentlichte 1605 gegen Mühlmann und Pareus gleichermaßen den Speculum Miseriarum, eine Zusammenstellung seiner Positionen gegen die beiden protestantischen Autoren, die jedoch keine neuen Argumente liefert.32 Da offenbar kurz nach der Drucklegung des Speculum Miseriarum Pareus’ Hoseakommentar erschien, legte Mulhusinus eine weitere Schrift nach, die mit Auctarium („Nachtrag“) 28  Mulhusinus, Disputatio Theologica, De Sacrarum Literarum Interprete Authentico, 79–82. 29  Mühlmann, Anakrisis. 30  Pareus, Castigationes in Brevem & maledicam Admonitionem Joannis Magiri. (Heidel­ berg 1606). 31  Pareus, Hoseas Propheta, Titelseite: „à Moguntini cuiusdam Jesuitastri scurrilibus Animadversionibus breviter vindicata.“ 32  Mulhusinus, Speculum Miseriarum, 1: „Authoritas haec est duplex, Divina & Canoni­ ca; à Scripturis tum absolutè in se, tum relatè ad nos consideratis.“

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überschrieben ist. Der Inhalt dieser Schrift versinnbildlicht deutlich die ein­ gefahrene Situation der Kontroverse zwischen den beiden Theologen. Mulhu­ sinus verzichtet nun völlig auf inhaltliche Argumentation und zählt stattdessen lediglich die Widersprüche, Verleumdungen und logischen Fehlschlüsse seines reformierten Gegners auf.33 Auf beide Schriften reagierte Pareus nicht mehr mit einer eigenen Kontroversschrift. Mulhusinus nahm dies als Erweis seines Sieges. Als sich beide auf dem „Schwalbacher Kolloquium“ 1608 trafen, konfrontierte er Pareus damit, dass er sich das Verfassen einer Antwort nicht getraut habe. Der Heidelberger entgegnete ihm nach seiner eigenen Schilderung der Ereignisse damit, seine wiederholten inhaltsgleichen Kontroversschriften seien „nichts als doppelt gekochter Kohl“34 und einer Erwiderung nicht würdig. Erneut wurde die Kontroverse zwischen Mainz und Heidelberg um die Schriftautorität erst 1607 aufgenommen, als den Mainzer Jesuiten erneut eine bisher ungedruckte Disputation Pareus’ in die Hände fiel. Die Disputatio […] De S. Scripturarum usu iudiciali definitivo seu De supremo Controversiarum Theologicarum Iudice wurde am 26. April 1606, also nach den letzten Schriften Mulhusinus’, abgehalten. In den Thesen bemüht sich Pareus um eine Reflexion des schon auf dem Regensburger Kolloquium umstrittenen Begriffs des Iudex Controversiarum, der theologische und rechtsphilosophische Aspekte verbindet. Hierbei verteidigt er die protestantische Auffassung, nach der dieses „höchste Richteramt in den Kontroversen“ der Schrift allein zukomme, gegen das katho­ lische Argument, dies führe in der Praxis entweder zu Streit (wie man an den innerprotestantischen Kontroversen sehen könne) oder zu einem illegitimen Richteramt der eingreifenden weltlichen Obrigkeit. Seine erste Grundthese ist, dass der höchste Richter über das Göttliche kein Mensch sein könne: Könige und Kaiser seien auf weltliche Dinge beschränkt, in geistlichen Dingen habe es nur außerordentlich Berufene gegeben, die eine Art höchstes Richteramt ausübten, so etwa Mose und die Apostel. Heute jedoch habe nicht einmal der Papst eine solche Autorität. Um die von den Katholiken angezweifelte prakti­ sche Ausführung eines Richteramts der Heiligen Schrift näher zu bestimmen, bedient sich Pareus der Rechtsphilosophie und -praxis seiner Zeit und führt die Unterscheidung zwischen übergeordneten und untergeordneten (delegierten) Richtern ein: Die gelehrten Theologen und Kirchenmänner hätten eine der Schrift als höchstem Richter untergeordnete und von dieser delegierte Rechts­ gewalt, jedoch nicht „absolut, unfehlbar, die Letzte oder die Höchste“.35 Durch diese dem Rechtswesen entlehnte Idee verschiedener Instanzen konkretisiert Pareus das Grundproblem, wie ein Richteramt der Bibel aussehen könnte. 33  Mulhusinus, Auctarium. 34  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 41; „nisi crambe bis cocta.“ 35  Pareus, Disputationum Theologicarum, I, 68; „nulla tamen est absoluta, infallibilis, ultima, summa.“



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Die Kontroverse mit Pareus nahm dieses Mal jedoch nicht Mulhusinus selbst, sondern sein Mainzer Ordensbruder Gottfried van Driel (gest. 1610) auf. Dieser hatte bereits in seiner Jugend eine Kontroverse mit den Heidelbergern geführt36 und sah sich als Gegner Pareus in diesem Fall wohl dadurch prädestiniert, dass er nicht nur Doktor der Theologie, sondern auch Doktor beider Rechte war. Dementsprechend fasste Driel die Kontroverse als eine primär juristische auf und legte die Thesen einem Studenten der Kanonistik zur Disputation vor. Erwartungsgemäß wirft er Pareus vor, ein falsches Verständnis des Papst­ tums zu haben, das als Petrusamt ja gerade die außerordentliche Richtgewalt in geistlichen Dingen von den Aposteln herleiten könne. Daraufhin greift er Pareus’ allgemein gehaltene Unterscheidung zwischen höchsten und unter­ geordneten Richtern als unsachgemäß an. Pareus’ Gleichsetzung von delegierter und untergeordneter Rechtsgewalt erweise seine Inkompetenz in juristischen Angelegenheiten. Er bringt das Beispiel der Territorialfürsten an, die aus sich selbst heraus Richtgewalt als „iudices ordinarii“ hätten, mit dem Kaiser und den Reichsinstitutionen jedoch immer noch einen höheren Richter in welt­ lichen Dingen über sich hätten.37 Zudem täusche Pareus den Leser, wenn er den protestantischen Gelehrten eine nur fehlbare Autorität zuschreibt, da diese als Ausleger der Schrift ohne ein irdisches Lehramt über ihnen notwendigerweise Unfehlbarkeit beanspruchten. Die Auseinandersetzung um die Schriftautorität zwischen Mainz und Heidel­ berg zeigt, dass die Thematik für beide Seiten eine Frage ersten Ranges war. Bei dieser Kontroverse, die seit Beginn der Glaubensspaltung intensiv geführt wurde, ist es nicht verwunderlich, dass auf beiden Seiten ein eher geringes Potential an innovativen Argumenten anzutreffen ist. Allerdings handelt es sich auch hier nicht um eine völlig eingefahrene Debatte, wie die Verzweigung der Kontroverse in relevante Nachbardisziplinen verdeutlicht. So berührte die Diskussion in der Auseinandersetzung zwischen Mühlmann und Mulhusinus Fragen der aristote­ lischen Logik und zwischen Pareus und Driel die Jurisprudenz. Es lässt sich zudem durchaus sagen, dass die Hauptstreitpunkte dieser Kontroverse geeignet waren, in langfristiger Perspektive förderlich für die Entwicklung der Bibelkritik zu sein. In dieser Weise sieht Klaus Scholder die konfessionellen Kontroversen mitverantwortlich für das Aufkommen der Bibelkritik, indem sie Dritte wie den Sozinianer Joachim Stegmann (1595–1633) dazu bewegt hätten, als Ausweg neue Wege im Umgang mit der Bibel zu gehen.38 Freilich handelt es sich hierbei um nicht intendierte Effekte der Kontroverse. Die Diskussion um das Zustandekom­ men des Kanons und die Frage nach der gesicherten Autorschaft der biblischen Bücher wurden von der katholischen Seite vehement aufgeworfen. Entzieht man diesen Kritikpunkten das Fallnetz der unumstößlichen Autorität der Tradition 36  Vgl. Kap. 5.3. 37  Driel, Antipericope, 4. Vgl. Buchda, Delegation. 38  Scholder, Ursprünge und Probleme, 15–33.

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und des Lehramts, öffnet sich in der Tat der Weg, kritisch nach der Autorschaft etwa der Mosebücher zu fragen (wie es Jahrzehnte später Spinoza und andere taten) oder das Zustandekommen des Kanons zu untersuchen.

4.1.3.  Die Bedeutung von Bibel und Ursprachen für die Mainzer Jesuiten Die Bedeutung der Bibel und insbesondere der Ursprachen für die Protestanten bedarf wenig Einführung. Luthers sola scriptura und die Bemühungen um die biblischen Ursprachen anstelle der Vulgata werden zu Recht zu den entscheiden­ den Schwerpunkten der reformatorischen Theologie gezählt. Auch an der Uni­ versität Heidelberg wurde größtes Gewicht auf die Ausbildung der Studenten in hebräischer und griechischer Sprache gelegt, die Exegese nahm breiten Raum in Lehre und Forschung der Theologischen Fakultät ein. Exemplarisch sei auf das Wirken Franciscus Junius’ verwiesen, der in seiner Neustädter und Heidelberger Zeit unter anderem eine hebräische Lehrgrammatik39 und eine akademische Rede mit dem Titel De Linguae Hebraeae Antiquitate Praestantiaque publizierte. Die biblischen Ursprachen gelten ihm als unumgänglich nicht nur für den aka­ demischen Kontext, sondern für das Verständnis der biblischen Wahrheit all­ gemein. Aufgrund seines Alters und ihrer Nähe zum Heiligen komme besonders dem Hebräischen eine klar übergeordnete Position unter den Sprachen zu. In ähnlicher Weise äußert sich auch Hermann Rennecher (1550–1603?) in einer Rede, als er 1594 die hebraistische Professur in Heidelberg antrat.40 Das Bewusst­ sein der eigenen Überlegenheit in der Schriftauslegung und der Kenntnis der Ursprachen war (und ist teils immer noch) tief im protestantischen Selbstbild verwurzelt. Dies zeigt sich etwa in Scultetus’ Schilderung seiner Begegnung mit dem Jesuiten Mulhusinus in Bad Schwalbach, bei der er dessen Wissenslücken in der griechischen Sprache bloßgestellt habe.41 Es ist ein verbreiteter Gemeinplatz reformationsgeschichtlicher Forschung, dem entstehenden Protestantismus durch die Hinwendung zum Schriftprinzip tatsächlich einen inhärenten Vorsprung in der Bibelauslegung zuzusprechen, der sich in der Überwindung des scholastisch geprägten Schemas des mehr­ fachen Schriftsinns und dem Bedeutungsgewinn der Ursprachen äußere. Diese Ausrichtung ist nicht nur Kern reformatorischer Theologie, sondern entwickelte sich auch vor der Folie des konfessionellen Gegners.42 Dort war bei durchaus vorhandenen Sympathien für die Herangehensweise der Humanisten spätestens mit dem Tridentinum die Exegese aus der Vulgata als einzig autorisierter Version vorgeschrieben worden. Dieses Urteil über den Vorsprung der protestantischen 39  Junius, Grammatica Hebraea Linguae (Frankfurt a. M. 1580). 40  Rennecher, Oratio de Lingua Hebreae; vgl. zur Hebraistik in Heidelberg Selderhuis, Eine attraktive Universität, 13–16. 41  Vgl. Kap. 1.3.; Scultetus, Selbstbiographie, 3 f. 42 Vgl. Vanek, Philologie im Dienste der Orthodoxie, 118–122.



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Exegese wird man eher als auf anderen Gebieten der Gelehrsamkeit stehen lassen können, da die methodische Überlegenheit der protestantischen Schrift­ auslegung auch von katholischen Zeitgenossen anerkannt wurde. Die Ratio Studiorum, das jesuitische Studienprogramm, beklagt sie als widrige Umstände der Zeit: „Denn auch wenn diese Zeit an sich antreibt, ist besonders aber dieser Sturm schändlichst, während dessen die Häretiker die Katholiken von der Scholastik zur Schrift provozieren, welche in solch heiligen und frommen Form der Beschäftigung von Häretikern besiegt werden.“43

Auf keinen Fall, so die Ratio Studiorum weiter, dürfe hingenommen werden, dass katholische Prediger aus Mangel an rechtgläubigen Kommentaren zu den angeseheneren der Protestanten greifen, wie es nördlich der Alpen zuweilen vorkomme. Die Gesellschaft Jesu suchte mit ihrem Studienprogramm nach einem Modus der Schriftauslegung, der mit dem Tridentinum konform ging und sich dennoch auf Augenhöhe mit protestantischen Kommentaren befand. Den jesuitischen Professoren der Heiligen Schrift waren in der 1599 in Kraft getretenen Fassung der Ratio Studiorum strikte Grenzen gesetzt. Sie sollten die Legitimität des allegorischen und moralischen Schriftsinns sowie die kirchlich approbierte Vulgata stets verteidigen und im Lehrkonsens der Kirchenväter und der kirchlichen Lehrentscheidungen auslegen. Die Ursprachen sollen sie allen­ falls in Kürze und nur zum besseren Verständnis der Vulgata heranziehen.44 In den rein exegetischen Kommentaren soll sich ein jesuitischer Professor der Hei­ ligen Schrift weitgehend der Kontroverstheologie enthalten, damit er als „nichts anderes, als die Heiligen Schriften lehrend erscheint.“45 Allerdings wurden diese Auflagen auch in Mainz von einer intensivierten Bemühung um die Lehre der biblischen Sprachen begleitet. Sowohl Griechisch als auch Hebräisch wurden in Mainz von Jesuiten gelehrt, nicht zuletzt aus kontroverstheologischen Zwecken. In einem Brief des Kölner Nuntius Antonio Albergati an den Kardinalnepoten Scipione Caffarelli Borghese klagt dieser über die Notwendigkeit, die Lehre der Hebräischen Sprache zu fördern, „da die Häretiker die Unseren mit diesem Anklagepunkt beschimpfen und bei Disputen zum hebräischen Text provozieren und die Unseren in dieser Sprache nicht antworten können und somit von solcher Wendung verwirrt zurückbleiben.“46

43  R atio Studiorum 1586, 67: „Quod etsi per se expetendum sit quouis tempore, prae­ cipue tamen hac tempestate, cum haeretici a Scholastica ad Scripturam prouocant Catholicos, quos in tam sancto pioque exercitationis genere ab Haereticis vinci, turpissimus est“. 44  R atio Studiorum 1599, 294. 45  Ebd., 298: „nihil aliud quam sacras literas docere videatur“. 46  Albergati an Borghese, 4.3.1618, NBD.K V,3, 2620, S. 274; „onde che gli heretici insultavano alli nostri per questo capo, e nelle dispute provocando ad textum hebraeum, nella quale lingua non potevano li nostri rispondere, e cosè restavano tal volta confusi.“

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Anschließend kündigt Albergati an, in seiner Kölner Nuntiatur das Studium der hebräischen Sprache zu fördern, unter anderem an den von Jesuiten geführten Hochschulen in Mainz, Köln und Würzburg. Auch in vielen Visitationen wurde die Förderung der Hebraistik besonders in der Rheinischen Ordensprovinz an­ gemahnt.47 Hierin zeigt sich, dass die konfessionelle Konkurrenz auch im Bereich der Exegese gewirkt hat. Der Anstoß für die Weiterentwicklung der katholischen Bibelauslegung ging eindeutig von dem Kontakt mit den Protestanten aus.48 Ein Beispiel für diese Weiterentwicklung, die maßgeblich durch die Gesellschaft Jesu geprägt wurde,49 ist die exegetische Tätigkeit des Jesuiten Johannes Mal­ donatus (1533–1583). Angestoßen von der Konfrontation mit Protestanten in Frankreich und deren Erfolg mit einer auslegungsorientierten Predigttätigkeit, kommentierte Maldonatus mehrere Bücher des Alten und Neuen Testaments. Hierbei legte er zwar  – wie vom Konzil gefordert  – den Text der Vulgata zu­ grunde, zog aber sowohl das Hebräische, als auch das Griechische beständig zum Vergleich heran. Dies ging manchen späteren Herausgebern seines Werks zu weit, die diese Passagen sogar als anstößig ausließen.50 Während Maldonatus’ Vorgehensweise nicht überall in Europa günstig aufgenommen wurde, wirkte er besonders in konfessionellen Grenzräumen wie in Mainz nach. Hier wurden seine Evangelienkommentare zwischen 1602 und 1624 in mehreren Auflagen gedruckt. Ermöglicht wurde dies durch die auch für die ansässigen Jesuiten täti­ gen Mainzer Drucker Balthasar Lipp und Johannes Albin, die erstmals in Mainz gegossene griechische und hebräische Typen einsetzten, was einen effizienten Druck exegetischer Spezialliteratur erst ermöglichte.51 Mit Martin Becanus, Adam Contzen und Nicolaus Serarius beherbergte das Mainzer Jesuitenkolleg mehrere hochkarätige Exegeten, deren Kommentaren eine lang anhaltende internationale Rezeption beschieden war. Insbesondere Serarius galt als einer der bedeutendsten katholischen Schriftausleger seiner Zeit.52 Wie sehr die konfessionelle Konkurrenzsituation nicht nur auf exege­ tische Passagen in ihren Streitschriften, sondern auch ihre großangelegten Kommentare wirkte, zeigen eindrücklich die Akten, die in der ordensinternen Zensurkommission53 der Gesellschaft Jesu in Rom für Serarius’ Prolegomena Bibliaca, Et Commentaria In Omnes Epistolas Canonicas angelegt wurden. Dieser Kommentar zu den katholischen Briefen mit einer sehr umfangreichen scholastischen Einleitung zur Bibel und ihrer Auslegung wurde aufgrund der Beanstandungen der ordensinternen Zensur erst 1612, drei Jahre nach seinem 47  Duhr, Geschichte der Jesuiten, I, 258; II.1, 531. 48  Baroni, La Contre-Réforme devant la Bible, 510; Reventlow, Epochen der Bibel­ auslegung, III, 201; Solé, Debat, bes. 900–909. 49 Vgl. Baroni, La Contre-Réforme devant la Bible, 245–287. 50  Reventlow, Epochen der Bibelauslegung, III, 201–211, bes. 204. 51  Baader, Druck- und Verlagshaus, 547. Vgl. Kap. 2.3.3. 52  Decot, Anfänge der Jesuiten, 53. 53  Vgl. Kap. 3.6.



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Tod, mit geringen Änderungen veröffentlicht. Die Beanstandungen an der ursprünglichen Fassung bieten sich jedoch sehr gut an, das exegetische Profil Serarius’, der auch akademischer Lehrer Becanus’, Mulhusinus’ und Contzens war, zu illustrieren. Zunächst stellen die Zensoren fest, dass Serarius über das übliche Maß hinaus häufig den Bibeltext in den Ursprachen heranzieht, ohne dass ein klares System erkennbar wäre.54 Diese Formulierung verweist auf die Ratio Studiorum, nach der der Urtext nur in begründeten Ausnamefällen heran­ gezogen werden soll (s. o.). In der Urfassung hatte Serarius in den Prolegomena seine eigene Interpretation der jesuitischen Studienordnung dargestellt, wonach er diese weniger als Beschränkung denn als umfassende Ermutigung zur Exegese verstand.55 Dem widersprechen die Zensoren zwar nicht, bemängeln jedoch, die Passage tue nichts zur Sache, womit sie implizit dennoch Stellung zu dieser ihnen offenbar zu einseitigen Interpretation nehmen. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft Serarius’ Ausführungen über die Vulgatarevision der Päpste Sixtus V. und Clemens VIII. Diese Sixto-Clementina (1590/92) wurde anhand der Septuaginta überarbeitet und sollte humanistischen Ansprüchen besser genügen. Serarius hatte dieses Vorgehen nicht kritisiert, sich aber aus Sicht der Zensoren ausführ­ licher als notwendig mit der Revision der Vulgata beschäftigt.56 Dass Serarius und seine Mainzer Kollegen von der zentralen Ordensnorm abwichen, dürfte der besonderen regionalen konfessionellen Konkurrenzsituation geschuldet sein. Offenbar sahen sie sich von ihren Gegnern zu einer anderen Interpretation der Ratio Studiorum und einer ausführlichen Apologie der Vulgatarevision provoziert. Die Auslegung der Heiligen Schrift spielt zudem in den Kontroversschriften der Mainzer selbst eine entscheidende Rolle. Allen in dieser Arbeit behandelten Kontroversen lassen sich Beispiele entnehmen, in denen die Jesuiten bewusst auf die Bibel und nicht auf Kirchenväter, Konzilsentscheide oder andere Insti­ tutionen der Tradition verweisen. Dies lässt sich auch anhand der statistischen Auswertung der externen Verweise in den Kontroversschriften zeigen.57 Grund hierfür ist zum einen der erklärte Wunsch nach interkonfessioneller Kommuni­ kabilität: Indem die Mainzer Jesuiten vorrangig mit der Bibel argumentieren, lassen sich ihre Schriften von der Gegenseite schwerer angreifen. Zum anderen wollten die Jesuiten der verbreiteten Vorstellung einer protestantischen Über­ legenheit in der Bibelauslegung und insbesondere in den Ursprachen etwas entgegensetzen. 54  Zensurakten zu Serarius, Prolegomena Bibliaca, ARSI FG Cens., 656, fol. 33r (auch zu den folgenden Zensuren). 55  In offenbar abgeschwächter Form: Serarius, Prolegomena Bibliaca, 217. 56 Vgl. in möglicherweise abgeschwächter Form ebd., 122–127. Ein von den Zensoren beanstandetes Unterkapitel (c. 19 q. 23) wurde offenbar aus der veröffentlichten Fassung ge­ strichen. 57  Vgl. Kap. 4.2.4.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

Ihren protestantischen Gegner gegenüber nahmen die Mainzer eine durchaus selbstbewusste und angriffslustige Haltung ein, mit der sie die katholische Po­ sition verteidigten. So verspottet Serarius in einem Brief an seinen Heidelberger Kontrahenten Daniel Tossanus dessen ostentative Verwendung der Ursprachen. Die gelehrten Protestanten schrieben stets „Jeschahahu oder Jeschahia, Jirmeiah und Jechezkel, die von uns und den einfältigeren Evangelischen und den Kir­ chenlehrern Jesaja, Jeremia und Ezechiel genannt werden.“58 Mit einer ähnlichen Ironie arbeitet Adam Contzen, der in einer Kontro­ versschrift im Nachgang des Reformationsjubiläums 1617 die katholische Auslegungspraxis aus der Vulgata verteidigt. Der protestantische Anspruch, die Bibel aus den Ursprachen auszulegen, klinge zwar edel, doch wie könnten sich die Protestanten überhaupt sicher sein, dass sie ausreichend gelehrt seien, um „jene Sprachen so gut zu verstehen, dass sie sicher wissen, dass ihnen keine Auslegungsfehler unterlaufen?“59 Als Beispiel verwendet er Gen 15,6 („Abram glaubte dem HERRN und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit“). Der von ihm unpunktiert60 wiedergegebene hebräische Text ließe drei grammatisch mögliche Übersetzungen zu: „er rechnete jenes ihm zur Gerechtigkeit an, oder: er rech­ nete ihm jene Gerechtigkeit an, oder: er rechnete ihn in jene Gerechtigkeit.“61 Je nach gewählter Form ändere sich, wenn man die autoritative Übersetzung der Vulgata nicht beachtet, der Gegenstand der Anrechnung. Dieses Vorgehen Contzens lässt sich durchaus exemplarisch für das Vorgehen der Jesuiten nehmen: Contzen begibt sich durch das Heranziehen des Urtexts methodisch auf die Ebene der Protestanten, nutzt dies jedoch, um die katholische Lehre der Obscuritas Scripturae, der Uneindeutigkeit der Schrift und die Notwendigkeit eines auslegenden Lehramts zu propagieren.

4.1.4.  Die Umwelt der Bibel: Serarius und die Kontroverse über die frühjüdischen „Sekten“ 4.1.4.1.  Der Beginn der Kontroverse In der gegenwärtigen wissenschaftlichen Exegese der Bibel hat der Blick auf die ‚Umwelt des Alten und Neuen Testaments‘ seinen festen Platz. Die Betrachtung insbesondere des frühen Judentums gilt heute konfessionsübergreifend als wichtige Kontextualisierung und entscheidend für das Verständnis des Bibel­ 58  Serarius an Tossanus, 1.2.1602, in: Baronius/​C alvinus, Epistolarum Sacrarum, 297: „Ieschahahu, vel Ieschahia, Iirmeiah, Iechezkel, qui à nobis & simplicioribus Evangelistis, sacrisque doctoribus Isaias, Ieremias, Ezechiel nominantur.” 59  Ebd., 561: „illas linguas ita percallere, vt interpretandi errorem à se abesse sciant?“ 60 Gemäß R atio Studiorum 1599, 296 sind die Masoretischen Zeichen als rabbinische Erfindung unzuverlässig. 61  Contzen, Coronis Omnium Jubilorum, 338: „reputauit illud ei iustitia, vel: reputauit illam ei iustitiam, vel: reputauit, illam ei in iustitiam“.



4.1.  Schriftautorität und Exegese

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texts. Auch wenn seit der Antike Bibelkommentare immer wieder auch Verweise zur Umwelt beinhalten, war die eingehende wissenschaftliche Beschäftigung mit derartigen Fragen in der Frühen Neuzeit keine Selbstverständlichkeit. Dies macht eine langjährige Kontroverse zwischen katholischen und reformierten Gelehrten unter maßgeblicher Beteiligung des Mainzer Professors Nicolaus Serarius sehr interessant. Gegenstand der Kontroverse war es, die teils wider­ sprechenden Quellenbefunde zu den verschiedenen frühjüdischen Gruppierun­ gen zu ordnen und zu interpretieren. Literarischer Ausgangspunkt der Kontroverse war die 1583 in Leiden ver­ öffentlichte Schrift Quaestionum ac responsionum liber des niederländischen Gelehrten Johannes Drusius (van den Driesche, 1550–1616), ein aufstrebender Hebraist und Orientalist, der 1585 bis zu seinem Tod den hebraistischen Lehr­ stuhl der neu gegründeten Universität Franeker innehatte. In dem ohne erkenn­ baren kontroversen Hintergrund verfassten Buch werden auf 56 Textseiten insgesamt 83 nicht direkt zusammenhängende Fragen zur hebräischen Sprache und dem frühen Judentum verhandelt. Eine dieser Fragen – möglicherweise von Studenten in einer Art „disputatio de quodlibet“ an Drusius gestellt – bezieht sich auf die Hasidäer. Diese Gruppierung tritt in den Makkabäerbüchern (1 Makk 7,13, 2 Makk 14,6) dadurch in Erscheinung, dass sie sich als eine auf Frömmigkeit ausgerichtete Bewegung dem Aufstand gegen die Religions­ politik der Seleukiden anschließt. Drusius identifiziert sie als Pharisäer, wobei „Hasidäer“ eine alternative oder ältere Bezeichnung wäre. Etymologisch leitet er den Terminus vom hebräischen ‫( חסיד‬ḥasid) ab, was er als „heilig“ (sanctus) im Sinne einer intensiven Frömmigkeitspraxis und Gottesorientierung übersetzt (in Abgrenzung zu ‫[ קדש‬kadosch], der Heiligkeit aus sich selbst heraus).62 Als Quellenbeleg dieser Identifizierung der Hasidäer und der Pharisäer nennt Dru­ sius das Josippon, dem Anschein nach die Augenzeugenerzählung des historisch verbürgten jüdischen Patriziers Joseph Gorionides (Ben Gorion, 68 n. Chr. hingerichtet) über den Jüdischen Krieg. Bei dem überlieferten Text handelt es sich um eine im 10. Jahrhundert in Süditalien durch einen anonymen jüdischen Autor verfasste, mit zahlreichen Legenden angereicherte Nacherzählung der Schilderungen Flavius Josephus’. Drusius geht hingegen von der zu seiner Zeit noch nicht angezweifelten Authentizität des Werks aus. Dass Hasidäer eine synonyme, wohl ältere Bezeichnung für die Pharisäer wäre, wird im Josippon überdies nicht explizit behauptet. Hierbei handelt es sich um eine, wenn auch nicht abwegige, Textinterpretation Drusius’.63 Die Ausführungen des niederländischen Gelehrten hatte der Mainzer Nico­ laus Serarius bereits gelesen, als er 1599 seinen exegetischen Kommentar zu den 62  Zu diesem etymologischen Schluss kommt auch die aktuelle Forschung: vgl. LambersPetry, Hasidäer. 63  Drusius, Quaestionum ac Responsionum liber, 37; zuvor bereits weniger pointiert in Drusius, Ad voces hebraicas, 3 f.; Gorionides, Josippon, IV, 9.20.

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Makkabäerbüchern veröffentlichte. Auch er leitet den Terminus Hasidäer von ‫( חסיד‬ḥasid) ab, womit er sich von der auch bei Thomas von Aquin beschrie­ benen mittelalterlichen Lehrmeinung einer Wortherkunft von lat. assiduitas (Eifer) abgrenzt. Er identifiziert die Hasidäer jedoch nicht mit den Pharisäern, sondern mit den Essenern, einer asketisch lebenden Gruppierung. Bei dieser Identifikation bezieht er sich einerseits darauf, dass Flavius Josephus explizit von drei jüdischen Sekten – Pharisäer, Sadduzäer und Essener – spreche, an­ dererseits interpretiert er die von Drusius aufgeworfenen Passagen im Josippon anders als der reformierte Hebraist. Zu der Behauptung, dass Pharisäer und Hasidäer bei Gorionides keine synonymen Begriffe, sondern getrennte Parteien seien, kommt Serarius unter anderem durch eine alternative Übersetzung des hebräischen Worts ‫( לבד‬leḇad). Anders als Drusius wählt Serarius hierfür nicht die Grundbedeutung „allein“– was in der Satzstellung eine Identifizierung von Pharisäern und Hasidäern nahe gelegt hätte – sondern „getrennt von“, woraus er auf eine Abgrenzung zwischen diesen Parteien schließt.64 Um die von Flavius Josephus übernommene Dreizahl der jüdischen Sekten beizubehalten, geht Serarius aufgrund sprachlicher und inhaltlicher Nähen davon aus, dass Hasidäer und Essener „ein und dieselbe Familie [sind] oder zumindest so sehr verbunden, dass sie ganz oder teils übereinstimmen“.65 Ausdrücklich richtet er sich an dieser Stelle gegen Drusius, dessen Buch er zitiert, das er aufgrund des schlechten Stils und seines häretischen Autors aber nur ungern gelesen habe.66 Als Reaktion publizierte der in Franeker lehrende Hebraist 1603 seinerseits die erste spezifisch der Kontroverse gewidmete Schrift mit dem Titel De Hasidaeis. In dieser Schrift, die die maßgeblichen Quellen zu den Hasidäern abdruckt und kommentiert, legt Drusius besonderes Augenmerk auf die Charakterisierung seines Gegners. Mehrfach betont er die mangelhaften Hebräischkenntnisse des Mainzer Jesuiten und dessen konfessionelle Verblendung. Sich selbst inszeniert Drusius hingegen als distanzierten und kompetenten Fachmann und wahren Humanisten. Hierfür greift er etwa Serarius’ Aussage auf, ihm habe die Lektüre Drusius’ unter anderem deshalb missfallen, weil der Autor ein Häretiker sei. Dementgegen entwirft Drusius ein Ideal objektiver Wissenschaft, dem er bei genauer Betrachtung freilich selbst nicht gerecht wird: „In der Geschichtswissenschaft gibt es keine Häresie, viel weniger in der Philologie. Serarius kennt mich aus meinen Büchern. Was ist in ihnen nicht rechtgläubig? Und wenn etwas darin ist, warum ermahnt mich Serarius nicht ihrer? Die Starrsinnigkeit macht einen Häretiker aus, nicht einfach der Irrtum. Denn Irren ist menschlich. Ich wüsste

64  Serarius, In Sacros Divinorum Bibliorum, 705–710; vgl. Schmidt, Hasidaeans, 192–195. 65  Serarius, In Sacros Divinorum Bibliorum, 707: „vna eademqué familia [essent], vel certè admodum coniuncta, ita vt veluti totum & pars sese illi habeant“. 66 Ebd.



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nicht, dass ich etwas anderes als ein Mensch wäre. [Zu Recht] ermahnt werde ich nicht starrsinnig sein, noch war ich es je.“67

Inhaltlich hält Drusius an seiner Darstellung über die Hasidäer freilich fest, in der Argumentation zum Josippon von Gorionides fügt er seinen 20 Jahre alten Ausführungen nur wenig hinzu. Diese Kontroversschrift provozierte nun wiederum Serarius, der Thematik eine eigene Publikation zu widmen. Im 1604 gedruckten Trihaeresium bemüht sich der Mainzer um einen erweiterten Blick auf die vermeintlich drei jüdischen Sekten. Offenbar stieß sich Serarius besonders an Drusius’ Anschuldigung, ein schlechter Hebraist und Judaist zu sein. Lexikalische und etymologische Fragen zur hebräischen Sprache diskutiert er daher in sehr viel größerer Breite, als in dem Bibelkommentar, in dem er den Vorgaben des Trienter Konzils und der Ratio studiorum entsprechend nur im Einzelfall auf die Ursprache zurückgreift. Dabei verwendet er, wohl um die Rezeption seiner Schrift zu erleichtern, meist die lateinische Umschrift. Die Kontroverse mit dem reformierten Gelehrten begreift er dabei als eine durch und durch konfessionelle. Der oben zitierten Aufforderung Drusius’ folgend, listet er eingehend auf, welche Aspekte im Werk seines Gegners er als häretisch ansieht.68 Serarius lässt dabei sein Bemühen er­ kennen, sich auf dem Feld der Hebraistik, das in dieser Zeit von Reformierten dominiert wurde, zu beweisen und die Überlegenheit der katholischen Kon­ fession auch hier darzustellen.69 Vor dem Hintergrund der konfessionellen Kontroverse sind Serarius’ ein­ leitende Überlegungen zu den Begriffen „haeresis“ und „secta“, die er für die frühjüdischen Parteien verwendet, sehr interessant. Serarius ist sich der ur­ sprünglich neutralen Konnotation der Begriffe in der Antike bewusst und will diese wertfreie Bedeutung der „haeresis bona“ als „Partei“ abgegrenzt von der „Häresie“ im kirchenrechtlichen Sinne („haeresis mala“) grundsätzlich auf die frühjüdischen Gruppen angewandt wissen.70 Vor dem Auftreten Christi waren somit etwa die Pharisäer, die ja das Gesetz Gottes konsequent erfüllen wollten, für Serarius keine „schlechten“ Häretiker. Bereits in seinen Ausführungen zu den Pharisäern zeichnet sich eine wichtige Stoßrichtung der Schrift des Mainzer Je­ suiten ab. Die Erforschung der frühjüdischen Parteien ist für ihn kein historischphilologischer Selbstzweck, sondern wird auf ihr Legitimationspotential für die Christentumsgeschichte hin befragt. Die zahlreichen Parallelisierungen der 67  Drusius, De Hasidaeis, 33: „In historia nulla haeresis, multo minus in Grammatica. Tantummodo ex libris meis me novit Serrarius. Quid in iis non othodoxum? Aut si quid est, quare menon admonet de eo Serrarius? Pertinacia facit haereticum, non simplex error. Nam humanum est errare. Humani autem à me nihil alienum scio. Monitus non ero pertinax, nec unquam fui.“ 68  Serarius, Trihaeresium, 326–337. 69  Burnett, Christian Hebraism, 12 f. Neben Serarius betätigte sich laut Burnett nur der Benediktiner Gilbert Genebrard (1535–1597) auf diesem Gebiet. 70  Serarius, Trihaeresium, 2–4; vgl. Schmidt, Hasidaeans, 188–191.

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nach dieser Lesart werkgerechten und abergläubischen Pharisäer mit den Ka­ tholiken durch protestantische Theologen weist Serarius strikt zurück. In ihrer vorchristlichen Erscheinungsform seien diese nicht zuungunsten der Katholiken mit diesen vergleichbar, da sie, wie angeführt, in dieser Zeit keine „haeresis mala“ gewesen seien. Positive Vergleiche mit den vorchristlichen Pharisäern will Serarius nicht einmal ausschließen. In ihrer historischen Erscheinungsform nach ihrer Zurückweisung der Gottessohnschaft Christi seien sie, wenn über­ haupt, eher mit Lutheranern und Reformierten zu vergleichen.71 Ungleich höhere Bedeutung für die Christentumsgeschichte weist Serarius den Essenern zu. Hierbei nimmt er zu der Frage Stellung, ob die Essener kol­ lektiv zum Christentum konvertierten, was von protestantischen Autoren scharf zurückgewiesen wurde. Dies war dahingehend konfessionell aufgeladen, dass katholische Autoren wie Caesar Baronius und Robert Bellarmin die christliche Existenz der Essener als Legitimation für das Mönchtum heranzogen, welches es demzufolge schon zu apostolischer Zeit gegeben hätte. Unter Verweis auf die Schriften Philos von Alexandrien leitet Serarius auch den Namen der Essener von hebräisch ‫( חסיד‬ḥasid) und dem „syrischen“ (i. e. aramäischen) ḥasi ab. Hierbei folgt er – ohne dies auszuweisen – der Argumentation des bekannten reformierten Gelehrten Joseph Justus Scaliger, dessen Werk ihm bestens bekannt war.72 Hierin weicht er von seinem persönlichen Vorbild Caesar Baronius ab, der den Namen der Essener (in vielen Quellen auch als „Essäer“ bezeichnet) über iessaeis vom Davidsvater Jesse ableitet, was auf Christus verweisen würde.73 Im entscheidenden Punkt folgt Serarius jedoch seinen Konfessionsgenossen Baro­ nius und Bellarmin74 und geht von einer Konversion zumindest eines Teils der Essenergemeinschaft in apostolischer Zeit unter Beibehalt ihres monastischen Lebens aus. Ausgangspunkt dieser Theorie ist eine Passage im Werk Eusebs von Caesarea, der die mit den Essenern identifizierten therapeutae als christliche Mönche bezeichnet.75 Letztlich drehte es sich also auch um die Frage, ob dem Christen Eusebius oder dem Juden Flavius Josephus eher zu glauben ist. Serarius differenziert in der Beantwortung der Frage mit einer auf Philo zurückgehenden Terminologie zwischen Esseni practici, der ortsgebundenen Gemeinschaft in vorchristlicher Zeit, und Esseni theoretici, die auch in der Diaspora zu finden seien. Man könne die Esseni practici nicht als Christen bezeichnen, da sie noch vor Jesus gelebt haben, auch wenn sie in der Erwartung auf ihn gelebt hätten. Die Esseni theoretici seien jedoch, wie von Eusebius verbürgt, Christen und die 71  Serarius, Trihaeresium, 120–122; vgl. Berg, Proto-Protestants, 3 f. 72  Grafton, Joseph Justus Scaliger, II, 507–509; Scaliger, De Emendatione Temporum, 25 f.; vgl. Serarius, Trihaeresium, 172–191. 73  Baronius, Annales Ecclesiastici, I, 597–601. Baronius kann sich hierbei auf mehrere antike Quellenbelege stützen. 74  Bellarmin, Controversia, V,II,5. 75  Vgl. zur Kontroverse um diese Stelle Grafton, Joseph Justus Scaliger, II, 299.425.



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ersten christlichen Mönche gewesen.76 Die Einwände protestantischer Autoren wie der Magdeburger Zenturiatoren, Joseph Justus Scaligers und insbesondere auch Franciscus Junius’ gegen diese These weist er vehement zurück.77

4.1.4.2.  Die Ausweitung der Kontroverse Es war jedoch nicht Drusius, sondern Scaliger, der als erster auf Serarius’ Trihaeresium reagierte. Der Titel Elenchus Trihaeresii Nicolai Serarii: eius in ipsum Scaligerum animadversiones confutatae, eiusdem delirium fanaticum & impudentissimum mendacium, quo Essenos monachos christianos fuisse contendit validissimis argumentis elusum78 gibt bereits einen guten Einblick in den Charakter der 1605 in Franeker gedruckten Schrift. Obwohl sich Serarius’ Schrift nur sekundär gegen den streitbaren Leidener Philologen gerichtet hatte, nahm Joseph Justus Scaliger das Trihaeresium als persönlichen Affront wahr, so dass er diese Schrift entgegen seiner Gewohnheit las und beantwortete, bevor diese in gebundener Form vorlag.79 Dies lag nicht nur an Serarius; zeitgleich eskalierte ein bereits schwelender Streit Scaligers mit der Gesellschaft Jesu. Insbesondere der Antwerpener Jesuit Carolus Scribanius und der dem Orden nahestehende Konvertit und Humanist Kaspar Schoppe griffen Scaliger als wohl prominentesten protestantischen Gelehrten ihrer Zeit sehr persönlich an, indem sie etwa seine Abstammung vom Veroneser Adelshaus della Scala anzweifelten und behaupteten, sein wahrer Familienname sei Burdo (Maulesel).80 Der alles andere als uneitle Joseph Justus Scaliger, der große Stücke auf seine Prominenz und seine noble Abstammung aus dem „Humanistenadel“ hielt (sein Vater Julius Caesar Scaliger war ebenfalls ein hochangesehener Philologe), sah Serarius zu Unrecht als Drahtzieher dieser Kampagne an. Die Mainzer Jesuiten seien, so klagt er später seinem Humanistenfreund Eilhard Lubinus, an der Kampagne maßgeblich beteiligt, die „aus der Latrine des verschissenen (sic!) Meisterleins Serarius“81 geschöpft sei. Wie sich auch an diesem Zitat zeigt, bedient sich Scaliger einer derberen und persönlicheren Ausdrucksweise als das Gros der Kontroversschriften seiner Zeit. Seine verbalen Angriffe auf Serarius brechen 76  Serarius, Trihaeresium, 294–318. 77  Ebd.; vgl. Junius, Animadversiones, V, S. 22 f. 78  Übers.: „Widerlegung des Trihaeresium Nicolaus Serarius’, in der seine Angriffe gegen Scaliger widerlegt werden und sein fanatischer Wahnsinn und schamlose Lüge, dass die Essener christliche Mönche seien, mit sehr tragfähigen Argumenten widerlegt wird.“ Die Schrift widmet sich zudem (weitaus knapper) dem Jesuiten Martin Anton Delrio, der im sechsten Band seiner hexentheoretischen Schrift Disquisitiones Magicarum, 1600 in Mainz (!) gedruckt, einen Anhang gegen Scaliger beifügte, in dem er das Mönchtum zur Zeit der Apostel und die Au­ thentizität der Schriften Dionysius Areopagitas verteidigt. 79  Grafton, Joseph Justus Scaliger, II, 508. 80  Vgl. u. a. Hoche, Scaliger. 81  Scaliger an Lubinus, 26.9.1607, in: Scaliger, Correspondence, VII, 283: „ex stercorei magistelli Serarii latrina“.

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die üblichen Konventionen der Kontroverstheologie auch, indem sie auf eine Pathologisierung der Fehler seines Gegners abzielen. Häufig spricht er von „hallucinationes“ und „delirationes“ des Mainzer Jesuiten.82 Scaliger greift Serarius vor allem mit philologischen Argumenten an. Dem Bemühen des Jesuiten, sich als gleichwertiger oder gar überlegener Hebraist zu gerieren, stellt Scaliger seinen Spott entgegen.83 Sein Urteil fällt harsch aus: Serarius sei „im Griechischen ein Kind, im Hebräischen ein Säugling“84 und somit nicht annähernd ein ebenbürtiger Gegner. Wenn auch in der Tat Serarius’ altsprachliche Kenntnisse nicht an die Scaligers heranreichen, ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass auch im Mainzer Kolleg die hebräische Sprache auf einem nicht zu verachtenden Niveau gelehrt wurde. Neben Serarius verfügte vor allem Balthasar Etzel über Kenntnisse des Hebräischen und Aramäischen.85 Zu gewissen Verrenkungen Scaligers führt diese Argumentationsweise in der Passage zur etymologischen Herleitung des Namens der Essener. Hier war ihm Serarius darin gefolgt, Philos Herleitung zu übernehmen, nach der „Essener“ von ‫( חסיד‬ḥasid) beziehungsweise der aramäischen Ableitung ḥasi kommt. Diese Etymologie sah Scaliger bei der durch Serarius provozierten erneuten Beschäfti­ gung mit der Thematik inzwischen als Fehler an. Rhetorisch geschickt versucht er, seinem Gegner den neu entdeckten Fehler anzukreiden und sich dabei selbst unter Bescheidenheitsfloskeln neu zu positionieren. „Aber meine Schuld gestehe ich ein und tue die äußerste Buße, dass ich Philo geglaubt habe, einem Menschen, der griechisch sprach, im Hebräischen aber ungelehrt war, sodass ich bezweifle, ob er hebräisch lesen konnte. Schließlich konnte Philo dieses Wort [(Esse­ ner)] weder aus dem Hebräischen, noch aus dem Syrischen [(Aramäischen)] herleiten, da er in beiden Sprachen ungelehrter war als jemals ein Gallier oder Skythe. […]. Serarius, den ich davon überzeugt habe, damit er nicht wie ich gezüchtigt werde, erlöst das Privileg der Gesellschaft [Jesu], von der niemals eine Lüge hervorgeht.“86

Für Scaliger führt die Herleitung Philos also nicht näher an die Essener heran. Obwohl er sicher über das Ziel hinausschießt, wenn er dessen Hebräischkennt­ nisse mit denen eines Skythen vergleicht, ist hier ein wichtiger Wendepunkt in der wissenschaftlichen Rezeption Philos von Alexandria zu sehen, die ihn 82  Übers.: „Halluzinationen“ und „Spinnereien“; vgl. zum sprachlichen Stil des Elenchus Bernays, Scaliger, 83; Grafton, Humanists with inky Fingers, 3 f. 83 Vgl. Bernays, Scaliger, 82. 84  Scaliger, Elenchus Trihaeresii, 10: „in Graecis puerum, in Hebraicis infantem“. 85  Falk, Exegetische Arbeiten, 367. 86  Ebd., 13 f.: „Sed culpam meam fateor, & supplicium ultro do, quod crediderim Philoni, homini Graece tantum loquenti, Hebraismi autem adeo imperito, ut dubitem, an etiam legere sciret Hebraice. Denique Philo neque ab Hebraismo, neque a Syriasmo hoc verbum deducere potuit, qui utriusque dialecti imperitior fuerit, quam ullus Gallus, aut Scytha. (…) Haec non intelligebamus prius. Itaque excusandi non sumus. Serarius cui ego hoc ego persuasi, ne, ut ego, vapulet, absolvit eum privilegium Societatis, ex qua nunquam prodiit mendacium.“ Vgl. zu seiner alten Position von 1583 Scaliger, De emendatione temporum, 25 f.



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primär als hellenistisch-jüdischen und nicht undifferenziert als jüdischen Ge­ lehrten ansieht.87 Scaliger beließ es nicht bei dieser Passage, sondern arbeitete die neu gewonnene Distanz gegenüber Philos hebraistischem Zeugnis auch in sein abschließendes Hauptwerk Thesaurus Temporum ein.88 Ein weiteres wichtiges Argument Scaligers zielt auf das Gorionides zu­ geschriebene Josippon ab, das Serarius als wichtigen Zeugen anführt. Dabei überführt Scaliger das von seinen Zeitgenossen als authentisches Zeugnis des Jüdischen Kriegs angesehene Buch als mittelalterliche Pseudepigraphie, die unter anderem mehrere slawische und germanische Völker nennt, die erst seit dem Frühmittelalter greifbar sind, und das zahlreiche chronologische Fehler be­ inhaltet. Seinem Gegner Serarius wirft er vor, seine Darstellung der Essener als frühe christliche Mönche in einem „Delirium Pseudogorionida“89 zu fantasieren. Dieser Angriff müsste freilich auch Drusius gelten, dem er mit der Schrift zur Seite springt.90 Auch dieser hatte selbstverständlich auf das Josippon als zuver­ lässige Quelle für das frühe Judentum verwiesen. Während Scaliger in dieser Schrift seinen Kollegen aus Franeker schont, greift er ihn in Briefen an Kollegen scharf an und bezweifelte gar seine judaistische Kompetenz.91 Zum Zwecke der Kontroverse gegen Serarius standen Scaliger und Drusius dessen ungeachtet in enger Korrespondenz und trafen sich sogar gemeinsam mit ihrem Kollegen Daniel Heinsius (1580–1655) um ihre weiteren Schritte gegen Serarius zu koordinieren, zudem half Scaliger Drusius in seiner Argumentati­ on.92 Das Manuskript des Elenchus Trihaeresii Nicolai Serarii übersandte Sca­ liger Drusius mit der Anweisung, es zu einem strategisch günstigen Zeitpunkt zu publizieren.93 Scaligers Streitschrift gegen Serarius wurde auch in Heidelberg positiv aufgenommen. Scaligers Brieffreund Georg Michael Lingelsheim sah in dem Angriff auf den Mainzer Jesuiten eindeutig eine konfessionelle Kampf­ schrift, die er als „zum Wohl der christlichen Gemeinschaft geschaffen“94 lobt. Der von Serarius initiierten Ausweitung des Gegenstands der Kontroverse von den Hasidäern zu den frühjüdischen Parteiungen allgemein folgte nicht nur Scaliger, sondern auch Drusius in seiner ebenfalls 1605 erschienenen Schrift De tribus sectis Iudaeorum. Darin behandelt er die zugrundeliegenden Fragen sehr viel ausführlicher als in seinen vorangegangenen Schriften und geht in einem kontroverspublizistischen Anhang auf Serarius ein, zu dessen Trihaeresium er 87  Grafton, Joseph Justus Scaliger, II, 41 f. 50 f. 88  Ebd., 60 f. 89  Scaliger, Elenchus Trihaeresii, 45. 90  Schmidt, Hasidaeans, 19 f.; Grafton, Joseph Justus Scaliger, II, 69 f. 91  Scaligerana, 30 f. Insgesamt war Drusius in der Fachwelt seiner Tage jedoch durchaus angesehen. 92  Scaliger an Drusius, 17.6.1604, abgedr. in: Scaliger, Correspondence, V, 333–338. 93  Grafton, Joseph Justus Scaliger, II, 508. 94  Lingelsheim an Scaliger, 28.6.1605, abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VI, 78: „bono reipublicae Christianae factum“; vgl. Bernays, Scaliger, 21 f.

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zahlreiche „addenda et mutanda“ auflistet. Drusius erneuert dabei sein Ideal der reinen, nicht von konfessionellen Gesichtspunkten beeinflussten Gelehrsam­ keit, die er Serarius’ Vorwurf der Häresie entgegenhält: „Wo reine Geschichts­ schreibung ist, da ist keine Häresie.“95 Für Drusius folgt hieraus jedoch nicht, dass er sich selbst konfessioneller Polemik enthielte. Ironisch beruhigt er Serarius, dieser müsse sich keine Sorgen machen, von seinen Glaubensbrüdern als Häretiker angesehen zu werden: „Serarius kann weder Griechisch, noch Hebräisch, also ist er kein Häretiker.“96 Für Drusius wie für Scaliger ist klar, dass den Protestanten unbestreitbar eine konfessionelle Überlegenheit in den alten Sprachen zukommt. Um Serarius’ Überlegungen zur Etymologie der Essener und Hasidäer zu parodieren verweist Drusius daher auf die spöttischen Wort­ spiele in der protestantischen Polemik gegen die Jesuiten: „Auf diese Art spielen sie auch mit dem Namen der Jesuiten, von dem sie meinen, er sei wie Esau-iten oder die Jebusiter oder irgendeine Begriffszusammensetzung aus dem Niederländischen, dass sie fern sind von Jesus, wie in jenem Spruch ‚Die mit Jesus gehen, gehen nicht mit den Jesuiten.‘ [‚Qui cum Iesu itis, non itis cum Iesuitis.‘]“97

Seinen eigenen durch Scaliger aufgezeigten Fehler korrigiert Drusius in dieser zeitgleich zu dessen Elenchus Trihaeresii geschriebenen Schrift nicht. Drusius behandelt das Josippon des Gorionides weiterhin als authentische Quelle des ersten nachchristlichen Jahrhunderts. Im weiteren Verlauf der Kontroverse veröffentlichten nur noch Serarius und Drusius weitere Schriften, während Scaliger jede weitere Replik auf den Mainzer als unter seiner Würde betrachtete. Serarius’ 1605 erschienene Antwortschrift Minerval Divinis Hollandiae, Frisiaeque Grammaticis las der Leidener Gelehrte, wie er verkündete, aus Prinzip nicht.98 Während Serarius gegenüber seinem Trihaeresium – wenn auch in der Argumentation erweitert – inhaltlich seinen Positionen treu bleibt, konzentriert er sich in dieser Schrift darauf, seine nie­ derländischen Gegner aufgrund ihres Verhaltens moralisch zu disqualifizieren. Der „ethischen“ Beurteilung der Kontroverse ist eines von fünf Büchern des Minerval gewidmet, in dem er die Arroganz und Beleidigung vor allem Scaligers als nach Maßstab aller Konfessionen zu verurteilen darstellt. Seiner Replik ist zu entnehmen, dass Serarius besonders der Vorwurf, die Katholiken seien in der Philologie unterlegen, hart traf. Bereits der Titel ist daraufhin ausgelegt, die Überlegenheitsgebärden der Reformierten abzuweisen. Ironisch karikiert Serarius den Selbstanspruch Scaligers und Drusius’, indem er sie als „divini grammatici“ bezeichnet. Diese müssten jedoch nun gegenüber 95  Drusius, De tribus Sectis, 251: „ubi nuda historia, ibi nulla haeresis est“. 96  Ebd., 279: „Serarius neque Graecè neque Ebraicè scit, ergo non est haereticus“. 97 Ebd., 164: „Sic quidam ludunt in nomine Iesuitarum, quos dictos ita censent quasi Esavitas, aut Iebusitas, aut denique vocabulo composito ex lingua Belgica, quod procul absint à Iesu, ex quo illud, ‚Qui cum Iesu itis, non itis cum Iesuitis‘“. 98  Berg, Proto-Protestants, 36.



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der überlegenen Weisheit der Katholiken ihr „minerval“ („Lehrgeld“) zahlen. Dieses Motiv einer intellektuellen Schuld greift Serarius immer wieder auf, um sich gegen Scaligers Vorwurf zu wehren, von diesem (falsch) abgeschrieben zu haben. Dementgegen entwirft er eine selbstbewusste These im Kontext dieser konfessionellen Konkurrenz um die höhere Gelehrsamkeit: „Weder aus einer Übereinkunft heraus, noch durch angenehme Schuldknechtschaft des Geistes schuldet ein gelehrter Katholik den Neuerern irgendetwas.“99 Den Protestanten wirft er eine umfassende Verleumdung der katholischen Gelehrsamkeit vor: „Sie wollen [es so aussehen lassen], dass die Katholiken gänzlich nichts wüssten, in den Künsten und allen Sprachen ungelehrt, dass sie in den heiligen Schriften, in der Phi­ losophie, in der Geschichtsschreibung, schlichtweg in allen Wissenschaften dumm und nichtig seien“.100

Insbesondere den von Drusius erhobenen, oben zitierten Vorwurf, Serarius könne weder Griechisch noch Hebräisch, weist der Mainzer Jesuit als „falsissima“ und „arrogantissima“101 von sich. Gewissermaßen als Ausweis seiner Gelehrsam­ keit – und somit stellvertretend für die seiner Konfession und seines Ordens – ist Serarius im Minerval stärker noch als in den Schriften zuvor bemüht, antike und biblische Zitate teils in der Ursprache anzuführen und durch erschöpfende Marginalglossen optisch markant zu präsentieren. In seiner Replik Ad Minerval Serarii Responsio, im Folgejahr gedruckt, wirft Drusius seinerseits dem Jesuitenprofessor vor, arrogant und hochmütig die ei­ genen Fähigkeiten zu überschätzen. Er fordert ihn auf, in dieser Hinsicht nicht den Splitter im Auge anderer zu suchen, wo er selbst einen Baumstamm mit sich trage (Mt 7,3).102 Seiner – wie es bei langjährigen Kontroversen üblich ist – immer weiter in Detailfragen versinkenden Argumentation fügt Drusius einen wichtigen neuen Aspekt hinzu. Als konfessionell begründete Fehlerquelle seines Gegners macht er dessen allzu großes Vertrauen in die Kirchenväter aus. Serari­ us begehe einen entscheidenden Fehler, wenn er den frühjüdischen Autoren die fabulae der Kirchenväter, insbesondere Eusebs von Caesarea, vorziehe.103 Auf diesen Vorwurf reagierte Serarius in seiner 1607 geführten Schrift Rabbini, Et Herodes, Seu De Tota Rabbinorum Gente, Partitione, Creatione, Auctoritate, Pluribusq[ue] Rebus aliis, & sacris, & prophanis. Inhaltlich weitet Serarius hier den Blick, indem er auch das rabbinische Judentum und somit die Überlieferungsgeschichte der frühjüdischen Quellen sowie die Herrschaft der 99  Serarius, Minerval, 19: „Neq[ue] ex pacto, neq[ue] ex vllo gratae mentis nexu, Nou­ antibus didactri quidquam debent Catholici.“ 100  Ebd., 16: „Vellent Catholicos nihil omnino scire, artium, linguarumque omnium esse ignarissimos, in sacris litteris, in philosophia, in historia, in omni prorsus doctrina rudes ac nullos esse.“ 101  Ebd., 7. 102  Drusius, Ad Minerval Responsio, 22. 103  Ebd., bes. fol. *4v–*5r.

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Idumäer als historischen Kontext der Essener und anderer Sekten betrachtet. Erwartungsgemäß verteidigt er seine Praxis, das Zeugnis der Kirchenväter höher zu gewichten als das jüdischer oder gar heidnischer Autoren der Antike.104 Seine Ausführungen zu dieser Frage geraten dabei nicht selten ausdrücklich antijudaistisch, mit teilweise antisemitischem Einschlag.105 Die Tatsache, dass sich Serarius über Jahre hinweg intensiv mit der jüdischen Kultur auch in nach­ christlicher Zeit beschäftigte, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich bei ihm (mehr noch als bei seinen niederländischen Kontrahenten) um alles andere als einen Philosemiten handelt. Um Drusius als einen Historiker dar­ zustellen, der frühjüdischen Autoren gegenüber leichtgläubig ist, scheut er nicht davor zurück, Scaligers Kritik an der Benutzung des Josippon mit namentlichem Verweis auf den Leidener Gelehrten nun Drusius vorzuhalten, obwohl Scaliger dies eigentlich gegen ihn gerichtet hatte.106 Die Rezeption dieser Kontroverse zwischen Serarius, Drusius und Scaliger endete nicht mit dem Tod Scaligers und Serarius’ im Jahr 1609 und dem Ableben Drusius’ 1616. Drei Jahre nach dessen Tod unternahm es sein Nachfolger Sixtinus Amama (1593–1639), die vier wichtigsten Schriften Scaligers und Drusius’ erneut herauszugeben.107 Wohl um die Schriften einem größeren Publikum zu öffnen, übersetzte Amama für diesen Sammelband einige griechische und hebräische Passagen ins Lateinische. Während Amamas nur eine Seite der Kontroverse umfassender Band erkennbar auf den Erhalt der Deutungshoheit im Anschluss an die Kontroverse zielt, ist ein hundert Jahre später erschienener Sammelband gänzlich anders ausgerichtet. Jacques Triglands 1703 erschienene Schrift Trium scriptorum illustrium De tribus Judaeorum sectis syntagma umfasst auch die Werke Serarius’ und seiner Gegner. Trigland, selbst Professor der Hebraistik in Leiden, unterlässt es, Serarius’ Werke konfessionell abzuqualifizieren und versteht den Streit als eine rein humanistische Sachkontroverse. Die ein Jahr­ hundert zuvor geschriebenen Schriften benutzt Trigland als Kontext und Dis­ kussionsgrundlage seiner eigenen, auch in den Sammelband aufgenommenen Diatribe de Secta Karaeorum. Von Serarius, Drusius und Scaliger nur am Rande behandelt, richtet Trigland sein Augenmerk auf die Karäer (auch: Karaiten), eine nicht vor dem Frühmittelalter historisch fassbare jüdische Volksgruppe, die wohl ethnisch mit den Turkvölkern verwandt ist. Anders als das nach der Zerstörung des Tempels dominante rabbinische Judentum lehnen die Karäer alle Traditionen außerhalb des Tanach, also auch Talmud und Midrasch, ab. Die Protestanten Drusius, Scaliger und schließlich auch Trigland zeigen deutliche Sympathien für diese Gruppe, die sie aufgrund der alleinigen Orientierung an 104  Serarius, Rabbini, 101–122. 105  Ebd., bes. 196–200. 106  Ebd., 170; unter Verweis auf Scaliger, Elenchus Trihaeresii, 44. 107  Drusius, De Sectis Iudaicis enthält neben dem Elenchus Trihaeresii Scaligers Drusius’ Schriften De Hasidaeis, De tribus sectis, und Ad Minerval Serarii Responsio.



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der Schrift gewissermaßen als jüdische Präfiguration der Protestanten ansahen.108 Serarius hingegen identifizierte die Karäer mit den Sadduzäern, die aufgrund ihrer biblisch bezeugten Ablehnung des Auferstehungsglaubens in der Frühneu­ zeit konfessionsübergreifend einen denkbar schlechten Ruf innehatten.109 Beide Ansichten zu den Karäern, über die in dieser Zeit nur sehr wenig bekannt war, sind deutlich von konfessionellen Vorentscheidungen geprägt. Aufgrund der dünnen Quellenlage sind viele Fragen zu den Hasidäern und Essenern auch heute nicht abschließend geklärt. So ist die seit den 1950ern populäre These, die Essener seien mit der Qumran-Gruppe zu identifizieren, zunehmend angezweifelt worden. Bezüglich der Hasidäer hat sich in der Forschung nach einer durch die Neuzeit hindurch geführten Debatte die These zunehmend durchgesetzt, dass sich die Hasidäer im zweiten vorchristlichen Jahrhundert aufgelöst haben und sowohl Essener als auch Pharisäer Teile ihrer Positionen übernahmen.110

4.1.4.3.  Die parallele Kontroverse zwischen Stenius und Gretser Die Frage nach dem Ursprung des christlichen Mönchtums war um 1600 ein stark umstrittenes Thema.111 Parallel zur Kontroverse um Serarius wurde eine weitere zwischen dem Heidelberger Professor für Poesie und Rhetorik Simon Stenius und dem Ingolstädter Jesuiten Jakob Gretser (1562–1626), einem der bekanntesten deutschen Kontroverstheologen seiner Zeit, ausgetragen. Aus­ gangspunkt der Kontroverse waren die erstmals 1572 publizierte Vita Ignatii Loiolae des spanischen Jesuiten Pedro de Ribadeneyra und die 1594 veröffent­ lichte Historia Ordinis Iesuitici Gretsers. Aus Stenius Reaktion auf diese Schriften entwickelte sich ein 1598 bis 1615 andauernder Schriftwechsel, der nicht weniger als zwölf Kontroversschriften beider Seiten hervorbrachte. Die Frage nach dem Ursprung des christlichen Mönchtums wird in den ersten dieser Schriften als Nebenkontroverse in separaten Kapiteln behandelt. Simon Stenius war ein überzeugter Reformierter, der, obwohl selbst kein Theologe, mehrere kontroverstheologische Schriften verfasste.112 Im Jahr 1598 verfasste er ein Gegenwerk zu Ribadeneyra, ebenfalls mit dem Titel Vita Ignatii Loiolae. Gleich zu Beginn sieht er sich zu einigen generellen Ausführungen über das Mönchtum genötigt. Dieses erweise sich bereits durch seine Herkunft als durch und durch unchristlich. Unter Verweis auf Eusebius und Philo bezeichnet 108  Berg, Proto-Protestants, 35–43; Rustow, Karaites, 64. 109  Berg, Proto-Protestants, 35–37. 110  Lambers-Petry, Hasidäer; K ampen, Hasideans, bes. 32–40.181–185.209–222. 111  Vgl. über die hier genannten Beispiele hinaus auch Martin Anton Delrio, der im sechsten Band seiner hexentheoretischen Schrift Disquisitiones Magicarum, 1600 in Mainz (!) gedruckt einen Anhang gegen Scaliger beifügte, in dem er das Mönchtum zur Zeit der Apostel und die Authentizität der Schriften Dionysius Areopagitas verteidigt. 112  Vgl. Kap. 4.3.4.1.; Kap. 6.2.5.

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er die Ursprünge des christlichen Mönchtums als „teils jüdisch von den Esse­ nern, teils heidnisch von den Philosophen“.113 Mit letzteren sind wohl die Py­ thagoreer gemeint. Die Mönchsväter seien also keine Vorbilder im christlichen Glauben, sondern „Nachahmer der Essener“,114 was Stenius eindeutig pejorativ verstanden wissen will. In seiner Antwortschrift Libri Quinque Apologetici Pro Vita Ignatii Loiolae geht Gretser in einem eigenen Kapitel auf die kurze Passage Stenius’ zum Mönchtum ein. Darin stimmt er Stenius grundsätzlich zu, dass die Essener eine hohe Bedeutung für das christliche Mönchtum haben, wobei er dies nicht zuungunsten des monastischen Lebens ausgelegt wissen will, da die Essener des ersten nachchristlichen Jahrhunderts Christen gewesen seien, wie viele Kirchenväter belegten.115 Vor dem Hintergrund der Kontroverse zwischen Serarius, Drusius und Scaliger ist es zudem interessant, dass auch Gretser Philos Etymologie des Namens der Essener übernimmt.116 Stenius hält es in seiner 1600 erschienenen Responsio ad Apologiam Jacobi Greitseri wiederum für unplausibel, die Essener als Christen anzusehen, da diese nicht in den Apostelakten und den frühesten Martyrerberichten Er­ wähnung finden.117 Wie auch seine Konfessionsgenossen Drusius und Scaliger will Stenius das Argument nicht gelten lassen, christliche Quellen seien höher zu werten als jüdische: „Philo und [Flavius] Josephus verdienen mehr Glauben als Sozomenos, Kedrenos [mittelalterlicher byzantinischer Historiograph] oder andere Mönche, weil sie in Angelegenheiten der Juden kundiger waren als die genannten.“118 In seiner Replik Libri Quinque Apologetici Pro Vita Ignatii Loiolae […] iterata fügt Gretser seiner Argumentation keine neuen Aspekte hinzu. An einer Stelle verweist er jedoch auf den Makkabäerkommentar Serarius’.119 Die folgenden Kontroversschriften fügen der Debatte inhaltlich nichts Neues hinzu oder lassen die Thematik aus. Eher als ein spätes Nachtreten erscheint ein An­ griff Stenius’, mit dem er Gretser nachweist, den Begriff „monasterion“ fälsch­ lich Philo zuzuschreiben. Es handele sich bei der von Gretser zuvor angeführten Stelle lediglich um eine spätere Marginalglosse.120 Auch wenn Stenius nicht explizit auf Serarius eingeht, ist es dennoch sehr wahrscheinlich, dass ihm dessen Kontroverse mit den beiden Niederländern bekannt war. Auch der Heidelberger Hofprediger Abraham Scultetus nimmt im dritten Band seiner Medulla Theologiae Patrum121 Bezug auf Serarius und seinen 113  Stenius, Vita Ignatii, 4: „partim Iudaica Esseaorum, partim Ethnica Philosophorum“. 114  Ebd., 5: „Essęorum imitatores“. 115  Gretser, Libri Quinque, 20.35–37. 116  Ebd., 26. 117  Stenius, Responsio ad Apologiam, 18. 118  Ebd., 16: „plus fidei habendum Philoni & Josepho, quam Sozomenon vel Cedreno & aliis monachis, quippe cùm res Judaica fuerint notiores iis, quos nominavi.“ 119  Gretser, Libri Quinque iterata, 82. 120  Stenius, Responsio Altera, 55. 121  Vgl. Kap. 4.2.2.



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Kollegen Stenius. Bei der Diskussion des historiographischen Werks Eusebs von Caesarea, den Scultetus an sich sehr hoch schätzt, kommt er auch auf die Frage zu sprechen, wie dessen Quellenwert für das frühe Judentum einzuschätzen ist. Dabei stellt er sich ganz auf die Seite Scaligers: „Aber die irrige Meinung Eusebs in der Kirchengeschichte über die Essener hat Joseph Scaliger mehr als einmal mit sehr validen Argumenten widerlegt. Mit dessen Kalb werden wir gerne die Erdscholle der Euseb’schen Irrtümer pflügen und auch das Serarische Gerede zerstampfen.“122

Vehement spricht sich Scultetus gegen Eusebs Zeugnis aus, die Essener seien Christen geworden. Über mehrere Seiten seiner Abhandlung weist Scultetus Serarius ausdrücklich die Rolle des Angeklagten („periclitan[s]“123) zu, dessen Darstellung es zu widerlegen gilt. Dabei greift Scultetus auch auf die Argumen­ tation seines Kollegen Stenius’ zurück.124

4.1.4.4. Fazit Beide betrachteten Kontroversen zeigen, wie sehr auch die Behandlung einer augenscheinlich außer- beziehungsweise vorchristlichen Thematik wie dem frühen Judentum um 1600 von konfessionellen Gesichtspunkten bestimmt sein konnte. Auch Scaliger, dem in der Forschung teilweise eine überkonfessionelle Haltung zugeschrieben wird, sieht seine Kontroverse mit Serarius als Erweis der eigenen konfessionellen Überlegenheit.125 Durch Identifikationen der frühjü­ dischen Gruppierungen mit den christlichen Konfessionen, dem Vergleich von Katholiken und Pharisäern sowie Protestanten und Karäern beziehungs­ weise Sadduzäern, wurde die Judaistik mit Bedeutung für das gegenwärtige Christentum aufgeladen. Der Versuch, aus der Kontinuität von jüdischem und christlichem Mönchtum letzteres zu legitimieren, tat sein Übriges bei dieser Ent­ wicklung. Besonders Serarius fasste die Kontroverse mit Drusius und Scaliger als Wett­ bewerb zum Erweis der Gleich- oder Höherwertigkeit der katholischen He­ braistik und Judaistik auf. Das nicht nur von Scaliger und Drusius kolportierte Klischee des in den Ursprachen ungelehrten Jesuiten weist er harsch zurück. Hieraus ergibt sich der auch in anderen Feldern zu beobachtende stimulierende Effekt der konfessionellen Kontroversen. Die Konkurrenzsituation, in der sich die Kontrahenten sahen, und der erbitterte Schriftenstreit führten maßgeblich zu 122  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, III, 205: „Sed erroneam Eusebii in historia ecclesiastica de Essenis opinionem Josephus Scaliger validissimis argumentis non uno in loco confutavit. Cuius nos vitulâ libentes arabimus, glebas erroris Eusebiani, & vanitatis Serariana contusuri.“ 123  Ebd., 207. 124  Ebd., 206. 125  De Jonge, Study of the New Testament, 8 f.

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einem Bedeutungszuwachs für die behandelten Fragen in der gelehrten Welt.126 Das große Interesse an dem eher abseitigen Thema der frühjüdischen Gruppen und die intensive Auseinandersetzung mit frühjüdischen Autoren ist ohne die konfessionelle Kontroverse nicht erklärbar. Einschränkend ist hierbei darauf zu verweisen, dass entgegen unserem gegenwärtigen Verständnis des Fachs in der Kontroverse lediglich Christen über Juden und jüdisches Leben reden. Der Aus­ tausch mit jüdischen Gelehrten war in dieser Zeit zwar möglich, beruhte aber in vielen Fällen auf Zufallsbegegnungen.127 Weder wurde die Judaistik von Serarius und auch von seinen Gegnern rein um ihrer selbst willen betrieben, noch war diese Beschäftigung frei von antijudaistischen Reflexen. Dennoch ist die Tatsache, dass den Gelehrten beider Konfessionen die Be­ schäftigung mit dem frühen Judentum außerhalb des biblischen Zeugnisses und zu dessen Kontextualisierung als ein wichtiges Feld gelehrter Betätigung mit theologischer Zielstellung erschien, für sich genommen bemerkenswert. Auch in dieser Kontroverse sind Transferprozesse zwischen den Konfessionen zu finden. Serarius stützt große Teile seiner judaistischen Studien auf die Ausführungen Scaligers und anderer protestantischer Gelehrter, die er offensichtlich eingehend studiert hatte, freilich in der Absicht, diese zu übertreffen und zu korrigieren. Wie auch in anderen Aspekten der Bibelauslegung ergab sich hier für die Je­ suiten die Notwendigkeit profunder Kenntnisse in den Ursprachen. Doch auch Scaliger sah sich in der Auseinandersetzung mit dem Mainzer zu einer Über­ arbeitung seiner eigenen Position bezüglich Philo von Alexandrien getrieben. Nachdem er durch den kritischeren Blick des kontroverspublizistischen Lesers bei der Lektüre Serarius’ es als unhaltbar ansah, Philo weitgehende hebraistische Kompetenzen zuzuschreiben, behandelte er diesen fortan primär als hellenis­ tisch-jüdischen Autoren.128

4.1.5. Fazit Der Themenkreis Schriftautorität, Bibel und Exegese war für beide Seiten von höchster Priorität sowohl in den Kontroversen als auch sonst in ihrer gelehrten Betätigung. Zunächst erscheint die Kontroverse um die Schriftautorität als eine unversöhnliche Trennung der Konfessionen im Verhältnis zur Heiligen Schrift. Die widerstreitenden Prinzipien der Perscpicuitas und der Obscuritas Scripturae und die daraus resultierenden Positionen einer direkten Schriftauto­ rität beziehungsweise einer durch das Lehramt und die Tradition vermittelten Schriftautorität sind in der Theorie in eindeutiger Opposition zueinander. In 126 Vgl. Grafton, Joseph Justus Scaliger, II, 510. 127  So berichtet Serarius etwa von einem Wormser Rabbi, der sich als Pharisäer bezeichnet habe, was der Jesuit als Beleg des Fortbestands dieser Gruppe deutet. Serarius, Trihaeresium, 135; vgl. Grafton/​Weinberg, Always loved the Holy Tongue, 202. 128 Ebd.



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der Praxis bewirkte die konfessionelle Konkurrenzsituation jedoch, dass sich protestantische und jesuitische Theologen im Umgang mit der Bibel sehr viel näher waren, als es zunächst scheint. Um der Vorstellung einer protestantischen Überlegenheit entgegenzuwirken und um ihre Schriften besser interkon­ fessionell kommunikabel zu machen, argumentierten die Mainzer Jesuiten in den Kontroversschriften bevorzugt aus der Bibel. Diese durch die intensive Begegnung mit dem konfessionellen Gegner beförderte Haltung übertrug sich auch auf die übrige exegetische Arbeit der Mainzer Jesuiten, sodass sie aus der Sicht Roms von der Ordensnorm abwichen. Auch Serarius’ Kontroversschriften zu den jüdischen Sekten entsprangen aus ebenjenem Ansinnen des Mainzers, seine hebraistischen Kenntnisse unter Beweis zu stellen, was besonders Scaliger zu scharfer Polemik provozierte. Insgesamt ist ein protestantischer Vorsprung auf diesem Gebiet der Gelehrsamkeit jedoch nicht völlig von der Hand zu wei­ sen. Evangelischen Theologen waren in der Exegese weniger Einschränkungen gesetzt, die Ursprachen und die Exegese hatten in der Tat eine höhere Stellung im Heidelberger Lehrplan als im Mainzer und schließlich sind im behandelten Zeitraum sehr viel mehr Bibelkommentare und exegetische Schriften in Heidel­ berg als in Mainz erschienen. Die Konkurrenzsituation der Konfessionen hatte auch ihren Beitrag am stei­ genden Interesse an außerbiblischen und frühjüdischen Quellen, die von beiden Seiten als Argumente instrumentalisiert wurden. Hieraus ergaben sich wichtige Akzente zur Neubewertung der Bibel, die in den folgenden Jahrhunderten voll­ zogen wurde.129 Hier lässt sich eine bemerkenswerte Parallele zum spätmittel­ alterlichen Exegeten Nikolaus von Lyra (1270/75–1349) ziehen. Dieser hatte sich in aneignender Auseinandersetzung mit der jüdischen Auslegungstradition insbesondere Rabbi Raschis beschäftigt. Sein Bibelkommentar hatte großen Einfluss auf Martin Luther.130 Die Autoren beider Seiten gehen indes nicht so weit, das Schriftprinzip durch Textkritik oder Zweifel an der Autorschaft zu untergraben. Doch auch Bibelkri­ tik war eine im frühneuzeitlichen Katholizismus durch die konfessionelle Kon­ kurrenz hervorgebrachte Haltung. Der französische Oratorianer Richard Simon (1638–1712) betrieb seine Textkritik nicht aus frühaufklärerischem Habitus, sondern zum Aufweis der Notwendigkeit kirchlicher Autorität in der Schrift­ auslegung. Seine Ausführungen konnte er aufgrund innerkirchlicher Vorbehalte allerdings nur unter Schwierigkeiten drucken lassen.131 Von einer Förderung der Bibelkritik durch die konfessionellen Kontroversen lässt sich im Großen und Ganzen jedoch nur sprechen, wenn man nach unintendierten Folgewirkungen der Kontroverspublizistik sucht. In der Tat sind der andauernde Streit um die 129  Rooden, Theology, Biblical Scholarship, bes. 11 f.; Hardy, Criticism and Confession, 184–191. 130  Reventlow, Epochen der Bibelauslegung II, 259–271. 131 Vgl. Reventlow, Wurzeln der modernen Bibelkritik, 5 f.

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rechte Auslegung und gerade die von katholischer Seite eingebrachten Fragen, inwieweit man die Autorschaft und Kanonizität biblischer Schriften ohne ein Lehramt als gesichert werden können, gut geeignet, der Bibelkritik späterer Jahrzehnte und Jahrhunderte einen fruchtbaren Boden zu bereiten.132 Mit einer solchen Sichtweise bliebe jedoch, wie Johann Anselm Steiger zu Recht einwen­ det,133 die Exegese des konfessionellen Zeitalters nur unzureichend beleuchtet. Auch wenn sich diese zudem sicherlich nicht im kontroverstheologischen Aspekt erschöpft, ist die Betrachtung der Streitschriften dennoch unabdingbar für eine umfassende Würdigung dieser Epoche der Bibelauslegung.

4.2.  Die Kirchenväter und ihre Autorität 4.2.1.  Die Konversion des Justus Calvinus/​Baronius und die Kirchenväter Der ungewöhnliche Lebensweg des Justus Calvinus/​Baronius verdient es an die­ ser Stelle, eingehender betrachtet zu werden. Er führte den jungen reformierten Gelehrten Justus Calvinus von Heidelberg über Rom, wo er – zum Katholizismus konvertiert – den neuen Namen Baronius annahm, nach Mainz. Dort erhielt er eine Anstellung am kurfürstlichen Hof und verfasste Kontroversschriften gegen seine einstigen Glaubensbrüder. Geboren wurde er als Sohn des kryptocalvi­ nistischen Pfarrers Heinrich Kahl 1572 im Marburger Land.134 Entgegen der lutherischen Prägung seiner hessischen Heimat immatrikulierte er sich 1587 an der Universität Heidelberg, wo er theologische Vorlesungen bei Daniel Tossanus und Franciscus Junius besuchte.135 Er folgte seinem älteren Bruder Johann Hein­ rich (gest. 1614), der später Professor der Jurisprudenz in Heidelberg wurde.136 132 Vgl. Scholder, Ursprünge und Probleme, 15–33. Eine ähnliche Rolle lässt sich zudem der Kontroverse um die rechte Chronologie der Bibel zuschreiben: vgl. Reventlow, Richard Simon, 2 f. 133  Steiger, Philologia Sacra, 114. 134  Seine literarisch verbürgte Herkunfsbezeichnung „Veteracastrensis“ wurde unzutreffend auf Xanten oder Altenburg bezogen (Buschbell, Zur Biographie, 300). Es handelt sich wohl um Wetter bei Marburg (Schrohe, Justus Calvinus-Baronius, 300; Iserloh, Calvinus, Justus), das auch als Herkunftsort seines Vaters und älteren Bruders Johann Heinrich belegt ist. Als Geburtsort käme auch Großseelheim, wo sein Vater Pfarrer war, in Frage. Schrohe gibt nach einer sonst unzuverlässigen Notiz aus dem 18. Jahrhundert Mai 1572 als Geburtsdatum an, übersieht jedoch einen autobiographischen Verweis Justus Calvinus’, er sei an den Nonen des März 1572 durch den Marburger Professor Justus Vietor getauft worden: Justus Calvinus an Daniel Tossanus, 27.1.1602, in: Baronius/​C alvinus, Epistolarum Sacrarum, 212. Sein Vater war ab 1573 in Goddelau (Hessen-Darmstadt) tätig, wo er jedoch wegen seiner reformierten Gesinnung 1598 abgesetzt wurde und zu seinen Söhnen in die Kurpfalz emigrierte (Diehl, Hassia Sacra, II, 355). 135  Buschbell, Zur Biographie, 301. 136  Vgl. zu diesem und der Bedeutung des reformierten Bekenntnisses für ihn Strohm, Calvinismus und Recht, 132–141.



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Unklar ist, welcher beruflichen Tätigkeit Justus Calvinus nach seiner Studienzeit in Heidelberg nachging, als er heiratete und eine Familie gründete. Die erstmals 1678 von dem italienischen Bellarminbiographen Daniello Bartoli eingebrachte Behauptung, er sei an der Universität Heidelberg Lektor der Theologie,137 oder gar als Theologieprofessor138 angestellt gewesen, ist zeitgenössisch nicht belegt und dürfte auf Unkenntnis oder einer Verwechslung mit seinem Bruder beruhen. Da sich Justus Calvinus in seinen Briefen und Schriften als Gelehrter inszeniert, könnte er im Umfeld der Universität als Privatlehrer agiert haben, wie es etwa auch Abraham Scultetus einige Zeit tat.139 Im Jubeljahr 1600140 ergriff der vom Katholizismus faszinierte Justus Calvinus die Initiative und eröffnete einen Briefwechsel mit dem Speyrer Jesuiten An­ dreas Vermadius, mit dem er sich über das Verhältnis von Offenbarung, Schrift und Tradition austauschte. Höchsten Wert legen Calvinus und Vermadius gleichermaßen auf die Kirchenväter, die sie als Garanten der apostolischen Lehre ansehen.141 Wenige Monate später war der Konversionswille des Heidel­ berger Gelehrten so weit vorangeschritten, dass er ihn in einem Brief an Papst Clemens VIII. bekundete. Als Gründe für seine Konversion gibt er darin zwei maßgebliche Faktoren an: „Ich habe nämlich auf Ratschlag Augustins gelehrte Männer der katholischen Kirche gehört, die Zeugnisse der Heiligen Väter habe ich eifrig entrollt, auch die Schriften zeitge­ nössischer Theologen, besonders die sehr deutlichen Disputationen des unübertrefflichen Robert Bellarmin (dem ich nach Gott den wichtigsten Anteil an meiner Bekehrung zu­ schreibe) habe ich emsig gelesen.“142

Der kunstvoll gestaltete Brief ist mit vielen Kirchenväterzitaten ausgeschmückt. Um seine Zukunft und das Wohl seiner jungen Familie nicht zu gefährden, vollzog Justus Calvinus seine Konversion zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht öffentlich und erbat beim Papst Unterstützung bei der Suche einer neuen Anstellung. Nachdem er im Frühjahr 1601 eine Romreise aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste, begab er sich zunächst ohne seine in Heidelberg verbliebene Familie nach Mainz, wo er sich eine neue Zukunft aufzubauen gedachte. In den Tagen nach seiner Ankunft schrieb er drei Briefe nach Heidel­ 137  Bartoli, Della Vita di Roberto Bellarmino, 88. 138  Calenzio, Cesare Baronio, 552. 139  Scultetus, Selbstbiographie, 28. 140  Das Jubeljahr wurde von einer Konversionsinitiative der Katholischen Kirche begleitet. Vgl. Matheus, Konversionen, 64–70. 141 Vgl. Justus Calvinus an Vermadius, 21.5.1600, in: Calvinus/​Baronius, De Unitate, 6 f.; Vermadius an Justus Calvinus, 29.6.1600, in: Calvinus/​Baronius, De Unitate, bes. 12. 142  Justus Calvinus an Clemens VIII., 1.12.1600, in: Calvinus/​B aronius, De Unitate, 30: „Audiui enim ego, pro Augustini consilio, doctos Catholicae Ecclesiae viros, sanctorum patrum monumentum sedulo euolui, modernorum Theologorum scripta, in primisque diuini viri Roberti Bellarmini (cui secundum Deum praecipuas conuersionis meae partes asscribo), enucleatissimas disputationes studiose legi.“

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berg, um sich für seinen Glaubenswechsel zu rechtfertigen und den Nachzug seiner Familie und seines Hausstandes nach Mainz auszuhandeln. In den nicht erhaltenen Briefen der Heidelberger an ihn hatten diese offenbar nicht nur ihr Unverständnis für die in ihren Augen begangene Apostasie ausgedrückt, sondern sich auch im Verbund mit dessen Schwiegervater Heinrich Bellanus verhalten über die gemeinsame Zukunft mit seiner Frau und den drei Kindern geäußert. Hintergrund waren keineswegs revanchistische Gedanken, sondern die konkrete Sorge um die Rechtsstellung seiner Frau, die zu einer Konkubine herabgestuft würde, falls Justus Calvinus eine geistliche Laufbahn einschlüge. In einem ersten Brief an seinen Schwiegervater, versichert Justus Calvinus daher seine Absicht, im Laienstand zu verbleiben. Zugleich findet er jedoch harte Worte für die Gründe seiner Flucht aus Heidelberg, das er als „euer Babel“143 bezeichnet. Seinem offenbar theologisch gebildeten Schwiegervater144 gegenüber erläutert er, dass die Heidelberger Theologen, namentlich nennt er Ursinus und Pareus, von der authentischen Lehre der Kirche, wie sie in den Kir­ chenvätern am deutlichsten bezeugt ist, abgewichen seien.145 Ähnliches versucht er Pareus persönlich darzulegen, der ihn in einem vorausgegangenen Brief in aller Deutlichkeit als „Apostat, Flüchtling, Halunke“146 beschimpft. Den Vorwurf der Apostasie weist Justus Calvinus vehement zurück, vielmehr sei er mit Paulus oder Augustinus zu vergleichen, als sie vom Pharisäertum und Manichäismus zum wahren Glauben konvertierten.147 In der Folge entfaltet er ein Modell der wahren Kirche nach dem Kirchenvater Cyprian von Karthago. Der dritte Brief in die alte Heimat ist ein längerer Kunstbrief, adressiert an seinen Vater, Schwiegervater und alle Heidelberger Kollegen und Bekannten. Mehr noch als die Briefe an Bellanus und Pareus ist dieser als literarische Apologie komponiert und enthält etliche Zeilen ausfüllende Listen an Belegstellen vor allem aus den Kirchenvätern. Als Grund für seinen Abschiedsbrief gibt er an, auf die große Unruhe eingehen zu wollen, die er in Heidelberg ausgelöst habe: „Auch die Briefe der Vielen, auch das Gerede aller gelangte zu mir, meine Liebsten, dass eure Gemüter heftig in unglaublicher Verwirrung mir gegenüber entbrannt sind, und der Zorn in einer unglaublichen Mitgerissenheit des gesamten Gemeinwesens so sehr, dass auch der Fürst sich verwunderte und der Rat sich empörte und das Volk mit euch klagte, die Prediger dabei wahrlich blind und mit hasserfüllten Worten mit Beleidigungen gegen 143  Justus Calvinus an Bellanus, 8.6.1601, in: Calvinus/​B aronius, Epistolarum Sacrarum, 97: „Babylonem vestram“. 144  Die Heidelberger Universitätsmatrikel verzeichnet am 6.1.1586 den Studenten Henricus Poccius, Bellanus, Westphalus. Weiteres konnte über ihn nicht in Erfahrung gebracht werden, als Inhaber einer Pfarrstelle ist er zumindest nicht nachweisbar. 145  Justus Calvinus an Bellanus, 8.6.1601, in: Calvinus/​B aronius, Epistolarum Sacrarum, bes. 99–101. 146  Zitiert in: Justus Calvinus an Pareus, 15.6.1601, in: Calvinus/​B aronius, Epistola­ rum Sacrarum, 105: „Apostata, profugus, veterator“. 147 Ebd.



4.2.  Die Kirchenväter und ihre Autorität

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meine rein aus Gründen persönlicher Frömmigkeit geschehenen Hinübersiedelung zu den Katholiken um sich warfen.“148

Ob sich in Heidelberg tatsächlich tumultarische Szenen zutrugen oder ob es sich hier um eine literarische Übertreibung seitens Calvinus handelt, lässt sich nicht endgültig beantworten.149 In dem Brief nimmt Pareus die Rolle des An­ tagonisten ein, der als halsstarriger Ketzer die Positionen der Katholiken aus Unkenntnis oder bösem Willen verdrehe. Gerade dieser kontroverstheologische Hass der Heidelberger Gelehrten habe ihn abgeschreckt.150 Seine Verwandten und Bekannten will er rhetorisch davon überzeugen, „wie sehr Augustins und Pareus’ Ansinnen und Meinung verschieden sind“.151 Nachdem er im Laufe des Sommers 1601 in Mainz öffentlich und feierlich zum Katholizismus übergetreten war, schrieb und veröffentlichte Justus Calvinus als öffentliches Zeugnis dieses Vorgangs seine Pro Sacrosancta Catholica Romana Ecclesia, Proque Sua Ad Eam Transmigratione Apologia. Die Apologia besteht aus einem kürzeren autobiographischen Teil und einem längeren, in dem er sich mit der Argumentation des Kommentars Zacharias Ursinus’ zum Heidelberger Katechismus auseinandersetzt. Den Passagen zur Ekklesiologie und den Quellen der christlichen Lehre dieses Kommentars, der in der Kurpfalz als Lehrbuch der Dogmatik eingesetzt wurde, setzt Justus Calvinus zahlreiche Kirchenväterzitate entgegen. Als Anlass für seine Konversion gibt er in der Apologia zwei Gründe an: „Der erste [Grund] ist das Alter der Römischen Kirche gegenüber den neuen Kon­ ventikeln und ihre würdige Erhabenheit nach den Verheißungen des Neuen Testaments: Die Frömmigkeit der Katholiken gegenüber Gott und den Menschen, ihre Beständigkeit in Worten und Taten, ihr schicksalhafter Erfolg in den Wissenschaften wie in Kriegen. Dagegen die geistige Dunkelheit, die von den neuen Lehrern ausgeht, ihre Schlüpfrigkeit und Unbeständigkeit in der Lehre, die sich in ihren Kirchen ausbreitende Enge, ihre Welt­ lichkeit und Schlaffheit im Leben, ihre mehr als barbarische Wildheit in der Behandlung der Gegner, ihre possenhafte Witzigkeit, ihre Schwäche im Kampf, schließlich ihre mehr als Thrasonische [sprichwörtlich nach Thraso, einem prahlerischen Soldaten in Terenz’ Komödie Eunuchus] Prahlerei in der Wahrheit.“152 148  Justus Calvinus an Vater, Schwiegervater und Kollegen, in: Calvinus/​B aronius, Epistolarum Sacrarum, 10 f.: „Et literis multorum, & sermone omnium perfertur ad me, charissimi, incredibilem esse animi vestri grauiter adhuc in me accensi perturbationem atque iram, incredibilem totius ciuitatis modum, adeò vt & Princeps miretur, & Senatus indignetur, & populus vobiscum lamentetur, Praedicantium vero caecus odiosissimis verborum ludibrijs incessant religiosissimam meam ad Catholicos transmigrationem.“ 149  Von Heidelberger Seite sind nur wenige Quellenvermerke überliefert. So spielt Pareus in einer Rede auf die Konversion an (Pareus, Oratio de Jesuitarum Strophis, 1 f.; vgl. Kap. 4.2.3.). Aus dem Briefwechsel Justus Calvinus’ mit Daniel Tossanus geht zudem hervor, dass der Heidelberger Theologe ihn in Vorlesungen schmähte (Justus Calvinus an Daniel Tossanus, 27.1.1602, in: Baronius/​C alvinus, Epistola Sacrarum, 206). 150  Ebd., 108. 151  Ebd., 110; Übers.: „quantum Augustini Pareique sensus distant!“ 152  Calvinus/​Baronius, Pro Sacrosancta Catholica, 4: „Prius est, Ecclesiae Romanae prae nouis conuenticulis antiquitas, & digna promissionibus noui testamenti amplitudo:

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Für Justus Calvinus haben die Katholiken in der konfessionellen Konkur­ renzsituation auf ganzer Linie gewonnen. Sie sind den Protestanten in der Lehre und Frömmigkeit, aber auch in Wissenschaft und Krieg überlegen. Deren kon­ troverstheologischen Bemühungen erscheinen ihm daher nun als abstoßende Barbarei. Neben diesem allgemeinen Grund, der die beidseitig vorhandenen konfessionellen Überlegenheitstopoi aufzählt, gibt Justus Calvinus noch einen zweiten autobiographischen Grund an. Da Calvin sich in seinen Schriften oftmals auf die Kirchenväter beruft, habe Justus aus der väterlichen Bibliothek Bände mit Schriften Augustins und Cyprians geliehen, in dem Glauben hierin eine „Rüstkammer“153 für die reformierte Konfession gefunden zu haben. In den Schriften der Kirchenväter habe er jedoch signifikante Unterschiede zu den Positionen seiner Heidelberger Lehrer entdeckt und so den „Betrug Calvins“,154 die betrügerische Behauptung einer Übereinstimmung der reformierten Lehre mit der Alten Kirche, erkannt. In den ersten Monaten nach seiner Konversion rang Justus Calvinus mit weiteren Publikationen um die Deutungshoheit des Ereignisses. Die Apologia erlebte eine volkssprachliche Übersetzung durch den Mainzer Weltkleriker Matthaeus Kiening.155 Zusätzlich veröffentlichte Calvinus die Briefsammlung De Unitate Sacrosanctae Romanae Ecclesiae Omnibus amplectenda Epistolarum Catholicarum. Hierin sind seine Briefwechsel zur Konversion mit mehreren hochgestellten und bekannten Personen der Katholischen Kirche gesammelt, darunter Papst Clemens VIII., Kardinal Robert Bellarmin und Kardinal Caesar Baronius, zu dem er eine besonders enge Bindung aufbaute. Dieser Sammlung sind einige Briefe Augustins zur Einheit der Kirche angehängt, womit Justus Calvinus seine Selbstparallelisierung mit dem von den Manichäern zum Chris­ tentum übergetretenen Kirchenvater unterstreicht. Im Spätsommer 1602 trat Justus Calvinus seine bereits für das Vorjahr ge­ plante Romreise an. Auf dem Weg dorthin wurde er in Perugia zum Dr. theol. und in Siena zum Dr. jur. promoviert.156 Mit ähnlichen Ehren wurde er auch in der Ewigen Stadt empfangen. Als Gelehrter, der überdies den Namen des „Häresiarchen“ Calvin trug, wurde er in Rom als Trophäe inszeniert. Unter der Patenschaft Kardinals Caesar Baronius wurde Justus vom Papst selbst gefirmt und nahm den neuen Namen Justus Baronius zu Ehren seines verehrten Paten an. catholicorum virorum in Deum & homines pietas, in dictis factisque constantia, in studiis & bellis fortunatissimi successus: contra nouellorum doctorum in oriendo obscuritas, in docendo lubricitas & inconstantia, in ecclesiis extendis angustia, in viuendo profanitas & mollities: in tractandis aduersariis plus quàm barbara feritas, & scurrilis cicacitas, in pugnando infirmitas, denique in veritatis venditatione plus quam Thrasonica sine teste praesidentia.“ 153  Ebd., 5; „armamentarium“. 154  Ebd., 6: „fraus Calvini“. 155  Calvinus/​Baronius, Apologia oder Schutzrede. 156  Schrohe, Justus Calvinus-Baronius, 30 f.



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Zurück in Mainz trat Justus Baronius ausgestattet mit zwei Doktortiteln und päpstlichen Empfehlungsschreiben in die Dienste des Erzbischofs ein. Er wurde zum kurfürstlichen Rat und zum Assessor des geistlichen Konsistoriums ernannt. Unter Erzbischof Johann Schweikhard von Kronberg (1605–1626) übernahm Justus Baronius sogar die Direktion des Konsistoriums sowie des Geistlichen Rats.157 Der promovierte Theologe blieb somit im Laienstand, war jedoch den Mainzer Jesuiten, die er in seiner Apologia als göttliche Sonnen­ strahlen bezeichnet,158 zeitlebens eng verbunden. Mit ausdrücklicher Billigung seines Dienstherrn widmete sich Justus Baroni­ us überdies der Kontroverspublizistik. Als erstes großes Werk159 veröffentlichte er noch im Jahr 1602 die Praescriptionum Adversus Haereticos Perpetuarum Ex SS. Orthodoxis Potissimum Patribus Tratactus VI. Hierbei handelt es sich um eine über 700 Seiten umfassende monumentale Kontroverspatrologie. In der Schrift widmet sich Baronius den Vorschriften zum Umgang mit Ketzern bei den Kirchenvätern Tertullian, Cyprian, Augustinus und Vincenz von Lerins sowie des jesuitischen Märtyrers Edmund Campion (gest. 1581). Sein Vorgehen ähnelt dem Abraham Scultetus’ (s. u.), der zeitgleich in Heidelberg ein ähnliches Projekt bearbeitete, das Justus Baronius sicherlich bekannt war, jedoch nicht ex­ plizit Erwähnung findet. Baronius gibt wie Scultetus zunächst eine knappe his­ torische Einleitung zur Vita des Kirchenvaters und schließt dieser eine Analysis des behandelten und abgedruckten Ausschnitts an, die kontroverstheologisch aufgeladen ist. Zuletzt fügt Baronius sehr ausführliche Annotationes zum Text der Kirchenväter an. Sehr deutlich greift er eine Vielzahl überwiegend refor­ mierter Theologen der Gegenseite an und wendet sich gegen die „Verleumder“,160 die ihn attackierten und die Kirchenväter bewusst missdeuteten. Im Folgejahr ließ sich Justus Baronius auf eine Kontroverse mit den Witten­ berger Lutheranern ein, deren Universitätsjubiläum er scharf angriff.161 Da er Pseudoiubilaeus Wittenbergensis in der ersten Auflage unter dem Pseudonym Tribonianus Cassius veröffentlicht hatte, handelte er sich eine harte Rüge Kardinal Bellarmins an, der an dieser Stelle die Ordensvorschriften der Jesuiten zur pseudonymen und anonymen Publikation auf ihn anwandte.162 Darauf ver­ öffentlichte Justus Baronius keine neuen Kontroversschriften, sondern legte le­ diglich die Schrift gegen die Wittenberger – nun unter seinem Klarnamen – und die Kontroverspatrologie neu auf. Diese zweite Auflage der Patrologie erschien 157  Schohe, Justus Calvinus-Baronius, 304. 158  Calvinus/​Baronius, Pro Sacrosancta Catholica, 68. 159  Die bei Schohe, Justus Calvinus-Baronius, 297 verzeichnete Schrift Controversiarum theologicarum isagoge ad illustrissimum Card. Baronium, Mog. 1601 ist nirgends nachweisbar. Es könnte sich dabei um ein Manuskript handeln. 160  Baronius/​C alvinus, Praescriptionum Adversus Haereticos [1. Auflage], fol. B5r: „calumniatores“. 161  Vgl. Kap. 4.3.4.5. 162  Baronius an Serarius, 13.9.1602, in: Venerabilis Caesaris Baronii … Epistolae, II, 98.

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1605 unter seinem neuen Namen Baronius und ist um einen Anhang gegen den anglikanischen Theologen John Rainolds erweitert. Dieser war in einer seiner Schriften eher beiläufig auf den Fall des Konvertiten eingegangen, was Justus Baronius zum Anlass für einen polemischen Rundumschlag unter Verwendung zahlreicher Väterzitate nahm.163 Zudem publizierte er eine zweite, nun umfang­ reichere Briefsammlung, mit der er stolz seine fortgeführten Briefwechsel mit den Kardinälen Baronius und Bellarmin inszenierte. Nach seiner Ernennung zum Direktor des Konsistoriums und des Geistlichen Rats publizierte Justus Baronius nicht mehr, er starb zwischen 1616 und 1621.164

4.2.2.  Abraham Scultetus’ Medulla Theologiae Patrum Den wichtigsten Heidelberger Beitrag zur Erforschung der Kirchenväter leistete ohne Zweifel der spätere Hofprediger Abraham Scultetus mit seiner vierbändigen Medulla Theologiae Patrum, der ersten umfassenden Patrologie eines reformier­ ten Theologen überhaupt.165 Angeregt durch seinen Vorgänger im Amt des Hof­ predigers, Bartholomäus Pitiscus, begann Scultetus noch in seiner Studienzeit mit der intensiven Lektüre der Kirchenväter.166 Seine Studien brachten ihn auf der Suche nach ihm noch unbekannten Büchern sogar bis in die Bibliothek der Mainzer Jesuiten, deren Nutzung ihm durch Johannes Mulhusinus ermöglicht wurde.167 In seinen „Nebenstunden“168 arbeitete Scultetus an seinem Projekt, während er Pfarrstellen in Schriesheim und an der Franziskanerkirche Heidel­ berg innehatte. Mittlerweile zum Hofkaplan ernannt, konnte er 1599 den ersten Band der Medulla Theologiae Patrum veröffentlichen. Das erklärte Ziel dieses Werks ist, alle Kirchenväter bis zum Konzil von Nicaea mit ihren Schriften umfassend vorzustellen und den theologischen Gehalt für den zeitgenössischen Leser vorzustellen. Der Name der Medulla ist programma­ tisch für seine Arbeitsweise gewählt. Durch die komprimierte Darstellungsweise will Scultetus den Leser in Lehre und Werk der Väter einführen, sinnbildlich den harten Knochen aufbrechen, um an das nahrhafte Mark (lat. medulla) zu gelangen. Der erste Band umfasst die Kirchenväter Justin, Athenagoras, Tatian, Irenaeus, Theophilus von Antiochia, Clemens von Alexandria, Origenes, Ter­ 163  Baronius/​C alvinus, Praescriptionum Adversus Haereticos [2. Auflage, 1605]; der Anhang gegen Rainolds ist neu paginiert. Vgl. R ainolds, Sex theses de Sacra Scriptura [Neu­ auflage 1602]; Justus wird hier auf der Titelseite und im Vorwort der Neuauflage als Beispiel für ein Fehlverständnis der Autorität von Heiliger Schrift und Tradition genannt. Kurze Er­ wähnungen finden sich zudem auf S. 20 f. und 467. 164  Schrohe, Justus Calvinus-Baronius, 307. 165  Benrath, Heidelberger Kirchengeschichtsschreibung, 23. 166  Scultetus, Selbstbiographie, 29. 167  Ebd., 35. Scultetus nennt an dieser Stelle nicht den Grund für seinen Besuch in Mainz; Nachforschungen für seine Patrologie sind jedoch die plausibelste Erklärung. 168  Ebd., 40.



4.2.  Die Kirchenväter und ihre Autorität

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tullian, Cyprian, Arnobius und Lactanz. Hinzu kommen Schriften des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, auf deren unsichere Zuschreibung und Authen­ tizität er mit dem Vermerk „dubia“ hinweist, darunter Dionysios Areopagita und Clemens von Rom. Der zweite Band, erstmals 1605 erschienen, ist dem Werk Athanasius’ und Epiphanios’ von Salamis (gest. 403), des Haupturhebers des ori­ genistischen Streits, gewidmet. Mit Epiphanios durchbricht Scultetus bereits die ursprüngliche zeitliche Einschränkung des Projekts, was sich im 1609 veröffent­ lichten dritten Band fortsetzt. Mit Eusebius von Caesarea, Gregor von Nyssa, Lucifer von Cagliari, Nemesios von Emesa, Makarios dem Ägypter, Optatus von Mileve und Vigilius von Trient liegt der Schwerpunkt dieses Bandes auf den griechischen Kirchenvätern des vierten Jahrhunderts und den Auswirkungen des trinitarischen Streits. Den vierten und letzten Band der Medulla veröffent­ lichte Scultetus 1613 nach seiner Ernennung zum Hofprediger. Mit Basilius von Caesarea, Hilarius von Poitiers, Foebadis, Didymus von Alexandria und Marius Victorianus liegt auch hier der Schwerpunkt auf der Zeit nach dem Konzil von Nicaea. Insgesamt umfasst die Medulla also die wichtigsten Kirchenväter bis zum Ende des vierten Jahrhunderts, wobei es mit Ignatius, Ambrosius und Jo­ hannes Chrysostomos auch auffällige Fehlstellen gibt, die Scultetus nicht weiter begründet. Zudem ist bemerkenswert, dass mit Augustinus der für Protestanten wichtigste Kirchenvater nicht aufgenommen wurde. Dies erklärt sich wohl aus seiner zeitlichen Randstellung und der Tatsache, dass eine Aufnahme seines produktiven Schaffens den Arbeitsrahmen gesprengt hätte. Dem ersten Band stellt Scultetus eine Anleitung zur rechten, evangelischen Lektüre der Kirchenväter voran, die er mit seinem Großwerk fördern will. Zu­ oberst steht für ihn die Einsicht eines Fundamentalunterschieds zwischen Hei­ liger Schrift und den Kirchenvätern: „Die Heilige Schrift stammt von Gott, die Schriften der Väter von Menschen. Deshalb: 1. Der Schrift glauben wir um ihrer selbst willen; den Schriften der Väter um ihrer Überein­ stimmung mit jener willen. 2. Es ist ein Frevel, von dem offenbarten Zeugnis der Heiligen Schrift zu den Schriften der Kirchenlehrer fortzulocken. 3. Zu einem anderen Zweck liest man die Schriften der Väter als das Wort Gottes. Dieses, damit die Gläubigen in Anfech­ tung beruhigt werden; jene, um die äußere Übereinstimmung der Kirchenlehrer mit dem inneren Zeugnis des Heiligen Geists zu bestärken, die Kirchengeschichte zu kennen und durch die Ermahnungen frommer heiliger Menschen zur rechten Gottesverehrung angefeuert zu werden. 4. Eine Schrift ist von so großer Bedeutung und so altehrwürdiger Autorität, wie sehr sie mit der Heiligen Schrift übereinstimmt.“169 169  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, I, fol. (:)(v : „Scripturam sacram â Deo, scripta Patrum ab hominibus profecta. Itaque: 1. Scripturae nos credere propter: Patrum scriptis propter consensum cum illa. 2. Nefas esse provocare à manifestis Scripturae testimoniis ad scripta Doctorum Ecclesiae. 3. Alio fine legenda esse scripta Patrum, alio verbum Dei. Hoc ut habeat in quo FIDES in tentationibus acquiescat: illa ut externo Doctorum Ecclesiae consensu internum Spiritus S. de veritate Evangelica testimonium roboret, historiam Ecclesiae cognoscat,

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Die unbedingte Ausrichtung an der Heiligen Schrift als alleiniger „norma nor­ mans“ des christlichen Glaubens ist für Scultetus die entscheidende Bedingung einer Kirchenväterlektüre unter reformierten Vorzeichen. Den Katholiken wirft er implizit den „Frevel“ vor, durch die Betonung des autoritativen Gehalts der Tradition von der immens wichtigeren Bibellektüre abzulenken. Es gibt für den Heidelberger Gelehrten jedoch auch gute und legitime Gründe, die Schriften der Kirchenväter zur Hand zu nehmen. Sie dienen der theologischen Vergewis­ serung des Gottesworts, der Erfassung der historischen Dimension und können auch zu pastoralen Zwecken eingesetzt werden. Schließlich ist sein letzter Punkt bemerkenswert: Scultetus geht nicht von einem fortschreitenden Verfall der evangelischen Wahrheit bis hin zum „dunklen Jahrtausend“ des Papsttums aus und misst dem Alter oder der breiten Rezeption eines Werks keinerlei Autoritäts­ gewinn zu. Die Väter der Alten Kirche haben für ihn keinen unmittelbareren Zugang zum Evangelium als nachgeborene Generationen. Dies erhellt sich aus einer Passage des Vorworts zum vierten Band: „So wie seit der Zeit der Apostel Gott wiederholt immer wieder andere Zeugen und Fürsprecher der evangelischen Lehre hervorgerufen hat, wie Justin, Irenaeus, Cyprian, Athanasius, Basilius, Hilarius und andere; so wurden auch Luther und Zwingli, an ver­ schiedenen Orten sehr berühmte Männer von Gelehrtheit, Frömmigkeit und Tugend beigesellt, deren Werke die Wahrheit weit verbreiteten, den papistischen Götzenwahn zügelten und dieser Tyrannei entgegentraten.“.170

Diese Passage ist in einem knappen Entwurf einer Reformationsgeschichte ein­ gebettet, die Abraham Scultetus vier Jahre später beginnen sollte.171 Hier scheint bereits das Geschichtsbild des Heidelbergers durch: Scultetus lehnt insbesondere in der Reformationsgeschichte den Fokus auf Einzelpersonen ab und sieht in der Geschichte der Kirche größere Gruppen als die bedeutenden Handlungsträger an. Jede Generation hat dabei durch die Heilige Schrift die Möglichkeit, gleich unmittelbar zur evangelischen Wahrheit vorzustoßen. Durch die Parallelisie­ rung der Kirchenväter und der Reformatoren verlangt Scultetus ebenso, dass die Lektüre dieser Autoren grundsätzlich den gleichen Vorgaben folgen müsse. Schriften Luthers oder Calvins sind wie auch Schriften Origenes’ oder Augustins an ihrer Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift zu messen und nicht um ihrer selbst willen als wahr anzuerkennen. Das Bemerkenswerte an der Medulla Theologiae Patrum liegt nicht allein in ihrer Stellung als erste umfassende reformierte Patrologie, sondern liegt auch piis sanctorum hominum exhortationibus ad verum Dei cultum inflammetur. 4. Tanto majoris scriptum quodque vetus esse autoritas, quanto majorem habet cum Scriptura consensum.“ 170  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, IV, fol. *4v : „Quemadmodum autem ab Apos­ tolorum tempore alios atque alios subindè suscitavit Deus doctrinae evangelicae testes simul propagatores, Justinum, Irenaeum, Cyprianum, Athanasium, Basilium, Hilarium, alios; ita Lu­ thero & Zwinglio in diversis locis clarissimos doctrinâ pietate virtute, viros associavit, quorum operâ veritas latè disseminata, idolomania pontificia cohibita, tyrannis fuit compressa.“ 171  Vgl. Kap. 4.3.4.2.



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in ihrem zum Teil innovativen Profil und Aufbau. Nach Autoren geordnet geht Scultetus nach folgendem Muster vor: Zunächst leitet er in das Werk des Kirchenvaters mit einem biographisch-bibliographischen Kapitel ein, worauf zwei Hauptteile folgen, die Analysis und die Synthesis. Im analytischen Teil gibt Scultetus den Inhalt der einzelnen Schriften ohne Kommentierung knapp wie­ der. Der synthetische Teil ist hiervon strikt getrennt. Nach theologischen Loci geordnet trägt Scultetus die Positionen des behandelten Kirchenvaters zu einer Streitfrage zusammen, bewertet den Gehalt und das theologische Kernanliegen des Autors und kommt zu einem Urteil über das Verhältnis des Kirchenvaters zur biblischen Wahrheit. Auf diese Hauptteile folgen bei den meisten Vätern weitere Kapitel wie ein historischer Anhang über die Bedeutung des Werks als Quelle für die Kirchengeschichte oder ein kontroverstheologischer Anhang, in dem die Legitimität einer Berufung auf den Kirchenvater durch die verschiedenen Kon­ fessionen überprüft wird. Scultetus’ Profil zeichnet sich besonders in vier Dimensionen aus: 1.) Die kontroverstheologische Ausrichtung des Gesamtwerks, 2.) die kritische Haltung zur Theologie der Kirchenväter und die Opposition zur Vorstellung eines „consensus patrum“, 3.) die Betonung der Bedeutung der Kirchenväter für die Historiographie und der Historiographie für das Verständnis der Kirchenväter und 4.) die konsequentere Überprüfung der Authentizität der Väterschriften. Abraham Scultetus’ Patrologie ist eine Kontroversschrift im weiteren Sinne. Die kontroverstheologische Ausrichtung ist ab dem zweiten Band sogar im er­ weiterten Titel sichtbar. Laut diesem wird die im Buch behandelte Lehre der Kirchenväter „befreit von der Verderbung durch Robert Bellarmin“172 dargestellt. Anders als später der Helmstedter Georg Calixt (1586–1656)173 und andere Theologen des 17. Jahrhunderts sind die Kirchenväter für Scultetus kein Ansatz­ punkt irenischer Bemühungen auf geteilten altkirchlichen Wurzeln. Vielmehr sind ihm die Kirchenväter Vorbild in der Kontroverse. Gleich zu Beginn des Widmungsbriefs zum ersten Band verweist Scultetus auf die Kontroversen der Alten Kirche, die „nicht allein in privaten frommen Zusammenkünften“,174 sondern schriftlich und in den großen Konzilien ausgetragen wurden. Seinem Hauptgegner wirft der Heidelberger eine systematische Fehlinterpretation der Väter, einen „Bellarminischen Betrug“175 vor. Dieser beeindrucke viele Unkundi­ ge mit seiner beeindruckenden Zahl von Kirchenväterzitaten, weshalb Scultetus sich genötigt sieht, Aufklärungsarbeit zu leisten.176 In einem der zahlreichen 172  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, II, Titel: „à Roberti Bellarmini corruptelis est vindicata“. 173  Callisen, Georg Calixtus, 8–11. 174  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, I, fol. )(2r: „non solum in privatis piorum conventibus“ 175  Ebd., fol. )(4r: „fraudum Bellarminicarum“. 176  Ebd., fol. )(2v–)(3r.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

kontroverstheologischen Anhangskapiteln schreibt Scultetus über die Zitation des Athanasius zur Unterstützung der katholischen Lehre: „Die Frechheit der Papisten ist bewundernswert, sie werden von den Heiligen Schriften, die auf göttliche Eingebung des Heiligen Geists veröffentlicht wurden, offenkundig widerlegt und suchen Zuflucht, wo sich ihnen gar keine Zuflucht zeigt, zu den Schrift­ zeugnissen der Kirchenväter und vor den Augen der gesamten Christenheit machen sie sich daran, den Glanz des Lichts der Alten Kirche zu besudeln. Wie nichtig aber jene Prahlerei über das Altertum ist, hat unsere Medulla Theologiae Patrum gelehrt und wird es, so Gott will, weiterhin lehren.“177

Diesem Zitat folgt eine längere dialogisch gestaltete Auseinandersetzung, in der Scultetus nachzuweisen sucht, dass der Kirchenvater Athanasius keinesfalls die Positionen der Katholiken unterstützt. Neben den Katholiken und ihrem kontroverspublizistischen Exponenten Bellarmin, wirft Scultetus auch den lu­ therischen Magdeburger Zenturiatoren vor, die Kirchenväter illegitim zu instru­ mentalisieren.178 Abraham Scultetus greift allerdings nicht nur die Vorstellung eines Konsenses der neuzeitlichen katholischen Kirche mit den Kirchenvätern an. Auch eine generelle Übereinstimmung der Kirchenväter untereinander, den sogenannten consensus patrum, will der Heidelberger nicht gelten lassen. Durchaus zutref­ fend bezeichnet Wilhelm Schmidt-Biggemann die „Zerstörung der patristischen Einheit“179 als ein zentrales Anliegen der Medulla. Auch dies geschieht freilich vor dem Hintergrund der konfessionellen Kontroversen. Indem Scultetus die „einmütige Übereinstimmung der Väter“ („consensus unanimis patrum“) angreift, wendet er sich gegen eine Lehre, die für die tridentinischen Kontro­ verstheologen von entscheidender Bedeutung ist.180 Durch die Fiktion eines allgemeinen Konsenses der rechtgläubigen Theologen aller Zeiten ließ sich eine attraktive Idee der Katholizität bekräftigen. Zugleich konnte man dem protes­ tantischen Vorwurf einer willkürlichen Bibelauslegung entgegentreten. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Vorstellung einer allgemeinen Übereinstimmung der Kirchenväter untereinander und mit der Bibel auch für philippistische und reformierte Theologen nahezu ein Gemeinplatz war.181 Bemerkenswert an Scultetus’ kritischer Herangehensweise ist, dass er nicht zwischen „orthodoxen“ und „heterodoxen“ Kirchenvätern unterscheidet. Statt­ 177  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, II, 146: „Mira Pontificiorum audacia est: qui à Scripturis, divino Spiritus S. instinctu editis, palàm repulsi, eò confugiunt, unde subsidium omninò nullum illis ostenditur, id est, ad monumenta Patrum, & totius orbis Christiani oculos splendore veteris Ecclesiae luminum perstingere aggrediuntur. Quàm vana autem sit illa de Antiquitate gloriatio, nostra Theologiae Patrum Medulla hactenus docuit, & deinceps, Deo volente, doctura est.“ 178  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, I, fol. )(3v. 179  Schmidt-Biggemann, Apokalypse und Philologie, 92. 180 Vgl. Dietrich, Theologie und Kirche, 136–142. 181  Dingel, Streben nach einem consensus orthodoxus, 196.



4.2.  Die Kirchenväter und ihre Autorität

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dessen versucht er innerhalb des Werks zu differenzieren. Hierzu nutzt ihm seine Methode, zwischen einem diachronen analytischen und einem nach Themen geordneten synthetischen Teil zu unterscheiden. Nur wenige Seiten nach der oben betrachteten Stelle, in der Scultetus gegen die Vereinnahmung des Athanasius durch die Katholiken Stellung bezieht und zeigen will, dass dieser auf Seiten der Protestanten anzusiedeln ist, beginnt er ein Kapitel über die Irr­ tümer des Kirchenvaters mit folgenden Worten: „Über die Väter ist gänzlich so zu denken, wie über Menschen [allgemein]: Sie können vieles sehen, aber nicht alles. Daher gibt es Einzelmeinungen, Irrtümer, ungünstige Inter­ pretationen der Heiligen Schrift, die wir zu den rhetorischen Erhebungen rechnen.“182

Scultetus ist in seiner Kritik also durchaus zurückhaltend. In seinen Augen von der Bibel abweichende Meinungen bezeichnet Scultetus meist als „Makel“ („naevi“) oder wie hier als „Einzelmeinungen“ („opiniones singulares“), nicht jedoch als Häresie. Dies gilt sogar für Abweichungen von der nicaenischen Trinitätslehre. Eusebius von Caesarea, für den Scultetus hohe Sympathie emp­ findet,183 verteidigt er sogar mit dem wenig orthodox anmutenden Argument, man könne ihn höchstens als einen „Semiarianum“184 bezeichnen. Irrtümliche Auslegungen der Heiligen Schrift und daraus resultierende „Einzelmeinungen“ gelten Scultetus als beinahe unausweichliche Begleiter menschlicher Theologie: „Es gibt keinen der alten Kirchenlehrer, bei dem du nicht Einzelmeinungen findest. Diese entnehmen sie entweder aus ihrem jeweiligen Zeitalter, wie eine Seuche oder aus der Spekulation ihres jeweiligen Verstands.“185 Weitergehende Folgerungen für das menschliche Vermögen, die Schrift trotz des „Zeitgeists“ und der Begrenztheit des eigenen Verstands recht zu verstehen, zieht Scultetus freilich nicht. In seiner Kritik an den Kirchenvätern geht der reformierte Theologe jedoch teilweise recht weit und warnt etwa eindringlich vor der Lehre Irenaeus’ von Lyon vom freien Willen.186 Trotz der oben dargestellten Tendenz, bei konfessionellen Streitthemen die Kirchenväter auf der Seite der Reformierten zu verorten, begeht Scultetus kei­ neswegs eine bloße unkritische konfessionelle Vereinnahmung der spätantiken Theologen. Dies zeigt sich beispielsweise an seiner Einordnung der Passagen in Justins Apologie, in denen der christliche Gottesdienst und insbesondere 182  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, II, 156: „De Patribus omninò censendum est, sicut de hominibus: multa possunt videre, sed non omnia. Unde opiniones singulares, errores incommodae interpretationes Scripturae, quibus Rhetoricas quoque exaggerationes accensemus.“ 183  Vgl. Kap. 4.3.2.3. 184  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, III, 162. 185  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, IV, 24 f.: „Nemo est Doctorum veterum, apud quem non singulares opiniones reperias: quas vel à sui singuli seculi quasi contagio, vel à sui singuli ingenij speculatione hauserunt.“ 186  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum I, 105; vgl. Backus, Bible and the Fathers, 237.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

die Feier der „Eucharistie“ dargestellt werden. Scultetus erkennt durchaus an, dass die im zweiten nachchristlichen Jahrhundert entstandene Schilderung des Abendmahls durch Justin, „welcher heute von den Jesuiten und Ubiquitariern missbraucht wird“,187 in Ritus und theologischer Implikation teilweise den Lu­ theranern und Katholiken nähersteht. Hierin und auch in anderen Punkten, etwa dem freien Willen, stimme der Kirchenvater nicht mit der Schrift überein. Jedoch sieht Scultetus im Großen und Ganzen eine „Übereinstimmung Justins und unserer [reformierten] Kirchen“,188 die sich mit Abstrichen auch auf die Sa­ kramente beziehe. Diese kritische Haltung gegenüber den Kirchenvätern ermöglicht Scultetus auch eine differenzierte Haltung zu den in der katholischen Kirche umstrittenen Kirchenvätern Tertullian, welcher sich zum Ende seines Lebens dem Monta­ nismus zuwandte, und Origenes, dessen Werk nach dem origenistischen Streit als teilweise problematisch betrachtet wurde. Scultetus hat wenig Interesse an diesen Hintergründen und versucht, sie den anderen Kirchenvätern gleich­ geordnet rein aus ihren hinterlassenen Schriften zu bewerten. Tertullian erkennt er ein hohes Gewicht in der vornicaenischen Trinitätslehre zu, tadelt jedoch zahlreiche Widersprüche in seinem Werk und zählt etwa dessen Petrinologie zu seinen zahlreichen Abweichungen zur Heiligen Schrift.189 Eine weitere wichtige Besonderheit in der Patrologie Scultetus’ ist seine Beto­ nung der Historiographie für das Verständnis der Kirchenväter. Dies beginnt mit der biographisch-bibliographischen Einleitung zu jedem Kirchenvater. Diese Kapitel unterliegen erkennbar keinem hagiographischen, sondern einem his­ toriographischen Interesse. Scultetus will beispielsweise auf Schüler-Lehrer-Ver­ hältnisse zwischen den Vätern aufmerksam machen und setzt die behandelten Autoren in historische Beziehung zueinander. Dabei ist sich der Heidelberger der historischen Distanz der Kirchenväter untereinander bewusst. Scultetus er­ läutert wiederholt, welche Häresien und Irrlehren in dieser Zeit vorherrschten, und kann somit thematische Schwerpunktsetzungen, aber auch von der Heiligen Schrift abweichende „Einzelmeinungen“ der Kirchenvätergenerationen erklären. Umgekehrt pocht Scultetus auf der Bedeutung der Kirchenväter für die His­ toriographie. Bei vielen Kirchenvätern fügt er ein Anhangskapitel an, in dem dargelegt wird, welche Erkenntnisse sich aus dem Werk über das Leben und den Gottesdienst der Christen in dieser Zeit gewinnen lassen. Einen Höhepunkt bilden hierbei verständlicherweise die Kapitel über Eusebius von Caesarea im dritten Band der Medulla Theologiae Patrum, in denen Scultetus auch auf ak­ tuelle Kontroversen eingeht.190 187  Ebd., 50: „quibus abuntur hodie Iesuitae & Ubiquitarii“. 188  Ebd., 57: „Consensus Justini & nostrorum Ecclesiarum“. 189  Ebd., bes. 300–306. An Origenes hat Scultetus sehr viel weniger Interesse und handelt dessen Schrift in aller Knappheit ab. 190  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, III, 219–232; vgl. Kap. 4.2.2; Kap. 4.1.4.2.



4.2.  Die Kirchenväter und ihre Autorität

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Schließlich ist auch die Frage nach der Echtheit mancher Kirchenväter­ schriften in Scultetus’ Blickfeld. Während beispielsweise Robert Bellarmin einen etwaigen Fälschungsvorwurf theologischen Schriften aus der Spätantike zunächst hintangestellt wissen will, geht Scultetus weitaus offensiver mit der Thematik um.191 Bei einigen Athanasius von Alexandria zugeschriebenen Schriften war Scultetus sogar der erste, der die Authentizität anzweifelte und damit recht behielt.192 Das Werk dieses Kirchenvaters war Scultetus sogar aus ei­ gener editorischer Praxis vertraut. Im Rahmen einer großangelegten Neuedition der Kirchenväter durch den Heidelberger Drucker Hieronymus Commelinus (1550–1597) war er an der Herausgeber der Werke Athanasius’ beteiligt, wobei er einige neu entdeckte Predigten edierte, jedoch als unauthentisch verwarf.193 Zur Überprüfung der Authentizität zieht Scultetus die zu seiner Zeit übliche Methodik philologisch-historischer Kritik heran, mit der gebotenen Vorsicht aber auch dogmatische Erwägungen, um Inkonsistenzen im Schrifttum des Autors auf den Grund zu gehen.194 Auf diese Weise diskutiert er etwa die bis heute in ihrer Echtheit umstrittenen Briefe des Ignatius.195 Scultetus hat dabei zwar durchaus die Tendenz, anticalvinistisch einsetzbare Werke im Zweifelsfall als unauthentisch anzusehen, lässt sich von dieser Tendenz jedoch nicht völlig einnehmen.196 Bei der Frage, ob die wohl im vierten oder fünften nachchrist­ lichen Jahrhundert entstandenen Schriften des „Pseudo“-Dionysios Areopagita tatsächlich dem von Paulus bekehrten Athener (Apg 17,34) zuzurechnen sind, wägt Scultetus die „Argumente der Papisten“197 gegen die Argumente für eine Fälschung ab. An dieser Stelle erhält die philologische Wissenschaft für Scultetus konfessionellen Charakter. Wie zu erwarten, folgt er den Humanistengrößen Lorenzo Valla und Erasmus und verwirft die Schriften als unauthentisch. Die Medulla Theologiae Patrum wurde schnell sehr breit rezipiert. Allein der erste Band erlebte noch zu Scultetus’ Lebzeiten zwei Neuauflagen. Im Jahr 1634 erschien, zusammen mit anderen Neudrucken theologischer Werke der Heidelberger, mitten im Dreißigjährigen Krieg ein posthumer Neudruck aller Bände in einem Band unter dem Titel Medullae Theologiae Patrum Syntagma.198 Nicht zuletzt diese Handbuchfassung ermöglichte eine fortgesetzte Rezeption des Werks über das 17. Jahrhundert hinaus, wobei Scultetus’ Werk zur Ausstat­ 191 Vgl. Backus, Bible and the Fathers, 23 f. und 24 f. 192  Goudriaan, Athanasius, 266–269; Benrath, Reformierte Kirchengeschichtsschrei­ bung, 50. 193  Kühlmann u. a., Die deutschen Humanisten, III, 488–490. Scultetus war zudem an der Edition eines Werks des Gelasios von Kyzikos beteiligt, vgl. ebd. 523–528. Vgl. auch Benrath, Heidelberger Kirchengeschichtsschreibung, 15.2 f. 194  Benrath, Heidelberger Kirchengeschichtsschreibung, 2 f. 195  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, I, 447–453. 196  Backus, Bible and the Fathers, 247. 197  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, I, 483–486: „Argumenta Pontificiorum“. 198  Scultetus, Medullae Theologiae Patrum Syntagma. Vgl. Kap. 2.3.4.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

tung nicht nur vieler reformierter Bibliotheken gehörte.199 Die Medulla wurde indes auch im protestantischen Ausland gelesen. So lobte etwa Thomas James (1573–1629), der erste Bibliothekar der renommierten Bodleian Library und Initiator einer Forschungsgruppe, die durch philologisch-editorische Arbeit an den Kirchenvätern Fälschungen der Katholiken aufdecken wollte, ausdrücklich das patrologische Werk des Heidelbergers.200

4.2.3.  Weitere Bemühungen um die Kirchenväter in Heidelberg und Mainz Neben Scultetus’ Medulla Theologiae Patrum und dem bereits erwähnten Editionsprojekt des Druckers Hieronymus Commelinus haben auch andere Heidelberger Theologen sich um die Kirchenväter – durchaus auch in kontro­ verstheologischer Zielrichtung  – bemüht. Die von Daniel Tossanus verfasste Synopsis De Patribus wurde 1603, ein Jahr nach dem Tod des Autors, von dessen Sohn Paulus Tossanus herausgegeben.201 Es handelt sich dabei um eine recht knappe Einleitung in das Studium der Kirchenväter, die dem Anschein nach auf einer Vorlesung basiert. Die Schrift ist geteilt in einen ersten allgemeinen Teil, in dem er Thesen zum Umgang mit den Kirchenvätern aufstellt, und einen zweiten über die Kirchenväter im Speziellen. In je nur einem Absatz stellt Tossanus das Wichtigste über Leben und Werk der bedeutendsten Kirchenväter zusammen. Tossanus’ Synopsis, die möglicherweise schon vor dem ersten Band der Medulla Theologiae Patrum konzipiert wurde, zeigt deutliche Parallelen zum Werk seines Schülers Scultetus. Tossanus rät dem Leser zu drei grundlegenden Vorsichtsmaßnahmen beim Väterstudium, die die Katholiken nicht beachteten. Diese seien daher „nicht so sehr Theologen, sondern vielmehr Patrologen und Anthropologen“202, berücksichtigten also nicht den fundamentalen Unterschied zwischen göttlicher und menschlicher Autorität. Zum ersten solle nur derjenige das Studium der Kirchenväter beginnen, der ausreichend gelehrt in der Bibel ist, um die Väter an dieser zu messen. Ferner müsse er zweitens die Bibel als uneingeschränkte „Königin und Kaiserin“203 in Theologie und Kirche an­ erkennen. Drittens solle nur derjenige die Kirchenväter studieren, der diese nicht unkritisch lese oder ihre Schriften „ohne Überprüfung“204 hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Authentizität behandle. Das Primat der Heiligen Schrift 199  Benrath (Hg.), [Scultetus], Selbstbiographie, 132–136 (Editorischer Anhang). 200  Backus, Bible and the Fathers, 236; vgl. zu James Clement, Librarianship and Pole­ mics, bes. 271.275–279. 201  Daniel Tossanus hatte einen großen literarischen Nachlass, vornehmlich aus unver­ öffentlichten Vorlesungen bestehend, hinterlassen, den sein Sohn systematisch herausgab. Vgl. Kühlmann u. a., Die Deutschen Humanisten, V, 555–562. 202  Tossanus, Syposis De Patribus, 6: „non tam Theologi, quam patrologi & anthropologi“. 203  Ebd.: „regina & imperatrix“. 204  Ebd.: „sine delectu“.



4.2.  Die Kirchenväter und ihre Autorität

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vor der Tradition belegt Daniel Tossanus zudem mit zahlreichen Zitaten der Kirchenväter selbst.205 Die Nähe zur Herangehensweise Scultetus’ wird bereits im erweiterten Titel deutlich, in dem Tossanus ankündigt, die „Vorzüge und Makel“206 der Kirchenväter miteinander aufzuwiegen. Die auch im Text mehr­ fach verwendete, eher zurückhaltende Bezeichnung naevi für die Irrtümer der Kirchenväter verbindet ihn mit Scultetus. Wie auch sein jüngerer Heidelberger Kollege verweist Tossanus explizit darauf, dass auch die Väter im Widerspruch nicht nur zur Schrift, sondern auch zur Gesamtkirche stehen können und nennt Cyprians Position im Ketzertaufstreit und Tertullians späte Sympathien für den Montanismus als Beispiele.207 Zudem zitiert Tossanus in seinen anderen Kontroversschriften häufig aus den Kirchenvätern. Augenfällig ist dies etwa in seiner Kontroverse mit dem Mainzer Jesuiten Petrus Thyraeus um die Legitimität der evangelischen Pfarrer­ ordination.208 In seiner abschließenden Schrift Pastor Evangelicus hängt der Heidelberger ein mehrseitiges Extrakt aus Ambrosius’ De Dignitate Sacerdotali an, um gegen seinen jesuitischen Gegner zu beweisen, dass die evangelische Ordinationspraxis mit der der Alten Kirche übereinstimme.209 Tossanus’ nur gut 50 Seiten umfassende Schrift fand zwar keine der Medulla vergleichbare Ver­ breitung, wurde jedoch sogar 1637 in die englische Sprache übersetzt. Der auch bei Scultetus durchscheinende Austausch zwischen England und der Kurpfalz ist kein Zufall, handelte es sich hierbei doch nicht nur um politische Verbündete, sondern auch um wichtige Zentren der protestantischen Patristik dieser Zeit.210 Auch David Pareus widmet sich in einer Kontroversschrift der Bedeutung der Kirchenväter. In der 1604 veröffentlichten Oratio de Jesuitarum Strophis Circa Canonem Scripturarum: Et De Consensu Antiquitatis cum Ecclesiis Orthodoxis huius temporis stellt Pareus Thesen zur Bedeutung der Kirchenväter im Rahmen einer langjährigen Kontroverse mit dem Mainzer Jesuiten Johannes Mulhusinus auf. Im Wesentlichen teilt er das grundlegende Profil Scultetus’ und Tossanus’. Die Behauptung, die Kirchenväter hätten teilweise geirrt, hält er nicht nur für keine Blasphemie, sondern für „höchst wahr“.211 Besonderen Wert legt er auf die schon von Tossanus getätigte Aussage, dass die Väter selbst die alleinige Auto­ rität der Heiligen Schrift bezeugen. Stärker noch als Tossanus spricht sich Pareus für ein philologisches Misstrauen gegenüber den überlieferten Texten aus. Er erinnert daran, dass sich die Handschriften lange „in der Gewalt der Mönche“212 205  Ebd., 8–14. Vgl. auch Cuno, Tossanus, I, 216–218. 206  Tossanus, Synopsis de Patribus, Titel: „dotes & naevi“. 207  Ebd., 12. 208  Vgl. Kap. 6.1.4. 209  Tossanus, Pastor Evangelicus, 103–124. 210  Milton, Church of England, 145 (unter expliziter Bezugnahme auf Scultetus und Tossanus). Tossanus, A Synopsis or Compendium of the Fathers. 211  Pareus, Oratio de Jesuitarum Strophis, 23: „verissimus“. 212  Ebd., 20: „in potestate Monachorum“.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

befunden hätten und Fälschungen und Interpolationen nicht ausgeschlossen werden könnten. Interessant werden Pareus’ Ausführungen besonders in einer Passage, die auf den Fall des Konvertiten Justus Calvinus/​Baronius (s. o.) eingeht. Pareus hielt die Rede auf einer akademischen Feier am 23. März 1602, als dieser bereits nach Mainz übergesiedelt war und sich öffentlich zum Katholizismus bekannt hatte, seine Romreise jedoch noch nicht angetreten hatte. Pareus konnte bei seinen Zuhörern allem Anschein nach voraussetzen, dass sie über dieses in Heidelberg offenbar virulent diskutierte Thema informiert waren und spricht den Namen des Konvertiten nicht aus. Er zitiert lediglich eine längere Passage aus dessen an ihn adressierten Brief, die er als „Worte eines gewissen Freundes, der jüngst von der Lehre Christi zur Verteidigung des Papsttums abgefallen ist“,213 ankündigt. Auf die Anwürfe des Konvertiten, die Protestanten hätten sich von der gesamten christlichen Tradition seit den ersten Kirchenvätern entfernt,214 entgegnet Pareus: „Ich würde von einer Thrasonischen [sprichwörtlich: prahlerisch; nach Thraso, einem prahlerischen Soldaten in Terenz’ Komödie] Zuversicht sprechen, wenn es sich nicht um einen Freund handelte: Ihr habt gewiss eine schwerwiegende Anklage und den Urteils­ spruch gehört. Also entweder irren wir jäh von der Kirche oder die ganze Kirche befand sich von Anfang an in Irrtum und ist gleichwie die Gefolgschaft des Antichristen verloren gegangen. Solch Blendwerk hat ihn und andere Unerfahrene elendig verführt und verführt noch weiter. Aber es sind eitle Taschenspielertricks und derlei Worte sind schlichtweg falsch. Zum ersten, selbst, wenn wir dies zuhöchst zugäben, ist die Vorannahme dennoch falsch, dass wem die Väter, sei es einer, zehn oder hundert, entgegenstehen, gleich von jenem Weinstock jäh abirrt, noch sind sie [sc. die Väter] die wahre Kirche. Bei den Vätern nehmen wir mit Lob an, wer mit der Autorität der göttlichen Schriften übereinstimmt, wer mit dieser wahrlich nicht übereinstimmt, den verschmähen wir mit Frieden.“215

Implizit zeichnet Pareus von Justus Calvinus ein Bild, das er gerade seinen studentischen Zuhörern als mahnendes Beispiel vorhält. Der junge und un­ erfahrene Konvertit sei – wie andere auch – von dem „Blendwerk“ der katho­ lischen Kontroverstheologie „verführt“ worden. Ähnlich wie Scultetus belässt 213  Ebd., 18: „verba cujusdam amici, qui à doctrina Christi ad Papatus defensionem nuper defecit“. 214  Der Brief ist auch durch Justus Calvinus/​Baronius überliefert: vgl. Justus Calvinus an Pareus, 15.6.1601, in: Calvinus/​B aronius, Epistolarum Sacrarum, 10 f. 215  Pareus, Oratio de Jesuitarum Strophis, 1 f.: „Thrasonicam fidentiam dicerem, nisi amicus esset: gravem certè accusationem auditis atque sententiam. (…). Ergo aut nos praecisi ab Ecclesia erramus, aut tota Ecclesia inde ab initio in errore est versata, & tanquam Antichristiana periit. (…) Isto glaucomate se & alios imperitos miser fascinavit & fascinat. Sed sunt inanes praestigia, totque penè falsa quot verba. (…) Principio, ut maximè assumtionem huic daremus: in propositione tamen falsum est, quod quibus Patres sive unus sive decem sive centum adver­ santur, mox illi à vite praecisi errent, nec sint vera Ecclesia (…). In Patribus, quicquid divinarum scripturarum congruit authoritati, cum laude eorum accipimus: quicquid vero non congruit, cum eorum pace respuimus.“



4.2.  Die Kirchenväter und ihre Autorität

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es Pareus nicht bei der Behauptung einer Übereinstimmung der reformierten Kirche mit den Kirchenvätern. Ihr Werk ist beständig und differenziert an der Bibel zu prüfen. Die Konversion des Justus Calvinus hat diese kritische Haltung der Heidelberger nicht begründet, aber gewiss eingeschärft. Dass ein der ei­ genen Universität anhängender Gelehrter auf der Grundlage des Kirchenväter­ studiums der reformierten Konfession abschwört, muss einen anspornenden Effekt auf die Beschäftigung der Verbliebenen mit den Autoren der Alten Kirche gehabt haben. Auch auf Seiten der Mainzer Jesuiten hatte die nicht nur kontroverstheo­ logische Beschäftigung mit den Kirchenvätern einen hohen Stellenwert. Freilich sind diese Bezugnahmen weniger augenfällig, da sie im Zuge der Betonung der katholischen Tradition mit einer größeren Selbstverständlichkeit erfolgt als bei den Heidelberger Reformierten. Zur Darstellung und zum Erweis der katho­ lischen Wahrheit haben Kirchenväterzitate einen festen Platz in den Kontro­ versschriften der Mainzer. Martin Becanus beschließt beispielsweise mehrere seiner gegen Protestanten gerichteten Schriften mit einem aus Väterzitaten bestehenden Anhang, der seine Position untermauern soll.216 Wie in vielen anderen katholischen Universitätsstandorten gab es auch in Mainz einige Editionen von Kirchenväterschriften, die aus einem „kontrovers­ theologischen und zugleich humanistischen Impetus“217 heraus unternommen wurden. Gegen Angriffe und Vereinnahmungsversuche seitens der Protestanten sollte die katholische Tradition gesichert und zugänglich gemacht werden. Der Jesuit Balthasar Etzel (1566–1648), am Mainzer Kolleg Professor für die heiligen Sprachen, edierte etwa eine biglotte Ausgabe einer alten Florilegiensammlung zu den Predigten des Johannes Chrysostomos, die den griechischen Text, den Etzel selbst in einer Mainzer Klosterbibliothek gefunden hatte, und die lateinische Übersetzung in zwei Kolumnen gegenüberstellt. Es handelt sich dabei um den ersten längeren Mainzer Druck mit griechischen Typen, die erst kurz zuvor an­ geschafft worden waren.218 Im Fall seines Mainzer Ordensbruders Vitus Miletus Gamundianus (gest. 1615) tritt als Motiv für seine Edition einer Väterschrift zum kontroverstheologischen und humanistischen Impetus ein Weiteres hinzu. Seine Übersetzung der Schrift Augustins De cura pro mortuis in die Volkssprache will primär pastoral wirken. Die Schrift richtet sich an einen breiten Rezipienten­ kreis, wie bereits eine Widmung an die Schwester des Übersetzers anzeigt. Sie ist um allgemeinverständliche Sprache bemüht und ist in einem handlichen Format mit großen Buchstaben gedruckt.219 Die Thematik der Totensorge ist indes kon­ troverstheologisch aufgeladen. 216  Vgl. etwa Becanus, De Triplici Coena, 11 f.; Becanus, De Communione Sub Utraque, 333. 217  Unterburger, Zwischen Irenik und Kontroverstheologie, 77. 218  Etzel, Βιβλιον. Vgl. Falk, Exegetische Arbeiten, 36 f. 219  Miletus, De Cura pro mortuis.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

4.2.4. Fazit Die Kirchenväter sind für beide Konfessionen ein wichtiger Punkt theologischer Selbstvergewisserung. In fast allen Kontroversschriften sowohl der Mainzer als auch der Heidelberger finden sich Zitate, Verweise und Anspielungen auf die altkirchlichen Autoren. Wie sehr die Kirchenväter tatsächlich zum „Arsenal der Kontroverstheologie“220 wurden, zeigt die statistische Auswertung einzelner Kontroversschriften: In seiner gegen die lutherische Abendmahlslehre ge­ richteten Schrift Methodus Totius Controversiae Ubiquitariae221 verweist David Pareus 101-mal affirmativ auf andere Schriften. Dabei bezieht er sich 43-mal auf die Bibel und immerhin 38-mal auf verschiedene Kirchenväter. Reformierte Theologen finden nur viermal Erwähnung.222 In seiner gegen die katholische Urstandslehre und Kardinal Robert Bellarmin gerichteten Kontroversschrift De Gratia Primi Hominis223 verweist Pareus erwartungsgemäß sogar noch häufiger auf die Kirchenväter um die Widersprüche zwischen diesen und der katho­ lischen Lehre seiner Gegenwart aufzuzeigen. Mit 53 Prozent der Verweise, re­ kurriert er auf altkirchliche Theologen sogar häufiger als auf die Heilige Schrift (30 Prozent). Während scholastische Theologen des Mittelalters immerhin 13 Prozent ausmachen, verweist Pareus fast nirgends in der Schrift auf protestanti­ sche Theologen.224 An diesen beiden durchaus repräsentativen Beispielen zeigt sich, dass die Verwendung von Kirchenväterzitaten zweckgebunden auf den Gegner zugeschnitten ist. Auf der anderen Seite ist nämlich sichtbar, wie sich katholische Kontroverstheologen bewusst mit Verweisen auf die Kirchenväter zurückhalten und sich vermehrt auf die Bibel selbst beziehen. Martin Becanus etwa zeigt sich in seiner Streitschrift Quaestiones Calvinisticae Contra Pareum225 bemüht, seine Argumentation vor allem auf Autoren aufzubauen, deren Autorität sein Gegner Pareus anerkennt. Während 40 Prozent aller Verweise auf Calvin und andere reformierte Theologen entfallen, deren innere Wider­ sprüche Becanus aufdecken will, beziehen sich 32 Prozent aller Verweise auf die Bibel, nur 18 Prozent auf die Kirchenväter und zehn Prozent auf zeitgenössische 220  Jedin [Abschnittsautor], Reformation, Katholische Reform und Gegenreformation, 575. 221  Vgl. Kap. 5.2.2. 222  Ausgewertet wurden 101 explizite Erwähnungen mit Namen und Stellenangabe aus Marginalglossen. Nicht berücksichtigt wurden ablehnende Verweise auf Theologen der Gegen­ seite, die in der dialogischen Struktur der Kontroversschriften großen Raum einnehmen. Die restlichen Verweise beziehen sich auf scholastische Theologen (2), Theologen des „linken Flügels“ und „Häretiker“ (7) und klassisch-antike Autoren (7). 223  Vgl. Kap. 5.1.2. 224  Ausgewertet wurden 229 explizite Erwähnungen mit Namen und Stellenangabe aus Marginalglossen. Nicht berücksichtigt wurden ablehnende Verweise auf die Schriften des Gegners Bellarmin, die in der dialogischen Struktur der Kontroversschriften großen Raum einnehmen. Protestantische Autoritäten werden nur an zwei Stellen erwähnt. Die restlichen Verweise beziehen sich auf klassisch-antike Autoren (2,6 Prozent). 225  Vgl. Kap. 5.1.1.2.



4.2.  Die Kirchenväter und ihre Autorität

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katholische Autoren.226 Erstaunlicherweise gibt es keine eindeutigen konfessio­ nellen Präferenzen bei der Auswahl der zitierten Kirchenväter. Autoren beider Konfessionen verweisen – wohl aus sprachlichen Gründen – überproportional häufig auf lateinische Kirchenväter, insbesondere auf Augustinus. Die mit Kir­ chenväterzitaten verbundene kontroverstheologische Intention ist freilich ge­ genläufig. Reformierte Autoren versuchen einerseits die Übereinstimmung ihrer Lehre mit der Alten Kirche zu belegen und andererseits Widersprüche zwischen den Kirchenvätern und ihren katholischen Gegnern aufzuzeigen. Die Jesuiten sind dementgegen daran interessiert, mit dem Bezug auf die Kirchenväter die ungebrochene Kontinuität der wahren katholischen Tradition zu erweisen und mit der falschen Lehre der Protestanten zu kontrastieren. Bereits Hubert Jedin hat die These aufgestellt, dass in der Patristik „die konfes­ sionellen Auseinandersetzungen die kritische Untersuchung der Überlieferung entscheidend gefördert haben.“227 In der Tat sind viele literarischen Projekte mit patrologischem Bezug, die Magdeburger Zenturien, die Annales Ecclesiastici, aber auch Scultetus’ Medulla Theologiae Patrum und Justus Calvinus’/Baronius’ Praescriptionum Adversus Haereticos Perpetuarum aus der konfessionellen Kon­ kurrenzsituation heraus entstanden. Dass die Kirchenväter legitimitätsstiftend eingesetzt werden konnten und im Einzelfall sogar Konversionen begründeten, machte die Beschäftigung mit den altkirchlichen Autoren zu einem für beide Seiten wichtigen Feld der kontroverstheologischen Betätigung. In der Forschung ist zudem eine weitere mögliche Folge der konfessionellen Kontroversen auf die frühneuzeitliche Patristik diskutiert worden, die an dieser Stelle von höchstem Interesse ist. Der französische Historiker Pierre Petitmengin geht davon aus, dass im frühen 17. Jahrhundert, also zeitgleich zu unseren Autoren, ein Umschwung hin zu einer verstärkt kritischen Kirchenvä­ terrezeption stattfand. Diesen sieht er darin begründet, dass die altkirchlichen Autoren immer weiter in den Dienst konfessioneller Interessen gestellt wurden, was unintendiert eine kritische Sichtweise begünstigt habe.228 Diese These greift Irena Backus auf und bezieht sie sogar explizit auf Scultetus und seine Medulla Theologiae Patrum. In einem „spirit of healthy competition“229 hätten gerade reformierte Autoren wie Abraham Scultetus und André Rivet (1572–1651), der 226 Ausgewertet wurden 133 explizite Erwähnungen mit Namen und Stellenangabe im Fließtext (keine Marginalglossen vorhanden). Nicht berücksichtigt wurden ablehnende Ver­ weise auf die Schriften des Gegners Pareus, die in der dialogischen Struktur der Kontrovers­ schriften großen Raum einnehmen. 227  Jedin, Kirchengeschichtliches in der älteren Kontroversliteratur, 280. Vgl. auch Ba­ ckus, Historical Methods, 130–195, bes. 19 f. 228  Petitmengin, De Adulteratis Patrum Editionibus. Zu ähnlichen Ergebnissen auf Grundlage der französischen Entwicklung kommt auch Solé, Le Debat entre Protestants, 1093–1137. 229  Backus, Bible and the Fathers, 231.

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auf die Medulla zurückgriff, einen kontroverstheologisch geprägten neuen Zu­ gang zu den Kirchenvätern entwickelt. Wie bei Scultetus dargestellt, beschränkt sich dieser neue Zugang in der Tat nicht auf eine bloße konfessionelle Vereinnahmung der altkirchlichen Autoren, sondern bemüht sich um eine dezidiert kritische Herangehensweise in philologischer wie theologischer Hinsicht. Dieser historisch relativierende, potentiell destabilisierende Zugang in der Patristik setzte sich im Verlauf des 17. Jahrhunderts auch im katholischen Bereich durch.230 In der Tat setzt sich das patristische Werk Scultetus’ von der im Protestantismus zuvor dominanten Form der Kirchenväterrezeption innovativ ab. Zwar ist bereits in der ersten Hälf­ te des 16. Jahrhunderts unter den Reformatoren eine „deparentified, evangelical stance“231 gegenüber den Kirchenvätern sichtbar, in den weiten Linien herrschte jedoch auch im evangelischen Bereich die Auffassung vor, die altkirchlichen Theologen stimmten untereinander und mit der reformatorischen Theologie überein.232 Aufgrund der Auswertung der Heidelberger Kontroversschriften ist der These Irena Backus’ überdies hinzuzufügen, dass sich mit Daniel Tossanus und David Pareus etwa zeitgleich zu Scultetus zwei weitere kurpfälzische Theologen finden, die in ihrer Herangehensweise weitgehend mit diesem übereinstimmen. Alle drei entwickelten ihr Vorgehen, das auf die kritische Prüfung an der Bibel und die philologische Authentizität der Schriften bedacht war, erkennbar vor dem Hintergrund der konfessionellen Konkurrenzsituation, deren Virulenz nicht zuletzt der Fall des Konvertiten Justus Calvinus/​Baronius verdeutlicht.

4.3.  Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen 4.3.1.  Bemerkungen zum Forschungsstand Auf die Historiographie wirkte sich die Glaubensspaltung in der Frühen Neuzeit ebenfalls aus. Zur Legitimation, Abgrenzung und Identitätsstiftung der eigenen Bekenntnisgruppe waren nach der Reformation sowohl Protestanten als auch Katholiken zur Entwicklung neuer Geschichtsbilder gezwungen. Diese ‚kon­ fessionelle Geschichtsschreibung‘233 war im hohen Maße von der religiösen Konfrontation geprägt und diente den Interessen der jeweiligen Konfessionen. Parallel zur allgemeinen Abwertung des konfessionellen Zeitalters als Phase der „Gegenreformation“, des Streits und des kulturellen Stillstands wird die Ge­ schichtsschreibung dieser Epoche bis in jüngere Zeit in der deutschsprachigen 230  Quantin, Fathers in seventeenth-century, bes. 984. 231  Hendrix, Deparentifying the Fathers, 68. 232 Vgl. Dingel, Consensus orthodoxus, 18 f. 190–204. 233 Vgl. Pohlig, Geschichte als Orthodoxie, bes. 50–52.



4.3.  Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen

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Forschung überwiegend negativ bewertet. So beschreibt etwa Christian Simon in seiner Einführung in die Historiographie die Folgen der Glaubensspaltung folgendermaßen: „[Im konfessionellen Zeitalter] wurde in theologischen Kontroversen die im Humanismus angelegte Säkularisierungstendenz wieder gebrochen, auch bei den Eliten. Mit der kon­ fessionellen Spaltung trat der Zwang zur Stellungnahme für oder gegen die Reformation in die Welt, der der freien Meinungsäußerung bald recht enge Grenzen setzte.“234

Die wesentlichen Elemente dieses Urteils, die einseitig negative Bewertung des nicht zu leugnenden konfessionellen Einflusses auch auf die Historio­ graphie sowie die scharfe Abgrenzung zum positiver besetzten Humanismus werden von großen Teilen der Forschung geteilt.235 Eindrücklich zeigt sich dies in Ulrich Muhlacks Studie „Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung“, die die historiographischen Arbeiten des späten 16. und des 17. Jahrhunderts beinahe wortlos übergeht und ihnen jegliches Potential für die Entwicklung der europäischen Historiographie der Neuzeit abspricht. Das Kon­ fessionelle bilde lediglich mit der ihr angelegten „Krise“236 eine Vorbedingung der Aufklärung. Mit den grundlegenden Thesen des Konfessionalisierungsparadigmas lässt sich die Frage verknüpfen, ob es in der Historiographie um 1600 eine mit der Konfessionalisierung verbundene Modernisierung gab. So attestiert Arno Strohmeyer eine umfassende Konfessionalisierung der Geschichtsschreibung. Aufgrund der Nützlichkeit historischer Argumente in den konfessionellen Aus­ einandersetzungen habe die Konfessionalisierung auf die Modernisierung der Geschichtsschreibung „stark dynamisierend“237 gewirkt. Susanne Rau kommt hingegen zu dem Schluss, die Konfessionalisierung der Geschichtsschreibung sei „nur bedingt als Modernisierungsschub“238 zu begreifen. An Stelle dieses aufgeladenen Begriffs bringt sie den Terminus der „Methodisierung“239 ein. Dieser beschreibt die intendierten und nicht intendierten Fortschritte der nach heutigen Maßstäben vorwissenschaftlichen Geschichtsschreibung dieser Zeit. Diese Methodisierung in der Geschichtsschreibung äußere sich im kon­ fessionellen Zeitalter besonders in der Quellenpräsentation durch Verweise und 234  Simon, Historiographie, 61. 235  Vgl. u. a. Fueter, Geschichte der neueren Historiographie, 251; Menke-Glückert, Die Geschichtsschreibung der Reformation, bes. S. 99–101. Vergleichbare Äußerung finden sich auch außerhalb der deutschsprachigen Forschung, etwa Lefebvre, La Naissance de l’Historio­ graphie moderne, 96–98. Vgl. zur Forschungsgeschichte Pohlig, Zwischen Gelehrsamkeit, 6 f. 236  Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus, 35. 237  Strohmeyer, Konfessionalisierung der Geschichte, 244. 238  R au, Geschichte und Konfession, 505. 239  Ebd., 505–518. Ebenfalls erwogen von Pohlig, Zwischen Gelehrsamkeit, 30. Ohne Ein­ bezug der Konfessionalisierungsthese wendet dieses Konzept zuvor schon Fisch, Auf dem Weg zur Aufklärungshistorie, bes. 121–133 auf diese Epoche an.

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Zitate in einer Form, auf die die wissenschaftliche Historiographie noch heute zurückgreift.240 Susanne Rau darin zu folgen, dass die „konfessionelle Konkurrenz dem historischen Interesse nur förderlich sein konnte“,241 erscheint in Verbindung mit dem Methodisierungsbegriff plausibel. Es liegt nahe, dass durch die ver­ breitete Praxis historischer Argumente in der Kontroversliteratur nicht nur ein allgemeines Interesse an Geschichte vorhanden war, sondern dass die intellek­ tuelle Konkurrenz auch dazu führte, Lücken in Methodik und Argumentation des Gegners zu suchen und im Interesse der eigenen Position den Anspruch an die eigene Methodik zu erhöhen.242 Notker Hammerstein weist daher auf den paradoxen Befund hin, dass die Historiographie im konfessionellen Zeit­ alter „insgesamt fortwirkende Verbesserungen trotz oder gerade infolge ihrer Instrumentalisierung“243 erfuhr. Dass sich die Historiographiegeschichte nicht auf die Betrachtung des fachlichen Fortschritts beschränken darf, ist sicherlich ein berechtigter Einwand.244 Die hier eingenommene Perspektive auf die Folgen konfessioneller Konkurrenz lenkt allerdings den Blick auf diese Fragestellung. Ein weiterer Streitpunkt der Forschung ist die These eines Entwicklungs­ defizits der katholischen Historiographie. Diese traditionelle Position245 wird teilweise direkt auf die Jesuiten bezogen, die sich in den Worten Notker Hammersteins mit der Geschichtswissenschaft als einer „relativierenden Dis­ ziplin“246 schwer getan hätten. In der Tat lässt sich darauf verweisen, dass die Geschichte in der Ausbildung der Jesuiten eine geringere Rolle spielte als etwa an der Universität Heidelberg.247 In die Ratio Studiorum wurde die (Kirchen-) Geschichte erst in der revidierten Fassung von 1832 aufgenommen, zuvor füllte sie eine Nebenrolle in Moralerziehung und Rhetorik aus.248 Allerdings finden 240 Vgl. Ginzburg, Veranschaulichung und Zitat, 85–95. 241  R au, Geschichte und Konfession, 120. Ähnlich, jedoch ohne Einbezug der Konfessio­ nalisierungsthese äußert sich zuvor schon Zedelmaier, „Im Griff der Geschichte, 448–452. 242 Diese These wird auch in großen Teilen der englischsprachigen Forschung, jedoch mit einem Fokus auf die Historiographie im frühneuzeitlichen England, vertreten. Ganz im Gegensatz zu den eingangs betrachteten Positionen wird hier dem konfessionellen Zeitalter – insbesondere der späten Tudorzeit  – eine „Historical Revolution“ (Fussner, The Historical Revolution) attestiert. Vor allem den religiösen Kontroversen wird nach dieser klassischen Position der englischsprachigen Forschung eine hohe Bedeutung zuerkannt, methodische Fort­ schritte in der englischen Geschichtsschreibung der Frühen Neuzeit provoziert zu haben (Vgl. Ferguson, Clio Unbound, 129–224; Levy, Tudor Historical Thought, 79–123. Gegen diese „Revisionist View of Tudor Historiography“ spricht sich Womersley, Against the Teleology of Technique, bes. 92–102 aus). 243  Hammerstein, Geschichte als Arsenal, 32. 244 Vgl. Pohlig, Geschichte als Orthodoxie, 5 f.; Womersley, Against the Teleology of Technique, 91–104. 245  Vgl. etwa Scherer, Geschichte und Kirchengeschichte, 85–87. 246  Hammerstein, Bildung und Wissenschaft, 106. 247  Vgl. zu dieser Schaab, Geschichte der Kurpfalz, II, 107. 248  Vgl. ebd.; Höpfl, Jesuit Political Thought, 1 f.



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sich auch Gegenstimmen zu dieser These249 sowie Voten, die die angenommene Unterlegenheit der katholischen Historiographie durch den Verweis auf spe­ zifische Propria in der Entwicklung relativieren.250 Ein oft angeführtes Musterbeispiel für eine positivere Bewertung der His­ toriographie des konfessionellen Zeitalters bieten die Magdeburger Zenturien und die Annales Ecclesiastici des Kardinals Caesar Baronius. Auch wenn weiterhin kontrovers diskutiert wird, ob sich Flacius Illyricus und die von ihm angestoßenen Zenturien als „Beginn der quellenbezogenen, wissenschaftlichen Erforschung der mittelalterlichen Geschichte“251 begreifen lassen, ist dieses klar von konfessionellen Gesichtspunkten angetriebenes Quellensammlungs­ projekt sicherlich etwas unzweifelhaft Innovatives.252 Auch Baronius’ Werk, das erfolgreichste von mehreren katholischen Versuchen einer Gegenschrift auf die Zenturien, lässt sich als Beispiel konfessionell bewirkter Methodisierung fassen. Unabhängig von der Streitfrage, ob er als alleiniger Erfinder der Fußnoten an­ zusprechen ist, ist seine Darstellungsmethodik, die etwa bewusst auf erdichtete Reden verzichtet und umfänglich Quellenverweise zusammenträgt, in seiner Zeit vorausweisend.253

4.3.2.  Die Kontroverse um die Konstantinische Schenkung 4.3.2.1.  Die Debatte um die Konstantinische Schenkung im 15. und 16. Jahrhundert Die sogenannte Konstantinische Schenkung, auch als Constitutum oder Donatio Constantini bezeichnet, gilt gemeinhin als die bekannteste Fälschung der abend­ ländischen Geschichte. Der erstmals zwischen der Mitte des 8. und der Mitte des 9. Jahrhunderts in Erscheinung getretenen Urkunde zufolge schenkte Kaiser Konstantin I., nachdem er von Papst Silvester I. von einer schweren Krankheit geheilt und getauft wurde, ihm und seinen Nachfolgern die Oberherrschaft über Rom, Italien, die Westhälfte des Römischen Reichs und den gesamten Erdkreis. Dieser Anspruch ist eine wichtige Grundlage für die päpstliche Temporalgewalt 249  Duhr, Die alten deutschen Jesuiten als Historiker, bes. 89; R au, Geschichte und Kon­ fession, 11 f. 250  Benz, Zwischen Tradition und Kritik, bes. 13–17. 251  Hartmann, Matthias Flacius Illyricus, 5; im gleichen Sammelband beharrt MentzelReuters, Quellenarbeit in den Magdeburger Centurien, hier 20 f. darauf, die Zenturiatoren hätten „nur punktuelle tiefschürfende Quellenforschung betrieben“, kommt aber zu einer ins­ gesamt positiven Würdigung. 252 Vgl. Grafton, Church History in Early Modern Europe. 253  Vgl. u. a. Zen, Baronio Storico, 69–96; Benz, Zwischen Tradition und Kritik, 3 f. Zudem ist sicherlich auf weitere vergleichbare Projekte zu verweisen, die aus einem ähnlichen „gegen­ reformatorischen“ Antrieb entstanden, wie etwa die Acta Sanctorum der Bollandisten oder die Entwicklung der historischen Hilfswissenschaften unter Jean Mabillon, vgl. Kraus, Grundzüge barocker Geschichtsschreibung, 5 f.; Sawilla u. a., Sammeln und Ordnen, 204–207.

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im Kirchenstaat und darüber hinaus.254 Dementsprechend waren Authentizität und Interpretation der Konstantinischen Schenkung auch in den konfessionellen Auseinandersetzungen der Frühen Neuzeit Gegenstand von Kontroversen. Dies war keineswegs eine rein historiographische Frage. Die Abgrenzung geistlicher und weltlicher Obrigkeit und ihre Legitimation waren ein häufiges Thema in den Kontroversen.255 Neben der philologischen Überprüfung der Echtheit des nur in Kopien erhaltenen Dokuments kommt der Frage nach der historischen Datierung der Taufe Konstantins große Bedeutung zu. Das Konstrukt der Konstantinischen Schenkung stützt sich auf die Überlieferung der sogenannten Silvesterlegende, die in der Mitte bis Ende des 5. Jahrhunderts entstandenen Acta Silvestri wieder­ gegeben wird. Anders als Konstantins Biograph Eusebius berichtet, sei der erste christliche Kaiser nicht unmittelbar vor seinem Tod 337 in Nikomedia, sondern noch während des Pontifikats Silvesters I. (314–335) von diesem in Rom getauft worden. Die Darstellung der Acta Silvestri, die von der wundersamen Heilung Konstantins durch den Papst berichten, nachdem heidnische Priester diesem das Bad im Blut von 3000 Kindern empfohlen hätten, trägt erkennbar legen­ darische Züge. Die Silvesterlegende war zunächst nicht mit der Erzählung der Schenkung als Gegengabe verbunden. Bereits im Spätmittelalter entzündete sich Kritik an der Konstantinischen Schenkung. Antipapalistische Autoren wie Dante Alighieri und Marsilius von Padua wandten sich dabei jedoch gegen die Legitimität und Rechtsgültigkeit der Schenkung, ohne ihre Authentizität anzuzweifeln. Im Kontext des Konzilia­ rismus und des aufkommenden Humanismus mehrten sich im 15. Jahrhundert kritische Stimmen in Bezug auf die Konstantinische Schenkung. So gab etwa der humanistisch gesinnte Kardinal Nikolaus von Kues (1401–1464) zu bedenken, dass keine zeitgenössischen Quellen dieses Ereignis belegen würden.256 Den ent­ scheidenden Schritt ging schließlich der italienische Humanist Lorenzo Valla, der in seiner 1440 erschienenen Schrift De falso credita et ementita Constantini donatione Declamatio die Schenkungsurkunde mit philologischen Mitteln als Fälschung entlarvte und grundlegende Methoden der modernen Textkritik ent­ wickelte.257 In der Reformation flammte das Interesse an der Debatte und ihrem papst­ kritischem Potential erneut auf. Ulrich von Hutten verhalf dabei Vallas Schrift durch eine Neuherausgabe zu einer starken Rezeption auch seitens der Reforma­ toren.258 Durch die Magdeburger Zenturien verfestigte sich der Fälschungsnach­ 254  Fuhrmann, Konstantinische Schenkung. 255  Vgl. die Kontroversen um die Kompetenzen weltlicher Obrigkeit in Religionsangelegen­ heiten und die Temporalgewalt des Papstes (Kap. 6.1. und 6.2.). 256  Leppin, Konstantinische Schenkung, 239–255. 257  Setz, Lorenzo Vallas Schrift, 34–89. 258  Leppin, Konstantinische Schenkung, 255–260.



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weis als wichtiger Teil des protestantischen Geschichtsbilds im 16. Jahrhundert. Beharrlich verweisen die Zenturiatoren darauf, dass neben Valla auch der angesehene Kardinal Nikolaus von Kues sowie mit Enea Silvio Piccolomini alias Pius II. sogar ein Papst die Echtheit der Schenkung anzweifeln. Zeit und Ort der Taufe Konstantins sowie der legendarische Charakter der Acta Silvestri nehmen in ihrer Argumentation großen Raum ein.259 Auch in den konfessionellen Auseinandersetzungen der zweiten Jahrhundert­ hälfte behielt die Konstantinische Schenkung ihren Platz.260 Dabei gab es auch innerhalb des katholischen Lagers Differenzen. Ihre Bedeutung für die Tempo­ ralgewalt des Papstes machte die Echtheitsfrage in der Auseinandersetzung mit Vertretern des Gallikanismus und in inneritalienischen Konflikten zu einem Reizthema.261 Vereinzelt wurden daher auch katholische Stimmen hörbar, die die Konstantinische Schenkung als Fälschung betrachteten und die weltliche Herrschaft des Papstes nur aus nachfolgender Geschichte legitimiert sahen.262 Dementsprechend steht auch die erste Schrift der Mainzer Jesuiten zur The­ matik um Konstantins Taufe und Schenkung im Zeichen der Kontroverse. Die 1589 erschienene Disputation De Constantino Magno, an in fine vitae fuerit baptizatus unter dem Präsidium Johannes Busaeus’ ist ein kurzgefasster historischer Anhang zu der Disputation De baptismi necessitate. Bereits dieser erste Teil ist kontroverstheologisch aufgeladen und grenzt sich von den Reformatoren sowie den Täufern ab. Busaeus bekräftigt die Ansicht, dass der erste christliche Kaiser keineswegs an seinem Lebensende getauft worden sein kann. Hierfür entfaltet er einen tauftheologischen und einen historischen Argumentationsstrang. Aus der vorangegangenen Disputation zur Notwendigkeit der Taufe sieht der Mainzer Jesuit es als erwiesen an, dass eine frühestmögliche Taufe unerlässlich für ein christliches Leben sei. Konstantins Einsatz für das Christentum und Gottes Unterstützung in seinem Vorhaben sowie seine Rolle beim Konzil von Nicäa ließen die Annahme einer späten Taufe kurz vor Konstantins Tod unmöglich erscheinen. Seine historische Argumentation wendet sich der Überlieferung des Er­ eignisses zu. Eusebius von Caesarea, den wichtigsten Zeugen für Konstantins Taufe in Nikomedia, bezeichnet er als „homo Arianus“263 und lehnt ihn daher als unglaubwürdig ab. Hierin steht Busaeus innerhalb der zwiespältigen katho­ lischen Rezeption des Eusebius, der zwar als Kirchenvater anerkannt und geehrt wird, jedoch aufgrund seiner subordinatianischen Mittelposition im trinitari­ schen Streit wiederholt Ablehnung erfuhr. Eusebius entgegen stellt Busaeus eine chronologisch geordnete dreiseitige Liste aller rechtgläubiger Zeugen der 259  Magdeburger Zenturiatoren, Quarta Centuria Ecclesiasticae Historicae, 567–575. 260  Einen Überblick gewährt Zen, Cesare Baronio sulla Donazione, 189–206. 261  Fumaroli, Cross, Crown, and Tiara. 262  Vian, Donazione di Costantino, 151. 263  Busaeus, De baptismi necessitate, fol. F2r.

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Silvesterlegende.264 Die Liste beginnt mit dem Constitutum Constantini in seiner Wiedergabe durch das Decretum Gratiani und umfasst insgesamt 62 Autoren, von denen ein Großteil mittelalterliche Chronisten sind. Busaeus offenbart hier ein Verständnis historischer Wahrheitsprüfung, das man zugespitzt als traditio­ nell katholisch bezeichnen könnte. Eine kritische Gewichtung der Quellen führt der Jesuit nicht durch, wichtig ist ihm stattdessen der Erweis einer lückenlosen Kontinuität in der Überlieferung der Ereignisse und des überwältigenden Kon­ senses der rechtgläubigen Autoren.

4.3.2.2.  Caesar Baronius und der dritte Band der Annales Ecclesiastici Mit seinen Annales Ecclesiastici, dem umfassenden Gegenentwurf zu den Mag­ deburger Zenturien, legte Caesar Baronius das für Folgegenerationen prägende Standardwerk der katholischen Kirchenhistoriographie vor. Mit der im ge­ samten Werk charakteristischen Kombination philologisch-historischer Sorgfalt mit der Verteidigung gegenreformatorischer Geschichtsdogmen widmet er sich im erstmals 1592 erschienenen dritten Band auch der Taufe und Schenkung Konstantins. Die Beurteilung seiner Herangehensweise fällt in der Forschung denkbar unterschiedlich aus. Während etwa der Historiker Cyriac Pullapilly dem Kardinal attestiert, durch die Ausrichtung am katholischen Dogma in der Schenkungsfrage eine „unhistorical position“265 einzunehmen, sprechen ihm andere auch in der Behandlung des Constitutum Constantini ein aufrichtiges philologisches Gewissen zu.266 Die Taufe Konstantins datiert Baronius auf das Jahr 324, das er als ent­ scheidendes Schlüsseljahr für die Etablierung des Christentums im Römischen Reich schildert. Bevor er zur Taufe kommt, geht Baronius auf die Zerstörung heidnischer Tempel und den Bau christlicher Kirchen ein und verweist auf Kon­ stantins Engagement bei einer Synode in Rom zur Vorbereitung des Konzils von Nicäa. Die ungewöhnlich weitschweifigen Aufzählungen von Sachgeschenken Konstantins und Helenas für die Ausstattung neu erbauter Kirchen hat in der Darstellung der Annales zu diesem Jahr gewissermaßen leitmotivischen Cha­ rakter.267 Dass die Freigiebigkeit des Kaisers gegenüber der Kirche insbesondere in Rom auch unmittelbar vor der Behandlung der Schenkungsfrage thematisiert wird, legt nahe, dass Baronius beabsichtigt, eine solch weitreichende Schenkung zu plausibilisieren. Durch die Acta Silvestri sowie die Darstellung des Liber Pontificalis sieht Baronius den Zeitpunkt der Taufe und die Erkrankung des Kaisers als gesichert 264  Ebd., fol. E4r–F1v. 265  Pullapilly, Caesar Baronius, 167. 266  Am deutlichsten Zen, Cesare Baronio sulla Donazione, 185. Vgl. zur Forschung Hul­ scher, Baronius, 47 f. 267  Baronius, Annales Ecclesiastici, III, bes. LXIV–LXXIII.CXII–CXV, 247–251.26 f.



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an. Im Vergleich zu vorangegangenen Autoren bemüht er sich jedoch, dies zu belegen, ohne ausschließlich auf die kontinuierliche Tradition der katholischen Kirche zu verweisen. Gesondert zieht er daher zeitgenössische heidnische Auto­ ren heran, die von der Konversion Konstantins lange vor seinem Tod berichten, und verweist sogar auf eine 324 geprägte Münze mit christlicher Motivik, deren hohen Quellenwert als unfälschbares, objektives Zeugnis er in einem gesonder­ ten Kapitel herausstellt.268 Die Annahme einer zeitlichen Trennung von Konver­ sion und Taufe lehnt Baronius als unplausibel ab. Besondere Energie verwendet der Kardinal auf die Unterminierung der Glaubwürdigkeit Eusebs. Ähnlich wie Busaeus verweist er auf dessen häretische Tendenzen und Stellung als „Banner­ träger der Arianer“.269 Als Gewährsmann für die theologische Unzuverlässigkeit Eusebs gibt er wiederholt Hieronymus an. Baronius geht auch darum auf diesen Punkt so vehement ein, weil der Bischof Eusebius von Nikomedia, der als Orts­ bischof offenbar die Taufhandlung vor dem Tod Konstantins ausführte, stärker noch als sein Namensvetter aus Caesarea arianische Gesinnung zeigte. Dem Bischof von Caesarea unterstellt Baronius eine eindeutige Tendenz: Eusebius wolle der Nachwelt nicht überliefert wissen, dass Konstantin mit dem Papst durch einen Katholiken getauft wurde, um die antitrinitarische Tendenz dessen Sohnes Constantius zu legitimieren. Indes ist darauf zu verweisen, dass Baronius in anderen Jahreseinträgen dieses dritten Bands die kirchenhistorischen Werke Eusebs ohne Vorbehalt als Beleg für das Leben Konstantins heranzieht. In der ursprünglichen Manuskriptfassung der Annalen streift Baronius die Frage nach Akt und Urkunde der Konstantinischen Schenkung trotz der langen Vorbereitung durch die Schilderung der Taufe und der Freigiebigkeit des Kaisers nur denkbar kurz. Ohne eine explizite und eindeutige Positionierung, ob es sich um einen historischen Vorgang handelt, stellt er lediglich fest, dass es sich bei der von den Gegnern als unauthentisch angesehenen Version des Constitutum Constantini in der Tat um eine Fälschung handele – allerdings um eine griechische. Aus Neid und Missgunst hätten byzantinische Kanonisten die Urkunde gefälscht, um das römische Primat über die Weltkirche zu entwerten. Mit drastischen Worten schmälert Baronius den Wert einer solchen Urkunde: „Völlig schändlich und auch allzu unwürdig ist es zu berichten, dass von einem Sterblichen erhalten wurde, was von unserem Gott und Herrn Jesus Christus selbst festgestellt wurde, dass es in Petrus versammelt ist.“270 Den neutestamentlichen Zusagen an Petrus  – vor allem Mt 16,18 und Joh 21,15–17 – wird also durch die Konstantinische Schenkung nichts hinzuge­ fügt. Da Konstantin Papst Silvester nur geschenkt hätte, was diesem von Gott 268 Ebd., XIV–XVI.XIX–XXVII, 232–236. 269 Ebd., XLIII, 241: „Arianorum (…) signifer“; vgl. auch ebd., XLI–LII.CXI.CXXXVI f., 241–245.261.268. 270 Ebd., CXIX, 264: „Turpe plane est atque admodum indignum, acceptum ferre mortali, quod ab ipso Deo & Domino nostro Iesu Christo constat eidem in Petro esse collatum.“

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selbst bereits übertragen wurde, so die implizite Einsicht Caesar Baronius’, er­ übrige sich die Frage nach der Echtheit. Die These einer griechischen Fälschung ist keine Erfindung Baronius’. Sie findet sich als apologetisches Element bei anderen gegenreformatorisch gesinnten Autoren, die als gebildete Humanisten die stringente Beweisführung Lorenzo Vallas nicht gänzlich abstreiten konnten. Zuvor hatten etwa Bartolomeo Picerni und Agostino Steuco diese These vor­ getragen, allerdings anders als Baronius mit einem expliziten Verweis auf eine verlorene authentische Urkunde.271 Nach Fertigstellung des Manuskripts beschäftigte sich Baronius weiter mit der Passage zur Konstantinischen Schenkung. Unzufrieden mit der dargestellten Fassung, die eine Ablehnung der Echtheit implizit nahelegt, interpolierte der Kardinal zwei Absätze, als sich das Werk bereits in der Vorbereitung zum Druck befand.272 Im ersten nachträglich eingefügten Absatz geht er auf die Pippinische Schenkung ein, die er als legitime Wiederherstellung der päpstlichen Rechte nach der Bedrohung durch die Langobarden schildert. Somit legt er dar, dass die Tatsache, dass der Papst die geschenkten Rechte bereits innehatte, nicht automatisch bedeutet, dass diese nicht rechtmäßig von einem weltlichen Herr­ scher festgestellt werden können. Auch im zweiten eingefügten Absatz widmet sich Baronius dem Verhalten der fränkischen Könige gegenüber dem Papst. Die Interpolation schließt er dennoch mit einer Mahnung zur Vorsicht gegenüber der griechischen Fälschung. Vergil zitierend („Was es auch ist, ich fürchte die Danaer [Griechen], auch wenn sie Geschenke bringen“273) geriert sich Baronius als neuer Laokoon, der die Römer als Nachkommen der Trojaner vor einem trügerischen Geschenk der Griechen warnt. Der Vergleich der Konstantinischen Schenkung mit dem Trojanischen Pferd ist evident. Eine explizite Aussage, ob eine authentische Urkunde jemals existierte und ob der Akt der Schenkung als historisch einzustufen ist, trifft Baronius aller­ dings auch in den beiden interpolierten Absätzen nicht. Dementsprechend fiel das Echo im Umkreis des Baronius auf den dritten Band verhalten aus. In der Korrespondenz mit dem ihm nahestehenden Oratorianer Antonio Talpa, zeigte sich dieser enttäuscht darüber, dass Baronius die Schenkung nicht eindeutig ver­ teidigt habe. In den Briefen offenbart der Kardinal seinerseits, dass er tatsächlich auch das Ereignis selbst in Zweifel zieht.274 Im dritten Band der Annales Ecclesiastici beharrt Baronius also zunächst mit der Taufe im Jahr 324 und der Lepraerkrankung Konstantins zwei notwendige Bedingungen für die Authentizität der Schenkung. Während er die vorhandene 271  Antonazzi, Lorenzo Valla, 167–169; Vian, Donazione di Costantino, 149–151. 272  Vgl. zur Wachstumsgeschichte Hulscher, Baronius, 474–479. Es handelt sich um die Absätze CXVII und CXVIII im dritten Band der Annalen. 273  Baronius, Annales Ecclesiastici, III, CXVIII, 263: „Quicquid id est: timeo Danaos & dona ferentes“; vgl. Vergil, Aeneis, II,49. 274  Zen, Cesare Baronio sulla Donazione, 181–187; Hulscher, Baronius, 475.



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Urkunde zweifelsfrei als (griechische) Fälschung ausmacht, lässt er in Bezug auf den Akt der Schenkung zwei Interpretationsmöglichkeiten seiner Darstellung zu. In der Tat versucht er damit einen „Drahtseilakt“275 zwischen einem Zu­ geständnis an die katholische Tradition und seinen historisch-philologischen Erkenntnissen. Diese Position ist zu einem guten Teil der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern entwachsen. In einem Brief an Arnaud Sorbin, den Bischof von Nevers, erläutert Baronius diesem sein Vorgehen. Eine Verschleierung des Sachverhalts sei weder notwendig noch ratsam. Da die Stellung des Papstes, auch seine territorialen Besitzungen und Rechte in weltlichen Dingen über die neutestamentlichen Verheißungen an Petrus und die historisch zweifelsfreien Urkunden der Frankenkönige abgesichert sei, wäre es taktisch besser, auf die schwer haltbare Authentizität des Constitutum Constantini zu bestehen.276 In der Auseinandersetzung mit innerkatholischen Gegnern, aber auch den Protestan­ ten sah der Kardinal diese Vorgehensweise schlicht als die bessere an.

4.3.2.3.  Abraham Scultetus’ Angriff auf Baronius Immerhin 13 Jahre nach der Veröffentlichung des dritten Bands der Annalen erschien 1607 ein kleines Büchlein des späteren Heidelberger Hofpredigers und Professors Abraham Scultetus mit dem Titel Confutatio Prolixae Disputationis Caesaris Baronii Sorani, De Baptismo Constantini Romano, das sich gegen die oben dargestellte Passage richtet. Die Verspätung der Kontroversschrift, die auf den ersten Blick irritiert,277 erklärt sich aus zwei Sachverhalten. Zum einen blieben die Bände der Annales Ecclesiastici aufgrund ihrer Bedeutung auch Jahre nach ihrer Drucklegung weiterhin im Blickfeld protestantischer Theologen. He­ rauszuheben sind an dieser Stelle besonders die Mainzer Neuauflagen der Bände, die ab 1601 in unmittelbarer Nachbarschaft der Heidelberger erschienen. Zum anderen beschäftigte sich Scultetus in Vorbereitung des dritten Bands seiner Pa­ tristik278 intensiv mit dem Werk Eusebs von Caesarea. Die Confutatio lässt sich gewissermaßen als kontroverstheologischer Vorabdruck des 1609 erschienenen dritten Bands der Medulla Theologiae Patrum, in dem der Wortlaut direkt über­ nommen wurde,279 begreifen. Scultetus reiht sich mit seiner Kontroversschrift neben vielen weiteren refor­ mierten Autoren ein, die im frühen 17. Jahrhundert gegen die Konstantinische Schenkung polemisierten.280 Seine Schrift widmet er dem bekannten hugenot­ tischen Philologen Isaac Casaubonus (1559–1614), der seinerseits eine eigene 275  Hulscher Baronius, 484: „[Baronius] heeft moeten balanceren op het wankel koord“. 276  Baronius an Sorbin, 1.1.1594, in: Venerabilis Caesaris Baronii (…) Epistolae, I, 36 f. 277  Zen, Baronio Storico, 175. 278  Vgl. Kap. 4.2.2. 279  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, III, 219–232. 280  Antonazzi, Lorenzo Valla, 18 f.

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Schrift gegen die Annalen Baronius’ vorbereitete.281 Zur Unterstützung seiner Argumentation zitiert Scultetus zudem wiederholt aus den Abhandlungen des Re­ formierten Francois Hotman (1524–1590) und aus den Magdeburger Zenturien. Da Baronius in Bezug auf die Schenkung selbst durch seine Argumentations­ strategie nur wenig Angriffsfläche bietet, richtet Scultetus seine Aufmerksam­ keit auf die Taufe Konstantins als notwendige Bedingung des Schenkungsakts. Dabei legt es Scultetus auf eine umfassende Konfrontation mit Baronius an. Bereits der Titel Confutatio Prolixae Disputationis beinhaltet den Vorwurf der Weitschweifigkeit, mit der Scultetus dem päpstlichen Bibliothekar vorwirft, von der historischen Sachlage abzulenken. Seine Ausführungen beginnt der Heidel­ berger mit einem ironischen Lob seines Kontrahenten: „Jene hochwürdige Stimme ist die des Historiographen Caesar Baronius: Wir wollen, dass unsere Annalen über jeden Verdacht der Lüge erhaben sind. Wenn dies also, so be­ herzter er dies geschrieben hat, so stark sich wahrhaftig zeigte, beglückwünschten wir den christlichen Erdkreis für diese Annalen.“282

Während Scultetus die historiographischen Ideale seines Gegners durchaus teilt, will er nun aufzeigen, wie Baronius an diesen scheitert. Die Kontroversschrift ist durchzogen von Zitaten und Anspielungen auf den Text der Annalen. Dabei übernimmt Scultetus die Darstellungsweise des päpstlichen Bibliothekars und verwendet für Quellenbelege Marginalglossen, die mit hochgestellten Buch­ staben im Fließtext zugeordnet werden. Spiegelbildlich zu Baronius’ Vorgehen bemüht sich der Heidelberger um die Verteidigung der Glaubwürdigkeit Eusebs von Caesarea und schreibt gegen die Quellen an, die den Acta Silvestri in der Datierung der Taufe folgen. Die lange nach dem Geschehen geschriebenen Acta seien allein schon durch die darin enthaltenen lächerlichen Märchen keine verlässliche Quelle. Weitere Autoren, die diesen folgen, seien zeitlich noch weiter vom Geschehen entfernt und alle­ samt als „Römische Hofschranzen“283 tendenzkritisch auszuschließen. Baronius übergehe zudem mehrere byzantinische Autoren des 4. und 5. Jahrhunderts wie Sozomenos und Socrates Scholasticus, die als Orthodoxe unverdächtig seien, eine Lüge über Konstantins Taufort zu verbreiten.284 Als Kronzeuge für den von Baronius verletzten Grundsatz, ältere Quellen vor jüngeren den Vorzug zu geben, ruft Scultetus zum Ende seiner Abhandlung 281  Scultetus, Confutatio, 3 f. Die in Casaubons Todesjahr erschienene Schrift De rebus sacris et ecclesiasticis exercitationis XVI ist eine Ansammlung vermischter Anmerkungen zu Baronius, die der Casaubon in den Jahren zuvor notierte. Vgl. Pattison, Isaac Casaubon, 362–383. 282  Scultetus, Confutatio, 5: „Dignissima historiographo vox est Caesaris illa Baronii: Annales nostros omni suspicione mendacii carere volumus. Quod si, quàm animosé hoc scripsit, tam fortiter id praestitisse esset profectò, cur de Annalibus istis orbi Christiano gratularemur.“ 283  Ebd., 28: „aulae Romanae parasiti“. 284  Ebd., 1 f.



4.3.  Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen

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bezeichnenderweise den Mainzer Jesuiten Nicolaus Serarius auf. Dieser hatte in seinem Werk zur Mainzer Geschichte gegen eine Legende argumentiert, die von protestantischen Autoren wie Sebastian Franck und den Zenturiatoren affirmiert wurde. Einer Volkssage zufolge sei der hartherzige Mainzer Erzbischof Hatto II. (gest. 970) als Strafe Gottes von einem Schwarm Mäuse in den auf einer Rheininsel bei Bingen gelegenen fortan sogenannten Mäuseturm verfolgt und verspeist worden. Scultetus zitiert nun Serarius’ Plädoyer, stets die älteren den jüngeren Quellen, die diese Legende beinhalten, vorzuziehen. Dies seien in diesem Fall die Vielzahl der Autoren des 4. Jahrhunderts.285 Die prominente Stel­ lung am Ende der Abhandlung gegen Baronius, die Scultetus dem Serariuszitat zuweist, zeigt den engen Zusammenhang zwischen dem regionalen Austausch von Kontroversschriften und der konfessionellen Konkurrenzsituation auf euro­ päischer Ebene. Offenbar hat Scultetus die fast 1000 Seiten starke Mainzer Kir­ chengeschichte des Jesuiten aufmerksam studiert. Die zitierte Stelle findet sich an eher abgelegener Stelle. Auch Eusebius selbst will Scultetus von dem Vorwurf, ein Arianer zu sein, entlastet wissen. Hieronymus meine in seiner von Baronius angeführten Passage nicht den Bischof von Caesarea, sondern Eusebius von Emesa (ca. 300–360).286 Zudem sei Konstantin nicht von dem arianischen Bischof Eusebius von Ni­ komedia, sondern von allen in seinem Gefolge anwesenden Bischöfen getauft worden, was der Taufe in Nikomedia ihren Skandal nehmen würde.287 Auch Konstantins späte Taufe, die offensichtlich nicht mit der Konversion zusammen­ fällt, sieht Scultetus nicht als Hindernis der Version Eusebs an. Die theologische Argumentation über die Notwendigkeit einer raschen Taufe, wie sie Busaeus und Baronius vortragen, hält er für gänzlich unerheblich: „Es ist nicht die Frage, ob er so richtig gehandelt, sondern ob er so gehandelt hat“.288 Anhand seiner Kenntnis der Kirchenväter kann er zudem belegen, dass eine Taufe unmittelbar vor dem Tod in der Alten Kirche kein Unikum darstellt.289 Wie auch die gegen­ wärtige Forschung deutet Scultetus Konstantins Aufschub seiner Taufe nicht als Zeichen mangelnden Glaubens, sondern als Ausdruck des Wunschs des Kaisers, sündlos im Taufgewand zu sterben.290 Aufgrund der Beschäftigung mit Eusebius von Caesarea in der Vorbereitung seiner Patrologie legt Scultetus auf die rechte Bewertung dieses Kirchenvaters besonderen Wert. Dabei hielt der Heidelberger, der Eusebius für seine eigenen kirchengeschichtlichen Studien sogar als Vorbild nennt,291 den Kirchenvater keineswegs für unfehlbar, wie er in der Medulla Theologiae Patrum pointiert 285  Ebd., 28; vgl. Serarius, Moguntiacarum Rerum, IV, c. V, 705. 286  Ebd., 6–8. 287  Ebd., 1 f. 288  Ebd., 16: „non esse quaestionem, an recte fecerit, sed an fecerit“. 289  Ebd., 1 f. 290 Vgl. Brandt, Konstantin der Große, 16 f. 291  Scultetus, Annalium Evangelii, I, fol. *3r–v.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

formuliert: „Es lassen sich Fehler bei Eusebius entdecken, wenige in der Theo­ logie, mehr in der Geschichtsschreibung und am meisten in der Chronologie.“292 Baronius, dem an dieser Stelle nicht namentlich genannten „Begründer der Annales“,293 gesteht er sogar zu, einige tatsächliche Fehler bei Eusebius gefunden zu haben. In theologischen Fragen weist Scultetus den Bischof von Caesarea in seiner Patrologie als in den meisten Fragen rechtgläubig, also mit der Heiligen Schrift übereinstimmend aus. Nur in der Trinitätsfrage sieht Scultetus bei ihm gravierende Probleme, will Eusebius anders als Baronius aber lediglich als einen „Semiarianum“294 bezeichnet wissen.

4.3.2.4.  Marquard Freher und der zwölfte Band der Annales Ecclesiastici Der zwölfte Band der Annalen erschien im Todesjahr Caesar Baronius’ 1607. Obwohl dieser Band die Kirchengeschichte des Hochmittelalters thematisiert, beschäftigt sich ein Abschnitt  – erneut nachträglich interpoliert  – wiederum mit der Konstantinischen Schenkung. Als Anlass für diesen Schritt lässt sich der Konflikt um das Interdikt über Venedig annehmen, bei dem die Frage um die Temporal- und Territorialrechte des Papstes besonders virulent diskutiert wurden.295 Seine Ausführungen trägt Baronius in das Jahr 1191 ein, in dem der byzantinische Kirchenrechtler Theodoros Balsamon eine Rechtssammlung ver­ öffentlichte, in der auch das Constitutum Constantini aufgenommen ist – für Ba­ ronius ein Beleg seiner These einer griechischen Fälschung, um den römischen Primatsanspruch zu schwächen. Der Bibliothekar der römischen Kirche greift auf seine Argumentation aus dem dritten Band zurück, indem er die fraglichen Privilegien als göttlichen, nicht menschlichen Ursprungs bezeichnet. Er fügt nun jedoch die Spitzenthese hinzu, dass es sogar „dumm“ sei, sich ängstlich an das Dokument zu klammern: „Nachdem dies gesagt und eröffnet ist, wenden wir uns auch gegen die, die dem Schen­ kungsedikt Konstantins so viel Bedeutung beimessen, dass sie dumm fürchten, dass, wenn es zum Einsturz gebracht würde, auch gemeinsam mit ihm die ganze Kirche einstürzen könnte, was den Heiligen Vätern und den alten Päpsten der Römischen Kirche wider­ sprechen würde, dass nicht königliche Privilegien, sondern Christi Worte ‚auf diesen Stein will ich meine Kirche bauen‘ überdauern, wenn sie auch später glaubwürdigere Privilegien von Kaisern erhalten werden.“296 292  Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, III, 216: „Naevi in Eusebio deprehenduntur, Theologici pauci, Historici plures, Chronologici plurimi“. 293  Ebd., 218: „Annalium conditor“. 294  Ebd., 162. 295  Hulscher, Baronius, 479–483; Zen, Cesare Baronio sulla Donazione, 212–219. Vgl. Kap. 6.2.2. 296  Baronius, Annales Ecclesiastici, XII, 850: „Haec dixisse, & aperuisse voluimus aduersus eos etiam, qui tanti ponderis existimant ipsum donationis Constantini edictum, vt stulte time­ ant, si labefactetur, vniuersam cum ipso Ecclesiam corruere posse, reclamantibus ex aduerso



4.3.  Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen

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Während er hier erneut den Wert der Konstantinischen Schenkung gegenüber den Jesusworten und den historisch sicheren Schenkungen des Mittelalters relativiert, wendet sich Baronius einem weiteren Dokument zu. Er bezeichnet eine Urkunde Ottos III. als nicht authentisch, in der der Kaiser die Konstanti­ nische Schenkung, die ihm in Rom in der Wiedergabe des Johannes Diaconus vorgelegt wurde, als Fälschung zurückweist und dem Papst stattdessen einige mittelitalienische Grafschaften aus eigener Amtsgewalt zugesteht.297 Baronius gründet seine These darauf, dass das auf das Jahr 1001 datierte Diplom Ottos III. nur in einer Abschrift aus dem 14. Jahrhundert überliefert ist. Zudem seien Ottos Fälschungsvorwürfe gegen den verdienten Johannes Diaconus haltlos. Im zwölften Band formuliert Kardinal Baronius expliziter als im dritten, dass ein Fallenlassen nicht nur der überlieferten Urkunde, sondern auch des Akts der Konstantinischen Schenkung für ihn kein Denkverbot darstellt.298 Mit der Passage zum Diplom Ottos III. setzt der Kardinal jedoch ein Gegengewicht zu seinen harschen Worten über die Verteidiger der Schenkung. Die Zurückweisung der Urkunde als nicht authentisch bietet die Möglichkeit der Interpretation, dass Baronius die Schenkung an sich dennoch verteidige. Auch auf die Ausführungen zur Konstantinischen Schenkung in diesem Band der Annales Ecclesiastici reagierte ein Heidelberger Gelehrter. Diesmal war es jedoch mit Marquard Freher (1565–1614) ein Jurist und kein Theologe. Der humanistisch interessierte Freher betätigte sich selbst als Historiker insbeson­ dere zur pfälzischen Landesgeschichte und edierte antike und mittelalterliche Schriften insbesondere zur Nutzbarmachung im Öffentlichen Recht.299 Die Ablehnung des Papsttums und seiner Rechtsansprüche nimmt einen zentralen Platz im Denken des Heidelberger Juristen ein.300 Bereits vor Veröffentlichung des zwölften Bands der Annalen hatte Freher das Diplom Ottos III. für einen Sammelband zu Quellen des Öffentlichen Rechts ediert, wo er ohne ausführ­ lichen Kommentar, dafür mit einer volkssprachlichen Übersetzung erschien.301 Drei Jahre später veröffentlichte er die Edition, erweitert um mehrere Kommen­ tare, gemeinsam mit einer kommentierten Edition des Constitutum Constantini erneut in einer Doppelpublikation.302 sanctis Patribus, & antiquioribus Romanae Ecclesiae Pontificibus, non Regum priuilegijs, sed Christi verbis in Petro perstare suffultam, superq. petram firmam aedificatam, quamuis, postea certiora ab Imperatoribus acceperit priuilegia.“ 297  Ebd., 84 f.; Diplom Ottos III., 1001, MGH DD XIII, 389, S. 818–820. 298  Vgl. auch Zen, Baronio Storico, 234. 299 Vgl. Kühlmann, Geschichte, Politik, Philologie. 300  Strohm, Calvinismus und Recht, 128–132. 301  Goldast von Haiminsfeld (Hg.), Statuta et Rescripta, 4 f.; vgl. Kühlmann u. a. (Hg.), Die Deutschen Humanisten, I,1, 413. 302  Freher, Constantini M. Imp. Donatio/​Otthonis III. Imp. Donatio. Die beiden Teile erschienen mit einer je eigenen Titelei, jedoch offenbar zeitgleich und zusammengehörig. Vgl. auch Kühlmann u. a. (Hg.), Die Deutschen Humanisten, I,1, 388.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

Diese nun eigenständige und erweiterte Edition der Urkunde Ottos III. ist recht sicher eine Reaktion auf die erneute Behandlung der Konstantinischen Schenkung durch Caesar Baronius. Die beiden Widmungsreden setzen das philologische Unterfangen eindeutig in den kontroversen Zusammenhang. Die Edition des Konstantinischen Edikts ist auf dem Höhepunkt der Kontroverse um den Oath of Allegiance dem englischen König James I. gewidmet. Freher parallelisiert ihn in seinem Kampf gegen den Papst mit Konstantin, dem an­ deren großen Herrscher mit britischen Wurzeln.303 Die zweite Widmung, der Edition der ottonischen Urkunde vorausgeschickt, wendet sich an Leonardo Donato, den Dogen von Venedig. Sie gibt den 1. März 1607 als Abfassungszeit­ punkt an, wobei es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Vordatierung handelt – hierfür spräche, dass der Widmungsbrief an König James ebenfalls auf den 1. März, jedoch im Jahr 1610 datiert ist. Somit fingiert Freher in literarischer Freiheit, dass der Brief an den Dogen noch während des päpstlichen Interdikts über Venedig verfasst wurde. Den Dogen warnt Freher darin vor der Ge­ waltusurpation des Papstes und den Ausführungen Baronius’ und der anderen päpstlichen Autoren.304 Ähnlich wie Scultetus konzentriert sich Freher auf die Schwachstellen der Darstellung des Baronius. Das Constitutum Constantini ediert Freher in den lateinischen und griechischen Versionen und stellt die Unterschiede synoptisch dar, welche die Annahme des päpstlichen Bibliothekars einer griechischen Fälschung recht unplausibel erscheinen lassen. Den Großteil der Schrift macht ein quellenkritischer Kommentar aus, der textkritische, historische und rechts­ geschichtliche Anmerkungen bietet. Freher verteidigt zudem die Authentizität des nur in Abschriften erhaltenen Diploms Ottos III., worin ihm die spätere Forschung bis heute folgt.305 Die Urkundenedition des pfälzischen Rats wurde in der protestantisch dominierten Disziplin des Öffentlichen Rechts breit rezipiert und in einer Vielzahl rechtsgeschichtlicher Sammelbände abgedruckt.306

4.3.2.5. Fazit Caesar Baronius „Drahtseilakt“ in den Passagen zur Konstantinischen Schen­ kung war die entscheidende Wende in der katholischen Rezeption dieses Dokuments, die als Fernwirkung schließlich die offizielle Anerkennung der Fälschung bedingte.307 Die im dritten und besonders im zwölften Band ent­ 303  Freher, Constantini M. Imp. Donatio, fol. (:)2r–(:)4v. Vgl. Kap. 6.2. 304  Freher, Otthonis III. Imp. Donatio, fol. *2v–*3r. 305  Sickel (Ed.), MGH DD XIII, 389, S. 819. Vgl. ebd. auch zur Bedeutung Frehers und Baronius’ in der frühneuzeitlichen Diskussion über die Urkunde. 306  Kühlmann u. a. (Hg.), Die Deutschen Humanisten, I,1, 413–422. 307  Zen, Cesare Baronio sulla Donazione, 21 f.; Zen, Baronio Storico, 229–231; Vian, Donazione di Costantino, 152–155.169; Antonazzi, Lorenzo Valla, 176–180.



4.3.  Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen

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wickelte Argumentation bemüht sich weitaus mehr um Kommunikabilität als etwa die Disputation des Mainzers Busaeus wenige Jahre zuvor. Die Position des päpstlichen Bibliothekars ist auf seine Konfrontation mit protestantischen, aber auch innerkatholischen Gegnern zurückzuführen. Auch wenn die Angriffe von protestantischer Seite nicht ausblieben, war Baronius vielen in Rom, unter ihnen Papst Paul V., zu weit gegangen. Die besonders explizite Passage im zwölften Band, die die traditionelle Position gar als „dumm“ bezeichnet, zog einen heftigen Streit nach sich, den manche Zeitgenossen für den baldigen Tod des Kardinals „aus Erschöpfung“ verantwortlich machten.308 Der Fürsprache seines Freundes und Kardinalskollegen Robert Bellarmin war es schließlich geschuldet, dass sich die Wogen um Baronius glätteten.309 Auf protestantischer Seite provozierte die katholische Haltung eine Vielzahl an Kontroversschriften, für die die beiden Heidelberger Drucke exemplarisch stehen können. Sinnfällig ist dabei zunächst, dass neben dem historisch inte­ ressierten Theologen Scultetus auch der Jurist Freher zu dem Thema publiziert. Hier zeigen sich zunächst Unterschiede in der Gewichtung und Herangehens­ weise. Während Scultetus auf die patristische Literatur und spätantike Historiker blickt, um mit der Taufe Konstantins die Plausibilität der Konstantinischen Schenkung anzugreifen, hält sich Marquard Freher an die Überlieferung zweier potentiell rechtskräftiger Urkunden, die er ediert und rechtsgeschichtlich kom­ mentiert. Trotz dieser disziplinären Unterschiede zeigt sich hier jedoch erneut, dass eine Trennung zwischen Theologen und vermeintlich weniger durch die Konfession geprägte Juristen nicht sachdienlich ist. Besonders für die reformier­ ten Juristen nicht nur in der Kurpfalz war die Ablehnung des Papsttums und seiner Rechtsansprüche identitätsstiftend und trieb viele Juristen zu rechtshis­ torischen Studien an.310 Auch wenn Frehers Edition des Diploms Ottos III. für Jahrzehnte im protes­ tantischen Bereich die maßgebliche blieb, wird man den beiden Publikationen insgesamt nur begrenzte Innovationen in der Diskussion um die Konstantinische Schenkung zuschreiben können. Scultetus und Freher stützen sich in ihrer Ar­ gumentation im Wesentlichen auf vorangehende protestantische Autoren wie die Magdeburger Zenturiatoren. Ihr Augenmerk liegt besonders darauf, die trotz der durch Baronius vollzogenen argumentativen Wende weiterhin proble­ matischen Punkte – die Datierung der Taufe und die Verwerfung des Diploms Ottos – offensiv zu benennen. Der sichtbare Ertrag liegt jedoch darin, dass die konfessionelle Konkurrenzsituation derartiges Kontroversschrifttum stimulierte und eine breitere Öffentlichkeit mit Methoden und Inhalten der historischen und philologischen Kritik vertraut gemacht wurde. 308  Hulscher, Baronius, 48 f. 309  Ebd., 48 f.; Zen, Cesare Baronio sulla Donazione, 21 f. 310 Vgl. Strohm, Calvinismus und Recht, bes. 320–340.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

4.3.3.  Die Kontroverse um die „Päpstin“ Johanna 4.3.3.1.  Die Legende um die Päpstin und die Kontroverse im 16. Jahrhundert Wie ihre katholischen Gegenspieler in der Kontroverse um die Konstantinische Schenkung vertraten protestantische Autoren des konfessionellen Zeitalters bezüglich der Legende um die angebliche Päpstin Johanna eine quellenkritisch schwer haltbare Position. Durch Buch-, Film- und Bühnenadaptionen ist der Stoff fester Bestandteil der Populärkultur geworden. Anders als in manchen po­ pulärwissenschaftlichen Buchveröffentlichungen und Fernsehdokumentationen dargestellt, kommt die Wahrscheinlichkeit der Existenz einer solchen „Päpstin Johanna“ in den Worten des Mediävisten Horst Fuhrmann jedoch der „von Asterix und Obelix“311 gleich. Unterschiedlichen Fassungen der Legende zufolge stammte die spätere Päps­ tin entweder aus England oder aus dem Mainzer Raum. Als Mann verkleidet habe sie in Athen hohe theologische und philosophische Bildung erlangt. Mit dieser und womöglich dunklen Künsten sei sie in Rom zu Einfluss gekommen und habe Mitte des 9. Jahrhunderts den Stuhl Petri bestiegen. Nach einer heim­ lichen Liebschaft habe sie schließlich in der Öffentlichkeit ein Kind zur Welt gebracht. Erste Frühformen der Legende lassen sich ab der Mitte des 13. Jahrhunderts nachweisen. Abhängig von der 1277 veröffentlichten Chronik des Domini­ kanermönchs und päpstlichen Pönitentiars Martin von Troppau (auch Martinus Polonus genannt) findet sich die oben dargestellte Legende in verschiedenen Ausformungen in einer Vielzahl hoch- und spätmittelalterlicher Chroniken. Unter dem Eindruck dieser Tradition entstanden im 14. Jahrhundert Inter­ polationen in Abschriften dreier Werke, die älter als die Chronik Martins von Troppau sind.312 Diese sind das Chronicon des Marianus Scotus (1028–1082/83), der in Mainz als Abt von St. Alban wirkte, die Weltchronik Sigeberts von Gem­ bloux (1030–1112) und der erste Teil des offiziösen Liber pontificalis, dessen Abschluss dem kurzzeitigen Gegenpapst und anschließenden Bibliothekars der römischen Kirche Anastasius Bibliothecarius (gest. 879) zugeschrieben wurde. Durch die Übernahme in die 1559 in Basel veröffentlichte Edition wurde be­ sonders die Interpolation im Chronicon des Mainzers Marianus wirkungsreich. Im konfessionellen Zeitalter wurde die Geschichte der Päpstin von protes­ tantischen Autoren zur rhetorischen Munition gegen das Papsttum.313 Zum Ver­ ständnis dieser Debatte ist es wichtig, sich das kontroverstheologische Potential 311  Fuhrmann, Die Päpste, 303. 312  Vgl. zur Überlieferungsgeschichte Gössmann, Mulier Papa, 50–56; Kerner/​H erbers, Päpstin Johanna, 63–84. 313  Einen Überblick bieten Gössmann, Mulier Papa, 110–145 und Kerner/​H erbers, Päpstin Johanna, 117–130.



4.3.  Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen

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der Legende vor Augen zu führen. Zum einen galt der Zeit ein weiblicher Papst, noch dazu eine Schwangere als Zeichen höchster Verderbtheit und des Verfalls. Zum anderen hätte eine Frau auf dem Stuhl Petri, da sie nicht die Voraussetzun­ gen zur Weihe erfüllt hätte, eine Unterbrechung der Apostolischen Sukzession bedeutet. Der polemische Verweis auf die Päpstin ist somit zugleich auch ein Angriff auf die katholische Ekklesiologie und die historische Legitimation der Kirche. Hinzu kommt die sich den protestantischen Autoren bietende Möglich­ keit der bildlichen Schilderung des Papstes als Hure Babylon. Als Reaktion auf die protestantische Polemik nahm sich auch Robert Bellar­ min der Thematik an. Im dritten Teil seiner Kontroversien betont er das verläss­ liche Urteil des Zeitgenossen Anastasius und dessen Liber Pontificalis. Dieses berichtet abgesehen von der späteren Interpolation nicht von einer Päpstin und lasse auch chronologisch keinen Raum für einen weiteren Papst zu. Nachdem er auf die Widersprüche der verschiedenen Versionen der Legende eingegangen ist, verweist Bellarmin als mögliche Herkunft der Legende auf mittelalterliche Ge­ rüchte über einen weiblichen Patriarchen Konstantinopels. Die von Protestanten angeführten Zeugnisse des Marianus Scotus und Sigeberts von Gembloux will Bellarmin textkritisch ausgeschieden sehen, da die Verweise auf die Päpstin „in den ältesten Handschriften“314 nicht zu finden seien. Diese Darstellung Bellarmins attackiert der lange Zeit in Heidelberg lehrende Theologe Franciscus Junius in seinen posthum publizierten Animadversiones zu den Kontroversien des Kardinals. Gegen dessen schlüssige Argumentation möchte der Reformierte an dem Quellenwert der Interpolationen bei Marianus und Sigebert festhalten und argumentiert – ähnlich wie katholische Autoren in der Frage der Konstantinischen Schenkung – mit der Vielzahl späterer Autoren, die das Ereignis wiedergeben.315 Darüber hinaus versucht sich Junius in der Harmonisierung der Widersprüche zwischen den einzelnen Versionen. Die Differenzen in der Herkunftsangabe erklärt er mit einer Abstammung aus dem Mainzer Raum und dem gemutmaßten Familiennamen „Enghel“. Im 1602 erschienenen zehnten Band der Annales Ecclesiastici widmet sich Caesar Baronius der Materie gleich zwei Male. Zum Jahr 853, dem plausibelsten Pontifikatsjahr einer möglichen Päpstin, widmet er sich quellenkritischen Fragen. Erstaunlicherweise erkennt er dabei Marianus Scotus als ältesten au­ thentischen Zeugen an.316 Da die Interpolation zuvor schon von seinem Freund Bellarmin bewiesen wurde, drängt sich die Vermutung auf, dass Baronius aus Kalkül handelt. Trotz der textkritischen Anerkennung der Quelle betont Baro­ nius den zeitlichen und räumlichen Abstand des im 11. Jahrhundert in Mainz schreibenden Marianus von den geschilderten Ereignissen und scheidet sein Zeugnis somit quellenkritisch aus. Zum Jahr 879 greift Baronius die Thematik 314  Bellarmin, Controversia, III, 3,24: „in antiquissimis manuscriptis“. 315  Junius, Animadversiones, III,3,24, S. 491–501, bes. 495. 316  Baronius, Annales Ecclesiastici, X, 109–114.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

wieder auf und präsentiert eine andere Hypothese, die die Entstehung der Legen­ de erklärt. In diesem Jahr habe sich der zweifelsfrei männliche Papst Johannes VIII. in den Augen seiner Zeitgenossen und der Nachwelt weibisch verhalten, indem er das photianische Schisma mit der Ostkirche unter der Gewährung massiver Zugeständnisse beendete. Hieraus könne sich durch Missverständnisse die Legende gebildet haben.

4.3.3.2.  Zwei Mainzer Publikationen zur Päpstin Im gleichen Jahr wie der zehnte Band der Annales erschien auch in Mainz ein Druck, der sich zumindest indirekt auf die Päpstin bezieht. Unter maßgeblicher Mitwirkung des Jesuiten Johannes Busaeus317 erschien eine kritische Edition des ersten Teils des Liber Pontificalis. Gemäß der Tradition wird dieses Werk auch hier Anastasius Bibliothecarius zugeschrieben,318 der sich 850 bis 853 in Mainz bei Hrabanus Maurus aufhielt. Neben philologisch-humanistischen Interessen lässt sich die Edition auch auf konfessionelle Motive zurückführen, zumal es sich um ein zentrales Dokument der historischen Legitimation der katholischen Kirche handelt. Der Verleger Johannes Albin – der wichtigste Drucker für die Schriften der Mainzer Jesuiten – geht in seinem Vorwort sogar explizit auf die Debatte um die Päpstin ein, zu der er mit dem Druck der Edition beitragen will. Durch diese wichtige Quelle eines theoretischen Zeitgenossen Johannas erweise sich die Angelegenheit als nichts „außer bloßen Flausen und Märchen, aus­ gedacht im Hass auf die Päpste.“319 Bemerkenswert ist dabei der Umstand, dass der kurpfälzische Jurist und Gelehrte Marquard Freher das Editionsprojekt dahingehend unterstützte, dass er den Mainzern Bücher von Heidelberger Bibliotheken zugänglich machte. Offenbar war der Kontakt durch den über Konfessionsgrenzen hinweg ange­ sehenen katholischen Augsburger Kaufmann und Humanisten Markus Welser (1558–1614) zustandegekommen, wie aus einer Dankesvorrede an Freher in der Edition hervorgeht.320 Der Einsatz Frehers, der sich etwa in der Frage der Kon­ stantinischen Schenkung energisch für das eigene konfessionelle Geschichtsbild einsetzte, zeigt, dass die Brücken der humanistischen „Gelehrtenrepublik“ kei­ nesfalls abgerissen waren. Ein Editionsprojekt erschien ihm offenbar ungeachtet möglicher konfessioneller Motive als etwas per se Unterstützenswertes. 317  Bertrand, Society of Jesus, 898. 318  Die Autorschaft Anastasius’ wird in der jüngeren Forschung verneint. Vgl. Arnaldi, Anastasius. 319  Anastasii Bibliothecarii Historia, fol. [2v]: „nisi meras nugas et fabulas, in odium Pontificum Romanorum excogitatas.“ 320  Ebd., fol. (a). Möglicherweise war Freher schon im Rahmen seiner Mitwirkung an einer Trithemius-Edition mit Mainzer Gelehrten in Kontakt getreten, vgl. Kühlmann u. a., Die Deutschen Humanisten, I,1, 287–306.



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Noch eingehender widmet sich der Mainzer Jesuit Nicolaus Serarius in seiner 1604 veröffentlichten Mainzer Geschichte der Legende von der Päpstin. Der Ansatzpunkt dieses mit Bezügen zu konfessionellen Kontroversen gespickten Werks ist die Überlieferung, die Päpstin komme aus dem Mainzer Raum.321 In seiner Argumentation orientiert sich Serarius an Baronius, mit dem ihn eine gegenseitige Hochschätzung verband.322 Der Mainzer geht jedoch ausführlicher auf verschiedene Ungereimtheiten der Legende ein und versucht sich an der Widerlegung der Einwände des Heidelbergers Junius sowie anderer protestanti­ scher Autoren mit insgesamt 54 Beweisgründen. Zudem übernimmt Serarius nicht die Position seines Vorbilds, die Inter­ polation bei Marianus als authentisch anzusehen. Vielmehr würdigt er diesen als großen Mainzer Gelehrten und zählt ihn zu den Zeugen, die nicht von einer Päpstin berichten.323 Neben der Textkritik argumentiert Serarius vor allem gegen die Plausibilität der Darstellung bei Martin von Troppau und den von ihm abhängigen Chroniken. Nicht nur gebe es unterschiedliche Angaben zur Herkunft der Päpstin, mindestens sieben verschiedene überlieferte Namen und neun überlieferte Datierungen zwischen 653 und 904, auch biete Martin von Troppau eine falsche, ja anachronistische Darstellung des eher provinziellen frühmittelalterlichen Mainz.324 Besonders, wenn er sich direkt mit seinen protestantischen Gegnern aus­ einandersetzt, verfällt der Mainzer Jesuit in einen ironisierenden Stil und ver­ spottet etwa Junius’ Mutmaßung, das Ethnonym Johannes Anglicus beziehe sich auf den im mittelrheinischen Raum üblichen Familiennamen Engel.325 Neben der anachronistischen Annahme einer Bildungsreise der Päpstin nach Athen – Serarius verweist darauf, dass die dortige Akademie längst geschlossen und keine höhere Bildung dort zu erlangen war – erheitert ihn besonders Junius’ Festhalten an der Erzählung der öffentlichen Niederkunft der Päpstin. Völlig unglaubwür­ dig sei die Vorstellung, die Römer hätten ihre Schwangerschaft nicht bemerkt, „als ob entweder alle Menschen dumm wären oder die Natur veränderlich“.326 Diese Widerlegung der Legende einer aus Mainz stammenden Päpstin zählt zu den ausführlichsten Episoden in der Mainzer Kirchengeschichte des Serarius. Größere Wirkung erzielte die Passage auch als Anhang in einem 1614 erschienenen posthumen Kölner Druck der zunächst in französischer Sprache erschienenen Abhandlung Error Popularis Seu Fabula Joannae des gegenrefor­ matorischen Historikers Florimond de Raemond (1540–1601). 321  Vgl. zum kontroverstheologischen Gehalt des Werks Decot, Anfänge der Jesuiten, 6 f. 322  Zen, Baronio Storico, 22 f. 323  Serarius, Moguntiacarum Rerum, 168–170.200. 324  Ebd., 18 f. 325  Ebd., 189; vgl. auch Gössmann, Mulier papa, 165–167. 326  Serarius, Moguntiacarum rerum, 202: „quasi vel stupidi essent omnes homines, vel rerum natura immutata esset“.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

4.3.3.3.  Die Angriffe des Heidelbergers Konrad Decker Ein weiterer Heidelberger, der sich mit der Materie auseinandersetzte, war Kon­ rad Decker (gest. 1620), zur Zeit der Abfassung seiner Abhandlung zur Päpstin Lehrer am Heidelberger Sapienzkolleg und zuvor Schulmeister in Oppenheim und Kreuznach. Decker erlangte 1616 als Schüler des David Pareus den theo­ logischen Doktorgrad, lehrte jedoch nicht an der Universität.327 Die 1612 in Oppenheim – seinem ehemaligen Wirkungsort nahe Mainz – gedruckte zweitei­ lige Schrift De Papa Romano, Et Papissa Romana besteht aus einem Nachdruck einer Kontroversschrift über den Papst des Anglikaners William Whitacker und besagter Abhandlung Deckers zur Päpstin. Die Schrift steht im Kontext weiterer zur Zeit der Kontroverse zwischen Martin Becanus und anderer Jesuiten mit den Anglikanern um den Oath of Allegiance bei dem Oppenheimer Drucker Hieronymus Galler erschienenen Publikationen gegen das Papsttum328 und ist dem Heidelberger reformierten Kirchenrat gewidmet. Die Hauptziele seiner Polemik sind dabei die wirkungsreichen Abhand­ lungen der Kardinäle Bellarmin und Baronius. Deckers Darstellung mit dem Untertitel Assertio Veritatis Historiae De Papae Johanne VIII. Quòd Fuerit Mulier & Puerpera, Contra Bellarminum & Baronium Instituta ist quasidialogisch ge­ staltet und gliedert sich nach den Argumenten der katholischen Gegner. Deckers Stoßrichtung ist ekklesiologisch. Er schließt seine Ausführungen mit einem Ver­ weis auf die Bedeutung einer Päpstin für die Apostolische Sukzession, dass es nämlich nach eigenem Verständnis auf allen Ebenen kein legitimes Amt gäbe. Doch damit nicht genug: Ihr ganzes legitimatorisches Fundament wäre zerstört: „Auch die Römische Kirche selbst, weil eine Frau nicht aufnahmefähig für das Hohe­ priesterliche Amt war, ermangelte eines Stellvertreters Christi auf Erden, des Römischen Pontifex, und fiel dementsprechend von der römischen Kirche ab und war auch nicht die wahre Kirche. ENDE.“329

Besonderes Gewicht legt auch Decker auf die Text- und Quellenkritik. Obwohl er keinen zeitgenössischen Zeugen anführen kann, betont er das hohe Alter der hochmittelalterlichen Quellen. Ironisierend hofft er hierfür auf Verständnis seitens der Jesuiten: „Die Jesuiten wünschen sich das Alter als Wahrheitserweis in der Theologie, es soll also auch ein solcher in der Geschichte sein.“330 Dass der 327  Vgl. zu Deckers Biographie Pareus, De Pace & Unione, 1 f. Für die in der älteren Li­ teratur anzutreffende Angabe, Decker sei Jesuit gewesen (vgl. Jöcher, Gelehrtenlexikon, II, 61) gibt es weder auf Heidelberger noch auf jesuitischer Seite authentische Quellen. Möglich wäre eine Verwechslung mit dem bekannten jesuitischen Gelehrten Johannes Decker. 328  Vgl. Kap. 6.2.5. 329  Decker, De Papa Romano et Papissa Romana, 485: „Ipsa etiam Ecclesia Romana cùm foemina non fuerit capax Pontificatus, caruit vicario Christi in terris, Romano Pontifice, ac Proinde tunc Romana Ecclesia defecit, nec fuit vera Ecclesia. FINIS“. 330  Ebd., 401: „Antiquitatem Jesuitae volunt esse notam veritatis Theologicae, sit ergo etiam Historicae.“



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Liber Pontificalis und andere frühmittelalterliche Quellen nicht über die Päpstin berichten, sieht er indes nicht als gültigen Einwand ein. Er verweist auf den tendenziösen Charakter und die chronologischen Fehler des Liber Pontificalis331 und will ein argumentum e silentio gerade in einer solch peinlichen Angelegen­ heit generell nicht gelten lassen: „Aus dem Schweigen [einer Quelle] folgt nicht, dass es sich um eine Legende handelt, weil die Erinnerung an ein Ereignis mit der Zeit sehr gerne vergraben wird, damit ein solch schimpfliches und beschämendes Ereignis nicht den östlichen Rivalen offensteht.“332

Für Decker ist es ein gefundenes Fressen, dass Baronius, anders als Bellarmin, die Interpolation zur Päpstin bei Marianus Scotus als authentisch anerkennt. Der Heidelberger lobt ihn ironisch für seine Verständigkeit333 und spielt ihn gegen Robert Bellarmin und Florimond de Raemond aus, die in den Textvarianten mit der Interpolation eine Fälschung – womöglich durch die Protestanten – sehen.334 Diesen Vorwurf gibt Decker umgehend zurück: „Wenn in gewissen Handschriften die Erwähnung der Johanna nicht auftaucht, sollten wir wahrlich davon sprechen, dass diese von den Jesuiten verfälscht wurden. Es hat sich nämlich auf der ganzen Welt herumgesprochen, dass diese sowohl die Schriften jüngerer als auch älterer Autoren durch Vermehrung, Verkürzung oder Streichung verderben, be­ sonders, wenn sie der päpstlichen Würde entgegen zu sein scheinen; sollte es dir also wunderlich erscheinen, wenn ich sagen werde, dass sie bei diesen Autoren  – solchen Betrugs gewöhnt  – nämlich denen, bei denen die Päpstin Johanna verzeichnet war, es tilgten?“335

An dieser Stelle sei auf den Umstand verwiesen, dass sich die älteste Handschrift des Chronicon und mögliche Autograph des Marianus Scotus – ohne die Inter­ polation zur Päpstin  – zu Deckers Zeit in Heidelberg als Teil der Bibliotheca Palatina befand.336 Des Weiteren bemüht sich Decker, Bellarmins alternative Hypothesen zu widerlegen und die fama und somit die Glaubwürdigkeit der wichtigsten frühen Zeugen Marianus Scotus und Sigebert von Gembloux gegen die Dis­ 331  Ebd., 450 u. ö. 332  Ebd., 472: „Ex silentio non sequitur fabulam esse, quia memoria rei gestę tunc temporis fuit sepulta diligentissimè, ne res tam ignominiosa & pudenda aemulis inprimis orientalibus patefieret“. 333  Ebd., 469. 334  Vgl. zu dem Fälschungsvorwurf an die Protestanten Gössmann, Mulier Papa, 128. 335  Decker, De Papa Romano et Papissa Romana, 404: „Si in quibusdam manuscriptis codicibus, non extat mentio Johannae, verè dicimus illos corruptos esse à Jesuitis. Innotuit enim toti mundo, quam perfidè & nefariè tam veterum quam recentiorum autorum scripta isti depravarint augendo, minuendo, eradendo, ea quę dignitati Pontificiae adversati videbantur; num ergo mirum tibi videbitur, si in hisce autoribus, eadem fraude usos esse dixero, ut scilicet ea, quae in iis exarata essent de Johanne Papa, expunxerint?“ 336  Es handelt sich um den heute im Vatikan befindlichen Codex Vat. Palatinus Latinus, 830.

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kreditierungsversuche des Baronius zu verteidigen. Für Sigeberts Glaubwürdig­ keit spräche etwa, dass er sich im Investiturstreit stets königstreu verhalten und Gregor VII. bekämpft habe. Zudem bringt er einen weiteren Autoren namens Ranolphus Flaviacensis ein, der schon vor Marianus bereits im 10. Jahrhundert von der Päpstin berichte.337 Höchstwahrscheinlich ist hiermit Rodolphus Torta­ rius (genannt Flaviacensis, 1063–1122) gemeint. Es ist jedoch nicht ersichtlich, auf welche Passage aus dessen Werk sich Konrad Decker bezieht. Wahrscheinlich war Konrad Decker auch an einer weiteren Schrift beteiligt, die 1616 und 1619 in zwei Auflagen in Oppenheim gedruckt wurde. Johanna Papissa toti Orbi manifestata ist eine freie Übersetzung der englischsprachigen Dialogschrift Pope Ioane – A dialogue betvveene a protestant and a papist. Manifestly prouing, that a woman called Ioane was Pope of Rome, die 1610 in London von Alexander Cooke veröffentlicht wurde. Decker, der einen Studienaufenthalt in Cambridge absolvierte, käme als Übersetzer der Schrift in Frage. Zumindest lässt sich aufgrund argumentativer Parallelen davon ausgehen, dass der Heidel­ berger Lehrer Cookes Schrift bereits vor seiner eigenen Abhandlung gelesen hatte. Auf diese Lektüre lässt sich womöglich auch sein kryptischer Verweis auf Ranolphus Flaviacensis zurückführen, da hier von Handschriften eines Ranulph of Chester (Ranulfus Cestrensis) die Rede ist,338 was Decker zu falschen Schluss­ folgerungen gebracht haben könnte. Die Oppenheimer Übersetzung übernimmt die Dialogform des Originals und die eigentümliche Gestaltung, die eine Darstellung für Leser ohne historische Vorbildung mit einer hohen Anzahl an marginalen Belegen und Zitaten verbin­ det. Die beiden Teilnehmer des Dialogs sind ein Protestant und ein Katholik, die sich über die Päpstin Johanna und verschiedene Kontroversschriften namhafter Autoren zu diesem Thema unterhalten. Nach Vorbild der sokratischen Dialoge erhält der Protestant weitaus größere Redeanteile und führt den Katholiken mehrfach in die Aporie.339 Die im englischen Original enthaltene Vorrede an den zu überzeugenden katholischen Leser ist jedoch im Oppenheimer Druck nicht übernommen worden.

4.3.3.4. Fazit Die interkonfessionelle Kontroverse um die Päpstin Johanna drehte sich um sehr verschiedene Punkte. Besondere Bedeutung kam aufgrund der Quellenlage der Textkritik zu, an die sich knüpft, wie alt die Überlieferung zur Päpstin war. Darüber hinaus stritten die Kontroversisten über die Glaubwürdigkeit und Ten­ 337  Ebd., 405. 338 Vgl. Cooke, Johanna Papissa, 26. Im Hochmittelalter lassen sich mehrere in Frage kom­ mende Träger dieses Namens ausmachen. 339  Vgl. zum Aufbau des Werkes auch Kerner/​H erbers, Päpstin Johanna, 12 f.; Göss­ mann, Mulier Papa, 140–160.



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denz verschiedener Autoren, über mögliche Vergleiche mit griechischen Quellen und die chronologische Einordnung Johannas in die Papstliste. Ähnlich wie bei der Debatte um die Konstantinische Schenkung wurden die Methoden der historisch-philologischen Text- und Quellenkritik zwar nicht grundlegend erweitert, die Kontroversschriften trugen aber gewissermaßen zu ihrer Verbreitung bei. Die von den verschiedenen Autoren bemühte Text­ kritik hatte sich im späten 16. Jahrhundert zu einer festen Methodenlehre verdichtet, die besonders auf die klassische Philologie angewandt wurde.340 Bemerkenswert an konfessionellen Kontroversen wie dieser ist nun, dass diese Methoden verstärkt auch auf mittelalterliche Texte angewandt wurden. Zudem erfuhr die quellenkritische Behandlung durch die vielfältigen  – wenn auch tendenziösen – Schriften in verschiedenen Sprachen und mit unterschiedlichen Anspruchsniveaus durch die emotional geführten Kontroversen eine höhere Aufmerksamkeit, die sie angewandt auf Texte der klassischen Antike nur selten erfuhr. Besonders sichtbar wird hierbei der Aushandlungsprozess zwischen der quantitativen und qualitativen Gewichtung der Quellen, für den die Kontrovers­ schriften eine Plattform boten. Natürlich zeigt sich an beiden Beispielen auch die hemmende Wirkung konfessioneller Konkurrenz für den gelehrten Diskurs. Die grundsätzliche Entscheidung der Autoren für die Grundthese der Arbeit war an ihre kon­ fessionelle Identität gebunden und erfolgte aus sachfremden Gründen. Das kontroverstheologische Potential sowohl der Konstantinischen Schenkung als auch der Päpstin verhinderte, dass an sich überzeugende Argumente sich über Konfessionsgrenzen hinweg durchsetzten. Doch ähnlich wie Caesar Baronius für eine Wende in der katholischen Rezeption der Konstantinischen Schenkung sorgte, setzte sich in Folge der konfessionellen Kontroversen auch im protestantischen Bereich die Position zunehmend durch, dass es sich bei der Päpstin um eine bloße Fiktion handelt. Dieser Wandel wurde durch das Werk des französischen reformierten Theo­ logen und Kirchenhistorikers David Blondel (1590–1655) eingeleitet.341 Dieser hatte zuvor  – jeglicher irenischer Tendenzen gegenüber dem Katholizismus unverdächtig  – verschiedene historische Kontroversschriften verfasst und dabei die (Pseudo-)Isidorischen Dekretalen als Fälschung bewiesen. Auch die Beschäftigung mit der Päpstin begann Blondel in der Absicht, Baronius Dar­ stellung der mittelalterlichen Papstgeschichte zu widerlegen.342 In seinen in französischer und lateinischer Sprache erschienenen Abhand­ lungen zieht er systematisch alle in Frage kommenden Textzeugen heran und gewichtet diese. Dabei zitiert er wiederholt auch Baronius und Bellarmin, ohne diesen jedoch vollständig zu folgen. Ein besonderes Gewicht schreibt 340 Vgl. Vanek, Ars corrigendi, bes. 322–327. 341  Gössmann, Mulier papa, 189; Kerner/​H erbers, Päpstin Johanna, 129. 342  Gössmann, Mulier papa, 190.

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Blondel dem Liber Pontificalis zu. Dabei lobt er explizit die Mainzer Ausgabe und verweist auf deren „jesuitische Herausgeber“343 und die Rolle des von ihm geschätzten Heidelbergers Marquard Freher. Wie eng Kontroverse und Transfer in der konfessionellen Konkurrenzsituation zusammenhängen, zeigt auch die Einordnung, die Stephane Courcelles, der Herausgeber der posthum erschiene­ nen lateinischen Version seiner Schrift zur Päpstin, vornimmt: Der „tödlichen Wunde“, die Blondel dem Papsttum mit seinen historischen Schriften zugesetzt habe, täte das Eingeständnis der Nichtexistenz der Päpstin als „Abstreifen eines kleinen Flecks im Gesicht“344 keinen Abbruch. Vielmehr, so ließe sich ergänzen, war dem konfessionellen Interesse durch eine genaue Geschichtsschreibung mehr gedient.

4.3.4.  Das Reformationsjubiläum 1617 4.3.4.1.  Die Durchführung von Jubiläum und Jubeljahr in Heidelberg und Mainz und die anschließende publizistische Kontroverse Das reichsweit gefeierte Reformationsjubiläum 1617 war das erste seiner Art, fußte aber auf verschiedenen Gedenktraditionen des 16. Jahrhunderts.345 Auf­ grund der politischen Situation kam es zu einer parallelen Feier zweier evan­ gelischer Reformationsjubiläen. Unter Führung der Kurpfalz verabschiedete die Union auf ihrem Heilbronner Konvent im Frühjahr 1617 einen gemeinsamen Beschluss zur Feier am 2. November alten Stils, dem Sonntag nach Allerheiligen. Kursachsen und Verbündete feierten hingegen am 31. Oktober, womit die Terminierung für viele kleinere Territorien eine Positionierung bedeutete. In­ nerhalb dieser Gruppierungen beging beinahe jede evangelische Herrschaft im Reich den hundertsten Jahrestag des Thesenanschlags.346 Das Jubiläum stellte dabei begleitet von Flugschriften, Predigtdrucken und Streitschriften in be­ sonderem Maße auch ein publizistisches Ereignis dar,347 das noch in den Folge­ jahren Schriften hervorbrachte. In Heidelberg stimmte der Hofprediger Abraham Scultetus bereits vor dem Unionsbeschluss mit einer an die vergangenen hundert Jahre erinnernden Newe Jahrs Predigt auf das Jubiläum ein und ließ diese veröffentlichen. Nachdem Scultetus im Frühjahr desselben Jahrs eine Archivreise an den Oberrhein und 343  Blondel, De Ioanna Papissa, 48: „procuratores Iesuitas“; vgl. auch Blondel, Familier Éclairissement, 3–10. 344  Blondel [Courcelles], De Ioanna Papissa, fol. D3r: „exiguae in facie maculae ab­ stersione“. Vgl. auch Solé, Debat entre Protestants, 66 f. 345 Vgl. Schönstadt, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, 10–13. 346  Brandenburg etwa verzichtete nach seinem Ausscheiden aus der Union auf die gemein­ same Feier. Außerhalb des Reichs sind Feierlichkeiten in Dänemark und Schweden belegt. Vgl. ebd., 14–35.306. 347 Vgl. K astner, Geistlicher Rauffhandel, 334–342.



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die Schweiz unternommen hatte, verfasste er bis August348 den ersten Band seiner Reformationsgeschichte Annalium Evangelii, welcher jedoch erst im Frühjahr 1618 zum Druck kam. Als Hofprediger hielt Scultetus zudem am 2. November eine JubelJahrs Predigt in der Heiliggeistkirche, die in deutscher, lateinischer, englischer und ungarischer Sprache gedruckt wurde.349 Als kirch­ liche Feier wurde das Jubiläum nur an diesem Sonntag begangen. Die übrigen Festtage bis zum 5. November waren in der Hand der Universität.350 Am 1. und 3. November zog die gesamte Universität mit Präsentation der Fakultätsszepter durch die Stadt, um öffentliche Disputationen abzuhalten. Bewusst wollte man das Gedenken in der Form begehen, der sich auch Luther in den Anfangsjahren der Reformation bedient hatte.351 Die zu diesem Anlass verfassten Texte wurden unter dem Titel Iubilaeus Academicus in einem Band zusammengefasst nach Jahreswechsel gedruckt. Dieser Band umfasst von David Pareus aufgestellte Thesen für die feierliche Schaudisputation, eine Rede des Theologieprofessors Heinrich Alting und ein in lateinischen Hexametern gehaltenes Carmen seculare des Poetikprofessors Simon Stenius. Ebenfalls im Frühjahr 1618 erschienen weitere calvinistische Predigten im Reich, die von Katholiken und Lutheranern als den Heidelbergern untergeordnet angesehen wurden. Die protestantischen Säkularfeiern nahmen in Predigten und Reden direkten kontroverstheologischen Bezug auf die mit dem Ablasswesen verbundene ka­ tholische Jubeljahrstradition. Bereits 1576 hatte sich Pfalzgraf Friedrich III. ungehalten darüber gezeigt, dass anlässlich des Jubeljahrs in Mainz protestan­ tische Schriften verbrannt wurden und Prozessionen zu den Territorialgrenzen abgehalten wurden.352 Auch während der akademischen Feierlichkeiten in Heidelberg verurteilte der Theologieprofessor Heinrich Alting das mit „großem Prunk der Feierlichkeiten“353 begangene päpstliche Jubeljahr, da es vor allem den monetären Interessen des Papsttums diene. Dementgegen sah Papst Paul V. es als geeignete Reaktion auf das evangelische Reformationsjubiläum an, ein außerplanmäßiges Jubeljahr auszurufen. Auch wenn er in der Bulle die Feier­ lichkeiten der Protestanten nicht explizit nennt, machen die ersten Worte die Zielrichtung deutlich: „Siehe, Trübsale haben uns erfasst. Die Versuchungen des Teufels treiben sich unter uns herum.“354 Die erst am 12. Juni 1617 promulgierte Bulle wurde in Deutschland in aller Eile umgesetzt. 348  So die Datumsangabe seines Vorworts, Scultetus, Annalium Evangelii, I, *6r. 349 [Benrath (Hg.)], Scultetus, Selbstbiographie, 138. 350 Vgl. Benrath, Reformierte Kirchengeschichtsschreibung, 39–46. 351  Pareus, Thema Seculare, 12. 352  Kluckhohn, Briefe Friedrichs des Frommen, 971 (Brief Friedrichs III. an seine Reichtagsgesandten, 18.7. 1576), Vgl. Jendorff, Reformatio Catholica, 502. 353  Alting, Oratio Secularis, 47: „magna ceremoniarum pompa“. 354  Paul V., Jubilaei indictio, 354: „Ecce tribulationes apprehenderunt nos. Diaboli tenta­ menta grassantur in nobis“.

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Zu den ersten deutschen Bischöfen, die das päpstliche Jubeljahr in ihrer Diözese propagierten, zählte der Mainzer Kurfürst Johann Schweikard von Kronberg.355 Die recht vagen päpstlichen Vorgaben füllte er so aus, dass jene den Jubelablass erhalten sollten, die an der zentralen Feier in Mainz oder den anderen dafür bestimmten Kirchen an Gebet und Prozession andächtig teilneh­ men sowie für das Wohl der Kirche bitten, „damit alle Ketzereyen und Irrthumb auffgehoben, alle uneinigkeit gestillet“356 werde. Wie viele andere Bistümer legte Mainz die Prozessionen auf den 2. November (alten Stils), um zeitgleich mit den Protestanten ein „Gegen-Jubiläum“357 zu begehen. Im Rahmen der Religions­ politik des Erzbistums standen die Mainzer Aktivitäten zum Jubeljahr deutlich im Zeichen des aggressiveren „Konfrontationskatholizismus“358. Zudem intensi­ vierten die Jesuiten anlässlich des Jubeljahrs ihre Missionstätigkeit auch über die Grenzen des Erzstifts hinaus in den protestantischen Nachbarterritorien.359 Die Mainzer Jesuiten waren an der Durchführung des Jubeljahrs aktiv betei­ ligt. Balthasar Hager hielt als Domprediger eine öffentliche Predigt gegen das evangelische Jubiläum und nach den eigentlichen Feierlichkeiten wurden in der Stadt am Rhein acht Schriften von Mainzer und auch auswärtigen Jesuiten zum Druck gebracht. Die katholischen Publikationen gegen das Reformationsjubilä­ um konzentrieren sich vor allem auf drei Druckorte im Reich: die Paritätische Reichsstadt Augsburg,360 Molsheim, eine neu gegründete Jesuitenhochschule, die sich explizit als Gegengründung zur etwa 20 Kilometer entfernten Straß­ burger Akademie verstand,361 und Mainz, das in unmittelbarer Nachbarschaft zu mehreren lutherischen und reformierten Territorien, darunter Hessen-Darm­ stadt und der Kurpfalz, lag.362 Zusammenfassend also drei Orte, auf die sich bestens die Begrifflichkeit der konfessionellen Konkurrenzsituation anwenden lässt. Die Mainzer Schriften zeichnet dabei ein höherer intellektueller Anspruch aus als die der übrigen Druckorte. Die Publikationen der Mainzer Jesuiten sind erkennbar auf ihr Heidel­ berger Gegenüber zugeschnitten.363 Hagers Catholische Jubelpredig (sic!) wählt bewusst den gleichen Predigttext wie der Heidelberger Scultetus,364 nämlich die 355  Von einer Vorreiterrolle spricht auch der Kölner Nuntius Albergati: Albergati an Bor­ ghese, 17.9. 1617, in: NBD.K V,3, 2456, S. 166. 356  Kronberg, Erlass zum Jubeljahr 1617, 449. 357  K astner, Geistlicher Rauffhandel, 31. 358  Jendorff, Reformatio Catholica, 136. Vgl. Kap. 2.3.1. 359  Littera Annuae Provinciae Rhenana 1617, in: ARSI Rhen. Sup. 29, fol. 94v. 360  Vgl. Ebd., 72–79; zwei Schriften wurden hierzu auch bei den Jesuiten in Ingolstadt ge­ druckt. 361 Vgl. Schillinger, Jubilé ou Pseudojubilé, 180–185. 362  Vgl. zu den Jubiläumsfeierlichkeiten im hessischen Raum Dienst, Umkämpftes Jubilä­ um, 225–232.24 f. 363 Vgl. zu den Mainzer Schriften zum Reformationsjubiläum ausführlicher Dienst, Umkämpftes Jubiläum, 236–243. 364  Dieser Predigttext war zuvor für alle Gemeinden der Kurpfalz ausgeschrieben worden.



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Auffindung des Gesetzes durch Josia (2 Kön 22), um die Auslegung der Calvi­ nisten anzugreifen. Als wichtigster Mainzer Autor erwies sich Adam Contzen, der nach dem Weggang Becanus’ der profilierteste Kontroverstheologe des Kol­ legs war. Seiner ersten großen Streitschrift Iubilum Iubilorum Iubilaeum Evangelicum, die er vermutlich im Januar 1618 fertigstellte,365 lagen die gedruckten Werke seiner Gegner größtenteils nicht vor. Allerdings kannte er das Programm der Heidelberger Feierlichkeiten und erhielt offenbar kurz vor Fertigstellung des Buchs ein Exemplar der Thesen Pareus’.366 Ebenfalls gegen Pareus’ Thema Seculare […] De causis fugiendi Papatus Romani richtet sich eine in Mainz ge­ druckte Streitschrift des Würzburger Jesuitenprofessors Maximilian Sandaeus, der den 237 Thesen des Calvinisten 330 ähnlich gegliederte entgegensetzt und unter dem parodierenden Titel Thema Seculare De caußis […] fugiendae Synagogae Protestanticae sammelt. Insgesamt scheint sich Mainz 1618 als Druck­ stätte auch auswärtiger jesuitischer Schriften gegen das Jubiläum herausgebildet zu haben, denn auch der Trierer Jesuit Johann Nicolai veröffentlichte hier seine Jubelklag. Das ist, Kurtze Erinnerung, was von jetzigem Lutherischen Jubelfest zuhalten. Nicolais Schrift gibt vor, das Mahnschreiben eines von den katho­ lischen Argumenten überzeugten evangelischen Predigers aus der Wetterau zu sein. Entgegen den Erwartungen367 antworteten die Heidelberger Theologen auf diese erste Publikationswelle nicht.368 Hierzu mag beigetragen haben, dass sich der Fokus der Heidelberger bald vom Jubiläum weg richtete und die Dordrechter Synode, zu der Scultetus und Alting reisten, und die böhmischen Ambitionen des Kurfürsten von höherer Priorität waren. An ihrer Stelle antworteten Schüler und Lehrer des überwiegend von der calvinistischen Minderheit Worms besuch­ ten369 kurpfälzischen Gymnasiums in Neuhausen (heute ein Wormser Stadtteil) der Schrift Adam Contzens und ließen eine kurze Chronologia Iubili Evangelici Opposita Jubilo Jubilorum Iesuitico Moguntino in lateinischer und deutscher Sprache drucken. Entgegen anderslautender Behauptungen gibt es keine An­ haltspunkte dafür, dass es sich um eine pseudonyme Schrift calvinistischer Theo­ 365  Das Approbationsschreiben des in Mainz residierenden Rheinischen Provinzials der Gesellschaft, Johannes Copper, datiert auf den 22. Januar. 366  Contzen, Jubel uber Jubel, 37 f. Contzen erwähnt Pareus’ Schrift erstmals hier im Schlussteil der Schrift, der die annalistische Gliederung des restlichen Buchs bereits hinter sich gelassen hat. Bei der Erstnennung erwähnt Contzen, erst kurz im Besitz der Schrift zu sein. 367  Der Hanauer Johannes Cratium, der später eine Apologie der Predigt des Scultetus schreibt, äußert in seinem Vorwort die Erwartung einer baldigen Antwortschrift der Heidel­ berger, die sich jedoch nicht erfüllte. 368  Offenbar existierte ein Manuskript einer Antwortschrift Pareus’ auf die Gegenthesen Maximilian Sandaeus’. Eine solche Schrift mit dem Titel Notae apologeticae pro Themate Seculari kündigt sein Sohn Johann Philipp für den dritten, nie veröffentlichten Band der ge­ sammelten Werke seines Vaters an (Pareus, Narratio Historica Vitae, 196). Dieses Werk muss offenbar als verloren angesehen werden. 369 Vgl. Mahlerwein, Die Reichsstadt Worms, 346.

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logen handele.370 Wie groß der tatsächliche Anteil der Schüler gegenüber ihren Lehrern ist, sei jedoch dahingestellt. Auf die Publikation der Neuhäuser Schule antwortete Contzen noch im gleichen Jahr mit einer eigenen Chronologia, die er als „Instructio Paterna“ für die fehlgeleiteten Schüler verstanden wissen will. In dieser Schrift weitet Contzen sein Augenmerk auf calvinistische Autoren außer­ halb Heidelbergs wie Salmuth und Angelocrator aus. Ebenfalls 1618 kamen auch lutherische Schriften in den Druck, die sich mit dem Reformationsjubiläum in Heidelberg und Mainz auseinandersetzen. Gegen Contzen, der in seinen Schriften lutherische Theologen – wenn auch seltener als calvinistische – angreift, richtet sich die Rettung der christlichen grossen JubelFrewde des Wittenbergers Samuel Huber. Gegen die Calvinisten schrieben hin­ gegen der sächsische Hofprediger Matthias Hoe von Hoenegg eine Trewhertzige Warnung vor der Predigt des Scultetus und der sächsische Kirchenrat Aegidius Strauchius eine Gründliche Ableinung Der Bäpstischen Irthumen gegen den Amberger Johann Salmuth.371 Diesen beiden Schriften antwortet wiederum der Calvinist Johannes Cratius im Jahr 1619 in Hanau unter dem Titel Jubilum Continuatum. Ebenfalls in diesen Zeitraum fällt der Hanauer Druck der Vialia, das als Protokoll eines Reisegesprächs über das Jubiläum zweier reformierter Theologen und zweier lutherischer Kaufleute gestaltet ist. Der Autor dieser Schrift, Theophilus Mosanus, wird – wohl zu Unrecht – als Pseudonym Abra­ ham Scultetus’ angenommen.372 370 So Brischar, P. Adam Contzen S. J., 8 f., dessen tendenziöse – nur vor dem Hintergrund des Kulturkampfes zu verstehende  – Darstellung sich auf die Beobachtung Contzens stützt, dass die Schrift viel von den Publikationen Salmuths und Angelocrator enthält (Contzen, Chronologia Iubilaei Evangelici, *4v). Dass diese sich hinter der Schrift verbergen, behauptet jedoch auch Contzen nicht. 371  Am Rande sei zudem eine 1618 in Ingolstatt gedruckte Schrift unter dem Titel Drey lustige Gespräche Vom Lutherischen JubelJar erwähnt, in der im zweiten Gespräch Abraham Scultetus und der Jesuit Johann Laßler aufeinandertreffen. Es handelt sich dabei wohl kaum um eine echte Dialogaufzeichnung. Scultetus’ Aussprüche sind an seine JubelJahrs Predigt angelehnt, jedoch unvorteilhaft verkürzt. 372  Vgl. Kap. 5.5. Mosanus trat auch nach den Prager Ereignissen 1620 als Verteidiger Scul­ tetus’ auf (vgl. Kap. 5.5.). Da der Name Theophilus Mosanus besonders durch seinen Vornamen („Gottesfreund“) zu dieser Vermutung Anlass gibt und bei einer Durchsicht der Matrikeln der Universität Frankfurt (Oder), als deren Alumnus er sich bezeichnet, 1567–1617 nicht nachzuweisen war, wird es sich wohl um ein Pseudonym handeln. Der älteste aufgefundene Beleg für die fortan replizierte Behauptung, es handle sich um Scultetus, findet sich, leider ohne Angabe von Gründen, bei Jocher, Christian Gottlieb (Hg.), Allgemeines Gelehrten­ lexikon. Darinne die Gelehrten aller Stände sowohl männ- als auch weiblichen Geschlechts, welche vom Anfange der Welt bis auf jetzige Zeit gelebt, und sich der gelehrten Welt bekannt gemacht, Bd. 4: S–Z, Leipzig 1751, S. 450. Danach ist sie in weiteren Nachschlagewerken und bis heute in der Deutschen Nationalbibliographie und nachgeordneten Datenbanken zu finden. Rezenten Publikationen über Scultetus ist dieses Problem offenbar unbekannt. Die These mag daher kommen, dass Mosanus in seiner Verteidigungsschrift für Scultetus’ Predigt zum Prager „Bildersturm“ Scultetus’ Predigt voranstellt (Mosanus, Vindiciae, 1–15). Die Gegenschriften Friedrich Balduins und Balthasar Hagers sehen Mosanus und Scultetus offensichtlich als ge­ trennte Individuen an. Weder sind stilistische Nähen zwischen den beiden erkennbar, noch



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Als abschließende Schrift zum Reformationsjubiläum hat Adam Contzen Coronis Omnium Jubilorum Anno Saeculari Evangelico Scriptorum konzipiert und 1619 zum Druck gebracht. Hier geht er nicht mehr nur auf Pareus, sondern auch auf die Schriften Scultetus’ und Altings ein. Auch diese Schrift erregte nicht mehr die Aufmerksamkeit der Heidelberger, deren Blick zu dieser Zeit bereits auf Prag gerichtet war. Eine Antwortschrift findet sich hingegen im lutherischen Bereich durch den Hallenser Sigismund Even mit dem Titel Palma Saecularis. Dieser Schrift wiederum entgegnete 1620 der Adam Contzen nahestehende Mainzer Jesuit Marcellus Franckenheim, der Even im Titel als Asinus palmatus verspottet. Insgesamt ergibt sich allein für diesen untersuchten Zweig der reichsweiten Streitschriften zum Reformationsjubiläum eine durchaus ansehnliche Anzahl an Titeln, die sich über einen Zeitraum von drei Jahren bis in die Anfangsphase des Dreißigjährigen Krieg hinein verteilen. Die Beteiligung aller drei Konfessionen zeigt, dass sich die Schriften nicht einfach als bipolarer Austausch fassen lassen. Gerade bei den Calvinisten wird hier eine starke Integration der Autoren in die eigene Konfessionsgruppe sichtbar, die auch stellvertretende Antwortschriften nahelegen. Die Theologen der kleineren calvinistischen Territorien partizipier­ ten durch ihre Publikationstätigkeit am gemeinsamen Jubiläum. Auch im katho­ lischen Bereich scheint sich Mainz als Druckort auch auswärtiger Schriften zu diesem Thema angeboten haben.

4.3.4.2.  Abraham Scultetus’ Reformationsgeschichte Unter den Heidelberger Schriften zum Reformationsjubiläum stechen die Werke des Hofpredigers Scultetus nicht nur quantitativ hervor. Stärker als seine Kollegen ist er daran interessiert, die einhundert Jahre zurückliegende Reforma­ tion als historisches Ereignis zu greifen und historiographisch zu verarbeiten, weshalb seine Schriften an dieser Stelle über den Abriss der Schriften hinaus gesondert untersucht werden sollen. Sein Geschichtsbild ist klar konfessionell verortet und zeichnet sich durch zwei Propria aus. Zum einen eröffnet Scultetus in seiner Betrachtung ein erstaunlich breites Sichtfeld. Anders als lutherische Publikationen von 1617 beschreibt er die Reformation als Gemeinschaftswerk einer Vielzahl regionaler Reformatoren. Er nimmt eine gesamteuropäische Per­ nimmt die zum Reformationsjubiläum verfasste Vialia expliziten Bezug auf Scultetus’ Werke. Auch das Itinerar Scultetus’, der während Abfassung und Druck der Vialia auf der Synode in Dordrecht weilte, spricht gegen die Vermutung. Gerade bei der Schrift zum Reformations­ jubiläum ist nicht ersichtlich, warum der Hofprediger auf ein Pseudonym hätte zurückgreifen sollen, eine argumentative Nähe der beiden lässt sich konfessionell erklären. Noch weniger plausibel ist die Vermutung bei Placcius, Vicentius, Theatrum Anonymorum et Pseudo­ nymorum, Hamburg 1708, Bd. II, S. 451, es handle sich um den Zerbster Superintendenten Johann Christoph Beckmann (1641–1717). Das angenommene Pseudonym des 1618 noch ungeborenen Theologen, der auch unter dem Namen Hubertus (!) Mosanus publizierte, ver­ deutlicht, wie wenig zuweilen von derartigen frühneuzeitlichen Angaben zu halten ist.

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spektive ein, die sich vor allem auf den internationalen Calvinismus bezieht. Die vergangen hundert Jahre sieht er darum nicht nur als Geschichte der Aus­ breitung, sondern auch der beständigen Verfolgung der reformierten Religion. Sicherlich zutreffend ist die Würdigung Gustav Adolf Benraths, es handele sich um die erste (und lange Zeit einzige) „europäische Reformationsgeschichte vom reformierten Standpunkt aus“.373 Zum anderen zeichnet sich Scultetus durch ein Geschichtsbild aus, das die vergangenen hundert Jahre in die Heilsgeschichte einordnet. Seine Werke durch­ zieht dabei ein starker Optimismus, der den fortgesetzten Siegeszug der refor­ mierten Religion als historisch evident ansieht. Heidelberg als wichtigste calvi­ nistische Bastion im Reich spielt für ihn als Stadt „auff dem Sion deß Pfälzischen Jerusalems“374 eine wichtige Rolle in Gottes Heilsplan. In der Tradition der protestantischen Historiographie, wie etwa auch Flacius Illyricus, legt Scultetus Wert auf die im Mittelalter ungebrochene Kontinuität der testes veritatis, als die er unter anderen Hus und Wyclif, aber auch Savonarola angibt.375 Charakteristisch für Scultetus ist die Häufigkeit biblischer und historischer Typologien, die sein Geschichtsdenken durchziehen. Dem Exodus des Volkes Israel entspricht der reformatorische Auszug aus der Knechtschaft „sub Pharaone Romano“.376 Auch dem Auszug Israels aus der Babylonischen Gefangenschaft deutet er in dieser Hinsicht.377 Die evangelischen Fürsten, besonders die calvinistischen Kurfürsten der Pfalz, entsprächen König Josia bei der Wiederauffindung des Gesetzes, womit er eine in der Kurpfalz bereits für Friedrich III. verwendete Typologie aufgreift. Den Jüngern Jesu glichen die ersten Reformatoren – er nennt hier Lu­ ther, Melanchthon, Zwingli und Oecolampad – insofern, dass sie wie die Fischer als Mönche, Leutpriester und einfache Gelehrte keine „ansehnlichen Kardinäl, Bischoffe und Praelaten“378 gewesen seien. Wie auch die Urgemeinde und die frühen Christen würden die Reformierten international verfolgt, aber von Gott erhalten.379 Schließlich erfüllten die Reformatoren der zweiten Generation (er zählt ausschließlich Reformierte und Philippisten auf ) als neue Kirchenväter ebenjene Aufgabe, die in der Alten Kirche Ignatius, Athanasius, Augustin und andere übernommen hätten.380 Anders als die oftmals von apokalyptischer Nah­ erwartung geprägten Äußerungen lutherischer Prediger zum Jubiläum zieht Scultetus aus diesem Ereignis explizit eine Zukunftsperspektive, dass Gott „die reine Lehr des Euangelions auff unser Kinder und Kindeskinder fortpflantze“.381 373  Benrath, Reformierte Kirchengeschichtsschreibung, 3 f. 374  Scultetus, JubelJahrs Predigt, 2. 375  Ebd., 1 f. 376  Scultetus, Annalium Evangelii, I, *4v. 377  Scultetus, Annalium Evangelii, II, *3r. 378  Scultetus, Newe Jahrs Predigt, 7. 379  Ebd., 14.25. 380  Ebd., 1 f. Vgl. Kap. 4.2.2. 381  Scultetus, JubelJahrs Predigt, 34.



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In dieser heilsgeschichtlichen Perspektive liegt zudem die scharfe Abgrenzung zum Papsttum und zum Katholizismus als übergeordnetes Charakteristikum aller Schriften Scultetus’ begründet. Ähnlich wie in seiner Kontroversschrift zur Konstantinischen Schenkung gegen Caesar Baronius382 zeigt Scultetus auch in seinen historiographischen Schriften zum Reformationsjubiläum das Bemühen, mit Hilfe eingehender Quellenstudien die Wahrheit des eigenen konfessionellen Geschichtsbilds zu erweisen. Von seiner auf zehn Bände angelegten Reformationsgeschichte, dem Annalium Evangelii, schrieb er den ersten von letztlich zwei Bänden bewusst im Jubiläumsjahr.383 Für dieses Werk, das bald darauf auch ins Deutsche übersetzt wurde, hatte Scultetus bereits seit einiger Zeit auf Reisen und über Korrespon­ denzen Archivmaterial zusammengetragen. Im Frühsommer 1617 nahm er sich zudem beim Kurfürsten Urlaub für eine Archivreise nach Straßburg und Basel, um weiteres Material für sein Annalium zu sammeln. In seiner Darstellung wen­ dete Scultetus in großem Umfang Sleidans Methode der Einbindung längerer Quellenpassagen an.384 Was aus heutiger Perspektive als ermüdende Lektüre an­ mutet, ist vor dem Hintergrund zu bewerten, dass Scultetus von einer generellen Unzugänglichkeit der Quellen für seine Leser ausgehen musste. Was stellenweise wie eine lose zusammenhängende Florilegiensammlung wirken mag, setzt eine grundlegende Methodisierung voraus, die darum bemüht ist, den Prozess der Urteilsbildung intersubjektiv zu kommunizieren. Bereits in seinem Vorwort wirbt der Hofprediger damit, seltene Quellen, besonders Reformatorenbriefe, als einziger abzudrucken. Er offenbart damit das Selbstverständnis seiner Arbeit, die für ihn zu einem guten Teil eine Sammelarbeit darstellt.385 In der Methodik des Werks sind Einflüsse der Magdeburger Zenturiatoren sichtbar, die Scultetus trotz ihrer konfessionellen Ausrichtung bemüht. Sein Plan, die zehn Bände als Dekaden anzulegen, erinnert stark an die Zenturien­ gliederung der Magdeburger. Zudem ist die Binnengliederung der einzelnen Jahreseinträge stark an Flacius und seine Nachfolger angelehnt.386 Christian Moser hat darüber hinaus darauf aufmerksam gemacht, dass Scultetus’ Annalen Einflüsse der Reformationsgeschichtsschreibung Heinrich Bullingers aufweisen, mit der er auf seinen Archivreisen vertraut wurde.387 382  Vgl. Kap. 4.3.2.3. 383  Scultetus hatte die Reformationsgeschichte schon vor dem Jubiläum geplant. In der Vor­ rede zum vierten Band seiner Medulla Theologiae Patrum (vgl. Kap. 4.2.2.), der 1613 erschien, entwirft er das Konzept einer internationalen und pluralistischen Reformationsgeschichte, die er später in Angriff nahm. Scultetus, Medulla Theologiae Patrum, IV, fol. *2r–**4v. 384  Vgl. zur Methodik Sleidans Kelley, Johann Sleidan, 573–598, bes. 586–596. 385  Scultetus, Annalium Evangelii, I, fol. *7v–*8r; vgl. Benrath, Reformierte Kirchen­ geschichtsschreibung, 29. 386  Benrath, Reformierte Kirchengeschichtsschreibung, 3 f. 387  Moser, Die Dignität des Ereignisses, 281–289.427–434.

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Seine eigene Arbeit ordnet er in den für ihn charakteristischen Typologien ein. Seine Annalen entsprächen in der Tradition zunächst denen des Alten Israels, womit er die in den alttestamentlichen Geschichtswerken als Quellen genannten Bücher wie den Liber bellorum Domini (u. a. Num 21,14) im Sinn hat.388 Diesen wiederum entsprächen von ihm als Quellen für die Evangelien angenommene Tag- und Jahrbücher der Jünger Jesu im Neuen Bund und die historisch orientierten Kirchenväter, zu denen er unter anderen Eusebius und Theodoret zählt. In diese Traditionslinie stellt sich Scultetus mit seinem eigenen Werk über einen nicht weniger wichtigen Zeitabschnitt: „Deren Beispiel in ebensolchem Gewicht folgend habe ich begonnen, die Annales Evangelii zu verfassen. Ich gestehe, dass es sich um ein großes und schweres Werk handelt, aber eines, von dem mich keine Schwierigkeiten abhalten können“.389

Dieser Überhöhung der kirchengeschichtlichen Arbeit, mit der er im Vorwort der Annalen auch um weitere logistische und finanzielle Unterstützung für die Fortsetzung des Vorhabens werben will, setzt Scultetus an anderer Stelle fort. Mehr noch, die Abfertigung einer kirchengeschichtlichen Arbeit über die Re­ formationszeit kommt ihm der Erfüllung des ersten Gebots nahe. Entsprechend ihrem typologischen Vorbild, dem Auszug aus Ägypten, trifft das Erinnerungs­ gebot Gottes auch auf den „Auszug aus dem Papsttum“390 zu. Gerade im Jubilä­ umsjahr gebühre Gott Dank für sein Eingreifen in der Geschichte, der sich eben auch in kirchengeschichtlicher Arbeit ausdrücken kann.

4.3.4.3.  Adam Contzens Kontroversschriften gegen das Jubiläum Adam Contzen bemühte sich ebenfalls um eine historiographische Heran­ gehensweise in seinen Schriften zum Reformationsjubiläum. Wie Scultetus entwickelt er ein konfessionell geprägtes Geschichtsbild, das in weiten Teilen spiegelbildlich zu dem der Heidelberger ist. Contzen will innerhalb des evan­ gelischen Lagers gegen die Heidelberger Bemühungen antiirenisch wirken. Die von der sogenannten pfälzischen Irenik angestrebte Annäherung von Calvinisten und Lutheranern ist für ihn ein „syncretismus“ und bedeutet eine ernstlichste Bedrohung des Friedens im Reich. Da wahrer Friede nur durch Einheit der Religion erreicht werden könne, seien die irenischen Bemühungen der Heidel­ berger lediglich als Verschwörung zur Vorbereitung eines Krieges anzusehen, als deren Ausdruck die Union stehe. Religionseinheit sei jedoch nur unter päpst­ 388  Ebd., *3v. 389  Ebd., *3r–*4v: „Horum ego sequutus exemplum pariter ac autoritatem, condere coepi Annales Evangelii. […] Magnum & arduum opus fateor: sed a quo nullas me potuit difficultas deterre“. 390  Vgl. Ebd., *4v: „sub Pharaone Romano“. Vgl. auch Scultetus, JubelJahrs Predigt, 1: „aus dem Bäpstischen Ägyptenland“.



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licher Autorität möglich, da der Katholizismus wesensmäßig zur Einheit, der Protestantismus aber zur Teilung dränge.391 Aus dieser These entwickelt er sein zweites Argument. Die vielfachen Spaltungen bewiesen nicht nur die Neigung des Protestantismus zu Unordnung und Krieg, sondern auch, dass die Protestanten nicht im Besitz der Wahrheit sein können. Damit bedient er sich eines gängigen Topos der katholischen Polemik.392 Den nach seiner Zählung 200 Sekten umfassenden europäischen Protestantismus teilt er in vier Hauptrichtungen ein: Lutheraner, Calvinisten außerhalb der Niederlande und Calvinisten innerhalb der Niederlande, welche wiederum an den Thesen des Arminius gespalten seien.393 Die eigene Kon­ fession sieht Contzen durch ihre autoritätsgestützte Kontinuität in Lehre und Gelehrsamkeit apriori als überlegen an. Hierzu genügt aus seiner Sicht, die Protestanten aus ihren eigenen Schriften zu überführen. Das Jubiläum ist für ihn zum einen unbegründet, da sich der Protestantismus stets gewandelt habe und „das wahre und ursprüngliche Luthertum“394 nirgends, auch nicht bei den Gnesiolutheranern, mehr zu finden sei. Zum anderen sei das Jubiläum kein Grund zur Freude, da durch die Reformation in den ver­ gangenen hundert Jahren nur Unglück und weitere Spaltung hervorgekommen sei, wie er im Annalenstil jahrweise aufzuzeigen versucht. Bei der Darstellung der Ursachen der Reformation nimmt er eine typische Position des Reform­ katholizismus ein. Er leugnet kleinere Missstände nicht, bedauert aber, dass Luther – wie es die deutsche Übersetzung ausdrückt – das „Kinde […] mit dem Bad“395 ausgeschüttet habe. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Adam Contzen in seiner ersten Schrift Iubilum Iubilorum, bei deren Abfassung ihm Scultetus’ Werk noch nicht vor­ lag, seine Entscheidung für den Annalenstil an Caesar Baronius ausrichtete. Dessen Annales Ecclesiastici waren 1609 in ihrer ersten Ausgabe im Reichsgebiet in Mainz erschienen, das sich zu einem Zentrum der Baronius-Rezeption im frühen 17. Jahrhundert entwickelte.396 In der Beschränkung auf das Wesentliche und die Möglichkeit quellengesättigter Darstellung bot der Annalenstil für Contzen wie für Baronius und Scultetus die Möglichkeit einer Streitschrift, die schwieriger einer Unwahrheit zu überführen ist. 391 Diese These entwickelt Contzen bereits in De Pace Germaniae libri duo (1616) als Polemik gegen Pareus’ Irenicum und verwendet sie als Leitmotiv der historiographischen und theologischen Betrachtung des Protestantismus zum Reformationsjubiläum. 392 Vgl. Benz, Zwischen Tradition und Kritik, 59. 393  Contzen, Iubilum Iubilorum, *6–*10. Vgl. zu einer ähnlichen Aufteilung Sandaeus, Thema Seculare, 14. 394  Contzen, Iubilum Iubilorum, 17: „verus, & genuinus Lutheranismus“. Vgl. zur Ar­ gumentation Contzens auch Florie, Jubeln oder Weinen. 395  Contzen, Jubel uber Jubel, 29 (Marginalglosse). 396  Völkel, Caesar Baronius in Deutschland, 519.

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Adam Contzen sieht seine Schriften als Teil eines performativen Wett­ bewerbs um die bessere Darstellung der Kirchengeschichte. Er will seine Bücher den „Hundertschaften zutiefst verseuchter Bücher“397 entgegensetzen, die zum Jubiläum das protestantische Geschichtsbild propagieren. Die Wichtigkeit der Geschichtsforschung betont er fast ebenso stark wie Scultetus, um zu versichern: „Die kirchliche Geschichte, wie auch die weltliche (weil jene beinahe immer vermischt sind), sollte mit höchster Treue [oder: Glauben] und Sorgfalt betrieben werden. Und sicherlich war stets die Römische Kirche von Anfang an Teil dieser Erforschung, indem sie Notare einsetzten, die Märtyrerakten sammelten und beglaubigten und die Reihen­ folge der wachsenden Kirche Nachfolgenden genau überlieferten“.398

Mit diesem Verweis auf die historische Dimension der päpstlichen Verwaltung spielt Contzen auf das Werk Caesar Baronius’ an, der in seiner Position als Bibliothekar der Römischen Kirche über eben jene Quellen verfügte. Für Adam Contzen ist die katholische Kirchengeschichtsschreibung gewissermaßen a prio­ ri überlegen. Zudem dürfte es für ihn außer Zweifel stehen, dass nur ein Katholik das Studium der Geschichte „mit höchster Treue und Glauben“ betreiben kann. In der Chronologia Jubilai Evangelici äußert er sich mehrfach abfällig gegenüber der „Unkenntnis der Geschichte“399 der Neuhäuser Lehrer und beschuldigt sie und ihre Schüler der Abfassung einer „Pseudochronologia“.400 Neben der bewussten stilistischen Einschränkung auf die annalistische Form ist auch an anderen Stellen eine aus der konfessionellen Konkurrenzsituation motivierte Methodisierung spürbar. Ähnlich wie der Heidelberger Hofprediger bindet Contzen im großen Ausmaß Quellen in seine Annalen ein. Mit Vorliebe wählt er hierbei offiziöse Dokumente wie Reichtags- und Synodenabschlüsse, die er ausführlich im Wortlaut zitiert. Bemerkenswert ist dabei, dass Contzen protestantische Autoren priorisiert. In seiner ersten Schrift Iubilum Iubilorum zitiert er bei über 80 längeren Zitaten keinen einzigen katholischen Autor. Ein be­ sonderes Gewicht misst Contzen dabei Briefen und Schriften der Reformatoren zu. Dabei bemüht er sich um eine breite Auswahl an zitierten Autoren, darunter Andreae, Brenz, Selnecker, Calvin, Beza, Bucer, Karlstadt und Müntzer. Es fällt auf, dass sich die Priorisierung evangelischer Autoren auch auf zitierte Ge­ schichtswerke bezieht. In Iubilum Iubilorum bemüht Contzen viermal Sleidans Geschichtswerk und sogar zehnmal Chyträus’ Historia Augustanae Confessionis. Daneben werden auch Hospinians kontroverstheologische Historia Sacramen397  Contzen, Coronis Omnium Jubilorum, fol. *14: „centurias pestilentissimorum libro­ rum, qui à Cal. Nouemb. Anni 1617, usque ad easdem calendas Anni 1618 à Sectariis editi sunt“. 398  Contzen, Chronologia Jubilaei Evangelici, fol. *12: „Historiam Ecclesiasticam, ac ciuilem (quae illi fere permista est,) summa fide & diligentia elaborent. Et certe cum Romanae Ecclesiae hoc studium semper ab initio fuit, vt Notarios constituerent, qui & Martyrum acta coquirerent, consignarentque, et tota seriem crescentis Ecclesiae posteris accurate traderent.“ 399  Ebd., 1: „historiae ignoratio“. 400  Ebd., 62.



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taria und die Magdeburger Zenturien als Zeugen hinzugezogen. In Auswahl und Frequenz der zitierten Autoren ähnelt Contzens Auswahl somit der des Scultetus.401 Die Absicht Contzens ist zweifelsfrei eine andere: Zum einen setzt er Zitate entsprechend seiner Darstellungsabsicht programmatisch ein, um die Spaltung und Widersprüche zwischen den protestantischen Theologen auf­ zuzeigen. Zum anderen dient gerade die Zitation der autoritativen Geschichts­ werke der polemischen Strategie Contzens. Durch den Verzicht auf katholische Geschichtsdarstellungen, etwa der polemischen Lutherbiographie Johann Cochläus’, sucht er sich in der konfessionellen Konkurrenzsituation weniger an­ greifbar zu machen. Paradoxerweise scheint gerade die konfessionelle Trennung den Jesuiten dazu zu bringen, eine gemeinsame Grundlage des intellektuellen Austauschs zu suchen. Die hier aufgezeigte Tendenz findet sich auch bei seinen Mainzer Schülern.402 Andere katholische Autoren der Zeit versuchen ebenfalls mit einer Be­ legsättigung an Luthersprüchen den Wahrheitsanspruch ihrer Aussagen zu untermauern. Dabei verwenden sie üblicherweise die zum polemischen Stan­ dardwerk gewordenen Lutherkommentare Cochläus’ als „Steinbruch“ für Zitate. So verfährt etwa anlässlich des Reformationsjubiläums der Molsheimer Jesuit Peter Roest, wobei ihm sogar einige Fehler unterlaufen.403 Gleiches kann nicht ohne weiteres von Adam Contzen behauptet werden. Während Cochläus’ aus der Wittenberger Ausgabe der Lutherschriften zitiert,404 verwendet der Mainzer Jesuit, wo er eine Angabe macht, die Jenaer Ausgabe. Gleichwohl ist nicht gesagt, dass Contzen außerhalb der genannten Quellen nicht auch katholische Autoren heranzieht. So nennt er Michael von Aitzing und Laurentius Surius, deren Dar­ stellung der Bartholomäusnacht er den Neuhäuser Schülern ans Herz legt, da er hier eine Verschwörung der protestantischen Historiographen annimmt.405 Bezeichnend für Contzen ist jedoch seine Darstellungsweise gerade im Ver­ gleich zu den gegen die Protestanten in Straßburg gerichteten Schriften der Mols­ heimer Jesuiten. Während Roest in seinem Pseudoiubilaeum unter Berufung auf Serarius und Cochläus unter anderem Luthers Zeugung durch einen Incubus und seine Mutter als „Teuffels Bulerin“406 und seine schreckliche Erdrosselung durch den Teufel behauptet, bemüht sich Contzen um wesentlich subtilere Po­ lemik. Unglaubwürdige Lutherlegenden lässt er aus, für den besonders oft zum Ziel polemischer Angriffe gemachten Tod Luthers übernimmt er ohne generelle 401  Vgl. für eine Statistik der von Scultetus zitierten Autoren Benrath, Reformierte Kir­ chengeschichtsschreibung, 29. 402 So etwa Marcellus Franckenheim, der in seiner Verteidigung Contzens seinen lu­ therischen Gegner Even fast ausschließlich mit Zitaten Sleidans zu überzeugen sucht. Vgl. etwa Franckenheim, Asinus Palmatus, 81–85. 403  Herte, Das katholische Lutherbild, 118–122. 404  Herte, Die Lutherkommentare des Johannes Cochläus, 26 f. 405  Contzen, Chronologia Jubilaei Evangelici, 195. 406  Roest, Pseudoiubilaeum, 169.

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Beanstandung die Darstellung des Lutheraners Johann Mathesius.407 Insgesamt also fährt Contzen im Dienst seiner Gesamtargumentation die Polemik deutlich zurück. Dies ist Folge der konfessionellen Konkurrenzsituation. Ähnlich wie Baronius es sich programmatisch vornimmt, will der Jesuit zeigen, dass er Ver­ leumdungen und unglaubwürdige Legenden nicht benötigt, um den Wahrheits­ anspruch seiner Argumentation zu untermauern.408 Inhaltlich zeigt der Mainzer Ordinarius aufgrund seiner konfessionellen Tendenz sogar ein besseres Gespür für die langsame reformatorische Entwick­ lung des jungen Luthers als protestantische Historiographen. 1518, bei seiner Unterredung mit Cajetan, habe sich Luther in großen Teilen wie ein „Romano Catholicus“409 etwa über den Papst geäußert. Frühestens 1520 sei seine Entwick­ lung abgeschlossen gewesen, weshalb das Jubiläum mindestens drei Jahre zu früh angesetzt sei. Grundanliegen der Darstellung des Wirkens Luthers ist für Contzen jedoch das Aufzeigen des angerichteten Schadens. Beispielsweise seien die aufständischen Bauern zwar von Müntzer angeführt worden, jedoch einzig den Ideen Luthers gefolgt.410

4.3.4.4. Fazit Konfessionelle Konkurrenz erweist sich bei beiden betrachteten Autoren als ein Faktor, der auf die Methodisierung der Historiographie Einfluss nimmt. Zwar sind die Ergebnisse und Aussagen beider von konfessionellen Motiven und Vorannahmen beeinflusst, jedoch fördert die konfessionelle Ausrichtung teils eine – wenn auch nur selektive – Quellenkritik und das Bedürfnis, sich auf die essentielle Quellendarstellung zu konzentrieren. Durch die konfessionelle Konkurrenzsituation mussten die historiographisch tätigen Autoren stets mit Widerspruch rechnen, was sich auf ihre Vorgehensweise niederschlägt. Trotz des Gelegenheitscharakters seiner Streitschriften versucht Contzen durch das Zurückfahren aggressiver Polemik und einer von der Gegenseite akzeptierten Quellenauswahl seinen Gegnern weniger Angriffsfläche zu bieten. Im Zu­ sammenhang des Jubiläums betonen sowohl Scultetus als auch sein jesuitischer Gegner in herausragender Weise die Bedeutung kirchengeschichtlicher Studien. Über diese Beobachtungen hinaus sind die Bemühungen beider Seiten um die publizistische Reichweite des Diskurses bemerkenswert. Es ist wohl vor allem die beabsichtigte Darstellung eigener Überlegenheit, die unter anderem zum Druck einer reformierten Schularbeit und auf katholischer Seite zur Veröffentlichung ihrer über 300 Seiten starken Antwortschrift geführt hat. Hinzu kommen die volkssprachlichen Übersetzungen, sowohl von Scultetus’ 407  Contzen, Coronis Omnium Iubilorum, 566. 408 Vgl. Ginzburg, Veranschaulichung und Zitat, 97. 409  Contzen, Iubilum Iubilorum, 12. 410  Ebd., 36–38.



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Reformationsgeschichte und der Neuhäuser Schularbeit als auch des ersten Buchs Contzens. Diese sollen dazu beitragen, dem akademisch geführten kon­ fessionellen Zeitgeschichtsdiskurs eine größere Reichweite zu verleihen. Die Übersetzungen bemühen sich, durch die Übernahme der Zitate und Belegstellen den methodischen Anspruch aufrecht zu erhalten, und stellen keine vulgären Übertragungen dar.411 Während die Herausgabe volkssprachlicher Predigten, die ebenfalls auf beiden Seiten zu verzeichnen ist, durchaus üblich war, sind in dieser Zeit deutsche Übersetzungen von historiographischen Werken eher unge­ wöhnlich.412 Auch ein volkssprachliches Lied, das der Übersetzung von Iubilum Iubilorum beigegeben ist, ist ein Beispiel für die Popularisierung eines historio­ graphischen Diskurses im Rahmen des Reformationsjubiläums. Obwohl nicht ersichtlich ist, ob das Lied im Rahmen der Jubeljahrsfeierlichkeiten mit dem Volk gesungen wurde,413 sind vergleichbare Methoden der Volksunterweisung in Prozessionen oder ähnlichem seitens der Jesuiten durchaus vorstellbar, wenn auch aufgrund der schlechten Überlieferungslage in Mainz nicht greifbar.

4.3.4.5.  Exkurs: Die Entwicklung der modernen Jubiläumskultur im interkonfessionellen Austausch Das Reformationsjubiläum selbst und die Praxis jubilaren Gedenkens können als Beispiel herangezogen werden, wie interkonfessionelle Austauschprozesse in der Konkurrenzsituation nach der Glaubensspaltung vonstattengingen. Es ist äußerst plausibel, dass unsere heutige Gedenkkultur, die ungeachtet, ob sich mit einem vergangenen Ereignis positive oder negative Konnotationen verbinden, und unabhängig von einer allgemein akzeptierten geschichtstheologischen Konzeption die runde Zahl der verstrichenen Jahre feiert, sich aus der mittel­ alterlichen Jubeljahrstradition entwickelt hat. Dabei wird in der Forschung dem Reformationsjubiläum 1617 eine wichtige Bedeutung für den Transfer zugespro­ chen, da sich das Jubiläum hier von der Anbindung an den Heiligen Stuhl löste und an einem konkreten historischen Ereignis ausgerichtet wurde.414 Nicht nur etymologisch, sondern auch in dem üblicherweise auch heute noch praktizierten 25-jährigen Rhythmus großer Jubiläen zeigen sich deutliche Nähen zu der von 411 So Krebs, Die politische Publizistik der Jesuiten, 221, der generell sehr harsch über das Werk Contzens und anderer Jesuiten urteilt, und beklagt, die Übersetzung von Iubilum Iubilorum sei „in pöbelhaftem Tone“ gehalten. In der Tat beinhaltet sie teilweise im Original nicht vorhandene „Roheiten“ (ebd.), gibt aber dennoch den ungefähren Tonfall der Streitschrift und den methodischen Unterbau recht zuverlässig wieder. 412  Vgl. Völkel, Caesar Baronius, 52 f. 413  Der Eingang der 29. Strophe („Durchlauff diß Buch mit allem Fleiß“; Contzen, Jubel uber Jubel, *7) spricht eher für ein Widmungslied, das eigens für die Übersetzung gedichtet wurde. Zur Bedeutung volkssprachlicher Lieder in der Kontroversliteratur vgl. Dingel, Streit­ kultur und Kontroversschrifttum, 105–110. 414 Vgl. Rossum, „Jubiläum“, 52–56; Römmelt, Jubiläumskonkurrenz, 564–578.

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Papst Bonifatius VIII. nach alttestamentlichem Vorbild gestifteten Tradition des Heiligen Jahrs. Einen ersten Transfer erlebte die Kulturtechnik zyklisch wiederholter Feierlichkeiten zur Identitätsstiftung durch die humanistisch geprägte Univer­ sitätskultur. Gerade protestantische Universitäten, die sich nicht zu scheuen brauchten, in Konkurrenz zum päpstlichen Jubiläum zu treten, begannen im 16. Jahrhundert in Anlehnung an die antike Feier des saeculum die 100. oder 200. Wiederkehr ihres Gründungstages zu feiern.415 So beging auch die Univer­ sität Heidelberg 1587, begleitet von der Publikation einer Jubelrede des Theo­ logieprofessors Georg Sohn, anlässlich des verstrichenen 200. Gründungstags ihr erstes Universitätsjubiläum.416 Im Jahr 1600, in dem turnusgemäß das päpstliche Jubeljahr gefeiert wurde, kam es im deutschen Luthertum erstmals zur Ausrufung eines „evangelischen Jubeljahrs“. Auch in Heidelberg wurden 1600 Säkularfeiern abgehalten.417 Die in Konkurrenz zum Heiligen Jahr der Katholiken begangenen Feierlichkeiten trugen bereits Züge des Reformationsgedenkens und waren mit apokalyptischen Deutungsmustern aufgeladen.418 Mit dieser Ausrichtung bemühten sich die deut­ schen Lutheraner um eine „konfessionskulturelle Alternative zum römischen Jubeljahr.“419 Schon 1600 waren die konkurrierenden Jubelfeiern von einem publizistischen Echo begleitet, welches jedoch 17 Jahre darauf bei weitem über­ troffen wurde. Thomas Kaufmann spricht der „konfessionellen Konfrontation“, die sich während des Jahrhundertwechsels zuspitzte, eine „produktive Bedeutung für die Ausbildung konkurrierender geschichtstheologischer Deutungskonzepte und Zeitvorstellungen“420 zu. Der nun in Mainz wirkende ehemalige Heidelberger Gelehrte Justus Baro­ nius, der nicht zufällig im Jubeljahr 1600 zum Katholizismus konvertierte,421 verfasste 1603 eine Kontroversschrift gegen die Jubiläumsfeierlichkeiten der Universität Wittenberg (gegründet 1502). Das Werk mit dem Titel Pseudoiubilaeus Wittenbergensis422 umfasst eine mit vielen Lutherzitaten gespickte paro­ 415  Müller, Vom papistischen Jubeljahr zum historischen Jubiläum, 34–38. 416  Düchting, 1587 und 1686: Die Anfänge, 9–12. 417  Tossanus an Ludwig v. Sayn-Wittgenstein, 29.2.1600, abgedr. in: Cuno, Daniel Tossa­ nus, II, 21 f. 418  Pohlig, Konfessionkulturelle Deutungsmuster, 296–304. 419  K aufmann, Konfession und Kultur, 449–458, hier: 457. 420  Ebd., 463. 421  In seiner Briefsammlung Epistolarum Sacrarum fügte er nachträglich in der Datums­ angabe der Briefe des Jahres 1600 den Vermerk „Anno seculari M.DC“ ein. Vgl. Kap. 4.2.1. 422 Diese Kontroversschrift veröffentlichte Justus Baronius unter dem Pseudonym „Tri­ bonianus Cassius“. Dies wurde von seinen „Konversionspaten“ Caesar Baronius und Robert Bellarmin kritisiert, da es gegen die Publikationsrichtlinien der Jesuiten verstieß, denen Justus Baronius zwar nicht angehörte, mit denen er allerdings eng assoziiert war (vgl. C. Baronius an Serarius, 13.9.1603, in: Baronius, Epistolarum Sacrarum, 333). Aus diesem Grund wurde die Schrift 1605 unter Klarnamen erneut gedruckt.



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distische Satyra auf die Feierlichkeiten der Leucorea und eine Confutatio der Rede des Wittenberger Professors Aegidius Hunnius zu diesem Anlass, wobei seine Widerlegung die Textlänge der Rede um ein Vielfaches übertrifft. Justus Baronius führt darin aus, dass die Wittenberger Universität als eine katholische Hochschule durch rechtgläubige Katholiken gegründet wurde, dann jedoch von den Reformatoren verdorben wurde, weshalb sich eine Hundertjahrfeier dieser verbiete. Aufschlussreich ist eine Passage, in der er das „Römische“ mit dem „Wittenberger Jubeljahr“ vergleicht. Entgegen dem Anspruch Hunnius’, ein „wahrharft christliches Jubiläum“423 zu feiern, weist Justus Baronius darauf hin, dass nur das katholische Jubeljahr ein legitimes sei und nicht „irgendein obs­ kures und schimpfliches in einem Hochschülchen am Ende der Welt.“424 Exem­ plarisch verweist er hierfür auf die Jubeljahrsfeierlichkeiten in Mainz, die 1602 unter dem neuen Erzbischof Johann Adam von Bicken nachgeholt wurden und einen „gegenreformatorischen Durchbruch“425 im Erzstift markierten. Bald nach diesen ersten Transformationen des Jubeljahrs folgten im lu­ therischen Bereich Jahrhundertfeiern zum Augsburger Bekenntnis (1630) und regional veranstaltete Jubiläen zum Augsburger Religionsfrieden und dem Friedensschluss in Münster und Osnabrück. Die Entwicklung von dem heils­ geschichtlich aufgeladenen Gedächtnis hin zu einer „bürgerlichen“, historisie­ renden Memorialkultur ist freilich bei den Reformationsjubiläen vor 1817 kaum sichtbar.426 Von besonderem Interesse sind jedoch die Rückwirkungen des Diskurses auf katholischer Seite. Als sich die päpstliche Approbation der Gesellschaft Jesu 1640 zum 100. Mal jährte, begingen die Jesuiten als erster Orden feierlich ihr Jubiläum. Eine der hierfür publizierten Schriften stammt von Maximilian Sandaeus, der 1618 noch in Mainz eine Streitschrift gegen das Reformations­ jubiläum der Heidelberger hatte drucken lassen. Die Vorrede liest sich daher stellenweise wie eine Rechtfertigung der jesuitischen Feier, die dem Reformati­ onsjubiläum strukturell doch so ähnlich war. Sandaeus begründet es schließlich mit dem hohen Ansehen der Gesellschaft Jesu, welche jeglicher Häresie unver­ dächtig guten Gewissens ihr Säkularjubiläum abhalten könne – „Sie war gut, ist es und wird es immer sein.“427 Diesem allmählichen „Übergang zur historischen Gedenkkultur“428 unter Beibehalt der katholischen Jubeljahrstradition folgten im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts viele Bistümer und Klöster, gerade auch 423  Baronius-Calvinus, Pseudoiubilaeus Wittenbergensis, 49: „Jubilaeum vere Christia­ num“. 424  Ebd.: „aliquam obscuram & infamem in angulo mundi recondita Academiolam“. 425  Jürgensmeier, Bistum Mainz, 208. 426 Vgl. Mitterauer, Anniversarium und Jubiläum, 6 f. 427  Sandaeus, Iubilum Societatis Iesu Seculare, fol. *16: „bonus fuit, est, erit semper“. Recht ähnlich verteidigen die Autoren der Jubiläumsschrift der belgischen Jesuitenprovinz die Nähe zur protestantischen Feier: Imago primi saeculi Societatis Iesu, 18–21. 428  Müller, Vom „papistischen Jubeljahr“ zum historischen Jubiläum, 41.

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um gegenüber ihren protestantischen Nachbarn die Würde ihres Alters ins Feld zu führen. Bald kam es sowohl im protestantischen wie auch katholischen Bereich zu berufsständischen und dezidiert bürgerlichen Jubiläen. Dem protes­ tantischen Reformationsjubiläum, aber auch den Jesuiten, die die neue Form des Gedenkens aus der kontroverstheologischen Beschäftigung heraus adaptierten, lässt sich bei diesem Prozess eine große Rolle zuschreiben,429 die nicht zuletzt in der konfessionellen Konkurrenzsituation begründet liegt. Diese erforderte von den protestantischen Theologen innovative Begründungen des Jubelgedankens und regte zunächst die Jesuiten zur Aufnahme der Kulturpraktik für ein eigenes identitätsstiftendes Jubiläum an.

4.3.5.  Die Kontroverse um die historische Chronologie 4.3.5.1.  Joseph Justus Scaliger und die Entwicklung der Chronologie als Wissenschaft Die Bedeutung, die die späthumanistisch gesinnten Gelehrten um 1600 der Chronologie zumaßen, ist heutigen Beobachtern nicht ohne weiteres einsichtig. Während historische Daten der „Ereignisgeschichte“ heute gemeinhin mit einer gewissen Selbstverständlichkeit behandelt werden und die Grundlagen der Kalenderrechnung in der universitären Ausbildung nur pro forma in den Prose­ minaren unterrichtet werden, mussten in der Frühen Neuzeit die verschiedenen Zeitrechnungen der Völker der Mittelmeerwelt erst in die christliche Zeitrech­ nung „übersetzt“ werden. Somit hatte die historische Chronologie, die heute vor allem als Reaktion auf pseudowissenschaftliche Thesen etwa vom „erfundenen Mittelalter“430 in den Blickpunkt der wissenschaftlichen Öffentlichkeit gerät, in den Jahrzehnten vor dem Dreißigjährigen Krieg durchaus die Stellung einer Leitwissenschaft der Philologie.431 Die Aufgabe der Chronologie, die Harmonisierung der Kalenderrechnungen aller Zeiten und Kulturen, ist dabei mitnichten eine triviale Aufgabe. Bis heute sind unter Ägyptologen und Altorientalisten einige Fragen des Umgangs mit his­ torischen Datierungen in den Quellen trotz beträchtlicher Fortschritte in der Astronomie und der Entwicklung archäometrischer Verfahren wie der Dendro­ chronologie und der Radiokarbonmethode umstritten. Schwierigkeiten können bei der „Übersetzung“ eines historischen Kalenders an verschiedenen Orten entstehen. So gehen historische Zeitrechnungen mit Verschiebungen zwischen Sonnenjahr und Mondphasen – den Fixpunkten der meisten Kalender – sehr 429  Vgl. ebd., 40–44. 430  Nach dieser These Heribert Illigs hätte es die Jahre 615 bis 911 n. Chr. nicht gegeben, was aufgrund der (auch außereuropäischen) Quellenlage, sowie archäometrischer Datierungs­ möglichkeiten als höchst unwahrscheinlich gelten kann. 431 Vgl. Grafton, Worlds Made by Words, 27.



4.3.  Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen

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verschieden um. Auch die Datierung nach Regierungsjahren  – etwa in ägyp­ tischen Pharaonenlisten oder Daten der Königszeit in Israel und Juda – gibt bei der Entschlüsselung Rätsel auf, da Interregna oft nicht verzeichnet sind und Jahre mit einem Herrschaftswechsel meist doppelt gezählt werden. Da viele Quellen zudem lückenhaft sind oder schlicht fehlen, gilt es, die Zeitrechnungen durch den Vergleich zeitlicher Angaben verschiedener Kulturen im eigentlichs­ ten Wortsinn zu synchronisieren. Dies stellt fraglos hohe Anforderungen an Ge­ lehrte, die sich mit der Chronologie beschäftigen. Diese müssen über profunde Kenntnisse in den alten Sprachen verfügen, die verfügbaren Quellen kennen und nicht zuletzt über mathematische und astronomische Kenntnisse auf der Höhe ihrer Zeit verfügen. Diesen Schwierigkeiten steht ein zumindest gleichwertiger Nutzen der his­ torischen Chronologie entgegen. Die antiken Schriften und Schriftsteller kön­ nen nun besser datiert und in ihren zeitlichen Kontext eingefügt werden. Zudem wollten die Gelehrten ein besseres Verständnis für die Kalenderrechnung an sich gewinnen. Angesichts der Kontroverse um die Einführung eines neuen Kalenders durch Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 war diese Frage virulent gewor­ den, weshalb sich Gelehrte für den Julianischen Kalender und seine Vorläufer und Alternativen interessierten.432 Auch für die Theologie war die Chronologie von Interesse, um die zahlreichen biblischen Zeitangaben zu entschlüsseln und die Regierungszeiten der biblischen Könige mit den anderen Herrschern ihrer Zeit zu verknüpfen. Von der Wissenschaft der Chronologie erhoffte man sich ein besseres Verständnis auch der mit Zahlen und Zeitangaben verknüpften prophetischen Angaben etwa im Danielbuch. Dabei galt es jedoch auch neu hinzugekommene Unsicherheiten zu harmonisieren, dass etwa Herodot die An­ fänge der ägyptischen Kultur tausende Jahre vor allen errechneten Datierungen der Schöpfung ansetzt.433 Die wichtigste Person in der Erforschung der historischen Chronologie ist zweifellos der hugenottische Gelehrte Joseph Justus Scaliger (1540–1609). Nachdem er 1590 den Leidener Lehrstuhl von Justus Lipsius übernommen hatte, wurde er zu einem der angesehensten Gelehrten für die Humaniora in Europa, dessen Ruhm viele Studenten nach Leiden zog. Dabei erwies sich Sca­ liger als äußerst streitlustiger und selbstbewusster Gelehrter, der mit vielen Ge­ lehrten, insbesondere Jesuiten,434 in Kontroversen eintrat, die in Wortwahl und Heftigkeit das gewohnte Maß der Zeit oftmals überstiegen. Scaliger lässt sich indes nicht als Begründer der historischen Chronologie bezeichnen. Bereits die Weltchroniken des Mittelalters bemühen sich, die Geschichte der alten Kulturen zu synchronisieren, und im 16. Jahrhundert entwickelte sich die auf die Ereig­ 432  Vgl. Kap. 4.3.6. 433  Grafton, Joseph Scaliger and Historical Chronology, 17 f. 434  Vgl. Kap. 4.1.4.

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nischronologie ausgerichtete „Tabellengeschichtsschreibung“ zu einem beliebter werdenden historiographischen Genre.435 Scaliger prägte die weitere Entwicklung der Disziplin jedoch maßgeblich, insbesondere mit seinem 1583 erschienenen Buch De Emendatione Temporum und dem Thesaurus Temporum (1606).436 Die Chronologie wollte Scaliger als ei­ genständige, zum Selbstzweck erhobene wissenschaftliche Disziplin verstanden wissen, nicht als eine bloße Hilfestellung zu Bibellektüre und Antikenstudium. Sein Werk zeichnet dabei aus, dass er grundsätzlich alle möglichen Quellen der Chronologie ungeachtet ihrer Herkunft und Sprache berücksichtigt, darunter auch  – soweit schon greifbar437  – Quellen ägyptischer und altorientalischer Geschichte. Zudem bemühte er sich um den Einbezug der Astronomie in diese philologischen Fragestellungen. In der Auseinandersetzung mit dem Gregoria­ nischen Kalender entwickelte er die Julianische Periode (auch bekannt als Julianisches Datum, nicht mit dem Julianischen Kalender zu verwechseln), eine fortlaufende Tageszählung seit dem 1. Januar 4713 v. Chr. (Zusammenfallen von Indiktion, Sonnenzyklus und Mondzyklus, bereits vor dem von Scaliger er­ rechneten Datum der Schöpfung). Diese für den Alltagsgebrauch ungeeignete Kalenderrechnung wird noch heute in der Astronomie verwendet, da sie keine Schaltjahre oder ähnliches hat. Dementgegen lehnte Scaliger jegliche Einschränkung in der Auswahl der Quellen für die Chronologie sowie jegliche Vereinnahmung der Chronologie für apokalyptische und spekulativ-providentielle Berechnungen ab. Insbesondere bekämpfte er die weit verbreitete Lehrmeinung des Annius von Viterbo (gest. 1502), der eine generelle Priorität priesterlicher Quellen für die Chronologie behauptete.438 Scaliger gelang es, Annius mehrere Fälschungen von Quellen der „priesterlicher Chronologie“ nachzuweisen und die Ansicht, nur Priester seien zur rechten Chronologie befähigt, nachhaltig zu beschädigen. Da Annius von Viterbo Dominikanermönch und Antiquar am päpstlichen Hof war und papalis­ tische Positionen vertrat, war Scaligers Kritik an dessen Werk konfessionell auf­ geladen. Die Chronologie als Wissenschaft war zum Ende des 16. Jahrhunderts indes keine rein protestantische Domäne. Scaliger arbeitete in Konkurrenz auch zu katholischen Gelehrten wie etwa dem französischen Bischof Arnaud de Pontac (gest. 1605).439 Dabei bezog sich Scaliger nicht ohne Selbstbewusstsein auf sein eigenes reformiertes Bekenntnis und teilte insbesondere den scharfen Antijesuitismus seiner Konfessionsbrüder. Er sah sich jedoch nicht an bestimmte 435  Grafton, Joseph Scaliger, II, 60–75; Steiner, Ordnung der Geschichte, 133–141. 436  Vgl. zum folgenden insbesondere Grafton, Joseph Scaliger and Historical Chronology, 157–170. 437  Weder Hieroglyphen- noch Keilschrift waren zu dieser Zeit bekannt, über griechische Quellen vermittelt hatten Scaliger und seine Zeitgenossen jedoch Grundkenntnisse etwa der ägyptischen und altorientalischen Kalender. 438  Lehr, Was nach der Sintflut wirklich geschah, 140–157. 439  Steiner, Ordnung der Geschichte, 13 f.



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konfessionelle Zwänge gebunden und verbat sich jegliche Bevormundung durch die Theologen, denen er oftmals eher verächtlich gegenüberstand.440 Somit entwickelte sich die von Joseph Justus Scaliger maßgeblich geprägte und popularisierte Wissenschaft der Chronologie im späten 16. Jahrhundert zu einem beliebten Betätigungsfeld auch für Gelehrte anderer Metiers und Privat­ personen. In Heidelberg publizierte beispielsweise der kurpfälzische Adelige und Amtmann Friedrich Husmann von Namedy 1581 den ersten Band einer nicht vervollständigten Chronologia, einer synchronisierten Synopse der Ge­ schlechter und Herrscher von der Erschaffung der Welt (3960 v. Chr.) bis zur Gründung Roms (751 v. Chr., wohl nach Polybios).441 Es handelt sich hierbei freilich um eine an Größen wie Scaliger gemessen wenig beeindruckende Fleiß­ arbeit. Da der Autor wenige Jahre später zum Katholizismus konvertierte,442 blieb eine Rezeption seines Werks in der Heimat aus.

4.3.5.2.  David Pareus’ Entwurf einer „prophetischen Chronologie“ David Pareus’ Interesse an der Chronologie erwachte bei der Auslegung der Hei­ ligen Schrift und blieb dieser fortwährend untergeordnet. Bei seiner Arbeit an der Herausgabe der „Neustadter Bibel“ von 1587/88 gab er dem Text der Lutherbibel neue – reformierte – Vorreden sowie Karten, Erklärungen und eben auch Zeit­ register und -synopsen bei, um dem theologisch nicht vorgebildeten Leser eine leichtere Urteilsbildung zu ermöglichen.443 Neben chronologischen Angaben in den Vorreden fügt Pareus nach den Propheten Synopsen der 70 Wochen der Danielprophezeihung (Dan 9,24–27), der hellenistischen und römischen Herr­ scher und der jüdischen Geschichte bis zu Christi Geburt an, bemüht sich nach Lk 3 um eine chronologische Harmonisierung der abweichenden Genealogien Christi in Mt und Lk und illustriert auch die Chronologie der Apostelgeschichte tabellarisch. Hierfür übernahm Pareus, zu dieser Zeit noch Lehrer am Heidel­ berger Sapienzkolleg, die chronologischen Berechnungen seiner Vorgänger Franciscus Junius und Immanuel Tremellius sowie die Zeitregister der Kleinen Genfer Übersetzung.444 Sein erstes Werk, das sich exklusiv der Chronologie widmet, wurde erst post­ hum 1641 von seinem Sohn Johann Philipp gemeinsam mit späteren chronolo­ gischen Schriften aus seinem Nachlass publiziert. Es gibt jedoch wenig Zweifel daran, dass David Pareus dieses Werk tatsächlich für seinen Sohn zu Studienzwe­ cken geschrieben hat, wie der auf den 1. Februar 1600 datierte Widmungsbrief behauptet. Der Name dieser Schrift, Chronologiae sacrae ex sola historia sacra 440  Grafton, Jospeh Scaliger, II, 35 f. 441  Husmann, Chronologia. 442 Vgl. Press, Calvinismus und Territorialstaat, 373 mit Anm. 16. 443  Vgl. Kap. 5.2.3. 444  Pareus, Biblia; Himmighöfer, Neustadter Bibel, 44–46.

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accuratissime constructae libri tres, ist bereits eine kurze Zusammenfassung des Profils Pareus’. Anders als Scaliger will Pareus, inzwischen Professor für das Alte Testament, seine Chronologie nur aus der Heilsgeschichte, also nur aus der Bibel als einzig verlässlicher Quelle entwickeln. Zu dieser Position gelangt Pareus, indem er zunächst den hohen Nutzen der Chronologie betont. Diese trage zum Verständnis der Schrift bei, ermögliche die Erforschung der Heilsgeschichte und der Vorsehung Gottes und diene der Glaubensstärkung: Da für Gott 1000 Jahre wie ein Tag sei (Ps 90,4), könne der Mensch bei der Betrachtung derartiger Zeit­ spannen Ehrfurcht lernen. Zudem ließen sich mit der Chronologie Fehlannahmen der paganen Philosophie von der Ewigkeit der Welt und die albernen Mythen der Griechen und Römer widerlegen.445 Auf der anderen Seite zeichnet Pareus von der zeitgenössischen wissenschaftlichen Chronologie ein Bild des Chaos. Da es allein mehr als ein Dutzend Datierungen der Schöpfung gebe, könne sich der Nutzen der Chronologie nicht entfalten.446 Somit sieht Pareus die Notwendigkeit, nur auf die Bibel als allein verlässliche Quelle zurückzugreifen, zumal er heid­ nische Autoren als notorische Lügner ansieht, wie sich an ihren Mythen zeige.447 Für die Gelehrsamkeit seines Konfessionsgenossen Scaliger findet Pareus durchaus lobende Worte. Allerdings wirft er ihm im gleichen Atemzug vor, allzu leichtfertig etwa mit der Chronologie der Perserkönige umzugehen.448 Pareus sieht in Scaligers Vorgehensweise die Gefahr, dass die Glaubwürdigkeit der biblischen Überlieferung aufs Spiel gesetzt wird  – das Danielbuch nennt eine andere (falsche) Abfolge der Perserkönige als die antiken Quellen. Seinem Sohn legt er zur Vertiefung der chronologischen Studien stattdessen einen anderen Autor ans Herz: „Einen habe ich endlich begonnen, den anderen vorzuziehen, nämlich Beroaldus, da dieser mir sicherer und unserem, das heißt dem christlichen Bekenntnis geziemender, auf dem Weg zu schreiten erschien, die Errechnung der Welt zu Christus hin, nicht anderswoher, als aus der Heilsgeschichte zu konstruieren. Somit hat er den Knoten zur Verbindung heiliger und profaner Geschichte, den zu lösen, o guter Gott, man sich bis hierher so oft bemüht und geirrt hat, ohne Minderung der Ehre der Heiligen Schriften wie mit einem einzelnen Streich zerschnitten.“449

Hier gibt sich Pareus als ein Anhänger der chronologischen Schule des Mat­ thaeus Beroaldus (auch: Matthieu Brouard, 1520–1576), eines Genfer Ge­ 445  Pareus, Chronologiae Sacrae, 1 f. 446  Ebd., bes. 5. 447  Vgl. auch Grafton, Jospeh Scaliger, II, 611. 448  Pareus, Chronologiae Sacrae, fol. (:)3r–v. 449  Ebd., fol. (:)2v–(:)3r: „Vnum tamen BEROALDUM aliis tandem anteferre caepi, ut qui tutiore, nostraeque, hoc est, Christianae professioni convenientiore, mihi incedere videretur viâ, calculum mundi usque ad CHRISTUM, non aliundè, quam ex historia sacra construens. Sic nodum de Sacrae & profanae historiae connexione, in quo solvendo, DEUS bone, quantum hucusque est laboratum & erratum, cum Sacrarum Scripturarum honore non parvo, uno quasi ictu dissecuit.“



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lehrten, der in seinem Hauptwerk Chronicon Sacrae Scripturae (1575) wie der ihm folgende Pareus die Chronologie nur aus der Bibel entwickeln will und insbesondere Herodot und andere pagane Quellen, sowie jegliche Bezüge auf die Astronomie zurückweist. Mit dieser Position entwickelte sich Beroaldus, der unter Reformierten durchaus Rückhalt fand, neben Annius von Viterbo zum Hauptgegner im Werk Scaligers. Dieser sieht als überzeugter Reformierter die Bibel ebenso als die verlässlichste Quelle an, will sie jedoch durch die paganen Quellen interpretiert wissen.450 Pareus greift sowohl in der Methodik als auch in den chronologischen Berechnungen auf Beroaldus zurück, der ihm offenbar von seinem Lehrer Zacharias Ursinus empfohlen worden war.451 David Pareus’ erste chronologische Schrift für seinen Sohn besteht nach diesen Vorreden zur Programmatik vornehmlich aus erschöpfenden Tabellenwerken seines Entwurfs der ca. 4000 Jahre zwischen der Schöpfung und dem Tod Christi. In der Folgezeit entfaltete David Pareus seine Konzeption einer rein bib­ lischen Chronologie in zwei anschließend publizierten akademischen Reden. Die erste hielt er bereits am 26. Juli 1600, abgedruckt wurde sie jedoch erst als Anhang seines Hoseakommentars 1605. In dieser Rede bemüht er sich als Professor für die Exegese des Alten Testaments um eine Auslegung der in Dan 9,24–27 geschilderten „70 Wochen“. Pareus beweist durchaus profunde Kenntnisse über die Nachrichten der antiken Autoren zur Chronologie der Per­ serkönige, die er offenbar aus der Lektüre von Scaligers Hauptwerk De Emendatione Temporum, das er mehrfach zitiert, gewonnen hat. Ausführlich schildert der Heidelberger, wie die antiken Autoren, sowohl pagane wie Diodorus Siculus, als auch christliche wie Eusebius von Caesarea und Sulpicius Severus, in ihren Ausführungen über die Regierungsjahre des Persischen Reichs nicht nur teil­ weise von der Bibel, sondern auch untereinander abweichen. Pareus erscheint es daher töricht, diesen weiter zu vertrauen: „Was für eine Verrücktheit ist es daher, die göttliche, offenbare und einleuchtende Weissagung hintanzustellen und eine sichere Zeitrechnung aus derart gefährlichen Abgründen suchen zu wollen?“452 Nur die aus der Bibel gewonnene Chronologie, wie Beroaldus sie treibt, könne wissenschaftliche Gewissheit bieten. Seine zweite Rede mit dem Titel Oratio Chronologica Altera De Quaestione: Vtrum Chronologiae integra ab Adamo ad Christum ex sola historia sacra haberi possit? hielt Pareus im November 1605; er veröffentlichte das Manuskript im Folgejahr als Separatdruck. Anlass der Rede war die Promotion seines Doktoranden Petrus Clignetus, der vor seiner Immatrikulation in Heidelberg in Leiden studierte und dort offenbar auch bei Scaliger selbst Veranstaltungen 450  Grafton, Joseph Scaliger and Historical Chronology, 167–169; Grafton, Joseph Sca­ liger, II, 268. 451  Pareus, Synopsis Chronologiae, 4. 452  Pareus, Hoseas Propheta, 322: „Qua igitur insania est, posthabito oraculo divino, aper­ to, & evidenti, ex lacunis tam lubricis certam temporum mensuram petere velle?“

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

zur Chronologie besuchte, worauf Pareus in der Vorrede anspielt.453 In dieser zweiten Rede bezieht sich Pareus deutlicher auf den Leidener Gelehrten, den er anerkennend, doch mit leicht spöttelndem Unterton als „Fürst der Chronologen heutzutage“454 bezeichnet. Pareus belegt viele seiner Aussagen mit Verweisen auf dessen Werk, wobei er Scaliger nicht immer in dessen Sinne zitiert. Sein eigenes, von Scaliger zurückgewiesenes Anliegen, die Chronologie nur aus der Bibel zu entwickeln, sieht Pareus mit spürbarem Selbstbewusstsein als gelungen an: „Deshalb sei es ferne, dass wir den Profanchronologen diese Siegespalme zugestehen, als ob wir erduldeten, dass den göttlichen Prophetien schändliche Male eingebrannt werden, dass zum Verständnis altertümliche Zeiträume und zur Vervollständigung alter Verheißungen, uns die Heiligen Schriften nicht ausreichen, wenn uns nicht ungewisse [altgr.:] Lügen, Mythen und schlichten Ungereimtheiten unterstützen.“455

Um dies unter Beweis zu stellen, gibt Pareus seiner Rede wiederum reichlich Zahlenwerk als Anhang bei. In einer Synopsis stellt Pareus auf Grundlage der Berechnungen Beroaldus’ eine lückenlose Chronologie der Geschlechter und Herrscher seit der Erschaffung der Welt auf. Dabei ordnet er die 3961 Jahre vor dem Tod Christi in sieben ungleich lange Curricula (Schöpfung  – Sint­ flut – Abrahams Verheißung – Exodus – Tempel Salomos – Babylonisches Exil – Kyrusedikt – Tod Christi), um die Anwendung heilsgeschichtlich-prophetischer Rechnungen zu ermöglichen.

4.3.5.3.  Die Kontroverse zwischen Pareus, Scaliger und Calvisius Joseph Justus Scaliger, den Pareus mit seinen Reden implizit angegriffen hatte, reagierte nicht umgehend mit einer Antwortschrift, zeigte sich aber in Briefen an befreundete Humanisten erbost. Janus Gruter (1560–1627), dem Leiter der Bibliotheca Palatina in Heidelberg, offenbarte Scaliger, dass ihn die Angriffe aus dem eigenen Lager schwer träfen, da ihn die Auseinandersetzung mit den Je­ suiten bereits zur Genüge in Anspruch nehme.456 In heftigen Worten beschwert sich Scaliger über Gruters Kollegen Pareus, der „in der Gelehrsamkeit nicht 453  Pareus, Oratio Chronologica Altera, fol. A2r spielt auf ein von Clignetus besuchtes „Collegio Chronologico“ an. Vor seiner Immatrikulation in Heidelberg 1604 ist Clignetus 1603 in einer Leidener Disputation als Respondent nachweisbar. 454  Ebd., fol. A4r: „Chronologorum hodie Princeps“. 455 Ebd., fol. C4v : „Absit igitur ut profanis Chronologis hanc palmam concedamus, tamquam sacrilegam divinis oraculis inuri notam patiamur, q[uod] ad cognoscenda temporum priscorum intervalla & promißionum veterum complementa, solae nobis Scripturae S.  non sufficiant, nisi hic Graecorum commenta ἄδηλα, μυθικὰ, prorsusque ἀσύς[τ]ατα [sic!] nobis adminiculentur.“ 456  Scaliger an Gruter, 11.1.1606, abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VI, 272. Sca­ liger spricht von zwei Kollegen Gruters, die ihn angriffen. Möglicherweise ist neben Pareus der von diesem promovierte Clignetus (s. o.) gemeint.



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weniger verderblich als die Loioliten [= Jesuiten]“457 sei. Gruter, nicht weniger ein überzeugter Reformierter als Scaliger, schloss sich diesem scharfen Urteil über Pareus an, den er jedoch in seinen Briefen zumindest nicht namentlich nennen will: „Unser Nachbar hat dir gegenüber schön seine Farben bekannt. Der Mensch ist aus dem Dorf ans Paedagogium gekommen. Von dort stieg er zum Lehrstuhl auf, wo er alles ver­ achtet, wie es die Mistkäfer pflegen […]. Er weiß nichts, außer was jeder Gute und Gelehrte verschmäht. Dieser aber glaubt, den Siegeskranz gegen Scaliger pflücken zu können, damit er zwischen seinen Schmeicheleien hört, er sei selbst ‚gelehrter als Scaliger‘, ein Mensch, der niemals in ein gutes Buch geblickt hat. Nichts an seinem Charakter ist besser, wie ich selbst erfahren habe und jüngst auch von Lingelsheim bestätigt bekommen habe.“458

Offenbar stellten sich Gruter und der bekannte Heidelberger Humanist Georg Michael Lingelsheim im Streit mit Scaliger gegen ihren Gelehrtenkollegen Pa­ reus. Mit seltener Heftigkeit verspottet Gruter die bescheidene Herkunft Pareus’ aus dem schlesischen Frankenstein und seine angebliche Unbildung. An Scaligers Stelle eröffnete einer seiner Anhänger die publizistische Kontro­ verse mit Pareus. Seth Calvisius (Kallwitz, 1556–1615), als Kantor der Leipziger Thomaskirche einer der Amtsvorgänger Bachs, war nicht nur Kirchenmusiker, Komponist und Musiktheoretiker. Er betätigte sich auch auf den Feldern der Chronologie und Astronomie. Unter Aufnahme der Methoden, Quellen und Berechnungen Scaligers hatte Calvisius 1605 sein Hauptwerk Chronologia ver­ öffentlicht, das im 17. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum breit rezipiert wurde und mehrere Neuauflagen erfuhr.459 Bei der Publikation war er bereits mit einigen Leipziger Gelehrten in Konflikt geraten, die seine von Scaliger über­ nommene chronologische Arbeitsweise ablehnten.460 Auf den Schritt, Pareus mit einer Kontroversschrift anzugreifen, war Calvisius von Scaliger zuvor bereits ein­ geschworen worden, der ihm die Notwendigkeit darlegte, gegen die spöttisch als „prophetae“461 bezeichneten Beroaldisten eine geeinte Front zu eröffnen. Calvisius’ Examen Hypothesium Chronologicarum a Davide Pareo richtet sich vornehmlich gegen die Oratio Chronologica Altera Pareus’ und kritisiert insbesondere, dass Pareus den Leidener Gelehrten missbräuchlich zitiere und missachte.462 457  Scaliger an Gruter, 10.7.1606, abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VI, 464: „non minus literis pernicisiosu[s] (…) quam Loiolitae“. 458  Gruter an Scaliger, 8.8.1608, abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VI, 504: „Vicinus noster pulchre a te suis depingitur coloribus. Homo e pago ad paedagogiam advenit. Inde ads­ cendit in cathedram, unde omnes despicit, ut solent scarabaei (…). Nihil sapit, nisi quod boni quique et docti aspernantur. Hoc autem palmarium putat carpere Scaligerum, ut eo ipso inter adsensationes suas audiat ‚Scaligero doctior‘, homo, qui nunquam inspexit bonum librum. Moribus nihilo est melioribus, ut ego expertus sum, et nuper etiam intellexi ex Lingelshemio.“ 459  Döring, Sethus Calvisius, 178. 460  Ebd., 180–191. 461  Scaliger an Calvisius, 19.6.1606, abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VI, 44 f. 462  Calvisius, Examen Hypothesium, bes. fol. C2v–C3r.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

Auch der Lutheraner Calvisius zieht für die früheste Chronologie maß­ geblich die Bibel heran, die ihm – wie auch Scaliger – als unerlässliche Quelle für die Zeit vor Christi Geburt gilt. In Bezug auf die Abweichungen antikpaganer Quellen voneinander zeichnet den Thomaskantor jedoch ein größerer Optimismus aus als Pareus. Durch Vergleiche der verschiedenen Quellen der Chronologie lasse sich eine gewisse Sicherheit gewinnen, die Angaben der Bibel zu ergänzen. Insbesondere die Astronomie  – die bis in die Frühe Neuzeit als verwandt mit Calvisius’ Domäne der Musiktheorie angesehen wurde  – führt der Leipziger ins Feld um chronologisches Wissen abzusichern. Über mehrere Seiten seiner Kontroversschrift führt er aus, wie sich antike Angaben zu Mondund Sonnenfinsternissen für die Chronologie fruchtbar machen ließen, indem die Planetenkonstellation durch die Jahrhunderte errechnet wird  – vor den Entdeckungen Johannes Keplers in den 1620er Jahren gewiss eine noch recht ungenaue Übung.463 Gegen Pareus inszeniert sich Calvisius in einer Weise, dass er nicht als Gegner der biblischen Autorität angesehen wird. Vielmehr positio­ niert er sich als Verteidiger der artes liberales gegen illegitime Vereinnahmungen durch die Theologie, wie er sie bei seinem Heidelberger Gegner ausmacht. Seine Schrift beendet er mit einem kurzen Gebet für die nichttheologischen Wissen­ schaften, die er ebenso als gottgefällige Mittel des Wahrheitsgewinns verstanden wissen will: „Gott möge es bewerkstelligen, dass die schönen Künste gewissenhaft gepflegt werden, dass ihre Wahrheit offenbar gezeigt wird und die Jugend rechtens in ihnen unterrichtet wird, zur Ehre seines Namens und zum Heil des Menschengeschlechts, Amen.“464

Nach dieser Kontroversschrift aus Leipzig ließ Pareus seinerseits nicht lange auf eine Gegenschrift warten. In der Synopsis Chronologiae Sacra vindicata a Sethi Calvisii cavillis präzisiert Pareus sowohl sein methodisches Anliegen als auch seine Positionen zu Detailfragen. Es gehe ihm eben nicht um eine fanatische Ablehnung der artes, sondern lediglich um die Erkenntnis, dass diese in der Chronologie nicht notwendig und daher abzulehnen seien. „In der Tat wahrhaft, ob astronomische Berechnungen zur Zeit, dass dies oder jenes daraus hervorgeht, ob die Bewegungen der Himmel mit der Wahrheit übereinstimmen und ob das Zusammenfügen der Zeitrechnungen, die fast jede einzelne anderes über­ liefern, wahr und gewiss sei, ist nicht über allen Zweifel erhaben. Denn in diesen Fragen waren einst schon viele Historiker und die herausragendsten Chronologen mit höchstem Eifer bemüht und zwar ohne dass einer nicht seine Meinung als allersorgfältigst gesehen hätte. So sind sie dennoch voneinander abgewichen.“465 463  Ebd., fol. D3v–E2v. 464  Ebd., fol. F1r: „Deus faxit, ut bonae artes diligenter excolantur, earum veritas mani­ festè demonstretur, & juventus recte in ijs instituatur, in sui nominis gloriam & humani generis salutem, Amen.“ 465  Pareus, Synopsis Chronologiae, 1 f.: „Verum enimuerò, an tempus Astronomicum, quod hic vel ille prodit, motibus coelorum & veritati conueniat & an alligatio epocharum,



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Seinen Gegnern Calvisius und Scaliger tritt Pareus in dieser Schrift mit einer stärker als zuvor durchscheinenden Verachtung entgegen und bezeichnet diese als „neues Geschlecht der Chronodaedali“.466 Wie Daedalos würden sie ver­ suchen die Grenzen menschlicher Weisheit und Fähigkeiten zu übersteigen, den Fall des Ikarus nicht bedenkend. Es ist daher nicht nachvollziehbar, Pareus eine irenische „Sachgebundenheit“467 im Gegensatz zu seinen Gegnern zuzuschrei­ ben. Vielmehr verweigert er grundsätzlich jeglichen Diskurs zur Chronologie außerhalb der Bibel. Calvisius entschied sich nicht selbst auf Pareus zu antworten, sondern Sca­ liger den Vortritt zu lassen.468 Dieser hatte offenbar Pareus’ zweite Rede zuerst gelesen, in seiner Gegenschrift Elenchus utriusque orationis chronologicae D. Davidis Parei behandelt er zunächst nur diese und fügt eine knappe Ant­ wort auf die erste, im Hoseakommentar veröffentlichte Rede im Anhang hinzu. Die von Pareus als Grundfrage der Chronologie bezeichnete Problematik, ob die vorchristliche Chronologie allein aus der Bibel entwickelt werden kann, ist für Scaliger eine „gänzlich ungeeignete Darlegung“469 und eine Frage, die sich schlicht nicht stelle. Da der Einbezug paganer Quellen und der Astronomie eine sicherere Basis für die Chronologie geben als die Bibel allein, stehe ihr Einsatz außer Frage. Pareus’ Ausführungen nimmt Scaliger zum Anlass, die von ihm ironisch als „chronologia prophetica“ bezeichnete beroaldistische Schule grund­ sätzlich anzugehen: „[Ausführende der] Prophetische[n] Chronologie und Lehre nennen wir jene Sorte Mensch, die leugnen, dass in der ‚exotischen‘ Geschichte irgendetwas wahr sei; sie sagen, es habe andere Könige gegeben, als die, an die die Griechen erinnern, die unter diesen Königen selbst schrieben und von deren Reich sie unterworfen wurden; und dass der Herrschaftsbeginn des Kyros ein anderer nach profanen Quellen sei, als nach heiligen.“470

Scaliger will nicht nur Herodot, sondern auch die Mythen der Griechen als Quellen der Chronologie heranziehen. Als Beispiel nennt er die Erzählung von einer Flut zur Zeit des thebanischen Urkönigs Ogygos, in der er eine verzerrte historische Erinnerung an die Sintflut erkennt.471 Seinem Gegner Pareus, dessen quam tradunt prope singuli diuersam, vera certaque sit, dubitatione non vacat. In hoc namque genere cum iam olim Historici plurimi, Chronologi praestantissimi summo studio elaborarint, & quidem nulli non opinione sua accuratissime: Ita tamen omnes ab inuicem dissident (…).“ 466  Ebd., 13: „novum Chronodaedalorum genus“. 467  Brinkmann, Irenicum, 152. 468  Calvisius an Scaliger, Juni–September 1607, abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VII, 179. 469  Scaliger, Elenchus utriusque, 19: „propositio omnino inepta“. 470  Ebd., 5: „Propheticam Chronologiam & doctrinam vocamus ejus generis hominum, qui negant in exotica historia aliquid veri esse; alios reges esse dicunt ab illis, quos Greci memorant, qui sub ipsis Regibus scripserunt, & eorum imperio subditi fuerunt; aliud initium Cyri secun­ dum profanum calculum esse, aliud secundum sacrum.“ 471  Ebd., 79–85.

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Reden er unter Gelächter gelesen habe,472 kann er indes mehrere Rechenfehler bei der Umrechnung von Sonnen- und Mondjahren nachweisen, weshalb er spöttisch von einem annus propheticus, also einem eigenständigem Kalender wie dem annus Gregorianus, spricht.473 Scaliger, der allgemein einen derberen Stil in allen seinen Kontroversschriften verwendet und auch vor persönlichen Beleidigungen selten zurückschreckt,474 lässt kaum eine Gelegenheit aus, sich über Pareus und dessen chronologische Sachfehler lustig zu machen. Sich selbst charakterisiert er in der ihm oftmals angelasteten Arroganz als „Geißel der Hirngespinste einer heiligen Berechnung, Marter der Beroaldisten, Prüfung des prophetischen Trösters“.475 Für diese Heftigkeiten gegenüber einem Kon­ fessionsgenossen erntete Scaliger in seinem Umfeld offenbar einige Irritationen. Gegenüber seinem Brieffreund Isaac Casaubonus rechtfertigt er sich für die Heftigkeiten und erklärt, seine Kritiker „wissen nicht, dass der Esel mich mit seinen beschissenen [sic!] Reden provoziert hat.“476 Casaubonus hatte zuvor sein Bedauern über den Streit geäußert, da dieser den Jesuiten Gelegenheit zur Störung böte.477 Calvisius antwortete 1608, ein Jahr nach Scaliger, auf die Synopsis Chronologiae mit seiner Epistola Chronologica Ad D. Davidem Paraeum. Bedauerlicher­ weise ist das einzige bekannte Exemplar dieser Schrift beim Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar im Jahr 2004 zerstört worden, lediglich die Titelseite ist auf Mikrofilm erhalten. Sie ist offenbar nicht identisch mit einem zweiten Brief Calvisius’ an Pareus, der seinem kurz darauf publizierten offenen Brief an Elias Reusner angehängt ist. Mit dem Jenaer Gelehrten Reusner führte Calvisius ebenfalls eine Kontroverse über Einzelfragen der Chronologie, jedoch mit anderen Fronten als gegen Pareus. In weitaus heftigerem Ton als in dem Brief an Reusner geht Scaliger den Heidelberger Theologen an und beschwert sich über einen Brief, den er von Pareus erhalten hatte. Noch einmal greift er Pareus’ Konzept einer Prophetischen Chronologie an. Anhand der von mehreren Au­ toren unabhängig voneinander bezeugten Zeitangaben zum Peloponnesischen Krieg lasse sich zeigen, dass die Berechungen Pareus’ und Beroaldus’ fehlerhaft sind.478 Pareus enthielt sich einer direkten Antwort auf Scaligers Elenchus. Die weiteren Ereignisse erscheinen jedoch etwas unklar. In einem auf Februar 1608 472  Ebd., fol. N4v, in einem angehängten Brief an Franciscus Gomarus. 473  Ebd., 5–18. 474  Vgl. Kap. 4.1.4. 475 Ebd., 64: „flagrum imaginarii sacri calculi, crux Beroaldistarum, examen paracleti prophetici“. 476  Scaliger an Casaubonus, 1.6.1607, abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VII, 183: „nesciunt asinum illum me stercoreis suis orationibus provocasse.“ 477  Casaubonus an Scaliger, 5.5.1607; abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VII, 146. Vgl. auch Grafton/​Weinberg, Always loved the Holy Tongue, 19 f. 326. 478  Calvisius, Epistola ad El. Reusner, 46–54.



4.3.  Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen

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datierten Brief Pareus’ an seinen früheren Schüler Isaac Genius, der posthum in der Sammlung chronologischer Schriften von seinem Sohn veröffentlicht wurde, begründet Pareus sein Schweigen. Eindringlich beklagt er den lakonischen Stil und die persönlichen Invektiven Scaligers, dem er untragbare Arroganz vorwirft. Da eine sachliche Diskussion mit diesem nicht möglich sei, wolle er sich einer Gegenschrift enthalten.479 Eine unerwartete Wendung der Ereignisse schildert Scaliger im Juni 1608 in einem Brief an Isaac Casaubonus: „Vom barbarischen Pareus hat man einen albernen Brief erzwungen, dessen ungebühr­ liche Ermahnungen dieses Esels mich mehr als er selbst schmerzt. Bald nach seinen ersten Schriften, die mich herausgefordert haben, hätte er diese bereut und nun schämt er sich dieses so törichten Briefs. Daher hat er seinen Kollegen, einen sehr gelehrten und bescheidenen Mann weinend und flehend, sogar als er im Bett lag, gebeten, dass er Franciscus Gomarus schreibe und bewerkstellige, dass dieser alles mit milder Güte schlichte, fordernd, dass von uns beiden die Beleidigungen verziehen werden. Ich gab freiwillig nach, auch weil ich Christ bin […].“480

Entsprechende Briefe Pareus’ oder der in Frage kommenden Kollegen Gruter und Lingelsheim sind nicht bekannt. Der innere Widerspruch zwischen dem von Scaliger als Dreistigkeit beklagten Vorschlag einer wechselseitigen Vergebung und der Behauptung, Pareus habe kniefällig um Vermittlung gebeten, legt den Schluss nahe, dass Scaliger diesbezüglich übertrieben hat. Zu einer wirklichen Aussöhnung zwischen den beiden kam es nicht.481 Gut ein Monat nach dem oben zitierten Brief an Casaubonus verhöhnt Scaliger seinen Gegner gegenüber dem Heidelberger Humanisten Lingelsheim als „euren Zyklopen“.482 Auch Pareus sah sich nicht an einen Burgfrieden gebunden. Seinem 1609 erschienenen Genesiskommentar gibt er den erweiterten Titel In Genesin Mosis Commentarius. Quo praeter accuratam Textus sacri Analysin atque interpretationem Theoricam & practicam controversiae & Dubia Fidei plurima perspicue explicantur: argutiae ludaeorum & haereticorum contra Fidem, cumprimis F. Socini & G. Eniedini Samosateniorum, nec non R. Bellarmini & Ben. Pererii Jesuitarum solide refutantur, & ad Josephi Scaligeri Chronologica respondetur. Zwar ist durchaus zu beachten, dass Pareus einen Unterschied macht zwischen den Sozinianern und Jesuiten, die zurückgewiesen werden (refutantur) und 479  Pareus, Chronologiae Sacrae, 299–304. 480  Scaliger an Casaubonus, 9.6.1608, abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VII, 541: „A barbaro Paraeo insulsam epistolam expressit cuiusdam asini importuna hortatio magis quam proprius dolor. Paulo post et priorum scriptorum quibus me lacessivit, eum poenituit; et nunc huius tam stolidae epistolae etiam pudet. Quare collegam suum, virum doctissimum, et modestissimum, flens et obtestans, et quidem cum in lecto decumberet, rogavit ut ad Franci­ scum Gomarum scriberet atque efficeret ut ista omnia cum bona gratia componatur, ab utroque nostrum quos offendit sibi ignosci postulans. Parui libens, qui et Christianus sum (…).“ 481  So dargestellt bei Bernays, Joseph Justus Scaliger, 295. 482  Scaliger an Lingelsheim, 21.7.1608; abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VII, 558: „Cyclops vester“.

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Scaliger, der lediglich beantwortet wird (respondetur), jedoch ist die bloße Ein­ reihung des Konfessionsgenossen notwendigerweise ein Affront. Bereits in den Prolegomena des Kommentars erläutert Pareus die Bedeutung der Genesis für die Chronologie und derselben für die rechte Auslegung der Genesis. Aufgrund einiger Unterschiede in den chronologischen Angaben der Septuaginta und des hebräischen Bibeltexts bezieht Pareus erwartungsgemäß die Position der exklu­ siven „veritas hebraica“.483 Pareus unterlässt es jedoch, die Grundsatzdiskussion über die Methoden der Chronologie und die Möglichkeit einer rein biblischen Rechnung erneut aufzunehmen. Er konzentriert sich auf einen exegetischen Standpunkt und diskutiert vorwiegend Detailfragen, wie die genealogischen Angaben der Genesis in Jahre umzurechnen sind.484 Sehr interessant ist hierbei Pareus’ Auslegung zu Gen 7,11 („In dem sechs­ hundertsten Lebensjahr Noahs am siebzehnten Tag des zweiten Monats, an diesem Tag brachen alle Brunnen der großen Tiefe auf und taten sich die Fenster des Himmels auf “ LUT). Der Bibeltext lässt wie auch an anderen Stellen verschiedene Interpretationen offen, in welchem Jahr in Relation zur Schöpfung die Sintflut zu datieren ist und ob sich die Monats- und Tages­ angabe auf das Lebensjahr Noahs, das Sonnenjahr oder das Mondjahr bezie­ hen. Zudem ist die Tageszahl der beschriebenen Monate unbestimmt. Bei den Datumsangaben in der Sintfluterzählung hatten viele reformierte Exegeten Probleme mit den Ergebnissen Scaligers.485 Pareus grenzt sich vornehmlich von zwei Positionen ab. Die erste ist die des spanischen Jesuiten Benedict Pereira (1536–1610), der die Sintflut auf den 47. Tag nach dem Abschluss des 600. Lebensjahr Noahs datiert. Scaliger hingegen kommt aufgrund eines Ab­ gleichs mit anderen biblischen Altersangaben zu dem Schluss, dass die Sintflut noch in das angebrochene 599. Lebensjahr Noahs zu datieren ist. Pareus lehnt beide Deutungen ab, da ein Bibelvers in seinen chronologischen Angaben für sich zu nehmen und nicht durch den Vergleich mit anderen Angaben zu relati­ vieren ist.486 Rhetorisch fragt der Heidelberger: „Ist hier Mose oder Scaliger Glauben zu schenken?“487 Durch sein scharfes Urteil über Pereira und Scaliger zeigt Pareus zugleich, dass für ihn die Chronologie elementarer Bestandteil der Bibelauslegung ist. David Pareus hinterließ weitere undatierte Werke zur Chronologie, die erst posthum durch seinen Sohn veröffentlicht wurden. Hierzu zählen chronologi­ sche Glossen zur Historia sacra des Sulpicius Severus (363–420/5), die offenbar als Anhang einer Edition des spätantiken Autors gedacht waren sowie Kurz­ traktate zu chronologischen Detailfragen, nämlich zur plausibelsten Jahreszeit 483  Pareus, In Genesin, fol. (:)2r. S. 34–39. 484  Vgl. ebd., 91 f. 943.987.101 f. 1050 u. a. 485  Nothaft, Noahs Calendar, 205 mit Anm. 66; vgl. auch Pareus, In Genesin, 843.854. 486  Pareus, In Genesin, 811–817. 487  Ebd., 817: „Mosi an Scaligero hîc fides erit?“.



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der Schöpfungswoche und zur Harmonisierung der abweichenden Angaben zur Länge des Wirkens Jesu in den Evangelien. Johann Philipp fügt hier den Ver­ merk an, dass weitere Manuskripte wohl bei der Erstürmung Heidelbergs 1622 verloren gegangen seien.

4.3.5.4.  Adam Contzens Kontroverse mit Friedrich Braunbom Pareus’ Kontroverse mit seinen Glaubensbrüdern Calvisius und Scaliger blieb den Mainzer Jesuiten nicht verborgen. Sein erbitterter Gegner Martin Becanus führte in seine Kontroversschriften wiederholt Beleidigungen des unter Reformierten höchst angesehenen Scaliger gegen Pareus an, um diesen zu demütigen.488 Sein Nachfolger Adam Contzen greift diese Strategie auf489 und weitet sie aus, ohne Pareus auf dem Feld der Chronologie selbst anzugreifen. Seiner 1614 gedruckten Schrift Crudelitas Et Idolum Calvinistarum Revelatum, in der er die Sündenlehre Bellarmins gegen Pareus verteidigt,490 fügt er eine Widerlegung des Werks Florum Flaminiorum, Romanensium, Bapalium, sive Papalium Decas Una an, das 1613 in Hanau verlegt wurde. Autor dieses Buchs ist Friedrich Braunbom (1570 – nach 1620), Pfarrer im kurpfälzischen Beinders­ heim bei Frankenthal, der auch in Heidelberg studierte. Es handelt sich um ein Mischwerk aus chronologischen Berechnungen zum Altertum, die Anwendung dieser zur Exegese der Apokalypse, Beiträge zu einer spekulativen Zahlenmystik, antijesuitische Spottgedichte und allgemeine antikatholische und antijüdische Polemik. Insbesondere richtet sich Braunbom gegen Martin Becanus und dessen Werk De Antichristo Reformato. Das vermutlich auf dem Höhepunkt des Streits um den Oath of Allegiance491 verfasste Werk ist daher auch dem englischen König James I. als Kontrahenten Becanus’ gewidmet. Braunboms Buch hat einen völlig anderen Charakter als die zumindest nach theologischen Kriterieren um Wissenschaftlichkeit bemühten chronologischen Werke Pareus’ und kommt bei­ spielsweise zu dem Ergebnis, dass Christi Geburt zehn Jahre früher anzusetzen sei als gemeinhin datiert und dass das Weltende 1711 mit der Vernichtung des Papsts und der Gesellschaft Jesu zu erwarten sei. Über ebendiese gewagten Berechnungen macht sich Contzen lustig, wobei er stets bemüht ist, Nähen zwischen dem reformierten pfälzischen Pfarrer und Pareus selbst herzustellen oder zu suggerieren. Dabei kann Contzen Braunbom einige handfeste Fehler in der historischen Chronologie nachweisen, etwa bei dessen Versuchen, die Regierungszeiten der julisch-claudischen Dynastie und der ersten Bischöfe Roms – die Braunbom in falscher Reihenfolge präsentiert – 488  Vgl. u. a. Becanus, Simoniani Rittingindoni, 15; Becanus, Epistola Martini Becani, 16.50. 489 Vgl. Contzen, Defensio Libri de Gratia, 13 u. ö. 490  Vgl. Kap. 5.1.3.1. 491  Vgl. Kap. 6.2.

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mithilfe apokalyptischer Zahlenmystik zu interpretieren.492 Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass Contzen an Pareus’ Stelle bewusst einen möglichst einfachen Gegner wählt. An den Bezug zu Pareus erinnert Contzen, der die Widerlegung mit einer Ansprache an dessen Studenten eröffnet, indem er ähnlich der Wortwahl Scaligers von einer „neuen Chronologie“ (Chronologia nova) eines „neuen Propheten“ (novi Prophetae) spricht.493 Contzens Ziel ist jedoch nicht nur, Pareus in seiner chronologischen Arbeit in die Nähe eines eher stümperhaft rechnenden Weltuntergangspropheten zu stellen, ihm gelingt es, Scaligers Kritik an Pareus’ Methodik des sola scriptura in der Chronologie kontroverstheologisch umzumünzen. Als Wurzel der schlechten Chronologie sieht Contzen die protestantische Vorstellung der claritas Scripturae, der Ver­ ständlichkeit der Bibel für den Menschen, an. Wie er mit einem Zitat aus dessen Römerbriefkommentar beweist, hängt auch Pareus dieser These an, wohin­ gegen die katholische Kirche die vernünftigere Lehre der obscuritas Scripturae setze.494 Aus den voneinander abweichenden und teils skurrilen chronolo­ gischen Berechnungen aus der Bibel schließt Contzen auf die Unhaltbarkeit des sola-scriptura-Prinzips auch in der Chronologie. Contzens Widerlegung Braunboms wurde 1618 in einem separaten Druck auch in der Volkssprache veröffentlicht.495

4.3.5.5. Fazit Die Kontroverse zwischen Pareus, Calvisius und Scaliger zeigt, dass es auch in­ nerhalb der konfessionellen Lager zu polemischen Zuspitzungen in der Gelehr­ tenwelt um 1600 kommen konnte. In der Heftigkeit steht insbesondere Scaligers Schrift den über Konfessionsgrenzen hinweg gewechselten Kontroversschriften nicht nach. Auch hier ist jedoch der konfessionelle Gegner von Bedeutung. In seinen Briefen vergleicht Scaliger seinen Gegner mit den Jesuiten,496 und die Mainzer Becanus und Contzen nutzen die Kontroverse zwischen den beiden angesehenen reformierten Gelehrten für ihre eigenen polemischen Aussage­ absichten. Dass die konfessionelle Konkurrenzsituation überdies auch die wissenschaftliche Chronologie vorangebracht hat, zeigt sich in der Person des Jesuiten Denis Pétau (1583–1652). Der von Anthony Grafton mit dem Titel „Scaliger’s most intelligent imitator“497 ausgezeichnete katholische Gelehrte ori­ entierte sich in seiner Methodik an Scaliger, den er zugleich angriff und verbes­ serte. Sein eigenständiges Wirken zeigt sich auch darin, dass er teilweise Kritik 492  Contzen, Crudelitas, 560–570; vgl. Braunbom, Florum Flaminiorum, bes. 75–77. 493 Vgl. Contzen, Crudelitas, 558 u. ö. 494  Ebd., 55 f. 495  Contzen, Ketzerbruet. 496  S. o.; Scaliger an Gruter, 10.7.1606, abgedr. in: Scaliger, Correspondence, VI, 464. 497  Grafton, Joseph Scaliger and Historical Chronology, 160.



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an den Annalen Caesar Baronius’ übt und dennoch ein klar konfessionelles Profil behält.498 Die Kontroverse zwischen Pareus und Scaliger interpretiert George Somos als Etappe eines Säkularisierungsprozesses im Geschichtsdenken. In der Tat zeigt sich in den Wortmeldungen Scaligers und Calvisius’ die Zurückweisung eines übergeordneten Deutungsanspruchs der Theologie und die Etablierung der Geschichtswissenschaft als „master discipline“499 mit eigener Methodik und Legitimität. Auch Calvisius’ Schlussgebet für die bonae artes lässt sich in diesem Sinne deuten. Freilich ist in Bezug auf die vielgestaltige Großthese der „Säkularisierung“ Vorsicht walten zu lassen. Weder der Leipziger Kantor noch Scaliger selbst zweifeln an der Wahrheit jedes einzelnen Bibelworts. Zudem waren auch sie aus heutiger Sicht vor unwissenschaftlichen Spekulationen und Fehlschlüssen nicht gefeit. Es wäre andererseits auch zu kurz gegriffen, Pareus’ Position als blinden Fanatismus abzustempeln. Seine Weigerung, andere Quel­ len als die Bibel für die Chronologie heranzuziehen, entspringt nicht – wie von seinen Gegnern suggeriert – aus Unbildung und antiintellektueller Verbohrtheit, sondern aus einem der reformierten Lehre entspringenden Optimismus bezüg­ lich der Klarheit der Heiligen Schrift. Als weitaus zukunftsträchtiger erweist sich jedoch der Einsatz Scaligers und seiner Anhänger dafür, bei der Benutzung der Heiligen Schrift diese mit Erkenntnissen der Philologie, der Astronomie und der Mathematik in Bezug zu setzen. Hier hatte gerade auch der konfessionell auf­ geladene Streit um den Gregorianischen Kalender die Diskussion geschärft.500 Aufschlussreich ist darüber hinaus der Vergleich der beiden hier behandelten Auseinandersetzungen unter Beteiligung Joseph Justus Scaligers. Sowohl der Mainzer Jesuit Nicolaus Serarius als auch der Heidelberger David Pareus sahen sich scharfer Angriffe des Leideners ausgesetzt. Als sich beide 1608 im Rahmen des ‚Schwalbacher Kolloquiums‘ persönlich trafen, waren sie sich dieser Ge­ meinsamkeit durchaus bewusst. Pareus berichtet, er habe sich während dieses interkonfessionellen Streitgesprächs mit den Mainzer Jesuiten anders als mit dem seiner Schilderung nach hinterhältig spitzfindigen Martin Becanus und dem etwas dümmlich dargestellten Johannes Mulhusinus mit Serarius sehr gut verstanden. Nach der Disputation habe er sich „mit Dr. Serarius freundlich über die Chronologie Scaligers unterhalten“.501 Gegenüber Scaliger verbindet beide Theologen trotz unterschiedlicher Konfessionen eine gemeinsame methodische Haltung. Sowohl Serarius als auch Pareus bevorzugen bestimmte Quellen aus einer „konservativen“ Haltung heraus: Serarius möchte die Autorität der Kir­ 498  Vgl. ebd., 174; K amp, Vom Paläolithikum zur Postmoderne, 218–221. 499  Somos, Secularization and the Leiden Circle, 6 f. Ähnlich auch Grafton, Renaissance Readers, 63 f. 500  Döring, Sethus Calvisius, 17 f. Vgl. Kap. 4.3.6. 501  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 26: „cum D. Serario de Chronologicis Sca­ ligeri familiariter confabulatus“.

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chenväter auch in der Judaistik den jüdischen Autoren vorziehen, Pareus pocht auf der uneingeschränkten Priorität der Bibel. Beide haben jedoch keine grund­ sätzliche Aversion gegen die von Scaliger hervorgehobenen außerchristlichen Quellen.

4.3.6.  Kontroversen zum Gregorianischen Kalender 4.3.6.1.  Konkurrierende pfälzische Gutachten zur Einführung des Kalenders Im Julianischen Kalender, der seit 45 v. Chr. im Abendland galt, dauerte das Ka­ lenderjahr durchschnittlich gut elf Minuten länger als das tatsächliche Sonnen­ jahr. Dadurch hatte sich im Vergleich zur Spätantike bis in das 16. Jahrhundert eine Differenz von zehn Tagen zwischen den kalendarischen und den astrono­ mischen Sonnenwenden angesammelt. Dieses Phänomen war bereits länger bekannt, seit dem Spätmittelalter wurden Möglichkeiten der Kalenderreform unter Gelehrten intensiv besprochen.502 Die Notwendigkeit einer Reform ergab sich für ihre Befürworter nicht nur aus astronomischen Erwägungen, auch der liturgische Festkalender, insbesondere der Ostertermin war auf eine Überein­ stimmung der kalendarischen mit der astronomischen Tagundnachtgleiche ausgelegt. In der am 24. Februar 1582 veröffentlichten Bulle Inter Gravissimas dekretierte Papst Gregor XIII., dass der bestehende Kalender dahingehend korrigiert werden sollte, dass die Jahre der Jahrhundertwenden angefangen mit dem Jahr 1600 nur alle 400 Jahre ein Schalttag beinhalten sollten. Durch diese Streichung von drei Schalttagen in 400 Jahren wird der Julianische Kalender so exakt wie möglich und so pragmatisch wie nötig mit dem astronomischen Son­ nenjahr in Einklang gebracht. Die über die Jahrhunderte angefallene Differenz sollte dadurch ausgeglichen werden, dass auf den 4. Oktober 1582 der 15. Ok­ tober folgen sollte. Der Veröffentlichung des neuen Kalenders waren intensive wissenschaftliche Diskussionen in Rom vorausgegangen. Bei der Vorbereitung der Kalenderreform waren insbesondere der aus Bamberg stammende Jesuit Christoph Clavius (1538–1612) und die auch aus anderen Orden kommende Besetzung des von Papst Gregor errichteten ‚Turms der Winde‘, aus dem die vatikanische Sternwarte hervorging, beteiligt.503 Die Verordnung des neuen Kalenders durch den Papst und besonders der früh angesetzte Termin seines Eintretens noch im gleichen Jahr stellte die Zeit­ genossen vor zahlreiche Probleme. Gedruckte Kalender und Almanache  – zu dieser Zeit sehr stark verbreitete Medien – waren bereits erschienen, Termine in der Politik und dem Geschäftsleben bereits vereinbart. Umstritten blieb auch, welche Rechtskraft die päpstliche Bulle für einerseits katholische, andererseits 502 Vgl. Steinmetz, Gregorianische Kalenderreform, 46–71. 503 Vgl. Baldini, Christoph Clavius.



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protestantische Territorien hat. Zu einer termingerechten Übernahme des Kalenders im Oktober 1582 kam es daher nur in Spanien, Portugal, Polen und Teilen Italiens. Im Reich vermied es Kaiser Rudolf II., den päpstlichen Kalen­ der durch ein eigenes Dekret zu erzwingen, was auf heftigen Widerstand der protestantischen Stände getroffen wäre. Stattdessen bemühte er sich um einen Kompromiss und Übergangslösungen für die sich abzeichnende Zeit, in der im Reich zwei verschiedene Kalender gelten würden.504 Dass dieser Umstand erst 1700 ein Ende finden sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Der Gregorianische Kalender stieß in Europa vielerorts auf Widerstand, wobei die Konfliktlinien sich nicht nur auf konfessionelle Motive zurückführen lassen. So gab es durchaus auch katholische Gelehrte, die aus astronomischen, prag­ matischen und rechtlichen Gründen den neuen Kalender kritisierten, als auch Protestanten wie Tycho Brahe und der kaiserliche Hofastronom Johannes Kep­ ler, die einer Reform aufgeschlossen gegenüberstanden.505 Insgesamt jedoch war die Diskussion im Reich von einer Verhärtung der konfessionellen Gräben und einer Polemik geprägt, die den Diskurs in anderen protestantischen Ländern bei weitem übertraf.506 Zu einem der frühen Wortführer der Protestanten im Streit um die Ein­ setzung des Gregorianischen Kalenders entwickelte sich der Heidelberger Mathematiker Michael Mästlin (1550–1631), dessen Gutachten für Kurfürst Ludwig VI. unter den evangelischen Fürsten zirkulierte und großen Einfluss über die Kurpfalz hinaus nahm.507 Der aus Württemberg stammende Lutheraner Mästlin war seit 1580 Mathematikprofessor an der Heidelberger Universität, bis er 1584  – nach der von Kuradministrator Johann Kasimir initiierten Wieder­ einführung der reformierten Konfession in der Kurpfalz – eine Anstellung als Professor in Tübingen erhielt, wo er unter anderem Lehrer Johannes Keplers war. Aus seinem Gutachten für den lutherischen Kurfürsten formulierte Mästlin eine volkssprachliche Kontroversschrift gegen die Einführung des Kalenders in den protestantischen Territorien des Reichs mit dem Titel Außführlicher vnd Gründtlicher Bericht Von der allgemainen vnd nunmehr bey sechtzehen Hundert Jaren von dem ersten Keyser Julio biß auff jetzige vnsere Zeit im gantzen H. Römischen Reich gebrauchter Jarrechnung oder Kalender. Dem Astronomen Mästlin ist natürlich bewusst, dass sich die tatsächliche Tagundnachtgleiche aufgrund der Ungenauigkeit des Julianischen Kalenders seit der Antike verschoben hat. Dieser sei zwar „nit so gar perfect“,508 aber dennoch ein guter und brauchbarer Kalender. Zum Erweis würdigt er die große Leistung Caesars und seiner Mathematiker, indem er deren Reform mit anderen 504 Vgl. Hamel, Rolle Mästlins, 50–57. 505  Nobis, Reaction of Astronomers, 250. 506  Hoskin, Reception of the Calendar, bes. 259. 507  Hamel, Rolle Mästlins, 38; Koller, Strittige Zeiten, 188. 508  Mästlin, Ausführlicher und gründtlicher Bericht, fol. )()(iv.

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Kalendern aller Zeiten und Völker vergleicht.509 Eine Reform des Kalenders er­ scheint ihm daher als ein „vnnotwendig Geschefft“, das lediglich „Vnordnung, Verwirrung und Vnrichtigkeit“510 stifte. Dies betreffe alle drei Funktionen, die Mästlin dem Kalender zuschreibt: die Ordnung des Wirtschaft, Steuern, Recht und Verwaltung betreffenden annus Politicus, die Festlegung der Feiertage im annus Ecclesiasticus und als Orientierung für die gelehrte Welt, insbesondere die Mathematik und die Astronomie. Zu leiden hätten besonders die Bauern, deren als „Bauernregeln“ bekannter Erfahrungsschatz zu Saat- und Ernteterminen und dergleichen mehr verwirrt werde und die möglicherweise ihren Zins noch vor der Ernte entrichten müssten, dabei um die zehn gestrichenen Tage beraubt.511 Dieses Argument entwickelte sich zu einem häufig anzutreffenden Topos der protestantischen Kalenderkritik, das prominent in Flugblättern wie der 1584 gedruckten Baurenklag, Vber des Bapst Gregorij XIII. Newen Calender, Namlich, was für grosse Vnordnung darauß entsprungen sey verbreitet wurde.512 Die von Mästlin prophezeiten Wirrungen blieben in den katholischen Territorien, in denen der Kalender eingeführt wurde, indes aus. Die Festtermine des Kirchen­ jahres seien schließlich als Adiaphora anzusehen. Es sei unerheblich, ob Ostern auch astronomisch am Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond gefeiert werde, da es keine diesbezügliche Weisung von Gott und den Aposteln gebe.513 Insbesondere stößt sich Mästlin an der Entscheidung des Papstes, durch die Auslassung von zehn Tagen die Tagundnachtgleiche auf die Zeit des Konzils von Nicäa 325 zurückzusetzen. Auf diesem wurde als endgültige Lösung des Osterstreits in der Alten Kirche verfügt, dass das Osterfest von der gesamten Christenheit am Sonntag nach dem ersten Vollmond nach dem 21. März gefeiert werden sollte, wie es vom Patriarchen von Alexandria zu errechnen sei. Hieraus begründete Papst Gregor die kirchenrechtliche Notwendigkeit der Reform. Für Mästlin hingegen war eine solche Rückführung des Kalenders auf die Spätantike „nur ein wenig mehr dann eine halbe verbesserung“.514 Man müsse, wenn über­ haupt, noch weitere Tage auslassen, um die Verhältnisse zur Zeit Jesu wiederher­ zustellen. Zudem betont Mästlin die Rolle Konstantins des Großen auf besagtem Konzil, um der Argumentation entgegenzuwirken, der Papst habe aus seinem kirchlichen Primat heraus das Recht auf die Verbesserung des Kalenders. Auch der gelehrten Welt prophezeit Mästlin Unordnung im Falle einer Übernahme des neuen Kalenders, die Arbeit der Chronologen, die er als eine Leitwissen­ schaft der Humaniora ansieht,515 werde empfindlich erschwert und auch die as­ 509  Ebd., 5–14. 510  Ebd., fol. )()(iir. 511  Ebd., 32–42. 512  Koller, Strittige Zeiten, 132–160. 513  Mästlin, Ausführlicher und gründtlicher Bericht, v. a. 50. 514  Ebd., 152. 515  Vgl. Kap. 4.3.5.



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tronomischen Tafelwerke und Aufzeichnungen müssten allesamt umgerechnet werden.516 Dass für den Mathematiker und Astronomen Mästlin naturwissenschaftliche Erwägungen nur am Rande von Interesse bei der Kalenderfrage sind, zeigt auch ein weiteres Argument: Ein wirkliches Problem ergäbe sich mit dem Julianischen Kalender erst dann, wenn die Jahreszeiten spürbar verschoben seien. Bis dahin jedoch sei mit Sicherheit der Jüngste Tag gekommen, einen Handlungsbedarf zu sehen, sei daher töricht.517 Andere Lutheraner bauten dieses Argument der apo­ kalyptischen Dimension der Kalenderreform weiter aus. Der Papst – bekannt­ lich der Antichrist selbst  – leugne das Kommen des Jüngsten Tags und somit das Ende seiner Herrschaft. Dass er einen ewig währenden Kalender veröffent­ liche, zeige, dass er die Endlichkeit der Welt leugne und Häresie begehe.518 Mit seiner Konzentration auf pragmatische Argumente und seiner apokalyptisch begründeten generellen Opposition gegen jegliche Reform des Kalenders nimmt Mästlin indes einer Sonderstellung unter protestantischen Astronomen ein, die die Notwendigkeit einer Reform an sich meist einsahen.519 Ebenfalls in Heidelberg erschien 1584 ein Sammelband, in dem neben Mäst­ lins Schrift weitere protestantische Gutachten sowie die beiden Bullen Gregors XIII. in deutscher Übersetzung samt einer polemischen Einordnung abgedruckt wurden. In diesem Band ist auch ein Gutachten der Gelehrten des Neustädter Casimirianum, wo die kurpfälzischen Reformierten ihr Exil während der Re­ gierungszeit Ludwig VI. verbrachten. Wer das Gutachten mit dem Titel Kurtzer Bericht, Von gemeinem Kalender, Woher er kommen, wie er mit der Zeit verrückt, ob und wie er widerumb zu ersetzen sey, das erstaunlicherweise durch den lu­ therischen Herzog von Württemberg in Auftrag gegeben wurde,520 verfasst hat, ist nicht bekannt, es wird offenbar sowohl von den Theologen, als auch von den Artisten mitgetragen worden sein. Wie auch Mästlin gehen die Neustädter davon aus, dass der bestehende Kalender „wiewol er der beste ist, doch nicht gar vnnd eben zustimmet mit der Sonnen Lauff, vnd eygentlicher Grösse des Jahrs, wie es sollte: sondern ist vmb das fünffte Theil einer Stunde zu lang“.521 Auch wenn die Neustädter Umstellungsprobleme in Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft befürchten, ist ihnen Mästlins Alarmismus fremd. Die Bauern seien etwa verständig genug zu begreifen, dass sie ihre Saat- und Erntetermine schlicht um die Menge der ausgelassenen Tage versetzen müssten. Die Land­ bevölkerung hätte sich im Zuge der Christianisierung schon einmal an neue Zeiteinteilungen gewöhnt und werde dies wieder tun, zumal die Pfarrer ihnen 516  Ebd., 94–102. 517  Ebd., 37. 518  Smolinsky, Deutungen der Zeit, 2 f. 519  Nobis, Reaction of Astronomers, 24 f. 520  Koller, Strittige Zeiten, 186. 521  Notwendige vnnd gründtliche Bedenckhen [Neustadt], fol. 78r.

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dabei helfen könnten. Ein Hinderungsgrund sei dies ohnehin nicht: „Keine Ver­ änderung, in keinem dinge, sie sey so klein als sie wolle, geschihet ohn etwas Vngemachs vnnd Verdrusses.“522 Auch dass der neue Kalender vom Papst veröffentlicht wurde, sehen die Neu­ städter zwar als einen Makel, jedoch nicht als ein unüberwindliches Hindernis an. Die Einigkeit der Zeitordnung im ganzen Reich sehen sie dabei als ein hohes Gut an, damit „das Volk nicht allein in Weltlichen Händeln geirret, sondern viel mehr in Geistlichen Dingen nicht geergert werde. Deren viel sich mehr an die Vngleichheit der Ostern vnnd Weyhenachten, dann an die Vngleichheit des Glauben werden stossen.“523 Insgesamt sieht das Gutachten die protestantischen Fürsten zu drei Handlungsoption legitimiert, nämlich „daß sie sampt den Bi­ schoffen einhelliglich, entweder den jetzt vom Bapst reformierten Kalender annemen, oder bey dem alten, wie er ist, bleiben, oder ihn auff bequemere Weise, dann von Bäpstlicher Heiligkeit geschehen, ändern vnd bessern.“524 Die Neustädter zeigen dabei erkennbare Sympathien für diesen ‚Dritten Weg‘, der auf einen nur im Reich geltenden Kalender hinausgelaufen wäre. Hierin sind sie Vorreiter eines Vorschlags, der im 17. Jahrhundert vermehrt vorgetragen wurde. Konkret wäre es zu bevorzugen, die auszulassenden Tagen nicht am Stück, son­ dern notfalls auf ein oder zwei Jahre verteilt zu überspringen. Wenn, dann seien jedoch 14 Tage statt den von Gregor vorgesehenen zehn Tagen auszulassen, um die Verhältnisse zur Zeit Caesars und Jesu wiederherzustellen  – dies wäre im Zweifelsfall auch dem Verbleib beim alten Kalender vorzuziehen, da man so dem Papst vier Tage voraus sei statt zehn Tage im Verzug. Danach solle der Julianische Kalender ohne die Korrektur der Schalttage weitergeführt werden, bis er sich in 1600 Jahren erneut spürbar verschoben haben wird.525 Dieser Vorschlag ist durch einen aus heutiger Sicht leicht befremdlichen Kompromiss zwischen der Einsicht in die Reformnotwendigkeit und einer konservativen Inkonsequenz in der Ausführung der Reform charakterisiert. Die schon von Mästlin – allerdings nur hypothetisch  – vertretene Idee, 14 Tage auszulassen, findet sich auch bei dem katholischen Bischof von Glandéves Hugolinus Martellus Florentinus in einem Alternativvorschlag aus dem Jahr 1582.526 Es ist durchaus wahrscheinlich, dass den Neustädtern das Gutachten Mäst­ lins bereits vorlag, von dem sie sich explizit abzugrenzen scheinen. Mit gewissen Nähen zur Wortwahl des lutherischen Mathematikers lehnen die reformierten Gelehrten im Neustädter Exil seine apokalyptische Argumentation in der Kalenderfrage ab: 522  Ebd., fol. 83v. 523  Ebd., fol. 80r. 524  Ebd., fol. 80r–v. 525  Ebd., fol. 83r–84r. 526  Smolinsky, Deutungen der Zeit, 24.



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„Daß man aber spricht, es bedürffe der Vorsorge nicht, die Welt werde nichts so lange be­ stehen, daß die Weihenacht mitten im Sommer vnnd S. Johannis deß Teuffers Tag mitten im Winter trette; Gott werde es in kürtz mit ihr ein Ende, vnn einen rechten ewigwerenden Kalender machen, das wiederspreche ich nicht. Weiß aber daneben, daß Christus gesagt, es gebür vns nicht zu wissen Zeit vnnd Stundt, der Auffrichtung des Reichs Israel.“527

Überhaupt unterscheidet sich das Neustädter Gutachten spürbar von dem der Heidelberger Konkurrenzhochschule. Die Kalenderreform wird an sich als sinn­ voll befürwortet und selbst die direkte Übernahme des päpstlichen Plans er­ scheint ihnen als gangbarer, wenn auch nicht priorisierter Weg. Möglicherweise war wohl dieser gemäßigte Charakter, mit dem das Neustädter Gutachten aus der Masse der protestantischen Wortmeldungen heraussticht, der Grund, warum es keine weitere Beachtung und Gegenschriften hervorrief. Auch in Mainz erschien 1584 eine unscheinbare Flugschrift mit dem Titel Warer Bericht, warumb das alt Römisch Calender dieser Zeit nothwendig ersehen und gebessert worden; wie im Nicenischen Concilio vor 1255 Jahrn auff Begeren deß Großmächtigsten Römischen Keysers Constantini Magni auch beschehen. Der Verfasser dieser Schrift ist nicht zu ermitteln. Die Annahme Ferdinand Kaltenbrunners, sie sei „völlig bedeutungslos, da sich der Pseudonymus aller Polemik“528 enthalte, geht jedoch fehl. Zwar fehlen der recht kurzen Mainzer Flugschrift entscheidende Merkmale der Kontroversliteratur wie die Nennung von Gegnern und die explizite Widerlegung einer angegriffenen Argumentation, jedoch ist bereits der Titel parallel zu dem des Gutachtens Mästlins angelegt. Die kontroverse Argumentation geschieht gleichwohl nur implizit. Der Ware Bericht stellt scheinbar rein historisch die Positionierung des Konzils von Nicäa in der Kalenderfrage dar. Die Aussageabsicht der Flugschrift erhellt sich daraus, dass dieser Konzilsbeschluss nicht als eine Festlegung des Ostertermins, sondern als eine vollwertige Kalenderreform gewertet wird. Durch die Festsetzung des für den Ostertermin relevanten Frühlingsäquinoktiums vom 24. auf den 21. März sei die Kalenderreform bereits zur Zeit der Alten Kirche geschehen. Der Gregoria­ nische Kalender wäre also – so impliziert die Schrift – nur die notwendige und konsequent fortgeführte Umsetzung der Konzilsbeschlüsse. Die Mainzer Flug­ schrift bemüht sich, dieses bei katholischen Autoren im Kalenderstreit beliebte Argument interkonfessionell kommunikabel zu präsentieren, indem die Rolle Kaisers Konstantin  – entsprechend der protestantischen Lesart des Konzils von Nicäa – stark betont wird.529 Der Papst wird in der Schrift an keiner Stelle explizit genannt. Die kontroverse Stoßrichtung zeigt sich besonders an einem Münchner Nachdruck, dem eine Zeitung angehängt ist, die von dem Natur­ 527  Ebd., fol. 82r; vgl. Mästlin, Ausführlicher und gründtlicher Bericht, 37. Es ist durchaus plausibel, dass das früher entstandene handschriftliche Gutachten Mästlins auch an den Neu­ städter Hof kam. 528  K altenbrunner, Polemik über die Gregorianische Kalenderreform, 53 mit Anm. 1. 529  Anonymus, Warer Bericht, bes. fol. A2v.

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wunder eines verdorrten und pünktlich nach dem neuen Kalender termingemäß wieder Früchte tragenden Nussbaums berichtet.530 Die Kurpfalz übernahm wie alle protestantischen Territorien des Reichs den Gregorianischen Kalender weder unter der Regierung des Lutheraners Lud­ wigs VI. noch unter Kuradministrator Johann Kasimir, dessen Exilhochschule dieser Möglichkeit durchaus Legitimität bescheinigte. Jahre später scheint das Thema in der Kurpfalz jedoch erneut aufgegriffen worden zu sein. Ein auf den 13. Mai 1603 (selbstverständlich ‚Alten Stils‘, d. h. nach dem Julianischen Ka­ lender) datiertes Gutachten der artistenfakultät über den neuen kalender spricht sich gegenüber dem Rektor der Heidelberger Universität vehement gegen eine verspätete Übernahme des neuen Kalenders aus. Der Gregorianische Kalender sei trotz der Korrekturen immer noch mathematisch ungenau, seine Übernahme sei auch zu diesem Zeitpunkt weder notwendig, noch wirklich wünschenswert: „Denn auch wenn alle Verwirrung aufgehoben würde und ich gerne raten würde, den neuen Kalender bei uns zu übernehmen, damit in der christlichen Kirche die gleiche Zeit der Ostern und der anderen Feiertage bewahrt wäre. Dennoch will ich einwenden, dass wir in den religiösen Zeremonien und den Glaubenslehren keinen Umgang mit Babylon oder Verwandtschaft und Freundschaft mit Häretikern haben.“531

Dem Gutachten gehen einige Jahre einer fortgesetzten konfessionellen Kon­ troverse voraus (s. u.), auf die es auch verweist. Da die Begründung und Ver­ teidigung des neuen Kalenders durch die Katholiken  – namentlich wird der Jesuit Christoph Clavius genannt  – bisher unzureichend sei, erscheint den Heidelberger Gelehrten der status quo als durchaus vorteilhaft, zumal sich so die konfessionelle Grenze zu „Babylon“ sinnfällig markieren lässt. Dieses dritte kurpfälzische Gutachten geht nicht auf die beiden anderen ein und steht weder zu Mästlin, noch zu dem Neustädter Gutachten in Tradition.

4.3.6.2.  Der nachfolgende Schriftenstreit zum neuen Kalender Von den katholischen Territorien des Reichs übernahm einzig das Herzogtum Bayern den neuen Kalender noch im Jahr der Bulle 1582. Das Gros folgte im Spätjahr 1583 und Frühjahr 1584. Die konfessionell aufgeladene Kontroverse riss indessen auch dann nicht ab, als sich die dauerhafte kalendarische Trennung des Reichs abzeichnete. Insbesondere die süddeutschen Protestanten, die sich häufig in direkter Nachbarschaft zu katholischen Territorien befanden, entwickelten 530  Vgl. zu diesen Naturwundererzählungen Koller, Strittige Zeiten, 132–160. 531  Gutachten der artistenfakultät über den neuen kalender, abgedr. in: Winkelmann, Urkundenbuch, I, 365: „Etsi enim omnem confusionem tollendum esse et novum calendarium inter nostros quoque usurpandum libenter suaserim, ut in ecclesia Christiana eadem tempora paschatis ac caeterarum solennitatum conserventur: attamen in religionis ceremoniis et dogmatibus fidei nullum nobis cum Babylone commercium aut cum haereticis affinitatem et amicitiam intercedere volo.“



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sich zu den Wortführern im Kalenderstreit, denen die Jesuiten antworteten.532 Große Verbreitung erlangte eine 1584 gedruckte Disputation des Tübinger Theologieprofessors Jakob Heerbrand De Adiaphoris et Calendario Gregoriano. Die Thesen sind den evangelischen Geistlichen in Augsburg gewidmet, die Heerbrand in ihrer Ablehnung des Kalenders bestärken will.533 Der 1583/84 schwelende „Augsburger Kalenderstreit“ brachte die bikonfessionelle Stadt „an den Rand eines Bürgerkrieges“,534 nachdem die Mehrheit des Rates (auch der evangelischen Mitglieder) zur Wahrung der Handelsinteressen und auf Druck des bayerischen Herzogs für die Einführung des Gregorianischen Kalenders optiert hatte, was zu Unmut der evangelischen Bevölkerung und vieler Pfarrer geführt hatte. Heerbrand schaltet sich nun in diesen Streit mit der Hauptthese ein, dass der Kalender eben kein Adiaphoron – also etwas weder Gutes noch Schlechtes – sei, das Protestanten guten Gewissens annehmen könnten, wie es die Befürworter im Augsburger Kalenderstreit vorbrachten. Bewusst konzentriert sich Heer­ brand auf den Begriff des Adiaphorons, der auch zu dieser Zeit im Luthertum Erinnerungen an den Adiaphoristischen Streit in Folge des Leipziger Interims weckte. Wie vor gut 40 Jahren – so impliziert Heerbrand – versuche die katho­ lische Seite mit scheinbar annehmbaren Bestimmungen die evangelische Sache und das Evangelium schlechthin zu unterhöhlen. Der Tübinger benutzt hierfür das Bild des Kalenders als „Trojanischem Pferd“,535 mit dem der Antichrist Gregor XIII. einen subtilen Angriff zur Eroberung ansetzt. Sein zweites Hauptargument ist, dass die Rechte der weltlichen Obrigkeit be­ droht würden. Ausgehend von dem ihn störenden Befehlston der Kalenderbulle Inter Gravissimas, die die Reform des Kalenders bereits im ersten Satz als ex­ klusives Recht des Papstes bezeichnet, entfaltet Heerbrand die These, der Papst wolle nicht nur verdeckt Macht über die Protestanten ausüben, sondern jegliche weltliche Obrigkeit gleich welcher Konfession seinem Primat unterordnen.536 Angesichts der auch innerkatholisch kontrovers geführten Debatte um das Ver­ hältnis geistlicher und weltlicher Gewalt537 scheint diese Annahme nicht einmal allzu sehr aus der Luft gegriffen. Für Heerbrand ist die Reform des Kalenders die Aufgabe des Kaisers als höchster weltlicher Obrigkeit, der diese jedoch selbst anstrengen müsse und keinesfalls die päpstliche Reform übernehmen dürfe. Hierin ist Heerbrand auf einer Linie mit der Mehrheitsposition der protestantischen Fürsten im Reich.538 Da Heerbrand  – wie die meisten evan­ 532  Traitler, Konfession und Politik, 141. 533  Heerbrand, De Adiaphoris, 1. 534  Wallenta, Augsburger Kalenderstreit, 136; vgl. Koller, Strittige Zeiten, 216–245. 535  Heerbrand, De Adiaphoris, 3. 536  Ebd., bes. 4. 537  Vgl. Kap. 6.1.3. 538  K altenbrunnder, Polemik über die Gregorianische Kalenderreform, 25.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

gelischen Theologen  – der weltlichen Obrigkeit die cura utriusque tabulae, also die Sorge um die Einhaltung aller Zehn Gebote zuspricht, sieht er diese auch als zuständig für die Einhaltung des Sabbats und somit für die Ordnung der Zeit an. Zudem argumentiert er wie schon Mästlin historisch: Der Kaiser müsse selbst Gelehrte bestellen, um den Kalender zu reformieren, „so wie einst Julius Caesar die Jahresrechnung durch Sosigenes [von Alexandria, Astronom] korrigiert hat.“539 Heerbrands Disputation erregte die Aufmerksamkeit des Mainzer Jesuiten­ professors Johannes Busaeus, der 1585 ebenfalls Thesen zu einer akademischen Disputation mit dem Titel Pro Calendario Gregoriano Disputatio Apologetica vorlegte. Ähnlich wie der Tübinger sieht er die Streitfrage nicht als eine mathe­ matische, sondern als eine zutiefst theologische an. Da die Protestanten die mathematische Überlegenheit des neuen Kalenders anerkennen würden, sei lediglich die Frage offen, ob die Protestanten die Reform guten Gewissens über­ nehmen könnten.540 Anders als von Heerbrand behauptet, sei die Kalenderfrage nämlich in der Tat ein Adiaphoron, da der Papst keinerlei Hintergedanken hege. Es sei vielmehr die Pflicht eines jeden, der sich Christ nennt, das Osterfest zum richtigen Zeitpunkt zu feiern. An dieser Stelle hintertreibt Busaeus Heerbrands Argumentation zu den Adiaphora. Offenbar sähen die Protestanten die Be­ stimmungen des ökumenischen Konzils von Nicäa, die der Papst lediglich kon­ sequent angewandt habe, als ein unverbindliches Adiaphoron an.541 In der hier ansetzenden historischen Argumentation haben Busaeus’ Disputationsthesen große Ähnlichkeiten zu dem anonymen Flugblatt, das ein Jahr zuvor in Mainz gedruckt wurde (s. o.). Busaeus baut diese Argumentation jedoch konsequent weiter aus. Caesars Verordnung als Prototyp einer Kalenderreform unterstütze nicht die protestantische, sondern die katholische Seite, da Caesar nicht als weltlicher Herrscher, sondern als Pontifex Maximus gehandelt habe.542 Dies ist insofern zutreffend, als dass die Festsetzung der Schalttage tatsächlich in den Kompetenzbereich des Pontifex Maximus in republikanischer Zeit fiel, unter­ schlägt jedoch das Nichtvorhandensein einer tatsächlichen Trennung geistlicher und weltlicher Herrschaft in diesem Staatssystem. Dem Pontifex der Römischen Kirche komme als legitimer Rechtsnachfolger dieses Amts die Bestimmungs­ gewalt über den Kalender zu, wie sich in der Alten Kirche auch im Osterfeststreit zeige.543 In diesem seit dem 2. Jahrhundert schwelenden, auch in Nicäa nicht endgültig beigelegten Streit ging es um die Frage, ob das Osterfest nach dem jü­ dischen Kalender am 14. Nisan oder am nachfolgenden Sonntag gefeiert werden 539  Heerbrand, De Adiaphoris, 33: „sicut olim C. Julius Caesar per Sosigenem annum correxit“. 540  Busaeus, Pro Calendario, fol. B1r. 541  Ebd., fol. A3v. 542  Ebd., fol. B1v. 543  Ebd., fol. B2r–v.



4.3.  Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen

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sollte. Die Päpste Viktor I. (189–199) und Johannes I. (523–526) beteiligten sich an dieser Kontroverse, wobei Busaeus ihnen den entscheidenden Anteil bei der Lösung zuschreibt. In der Tat bemüht sich Busaeus um eine interkonfessionelle Kommunikabilität seiner Thesen und argumentiert „auf gemäßigt-polemischer Ebene“544. Einen positiven Widerhall fand seine Disputation dennoch nicht, zumal er die faktische Anerkennung handfester Kompetenzen des Papstes durch die Protestanten voraussetzt. Der produktivste Apologet der Gregorianischen Kalenderreform war mit Christoph Clavius, der als Mathematikprofessor am römischen Kolleg der Je­ suiten wirkte, einer der wichtigsten Bearbeiter des Kalenders selbst. Sechs seiner zumeist erstmals in Rom erschienenen Kontroversschriften sind zwischen 1609 und 1612 auch in Mainz erschienen, darunter sogar eine Erstausgabe, nämlich die 1609 gedruckte Responsio Ad Convicia, Et Calumnias Josephi Scaligeri, In Calendarium Gregorianum, die sich gegen eine Schrift des reformierten Gelehr­ ten Joseph Scaliger richtet.545 Insgesamt wurden zwischen 1606 und 1614 nicht weniger als 20 Werke dieses wichtigsten Mathematikers der Gesellschaft Jesu in Mainz bei verschiedenen Verlegern gedruckt, was zu seiner Rezeption nördlich der Alpen entscheidend beitrug. Als Grund kann man neben der strategisch günstigen Lage Mainz’ nahe der Frankfurter Buchmesse vor allem die Affinität zur Mathematik zweier Jesuiten des Mainzer Kollegs ansehen: Johann Reinhard Ziegler, zu dieser Zeit Rektor, und Otto Cattenius, der Astronomie und Mathe­ matik zu am Mainzer Kolleg lehrte.546 Clavius’ Hauptgegner Scaliger konzentrierte seine Kritik darauf, dass auch die Gregorianische Kalenderreform noch nicht ausreiche und bei der Gelegenheit einer Reform ein noch wesentlich genauerer – dafür komplizierterer – Kalender entworfen werden sollte.547 Mit dieser Idee beeinflusste er seinen produktivsten Anhänger im Reich, den Leipziger Thomaskantor Sethus Calvisius, der bereits in der Kontroverse gegen Pareus um die Chronologie dem Leidener Gelehrten zur Seite stand.548 Nachdem er 1612 in Frankfurt den Elenchus Calendarii Gregoriani verlegt hatte, in der er gestützt auf Scaliger die Schwächen des Gregorianischen Kalenders diskutiert, ließ er im Jahr darauf seine Formula Calendarii Novi in Heidelberg drucken. Wie es zu diesem für Calvisius einzigartigen Druckort kam, ist unklar. Der Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Beobachtung, dass die nunmehr seit 30 Jahren andauernde Kalenderspaltung „vielfältige Ver­ wirrungen und Aufruhr im Reich“549 bewirke. Dem Lutheraner Calvisius ist klar, 544  Steinmetz, Gregorianische Kalenderreform, 313. 545  Vgl. ebd., 331. Vgl. Kap. 4.3.5.3. 546  Vgl. Krayer, Mathematik im Studienplan. 547  Steinmetz, Gregorianische Kalenderreform, 277–281; Grafton, Joseph Justus Sca­ liger, II, 400. 548  Vgl. Kap. 4.3.5.3. 549  Calvisius, Formula, 4: „multiplices confusiones & turba in Imperio“.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

dass auf absehbare Zeit sowohl eine Übernahme des Gregorianischen Kalenders durch die Protestanten, als auch erst recht seine Zurücknahme durch die Ka­ tholiken unrealistisch war. Deshalb setzte er sich zum Ziel, einen neuen, dritten Kalender vorzulegen, „der seine Unversehrtheit schützt, der niemals gegen kir­ chenrechtliche Bestimmungen und die Feier beweglicher Festtage verstößt und dennoch in Nutzbarkeit und Leichtigkeit dem Gregorianischen gleichwertig oder besser ist.“550 Calvisius erkennt also an, dass der große Vorteil des päpst­ lichen Kalenders nicht nur in der relativen Überlegenheit in der Genauigkeit, sondern in seiner einfachen Handhabung, die eine Abweichung zum gewohnten Kalender nur zu Jahrhundertwenden vorsieht, liegt. Dementsprechend bildet der ausführliche Entwurf eines neuen Kalenders auch das Herzstück der in Heidelberg gedruckten Schrift, der zudem ein Ta­ bellenwerk zu den beweglichen Feiertagen und den vorgesehenen Schaltjahren bis ins 5. Jahrtausend hinein beinhaltet. De facto ist Calvisius’ Vorschlag fast identisch mit dem Gregorianischen Kalender, wobei kleine Änderungen wie ein „Feigenblatt“551 wirken, um die Übernahme des neuen Kalenders durch die Protestanten zu verschleiern. Lediglich die mathematische Grundlage der Harmonisierung des Sonnen- und Mondjahres zur Berechnung der beweglichen Feiertage ist anders gewählt. Dabei verwirft Calvisius das seit der Antike prakti­ zierten System der Epakten, der veränderlichen Kennziffern des Kalenderjahres, die das Mondalter zum Jahreswechsel angeben, als zu ungenau. Stattdessen ver­ wendet er einen 76-jährigen Zyklus der mittleren Mondbewegung, wie sie sein Zeitgenosse, der bedeutende Astronom Tycho Brahe errechnet hat.552 Calvisius’ Vorschlag läuft also darauf hinaus, dass die Protestanten durch eine Übernahme eines dritten Kalenders weiterhin ihre Differenz zum Papst markieren, zugleich jedoch im Alltag eine Kongruenz der Kalender herrscht. Dieser Vorschlag, der nach dem Urteil Dirk Steinmetz’ eine „gute Grundlage für eine Einigung der Reichsstände“553 oder zumindest der Protestanten gewesen wäre, scheiterte allerdings aufgrund mangelnder Kontakte zu den Ständen und seiner Veröffent­ lichung auf dem Höhepunkt des konfessionellen Konflikts nach der Gründung von Union und Liga. Ein derartiger ‚Dritter Weg‘ aus der verfahrenen Situation im Kalenderstreit, wie ihn schon das Neustädter Gutachten angedeutet hatte, sollte im 17. Jahrhundert verschiedentlich neu diskutiert werden, wobei sich diese Möglichkeit nie durchsetzen konnte.554

550  Ebd., 6: „quod integritatem suam tuetur; quod nunquam contra Canones, Festorum mobilium celebratione commitit, & tamen usu & facilitate Gregoriano par vel melius est.“ 551  Duhamelle, Doppelte Osterfeier, 109. 552  Ebd., v. a. 17–45. 553  Steinmetz, Gregorianische Kalenderreform, 293. 554  Koller, Strittige Zeiten, 4 f., K altenbrunner, Polemik um den Gregorianischen Kalender, 83.



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Während Calvisius unter Protestanten kaum Widerhall fand, widmete der Jesuit Paul Guldin (1577–1643) dessen Kalenderentwurf zwei 1616 in Mainz ge­ druckte Kontroversschriften. Als Schüler und Nachfolger des 1612 verstorbenen maßgeblichen Kalenderapologeten Christoph Clavius sah sich Guldin berufen, seinen Vorgänger, den er durch den Leipziger Kantor Calvisius angegriffen sah, zu verteidigen.555 Als Druckort entschied er sich wohl aufgrund der oben genannten Gründe wie schon Clavius für Mainz. Der fähige Mathematiker Guldin – er zählte zu den wichtigsten Fürsprechern Galileis in Rom – greift Cal­ visius’ „Pseudocalendarium“556 in seiner über 500 Seiten starken ersten Schrift mit astronomischen Argumenten an. Keinesfalls sei die Berechnung auf Grund­ lage der mittleren Mondbewegung genauer als der Gregorianische Kalender, den Calvisius gleichsam plagiiere und verfälsche. Calvisius habe zudem kein rechtes Verständnis der jüdischen Kalenderrechnung, auf die er in der Berechnung des Osterfests rekurriert.557 Bei der wesentlich kürzeren zweiten Schrift handelt es sich lediglich um Paralipomena, also Ergänzungen und Anmerkungen zu seiner großen Schrift gegen Calvisius, wobei sich Guldin hier zusätzlich gegen dessen Vorbild Joseph Justus Scaliger richtet.558 Auch andere Mainzer Jesuiten, wie etwa Petrus Thyraeus und Nicolaus Serarius schöpfen in ihren Schriften das kontroverse Potential des Kalender­ streits aus, um ihre protestantischen Gegner als ignorante und eitle Zeitgenossen zu charakterisieren,559 die ansonsten keine Gelegenheit illegitimer Neuerungen ausließen, den Kalender jedoch zu Unrecht als Neuerung verschmähten.560

4.3.6.3. Fazit Auf den ersten Blick erscheint die Kontroverse um den Gregorianischen Ka­ lender als ein Possenspiel, in der die konfessionelle Spaltung die einheitliche Durchsetzung einer wissenschaftlich gut begründeten und fortschrittlichen Idee behindert hat. Und in der Tat lässt sich die Kalenderkontroverse zutreffend als Musterbeispiel gescheiterter interkonfessioneller Kommunikation beschreiben, was zu der über ein Jahrhundert andauernden parallelen Verwendung zweier 555  Guldin, Refutatio Elenchi, fol. †3r. 556  Ebd., 338 u. ö. 557  Ebd., bes. 524–532. 558  Guldin, Ad Refutationem Paralipomena. 559  Serarius, Minerval Divinis, 37. 560  Thyraeus, De Iure Vocationis, fol. E4r. In ähnlicher Weise argumentiert ein kontro­ verspublizistisches Gedicht des Mainzer Jesuitenschülers Heinrich Scholbroch, das 1609 ge­ druckt wurde (Ad Zetemation, ab Eglino, …, propositum). Die Publikation richtet sich gegen den reformierten Marburger Theologen und Alchemisten Raphael Eglin, der in einem Spottgedicht den Mainzer Professor Johannes Mulhusinus damit angegriffen hatte, dass die Katholiken wegen des neuen Kalenders mit Juden statt mit Christen Ostern feierten. Eglins Gedicht konnte in seinem Werk nicht ausfindig gemacht werden. Scholbroch gab dem Kontroversgedicht noch einen Prosaanhang hinzu, der in Anlehnung an Clavius inhaltlich argumentiert.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

Kalender in Europa führte.561 Die Protestanten brachten dabei, wie sich ge­ zeigt hat, sowohl rationale als auch irrationale und überzogene Kritik gegen den neuen Kalender vor, verweigerten sich dabei jedoch jeder Lösung, die eine faktische Übernahme des päpstlichen Kalenders mit sich gebracht hätte. Die Findung eines beidseitigen Kompromisses wurde zudem dadurch ausgeschlos­ sen, dass die Veröffentlichung des Kalenders durch eine päpstliche Bulle jegliche nachträglichen Zugeständnisse von vornherein ausschloss und eine offene Dis­ kussion auch auf katholischer Seite unmöglich machte. Der Blick auf die Kontroversschriften ergänzt diese berechtigte Sichtweise jedoch um erwähnenswerte Facetten. Zum einen hat sich der Diskurs auf pro­ testantischer Seite als durchaus vielfältig erwiesen. Das Neustädter Gutachten weist deutliche Unterschiede zu dem breiter rezipierten Heidelberger Gutachten Mästlins auf, indem es die Übernahme des Gregorianischen Kalenders als legi­ tim ansieht und die Möglichkeit eines dritten Alternativkalenders vorzeichnet. Hierfür mag nicht zuletzt die innerprotestantische Konkurrenz der beiden pfäl­ zischen Hochschulen während der Regierung Ludwigs VI. eine Rolle gespielt haben. Zum anderen zeigen sich auch in der interkonfessionellen Kontroverse um den Kalender die typischen Wirkweisen konfessioneller Konkurrenz. Es ist für sich genommen schon bemerkenswert, wie viele Schriften zwischen 1583 und 1618 zu dem mathematischen und astronomischen Spezialthema der Kalenderrechnung erschienen, insbesondere, wenn man die durch den Ka­ lenderstreit maßgeblich angeregte Wissenschaft der historischen Chronologie hinzurechnet. Ohne die Kontroverse wäre dieses mathematische Fachthema wohl nicht in dieser öffentlichen Breite diskutiert worden, wobei sich auch Theologen und andere Nichtmathematiker Grundzüge der Kalenderrechnung aneigneten. Dass die wissenschaftliche Betätigung in diesem Feld durch den Streit stimuliert wurde, zeigt sich auch an den Alternativkalendern, wie sie vom Neustädter Gutachten angedacht und von Calvisius umfangreich verwirklicht wurden, woraufhin weitere Entwürfe im 17. Jahrhundert folgten. Wer will, kann zudem Säkularisierungsgewinne im Kalenderstreit entdecken. Weder wurde der neue Kalender durch den Kaiser für alle Stände verpflichtend gemacht, wie es päpstlicherseits erwartet wurde, noch setzten die katholischen Territorialherren in Europa die Bestimmungen blind um. In Mästlins Ausführungen erscheint zudem motivisch der Gedanke, dass der Kalender in erster Linie für das „annus Politicus“, also für weltliche Zwecke in Wirtschaft und Gemeinwesen benötigt werde. Eine primär auf das Kirchenjahr bezogene und von der Kirche kontrol­ lierte Position des Kalenders ist für viele Akteure im konfessionellen Zeitalter bereits keine Option mehr.

561  In diesem Sinne etwa das Fazit Dirk Steinmetz’: Steinmetz, Gregorianische Kalender­ reform, 344–348.



4.3.  Kirchengeschichtsschreibung und Zeitkonzeptionen

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4.3.7. Fazit Die Betrachtung der Kontroversen zu historiographischen Themen gibt weniger über die Propria der konfessionellen Geschichtsbilder und der historiographi­ schen Traditionen der Konfessionskulturen Aufschluss, sondern verweist pri­ mär auf entscheidende Schnittmengen in der Herangehensweise an historische Streitthemen. In der konfessionellen Konkurrenzsituation hatten beide Seiten ein entscheidendes Interesse, ihre Geschichtssicht interkonfessionell kommuni­ kabel vorzutragen und zu verteidigen, sowie die Sicht des konfessionellen Gegen­ übers anzugreifen. Der Grund für diese von allen Konfessionen geteilte Hoch­ schätzung liegt vor allem im identitätsstiftenden und legitimierenden Potential der Geschichte. Die treibenden Grundfragen sind hierbei die Frage nach der Legitimität des Papsttums, wie es in den Kontroversen um die Konstantinische Schenkung und die „Päpstin“ Johanna zum Ausdruck kommt, und spiegelbild­ lich nach der Legitimität der Reformation und ihrer Einführung durch weltliche Herrscher, wie es nicht nur zum Jubiläum 1617 von Bedeutung war, sondern auch ausschlaggebend für die häufig anzutreffende historische Argumentation in politischen Kontroversen, beispielsweise um den Oath of Allegiance. Auf­ grund der großen Bedeutung der Kontroversen für die Historiographie im konfessionellen Zeitalter und der Historiographie für die Kontroversen kommt der katholische Kirchenhistoriker Hubert Jedin zu einem weitreichenden Ur­ teil: „Zugespitzt könnte man sagen: Die Kontroverstheologie hat die Kirchen­ geschichte hervorgebracht.“562 Sicherlich zustimmen kann man dieser Spitzenthese dahingehend, dass die Kirchengeschichtsschreibung durch die Kontroverspublizistik in ihrer Bedeu­ tung vorangebracht wurde und durch sie entscheidend verändert wurde. Für diese Veränderung bietet sich der oben ausgeführte Begriff der „Methodisierung“ an, wobei dieser Prozess keinesfalls monokausal auf die konfessionellen Kontro­ versen zurückgeführt werden kann. Auf der Grundlage des vor der Reformation ansetzenden humanistischen Erbes trugen sie jedoch mit dazu bei, die Ge­ schichtsschreibung zu verändern. Von zentraler Bedeutung ist hierbei der Be­ griff der Kritik. Dies umfasst zunächst allgemein einerseits den argumentativen Angriff auf die Position des konfessionellen Gegenübers. Andererseits bemühten sich viele Autoren der erwarteten Kritik der Gegner durch Selbstkritik zuvorzu­ kommen. Die historisch argumentierenden Kontroversschriften zeichnet das erkennbare Bemühen aus, die eigene Darstellung als objektiv wahr zu belegen, was sich bereits im Schriftbild durch eine ostentative Verwendung von Quellen­ belegen in Marginalglossen und Fußnoten auszeichnet.563 Diese Wirkung der 562  Jedin, Kirchengeschichtliches in der älteren Kontroversliteratur, 280. 563  Diesen Zusammenhang von konfessioneller Auseinandersetzung und der Entwicklung dieser Methoden zur Sicherung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit sieht auch Grafton, The Footnote from De Thou, 6 f.; Grafton., The Footnote, 159–168.

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

konfessionellen Konkurrenz erfolgte nicht nur in eine Richtung:564 wie sich an den spiegelbildlichen Kontroversen zur Konstantinischen Schenkung und zur „Päpstin“ zeigen lässt, hatten beide Konfessionsgruppen blinde Flecke, die von ihren Gegnern angegangen wurden. Hierbei ist zudem bemerkenswert, dass mit Caesar Baronius und David Blondel recht früh auch Gelehrte die Fehlannahmen der eigenen Konfession korrigierten, freilich ohne den kontroverstheologischen Anspruch aufzugeben. Im Speziellen lässt sich der Begriff der Kritik auch auf die konkreten Methoden anwenden, die hierbei zum Einsatz kommen. Die philologische Textkritik und die innere und äußere Quellenkritik wurden in den Kontroversschriften nicht erst entwickelt, wohl aber auf hohem fachlichen Niveau auch von Theologen, die auf diesem Feld keine ausgewiesenen Experten waren, angewandt und einem größeren Publikum vor Augen geführt.565 Ebenso wurden zahlreiche Editionsprojekte durch die konfessionelle Kon­ kurrenzsituation befördert.566 Hier sind einerseits nicht unbedingt kontrovers­ theologische aufgeladene Bemühungen zu verzeichnen, die eigene Tradition zu sichern und allgemein zugänglich zu machen. Diese Tendenz zeigt sich beispielsweise in der Hagiologie, so wurde etwa Serarius’ Edition der Boni­ fatiusbriefe in die Acta Sanctorum aufgenommen.567 Neben dem Druck von Kirchenväterschriften sowohl in Mainz als auch in Heidelberg gab der Mainzer Jesuit Johannes Busaeus auch eine Reihe geistlicher Quellen des Mittelalters heraus.568 Andererseits kam es zu Quelleneditionen mit eindeutig kontroversem Hintergrund, wie etwa Marquard Frehers textkritischer Ausgabe der für die Konstantinische Schenkung relevanten Kaiserurkunden. Indes lässt sich nicht immer eindeutig zwischen Editionen aus rein humanistisch-antiquarischem Interesse und kontroverstheologisch aufgeladenen trennen. Zudem ist bereits die reine Anzahl an Publikationen auch zu eher abseitigen historischen Themen und philologischen Spezialdisziplinen wie etwa der historischen Chronologie an sich beachtlich. Aus der konfessionellen Konkurrenzsituation ergibt sich auch hier eine stimulierende Wirkung auf die Schriftproduktion. Die Debatte zwischen Pareus, Calvisius und Scaliger verweist darauf, dass es auch innerhalb der Konfessionsgrenzen Differenzen zum Umgang mit his­ torischen Zeugnissen gab. Auch wenn sich die Haltung des Heidelberger Exege­ 564  So unter der Annahme einer protestantischen Überlegenheit Holl, Kulturbedeutung des Protestantismus, 525. Zur Bedeutung der Kontroversen für die Entwicklung der katho­ lischen Kirchengeschichtsschreibung vgl. auch Unterburger, Zwischen Irenik und Kontro­ verstheologie, 7 f.; Jedin, Geschichtliche Bedeutung der Kontroversliteratur, 96. 565  Vgl. zur Bedeutung der Phase vor dem Dreißigjährigen Krieg als „specialisation de la critique“ und den Anteil der Kontroverspublizistik an dieser Entwicklung Jehasse, Renais­ sance de la critique, 361–447. 566  Polman, Element historique, 54 f. 567  Serarius, Epistolae Sancti Bonifacii; Duhr, Die alten deutschen Jesuiten, 66. Vgl. Kap. 5.4. 568  Bertrand, Society of Jesus, 898.



4.4.  Ergebnisse – Das Ringen um die Wahrheit und deren Prüfsteine

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ten nicht ohne weiteres als blinder Fanatismus abtun lässt, zeigt sich, wie sehr konfessionelle Vorannahmen einem sachgerechten Umgang mit historischen Quellen im Weg stehen konnten. Zusammenfassend ergibt sich der Eindruck, dass dezidiert produktive Wirkungen des Konfessionellen auf die Entwicklung der Historiographie in Form einer „Methodisierung“ vor allem da zu sehen sind, wo sich katholische und protestantische Autoren kontrovers begegnen. Eng mit den Kontroversen historiographischen Inhalts verbunden sind zwei Streitpunkte, die die Ordnung der Zeit betreffen. Im allmählichen Herausbilden einer immer allgemeiner werdenden Jubiläumskultur kann man einerseits einen interkonfessionellen Transfer sehen, in dem das päpstliche Jubeljahr zu­ nächst auf akademische und kirchliche Einrichtungen übertragen wurde, zum anderen in der weiteren Betrachtung als ein Prozess der Säkularisierung einer religiösen hin zu einer bürgerlichen Gedenkkultur, zu dem die konfessionellen Auseinandersetzungen beigetragen haben. Die Auseinandersetzungen um den Gregorianischen Kalender lassen sich einerseits als Beispiel dafür auffassen, wie die konfessionelle Konkurrenz die Ausbreitung eines mathematisch besseren Kalenders behinderte und lähmte, andererseits ist die stimulierende Wirkung der konfessionellen Kontroverse auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema über die Fachgrenzen der Astronomie hinaus zu beachten, bei der auch zahlreiche innovative Alternativvorschläge eingebracht wurden.

4.4.  Ergebnisse – Das Ringen um die Wahrheit und deren Prüfsteine In diesem Kapitel sind Kontroversen zusammengefasst, die in der heutigen Wissenschaftswelt von einer Vielzahl separater Disziplinen bearbeitet würden. Von der klassischen exegetischen und systematischen Theologie erstreckt sich der Bogen über die Judaistik und Hebraistik, die Patrologie und Altphilologie, die Allgemein-, Kirchen- und Rechtsgeschichte, Historische Hilfswissenschaften bis zur Altorientalistik und Kalenderrechnung. Dabei sind die behandelten Schriften überwiegend von Theologen verfasst, die ihre Publikationstätigkeit in diesen Kontroversen sicherlich als ein vorrangig theologisches Wirken be­ trachteten. Die Kontroversen verbindet jedoch, dass sie Teil eines umfassenden Neuorientierungsprozesses der Theologie nach der Reformation sind. Sowohl die katholische Kirche als auch die protestantischen Kirchen sahen sich nach der Glaubensspaltung mit der Notwendigkeit konfrontiert, die Grundlagen des christlichen Glaubens und der theologischen Rede neu und in zuvor unbekann­ ten Frontstellungen zu überdenken und zu diskutieren. Die zentralen Fragen hierbei waren (und sind): Woran misst sich die Wahrheit einer theologischen Aussage? Welche Legitimität und Autorität kommt den jeweiligen kirchlichen Institutionen zu, da es nun mehr als eine Kirchenstruktur gibt, und worauf gründet diese Legitimität?

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4.  Kontroversen um die rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis

Um diese Fragen rangen die Kontroverspublizisten und sahen sich genötigt, in Rand- und Grenzbereiche der Theologie vorzudringen. Viele Themen wurden zwar auch schon zuvor durch Theologen bearbeitet, jedoch stimulierte die kon­ fessionelle Konkurrenzsituation die Publikationstätigkeit sichtbar. Zudem zeigt sich in den Kontroversen in Ansätzen eine beginnende Ausdifferenzierung der gelehrten Tätigkeit in einzelne Disziplinen. Viele Autoren arbeiten sich bewusst in bestimmte Themengebiete über längere Zeit ein, wie etwa Nicolaus Serarius in die Geschichtswissenschaft, David Pareus in die Chronologie oder Abraham Scultetus in die Patrologie, und führten Kontroversen, die zum Teil sehr eng auf ein Spezialgebiet begrenzt sind. Freilich ist die Unterteilung der Theologie in Teil- und Randdisziplinen zu dieser Zeit noch nicht sehr stark ausgeprägt. Die Kontroversen zwischen Scaliger einerseits und seinen Gegnern Serarius und Pareus andererseits lassen sich als Beispiele für Auseinandersetzungen nehmen, in denen die angegriffene Koryphäe des Spezialgebiets seine Gegner als Außen­ seiter und nicht ebenbürtig erachtet. Schließlich ist die Bedeutung des interkonfessionellen Austauschs in den Kon­ troversen über die Grundlagen und Quellen der Theologie hervorzuheben. Beide Konfessionsparteien wurden in den Auseinandersetzungen dazu provoziert, sich mit den Domänen des Gegners auseinanderzusetzen. Deutlich sichtbar wird dies anhand des klassischen Gegensatzes von Heiliger Schrift und Tradition. Durch die interkonfessionelle Kommunikation gingen einerseits Protestanten verstärkt auf die Kirchenväter und andere Elemente der kirchlichen Tradition ein, um diese für sich zu reklamieren oder in ihrer Bedeutung zu relativieren. Andererseits versuchten die Mainzer Jesuiten der verbreiteten Ansicht einer pro­ testantischen Überlegenheit in der Exegese entgegenzuwirken und bemühten dabei die Ursprachen in einer Weise, die sogar von der ordensinternen Zensur als unangemessen angesehen wurde. Sowohl die protestantischen Bemühungen um die Kirchenväter als auch die katholischen Bemühungen um die Bibel und allgemein die „Positive Theologie“569 (abgegrenzt von der spekulativen Theo­ logie) sind in vielen Fällen erkennbar kontroverstheologisch motiviert. Dies zeigt sich nicht nur in Werken wie Abraham Scultetus’ Kontroverspatrologie, sondern auch in den klassischen Kontroversschriften selbst. Zur besseren inter­ konfessionellen Kommunikabilität verweisen katholische Autoren vermehrt auf biblische Belegstellen und protestantische Autoren öfter auf die Kirchenväter, was sich, wie gezeigt, auch statistisch aufzeigen lässt. Das Resultat dieser kon­ fessionellen Transfers ist gleichwohl keine Angleichung des Umgangs mit Schrift und Tradition, sondern die Herausbildung eigener Wege und Umgangsformen 569  Dieser Begriff umfasst als Gegenstück zur Scholastischen Theologie die Prozesse inner­ halb der katholischen Theologie, die auf eine zunehmende Ausdifferenzierung der Theologie und theologische Studien auf Grundlage biblischer und historischer Quellen abzielen. Vgl. zur Anregung der positiven Theologie durch die Kontroversen mit den Protestanten Unterbur­ ger, Zwischen Irenik und Kontroverstheologie, 77.



4.4.  Ergebnisse – Das Ringen um die Wahrheit und deren Prüfsteine

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wie etwa der neuen, differenzierten Herangehensweise Scultetus’ an die Kir­ chenväter. In Bezug auf die historiographischen Kontroversen ist eine „Methodisierung“ als produktive Folge der konfessionellen Konkurrenzsituation zu konstatieren. Die beständige Beobachtung durch den konfessionellen Gegner und dessen Kritik beförderte die Anwendung bereits entwickelter philologischer und his­ torischer Methoden, um die eigene Position abzusichern und schwerer widerleg­ bar zu machen. Die angewandten Methoden wurden auch in anderen Bereichen der Theologie, etwa in der benachbarten Patrologie, gewinnbringend eingesetzt, um beispielsweise Pseudepigraphien zu erkennen.

5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie Anders als es der oft verwendete Epochenbegriff der „Orthodoxie“ suggeriert, ist die Theologiegeschichte im Zeitalter der Konfessionalisierung keinesfalls als eine der Reformationszeit bloß nachgeordnete Epoche wenig origineller Epigonen und statischer konfessioneller Streitigkeiten anzusehen. Die theologischen Grund­ entscheidungen der Reformationszeit wurden in den konfessionellen Theologien ausgebaut, erweitert und im Streit behauptet. Gerade die konfessionellen Kontro­ versen hatten ihren Anteil an der theologischen Dynamik dieser Epoche. So lässt sich Klaus Unterburgers Beobachtung, dass „der religiös-konfessionelle Konkur­ renzdruck in der Frühen Neuzeit die katholische Theologie, ihre Begründungs­ strukturen und ihre Argumentationsweise tiefgreifend in Frage gestellt und ver­ ändert“1 habe, auf alle Großkonfessionen anwenden. Diese Dynamik bezieht sich zunächst auf Einzelargumente und Detailfragen. Die übergeordnete Systematik und die Anliegen der anderen konfessionellen Theologien konnten und wollten die Kontroverstheologen nicht verstehen oder gar würdigen.2 Dennoch lässt sich oft im Detail nachvollziehen, wo die Kontroversen Spuren in den konfessionellen Theologien hinterließen. Dies gilt auch für die Auseinandersetzungen zu typischen kontroverstheologischen Topoi, an denen Heidelberger und Mainzer Gelehrte beteiligt waren. Hierunter zählen inter- und innerkonfessionelle Kontroversen um Gnade, Rechtfertigung und das Abendmahl, die seit der Reformation eine herausgehobene Position einnahmen. Hinzu kommen Auseinandersetzungen um die Frömmigkeitspraxis, die sich auf den Rosenkranz, das Heiligengedächtnis und die Verwendung von Bildern in Kirchen beziehen.

5.1.  Gnade und Rechtfertigung 5.1.1.  Martin Becanus und der Gnadenstreit 5.1.1.1.  Gegenstand und Verlauf des Gnadenstreits In allen drei Großkonfessionen wirkte sich das späte 16. und frühe 17. Jahr­ hundert prägend auf die weitere Entwicklung des theologischen Sprechens 1  Unterburger, Glaube, Zweifel und Gewissheit, 151. 2 Vgl. Dietrich, Theologie und Kirche, 109.



5.1.  Gnade und Rechtfertigung

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über Gnade und Rechtfertigung aus. Diese Entwicklung wurde von wichtigen innerkonfessionellen Streitigkeiten vorangetragen. Der Gnadenstreit, die „größ­ te dogmatische Kontroverse innerhalb der katholischen Theologie“3 hatte die Gnadentheologie des spanischen Jesuiten Luis de Molina (1535–1600) zum Gegenstand. Diese wurde durch die thomistischen Theologen der Dominikaner und die von ihnen personell besetzte Inquisition verurteilt. Hintergrund war der Umstand, dass das Konzil von Trient in der Gnadenlehre thomistische, scotisti­ sche und augustinische Traditionen aufnahm, die weiter bestehenden Differen­ zen jedoch zugunsten eines demonstrativen Konsenses ausklammerte.4 Ergebnis des Konzils war eine doppelte Abgrenzung sowohl von der reformatorischen Spitzenthese der Rechtfertigung allein aus Glauben als auch von geradezu semi­ pelagianischen Tendenzen, die in der spätmittelalterlichen Scholastik vertreten wurden. Gegen diese Auffassung, der Mensch müsse zum Erhalt der Gnade das ihm Mögliche tun, wurde in Trient die Notwendigkeit der zuvorkommenden Gnade betont. Ungeklärt blieb auch nach dem Konzil jedoch, wie das Verhältnis und Zusammenwirken von göttlicher Gnade und menschlichem Willen konkret zu denken sei. Einen innovativen Ansatz hierzu, dem ein Großteil der jesuitischen Theologen folgte, entwarf der im Laufe seines Lebens an verschieden spanischen Kollegien und Universitäten lehrende Molina. Kernpunkt der Konzeption Molinas ist die Betonung der Freiheit des menschlichen Willens auch nach dem Sündenfall und im Rechtfertigungsgeschehen, ein Unterfangen, das von der reformatorischen Theologie, aber auch von katholisch-thomistischen Theologen kritisch betrach­ tet wird. Vom spätmittelalterlichen Semipelagianismus grenzt sich Molina vor allem dadurch ab, dass er mit dem Tridentinum die uneingeschränkte Priorität der zuvorkommenden Gnade betont.5 Molina kommt hierbei zu einer neuen Bestimmung der gratia actualis. Hierbei handelt es sich um die göttliche Gnadenhilfe im aktualen Prozess der Ausrichtung des Menschen auf Gott hin, die sich von der gegebenenfalls fol­ genden Rechtfertigungsgnade (gratia iustificans/habitualis) unterscheidet. Die gratia actualis wird in der geläufigen scholastischen Terminologie aufgeteilt in die gratia sufficiens (hinreichende Gnade), die über allen Menschen ausgegossen wird und eine Willensentscheidung ermöglicht, und die gegebenenfalls nach­ folgende gratia efficax (wirksame Gnade), die notwendig unfehlbar ist, da sie konkret göttlichem Willen entspricht. Molinas Konzeption zielt nun darauf ab, dass die hinreichende und die wirksame Gnade nicht – wie im Thomismus ver­ treten – wesensverschieden sind. Die gratia efficax ist für ihn lediglich diejenige gratia sufficiens, die gegenüber dem freien Willen des Menschen Erfolg hatte. Gewissermaßen kann der freie Wille also die hinreichende in die wirksame 3  Jedin, Reformation, Katholische Reform, Gegenreformation, 572. 4  Hauschild, Gnade IV, 49 f. 5  Stegmüller, Molinismus, 528.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

Gnade verwandeln. Dies mag als eine bloß feine Nuancierung erscheinen, birgt jedoch theologische Sprengkraft. Machte Molina nicht somit – wie seine Gegner argumentieren sollten – den Erfolg der göttlichen Gnade, die doch unfehlbar sei, von menschlicher Zustimmung abhängig? Um mit seiner Betonung der menschlichen Freiheit nicht in Konflikt mit der souveränen Willensentscheidung Gottes zu treten, entwickelte Molina eine weitere Innovation, die sogenannte scientia media, das „mittlere“ Wissen Gottes. Nach scholastischen Begriffen lässt sich das Wissen Gottes in die scientia naturalis, das natürliche Wissen um das theoretisch Mögliche, und die scientia libera, das auf Gottes freien Ratschluss gründende Wissen um das schlechthin Zukünftige, einteilen. Molina führt nun den Begriff der scientia media ein, um auszudrücken, dass Gott nicht nur um das Mögliche und das Zukünftige wisse, sondern auch um das, was jeder Mensch in bestimmten Kontexten und Vor­ bedingungen getan hätte und tun würde. Im Wissen um diese futuribilia, die „kontingent zukünftige[n]“6 Dinge, könne Gott durch das Setzen bestimmter Kontexte nach seinem Willen walten, ohne dass die freie Willensentscheidung des Menschen auch in der Annahme der Gnade bedroht wäre. Die Frage, ob diese de facto durch die scientia media geschehende Vorherbestimmung vor oder nach dem Blick auf die menschlichen Verdienste geschieht (ante bzw. post praevisa meritum), blieb in den folgenden Jahrzehnten unter molinistischen Theologen umstritten.7 Diese von Molina dargelegten Konzeptionen zur Gnadenlehre stießen bei den thomistisch gesinnten Theologen des Dominikanerordens auf heftige Ab­ lehnung. Zu ihrem Wortführer entwickelte sich der Spanier Domingo Báñez (1528–1604), dessen Theologie anschließend als „Bàñezianismus“ dem „Moli­ nismus“ gegenübergestellt wurde. In seinem Hauptwerk De vera et legitima concordia liberi arbitrii cum auxiliis gratiae Dei efficaciter moventis humanam voluntatem (1600) bezieht er sich unter Anlehnung an andere Thomisten auf Molinas Hauptwerk Concordia liberi arbitrii (1588). Das Motiv seiner Kritik ist, dass er Gott im Gnadenakt nicht als bloßen Zuschauer denken will. Gott gebe als erster Beweger durch die praemotio physica allen Dingen seine Seins­ mitteilung mit. Erst diese „Vorherbewegung“ begründe zwingend die Freiheit des Geschöpfs als Zweitursache. Gratia sufficiens und gratia efficax sind daher für Báñez und die anderen Thomisten real verschieden. Die wirksame Gnade sei aus sich selbst heraus wirksam (gratia ex se efficax) und gebe dem Menschen die potentia ad usum. Sie sei unfehlbar und entstehe nicht durch den freien Willen des Menschen aus der hinreichenden Gnade. Im Vergleich zur molinistischen Konzeption wird also die Souveränität Gottes betont und der freie Wille des Menschen in sehr engen Grenzen gedacht. Darin sieht Otto Hermann Pesch 6  Lurz, Adam Tanner, 49; vgl. auch Dekker, Middle Knowledge, 4–7. 7  Martin-Palma, Gnadenlehre, 104.



5.1.  Gnade und Rechtfertigung

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die Thomisten um Báñez „sogar noch radikaler“8 als Luther in seiner Schrift De servo arbitrio. Die Molinisten wiederum betrachteten in der báñezianistischen Position die Gefahr, dass Gott durch die Betonung seines Wirkens als erster Beweger auch zum Urheber der menschlichen Sünden werde. Darin sahen Molina und seine Anhänger die Thomisten als „nahezu calvinistisch“9 an, da sie sich an die Lehre der doppelten Prädestination erinnert fühlten. Dadurch erhielt der Gnadenstreit für die jesuitischen Anhänger Molinas kontroverstheologisch eine zusätzliche Dimension. Zwischen diesen beiden Positionen entwickelten sich um 1600 einige Mittelund Kompromisspositionen. Die wichtigste dieser ist die maßgeblich auf Robert Bellarmin zurückgehende Vorstellung des Kongruismus, die unter Jesuiten breite Rezeption erfuhr. Angelehnt an eine Begriffsfindung Augustins variiert Bellar­ min die Position Molinas dahingehend, dass er die gratia efficax als diejenige gratia sufficiens definiert, die Gott mittels seiner scientia media als mit dem freien Willen kongruierend erkennt. Die hinreichende Gnade wird also nicht durch den freien Willen des Menschen zur wirksamen Gnade, sondern durch ihre größere Kongruität, also die harmonisierende Anpassung der göttlichen Gnade an den freien Willen. Der Vorwurf, Gott sei ein bloßer Beobachter im Akt der Gnadenannahme durch den Menschen, sollte somit entkräftet werden. Somit entwickelte Bellarmin, der Molina vor allem aus Ordensloyalität gegen die Dominikaner unterstützte,10 eine gemäßigte Position, die für viele Jesuiten attraktiv war, jedoch von den Thomisten ebenso abgelehnt wurde. Der Verlauf des sogenannten „Gnadenstreits“ kann an dieser Stelle nur im Abriss wiedergegeben werden.11 Bereits seit 1582 kam es in Spanien ausgehend von jesuitischen Disputationsthesen über die Gnadenlehre Thomas von Aquins zu schwelenden Streitigkeiten mit den Dominikanern und der Inquisition als deren Machtinstrument. Die Jesuiten auf der iberischen Halbinsel wehrten sich jedoch vehement gegen die Zensuren des Werks Molinas durch die Inquisition. 1597 rief Papst Clemens VIII. schließlich eine Kommission zur Prüfung der Thesen Molinas ein, die sogenannte Congregatio de auxiliis, die den Streit um die göttlichen Gnadenhilfen beenden sollte. Die (wie auch der Papst selbst) in breiter Mehrheit thomistisch gesinnte Kommission empfahl im Jahr 1600 schließlich die Verurteilung von 20 Sätzen Molinas, der in diesem Jahr verstarb. Anstatt diese voranzutreiben, verzögerte Clemens VIII. die Verurteilung der Molinisten, die von der Ordensleitung der Jesuiten und dem spanischen König Unterstützung erhielten, und rief stattdessen weitere Disputationen ein. 8  Pesch, Wille III, 92. 9  Edwards, Molina, 201; vgl. Smith, Freedom in Molina, bes. 114. 10  Wassilowsky, Robert Bellarmin, 270–272. 11  Die ausführlichste, wenn auch nicht ganz unparteiische Darstellung bietet immer noch Schneemann, Weitere Entwicklungen; vgl. auch Stegmüller, Gnadenstreit.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

Nach dem Tod des Papstes und seines nur vier Wochen amtierenden Nach­ folgers Leo XI. ließ schließlich der neue Papst Paul V. die Arbeit der Kommis­ sion wiederaufnehmen. Er selbst, der als Kardinal zuvor Teil der Kommission war und persönlich ebenfalls der thomistischen Seite zuneigte, zögerte aus strategischen Gründen, die Jesuiten mit einer Verurteilung zu schwächen. Er verzögerte die Arbeit der Kommission, indem er dem Wunsch der Molinisten entsprach, nicht nur darüber zu disputieren, ob Molinas Lehre als semipelagia­ nisch zu verurteilen sei, sondern auch darüber, ob die báñezianistische Position der calvinistischen zu nahe käme. Zwei Jahre später verkündete er lehramtlich eine Entscheidung: Da weder die Lehre der Thomisten der der Calvinisten ent­ spräche, noch die der Molinisten der der Semipelagianer, sei eine weitere Arbeit der Kommission nicht erforderlich. Von nun an sollten beide Seiten davon ab­ sehen, einander zu verurteilen, „dass nicht eine Seite ihr Gegenüber entweder derartig einordnet oder irgendeine Zensur erstellt.“12 Bedenkt man die Machtverhältnisse in der Kommission, war dieses 1607 verfügte Unentschieden im Gnadenstreit, das 1611 und 1625 erneuert wurde, „eher ein Sieg der Jesuiten“.13 Am 11. Dezember 1611 wurde die päpstliche Ver­ fügung dahingehend konkretisiert, dass von nun an keine Publikationen, die die strittigen Punkte der Gnadenlehre auch nur tangierten, ohne vorherige Approbation der Inquisition gedruckt werden durften.14 Mit dieser Regelung waren die zugrundeliegenden Differenzen in der Gnadenlehre keineswegs beendet. Der Streit mit den Dominikanern fand im Fortgang des Jahrhunderts einen Widerhall im Streit der Jesuiten mit den Jansenisten, die die augustinische Gnadenlehre gegen die jesuitische Betonung der Freiheit vertraten. Nachfolge­ streitigkeiten zwischen molinistisch gesinnten Jesuiten und Thomisten über die göttlichen Gnadenhilfen finden sich bis ins 20. Jahrhundert.15

5.1.1.2.  Martin Becanus’ Schriften zu Prädestination und freiem Willen Bald nachdem Martin Becanus seine Professur im Mainzer Jesuitenkolleg ange­ treten hatte, trieb er die Ausrichtung des Kollegs zu einem Standort anticalvinis­ tischer Kontroverstheologie voran. Neben der Abendmahlspolemik, in der die Mainzer nun kontroverstheologisch zwischen Schriften gegen Lutheraner und solchen gegen Reformierte differenzierten,16 setzte er einen Schwerpunkt seines eigenen Wirkens auf die Bekämpfung der reformierten Prädestinationslehre. Im Jahr 1602 veröffentlichte er die erste derartige Schrift unter dem Titel Disputatio 12  Paul V., De auxiliis seu de efficacia gratiae, Denzinger-Hünermann 1997: „ne quis partem suae oppositum aut qualificaret aut censura quapiam notaret.“ 13  Friedrich, Die Jesuiten, 175. 14  Jedin, Reformation, Katholische Reform und Gegenreformation, 572. 15  Pesch, Wille III, 9 f. 16  Vgl. Kap. 5.2.5.



5.1.  Gnade und Rechtfertigung

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Theologica De Duplici Praedestinatione; Calvinistarum Desperata Una; Catholicorum Orthodoxa Altera. Auch die weitere Arbeit an dieser Thematik erfolgte in von Becanus gestellten Disputationsthesen, mit denen er auch die Beschäftigung seiner Schüler mit dem reformierten Gegner anregte. Besonders pointiert formuliert Becanus in der 1604 veröffentlichten Dis­ putation An Deus Sit Auctor Peccati? Contra Calvinistas. Vel An alius sit Calvinistarum, alius Catholicorum Deus? Darin stellt er die Lehre der Calvinisten in eigens formulierten propositiones zusammen, die er mit aus Calvins Institutio Christianae Religionis entnommenen Zitaten belegt, um diese anschließend zu widerlegen. Mit diesem etwas unlauteren, jedoch nicht unüblichen polemischen Stilmittel kommt er zu folgender Spitzenthese: „Der Gott der Calvinisten ist der Urheber der Sünder, der Gott der Katholiken ist nicht der Urheber der Sünden. Also ist es nicht ihrer beider Gott.“17 Selbst in der polemischen Zuspitzung war es unüblich, wenn auch nicht ohne Vorbild, dem konfessionellen Gegner die Verehrung des gleichen Gottes ab­ zusprechen. Seinen Intimfeind David Pareus traf Becanus’ Polemik indes offen­ bar sehr hart. Bald darauf veröffentlichte der Heidelberger offenbar eine heute nicht mehr nachgewiesene oder ungedruckte Schrift und ließ die Frage auch von Schülern kontroverstheologisch disputieren.18 Hierauf reagierte Becanus mit neuen Thesen unter dem Titel Quaestiones Calvinisticae Contra Pareum, in denen er seine Vorwürfe bekräftigt. Becanus’ Beharren auf seiner polemischen Spitzenthese, der Gott der Calvi­ nisten sei als Urheber der Sünden wohl eher ein Teufel oder Dämon, blieb in den Folgejahren die treibende Kraft in der immer persönlicher werdenden Ge­ lehrtenfehde zwischen Becanus und Pareus. Gesteigert wurde die Auseinander­ setzung, nachdem die beiden Theologen diese Frage beim „Schwalbacher Kolloquium“ 1608 öffentlich disputiert hatten. Pareus hatte in Schwalbach die These Becanus’ dahingehend kritisiert, dass Becanus einen Fehler begehe, wenn er nur aus den Schriften Calvins auf den „Gott der Calvinisten“ schließe, da der Reformator keine normierende Autorität habe. Becanus verbreitete daraufhin, Pareus habe somit eingestanden, dass der Gott Calvins (wenn auch nicht der Gott aller Calvinisten) der Urheber der Sünde sei, was zu einem erneuten Streit­ schriftenwechsel führte.19 Becanus veröffentlichte 1606 insgesamt sieben in den Jahren 1602 bis 1605 gehaltene, teils schon als Einzeldruck erschienene Disputationen gegen die 17  Becanus, An Deus sit Auctor, in: Becanus, Enchiridion Variarum Disputationum, fol. 80r (falsch paginiert: 81r): „Deus Calvinistarum est Author peccati, Deus Catholicorum non est Author peccati; Ergo non est idem vtrorumque Deus.“ 18 Eine Pareusschrift dieses Inhalts ist in den Jahren 1604/05 nicht nachweisbar, wird jedoch von Becanus, Quaestiones Calvinisticae, fol. A3r genannt und vorausgesetzt. Eine im Dezember 1604 gehaltene von Pareus gestellte Disputation findet sich in Pareus, Disputatio­ num Theologicarum Vol. I, 483–495. 19  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 17–26.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

reformierte Prädestinationslehre in einem Sammelband. Zuvor noch nicht erschienen war die Disputation De Auxiliis Gratiae Contra Calvinistas. Vel Quam Liberalis sit in nos Christus in Conferendis Donis Gratiae? Der Einord­ nung in den Sammelband nach dürfte diese Disputation etwa 1605, also im Jahr der Wiederaufnahme der Beratungen der Congregatio De Auxiliis durch Papst Paul V., abgehalten worden sein. Wie bereits im Titel enthalten richten sich Becanus’ Thesen explizit gegen die Reformierten, insbesondere gegen die Heidelberger und Pareus. Deren Prädes­ tinationslehre sucht er damit zu widerlegen, dass Gott die gratia sufficiens, die hinreichende Gnade, über alle Menschen ausschütte. Eine Prädestination der Menschen zu ewigem Heil oder ewiger Verdammnis sei also ausgeschlossen, da es auf die Heilsannahme durch den Menschen ankomme. Diese Argumentation erfordert in ihrer Konsequenz, das Verhältnis von hinreichender und wirksamer Gnade zu bestimmen, auch wenn diese Unterscheidung durch die Protestanten gänzlich verworfen wird. Hierzu referiert Becanus zunächst die Position der Thomisten: „Manche glauben, [die wirksame Gnade] sei aus sich selbst heraus wirksam und diese Wirksamkeit bestehe durch die göttliche Vorherbewegung oder einer physischen Aktion Gottes, die aus sich selbst den Willen zum Übereinstimmen determiniere.“20

Mit der Bezeichnung als „aliqui“ umgeht es Becanus, in einer Kontroversschrift gegen die Protestanten innerkatholische Gegner namentlich anzugreifen. Durch den Verweis auf das thomistische Schlagwort der aus sich selbst heraus wirk­ samen Gnade und auf die Lehre der praemotio physica ist jedoch die Front­ stellung klar erkennbar. Dabei spricht Becanus sich eindeutig für eine andere These aus: „[…] zu Recht kann man sagen, dass die wirksame Gnade, insoweit man sie von der un­ wirksamen unterscheidet, nicht aus sich selbst wirksam sei, ohne Berücksichtigung der freien Mitwirkung des Menschen, sondern dass sie aus dem Gesamtgeschehen wirksam sei, also aus der freien Mitwirkung des Menschen.“21

Becanus, der in seinem Buch auch Molinas Concordia liberi arbitrii zitiert,22 bezieht auch die scientia media in seine Erwägungen mit ein, selbst wenn er diese bei einem anderen Namen nennt: „Denn Gott wusste vor Ewigkeiten, bevor er über die Verteilung der Gnadenhilfen ver­ fügte, durch das bedingte Wissen, welcher Mensch mit dieser oder jener Gnade, gesetzt 20  Becanus, Enchiridion Variarum Disputationum, fol. 264r: „Aliqui putant, [gratiam efficacem] ex se esse efficacem; & hanc efficaciam consistere in motione diuina; seu actione Dei physica, quae es se determinet voluntatem ad consensum, ita vt voluntas non possit non consentire.“ 21  Ebd., fol. 265r: „(…) recte dici potest, gratiam efficacem, quatenus distinguitur ab ineffica­ ci, non esse efficacem ex se, sine respectu ad liberam cooperationem hominis, sed esse efficacem ex euentu, seu ex libera cooperatione hominis.“ 22  Ebd., fol. 263r.273v.



5.1.  Gnade und Rechtfertigung

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dieser oder jener Umstände, zusammenwirken wird und welcher nicht. Dieses Vorwissen aber ist sicher und unfehlbar.“23

Mit diesem Verweis auf die scientia media, beziehungsweise scientia conditionata verteidigt Becanus den freien Willen des Menschen im Gnadenwirken gegen den Einwand, die Unfehlbarkeit der göttlichen Gnade und des göttlichen Willens sei dadurch gefährdet. Als Gegner sieht Becanus jedoch nicht die Thomisten, sondern die Reformierten vor sich. Becanus wendet sich aber auch gegen die Position, die gesamte Wirksamkeit der Gnade entspränge dem freien Willen des Menschen. Solch eine Sichtweise wäre „offensichtlich falsch“.24 Vielmehr erweist sich der Mainzer auch in der Gnadentheologie als treuer Anhänger Bellarmins, indem er dessen Kongruitätslehre aufgreift: „Denn wenn Gott jemanden an solchem Ort und Zeit und unter solchen Umständen, von denen er zuvor gesehen hat, dass dieser [in diesem Fall] frei übereinstimmt, schon heißt jene Gnade die passende [(kongruierende)] Gnade.“25

Auf dem Höhepunkt des Gnadenstreits formuliert Martin Becanus also eine Kontroversschrift, in der er eine molinistisch-kongruistische Position gegen die Reformierten vertritt. Seine Thesen zeigen, wie sehr der Gnadenstreit für einige Jesuiten kontroverstheologisch aufgeladen war.26 Becanus unterlässt es, die thomistisch-báñezianische Position namentlich zu verurteilen, dies wäre freilich in einer Kontroversschrift gegen die Reformierten strategisch ungünstig gewesen. Bezeichnend ist dabei jedoch, dass Becanus eine Disputation, die im Gnadenstreit sich gegen die Dominikaner richtende Thesen beinhaltet, als Kon­ troversschrift gegen die Reformierten ausweist. Offenbar hielt Becanus  – wie viele andere Jesuiten im Gnadenstreit  – die Frontstellung zumindest für ver­ gleichbar.27 Becanus zielt hierbei auch auf die Innenwirkung der Kontrovers­ schriften ab. Die der Disputation beiwohnenden Schüler und Studenten waren sowohl mit den interkonfessionellen als auch mit den binnenkonfessionellen Streitpunkten vertraut.

5.1.1.3.  Becanus im Konflikt mit Rom Becanus’ Schrift De Auxiliis Gratiae Contra Calvinistas erschien 1606 noch vor dem päpstlichen Verbot gegenseitiger Kondemnation und der seit 1611 gelten­ 23  Ebd., fol. 265r: „Deus enim ab aeterno, antequam quicquam statueret de distributione auxiliorum gratiae, praesciebat per scientiam conditionatam, quinam homines essent cum hac aut illa gratia, positis his aut illis circumstantiis, cooperaturi, & qui non essent. Haec autem praescientia est certa & infallibilis.“ 24  Ebd.: „apertè falsus“. 25  Ebd., fol. 264v : „Nam si Deus illam alicui conferat tali loco & tempore, & cum talibus circumstantiis, quibus positis praevidet fore, vt is liberè consentiat, jam illa gratia dicetur con­ grua.“ 26 Vgl. Martin-Palma, Gnadenlehre, 94–97. 27  Edwards, Molina, 201; vgl. Smith, Freedom in Molina, bes. 114.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

den Konkretisierung, nach der gedruckte Bücher, die Streitpunkte des Gnaden­ streits tangieren, nicht mehr ohne Approbation der Inquisition veröffentlicht werden dürfen. Dies hatte sich geändert, als Becanus im Jahr 1613 sein Tractatus Scholasticus De Libero Arbitrio publizierte. Diese Schrift ist zwar nicht explizit als Kontroversschrift ausgewiesen, richtet sich jedoch durchgehend gegen pro­ testantische Theologen, insbesondere Johannes Calvin. Möglicherweise haben zudem die Schriften Pareus’ gegen die Gnadenlehre Bellarmins, in der auch Fragen der Willensfreiheit prominent verhandelt werden (s. u.), den Mainzer Jesuiten zur Veröffentlichung angetrieben. Becanus, der als engagierter Publizist der Jesuiten sicherlich über die neue Rechtslage informiert war, hielt es nicht für erforderlich, für diese Schrift eine Approbation der Inquisition einzuholen. Lediglich der Provinzial der Jesuiten Heinrich Scheren approbierte die Schrift, wie es bei unbedenklicher Kontrovers­ literatur gängige Praxis war. Scheren erachtete offensichtlich ebenfalls Becanus’ Traktat als nicht von dem päpstlichen Verbot betroffen. In der Tat enthält Beca­ nus’ Schrift über den freien Willen keine expliziten Verweise auf den Gnaden­ streit und betrifft überwiegend scholastische Allgemeinplätze. Die noch in der vorangegangenen Schrift De Auxiliis Gratiae Contra Calvinistas beinhalteten Bezüge zu Molina und die Ablehnung der gratia ex se efficax tauchen 1613 nicht wieder auf. Allenfalls ein nicht kontrovers gegen die Thomisten aufgeladener Verweis auf die scientia media, beziehungsweise auf die nach Becanus’ schon zuvor gebrauchter Terminologie „Praescientia conditionata“,28 könnte als Bezug auf die Lehre Molinas verstanden werden. Das Problem der Gnadenhilfen und des Vorwissens Gottes werden hier nur in Abgrenzung zu rein protestantischen Positionen dargelegt. Dies wurde in Rom offenbar anders gesehen. Becanus, der in der Kontroverse um den Oath of Allegiance nur wenige Monate zuvor bereits negativ aufgefallen war und in einer Verkettung unglücklicher Umstände mit einem Werk sogar vorübergehend auf den Index verbotener Bücher gesetzt wurde,29 wurde von der ordensinternen Zensur streng überwacht. Ordensgeneral Claudio Acquaviva, der den Rektor des Mainzer Kollegs Balthasar Hager bereits gemahnt hatte, er solle die in seinem Haus entstehenden Bücher über die Gnadenhilfen strenger über­ wachen, mahnte Becanus in einem persönlichen Brief, er hätte in seinem Traktat „nach dem päpstlichen Verbot“30 mehr Vorsicht walten lassen sollen. In Rom be­ schäftigte sich ein vierköpfiges ordensinternes Zensorengremium mit Becanus’ Schrift, auch wenn die Inquisition bisher nicht auf Becanus’ aufmerksam wurde. In der Folge entschied Ordensgeneral Acquaviva, Martin Becanus zur Klärung 28  Becanus, Tractatus Scholasticus De Libero Arbitrio, 165–168: „bedingtes Vorherwissen“. 29  Vgl. Kap. 6.2.7. 30  Acquaviva an Becanus, 12.8.1613, ARSI Rhen. Inf. 5, fol. 418v–419r: „post prohibitionem pontificium“. Vgl. Acquaviva an Hager, 27.7.1613, ebd., fol. 412v und Acquaviva an Becanus, 10.8.1613, ebd., fol. 413v–414r.



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des Sachverhalts nach Rom zu zitieren, aufgrund des beschwerlichen Wegs und des ungewissen Ausgangs eine recht harte Disziplinarmaßnahme. Die Mainzer Jesuiten, namentlich vor allem Adam Contzen, setzten sich für ihren Ordensbruder in Rom ein und verfassten ein Libellus supplex pro P. Martino Becano Moguntia Romam evocato. Diese an den Ordensgeneral adressierte Bittschrift ist nur in einer italienischen Abschrift erhalten. Als wichtigstes Ar­ gument wird darin hervorgebracht, dass die Protestanten, unter denen Becanus aufgrund der Kontroverse um den Oath of Allegiance große Bekanntheit erlangt habe, die Vorladung als Beweis nehmen könnten, dass Rom die von Becanus gegen die Protestanten vertretene Lehre vom freien Willen verurteile.31 Tatsäch­ lich zog Acquaviva die Vorladung zurück. Hierzu könnte auch Becanus’ zu dieser Zeit erfolgende Berufung nach Wien beigetragen haben. Becanus hielt sich nach dieser Erfahrung sichtlich zurück. Der Abschnitt zum freien Willen ist in seinem späteren Hauptwerk Manuale Controversiarum Huius Temporis quantitativ auf ein Mindestmaß beschränkt und erhält keine Bezüge mehr zu den Gnadenhilfen.32 Der Konflikt zwischen Martin Becanus und der Ordensspitze zeigt Unter­ schiede in der Wahrnehmung zwischen den Mainzer Jesuiten und dem Ordens­ general in Rom. Während Acquaviva primär im Blick hatte, dass der Orden nicht durch eine mögliche Provokation der dominikanischen Inquisition vor dem Papst kompromittiert wird, ist für Martin Becanus und seine Mainzer Mit­ brüder die Kontroverse mit den Protestanten von übergeordneter Wichtigkeit. Auch der in Mainz ansässige rheinische Provinzial Scheren sah in dem Traktat nichts, das einer Approbation entgegenstünde. In der konfessionellen Kon­ kurrenzsituation ließ sich Becanus also, angetrieben von Publikationen seines Rivalen Pareus, zu einer Schrift hinreißen, aufgrund derer er beinahe nach Rom zitiert worden wäre.

5.1.2.  David Pareus, Robert Bellarmin und die Urstandslehre 5.1.2.1.  David Pareus und der Gnadenstreit David Pareus hatte sich schon 1603 zum ersten Mal mit der Rechtfertigungslehre Robert Bellarmins auseinandergesetzt. In drei Vorlesungen widmete er sich 1611 bis 1613 erneut den Thesen Bellarmins, diesmal unter Bezugnahme auf die An­ hänge der Kontroversien mit den Titeln De Gratia Primi Hominis, De Amissione Gratiae & Statu Peccati und De Gratia & Libero arbitrio, wobei er Bellarmins Argumentation darlegt und kritisch kommentiert. Die Vorlesungen wurden jeweils im Folgejahr der Vorlesung auch gedruckt. Über den innerkatholischen 31  Libellus supplex pro P. Martino Becano Moguntia Romam evocato [ital. Abschrift], ARSI Rhen. Inf. 5, 423r–v. 32  Becanus, Manuale Controversiarum, 386–388.

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Gnadenstreit war Pareus offenbar nur mäßig unterrichtet. Er verweist zwar auf Uneinigkeit unter seinen katholischen Gegnern über das Verhältnis zwischen hinreichender und wirksamer Gnade im Zusammenwirken des Menschen mit Gott, benennt jedoch keine konkreten Punkte und Personen. Ohnehin sind diese scholastischen Streitigkeiten für Pareus nichts weiter als „eitler Unfug.“33 Zudem beschäftigt sich der Heidelberger in seinen Ausführungen mit Aus­ nahme Bellarmins nicht mit zeitgenössischen katholischen Theologen. Wahr­ scheinlich auf die Ergebnisse seines Kollegen Abraham Scultetus zurückgrei­ fend,34 beschäftigt sich Pareus ausführlich auf rund 100 Seiten mit den Positionen der Kirchenväter zum freien Willen, wobei er 25 griechische und 25 lateinische Väter einzeln analysiert. Insbesondere Augustin führt er dabei gegen Bellarmin und die Scholastik an, die sich nicht auf die Kirchenväter berufen könnten.35 Ähnlich wie Scultetus lehnt Pareus eine von der Bibel unabhängige Autorität der altkirchlichen Väter ab, beruft sich aber kontroverstheologisch auf diese. In der Bibel sei nichts über den freien Willen zu lesen, das Problem sei folglich erst durch die Sophisterei in die Welt gekommen.36 Insbesondere die Willenslehre des Duns Scotus verwirft Pareus. Diesem wirft er „nicht nur Pelagianismus, sondern höchsteigentlich Epikureismus und Atheismus“37 vor. Sehr viel positiver stellt er Thomas von Aquin und dessen Lehre von der praemotio physica vor, in der auch er Elemente der Prädestination erkennen kann. Thomas sei jedoch von Bellarmin „verdorben worden“.38 Vor dem Hintergrund der betrachteten kontro­ verstheologischen Aufladung des Gnadenstreits auf Seiten der Jesuiten ist dies eine bemerkenswerte Aussage des reformierten Theologen Pareus.

5.1.2.2.  Interkonfessionelle Transfers in der Urstandslehre Ein interessanter Aspekt bei der Betrachtung der gedruckten Vorlesungen Pa­ reus’ gegen Bellarmin ist der Blick auf die dort stattfindende Rezeption der Kritik Bellarmins an der protestantischen Urstandslehre, die der wichtigste jesuitische Kontroverstheologe vor allem in De Gratia Primi Hominis entwirft. Wie Anselm Schubert eindrücklich aufzeigt, wurden von verschiedenen protestantischen Theologen des 17. Jahrhunderts Bellarmins Kritikpunkte eigenwillig angeeignet und zur konzeptionellen Weiterentwicklung der Urstandslehre benutzt.39 Als das „lutherische Problem“ bezeichnet Schubert die theologischen Folgen der protestantischen Ablehnung der katholischen Differenzierung der Gott­ 33  Pareus, De Gratia & Libero Arbitrio, 206: „inanis etiam est fucus“. 34  Vgl. Kap. 4.2.2. 35  Pareus, De Gratia & Libero Arbitirio, 838–938. 36  Ebd., 37 f. 37  Ebd., 609: „non modo Pelagianismum, sed ipsissimum Epicureismum, atheismum“. 38  Ebd., 609–615, Zitat 609: „depravatur“. 39  Schubert, Ende der Sünde, 32–58.



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ebenbildlichkeit. Nach dieser Tradition wird bei der Gottebenbildlichkeit – wie es nach der Übersetzung der Vulgata von Gen 1,26 möglich ist – zwischen der Abbildlichkeit (imago Dei) und der Ähnlichkeit (similitudo Dei) unterschieden. Die Abbildlichkeit des Menschen, die sich in seiner Vernunft ausdrückt, ist nach aristotetilscher Terminologie „natürlich“  – also das dem Menschen seit der Schöpfung zukommende Wesen, das aus eigener Kraft erreichbar ist. Die Ähnlichkeit, der Gottesbezug des Menschen in der Liebe, ist hingegen eine „übernatürliche“ Gnadengabe.40 Der Sündenfall bedeutet nach dieser Ansicht lediglich den Verlust der Ähnlichkeit (similitudo) als übernatürliche Urstands­ gerechtigkeit (iustitia originalis), worauf der Mensch auf den unverlierbaren Naturzustand (pura natura) des imago Dei zurückfällt. Die am biblischen Ur­ text ausgerichtete Ablehnung dieser Unterscheidung durch die Reformatoren hat daher potentiell weitreichende Folgen, da der Mensch nicht mehr nur auf seine eigene Natur zurückfallen konnte. Gemäß der geläufigen philosophischen Terminologie bezeichnen die reformatorischen Theologen die Gottebenbild­ lichkeit als Ganzes synonym als Natur (natura) und Substanz (substantia) oder Essenz (essentia) des Menschen. Welche Folgen diese Definition für die theologische Rede über den Sün­ denfall hat, blieb innerkonfessionell umstritten. Am weitesten geht der Gnesio­ lutheraner Matthias Flacius Illyricus (1520–1572), der den Menschen nach dem Sündenfall, der folglich die gesamte Natur und Substanz des Menschen betrifft, als imago Satanae mit veränderter Natur und Substanz auffasst. Aus Sicht seiner lutherischen Gegner droht dadurch jedoch in der Folge, dass entweder Gott als Urheber und Schöpfer der (Erb-)sünde zu denken wäre oder dem Teufel schöpferische Macht zuzugestehen wäre. Die Konkordienformel versucht den Streit beizulegen, indem sie die Erbsünde nicht als veränderte Substanz, sondern als Akzidenz der Substanz, als corruptio naturae begreift. Das theologische Problem, das mit der Identifikation des Gnadenstands des Menschen vor dem Sündenfall mit seiner Natur und Substanz einhergeht, war damit jedoch nicht für alle zufriedenstellend gelöst.41 Wie Anselm Schubert betont, ist hierfür die Einführung eines „nicht-essentialistischen ‚naturale‘-Begriff[s]“42 notwendig, der also, um die Einheit der Gottebenbildlichkeit nach dem Urtext zu wahren, die Urstandsgerechtigkeit als natürlich bezeichnet, ohne sie jedoch – wie es in der philosophischen Terminologie üblich war – zugleich auch als substantia und essentia zu bezeichnen. Bellarmin folgt in seiner Kritik an der protestantischen Urstandslehre der katholischen Tradition der Trennung in imago und similitudo. Dadurch ergeben sich auch theologische Konsequenzen für das Sprechen über Sünde und Recht­ 40  Zur scholastischen Unterscheidung von „natürlich“ und „übernatürlich“ in Bezug auf Gnade und Gottebenbildlichkeit vgl. Faber, Natur u. Gnade, 66 f. 41  Ebd., 40. 42  Ebd., 52.

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fertigung. Die Erbsünde besteht für Bellarmin und die anderen katholischen Theologen nicht in der Begierde (Konkupiszenz), sondern ist als Mangel an der übernatürlich mit der similitudo Dei verliehenen Urstandsgerechtigkeit eine Zustandssünde, die mit der Taufe weggewaschen wird. Der umstrittenen Frage, ob der Gnadenstand Adams vor dem Sündenfall, also die Urstandsgerechtigkeit (iustitia originalis), als natürlich oder übernatürlich aufzufassen ist, kommt also hohe kontroverstheologische Bedeutung in der Rechtfertigungslehre zu. Seine Argumentation gegen die Urstandslehre der Protestanten übernahm Bellarmin aus seiner früheren Kontroverse mit dem augustinistischen katho­ lischen Theologen Michael Bajus (1513–1589) in Löwen, der in seinem Werk De prima hominis iustitia (1564) in Teilen die reformatorische Theologe zur Natürlichkeit der Urstandsgerechtigkeit vertritt.43 Kernargument Bellarmins ist, dass es sich aus dem Wortsinn des Natürlichen verbiete, die Urstandsgerechtig­ keit des Menschen als natürlich und nicht übernatürlich aufzufassen. Der je­ suitische Kontroverstheologe entwirft hierbei eine Konzeption gegen Bajus und die Protestanten, nach der sich der Begriff „natürlich“ (naturalis) auf vier Arten definieren lässt:44 1.) Von Geburt an („a nativitate“), 2.) der Natur gemäß („na­ turae consentaneum“), 3.) notwendig zur Vervollkommnung der Natur („na­ turam juvat, ac perficit in operibus naturalibus“) und 4.) ein Teil der Natur oder aus der Natur (nur unter allgemeinem göttlichen Zutun) hervorgehend („aut est pars naturae, aut fluit a principiis naturae“). Bezogen auf die Frage der Urstands­ gerechtigkeit könne nur die vierte Definition angewandt werden. Nur diese könne dem Begriff „übernatürlich“ (definiert als etwas nicht ohne besonderes Zutun Gottes zustande Kommendes) gegenübergestellt werden. Zu behaupten, die Urstandsgerechtigkeit sei ohne besonderes Zutun Gottes zustande gekom­ men, sei aber selbst nach den Theologien Bajus’ und der Protestanten unsinnig. Anselm Schubert zeigt auf, wie es protestantischen Theologen, zuerst dem hessischen Reformierten Rudolph Goclenius d. Ä. (1547–1628), danach einigen lutherischen Theologen, gelang, Bellarmins Kritik für die eigene konfessionelle Theologie nutzbar zu machen.45 Diese wurde Goclenius bemerkenswerterweise durch die Kontroversschrift des Pareus vermittelt. In seiner gedruckten Vor­ lesung zu Bellarmins De Gratia primi Hominis widmet Pareus sich der Frage nach der Natürlichkeit oder Übernatürlichkeit der Urstandsgerechtigkeit, der er höchste Wichtigkeit einräumt: „Wen interessiert es, ob diese Gnade als natürlich oder übernatürlich bezeichnet wird? Ist es deshalb eine Logomachie [sc. sinnloser Streit um Worte]? Keineswegs. Es ist der Angelpunkt der daraus folgenden Kontroversen über die Erbsünde, den freien Willen, das 43  Ebd., 42–48. 44  Bellarmin, De Gratia primi Hominis, I, 5; vgl. Schubert, Ende der Sünde, 4 f. 45  Schubert, Das Ende der Sünde, 54, Anm. 77 verweist darauf, dass Goclenius Pareus als Gewährsmann nennt, gibt jedoch keine Stelle bei Pareus an.



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Zusammenwirken [Gottes und des Menschen in der Rechtfertigung], der Verdienste und allem, was damit zusammenhängt.“46

An der Frage entscheide sich also im Grunde die gesamte Rechtfertigungslehre. An der Grundentscheidung der reformatorischen Theologie, die Erbsünde nicht als sich mit der Taufe erübrigender Wegfall einer übernatürlichen Ur­ standsgnade, sondern als Konkupiszenz zu sehen, hängt der radikale Sünden­ begriff der Reformatoren. Dadurch, dass die Erbsünde als Begierde alle anderen Sünden begründet, wird die Fallhöhe des sündigenden Menschen erhöht, der ohne Gottes Gnade mit seinen Verdiensten in der Rechtfertigung verloren ist. Pareus unterlässt es daher nicht, auch darauf hinzuweisen, dass Bellarmin nicht mit Augustinus und anderen Kirchenvätern in der Frage der Sündhaftigkeit der Konkupiszenz übereinstimme.47 Pareus greift nun die vier von Bellarmin dargelegten Definitionen des Be­ griffs naturalis auf. Die Ansicht des Jesuiten, nur die vierte Definition („ein Teil der Natur oder aus der Natur nur unter allgemeinem göttlichen Zutun hervor­ gehend“) sei in diesem Fall anwendbar, weist Pareus allerdings zurück. Stattdes­ sen wendet er sich der ersten und der dritten Definition zu. Es sei sowohl zulässig zu sagen, dass Adam die Urstandsgerechtigkeit von Geburt an, also seit seiner Erschaffung, innehatte, als auch, dass die Urstandsgerechtigkeit der Natur helfe und ihr zur Vervollkommnung diene. Bellarmin, dessen Begründung, warum nur die vierte Definition anwendbar sei, Pareus nicht gelten lässt, gestehe also gleich zweimal ein, dass die Protestanten im Recht seien. Pareus ruft triumphierend aus: „Wir haben einen zweifach geständigen Angeklagten.“48 In terminologischer Anlehnung an die Definitionen Bellarmins entwickelt Pareus nun zwei eigene, mit denen sich die Natürlichkeit der Urstandsgerechtigkeit beschreiben lasse: „Ich sage, dass natürlich für Adam zunächst bedeutet, was auch immer seine Natur aus­ machte oder aus den Prinzipien der geordneten Natur aus sich selbst floss. Zweitens, welche Prinzipien der Natur auch immer zu deren Vollendung von sich selbst bereitliegen und ohne die die Natur in ihren Prinzipien nicht zuerst begründet war. Woher nämlich sollen wir die Natur und das Natürliche des Menschen erkennen, wenn nicht aus der ersten Schöpfung der Natur?“49

Pareus eignet sich somit also die erste und die dritte Definition Bellarmins an. Diese Übernahme erfolgt jedoch in kontroverser Abgrenzung zu dem Jesuiten, 46  Pareus, De Gratia primi Hominis, 24: „Naturalis an supernaturalis sicatur gratia quid interest? Inanis igitur λογομαχία? Minime. Cardo sequentium controversiarum de peccato Originis, lib. Arbitrio, cooperatione, meritis, hic volvitur.“ 47  Pareus, De Amissione Gratiae, bes. 756–768. 48  Pareus, De Gratia primi Hominis, 59: „Reum bis confitentem habemus.“ 49  Ebd., 60: „Dico, naturale Adamo fuisse primò, quicquid naturam eius constituebat, vel ex principiis naturae constitutae per se fluebat: Deinde, Quicquid principiis naturae ad eius perfectionem per se adjacebat: & sine quo natura in suis principiis non erat primitùs condita. Unde enim naturam & naturalia hominis aestimabimus, nisi ex prima creatione naturae?“

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der nur die vierte Definition gelten lassen wollte: „Wie es steht, steht unserer Meinung nach nicht die vierte, sondern die erste und dritte Definitionsweise Bellarmins zur Debatte. Der Widersacher verdreht deshalb den Gegenstand der Frage.“50 Darüber hinaus erörtert Pareus, dass der Begriff des Natürlichen, um den sich die Kontroverse dreht, differenzierter zu fassen ist. Er habe unterschiedliche Bedeutungen in der physischen und der ethischen Philosophie und sei auch in der Theologie zu differenzieren. Durch den Sündenfall werde nämlich zwischen der unversehrten Natur („integra natura“) vor diesem und der beschädigten Natur („corrupta natura“) nach dem Fall unterschieden. Soweit stimmt Pareus zunächst mit dem Lösungsversuch der Konkordienformel überein. Innovativ ist hingegen, wie der Heidelberger die von Bellarmin übernom­ menen Definitionen für die Urstandsgnade unter den Bedingungen der unver­ sehrten Natur weiter ausfüllt. Bellarmins erste Definition, also was zur mensch­ lichen Natur seit seiner Geburt beziehungsweise Schöpfung gehört, bezeichnet er auch als die „essentialia“51 und zählt unter anderem seine Seele, seinen Körper und seine Fertigkeiten dazu. Die dritte Definition Bellarmins, also was der Natur zur Vervollkommnung gereicht, bezeichnet Pareus als die „dotes perfec­ tiones“52 Adams. Hierzu zählt er die Gerechtigkeit (rectitudo), Unsterblichkeit und Glückseligkeit, also Attribute, die in der katholischen Tradition als über­ natürlich bezeichnet werden. Beide, sowohl essentialia als auch dotes, zählen für Pareus jedoch zu den natürlichen Dingen. Übernatürlich ist für ihn das, was über die essentialia und dotes hinausgeht. Adam hatte im Urstand also keine übernatürlichen Gaben Gottes inne. Zu diesen zählt Pareus erst die Charismata im Gnadenstand.53 Mit Hilfe Bellarmins hat Pareus also den „nicht-essentialistischen ‚natura­ le‘-Begriff “54 gefunden, den die protestantische Theologie in der Urstandslehre suchte. Anders als die essentialia sind die dotes zwar auch als natürlich definiert und grenzen sich somit von einer Differenzierung der Gottebenbildlichkeit ab, sind jedoch nicht mit dem Begriff der Essenz oder Substanz aufgeladen. Dies war zuvor durch die übliche synonyme Rede von natura, essentia und substantia nicht gegeben und wurde auch von der Einführung des Akzidenzbegriffs in der Konkordienformel nicht grundlegend gelöst. Durch diese Definition der nicht-essentiellen dotes, derer der Mensch im Sündenstand ermangelt, stellt der Sündenfall die protestantische Theologie nicht mehr vor die Herausforderung, dass dieser die Essenz und Substanz des Menschen nachhaltig schädigt. Es 50  Ebd.: „Unde apparet, non de quarto, sed de primo & tertio modo Bellarmini, secundo nostro, quaestionem esse. Statum igitur quaestionis pervertit aduersarius.“ 51  Ebd., 18; Übers.: (in etwa) „die das Wesen ausmachenden Dinge“. 52  Ebd., 19; Übers.: „Geschenke der Vervollkommnung“. 53 Ebd. 54  Ebd., 52.



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handelt sich also um einen interkonfessionellen Transfer innerhalb der Kontro­ versliteratur, der zugleich eine gänzlich neue Konzeption hervorbringt. Pareus eignet sich die katholische Trennung in naturalia und supernaturalia im Urstand durch die Unterscheidung in essentialia und dotes de facto an und entnimmt der Argumentation seines Gegners auch die Definitionen, um die Natürlichkeit der dotes zu behaupten. Diese Unterscheidung nimmt nur ein Jahr nach der Veröffentlichung der Kontroversschrift der Marburger Philosophieprofessor Rudolph Goclenius in seinem breit rezipierten Lexicon Philosophicum auf. Der Eintrag zu naturale geht unter allgemeinem Verweis auf Pareus auf die Problemstellung der Urstands­ lehre und Bellarmins Argumentation ein und bietet stellenweise ein wörtliches „Plagiat“ der Ausführungen des Heidelberger Theologen.55 Im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts verbreitete sich diese Trennung der natürlichen Gaben Adams im Urstand unter lutherischen Theologen. So entwickelte etwa der Wit­ tenberger Professor Balthasar Meisner (1587–1626) eigenständig und ebenfalls in Auseinandersetzung mit der Kritik Bellarmins eine ähnliche Unterscheidung wie Pareus.56 Es ist bezeichnend, dass diese Transferprozesse zunächst bei Pareus, dann auch bei Meisner in der kontroversen Auseinandersetzung unter den Bedingungen der konfessionellen Konkurrenzsituation erfolgten.

5.1.3.  Adam Contzen, David Pareus und die Dordrechter Synode 1618/19 5.1.3.1.  Adam Contzens Schriften zur Gnade und zum Arminianischen Streit Zur Verteidigung des von Pareus angegriffenen Bellarmin verfasste Adam Contzen, der nach dem Weggang seines Lehrers Becanus nach Wien nun der wichtigste Kontroverspublizist des Mainzer Jesuitenkollegs war, seine 1613 ge­ druckte Schrift Defensio Libri De Gratia Primi Hominis. Anstelle Bellarmins greift er darin Pareus unter anderem für dessen Konzeption der Natürlichkeit der Urstandsgerechtigkeit an. Ironisch lobt Contzen, dass Pareus immerhin einsehe, dass nach der vierten Definition Bellarmins eine Behauptung der Natürlichkeit der Urstandsgerechtigkeit nicht möglich ist. In seiner Rezeption der ersten und dritten Definition verhalte der Heidelberger sich jedoch unzulässig. Bellarmins Argumentation replizierend wirft Contzen ein, dass diese nicht als Gegenbegriff zu supernaturale taugten, welches fest als das, was nicht ohne besonderes Zutun Gottes zustande kommt, definiert sei.57 Pareus Unterscheidung in essentialia und dotes sei daher unsinnig, da die dotes per definitionem übernatürlich seien: 55  Goclenius, Lexicon Philosophicum, 74 f. Vgl. v. a. S. 745 mit Pareus, De Gratia Primi Hominis, 60. Zu Goclenius vgl. Freudenthal, Goclenius. 56  Schubert, Das Ende der Sünde, 56–58. 57  Contzen, Defensio Libri de Gratia, 162–168.

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„Die Gaben (dotes) der unversehrten Natur übertrafen das Natürliche. Deshalb sind sie weder den Prinzipien der Natur entnommen, noch natürlich. Wenn sie der Widersacher natürlich nennt, weil sie seit der Schöpfung und Ausschmückung der Natur sind, auch wenn sie nicht aus den Prinzipien der Natur entnommen sind, verteidigen wir dies gegen Luther und ungebildetere Menschen seines Schlags.“58

Diese etwa gleichzeitig mit Becanus’ Traktat über den freien Willen (s. o.) ver­ öffentlichte Schrift ereilte aufgrund der darin tangierten Gnadentheologie eine ähnlich intensive Aufmerksamkeit der ordensinternen Zensur in Rom. Da Cont­ zen jedoch Bezüge zur innerkatholischen Kontroverse um die Gnadenhilfen großräumig umging, wurde lediglich ein anderer Punkt beanstandet: Contzen solle seine zu häufige Zitation von Häretikern, in denen er diese teilweise sogar zur Unterstützung der eigenen Position heranzieht, durch Verweise auf die Kir­ chenväter und andere Autoritäten der katholischen Kirche ersetzen. Die Zitation von Ketzern hält Contzen jedoch für eine legitime Strategie der Kontroversschriften, die in Deutschland weit verbreitet sei, wie der Mainzer Je­ suit sich in einem Brief an Bellarmin verteidigt. Diese Ansicht teile im Grunde sein ganzes Kolleg: „Es ist nicht nur mein Urteil, sondern das aller, die ich in dieser Sache um Rat gefragt habe.“59 Zu seiner Rechtfertigung stellt Contzen Bellarmin sein Vorgehen als Teil einer größeren Strategie gegen das europäische Reformiertentum dar. Der katholischen Sache sei am besten genutzt, wenn sich die Uneinigkeit unter den Protestanten, insbesondere unter den politisch und militärisch besonders gefährlichen Reformierten, noch weiter verschärfe. In den Streitigkeiten über die Prädestinationslehre, die in dieser Zeit in den Nieder­ landen herrschen, sieht Contzen daher eine Chance. Anfang des 17. Jahrhunderts war der sogenannte Arminianische Streit in den Niederlanden die wichtigste innerkonfessionelle Auseinandersetzung unter reformierten Theologen. Die sich auf den Leidener Theologen Jacobus Arminius (1560–1609) berufenden Remonstranten (auch Arminianer genannt) lehnten weite Teile des Prädestinationsdogmas Calvins ab. Die Vorherbestimmung des Menschen zu Heil oder Verwerfung will Arminius als eine lediglich bedingte anstelle einer absoluten Prädestination verstanden wissen. Gott lässt dieser Vor­ stellung nach also zu, dass der Mensch seiner vorauseilenden Gnade widersteht und dass der Mensch die mit dieser Gnade verbundene Erlösung wieder ver­ liert, wenn er nicht fortgesetzt im Glauben an Christus verharrt. Zudem betonen die Remonstranten die Bedeutung des freien Willens des Menschen. Gegen diese Lehre wendeten sich die Kontraremonstranten, nach Arminius’ Leidener 58  Ebd., 170: „Dotes naturae integrae naturales superabat. Ideo nec ex principiis naturae, nec naturalis. Quod si naturalem dicit aduersarius, quia à creatione, & ornamentum naturae, et si non ex principiis naturae, nos eum contra Lutherum & rudiores sui ordinis homines defendemus.“ 59  Contzen an Bellarmin, 24.12.1613, abgedr. in: Döllinger/​R eusch, Moralstreitig­ keiten, II, 261: „Judicium non est meum, sed omnium, quos hac de re consului.“



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Gegenspieler Franciscus Gomarus auch Gomaristen genannt, die einen ortho­ doxen Calvinismus vertraten. Die Streitigkeiten setzten sich bis zur Synode von Dordrecht 1618/19 fort, in der die Lehre der Remonstranten verurteilt wurde. Bis heute gibt es jedoch eine eigenständige reformierte Kirche der Remons­ tranten. Den Arminianischen Streit interpretiert Contzen als eine „Auseinander­ setzung zwischen politischen und zelotischen Calvinisten“.60 Für ihn sind die Remonstranten demzufolge politici, bei Contzen ein durchweg negativ kon­ notierter Begriff, der Menschen mit gemäßigten Ansichten beschreibt, die nach Auffassung Contzens weltliche (politische) Interessen vor die Reinheit der Lehre setzen. Dies grenze sie von den „zelotischen“ Kontraremonstranten ab. Hieraus ergebe sich die Chance für die Katholiken, den innerreformierten Streit weiter zu befeuern und auszuweiten. In den Kontroversschriften will Contzen deshalb an die Position Arminius’ anknüpfen, den Contzen aufgrund seiner Positionen als den verständigsten der reformierten Theologen ansieht. Arminius bringe in seinen Schriften zum Ausdruck, „dass Bellarmin und die Papisten richtiger lehren als die Seinen.“61 Damit keine für die Katholiken nachteilige Einigung zustande kommt, sieht Contzen die Notwendigkeit zu handeln. Hierin nimmt Contzen seine spätere Haltung zur Heidelberger Irenik bereits vorweg.62 In der Tat zieht Arminius als Spitzenthese die Lehren der Lutheraner und Katholiken zur Prädestination dem Dogma einer absoluten doppelten Prädestination vor. Nach dem Urteil Eef Dekkers lässt sich Arminius sogar als „Molinist“ bezeich­ nen, da er den freien Willen betont und eine abgewandelte Form der scientia media in seine Theologie integriert.63 Nachdem sich Bellarmin und der Ordensgeneral Acquaviva persönlich bei Papst Paul V. für Adam Contzen verbürgten, entging dieser weiteren Diszipli­ narmaßnahmen, da festgestellt wurde, dass sich seine Schriften nicht mit den Gnadenhilfen befassten und nur zur Bekämpfung der Ketzer geeignet seien.64 Sein Programm zur Spaltung des europäischen Reformiertentums über die Niederlande hinaus setzt Contzen auch in seinen Schriften gegen Pareus um. Die Verteidigungsschrift für Bellarmin beginnt mit einer knapp 40-seitigen Vor­ rede an die Heidelberger Studenten. Diese will er von der Unlauterkeit ihres Lehrers Pareus überzeugen und ihnen die Spaltung der Reformierten vor Augen 60  Ebd., 262: „disputationis inter Calvinistam politicum et Calvinistam zeloten“. 61  Ebd., 261: „Bellarminum et Pontificios rectius docere quam suos.“ 62  Vgl. Kap. 5.2.5. 63  Dekker, Was Arminius a Molinist. Diese These ist freilich in der Forschung umstritten. Aus Sicht eines orthodoxen Calvinismus finden sich jedoch bestimmte Parallelen des Arminia­ nismus mit katholischen Positionen. 64  Bellarmin an Contzen, 15.4.1614, abgedr. in: Döllinger/​R eusch, Moralstreitig­ keiten, II, 263; Neben dem ausführlichen Briefkontakt mit Bellarmin stand Contzen zu diesem Thema auch mit dem Ordensgeneral in Kontakt, vgl. die Briefe Acquavivas an Contzen von Juni bis Dezember 1613 in ARSI, Rhen. Inf. 5, fol. 410v.419r.426v.

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führen, in der ausdrücklichen Hoffnung, sie würden sich von ihrer Konfession abwenden.65 Seine These ist, dass in Bezug auf die von Pareus vertretene Prädestinations­ lehre „der größere Teil der Evangelischen mit Bellarmin einer Meinung ist“.66 Um dies zu untermauern, bindet er die von der römischen Zensur monierten Zitate reformierter Autoritäten ein. Mit diesen will er aufzeigen, dass Hieronymus Zanchi, Sibrandus Lubbertus, Joseph Justus Scaliger, Theodor Beza und sogar Jo­ hannes Calvin selbst in der Prädestinationslehre nicht so weit gingen wie Pareus. Freilich reißt er hierzu Zitate unsachgemäß aus dem Zusammenhang. Contzen präsentiert Pareus dabei als Inbegriff des protestantischen Spalters. Wo dieser vordergründig gegen Bellarmin schreibe, bekämpfe er wissentlich auch zahlrei­ che protestantische Brüder, denen die Kontroversschrift höchsteigentlich gelte. „Schlau tadelt der verschlagene Greis [Pareus] jene Nebenbuhler unter dem Namen Bellarmins, damit er ohne Gefahr seinem Hass frönen kann. Wer sind also jene Doktoren? Ich antworte: Arminius, Bertius, Piscator, Venator, Folcker, Wtenbogaert, Popp, Borreus, Nikolaus Johann Arnold, Episcopius [Simon Bischop] und den Zankapfel Konrad Vor­ stius sowie all ihre Anhänger und Patrone, die Städte, Fürsten und Universitäten der erlauchtesten Generalstaaten.“67

In Wirklichkeit habe es also Pareus auf die niederländischen Remonstranten ab­ gesehen, wenn er gegen Bellarmin schreibt. Als Ausweg aus der protestantischen Misere bietet Contzen den Heidelberger Studenten, an die er sich richtet, die katholische Konfession an. In gleicher Stoßrichtung legte Contzen 1614 in Crudelitas Et Idolum Calvinistarum Revelatum gegen Pareus nach. Diese Schrift wendet sich gegen alle drei gedruckten Vorlesungen Pareus’ zur Rechtfertigungslehre Bellarmins. Besonde­ ren Wert legt Contzen darauf, die Nähe Arminius’ zur katholischen Position zu erweisen. Er zitiert ihn mehrfach als Kronzeugen, um die alte katholische Kontroversthese zu beweisen, Calvin und seine Anhänger machten Gott zum Urheber der Sünde.68 Verweise auf den Arminianischen Streit finden sich bei Contzen auch in den Folgejahren bis zur Dordrechter Synode. Deutlich wird dies etwa in seinen Schriften zum Reformationsjubiläum 1617, das die Heidelberger als Demonstration protestantischer Geschlossenheit zu inszenieren suchten.69 65  Contzen, Defensio Libri de Gratia, 2: „Causa scribendi mihi, defensio veritatis, & cura vestrae salutis, animus mihi est, vestra studia, & commoda promovere.“ 66  Ebd., fol. )(:)(v : „maior pars Evangelicorum cum Bellarmino sentit“. 67 Ebd., 24: „Cate igitur versutus senex [Pareus] illos aemulos sub nomine Bellarmini perstringet, vt odio suo absque periculo indulgeat. Quinam igitur Doctores illi? Respondeo: Arminius, Bertius, Piscator, Venator, Folckerus, VVtenbogaert, Poppius, Borreus, Nicolaus Ioannes Arnoldi, Episcopius, & pomum eridis Conradus Vorstius, omnium horum clientes, & patroni, Illustrissimi ordines foederatarum ciuitatum, Comites, Academiae.“ 68  Contzen, Crudelitas et Idolum Calvinistarum, 350.35 f. 363. 69 Vgl. Contzen, Iubilum Iubilorum, fol. )(4v–)(6r; Contzen; Coronis Omnium Iubilo­ rum, fol. (?)(?)4r. Vgl. Kap. 4.3.4.3.



5.1.  Gnade und Rechtfertigung

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5.1.3.2.  David Pareus’ Briefgutachten auf der Synode von Dordrecht Im Streit zwischen Remonstranten und Kontraremonstranten sollte die Synode von Dordrecht, die vom 13. November 1618 bis zum 9. Mai 1619 tagte, eine endgültige Entscheidung bringen. Die von den Remonstranten in fünf Punkten zusammengestellte Lehre sollte dabei diskutiert werden, wobei die Remons­ tranten schnell feststellen mussten, dass die Mehrheit der Abgeordneten auf ihre Verurteilung hinzielte. Trotz des Charakters als Nationalsynode wurden aus dem reformierten Europa  – aus Großbritannien, der Kurpfalz, HessenKassel und weiteren reformierten Territorien im Reich sowie aus der Schweiz – Delegierte eingeladen, um deren Votum gebeten wurde. Die niederländischen Reformierten waren mit der Universität Heidelberg auch personal verbunden. Während Gomarus als Wortführer der Kontraremonstranten wie viele seiner Landsleute in Heidelberg studiert und ebenda bei Jakob Kimedoncius promo­ viert wurde, berief sich Arminius mit Georg Sohn auf einen anderen Heidel­ berger Professor.70 Die Kurpfalz wurde auf der Synode von Abraham Scultetus, Heinrich Alting und Paulus Tossanus, dem Sohn Daniel Tossanus’, vertreten. Welche Autorität die Pfalz als politisch wichtigstes Territorium im Reich auf der Synode einnahm, zeigt sich auch daran, dass dem Heidelberger Katechismus in Dordrecht Bekenntnisrang zugesprochen wurde. Pareus, der bekannteste lebende Heidelberger Theologe, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Niederlande reisen. Als reformierte Autorität europäischen Ranges wird er jedoch in den Akten der Synode mehrfach genannt oder zitiert.71 Zudem wurde Pareus die Ehre zuteil, dass ein Sendbrief mit einem von ihm verfassten Gutachten in der Synode verlesen, diskutiert und in die Akten auf­ genommen wurde. Sein Brief und das Gutachten datieren auf den 31. Oktober 1618 und wurden offenbar den Pfälzer Delegierten auf den Weg mitgegeben. Verlesen wurden sie erst in der Endphase der Dordrechter Synode am 5. und 6. März 1619. In dem Brief parallelisiert er eingangs die militärische Bedrohung durch die katholischen Spanier mit der Bedrohung durch katholische Kon­ troversisten im Reich: „Uns quälen die nahegelegenen Babylons mit Verleum­ dungen und Schwertern bitteren Spotts mit Feuer der Zwietracht; euch der nahegelegene Feind, der euer Verderben beabsichtigt.“72 Recht eindeutig spielt Pareus hier auf Adam Contzen an, der aus Mainz, einem „benachbarten Baby­ lon“, den binnenkonfessionellen Streit anfachen wollte. Es ist bezeichnend, wie Pareus über die Ansicht der Remonstranten urteilt, die vorauseilende Gnade Gottes sei für den Menschen widerstehbar (resistibile). Dieser Begriff der widerstehbaren Gnade sei schrecklich und barbarisch. Bar­ 70  Lee, Prädestinationslehre der Heidelberger, 169. 71  Acta et Documenta Synodi Nationalis, ed. Sinnema/​Bischof, I, 48.377.383.445. 72  Ebd., I, 202: „Nobis vicini Babylonij, calumniarum & sarcasmorum gladijs ignem dis­ cordiae fodicabant; vobis vicinus hostis, exitio vestro invigilabat.“

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

barisch sei er, da der Begriff resistibile grammatisch unzulänglich sei und, soweit ihm bekannt, bei keinem antiken Autor vorkomme. Schlimmer noch, einen solchen Begriff verwendeten nicht einmal Bellarmin und die Jesuiten. Durch den Gebrauch dieses Worts erwiesen sich die Remonstranten somit nicht nur als ungebildet, sondern als ‚schlimmer als Bellarmin‘. Pareus sieht sich durch die Thesen der Remonstranten an Bellarmins im Gnadenstreit erprobte Lehre der hinreichenden und wirksamen Gnade und der Rolle des freien Willens er­ innert.73 Noch an einer anderen Stelle überträfen die Remonstranten die Lehre Bellarmins in ihrer Falschheit. Der Jesuit lehre immerhin, dass die Prädestinati­ on zum Heil die Beständigkeit im Glauben bewirke. Dadurch, dass die Remons­ tranten lehren, der erwählte Mensch könne diese Gnade verlieren, wenn er nicht beständig im Glauben bleibe, wichen sie somit mehr von der rechten Lehre nach Röm 8,30 ab, als es Bellarmin tue. Pareus überträgt also seine Ablehnung Bellarmins auf die Remonstranten und sieht deren Lehre – ganz so wie Adam Contzen es tut – gefährlich nahe an der katholischen Lehre, die sie im Einzelfall sogar an Falschheit übertreffe. In einer am 1. Februar 1619 anlässlich der Semestereröffnung als Rektor der Universität gehaltenen Rede über die laufende Synode von Dordrecht findet Pareus versöhnlichere Töne gegenüber den Remonstranten. Die Schuld am Ausbruch des Streites verortet Pareus freilich bei den Anhängern des Armini­ us, wenn auch nicht bei Arminius selbst.74 Als Vorbild für die Synode sieht er jedoch  – auf eine Einigung hoffend  – das Apostelkonzil (Apg 15) an. Es gelte nun, die wahre Lehre von der Rechtfertigung gegen das Papsttum als gemein­ samem Feind zu bekennen.75 Ähnlich wie Pareus verhielten sich auch die drei kurpfälzischen Delegierten Scultetus, Alting und Tossanus auf der Synode von Dordrecht. Sie versuchten angesichts der empfundenen katholischen Bedrohung eine Einigung herbei­ zuführen, stellten sich jedoch letztlich entschieden gegen die Remonstranten. Scultetus berichtet in seiner Selbstbiographie, sie hätten versucht, […] erstlich zwar die Parten mit einander zu versühnen, darnach, als keine Hoffnung der Versühnung mehr vorhanden war, die rechte Lehre von der Freyheit der Gnaden Gottes und von der Knechtschaft des freien Willens des Menschen nach allem Vermögen zu ver­ tädigen.76

Die Remonstranten nahmen Scultetus und die anderen Pfälzer freilich als heftige Gegner ihrer Position auf.77 Der Hauptkritikpunkt der Heidelberger Theologen in Dordrecht war, dass durch die Rede von einer bedingten Prädestination 73  Ebd., 21 f. 74  Pareus, Oratio De Synodo Nationali, 8 f. 75  Ebd., 30. 76  Scultetus, Selbstbiographie, 76. 77  Benrath (Hrsg.), [Scultetus,] Selbstbiographie, 77, Anm. 177.



5.1.  Gnade und Rechtfertigung

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und verlierbaren Gnade den Gläubigen der Trost genommen werde. Statt der Gewissheit des Heils im Wissen um die eigene Erwählung kehre der schädliche papistische Zweifel an der eigenen Rechtfertigung wieder ein.78 Auch hier zeigt sich der bei Pareus dominante Einfluss der konfessionellen Konkurrenzsituation auf die eigene Position. Contzens Bemühungen, die Reformierten zu spalten, trugen – wenn auch nicht als einziger Faktor – dazu bei, dass Pareus und die Heidelberger einerseits die Einigung aller Reformierten gegen die Katholiken betonten, andererseits in Dordrecht ein hohes Abgrenzungsbedürfnis gegenüber den Remonstranten an den Tag legten.

5.1.4. Fazit Die Lehre zu Gnade und Rechtfertigung im Zeitalter der konfessionellen „Or­ thodoxien“ zeigt sich im Blick auf die interkonfessionellen Kontroversen dyna­ mischer, als es einer verbreiteten Sicht auf diese Zeit entspricht. In allen drei Konfessionsgruppen kam es zu internem Streit über das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Freiheit und Zusammenwirken in der Gnade. Die binnen­ konfessionellen Kontroversen – der Gnadenstreit, der Arminianische Streit und auch die hier nicht thematisierten Majoristischen und Synergistischen Streitig­ keiten im Luthertum79 – waren mit den interkonfessionellen Kontroversen ver­ knüpft. In unterschiedlichem Ausmaß sind interkonfessionelle Transferprozesse und gegenseitige Beeinflussungen des Kontroversenfortgangs sichtbar, die es weiter zu erforschen gilt.80 Becanus’ Ausführungen zu den Gnadenhilfen in seiner 1606 gegen Pareus und die Calvinisten verfassten Disputation zeigen einmal mehr, wie sehr aus Sicht der Jesuiten ihre Ablehnung der bàñezianistischen Position mit ihrer Ablehnung der protestantischen Theologien verknüpft ist. Becanus und in abgeschwächter Form auch Contzen gerieten 1613 in den Blick der römischen Zensur. Für die Mainzer Jesuiten, inklusive ihres Provinzials, war es offenbar selbstverständlich, dass ihre Kontroverspublizistik gegen die Reformierten nicht von dem päpstlichen Druckverbot betroffen war. Hier zeigt sich, wie sehr die Kontroverspublizisten auf die konfessionelle Konkurrenzsituation ausgerichtet waren. David Pareus machte hingegen die kontroverstheologischen Gedanken seines Gegners für die eigene konfessionelle Theologie fruchtbar. Hierzu eignet er sich Bellarmins Definitionen des Begriffs naturale an und passt die protestantische Position in der Urstandslehre durch die Unterscheidung in essentialia und dotes derart an, dass sie von der Kritik des Jesuiten nicht mehr in gleicher Weise be­ 78  Selderhuis, Recht Gottes, 25 f.; Lee, Prädestinationslehre der Heidelberger, 19 f. 79 Vgl. zur Kontroverse um die Rechtfertigungslehre Georg Majors und den „Gnesio­ lutheranern“ Dingel (Hg.), Der Majoristische Streit. 80  So auch Wassilowsky, Robert Bellarmin, 270.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

troffen ist. Der interkonfessionelle Transfer dieses „nicht-essentialistischen ‚na­ turale‘-Begriff[s]“81 setzte sich mit der Aufnahme im lutherischen Bereich fort. Schließlich ist auch die Position Pareus’ und der Heidelberger Delegierten auf der Synode von Dordrecht stark von der konfessionellen Auseinanderset­ zung mit den Katholiken geprägt. Auch wenn sich die Prädestinationslehre der Heidelberger Reformierten maßgeblich in Kontroversen mit den lutherischen Nachbarn profilierte,82 reflektiert besonders Pareus in seinem Schreiben an die Synode die Rolle der benachbarten Jesuiten, die die Reformierten verleumdeten und zu spalten versuchten. Die auf der Synode geschehene Verurteilung der Re­ monstranten durch die Pfälzer wird in gewisser Hinsicht von Adam Contzen vorweggenommen. Um den innerreformierten Streit aus strategischen Gründen weiter anzufachen, betont Contzen  – wie nachfolgend Pareus  – die Nähen zwischen Remonstranten und Katholiken. Wie hoch Contzens Beitrag zum Standpunkt der kurpfälzischen Delegierten letztlich ausfällt, lässt sich freilich schwer beziffern.

5.2.  Innerprotestantische Abendmahlskontroversen und die „Heidelberger Irenik“ 5.2.1.  Einführung – Das Konzept der „Heidelberger Irenik“ Die „Heidelberger“ oder „Pfälzische Irenik“ gehört zu den in der Forschung am häufigsten diskutierten Konzepten zu Geschichte und Eigenart der reformierten Theologie in der Kurpfalz vor dem Dreißigjährigen Krieg. Gemeint ist eine ausgleichende, irenische Grundhaltung, die sich in den Schriften mehrerer Heidelberger Theologen zeige. Als Ziel dieser Irenik lässt sich in den Worten Eike Wolgasts eine „Minimalisierung der Lehrdifferenzen“83 zwischen Lu­ theranern und Reformierten ausmachen. Nach dem vorläufigen Abschluss der lutherischen Lehrentwicklung in der Konkordienformel 1577/80 und der fortschreitenden Marginalisierung der philippistischen Mittelpartei hätten die Heidelberger eine konfrontative Position weitgehend aufgegeben und eine spezifische Theologie entwickelt, um auf die Lutheraner zuzugehen. Inhaltlich entwickle die Heidelberger Irenik neue Kriterien, um dies zu leisten. Anstatt dem Beharren auf einer notwendigen Übereinstimmung in allen Lehrpunkten führten die kurpfälzischen Reformierten den „Begriff des Heilsnotwendigen“84 und den „Begriff der Fundamentalartikel“85 ein. Somit wäre lediglich ein Grund­ 81  Ebd., 52. 82  Lee, Prädestinationslehre der Heidelberger, 39–46.148–153; Selderhuis, Recht Gottes, 252. 83  Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 184. 84  Ebd., 184. 85  Ebd., 185.



5.2.  Abendmahlskontroversen und „Heidelberger Irenik“

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konsens zur Einigung vonnöten – in der Abendmahlsfrage etwa die Ablehnung der Transsubstantiation und des Messopfers. Auf der Grundlage einer solchen „Komplexitätsreduktion“86 hätte es zu einer Übereinkunft in – anachronistisch gesprochen – „Versöhnter Verschiedenheit“ kommen können, was das Gros der Lutheraner dieser Zeit jedoch heftig zurückwies. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Heidelberger Irenik werden der Hof­ prediger Bartholomäus Pitiscus, David Pareus, dessen Irenicum als „Zentralund Höhepunkt“87 der Entwicklung angesehen wird, sowie – wenn auch „nur mit Vorbehalt und partiell“88  – dessen Lehrer Zacharias Ursinus. Über diese hinaus werden teilweise auch Franciscus Junius und Abraham Scultetus zu den Vertretern dieser Strömung gezählt. Für ihr publizistisches Engagement für eine Annäherung der Evangelischen untereinander macht Gustav Adolf Benrath zwei Motive aus, die in der Forschung weithin anerkannt sind:89 Zum einen waren die pfälzischen Reformierten auf die reichsrechtliche Anerkennung ihres Konfessi­ onsstandes angewiesen. Da der Augsburger Religionsfrieden nur die Confessio Augustana anerkannte, musste sich Kurfürst Friedrich III. auf dem Augsburger Reichstag 1566 die Gleichstellung erkämpfen, die bei jedem Herrschaftswechsel prekär blieb. Die Reformierten, die politisch auf die anderen evangelischen Stände angewiesen waren, hatten somit ein größeres Interesse an einer Über­ einkunft als die Lutheraner. Zum anderen ist als weiteres Motiv das Erstarken der Gegenreformation im späten 16. Jahrhundert auszumachen. Durch die euro­ päische Vernetzung der Reformierten und die geteilte Verfolgungsperspektive waren die pfälzischen Theologen besonders sensibel für diese Entwicklung.90 In Bezug auf die „Heidelberger Irenik“ sind einige Forschungsfragen um­ stritten oder noch nicht abschließend geklärt. Hierzu zählt, ab wann sich sinn­ voll von einer Heidelberger oder Pfälzischen Irenik sprechen lässt, und damit verbunden, wer als Vertreter dieser anzusehen ist. Hinzu kommt die Frage nach den Wurzeln und konkreten Motiven der Irenik, ihr Verhältnis zur Polemik, die von den Autoren gleichzeitig betrieben wurde, und damit oft verbunden die Frage nach der Aufrichtigkeit des irenischen Anliegens. Schließlich werfen ähn­ lich geartete Konzepte von Theologen aus anderen reformierten Territorien die Frage auf, ob es sich bei diesem Phänomen tatsächlich um ein kurpfälzisches Proprium handelt. Um zur Beantwortung dieser Fragen beizutragen, sollen im Folgenden nicht nur die irenischen Schriften selbst betrachtet werden. Aus dem Konzept der Heidelberger Irenik lässt sich postulieren, dass – wenn es sich um eine aufrichtige Friedenstheologie gegenüber den Lutheranern handelt – im Zuge 86 Ebd. 87  Benrath, Irenik und Zweite Reformation, 353. 88  Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 183. 89  Benrath, Irenik und Zweite Reformation, 35 f. 90  Auf diese starke antikatholische Grundprägung der Heidelberger Irenik hat bereits Hans Leube aufmerksam gemacht: Leube, Kalvinismus und Luthertum, I, 50–53.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

der Entwicklung dieser neuen Grundhaltung ein Wandel auch in den Kontro­ versschriften nachzeichnen lässt. Es ist davon auszugehen, dass die Heidelberger Irenik eine Abkehr von antilutherischer Polemik beziehungsweise eine Umkehr zu ausschließlich antikatholischer Polemik bewirkte oder gar voraussetzte. An­ hand der Entwicklung der pfälzischen Kontroversschriften soll dieser Wandel untersucht werden, der Aufschluss über Beginn und Motive der Heidelberger Irenik geben soll.

5.2.2.  Das kontroverstheologische Profil der reformierten pfälzischen Abendmahlsschriften Um die kontroverstheologische Ausrichtung der Heidelberger um 1600 und ihre Entwicklung darzustellen, bietet sich die Thematik des Abendmahls an, da es die wohl populärste und am intensivsten geführte Kontroverse zwischen den Konfessionen war. Dabei sind die Differenzpunkte besonders deutlich und auch für Laien verständlich gezogen worden. Durch die Stellung des Abendmahls als Gemeinschaft stiftendes und dokumentierendes Sakrament, als Kommunion, werden hier stärker als in anderen Streitfragen kirchentrennende Grenzen markiert. Zudem handelt es sich um eine Kontroverse, in der die Reformierten mit Lutheranern und Katholiken gleichermaßen stritten. Schon seit De Captivitate Babylonica Ecclesiae Praeludium, einer der reforma­ torischen Hauptschriften Luthers, war das Abendmahl, das zentrale Sakrament der mittelalterlichen Kirche, Gegenstand des Glaubensstreits. Schnell weitete sich der Konflikt aus, da einige Reformatoren über Luthers Kritik an der altgläubigen Messe hinausgingen und andere Schwerpunkte setzten. Die Auseinandersetzung zwischen Luther und den Zürcher Reformatoren um Huldrich Zwingli, die 1525 ihren publizistischen Höhepunkt hatte, prägte die spätere Debatte zwischen „Lutheranern“ und „Reformierten“ noch weit über das konfessionelle Zeitalter hinaus. Luther, der an der altgläubigen Lehre die Transsubstantiationslehre, das Messopfer und die Verweigerung des Laienkelchs kritisiert, will grundsätzlich an der realen Präsenz Christi im Abendmahl festhalten, um das Bibelwort „Dies ist mein Leib“ uneingeschränkt gelten zu lassen. Zwingli versteht das Abend­ mahl als Gemeinschafts-, Erinnerungs- und Bekenntnismahl, womit für ihn stärker das menschliche als das göttliche Handeln beim Abendmahl im Fokus steht. Daher lösen sich Zwingli und seine Anhänger von der Vorstellung einer Realpräsenz, die ihnen rational zuwider ist, während dieses Konzept für Luther notwendig für das Heilsgeschehen im Abendmahl ist. In späteren Jahrzehnten kreiste die innerprotestantische Kontroverse maßgeblich um die zu großen Teilen von Luthers Nachfolgern entwickelte Vorstellung der Ubiquität. Um zu plausibilisieren, auf welche Weise Jesus im Abendmahl präsent sein kann, da er ja – wie Reformierte ihren Gegnern vorhielten – in den Himmel aufgefahren sei, entgegneten die Lutheraner, dass Jesus seiner göttlichen Natur nach all­



5.2.  Abendmahlskontroversen und „Heidelberger Irenik“

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gegenwärtig sei und diese Eigenschaft durch die „communicatio idiomatum“ der menschlichen Natur mitgeteilt werde, welche wiederum die Möglichkeit der realen, leiblichen Präsenz einbringe. Da die Reformierten diese Vorstellung ablehnten, umfasst die Abendmahlskontroverse auch christologische Fra­ gestellungen zu Himmelfahrt und Zwei-Naturen-Lehre. Hinzu kamen Fragen des Zeremoniells: die Reformierten bestanden auf dem Ritus des Brotbrechens vor dem Abendmahl und lehnten Hostien und Messgewänder rigoros ab, die von Lutheranern meist als unschädlich angesehen wurden. Bemühungen, diese beiden Grundpositionen auszugleichen, entstanden – und scheiterten – bereits früh. Zu nennen sind etwa das von Landgraf Philipp angestrengte Marburger Religionsgespräch, das in allen Punkten außer dem Abendmahl eine Einigung ergab, und die Bemühungen Martin Bucers, die zur Wittenberger Konkordie 1536 führten, insgesamt aber nur bedingt von Erfolg gekrönt waren. Bereits die allmähliche Hinwendung der Kurpfalz unter Friedrich III. zum reformierten Bekenntnis begann mit einer Auseinandersetzung um das Abend­ mahl. In der 1559 eskalierenden Auseinandersetzung mit dem reformierten Dia­ kon Klebitz unterlag der gnesiolutherische Superintendent Tilemann Heshusen, nachdem sich ein Gutachten Melanchthons und der frisch ins Amt gekommene Friedrich „der Fromme“ zu Gunsten der reformierten Seite ausgesprochen hatten. Auch der Heidelberger Katechismus, der 1563 den Religionswechsel der Kurpfalz dokumentierte und zementierte, grenzt sich nicht nur von den Altgläubigen ab. Die Passagen zum Abendmahl (FA 75–82) weisen ein klar reformiertes Profil philippistischer Prägung auf.91 Die lutherische Lehre zur Re­ alpräsenz und zu Christologie und Himmelfahrt (FA 48–50) wird dabei implizit abgelehnt, jedoch nicht so schroff wie die „bäpstliche[] meß“, welche „ein ver­ maledeyte abgötterey“92 sei. Somit lässt sich dem Heidelberger Katechismus zwar das Bemühen anmerken, Lutheraner nicht in gleicher Weise zu verurteilen wie Katholiken, dennoch ist die Abendmahlstheologie des Katechismus nur in dem Sinne ein „consensus Heidelbergensis“,93 dass er die Bandbreite der reformierten Position zusammenfügt, ohne aber auf Lutheraner große Rücksicht zu nehmen. Dies zeigt sich auch in der Rezeption des Heidelberger Katechismus’ in anderen Territorien, wo er auch von manchen eher der lutherischen Seite zugeneigten Philippisten abgelehnt wurde.94 Auch wenn die Heidelberger ihren Status als Augsburger Konfessionsverwandte behaupteten, ist es daher in der Tat „wenig hilfreich“,95 die Heidelberger Irenik in Ansätzen bereits in den 1560er-Jahren 91 Vgl. Bierma, Doctrine of the Sacraments. 92 Heidelberger Katechismus, FA 80, ed. Goeters, Kirchenordnung, 358. Vgl. Beyer, Abendmahl und Messe. 93  Bierma, Doctrine of the Sacraments, 42. 94 Vgl. Goeters, Entstehung und Frühgeschichte, 19–23; Dienst, Weder „Eutychianer“ noch „Nestorianer“. 95  Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 181.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

anzusetzen oder gar den Katechismus als Teil der Entwicklung zu deuten.96 In dieser Zeit war es schlicht politisch überlebensnotwendig, die Gemeinsamkeiten auf Grundlage der Confessio Augustana (in der veränderten „Variata“-Fassung von 1540) zu betonen, da hieran die reichsrechtliche Anerkennung durch den Augsburger Religionsfrieden gebunden war. Zu einer neuen Situation kam es nach dem Tod Friedrichs III. 1576 und dem Amtsantritt Ludwigs VI., der die reformierte Religionspolitik seines Vaters weitgehend umkehrte. Die reformierten Gelehrten sahen sich gezwungen, zu Ludwigs Bruder Johann Kasimir ins Neustädter Exil zu gehen. Pfalzgraf Johann Kasimir erwies sich in Abgrenzung zu seinem älteren Bruder als „Motor eines deutlich calvinisch geprägten Widerstands gegen das Konkordienbuch“.97 Zu­ gleich trieb der Pfalzgraf jedoch gesamtprotestantische Einigungsbemühungen an und war maßgeblicher Initiator des letztlich wenig ertragreichen Frankfurter Konvents 1577, auf dem ein gesamteuropäisches, evangelisches Defensivbünd­ nis unter Einbezug Englands und ein theologischer Minimalkonsens verhandelt werden sollte.98 Im Kontext dieser Ereignisse erschien 1578 in Neustadt die Trostschrifft An alle guthertzige Christen so von wegen der reynen vnd vom Papistischen saurteyg gesäuberten Lehr der Sacramenten des Daniel Tossanus. Die Schrift richtet sich vordergründig gegen die Katholiken, zeigt aber immer wieder ihre Hauptstoßrichtung gegen die Lutheraner und insbesondere die Kon­ kordienformel. Die Hindernisse für eine Einigung sieht Tossanus ausschließlich auf lutherischer Seite, etwa, dass diese „noch viel Päpstische Ceremonien unn gepräng“99 beibehielten und einen „vnverstandt“100 in der Auslegung der bib­ lischen Worte zum Abendmahl an den Tag legten. Insgesamt liest sich Tossanus’ Schrift eher als eine Apologie der eigenen reformierten und einen Angriff auf die lutherische Lehre denn als eine im Kern irenische Schrift.101 Die Trostschrifft er­ lebte eine überregionale Rezeption und provozierte mehrere lutherische Gegen­ schriften, darunter eine Antwort und grundtliche Widerlegung Der vermeindten Trostschriftt durch den Straßburger Lutheraner Johann Marbach.102 Gegen diese „widerwertige, trutzige Lesterschrift“103 verfasste Tossanus wiederum eine Verantwortung, die im Vergleich zur Trostschrifft einen härteren Ton anspricht. Nach der Publikation des Konkordienbuchs 1580 fiel es Zacharias Ursinus zu, die offizielle Entgegnung der pfälzischen Reformierten zu verfassen.104 Die Admonitio Christiana wurde noch im Erscheinungsjahr in die Volkssprache 96 Vgl. Holtmann, Pfälzische Irenik, 38; Sarx, Heidelberger Irenik, 170–187. 97  Dingel, Concordia Controversa, 104. 98  Ebd., 115–129. 99  Tossanus, Trostschrifft, fol. A4v. 100  Ebd., fol. B5v. 101  In dieser Hinsicht ausgeführt bei Sarx, Heidelberger Irenik, 178–183. 102 Vgl. Dingel, Concordia Controversa, 13 f. 103  Tossanus, Verantwortung, Titelseite. 104 Vgl. Dingel, Concordia Controversa, 132–136.



5.2.  Abendmahlskontroversen und „Heidelberger Irenik“

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übersetzt und mehrfach nachgedruckt. Eike Wolgasts Urteil, Ursinus’ Schrift lasse sich „nur mit Vorbehalt und partiell“105 der Irenik zuschlagen, rührt daher, dass sich Ursinus im Namen aller Neustädter Reformierten in aller Deutlichkeit vom Konkordienbuch abgrenzt. Die unterzeichnenden Lutheraner sieht er in gefährlicher Nähe nicht nur zu den Katholiken, sondern auch zu altkirchlichen christologischen Häresien. Die Confessio Augustana betrachtet Ursinus als von den Lutheranern verletzt. Die Übersetzung Christliche Erinnerung vom Concordibuch ist in der Wortwahl sogar noch härter und verurteilt die „wider­ wertige Lehr vnd Reden“106 der Lutheraner unmissverständlich. Eher lässt sich von einem „irenischen Epilog“ der Admonitio Christiana sprechen.107 Im letzten Abschnitt macht Ursinus den Vorschlag eines gegenseitigen Kondemnationsver­ zichts und wirft die Idee einer gesamtprotestantischen Synode als Gegenentwurf zum Trienter Konzil auf, ein Konzept, das bereits von anderen Protestanten ein­ gebracht wurde.108 Als einzig erfolgreichen Ausgang einer solchen Synode sieht Ursinus jedoch eine faktisch sehr weit gehende Übernahme der reformierten Lehrpunkte durch die Lutheraner an. Die für die spätere Heidelberger Irenik konstitutive Beschränkung auf nur wenige heilsnotwendige Zentrallehren ist bei Ursinus noch nicht in gleicher Weise ausgeprägt. Sowohl Ursinus als auch Tossanus bemühen sich jedoch um eine sachliche, wenn auch kontroverse Aus­ einandersetzung mit der Konkordienformel. Auch der Neustädter Lehrer und spätere Heidelberger Ethik- und Rhetorikprofessor Simon Stenius gab 1582 unter Pseudonymen Schriften zum Konkordienbuch heraus, die nur wenig ire­ nisch sind.109 Eine erneute Änderung der Lage ergab sich nach dem Tod Ludwigs VI. 1583, mit dem der bisher in Neustadt residierende Johann Kasimir als Kuradminis­ trator stellvertretend für den unmündigen Sohn Ludwigs die Regentschaft über­ nahm. Damit waren die Weichen für eine Recalvinisierung der gesamten Kur­ pfalz nach einer kurzen Übergangsphase gestellt. Eine besondere Problemlage ergab sich daraus, dass einige lutherische Nachbarterritorien die staatsrechtliche Legalität der Vormundschaftsregierung Johann Kasimirs und insbesondere die Veränderung des Bekenntnisstands anzweifelten.110 Normative Grundlage des Bekenntniswechsels war ein Mandat Johann Kasimirs vom 19. Februar 1584, das das Verhältnis der Evangelischen untereinander in der Kurpfalz regeln sollte. Primär spricht das Mandat ein allgemeines Kondemnationsverbot aus und ver­ weist auf eine grundlegende Einigkeit insbesondere in der Abendmahlsfrage, wo 105  Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 183. 106  Ursinus, Christliche Erinnerung, 520. 107 Vgl. Ursinus, Admonitio Christiana, 415–455. 108  Dingel, Concordia Controversa, 110–114. 109  Claviger [Ps.: Stenius], Satyra in novam discordem; Balaeus [Ps.: Stenius], Examen recitationum; vgl. Hoche, Sten, Simon. 110 Vgl. Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz, II, 144–155.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

ein „mißverstand allein […] de modo praesentiae“111 herrsche. In diesen Konsens werden jedoch lutherische Maximalpositionen ausdrücklich nicht aufgenom­ men: „außgenommen [sei], was etliche wenig unrüwiger leuth für kurtzen jaren auß allerley streitschriften für seltzame disputationes von der person Christi geholet und auf die bane gebracht haben“.112 Überhaupt erkennt das Mandat die Lutheraner in der Kurpfalz nicht als eigenständige Konfession an, die Träger von Minderheitenrechten werden könnten, sondern lediglich als rückständigere Evangelische.113 Somit werden Toleranz- und Übergangsbestimmungen mit der notwendigen Rücksicht auf die Schwachen begründet. In der Praxis kam hinzu, dass die Auslegungsgewalt, welche Äußerungen unter das Kondemnationsver­ bot fallen sollten, in reformierter Hand lag. An der Universität wurde die Rückkehr der reformierten Exulanten aus Neu­ stadt und die geplante Recalvinisierung der Theologischen Fakultät durch eine öffentliche Disputation zum Abendmahl begleitet, die sich als „manipulierter Schaukampf “114 herausstellen sollte. Ein erster Termin am 4.12.1583 war an Unstimmigkeiten in Verfahrensfragen gescheitert. Die lutherischen Professoren wollten ein offenes Kolloquium auf Augenhöhe veranstalten. Die Reformierten und der Hof hingegen zielten auf eine private Positionsabgrenzung ab.115 Zu­ stande kam schließlich eine Disputation, die vom 4. bis 14. April in neun Halb­ tagssitzungen abgehalten wurde. Als Praesident trat der reformierte Theologe Johann Jacob Grynaeus auf, als Respondent der ebenfalls reformierte Student Markus Bäumler aus Zürich. Den Lutheranern blieb somit nur die Möglichkeit, als aus dem Publikum aufgerufene Opponenten aufzutreten. Die Zuhörerschaft bestand zum Großteil aus der Professoren- und Pfarrerschaft und sowohl lu­ therischen Studenten aus Heidelberg als auch reformierten aus Neustadt. Hinzu kamen Teile des Hofs und am Eröffnungstag sogar der Kuradministrator selbst, um die Bedeutung des Ereignisses zu unterstreichen. Die Lutheraner mussten schnell erkennen, dass sie ihr Anliegen in dieser Disputation nicht adäquat wür­ den vertreten können. Nachdem lutherischen Opponenten wie den Heidelber­ ger Professoren Philipp Marbach (1550–1611) und Jacob Schopper (1545–1616) wiederholt durch fürstliche Räte das Wort entzogen wurde, verlagerten sich ihre lutherischen Studenten auf nonverbale Missfallensbekundungen wie das Tram­ peln mit den Füßen. Trotz des eher unrühmlichen Ablaufs der Disputation nahm sie die reformierte Partei als Grundlage der beschleunigten Recalvinisierung der Universität mit einem weitgehenden Austausch der Professorenschaft. Offiziell wurde dies nicht mit dem Lehrunterschied begründet, sondern damit, dass die 111 Mandat Johann K asimirs, 19.2.1584, ed. Sehling, 512. Vgl. Kap. 6.3.5. 112 Ebd. 113  Dementsprechend lässt sich das Mandat nicht mit Holtmann, Die pfälzische Irenik, 198 als irenisch einordnen. Vgl. auch Wolgast, Heidelberger Irenik, 19 f. 114  Kohnle, Kleine Geschichte der Kurpfalz, 99. 115  Kohnle, Die Heidelberger Disputation, 458–562.



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Lutheraner im Umfeld der Disputation gegen das Kondemnationsverbot ver­ stoßen hätten.116 Marbach und seine Kollegen protestierten schriftlich gegen den Verlauf der Disputation, für die Grynaeus einen Sieg der reformierten Seite reklamierte. Burkhard Struve berichtet 100 Jahre später in seiner Pfälzischen Kirchengeschichte, es habe daraufhin „eine geraume und gute Zeit […] in der gantzen Statt Heydelberg ein grosses und bestendigs Geschrey“117 gegeben. Nach der Disputation begann der publizistische Kampf um die Deutungs­ hoheit. Die Reformierten ließen Grynaeus’ Thesen und seine Abschlussrede drucken. Die Rede bezeichnet die lutherischen Opponenten mehrfach abfällig als „Sophisten“ und richtet sich primär an die studentische Jugend in Heidel­ berg, die bisher nach lutherischer Lehrtradition unterrichtet wurde. Grynaeus’ verweist darauf, dass auch Eusebius von Caesarea in seinen frühen Tagen Aria­ ner und Augustinus in seiner Jugend Manichäer gewesen seien, sich dann aber dem rechten Glauben angeschlossen hätten.118 Grynaeus setzt somit bildlich das Luthertum mit diesen Häresien gleich, was bezeichnend für seine nicht eben irenische Vorgehensweise ist. Den Kampf um die Deutungshoheit mussten die Lutheraner von anderen Territorien aus führen. Der Leipziger Superintendent Nikolaus Selnecker veröffentlichte 1585 die Acta Disputationis de S. Coena, Publicè in Academia Heidelbergensis habitae, die 1587 und 1597 in Jena nach­ gedruckt wurden. Die Acta geben ein wohl von einem Studenten angefertigtes Protokoll der Disputation wieder, nachdem die Reformierten die Anfertigung eines offiziellen Protokolls verweigert hatten, und erweitert dieses durch Be­ richte und die Beschwerdebriefe der Lutheraner. Der Fokus der Acta liegt auf den Rahmenbedingungen und dem Ablauf, weniger auf den Inhalten. Selnecker wählt bewusst die Neutralität suggerierende Form der Aktenpublikation, um das Verhalten der reformierten Theologen, „diese unheilbringende Seuche der Brot­ gelehrten [dipnosophistarum]“,119 anzuklagen. Auf reformierter Seite reagierte Daniel Tossanus mit einer Gegenschrift unter dem Titel Warhaffter Bericht Von der Vorgenomenen verbesserung in Kirchen vnd Schulen der Churfürstlichen Pfaltz vnd nechst zu Heydelberg gehaltener Disputation von dem H. Abendmal. Alles trewlich auß den Actis gezogen vnd zur ableinung vnruhiger Leuth Calumnien in Druck verfertiget. Tossanus geht ähnlich wie Selnecker vor und veröffentlicht verschiedene Aktenstücke, die die reformierte Sichtweise unterstützen. Als Hofprediger hat Tossanus dabei offen­ bar Zugang zum Archiv des Kuradministrators. Dabei konzentriert er sich auf das durch die Lutheraner begangene Unrecht und ihre Verleumdungen und ver­ weist auf die Legalität und vermeintliche Zurückhaltung aller Handlungen des 116  Ebd., 469–472. 117  Struve, Ausführlicher Bericht, 454. 118  Grynaeus, Synopsis Orationi, 13, auch abgedruckt in den Thesen: Grynaeus, De Eucharistica Controversia, fol. I4v. 119  Selnecker, Acta Disputationis, fol. Y5r: „lues ista pestifera dipnosophistarum.“

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Pfalzgrafen. Die Schuld für die Eskalation sieht er allein bei den lutherischen Theologen und ihrer mangelnden Kooperation. So „hette es für Gott vnd der Welt ein Christliche Oberkeit nicht können verantworten, wan man solchen trutz, mutwil, vnordnung, darauß nichts dann zerrüttung des weltlichen vnd geistlichen Regiments hette können erfolgen, lenger zugesehen.“120 Auffällig ist jedoch Tossanus’ Wechsel der Sprache in der Kontroverse  – für gewöhnlich wurden lateinische Schriften stets lateinisch beantwortet. Offenbar wollte er sicherstellen, dass seine Schrift auch solche Pfarrer und Laien erreicht, die eine weitere lateinische Schrift abgeschreckt hätte. Die Auseinandersetzung mit der lutherischen Abendmahlslehre blieb auch in den Folgejahren bestimmend für den akademischen Betrieb in Heidelberg. 1586 veröffentlichte David Pareus, zu dieser Zeit noch einfacher Lehrer am Sa­ pienzkolleg, sein Erstlingswerk Methodus Totius Controversiae Ubiquitariae. Es handelt sich dabei um ein Lehrwerk für den Unterricht, wie bereits auf der Titel­ seite vermerkt („in usum studiosae iuventutis“). Es bietet auf nur 55 Seiten eine allgemeine Einführung in die Abendmahlskontroverse mit den Lutheranern. Pa­ reus stellt die sakramentstheologischen und christologischen Implikationen der Streitfragen dar, gibt einen Überblick über wichtige rezente Kontroversschriften beider Seiten und liefert den Schülern Argumente, Beweise, Widerlegungen und Hinweise auf Schwachstellen der Gegner. Pareus verweist zwar auch auf Differenzen im Abendmahl mit den Katholiken und den Schwenckfeldern sowie anderen „Schwärmern“, es gebe jedoch zwei vordringliche „heimische Kontro­ versen“,121 nämlich die mit den Lutheranern umstrittene Allgegenwart Christi im Abendmahl und die manducatio oralis. Der Formulierung ist zu entnehmen, dass Pareus seine Studenten zum Streitgespräch mit den noch in der Kurpfalz verbliebenen (krypto-)lutherischen Theologen ausbilden will. Als Anleitungs­ buch zur Kontroverse mit den Lutheranern lässt sich die Schrift des späteren Hauptirenikers Pareus daher nur schwerlich als proto-irenisch einordnen.122 In den Jahren 1586 und 1587 entstanden vier weitere Heidelberger Schriften zum Abendmahl, die ebenfalls eine antilutherische Frontstellung aufweisen. Wie auch Pareus’ Methodus wurden diese teils in der reformierten Hochburg Neu­ stadt gedruckt. Hierzu zählen Daniel Tossanus Oratio de Ascensu Domini Nostri Iesu Christi in Caelum, die auf das Argument der Himmelfahrt Christi gegen die lutherische Vorstellung der Realpräsenz abzielt, seine Disputationsthesen De Nostra cum Domino Nostro Iesu Christo Communione und Theses Orthodoxae Partim Didascalicae, Partim Apologeticae de Carne Christi Vivifica sowie die Theses de Multipraesentia et Omnipraesentia Corporis Christi des Heidelberger Theologieprofessors Georg Sohn (1551–1589). Zwar wird in diesen Schriften auch gegen die katholische Sakramentslehre Stellung bezogen, der Schwerpunkt 120  Tossanus, Warhaffter Bericht, 104. 121  Pareus, Methodus Totius Controversiae, 1: „Domesticas controversias“. 122  So vertreten von Brinkmann, Irenicum, 108–117.



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der Argumentation bezieht sich aber eindeutig auf Streitigkeiten mit den Lu­ theranern, auf deren Kontroversschriften wiederholt eingegangen wird. Dass die lutherische Abendmahlslehre als eine defizitäre evangelische Abendmahlslehre, die noch zu sehr den katholischen Dogmen anhängt, be­ schrieben wird, ist Bestandteil vieler reformierter Schriften zu diesem Thema. Auch Daniel Tossanus sieht in seiner 1588 gedruckten Rede De Statu Controversiae Eucharisticae das Abendmahl „sowohl von den Papisten, die das Dogma der Transsubstantiation eingeführt haben, als auch von den Flaccianern und Ubiquitariern, denen eine Konsubstantiation besser gefällt“,123 in ähnlicher Weise bedroht. In der Betonung der Realpräsenz sieht Tossanus die Ähnlich­ keiten stark ausgeprägt: „Papistisch ist es, magisch ist es, diesen Worten ‚Dies ist mein Leib‘ eine Kraft zuzuschrei­ ben, sodass das Aussprechen dieser Worte den zuvor abwesenden Körper gegenwärtig werden lässt. Im Mahl wird so als gegenwärtig angekündigt, was schon war etc. Diesen selben Satz verteidigen heute hartnäckig Jakob Andreae, Osiander und ihre Gesellen“.124

Während Tossanus die Tübinger Lutheraner explizit angreift, sind zeitgenös­ sische katholische Theologen nicht in seinem Blickfeld. Tossanus setzt sich in dieser Rede mit der mittelalterlichen Scholastik, insbesondere mit Thomas von Aquin und Petrus Lombardus, nicht aber mit dem nachtridentinischen Ka­ tholizismus auseinander. Dies änderte sich im Folgejahr, als sich Tossanus durch den Posener Jesuiten Laurentius Arturus (Lawrence Arthur Faunt125) und dessen 1586 erschienener Schrift Coena Lutheranorum et Calvinianorum Oppugnationis et Catholicae Eucharistiae Defensionis zur Abfassung einer Gegenschrift provoziert sah. In Coenae Dominicae et Apostolicae Descriptio wendet sich der Heidelberger gegen die katholischen Abendmahlsdogmen. Diese Schrift unterscheidet sich von den vorangegangenen antilutherischen Schriften bereits im Stil, etwa in der häufigen Verwendung von Kirchenväterzitaten, womit er auf die Vorlage des Posener Jesuiten reagiert. Arturus hatte in seiner Schrift nicht explizit zwischen den protestantischen Lehrrichtungen unterschieden und sich besonders auf den Lutheraner Martin Chemnitz (1522–1586) bezogen.126 Tossanus sieht daher die „orthodoxe“ Lehre der Evangelischen, also die reformierte, von Arturus verfälscht dargestellt.127 Daraufhin entfaltet er eine Apologie der reformierten 123  Tossanus, Orationes Eucharisticae Duae, 4: „tum à Pontificijs, qui dogma Transsub­ stantiationis induxerunt, tum à Flaccianis & Vbiquitariis, quibus magis placet consubstantiatio“. 124  Ebd., 6: „Papisticum hoc est, Magicum est, his verbis, Hoc est Corpus meum, putare virtutem esse: ut ad prolationem eorum, corpus ante absens fiat praesens. In coena adnunciatur tantùm praesentia, quae jam erat &c. Hanc ipsam sententiam hodiè mordicus tuentur, Iacobus Andreae, Osiander & eorum socij.“ 125  Vgl. Kap. 5.4. 126 Vgl. Arturus, Coena Lutheranorum, bes. 29–34. 127  Tossanus, Coenae Dominicae, bes. 4–6.

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Abendmahlslehre und -praxis, ohne jedoch explizit auf die Unterschiede zwi­ schen Lutheranern und Reformierten einzugehen. Dies ist programmatisch für Tossanus’ Ansatz, den er schon im Titel der Schrift einbringt: Im Gegensatz zu Arturus will Tossanus ganz nach dem reformierten Selbstverständnis nicht die Abendmahlslehren der Konfessionen vergleichen, sondern das Mahl des Herrn und der Apostel aus der biblischen Überlieferung rekonstruieren. Zusammen mit einer weiteren Kontroversschrift gegen Laurentius Arturus zur Heiligen­ verehrung ließ Tossanus dieses Werk 1590 erneut drucken. Im Jahr darauf erschienen weitere Disputationsthesen Tossanus’ zur Abendmahlslehre, die ebenfalls gegen den Posener Jesuiten gerichtet waren, unter dem Titel Axiomata Theologica Contra Sacrificium Missaticum.128 Dies bedeutete jedoch noch keinen Wandel von einer antilutherischen zu einer antikatholischen Abendmahlspolemik in Tossanus’ Schriften. Ebenfalls im Jahr 1591 veröffentlichte er die Thesenschrift Locus de Sessione Christi ad Dextram Patris in Excelsis, die wiederum gegen die „Ubiquitarier“ gerichtet ist. Tossanus bezieht sich vorwiegend auf den Hebräerkommentar des lutherischen Marburger Theologen Aegidius Hunnius. Eine Art Generalangriff auf die lu­ therische Lehre verfasste Tossanus mit den Theses et Antitheses Brevissimae, die wohl 1593129 sowohl in lateinischer als auch deutscher Sprache gedruckt wurden. Darin wendet er sich gegen die Abendmahlslehre und die damit verbundenen christologischen Aspekte sowie die Tauf- und Prädestinations­ lehre der sächsischen Visitationsordnung von 1592. Diese Visitation sollte die „Kryptocalvinisten“ in Sachsen vertreiben und wurde offenbar als Anlass der Heidelberger Disputation genommen, da der Respondent Clemens Timpler (1563–1624) aus dem sächsischen Stolpen stammte. In den stark kontrovers­ theologisch argumentierenden Thesen liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Abendmahlslehre, eine Jenaer Gegenschrift des Lutheraners Georg Mylius bezieht sich sogar ausschließlich auf diese.130 Auch Aegidius Hunnius, der mitt­ lerweile einem Ruf nach Wittenberg gefolgt war, reagierte auf Tossanus mit einer Widerlegung des Calvinischen Büchleins […] wider die zur Christlichen Visitation der Kirchen und Schulen im Churfürstenthumb Sachsen verfaßten vier Artickel. Auch die Schriften zum Abendmahl der anderen Heidelberger Theologen in den 1590er Jahren wenden sich sowohl gegen Katholiken als auch Lutheraner. Zu nennen ist etwa die 1596 gedruckten Theses Theologicae de Sacrificiis, eine 128  Arturus wird zwar nicht als Kontrahent im Titel angegeben, ist jedoch Bezugspunkt der ersten These und mehrerer weiterer und wird in der Widmung genannt: Tossanus, Axiomata Theologica Contra Sacrificium, fol. Aiv. 129  Die Titelei der lateinischen Ausgabe gibt keine Angabe zum Druckjahr, in VD 16 ist sie als 1594 verzeichnet. Allerdings gibt die deutsche Übersetzung bereits das Jahr 1593 an, in dem auch die Wittenberger Gegenschriften erschienen. Daher ist 1593 oder gar 1592 der wahrscheinlichere Termin der Veröffentlichung der ursprünglichen lateinischen Ausgabe, die möglicherweise 1594 nachgedruckt wurde. 130  Mylius, Theses et Antitheses.



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Disputation gegen die katholische Messopferlehre des Theologieprofessors Jakob Kimedoncius, die insofern erwähnenswert ist, als dass der umstrittene deutsch-niederländische Theologe Konrad Vorstius als studentischer Respon­ dent genannt wird. Die Assertio Solida ac Pia Veritatis Carnis Christi, im Jahr 1597 von Kimedoncius’ Nachfolger Hermann Rennecher veröffentlicht, wendet sich wiederum gegen die lutherische Ubiquitätslehre. Außerhalb der Univer­ sität lieferte sich der kurpfälzische Jurist und Kirchenrat Marcus zum Lamm (1544–1606) in den Jahren 1591 bis 1593 eine Kontroverse mit dem Stuttgarter Stiftspropst Johann Magirus (1537–1614) und dem Frankfurter Lutheraner Daniel Schade (gest. 1594) über die Abendmahlslehre.131 Einen neuen Aspekt in den Heidelberger Abendmahlsschriften in Hinblick auf die Irenik bringen zwei apologetisch argumentierende Werke ein. Das eine ist eine Dialogschrift des theologisch gelehrten und engagierten Poetik­ professors Simon Stenius mit dem Titel Calvinismus Heidelbergensis, die 1593 in lateinischer und deutscher Sprache in mehreren Ausgaben gedruckt wurde.132 Inhalt ist die Unterhaltung des reformierten Pfälzers Agatho (nach altgr. „der Gute“) und des lutherischen Sachsen Nemesius (nach altgr. „der Harte“). Bald kommt ihr Gespräch auf die Lehre der Reformierten in der Pfalz, insbesondere zum Abendmahl. Über diese Lehre habe Nemesius in Wittenberg viel Schänd­ liches gehört, was Agatho im Lauf des Gesprächs jedoch entkräften kann. Stenius lehnt sich an eine Tradition von Dialogschriften zum Abendmahlsstreit an. Die auffälligste und möglicherweise gewollte Parallele ergibt sich zur Früh­ schrift des Straßburger Reformators Martin Bucer Vergleichung D. Luthers unnd seins Gegentheyls vom Abentmal Christi, in der sich die Kaufleute Sebold und Arbogast in ähnlicher Weise über das Abendmahl unterhalten und schließlich zueinander finden. Stenius inszeniert die reformierte Abendmahlslehre durch­ gängig als überlegen und spart nicht mit deutlicher Kritik an den Lutheranern. Trotz einer gewissen Zurückhaltung in der antilutherischen Polemik ist die Schrift eher als apologetisch denn als irenisch im Sinne der späteren Heidel­ berger Schriften einzuordnen. Ein wichtiger Kontext dieses Buchs ist wohl der 1592 entflammte „Kurpfälzische Administrationsstreit“. Johann Kasimir war nur wenige Wochen vor der Volljährigkeit seines Neffen und Nachfolgers Friedrich IV. gestorben. Die Volljährigkeit war jedoch laut der Goldenen Bulle 131  Marcus zum Lamm hatte die Kontroverse 1591 begonnen, sein Kurtzer Bericht richtet sich direkt gegen die Lutheraner und wirft ihnen vor, Einsetzungsworte und Liturgie zu ver­ kehren. Darauf reagierte Johann Magirus (nicht mit dem gleichnamigen Speyrer Jesuiten zu verwechseln, vgl. 4.1.2.) mit einem Kurtzen und gründtlichen Gegenbericht im Jahr darauf mit ähnlicher Polemik. Auf Lamms Kurtze Abfertigung deß lesterlichen vnwarhafftigen Gegenberichts antworteten schließlich Magirus und Schade, den Lamm ebenfalls angegriffen hatte, in einer gemeinsamen Schrift 1593. 132  Es gibt zwei unterschiedliche, nicht textgleiche Übersetzungen: eine ohne Ortsangabe unter dem lateinischen Übertitel, die 1596 nachgedruckt wurde, und eine in Hanau verlegte unter dem Titel Heydelbergische Calvinisterey.

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für die Ausübung des Kurfürstenamts erforderlich. Der lutherische Herzog Reichard von Pfalz-Simmern beabsichtigte wohl, als rechtlicher Vormund seine Macht für kirchliche Veränderungen im Territorium nutzen und die Vormund­ schaft mit rechtlichen Kniffen über Jahre auszudehnen. Aus den Bemühungen der reformierten Räte, Friedrich IV. vorzeitig für volljährig zu erklären, erwuchs ein noch bis 1594 währender überterritorialer Rechtsstreit, der die pfälzischen Reformierten in Bedrängnis brachte. Auch in dieser Sache wurden in Heidelberg und Tübingen Kontroversschriften publiziert.133 Stenius’ Schrift lässt sich daher als überterritoriale Werbeaktion für die reformierte Partei verstehen. Dieser Kontext ist ebenso wichtig für die ähnlich apologetisch argumentieren­ de Gegenbeweisung Daß die Heidelbergische Theologen Gottes wort der Augspurgischen Confession deroselben Apologia vnd der Concordia Anno 36 mit nichten vngemeß lehren, die 1594 auf eine sonst gleichnamige Wittenberger Beweisung reagiert. Diese anonyme Schrift134 führt den Titelzusatz „Mit Approbation der Theologischen Facultet zu Heidelberg“. Die Gegenbeweisung bietet eine ausführ­ liche Apologie der in Heidelberg vertretenen reformierten Lehre insbesondere zum Abendmahl und ihrer Übereinstimmung mit der Confessio Augustana und der Wittenberger Konkordie. Stärker noch als durch Stenius wird hier heftige Kritik an den Lutheranern geübt. So schließt Schrift ab mit einer mehrseitigen tabellarischen Auflistung der „Widerwertige[n] Lehr der jetzigen Theologen zu Wittenberg“.135 Sehr ähnlich argumentiert David Pareus’ erstmals 1593 gedruck­ te Schrift Summarische Erklärung Der wahren Catholischen Lehr so in der Chur Pfaltz bey Rhein und andern vom Bäpstlichen Sawerteyg geseuberten Kirchen bestendig vnd einmütiglich aus Gotes wort geübet wirdt. Bald darauf verfasste David Pareus 1598 das Christlich vnd gründlich Bedenken vom Brot vnnd Brotbrechen. Das Büchlein ist in deutscher Sprache „allen Gelehrten und Ungelehrten, sonderlich den einfältigen“136 an die Hand gegeben und einem anonymen Adeligen gewidmet, der Pareus um die Schrift gebeten hätte. Bei diesem Adeligen, der sich – selbst Lutheraner – an der Verbissenheit des Dialogs störe, handelt es sich möglicherweise nur um eine literarische Fiktion. Die Schrift beschränkt sich bewusst auf die Frage nach den Zeremonien und der äußerlichen Feier des Abendmahls. Dabei beharrt Pareus auf dem reformierten Standpunkt, dass die Verwendung von runden Hostien kein unschädliches Adiaphoron (Mittelding), sondern ein dringend abzuschaffendes Übel sei und 133  In Tübingen war 1594 eine Kurtze wolgegründete vnd beständige Widerlegung unter der Angabe einer Verfasserschaft Pfalzgraf Reichards erschienen. Noch im selben Jahr wurde in Heidelberg eine anonyme Kurtze Ablainung im Namen des jungen Kurfürsten gedruckt. Beide Schriften argumentieren primär juristisch. 134  In VD 16 ist zudem aus nicht nachvollziehbaren Gründen als Autor der 1585 verstor­ bene Philipp Caesar als Autor angegeben. Auch der 1642 verstorbene gleichnamige reformierte Theologe und spätere katholische Konvertit muss aufgrund seines zu jungen Alters ausfallen. 135  Anonym, Gegenbeweisung, 90–95. 136  Pareus, Christlich vnd gründlich Bedencken, Titel.



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das Brotbrechen elementarer Bestandteil des Ritus sei. Als Hauptgegner greift der Heidelberger die Katholiken an, deren Schriften er beständig heranzieht, um die Notwendigkeit der Abschaffung des „papistischen Sauerteigs“ darzulegen. Es ist jedoch erkennnbar, dass Pareus mit dieser gängigen Formulierung vor allem die Abendmahlspraxis der Lutheraner kritisiert. Er weist sogar darauf hin, dass die Katholiken, anders als die Lutheraner, den Ritus des Brotbrechens zumindest grundsätzlich als Teil des urchristlichen Abendmahls betrachten: „Es ist zuerbarmen, vnd eine sehr grosse schand zu sagen, daß in disem stück vom Brot­ brechen die blinden abgöttischen Papisten mehr sehen, vnnd von Christus ordnung mehr halten, denn die Lutherischen Theologen, die so gut Evangelisch sein wollen vnd sich rühmen, sie haben allein den Schlüssel der erkantnus.“137

Kommunikativ ist dennoch eine gewisse Entwicklung seit Pareus’ Erstlingswerk Methodus Totius Controversiae Ubiquitariae zu erkennen. Pareus richtet seine Polemik zumindest vordergründig gegen die Katholiken und ist gegenüber den Lutheranern um Mäßigung in der Wortwahl bemüht. Diese Tendenz, die sich etwa im Verzicht auf die Schimpfbezeichnung „Ubiquitarier“ beziehungsweise „Ubiquitisten“ äußert, setzt sich auch in Pareus’ folgenden Schriften fort. Die 1601 veröffentlichten Theses Theologicae De Sacra Domini Coena richten sich überwiegend gegen die Katholiken als Hauptgegner der Schrift. Eine deutliche Abgrenzung zu den Lutheranern findet sich nur an einer Stelle, die sich auf die Deutung der Einsetzungsworte bezieht.138 Pareus verweist auf Unterschiede zwischen den lutherischen Theologen und verwirft diese nicht kollektiv. Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass der Heidelberger Theologe einen deutlichen Unterschied macht zwischen den „Papisten“, zu denen ein fundamentaler Gegensatz besteht, und den Lutheranern, zu denen ein nicht unüberbrückbarer theologischer Dissens herrscht. Dies schlägt sich auch auf den Titel der 1602 erschienenen deutschen Übersetzung Disputation und Unterricht Von Dem H. Abendmal. Darinn erstlich die wahre und reine Lehr vom H. Abendmal darnach die gegenlehr der Papisten und anderer fein kurtz richtig und verstendlich erkleret wird nieder. Ähnliches gilt für die 1603 erschienene Schrift De Symbolis Sacramentalibus, Et De Ritu Fractionis In S. Eucharistia. Dabei handelt es sich um eine Übersetzung seiner Schrift Christlich vnd gründlich Bedenken vom Brot vnnd Brotbrechen, die jedoch durch Pareus stark erweitert wurde. Die neu hinzugekommenen Passagen richten sich vor allem gegen die Katholiken, während die Lutheraner argumentativ geschont werden. Dies ist dadurch umso bemerkenswerter, dass die Übersetzung Ernst Friedrich von Baden-Durlach (1560–1604) gewidmet ist. Dieser hatte mit der Veröffentlichung des „Staffortschen Buchs“ 1599 den Versuch einer reformierten „Zweiten Reformation“ unter tatkräftiger Unterstützung der Heidelberger ein­ 137  Ebd., 122. 138  Pareus, De Sacra Domini Coena, 1 f.

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geleitet, war dabei jedoch auf starken Widerstand der lutherischen Bevölkerung gestoßen.139 Trotz oder gerade wegen dieser Umstände verzichtet Pareus in seinem Widmungsschreiben auf explizite Polemik gegen die Lutheraner.140 Auch in Pareus Buch Controversiarum Eucharisticarum Una De Litera Et Sententia Verborum Domini In S. Eucharistia, im gleichen Jahr erschienen, übt Pareus Kritik an der Abendmahlslehre der Lutheraner, nicht jedoch in gleicher Weise wie an den katholischen Dogmen. Dabei bringt Pareus den Begriff der „Pseudo­ lutherian[i]“ ein,141 wozu er Hunnius und Flacius zählt und die er schärfer als andere innerprotestantische Gegner angeht. Doch auch hier verzichtet Pareus auf den zuvor benutzten Begriff der „Ubiquitarier“ und hält sich weitgehend mit Polemik gegen die Lutheraner zurück. Die Abendmahlsschriften David Pareus’ in den ersten Jahren des 17. Jahrhun­ derts sind noch nicht im vollen Sinne irenisch, zeigen aber seine Bemühungen um Zurückhaltung gegenüber den Lutheranern. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung ist ein Streit zwischen Pareus und den Heidelberger Stadtgeist­ lichen über die Formulierungen beim Abendmahl. Burkhard Gotthelf Struve berichtet über den Vorfall, zu dem es kaum zeitgenössische Quellen gibt, dass sich 1603 bis 1604 „ein Streit erhub, darumb, daß Pareus durch sein Studium Irenicum getrieben, forderte, man sollte doch auf der Cantzel und in denen Sacris sich der Worte Essentialiter, substantialiter bedienen, und sagen, Corpus Christi est substantialiter in Coena, auch die Vnionem cum sancto Corpore Christi nicht als Consequentz, sondern als einen partem seu modum Manducationum ipsius ansehen, auf daß man also in denen Redens-Arten denen Lutheranern näher trette.“142

Diese von Struve geschilderte Forderung Pareus’ scheint dieser wohl nur münd­ lich und intern aufgestellt zu haben, in seinen Schriften aus dem Jahr 1603 geht Pareus nicht in dieser Weise auf die Lutheraner zu. Es ist durchaus verständlich, dass die reformierten Geistlichen Heidelbergs Pareus eine klare Absage erteilten. Pareus Vorschlag ist zwar nicht unvereinbar mit reformierten Grundanliegen in der Abendmahlsfrage, bedeutete aber ein sehr großes Zugeständnis an die Lu­ theraner. Vor allem die Begriffe substantialiter und manducatio sind eng mit der Vorstellung der Realpräsenz konnotiert, weshalb die Stadtgeistlichen einwand­ ten, „daß solche Termini ietzo von der Gegenseiten unrecht gebraucht würden“.143 Pareus’ Anliegen war es offenbar, auf der Grundlage der Wittenberger Konkordie von 1536 terminologisch auf die Lutheraner zuzugehen. Diese spricht von der sakramentalen Vereinigung (unio sacramentalis) im Abendmahl und von der 139 Vgl. Waldmann, Struktur und Aufbau. 140 Vgl. Pareus, De Symbolis Sacramentalibus, fol. (:)2r–(:)4r. 141  Pareus, Controversiarum Eucharisticarum, 8 f. 142  Struve, Ausführlicher Bericht, 51 f. Vgl. Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 19 f.; Selderhuis, Frieden aus Heidelberg, 247. 143  Struve, Ausführlicher Bericht, 519.



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leiblichen Nießung auch durch die Unwürdigen (manducatio indignorum). Dies lässt sich in diesem Wortlaut sowohl lutherisch als Bekräftigung der Realpräsenz und der objektiven Wirkung durch die leibliche Einnahme des Sakraments interpretieren als auch reformiert als Relativierung dieser Vorstellungen. Der Streit zwischen Pareus und den Stadtgeistlichen nahm anscheinend Ausmaße an, die Kurfürst Friedrich IV. dazu bewegten, mit einem Mandat einzugreifen, das weder Pareus’ Namen, noch die genaue Streitsache ausspricht. Recht all­ gemein wird darin ein Kondemnationsverbot ausgesprochen und vor jeglicher „Neuerung und Turbirung der zarten Kirchen“144 der Kurpfalz gewarnt. Als Lehrnorm werden der Heidelberger Katechismus sowie drei Heidelberger Schrif­ ten zur Abgrenzung von den Lutheranern bestimmt, nämlich der Wahrhafftige und gründliche Bericht zum Maulbronner Kolloquium 1564, das Bekenntnis der Heidelberger Kirchendiener von 1574 zur Christologie und Ursnius’ Admonitio Christiana zum Konkordienbuch (s. o.). Das obrigkeitliche Mandat unterstützt also die Heidelberger Stadtgeistlichen gegen Pareus auf ganzer Linie, ohne diesen jedoch durch eine Namensnennung in Schwierigkeiten zu bringen, im Bemühen, möglichst wenig Aufmerksamkeit außerhalb Heidelbergs zu erregen. Pareus hingegen blieb trotz dieser Annäherungsbemühungen weiterhin über­ zeugt von der Notwendigkeit der „Zweiten Reformation“, wie sich etwa an seiner Widmungsvorrede an Landgraf Moritz von Hessen-Kassel in seinem Hosea­ kommentar von 1605 zeigt.145 Darin unterstützt er den Landgrafen eindringlich in seiner reformierten Religionspolitik gegen den Widerstand der Bevölkerung. In den nach 1603 von Pareus gestellten Disputationsthesen, die in Sammel­ bänden erschienen, richten sich alle neun Disputationen ausschließlich gegen die katholische Abendmahlslehre, während Differenzen zu den Lutheranern nicht thematisiert werden.146 Auch seine 1609 erschienene Schrift Aphorismi Papistici & Jesuitici De S. Eucharistia Et De Sacrificio Missae, eine Sammlung als verwerf­ lich und skandalös empfundener Zitate Bellarmins und anderer scholastischer und gegenreformatorischer Theologen zum Abendmahl, wendet sich nur gegen die Katholiken. Ebenso verhält es sich mit dem Carmen De Abominando Missae Sacrificium des Poetikprofessors Simon Stenius. In dieser 1607 gedruckten Schrift wird gegen die Messopferlehre in kunstvollen Hexametern polemisiert, nachdem sich Stenius unter dem Eindruck internationaler Krisen zu einem der glühendsten Antikatholiken in Heidelberg entwickelt hatte.147 Insgesamt lässt sich in den Heidelberger (und Neustädter) Kontroversschrif­ ten zum Abendmahl durchaus die angenommene Entwicklung erkennen. Es ist 144 Mandat Friedrichs IV., 25.5.1604, abgedr. in: Struve, Ausführlicher Bericht, 519– 522. 145  Pareus, Oseas Propheta, fol. *2r–**4v ; vgl. Leube, Kalvinismus, 6 f. 146  Pareus, Disputationum Theologicarum [Bd. 1], 518–532; Pareus, Collegiorum Theo­ logicorum [Bd. 2], 66–71.132–135.16 f. 21 f. 267–269.326–330.36 f. 38 f. 147  Vgl. Kap. 6.2.5.

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verständlich, dass der Fokus der pfälzischen Reformierten im Neustädter Exil und in den Jahren unmittelbar danach auf den Lutheranern als Hauptgegnern lag. Während diese Front offenbar die akademische Ausbildung durch Dis­ putationen und Lehrbücher zunächst bestimmte, erweiterte sich der Blick der Heidelberger seit den Kontroversschriften Tossanus’ gegen Laurentius Arturus zusätzlich auf die Jesuiten. In den 1590er-Jahren wird der Ton gegenüber den Lutheranern merklich versöhnlicher, es treten Schriften wie Stenius’ Calvinismus Heidelbergensis hinzu, die, wenn auch nicht im vollen Sinne als irenisch, so doch als gemäßigt und apologetisch eingeordnet werden können. Diese Ten­ denz verstärkt sich in David Pareus’ Schriften aus den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts. Nach der Auseinandersetzung 1603/04 scheint die antiluthe­ rische Abendmahlspolemik im lutherischen Sinne von Heidelberger Seite aus gänzlich und bewusst abgestellt worden zu sein. Spätere Auseinandersetzungen wie etwa zwischen Paul Tossanus und dem württembergischen Theologen Christoph Binder thematisieren zwar auch das Abendmahl, die Heidelberger Seite beschränkt sich jedoch auf eine Apologie der in den Schriften Pitiscus’ und Pareus’ ausformulierten Irenik und greift die lutherischen Positionen nicht direkt an.148

5.2.3.  Die Kontroverse um die „Neustadter Bibel“ Aufschluss über die Entwicklung der Heidelberger Irenik gibt ebenfalls ein Blick auf den Kontroversschriftenwechsel zwischen Heidelberg und Tübingen anläss­ lich der Veröffentlichung der sogenannten „Neustadter Bibel“. David Pareus, der entscheidende Arbeit an dieser Bibeledition geleistet hatte, verfasste in diesem Zusammenhang mehrere Schriften, die in der Forschung teilweise als irenisch eingeordnet werden.149 Die Lutherbibel war und ist die maßgebliche evangelische Bibelübersetzung im deutschen Sprachraum. Trotz der Existenz dezidiert reformierter Überset­ zungen wie der erstmals 1531 gedruckten Zürcher Übersetzung („FroschauerBibel“) und ihrer Revisionen, blieb bei den Reformierten im Reich die Textgestalt nach Martin Luther die maßgebliche Bibelausgabe.150 Auch der erste reformierte Heidelberger Bibeldruck, die unter Kurfürst Friedrich III. entstandene Aus­ 148  Paul Tossanus’ Kontroverse mit dem Maulbronner Abt Binder umfasst 1614–17 ein halbes Dutzend Schriften. In der Argumentation orientieren sich beide sehr stark an den bekannteren Theologen ihres Territoriums, weshalb sich mit einigem Recht von einer Kon­ troverse der zweiten Reihe sprechen lässt. Tossanus nahm parallel eine Kontroverse mit dem Olmützer Jesuiten Jacob Hacken auf, die Gründtliche Antwort Auff die vermeynte Rettung Jacob Hackhen (1614) weist einen völlig anderen Ton in der Abendmahlsfrage auf als sein Schrift­ wechsel mit Binder. 149 So Brinkmann, Irenicum des David Pareus, v. a. 117–138. Dagegen Himmighöfer, Neustadter Bibel, 146. 150  Himmighöfer, Zürcher Bibel, 52.



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gabe von 1568/69, gibt die den Gläubigen vertraute Textgestalt der Lutherbibel in der Ausgabe letzter Hand (1545/46) wieder.151 Dies änderte sich auch nicht grundlegend in der Zeit des Neustädter Exils der reformierten Theologen (1576–1583), als die Heidelberger Ausgabe 1579 nachgedruckt wurde. Auch wenn die Theologen im Exil keine eigene Übersetzung vorbereiteten, wurden gleichwohl am Casimirianum intensive Studien am Urtext sowie an verschiede­ nen orientalischen Fassungen der Bibel durchgeführt. Unter der Federführung von Immanuel Tremellius und Franciscus Junius erschienen mehrere Bände zur Grundlagenforschung am Bibeltext und lateinische Übersetzungen biblischer Schriften aus dem Urtext in Konkurrenz zur Vulgata.152 Auch nach dem Tod Ludwigs VI. blieb Neustadt nicht zuletzt durch den Drucker Matthäus Harnisch ein wichtiges publizistisches Zentrum der reformierten Pfalz. Vor dem Hintergrund des nun beendeten Exils hatte es durchaus Symbolcharakter, dass die für die nun wieder reformierte Kurpfalz erarbeitete Neuausgabe der Bibel 1587/88 im Ort des ehemaligen Exils verlegt wurde.153 Auch diese „Neustadter Bibel“ gibt den Text der Übersetzung Luthers aus letzter Hand wieder und verweist schon auf der Titelseite prominent auf den Reformator. Keineswegs hatten die reformierten Theologen der Kurpfalz Berührungsängste gegenüber dem Wittenberger Reformator. Vielmehr sahen sie sich als wahre Erben Luthers, dessen Fehlbarkeit in verschiedenen Fragen sie jedoch stets betonten.154 In diesem Sinne versuchte David Pareus, der als theo­ logisch Verantwortlicher mit der Herausgabe der Neustadter Bibel betraut war, die Sprachgestalt der Lutherbibel durch verschiedene Ergänzungen in einen eindeutig reformierten Kontext zu stellen. Neben zahlreichen hinzugefügten Karten, Erklärungen und Zeittafeln,155 die teils aus der Zürcher Ausgabe über­ nommen wurden,156 äußert sich dieses Anliegen vor allem durch die Vorwörter zu den einzelnen biblischen Büchern. Die bekannten Vorreden Luthers ersetzt Pareus bis auf wenige Ausnahmen durch eigene, die ein klar reformiertes Profil erkennen lassen, indem etwa die ethische Perspektive stärker betont wird und beispielsweise in Bezug auf den Römerbrief der Prädestinationsgedanke stark gemacht wird.157 Darüber hinaus macht Traudel Himmighöfer drei Grundlinien im theologischen Profil der Vorreden zur Neustadter Bibel aus: Zum ersten einen „neue[n] Traditionalismus“,158 der sich dadurch auszeichnet, dass neben den ursprünglichen Vorreden Luthers auch die Kirchenväter in kritischer Be­ 151  Himmighöfer, 425 Jahre Bibeldruck, 63. Es handelt sich bei dieser Heidelberger Aus­ gabe um die erste deutschsprachige Bibel mit Verszählung. 152 Vgl. Kühlmann u. a., Die deutschen Humanisten, V, 599–767. 153 Vgl. Himmighöfer, Neustadter Bibel, 3–11. 154  Selderhuis, Luther totus noster. 155  Vgl. Kap. 4.3.5.2. 156  Himmighöfer, Zürcher Bibel, 53. 157  Himmighöfer, Neustadter Bibel, 66–81. 158  Ebd., 82.

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trachtung eingebracht werden. Damit verbunden ist ein „neuer Historismus“,159 womit zum Ausdruck kommt, dass Pareus anders als Luther auch im Neuen Testament an historischer Einordnung interessiert ist. Schließlich zeigt sich auch eine stärkere Betonung der Kanonizität der biblischen Schriften.160 Pareus legt – wie auch später in der Auseinandersetzung mit dem Jesuiten Mulhusinus – großen Wert auf den aus der Bibel selbst erkennbaren göttlichen Ursprung jeder biblischen Schrift und ihren kanonischen Rang. Aus diesem Grund verteidigt er in impliziter Abgrenzung zu Luther auch den Jakobusbrief, der ihm mitnichten eine „stroherne Epistel“ ist.161 Nach eigener Darstellung sieht Pareus die Neustadter Bibel wenige Jahre nach der Recalvinisierung der Pfalz nicht in Frontstellung zu den Lutheranern. Vielmehr macht er die Katholiken und insbesondere die Jesuiten als den zu bekämpfenden Gegner aus. Diese kämpften mit allen Mitteln dafür, dass „kein Laye solle die heilige Bibel in die Hände nemmen, noch lesen, Auch solle sie weder in Teutsche noch andere Landsprachen verdolmetschet werden.“162 Hinzu kommen zahlreiche Verurteilungen der auch von Pareus als „Schwärmer“ angesehenen protestantischen Kleingruppierungen. Dennoch finden sich in den Kommentaren implizite Abgrenzungen vor allem gegenüber den Lutheranern etwa in der Christologie und der Abendmahlslehre,163 weswegen sich hier mit einigem Recht die „Hauptfront“164 der Neustadter Bibel ausmachen lässt. Das reformierte Profil der Bearbeitung Pareus’ und die ostentative In­ anspruchnahme der Lutherbibel erregten die südwestdeutschen Lutheraner. Noch im Jahr 1588 veröffentlichte der Tübinger Theologe Jakob Andreae (1528–1590) die Christliche Trewhertzige Erinnerung vermanung vnd warnung vor der zur Newenstatt an der Hart nachgetruckten verfälschten vnd mit Caluinischer Gottslästerlicher Lehr beschmeißten Bibel D. Martin Luthers. In dieser Kontroversschrift attackiert Andreae Pareus wegen seiner „gantz widerwerti­ ge[n] erinnerungen vnnd vermahnungen“,165 die nicht nur Luthers Vorreden, sondern gar dem Bibeltext zuwider seien. Dabei macht der Tübinger insgesamt 16 Irrtümer in Pareus’ Kommentaren ausfindig. Zudem handle es sich um eine „Verfälschung“: „Dann weil D. Luthers Name darauff stehet, daß es D. Luthers Bibel heißt, vnnd unter seinem Namen verkaufft würdt, vnd um anfang seine Vorrede, wie auch andere ettlich mehr in dieser Caluinischen Bibel geblieben, kann ein einfältiger Christ (dem solche 159  Ebd., 84. 160  Ebd., 87–92. 161  Pareus/​Luther, Biblia [Neustadter Bibel 1587/88], Vorrede Jak, fol. [NT] 133r. Vgl. Kap. 4.1.2. 162  Ebd., Vorrede, fol. )(iiv. 163  Himmighöfer, Neustadter Bibel, 97–124. 164  Himmighöfer, 425 Jahre Bibeldruck, 65. 165  Andreae, Christliche Trewhertzige Erinnerung, fol. Aiiv.



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Teuffelische griff der Caluinisten vnbekannt) ime kein andere rechnung machen, dann daß alle darinnen verzeichnete Lehr auch D. Luthers seien“.166

Durch ihr in der Neustadter Bibel offenbares Handeln machten die Reformier­ ten bei der Zerstörung der evangelischen Kirchen mit „den Jesuitern, ihren Brüdern“167 gemeinsame Sache, wobei die Pfälzer in der Christologie sogar noch „ärger dann die Jesuiter“168 seien. Pareus antwortete 1589 mit der Rettung der zur Newstatt […] gedruckten Teutschen Bibel wider D. Iacobi Andreae newlich dawider außgesprengte vnuerschämbte Lesterungen. Seine kontroverspublizistische Strategie erscheint dabei als Überbietungsmethode: Die Rettung ist mehr als doppelt so lang wie Andreaes Schrift und zählt mit 45 Irrtümern beinahe die dreifache Zahl an Fehlern des Gegners auf. Zugleich setzt er auf eine Deeskalation der Kontroverse und be­ tont die Notwendigkeit eines geeinten Protestantismus.169 In der Sache beharrt Pareus jedoch darauf, dass es sich bei den Anschuldigungen seines Gegners um nichts anderes als Verleumdungen handele, da die Reformierten den Wort­ laut der Übersetzung Luthers nicht abgeändert hätten.170 Den Austausch der Vorreden Luthers begründet Pareus am Beispiel des Jakobusbriefs auch mit der konfessionellen Konkurrenzsituation. Es sei „bekannt, daß solch hitzig, vnfreundlich Urtheil von dieser Epistel nicht allein dem mehrentheil, der alten Kirchenlehren zu wider, sondern auch bey den Papisten groß ergernuß geboren, vnd auff keinem rechten grundt stehet“.171 Luthers Einordnung des Jakobusbriefs als „stroherne Epistel“ sei somit nicht haltbar und biete den Katholiken unnötige Angriffsfläche.172 Nach dem Tod Jakob Andreaes im Januar 1590 übernahm es ein anderer Tübinger, die Antwort auff die nichtige vnnd krafftlose Rettung M. Dauid Paraei zu verfassen. Johann Georg Sigwart173 (1554–1618) orientiert sich dabei in der Argumentation stark an seinem Lehrer Andreae. Im wichtigen Streitpunkt um den Jakobusbrief lässt sich Sigwart auf die von Pareus vorgegebene historische Dimension ein und verweist darauf, dass auch einigen Kirchenvätern, etwa Eu­ sebius, die Autorschaft des Briefs als unsicher galt.174 Wohl in Anlehnung an den Namen seines neuen Tübinger Kontrahenten betitelte Pareus die nun folgende Gegenschrift mit Sieg der Newstädtischen Teutschen Bibel. In dieser Schrift wählt Pareus im Vergleich zur Rettung einen schärferen, polemischeren Ton. So ist der 166  Ebd., fol. Aiir–v. 167  Ebd., 70. 168 Ebd. 169  Vgl. auch Himmighöfer, Neustadter Bibel, 138–147. 170  U. a. Pareus, Rettung, 24. 171  Ebd., 20. 172 Diese Angst war nicht unbegründet: vgl. Kap. 4.1.2.; Mulhusinus, De Sacrarum Scripturarum Authoritate … Censura, 7. 173  Zur Person vgl. Weiss, Admonitio Christiana, 15–53. 174  Sigwart, Antwort, 1 f.

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Schrift etwa ein volkssprachliches Spottgedicht beigegeben, das sich recht unge­ niert über den verstorbenen Andreae und den als seinen Epigonen dargestellten Sigwart lustig macht. Pareus macht den Tübingern den sehr harten Vorwurf, sie würden Luthers Vorreden selbst kanonisieren und dem Bibeltext gleichstellen wollen. Somit würden sie sich verhalten wie die Katholiken in Bezug auf die päpstlichen Dekretalen.175 Der von Günter Brinkmann getroffenen Einordnung der Beiträge Pareus’ in dieser Kontroverse als im Grunde irenische Schriften ist daher nur bedingt zu folgen.176 Zumindest in der Rettung ist Pareus zwar durch­ aus bemüht, den Lutheranern Brücken zu eröffnen, in seiner abschließenden Streitschrift ist dieses Profil jedoch weniger sichtbar. Insgesamt lässt sich Pareus’ Position in dieser Kontroverse als eine „vorirenische“ bezeichnen, die bereits Züge der später profilierten Irenik aufweist. Nachdem 1591 die Neustadter Bibel unverändert neu aufgelegt wurde, gab Pareus seine Rettung mit nur minimalen Änderungen, die auf Sigwart abzielen, ebenfalls neu heraus.177 Die Württemberger reagierten nicht mehr mit einer dezidierten Antwortschrift, sondern druckten 1591 in Tübingen eine „unverfälschte Gegenbibel“, die sich im Vorwort gegen die Heidelberger wendet.178 Die Neustadter Bibel wurde im reformierten Deutschland sehr gut aufgenommen und verkaufte sich auch in andere Territorien. Mitsamt den Vor­ reden und Zugaben Pareus’ wurde sie in den folgenden Jahren immer wieder neu aufgelegt und beeinflusste weitere reformierte Bibelausgaben.179 Auch die wenig später erschienene erste eigenständige reformierte Neuübersetzung im Reich durch den Herborner Theologen Johannes Piscator konnte sich in der Kurpfalz nicht durchsetzen, da sie durch den zu dieser Zeit führenden Theologen Daniel Tossanus als unzureichend angesehen wurde und man mit Rücksicht auf das Volk weiter auf die Textgestalt der Lutherbibel zurückgreifen wollte.180 Die Kontroverse zwischen Heidelberg und Tübingen illustriert zudem einen wichtigen Aspekt der Stellung der Bibel in der Kontroverstheologie des konfessionellen Zeitalters. Nicht nur Inhalt und Auslegung der Bibel, sondern auch ihre Textgestalt und editorische Ausstattung waren Gegenstand der Kon­ fessionalisierung. Insbesondere die Lutheraner betrachteten die Lutherbibel in der Ausgabe letzter Hand als die Bibel ihrer Konfession und als „sakrosanktes 175  Pareus, Sieg, 1 f. 176 Vgl. Brinkmann, Irenicum des David Pareus, v. a. 117–138. Dagegen Himmighöfer, Neustadter Bibel, 146; Weiss, Admonitio Christiana, 19 f. 177 Vgl. Himmighöfer, Neustadter Bibel, 15 f. 178  Ebd., 156. 179  Vgl. ebd., 159–185. Himmighöfer, 425 Jahre Bibeldruck, 68. 180  Struve, Ausführlicher Bericht, 501. Struve ordnet dieses Ereignis in das Jahr 1597 ein, wobei die eigentliche Piscatorbibel erst 1604 veröffentlicht wurde. Sofern sich Struve in der Datierung nicht irrt, könnte es sich auch um Vorarbeiten Piscators oder die 1595 veröffentlichte „Herborner Bibel“ handeln, welche wie die Neustadter auf der Lutherbibel basiert.



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Vermächtnis“181 des Reformators. Pareus’ Vorwurf, die Lutheraner würden die Vorreden als kanonisch auffassen, mag zu weit greifen. Allerdings zeigt die Empörung über die Neustadter Bibel, dass Luthers Name auf der Titelseite als Garant der rechten Lehre aufgefasst wurde, weshalb man in der reformierten Ausgabe eine Verfälschung sah. Doch auch die reformierten Pfälzer legen Wert darauf, als rechte Erben der Reformation Anspruch auf die Lutherbibel zu haben. Pareus’ beinahe katholisch anmutender Verweis auf die Kirchenväter in der Debatte um die Klarheit der Autorschaft des Jakobusbriefs und das Verhält­ nis der Tübinger Theologen zu Martin Luther zeigt zudem, wie spannungsreich das Verhältnis von Bibel und Tradition auch im Protestantismus ist.

5.2.4.  Die „Heidelberger Irenik“ als antikatholische Initiative Die oben dargestellte Entwicklung der kurpfälzischen Abendmahlsschriften  – und analog der Heidelberger Kontroverstheologie insgesamt – von einer anti­ lutherischen zu einer antikatholischen Polemik mit einer längeren Übergangs­ phase lässt sich zum einen aus dem historischen Kontext heraus erklären. Erst nach der Sicherung des reformierten Bekenntnisses in der Kurpfalz in den Jahren nach dem Neustädter Exil konnten sich die Heidelberger Theologen anderen Frontstellungen zuwenden. Noch 1586, nachdem die Recalvinisierung des Terri­ toriums normativ bereits vollzogen war, benennt David Pareus die Streitpunkte mit den Lutheranern als „heimische Kontroversen“,182 in denen die Studenten vordringlich geschult werden sollten. Ein anderer entscheidender Aspekt für die Herausbildung der „Heidelberger Irenik“ ergibt sich aus den irenischen Schriften selbst. Sie alle nehmen eine dezidiert antikatholische Position ein und sind erkennbar von der allgemeinen Konfliktverschärfung ab 1600 geprägt. Angefeuert durch lokale Auseinandersetzungen wie den „Vierklösterstreit“ und die Konflikte in Donauwörth verschärfte sich die konfessionspolitische Lage im Reich dramatisch, was zur Gründung von Union und Liga und in letzter Kon­ sequenz zum Dreißigjährigen Krieg führte.183 Die erste explizite Verbindung zwischen der wahrgenommenen Bedrohung durch die Katholiken und der Perspektive einer Einigung aller Protestanten findet sich in der Oratio de Jesuitarum Strophis Circa Canonem Scripturarum,184 die Pareus 1604 vortrug, also in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Initiative zur verwendeten Terminologie im Abendmahl: „Mir kommt die sehr gewichtige Stimme eines gewissen höchst frommen und verständigen Helden in den Sinn, der mit unserem Tossanus seligen Angedenkens über die unglück­ 181  Himmighöfer, 425 Jahre Bibeldruck, 62. 182  Pareus, Methodus Totius Controversiae, 1: „Domesticas controversias“. 183 Vgl. Wolgast, Konfessionsbestimmte Faktoren, 175–186; Schilling, Gab es um 1600, bes. 77–79. 184  Vgl. Kap. 4.2.1.; Kap. 4.1.2.

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lichen unter sich zerstrittenen Evangelischen sprach und endlich vorschlug: genug und allzu sehr ist im eigenen Haus über die Ubiquität, die Eucharistie, die Prädestination etc. debattiert und reichlich sich aufgehalten worden mit Parteistreitereien, die die Beweise der Wahrheit darlegen und nach dem eigenen Gewissen zurückweisen und die durch unsere Geduld, Schweigen und die Zeit selbst vielleicht gelindert werden. Nun müssen wir vereint Waffen, Feldzeichen und Schlachtreihen umwenden gegen unseren gemein­ samen Feind, den Römischen Antichristen und dessen [altgr.:] vorkämpfende Speerspitze, die Jesuiten, die vor unseren Toren die gemeinsame Vernichtung aller reformatorischen Kirchen durch einen schrecklichen Angriff aushecken.“185

Mit dem nicht namentlich genannten „Helden“, der diesen Frontenwechsel vor­ geschlagen hat, könnte Kurfürst Friedrich IV. gemeint sein. Hierfür spricht die Wortwahl Pareus’, der reformierte Fürsten auch an anderer Stelle als „heros“ bezeichnet,186 insbesondere der Verweis auf die Frömmigkeit und die Ver­ ständigkeit („prudentissimi“, nicht „doctissimi“, wie bei einem Gelehrten zu erwarten wäre) als typische Herrschertugenden. Ob Pareus in diesem Fall dem Kurfürsten Worte in den Mund legt, ist nicht nachvollziehbar. Als erster Schritt einer konkreten Umsetzung eines Zusammenschlusses aller Evangelischen gegen die Katholiken verweist Pareus auf das Schweigen und die Geduld, womit der einseitige Verzicht auf antilutherische Polemik gemeint sein dürfte. Die erste Schrift, die der Heidelberger Irenik im vollen Sinne zuzurechnen ist, trägt den antikatholischen Impetus bereits im erweiterten Titel mit sich. Die Trewhertzige Vermahnung der Pfältzischen Kirchen An alle andere Evangelische Kirchen in Deutschland: Daß sie doch die grosse Gefahr die ihnen so wol als uns vom Bapsthumb fürstehet in acht nemmen: Und die inheimische unnötige oder ja nunmehr genugsam erörterte Stritte dermal eins Christlich und Brüderlich mit uns auffheben unnd hinlegen wollen wurde erstmals 1606 durch den Heidelberger Hofprediger Bartholomäus Pitiscus veröffentlicht. Die Schrift verbreitete sich in mehrern Auflagen sehr weit. Pitiscus hatte bereits 1600 eine offenbar verlorene irenische Schrift mit dem Titel De Pace Religionis τοῖς δεῖνα negandis verfasst. Hierbei handelte es sich wohl um ein ungedrucktes Sendschreiben, das nach Pitiscus’ Darstellung „äußerst hasserfüllt“187 in Württemberg aufgenommen wurde. 185  Pareus, Oratio circa Jesuitarum Strophis, 2 f.: „Venit mihi in mentem gravissima vox magni cujusdam piissimi atque prudentissimi HEROIS nuper cum felicis memoriae Doc­ tore nostro TOSSANO de infelicibus Evangelicorum inter se concertationibus differentis, atque tandem suadentis: satis jam & nimis disceptatum domi esse de Ubiquitate, de Eucharistia, de praedestinatione &c. nec morandos amplius esse factiosum quorundam clamores, quos evidentia evictae veritatis & propria conscientia refutet, quosque patientia nostra, silentium, & tempus ipsum sit forte mitigaturum: Nunc communia arma, signa & acies convertendas esse in communem hostem Antichristum Romanum, eiusque primipilares προμάχος Jesuitas, qui ante fores commune exitium omnibus Ecclesiis reformatis immani conatu machinatur.“ 186 Vgl. Pareus, Oseas Propheta, fol. *2v. 187  Pitiscus an J. J. Grynaeus, 20.2.1601, in: Hellmann, et me amare, 13 f.: „odiosissime“. Vgl. Selderhuis, Frieden aus Heidelberg, 238.



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Pitiscus, der bereits als Student eine Kontroverse mit den Mainzer Jesuiten führte,188 begründet seine Einigungsbemühungen überwiegend mit dem Ver­ weis auf die drohende Gefahr durch die „Papisten“: „Die Papisten tichten Tag vnd Nacht drauff, wie sie doch vns alle mit einander außrotten vnd vertilgen mögen. Wenn wie nun selbst vns vnter einander begeren außzurotten: Was thun wir anders, als daß wir den Papisten das Schwerdt, damit sie vns schlagen sollen, in die Handt geben. Wenn wir mit einander einig weren, vnd zusammen hielten: der Papst mit seinem Anhang würde sich noch wol bedencken müssen, ob er vns angreiffen w ­ ollte.“189

Pitiscus nutzt die geteilte Abneigung gegen die Katholiken und insbesondere die Jesuiten als den kleinsten gemeinsamen Nenner der Protestanten. Es ist als Ausdruck dieser irenischen Strategie zu deuten, dass Pitiscus als Anhang seiner Schrift die 1585 in Tübingen gedruckte Warnung vor der Jesuiter blutdürstigen Anschlägen des Lutheraners Lucas Osiander abdrucken lässt. Inwieweit Pitiscus politische Schritte im Auge hatte und eine konkrete „Handlungsanweisung“190 im Sinn hatte, ist unklar. Pitiscus geht in dieser Schrift weiter als vorhergehende Heidelberger Theologen und macht den Lutheranern direkte Zugeständnisse. Er spielt die Bedeutung der zeremoniellen Differenzen in ihrer Bedeutung stark herunter.191 Anders als Pareus’ bereits recht zurückhaltende Buch Christlich vnd gründlich Bedenken vom Brot vnnd Brotbrechen erklärt Pitiscus explizit, dass das Brechen des Brots nicht heilsnotwendig sei: „Wie viel tausend sind auch selig geworden, die das Brot beym Nachtmal vngebrochen gessen haben?“192 Auch wenn er an der reformierten Position nominell festhält, kommt er de facto der lutherischen Sichtweise, dass es sich um ein Adiaphoron handle, sehr nahe. Auch andere Lehrdifferenzen spielt Pitiscus herunter. Die Ubiquitätslehre sei lediglich die „Privatmeynung etlicher wenig Zäncker“193 und stehe einer Einigung nicht unbedingt im Weg. Da Konsens darüber herrsche, dass das geistliche Essen und Trinken im Abendmahl heilsnotwendig sei, könne die Frage nach der leiblichen Nießung in den Hintergrund treten. Die Trewhertzige Vermahnung verfehlte die Ziele des Autors und wurde von den Lutheranern nicht gut aufgenommen. In den Jahren bis 1614 kam es zu einer intensiven Kontroverse zwischen Pitiscus und den Tübinger Lutheranern, die über ein halbes Dutzend Schriften hervor­ brachte.194 Der Heidelberger Hofprediger bleibt in diesen Schriften trotz ihres 188  Vgl. Kap. 5.3. 189 [Pitiscus], Trewhertzige Vermahnung, 11. 190  Sarx, Heidelberger Irenik, 189; dagegen Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 184, Anm. 4. 191 Vgl. Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 186. 192  Pitiscus, Trewhertzige Vermahnung, 4. 193  Ebd., 25. 194  Vgl. im Überblick Holtmann, Pfälzische Irenik, 205–225.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

kontroversen Charakters bei seiner Linie und verlagert seine Argumentation weitgehend auf eine Apologie der reformierten Lehre. David Pareus’ Irenicum sive De Unione Et Synodo Evangelicorum Concilianda Liber Votivus, die bedeutendste, wirkungsreichste und auch namensgebende Schrift der Heidelberger Irenik, wurde 1614 veröffentlicht, mehrfach neuauf­ gelegt und übersetzt, wurde aber zumindest in einer Grundfassung schon 1606 verfasst.195 Somit ist es zeitlich parallel zu Pitiscus’ Trewhertziger Vermahnung anzusiedeln, nach der ersten großen Kontroverse Pareus’ mit den Mainzer Jesui­ ten.196 Für die acht Jahre Verzögerung nennt Pareus keinen Grund, möglichweise haben ihn jedoch die harsch ablehnenden Reaktionen der Lutheraner auf Pitis­ cus’ Werk von einer Veröffentlichung abgebracht. Warum ihm 1614 die Zeit für die Veröffentlichung reif erschien, ist ebenso wenig ersichtlich. In Frage käme die erneute Konfliktverschärfung im Zuge des Jülich-Klevischen Erbfolgestreits und die heftig geführten Kontroversen Pareus’ mit Adam Contzen und Robert Bellarmin,197 die zu einem gesteigerten Bedrohungsempfinden bei dem Heidel­ berger Theologen geführt haben könnten. Wie auch Pitiscus nennt Pareus die Gefahr eines „papistischen Kriegs“198 als wichtigsten Impuls seiner irenischen Initiative. Noch weitgehender als Pitiscus zielt Pareus auf eine Reduktion der Dissenspunkte durch den Begriff des Heils­ notwendigen und der Konzentration auf wenige Fundamentalartikel ab. Im Abendmahl sieht er etwa einen fünffachen „Consensus Evangelicorum“: Das Abendmahl ist (1.) eine Gnadengabe Christi, diese wird (2.) durch Wortverkün­ digung und die Elemente des Sakraments vermittelt, es ist (3.) eine Verheißung an alle Gläubigen und begründet (4.) eine heilsnotwendige und heilssuffiziente Gemeinschaft mit Christus und schließlich steht (5.) die Bedeutung der geist­ lichen Nießung vor der leiblichen, wie immer diese auch vorzustellen wäre.199 Die übrigen Kontroverspunkte seien entweder reine Streitigkeiten um bloße Worte (Logomachien), abweichende Bibelauslegungen, die jedoch nicht trennen müssen, oder Missverständnisse (seitens der Lutheraner!),200 kurzum „nichtiges Flechtwerk“,201 das Luther verachten würde, wenn er noch lebte. Auf gut 40 Seiten listet Pareus nicht weniger als 165 Gemeinsamkeiten der Evangelischen in Abgrenzung zu den Katholiken auf.202 Dafür, dass die Protestanten in den Fundamentalpunkten übereinstimmten, ruft er ungewöhnliche Kronzeugen auf: 195  Pareus an Friedrich V., 8.4.1614, HStA Stuttgart A63 Bü 8013 (abgedr. in: Weiss, Admonitio Christiana, 357); Struve, Ausführlicher Bericht, 522; Sigwart, Admonitio Chris­ tiana, fol. ):(2r; Selderhuis, Frieden aus Heidelberg, 239. 196  Vgl. Kap. 4.1.2. 197  Vgl. Kap. 5.1.3. 198  Pareus, Irenicum, fol. )(3r–v : „bellum Papisticum“. 199  Ebd., 6 f. 200  Ebd., 7 f. 201  Ebd., 194: „inania (…) vitiligia“. 202  Ebd., 149–190.



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Selbst „der ärgste Feind der Evangelischen, der Jesuit Kardinal Bellarminus“203 und der Reichshofrat Andreas von Erstenberger (gest. 1592),204 der eine bekann­ te Polemik gegen die Protestanten geschrieben hatte, würden den Evangelischen eine grundsätzliche Einigkeit bescheinigen. Erklärtes Ziel der irenischen Bemühungen Pareus’ ist das Zustandekommen einer umfassenden protestantischen Generalsynode, auf der eine größtmögliche Einigung hergestellt und ein modus convivendi vereinbart werden sollte. Dabei war Pareus freilich von der überlegenen Überzeugungskraft der reformierten Position überzeugt. Die Idee einer klärenden Synode hatte bereits Pareus’ Lehrer Ursinus in seiner Admonitio Christiana eingebracht, neu an Pareus’ An­ satz sind jedoch die viel weitergehenden Zugeständnisse an die Lutheraner und der konsequente Verzicht auf eine Verwerfung dieser.205 Pareus unterscheidet sich von seinem Lehrer auch darin, wie er sich die Übergangszeit bis zu der abzuhaltenden Synode vorstellt. In der Zwischenzeit sollen die Evangelischen in „frommen Synkretismus und gegenseitiger Toleranz“206 zueinander stehen. Begriffsgeschichtlich ist diese Formulierung sehr interessant, da Pareus den Begriff des Synkretismus erstmals positiv verwendet, der bei Ursinus und im Empfinden der Zeitgenossen zumeist negativ besetzt war.207 Diese weitreichen­ de Umprägung hat Pareus ausgerechnet von dem katholischen Kontroversisten Paul Windeck (gest. 1620) übernommen: „Machen wir, sage ich, zum Guten, was jener tribunizische [i. e.: hetzerische] Prognos­ tiker Paul Windeck seinen Mitpapisten über die Unterdrückung der Evangelischen zum Schlechten rät: ‚Wenn‘, sagt er, ‚die Katholiken verständig wären und ihnen das Heil des christlichen Gemeinwesens am Herzen läge, würden sie einen SYNKRETISMUS pflegen. Auch wir sollten also einen frommen SYNKRETISMUS gegen unseren gemeinsamen Feind, den ANTICHRISTEN, […] unternehmen‘.“208

Den Hofprediger und Theologieprofessor Abraham Scultetus kann man nur mit Abstrichen als Vertreter der Heidelberger Irenik bezeichnen. Er teilt den schroffen Antikatholizismus seiner Kollegen und ist wie diese davon überzeugt, dass Papst und Jesuiten als vorrangige Gegner anzusehen sind. Wenn er auch keine programmatische Schrift zur Irenik veröffentlichte, so verteidigte er doch die Bemühungen seiner Kollegen gegenüber den Anfragen außenstehender 203  Ebd., 338: „infestissimus Evangelicorum hostis, Jesuita BELLARMINUS Cardinalis“. 204  Ebd., 29 f.; vgl. Witt, Protestanten, 4 f. 205  Vgl. zum Verhältnis Witt, Protestanten, 30–54. 206  Pareus, Irenicum, 65: „interim pio syncretismo, mutuaque tolerantia coire“. 207  Müller, Irenik als Kommunikationsreform, 5 f.; Selderhuis, Frieden aus Heidel­ berg, 240. 208  Pareus, Irenicum, 66: „Faciamus, inquam, in re bona, quod tribunitius ille Prognostes Paulus Windeck suis Pontificiis suadet in re mala, de oppressione Evangelicorum consulens: Si, inquit, saperent Catholici, & ipsis chara esset Reipublicae Christianae salus, SYNCRETISMUM colerent. Et nos igitur pio SYNCRETISMO adversus communem hostem ANTICHRISTUM (…) queamus.“

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

Reformierter.209 In seiner JubelJahrs Predigt bemüht er sich, eine verbindende protestantische Perspektive zur Abwehr der „Papisten“ einzunehmen. Er ver­ harrt jedoch unverkennbar in einer profiliert reformierten Position und eröffnet nicht wie Pareus eine explizite und ausgeführte irenische Perspektive. Über die Spaltungen unter den Protestanten predigt er lediglich, dass diese „ohn etliche Zäncker“210 leicht beseitigt werden könnten. Anscheinend hat Scultetus 1617 durch die ablehnende Haltung der Lutheraner gegenüber den Schriften Pitiscus’ und Pareus’ bezüglich der Erfolgsaussichten der Irenik bereits resigniert und sieht die Schuld bei den Lutheranern. Trotz seiner Friedensbeteuerungen lesen sich einige Passagen der JubelJahrs Predigt sehr eingeschränkt irenisch: „Neben dem wundere ich mich vber vnsere Brüder die genandte Lutherische. Dann wie Optatus Milevitanus von den Donatisten schreibet, sie müssen vnsere Brüder sein, sie wollen oder wollen nicht: also halten wir auch von diesen allen (die Schänder aus­ genommen) sie müssen vnsere Brüder sein, sie wollen oder willen nicht. Vber diese, sag ich, verwundere ich mich, daß da man so viel Jahr hero die Lehr vom Heiligen Abend­ mahl in Schrifften vnd Predigten klar, hell vnd deutlich erkläret hat, sie dennoch noch nicht mercken vnd verstehen wollen, daß der Wahn von der Gegenwarth des Leibs Christi im Brodte der Eckstein selbst sey, auff welchen dz gantze Bapsthumb gegründet ist.“211

Vor dem Hintergrund seines überstürzten Handelns im Rahmen des von ihm angeleiteten Prager „Bildersturms“212 fällt es schwer, Scultetus Schriften als Teil der „Heidelberger Irenik“ anzusehen, wenn auch gewisse Nähen im Denken erkennbar sind. Der Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs verschärfte den anti­ katholischen Charakter der Heidelberger Irenik um ein weiteres. Nachdem viele lutherische Territorien unter der Wortführung Kursachsens entgegen pfälzischen Erwartungen dem Krieg nicht auf Seiten der Union beigetreten waren, sondern neutral blieben, wurden 1620 Ausschnitte aus Pareus’ Irenicum unter dem Titel Erwegung Deren Theologen meynung die sich nicht schewen Evangelische Herrschafften zu bereden daß sie lieber mit den Papisten und dem Römischen Antichrist als mit den Reformirten Evangelischen die sie aus haß Calvinisch nennen Gemeinschafft haben sollen erneut veröffentlicht. Reformierte Theologen außerhalb der Kurpfalz, die eine mehr oder weniger weit gehende Irenik gegenüber den Lutheranern entwickeln, sind ebenfalls durch eine starke antikatholische Grundhaltung geprägt.213 Die Initiativen der Nassauer Reformierten Wilhelm Zepper (1550–1607) und Christoph Pezel 209  Holtmann, Die pfälzische Irenik, 26 f. Scultetus’ Zugehörigkeit zur Heidelberger Irenik betont auch Weiss, Admonitio Christiana, 174–184. 210  Scultetus, JubelJahrs Predigt, 28. Vgl. Kap. 4.3.4.1. 211  Ebd., 2 f. 212  Vgl. Kap. 5.5. 213  Benrath, Irenik und Zweite Reformation, 35 f.; vgl. auch Holtmann, Die pfälzische Irenik, 226–237.



5.2.  Abendmahlskontroversen und „Heidelberger Irenik“

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(1539–1604)214 sowie die „niederhessische Irenik“215 um Paul Stein (1585–1634) waren zudem eng mit der Kurpfalz als wichtigstem intellektuellen Zentrum der Reformierten im Reich verbunden. Anlässlich des Reformationsjubiläums 1617 erschienen verschiedene Schriften reformierter Autoren außerhalb der Kurpfalz, die sich stark an das Profil der Heidelberger Irenik anlehnen. Aus einer selbst­ bewussten und profiliert reformierten Position heraus verbinden sie scharfe Ab­ grenzung zum Katholizismus und besonders dem Papsttum gegenüber mit einer irenischen Haltung gegenüber den Lutheranern. Johannes Cratius, der in der in Hanau erschienenen Schrift Jubilum Continuatum Abraham Scultetus gegen die Angriffe kursächsischen Theologen verteidigen will, vermeidet, wie er erklärt, aus Zurückhaltung die Namensnennung der betroffenen Lutheraner.216 Gegen­ über diesen enthält er sich schärferer Polemik und betont gemeinsame Punkte, die sie vom katholischen Lager trennen. Die Lehrunterschiede sieht er lediglich als „zanck und mißverstand“ an, die sich leicht auf einer „Synodo Nationali“217 nach dem Vorbild Dordrechts aufheben ließen. Mit dieser Idee, die er kurz nach dem Erfolg der von den Calvinisten im Reich unterstützten Gomaristen in den Niederlanden äußert, schließt er an Pareus’ Irenicum an. Noch deutlicher wird die irenische Tendenz bei dem ebenfalls in Hanau pu­ blizierenden Theophilus Mosanus218 in seiner Dialogschrift Vialia. Die Trennung zwischen Lutheranern und Reformierten vergleicht er mit den Spaltungen der korinthischen Gemeinde, die sich auf Paulus, Apollos oder Kephas beriefen (1 Kor 1,12) und fordert zur Besinnung auf das gemeinsame Evangelium auf. Hierin liegt zugleich eine versteckte Kritik an den Lutheranern, die die Berufung auf den Wittenberger Professor als Selbstbezeichnung führten, während die Reformierten die Bezeichnung „Calvinisten“ strikt ablehnten. Mosanus gibt als Grund für die Publikation an, er wolle „nur allein […] etliche Lutheraner anzie­ hen“,219 um zu einer Übereinkunft zu kommen. Im Verlauf des fiktiven Gesprächs lassen sich dementsprechend die lutherischen Gesprächspartner Punkt für Punkt davon überzeugen, anlässlich des Reformationsjubiläums und vor dem Hinter­ grund der Gefahr durch die Papisten die Evangeliumstreue der Reformierten anzuerkennen. Von diesen Beobachtungen ausgehend wäre es zu überdenken, um 1600 statt von einer „Heidelberger“ oder „Pfälzischen“ von der spezifischen Irenik der sich an Heidelberg orientierenden Reformierten im Reich zu sprechen. 214  Vgl. zu diesen Witt, Protestanten, 55–66. 215 Vgl. Zeller, Die niederhessische Irenik. 216  Cratius, Jubilum Continuatum, Vorrede; aus der Nennung der Kurztitel „Warnung“ und „Ablehnung“ ist jedoch klar ersichtlich, dass die Trewhertzige Warnung Für der Jubel­ festsPredigt des sächsischen Hofpredigers Matthias Hoe von Hoenegg und die gegen den Am­ berger Prediger Salmuth gerichtete Gründliche Ableinung des Dresdner Theologen Aegidius Strauchius gemeint sind. 217  Cratius, Jubilum Continuatum, 548. 218  Vgl. Kap. 5.5.; Kap. 4.3.4.1. 219  Mosanus, Vialia, 164.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

Wie sich gezeigt hat, steht die „Heidelberger Irenik“ in direktem Zusammen­ hang mit der Konfliktverschärfung um 1600 und wird vorwiegend kontrovers­ theologisch als Notwendigkeit zur Abwehr einer angenommenen „papistischen“ Gefahr begründet. Dementsprechend waren der Perspektive dieser Irenik klare Grenzen gesetzt. Eine Ausweitung über die Protestanten hinaus auf die Ka­ tholiken oder auch die „Schwärmer“ war nicht nur außerhalb des Blickfelds der Heidelberger, sondern wäre ein innerer Widerspruch zum Kern ihrer irenischen Konzeption. Umfassenderen Reunionsbemühungen standen Pareus und seine Kollegen äußerst skeptisch gegenüber. Als der ehemalige Erzbischof von Split Markantun De Dominis (1560–1624), der sich mit der Kurie überworfen hatte, auf der Flucht nach England 1617 in Heidelberg für zwei Wochen Station mach­ te, wurde er offenbar zunächst freundlich empfangen. Er erhielt die Möglichkeit, eine papstkritische Schrift über die Gründe seiner Flucht und den ersten Band seines Hauptwerks De Republica Ecclesiastica zu drucken. Diese „fundierteste Abhandlung zum Thema der Kirchenreunion im 17. Jahrhundert“220 sieht eine weitreichende Einigung unter Einbezug der großen Konfessionen vor. Seine Unionspläne wollte De Dominis in England umsetzen, wo er wie in Heidelberg als Konvertit missverstanden wurde, nach anfänglicher Euphorie scheiterte und schließlich nach Rom zurückkehrte, wo er in der Engelsburg sein Lebensende unter Hausarrest verbrachte. Wie der Kölner Nuntius Albergati berichtet, haben die Heidelberger Theologen offenbar nach Drucklegung von De Republica Ecclesiastica die weitere Verbreitung des Bandes behindert „unter dem Vorwand, es würde neue Häresien einführen“.221 Der Nuntius schildert dies nicht ohne Ver­ wunderung über dieses übereinstimmende Urteil mit der Inquisition. Unter den Heidelberger Theologen erscheint Franciscus Junius mit seinem Eirenicum De Pace Ecclesae Catholicae, das an dieser Stelle bewusst noch keine Erwähnung fand, auf den ersten Blick als Ausnahme. Junius veröffentlichte es 1593 in Leiden, ein Jahr nach seinem Weggang aus Heidelberg. Anders als die anderen Heidelberger Reformierten bezieht Junius in seine irenische Konzeption zumindest in der Zielperspektive auch die Katholiken mit ein.222 Hierbei ist jedoch zwischen der lateinischen und der französischen Ausgabe zu differenzieren. Die lateinische Ausgabe zielt primär auf die Verhältnisse im Reich und in den Niederlanden ab und ist dem jungen Landgrafen Moritz von HessenKassel, der sich zunehmend der reformierten Lehre annähern sollte, gewidmet. 220  Garloff, Irenik, Gelehrsamkeit und Politik, 296; vgl. auch Merkt, Die Alte Kirche, 6 f. Vgl. zu De Dominis Aufenthalt in Heidelberg Malcolm, De Dominis, 4 f. Die Heidelberger Ausgabe von De Republica Ecclesiastica umfasst die Bücher 1–4. Zwar beschäftigen sich vor allem die nachfolgenden Bände mit der irenischen Konzeption De Dominis, seine Pläne dürf­ ten jedoch den Heidelberger Theologen bekannt gewesen sein. Bezeichnenderweise verfasste Martin Becanus eine polemische Schrift gegen De Dominis: Becanus, De Republica. 221  Albergati an Borghese, 7.5.1617, in: NBD.K V,3,2349, S. 89: „sotto pretesto che in­ troducesse nuove heresie“. 222  Holtmann, Pfälzische Irenik, 282–291.



5.2.  Abendmahlskontroversen und „Heidelberger Irenik“

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In der Vorrede an den Landgrafen schildert Junius die Bedrohungslage der Protestanten in und außerhalb des Reichs. Anders als später Pareus und Pitiscus ruft er jedoch nicht explizit zum Kampf gegen die Katholiken auf, sondern bleibt bei impliziten Andeutungen.223 Die französische Ausgabe ist hingegen dem ge­ samten Klerus in Frankreich gewidmet und entfaltet eher eine Perspektive, die auch Katholiken einschließt. Dabei zielt Junius jedoch auf die Sondersituation der gallikanischen Nationalkirche ab.224 Junius’ Eirenicum speist sich zwar auch aus seinen Heidelberger Erfahrungen, hat aber auch den französischen und niederländischen Kontext im Blick und unterscheidet sich somit in der Gesamt­ konzeption von vorangegangenen pfälzischen Schriften wie Ursinus’ Admonitio Christiana und nachfolgenden wie der Irenik Pitiscus’ und Pareus’. Dennoch ist die Bedeutung Junius’ besonders für Pareus nicht zu unterschätzen. Seine Schrift, die den Begriff der Irenik überhaupt erst prägte,225 dürfte Namenspate für dessen Irenicum gestanden haben, das wie auch Junius’ Eirenicum Psalm 133,1 („Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen“) als Leitspruch wählt.

5.2.5.  Die Mainzer Reaktion auf die „Heidelberger Irenik“ In den Kontroversschriften zum Abendmahl der Mainzer Jesuiten ist ebenfalls eine klare Entwicklung erkennbar. Der Schwerpunkt der in den 1580er-Jahren aufblühenden Mainzer Kontroverstheologie liegt ebenso wie bei den pfälzischen Reformierten zunächst auf der Bekämpfung der lutherischen Ubiquitätslehre. Hintergrund ist die Veröffentlichung des Konkordienbuchs, das als Medien­ ereignis auch durch katholische Kontroversisten angegriffen wurde – wenn auch im geringeren Maße als durch die Reformierten.226 In der 1583 erschienenen De Persona Christi Disputatio Theologica Adversus Ubiquitarios verweist der Urheber der Thesen Johannes Busaeus sogar darauf, dass diese Irrlehre mit ihren Auswirkungen auf die Christologie „nicht allein Katholiken, sondern auch Calvinisten“227 ablehnten. Die Lehre der Reformierten verwirft Busaeus hin­ gegen nur en passant mit wenigen Worten.228 Sein Kollege Petrus Thyraeus, der in der Disputation De Festo Corporis Christi, et Deo in Sacramento Eucharistiae adorando von 1585 eine allgemeine Apologie des Fronleichnamsfests, der Hos­ tienverehrung und der täglichen Messpflicht der Priester gibt, richtet sich auch gegen die Lutheraner, namentlich vor allem Martin Chemnitz (1522–1586). 223  Junius, Eirenicum, 3–8. Junius spricht etwa von „äußeren Feinden“ („hostes exteros“, S. 5), womit in diesem Kontext die Spanier in den Niederlanden gemeint sein dürften. 224  Sarx, Heidelberger Irenik, 18 f.; vgl. Sarx, Franciscus Junius, 109–137. 225  Benrath, Irenik und Zweite Reformation, 352. 226  Dingel, Concordia Controversa, 547. 227  Busaeus, De Persona Christi, fol. B1r: „non solum Catholici sed etiam Calviniani“. 228  Ebd., fol. A2v.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

Johannes Busaeus ließ sich sogar in eine längere Kontroverse um die Ubiqui­ tätslehre und ihre christologischen Implikationen mit dem Tübinger Lutheraner Stephan Gerlach (1546–1612) verwickeln. Nachdem dieser als Reaktion auf die Mainzer Disputation De Persona Christi Busaeus in seinen beiden Schriften Assertio Piae Sanaeque Doctrinae de Divina Maiestate Christi Hominis (1585) und Disputatio de Persona Christi (1586) namentlich attackiert hatte, verfass­ te der Angegriffene 1588 die Verteidigungsschrift Apologeticus Disputationis Theologicae de Persona Christi. Hierin baut er seine Argumentation gegen die Ubiquitätslehre aus und verweist erneut darauf, dass diese Lehre so falsch sei, dass sie sogar „von den Neustädter und Bremer Calvinisten sowie den Anhalter Lutheranern“229 bekämpft werde. Nach Gerlachs Folgeschrift De Persona Servatoris Christi von 1591 legte auch Busaeus noch im gleichen Jahr mit der Refutatio Cavillationum nach. In dieser Schrift thematisiert der Mainzer die Un­ terschiede zwischen Lutheranern und Reformierten ausführlicher und lässt sich genüsslich über die anhaltende Kontroverse aus, ohne jedoch die reformierte Abendmahlslehre eingehend zu thematisieren.230 Gerlach legte daraufhin erneut zwei Schriften nach, die Refutatio Errorum, Absurditatum, Mendacium et Depravatum a Joanne Busaeo (1592) und De Persona Christi Salvatoris Disputatio II. (1595), woraufhin Busaeus mit der 1596 verfassten Defensio Secundi Capitis Apologetici Disputationis de Persona Christi reagierte. Busaeus ließ seine ersten beiden Schriften in der Abendmahlskontroverse zudem 1609 kurz vor seinem Tod neu auflegen. Parallel zu dieser Kontroverse griff Busaeus mit seiner 1588 gedruckten Responsio ad Theses Theolog. Marpurgensium De Missa Pontificia auch den Marburger Lutheraner Daniel Arcularius an, der im Jahr 1587 Thesen zum Thema De Missa Pontificia, Et Coenae Dominicae In ea profanatione auf­ gestellt hatte. Auch der eher im Hintergrund stehende Mainzer Jesuitenprofessor Vitus Miletus veröffentlichte 1593 eine Kontroversschrift zur Abendmahlslehre, in der er den Titel De Sacramentis Mille Sexcenti Errores erfüllend 1600 protestantische Irrtümer in der Sakramentenlehre, überwiegend jedoch zum Abendmahl auf­ listet. Bereits im erweiterten Titel wird der Lutheraner Martin Chemnitz als Hauptgegner der Schrift ausgemacht. Neben Zitaten dieses Autors verweist Miletus gelegentlich auch auf Positionen Luthers und Calvins, ohne jedoch erkennbar zwischen Reformierten und Lutheranern zu trennen. Bis zur Jahrhundertwende richten sich alle Mainzer Abendmahlsschriften vorwiegend gegen die lutherische Ubiquitätslehre und somit gegen die gleichen Gegner wie die pfälzischen Reformierten. Dies änderte sich durch das Auftreten Martin Becanus’ und Adam Contzens, die die Reformierten als die gefährliche­ ren Gegner unter den Protestanten ansahen. Beide legen großen Wert darauf, 229  Busaeus, Apologeticus Disputationis, fol. *2r: „à Neustadiensibus Bremensibusque Calvinianis & Anhaltensibus Lutheranis“. 230  Busaeus, Refutatio Cavillationis, fol. A3r–B2r.



5.2.  Abendmahlskontroversen und „Heidelberger Irenik“

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konsequent zwischen den Lehren der Lutheraner und der Reformierten zu diffe­ renzieren, was von der bisher vorherrschenden und von gegenreformatorischen Führungsfiguren wie Bellarmin vertretenen Ansicht abwich, dass es nur eine zusammenhängende protestantische Häresie gebe, die nur in Nuancen unter­ einander abweiche. Programmatisch entfaltet Becanus diese neue Perspektive in der Disputatio Theologica De Triplici Coena: Calvinistica, Lutherana, Catholica von 1608. Darin erläutert er, dass es für die Katholiken zwei voneinander ge­ trennte Abendmahlskontroversen gebe: In der Frage der Realpräsenz kämpfe man gegen die Reformierten, die somit am weitesten von den Katholiken ent­ fernt seien, in der untergeordneten Frage der Transsubstantiation müsse man gegen die Lutheraner argumentieren.231 Hinzu käme eine allgemeine Kontro­ verse mit allen Häretikern inklusive der Hussiten, nämlich um den Laienkelch, die er in seiner 1609 veröffentlichten Disputation De Communione Sub Utraque Specie: Pro Defensione Catholicorum, contra Hußitas, Lutheranos & Calvinistas ausführt. In beiden Schriften inszeniert er als Gegensatz zur protestantischen Vielfalt die katholische Tradition, die er mit einer Fülle an Kirchenväterzitaten eindrucksvoll darzustellen sucht. Über diese Thesen zum Laienkelch führte Becanus im Jahr darauf einen kurzen öffentlichen Briefwechsel mit dem Witten­ berger Theologen Friedrich Balduin. Bezeichnenderweise führt Becanus aus, dass er nur ausnahmsweise eine Kontroverse mit einem Lutheraner führe, da er „bis jetzt die Calvinisten, nicht die Lutheraner, aus deren Schar du bist, als meine Feinde und Gegner gewählt“232 habe. In der Tat eröffnete Becanus zuvor ausschließlich Kontroversen mit Reformierten, bevorzugt mit David Pareus, aber in der Abendmahlsfrage 1609 auch mit dem hugenottischen Theologen und Diplomaten Philippe Duplessis-Mornay (1549–1623).233 Hinzu kommen bei Becanus dezidiert „antiirenische“ Schriften, die mög­ licherweise als direkte Reaktion auf die Heidelberger Bemühungen im frühen 17. Jahrhundert zu sehen sind. Die Aphorismi Doctrinae Calvinistarum,234 von Becanus 1608 veröffentlicht, sind eine Sammlung als skandalös empfundener Zitate reformierter Theologen, die zumeist bewusst aus dem Kontext gerissen sind. Becanus richtet sich nicht nur an die eigene Konfession, sondern explizit auch an die Lutheraner, die er vor einer Übereinkunft mit den Reformierten warnen will. Die Rollen sieht er unter den protestantischen Konfessionen klar verteilt: „O einfältige Lutheraner, O verschlagene Calvinisten!“235 Ausdrück­ lich verweist er auf Pitiscus’ Außführlicher Bericht Was die Reformierte Kirchen 231  Becanus, De Triplici Coena, bes. 8.41. 232  Becanus, Ad Fridericum Balduinum, 3: „Calvinistas hactenus, non Lutheranos, ex quorum numerum tu es, hostes mihi & adversarios delegerim“. 233 Vgl. Becanus, Brevis Refutatio. 234  Vgl. Kap. 6.3.2. 235  Becanus, Aphorismi Doctrinae Calvinistarum, 4: „O simplices Lutheranos, O ver­ sipelles Calvinistas!“

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

in Deutschland gleuben, die Nachfolgeschrift zu dessen Trewhertziger Vermahnung und den oben besprochenen Auszug aus Pareus’ Oratio de Strophis Jesuitarum. Die irenischen Bemühungen der Heidelberger interpretiert er nicht nur als geplantes Abwehr-, sondern als Angriffsbündnis zur Vernichtung der Katholiken. Die Behauptung der Heidelberger, die Lehrunterschiede seien nur von geringer Bedeutung, würden die Lutheraner jedoch glücklicherweise nicht glauben – zu Recht, wie sich an der Verfolgung der Lutheraner in Hessen-Kassel zeige.236 In die gleiche Kerbe schlägt Becanus in seiner 1611 in lateinischer und deutscher Sprache veröffentlichten Schrift Privilegia Calvinistarum. Darin zählt er ironisch die „Privilegien“ der Reformierten gegenüber Katholiken und Lu­ theranern auf, etwa die sichere Erwähltheit durch Gott in der Prädestination ihre vermeintliche Immunität vor den Gesetzen. Auch wenn Becanus hier die Lutheraner nicht direkt anspricht, sind viele darin verarbeitete Vorurteile und kontroverstheologische Tropen auch zur Entrüstung eines lutherischen Publi­ kums geeignet, das in dieser Schrift geschont wird. Aufgrund dieses gegen die Heidelberger Bemühungen gerichteten „antiirenischen“ Wirkens Becanus’ ist es wenig sinnvoll, ihm in seinem kontroverstheologischen Spätwerk Manuale Controversiarum Huius Temporis eine „irenische Tendenz“237 zuzuschreiben. Adam Contzen, der nach Becanus’ Weggang nach Wien dessen Position als wichtigster Mainzer Kontroverstheologe übernahm, profilierte sich in ähn­ licher Weise als „Spezialist“ für anticalvinistische Polemik und beobachtete die innerprotestantischen Verhältnisse genau. Schon 1613, als er von ersten Überlegungen zu einer schließlich 1618/19 in Dordrecht abgehaltenen Synode zur Klärung innerreformierter Streitfragen erfuhr, berichtete Contzen seinem Vorbild Robert Bellarmin, dass er ein Buch gegen eine solche Synode plane, da den Katholiken ein fortgesetzter Zwiespalt „zwischen den gemäßigten und den eifernden Calvinisten“238 nütze. Nach der Veröffentlichung des Irenicum seines erwählten Erzfeindes Pareus setzte Contzen seine Pläne um und ließ 1615 eine an Pareus’ Untertitel angelehnte Gegenschrift namens De Unione Et Synodo Generali Evangelicorum drucken. Wie schon Becanus wirft Contzen dem Heidelberger vor, die vorgebliche Irenik diene der Kriegsvorbereitung zur Ver­ nichtung der Katholiken. Zudem verweist er auf die mangelnde kirchenrecht­ liche Legitimation der Protestanten zur Abhaltung einer Synode und sucht die praktische Undurchführbarkeit einer wirklich gesamtprotestantischen Synode in einem ausführlichen „Planspiel“ zu erweisen. Die inhaltlichen Zugeständnis­ 236  Ebd., 3 f. 237 So im Jahr 1898 Happel, Katholisches und Protestantisches Christentum, 10. Diese Irenik soll sich darin zeigen, dass Becanus durch scharfe Abgrenzung Vorurteile zerstreuen wolle, was wohl weder dienlich zum Verständnis Becanus’ ist, noch dem geläufigen Wortsinn der Irenik entspricht. 238  Contzen an Bellarmin, 24.12.1613, in: Döllinger/​R eusch, Moralstreitigkeiten, II, 262: „inter Calvinistam politicum et Calvinistam zeloten“.



5.2.  Abendmahlskontroversen und „Heidelberger Irenik“

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se an die Lutheraner bezeichnet Contzen mit dem Begriff, den Pareus sich von Windeck positiv angeeignet hatte, als „syncretismus“, worunter er – nun wieder pejorativ gewendet – die unzulässige Vermengung unvereinbarer theologischer Prinzipien versteht. Ähnlich wie Becanus spricht Contzen auch die Lutheraner an, um „antiirenisch“ zu wirken. Er verweist unter anderem auf die Vorgänge der Heidelberger Disputation 1584 (s. o.), über die der Mainzer erstaunlich gut un­ terrichtet ist, um aufzuzeigen, dass die Lutheraner ihren vermeintlichen Brüdern nicht trauen könnten.239 Nicht ganz zu Unrecht kann Contzen auch auf Pareus’ antilutherisches Erstlingswerk Methodus Totius Controversiae Ubiquitariae aus dem Jahr 1586 verweisen, um den Lutheranern die angenommene Unaufrichtig­ keit des Irenikers zu zeigen.240 Im Jahr darauf legte Contzen mit De Pace Germaniae Libri Duo: Prior De Falsa Pace Alter De Vera Pace in ähnlicher Weise nach. Die Schrift ist in zwei Bücher gegliedert, wobei sich das erste mit dem „falschen Frieden“ beschäftigt, den Pareus aufzeige. Dieser sei typisch calvinistisch, ja machiavellistisch kon­ zipiert, da er auf eine politische Einigung abziele, die religiöse Unterschiede zulässt. Dass auf diese Weise kein echter Friede möglich sei, liege an dem ihm zu Grunde liegenden Grundprinzip des von Pareus beworbenen „Synkretismus“: „Dieser Begriff ‚Synkretismus‘ ist schimpflich, die Sache noch viel abscheulicher, er führt zu Gefahr für alle, sein Ziel ist höchst grausam und unwürdig. Es wird nämlich die Ver­ nichtung des Papsts, des Kaisers, der Könige, der Fürsten, der katholischen Gemeinwesen und alles Rechtgläubigen durch diese gottlose Verschwörung geplant, nach dem Vorbild alter Frevel, nach Saufliedern zu berüchtigten Verbrechen wüten sie gegen unser Blut, ungehemmt lechzend nach katholischem Blut und begierig auf katholisches Kirchenver­ mögen.“241

Dies sei auch eine Gefahr für die kaisertreuen Lutheraner, da sich die Refor­ mierten nach der Vernichtung der Katholiken gegen ihre vermeintlichen Brüder richten würden.242 Zur Bekräftigung stellt Contzen den von Pareus aufgelisteten 165 Gemeinsamkeiten der Protestanten untereinander nicht weniger als 288 Lehrunterschiede entgegen. Der zweite Teil entwirft knapp die Bedingungen eines „wahren Friedens“, wie er nur unter dem einen, katholischen Glauben möglich sein kann. Das von Pareus angestrebte Generalkonzil sieht Contzen daher im Tridentinum bereits verwirklicht. Diese „antiirenischen“ Bemühungen 239  Contzen, De Unione et Synodo, 34–40. 240  Ebd., 10 f. 241  Contzen, De Pace Germaniae, 2 f.: „Infame est nomen Syncretismi, res multo taetrior, periculum in omnes intenditur, finis crudelissimus est, atque indignissimus. Exitium enim Pontifici Romano, Imperatori Augusto, Regibus, Principibus, Rebuspublicis Catholicis, totique nomini orthodoxo, per hoc nefariae conspirationis consilium paratur, per veterum exempla scelerum, per famosas paroemiis fraudes in nostrum sanguinem grassatur sitientissima Ca­ tholici sanguinis, & Catholicae pecuniae sacerrima sitis.“ 242  Ebd., 45–66.

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Contzens, die auch in Rom großen Anklang fanden,243 setzte er auch in seinen drei Schriften zum Reformationsjubiläum 1617 fort. Seine historiographische Darstellung des vergangenen Jahrhunderts zielt unter anderem auf die vielfälti­ gen Trennungen unter den Protestanten ab. Diese Negativfolie der wesensmäßig zu Dissens und Streit neigenden Evangelischen nutzt Contzen auch zur In­ szenierung des Katholismus als Ausweg für enttäuschte Protestanten. In der Tat sahen sich viele Konvertiten, darunter auch der Heidelberger Justus Calvinus,244 von der ostentativen Einheit der Katholiken angezogen. Besondere Bedeutung haben Contzens Schriften gegen Pareus’ Irenik für die Entwicklung seiner Staatslehre, die er 1621 in seinem Hauptwerk Politicorum Libri Decem voll ausführt, was zu seiner Berufung als Hofbeichtvater in Mün­ chen mit gehörigem politischen Einfluss führte. Entscheidende Elemente seiner Staatslehre entwickelt Contzen bereits hier in der kontroversen Auseinanderset­ zung mit Pareus. Besonders im zweiten Teil von De Pace Germaniae über den „wahren Frieden“ stellt der Mainzer bereits seine Theorien im Aufriss vor. Dies gilt insbesondere für den Leitgedanken des antimachiavellistischen Konfessions­ staats. Die kirchliche Einheit (pax ecclesiastica) ist Vorbedingung des weltlichen Friedens (pax civilis) und muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln hergestellt, notfalls erzwungen werden. Ein machiavellistisches, „politisches“ Taktieren, Toleranz und Bündnisse mit Andersgläubigen kommen für ihn nicht in Frage. Auch der machtstaatliche, „frühabsolutistische“ Charakterzug seiner Staatslehre kommt bereits in seinen Kontroversschriften zum Ausdruck. Der Fürst ist zur Herstellung der kirchlichen Einheit unter der katholischen Kirche und zur Fürsorge für die Religion verantwortlich und ist mit allen dafür not­ wendigen Kompetenzen ausgestattet und unantastbar. Contzen verbindet dies mit einer anticalvinistischen Polemik gegen das Widerstandsrecht. Nach der für die Böhmischen Stände und die Union verheerenden Schlacht am Weißen Berg verweist Contzen in den Politicorum Libri Decem erneut auf seinen „antiire­ nischen“ Friedensentwurf.245 Wie schon bei Pitiscus’ irenischen Schriften reagierten nicht nur die Katho­ liken, sondern auch die Lutheraner mit heftiger Ablehnung auf Pareus’ Schrift. Sie argumentieren ganz im Sinne Contzens, dass Pareus keine aufrichtige Irenik verfolge und dass eine Übereinkunft in allen Lehrpunkten notwendig sei, was mit der Konkordienformel bereits geleistet wäre.246 Gegen diese „Gegner des Friedens“,247 unter ihnen der sächsische Hofprediger Matthias Hoe von Hoenegg, der Coburger Gelehrte Andreas Libavius, Polykarp Leyser, Friedrich Balduin 243  Vitelleschi an Contzen, 11.2.1617, ARSI Rhen. Inf. 5, fol. 538v. 244  Vgl. Kap. 4.2.1. 245  Contzen, Politicorum Libri Decem, 67 f. Vgl. Kap. 6.1.6. 246  Zu den lutherischen Reaktionen auf das Irenicum vgl. Will, Protestanten, 91–104; Benrath, Irenik und Zweite Reformation, 35 f.; Holtmann, Pfälzische Irenik, 25 f. 247  Pareus, De Pace & Unione … Oratio, 23: „Adversarios Pacis“.



5.2.  Abendmahlskontroversen und „Heidelberger Irenik“

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und Johann Georg Sigwart, mit dem Pareus bereits um die „Neustadter Bibel“ gestritten hatte (s. o.), beabsichtigte der Heidelberger keine Kontroverse auf­ nehmen. Pareus wollte deren Schriften auf sich beruhen lassen: „Und wem zum Nutzen? Soll ich für den Frieden den hundertseitigen Schriften einen Hundert­ seiter entgegensetzen? Werden sich die Gegner verdoppeln? Verdreifachen?“248 Eine Reaktion sei nicht nur unnütz und dem Frieden abträglich, sondern würde noch die Katholiken stärken. Während die Protestanten sich um ein Friedens­ angebot stritten, „lacht der Papst sich ins Fäustchen“.249 Die Angriffe von beiden Seiten nahm Pareus als geeinte Front gegen sich wahr. Contzen, „begierig, der Stachel im Geschwür zu sein“, stoße „vom Wagen der Lutheraner herab“250 ins Kriegshorn, um den Frieden zu verhindern. Namentlich die Tübinger seien entsprechend in ihren Schriften gegen ihn „in keiner Weise milder als die Schmähungen der Jesuiten“.251 In der Tat finden sich in den Gegenschriften zum Irenicum unerwartete Bezüge und Parallelen. So verweist der Tübinger Sigwart in seiner Admonitio Christiana De Irenico auf die oben betrachtete erste Schrift Johannes Busaeus’ zur Ubiquitätslehre und beruft sich auf den verstorbenen Mainzer Jesuiten als Kronzeugen für die Unvereinbarkeit der lutherischen mit der reformierten Christologie.252

5.2.6. Fazit Dass Johann Philipp Pareus das Irenicum seines Vaters in der posthumen unvoll­ endeten Gesamtausgabe in den dritten Band „Scripta Polemica“253 einordnen wollte, verwundert mit Blick auf die kontroverstheologische Frontstellung und die den Kontext setzenden Kontroversschriften wenig. Aus der Betrachtung der Heidelberger Schriften zum Abendmahlsstreit und auch zur Neustadter Bibel lassen sich entscheidende Erkenntnisse zum Verständnis der „Heidelberger Irenik“ gewinnen. Dies betrifft zunächst die Datierung. Es ist durchaus einleuch­ tend, die Irenik Pitiscus’ und Pareus’ als Folge vorangegangener Entwicklungen in der Kurpfalz zu sehen und einen weiten Bogen von Melanchthons Einfluss in Heidelberg über Ursinus bis zu Pareus als Höhepunkt zu ziehen.254 Es wäre 248  Ebd.: „Et cui bono? Pro Pace ego centifoliis scrptis centifolium opponam? Adversarii dublicabunt? triplicabunt?“ In den Notae In Problema Theologicum (1616) antwortete Pareus gleichwohl dem Lutheraner Leonhard Hutter, jedoch in irenischem Ton. 249  Ebd., 4: „Interim in sinum ridet Romanus Pontifex“ (wörtl.: „lacht sich in die Armbeu­ ge“). 250  Ebd., 24: „Jesuita Moguntinus, cupiens esse unguis in ulcere, classicum ex plaustro Lu­ theranis canit“. 251  Ebd., 26: „scommata Jesuiticis nihilo clementiora“. 252  Sigwart, Admonitio Christiana, fol. K2r; vgl. Zu diesem Werk auch Weiss, Admonitio Christiana; vgl. Busaeus, De Persona Christi, fol. B1r (s. o.). 253 Vgl. Pareus, Narratio Historica, 195. 254 Vgl. Selderhuis, Frieden aus Heidelberg, 25 f.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

jedoch dem Verständnis der pfälzischen Irenik des frühen 17. Jahrhunderts ab­ träglich, nicht auf die gewichtigen Unterschiede zu vorangegangenen Schriften einzugehen. Pareus und Pitiscus entwerfen ihre Konzeption aus einer Situation der (vermeintlichen) Stärke heraus, in der die reformierte Konfession in der Kurpfalz gesichert und das Territorium international verflochtene Führungs­ macht der Reformierten im Reich ist. Anders als Ursinus können sie daher auf eine Abgrenzung zu den Lutheranern zur Stärkung des eigenen Profils eher verzichten. Darüber hinaus wird man den pfälzischen Ausgleichsbemühungen im 16. Jahrhundert nicht gerecht, wenn man diese nur als Vorspiel der „ei­ gentlichen Heidelberger Irenik“ betrachtet. Der Heidelberger Katechismus, die nachfolgenden Bekenntnisse, Ursinus’ Admonitio Christiana und auch Pareus’ Schriften zur Neustadter Bibel sind in ihren je eigenen Kontext eingebettet und positionieren sich zwischen politisch notwendiger und theologisch gewünschter Nähe zu den Augsburger Konfessionsverwandten und der Profilierung des ei­ genen Bekenntnisses. Im Zuge eines langfristigen Wandels der Ausrichtung der Kontroverspublizis­ tik etwa in der Abendmahlsfrage lässt sich der Beginn der „Heidelberger Irenik“ grob auf „um 1600“255 datieren. Die Heidelberger gingen mit dem allmählichen Verzicht auf antilutherische Polemik gewissermaßen irenisch in „Vorleistung“, noch bevor Pitiscus und Pareus 1606 ihre Programmschriften verfassten. Dabei handelt es sich offenbar primär um eine Reaktion auf die konfessionelle Konflikt­ verschärfung um 1600 und die in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts ver­ stärkten Kontroversen mit den Mainzer Jesuiten.256 In einer dieser Streitschriften zur Schriftautorität entwirft Pareus erstmals explizit seine Irenik als antikatho­ lische „Frontverschiebung“.257 Mit der baldigen Gründung der Protestantischen Union hatte die Irenik zwar auch eine politische Dimension, jedoch handelte es sich nicht um eine Auftragsarbeit des kurfürstlichen Hofes. Pareus scheiterte im Streit mit den Heidelberger Geistlichen um die Abendmahlsterminologie 1603/04 auch am Eingreifen des Kurfürsten für die Gegenseite.258 Es ist dennoch bemerkenswert, dass Pareus den Kurfürsten möglicherweise als „Heros“ (s. o.) zum Urheber der irenischen Initiative stilisiert. Pareus’ sehr weitgehende frühe Bemühungen, den Lutheranern im Abendmahlsstreit terminologisch entgegen­ zukommen, und der beobachtete Verzicht auf antilutherische Abendmahls­ polemik schon vor den irenischen Programmschriften, sprechen auch dafür, die Aufrichtigkeit des irenischen Unterfangens der Heidelberger Theologen ernst zu nehmen.259 Unbeschadet dessen bleibt die Beobachtung, dass Pitiscus und 255  Kohnle, Kleine Geschichte der Kurpfalz, 109. 256  Vgl. Kap. 2.3.1. 257  Pareus, Oratio circa Jesuitarum Strophis,  f.; s. o. Kap. 4.2.4. 258  Benrath, Irenik und Zweite Reformation, 353. 259 Gegen die Aufrichtigkeit insbesondere Pareus’ sprechen sich Leube, Kalvinismus, 59–70 und Witt, Protestanten, 52 mit Anm. 118 aus, dementgegen verteidigen Holtmann,



5.2.  Abendmahlskontroversen und „Heidelberger Irenik“

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Pareus weiterhin von einer Überlegenheit der reformierten Positionen über­ zeugt waren und erwarteten, ihre Lehre werde sich auf der geplanten Synode durchsetzen. Es griffe zu kurz, die Heidelberger Irenik als eine rein innerprotestantische Angelegenheit anzusehen. Martin Becanus und besonders Adam Contzen wol­ len mit ihren Schriften bewusst „antiirenisch“ im protestantischen Lager wirken und die Lutheraner davon abbringen, auf das pfälzische Angebot einzugehen. Ihre Wirkung auf das lutherische Lager wird Pareus in seinen Klagen über die Rezeption seines Werks allerdings wohl überschätzt haben. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung der Mainzer Reaktion auf die Heidelberger Irenik für die jesuitische Kontroverstheologie. Gemeinsam mit der explizit formulierten Entscheidung Becanus’, sich auf antireformierte Polemik zu spezialisieren, wird es im frühen 17. Jahrhundert zum Proprium der Mainzer Kontroverstheologie, zwischen Lutheranern und Reformierten zu unterscheiden. Zwar gehörte der Verweis auf die Trennungen unter den Protestanten zu den beliebten Topoi der katholischen Kontroverspublizistik, eine genaue Differenzierung der als fun­ damental unterschiedlich betrachteten Auffassungen in der Abendmahlslehre wie in Becanus’ De Triplici Coena: Calvinistica, Lutherana, Catholica oder sogar innerhalb der Reformierten in der Prädestinationslehre, worauf Adam Contzen vermehrt hinweist,260 findet sich fast bei keinen anderen katholischen Autoren dieser Zeit. Vielmehr war die von prominenten Kontroversisten wie Robert Bel­ larmin oder auch dem oben betrachteten Laurentius Arturus geteilte Auffassung vorherrschend, dass die Unterschiede zwischen den Häretikern unbedeutend und nur unterschiedliche Erscheinungsformen der einen protestantischen Hä­ resie, ja der Häresie überhaupt seien. Auch Busaeus sind die Unterschiede in der Christologie bezüglich der Ubiquitätslehre zwar oberflächlich bekannt, jedoch nur Anlass kurzer polemischer Auslassungen. Dies lässt sich sehr plausibel als Reaktion auf die Heidelberger Irenik begreifen, die eine durchaus bedeutende Entwicklung im Gesamtbild der katholischen Kontroverstheologie darstellt. Die Heidelberger Irenik nahm ihr Ende mit dem Beginn des Dreißigjährigen Kriegs, bereits aus den Gesten Abraham Scultetus’ in Richtung der Lutheraner anlässlich des Reformationsjubiläums spricht Enttäuschung über die gescheiter­ te Friedensinitiative, wenn nicht gar Resignation. Der furchtbare Krieg, der für die Zeitgenossen ungeahnte Ausmaße annehmen sollte, wirft ein neues Licht auf die Schriften zur Heidelberger Irenik. Sowohl Adam Contzen in seiner Polemik gegen den „falschen Frieden“, als auch David Pareus hatten ihn vorausgesehen und in Kauf genommen. Beinahe prophetisch liest sich einer der letzten Sätze Pfälzische Irenik, 240 mit Anm. 1; Brinkmann, Irenicum, 107 und Selderhuis, Frieden aus Heidelberg, 247 die Heidelberger Irenik als aufrichtiges Unterfangen. Vgl. zur von kon­ fessionellen Vorentscheidungen geprägten Forschungsdiskussion Witt, Keine Irenik ohne Polemik, 38–53. 260  Vgl. Kap. 5.1.3.1.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

von Pareus’ Irenicum: „Denn der Funke, der schließlich Europa niederbrennen wird, wird gewiss irreligiöse Streitereien zur Religion über dieses oder jenes sein.“261 Ob eine umfassende Einigung der Protestanten tatsächlich den Krieg verhindert hätte, sei jedoch dahingestellt. Der Gedanke der Irenik und auch die Konzeption Pareus’ wurden nach dem Dreißigjährigen Krieg wiederaufgenommen und vielfältig weiterentwickelt.262 Als vielleicht wichtigster Vertreter der protestantischen Irenik des 17. Jahrhun­ derts ist der Helmstedter Lutheraner Georg Calixt (1586–1656) anzusehen. Auf einer Reise kam er in jungen Jahren 1610 auch nach Heidelberg, wo er Pareus und seine irenische Konzeption kennenlernte, und bemerkenswerterweise auch nach Mainz, wo er eine persönliche Begegnung mit Martin Becanus hatte. Calixt berichtet von einer mehrstündigen Unterhaltung über die Glaubensspaltung, bei der sich der Mainzer Jesuit sehr aufgeschlossen gezeigt habe.263 Calixts noch während des Dreißigjährigen Kriegs entwickelte Irenik, die auf dem Gedanken eines consensus quinquesaecularis beruht, also auf der Übereinstimmung in den Lehrpunkten, die in den ersten 500 Jahren des Christentums behandelt wurden, fand mit Veit Ebermann erneut einen Mainzer Jesuiten als Gegner. In dessen Schriften Eirenikon Catholicum, Helmestadiensi Oppositum (1645) und Irenici Anti-Calixtini Pars Altera (1646) greift er Calixt an und betont die Bedeutung des päpstlichen Primats für die Einheit der Kirche.264 Nach dem Westfälischen Friedensschluss entwickelte sich Mainz jedoch unter Kurfürst Johann Philipp von Schönborn (1647–1673), der schon bei den Friedensverhandlungen eine wichtige Rolle gespielt hatte, zu einem „Zentrum der katholischen Irenik im Heiligen Römischen Reich“,265 woran die örtlichen Jesuiten allerdings nur wenig beteiligt waren. Auch auf Johann Amos Comenius, der in Heidelberg bei Pareus studiert hatte, hatte das Irenicum einen nicht zu unterschätzenden Einfluss.266

5.3.  Die Kontroverse um den Rosenkranz und die Marianische Kongregation in Mainz Die Jesuiten engagierten sich an ihren Wirkungsstätten auch in der Förderung der Frömmigkeitspraxis ihrer Schüler und der gesamten Bevölkerung. Dies taten 261  Pareus, Irenicum, 345: „Fax enim, qua conflagrabit tandem Europa, erunt profectò ir­ religiosa de religione tum haec tum alia certamina.“ 262 Vgl. Selderhuis, Frieden aus Heidelberg, 24 f. 263  Calixt, Responsum Maledicis Theologorum Moguntinorum, §129, fol. Z 2v. Calixt hält dies seinem Mainzer Gegner Ebermann (s. u.) vor, es mag sein, dass Calixt die Position Becanus’ rückblickend übertreibt. 264 Vgl. Wallmann, Union, Reunion, Toleranz, 34; Peterse, Johann Christian von Boineburg, 108. 265  Peterse, Johann Christian von Boineburg, 105. 266  Röhrs, Studienzeit, 47–50.



5.3.  Rosenkranz und die Marianische Kongregation

263

sie in vielfältiger Weise als Prediger, Beichtväter, wandernde Seelsorger oder als Organisatoren von Wallfahrten. Eine besondere Entwicklung auf diesem Feld sind die auch als Sodalitäten bezeichneten Marianischen Kongregationen. Unter dem Patrozinium Mariens leiteten die Jesuiten Treffen ihrer Schüler an, in denen eine besondere Frömmigkeitskultur eingeübt werden sollte. Im Laufe der Zeit kamen im städtischen Kontext weitere Kongregationen hinzu, in welchen sich auch Laien als „Sodalen“ trafen. Die Marianischen Kongregationen entwickelten bald eine hohe soziale Sogwirkung und erwiesen sich als erfolgreiches Werkzeug im Bemühen der Jesuiten um die Frömmigkeitspraxis der ihnen anvertrauten Gläubigen. In Mainz, wo die Gesellschaft Jesu die in vorreformatorischer Zeit tief verwurzelte Marienfrömmigkeit neu belebte, gründete sich 1577 eine erste Ma­ rianische Kongregation, die das Glaubensleben der Schüler des Jesuitenkollegs heben sollte. Schon Ende dieses Jahres belief sich die Zahl der Sodalen auf über 100 – eine Zahl, die sich im kommenden Jahr verdoppeln sollte. Bald gehörte ein beachtlicher Teil der Schüler des Mainzer Kollegs auch der Mariensodalität an. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts folgten dicht gefolgt aufeinander eine den Handwerksmeistern offenstehende Kongregation der Bürger (1609), eine Kon­ gregation der Geistlichen (1610) und schließlich auch eine Kongregation der unverheirateten Gesellen (1616).267 Während die ältere Forschung den rein auf die Frömmigkeit bezogenen und vom Kampf gegen die Protestanten losgelösten Charakter der Maria­ nischen Kongregationen betont,268 ist eher das innere Aufeinanderbezogensein der scheinbaren Gegensätze „Gegenreformation“ und „Katholische Reform“ auch in Bezug auf die Kongregationen zu beachten. Besonders in gemischt­ konfessionellen Räumen wie etwa entlang des Rheins betonten die Sodalen in ihrem Selbstverständnis den aufs Geistliche bezogenen quasimilitärischen Charakter als „Ritter Mariens“.269 Es verwundert nicht, dass sich aus dem Kreis der Mainzer Kongregation der Schüler heraus eine Kontroverse mit Heidelberg entwickelte. Ausgangspunkt dieser kleinen Kontroverse ist eine Disputation, die die Legitimität des Rosenkranzgebets gegen kontroverstheologische Positionen der Protestanten verteidigt. Zwar ist die Disputation nicht mehr erhalten,270 Titel und Inhalt lassen sich jedoch aus den nachfolgenden Kontroversschriften rekon­ struieren. Möglicherweise wurde diese nie gedruckt und fiel den Heidelbergern lediglich als Manuskript in die Hände. Die Disputation mit dem Titel Apodixis Theologica pro ritu orandi rosarium B. Mariae Virginis wurde 1586 oder 1587 unter dem Vorsitz von Johannes Busaeus entweder vor der Sodalität abgehalten 267 Vgl. Sartorius, Marianische Kongregation, 5–8. 268  Miller, Die Marianischen Kongregationen, 105. 269  Chatellier, Europe of the Devout, 6–9. 270  Neben den anderen Schriften der Kontroverse verweist lediglich eine kurze Notiz in Jöcher, Gelehrtenlexikon, I, 1508 aus dem Jahr 1750 auf diese Disputation.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

oder von dieser publiziert.271 Busaeus agierte offenbar als geistlicher Vater der Sodalität, für die er 1606 auch ein Meditationsbüchlein veröffentlichte.272 Res­ pondent war der Student Gotfried van Driel (gest. 1610), der später als Doktor der Theologie sowie beider Rechte der Fakultät als Professor erhalten bleiben und 1607 eine eigene Kontroversschrift gegen Pareus schreiben sollte.273 Der Fokus der diskutierten Thesen liegt dabei nicht etwa auf dem frommen Wert oder den theologischen Implikationen des Rosenkranzgebets, sondern darauf, die Anwürfe der Protestanten zu widerlegen. Alle rekonstruierbaren Thesen zielen letztlich darauf ab, aufzuzeigen, dass es sich bei dem Rosenkranz­ gebet keineswegs um „superstitio“, also Aberglaube handelt, sondern um eine legitime Form der Gottesverehrung.274 Hierfür wird etwa darauf verwiesen, dass der von Protestanten angegriffene Text des Ave-Marias zumindest im ersten Teil biblischen Ursprungs ist (Lk 1,28+42).275 Diese Disputation fiel kurz darauf einem Heidelberger Theologiestudenten in die Hände, der 1587 eine anonyme Gegenschrift mit dem Titel Antirosarium im Druck erscheinen ließ. Entgegen der üblichen Gepflogenheiten greift er darin nicht den präsidierenden Professor Busaeus, sondern den Respondenten an. Für einen Studenten, als der er sich auf dem Titelblatt zu erkennen gibt, wäre es unschicklich gewesen, einen höherrangigen Gegner anzugreifen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei diesem anonymen Studenten um den späteren Hofprediger Bartholomäus Pitiscus (1561–1613). In einem Brief an seinen inzwischen in Basel lehrenden akademischen Lehrer Johann Jakob Grynaeus berichtet Pitiscus davon, dass seine Argumentation gegen eine Dis­ putation der Mainzer auf interne Kritik durch den berühmten Heidelberger Humanisten und Geheimen Rat Georg Michael Lingelsheim gestoßen war, der seine Argumentation gegen den Rosenkranz als unzureichend empfunden habe.276 In der Tat beschränkt sich Pitiscus’ Widerlegung der Disputation an manchen Stellen darauf, den gegnerischen Standpunkt durch parodistische Übertreibung lächerlich zu machen. Hierbei kann er ausnutzen, dass seine Vorlage, die sich primär der apologetischen Selbstbestätigung im Kontext der Marianischen Kon­ gregation widmet, auch mystisch-naive Argumente anbringt. Der Mainzer Argu­ mentation, gegen den Verdacht des Aberglaubens spreche der verheißungsvolle Name (suave nomen) des Rosenkranzes, entgegnet Pitiscus, dass nach so einer 271 So der erweiterte Titel nach dem Titelblatt der Verteidigungsschrift Driels: Driel, Rosarii Hyperaspistes, Titel: „Ab Academiar Parthenicae Sodalibus Moguntiae divulgatam“. 272  Müller, Jesuiten, 675–677. Busaeus’ Enchiridion Piarum Meditationum wurde nicht nur von Mariensodalitäten benutzt, ist jedoch spezifisch dieser gewidmet. 273  Vgl. Kap. 4.1.2. 274 Diese Ausrichtung kann freilich auch mit auf die „protestantische Brille“ Pitiscus’ zurückgehen, die andere Thesen ignorieren könnte. 275  Pitiscus, Antirosarium, 1 [Busaeus/​Driel zitierend]. 276  Pitiscus an J. J. Grynaeus, 25.8.1587, abgedr. in: Hellmann, Et me amare perge, 12 f.



5.3.  Rosenkranz und die Marianische Kongregation

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Argumentation auch der heidnische Kult der Römer nicht abergläubisch wäre. Schließlich leite sich der Gottesname Jupiter aus iuvans pater (helfender Vater) ab und sei somit noch wohlklingender und verheißungsvoller.277 Im weiteren Verlauf der Schrift arbeitet Pitiscus die zu erwartenden Topoi protestantischer Kritik an der Marienverehrung ab. Außerdem kritisiert er die vorgeschriebenen Wiederholungen und den festen Ritus, die in der Anzahl der Perlen des Rosen­ kranzes ausgedrückte Zahlenmystik und die notwendige Benutzung eines ding­ lichen Objekts beim Gebet als Ausdruck des Aberglaubens. Dem Studenten Pitiscus antwortete seinerseits der Student Driel in einer Gegenschrift aus dem Jahr 1588. Eine Mittätigkeit seines Lehrers Busaeus ist dabei nicht auszuschließen. In Rosarii Hyperaspistes fährt Driel die von Pitiscus angegangene mystische Argumentationsweise spürbar zurück und bemüht sich um interkonfessionelle Kommunikabilität, indem er auf historische und theo­ logische Hintergründe verweist und vermehrt Bibelstellen als Beleg heranzieht. Dabei will er den Leser überzeugen, dass der in Mariologie und katholischer Frömmigkeitspraxis unerfahrene Pitiscus die apologetischen Argumente für den Rosenkranz bewusst missverstanden habe. Scharf geht er den Heidelberger an: „O herumstopfender Dialektiker, O Verdreher der Worte anderer.“278 Hierzu wiederholt er kurz die Thesen der nicht erhaltenen Mainzer Ausgangsschrift, stellt dar, wie Pitiscus diese verdreht habe, und korrigiert dies daraufhin. Das Beispiel dieser Studentenkontroverse zeigt den Zusammenhang zwischen der Alltagsfrömmigkeit der katholischen Gelehrten und ihren kon­ troverspublizistischen Aktivitäten. Dass aus dem Umfeld der Marianischen Schülerkongregation in Mainz eine kleine Kontroverse mit den benachbarten Reformierten hervorging, zeigt einmal mehr, dass agonale Gegenreformation und fromme katholische Reform nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Zu einer solchen Kontroverse eignete sich der Rosenkranz bestens. Durch den Bezug auf die Gottesmutter war dieser ein allgemeinverständliches Abgrenzungsinstrument zwischen den Konfessionen.279 Gleichwohl gab es auch in Mainz selbstverständlich kein Primat der konfessionellen Kontroverse über das Glaubensleben. Johannes Busaeus, der präsidierende Professor bei der an­ stoßgebenden Disputation über den Rosenkranz, veröffentlichte beispielsweise neben seinen Kontroversschriften mehrere Werke kontemplativen und frömmig­ keitspraktischen Inhalts, in denen die Auseinandersetzung mit den Protestanten in Vorwort und Text weder explizit noch implizit erwähnt wird. Zahlreiche 277  Pitiscus, Antirosarium, 5. Diese Etymologie wird indes von der heutigen Philologie nicht mehr geteilt, diese spricht der ersten Silbe vielmehr die Urbedeutung hell zu, die auf seine Funktion als Blitz- und Wettergott verweist. 278  Driel, Rosarii Hyperaspistes, 27: „O infulsum Dialecticum, O paradoxum alienorum verborum interpretem“. 279 Vgl. Modler, Rosenkranzgebet, 633: Durch die Legende, der heilige Dominikus habe den Rosenkranz von Maria zur Bekehrung der Ketzer hinabgereicht bekommen, erhielt der Rosenkranz zusätzlich eine inhärent kontroverse Ausrichtung.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

Ausgaben und Übersetzungen auch über das 17. Jahrhundert hinaus erlebte sein Andachtsbuch Enchiridion Piarum Meditationum von 1606, das insbesondere die Marianischen Kongregationen durch das Kirchenjahr leiten sollte.280

5.4.  Historisierung der Heiligen und apologetische Systematisierung ihrer Verehrung Eine weitere Kontroverse, die sich mit der katholischen Frömmigkeitspraxis be­ fasst, betrifft die Heiligenverehrung. Hierbei handelt es sich um einen konfessio­ nellen Differenzpunkt, der sich zwar nur untergeordnet in den publizistischen Kontroversen der Frühen Neuzeit wiederfindet, allerdings auf das Glaubens­ leben der Bevölkerung eine hohe Bedeutung hatte. Ein besonderes Interesse an der Lehre über die Heiligen entwickelte unter den Mainzer Jesuiten Nicolaus Se­ rarius. In seinen Spätschriften Quaestiones de Sanctis (1608) und Litaneutici, seu de Litaniis Libelli Duo (1609) bemüht er sich um eine Sammlung aller wichtigen hagiologischen Themen in explizit kontroverstheologischer Perspektive. Den Calvinisten, gegen die er sich richtet, macht er zum Vorwurf, die verehrungswür­ digen Heiligen als „Schatten, Gespenster, monströsen Auswurf, Galgenstricke und Ungeheuer“281 zu verunglimpfen, und entwirft eine umfassende Apologie der katholischen Lehre und Glaubenspraxis. Besonders interessant sind dabei seine Ausführungen zur angezweifelten Historizität einiger Heiliger. Anhand der vier Heiligen Georg, Christophorus, Hippolyt von Rom und Katharina von Alexandria, deren Historizität teilweise von Protestanten, aber auch von Huma­ nisten angezweifelt wurde, will der historisch interessierte282 Serarius beweisen, dass alle von der Römischen Kirche verehrten Heiligen tatsächlich gelebt haben und zu Recht verehrt werden. Hierzu lässt er sich darauf ein, innerhalb der Quellen zu unterscheiden und manche legendarische Ausmalung der Viten als unhistorisch abzutun. Anstatt den frommen Wert einer Legende zu würdigen, beurteilt er diese ausschließlich nach ihrem historischen Quellenwert. Diesen misst er daran, wie alt die Verehrung eines Heiligen ist und ob sein Leben bes­ tenfalls durch die Kirchenväter belegt ist. Darüber hinaus verweist er wiederholt auf die frühe weite Verbreitung der Kulte auch im Bereich der griechischen oder äthiopischen Kirche. Historisch sehr unzuverlässige Quellen wie die seit dem Hochmittelalter höchst einflussreiche Legenda aurea und andere mittelalterliche Sammlungen führt er in seinen Schriften nirgends an. Großen Wert legt Serarius auch auf die Feststellung, dass auch die katholische Kirche über eine Vielzahl 280  Busaeus, Enchiridion. 281  Serarius, Quaestiones de Sanctis, 22: „umbras, larvas, monstra colluviem, carnifices, ac bestias“. Serarius richtet sich in dieser Schrift vorwiegend gegen den puritanischen Theo­ logen John Rainolds (1549–1607) und dessen Schrift De Romanae Ecclesiae Idololatria. 282  Vgl. Kap. 4.3.3.2.



5.4.  Historisierung der Heiligen

267

an gebildeten und in der Kirchengeschichte bewanderten Männern verfüge,283 womit er unter anderen auf sein Vorbild Caesar Baronius verweist. Die Historizität des Drachentöters Georg, der als ein unter Diokletian getöteter Märtyrer verehrt wird, war bereits in der Frühen Neuzeit fraglich. In Folge des zweiten Vatikanischen Konzils wurde er deswegen 1969 zusammen mit weiteren Heiligen fragwürdiger Historizität, darunter die ebenfalls von Serarius verteidigten Heiligen Christophorus und Katharina, aus dem Rö­ mischen Generalkalender gestrichen. Der weltweit sehr populäre Georg wurde jedoch bereits sechs Jahre später wieder in die offizielle Liste der regelmäßig zu verehrenden Heiligen aufgenommen. Seine Existenz versucht Serarius durch frühe Zeugnisse seiner Verehrung zu plausibilisieren. Den Drachen will er dabei symbolisch als die Personifikation des Bösen verstanden wissen284 – eine schon früher verbreitete Deutung. Besonderes Augenmerk legt Serarius auch auf die Widerlegung protestantischer Alternativlegenden, die auf die Verunglimpfung des Heiligen abzielen. So kann er aufgrund chronologischer und geographischer Argumente aufzeigen, dass der von Katholiken verehrte Georg nicht mit dem arianischen Bischof Georgius Cappadox aus dem 4. Jahrhundert identisch sein kann.285 Der Heilige Christophorus wurde ebenfalls 1969 aus dem Römischen Ge­ neralkalender entfernt und hat trotz seiner großen Popularität unter anderem als Schutzpatron der Reisenden lediglich einen nicht gebotenen Gedenktag (Fest IV. Klasse). Die sehr diverse Überlieferung, die Christophorus in einigen Zweigen als übernatürlichen Riesen und hundsköpfig schildert, rief frühe Legendenkritik hervor. Vor Erasmus und den Protestanten äußerte schon der Humanisten­ papst Pius II. deutliche Kritik an der Christophoruslegende.286 Seine historische Existenz kann aufgrund der heutigen Forschungslage zumindest als fraglich angesehen werden.287 Serarius, in dessen Mainzer Nachbarschaft auch die im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstörte Pfarrkirche St. Christoph stand, versucht aus der ältesten Überlieferung die plausibelste Version zu er­ örtern. Der Name des legendären Christusträgers (altgr. Christo-phoros) sei lediglich sein Beiname, seine früh überlieferte Riesengestalt sei noch im Rahmen der des Natürlichen gewesen. Genauere Einordnungen des Märtyrers, etwa seine genauen Lebensdaten oder seine Herkunft, könnten nicht gegeben werden.288 Die historische Existenz des Heiligen Hippolyt von Rom (gest. 235) ist auch vom gegenwärtigen Standpunkt aus gesichert, der Schüler des Irenaeus von Lyon und „erster Gegenpapst“ im Hippolytischen Schisma von 217 hinterließ 283  Serarius, Quaestiones de Sanctis, 43. 284  Ebd., 3 f. 285  Ebd., 3 f. 286  Schreiner, Discrimen veri ac falsi, 41. 287  So mit einiger Vorsicht dargestellt von Rosenfeld, Christophorus, 350–365. 288  Serarius, Quaestiones de Sanctis, 41–47.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

mehrere Schriften. Als historisch fragwürdig erscheint die auf ihn bezogene Legende, er sei ein römischer Offizier gewesen, der den heiligen Laurentius im Kerker bewacht und von diesem bekehrt worden sei und das Martyrium durch das Zerreißen durch Pferde erlitten habe. Serarius räumt zwar ein, dass Teile der Hippolytlegende „apokryph und der Wahrheit zuwider“289 seien, will aber am Kern der Legende grundsätzlich festhalten. Er bemüht sich auch um die Widerlegung des Arguments, dass die Legende seines Martyriums durch die Übertragung der mythologischen Erzählung vom Tod des gleichnamigen Theseussohns entstanden sei. Auch dieser Hippolyt wurde der Legende nach von Pferden zerrissen. Serarius entgegnet hierauf, dass Jesu Kreuzigung nicht durch die Tatsache anderer antiker Kreuzigungen widerlegt werde. Die heilige Katharina von Alexandria, die wie Georg und Christophorus zu der herausgehobenen Gruppe der 14 Nothelfer gehört, hat nach aller Wahr­ scheinlichkeit nie gelebt.290 Sie wurde ähnlich wie der Drachentöter nach dem Zweiten Vaticanum aus dem Römischen Generalkalender entfernt und erst im Jahr 2002 wieder aufgenommen. Auch für die Schutzpatronin der Schulen und der artes-Fakultäten kann Serarius immerhin 21 frühe Belege in griechischer und lateinischer Sprache anführen. Seine Ausführungen zu den Heiligen ergänzt Serarius in Litaneutici, seu de Litaniis Libelli Duo um dogmatische Ausführungen.291 Diese Systematisierungen markiert Serarius schon im erweiterten Titel als Apologie gegen die Häretiker. Ähnlich verfährt Serarius’ Kollege Martin Becanus in seinem 1616 erschienen Werk Libellus De Invocatione Sanctorum. Mit gleicher apologetischer Tendenz widmet er sich auch der Frage nach der Historizität der Heiligen und der Authentizität ihrer Legenden. Dabei greift er explizit und mit gelegentlichen wörtlichen Übernahmen auf Serarius zurück, dessen Argumentation er jedoch knapper, dafür stärker systematisiert darstellt. Die Ausführungen seines Ordens­ bruders ergänzt er um einen Gegenangriff: Erzählten sich die Protestanten denn nicht auch viele unglaubwürdige und unzureichend belegte Legenden über Lu­ ther, Calvin und andere Reformatoren?292 Serarius und Becanus reagieren mit ihrer kritischen Prüfung der Heiligen­ legenden auf die Anwürfe verschiedener protestantischer Autoren. Während Luther sich zunächst nicht gegen die Verehrung der Heiligen als solche richtete, reagierte der Reformator 1524 polemisch auf die Erhebung der Gebeine Bennos von Meißen im benachbarten Herzogtum Sachsen. Er entwickelte eine generell kritische Haltung gegenüber der Heiligenverehrung, wobei er an den Legenden sowohl unglaubwürdige Wundergeschichten als auch Passagen verurteilt, die 289  Ebd., 49: „apocrypha & veritati contraria“. 290  Jenkins/​Lewis, Introduction, bes. 6. 291  Der zweite Teil von Serarius, Litaneutici ist wortgleich mit der vorausgegangenen Schrift Quaestiones de Sanctis. 292  Becanus, Libellus de Invocatione, 111.



5.4.  Historisierung der Heiligen

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ihm theologisch zuwider sind.293 Auch wenn die Heiligenkritik neben den „großen“ Themen wie der Rechtfertigungslehre und den Sakramenten eher ein Nebenschauplatz der konfessionellen Kontroversen darstellt, finden sich gerade bei reformierten Autoren  – auch den Heidelbergern  – immer wieder Veröffentlichungen zu diesem Thema. 1590 publizierte etwa Daniel Tossanus eine Disputation De Superstitiosa et Idololatrica Veneratione Sanctorum, eine Kontroversschrift gegen den in Posen wirkenden Jesuiten Laurentius Arturus Faunteus (Lawrence Arthur Faunt294). Neben reformierten Allgemeinplätzen zur Heiligenverehrung fordert Tossanus ausdrücklich auch die historische Über­ prüfung der legendarischen Überlieferung: „Unter diesen Heiligen gibt es einige, über die es kein Zeugnis, keine historische Quelle gibt, außer in Legenden, von denen viele von Absurditäten voll sind, sodass Claudius Espencaeus, einst oberster Doktor der Theologie an der Sorbonne, forderte, ‚eiserne‘, keine goldenen Legenden und törichte Fabeln für die öffentliche Predigt in Paris.“295

Als Zeugen für seine Position nennt Tossanus bezeichnenderweise keinen Re­ formator, sondern den französischen Theologen Claude d’Espence (1511–1571), einen Teilnehmer des Konzils von Trient und ausgewiesenen katholischen Kon­ troverstheologen. Explizit verweist Tossanus hier auf die im 13. Jahrhundert entstandene, äußerst populäre, jedoch historisch unzuverlässige Legenda aurea, welche von Serarius bewusst nicht herangezogen wird. Dem Vorwurf, die Refor­ mierten verunglimpften fromme Verstorbene, entgegnet Tossanus mit Passagen aus den Kirchenvätern, die sich von Auswüchsen des Totenkults distanzieren.296 In der Tat lässt sich auch an Serarius’ Schrift zeigen, dass die Reformation und die konfessionellen Kontroversen einen „bedeutsamen Einschnitt“297 in der Entwicklung der Hagiographie darstellen. Legendenkritik war gewiss keine neue Entwicklung der Reformation oder des Humanismus, bereits im Mittel­ alter wurden Legenden, Wunder und Reliquien aus verschiedenen Gründen angezweifelt.298 Im 16. Jahrhundert gewann dies jedoch eine neue Qualität. Johannes Cochlaeus (1479–1552), der mit einer Kontroversschrift auf Luthers Heiligenpolemik antwortete, und der Dominikaner Melchior Cano (1509–1560) reagierten etwa auf die protestantische Herausforderung, indem sie bewusst und mit humanistischer Herangehensweise innerhalb der Legenden unterschieden 293 Vgl. Manns, Luther und die Heiligen, 54 f.; Köpf, Protestantismus und Heiligenver­ ehrung, 325; Schnyder, Legendenpolemik. 294  Vgl. Kap. 5.2.2. 295  Tossanus, Contra Laurentius, 61: „Item nonnullos ex iis Sanctis, de quibus nulla testi­ monia, nulla Historiae extant, nisi in Legendis, quarum multae tot absurditatibus plenae sunt, vt Claudius Espencaeus, primarius olim Sorbonicae Theologiae Doctor, ferreas, non aureas legendas, & aniles fabulas pro concione publica Lutetiae vocarit.“ 296  Ebd., 94–99. 297  Hausberger, Das kritische hagiographische Werk, 211. 298  Schreiner, Discrimen veri ac falsi, 1–33.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

und auf fragwürdige Quellen verzichteten.299 Zugleich bemühten sich katho­ lische Gelehrte wie der deutsche Kartäuser Laurentius Surius (1522–1578), die Heiligenviten zu sammeln und zu systematisieren.300 Der frühe Höhepunkt dieser beiden innerkatholischen Entwicklungen ist das Werk der sogenannten Bollandisten. Ihr in Nachfolgeprojekten bis in die Gegenwart fortgesetztes Projekt – die Acta Sanctorum – sollte die gesamte hagio­ graphische Überlieferung sammeln und nach den Standards humanistischer Arbeitsweisen kritisch vorstellen. Die nach ihrem Mitbegründer Jean Bolland (1596–1665) benannte Gelehrtengruppe, allesamt Mitglieder der Gesellschaft Jesu, wollte damit die authentische Überlieferung in ihrer Glaubwürdigkeit schützen und trug im Laufe der Zeit bedeutend zur Entwicklung moderner Edi­ tionsmethoden bei.301 Die konfessionelle Konkurrenzsituation, die augenfällig bei Serarius hervortritt, war weder der einzige noch der maßgebliche Impuls der Bollandisten.302 Robert Bellarmin, der einflussreichste jesuitische Kontrovers­ theologe seiner Zeit, stand dem Vorhaben seiner Ordensbrüder sogar skeptisch gegenüber, da er befürchtete, bei diesem Editionsprojekt könnten unhaltbare Legenden bei innerkonfessionellen und protestantischen Gegnern zu viel Auf­ merksamkeit erhalten.303 Serarius, der mit seiner Schrift zu den Heiligen deutlich die kontrovers­ theologische Herausforderung vor Augen hat, steht zeitlich an einem wichtigen Wendepunkt der katholischen Hagiographie. Er ist nicht der erste katholische Theologe, der bestrebt ist, unhaltbare Wundergeschichten und Legenden­ sammlungen fragwürdiger Authentizität zu verwerfen. Doch sein offensiver Umgang mit der Thematik, mit dem er sich de facto auf eine „moderne“ His­ torisierung der Heiligen einlässt, weist bereits auf das epochemachende Werk der Bollandisten, das sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Planungsphase befand. Serarius verweist sogar auf die Vorarbeiten des Initiators der Acta Sanctorum, den flämischen Jesuiten Heribert Rosweyde (1569–1629).304 Dass mit Serarius und Becanus sich gleich zwei Mainzer Jesuiten in Büchern systema­ tisierend zur Hagiologie äußern, ist für sich genommen ebenfalls bemerkens­ wert. Die dogmatische Durchdringung und systematische Beschreibung der katholischen Lehre von den Heiligen war abseits der Mariologie lange Zeit ein vernachlässigtes Randthema. Erst als Reaktion auf die konfessionellen Kon­ troversen widmeten sich katholische Theologen vermehrt diesem Feld der Dogmatik.305 299  Ebd., 3 f. 300 Vgl. Sawilla, Antiquarianismus, 488–514. 301  Vgl. im Überblick Hausberger, Das kritische hagiographische Werk. 302  Sawilla, Antiquarianismus, 772. 303  Ebd., 394. 304  Serarius, Quaestiones de Sanctis, 5 f. Zu Rosweyde vgl. Auch Vgl. Kap. 6.3.2. 305  Müller, Verehrung der Heiligen, 34 f.; Köpf, Protestantismus und Heiligenverehrung, 322.



5.5.  Abraham Scultetus’ Prager „Bildersturm“

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Indes entstand auch in den Kirchen der Reformation, vor allem im anglika­ nischen und lutherischen Raum, eine neue protestantische Hagiographie. Diese traf eine neue Auswahl unter Neuaufnahme protestantischer Märtyrer der jüngs­ ten Zeit. Insbesondere die Acts and Monuments des englischen Reformierten John Foxe (1517–1587) zeitigten große Wirkung und waren von einer legenden­ kritischen, historisierenden Haltung geprägt, bei der auch Ambivalenzen im Leben der Heiligen angesprochen wurden.306

5.5.  Abraham Scultetus’ Prager „Bildersturm“ und sein literarisches Nachspiel Dass auch die Reformierten sich in den konfessionellen Kontroversen für ihre Frömmigkeitspraxis rechtfertigen mussten, zeigt das Beispiel des durch Abra­ ham Scultetus angeleiteten Prager „Bildersturms“. Im Jahr 1619 war Scultetus auf dem Höhepunkt seines Ansehens. Ein Jahr zuvor wurde er zum Doktor der Theologie ernannt und übernahm die Professur für das Alte Testament. An der Synode von Dordrecht nahm er mit Heinrich Alting und Paul Tossanus als prominentester Teilnehmer der pfälzischen Delegation teil. Im Amt des Hof­ predigers und als Kirchenrat verfügte er zudem über großen Einfluss auf den Kurfürsten, der nur von wenigen seiner weltlichen Berater übertroffen wurde. Abraham Scultetus begleitete dann auch den „Winterkönig“ Friedrich V. auf dessen Krönungsreise nach Böhmen. Es ist indes nicht davon auszugehen, dass Scultetus’ Rat ausschlaggebend für die folgenschwere Annahme der böhmischen Königskrone war  – wie es spätere Flugblätter implizieren.307 Allerdings tritt Scultetus als eine treibende Kraft hinter den Bemühungen, kirchliche Reform­ maßnahmen reformierter Prägung im neuen Herrschaftsgebiet durchzuführen, in Erscheinung. Der Höhepunkt dieser Maßnahmen war die Entfernung von Reliquien und aus reformierter Sicht anstößigen Kunstwerken im lutherischen Veitsdom, der im Bestand seit vorreformatorischer Zeit nahezu unverändert geblieben war. Diese in den Tagen um das Weihnachtsfest durchgeführten Ak­ tionen waren obrigkeitlich angeordnet und von Scultetus geleitet und mit einer Predigt erläutert. Auch wenn verbreitete Vorstellungen eines tumultuarischen, gewalttätigen „Bildersturms“ fehlgehen, wurden durchaus einige der Werke un­ wiederbringlich zerstört, darunter ein Marienaltar aus der Cranachwerkstatt. In der Bevölkerung und den böhmischen Ständen sorgte dieser Versuch einer „Zweiten Reformation“ für Empörung und Misstrauen gegenüber dem neuen König und seinen reformierten Beratern. 306  Ohst, Protestantische Hagiographie, bes. 283–285; allgemeiner zur protestantischen Hagiographie: Köpf, Protestantismus und Heiligenverehrung, 334–336. 307  Vgl. im Überblick Benrath, Abraham Scultetus, 109–112.

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5.  Kontroversen um die rechte Lehre und Theologie

Zur Darstellung und Verteidigung der eigenen Position ließ Scultetus seine am 12./22. Dezember gehaltene Predigt Kurtzer Aber schrifftmässiger Bericht Von den Götzenbildern. An die Christliche Gemeine zu Prag, als auß Königlicher Mayestät gnädigstem befelch die Schloßkirch von allem Götzenwerck gesäubert worden drucken. Die Predigt stieß auf ein gewaltiges Echo und erfuhr noch im Jahr 1620 eine Vielzahl an Neuausgaben sowie Übersetzungen ins Lateinische, Tschechische und Englische.308 Scultetus predigt darin über das Bilderverbot im Dekalog (Ex 20) und folgt dabei der klassischen reformierten Position: Weder wolle, könne und solle Gott abgebildet werden, noch wolle er mittelbar durch irgendein Bild verehrt werden. Gemäß der cura utriusque tabulae309 liege es in der Verantwortung der Obrigkeit, dies durchzusetzen. Daher legt er als Hofprediger Wert auf die bereits im Titel festgestellte Tatsache, dass er die Bilderentfernung nicht aus eigenem Ermessen, sondern auf königlichen Befehl hin durchgeführt habe. Anschließend widmet sich Scultetus der Widerlegung von zehn Gegen­ gründen, die erkennen lassen, dass er sich einer breit gefächerten Opposition gegenübersieht. Er bemüht sich um die Entkräftung klassischer lutherischer Gegenargumente wie der Möglichkeit, die Laien zu unterrichten, oder der auch von Katholiken hervorgebrachten Unterscheidung von Missbrauch und rechtem Umgang mit den Bildern. Hinzu kommen traditionalistische Argumente („Wolt ihr dann klüger seyn als die Alten?“310) und der politisch-pragmatische Einwand, es handele sich um ein Ärgernis zur Unzeit. In seiner eigenen Argumentation geht Scultetus in der Predigt zuweilen unkonventionelle Wege. Um seine überwiegend nicht reformierten Zuhörer und Leser davon zu über­ zeugen, dass das Bilderverbot auf einer gemeinsamen christlichen Grundlage steht, verweist er auf das theoretisch von allen Konfessionen geteilte Verbot, Gott selbst darzustellen. Dies sei „so klar vnd hell, daß [es] auch von vornehmen Bäpstischen Theologen ist für recht vnd dem willen Gottes gemäß erkandt worden.“311 Hierzu zitiert Scultetus den jesuitischen Theologen Gabriel Vazquez (1549–1604) als Kronzeugen. Die Botschaft besonders an seine lutherischen Zuhörer ist klar: Ein sogar von Jesuiten befürwortetes Gebot gilt es  – freilich konsequenter als die Katholiken  – umzusetzen. Die Bild- und Reliquienaus­ stattung des lutherischen Veitsdoms sieht Scultetus dabei nicht als lutherischen Kirchenschmuck, sondern als unbeseitigte Reste des Papismus an. Aus seiner Perspektive handelt es sich daher bei der Bilderentfernung nicht um eine anti­ lutherische, sondern eine rein antikatholische Maßnahme. Hierauf verweist er zum Abschluss seiner Predigt in einem Dankgebet: „Bevorab aber dancken wie dir, das du vns den lieben tag hast lassen erleben, in welchem dieser Tempel von allem Götzenwerck ist gesäubert worden. Wir bitten dich, Herr ewiger 308  Vgl. die Publikationsliste in Scultetus, Selbstbiographie, 140. 309  Vgl. Kap. 6.1.1. 310  Scultetus, Kurtzer aber schrifftmässiger Bericht, fol. Biiiv. 311  Ebd., fol. Aiiiv.



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Gott, erleuchte die Augen deren, die noch in Finsternis deß Bapstthumbs sitzen, das sie doch sehen mögen: wie du nicht wollest, sollest noch könnest abgemahlet werden: wie du dir nicht wollest durch oder für den Getzen gedienet haben: wie endlich das dem ernster Befelch sey, das man alles Götzenwerck auß den offentlichen Gotteshäuser abthue, zerstöre und zerbreche.“312

Scultetus’ Predigt provozierte eine Flut an gegen ihn gerichteten Kontrovers­ schriften und Flugblättern, die auch nach der Niederlage der Unionstruppen in der Schlacht am Weißen Berg am 8. November 1620 nicht abriss. Ins­ besondere lutherische Theologen publizierten gegen ihn, darunter die beiden Tübinger Lucas Osiander (1571–1638) mit Scultetus Atheus und Theodor Thumm (1586–1630) mit Scultetus Iconoclastes und der Wittenberger Friedrich Balduin (1575–1627) mit der Schrift Gründlicher Gegenbericht Auff Abrahami Sculteti vermeinten Schrifftmessigen Bericht. Besonders erbost zeigen sich die lutherischen Autoren darüber, dass Scultetus nicht zwischen ihrem Umgang mit Bildern und der katholischen Position differenziert. Der Leipziger Theo­ loge Johannes Höpner (auch: Höpfner, 1582–1645) wirft Scultetus vor, er ar­ gumentiere nur vordergründig gegen die Katholiken, deren Bilderverehrung leichter zu widerlegen sei. Unerhört sei deshalb, „daß D. Scultetus unter den Papisten vnd Lutheranern keinen vnterscheid begehret zu machen, sondern diffamiret vnsere Kirchen bößlich, als ob sie auch hierinnen mit den Päbstlern vnter einer Decke legen.“313 An anderer Stelle jedoch nimmt Höpner sogar die Katholiken vor Scultetus’ Anschuldigungen in Schutz, indem er auf den Kate­ chismus C ­ anisius’ und die Konzilsbestimmungen zur rechten Bilderverehrung verweist.314 Solche eigentümlichen Zweckallianzen gegen Scultetus und die Reformierten finden sich auch in den katholischen Kontroversschriften des Jahrs 1620. Die anonyme Dialogschrift Einfältiges Gespräch uber den kurtzen Aber unschrifftmässigen Bericht Von den Ungötzen Bildern zielt explizit darauf ab, Lutheraner und Hussiten gegen die Reformierten aufzubringen. In der Schrift unterhalten sich ein Hussit, ein Lutheraner und ein „Papist“ über den Prager Bildersturm. Der „Papist“  – bezeichnenderweise wählt der sicherlich katholische Ano­ nymus hier strategisch die abwertende Fremdbezeichnung für die eigene Kon­ fession – ist ein gebildeter Jesuitenschüler, dem es gelingt, seine andersgläubigen Gesprächspartner davon zu überzeugen, dass sie gemeinsam den Calvinisten gegenüberstehen, die in ihrer Ablehnung der Bilder und anderen Punkten eher den Juden glichen.315 Der Hussit und der Lutheraner zeigen sich überzeugt, es „besser, mit den Jesuitern [zu] halten, als mit den Calvinisten“, die Jesuiten hätten zwar „starck wider vns [sc. die Lutheraner] und euch [sc. die Hussiten] 312  Ebd., fol. Biiiiv. 313  Höpner, Christliche und Trewhertzige Warnung, 185. 314  Ebd., 176. 315  Anonymus, Einfältiges Gespräch, 33.

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gepredigt“,316 ihre religiösen Rechte jedoch nicht in gleicher Weise verletzt wie die Reformierten um Scultetus. Neben weiteren katholischen Publikationen, die eher den Charakter volks­ tümlicher Flugschriften haben wie dem unter dem Pseudonym Radamanthus im fingierten Druckort Schweffelbach erschienenen deutschsprachigen Spottgedicht Spiritus Familiaris Schulteti, das die Höllenfahrt Scultetus’ thematisiert, ist vor allem der Mainzer Jesuit Balthasar Hager zu nennen. Als Mainzer Domprediger und langjähriger Rektor des Kollegs überließ er die Kontroverspublizistik meist seinen darauf spezialisierten Kollegen, zuvor erschien lediglich seine Predigt gegen das Reformationsjubiläum 1617.317 In seiner Wiederlegung deß kurtzen, aber nicht Schrifftmässigen Berichts Abrahami Sculteti, Von den vermeinten Götzen-Bildern, Und deren Außmusterung auß der Königlichen Schloßkirchen zu Prag konzentriert sich Hager auf die für die katholische Bildertheologie zentrale Unterscheidung zwischen Bild und Götze (idola). Scultetus biete mit seinem Bezug auf das Bilderverbot im Dekalog lediglich Argumente gegen die auch von Katholiken abgelehnte missbräuchliche Götzenverehrung an, die katho­ lischen Bilder seien von dieser Kritik auszunehmen. Hager bezieht sich dabei wiederholt auf seinen Ordensbruder Gabriel Vazquez, den Scultetus selbst zitiert hatte. Dabei wirft er dem reformierten Hofprediger jedoch vor, diesen nicht ver­ standen zu haben. Vazquez, „welchen Scultetus fleissig gelesen hat“,318 wie Hager ironisch notiert, unterscheide nämlich sehr viel besser als dieser zwischen Bild und Götze und den Verhältnissen in Altem und Neuem Bund. Die Verteidigung Scultetus’ übernahm zunächst nicht dieser selbst, sondern der Hanauer Theophilus Mosanus, der sich schon im Rahmen des Reformations­ jubiläums publizistisch auf die Seite der Heidelberger gestellt hatte. Bei diesem Namen handelt es sich möglicherweise um ein Pseudonym, anders als in vielen Bibliothekskatalogen verzeichnet, besteht jedoch kein Grund zur Annahme, Scultetus stehe selbst hinter diesen Schriften.319 In Vindiciae, Oder Gründtliche 316  Ebd., 3. 317  Vgl. Kap. 4.3.4.1. 318  Hager, Wiederlegung des kurtzen, 40. 319  Da der Name Theophilus Mosanus besonders durch seinen Vornamen („Gottesfreund“) zu dieser Vermutung Anlass gibt und bei einer Durchsicht der Matrikeln der Universität Frank­ furt (Oder), als deren Alumnus er sich bezeichnet, 1567–1617 nicht nachzuweisen war, wird es sich wohl um ein Pseudonym handeln. Der älteste aufgefundene Beleg für die fortan replizierte Behauptung, es handle sich um Scultetus, findet sich, leider ohne Angabe von Gründen, bei Jocher, Christian Gottlieb (Hg.), Allgemeines Gelehrtenlexikon. Darinne die Gelehrten aller Stände sowohl männ- als auch weiblichen Geschlechts, welche vom Anfange der Welt bis auf jetzige Zeit gelebt, und sich der gelehrten Welt bekannt gemacht, Bd. 4: S–Z, Leipzig 1751, S. 450. Danach ist sie in weiteren Nachschlagewerken und bis heute in der Deutschen Nationalbibliographie und nachgeordneten Datenbanken zu finden. Rezenten Publikationen über Scultetus ist dieses Problem offenbar unbekannt. Die These mag daher kommen, dass Mosanus in seiner Verteidigungsschrift Scultetus Predigt voranstellt (Mosanus, Vindiciae, 1–15). Die Gegenschriften Friedrich Balduins und Balthasar Hagers sehen Mosanus und Scultetus offensichtlich als getrennte Individuen an. Weder sind stilistische Nähen zwischen



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Rettung der kurtzen und Schriffmässigen Predigt bemüht sich Mosanus um die Verteidigung Scultetus’ gegen Balthasar Hager, Johannes Höpner, Friedrich Bal­ duin und den Anonymus des Einfältigen Gesprächs. Im Sinne der sogenannten Pfälzischen Irenik, auf die er auch explizit verweist,320 ist Mosanus sehr um einen Ausgleich mit den Lutheranern bemüht, während er die Schriftmäßigkeit des reformierten Umgangs mit den Bildern verteidigt. Doch auch um katho­ lische Leser bemüht sich Mosanus, indem er das harte Urteil des Einfältigen Gesprächs zurückweist und Hagers Schrift hingegen als „glimpfflich“321 lobt. Hager gegenüber imitiert Mosanus Scultetus’ Strategie, sich auf „vnverdächtige Papistische Zeugen“322 wie die Jesuiten Robert Bellarmin, Benedikt Pereira und Franz Suarez zu berufen, um darzulegen, dass diese in der Befürwortung des Bilderverbots lediglich nicht konsequent genug seien. Die Kontroverse setzte sich ohne nennenswerte inhaltliche Neuerungen in den Folgejahren fort, als mit Paul Sperling (1595–1652?) und Friedrich Balduin zwei lutherische Theologen Repliken auf Mosanus verfassten – die dieser wiederum beantwortete – und auch Hager eine Gegenschrift veröffentlichte. Hagers 1623 erschienene Antwort ist ein monumentales Werk mit dem Titel Calvinische Gottsdieberey. Oder Rettung der Ehr Gottes in Verehrung der heyligen Bildern, dessen vier Bände gemeinsam weit über 1000 Textseiten vereinigen. Hager baut in langen Ausführungen seine Argumentation aus, wobei er sich nicht nur an Scultetus und Mosanus, sondern auch an Calvin abarbeitet. Seine übergeordnete These in diesem vierbändigen Werk, das inhaltlich nur wenig neue Ansätze bietet, ist, dass die Reformierten um Scultetus und Mosanus in ihrer Interpretation des Bilderverbots die biblischen Gebote nicht recht verstünden. Verbunden mit dieser Anschuldigung werden etwa die Reformierten im Titel des zweiten Bands drastisch als „Newe Juden, und Gottsleydler“ bezeichnet, die „die H. Bilder nit auß Christlichem, sonder Judischem, und altem Ketzerischen Theopaschitischem Eyffer abreissen.“323 Scultetus hingegen beteiligte sich nach der böhmisch-pfälzischen Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg nicht mehr direkt an der Kontroverse. Während den beiden erkennbar, noch nimmt die zum Reformationsjubiläum verfasste Vialia expliziten Bezug auf Scultetus’ Werke. Auch das Itinerar Scultetus’, der während Abfassung und Druck der Vialia auf der Synode in Dordrecht weilte, spricht gegen die Vermutung. Gerade bei der Schrift zum Reformationsjubiläum ist nicht ersichtlich, warum der Hofprediger auf ein Pseudo­ nym hätte zurückgreifen sollen, eine argumentative Nähe der beiden lässt sich konfessionell erklären. Noch weniger plausibel ist die Vermutung bei Placcius, Vicentius, Theatrum Ano­ nymorum et Pseudonymorum, Hamburg 1708, Bd. II S. 451, es handle sich um den Zerbster Superintendenten Johann Christoph Beckmann (1641–1717). Das angenommene Pseudonym des 1618 noch ungeborenen Theologen, der auch unter dem Namen Hubertus (!) Mosanus publizierte, verdeutlicht, wie wenig zuweilen von derartigen frühneuzeitlichen Angaben zu halten ist. Vgl. Kap. 4.3.4.1. 320  Z. B. Mosanus, Vindiciae, 221. Vgl. Kap. 5.2. 321  Ebd., 18. 322  Ebd., 145. 323  Hager, Calvinische Gottsdieberey, Titelseite.

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der Flucht aus Böhmen begann er jedoch mit der Arbeit an der kurzen Schrift Daß mann sich weder an dem Unmenschlichen Schmehen, Lästern, Verleumbden der Rechtgläubigen, noch an der grossen Verfolgung, so jtzt uber die Herde Christi gehet, ärgern, viel weniger derentwegen von der erkandten Evangelischen Warheit abweichen solle. Hierbei handelt es sich um eine rein an die eigene Konfession gerichtete Trostschrift, die ihrerseits keine Reaktion über die Konfessions­ grenzen hinweg provozierte. In eher seelsorgerlichem als kämpferischen Ton bemüht sich Scultetus um eine Verarbeitung des eigenen Scheiterns in Prag und der militärischen Niederlage. Dabei richtet er sich gegen ein aus seiner Sicht falsches Gottesbild, das einfordert, „Itzt solle Christus mit seinem eysern Scepter Papst, Türcken vnd Spanier zerschmettern, vnd gegen seine Gläubige Gemeinde in aller weis grünen vnd blühen lassen“,324 anstatt Gottes Prüfungen anzunehmen. Nach seiner erneuten Flucht in Folge des Falls Heidelbergs ver­ brachte Scultetus seinen kurzen Lebensabend als Prediger im reformierten Emden. Bevor er bald darauf im Jahr 1624 ebenda verstarb, veröffentlichte er eine autobiographische Rechtfertigungsschrift, die kurz nach seinem Tod auch ins Deutsche übertragen wurde. Wie bereits der Titel De Curriculo Vitae, Inprimis vero De actionibus Pragensibus Abrah. Sculteti nahelegt, sind die Prager Ereignisse und die anschließende Kontroverse für den vormaligen Hofprediger der Angelpunkt seines Lebensrückblicks. Seine Predigt habe „die Theologen zu Ingolstadt, Maintz, Tübingen, Wittenberg, Leipsig erreget, einen Krieg für die Götzen anzufangen.“325 Auch wenn sich Scultetus damit rühmt, dass ihm – positiv gewendet – „ein gut Teil Schuld“ zuzuschreiben sei, dass der Veitsdom „vom Götzenwerk gesäubert und gereinigt“326 wurde, erscheint er in seiner Selbstbiographie nach den erlittenen politischen und militärischen Niederlagen als gebrochener Mann. Die Auseinandersetzung um Scultetus’ „Bildersturm“ ist die chronologisch letzte Kontroverse, die in dieser Arbeit behandelt wird. Schon ihr Beginn fällt in die Zeit nach dem Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs, mit dem er sinnfällig zusammenhängt. Dies wirft die Frage auf, inwieweit der Kriegsausbruch die theo­ logischen Kontroversen verändert hat. Zunächst ist schlicht die Beobachtung anzubringen, dass der Krieg in den lokalen Begrenzungen dieser Phase Druck und Verbreitung von Kontroversschriften nicht gänzlich verunmöglichte. Die reformierte Seite verfügte auch nach der Schlacht am Weißen Berg mancherorts über die notwendige Infrastruktur zum Druck mehrseitiger Bücher und nicht nur kurzer Pamphlete. Den gewohnten Gang gingen Kontroversen jedoch auch in Territorien nicht, die noch vom Krieg verschont blieben. So erklärt Balthasar Hager das verzögerte Erscheinen seiner vierbändigen Schrift gegen Scultetus 324  Scultetus, Daß man sich, 5. 325  Scultetus, Selbstbiographie, 8 f. Aus Ingolstadt sind keine Kontroversschriften be­ kannt, möglicherweise ist die Pseudonyme Schrift Spiritus Familiaris Schulteti gemeint. 326  Ebd., 80.



5.6. Ergebnisse

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und Mosanus mit der „Vngelegenheit, welche diese verwirte, vnd trübselige Zeit, wia aller anderer Handthierung, also auch die Truckherrn in ihrer Arbeit vnn Werbung verhindert hat.“327 Konkret dürfte Hager hier auf die Bedrohung der Frankfurter Messe um 1622 anspielen, die für den Buchhandel von elementarer Bedeutung war. Die Kontroverse um den Prager „Bildersturm“ ist durch die außergewöhn­ liche konfessionelle Frontstellung bemerkenswert. Die politisch-militärische Lage trug auch dazu bei, dass Lutheraner und Katholiken gleichermaßen die Kontroverse eröffneten und sich gegenseitig weitgehend unbehelligt ließen oder gar umwarben. In den Schriften Mosanus’ scheint weiterhin die Heidelberg Irenik durch, womit er als reformierter Autor vergeblich die Lutheraner auf ihre Seite zu ziehen versucht. Scultetus und Mosanus versuchen, durch den Verweis auf katholische Autoren Lutheranern die Dringlichkeit des Bilderverbots nahe­ zubringen. Eine Steigerung der Feindseligkeit und eine Verschärfung des Tons bei zunehmendem Verzicht auf inhaltliche Argumentation ist in den Schriften dieser Kontroverse im Vergleich zum Reformationsjubiläum vor dem Krieg nicht zu konstatieren. Im weiteren Fortgang des Krieges sind derartige Wand­ lungsprozesse in der Kontroversliteratur jedoch zu beobachten.328 Eine weitere Besonderheit der Kontroverse um den „Bildersturm“ ist die Tatsache, dass die Schriften überwiegend in der Volkssprache verfasst sind, dies gab es zwar auch vor Kriegsausbruch, doch wird die politische Situation 1620 zu der Ausweitung des Rezipientenkreises beigetragen haben.

5.6.  Ergebnisse: Die Bedeutung interkonfessioneller Kontroversen für die Entwicklung der konfessionellen Theologien Die in diesem Kapitel behandelten Kontroversen haben theologische Themen im engeren Sinne zum Gegenstand. Sie zeigen, dass die kontroversen Aus­ einandersetzungen über die Konfessionsgrenzen hinweg einen nicht zu ver­ nachlässigenden Einfluss auf die konfessionellen Theologien hatten. Daher ist der Blick auf die Kontroversschriften in vielen Fragen unabdingbar für die Theologiegeschichtsschreibung der Frühen Neuzeit. Diese Beeinflussung kann etwa darin bestehen, dass aus der kontroverstheologischen Begegnung heraus neue theologische Konzepte entwickelt und methodische Innovationen beför­ dert werden. Deutlich sichtbar wird dies am Beispiel der Heidelberger Irenik, die um 1600 entstand und von einer allmählichen Umorientierung der Heidel­ berger Kontroverstheologie von einer antilutherischen zu einer antikatholischen Ausrichtung vorbereitet wurde. Bei den irenischen Konzeptionen Bartholomäus 327  Hager, Newe Juden (Bd. II), fol. )?(r. Vgl. Baader, Verlagshaus Albin-Strohecker, 518. 328 Vgl. Tschopp, Politik im theologischen Gewand.

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Pitiscus’ und David Pareus’ handelt es sich nicht zuletzt um Reaktionen auf die wahrgenommene politisch-militärische und ideologische Bedrohung durch die Jesuiten, nachdem die Kontroversen mit den Mainzern in den Jahren zuvor zugenommen hatten. Die Jesuiten wiederum wurden von den Heidelberger Einigungsbemühungen zu einer neuen Sichtweise auf den konfessionellen Gegner provoziert. Durch Martin Becanus und Adam Contzen setzt sich als Proprium der Mainzer Kontroverstheologie eine bisher selten bei katholischen Autoren anzutreffende systematische Differenzierung der unterschiedlichen protestantischen Lehrpositionen durch. Als Reaktion auf die Argumentation der Heidelberger, die innerprotestantischen Lehrdifferenzen seien überbrück­ bar, betrachten die Mainzer Jesuiten Lutheraner und Reformierte nicht mehr als Erscheinungsformen der einen protestantischen Häresie, sondern als we­ sentlich verschiedene Konfessionen. Eine weitere theologische Innovation, die zum Teil aus dem konfessionellen Streit erwachsen ist, sind die zunehmenden Bemühungen auf katholischer Seite, die Heiligen als historische Figuren zu verstehen und die Legendenkritik zu intensivieren. Die monumentale Arbeit der Bollandisten und auch Nicolaus Serarius’ apologetische Behandlung vier umstrittener Heiliger reagiert neben anderen Faktoren auch auf die anhaltende Kritik der Protestanten. Dies geht zudem einher mit einer Systematisierung der theologischen Lehre von den Heiligen, wie sie vor der Glaubensspaltung noch nicht als notwendig erachtet wurde. Im Falle der Ausführungen Pareus’ zur Ur­ standslehre lässt sich sogar ein interkonfessioneller Transfer im Zuge des Kon­ troversschriftenwechsels nachweisen. Der Heidelberger übernahm – wenn auch in kontroverser Abgrenzung zu dessen Urheber – den „nicht-essentialistischen ‚naturale‘-Begriff “ von seinem Widersacher Bellarmin und legte den Grundstein dafür, dass sich dieses Konzept in den folgenden Jahrzehnten zunehmend im protestantischen Bereich durchsetzen konnte. Die interkonfessionellen Kontroversen stellen auch einen wichtigen Kontext der innerkonfessionellen Auseinandersetzungen dar, die somit nicht isoliert betrachtet werden sollten. Die kontroverstheologisch interessierten Gelehrten waren zum Teil sehr gut über die internen Entwicklungen im Lager ihrer Gegner unterrichtet. So schalteten sich nicht nur in die maßgeblich zwischen Lu­ theranern und Reformierten geführten Auseinandersetzungen um die Heidel­ berger Irenik und Abraham Scultetus’ Prager „Bildersturm“ auch Jesuiten in den Schriftenstreit ein. Im Falle der kurpfälzischen Wortmeldungen auf der Synode von Dordrecht und insbesondere des Briefgutachtens David Pareus’ scheint sich die äußere Einmischung zumindest teilweise sogar auf den vertretenen Stand­ punkt ausgewirkt zu haben. In einigen Fällen sind inter- und innerkonfessionelle Kontroversen stark miteinander verwoben. Becanus verfasste seine Schriften zu Rechtfertigung und Gnade als kontroverstheologische Positionierung gegen den reformierten Theologen Pareus. In Rom hingegen erkannte man die Ge­ fahr, dass die Schriften gegen die Publikationseinschränkungen zum Gnaden­



5.6. Ergebnisse

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streit zwischen Jesuiten und Dominikanern verstoßen könnten und sah sich zu Sanktionen gezwungen. Sogar die konfessionelle Frömmigkeitspraxis – oftmals als Gegenbild zur Kon­ troverstheologie gezeichnet – blieb nicht völlig unberührt von den Kontroversen mit den anderen Konfessionen. Aus der Tätigkeit der Mainzer Mariensodalität der Schüler entwickelte sich eine Kontroverse mit Heidelberg um die Legitimität des Rosenkranzes. Hieran zeigt sich einmal mehr, wie eng kämpferische Gegen­ reformation und fromme, aufs innere Seelenleben ausgerichtete katholische Reform miteinander verknüpft sind (und analog auch bei den Protestanten!). Zudem zeigt der Blick auf die Kontroversschriften die Dynamik der konfes­ sionellen Theologien in der Frühen Neuzeit. Dem in der Forschung zunehmend angegriffenen alten Bild des „orthodoxen“ Stillstands zwischen Reformation und Aufklärung entgegen zeigt sich in den Streitschriften immer wieder, dass die Theologen dieser Epoche nicht einfach epigonenhaft hergebrachte Lehren zementierten, sondern in kontroversem Austausch mit den konfessionellen Gegnern Positionen und Argumente dynamisch an neue Herausforderungen anpassten.

6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens Viele Kontroversen beziehen sich auf Themen mit politisch-juristischen Themen. Insofern diese die konfessionelle Ordnung berührten, sahen sich Theologen und Juristen gleichermaßen berufen, Stellung zu beziehen. Die hier behandelten Kontroversen haben aufgrund ihres Bezugs zum frühneuzeitlichen Territorialstaat eine besondere Bedeutung für die eingangs beschriebene Kon­ fessionalisierungsforschung. Nach Wolfgang Reinhard leistete die Konfessiona­ lisierung als historischer Prozess für den entstehenden Staat zum ersten die „Ver­ stärkung seiner nationalen oder territorialen Identität“, zum zweiten die in allen drei Großkonfessionen gewachsene Möglichkeit der „Kontrolle über die Kirche“ und ihr Macht- und Wirtschaftspotential und schließlich die „Disziplinierung und Homogenisierung der Untertanen“ mit der Durchsetzung konfessionell festgesetzter Normen.1 Dass die Konfession als abgrenzender und identitätsstiftender Faktor bei der „Herstellung neuer Großgruppen“2 fungierte, bedeutet jedoch nicht, dass die Diskurse über die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens isoliert voneinander stattgefunden hätten. Zwei der von Reinhard genannten zentralen Funktionen der Konfessionen für den frühneuzeitlichen Staat sind Gegenstand von Kontroversen, an denen Heidelberger und Mainzer Theologen beteiligt waren. Zum einen die Frage, welche Kompetenzen der weltlichen Obrigkeit in Religionssachen zukommt und wie diese Kontrolle über die Kirche, ihr Personal und ihre Güter zu begrenzen ist. Hierzu hat der Heidelberger David Pareus eine bei Theologen und Juristen seit dem 17. Jahrhundert viel rezipierte Konzeption entwickelt, die als Reaktion auf die kontroverstheologischen Angriffe der Ka­ tholiken entstand. Die obrigkeitliche Kontrolle der Kirche war auch Gegenstand einer bedeutenden Kontroverse zwischen anglikanischen Autoren und Jesuiten, darunter der Mainzer Professor Martin Becanus, um den Oath of Allegiance James’ I. Hierbei wurde zusätzlich über die Macht des Papsts in zeitlichen Din­ gen gestritten. Becanus war zudem in weitere Auseinandersetzungen darüber verwickelt, welche Mittel zur konfessionellen Homogenisierung der Untertanen ein Fürst einsetzen darf. Unter explizitem Bezug auf das Ideal des einheitlichen 1  Reinhard, Zwang zur Konfessionalisierung, 263–277. Vgl. Kap. 1.2. 2  Reinhard, Zwang zur Konfessionalisierung, 263–268.



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Konfessionsstaats wurde in diesen Kontroversen darüber gestritten, in welchen Grenzen eine weltliche Obrigkeit andersgläubigen Untertanen Toleranz gewähren kann und wie die diesbezügliche Haltung glaubwürdig anderen Kon­ fessionen gegenüber vertreten werden kann.

6.1.  Obrigkeitliche Kompetenzen in Kirchenangelegenheiten und ihre Begrenzung 6.1.1.  Problemdarstellung und Begriffsklärung Das frühe 17. Jahrhundert, als die kontroverstheologischen Auseinanderset­ zungen zwischen Heidelberg und Mainz ihren Höhepunkt erreichten, ist für den Kirchenrechtshistoriker Martin Heckel die „Wiege unseres neuzeitlichen Kir­ chenrechts“ und eine Zeit, in der sich in der vielgestaltigen Theoriebildung zu diesem Bereich „erstaunlich Modernes“3 finden lässt. Durch die konfessionellen Auseinandersetzungen erhielt die Thematik große Wichtigkeit für Juristen wie auch für Theologen. Gegenstand der Auseinandersetzung waren dabei primär Begründung und Begrenzung obrigkeitlicher Kompetenzen in Angelegenheiten der Religion und der Kirche. Schon vor der Reformation finden sich in vielen Teilen Europas Tendenzen, die Kompetenz weltlicher Obrigkeit in Religionsangelegenheiten auszuweiten. Diese unter dem Begriff des „landesherrlichen Kirchenregiments“ gesammelten Rechte und pragmatischen Arrangements nahmen eine Vielzahl an Formen und Titeln an. Dies betraf vornehmlich „Kirchenreformrechte“, die auf die Lebens­ führung der Geistlichen und nicht auf die Lehre oder die Form des Religions­ vollzugs abzielten.4 Anders als es die häufig zitierte Parole „dux Cliviae est Papa in suis terris“5 suggeriert, war das spätmittelalterliche landesherrliche Kirchen­ regiment verglichen mit den Kompetenzen einiger weltlicher Obrigkeiten nach der Reformation weniger stark ausgeprägt und vor allem theoretisch kaum begründet.6 Durch die Reformation und die anschließende Konfessionsbildung ergab sich vor allem für die der Reformation zugewandten Obrigkeiten die Notwen­ digkeit, ihre Position zu Kirche und Religion neu zu definieren. In der Heraus­ gabe von Kirchenordnungen, der Säkularisation von Kirchengut und der An­ stellung und Absetzung von Pfarrern kam in vielen Territorien den Obrigkeiten als „Notbischöfen“ eine Schlüsselfunktion bei der Einführung und Umsetzung 3  Heckel, Staat und Kirche, 191 (beide Zitate). 4 Vgl. Schneider, Ius reformandi, 11–49; Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, 51–54. 5  Übers.: „Der Herzog von Kleve ist Papst in seinen Ländereien“. Die Parole ist in vielen verschiedenen Wortlauten überliefert. 6 Vgl. Heckel, Jus reformandi, 14 f.

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der Reformation zu.7 Wichtige Anstöße zur theoretischen Fundierung der anhaltend wichtigen Rolle der Obrigkeiten kamen von Philipp Melanchthon. Seine Konzeption, dass die rechtgläubige christliche Obrigkeit als praecipuum membrum Ecclesiae, also als herausgehobenes Glied der Kirche anzusehen sei, stellt im Wesentlichen eine neue Prägung Melanchthons dar, die nicht auf mittelalterlichen Rechtstiteln beruht.8 Entscheidend ist, dass dem Herrscher die Machtbefugnisse nicht aus seinem weltlichen Herrschaftsrecht zukommen, sondern aus seiner von Gott herausgehobenen Stellung unter den Gliedern der Kirche. Die christliche Obrigkeit ist demnach durch das Wegfallen der bischöf­ lichen Gerichtsbarkeit von Gott nicht nur mit der Sorge um die zweite Tafel der Zehn Gebote betraut, also jene, die das Zusammenleben der Menschen regeln (Gebote 4–10 lutherischer Zählung), sondern auch mit der Sorge um die übrigen Gebote, die auf der ersten Tafel das Verhalten des Menschen gegenüber Gott regeln. Neben der hieraus abgeleiteten Bezeichnung custodia utriusque tabulae findet sich im 16. Jahrhundert eine Vielzahl an Begriffen, die nicht näher bestimmte und unterschiedlich ausgefüllte Eingriffsrechte und -pflichten der Obrigkeit beschreiben, darunter etwa cura religionis, cura ecclesiastica oder auch cura sacrorum.9 Neben der einflussreichen Theorie Melanchthons erwiesen sich auch andere Konzeptionen als prägend, im Südwesten des Reichs etwa die Martin Bucers, die zwischen der Betonung der Freiheit der Kirche und staats­ kirchlicher Konzepte changiert.10 Anders verhält es sich mit Luthers Verständnis von Staat und Kirche, wie es in seinen frühen Schriften erkennbar ist. Es setzte sich nach dem Urteil Martin Heckels in den evangelischen Territorien „nur stark verkürzt und sinnverkehrt“11 durch, was dieser zu den „Tragödien evangelischen Kirchenwesens“12 zählt. Die weitere Entwicklung des neuzeitlichen Staatskirchenrechts vornehmlich in Deutschland wird mit den drei Begriffen Episkopalismus, Territorialismus und Kollegialismus umrissen. Hierbei handelt es sich primär um Sammel­ begriffe der Forschung, hinter denen eine weit größere Varietät an Kon­ zeptionen steht, die gerade im 17. Jahrhundert nicht immer scharf getrennt werden können. Unter Episkopalismus werden jene Theorien verstanden, die durch die reichsrechtlichen Bestimmungen des Religionsfriedens die bischöf­ lichen Rechte auf die jeweiligen protestantischen Territorialherren übertragen sehen. Die hiermit verbundene Übernahme von Teilen des kanonischen Rechts zur Begründung der obrigkeitlichen Kirchengewalt wird in der Forschung im Allgemeinen eher negativ, in den Worten Martin Heckels etwa als „innere 7 Vgl. Heckel, Martin Luthers Reformation, 341–364. 8  Heckel, Cura religionis, 4 f. 9 Vgl. Heckel, Staat und Kirche, 13 f. 10  Gäumann, Reich Christi, 223–244.359–377. 11  Heckel, Martin Luthers Reformation, 361. 12  Heckel, Zur Entwicklung des deutschen Staatskirchenrechts, 374.



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Überfremdung“13 gewertet, da hierdurch der Kern des reformatorischen Kir­ chenbegriffs ausgehöhlt werde. Die unter dem Begriff des Territorialismus ge­ sammelten Konzepte bemühen sich hingegen, die obrigkeitliche Kompetenz in Religionsangelegenheiten als Teil der landesherrlichen Rechte zu begründen, und berufen sich vorwiegend auf das römisch-byzantinische Recht. Seine Hochzeit erlebte der in Anfängen schon im frühen 17. Jahrhundert entwickelte Territorialismus zur Zeit der Frühaufklärung, als unter anderen Christian Thomasius und Justus Henning Böhmer auf diese Weise gegen die Reste kano­ nischen Rechts in episkopalistischen Begründungen argumentierten.14 Als Folge aufklärerischen Gedankenguts setzten sich im frühen 19. Jahrhundert schließlich kollegialistische Theorien durch. Entsprechend der zunehmenden religiösen Pluralität innerhalb der Territorien, die der Reichsdeputationshaupt­ schluss und die Bestimmungen des Wiener Kongresses bewirkten, werden hier die Kirchen als abgesetzte Körperschaften verstanden. Der Landesherr kann mehreren dieser vorstehen, jedoch sind seine Kompetenzen jeweils beschränkt. Hierfür wurden im Kollegialismus die bereits zuvor verwendeten Begriffe ius in sacra und ius circa sacra etabliert. Während diese Begriffe lange Zeit nicht konsequent unterschieden wurden, bildete sich hieran im 19. Jahrhundert die grundlegende Differenzierung zwischen Rechten, die Lehre und Gestalt der Re­ ligionsausübung betreffen (iura in sacra), und solchen Rechten, die vornehmlich organisatorische und wirtschaftliche Fragen und das allgemeine Aufsichtsrecht betreffen (iura circa sacra). Iura in sacra können dem Landesherrn nur durch einen Übertragungsakt der Kirchengenossen zugesprochen werden, iura circa sacra stehen dem Landesherrn als Vorsteher des Kollegiums zu.15 Somit schärft sich am Begriff des ius circa sacra  – zunächst ein „stark variierender Sammelbegriff für die Rechte der weltlichen Obrigkeit in Kir­ chensachen“16  – die Begrenzung obrigkeitlicher Kompetenzen in Religions­ angelegenheiten, was die Unterscheidung für den Kirchenrechtshistoriker Johannes Heckel zu einer der „hübschesten, durch die europäische Weite seines Schicksals merkwürdigsten“17 Schöpfungen in der Kirchenrechtsentwicklung macht. Als weitere Begrifflichkeit wird später auch zwischen Kirchengewalt und Kirchenhoheit unterschieden, was bis heute als eine Grundlage des Staatskir­ chenrechts gelten kann. Welchen Beitrag zu dieser Entwicklung die Theologie und die konfessionel­ len Kontroversen geleistet haben, ist umstritten. Teile der Forschung stufen den Beitrag der frühneuzeitlichen Theologen als eher unbedeutend ein oder sehen 13  Heckel, Staat und Kirche, 239. Zu einer ähnlichen Wertung kommt auch Schmidt, Staat und evangelische Kirche, 177. 14 Vgl. Schneider, Ius reformandi, 517; Heckel, Staat und Kirche, 122–127.241–244. 15  Vgl. auch Heckel, Martin Luthers Reformation, 778–782. 16  Heckel, Staat und Kirche, 245. 17  Heckel, Cura religionis, 1.

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die Fortentwicklung der Unterscheidung von Staat und Kirche nur als indirekte Folge der Glaubensspaltung an, die zum Primat politisch-juristischer Lösungen geführt habe.18 Martin Heckel betont jedoch die Bedeutung des Umstands, dass sich theologische und staatsrechtliche Argumente überschnitten. Dies sei „kein Fehler und kein Versagen“, sondern der „historische[] Verdienst“19 dieser Kon­ zeptionen und eben der „Reiz dieser Epoche“.20 Eine Schlüsselfunktion für die theoretische Entwicklung des neuzeitlichen Staatskirchenrechts wird in der breit rezipierten Studie Cura religionis  – ius in sacra  – ius circa sacra von Johannes Heckel dem Heidelberger Theologie­ professor David Pareus zugesprochen. Da Pareus in seinem wirkungsreichen Römerbriefkommentar in der Auslegung von Röm 13 avant la lettre die Unter­ scheidung zwischen ius in sacra und ius circa sacra, wie sie im Kollegialismus zwischen innerer und äußerer Kirchengewalt getroffen wird, entwickelt oder zumindest vorbereitet habe, sei der Heidelberger als „Schöpfer des jüngeren Typs der Kirchengewalt“ anzusehen und trage „den Ruhm, die Theorie des landesherrlichen Kirchenregiments begründet zu haben.“21 Schon Johannes He­ ckel betont dabei die Bedeutung der konfessionellen Kontroverse für Pareus. Seine Unterscheidung zwischen potestas ecclesiastica interna und externa sei der „Fehde mit seinem juristisch weit überlegenen Gegner“22 Thomas Stapleton entsprungen. Die Bedeutung der Auseinandersetzung mit diesem englischen ka­ tholischen Kontroversisten und dem Kardinal Robert Bellarmin stellt Christoph Strohm in besonderer Weise heraus und macht dabei auf die konfessionelle Konkurrenzsituation aufmerksam, in der Pareus seinen Römerbrief verfasste. Die Debatte, in der Pareus diese Unterscheidung entwickelt, sei „unmittelbarer Ertrag verschärfter konfessioneller Polemik“23 und Konkurrenz. Allgemein erscheint das Staatskirchenrecht als ein gutes Beispiel nicht nur für die stimulierende Wirkung konfessioneller Konkurrenz, sondern auch für interkonfessionelle Transferprozesse im Rahmen der Kommunikation über die Konfessionsgrenzen hinaus. Solche Austauschbeziehungen sind auch in anderen Fragen zum Staatswesen sichtbar und finden besonders in den Kon­ troversschriften statt.24 Mit Blick auf die Aufnahme des Gedankenguts Pareus’ im lutherischen Bereich konstatiert Johannes Heckel, dass zur theoretischen Grundlegung der Unterscheidung von äußerer und innerer Kirchengewalt 18 Vgl. Schneider, Ius reformandi, 173; Böckenförde, Entstehung des Staates, bes. 99–102; Gregory, The Unintended Reformation, 129–179. Vgl. zum juristischen, nicht theologischen Charakter der neuzeitlichen Staatskirchenrechtstheorien Campenhausen/ de Wall, Staatskirchenrecht, 15. 19  Heckel, Staat und Kirche, 131 (beide Zitate). 20  Ebd., 193. 21  Heckel, Cura religionis, 56 (beide Zitate). 22  Ebd., 55. 23  Strohm, Kompetenz weltlicher Obrigkeit, 68. 24 Vgl. Höpfl, Jesuit political Thought, 36 f.; Schilling/​Toth, From empires to family circles, 35.



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„alle drei christlichen Hauptkonfessionen beigetragen [haben]: die Katholiken durch ihre Polemik, die Reformierten durch ihre Apologetik, die Lutheraner durch das praktische Vorbild und durch den Einbau reformierter Gedanken in die eigene Dogmatik.“25

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass gerade in Fragen der Kirche, ihrer Ge­ stalt und ihrer Leitung die konfessionelle Konkurrenzsituation zu einem regen Interesse an den Positionen der anderen führte. Bei der folgenden Untersuchung des kontroversen Schrifttums David Pareus’ und seiner katholischen Gegner, aber auch vorangegangener Kontroversen zu dieser Frage und der Rezeption der von Pareus eingeführten Unterscheidung, ist daher in besonderer Weise darauf zu blicken, inwieweit Anwürfe der konfessionellen Gegner neue Argumente und Ideen provozieren und ob Transferprozesse zu beobachten sind. Darüber hinaus sind auch die Methoden und Darstellungsweisen in den Schriften von Interesse.26 Schon vor Pareus waren die obrigkeitlichen Kompetenzen in Kir­ chensachen Gegenstand von Theoriebildungen und Kontroversen, an denen Heidelberger Theologen beteiligt waren. Diese sind wichtig für das Verständnis des Entstehungskontexts der Konzeption Pareus’.

6.1.2.  Staat und Kirche in der Kurpfalz Wie in vielen Territorien wurde die Reformation in der Kurpfalz schrittweise durch die Obrigkeit eingeführt. Die Kirchenordnung von 1563 und der darin enthaltene Heidelberger Katechismus, die den entscheidenden Schritt beim Übergang der Kurpfalz zur reformierten Konfession markieren, ließen in der Frage nach der Rolle der Obrigkeit in der Kirchenzucht jedoch Raum für In­ terpretationen. Thomas Erastus, der Leibarzt Kurfürst Friedrichs III. und als Mediziner an der Heidelberger Universität tätig, ein auch theologisch gebildeter und interessierter Gelehrter und zeitweilig Mitglied des Kirchenrats, setzte sich nachdrücklich dafür ein, die Obrigkeit mit dieser Aufgabe zu betrauen. Beein­ flusst durch Musculus und Zwingli, aber auch durch andere Autoren wie Marsili­ us von Padua und Erasmus entwickelte er hierzu eine eigenständige Konzeption zur Kompetenz der Obrigkeit in Religionsangelegenheiten und deren Grenzen.27 Der weltlichen Obrigkeit gesteht Erastus darin eine umfassende gubernatio circa res sacras zu. Seine Unterscheidung zwischen der gubernatio ecclesiae interna und externa lässt sich dabei als eine Vorform der potestates Pareus’ ansehen.28 Erastus wurde daraufhin Protagonist eines innerkurpfälzischen Streits um die Kirchenzucht. Ausgelöst wurde der zuvor nicht offen ausgetragene Kon­ flikt von einer Promotionsdisputation des Engländers George Withers. Purita­ 25  Heckel, Cura religionis, 57. 26  Vgl. ebd., 49. 27  Zu den Einflüssen vgl. Walton, Der Streit zwischen Thomas Erastus, 234; WeselRoth, Thomas Erastus, 110–112. 28  Heckel, Cura religionis, 67–73; Maissen, Thomas Erastus, 198.

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nischen Positionen nahestehend nahm dieser Stellung gegen die Kompromisse, die in der Church of England zur Zeit Elisabeths in Bezug auf die Messkleidung eingenommen wurden, und forderte zudem eine rigide Durchführung der Kir­ chenzucht durch die Gemeinden. An dieser Trennlinie, ob der Obrigkeit oder den Gemeinden, beziehungsweise den Ältesten, die entscheidende Rolle in der Kirchenzucht zukomme, kam es zum Streit. Thomas Erastus, der sich als Wortführer der „Antidisziplinisten“ etablierte, standen die sogenannten „Dis­ ziplinisten“ gegenüber, zu denen neben Caspar Olevian weitere einflussreiche Personen aus Universität, Hof und Kirche gehörten, darunter die Räte Ehem und Zuleger, aber auch der exilierte flämische Calvinist Petrus Dathenus, seit 1570 auch Hofprediger Friedrichs III. Letztlich sorgten sich beide Seiten um die Freiheit der Kirche. Während die Disziplinisten jedoch die Gefahr vornehmlich in einer Obrigkeit sahen, die ihre Macht missbraucht, fürchteten die Antidiszipli­ nisten eher den Machtmissbrauch einer kirchlichen Instanz, wie es im Papsttum geschehe. Zacharias Ursinus, der Lehrer Pareus’, verhielt sich in dem Streit weit­ gehend neutral und vertrat eine vermittelnde Position, die für die Kirchenzucht ein „Gemeindeprinzip unter obrigkeitlicher Führung“29 vorsah. Die Auseinandersetzung in der Kurpfalz wurde von Reformierten interna­ tional verfolgt. Durch Wortmeldungen des Zürichers Bullinger und des Genfers Beza ergibt sich das Bild eines „Stellvertreterkriegs“30 zwischen dem Reformier­ tentum zwinglischer und calvinischer Prägung. In den beiden Hauptorten der Schweizer Reformation hatten sich unterschiedliche Formen der Kirchenzucht herausgebildet, wobei Zürich Erastus und die Antidisziplinisten unterstützte und Genf Olevian und die Disziplinisten. In dem Streit, der in ähnlicher Form auch außerhalb der Kurpfalz in reformierten Kirchentümern ausgetragen wurde, setzten sich schließlich Erastus’ Gegner durch, was Charles D. Gunnoe als Zeichen für die endgültige Durchsetzung des Reformiertentums calvinischer Prägung in der Kurpfalz wertet.31 Nachdem der in Bedrängnis geratene Erastus zwischenzeitlich selbst vom Abendmahl ausgeschlossen wurde, kam es 1576 zur äußerlichen Beilegung des Streits, der durch die Wiederzulassung Erastus’ zum Abendmahl öffentlich kommuniziert wurde. Der Tod Friedrichs III., der die äußerliche Einigung maßgeblich vorangetrieben hatte, setzte unter die Ent­ wicklung in der Kurpfalz einen vorläufigen Schlussstrich. Eine besondere Wir­ kungsgeschichte entfalteten Erastus’ Thesen vor allem in England. Dort wurde die im 17. Jahrhundert immer wieder vorgebrachte Position, dass im Sinne des Gemeinwohls der Staat die Kontrolle der Kirche(n) im umfassenden Sinne aus­ üben sollte, unter dem Begriff „Erastianismus“ gefasst.32 29  Ebd., 201; vgl. auch Wesel-Roth, Thomas Erastus, 32. 30  Maissen, Thomas Erastus, 192; vgl. auch Walton, Der Streit zwischen Thomas Erastus. 31  Gunnoe, Thomas Erastus, 260. 32 Vgl. Maissen, Thomas Erastus, 20 f.



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Auch nach dem Streit um die Kirchenzucht blieb die Frage nach der Rolle der Obrigkeit in Religionsangelegenheiten von hoher Priorität für die kurpfäl­ zischen Theologen. Im Jahr 1581, also in der Regierungszeit des Lutheraners Ludwigs VI., veröffentlichte Franciscus Junius, der in dieser Zeit wie die meisten anderen Heidelberger reformierten Theologen in Neustadt lehrte, sein Werk Ecclesiastici sive de Natura et Administrationibus Ecclesiae Dei. Junius, der 1567 aus Antwerpen in die Pfalz geflohen war, wo er wiederum nach obrigkeitlichen Maßnahmen seinen Wirkungsort wechseln musste, zeigt sich von seiner doppel­ ten Exilssituation, stark beeinflusst, wie sich auch an der Widmung des Buchs an Wilhelm von Oranien erkennen lässt. Diesen Erfahrungen wird man es nicht zuletzt zurechnen können, dass er dem magistratus pius, also einer reformierten Obrigkeit, zwar eine gewisse Rolle in der sichtbaren Kirche zuerkennt (De jure Magistratus in Ecclesia aspectabili),33 weitergehende Rechte jedoch ablehnt. Er verwirft die Verantwortung der Obrigkeit auch für die erste Tafel der Zehn Ge­ bote und bringt die Beziehung des magistratus pius zur Kirche in der Formel „innerhalb der Kirche, nicht über der Kirche“34 zum Ausdruck. Seine Position entspricht in diesem Punkt der der Disziplinisten und unterscheidet sich deut­ lich von der Position des Pareus, der das Vorbild der alttestamentlichen Könige bei der Sorge auch um die erste Tafel des Dekalogs empfiehlt. Die wechselvolle Geschichte der Kurpfalz vom ersten Übergang zum Calvi­ nismus bis zum Dreißigjährigen Krieg hindurch blieb der Einfluss der Obrigkeit auf die kurpfälzische Kirche konstant hoch. Die Kurfürsten und ihre Adminis­ tration stellten jeweils die „letzte Entscheidungsinstanz in kirchlichen Angelegen­ heiten“35 dar. Im ganzen Reich unterstützten die reformierten Kurfürsten zudem weltliche Obrigkeiten bei der Durchführung „Zweiter Reformationen“, in denen die reformierte Form des Protestantismus wie in Brandenburg (1613) teilweise auch gegen den Widerstand der Pfarrer und der Bevölkerung eingeführt wurde.

6.1.3.  Die katholische Lehre von weltlicher Obrigkeit und Kirche bei Robert Bellarmin und Thomas Stapleton Den wichtigsten konzeptionellen Beitrag zum Verhältnis von Staat und Kirche im konfessionellen Zeitalter hat auf katholischer Seite der Jesuit und Kardinal Robert Bellarmin geleistet. Sein Leitgedanke ist, dass der christlichen (katho­ lischen) Obrigkeit, sofern sie dem Laienstand angehört, kein Urteil in Glaubens­ fragen zukommt und sie sich deshalb an den Lehrentscheidungen des Papstes zu orientieren hat.36 Explizit richtet er sich gegen Melanchthons Formel des 33 Vgl. Junius, Ecclesiastici, 196–208. 34  Ebd., 202: „intra ecclesiam, non supra ecclesiam“. 35  Münch, Zucht und Ordnung, 163. 36  Bellarmin, Controversia, V,3,17; vgl. auch Dietrich, Robert Bellarmin: „de laicis“, 26 f.

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praecipuum membrum Ecclesiae, da die Lehre der Protestanten darauf abziele, dass die weltlichen Obrigkeiten „nicht nur Wächter und Verteidiger der Religion, sondern auch Richter und Lehrmeister“37 seien und sie somit ihre Kompetenzen als Laien überschritten. Wichtig für das Profil des Kardinals ist zudem seine Betonung der Rechte des Papsttums, die er durch Kompetenzen der weltlichen Obrigkeit bedroht sieht. Durch die Überordnung der geistlichen über die welt­ lichen Ziele im christlichen Gemeinwesen verteidigt er die potestas indirecta in temporalia des Papstes, also dessen eingeschränkte, „indirekte“ Gewalt auch in weltlichen Angelegenheiten. Auf der anderen Seite darf die christliche Obrig­ keit sich nach Bellarmin auch nicht der Sorge um die Kirche und das Seelen­ heil der Untertanen entziehen. Er greift vor allem Obrigkeiten an, die in ihrem Territorium religiöse Toleranz gewähren.38 Der andere katholische Kontroversist, gegen den David Pareus seine Aus­ legung des Römerbriefs richtet, ist der Engländer Thomas Stapleton (1535–1598), der im Exil in Douai und Löwen wirkte.39 Anders als von Pareus angenommen,40 war er nie Mitglied der Gesellschaft Jesu, stand dieser jedoch nahe und unter­ nahm kurzzeitig sogar erste Schritte zur Aufnahme in den Jesuitenorden. Seine Kontroversschriften beschäftigen sich primär mit der reformatorischen Recht­ fertigungslehre, die er als Weiterentwicklung der antiken Häresien betrachtete. Zudem polemisierte er gegen das sola-scriptura-Prinzip, da zur Bewahrung vor Uneinigkeit und Spaltung die kirchliche Autorität der Auslegung der Heiligen Schrift übergeordnet werden muss.41 In Bezug auf die obrigkeitlichen Kom­ petenzen war für den Exulanten Stapleton die Einführung des Act of Supremacy 1558/59 durch Königin Elizabeth I., der die Eidesleistung auf die Suprematie der englischen Monarchin über die Kirche einforderte, von besonderer Bedeutung.42 Als führender englischer katholischer Kontroversist veröffentlichte Stapleton viele Streitschriften auch gegen die neue protestantische Kirchenverfassung, die er abwertend als „laicocephalia“43 bezeichnet.

6.1.4.  Die Kontroverse zwischen Daniel Tossanus und Petrus Thyraeus Schon vor Pareus war die Frage des obrigkeitlichen Kirchenregiments Gegen­ stand einer Kontroverse zwischen den Heidelbergern und ihren katholischen 37  Ebd.: „non solum custodes et defensores religionis, sed etiam judices et magistros.“ 38  Ebd., V,3,18; vgl. auch V,3,19–22. Vgl. Kap. 6.3. dieser Arbeit. 39  Zum Leben Stapletons vgl. Seybold, Glaube und Rechtfertigung, 33–38. 40  U. a. Pareus, Hoseas Propheta, fol. **3r. 41 Vgl. Seybold, Glaube und Rechtfertigung, 4 f.; O’Connel, Thomas Stapleton, 12 f.; Schützeichel, Wesen und Gegenstand, 199–203. 42  O’Connel, Stapleton, 142–153. 43  Stapleton, Principiorum fidei, 260; Übers.: „Laienhäuptigkeit“; vgl. Heckel, Cura religionis, 55; Milward, Religious Controversies of the Elizabethan Age, 8–16.148–152; zur Kontroverse gegen die Suprematsakte vgl. ebd., 11.



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Gegnern. Zwischen 1587 und 1590 tauschten Daniel Tossanus  – Pareus’ Vor­ gänger auf dem Lehrstuhl für Neues Testament – und Petrus Thyraeus mehrere Kontroversschriften aus. Zuvor hatte der Mainzer Jesuit in seinen Schriften die Legitimität der Sendung und Berufung der protestantischen Geistlichen an­ gezweifelt. Ein entscheidender Punkt ist für ihn die Berufung der Pfarrer durch die Obrigkeit, wie es oftmals infolge des ius reformandi in Anspruch genommen wurde. Die Kontroverse steht im späten 16. Jahrhundert nicht allein. Thyrae­ us’ Argumentationslinie findet sich in vielen jesuitischen Kontroversschriften, wie etwa bei Francisco Torres (Turrianus, 1504/09–1584), der nur wenige Jahre zuvor eine ähnliche Kontroverse mit dem Genfer Theologen Antoine de Chandieu (Pseudonym: Sadeel, 1534–1591) führte, auf die sich Daniel Tossanus in seinen Schriften mehrfach bezieht.44 Erstmals veröffentlichte Petrus Thyraeus seine Position 1586 in seiner Dis­ putatation De Potestate Ecclesiastica. Er betont darin die Trennung zwischen der potestas ecclesiastica und potestas civilis, wobei er erstere in Würde und Bedeutung als klar überlegen ansieht. Aus dieser Unterscheidung heraus lehnt er Rechte weltlicher Obrigkeiten in Religionsangelegenheiten kategorisch ab45 und bezweifelt die Legitimität evangelischer Geistlicher, da diese nicht ord­ nungsgemäß von der legitimen geistlichen Obrigkeit (also vom Papst und den katholischen Bischöfen) in ihr Amt eingeführt wurden.46 Die zweite Schrift des Mainzers zu diesem Thema entstand ebenfalls als akademische Disputation und formuliert seine Thesen in kontroverser Zuspit­ zung neu. Die im Frühsommer 1587 gedruckte Streitschrift De Iure Vocationis et Missionis quod penes Verbi Ministros in Euangelicorum Ecclesiis esse dicitur, Disputatio Theologica will mit vier übergeordneten Argumenten die Illegitimität der von Thyraeus als ministri verbi bezeichneten evangelischen Pfarrer beweisen. Zum ersten erweise sich deren Illegitimität daraus, dass die evangelischen Geist­ lichen von Laien gesandt und berufen werden. Hieraus könnten sich absurde Situationen ergeben, wenn eine obrigkeitliche Beteiligung an der Sendung kon­ sequent praktiziert würde. Schließlich wäre es im Zweifelsfall notwendig, dass die Protestanten „dasselbe den Frauen zugestehen und auch nicht den Klein­ kindern verweigern, weil auch Frauen ein Gemeinwesen verwalten können und auch Kleinkinder König sein können.“47 Zum zweiten und zum dritten 44  Die aus einer Kontroverse Torres’ mit dem Leipziger „Kryptocalvinisten“ Andreas Frey­ hub (gest. 1576) entstandene Auseinandersetzung des Jesuiten mit Chandieu umfasste die Jahre 1580–1584 und brachte drei Schriften Chandieus und eine Erwiderung Torres’ hervor. Ähn­ liche Thesen finden sich u. a. bei Laurentius Arturus S. J. (Lawrence Arthur Faunt, 1554–1591), mit dem Daniel Tossanus auch eine Kontroverse über das Abendmahl einging, und in den Kontroversien Robert Bellarmins. 45  Thyraeus, Disputations de Potestate Ecclesiastica, bes. fol. F4r–H3r. 46  Ebd., bes. fol. I3v–N1r. 47  Thyraeus, De Iure Vocationis, fol. B3r: „idem concedant mulieribus; nec negent infantibus, quia & mulieres possunt Respub. administrare, & infantes esse Reges.“

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argumentiert Thyraeus, dass die Sendung und Berufung der evangelischen Geistlichen illegitim sei, da sie von Häretikern vorgenommen wurden und sie zudem nicht in apostolischer Sukzession stünden. Diese dritte Argumentations­ linie spitzt er zu, indem er vier mögliche Urheber der Sendung protestantischer Pfarrer vorstellt: „Wen schieben sie [i. e. die protestantischen Geistlichen] als Urheber ihrer Sendung vor? Das christliche Volk? Die weltlichen Fürsten? Die geistlichen Amtsträger? Gott selbst? Zu­ nächst erkennen sie keine Gewalt des Volkes im Falle der Sendung an, gleichwohl sie es einst zugelassen haben; nun aber, sobald ihr Verlangen zu herrschen gewachsen ist, halten sie vom Volk besetzt, was sie von ihm begehrt hatten, auch lehren sie in gedruckten Büchern, dass dem Volk hierbei kein Anteil zukommt: Vom Volk, gleichsam den Laien sei alles Recht der Sendung zu ihnen, gleichsam den Gott geweihten Menschen, übertragen worden. Sie stellen die Fürsten und die, die denen die höchste Sorge um das Gemeinwohl zukommt, gewiss über das Volk und erkennen freiwillig an, dass diese gemeinsam mit der göttlichen Autorität mehr Macht als die Menge haben und gestehen dies ihnen öffentlich zu; wahrhaft aber in Bezug auf die Sendung wollen sie, dass Obrigkeit und Volk die gleiche Macht haben. Und außerdem, so wie vom Volk, leiten sie all dieselbe Gewalt von ihnen auf sich ab.“48

Thyraeus formuliert den weitreichenden Vorwurf, dass die evangelischen Geist­ lichen sich selbst der Macht ihrer eigenen Sendung ermächtigt hätten. Von den vier genannten Urhebern der Sendung fielen Gott selbst und die legitime (katholische) Obrigkeit von vornherein aus. In Bezug auf das Kirchenvolk und die weltliche Obrigkeit behauptet er unter Bezugnahme auf gegensätzliche Po­ sitionen im protestantischen Spektrum einen Wandel. Nachdem zunächst das Volk und die weltliche Obrigkeit die evangelischen Pfarrer mit ihrer Sendung betraut hätten, würden diese nun dazu übergehen, aus eigensüchtigen Motiven diese Rechte an sich zu binden. Die Strategie des Mainzers ist klar erkennbar: Sowohl die Berufung seiner Gegner auf eine weltliche Obrigkeit als auch die Begrenzung deren Macht möchte er zu deren Ungunsten ausgelegt wissen. Als abschließendes viertes Argument zweifelt Thyraeus die Sendung evan­ gelischer Pfarrer aus dem Grund an, dass diese durch ihr Verhalten, mit dem sie Unordnung in die Herde Christi bringen, erkennbar keine legitimen Hirten dieser sein können. Noch im gleichen Jahr erschien in Ingolstadt eine volks­ sprachliche Übersetzung der Thesen des Thyraeus in Ingolstadt.49 Vor allem 48 Ebd., fol. G3v–G4r: „Quem enim authorem Missionis suae proferent? an populum Christianum? an seculares Principes? an Ecclesiasticum Magistratum? an Deum ipsum? Primum omnium Populi potestatem in hac Missionis causa nullam agnoscunt: & licet olim ad­ miserint; nunc tamen vbi dominandi libido creuit, & à populo, quod cupiuerunt, obtinuerunt; etiam editis libellis, nullas hic Populi partes esse docent: A populo, tanquam à Laicis, ad se, tanquam Deo consecratos homines, omne Missionis Ius transferunt. Principes quidem, & eos, apud quos summa Rerum publicarum constituta est, Populo praeferunt; & diuina authoritate hos promiscua multitudine plus posse, libenter agnoscunt, & palam fatentur; verum tamen in Missionis negotio magistratus & Populi parem potestatem esse volunt: & propterea, qua ratione à Populo; eadem ab his ad se omnem deriuant.“ 49  Thyraeus, Gründtlicher Bericht/​Vom Gewalt/​Beruf vnd Sändung der Kirchendiener.



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diese zweite Schrift fasste Daniel Tossanus als Provokation auf und verfasste seine erste Gegenschrift mit dem Titel De Iure Vocationis et Missionis Ministrorum Evangelicorum Theses Apologeticae, die anhand der Thesen Thyraeus’ und gegliedert nach dessen vier übergeordneten Argumenten die Legitimität der evangelischen Pfarrer verteidigt. Ansatzpunkt für die Rechte weltlicher Obrigkeit in Religionsangelegenheiten wie der Pfarrerwahl ist für Tossanus das Versagen der Institutionen in der Papstkirche. Tossanus greift dabei die Vorrang­ stellung und die apostolische Sukzession des römischen Bischofs und die exklu­ sive Legitimität der katholischen Bischöfe bei der Pfarrerwahl mit historischen Argumenten an. Den Vorwurf seines Gegners, die evangelischen Geistlichen ermächtigten sich ihrer Sendung selbst, weist Tossanus barsch zurück: „Es ist eine Verleumdung, dass wir die Autorität und Wahl des Christenvolks einst zuge­ lassen hätten und nun verschmähten. Denn wir halten jenes hoch und begehren, dass das Volk mehr sei, in diesen Sachen erregt, stärker für die Ausübung der Religion eingebunden und ein aufmerksamer Beobachter der Kirchendiener und ihres Dienstes. Falsch ist auch dies, dass wir kirchliche Obrigkeiten hintangesetzt hätten: In den einzelnen Territorien haben wir entweder Kirchenräte oder Presbyterien oder auch Provinzialsynoden.“50

Tossanus gibt hierbei eine interessante poimenische Begründung für den Ein­ bezug des Kirchenvolks in die Sendung der Geistlichen, während er Thyraeus’ parallelen Vorwurf, auch die weltlichen Obrigkeiten nicht mehr einzubeziehen, an dieser Stelle übergeht. Stattdessen verweist er auf die verschiedenen Formen geistlicher Kirchenleitung. Der internationalen Orientierung der Heidelberger Theologen entsprechend geht er über die kurpfälzische Form, die einen Kir­ chenrat kannte, hinaus und nennt verschiedene Beispiele. Diese sind erkennbar dem reformierten Spektrum entnommen und schließen häufiger in lutherischen Territorien anzutreffende Strukturen wie etwa die Superintendenten nicht ein. Doch auch die Argumente des Mainzer Jesuiten gegen die Sendung durch weltliche Obrigkeiten lässt Tossanus nicht gelten. Mit dem Verweis auf das auch bei den Katholiken bestehende Institut der Nottaufe durch getaufte Laien fragt er: „Erlauben nicht auch die Papisten den Frauen selbst die Verwaltung des Sa­ kraments der Taufe, im sogenannten Fall der Notwendigkeit?“51 Für die Rechte und Kompetenzen der weltlichen Obrigkeit bemüht der Heidelberger Professor zunächst das biblische Vorbild der alttestamentlichen Könige und ihrer Fürsorge für den Kult: 50  Tossanus, De Iure Vocationis, fol. Diiir: „Calumnia est, nos populi Christiani auto­ ritatem, & suffragia olim admisisse; nunc repudiare; Nam illa & magni facimus, & populum superemus magis esse & de his rebus sollicitum, & magis religiosum, attentumque Mistrorum & Ministerij obseruatorem: Falsum est & illud, nos Magistratum Ecclesiasticum contemnere: qui in singulis prouiniciis, vel senatus Ecclesiasticos, vel presbyteria atque etiam Synodos prouinciales habemus.“ 51  Ebd., fol. Biiv : „Nonne enim ipsam Sacramenti Baptismi administrationem, in casu, vt vocant necessitatis, Pontificij mulieribus permittunt?“

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„So wie die Beispiele der frommen Könige Josaphat und Josia und der anderen hervortritt, die gleichsam als Wächter über beide Tafeln den Priestern selbst Befehle gaben über die Wiederherstellung des Kultes Gottes und an Stelle der Baalspriester fromme Priester dem Tempel vorsetzten und mit den Vornehmen Leviten und Priester aussandten, die das Volk lehrten.“52

In einer besonders für reformierte Theologen oft anzutreffenden Analogie des Reformationsgeschehens, insbesondere des Austauschs altgläubiger (oder in einer „Zweiten Reformation“ lutherischer) Geistlicher, mit den Kultreformen vor allem Josias leitet Tossanus ein allgemeines Recht der Sendung (missio) und der Reform ab. Als Terminus benutzt er hierfür an dieser Stelle die geläufige Konzeption der custodia utriusque tabulae, die Junius zuvor noch abgelehnt hatte. In der vorangehenden These verwendet er auch den Begriff „Kenntnis und Fürsorge der Kirchensachen“.53 Von der Heiligen Schrift sieht Tossanus die sakralen Rolle der Obrigkeit weitgehend unterstützt: „Und dass die Obrigkeit, die die Schrift mal mit dem Titel Gottes selbst, mal mit dem der Priester schmückt und kohen nennt, wenigstens diese Ehren innehat, damit sie nicht gänzlich in die Ordnung gezwungen wird und der Herde des Volkes und der Ungelehrten zugerechnet wird.“54

Daniel Tossanus spielt hier auf die sakralen Titulaturen alttestamentlicher Könige an, beispielsweise auf den als ‫( כהן‬kohen) bezeichneten Priesterkönig Melchisedek (Gen 14,18) und die auf die Könige gedeutete Anrede in Ps 82,6 („Ihr seid Götter und allzumal Söhne des Höchsten“). Auch kann Tossanus auf die sakral aufgeladene Anrede Kyrus’ (v. a. Jes 44–45) und die Bezeichnung der alttestamentlichen Könige als Gesalbte verweisen. Durch die Bezeichnung dieser Titel als „Ehren“ macht er jedoch deutlich, dass er diese Stellen nicht da­ hingehend auslegt, dass den weltlichen Obrigkeiten die Rolle eines Priesters im engeren Sinn zugedacht wäre. Es handele sich vielmehr um ein Zeichen ihrer herausgehobenen Position vor Gott. Doch Tossanus argumentiert nicht nur mit der Bibel. Eine weitere wichtige Quelle ist für ihn die Geschichte der christlichen Kaiser seit Konstantin und ihr Verhältnis zu den Bischöfen. So habe Kaiser Justinian im Zuge seiner Gesetz­ gebung auch eine Ordnung für die Bischofsweihe vorgeschrieben (Tossanus verweist auf das Corpus Juris Civilis, Novellae, 6). Noch deutlicher sieht er diese Tendenz darin, dass – wie Gratian selbst es bestätige (Decretum Gratiani, 52  Ebd., fol. Bir: „Sicut exempla piorum Regum Iosaphati & Iosiae & aliorum extant, qui tanquam vtriusque tabulae custodes sacerdotibus ipsis mandata dederunt de instauratione cul­ tus diuini, & locorum sacerdotum Baal pios sacerdotes templo praefecerunt, & cum principibus Leuitas & sacerdotes miserunt, qui populum docerent.“ 53  Ebd.: „cognitio[] & procuratio[] rerum Ecclesiastarum“. 54  Ebd., fol. Aiiiiv : „Et Magistratibus saltem, quos scriptura, iam Dei ipsius, iam Sacerdotum titulo ornat, & COHENIM vocat, hic honos erat habendus, vt non ita plane in ordinem cogeren­ tur, & in plebeiorum ac Idiotarum grege annumerarentur.“



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Distinctiones, 63) – Papst Hadrian I. das Recht, den Papst zu wählen und die Bischöfe zu weihen, Karl dem Großen übertragen habe.55 In der typischen Ver­ knüpfung eines historischen und juristischen Arguments verweist Tossanus auf die Corpora des römischen und des kanonischen Rechts, die für seinen Gegner normative Bedeutung haben. Zur Beschränkung der Kompetenzen der weltlichen Obrigkeit führt Tossanus den Begriff des magistratus pius ein, also die Rückbindung an dessen (konfessionelle) Rechtgläubigkeit. Des Weiteren bindet er die Rechte an die biblischen Beispiele und die historisch praktizierte und kodifizierte christliche Rechtsordnung. Entsprechend den Vorwürfen seines katholischen Gegners versucht er zudem, die von Thyraeus angesprochenen Probleme des Verhält­ nisses zwischen Kirchenvolk und weltlicher Obrigkeit bei der Pfarrerwahl und die Beziehung weltlicher und geistlicher Obrigkeit in evangelischen Territorien näher zu erörtern. Im Hinblick auf die Sendung der Geistlichen sieht er jeweils ein konsensuelles Zusammenspiel vor, wobei er jedoch auf mögliche Konflikte nicht eingeht. Zur Rolle des Kirchenvolks und der Obrigkeit schreibt er gegen die Anschuldigungen des Mainzer Jesuiten: „Wahrlich zu Recht und nach dem Beispiel der Kirche des Alten und Neuen Bundes be­ stätigen wir, dass die Autorität der frommen Obrigkeit und die Zustimmung des Volks zur Wahl und Weihe, die von den Presbytern vorgenommen werden soll, nötig sind.“56

Tossanus betont hier nicht nur die Analogie des Gottesvolks des Alten Bundes – des vom König geführten Tempelkults – und des Neuen Bundes, sondern stellt Kirchenvolk, Obrigkeit und geistliche Funktionsträger als Handlungsgemein­ schaft dar. Dieses Vorgehen sei legitim und geschehe in Übereinstimmung mit den biblischen Vorgaben in 1 Tim 3 und Tit 1. Mit dem Konsens der gesamten Kirche geschehe die Sendung und Berufung der Geistlichen „sowohl von der christlichen Obrigkeit als auch vom Kirchenrat oder Presbyterium oder von der Provinzialsynode“.57 Petrus Thyraeus’ Antwort, die im darauffolgenden Jahr gedruckt wurde, trägt den Titel Examen Apologeticarum Thesium Danielis Tossani. Gemäß der Gattungsbezeichnung Examen werden fortlaufend Zitate des Heidelbergers abgedruckt und korrigierend kommentiert. Dabei verkürzt Thyraeus teilweise die Zitate oder gibt sie ohne ihren ursprünglichen Zusammenhang wieder, um den polemischen Effekt zu verstärken. Gleichwohl sich Thyraeus durchaus im Bereich dessen bewegt, was in der Kontroversliteratur der Zeit üblich ist, beur­ teilt Friedrich Wilhelm Cuno, der vom nationalprotestantischen Zeitgeist des 55  Ebd., fol. Bir–v. 56  Ebd., fol. Biiv : „Verum recte, & exemplo veteris Ecclesiae Veteris & N. Testamenti, acce­ dere autoritatem piorum Magistratuum, & consensum populi, ad Electionem & ordniationem, quae sit à presbyteriis affirmamus.“ 57  Ebd., fol. Eiiiv : „tum à Magistratu Christiano tum à Senatu Ecclesiastico, vel presbyterio, vel Synodis prouincialibus.“

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späten 19. Jahrhunderts beeinflusste Biograph Tossanus’ und anderer reformier­ ter Theologen um 1600, das Examen des Jesuiten als „ein Ragout, zusammen­ gebraut aus schlechten Witzen auf die protestantischen Pastoren und deren Ehe, angedroschene Sophismen, renommistischer Lobpreisung der Klerisei Roms und persönlichen Invektiven.“58 Das Argument seines Gegners, dass die Evangelischen mit Kirchenräten, Presbyterien oder Provinzialsynoden über eigene kirchliche Obrigkeiten ver­ fügten, lässt Thyraeus erwartungsgemäß nicht gelten. Nur den Bischöfen in apostolischer Sukzession komme Legitimität zu.59 Sein Hauptvorwurf an Tossanus in Bezug auf die Kompetenzen der weltlichen Obrigkeit ist, dass er die fundamentale Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien verunklare. Es könne nur zwei Stände geben, für eine weltliche Obrigkeit, der auch nur ein­ geschränkte Gewalt über die Sendung der Geistlichen zukomme, existiere nicht einmal in der Volkssprache ein Wort: „Vulgus enim inter Geistliche vnd Welt­ liche nullos habet medios.“60 Tossanus verweise zwar mit Recht auf das zu beachtende Beispiel der vorbild­ haften Könige, die Schrift lege er aber grundlegend falsch aus: „Zunächst leugnen wir nicht, dass Josaphat, Josias und die anderen gläubigen Könige zu aller Zeit viel getan haben, um die Gottesverehrung zu schmücken und zu fördern. Aber es gibt einen Unterschied zwischen einem König, der das, was Gott gebührt, fördert, und einem, der aus königlicher Würde und nach seiner Amtsgewalt [der Kirche] vorsitzt.“61

Thyraeus führt hier die für die katholischen Kontroversisten typische Unter­ scheidung zwischen der Obrigkeit gebotener Förderung und Verteidigung einer­ seits und verbotenem Vorsitz bei Religionssachen andererseits ein. Die ander­ weitigen Ausführungen seines Gegners bezeichnet er im Nachsatz als lächerlich („ridiculum“). Auch die historischen Argumente seines Gegners lässt Thyraeus nicht gelten. Justinian etwa habe nur das geltende Kirchenrecht gesammelt und es keineswegs verfügt. Karl der Große und andere weltliche Herrscher, denen Wahl- und Weiherechte für kirchliche Würdenträger zugestanden wurden, hätten diese „nicht nach göttlichem Recht, sondern nach Willen der kirchlichen Würdenträger“62 erhalten.

58  Cuno, Daniel Tossanus, I, 206. 59  Thyraeus, Examen Apologeticarum, fol. I4v. 60  Ebd., fol. B3r; Übers.: „Denn die Volkssprache kennt kein Mittelding zwischen Geist­ lichen und Weltlichen.“ 61  Ebd., fol. A2r: „Primum non negamus quin Iosaphat atque Iosias, alijque fideles Reges multa fecerint omnibus temporibus, quae ad Dei religionem ornandac [sic!] ac promouendam facerent: Sed aliud est Regem, quae Dei sunt promouere aliud, jis ex regia dignitate, & pro officio praeesse.“ 62  Ebd., fol. A2v : „non diuino jure (…), sed voluntate Praesulum Ecclesiae“. Vgl. zu Thyrae­ us’ Widerlegungen der historischen Argumente auch ebd., A4v–B1r.



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Doch das Kernproblem, worin die Unterscheidung zwischen evangelischen Geistlichen und „Laien“ bestehe, sieht er von der reformierten Seite gänzlich unbeantwortet: „Aber weder Tossanus noch irgendein anderer aus der Herde Calvins kann antworten oder lehren, worin der Unterschied zwischen den Kirchendienern bei den Evangelischen und den Laien besteht, außer allein im Willen der Obrigkeit, die sicherlich, wenn sie auf diese Weise Geheiligte schafft, auch Heilige erschaffen kann.“63

Diese Anschuldigung, dass der Unterschied nur in der Willkür der weltlichen Obrigkeit bestehe, provozierte Tossanus zu weiteren Schriften, in denen er seine Haltung darlegt. Zunächst wählte er im März 1588 die Form eines offenen Briefs, in dem er Thyraeus für dessen Argumentation hart angeht. Der Jesuit habe mit fragwürdiger Methodik seine Aussagen verdreht und komme zu merkwürdigen Schlüssen. Thyraeus’ Vorwurf, er gebe der Obrigkeit zu viel Raum in Kirchen­ sachen, entgegnet Tossanus entschieden unter Verweis auf die Unterdrückung der wahren Kirche durch katholische Obrigkeiten in Frankreich, Belgien und Osteuropa.64 Mit einer rechtgläubigen Obrigkeit stelle sich diese Frage hingegen nicht, sofern sie nach der Bibel handelt. Eine indirekte Antwort des Heidelberger Theologen stellt auch seine 1588 veröffentlichte Disputatio de Ecclesia, eius veris ac perpetuis notis dar. Die Disputation greift wiederholt Thyraeus, aber auch an­ dere Jesuiten wie Francisco Torres oder Bellarmin an und betont im Untertitel, sich „gegen die wiederholt vorgetragenen Sophismen der Jesuiten“65 zu richten. In seinen Disputationsthesen führt Tossanus seine in den Theses Apologeticae entwickelten Positionen erneut aus. Bezüglich der weltlichen Obrigkeit führt er nun deren historische Bedeutung weiter aus: „Was also übrigbleibt, ist, wie die frommen Fürsten, die aus ihrem Amt heraus Wächter beider Tafeln sind, nach dem Vorbild Salomons, Hiskias, Joaschs, Konstantins des Gro­ ßens, Theodosius’ und anderer frommer und äußerst lobenswerter Fürsten, wie dies auch viele Bischöfe und Gelehrte gutheißen, die selbst im Papsstum ein gewisses Licht hatten und unter Heranziehung gelehrter und untadeliger Theologen eine Reformation und Rei­ nigung der Tempel in ihrem Territorium unternahmen und priesterliche Ausschweifung und Tyrannei zurückdrängten.“66 63 Ebd., fol. A2v : „Sed nec respondere potest aut Toßanus, aut alius de grege Caluini; nec docere, quo discrimine distent apud Evangelicos Ministri à Laicis, nisi sola Magistratus voluntate: qui profecto, si sic sacros facit, faciat & Sanctos.“ 64  Tossanus, Ad Petrum Thyraeum, fol. Aivr. 65  Tossanus, De Ecclesia, Titelseite: „contra repetita Iesuitarum sophismata“. Vgl. auch ebd., 4. 66 Ebd., 59: „Quid ergò superfuit, quàm ut pij principes, qui ex officio sunt custodes utriusque tabulae, exemplo Salomonis, Ezechiae, Ioas, Constantini Magni, Theodosiorum & aliorum piorum, laudatissimorumque principum, probantibus id ipsum multis Episcopis, & Doctoribus, qui in ipso Papatu lucis aliquid habebant & adhibitis doctis & vitae inculpatae Theologis reformationem & repurgationem templi in suis ditionibus susciperent, & luxum ac tyrranidem Sacerdotum reprimerent.“

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Eine starke und fromme weltliche Obrigkeit ist für Tossanus geradezu ein Garant für wohlgeordnete geistliche Verhältnisse und eine Absicherung gegen geistlichen (päpstlichen) Machtmissbrauch. Für diesen Zusammenhang weiß er noch weitere Beispiele aus der Geschichte der Päpste anzugeben. Dabei zeigt Tossanus ein gewisses Gespür für die Unterschiede im katholischen Lager. Während er vornehmlich gegen die Jesuiten polemisiert, sieht er mit den katho­ lischen Juristen – den „politici“ – größere Überschneidungen: „Schon lange sind eure Rechtsgelehrten weiser, die, wenn es um die Frage nach den Rechten der Obrigkeit geht, eindringlich antworten: ‚Nicht bloß darauf schauen, was in Rom geschieht, sondern auch, was geschehen muss.‘“67

Thyraeus verfasste hierauf keine substantiell neu formulierte Antwort mehr, sondern 1589 den Sammelband Causa Vocationis et Missionis Ministrorum Evangelicorum, per Disputationes aliquot Theologicas partim in Moguntina, partim in Heydelbergensi Academia disputata. Hierin sind nach kommentierten Ausschnitten des offenen Briefs seines Gegners die drei anfänglich gewechselten abgedruckt, wobei diese nicht nacheinander angeordnet sind, sondern nach Ka­ piteln ineinander verzahnt, wodurch die dialogische Struktur stärker hervortritt. Der Sammlung ist ein Nachwort und ein Index beigegeben, der bei strittigen Fragen stets auf Passagen der Schriften Thyraeus verweist. Die offensichtliche Intention des Mainzers ist, mit dieser Publikation die Deutungshoheit zu er­ langen und nach dem offenen Brief Tossanus’ symbolisch das letzte Wort in der Kontroverse zu beanspruchen. Dies sollte ihm nur bedingt gelingen. Daniel Tossanus kompilierte seine in dem Kontroversschriftenwechsel mit Thyraeus entwickelten und erprobten Thesen zu einer umfassenden Pastoraltheologie mit dem Titel Pastor Evangelicus, sive de legitima Pastorum Evangelicorum vocatione, officio & praesidio. Von der 1590 gedruckten Schrift, die zu den Hauptwerken des Heidelberger Theologen gezählt werden kann, sind zwei posthume Nachdrucke erhalten. Gewidmet ist die Schrift, die auch die Rechte der weltlichen Obrigkeit bespricht, seinem För­ derer Graf Ludwig I. von Sayn zu Wittgenstein (1532–1605), der im Zuge seines langjährigen Briefwechsels mit Tossanus diesen dafür lobt, den Jesuiten in diesem Buch entgegenzutreten.68 Auch wenn Pastor Evangelicus breiter angelegt ist als die vorangegangenen Streitschriften, ist die Schrift deutlich von der Kon­ troverse beeinflusst. In einem Dankbrief an den Grafen von Wittgenstein be­ gründet er seine Publikation mit der konfessionellen Konkurrenzsituation. Die Verbreitung der Schrift sei notwendig, „damit die Jesuiten unsere Sache nicht 67 Ebd., 5: „Longe melius sapientes vestri Iurisconsulti, qui, cum de Magistratum jure quaestio esset, graviter responderunt: non solùm spectandum, quid Romae factum, sed etiam quid fieri debeat.“ 68  Ludwig von Sayn-Wittgenstein an Daniel Tossanus, September 1590, in: Cuno, Daniel Tossanus, II, 22 f.



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als völlig verlassen einschätzen“.69 Wiederholt geht er auf die Argumentation seines Gegners ein und nennt ihn auch namentlich. Zugleich will er jedoch die Notwendigkeit des Pfarramts in der evangelischen Kirche gegenüber den „En­ thusiastas“, den „Schwärmern“, verteidigen, was sich jedoch nur untergeordnet bemerkbar macht. Im Pastor Evangelicus breitet Tossanus wiederum seine zuvor entwickelte Argumentation anhand alttestamentlicher und historischer Beispiele aus. Seine Darstellung ist an vielen Stellen elaborierter als in den vorangegangenen Kontro­ versschriften, er führt die Beispiele um Karl den Großen und Konstantin weiter aus und arbeitet auch die Theorien des Marsilius von Padua ein.70 In Bezug auf die obrigkeitlichen Rechte in Religionsangelegenheiten führt er in dieser Schrift den Terminus ius patronatus neu ein. Diese bereits vorhandene Begrifflichkeit füllt er damit, dass die christliche Obrigkeit gegen „den Missbrauch geist­ licher Macht, […] [altgr.:] Unordnung und Vernachlässigung“,71 wie sie unter der „päpstlichen Tyrannei“ zu finden sei, ordnend eintreten darf und muss. Paradigmatisch formuliert er für die Kompetenz der weltlichen Obrigkeit den Analogieschluss „Die Könige haben im Alten Bund die Gewalt, zu senden und die Kirchensachen ordnend festzusetzen. Also haben sie auch im Neuen Bund die gleiche Gewalt.“72 Die durch Weihe begründete Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien sieht Tossanus der evangelischen Position gemäß durch Christus aufgehoben. Stattdessen will er lieber von Ständen (ordines) reden, die zwischen kirchlich und weltlich unterscheiden. Eine nähere Definition, welche Anteile der Berufung und Sendung der Pfarrer der weltlichen Obrigkeit oder den kirchlichen Leitungsgremien gerade in Konfliktfällen zufallen, gibt Tossa­ nus jedoch nicht. Dennoch ist der Heidelberger Theologe sichtbar bemüht, die Rechte der weltlichen Obrigkeit zu begrenzen: „Aber ich kann auch nicht, in den LehrsatzFußstapfen derer gehen, die die Wahl der Kirchendiener einfach und immer in der Gewalt der Obrigkeit haben wollen.“73 Die Gefahr eines Machtmissbrauchs der Fürsten sieht Tossanus als eine sehr reale an. Nur in den engen Grenzen der biblischen und historischen Vorbilder darf sich die Obrigkeit in Kirchensachen betätigen, um geistlichem Machtmissbrauch zu begegnen. Sind allerdings so­ wohl geistliche als auch weltliche Obrigkeit ungenügend fromm und fördern die Idolatrie, besteht die Notwendigkeit der außerordentlichen Berufung und Sen­ 69  Daniel Tossanus an Ludwig von Sayn-Wittgenstein, 26.10.1590, in: Cuno, Daniel Tossanus, II, 20 f., hier 209: „ne existiment Jesuitae causam nostram plane desertam“. 70  Tossanus, Pastor Evangelicus, bes. 32.49. 71  Ebd., 29: „potestatis Ecclesiasticae abusum, (…) ἀταξίαν & negligentiam“. 72  Ebd., 48: „Reges in vetere Testamento potestatem habuerunt mittendi & constituendi res Ecclesiasticas. Ergo & in nouo Testamento eandem habent potestatem.“ 73  Ebd., 34: „Neque enim in eorum sententiam pedibus ire possum, qui ministrorum Elec­ tiones simpliciter & semper penes Magistratus esse volunt.“

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dung. Solche „außerordentlichen Berufungen“74 gehen direkt von Gott aus und berechtigen zur Kritik an den herrschenden Zuständen und Machthabern. Zu ihnen zählt Tossanus unter anderen die alttestamentlichen Propheten, Johannes den Täufer, Bernhard von Clairvaux, die „Vorreformatoren“ Wyclif und Hus sowie Martin Luther und viele weitere Reformatoren der „ersten Generation“, vornehmlich der reformierten Tradition. Es ist bemerkenswert, dass Tossanus diese als außerordentlich berufene und nicht als durch weltliche Obrigkeiten beauftragte Reformatoren sieht. Auch zeigt sich hier sein Bild von der Reformati­ on: Er unterscheidet zwischen der ersten Reformatorengeneration, die von Gott berufen wurde, und den nachfolgenden – der Lehrergeneration Tossanus’ und seiner eigenen, die bereits in geordneten Verhältnissen ihre Sendung erhielten. Wie später sein Nachfolger Pareus beschäftigte sich auch Daniel Tossanus mit den obrigkeitlichen Rechten in Kirchensachen auch in Bezug auf das 13. Kapitel des Römerbriefs. Diesen Paulusbrief legte Tossanus als Professor für das Neue Testament in seinen Vorlesungen insgesamt dreimal aus, erstmals 1587, während der Kontroverse mit Thyraeus, und überarbeitet 1592 und 1600. Überliefert ist seine Auslegung in seinen posthum erschienenen gesammelten Werken, die offenbar seine Aufzeichnungen zur dritten Vorlesung wiedergeben.75 Der welt­ lichen Obrigkeit spricht Tossanus aus Röm 13,1–4 eine „curam rerum Ecclesiastarum“76 zu. Auch in der Auslegung von Röm 13 greift der Heidelberger seine Kontroverse mit Thyraeus auf, den er namentlich nennt. Dessen Argumente seien „völlig lächerlich“,77 er tue der christlichen Obrigkeit Unrecht, wenn er sie mit einer heidnischen gleichsetze und ihre Gewalt auf die weltliche Ordnung be­ grenze. Der Exegese angehängt ist eine knappe Erwiderung auf den mit Antidota Apostolica contra nostri temporis Haereses überschriebenen Römerbriefkom­ mentar des katholischen Kontroversisten Thomas Stapleton, der 1595 veröffent­ licht wurde. Dieser dezidiert kontroverstheologische Zusatz wurde offenbar von Tossanus seinen Studenten in der Vorlesung mitgegeben. Daniel Tossanus’ Beschäftigung mit den Kompetenzen der Obrigkeit wurde durch die provokanten Disputationsthesen seines Mainzer Gegners angesto­ ßen. In seinen Schriften lässt sich nachvollziehen, wie er seine Position und die vorgebrachten Argumente in der konfessionellen Konkurrenzsituation ent­ wickelt und an den Vorwürfen Thyraeus’ schärft. Trotz des besonderen Fokus auf die Sendung und Berufung der Geistlichen entwirft Tossanus eine zu­ sammenhängende Begründung der Kompetenzen der weltlichen Obrigkeit am Beispiel der von seinem Gegner eingebrachten Problemstellung. Seine Position 74  Vgl. ebd., 35–38: „extraordinariae vocationes“. 75  Die mitabgedruckten Notae gegen Thomas Stapleton können erst nach der Veröffent­ lichung der Antidota Stapletons 1595 entstanden sein, was für die Vorlesungsversion von 1600 spricht. 76  Tossanus, Primarii Operum, 144; Übers.: „Sorge für Kirchenangelegenheiten“. 77  Ebd., 145: „plane ridiculum“.



6.1.  Obrigkeitliche Kompetenzen in Kirchenangelegenheiten

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zeichnet sich dadurch aus, dass er sich bemüht, auch die Rolle des Kirchen­ volks zu berücksichtigen, und dass er die Pluralität zumindest der reformierten Kirchenverfassungsentwürfe berücksichtigt. Seine Argumentation bezieht sich vornehmlich auf die Bibel, insbesondere auf das Beispiel der vorbildlichen alt­ testamentlichen Könige und die Geschichte der christlichen Kaiser als Rechts­ quelle. Dabei versucht er jedoch auch, die Kompetenzen der Obrigkeit zu be­ grenzen. So äußert er einerseits die Vorstellung, dass Gott selbst außerhalb der üblichen Rechtsordnung Menschen beruft, die gegen kirchliche und weltliche Obrigkeit Verantwortung für die Kirche und ihre Lehre übernehmen, anderer­ seits entwirft er das Modell, dass geistliche Leitungsbehörden im Konsens mit der Obrigkeit (und dem Kirchenvolk), aber mit unterschiedlichem Anteil an der Führung der Kirche und somit der Sendung der Pfarrer teilnehmen. Hierbei zeigt sich das Problem der Konzeption Tossanus’: Weder auf die in­ nere Aufteilung und nähere Bestimmung dieser Anteile noch auf Regelungen für mögliche Konfliktfälle geht der Heidelberger Theologe ein. Sein Anliegen ist nicht der Entwurf einer konkret umsetzbaren Kirchenordnung, sondern die Formulierung des Ideals evangelischer Kirchenleitung im christlichen Gemein­ wesen.

6.1.5.  Die Unterscheidung innerer und äußerer Kirchengewalt bei David Pareus Seine Position zur Kompetenz weltlicher Obrigkeit in Religionsangelegenheiten entwickelte David Pareus erstmals im Rahmen seines 1605 erschienenen HoseaKommentars.78 Die Vorrede mit dem Titel De iure Principis circa Ecclesiastica ist dem Landgrafen Moritz („der Gelehrte“) von Hessen-Kassel (1572–1632) gewidmet. Die Themenwahl kommt nicht von ungefähr, der Landgraf hatte soeben damit begonnen, nicht nur in dem von seinem Vater Wilhelm ererbten Kasseler Territorium, sondern auch in seinen neuerworbenen, lutherisch geprägten Gebieten seines Hessen-Marburger Erbteils mit der Einführung von „Verbesserungspunkten“ die reformierte Konfessionalisierung voranzutreiben.79 Der Heidelberger Theologe ist für diese Entscheidung des Landgrafen, die er gegen viele Widerstände in der Bevölkerung und seines lutherischen Vetters in Darmstadt durchsetzen musste, voll des Lobes: „Jetzt sehe ich dich gerüstet gegenüber der benachbarten Bande der Jesuiten, und der Vielzahl derer, die dich, der du von göttlichem Eifer beseelt in deinen Kirchen – ich sage in Gottes Kirchen – unter deiner Herrschaft und Fürsorge die ursprüngliche Form der Lehre über Christus wiedereingesetzt hast, die Kirchen von Götzen bereinigt, das apostolische Brotbrechen nach der Auslöschung der vormaligen scheußlichen Eucharistie des Anti­ 78  Strohm, Kompetenz weltlicher Obrigkeit, 71. 79 Vgl. Kemler, Verbesserungspunkte; Menk, Konfessionspolitik, 95–100.

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christen wiederhergestellt hast, unwürdig behandeln. Sei wahrhaft gepriesen, göttlicher Held, treibe das Werk Gottes, wie du es tust, beherzt voran.“80

Die Maßnahmen des von Pareus als „göttlichen Helden“ hymnisch überhöhten Landgrafen richteten sich vornehmlich gegen die lutherische Religionsausübung im Marburger Erbteil und umfassten das von Pareus angesprochene Brechen des Abendmahlsbrots und die Beseitigung vermeintlicher Restbestände des Katholizismus wie des kirchlichen Bilderschmucks. Das auch aus persönlichen religiösen Motiven vorangetriebene Vorgehen des Landgrafen81 stellte in ju­ ristischer Sicht jedoch ein Problem dar. Zum einen war die sogenannte „Zweite Reformation“, die eine reformierte Konfessionalisierung vorantrieb, nach Ansicht vieler Lutheraner und Katholiken nicht durch das ius reformandi des Augsburger Religionsfriedens gedeckt, welcher explizit die Confessio Augustana vorsah, und genoss vor dem Westfälischen Frieden nur einen von der Kurpfalz auf dem Reichstag von 1566 erstrittenen prekären juristischen Schutz. Zum anderen verstießen die „Verbesserungspunkte“ nach Auffassung des lutherischen Landgrafen Ludwig V. von Hessen-Darmstadt und seiner Juristen gegen das Testament Landgraf Ludwigs IV. von Hessen-Marburg, der explizit die Ein­ haltung des Augsburger Bekenntnisses als Bedingung des Erbes seiner beiden Neffen vorgeschrieben hatte. Schließlich waren derartigen Maßnahmen auch durch den drohenden Widerstand in der lutherischen Bevölkerung Hinder­ nisse gesetzt, wie sich eindrücklich an dem gescheiterten Reformationsversuch Kurfürst Johann Sigismund in Brandenburg 1613 zeigen sollte. Der Verweis auf die „benachbarte Sekte der Jesuiten“, womit Pareus wohl be­ sonders auf das Mainzer Kolleg anspielen dürfte, wird beim Landgrafen nicht auf taube Ohren gefallen sein. Sein 1599 in Kassel gegründetes Gymnasium illustre war als Reaktion auf die angesehenen Jesuitenkollegs angelegt worden.82 Zwischen dem Mainzer Erzbischof und Moritz kam es bei der Durchführung seiner Verbesserungspunkte zu einem verstärkten Konflikt. Schon zuvor kam es zwischen den benachbarten Landesherren zu Reibereien nach Rekatholisie­ rungsmaßnahmen in der Mainzer Exklave Fritzlar und dem Eichsfeld.83 1605 wurden die kurmainzischen Dörfer im Amöneburger Becken nahe Marburg, in denen der Hessische Landgraf die kirchlichen Patronatsrechte hielt, zum Hauptstreitpunkt.84 Moritz hatte, um einer befürchteten Rekatholisierung zuvorzukommen, damit begonnen, auch in den lutherischen Gemeinden im 80  Pareus, Hoseas Propheta, fol. *2v: „Nunc tibi paratam video à vicinâ Jesuitarum sectâ, multisque eorum, qui Te divino afflatum zelo Ecclesiis tuis, DEI inquam, Tua sub ditione & curâ, pristinam doctrinae formam de CHRISTO instaurare, templa ab idolis repurgare, Apostolicam panis fractionem, Antichristi scelere è S. Eucharistia jam pridem exterminatam postliminio restituere, indigniùs ferunt. Macte verò; Heros divine, age opus Domini, quod agis, fidenter“. 81  Zu den Motiven Moritz’ vgl. auch Menk, Konfessionspolitik, 102–131. 82  Kemler, Verbesserungspunkte, 75. 83  Ebd., 6 f.; Menk, Konfessionspolitik, 10 f. 84 Vgl. Menk, Konfessionspolitik, 119–131.



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Amöneburger Becken gegen den Widerstand der lutherischen Bevölkerung die Verbesserungspunkte durchzusetzen. Dieser Konflikt führte zu einem die folgenden Jahre andauernden Rechtsstreit zwischen Landgraf Moritz und Erz­ bischof Johann Schweikhard von Kronberg um die Rechtmäßigkeit dieser Maß­ nahmen, der schließlich sogar dem Reichshofrat vorlag. Pareus konnte also ein großes Interesse seines Widmungsempfängers an einer Abhandlung über die Kompetenzen weltlicher Obrigkeit in Religionsangelegenheiten erwarten. Auch wenn Pareus mit dem Hoseakommentar ein exegetisches Werk verfasst hat, lässt es sich durchaus der Kontroversliteratur zurechnen. Dem Untertitel zu­ folge richtet sich das Werk auch gegen die Anwürfe eines „Moguntini cuiusdam Jesuitastri“, womit der Jesuitenprofessor Johannes Spitznaes, genannt Mulhusi­ nus gemeint ist. Dieser hatte mit zwei Schriften eine Kontroverse mit Pareus um die Schriftautorität eröffnet, in der der Heidelberger in einem weiteren Vorwort des Hoseakommentars seinem Gegner antwortet.85 Dementsprechend beginnt er seine Erörterung für den Landgrafen mit den möglichen Einwänden der ka­ tholischen Gegner: „Betreibst du wahrlich irgendeine solche Sache, Fürst Moritz? Ein weltlicher Fürst wird die Kirche reformieren? Wird nicht der Laie vom Priester, das Schaf vom Hirten gerichtet? Ist nicht die kirchliche Rechtsprechung, wie das Urteilen über den Glauben, Bischöfe er­ nennen, absetzen und Angelegenheiten der Geistlichkeit untersuchen von vornherein von der Gewalt der Laien getrennt? Welcher Kaiser hat sich dies jemals herausgenommen? Hat die Kirche jemals geurteilt, dies den Kaisern zuzugestehen?“86

David Pareus kündigt mit diesem Einstieg in die Abhandlung an, auf welchen Ebenen er seine Argumentation führen wird. Während die ersten Fragen theo­ logischer Natur sind, stellt er sich auch Fragen, die die Geschichte als Rechts­ quelle betreffen. Stärker noch als sein Vorgänger Tossanus sammelt er auf komprimiertem Raum biblische und historische Beispiele und belegt diese aus­ giebig mit Stellenangaben in Marginalglossen, die einen beachtlichen optischen Eindruck erzeugen. Pareus verweist auf Bibelstellen, neben den Geschichts­ werken besonders das Königsgesetz Dtn 17 und Röm 13, auf verschiedene Kirchenväter, auf das römische Recht, auf historische Werke zur spätantiken Kaisergeschichte sowie auf Aristoteles, dem er Grundbegriffe zur politischen Theorie entlehnt. Interessant ist, wie Pareus Robert Bellarmin als den bedeutendsten katho­ lischen Kontroversisten in der Vorrede heranzieht. In einer Marginalglosse belegt er seine Aussage, „die Gesetze der Religion zu schützen, gehört zur Pflicht 85  Vgl. Kap. 4.1.2. 86  Pareus, Hoseas Propheta, fol. *2r: „Ecquam rem verò agis, Princeps MAURITI? Princeps secularis Ecclesiam reformabit? Laicus de sacerdotibus? Ovis de pastoribus judicabit? Iurisdic­ tio Ecclesiastica, ut de fide judicare, Episcopos designare, deponere, clericorum causas cognos­ cere, nunquid toto genere à laica potestate est separata? Quis Imperatorum unquam sibi sumsit? Imperatoribus concedendam Ecclesia unquam judicavit?“

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des Fürsten“,87 mit einer entsprechenden Stelle aus den Kontroversien des Kardi­ nals, ohne dies weiter zu kommentieren. Auch an anderer Stelle verweist Pareus in einer Glosse als Beleg auf den Jesuiten, gegen den er einen Großteil seiner Streitschriften gerichtet hat. Er argumentiert gegen Fürsten, die „keinerlei Sorge für die Religion auf sich nehmen wollen. Auch darin haben wir keine Gegner, die dies in Abrede stellen. Deshalb hat der Fürst irgendeine Sorge um die Re­ ligion, die Kirche und die Kirchensachen herum (circa religionem, Ecclesiam, & Ecclesiastica curam). Ich ergänze: eine besondere“.88 Pareus unterschlägt bewusst die Passagen der Ausführungen Bellarmins, die die Kompetenzen der weltlichen Obrigkeit, wie sie bei den Protestanten praktiziert werden, explizit verurteilen. Er will hier einerseits klarstellen, dass er seine Gegner damit übertrifft, indem er der weltlichen Obrigkeit eine besondere Sorge für Kirchensachen zuspricht, andererseits folgt die affirmative Zitation Bellarmins einer von vielen Kontro­ verspublizisten dieser Zeit verfolgten Strategie. Auf diese Weise möchte Pareus seine Position für seine katholischen Gegner schwerer angreifbar machen, indem er seine Position als im Grundsatz auch von einer Autorität der Gegen­ seite vertreten darstellt. Außerdem will er mit dieser Strategie das Lager seiner Gegner als gespalten und in ihrer Haltung inkonsequent darstellen. Dazu führt er den irrtümlich als Jesuiten vorgestellten Thomas Stapleton ein und belegt dies mit einer Stelle aus dessen Werk: „Wer sagt, dass die Fürsten Gott keine Rechen­ schaft schuldig sind? Der Jesuit Stapleton.“89 Man mag an dieser Stelle dem Heidelberger Theologen vorwerfen können, dass er Stapleton sinnverzerrend heranzieht, allerdings tritt an dieser Stelle die Absicht Pareus’ klar hervor, die Kompetenzen der weltlichen Obrigkeit in Religionsangelegenheiten gegen kon­ troverstheologische Angriffe der Katholiken zu verteidigen. Eine klare Begrifflichkeit für die obrigkeitlichen Kompetenzen verwendet Pareus nicht. Im Titel spricht er vom ius circa Ecclesiastica, an anderer Stelle von der potestas circa Ecclesiastica90 oder auch von der cura circa bonum spirituale.91 Eine wesensmäßige Unterscheidung zwischen der Kompetenz des Fürsten in zivilen oder kirchlichen Dingen nimmt Pareus nicht vor. Die gesetzgebende Gewalt der Obrigkeit richte sich „tam circa civilia quàm circa Ecclesiastica“.92 Beschränkungen der Kompetenzen formuliert Pareus konkret in Bezug auf die 87 Ebd., fol. **r; „Leges Religionis tueri ad Principis pertinet officium“. Marginalglosse: „Bell. lib. 3. de laic. cap.18“; vgl. Bellarmin, Controversia, V,3,18. 88  Pareus, Hoseas Propheta, fol. *4r: „(…) religionis curam nullam suscipere volunt. Nec in hoc adversarios diffitentes habemus. Aliquam igitur circa religionem, Ecclesiam, & Ecclesiastica curam Princeps habebit: addo ego PRAECIPUAM.“ Marginalglosse nach „hoc“: „Bell. libro de laic. cap. 18.“; vgl. Bellarmin, Controversia, V,3,18. 89  Pareus, Hoseas Propheta, fol. **3r: „Principes rationem non reddituros Deo quis dixit? Stapletonus Jesuita.“ Marginalglosse: „Stapl. Relect. pag. 260.“ Vgl. Stapleton, Principiorum fidei, 260. 90 Vgl. Pareus, Hoseas Propheta, fol. *4r. 91  Vgl. ebd., fol. **r. 92  Ebd., fol. *4r; Übers.: „so um das Bürgerliche, wie um das Kirchliche herum“.



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Rechtgläubigkeit des Fürsten und seine Gebundenheit als Wächter beider Tafeln der Zehn Gebote an das göttliche Gesetz.93 Zudem formuliert er mögliche Ein­ wände seiner Gegner, die er als Missverständnisse seiner Position abtut: „Predigt etwa der Fürst? Verwaltet er die Sakramente? Können denn etwa die Fürsten über das Wort Gottes und seinen Sinn unfehlbar urteilen? Ist den Fürsten der Geist der Wahrheit und Unfehlbarkeit versprochen oder sind sie etwa wahre Bischöfe der Kirchen­ lehrer?“94

Diese Fragen zeugten zum einen von einem falschen Verständnis der Kir­ chenleitung und ihrer Eigenschaften. Pareus stellt sich hier klar gegen die Über­ höhung menschlicher Autorität und will nur die Schrift als unfehlbaren Richter betrachtet wissen. Knapp statuiert er: „Die Fürsten haben keine unfehlbare Urteilsgewalt über den Glauben. Wenn doch nur die [katholischen] Bischöfe etwas weniger Fehlbares hätten.“95 Die Grenzen der Kompetenzen weltlicher Obrigkeit definiert er nicht klar. Als historisches Beispiel verweist er jedoch auf Kaiser Konstantin, der Euseb von Caesarea zufolge auf der Synode von Nicäa zu den versammelten Bischöfen den Ausspruch getätigt haben soll: „Ihr seid Bi­ schöfe innerhalb der Kirche, ich bin wahrlich von Gott aus Bischof außerhalb der Kirche oder des Tempels“.96 Im Einberufen und Organisieren einer Synode, in der Theologen entscheiden, sieht Pareus eine wichtige Funktion der christlichen Obrigkeit, wie er auch im Vorfeld der Nationalsynode von Dordrecht deutlich macht.97 In diesem Gegensatzpaar intra/extra Ecclesiam ist bereits eine begriff­ liche Unterscheidung angelegt, die Pareus in dieser Vorrede jedoch noch nicht weiter ausführt. Auch der drei Jahre später erschienene Römerbriefkommentar David Pareus’ ist ein exegetisches Werk, das sich als Kontroversliteratur begreifen lässt. Bereits im Untertitel des Werks kündigt er an, die kontroversen Fragen der Auslegung darzustellen und „die alte Glaubenslehre der Römer gegen die Meinungen der gegenwärtigen Romanisten, besonders die Spitzfindigkeiten des Jesuiten Robert Bellarmin und die Antidota Thomas Stapletons“98 sowie gegen andere Häretiker darzustellen und zu verteidigen. Pareus bezieht sich hier auf die Kontroversien 93  Vgl. ebd., fol. *3r. 94 Ebd., fol. *2r–v : „Num Princeps praedicabit? sacramenta administrabit? (…) Tum Principes de verbo Dei ejusque sensu possuntne infallibiliter judicare? Principibus Promissus est Spititus veritatis & infallibilitatis, an verò Episcopis Ecclesiae Magistris?“ 95 Ebd., fol. **3r: „Judicium infallibilium de fide non habent Principes: utinam minus fallibile haberent Episcopi.“ 96  Vgl. ebd., fol. **2v : „Vos Episcopi estis intra Ecclesiam, ego vero extra ecclesiam seu tem­ plum a Deo Episcopus sum.“ 97  Pareus, Oratio De Synodo, 27–29. 98  Pareus, Ad Romanos, Titelseite: „antiqua Romanorum fides aduersus nunc-Romanista­ rum opiniones, praecipuè ROBERTI BELLARMINI Iesuitae argutias, & THOMAE STAPLETONI Antidota“. Unter Romanistae versteht Pareus „Romhörige“. Vgl. zur Begriffsverwendung Luthers De Captivitate Babylonica Ecclesiae praeludium.

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Robert Bellarmins und Stapletons 1595 erschienenen kontroverstheologischen Römerbriefkommentar in seiner Reihe Antidota Apostolica Contra Nostri Temporis Haereses. Stapletons Anliegen ist eine katholische Exegese wichtiger Schriften des Neuen Testaments als „Gegengift“ zu den Reformatoren. Da Stapleton darin das 13. Kapitel des Römerbriefs nur streift, zieht Pareus zu­ sätzlich dessen Principiorum fidei doctrinalium relectio scholastica heran. Neben der in der Auslegung von Röm 13 entwickelten Lehre von der Obrigkeit und ihren Kompetenzen in Religionsangelegenheiten verteidigt Pareus auch andere Positionen der protestantischen Paulusexegese, vor allem die im Römerbrief wichtige Rechtfertigungslehre. Die Bedeutung der konfessionellen Konkurrenz für die Abfassung des Römerbriefkommentars Pareus’ zeigt sich auch in dessen Aufbau. Nach einer äußerst knappen Exegese am Text im Homiliestil legt Pareus den Brief an­ hand von insgesamt 179 dubia  – kontroversen Fragen zum Verständnis des Bibeltexts  – aus. In der Auslegung des 13. Kapitels nimmt das fünfte dubium „De potestate magistratus ciuilis circa religionem, an sit aliqua, & qualis?“, in dem unter Bezug auf Röm 13,4a („Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut“) die obrigkeitlichen Kompetenzen besprochen werden, den größten Raum ein. In der schematisch durchgeführten Dubiorum Explicatio setzt der Heidelberger Theologe mit einer Vorstellung der nummerierten Argumente seiner namentlich genannten katholischen Gegner ein. Anschließend folgt eine nummerierte Folge von Gegenargumenten, gegliedert in Vorannahmen (praecognita) und Darlegungen (propositiones). Abschließend widerlegt er die zuvor genannten Argumente seiner Gegner in ausführlichen responsiones. Dieses im weiteren Wortsinn durchaus als scholastisch zu bezeichnende Vorgehen scheint Pareus von seinen katholischen Gegenspielern übernommen zu haben, die in den Kontroversschriften mit einem ähnlichen Schema die vorgestellten Sententiae Haereticorum widerlegen. In der allgemeinen Begründung obrigkeitlicher Kompetenzen argumentiert Pareus wie schon in seiner Vorrede zum Hoseakommentar sehr ähnlich wie sein Vorgänger, dessen Kontroverse mit Thyraeus er – damals bereits Lehrer am Hei­ delberger Sapienzkolleg – sicherlich verfolgt haben wird. Wie schon Tossanus und vor ihm bereits Pareus’ Lehrer Zacharias Ursinus99 bemüht er das Vorbild der alttestamentlichen Könige, insbesondere Josias, dessen Vorgehen zur Durch­ setzung der Kultreinheit sich gut als Analogie zu reformierten Maßnahmen etwa gegen die Bilder in der Kirche eignet. Zudem zieht auch Pareus das römische Recht und die Geschichte der Kaiser als Rechtsquelle heran.100 Aristotelische Terminologie aufnehmend spricht Pareus der von Gott gege­ benen weltlichen Obrigkeit eine umfassende ordnende Macht zu, die Potestas 99  Vgl. zur Verwendung Josias und Hiskias bei Ursinus Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 191. 100  Strohm, Kompetenz weltlicher Obrigkeit, 7 f.; Heckel, Staat und Kirche, 138.



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Architectonica seu νομοθετικη. Diese umfasse die Gewalt und die Verantwortung zur Regelung sowohl zum leiblichen als auch zum geistlichen Wohl (bonum spi­ rituale) des Gemeinwesens.101 Seine Vollendung finde diese Gewalt daher nur in einem rechtgläubigen christlichen Fürsten, da nur diesem das Wissen über die Bedingungen des bonum spirituale offenstehe. Das Proprium der Konzeption David Pareus liegt jedoch in seinem Versuch, die Grenzen der obrigkeitlichen Rechte in Religionsdingen aufzuzeigen und auch begrifflich zu bestimmen. Hierfür greift er das bereits in der Vorrede an Landgraf Moritz angeführte Beispiel Kaiser Konstantins auf: „Der Gegner fragt, ob in einem laikalen Herrscher kirchliche Gewalt sein kann? Ant­ wort: Man kann von einer Kirchengewalt im doppelten Sinn sprechen, eigentlich und uneigentlich oder innerlich und äußerlich. Diese Unterscheidung lässt sich aus einem bemerkenswerten Ausspruch Konstantins des Großen an die Bischöfe entnehmen: ‚Ihr seid die Bischöfe in der Kirche, ich bin von Gott außerhalb der Kirche oder des Tempels zum Bischof eingesetzt worden.‘ (Eusebius, Vita Constantini, IV,24). Danach ist die ei­ gentliche oder innere, die von Kirchenleuten kirchlich in der Kirche ausgeübt wird, zu lehren, zu lösen, zu binden, die Sakramente zu verwalten etc. dem laikalen Fürsten nicht zuzugestehen […]. Danach ist die uneigentliche oder äußere Kirchengewalt die [altgr.:] gesetzgeberische Gewalt um die Kirchensachen und Kirchenpersonen, weltlich außerhalb des Tempels.“102

Diese Begrifflichkeit der äußeren Kirchengewalt, von Pareus auch „potestas Regia circa Ecclesiastica“103 genannt, entwickelt der Heidelberger in der Widerlegung seines Gegners Thomas Stapleton. Sie ist in seiner kontroverstheologischen Ar­ gumentation von zentraler Bedeutung.104 Die Abgrenzung innerer und äußerer Kirchenherrschaft ist eine Folge der konfessionellen Auseinandersetzung und zielt darauf ab, dem katholischen Argument zu entgegnen, die Religionsange­ legenheiten seien bei den Protestanten der Willkür der weltlichen Obrigkeiten überlassen. Während Pareus grundsätzlich an den hergebrachten Formeln der cura religionis105 und der custodia utriusque tabulae106 festhält und als Pflicht und Recht der christlichen Obrigkeit hervorhebt, beschränkt er diese Gewalt als eine „uneigentliche“ Gewalt über die Religionsangelegenheiten. 101  Pareus, Ad Romanos, 1395. 102 Ebd., 1424: „Quaerit aduersarius, an in Principe laico sit potestas Ecclesiastica? RESP. Potestas Ecclesiastica dupliciter dicitur, propriè vel impropriè, seu interna & externa: quae distinctio ex memorabili dicto Constantini M. ad episcopos petitur: Vos estis Episcopi in Ecclesia: Ego extra Ecclesiam seu templum episcopus à Deo sum constitutus: Eusebius lib. 4. cap. 24. de vit. Const. Propriè dicta seu interna, quae ab Ecclesiasticis Ecclesiasticè in Ecclesia exercetur docendo, soluendo, ligando, administrando sacramenta &c. in Principe laico non esse conceditur, (…). Impropriè dicta seu externa potestas Ecclesiastica est potestas νομοθετικὴ, quae circa Ecclesiasticas res & personas extra templum ciuiliter (…).“ 103  Ebd., 1397; Übers.: „Herrschaftliche Gewalt um das Kirchliche herum.“ 104 Vgl. Strohm, Kompetenz weltlicher Obrigkeit, 72–76. 105  Pareus, Ad Romanos, 1400. 106  Ebd., 1396.

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Das Beispiel Kaiser Konstantins, dessen Bild von den Bischöfen innerhalb und außerhalb der Kirche für die neu eingeführte Begrifflichkeit Pareus’ Pate steht, illustriert auch das Geschichtsbild des Heidelberger Theologen von der Kirchenherrschaft, das er in der Folge näher ausführt. Pareus schildert, dass die spätantike Reichskirche durch die Kaiser, die durch die Einberufung von Sy­ noden und ihrer Gesetzgebung ihrer potestas Ecclesiastica externa nachkamen, die großen Konflikte und aufkommenden Häresien gut überstand. Erst als be­ ginnend mit Gregor dem Großen die Päpste die Macht illegitim an sich rissen, setzte der Niedergang des Christentums ein.107 Seine eigene Zeit deutet Pareus dementsprechend als Erneuerung des der Kirche zuträglichen „konstantinischen Zeitalters“. Die Grenzen der legitimen potestas Ecclesiastica externa der weltlichen Obrig­ keit sieht Pareus im Wesentlichen durch zwei Einschränkungen definiert. Zum ersten dürfe die Obrigkeit keine Verwirrung (confusio) in der Religion stiften, „sondern allein die wahre Religion schützen und verteidigen“.108 Diese Wortwahl erinnert stark an die von Bellarmin gewählte Formulierung, was sich Pareus ähnlich wie schon in der Vorrede an Landgraf Moritz nicht scheut, explizit anzuzeigen.109 Im Grunde stimme er mit dem Kardinal überein, diesem seien jedoch zwei entscheidende Fehler vorzuwerfen: Erstens verleumde Bellarmin zu Unrecht die Evangelischen, deren reformatorische Anliegen berechtigt und nicht als Verwirrung zu werten seien, zweitens fordere er eine Orientierung an der Lehrautorität des Papsts. Zum zweiten soll sich die christliche Obrigkeit auch von den „Bitten und dem Rat der Theologen“110 leiten lassen und die Grenzen ihres Amts in der Kirche nicht überschreiten. Dafür unterscheidet er zwischen drei Aufgabenbereichen in der Kirche, wobei der Obrigkeit nur Rechte im Dritten zukämen: „1. Die Glaubenslehre und die Verehrung Gottes: Dies wird nach dem Wortlaut des Gesetzes und des Evangeliums vorgeschrieben. Deshalb ist darin der Schiedsspruch des Fürsten nichts weiter als das eines Privatmanns. 2. Die allgemeine Einrichtung und Verwaltung der Kirche, dass es Bischöfe, Gelehrte, Pfarrer, Älteste und dererlei Ämter allgemein gibt. Dies ist auch vom Evangeliumswort festgesetzt (1 Tim 3,5). Also ist auch darin dem Fürsten es nicht erlaubt, etwas zu zun. 3. Die spezielle Einrichtung und Ver­ waltung der Kirche, dass dieser oder jener Bischof, Gelehrter etc. sein soll oder wieviele es geben soll. Dies ist der Sorge des Fürsten überlassen […]“111 107  Ebd., 142 f. 108  Ebd., 1400: „sed solam verum religionem tueri atque defendere“. 109  Ebd., 1401; vgl. Bellarmin, Controversia, V,3,18. 110  Pareus, Ad Romanos, 1397: „precibus & consilio Theologorum“. 111  Ebd., 1403: „1. Doctrinam fidei & cultus Dei: Haec expresso verbo legis & Euangelij praescribitur. Nihil igitur in hanc valet arbitrium Principis magis quàm priuati. 2. Oeconomiam Ecclesiasticam generalem: vt sint episcopi, doctores, pastores, presbyteri: & officia horum in generali. Haec etiam est verbo Euangelij definita, 1. Timoth. 3.5. Ergò neque in hanc aliquid sibi Princeps permittet. 3. Oeconomiam Ecclesiasticam specialem, vt hi vel illi, tot vel tot sint



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Diese Eingrenzung ist auch gegen die vor allem von Stapleton, aber auch von anderen katholischen Kontroversisten vorgebrachten Vorwürfe ausgerichtet, bei den Evangelischen seien die Fürsten Richter in Glaubensfragen. Während er hier als Beispiel für die „spezielle Einrichtung und Verwaltung der Kirche“ (Oeconomia ecclesiastica specialis), auf die sich die äußere Kirchengewalt der Obrigkeit bezieht, die Anzahl und Besetzung der Ämter verwendet, wird er in der Folge konkreter und nennt vier Aufgaben der Obrigkeit.112 Erstens soll sie zum geistlichen Wohl des Gemeinwesens die aus der Heiligen Schrift erkannte wahre Religion lieben und fördern. Sie soll dabei helfen, diese den Untertanen näher zu bringen und gegebenenfalls gegen falsche Ausübung vorgehen. Zweitens soll sie mit ihren Mitteln und nach ihren Möglichkeiten unterstützen, dass die Ausübung der wahren Religion nach den Vorgaben der Heiligen Schrift gewährleistet und mit Bekenntnis, Agende und Kirchenordnung gesichert wird. Sie soll drittens die geistlichen Kirchenbehörden einrichten und befähigen, die Berufung und Bestellung der Pfarrer und die Aufsicht über diese auszuüben. Viertens soll sie sich um den Betrieb der theologischen Ausbildungsstätten und Universitäten kümmern, um einen für die Seelsorge und die „religiösen Kon­ troversen“113 genügend gebildete Pfarrer bereitzustellen, da auf diesem Weg die übergeordnete Aufgabe des Erhalts der reinen Lehre und Religionsausübung gesichert werden kann. In seiner Dreiteilung der kirchlichen Aufgaben und der Unterscheidung innerer und äußerer Gewalt zeigt Pareus große Nähen zu der klassischen ka­ tholischen Unterteilung der potestas ecclesiastica. Auf Thomas von Aquin geht die grundlegende Unterscheidung der Kirchengewalt zwischen der potestas ordinis, der durch die Weihe unmittelbar von Gott verliehenen sakramentalen Amtsgewalt, und der potestas iurisdictionis zurück. Letztere wird erstmals bei Johannes Gerson in die potestas iurisdictionis in foro interiori, der innerlichen Gewissensbildung, und der Jurisdiktionsgewalt in foro exteriori geschieden.114 Als zwei-, beziehungsweise dreifache Form der Kirchengewalt ist dies in die katholische Lehre eingegangen und wird auch von Pareus Gegner Bellarmin dargestellt. Der Jesuit und Kardinal nennt drei Formen: „Eine ist die [Gewalt] des Amtes, die andere die der innerlichen Jurisdiktion und die dritte die der äußerlichen Jurisdiktion, die erste bezieht sich auf die Verwaltung der Sakramente und deren Durchführung, die andere auf die Lenkung des Christenvolks innerlich im Gewissen, die dritte auf die Lenkung desselben Volks äußerlich.“115 episcopi, doctores &c. Hanc cura est principis (…).“ Vgl. auch Strohm, Kompetenz weltlicher Obrigkeit, 7 f. 112  Pareus, Ad Romanos, 140 f. 113  Ebd., 1407: „controversias religionis“. 114 Vgl. Voigt-Goy, Potestates und ministerium publicum, 32–39.49–53. 115  Bellarmin, Controversia, III,4,22: „Unam ordinis, alteram iurisdictionis interioris, tertiam iurisdictionis exterioris: quarum prima refertur ad Sacramenta conficienda, & mini­

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Weder ist die potestas iurisdictionis exterioris mit Pareus’ potestas ecclesiastica externa deckungsgleich noch mit der Oeconomia ecclesiastica specialis der pareischen Dreiteilung. Zudem wird auch die äußerliche Jurisdiktionsgewalt nach katholischer Lehre nicht der weltlichen Obrigkeit zugesprochen, sondern liegt beim Bischof. Pareus greift jedoch Teile der katholischen Theoriebildung auf und systematisiert diese in neuer Verwendung unter entgegengesetzten Vorzeichen.116 Ähnlich verhält es sich mit dem parallelen Begriff der postestas Regia circa Ecclesiastica. Aegidius Romanus (1243–1316), dessen einflussreiche Theorie und Terminologie zur Kirchengewalt für die Bulle Unam Sanctam Papst Bonifatius’ VIII. von Bedeutung ist, führt die potestas regia als eine Gewalt ein, die sich von und durch die ihr übergeordnete potestas ecclesiastica ableitet.117 Pareus hatte Kenntnis von den mittelalterlichen Kontroversen zwischen dem Papst und den weltlichen Monarchen und der dabei entstandenen Literatur. Während er in seiner Abhandlung sonst ausschließlich von der Obrigkeit (magistratus) spricht, greift den Begriff der „königlichen“ Gewalt auf und spricht ihr entgegen der Aussageabsicht des Aegidius Romanus eine eingeschränkte Gewalt „circa Ecclesiastica“ zu. Im nachfolgenden dubium beschäftigt sich Pareus mit der Frage nach der Rolle der Obrigkeit in der Kirchenzucht, wobei er Röm 13,4c („Denn sie trägt das Schwert nicht umsonst“) zugrunde legt. Damit berührt er eine in der Kurpfalz bereits aufgekommene Streitfrage, die zwischen den Disziplinisten um Olevian und ihren Gegnern um Erastus ausgetragen wurde. Ähnlich wie sein Lehrer Ursinus vertritt Pareus eine vermittelnde Position, die im irenischen Geist das zwinglianische und das calvinische Erbe des Reformiertentums in dieser Frage zu verbinden sucht.118 Pareus entwickelt die Position, dass zunächst die Kirchen­ zucht an sich legitim ist und das Schwert, also die Richtgewalt, grundsätzlich bei der Obrigkeit liege, dieser allerdings nicht die Binde- und Lösegewalt zukomme, welche als Teil der potestas Ecclesiastica interna nicht zu ihren Rechten gehört.119 Diese Verbindung der irenischen Anliegen Pareus’ und seiner Position in der Frage nach den obrigkeitlichen Kompetenzen zeigt sich deutlich auch in einer weiteren Schrift. In seiner 1611 gehaltenen und 1616 gedruckten akademischen Rede zur Frage Utrum leges Magistratus obligent in conscientia? beschäftigt er sich mit der Rolle der Obrigkeit in der Kirchenzucht. Er kommt nicht daran vorbei, auf die Differenzen innerhalb des reformierten Lagers hinzuweisen, be­ tont allerdings die Notwendigkeit einer Einigung der „orthodoxen Theologen“: stranda, altera ad populum Christianum regendum in foro interiori, tertia ad eundem populum regendum in foro exteriori.“ 116  Zur Kenntnis Pareus der potestas iurisdictionis vgl. auch Pareus, Hoseas Propheta, fol. *2r. 117 Vgl. Krüger, Der Traktat „De Ecclesiastica Potestate“, 328–331. 118  Strohm, Kompetenz weltlicher Obrigkeit, 76–78. 119  Pareus, Ad Romanos, 1445–1455.



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„Was also? Besteht etwa ein Kampf zwischen den rechtgläubigen Theologen? Sollen wir etwa Calvin und Musculus aufeinanderhetzen? Oder Ursinus und Witacker? Vielmehr ist eine Versöhnung höchst gelegen.“120 Als Antrieb dieser Einigung nicht nur der Reformierten untereinander, son­ dern aller Evangelischen, fungiert für Pareus die Bedrohung durch das Papsttum und die Jesuiten.121 Von Pareus und anderen Vertretern der „Heidelberger Irenik“ wird der weltlichen Obrigkeit durchaus eine wichtige Rolle bei dieser Einigung zugeschrieben. Der Hofprediger Bartholomäus Pitiscus fordert etwa in seiner irenischen Programmschrift Trewhertzige Vermahnung der Pfältzischen Kirchen, die evangelischen Obrigkeiten sollten zum Zwecke einer Einigung in „freyen Mitteldingen“122 der Religion entscheiden. Mit der dargestellten Unterscheidung zwischen der potestas Ecclesiastica externa und interna lässt sich Pareus’ Konzeption als ein Vorbild für spätere Konzeptionen zur Begrenzung der obrigkeitlichen Kompetenzen in Religions­ angelegenheiten ansehen. Sein Hauptinteresse gilt der Verteidigung der in den meisten protestantischen Territorien praktizierten obrigkeitlichen Kompetenzen gegen die Polemik der katholischen Gegner. Seine „eigentliche Bedeutung“123 liegt jedoch in der Begrenzung dieser Rechte anhand seiner Unterscheidung äußerer und innerer Kirchengewalt. Die eingeführte Unterscheidung zielt in der konfessionellen Konkurrenzsituation darauf ab, den Vorwürfen der katho­ lischen Polemik zu begegnen. Anders als sein Vorgänger Tossanus benennt Pa­ reus die Aufgaben der weltlichen Obrigkeit klarer und weist der Unterscheidung einen wichtigeren Platz in seiner Theoriebildung zu. In seiner exegetischen und (rechts-)historischen Argumentation sind klare Kontinuitäten zwischen ihm und Daniel Tossanus erkennbar. Die vorausgegangene Kontroverse dürfte Pareus verfolgt haben. Aus heutiger Sicht erscheint Pareus’ Konzeption freilich wenig praktikabel. Die Unterscheidung der potestas Ecclesiastica externa und interna hat ihre größte Schwäche darin, dass die weltliche Obrigkeit von einer ihr durch die Hoheit über die Besetzung der Pfarrstellen und auch der geistlichen Leitungs­ gremien letztlich untergeordneten Instanz unterschieden wird. Zudem ist für Pareus, anders als für einige spätere staatskirchenrechtliche Theoriebildungen, die konfessionelle Koexistenz im Territorium undenkbar. Die Obrigkeit wird bei Pareus auf die der Heiligen Schrift zu entnehmende einzig wahre Religions­ ausübung verpflichtet. Seine erstmals von Johannes Heckel postulierte Stellung

120  Pareus, Utrum leges Magistratus obligent, 9 (vgl. auch ebd., 6): „Quid igitur? An pugna est inter orthodoxos Theologos? Commitemusne Calvinus cum Musculo? Vrsinum Witakero? Imo conciliatio in proclivi est.“ 121 Vgl. Strohm, Kompetenz weltlicher Obrigkeit, 78. 122  Pitiscus, Trewhertzige Vermahnung, 14; vgl. Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 19 f. 123  Heckel, Staat und Kirche, 137.

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als „Schöpfer des jüngeren Typs der Kirchengewalt“124 kann nur als eine stark gebrochene Rezeption verstanden werden. Ob dieser Titel jedoch allein Pareus zuzuerkennen ist, hängt von der Ein­ ordnung der Theoriebildung des Herborner Theologen Wilhelm Zepper (1550– 1607) ab.125 Wie Paul Münch betont, hatte dieser in seiner erstmals 1595 erschie­ nenen kirchenrechtlichen Schrift De Politia Ecclesiastica bereits vor Pareus eine vergleichbare Unterscheidung entwickelt.126 In kontroverser Zuspitzung gegen die Weltherrschaftsansprüche Papst Bonifatius’ VIII. formuliert Zepper, der vor allem von den Verhältnissen in seiner Nassauischen Heimat ausgeht,127 den Unterschied zwischen den Zuständigkeiten der Obrigkeit und der Geistlichen in der Kirche wie später Pareus mit den Begrifflichkeiten ‚innen‘ und ‚außen‘: „Die Obrigkeit beschäftigt sich mit der äußeren Disziplin in der Kirche und soweit sie ihr politisches Amt fast in der Kirche oder außerhalb ausübt, dass sie in ihr gerecht und legitim Ordnung und Wohlordnung und auch Dienste einrichtet, insofern sie sich auf die äußeren Zeichen der Gemeinschaft der Heiligen beziehen, was zu ihrer inneren För­ derung und Emporbringung erforderlich ist. Ebenfalls hebt sie äußerlichen Götzendienst, verderbliche Lehren, Gotteslästerung und Ärgernisse, die gegen die beiden Tafeln des Dekalogs verübt werden, auf.“128

In der Tat entwickelt der in seinen kirchenrechtlichen Anschauungen stark von Junius beeinflusste129 Zepper eine begrifflich sehr eng verwandte Unterschei­ dung schon vor David Pareus. In dieser Hinsicht lassen sich Zepper oder zuvor schon der Heidelberger Franciscus Junius zwar durchaus als Wegbereiter der Unterscheidung von iura in sacra und iura circa sacra ansehen.130 Anders als Junius und Zepper zog Pareus mit seiner Theoriebildung jedoch eine nach­ weisbar starke Rezeption auch über den reformierten Bereich hinaus nach sich. Das Urteil Johannes Heckels über die Bedeutung der pareischen Unterschei­ dung gründet sich auch auf ihrer Rezeption. Besonders der parallel zur Begriff­ lichkeit potestas Ecclesiastica externa eingeführte Terminus potestas circa eccle124  Heckel, Cura religionis, 56. 125  Justus Lipsius, der in der älteren Forschung aufgrund seiner Verwendung des Begriffs in sacra ius auch als Vorläufer der Unterscheidung genannt wurde, prägt zwar diesen Begriff, hat jedoch keine derartige Unterscheidung vor Augen. Vgl. Heckel, Cura religionis, 59; Güldner, Toleranz-Problem in den Niederlanden, 91–99 bes. 95. 126  Münch, Zucht und Ordnung, 196–207, bes. 206. 127 Ebd., 181–183; Zepper war neben seiner Tätigkeit in Herborn auch lange Jahre in Dillenburg tätig. 128  Zepper, De Politia Ecclesiastica, 78 f.: „Magistratus circa disciplinam in ecclesiâ exter­ nam versatur, adeoque politicum ferè in ecclesiâ vel externum exercet officium, ut justum in eâ & legitimum ordinem & εὐταξίαν, atque ministeria, quatenus externa communionis sanctorum signa, ad internam illam alendam & provehendam requiruntur, constituat: vicißim externam idolatriam, corruptelas doctrinae, blasphemias & scandala, contra priorem & posteriorem Decalogi tabulam commissa, tollat.“ 129  Sarx, Franciscus Junius, 284. 130 So Sarx, Franciscus Junius, 9 f.; Münch, Zucht und Ordnung, 170.206.



6.1.  Obrigkeitliche Kompetenzen in Kirchenangelegenheiten

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siastica habe auf die zeitgenössischen protestantischen Theologen und Juristen „wie eine Erleuchtung“ gewirkt und alsbald „Weltgeltung“131 erlangt. Wichtig für die bald einsetzende Rezeption bei evangelischen Juristen132 war ein Sonder­ druck der wichtigsten an Röm 13 entwickelten dubia zur Kompetenz weltlicher Obrigkeit und des Papstes, das dem exegetischen Kontext entnommen unter dem Titel Quaestiones controversae Theologicae. De Iure Regum Et Principum. Contra Papam Romanum, Magnum Illum Anti-Christum 1612 publiziert wurde.133 Der Erörterung Pareus’ war eine Widmung des Amberger Druckers an König James I. von England beigegeben, die die Thematik in die inzwischen aufgekommene Kontroverse zwischen jesuitischen Kontroverstheologen, darunter der Mainzer Martin Becanus, und anglikanischen Theologen um den Oath of Allegiance in England einordnet.134 Die Rezeption erfolgte besonders bei evangelischen Juristen, die sich mit der entstehenden Reichspublizistik beschäftigten. Ihnen ist mit Pareus besonders die scharfe Ablehnung päpstlicher Macht und eine Opposition gegenüber je­ suitischen Publizisten gemein.135 Auch in der Wahl historischer Beispiele und teilweise auch in dem Verweis auf alttestamentliche Könige als Vorbilder136 kommen sie der Argumentation des Heidelberger Theologen nahe. Zu den wichtigsten Juristen, die Pareus’ Unterscheidung und Begrifflichkeit rezipieren, gehören der sächsische Rechtsgelehrte Benedikt Carpzov d. J. (1595–1666), der unter Namensnennung Pareus’ sowohl den Begriff „potestatem circa ecclesiastica Regiam“, als auch die Unterscheidung innerer und äußerer Kirchengewalt über­ nimmt,137 und der für die Entwicklung des öffentlichen Rechts wichtige Dietrich (Theodorus) Reinkingk (1590–1664).138 Die Rezeption der Theoriebildung David Pareus’ wurde auch von seinem Sohn Johann Philipp vorangetrieben, der ein Jahrzehnt nach dem Tod seines Vaters eine Zusammenstellung dessen politischer Thesen De Potestate Ecclesiastica Et Civili mitsamt einer Verteidigung seines Vaters für dessen in England inzwischen verurteilte Widerstandslehre einer untergeordneten Obrigkeit publizierte.139 Da Pareus als einer der wichtigsten reformierten Theologen seiner Zeit galt, gelangten vor allem seine exegetischen Schriften, allen voran sein Römerbrief­ kommentar, über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus. Einige seiner 131  Heckel, Cura religionis, 73 (beide Zitate). 132 Vgl. Heckel, Staat und Kirche, 136. 133  Strohm, Kompetenz weltlicher Obrigkeit, 72. 134  Pareus, Quaestiones controversae, fol. )(2r – )(8r. S. u. Kap. 6.2. 135  Vgl. auch Strohm, Calvinismus und Recht, bes. 439–460. 136  So etwa Otto, Dissertatio de jure publico, c. XXIV, S. 736. Otto verwendet in dieser 1617 gedruckten Dissertation die Terminologie Pareus’, auf den er namentlich verweist. 137  Carpzov, Jurisprudentia Ecclesiastica, I, 1, f.; ebd., I,2,13. 138  Reinkingk, Tractatus de regimine, III,1,1,1,9; vgl. auch Reinkingk, Conclusiones CCXC, wo er auf Pareus’ verweist. 139  Pareus, De Potestate Ecclesiastica … Vindicatio, bes. 291–378.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

Schriften sind zeitnah sogar außerhalb Europas in New England nachweisbar.140 Besonders wichtig für seine Rezeption waren die konfessionell und politisch eng mit der Kurpfalz verbundenen Niederlande, wo seine staatskirchenrecht­ liche Theoriebildung großen Einfluss erlangte.141 Hier war es besonders Hugo Grotius, der die von Pareus geprägte Unterscheidung aufnahm, welche „von seinem Ruhm getragen“142 sich ausbreitete. Grotius, der mit kurpfälzischen Gelehrten im Briefwechsel stand, bezog sich in seiner 1614–17 abgefassten Schrift De imperio summarum potestatem circa sacra sowohl auf die Vorrede des Heidelbergers an Landgraf Moritz, als auch auf dessen Römerbriefkom­ mentar.143 Grotius beabsichtigte im Kontext der niederländischen Kontroverse zwischen Arminianern und Gomaristen, der weltlichen Obrigkeit Handhabe zur Schlichtung zu geben.144 In einem Brief an den Heidelberger Gelehrten Georg Michael Lingelsheim schildert Grotius seine Vorstellung der potestas circa sacra und nennt Pareus ex­ plizit als wichtigen Bezugspunkt.145 Über Lingelsheim erhielt Pareus schließlich ein Exemplar der Schrift Grotius’. Das Urteil des Heidelbergers, der das Werk aus Zeitgründen nach eigenen Angaben nur oberflächlich gelesen hatte, fiel ver­ hältnismäßig ungünstig aus. Grotius habe im Wesentlichen das gleiche wie er selbst vorgebracht, „aber er hat [es] um ein scholastisches Geflecht und über­ haupt zuweilen um die Sorge für die Lehre und das Leben der Kirchdiener und die kirchliche Wirtschaft [oder: innere Ämterstruktur (im Sinne der oeconomia generalis nach Pareus)] ausgeweitet.“146 Bereits als einen interkonfessionellen Transfer der Theoriebildung Pareus’ muss man dessen Rezeption bei deutschen Lutheranern ansehen. Schlüsselfigur dieses Transfers war der lutherische Theologe Johann Gerhard (1582–1637), der für die weiteren staatskirchenrechtlichen Theorien lutherischer Juristen und Theologen von entscheidendem Einfluss war.147 Gerhard, in den Worten Johannes Heckels der „Herold des Begriffs [i. e. des ius circa sacra], aber nicht sein Vater“,148 zog Pareus’ Unterscheidung heran und vermittelte sie mit Hilfe 140  Jantz, German Thought and Literature, 5.12. 141  Bohatec, Das Territorial- und Kollegialsystem, 35–48. 142  Heckel, Cura religionis, 74. 143  Strohm, Kompetenz weltlicher Obrigkeit, 79–83. 144 Vgl. Mühlegger, Hugo Grotius, 219–225. 145  Grotius an Lingelsheim, 17.6.1617, in: Grotius, Briefwisseling, ed. Molhuysen, 570. 146  Pareus an Lingelsheim, 6.8.1617, in: Grotius, De imperio (ed. van Dam). Appendix, 95 f.: „sed filo scholastico et generatim, quatenus sese ad doctrinae vitaeque ministrorum et oeconomia ecclesiasticae curam extendat.“ Neben Pareus sind auch Thomas Erastus, die Kon­ troverse um den Oath of Allegiance James’ I. und auch die katholischen Theologen der spa­ nischen Spätscholastik als Einflüsse auf Grotius’ Theoriebildung zu berücksichtigen. 147 Vgl. Schneider, Ius reformandi, 174–179. 148  Heckel, Cura religionis, 53.



6.1.  Obrigkeitliche Kompetenzen in Kirchenangelegenheiten

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seiner breit rezipierten „Drei-Stände-Lehre“.149 Vergleichbar mit der pareischen Differenzierung von äußerer und innerer Kirchengewalt werden hier die Auf­ gaben des Lehr- und des Wehrstands abgegrenzt und um den Einbezug des Kirchenvolks als Nährstand ergänzt. Doch auch bei Autoren des rationalen Territorialismus, die die „Drei-Stände-Lehre“ ablehnten, fand die begriffliche Unterscheidung des Pareus zwischen potestas ecclesiastica externa und interna Verwendung.150 Ohne direkte Bezugnahme auf Pareus und stark gebrochen erfolgte im 18. Jahrhundert eine Rezeption der Unterscheidung und der mittlerweile etab­ lierten Begrifflichkeit des ius circa sacra im katholischen Bereich. Besonders im Josephinismus werden die Kompetenzen weltlicher Obrigkeit in besonderer Weise betont und sehr weit gehend auch auf Reform- und Disziplinarfragen bezogen, wobei die Begrifflichkeit auch zur Abgrenzung von innerkirchlichen Leitungsrechten dient.151 Dabei verwendeten Kanonisten wie Paul Joseph Riegger (1705–1775) und Joseph Johann Nepomuk Pehem (1740–1795) den im protestantischen Bereich geprägten Begriff des ius circa sacra.152

6.1.6. Mainzer Positionen zu Staat und Kirche im frühen 17. Jahrhundert Anders als in der Kontroverse zwischen Tossanus und Thyraeus reagierten die Mainzer Jesuiten auf die Schriften Pareus’ nicht mit offenen Entgegnungen. Diese Zurückhaltung war ihnen wohl direkt aus der Ordenszentrale auferlegt worden. Den breit rezipierten Separatdruck der Exegese zu Röm 13 sandte Martin Becanus 1613 nach Rom. Es handelt sich hierbei um ein ungewöhnliches Vorgehen, offenbar erschien den Mainzern die Angelegenheit aufgrund der po­ litischen Implikationen äußerst heikel. General Acquaviva instruierte Becanus daraufhin persönlich, dass das Buch nicht widerlegt werden solle.153 Eine nähere Begründung gibt Acquaviva der Instruktion nicht bei, jedoch dürfte dazu beige­ tragen haben, dass Becanus zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner unglücklichen Verwicklung in die Kontroverse um den Oath of Allegiance in Rom als Problem­ fall in politisch heiklen Fällen angesehen wurde (s. u.). Es gab auch auf katholischer Seite schon vor dem Josephinismus Theorie­ bildungen und Praktiken, die den Kompetenzen der weltlichen Obrigkeit in 149  Ebd., 50–53; Heckel, Staat und Kirche, 15 f.; Strohm, Religion, Politik und Toleranz, 45–47. Gerhard verwendete dafür die pareische Terminologie der potestas ecclesiastica interna und externa. Vgl. Gerhard, Loci Theologici, loc. XXIV, §178. 150  Schlaich, Der rationale Territorialismus, 22 f. 151  Sissulak, Das Christentum des Josefinismus, bes. 86; Plöchl, Geschichte des Kir­ chenrechts, III.1,5 f. 152 Vgl. Riegger, Institutionem Jurisprudentiae, I, bes. 1 f. 292; Pehem, Praelectiones, I, 515. 153  Acquaviva an Becanus, 10.8.1613, 16.11.1613, 8.3.1614, ARSI Rhen. Inf. 5, fol. 413v–414r.421r.435r.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

Kirchenangelegenheiten größeren Raum zuweisen als etwa die einflussreiche Konzeption Bellarmins. In manchen Territorien waren „erhebliche, den Zu­ ständen in den protestantischen Territorien z. T. wenig nachstehende Formen landesherrlicher Einflussnahme auf die kirchliche Organisation und die Beset­ zung ihrer Ämter“154 zu verzeichnen. Eingriffe der weltlichen Obrigkeit in die kirchliche Autonomie und teilweise sogar in die klerikale Immunität wurden auch von den Jesuiten oft geduldet. Häufig wurde dies durch päpstliche Dispen­ se und Privilegien legitimiert, um den Grundsatz aufrecht zu erhalten, dass die weltliche Obrigkeit diese Rechte nicht aus sich selbst heraus, sondern höchstens durch Übertragung innehabe.155 Solche ausgeweiteten Patronatsrechte konnten sich auf mittelalterliche Vorläufer berufen, die im Zuge der Konfessionalisierung weiter ausgebaut wurden. In der konfessionellen Konkurrenzsituation konnte das Eingreifen reformgesinnter Fürsten wie beispielsweise der bayrischen Her­ zöge durchaus im Sinne der „gegenreformatorischen“ Ziele sein, da die Fürsten eine effiziente Umsetzung von Reformmaßnahmen fördern konnten. Durch ihre enge Verbindung mit politischen Herrschaftsträgern standen die Jesuiten dieser Praxis offen gegenüber. Sie verurteilten zumeist nicht die partiellen Kom­ petenzen an sich, sondern lediglich den Missbrauch dieser. Zutreffend urteilt Harro Höpfl, dass die Kompetenzausweitung der weltlichen Obrigkeit von der Gesellschaft Jesu „unintentionally encouraged“156 wurde. Ein Beispiel für eine solche Haltung ist der Mainzer Jesuit Adam Contzen, der später zum Beichtvater Maximilians von Bayern berufen wurde. In seinem 1620 erstmals veröffentlichten Hauptwerk Politicorum Libri Decem, das im 17. Jahr­ hundert im katholischen Bereich eine sehr große Wirkung entfaltete und viele politische Autoren beeinflusste,157 hält er sich zunächst eng an die Konzeption Bellarmins: „Der Fürst ist mit der Sorge um den Schutz der wahren Religion betraut, er hat aber keinerlei Gewalt, etwas anzuordnen oder zu erneuern. Die Obrigkeit ist Pflegevater der Kirche, sie trägt das Schwert, um die Bösen zu bestrafen und zum Schutz der Guten. […] Denn der Fürst ist kein Schiedsrichter in der Religion, sondern Schüler.“158

Wie Bellarmin sieht er die Rolle der Obrigkeit darauf beschränkt, sich in Glau­ bensfragen an der Lehrautorität des Papstes und der Bischöfe zu orientieren und nach deren Maßgabe gegen Ketzerei vorzugehen, was Contzen mit dem Begriff 154  De Wall/​Muckel, Kirchenrecht, 33. 155 Vgl. Höpfl, Jesuit Political Thought, 342–344; Schneider, Ius reformandi, 182; Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, 89–91. 156  Höpfl, Jesuit Political Thought, 341. 157 Vgl. Seils, Staatslehre des Jesuiten Adam Contzen, 191–228. 158  Contzen, Politicorum Libri Decem, II,16, 1 f., 91: „Principi tuendę verae religionis cura commissa est, instituendae tamen, aut innouandae nulla est omnino potestas. Nutritius Ecclesiae est magistratus, gladium portat ad vindictam malorum, tutelam bonorum. (…) Non est enim arbiter religionis princeps, sed discipulus.“



6.1.  Obrigkeitliche Kompetenzen in Kirchenangelegenheiten

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„Principis circa Religionem officia“159 bezeichnet. Staat und Kirche sind für Contzen jedoch näher miteinander verwoben, als es zunächst erscheint.160 Für Contzen kann die weltliche Obrigkeit mit päpstlicher Sondererlaubnis Kom­ petenzen für den Krisenfall erhalten: „Wenn die kirchlichen Würdenträger unter sich [die Missstände] übersehen, und ihre Laster nicht verbessern, gesteht der Stellvertreter Christi den Königen und Fürsten diefreie Gewalt des Reformierens zu […].“161 Für Adam Contzen stellen Missstände im Klerus die wichtigste Wurzel der Häresie dar, weshalb er diese auch mit Hilfe obrigkeitlicher Kompetenzen ab­ zustellen sucht. Diese Argumentation weitete Contzen unter dem Eindruck seiner Tätigkeit als Beichtvater am bayrischen Hof aus, wo er stark in politische Entscheidungsprozesse eingebunden war und die geistliche und weltliche Dinge betreffende Reformpolitik Herzog Maximilians unterstützte.162 Sein vermutlich um 1626 auf dem Höhepunkt der militärischen Macht der Liga verfasster,163 1628 gedruckter lateinischer Roman Methodus Doctrinae Civilis, Seu Abissini Regis Historia stellt eine für pädagogische Zwecke in eine fiktive Handlung integrierte Zusammenfassung seiner in den Libri Decem Politicorum entworfenen Theo­ rien dar. Erzählt wird darin die Geschichte des fiktiven äthiopischen Königs Abissinus, der nach Erlangen des zeitlebens umstrittenen Throns seines Vaters umfassende Reformmaßnahmen im Staat vornimmt (Steuern, Militär, Handel, Rechtswesen etc.). Unterstützt von seinem Erzieher, dem Bischof Johannes, reformiert er auch die Kirche und initiiert einen geistlichen Rat der Bischöfe, der viele ungeeignete Geistliche, auch den verkommenen Patriarchen ersetzt.164 Der Romanschauplatz des spätantiken, bereits christlichen Äthiopien – zur Zeit der Abfassung unterstützen jesuitische Missionare den zum Katholizismus überge­ tretenen Kaiser Seltan-Seged (1607–1632) im Kampf um den Thron – ist auch in der Hinsicht bemerkenswert, dass Contzen letztlich einen christlichen Staat außerhalb des Einflussbereichs des Papstes mit einer besonders ausgeprägten Rolle der Obrigkeit in Religionsangelegenheiten schildert.165 Eine andere in Mainz entstandene Publikation zur Staatswissenschaft, die 1620 gedruckte Teutsche Politick oder Von der Weise wol zu Regieren In Frieden und Kriegszeitten des Mainzer Richters Michel Kreps, beschäftigt sich ebenfalls 159  Ebd., IX,20,4, 673; Übers.: „Pflichten des Fürsten um die Religion herum“. 160 Vgl. Seils, Staatslehre des Jesuiten Adam Contzen, bes. 83. 161  Contzen, Politicorum Libri Decem, II,18,16, 98: „Si inter se dissimulent praelati, nec corrigant suorum vitia, liberam reformandi potestatem regibus, & principibus Christi Vicarius concedat (…).“ 162 Vgl. Bireley, Maximilian von Bayern. 163  Seils, Staatslehre des Jesuiten Adam Contzen, 43. 164  Contzen, Methodus Doctrinae Civilis, bes. 88–95. 165  Dennoch lässt sich Contzen nicht als Gegner der päpstlichen Autorität vereinnahmen. Allenfalls kann man mit Ernst Albert Seils darauf hinweisen, dass er anders als etwa Bellarmin auch gemäßigt kuriale Traditionen in seine Theoriebildung aufnimmt. Vgl. Seils, Staatslehre des Jesuiten Adam Contzen, 83–88.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

mit den obrigkeitlichen Kompetenzen in Religionsangelegenheiten. Es handelt sich dabei um die erste deutschsprachige Publikation des Genres der Politik, welche jedoch keine weite Rezeption erreichte. Die Schrift des sich selbst als Politicus bezeichnenden Juristen, über dessen Biographie wenig bekannt ist,166 zeigt hierbei auffällige Parallelen zum zeitgleich erschienenen Haupt­ werk Contzens,167 der sich stets von den von ihm geschmähten Pseudopolitici abzugrenzen suchte. Beide Autoren orientieren sich stark an der Staatstheorie Justus Lipsius’, wobei Kreps in den Worten Michael Stolleis’ eine unselbstständi­ ge „Volksausgabe“168 Lispius’ publizierte, während Contzen sich von Teilen der lipsianischen Theorie wie der prudentia mixta distanziert. In dem Werk, das auch als Reaktion auf die konfessionelle Spaltung und „der gelerten Theologen Zanck und ohneinigkeit“169 angelegt ist, schreibt Kreps der weltlichen Obrigkeit sehr weitgehende Kompetenzen in Kirchensachen zu. Neben einer umfassenden Bildungs-, Wohlfahrts- und Kulturförderung soll die Obrigkeit sogar „offentli­ che Prediger bestellen, [und] mit Salariis versehen“.170 Dies schränkt Kreps nicht explizit zur Wahrung der bischöflichen Rechte ein. In Bezug auf Kreps ist die oben betrachtete Aussage Daniel Tossanus’, die katholischen Rechtsgelehrten seien „weiser […] in Bezug auf die Frage nach dem Recht der Obrigkeit“,171 den Urteilskriterien des Heidelbergers entsprechend durchaus berechtigt.

6.1.7. Fazit Nachdem sich in der Kurpfalz – trotz des konstant hohen Einflusses der Kur­ fürsten auf das Kirchenwesen – zunächst die Disziplinisten durchgesetzt hatten, die nach Genfer Vorbild obrigkeitliche Eingriffe zu beschränken suchten, befür­ worteten Daniel Tossanus und David Pareus die Kompetenzen der Obrigkeit wesentlich stärker. Dies ist zum einen auf die nach ihrer Wiedereinführung 1583 durch Kuradministrator Johann Kasimir konsolidierte Stellung der reformierten Konfession zurückzuführen, die ein weniger gespanntes Verhältnis zur Obrig­ keit bewirkte, und zum anderen auf die spezifische kontroverse Situation der beiden Theologen. Sowohl Tossanus als auch Pareus sahen sich von ihren katholischen Gegnern Thyraeus, Stapleton und Bellarmin herausgefordert, die protestantische Praxis der Kirchenleitung zu verteidigen. Die von Pareus ein­ geführte Unterscheidung zwischen der „uneigentlichen“ potestas Ecclesiastica 166  Ich danke Prof. Michael Stolleis für die Überlassung eines unveröffentlichten Manu­ skripts, das sich der Biographie Krepsens annimmt. Der wahrscheinlich aus Allfeld stammende Kreps ist ab 1602 in Mainz nachweisbar und praktizierte als Jurist und Richter. 167 Zu den Parallelen zwischen Kreps und Contzen vgl. Stolleis, Lipsius-Rezeption, 11–13. 168  Ebd., 12. 169  Kreps, Teutsche Politick, I, 13. 170  Ebd., I, 280. 171  Tossanus, De Ecclesia, 5: „melius sapientes (…) de Magistratum jure quaestio“.



6.2. Die Kontroverse um den Oath of Allegiance

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externa und der „eigentlichen“ potestas Ecclesiastica interna, bzw. der „potestas Regia circa Ecclesiastica“ und der „potestas Ecclesiastica“ ist als Reaktion auf die Angriffe seiner katholischen Gegner zu verstehen. Durch ihre breite Rezeption über die Grenzen des deutschen Sprachraums und der reformierten Konfession hinaus wirkte Pareus’ Unterscheidung zunächst als „Korrektiv“172 für die ent­ stehenden staatskirchenrechtlichen Theorien und lässt sich als ein Vorläufer der im Kollegialismus vorgenommen richtungsweisenden Trennung der iura circa sacra und der iura in sacra betrachten. Die konfessionelle Konkurrenzsituation, in der die betrachteten Schriften ver­ fasst wurden, stimulierte die Beschäftigung der Theologen beider Konfessionen mit der Thematik. Zudem sahen sich vor allem die protestantischen Autoren dazu gedrängt, die eigene Position weniger angreifbar zu machen, indem sie sich auf Autoritäten der Gegenseite und gemeinsame Quellen beziehen. Sowohl evangelische als auch katholische Autoren berufen sich auf die einschlägigen Bibelstellen, Kirchenväterzitate, historische Exempel und auf römisches und kanonisches Recht. Pareus nimmt zudem mit seiner dreifachen Unterteilung der Religionsangelegenheiten, der Trennung äußerlicher und innerlicher Kir­ chengewalt, katholische Terminologien und Traditionen auf, die er jedoch unter anderen Vorzeichen umdeutet. Im katholischen Bereich werden im 17. und 18. Jahrhundert  – besonders auffällig bei josephinistischen Kanonisten, in anderer Form bereits bei Contzen und Kreps  – ebenfalls weitgehende obrigkeitliche Kompetenzen in Kirchen­ sachen formuliert. Neben der Begegnung mit protestantischen Kirchentümern und des kontroverspublizistischen Austauschs sind hierfür jedoch auch eigene, unabhängige Traditionen zu berücksichtigen.

6.2.  Martin Becanus und die Kontroverse um den Oath of Allegiance 6.2.1.  Der Oath of Allegiance und der Ausbruch der Kontroverse Als der schottische König James VI. im Jahr 1603 als König James I. auch den englischen Thron bestieg, erbte er von seiner Vorgängerin Elizabeth das Pro­ blem des Umgangs mit der katholischen Minderheit im Land, die aufgrund ihrer Verweigerung der Teilnahme an den Sakramenten der Staatskirche als popish recusants bezeichnet wurden. Nachdem er zunächst eine im Vergleich zu seiner Vorgängerin relativ zurückhaltende Politik verfolgt hatte, spitzte sich die Situa­ tion spätestens nach dem gescheiterten Gunpowder Plot erheblich zu.173 Der gescheiterte Versuch einer kleinen Gruppe katholischer Rekusanten, ausgeführt 172  Heckel, Religionsbann und Landesherrliches Kirchenregiment, 289. 173 Vgl. zum Verhältnis James I. zu den Katholiken in seinen ersten Regierungsjahren Tutino, Law and Conscience, 81–132.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

von Guy Fawkes, am 5. November den König und die Parlamentsabgeordneten durch eine Schießpulverexplosion zu ermorden, führte trotz der Distanzierung der überwältigenden Mehrheit der englischen Katholiken zu einer Welle des Antikatholizismus. Im besonderen Fokus standen hierbei die Jesuiten, denen eine Verwicklung in die Verschwörung vorgeworfen wurde. Am 22. Juni 1606 wurde in Folge des zuvor verabschiedeten Popish Recusants Act ein Oath of Obedience proklamiert, ein Gehorsamseid, den auf obrig­ keitliches Verlangen jeder Untertan leisten musste. Entscheidender Inhalt dieses Eids ist die Anerkennung James’ I. als rechtmäßigen König, der den Supremat über die englische Kirche ausübt, ferner eine Absage an die Gewalt des Papstes, weltliche Herrscher abzusetzen, Untertanen von ihrer Treue zu einem exkom­ munizierten Herrscher zu lösen, und an andere Gewalt des Papstes in zeitlichen Dingen. Welche Ziele James mit dem Oath of Allegiance bezweckte, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite erscheint der Eid als eine durchaus gemäßigte Forderung an die Rekusanten. Von dem Eidesleistendem wird nicht abverlangt, der katholischen Religionsausübung oder dem Gehorsam gegenüber dem Papst in geistlichen Dingen abzuschwören, sondern lediglich den politischen Konsequenzen des Papalismus eine Absage zu erteilen.174 Mi­ chael Questier wendet unter Verweis auf die katholische Reaktion auf den Oath of Allegiance hingegen ein, dass der Eid nur vermeintlich gemäßigte Formulie­ rungen wählt. Der im Zuge einer umfassenden Verschärfung der Gesetzgebung gegen katholische Rekusanten proklamierte Eid sei demzufolge als Instrument zur Verfolgung der Katholiken und zur juristischen Ermächtigung der Staats­ macht zu deuten.175 Eine weitere Deutung schlägt schließlich Stefania Tutino vor. Der Eid sei als „politico-theological weapon“176 anzusehen, mit der König James I. seine dem Su­ premat über die Kirche abgeleiteten Kompetenzen in Religionsangelegenheiten nicht nur gegenüber dem Papst und seinen Anhängern, sondern auch gegenüber Gegnern unter den englischen Protestanten festigen wollte. Diese Deutung ist für diese Studie von besonderem Interesse, da sich die internationale Kontrover­ se um den Oath of Allegiance in besonderer Weise auf diese Frage bezieht. Die Verfolgung der katholischen Rekusanten in England spielt auch für die Jesuiten, die gegen den Eid publizierten, nur eine untergeordnete Rolle. Rom reagierte auf die Proklamation mit der Einberufung einer von Kardinal Bellarmin geleiteten Kommission, die der Frage nachgehen sollte, ob die Ka­ tholiken in England den Eid leisten durften und welche kirchenrechtlichen Folgen eine solche Eidesleistung nach sich zöge. In zwei päpstlichen Brevia im September 1606 und im August 1607 wurde allen Katholiken die Leistung des 174  So etwa LaRocca, Who can’t pray with me; Asch, Von der „monarchischen Republik“ zum Gottesgnadentum, 140; Sommerville, Papalist political thought, 162–167. 175  Questier, Loyalty, Religion and State Power. 176  Tutino, Empire of Souls, 128.



6.2. Die Kontroverse um den Oath of Allegiance

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Eides explizit untersagt. Nachdem der Erzpriester George Blackwell, das Ober­ haupt der katholischen Weltgeistlichen in England, nach zuvor schwankender Haltung schließlich von James inhaftiert unter Zwang dennoch den Eid leistete und den Rekusanten dies ebenfalls nahelegte, reagierte Robert Bellarmin mit einem offenen Brief an Blackwell, in dem er sowohl ihn als auch den König angriff.177 Zur Verteidigung gegen diesen Brief griff James I. selbst zur Feder und ver­ fasste die im Februar 1608 publizierte Schrift Triplici nodo, triplex cuneus. An Apologie for the Oath of Allegiance. Wenn dieser Schritt auch als ungewöhnlich für einen Monarchen galt, war es nicht das erste Werk des Königs. Noch als schottischer König hatte er die politiktheoretischen Werke The True Law of Free Monarchies (1598) und Basilikon Doron (1599) verfasst und wurde zu einem der einflussreichsten politischen Autoren englischer Sprache in seiner Zeit.178 Un­ zufrieden mit seiner Position innerhalb der schottischen Kirche als „God’s sillie vassall“179 sprach er sich für umfassende Herrschaftsrechte des Monarchen auch in Religionsangelegenheiten und gegen das von schottischen Presbyterianern vertretene Widerstandsrecht aus.180 Seine Verteidigung des Eids bekräftigt seinen guten Willen gegenüber seinen loyalen katholischen Untertanen und weist die in den Brevia und von Bellarmin geäußerten päpstlichen Machtansprüche zurück. James gelang es durch Einwirken seiner Gesandten, über die er die Schrift auch an verschiedene katholische Höfe schickte, sich im Ausland Rückhalt zu sichern. Da das Publizieren gerade einer kontrovers ausgerichteten Schrift wie der Apologie für den Oath of Allegiance für einen Monarchen jedoch als unschick­ lich galt, wurden die ersten beiden Auflagen der Schrift zunächst anonym ver­ öffentlicht. Die überarbeitete und erweiterte dritte Auflage, die nun den Namen des Herrschers trug, zog eine mehrjährige Kontroverse nach sich, an der auch der Mainzer Jesuit Martin Becanus mit sieben eigenen und zahlreichen gegen ihn gerichteten Schriften in herausgehobener Position beteiligt war. Neben der schieren Zahl der Kontroversschriften  – in dem von Peter Milward erstellten Verzeichnis sind 111 Schriften aufgelistet181  – sind drei weitere Umstände er­ wähnenswert. Zum einen entwickelte sich die Auseinandersetzung um den Oath of Allegiance zu einer europaweit geführten Kontroverse. Zuvor war Eng­ land in den Kontroversen weitgehend isolierten gewesen.182 Nicht nur die auf England ausgerichteten Jesuiten in Douai publizierten Streitschriften, auch in Spanien, Italien, Frankreich und im Reich veröffentlichten katholische Kontro­ 177 Vgl. zum Ablauf der Ereignisse 1606–1608 Sommerville, Introduction, XX–XXII; Sommerville, Papalist political thought, 162–167. 178  Sommerville, Introduction, XV. 179 Vgl. Asch, Von der „monarchischen Republik“ zum Gottesgnadentum, 139. 180 Vgl. Sommerville, Introduction, XVI–XIX. 181  Milward, Religious Controversies of the Jacobean Age, 89–119. 182 Vgl. Tutino, Empire of Souls, 117–119; Milward, Religious Controversies of the Elizabethan Age; Milward, Religious Controversies of the Jacobean Age, 1–89.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

verstheologen wie Suarez, Bellarmin, Du Perron, Becanus oder Gretser sowie deren Gegner ihre Schriften. Zum anderen ist die lange Dauer der Kontroverse zu bemerken. Der Großteil der Schriften erschien zwar in den Jahren von 1609 bis 1613, einzelne Pamphlete wurden jedoch noch in der Regierungszeit König Charles’ I. gedruckt. Schließlich lässt sich auch eine außerordentliche Breiten­ wirkung der Auseinandersetzung zumindest in England beobachten. Manche der an der Kontroverse beteiligten Anglikaner beauftragten eine Übersetzung oder schrieben in der Volkssprache. Aber auch zwei der auf Latein verfassten Werke Martin Becanus’ wurden von dem Jesuitenpater John Wilson183 in kurzer Zeit übersetzt und in St. Omer gedruckt. Dieses Jesuitenkolleg im zu den spa­ nischen Niederlanden gehörenden Pas-de-Calais war vor allem für englische Exulanten eingerichtet worden. Die Kontroverse um den Oath of Allegiance war im öffentlichen Diskurs von Bedeutung und wirkte sich in Anspielungen auch auf das Spätwerk William Shakespeares aus.184

6.2.2.  Bellarmin und die potestas indirecta des Papsts Robert Bellarmin, der als bedeutendster katholischer Kontroversist den Kurs Roms in der Auseinandersetzung mit James I. maßgeblich bestimmte, antwortete auf die Verteidigungsschrift des englischen Königs mit einer Kontroversschrift, die er unter dem Pseudonym Matthaeus Tortus veröffentlichte. Die beiden eng miteinander verbundenen Hauptanliegen des Kardinals waren die Verteidigung der Gewalt des Papstes auch in zeitlichen Dingen und die Abwehr von Eingriffs­ rechten einer weltlichen Obrigkeit in Kirchensachen. Neben der Kontroverse mit James I., gegen den Bellarmin auch eine unveröffentlichte Gegenschrift auf dessen Basilikon doron mit dem Titel Hieratikon doron verfasste,185 war der Kardinal auch in weitere Kontroversen zu diesem Thema mit innerkatholischen Gegnern verwickelt. Nachdem die Republik Venedig 1605 ein Gesetz verabschiedet hatte, das dem Senat Jurisdiktionsgewalt über die Kleriker und Teile des Kirchenguts zusprach, kam es zum Konflikt mit Papst Paul V. (1605–1621). In der Republik dominierte eine antipapalistische und antijesuitische Gruppe, die von dem gewissermaßen als Staatstheologen fungierenden Paolo Sarpi (1552–1623) angeführt wurde. Im April 1606 verhängte Paul V. das Interdikt über die gesamte Republik Venedig, in der demzufolge keine katholischen Sakramente gespendet werden durften.186 Bis zur Aufhebung des Interdikts ein Jahr später entwickelte sich neben einer 183  Dieser verbirgt sich nach Milward, Religious Controversies of the Jacobean Age, 95 hinter den auf den Drucken verwendeten Initialien I. W.P bzw. W. I. P. 184  Hamilton, Shakespeare and the Politics, 128–162., 128–162., 128–162. 185  Tutino, Empire of Souls, 122. 186 Zur Vorgeschichte und der Kontroverse um das Interdikt vgl. Bouwsma, Venice, 339–482; Tutino, Empire of Souls, 81–116.



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für spätere intellektuelle Auseinandersetzungen über die Staatsgewalt richtungs­ weisenden Kontroverse187 eine diplomatische Zuspitzung, die durch die Partei­ nahme Frankreichs für Venedig und Spaniens für den Kirchenstaat beinahe zu einer militärischen Auseinandersetzung geführt hätte. Obwohl ein Großteil der päpstlichen Forderungen durchgesetzt wurde, blieb der Jesuitenorden, deren Publizisten sich maßgeblich an der Kontroverse gegen die venezianischen Antipapalisten engagiert hatten, für Jahrzehnte aus der Republik verbannt. Wie sehr dieser Fall auch nördlich der Alpen für Aufsehen sorgte, zeigt eine unver­ öffentlichte Schrift des Mainzer Jesuiten Nicolaus Serarius unter dem Titel Gratulatorium pro Venetis, in der er 1607 den Venezianern für ihr (unfreiwilliges) Nachgeben gratuliert. In dem Werk legt Serarius dar, dass die Position Sarpis zur obrigkeitlichen Kirchengewalt der der deutschen Häretiker entspreche und daher abzulehnen sei.188 Eine weitere Konfliktlinie entwickelte sich zeitgleich zwischen den Jesuiten und den Gallikanern in Frankreich.189 In dieser Kontroverse dominierten Bellar­ min und der aus Schottland stammende und in französischen Diensten stehende William Barclay (1546–1608). Im Zusammenhang mit der auch in Frankreich verfolgten Kontroverse um den Oath of Allegiance und der päpstlichen Reaktion darauf steht Barclays posthum 1609 veröffentlichte Schrift De Potestate Papae, auf die die breit rezipierte Antwort Bellarmins Tractatus de potestate summi Pontificis in rebus temporalibus (1610) folgte. Die Situation in Frankreich ver­ schärfte sich nach der Ermordung König Henris IV. 1610 zusätzlich, sodass vor allem gegenüber den Jesuiten eine aufgeheizte Stimmung herrschte.190 Bellarmin erwies sich über seine Lebenszeit hinaus als einer der wichtigsten katholischen Denker zum Verhältnis von Papst und Obrigkeit. Hierfür prägte er den Begriff der potestas indirecta des Papstes. Dem Papst komme in zeitli­ chen Dingen keine direkte Weisungsgewalt zu, im Konfliktfall wohl aber eine indirekte, da das Seelenheil als Ziel der Kirche dem bürgerlichen Frieden als Staatsziel übergeordnet sei. Beeinflusst von der thomistischen Tradition begreift Bellarmin das katholische Gemeinwesen als eine respublica perfecta, in der die weltliche Obrigkeit keine Kompetenz in Kirchensachen hat und der Papst nur zur Sicherstellung des Seelenheils der Kirchenglieder in den weltlichen Bereich eingreifen darf.191 Damit grenzt sich Bellarmin auch von der Vorstellung einer 187  Marino, Early Modern Italy, 2 f. 188  Serarius, Gratulatorium pro Venetis [1607], ARSI Opp. NN. 184, bes. fol. 26r. Offen­ bar sandte Serarius das Manuskript direkt an Ordensgeneral Acquaviva (ARSI Rhen. Inf. 4/1, fol. 297v) zur freien Verfügung. In der Ordenszentrale wurde das Werk archiviert, jedoch nicht publiziert. 189  Vgl. im Überblick Tutino, Empire of Souls, 159–116. 190 Vgl. Schatz, Tyrannenmord, 250–255. 191 Vgl. Arnold, Staatslehre des Kardinals Bellarmin, 309–360; Dietrich, Theologie der Kirche, 325–346; Dietrich, Robert Bellarmin, 25 f.

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potestas directa des Papstes ab, weshalb seine Lehre und Terminologie bei Papst Sixtus V. (1585–1590) auf heftige Ablehnung stieß.192 Diese grundlegende und wirkungsvolle Neudefinition der päpstlichen Ge­ walt in zeitlichen Dingen ist ein unmittelbarer Ertrag seiner Auseinanderset­ zung mit den Protestanten, aber auch innerkatholischen Kritikern der päpst­ lichen Gewalt. In seinen Kontroversien präsentiert er die potestas indirecta als Mittelweg zwischen der völligen Ablehnung päpstlicher Temporalgewalt, wie es „alle Häretiker dieser Zeit“193 verträten, und der in weitaus milderen Worten abgelehnten plenissima potestas des Papstes. Der von Franz Xaver Arnolds vor­ gebrachten Argumentation, dass die Lehre der potestas indirecta bereits in Bel­ larmins Summenkommentaren, also vor den Kontroversien, entwickelt worden sei und somit nicht als Reaktion auf die Protestanten, sondern als unbeeinflusste Entwicklung zu deuten sei,194 ist nicht zuzustimmen, da Robert Bellarmin be­ reits in seiner Löwener Zeit eine pointiert kontroverstheologische Ausrichtung zeigte. Seine Lehre der potestas indirecta blieb auch in den folgenden Jahren ein kontroverser Punkt in der Auseinandersetzung mit den Protestanten auch in England.195

6.2.3.  Becanus’ erste Schrift und ihre Zensur Um seinem Ordensbruder Bellarmin beizuspringen, bat Martin Becanus den Kölner Nunitius Attilio Amalteo darum, offiziell mit einer Kontroversschrift gegen die Apologie des englischen Königs beauftragt zu werden. Diese Rück­ versicherung erschien Becanus wohl angemessen, da er sich nicht wie sonst einen protestantischen Theologen, sondern einen Monarchen zum Gegner wählte. Becanus, der sich in Mainz einen Ruf als Kontroverspublizist erarbeitet hatte, erschien dem Nuntius dann auch „am meisten geeignet, zu antworten“.196 Scipione Caffarelli Borghese, als Kardinalnepot auch für die Organisation der päpstlichen Diplomatie zuständig, bewilligte das Anliegen, mahnte Becanus über Nuntius Amalteo jedoch, diplomatisches Fingerspitzengefühl zu wahren und den Monarchen nicht zu beleidigen.197 Nuntius Amalteo setzte daraufhin sich dafür ein, dass Becanus’ Werk schnell und mit der notwendigen Erlaubnis 192  Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, 54 f. 193  Bellarmin, Controversia, III,V,1: „haeretici omnes hujus temporis“. Vgl. zur Ablehnung der direkten Temporalgewalt ebd., III,V,2–5. 194  Arnold, Staatslehre des Kardinals Bellarmin, 335. 195 Vgl. Tutino, Law and Conscience, 150–156. Vgl. auch die Auseinandersetzung Franciscus Junius’ mit Bellarmins Lehre: Junius, Animadversiones ad Controversiam tertiam, 628–663. 196  Amalteo an Borghese, 1.8.1609, NBD.K IV,22, Nr. 806, S. 614: „a mio giudicio sarà più atto a rispondere“. 197  Borghese an Amalteo, 12.9.1609, NBD.K IV,22, Nr. 868, S. 66 f.; vgl. auch Tutino, Empire of Souls, 22 f.



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ausgestattet zum Druck kommt. Sein Anliegen war zudem die Verteilung der Schrift an die katholischen Fürsten Europas, um der diplomatischen Arbeit des englischen Königs unter diesen etwas entgegenzusetzen.198 Der Angelegenheit wurde von Borghese und Amalteo eine hohe Priorität beigemessen. Insgesamt wechselten sie über 30 Briefe zur Koordination der Schriften Becanus’ in der Kontroverse um den Oath of Allegiance. Die in Auftrag gegebene Kontroversschrift Serenissimi Jacobi Angliae Regis Apologiae, & monitoriae Praefationis ad Imperatorem, Reges & Principes, Refutatio brachte Becanus im Spätjahr 1609 zum Druck. In der Vorrede wendet er sich an den Kaiser und die katholischen Könige und Fürsten Europas und stellt sein Anliegen dar, dass zwischen diesem und dem protestantischen Monarchen Englands ein grundlegender Interessenunterschied bestünde. Wie auch seine folgenden Schriften in der Kontroverse ist das erste Buch des Mainzers auf das Verhältnis zwischen dem Papst und weltlichen Herrschern sowie deren Kompetenzen in Religionssachen ausgerichtet. Andere Aspekte des Oath of Allegiance wie die Situation der katholischen Rekusanten in England treten da­ gegen in den Hintergrund. Die Refutatio Becanus’ ist in zwei Teile gegliedert. Das Hauptgewicht liegt auf dem ersten Teil, in dem der Supremat des englischen Königs über die Kirche behandelt wird. Systematisch prüft Becanus die Ar­ gumente, ob James den Supremat nach dem Naturrecht, nach göttlichem Recht des Alten oder Neuen Testaments, nach zivilem oder kanonischen Recht, nach Meinung der Gelehrten, nach seinen Herrschaftstiteln oder nach seiner eigenen, häretischen Lehre besitze, was Becanus jeweils verneint. Im zweiten Teil bemüht er sich, die Fehler des Königs in dessen Schrift zu widerlegen. Dabei versucht er, eine Balance zwischen scharfer sachlicher Verurteilung und Ehrerbietung in der Anrede und dem Umgang zu halten. Einen wichtigen Teil macht die Widerlegung der alttestamentlichen Exempel seiner protestantischen Gegner aus, wie sie auch für Tossanus und Pareus eine wichtige Argumentationsquelle für die obrigkeitlichen Kompetenzen in Religionsangelegenheiten darstellen. Becanus geht unter anderem auf die auch von den Heidelbergern verwendeten Beispiele Josia und Josaphat sowie auf die sakralen Herrschertitulaturen der alttestamentlichen Könige ein. Geordnet nach Einwänden („obiectiones“) seiner Gegner widmet sich Martin Becanus auch dem von protestantischen Autoren angeführten biblischen Exempel König Salo­ mos, der den hochrangigen Priester Abjatar absetzte und durch Zadok ersetzte (1 Kön 2, 22–35). Becanus belässt es nicht bei dem gebräuchlichen katholischen Gegenargument, Salomo habe dies nicht als König, sondern als Prophet getan, sondern führt an, dass Salomo nicht die Grenzen des zivilen Primats eines Königs überschritten und in den geistlichen eingegriffen habe, da sich Abjatar in den Thronfolgewirren des Hochverrats schuldig gemacht habe und seine 198  Amalteo an Borghese, 12.9.1609, NBD.K IV,22, Nr. 870, S. 660.

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„Schuld eine zivile, keine kirchliche war“.199 Um die Trennung zwischen welt­ licher und geistlicher Gewalt zu betonen riskiert Becanus an dieser Stelle, das privilegium fori aufzuweichen, also den Rechtsgrundsatz, dass Kleriker weder zivil- noch strafrechtlich vor einem weltlichen Gericht angeklagt werden dürfen. Nach der Bearbeitung der verschiedenen von ihm abgelehnten Begründungs­ möglichkeiten des Supremats eines weltlichen Herrschers widmet sich Becanus der Frage, welche Rolle der weltlichen Obrigkeit stattdessen in Bezug auf die Kirche zukommt. Sehr nah an der Position Bellarmins sieht er das officium Regis circa Ecclesiam in der Herstellung religiöser Uniformität und dem Schutz der Kirche. Ein guter Herrscher „will Diener in der Verteidigung der Kirche sein, nicht Herr“.200 Hierzu nennt er neben einigen historischen Beispielen auch die katholischen Herrscher Europas als Vorbilder, wobei er Praktiken einer aus­ gedehnten Rolle der weltlichen Obrigkeit nicht problematisiert. Entsprechend der auch von Bellarmin vertretenen Position teilt Becanus die potestas ecclesiastica in drei Teile auf, die durchaus der dreiteiligen Unterschei­ dung Pareus’ nahesteht (s. o.). „Man pflegt aber die Kirchengewalt dreifach zu unterscheiden. Die erste ist die Amtsgewalt, die zweite die innerliche Rechtsprechung, die dritte die äußerliche. Die erste bezieht sich auf die Sakramentsverwaltung, die zweite auf die Herrschaft über das Christenvolk in Bezug auf das Gewissen. Die dritte auf die Herrschaft in der äußeren Öffentlichkeit.“201

Die dritte Form der Kirchengewalt, die iurisdictio exterioris füllt Becanus ähn­ lich aus wie Pareus die Oeconomia Ecclesiastica specialis, auf die sich die potestas ecclesiastica externa bzw. potestas Regia circa Ecclesiastica der weltlichen Obrig­ keit bezieht. Die iurisdictio exterioris grenzt Becanus dabei konsequent von der Sakramentsverwaltung und der innerlichen Jurisdiktion, der Binde- und Löse­ gewalt, ab. Stattdessen gehörten zu dieser äußerlichen Jurisdiktion „Synoden einberufen und diesen vorstehen, Richtlinien festsetzen, Rechtsfälle hören und besorgen, Kontroversen entscheiden, Lehen (Wohltaten) übertragen, Kirchen­ diener einsetzen, Übeltäter exkommunizieren.“202 Für Becanus ist nur kontrovers, ob der Obrigkeit diese dritte Form der potestas ecclesiastica zuzusprechen ist. Hierin kann man eine Reaktion auf den nicht explizit erwähnten, doch von Becanus sicherlich bereits rezipierten Römerbrief­ kommentar Pareus’ erkennen. Eine auf die iurisdictionis exterioris beschränkte 199  Becanus, Serenissimi Jacobi Angliae Regis [11609], 69: „culpa erat ciuilis, non eccle­ siastica“. 200  Ebd., 128: „vult esse minister in defensione Ecclesiae, non Dominus“. 201  Ebd., 18: „Solet autem distingui triplex potestas ecclesiastica. Vna ordinis, altera iuris­ dictionis interioris, tertia iurisdictionis exterioris. Prima refertur ad Sacramenta conficienda & ministranda. Secunda ad regendum populum Christianum in foro conscientiae. Tertia ad eundum populum regendum in foro exteriori.“ 202  Ebd.: „Synodum conuocare & in ea praesidere, constitutiones condere, causas audire & cognoscere, controuersias dirimere, beneficia conferre, ministros Ecclesiae constituere, delinquentes excommunicare.“



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Kirchengewalt der weltlichen Obrigkeit lehnt Becanus indes ab. Getragen wird seine Argumentation auch von dem Vorwurf, dass die englischen Protestanten, indem sie ihrem König den kirchlichen Primat zusprechen, einer Einzelperson Kompetenzen zuschreiben würden, die sie selbst am Papst kritisieren.203 In den Worten Stefania Tutinos verhält sich Becanus in dieser ersten Kontro­ versschrift wie ein „gymnast on a balance beam“.204 Auf der einen Seite sucht er die Absetzungsgewalt des Papstes zu verteidigen, auf der anderen Seite betont er – wie im Beispiel der Absetzung Abjatars – die Trennung zwischen weltlicher und geistlicher Herrschaft besonders stark. In dieser Pointierung der Trennung der Herrschaftssphähren ist Becanus „more Bellarminian than Bellarmine him­ self “.205 Sein Fokus liegt vor allem auf der Abwehr obrigkeitlicher Kompetenzen in Religionsangelegenheiten, wie sie auch von den Heidelberger Theologen, zu­ letzt von seinem Hauptgegner David Pareus, behauptet werden. Das Werk Becanus’, das bald eine zweite, inhaltsgleiche Auflage erlebte und breit rezipiert wurde, stellte Rom nicht vollauf zufrieden. Auf Veranlassung Bellarmins teilte Kardinalnepot Borghese dem Kölner Nuntius mit, dass Becanus’ Schrift nicht in ihrer Gesamtheit überzeuge,206 womit er sich auf die dargestellte Passage über die Absetzung Abjatars und die daraus entstehende Problematik des privilegium fori bezieht. In weiteren Briefen stellt er jedoch klar, dass es sich um einen weniger schwerwiegenden Fall handele. Nach Ansicht Roms war Becanus in richtiger Absicht lediglich über das Ziel hinausgeschossen. Borghese übermittelte als Zensur der Refutatio Becanus’ lediglich einen Punkt, der in einer herauszugebenden emendierten Version der Schrift zu ändern sei. Becanus’ ursprüngliche Aussage, dass das privilegium fori an dieser Stelle keine Anwendung finde und Teil des eingeführten menschlichen Rechts sei, sollte um die Erklärung ergänzt werden, dass sich dieses Privileg dennoch aus göttlichem Recht ableite.207 In der emendierten dritten Auflage der Refutatio änderte Beca­ nus den Abschnitt zu Abjatars Absetzung jedoch umfassender und formulierte ihn unter Auslassung der anstößigen Bezüge neu.208 Der Kardinalnepot lobte die emendierte Auflage und sprach dem Mainzer Jesuiten über den Nuntius seinen Dank aus für „den Zorn, den er bei der Antwort auf das Buch des englischen Kö­ nigs gezeigt hat“.209 In Rom mischten sich neben dem Kardinalnepoten Borghese 203  Ebd., bes. 11 f. 204  Tutino, Empire of Souls, 223. 205  Ebd., 222. 206  Borghese an Amalteo, 30.1.1610, NBD.K IV,22, Nr. 1039, S. 827: „la quale non finisce die sodisfare in alcune parti“. Zur Beteiligung Bellarmins vgl. Tutino, Empire of Souls, 225. 207  Borghese an Amalteo, 27.3.1610, NBD.K IV,22, Nr. 1118, S. 889; vgl. auch Borghese an Amalteo, 17.4.1610, NDB.K IV,22, Nr. 1142, S. 91 f.; vgl. Becanus, Serenissimi Jacobi Angliae Regis [11609], 68. 208  Becanus, Serenissimi Jacobi Angliae Regis [31610], 64–70. 209  Borghese an Amalteo, 10.4.1610, NBD.K IV,22, Nr. 1134, S. 905: „il zelo, che ha mo­ strato nella risposta al libro del Re d’Inghilterra”. Vgl. auch Borghese an Amalteo, 10.4.1610, NBD.K IV,22, Nr. 1198, S. 954.

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auch Bellarmin und der Ordensgeneral der Jesuiten Claudio Acquaviva koor­ dinierend in die Angelegenheit ein. Zwischenzeitliche Überlegungen, Becanus auch mit einer Antwort auf Barclays De potestate Papae zu beauftragen, wurden nach der notwendigen Zensur der Refutatio Becanus’ verworfen.210

6.2.4.  Der Fortgang der Kontroverse 1610–1612 Der wichtigste anglikanische Publizist, der König James I. gegen die jesuitischen Kontroversschriften verteidigte, war Lancelot Andrewes (1555–1626), der zunächst Bischof von Chichester, seit 1609 Bischof von Ely war.211 Andrewes veröffentlichte in enger Abstimmung mit dem Hof insgesamt drei Kontro­ versschriften zum Oath of Allegiance und wurde nach der Kontroverse zum Hofkaplan James’ berufen. Seine erste Schrift, mit dem Wortspiel Tortura Torti betitelt, richtet sich gegen die unter dem Pseudonym Tortus publizierte Schrift Bellarmins und erschien während der Abfassungszeit der Refutatio Becanus’ zur Apologie James I. Nuntius Amalteo hielt es daher für angebracht, den Mainzer auch mit einer Schrift gegen Andrewes zu betrauen.212 Gegenüber dem anglikanischen Bischof verhält sich Martin Becanus weniger zurückhaltend als gegenüber dem Monarchen. Um zum Ausdruck zu bringen, dass er Andrewes’ Episkopat als nicht legitim ansieht bezeichnet, er ihn abfällig als „sacellanus“ (Kaplan) und geht hart mit ihm ins Gericht. Becanus beginnt damit, die in der Tat unübersichtliche und auf über 400 Seiten kaum gegliederte Schrift des Bischofs von Chichester seinerseits zu systematisieren  – ein Vor­ gehen, das Becanus auch in anderen Kontroversschriften anwendet, um seinen Gegner vorzuführen und zugleich die Rezeption der Schrift seines Gegners steu­ ern zu können. Der Refutatio Torturae Torti merkt man an, dass Becanus eine erneute Zensur durch Rom wegen des damit verbundenen Reputationsverlusts und der durch Emendation eines Buchs entstehenden Kosten verhindern wollte. Das Beispiel Salomos und Abjatars umgeht er sorgsam und konzentriert sich auf die von ihm ausgemachten Fehler und Widersprüche seines Gegners. Somit vermied er es, auch unter Katholiken kontroverse politische Aussagen über das Verhältnis zwischen Papst und Monarch zu tätigen.213 Dementsprechend wurde diese zweite Schrift in Rom besser aufgenommen, wo man sich sehr zufrieden über die Beteiligung Becanus’ an der Kontroverse zeigte.214 210  Tutino, Empire of Souls, 226. Vgl. auch den Briefwechsel Borgheses und Amalteos

NBD.K IV, 22, Nr. 953.960.982.983.1043.

211  Vgl. zu Andrewes Willson, James I and His Literary Assistants, 4 f. 212  Amalteo an Borghese, 1.11.1609, NBD.K IV,22, Nr. 923, S. 720; Borghese an Amalteo, 21.11.1609, NBD.K IV,22, Nr. 945, S. 738. Vgl. Andrewes, Tortura Torti. 213 Vgl. Tutino, Empire of Souls, 227; Becanus, Refutatio Torturae Torti. Diese Schrift wurde auch ins Englische übersetzt, vgl. Becanus, The confutation of Tortura Torti. 214  Amalteo an Borghese, 20.3.1610, NBD.K IV,22, Nr. 1110, S. 884; vgl. Tutino, Empire of Souls, 227.



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Ab 1610 erschienen immer mehr protestantische Kontroversschriften, die die königliche Position bezüglich des Oath of Allegiance verteidigten. Auch auf dem Kontinent nahm man Anteil an den Geschehnissen, so etwa der Thorner Theo­ loge Konrad Graser d. Ä. (1557–1613), der seinem gegen Papsttum und Jesuiten gerichteten Apokalypsenkommentar eine Vorrede an den englischen König beigab.215 Becanus, dem dieser kaum rezipierte Druck des wenig bekannten Gymnasiallehrers in die Hände gefallen war, antwortete in einem Examen des Kommentars, wobei er nicht wesentlich über seine Argumentation in den voran­ gegangenen Schriften hinausgeht.216 Der Großteil der Gegner Becanus’ sind anglikanische Theologen wie Bischof Lancelot Andrewes, der recht bald mit einer Gegenschrift antwortete, der an dem Bibelübersetzungsprojekt der King-James-Version beteiligte Richard Thomson (gest. 1613), der weniger bekannte Richard Harris sowie die Oxforder Theologen Robert Burhill (1572–1641) und William Tooker (1557/58–1620/21). Tooker führt eine durchaus originelle Gattungsbezeichnung innerhalb der Kontrovers­ literatur ein. In seinem Duellum siue singulare certamen cum Martino Becano Iesuita fordert er seinen Gegner aufgrund der gekränkten Ehre des Königs als dessen Streiter zum intellektuellen Zweikampf heraus, was dieser in ähnlich martialischer Sprache auch annahm.217 Nicht minder interessant ist jedoch eine gegen Becanus gerichtete Kontro­ versschrift des englischen Benediktiners Thomas Preston (1563–1640) unter dem Pseudonym Roger Widdrington. Schon vor dem Herrschaftsantritt James’ zeigten sich Spaltungstendenzen unter den katholischen Rekusanten in Eng­ land, wobei sich die Jesuiten gegen jene gestellt hatten, die ein weitgehendes Arrangement mit den Herrschaftsverhältnissen befürworteten. Nach der Proklamation des Oath of Allegiance und der erzwungenen Eidesleistung des Erzpriesters Blackwell hatte zwar ein großer Teil der Rekusanten den Eid trotz der angedrohten Strafen verweigert, gerade auch einige Laien leisteten jedoch den Eid.218 Unter den Geistlichen publizierten in der Kontroverse um den Oath of Allegiance sowohl die Jesuiten, allen voran Robert Persons SJ (1546–1610), als auch deren „loyalistische“ Gegner um Thomas Preston, die dafür eintraten, dass ein englischer Katholik reinen Gewissens den Eid leisten könne, da er keine ele­ mentaren Lehren betreffe.219 Becanus antwortete auf diese Schrift jedoch nicht, wohl um nicht den verheerenden Eindruck eines zerstrittenen katholischen Lagers aufkommen zu lassen. 215  Graser, Plaga Regia, fol. α2r–βr. 216  Becanus, Examen Plagae Regiae, 17–22.78–84. 217  Tooker, Duellum siue singulare certamen, 1 f.; Becanus, Duellum Martini Becani, 9: „Prouocas me ad Duellum (…) non defugio“. 218 Vgl. Ryan, The Jacobean Oath of Allegiance. 219 Vgl. Preston, Disputatio theologica de Iuramento fidelitatis; vgl. zu den Publikationen englischer Katholiken Clancy, Papist Pamphleteers, 79–106; vgl. zu Preston Tutino, Thomas Preston.

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Auch in seinen folgenden Kontroversschriften zum Eid verwendet Becanus die in der Refutatio Torturae Torti erprobte Strategie, vornehmlich die von ihm ausgemachten Fehler und Widersprüche seiner Gegner zu attackieren, um zu politisch problematischen Fragen schweigen zu können und somit keine erneute Zensur zu riskieren. Ferner nutzt er die Möglichkeit, mit der rein auf die internen Unstimmigkeiten unter den anglikanischen Autoren ausgerichteten Schrift Dissidium Anglicanum De Primatu Regis mehreren Autoren zugleich zu antworten, um sich gemäß den ungeschriebenen Regeln der Kontroversen keine Blöße zu geben. Hierbei kann er auf durchaus gegebene Differenzen seiner Gegner ver­ weisen, die die genauen Kompetenzen des Königs in Religionsangelegenheiten und die Begründung des Primats unterschiedlich darlegen. In seiner Antwort auf die anglikanische Gegenschrift Concordia Anglicana de primatu Ecclesiae regio treibt er die Suche nach Fehlern in der Arbeitsweise auf die Spitze, indem er sich seitenlang an vermeintlich falschen Zitaten seines Gegners reibt.220 Im Verlauf der Kontroverse entwickelt sich zudem eine weitere Argumenta­ tionslinie, die Becanus bereitwillig aufgreift. Nachdem die Anglikaner auf die historische Legitimation des königlichen Primats in England verwiesen hatten, arbeitete sich Becanus zur Widerlegung dieser These in die englische Geschichte ein. Besonders in der Auseinandersetzung zwischen ihm und Richard Harris kommt der historiographischen Argumentation ein wichtiger Platz zu. Martin Becanus kommt zu dem Schluss, dass es sich bei dem Primat des englischen Königs über die Kirche um eine „neue Sache“221 handle, die erst von dem exkom­ munizierten Henry VIII. ein- und von Edward VI. und Elizabeth fortgeführt wurde. Dementgegen hält Richard Harris, dass der königliche Primat sehr viel älter sei und seit den alttestamentlichen Königen in historischer Kontinuität greifbar wäre.222 Auch der englische Jurist Adam Reuter verfasste eine explizit gegen Becanus gerichtete Schrift, in der er in juristisch-historiographischer Perspektive gegen Becanus’ Darstellung, das englische Königreich sei ein päpst­ liches Lehen, argumentiert.223

6.2.5.  Die Kontakte zwischen England und der Kurpfalz und die pfälzischen Beiträge zur Kontroverse Die Ereignisse in England wurden auch in Heidelberg aufmerksam verfolgt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts standen die Kurpfalz und England in einem enger werdenden Verhältnis zueinander. Trotz mancher theologischen Differenzen wurden einige Heidelberger Theologen auf der Insel hochgeschätzt, wie etwa 220  Becanus, Examen Concordiae Anglicanae, 91–102. 221  Becanus, Dissidium Anglicanum, 8: „res noua“. 222  Harris, Concordia Anglicana, bes. 3. 223  Reuter, Libertatis Anglicanae defensio. Reuters Herkunft und Lebensdaten sind unbe­ kannt.



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Zacharias Ursinus, dessen Kommentar zum Heidelberger Katechismus ein wich­ tiges Lehrwerk in England wurde.224 Für die Theoriebildung der obrigkeitlichen Kirchenherrschaft wurde die Rezeption des Erastianismus in England bedeu­ tend.225 Auch wenn in Heidelberg nur wenige Studenten englischer Herkunft immatrikuliert waren, pflegten die pfälzischen Theologen Kontakte zu eng­ lischen Kontroverstheologen, mit denen sie die starke Ablehnung des Papsttums und der Jesuiten verband. Teilweise wurden sogar englische Kontroversschriften mit Heidelberger Unterstützung in Frankfurt oder Oppenheim gedruckt.226 Unter den Heidelberger Gelehrten tat sich besonders Simon Stenius, der Poetik und Rhetorik, in späteren Jahren auch Geschichte lehrte, als Unterstützer pfälzisch-englischer Verbindung hervor. Anlässlich des englischen Seesiegs über die spanische Armada 1588 und des vereitelten Gunpowder Plots 1605 orga­ nisierte er öffentliche Dankesfeiern der Universität im Beisein des Kurfürsten und des Hofs. In Reden und lateinischen und griechischen Gedichten – offenbar sollten Stenius’ Studenten zu dem Anlass Übungswerke dichten – wird Gott für die Bewahrung vor der Bedrohung durch das Papsttum gedankt und die interna­ tionale Verbundenheit der Protestanten beschworen.227 Ab 1610 konkretisierten sich die Bündnispläne der Kurpfalz und Englands, die 1613 in der Hochzeit der englischen Prinzessin Elizabeth mit Kurfürst Friedrich V. mündeten. Verbunden mit diesem Ereignis kam es auch zu einem intensivierten Kontakt der Heidel­ berger Theologen mit den Anglikanern. Die Vorbereitungen zu der strategischen Hochzeit zwischen zwei der wichtigsten protestantischen Mächte in Europa wurde auch im Vatikan mit höchster Sorge beobachtet.228 Noch vor dem Ausbruch der Kontroverse um den Oath of Allegiance 1609 hielt Stenius zwei später gedruckte Reden zu den internationalen Aktivitäten des Papsttums. Wie im Altertum Rom und Karthago befänden sich die Protestanten mit dem Papst in einem bereits Jahrzehnte andauernden Streit.229 Um dies zu beweisen, führt er auch das Beispiel Venedigs an, wobei er klar erkennbare Sym­ pathien für die gegen päpstliche Einflussnahme kämpfende Republik erkennen lässt. In der zweiten Rede druckt Stenius zur Information seines Publikums über die Vorgänge in England den Oath of Allegiance und die beiden päpstlichen Brevia ab.230 Unter Verweis auf die „Apologia anglicana“231 – zum Zeitpunkt der Rede war die Autorschaft der zunächst anonymen Schrift James’ I. vielen noch 224  Milton, The Church of England, 138–141. 225 Vgl. Maissen, Thomas Erastus, 20 f. S. o. Kap. 6.1.2. 226  Ebd., 14 f. Es ist nicht ersichtlich, ob ein Hanauer Nachdruck von Lancelot Andrewes Tortura Torti mit Heidelberger Unterstützung gedruckt wurde. 227  Stenius, Triumphalia de Victoriis Elisabethae; Stenius, Publica Gratiarum Actio. 228 Vgl. anonyme Avisa [geheimdienstliche Berichte], 7.7.1612, 21.4.1612, ASV Segr. St., Inghilterra 19, fol. 56r.65r. 229  Stenius, Orationes duae, 3 f. 230  Ebd.,33–35.3 f. 4 f. 231  Ebd., 35.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

unbekannt  – weist Stenius die Brevia als Machtüberschreitung des Papstes in zeitlichen Dingen harsch zurück. Zudem verteidigt er die Kompetenzen des englischen Königs in Kirchensachen. Wie sehr sich die Kontroversen auf dem Kontinent und in England über­ schnitten, zeigen pseudonyme Oppenheimer Kontroversschriften, die sich gegen Becanus mit den Anliegen der Anglikaner solidarisieren. Die in der nur 20 Kilometer von Mainz entfernten kurpälzischen Stadt herausgegebenen Schriften wurden von Hieronymus Galler vertrieben, einem reformierten Drucker, der seinem konfessionellen Engagement in Vorworten zu diesen Werken Ausdruck verlieh. Unter dem Pseudonym Henricus Salcolbrigiensis verteidigt der erste Oppenheimer Druck 1611 die Schrift des Thorner Theologen Konrad Graser gegen Becanus’ Examen Plagae Regiae. Der Autor gibt sich mit dem englisch anmutenden Namen als Brite aus und greift den Mainzer Jesuiten für seine Haltung gegenüber James I. an.232 Eine weitere in Oppenheim gedruckte Schrift richtet sich gegen Becanus’ Privilegia Calvinistarum, eine allgemein gehaltene Kontroversschrift gegen die Calvinisten, die der Mainzer 1611 mit gelegentlichen Anspielungen auf die Kontroverse mit den Anglikanern veröffentlicht hatte. Als Autor weist der Oppenheimer Druck das Pseudonym Guilielmus de Pratis aus, angeblich ein einsichtiger englischer Jesuit, der seinen Ordensbruder Becanus in einem of­ fenen Brief von der Unrichtigkeit seiner Anschuldigungen gegen die Calvinisten zu überzeugen sucht. Becanus’ Name sei in seinem britischen Heimatland in­ zwischen „äußerst berühmt“233 und er würde mit seinen Verleumdungen großes Unglück anrichten. Wie auch die erste pseudonyme Oppenheimer Schrift geht es dem offenen Brief an Becanus nicht nur um die Kontroverse um den Oath of Allegiance, sondern auch um spezifische Fragen des kontinentalen Kontexts, wie etwa der Verteidigung David Pareus’ und seiner im Römerbriefkommentar vertretenen Widerstandslehre gegen die Anschuldigungen Becanus’.234 In Pareus machte Martin Becanus den Autoren oder doch zumindest den Hintermann und die theologische Autorität dieser Oppenheimer Schrift aus. An ihn richtet sich sein in Mainz gedrucktes Iudicium über den Brief de Pratis’, der darin wiederholt als „Pseudojesuit“ und „Possenreißer“ (scurra) ge­ schmäht wird. Das Iudicium ist einer Neuauflage der Privilegia Calvinistarum angehängt und gibt sich als Schrift eines anglikanischen Geistlichen mit dem Namen Simonianus Rittingindonus aus, der sich auf die Seite Becanus’ schlägt. Ähnlich wie bei dem Pseudonym Guilielmus de Pratis SJ ist die Angabe derart unglaubwürdig, dass man sie weniger als Fälschung denn als Stilmittel ansehen sollte. Anders als bei der Oppenheimer Schrift, deren Abfassung durch Pareus 232  Salcolbrigiensis [Ps.], Becano-Baculus-Salcolbrigiensis, bes. 73–87.114–198. Beca­ nus erwiderte dieser Schrift im Rahmen seiner Schrift Dissidium Anglicanum. 233  Pratis, Epistola Ad P. Martinum Becanum, 5: „famosissimum“. 234  Ebd., 41–52.



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nicht plausibel erscheint, ist Becanus mit einer gewissen Sicherheit als Autor an­ zunehmen.235 Das Iudicium geht inhaltlich kaum noch auf die Kontroverse um den Oath of Allegiance ein und konzentriert sich auf die gegen die irenischen Bemühungen der Heidelberger gerichtete Darstellung calvinistischer Sonder­ lehren im Vergleich zu lutherischen Positionen.236 Die in Oppenheim gedruckten pseudonymen Schriften stehen möglicher­ weise in Zusammenhang mit der Publikationstätigkeit Konrad Deckers, eines Lehrers am Heidelberger Sapienzkolleg, der auch in Cambridge studiert hatte.237 Seine beiden in Oppenheim gedruckten Schriften gegen das Papsttum beinhal­ ten zwei Schriften des englischen Kontroversisten William Whitacker.

6.2.6.  Die Rezeption der Unterscheidung innerer und äußerer Kirchengewalt des Pareus im Kontext der Kontroverse David Pareus, der kurz zuvor beim „Schwalbacher Kolloquium“ auf Martin Becanus getroffen war, nahm aufmerksam Notiz von der Kontroverse um den Oath of Allegiance. Auch wenn der Kontroversschriftenwechsel erst nach der Veröffentlichung seines Römerbriefkommentars einsetzte, ist die bereits zuvor schwelende Auseinandersetzung zwischen dem Papst und den englischen Mo­ narchen ein wichtiger Hintergrund seiner Überlegungen zur Macht der Obrig­ keit und des Papstes.238 Noch 1617, nachdem die Kontroverse ihren Höhepunkt überschritten hatte, führt Pareus König James I. in einem Brief als Beispiel für einen Herrscher an, der seine Kompetenzen in Kirchensachen in seinem Sinne ausübt.239 Wie oben bereits dargestellt, wurden die politisch-juristisch wichtigsten Passagen der Auslegung Pareus’ von Röm 13 unter dem Titel Quaestiones controversae Theologicae. De Iure Regum Et Principum 1612 in Amberg gedruckt und von dem oberpfälzischen Theologen Joachim Beringer (Ursinus) heraus­ gegeben. Der Druck ist König James I. gewidmet und soll – so die Vorrede des Druckers Johann Schönfeld  – im Vorfeld der vereinbarten Eheschließung die 235 Die in Becanus’ Hausverlag Albin verlegte Schrift wiederholt in teilweise gleichen Worten die Argumentation Becanus’. Allenfalls ist an einen literarisch von ihm abhängigen Verfasser aus seinem nächsten Umfeld zu denken. Die Autorschaft Pareus’ ist bei den Oppen­ heimer Drucken indes nicht anzunehmen. Dagegen spricht, dass Stil, Argumentationsweise und intellektuelles Niveau der Schrift nicht zu den Werken David Pareus’ passen und er seine Schriften nie in Oppenheim drucken ließ. 236 [Becanus (Ps.:)] Rittingindonus, De Privilegiis Calvinistarum … Iudicium. Vgl. Kap. 5.2. 237 Vgl. Decker, De Papa Romano, 1–391; Decker, Tractatus De Proprietatibus Je­ suitarum. Zu Deckers Studienaufenthalt in Cambridge vgl. Pareus, De Pace & Unione, 2. Vgl. auch Kap. 4.3.3. 238  Vgl. auch Heckel, Cura religionis, 5 f.; Asch, No Bishop no King, 97. 239  Pareus an Lingelsheim, 6.8.1617, in: Grotius, De imperio, ed. van Dam, Bd. 2, App. 40, S. 953: „Idem facit rex Magnae Britanniae salvo ordine ecclesiastico ius suum exercens.“

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Verbindung zwischen England und der Kurpfalz stärken.240 Dem Untertitel zufolge richtet sich die Sonderausgabe gegen „Bellarmin, Becanus und andere papistische Hofschranzen“.241 Die abgedruckten dubia beziehen sich nicht nur auf die Rechte der Obrigkeit in Religionsangelegenheiten, sondern auch auf die päpstliche Gewalt in zeitlichen Dingen. Pareus zeigt sich dabei des Unterschieds zwischen der direkten Papalgewalt, etwa in der Bulle Unam Sanctam, und der potestas indirecta bellarminischer Prägung bewusst, lehnt jedoch auch Letztere ab, da sie sich nicht auf einen Schriftbeweis oder legitimen Vernunftgrund stütze.242 In Heidelberg wurde 1612 eine weitere Schrift mit dem Titel Ad Roberti Cardinalis Bellarmini librum de Temporali Potestate Papae, Commentatio ge­ druckt, die ebenfalls Stellung zu der Kontroverse um die Macht des Papstes und der Obrigkeit nimmt. In vielen Bibliothekskatalogen und Verzeichnissen wird diese Schrift irrtümlich David Pareus zugeschrieben. Mit großer Sicherheit ist die Kontroversschrift jedoch dem französischen Diplomaten und Humanisten Jacques Bongars (1554–1612) zuzurechnen.243 Aufgrund dessen freundschaftli­ cher Beziehungen zu dem Heidelberger Gelehrten Georg Michael Lingelsheim konnte die Schrift in der Pfalz anonym und ohne Nachteile für Bongars gedruckt werden. Pareus’ Schriften wurden im frühen 17. Jahrhundert auch in England rezipiert. Besonders seine exegetischen Werke, wie eben auch der Römerbriefkommentar, etablierten sich bald als „staple reading matter in English godly circles“.244 Dabei scheint auch Pareus’ Unterscheidung von äußerer und innerer Kirchengewalt von Teilen der englischen Theologen rezipiert worden zu sein. Robert Burhill, der im Verlauf der Kontroverse um den Oath of Allegiance drei Schriften gegen Becanus verfasste, wendet die Terminologie des Heidelberger Theologen in ähnlicher Weise zur kontroverstheologischen Verteidigung der Kompetenzen des Königs in Kirchensachen an.245 Burhill verteidigt in seiner ersten Schrift An­ drewes’ Tortura Torti gegen die Refutatio Becanus’. Der Mainzer hatte beweisen wollen, dass dem englischen König noch nicht einmal nach seiner eigenen hä­ 240  Pareus, Quaestiones controversae, bes. fol. 7r–v. 241  Ebd., [Titelseite]: „Bellarminum, Becanum & id genum alios Pontificia aula Parasita­ stros“. 242  Pareus, Ad Romanos, 1344; Vgl. Pareus, Quaestiones controversa, 23. 243  Walter, Späthumanismus und Konfessionspolitik, 224–226; Kohlndorfer-Fries, Diplomatie und Gelehrtenrepublik, 105. Kohlndorfer-Fries geht ebd. von einer gleichnami­ gen weiteren Schrift Pareus’ aus. Es handelt sich jedoch nur um einen Heidelberger Druck dieses Jahres, der im VD 17 und weiteren Katalogen Pareus zugeschrieben wird. Allerdings unterscheidet die Schrift sich in Argumentation und Inhalt von den anderen Schriften Pareus’ und wird auch in der posthum von dessen Sohn Johann Philipp Pareus zusammengestellten Publikationsliste nicht erwähnt. 244  Milton, The Church of England, 143. 245  Vgl. auch Heckel, Cura religionis, 73 Anm. 250; Asch, No Bishop no King, 98 mit Anm. 63.



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retischen Lehre der Primat zukomme. Gemäß der katholischen Aufteilung der drei Formen der Kirchengewalt (s. o.) argumentiert Becanus, dass die Anglikaner ihrem König weder priesterliche Weihegewalt noch die Jurisdiktionsgewalt in ihren beiden Erscheinungsformen in letzter Konsequenz zugestehen würden.246 Es sei also nicht einmal nach anglikanischer Lehre statthaft, ihm den Primat zuzuerkennen. Burhill entgegnet dieser Argumentation, Becanus habe einen unzutreffenden Begriff des Primats und verwende eine falsche Unterscheidung bezüglich der Kirchengewalt eines weltlichen Herrschers. Der Monarch habe in der anglikanischen Kirche nicht einen „geistlichen oder kirchlichen Primat“ nach katholischer Vorstellung, „sondern vielmehr einen Primat bezüglich der geistlichen oder kirchlichen Angelegenheiten und Personen“.247 An anderer Stelle übernimmt er sogar die Terminologie Pareus’ und spricht von einer „potesta[s] Regia circa res religionis“,248 die dem Herrscher anstatt einer vollumfänglichen Kirchengewalt zukomme. Wie auch Pareus bei der Darstellung seines Begriffs potestas Regia circa Ecclesiastica ist die Einführung der Unterscheidung durch Burhill eine direkte Folge der Angriffe seines katholischen Gegners. Diesem hält er entgegen: „Die kirchliche oder geistliche Gewalt ist als eine doppelte zu beschreiben: Entweder in einer weiten, umfassenden Bedeutung, dass man alle Gewalt in kirchlichen oder geist­ lichen Angelegenheiten darunter versteht oder in einer engeren, speziellen Bedeutung, dass es nichts Anderes wäre, als eine gewisse priesterliche Gewalt. Wenn du die erste Bedeutung nimmst, leugnen wir, dass daraus folgt, dass wer nicht die kirchliche oder geistliche Jurisdiktion hat, auch nicht besagte Gewalt oder den kirchlichen oder geist­ lichen Primat hat. Wenn du die letztere Bedeutung nimmst (was meines Erachtens eher anzunehmen ist), gestehen wir zu, dass der König, der keine priesterliche Gewalt (also die eines Priesters) hat, auch nicht nach diesem Sinne gänzlich die geistliche oder kirchliche Gewalt habe, sondern vielmehr eine hinsichtlich der geistlichen und hinsichtlich der kirchlichen Dinge.“249

Burhill gesteht seinem jesuitischen Gegner also zu, dass der weltlichen Obrig­ keit nach der engeren Wortbedeutung keine Kirchengewalt im Sinne einer priesterlichen Gewalt zukommt. Nach dem Vorbild der Unterscheidung des 246  Becanus, Refutatio Torturae Torti, 26, vgl. Becanus, Serenissimi Jacobi Angliae Regis [11609], 118–122. 247  Burhill, Pro Tortura Torti, 13 f.: „[non] primatum spiritualem aut Ecclesiasticum (…), sed potius primatum quoad res & personas spirituales seu Ecclesiasticas“. 248  Ebd., 238. Vgl. Pareus, Ad Romanos, 1397. 249 Ebd., 23 f.: „Ecclesiasticam seu spiritualem potestatem dupliciter dici: vel significa­ tione latiore & generali, vt potestatem omnem in causis Ecclesiasticis, seu spiritualibus com­ prehendat: vel significatione strictiore & speciali, vt nihil aliud sit, quàm potestas quaedam sacerdotalis. Priore significatione si accipis negamus consequi, vt si non habet Iurisdictionem Ecclesiasticam seu spiritualem, nec potestatem habeat, nec Primatum Ecclesiasticum seu spi­ ritualem. Posteriore modo si accipis (quomodo fateor magis proprié accipi) concedimus Regem, vt qui sacerdotalem (id est sacerdotis) potestatem nullam habeat, nec primatum hoc sensu nec omnino potestatem spiritualem, seu Ecclesiasticam habere, sed tantum quoad spiritualia quoad Ecclesiastica.“

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Pareus spricht er diesem die kontroverstheologisch leichter zu verteidigende potestas Regia circa res religionis zu, welche nicht die von Becanus eingeforderte Weihegewalt und die volle Jurisdiktionsgewalt umfasst. Hierbei handelt es sich um eine im englischen Kontext neu aufkommende konzeptionelle Begrenzung der königlichen Kompetenzen, die auch von anderen Publizisten in kontroversapologetischer Absicht vorgenommen wird.250 Zu einem Abbruch der Rezeption David Pareus’ kam es erst ein Jahrzehnt später. Die in seinem Römerbriefkommentar enthaltene Widerstandslehre einer untergeordneten Obrigkeit wurde im Zuge einer gewachsenen antipuritanischen Stimmung in England problematisiert. Der Theologe David Owen (gest. 1623) gab 1622 eine Kontroversschrift mit dem Titel Anti-Paraeus heraus, in der vor einer gefährlichen Übereinstimmung der „Puritano-Papistae“251 wie Pareus, Becanus und Bellarmin warnt und dementgegen die Regia potestas absoluta betont. Auf Befehl James’ I. wurde daraufhin der Römerbriefkommentar des Heidelberger Theologen verboten und verbrannt.252

6.2.7.  Becanus’ abschließende Schrift Controversia Anglicana und ihre Indizierung Im Jahr 1612 bereitete Becanus seine letzte Schrift in der Kontroverse um den Oath of Allegiance vor, die im Spätsommer unter dem Titel Controversia Angli­ cana. De Potestate Regis Et Pontificis veröffentlicht wurde. Ähnlich wie bei seiner ersten Schrift geriet Becanus auch hier aufgrund im Eifer entstandener unbe­ dachter Formulierungen in Konflikt mit Rom, was ihm in diesem Fall sogar eine vorübergehende Indizierung und die Verurteilung seiner Schrift durch die Pariser Sorbonne einbringen sollte. Aufgrund dieser Entwicklungen zählt die Kontroversschrift zu den bekanntesten Werken Becanus’. Die Controversia Angli­cana richtet sich erneut gegen Lancelot Andrewes, der nach seiner Tortura Torti ein weiteres Buch gegen Bellarmin verfasst hatte. Da der Bischof von Ely einer persönlichen Erwiderung des Kardinals nicht wert sei,253 nahm Becanus diese Aufgabe auf sich. Konträr zu der Eingrenzungsstrategie, sich auf die Fehler und Widersprüche seiner Gegner sowie unverfängliche Lehrsätze zu beschränken, wie sie Becanus nach der Zensur seiner ersten Schrift in der Kontroverse angewandt hatte, wagt sich der Mainzer Jesuit in der Controversia Anglicana erneut an die gefährliche 250 Vgl. Asch, Von der „monarchischen Republik“ zum Gottesgnadentum, 141. 251  Owen, Anti-Paraeus, 2–4. 252  Ebd., 159–161; Asch, No Bishop no King, 99. Anlass war eine in Oxford gehaltene Predigt, die Pareus zitierend ein Widerstandsrecht entwarf und das Missfallen des Königs er­ regte. Darauf verfasste der königstreue Theologe David Owen einen Anti-Pareus, gegen den Johann Philipp seinen verstorbenen Vater in seiner Zusammenstellung Pareus, De Potestate Ecclesiastica … Vindicatio, verteidigt. 253  Becanus, Controversia Anglicana [11612], 6.



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Thematik des Verhältnisses von Papst und weltlichem Monarchen. Eingangs erläutert Becanus, dass so wie der Oath of Allegiance ein zweifacher Eid sei, der einerseits den Primat des Königs und andererseits die mögliche Entbindung der Untertanentreue durch den Papst betreffe, auch die Kontroverse eine zweifache sei.254 Nach Stefania Tutinos Deutung ließ sich Becanus zu der Abkehr von seiner vor weiteren Zensuren bewahrenden Strategie hinreißen, da Andrewes bei seinen Angriffen auf Bellarmin in besonderer Weise auf diese kontroverse Thematik eingeht und somit eine Neuorientierung der Strategie Becanus’ er­ forderlich machte.255 Allerdings könnte die Ausrichtung der Schrift auch darin begründet sein, dass Becanus statt einer am Gegner ausgerichteten Gelegen­ heitsschrift einen umfassenden und abschließenden Beitrag zur bereits über Jahre anhaltenden Kontroverse schreiben wollte. Die Controversia Anglicana erhebt bereits im Titel den Anspruch einer übergreifenden Perspektive und verwendet Andrewes Schrift eher als Anlass denn als Vorlage und richtet sich immer wieder auch gegen andere anglikanische Gegner. Die Schrift erweckt den Eindruck, dass sie bereits als letzte Schrift Becanus’ in der Kontroverse geplant war und dies nicht erst Folge der Indizierung war. Somit lässt sich die Controversia Anglicana als ein überdachtes Schlusswort betrachten und nicht als eine erzwungene Strategiewende. Zur Vorbereitung der Controversia Anglicana beschäftigte sich Becanus intensiver mit dem Alten Testament, das sowohl von seinen kontinentalen als auch britischen Gegnern zur Begründung der Kompetenzen weltlicher Obrig­ keit in Religionsangelegenheiten beständig heranzogen werde. Als Schlüssel zur kontroverstheologischen Widerlegung der Positionen seiner protestantischen Gegner zum alttestamentlichen Königtum sah er die exegetische Beschäftigung mit den Hohepriestern im Alten Testament. Vermutlich in Verbindung mit seiner Lehrtätigkeit in Mainz veröffentlichte er im Frühjahr 1612 die exegetische Schrift De Pontifice Veteris Testamenti. Et De Comparatione illius cum Rege. Auf­ grund seiner Exegese kommt er zu dem wenig überraschenden Schluss, dass im Alten Bund die Hohepriester die Könige in jeder Hinsicht übertrafen: „1. Nach Herkunft und Alter, 2. nach der Abstammung, 3. nach der Weihe, 4. nach der Sal­ bung, 5. nach der Amtstracht, 6. nach auszuführenden Diensten, 7. nach ihrer Exemption [i. e. Befreiung von Rechtspflichten], 8. nach ihrer Autorität. Und das alles habe ich aus den Heiligen Schriften bestätigt.“256

Nicht ohne Stolz schließt Becanus diesem Fazit den Hinweis darauf an, diesen Nachweis nur aufgrund der Heiligen Schrift, so wie von den Protestanten ver­ 254  Ebd., 13. 255  Tutino, Empire of Souls, 23 f. Vgl. Andrewes, Responsio ad Apologiam Cardinalis Bellarmini, bes. 73–87. 256  Becanus, De Pontifice Veteris Testamenti, 125: „1. titulo originis & antiquitatis. 2. fami­ liae. 3. inaugurationis. 4. vnctionis. 5. ornatus. 6. officii. 7. exemptionis. 8. authoritatis. Et haec omnia ex sacris litteris confirmaui.“ Vgl. ebd., 87–127.

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langt, geführt zu haben. Hierbei verlässt er sogar die Bahnen der geläufigen zeit­ genössischen Bibelauslegung und verweist bei aus der Bibel nicht zu klärenden Fragen ergänzend auf Philo von Alexandria und Flavius Josephus, „die beide als gebürtige Hebräer äußerst bewandert in den hebräischen Angelegenheiten waren“.257 Diese Erkenntnisse sind für Becanus nicht rein antiquarischer Natur. Da sich Alter und Neuer Bund wie Schatten und Körper verhalten, seien auch Erkennt­ nisse über den Hohepriester im Alten Testament und dessen Vorrangstellung vor dem König auf die Verhältnisse im christlichen Gemeinwesen und den Papst anzuwenden. „Es ist vorauszuschicken, dass sich der Hohepriester (Pontifex) des Alten und Neuen Bundes, also Aaron und Petrus, nicht weniger voneinander unterscheiden, wie der Alte und der Neue Bund selbst.“258 Seine Erkenntnisse ließen sich auf dreifache Art anwenden.259 Katholiken könnten lernen, dem Papst unbedingten Gehorsam zu leisten, wie es auch die Israeliten gegenüber Mose anstelle ihres Murrens hätten tun sollen. Die aduersarios, seine protestantischen Gegner in der Kontroverse, könnten aus der von ihnen hoch geschätzten Bibel ihre eigenen Fehler in der Bewertung des König- und Papsttums einsehen. Die Könige schließlich könnten aus diesen Erkenntnissen ihren rechten und gottgewollten Platz erfahren. James I., aber auch andere Monarchen, werden hier ungenannt angesprochen. Auch wenn De Pontifice Veteris Testamenti nicht als Kontroversschrift im engeren Sinne kon­ zipiert ist, ist der Kontext der Auseinandersetzung um den Oath of Allegiance deutlich spürbar.260 Seinen exegetischen Vergleich des alttestamentlichen Königs mit dem Hohe­ priester übernahm Becanus teilweise wortgleich als ersten Teil seiner Controversia Anglicana.261 Auch die anderen Teile über den Primat und den Treueschwur sind in dieser Schrift um Beispiele aus dem Alten Testament angereichert. Eine dieser Passagen sollte jedoch zum Hauptgrund der Pariser Verurteilung und der Indizierung des Buchs werden. Als Beispiel für die umfassende Macht des alttestamentlichen Hohepriesters führt Becanus ausführlicher als in voran­ gegangenen Schriften die biblische Erzählung der judäischen Königin Atalja (2 Kön 11/2 Chr 22,10–23,21) an. Nachdem in den Wirren der Jehu-Revolte König Ahasja von Juda getötet wurde, ließ dessen Mutter, die Omridin Atalja, alle Mitglieder des davidischen Königshauses ermorden und machte sich selbst zur Königin. Im siebten Jahr ihrer Herrschaft kam es jedoch unter der Führung 257  Ebd., 125: „qui ambo, vtpote Hebraei nati, fuerunt rerum Hebraicarum peritissimi“. Vgl. ebd., 125–127. Vgl. Kap. 4.1.4. 258  Ebd., 127: „Praemittendum est, Pontificem veteris ac noui Testamenti, v. g. Aaronem & Petrum, non minus inter se distare, quàm vetus ac nouum Testamentum inter se distant.“ 259  Ebd., 127– [136] (fälschlich als S. 124 paginiert). 260  Dementsprechend wurde das Buch auch in England rezipert. Vgl. etwa DeMolen, The Library of William Camden, 340. 261  Becanus, Controversia Anglicana [11612], 17–73.



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des Hohepriesters Jojada zu einem Umsturz, in dem Atalja auf Jojadas An­ weisung abgesetzt und getötet wurde, bevor der Davidide Joasch, der den von Atalja beauftragten Mördern entkommen war, als neuer König eingesetzt wurde. Dies als ein Beispiel für die Macht des Hohepriesters und somit des Papsts im Neuen Bund zu verwenden, war aus katholischer Sicht im Grunde unver­ fänglich. Auch Becanus’ Vorgänger Petrus Thyraeus und Robert Bellarmin ver­ wenden dieses Beispiel.262 Becanus ließ sich im Eifer der Kontroverse jedoch zu zwei Unachtsamkeiten hinreißen. Die erste gründet sich auf dem Versuch des Mainzers, das unter anderen von William Tooker vorgebrachte Argument zu entkräften, Atalja sei als Omridin bloß eine Usurpatorin gewesen, während der überlebende Sohn Ahasjas Joasch bereits vor dem Eingreifen Jojadas aufgrund seines Erbrechts der legitime Herrscher Judas war. Becanus verweist nun auf die langjährige Regierungszeit Ataljas, in der sie „mit Wissen und Einverstädnis des Volks“263 geherrscht habe. Wie auch andere Herrscher der Geschichte – Becanus nennt etwa die römischen Kaiser Otho, Vitellius und Vespasian – sei sie zwar nicht auf legitime Weise und nach dem Erbrecht zur Herrschaft gekommen, aber dennoch in ihrer Zeit als legitime Herrscherin anerkannt worden. Ohne an mögliche Reaktionen auch aus der eigenen Konfession zu denken, wägt Becanus Erbrecht und die Zustimmung des Volkes gegeneinander ab: „In dieser Sache ist die Zustimmung des Volkes von Wert, sodass, auch wenn ein legitimer Erbe übrig wäre, dem die Herrschaft gebührte und dies allen unverhohlen feststünde. Dennoch, wenn das Volk, den legitimen Erben außer Acht lassend, einen andern aus­ wählte, wäre jener andere wahrhaft König.“264

Becanus nimmt dies als Basis für seine Argumentation, dass dem Papst als Pontifex des Neuen Bundes die Gewalt zukommt, wie Jojada weltliche Herrscher ungeachtet ihrer Legitimität abzusetzen, insofern das Seelenheil der Untertanen bedroht wäre, wie es Atalja mit der Förderung des Baalskults getan habe und es spätere Könige durch die Förderung der Häresie täten. Seine Deutung des biblischen Texts, nach der der Hohepriester Jojada an den Geschehnissen nicht nur führend beteiligt gewesen sei, sondern die Geschehnisse sogar durch seine Amtsgewalt legitimiert seien, versucht Becanus zusätzlich mit einem erneuten Verweis auf die Jüdischen Altertümer des Flavius Josephus abzusichern.265 Eine weitere Unachtsamkeit begeht Becanus, als er auf den Aspekt der Tötung Ataljas eingeht und sich die Frage stellt, ob auch dies als Anweisung Jojadas und als Folge der hohepriesterlichen Amtsgewalt anzusehen ist. Der rhetorischen 262 Vgl. Thyraeus, Disputationis de potestate ecclesiastica, fol. F3v ; Tutino, Empire of Souls, 236. 263  Becanus, Controversia Anglicana [11612], 118: „consciente et approbante populo“. 264  Ebd., 120. „In hac re tantum valuit consensus populi, vt etiamsi superesse legitimus haeres, cui regnum deberetur, & hoc palam omnibus constaret; tamen si populus, praetermisso legitimo haerede, alium delegisset, ille alius fuisset verus Rex.“ 265  Ebd., 12 f.

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Frage, ob der Pontifex also die Gewalt hat, einen König töten zu lassen, ant­ wortet Becanus: „Diese Schlussfolgerung, ob sie nun wahr oder falsch ist, geht nicht legitim aus dem Vorangegangenen hervor, wie ich zeigen werde. Der Hohepriester Jojada entsetzte Atalja zuerst ihres Königtums und dann ihres Lebens. Deshalb entsetzte er sie ihres Königtums als Königin und öffentlicher Person. Er entsetzte sie ihres Lebens als Privatperson. Wiede­ rum entsetzte er sie ihres Königtums aus anderen Gründen, nämlich wegen Tyrannei und Idolatrie. Er entsetzte sie ihres Lebens wegen neuen Aufruhrs, den sie anstacheln wollte. […] Deshalb ist die Konsequenz nicht gültig, dass der Hohepriester aus hohepriesterlicher Gewalt Atalja ihres Königtums und ihres Lebens entsetzt, also habe er die Gewalt, Könige nicht nur abzusetzen, sondern auch zu töten. Daraus folgt lediglich, dass er die Gewalt hat, eine Privatperson zu töten, die öffentlichen Aufruhr anstiften will oder um den neuen König gegen eine neue Verschwörung zu schützen.“266

In der Frage des Tyrannenmords steht Becanus an sich mit Bellarmin und der Mehrheit der Gesellschaft Jesu auf einer Seite und lehnt diesen gegen die Thesen Juan Marianas kategorisch ab.267 Anders als Bellarmin begeht er jedoch den Fehler, das Beispiel Ataljas in dieser Hinsicht zu problematisieren. Mit seinen offenen Formulierungen („ob sie nun wahr oder falsch ist“) und der auch für viele Katholiken nicht überzeugenden Trennung zwischen Königin und vom Königtum getrennter („entsetzter“) Privatperson lässt Becanus jedoch zu viel Raum für Deutungen seiner Gegner. Hierbei zeigt sich Becanus wenig sensibel für die Befindlichkeiten seiner protestantischen und katholischen Zeitgenossen bezüglich jesuitischer Äuße­ rungen zum Tyrannenmord. Der spanische Jesuit Juan de Mariana (1536–1624) hatte in seinem Buch De Rege Et Regis Institutione eine Widerstandslehre ent­ worfen, die bis in die Zeit der Kontroverse um den Oath of Allegiance und darüber hinaus auf heftigen Widerstand in ganz Europa stieß. Obwohl er inner­ halb der Gesellschaft Jesu eine Außenseiterposition einnahm, nahmen sowohl protestantische als auch katholische Gegner Marianas Schrift zum Anlass, den Jesuiten staatsgefährdende Tendenzen zuzuschreiben.268 Als Simon Stenius 1606 bei der öffentlichen Gedenkveranstaltung zum vereitelten Gunpowder Plot vor Hof und Universität sprach, ließ er es nicht aus, darauf zu verweisen, dass diese die Absichten der Jesuiten offenbarende Schrift im Vorjahr in Mainz gedruckt 266  Ebd., 12 f.: „Hoc consequens, siue verum, siue falsum sit, non legitimè infertur ex illo antecedente; quod sic ostendo. Ioiada Pontifex prius priuauit Athaliam regno, deinde vita. Itaque priuauit illam regno, vt Reginam & publicam personam. Priuauit autem vità, vt priuatam personam. Rursum, priuauit illam regno, propter causas paulo ante assignatas, id est, propter tyrannidem & idolatriam: priuauit vitâ, propter nouam seditionem, quam uolebat excitare. (…) Itaque non ualet haec consequentia: Pontifex potestate Pontificia priuauit Athaliam regno & uita: Ergo habuit potestatem, non solum deponendi, sed etiam interficiendi Reges. Hoc solum sequitur, habuisse potestatem interficiendi priuatam personam, quae publicam seditionem moliebatur, vel defendendi nouum Regem contra nouam coniurationem.“ 267  Tutino, Empire of Souls, 235; vgl. auch Becanus, Privilegia Calvinistarum, 95–115. 268 Vgl. Höpfl, Jesuit Political Thought, 314–321; Schatz, Tyrannenmord, 250–255.



6.2. Die Kontroverse um den Oath of Allegiance

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wurde.269 Dieser Nachdruck ist jedoch sicherlich nicht von den Mainzer Jesuiten in Auftrag gegeben worden.270 Eine besonders explosive Gemengelage lag seit der Ermordung König Henris IV. 1610, für die die Jesuiten weithin der Beteiligung und Veranlassung bezichtigt wurden, in Frankreich vor. Nach der Veröffentlichung der Controversia Anglicana meldete der Nuntius in Frankreich Ubaldini nach Rom die Gefahr einer öffent­ lichen Verurteilung des Werks durch das Pariser Parlament und die Sorbonne, wo König James I. durch seine Gesandten Protest gegen Becanus hervorzurufen versuchte.271 Der Protest der Franzosen richtete sich auf die politischen Implika­ tionen der Controversia Anglicana, auf die bereits in der Kontroverse zwischen Bellarmin und Barclay abgelehnte Absetzungsgewalt des Papstes, die implizierte Abwertung der Erbfolge und vor allem Becanus’ Äußerungen zur Tötung Ataljas aus der pontifizialen Machtgewalt.272 Die am 1. Februar 1613 datierende Ver­ urteilung des Buchs trägt dementsprechend als Sinnspruch auf der Titelseite die Worte aus 1 Sam 26,9 „Wer streckte seine Hand an den Gesalbten des Herrn und bliebe ungestraft?“,273 mit denen sich David gegen jedes gewaltsame Vorgehen gegen den bei Gott in Ungnade gefallenen König Saul ausspricht. Seit der vorübergehenden Verurteilung des Ordens durch die Sorbonne 1554, aus der der Gesellschaft Jesu ein immenser Reputationsschaden entstanden war, standen die Pariser Theologische Fakultät und das Parlament zu den Jesuiten in einem problematischen Verhältnis. In den Jahren nach der Ermordung Henris IV. 1610 kam es zu einer regelrechten Welle an Verurteilungen jesuitischer Schriften politischen Inhalts, die neben Becanus’ Controversia Anglicana auch Bellarmins Schrift gegen Barclay und die gegen James I. gerichtete Defensio fidei des Francisco Suarez umfasste.274 In ihrer Ablehnung der von den Jesuiten ver­ tretenen papalistischen Lehren stand die Sorbonne den Protestanten so nahe, dass der Heidelberger Rat Michael Löfenius in seiner Wolmeinende Warnung An alle Christliche Potentaten und Obrigkeiten, Wider Deß Bapsts unnd seiner

269  Stenius, Publica Gratiarum Actio, fol. C3v. 270  Mariana, De Rege Et Regis Institutione. Das Buch wurde zwar 1605 in Mainz bei Balthasar Lipp, der auf Nachdrucke internationaler Autoren spezialisiert war und nur im Ausnahmefall für die örtlichen Jesuiten arbeitete, gedruckt, wurde jedoch von dem protes­ tantisch geprägten Verlagshaus Andreas Wechel Erben in Hanau in Auftrag gegeben. Weitere Informationen über die Partnerschaft des Verlags und des Druckers sind nicht bekannt. Der Druck beinhaltet kein einordnendes Vorwort und geschah offenbar primär aus verlegerischer Gewinnabsicht. 271 Vgl. Tutino, Empire of Souls, 23 f. 272  Recueil de ce qui s’est faict en Sorbonne, 9–11. 273  Ebd., Titelseite: „Quis extendet manum suam in Christum Domini, et innocens erit?“ 274  Höpfl, Jesuit Political Thought, 32 f.; Leube, Der Jesuitenorden und die Anfänge nationaler Kultur, 1 f.; vgl. zu Suarez Schrift in der Kontroverse um den Oath of Allegiance Werner, Franz Suarez, 96–172.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

Jesuiten hochgefehrliche Lehr und Prackticken die Pariser als „friedliebende Papisten“275 von der geschmähten Gesellschaft Jesu abgrenzt. Die von Nuntius Ubaldini berichteten Bedenken über Becanus’ Werk riefen bereits vor der Verurteilung durch die Sorbonne nun auch Rom auf den Plan. Becanus, der im Laufe der Kontroverse seinen Ruf als einer der wichtigsten ka­ tholischen Kontroversisten ausgebaut hatte, konnte aufgrund der Verwicklung der Sorbonne dieses Mal nicht darauf hoffen, wie bei seiner ersten Schrift in der Kontroverse mit einer nichtöffentlichen, wenig umfangreichen Zensur davon­ zukommen. Zu gewichtig waren die Anklagen der Franzosen, die Becanus’ The­ sen gar als „viel schlimmer als die von Mariana“276 schmähten. Offenbar schützte jedoch Bellarmin seinen Ordensbruder, sodass Becanus nicht namentlich indiziert wurde, was schwerwiegende persönliche Folgen hätte haben können, und erwirkte, dass die Controversia Anglicana lediglich mit dem Vermerk donec corrigatur, also nur bis zu einer Emendation, indiziert wurde.277 Neben der unbedachten Argumentation zum Beispiel Ataljas störte sich Rom jedoch an einer Stelle, die in Paris kein Missfallen erregte. Um zu zeigen, dass der englische König auch nach dem Naturrecht nicht den geistlichen Primat be­ anspruchen kann, bemüht Becanus eine radikale Auslegung der von Bellarmin gegen eine potestas directa betonten naturrechtlichen Trennung geistlicher und weltlicher Gewalt: „Nicht nach dem Naturrecht. Denn diese beiden Primate, der geistliche und der weltliche, sind nach der Natur der Sache geschiedene, weil sie unterschiedliche Dienste und Amts­ bereiche haben, wie dargelegt wurde, und man kann den einen vom anderen trennen, weil in Christus der geistliche Primat ohne den weltlichen war und dementgegen in Kaiser Tiberius der weltliche ohne den geistlichen. Also sind sie naturrechtlich oder aus der Natur der Sache nicht miteinander verbunden. Also hat der König, der den weltlichen Primat hat, nach dem Naturrecht nicht auch den geistlichen, sowie Christus, der den geistlichen Primat hatte, nach dem Naturrecht nicht auch den weltlichen.“278

Nach dem Jesuswort Joh 18,36 („Mein Reich ist nicht von dieser Welt“) ent­ wirft er eine naturrechtliche Trennung geistlicher und weltlicher Gewalt, die nach Bellarmin gestaltet ist, jedoch über die Position des Kardinals hinausgeht. Eine ähnliche Argumentation hatte er bereits in seiner Refutatio gegen James I. 275  Löfenius, Wolmeinende Warnung, 14. 276  Ubaldini [Nuntius in Paris] an Kardinalnepot Borghese, 22.11.1612, ASV Segr. St., Francia 55, fol. 275v : „molto peggiore di quello di Mariana“; vgl. ebd., fol. 277r. 277  Tutino, Empire of Souls, 25 f. 278  Becanus, Controversia Anglicana [11612],77: „Non iure naturali. Nam isti duo Pri­ matus, spiritualis & temporalis, ex natura rei, distincti sunt, cùm habeant distincta officia & tribunalia, vt explicatum est, & alter ab altero separari potest, quia in Christo fuit Primatus spi­ ritualis sine temporali: & è contrario, in Tiberio Imperatore fuit temporalis sine spirituali: Ergo iure naturali, sine [sic: siue] ex natura rei, alter alteri connexus non est: Ergo Rex, qui habet Primatum temporalem, non ideo iure naturali habet spiritualem, sicut Christus, qui habuit spi­ ritualem, non ideo iure naturali habuit temporalem.“



6.2. Die Kontroverse um den Oath of Allegiance

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vertreten,279 als lediglich seine Ausführungen zum privilegium fori Gegenstand der Zensur wurden. Diese von Stefania Tutino treffend als „ultra-Bellarminian slip“280 bezeichnete Position Becanus’ wurde dem Mainzer Jesuiten neben den Passagen zu Atalja und einigen weniger gewichtigen Stellen vom römischen Index angekreidet. Zwar hatte sich die Bellarminische Position weitgehend durchgesetzt, doch neigten einige in Rom Vorstellungen zu, die eher eine potestas directa des Papstes befürworteten. Während Becanus stillhielt und die emendierte Version seiner Controversia Anglicana vorbereitete, nahm sich sein kurz zuvor nach Mainz gekommener Kollege Adam Contzen der Sache an. In einem Brief an Bellarmin, der einzigen Quelle zum Inhalt der römischen Zensur, ereifert er sich über die in seinen Augen ungerechtfertigte Zensur, die mit Becanus einen besonders treuen Sohn und Diener der römischen Kirche treffe. Selbstbewusst macht er Bellarmin den Vorwurf, die Zensur sei einseitig nach den Ansichten der Sorbonne ausgerichtet, und trägt dem Kardinal eine Kommentierung der Zensuren als „Urteile der deutschen Nation“281 vor. In den Hauptstreitpunkten um die naturrechtliche Trennung geistlicher und weltlicher Gewalt und die Passagen zu Atalja habe Becanus lediglich den Standpunkt der römischen Kirche vertreten und sich keiner Häresie schuldig gemacht. Außerdem seien einige Zensuren belanglos oder verwirrend. So wurde etwa bemängelt, dass Becanus irrtümlich im Vor­ wort geschrieben habe, der Widmungsempfänger Kardinal Sforza sei der letzte Überlebende aus dem Kardinalskollegium Gregors XIII. Zudem berücksichtige die Zensur der Indexkongregation den spezifischen deutschen Kontext nicht ausreichend. Die Beanstandung, dass Becanus zu Unrecht James als legitimen Herrscher in weltlichen Dingen bezeichnen würde, sei in Deutschland nicht vertretbar, wo die Legitimität auch häretischer Herrscher eine politische Not­ wendigkeit sei.282 Ordensgeneral Acquaviva versuchte in der angespannten Si­ tuation die Kontrolle zu erlangen, indem er zunächst eine Art „Maulkorberlass“ in der englischen Angelegenheit für alle deutschsprachigen Jesuitenprovinzen aussprach283 und anschließend in persönlichen Briefen an Becanus, Contzen und den Mainzer Rektor Hager die Gemüter zu beschwichtigen suchte.284 Becanus nutzte die Chance, eine emendierte Version herauszugeben, und ließ diese unter Abänderung aller in der Zensur angesprochenen Punkte im Früh­ jahr 1613 drucken. Die kritisierten Stellen änderte er zumeist nur minimal unter 279  Becanus, Serenissimi Jacobi Angliae Regis [11609], 21–25. 280  Tutino, Empire of Souls, 238. 281  Contzen an Bellarmin, 26.3.1613, ed. Döllinger/​R eusch, 253: „iudicia Germanicae nationis“. 282  Ebd., 255. 283  Acquaviva an die Provinzialen und Rektoren der deutschen Assistenz des Ordens, 5.1.1613, ARSI Rhen. Inf. 5, fol. 401r. 284  Acquaviva an Becanus, Contzen und Hager [drei separate Briefe], 4.5.1613, ARSI Rhen. Inf. 5, fol. 408r.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

Heranziehung des teilweise von Bellarmin vorgeschlagenen Wortlauts. Nur das letzte Kapitel, in dem er genauer auf die Vorlage Lancelot Andrewes eingeht, ist stärker erweitert, was jedoch nicht in einem direkten Zusammenhang mit den Zensuren steht.285 Die emendierte Version stellt somit eine inhaltlich wenig veränderte, lediglich subtiler formulierte Fassung dar. Der oben zitierte Absatz zur Bedeutung der Zustimmung des Volkes und des Erbrechts in der Passage zu Atalja ist in der emendierten Fassung ersatzlos gestrichen, der nur von der Sorbonne angegriffene Absatz über die Macht des Pontifex, einen abgesetzten König töten zu lassen, ist hingegen im Wortlaut unangetastet.286 In der „zu bellarminischen“ Passage über die naturrechtliche Trennung geistlicher und weltlicher Macht ist nur die Spitzenthese, dass Christus einen rein geistlichen Primat ohne jeglichen weltlichen Anteil besaß, dadurch verfremdet, dass diese als „Sätze der Gegner“ gekennzeichnet sind und nur „ihnen zufolge“287 gelten. Becanus lässt dabei offen, auf welche „Gegner“ er sich bezieht und wie er selbst zu der These steht. Es ist nicht sofort ersichtlich, aus welchen Gründen Becanus’ Controversia Anglicana vorübergehend indiziert wird, zumal die öffentliche Reaktion aus Rom für die katholische Seite ein enormer Reputationsschaden in der Kon­ troverse um den Oath of Allegiance bedeutete. James I., den die Nachricht der Indizierung Becanus’ über den Kummer um den Fortgang seiner Tochter nach Heidelberg hinweggebracht haben soll,288 deutete das Vorgehen Roms dahin­ gehend, dass man lediglich einer härteren Verurteilung zuvorkommen wollte.289 Der Reputationsschaden des Vatikans in England wurde gar als „irreparabel“290 angesehen. Der Sorbonne gingen jedoch die Korrekturen zur Atalja-Passage in der emendierten Fassung nicht weit genug. Zwei jesuitenfeindlich eingestellte Gallikaner, der Jurist Louis Servin (1555–1626) und der Theologe Edmond Ri­ cher (1559–1631), ließen das Urteil der Sorbonne gegen Becanus in lateinischer und französischer Sprache, angereichert durch weitere „Schriftbeweise“ der po­ litischen Absichten der Jesuiten, drucken.291 In der lateinischen Fassung wurde das Urteil noch im Jahr 1613 in London im Anhang einer anonymen in London verlegten Streitschrift gegen die Legitimität des Pontifikats Pauls V. und schließ­ lich auch im kurpfälzischen Oppenheim bei Hieronymus Galler gedruckt.292 285 Vgl. die vorgenommenen Korrekturen Becanus, Controversia Anglicana [21613], [Titel].11.89.112.116.135.22 f. Vgl. mit Becanus, Controversia Anglicana [11612], [Titel].9.​77.​ 98.102.120.17 f. 286  Becanus, Controversia Anglicana [21613], 135.139. 287  Ebd., 89: „sententia aduersariorum“; „secundum illos“. 288 Vgl. Tutino, Empire of Souls, 24 f. 289  James I., Remonstrance for the Right of Kings, ed. McIlwain, 247. Ähnlich deutet auch Döllinger/​R eusch, Moralstreitigkeiten, I, 544 die Indizierung. 290  Anonymes Avisum, 20.2.1613, ASV Segr. St., Inghilterra 19, fol. 82r: „irreparabile“. 291  Vgl. Recueil de ce qui s’est faict en Sorbonne. Vgl. auch Ubaldini an Mellini, 23.4.1613, ASV Segr. St., Francia 55, fol. 276v. 292  Summa actorum facultatis theologiæ Parisiensis [London]; Novus Homo [Marta],



6.2. Die Kontroverse um den Oath of Allegiance

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Rom wollte mit der vorübergehenden Indizierung der Controversia Anglicana offenbar ein Signal in Richtung Paris senden, ohne jedoch gänzlich auf die französischen Kritikpunkte einzugehen.293 Die von Adam Contzen kritisierten belanglosen Zensuren sind möglicherweise damit zu erklären, dass die Zensoren nicht den Eindruck erwecken wollten, lediglich die Kritikpunkte der Sorbonne wiederzugeben. Bei dieser Gelegenheit wurde auch Becanus’ „ultra-Bellar­ minian slip“ moniert. Becanus wurde dabei äußerst schonend behandelt.294 Da er nie namentlich in einen veröffentlichten Index aufgenommen wurde, hatte die Affäre keine Auswirkung auf seine Position und seine weitere Karriere als Professor und kaiserlicher Beichtvater. Auf die Controversia Anglicana folgten zwar noch Gegenschriften auf eng­ lischer Seite, für Becanus war die Kontroverse jedoch beendet. Auch insgesamt nahm die Zahl der veröffentlichten Schriften in der nun über fünf Jahre andau­ ernden Kontroverse um den Oath of Allegiance nach dem Jahr 1613 merklich ab. Der Causa Becanus lässt sich entnehmen, dass dem Verhältnis zu Frankreich trotz massiver Differenzen für Rom eine höhere Priorität zukam als der Aus­ einandersetzung mit dem englischen König. In den Worten Stefania Tutinos wurde Becanus mit der Indizierung als „scapegoat for the benefit of French Catholicism“295 geopfert. Als „Sündenbock“ oder vielleicht besser als „Bauern­ opfer“ scheiterte Becanus in erster Linie an seinem großen Eifer, seine Gegner mit neu angepassten und überspitzten Argumenten auszustechen.

6.2.8. Fazit Wie auch andere Kontroversen zwischen den europäischen Machthabern und dem Papsttum, die im frühen 17. Jahrhundert gehäuft ausbrechen, kommt der Auseinandersetzung um den Oath of Allegiance eine hohe Bedeutung für die Entwicklung der politischen Ideen in der Frühen Neuzeit zu.296 Einer der be­ deutendsten Erträge dieser interkonfessionell und innerkatholisch geführten Kontroversen ist die durch Bellarmin geprägte Neubestimmung der päpstlichen Gewalt in zeitlichen Dingen als eine potestas indirecta, die sich leichter gegen katholische wie auch protestantische Kritik verteidigen ließ, doch zunächst auf Supplicatio ad Imperatorem, [Anhang (neu paginiert)]; Summa actorum facultatis theologiæ Parisiensis [Oppenheim]. Die Supplicatio ad Imperatorem ist eine Kontroversschrift des italie­ nischen Juristen Giacomo Antonio Marta. Vgl. Reinhard, Papst Paul V. und seine Nuntien. Zu den Oppenheimer Drucken s. o. 293 Vgl. Ubaldini an Paolo Camillo Sfonderati, 14.2.1613, ASV Segr. St., Francia 55, fol. 337r. 294  Tutino, Empire of Souls, 245.257. 295  Ebd., 244. 296  McIlwain, Introduction, lxxxi; Bourdin, The Theological-Political Origins, bes. 201–250; Asch, Von der „monarchischen Republik“ zum Gottesgnadentum, 141. Vgl. auch Tutino, Law and Conscience, 139–193.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

Widerstand Papst Sixtus’ V. stieß. Die Kontroverse um den Treueeid James’ I. erregte dabei aus zwei Gründen besondere Aufmerksamkeit und wurde stärker und nachhaltiger rezipiert. Erstens handelte es sich um eine interkon­ fessionelle Auseinandersetzung, die stärker noch als das Interdikt über Venedig oder die Auseinandersetzung zwischen Jesuiten und Gallikanern auch die protestantischen Teile Europas erregte. Zweitens betraf die Kontroverse nicht nur die intellektuelle Elite. Da der Oath of Allegiance ausdrücklich von allen katholischen Rekusanten in England auf Verlangen geleistet werden musste und die antikatholische Stimmung nach dem Gunpowder Plot weite Bevölkerungs­ teile in England erfasste, erschienen nicht nur besonders viele Kontroversdrucke über einen ungewöhnlich langen Zeitraum, sondern auch sehr viele volks­ sprachliche Schriften und Übersetzungen. Die beiden in St. Omer verfertigten Übersetzungen von Becanus’ Schriften sind hierfür ein Beispiel. Der Konflikt zwischen dem englischen König und seinen Verteidigern und den jesuitischen Kontroverspublizisten sowie die in diesem Zuge veröffentlichten Schriften wirk­ ten nachhaltig auf deutschsprachige Autoren, die sich dem öffentlichen Recht widmeten,297 oder auch auf Hugo Grotius, der verschiedene gegen Becanus ge­ richtete Schriften rezipierte und in sein Werk einfließen ließ.298 Als zentralen Ertrag der Kontroverse um den Oath of Allegiance in Eng­ land nennt Ronald Asch zwei paradoxe Entwicklungen.299 Die nachhaltigere der beiden ist die Stärkung und Festigung der königlichen Macht über die Kirche. Durch die Auseinandersetzung mit dem Papst und seinen jesuitischen Kontroversisten wurde die Verteidigung des königlichen Primats für die an­ glikanischen Autoren zu einer Angelegenheit der Nation und ihrem Schutz vor befürchteten papistischen Übergriffen. Darüber hinaus kam es jedoch auch zu einer – wenn auch nur marginalen – Stärkung von Tendenzen zur Beschränkung der obrigkeitlichen Kompetenzen. Diese zweite Entwicklung lässt sich als eine unmittelbare Folge der konfessionellen Konkurrenzsituation beschreiben. Wie sich am Beispiel Robert Burhills gezeigt hat, provozierten jesuitische Kontro­ verspublizisten wie der Mainzer Martin Becanus die anglikanischen Autoren, zur Verteidigung ihrer Position und der Glaubwürdigkeit ihrer Seite, dem Vorwurf eines undifferenzierten Caesaropapismus mit diffusen Rechten des Herrschers durch eine konzeptionelle Begrenzung und Differenzierung obrig­ keitlicher Kompetenzen in Religionssachen zu begegnen. Nachdem zuvor mit dem Erastianismus bereits eine andere Kirchenregimentstheorie pfälzischen Ursprungs in England rezipiert wurde, war es in der Kontroverse um den Oath of Allegiance auch die Theoriebildung des Heidelbergers David Pareus, dessen Terminologie und Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Kirchenge­ 297  Vgl. etwa Reinkingk, Conclusiones CCXC, 13 und die breit rezipierte Kompilation Goldast von Haiminsfeld, Monarchia S. Romani Imperii, Bd. 3. 298 Vgl. van Dam, Introduction, 123–126. 299 Vgl. Asch, Von der „monarchischen Republik“ zum Gottesgnadentum, 140–142.



6.2. Die Kontroverse um den Oath of Allegiance

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walt zu diesem Zweck herangezogen wurde. Auch andere anglikanische Autoren wie der Bischof George Carleton (1559–1628) und der Theologe Francis Mason (1566–1621) griffen auf diese Unterscheidung zurück, um kontroverstheo­ logisch die Grenzen der königlichen Macht in der Kirche zu definieren.300 Für die Rezeption der Theorie Pareus’ wirkte die englische Kontroverse auch auf dem Kontinent katalytisch, wo der James I. gewidmete Sonderdruck seiner Auslegung von Röm 13 seine Wirkung auf die Jurisprudenz maßgeblich unter­ stützte.301 Der Fall der Indizierung der Controversia Anglicana Becanus’ verdeutlicht zudem die dynamisierende Wirkung der konfessionellen Konkurrenz auf die Argumentation der Autoren. Bereits in der geringfügig zensierten ersten Schrift gegen die Apologie James I. war Becanus aus Sicht Roms über die Stränge ge­ schlagen, indem er die Trennung weltlicher und geistlicher Macht „bellarmini­ scher als Bellarmin“ vollzog und dabei das privilegium fori abwertete. Dies war seiner kontroverstheologischen Argumentation geschuldet, mit der er das Bei­ spiel seiner Gegner, die Absetzung Abjatars durch Salomon (1 Kön 2, 22–35), zu entkräften suchte. Nachdem er in den nachfolgenden Schriften die innerkatho­ lisch kontroversen Themen gemieden hatte, setzte sich diese Tendenz in seiner letzten Schrift fort. Zu der römischen Indizierung und der Verurteilung durch die Sorbonne führten maßgeblich sein „ultra-Bellarminian slip“  – die harsch betonte naturrechtliche Trennung des weltlichen und geistlichen Primats. Hinzu kam seine Verwendung des Beispiels der Königin Atalja, deren Legitimität durch die Zustimmung des Volkes er über das Erbrecht des Davididen Joasch hebt und deren Tötung (als Privatperson) durch den Pontifex er befürwortet. Diese im kontroversen Eifer verfassten Passagen fielen bei vielen katholischen Zeitgenos­ sen auf erhebliches Missfallen. Innerhalb der Kontroverse kam es außerdem zu einem vertieften Austausch über die historischen Grundlagen des englischen Kirchenprimats des Königs und vor allem über die Rolle des Königs und des Hohepriesters im Alten Testament. Beispielhaft ist hier Becanus’ Schrift De Pontifice Veteris Testamenti zu nennen, die in kontroverstheologischer Absicht ver­ sucht, die protestantischen Gegner nur auf Grundlage der Heiligen Schrift ohne Heranziehung der Tradition zur Bedeutung des Pontifex zu widerlegen, und in der Becanus zur Unterstützung seiner Auslegung auch auf Flavius Josephus und Philo zurückgreift.

300  Carleton, Jurisdiction Regall, Episcopall, Papall, 4–6.10; Mason, Vindiciae Ecclesiae Anglicanae, 287; vgl. Asch, No Bishop No King, 10 f. 301 Vgl. Strohm, Kompetenz weltlicher Obrigkeit, 72.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

6.3.  Toleranz im Konfessionsstaat? Martin Becanus und die Kontroverse de fide haereticis servanda 6.3.1.  Bemerkungen zum Forschungsstand Das konfessionelle Zeitalter, insbesondere die Jahrzehnte vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs, wird in großen Teilen der Forschung als Epoche „selten übertroffene[r] Raserei und Intoleranz“302 beschrieben. Auf dem Feld der Tole­ ranz und Religionsfreiheit seien in diesem Zeitabschnitt kaum nennenswerte Beiträge in Theorie und Praxis geleistet worden. Teilweise wird sogar ein Rück­ schritt in der Geschichte der Toleranz konstatiert: „Die beginnende Neuzeit wurde vielmehr von einem bereits überwundenen Mittelalter eingeholt, in dem der Grundsatz gegolten hatte, daß das Verschiedene immer das Falsche sei.“303 Mit dieser Sichtweise korrespondiert auch der Umstand, dass die Zeit zwischen Sebastian Castellio und der Frühaufklärung von der Forschung zur Geschichte der Toleranz kaum behandelt wird und sie in vielen übergreifenden Darstellungen sogar übersprungen wird.304 Schon mit Blick auf die Reformation und die daraus resultierende Glaubens­ spaltung wird über die fachwissenschaftliche Öffentlichkeit hinaus kontrovers diskutiert, wie diese Epoche im Kontext der Toleranzgeschichte zu bewerten ist. Auch wenn entscheidende Ansätze bereits im Spätmittelalter und Humanismus geprägt wurden, spricht etwa Rainer Forst in seinem international rezipierten Buch „Toleranz im Konflikt“ der Reformation zu, einen „entscheidenden Schritt“305 auf dem Weg zur religiösen Toleranz darzustellen. Doch auch wenn man der Toleranz keine nähere Verwandtschaft zuschreibt, als ein „Urenkel der Reformation“306 zu sein, ist genauer zu bestimmen, in welchem Verhältnis die Entwicklung der Toleranz in der europäischen Neuzeit einerseits und Reforma­ tion und Konfessionsbildung andererseits stehen. Für die Entwicklung der Glaubensfreiheit im konfessionell gespaltenen Europa werden oftmals zwei geläufige Herleitungen angegeben: Zum einen habe sich diese aus den Erfahrungen der verheerenden Religions- und Konfessions­ kriegen gespeist, zum anderen hätten als Gegenbewegung zum verengten Dog­ matismus der konfessionellen „Orthodoxien“ aufklärerische Glaubensformen wie der Deismus oder der Indifferentismus Auftrieb gewonnen.307 So groß 302  Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit, I, 401; ähnlich u. a. Gabel, Glaube  – In­ dividuum – Reichsrecht, 172. 303  Schreiner, Toleranz, 52 f. 304  Vgl. zu diesem Umstand Salatowsky, Zwischen Hinrichtung und Duldung, 23 mit einer Beispielsammlung aus der Forschungsliteratur. 305  Forst, Toleranz im Konflikt, 153. 306  Schilling, Martin Luther, 627. 307  Vgl. kritisch zu diesen beiden Konzepten Zagorin, Idea of Religious Toleration, 8–13; K aplan, Divided by Faith, 333–358.



6.3.  Toleranz im Konfessionsstaat?

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das Erklärungspotential dieser beiden Herleitungen sein mag, wäre es jedoch zu sehr vereinfachend, die frühneuzeitliche Geschichte der Toleranz als reine Gegenbewegung zu den Großkonfessionen zu betrachten. So sind etwa deut­ liche Unterschiede zwischen den drei Großkonfessionen feststellbar.308 Auch wenn die Dichotomie toleranter Protestantismus – intoleranter Katholizismus nicht haltbar ist,309 finden sich besonders bei lutherischen Autoren und auch bei einigen Reformierten aus heutiger Sicht „fortschrittliche“ Positionen zur all­ gemeinen Religionsfreiheit und zur Todesstrafe für Häretiker. Fragen der Toleranz und Religionsfreiheit, insbesondere zur Auslegung des Religionsfriedens, waren beständiger Teil der Kontroversliteratur theologischen und juristischen Inhalts. Wie sich dieser interkonfessionelle Austausch auf die Toleranzgeschichte in Theorie und Praxis auswirkte, ist bislang nicht zufrieden­ stellend von der Forschung beleuchtet worden. Es ist zwar sicher berechtigt, auf die in der Kontroverspublizistik anzutreffende „violence of language“310 und deren negativen Effekte für das friedliche Miteinander der Konfessionen zu verweisen, jedoch wäre es zu kurz gegriffen, diese Literatur lediglich als einen Faktor zu sehen, der Intoleranz befördert hat. Mit Martin Becanus ist ein Mainzer Kontroverstheologe einer der von der Forschung noch am häufigsten herangezogenen Autoren zu Toleranz und Religi­ onsfreiheit im konfessionellen Zeitalter. Seine Bewertung differiert jedoch stark. Nicht nur Becanus’ Ordensbrüder Joseph Lecler und Bernhard Duhr stellen den Jesuiten als einen Theoretiker und in seiner späteren Rolle als kaiserlicher Beichtvater auch als Praktiker dar, der mehr Toleranz zugestand als die meisten katholischen wie protestantischen Zeitgenossen,311 oder stellen zumindest seine „bemerkenswert pragmatischen Auffassungen“312 heraus. Sascha Salatowsky be­ scheinigt Becanus hingegen, „ein und dieselbe Position“313 wie Robert Bellarmin einzunehmen, die „der nackte Terror“314 sei. Neben unterschiedlichen Heran­ gehensweisen und Bewertungsmaßstäben erklärt sich diese Diskrepanz auch daraus, dass in der Forschung bisher nur einzelne Schriften, nicht jedoch die gesamte, sich über mehrere Jahre erstreckende Entwicklung Becanus’ berück­ sichtigt wurde.315 308 Vgl. Strohm, Reformatorisches Staatsverständnis, bes. 206–214; Strohm, Konfessions­ spezifische Zugänge, 134–142; Dreitzel, Toleranz und Gewissensfreiheit, 118; Salatowsky, Zwischen Hinrichtung und Duldung (mit dem berechtigten Hinweis, dass neben den Großkon­ fessionen etwa auch die Sozinianer in die Betrachtung einbezogen werden müssen. 309  Schreiner, Toleranz, 52 f.; Luria, Religious Coexistence, 56. 310  Scribner, Preconditions of Tolerance, 47: Hieraus erwüchse die Übertragung der „vehemence of polemics into a fierce politics of intolerance“. 311 Vgl. Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit, I, 416–419; Duhr, Jesuiten-Fabeln, 157–159.19 f. 685; Schreiner, Toleranz, 48 f. 312  Gabel, Glaube – Individuum – Reichsrecht, 174. 313  Salatowsky, Zwischen Hinrichtung und Duldung, 31. 314  Ebd., 28. 315 Vgl. Dienst/​Strohm, Confessional Controversy.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

6.3.2.  Die Kontroverse zwischen Becanus und Brederode Becanus’ erste literarische Beschäftigung mit Fragen der religiösen Toleranz findet sich an wenig prominenter Stelle, löste jedoch einen über die Folgejahre andauernden Kontroversschriftenwechsel mit niederländischen Reformierten aus. Der Thesendruck Disputatio Theologica, De Fide Haereticis Servanda (1607) widmet sich anhand mehrerer kontroverstheologisch aufgeladener Fra­ gen zum Umgang mit vertraglichen Vereinbarungen zwischen Katholiken und Häretikern, worunter beispielsweise konfessionsverschiedene Ehen und auch obrigkeitlich gewährte Toleranz für Protestanten zählen. In Teilen der älteren Forschung wird dieses Werk Ludwig Hagen, dem Respondenten der Disputation zugeschrieben,316 wobei es sich allerdings um eine unzulässige Übertragung der Verhältnisse späterer akademischer Dissertationen handelt. Becanus und seine literarischen Gegner behandeln die Disputation in ihrer gedruckten Form ein­ deutig als Publikation des Präsidenten Becanus. Nach eigener Aussage möchte Becanus nicht nur die Anschuldigungen der protestantischen Gegner widerlegen, sondern sich auch innerhalb der eigenen Konfessionsgruppe gegen zwei grob skizzierte Positionen aussprechen: Er beabsichtigt eine Zurückweisung zum einen der „der Politici unserer Zeit“317, welche keinerlei Verträge und Versprechen für bindend erachteten und zum anderen jener, welche nur in Bezug auf Häretiker von diesem Sachverhalt aus­ gehen. Freilich handelt es sich gerade bei der Charakterisierung der „politici“ eher um eine überspitzte Abgrenzung zu machiavellistischen Wertmaßstäben, als um tatsächliche innerkonfessionelle Gegner.318 Hierzu betont er immer wieder seinen Grundsatz, dass nach katholischer Lehre auch Häretikern die Treue in Verträgen und Versprechen zu halten sei, und zwar „nicht weniger als Katholiken.“319 Anderslautende protestantische Vor­ würfe seien somit lediglich unhaltbare Verleumdungen. Diesen Grundsatz be­ legt er zum Erweis seiner Katholizität anhand des kanonischen Rechts und auch mit Beispielen aus der Heiligen Schrift wie dem Vertrag zwischen Josua und den Gibeonitern (Jos 9,19).320 Becanus folgt dabei den Autoritäten der spanischen Spätscholastik und insbesondere seinem Ordensbruder Luis de Molina zum Vertragsrecht.321 Obwohl Becanus primär an den theologischen Implikationen 316  So etwa Krebs, Die politische Publizistik, 142; Stieve, Die Politik Baierns, 91 f. 317  Becanus, Disputatio Theologica De Fide Haereticis Servanda, fol. )(4v : „Politicorum nostri temporis“. 318  Höpfl, Jesuit Political Thought, 159 macht sogar darauf aufmerksam, dass Becanus in seiner Grundthese, auch Häretikern sei die Treue zu halten, sich „in no way from that of any identifiable politique“ unterscheiden würde. 319  Ebd., 61: „non minus, quàm Catholicis“. Zu Becanus’ Position innerhalb der frühneu­ zeitlichen Lehre zum Vertragsrecht vgl. eingehend Decock, Trust Beyond Faith. 320  Ebd., 62–67. Becanus leitet aus dem Alten Testament eine allgemeine Erlaubnis für Bündnisse mit Andersgläubigen ab, vgl. Becker, Kriegsrecht, 28 f. 321  Decock, Trust Beyond Faith, bes. 31 f. Vgl. Zu den Grundannahmen über die Gültig­



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der Fragestellung interessiert ist, zeigt er umfassende Kenntnisse auch über die juristischen Aspekte der zeitgenössischen Diskussion um das Vertragsrecht und zitiert auch die Quellen des Römischen Rechts sowie Autoritäten wie den spa­ nischen Juristen Antonio Goméz (ca. 1501–1561).322 Erkennbar orientiert er sich dabei an den Argumenten seiner protestantischen Gegner und bemüht sich, deren Argumentation mit dem historischen Beispiel Johannes Hus’ zu widerlegen, der auf dem Konstanzer Konzil trotz der Zu­ sicherung freien Geleits hingerichtet wurde.323 Derartige Anklagen erhob auch der kurpfälzischen Geheime Rat Michael Loefenius in seiner breit rezipierten Wolmeinende Warnung An alle Christliche Potentaten und Obrigkeiten, Wider Deß Bapsts unnd seiner Jesuiten hochgefehrliche Lehr und Prackticken, die 1606 in Heidelberg gedruckt wurde. Der Gesellschaft Jesu wirft der Heidelberger Rat darin vor, einerseits katholische Obrigkeiten gegen ihre protestantischen Untertanen, andererseits katholische Untertanen gegen ihre protestantischen Mitbürger und Obrigkeiten aufzuhetzen.324 Die von Felix Stieve vorgebrachte These, der Erfolg dieses Werks habe den Mainzer Erzbischof dazu gebracht, das Thema der Disputation De fide haereticis servanda anzuordnen,325 ist rein spekulativ. Von einer Kenntnis Becanus’ um dieses Werk können wir jedoch aus­ gehen. Seine Maxime, dass legitime Verträge und Versprechen, die nicht gegen gött­ liches Recht verstoßen, stets einzuhalten sind, gilt für Becanus ausdrücklich auch für Verträge, in denen eine katholische Obrigkeit häretischen Untertanen Toleranz gewährt. Dies führt ihn jedoch zu der weiterführenden Frage, ob und unter welchen Umständen ein solcher Vertrag legitim und göttlichem Recht ent­ sprechend sein kann. Seine Prinzipien fasst er wie folgt zusammen: „Über diese Sache ist folgendes zu bemerken: 1. Religionsfreiheit ist gänzlich illegitim und göttlichem Gebot zuwider. 2. Sie ist schädlich für das Gemeinwohl. 3. Sie darf von keinem Fürsten oder Magistrat befohlen, bestätigt oder eingeführt werden, sondern ist vielmehr auf jede erdenkliche Art, wenn es praktisch zu machen ist, zu verhindern und nieder­ zuschlagen 4. Wenn er es aber praktisch nicht verhindern kann und wenn es nicht mit größerem Schaden oder Übel für das Gemeinwohl [verbunden ist], kann er für gewisse Zeit tolerieren. 5. Und wenn er auf diese Weise toleriert und es in einen Vertrag aufnimmt, muss er dabei die Treue halten.“326 keit von Verträgen in der spanischen Spätscholastik Decock, Theologians and Contract Law, 215–505. 322  Decock, Trust Beyond Faith, 31 f. 323 Ebd., 108–123: Da Hus lediglich der Schutz vor unrechtmäßiger Verfolgung ver­ sprochen sei, wäre dieses auch nicht gebrochen worden. Vgl. zur protestantischen Verwendung dieses Beispiels Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit, I, 40 f. 324  Löfenius, Wolmeinende Warnung,  6f. 325 Vgl. Stieve, Die Politik Baierns, 920. 326  Becanus, Disputatio Theologica De Fide Haereticis Servanda, 8 f.: „De hac re ita statuendum est 1. Libertatem Religionis omnino esse illicitam, &diuino precepto repugnantem. 2. Reipublicae esse pernitiosam. 3. Non debere praecipi, approbari aut introduci ab vllo principe

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Becanus trennt hier zwischen genereller Religionsfreiheit und zeitlich be­ fristeter, pragmatisch abgewogener Toleranz. Erstere ist in jedem Fall verboten, ein solcher Vertrag kann von einer katholischen Obrigkeit nicht legitim erlassen werden und ist somit auch keine unauflösliche Vereinbarung. Eine solche Praxis kann sich Becanus nur als Folge eines gefährlichen Desinteresses der Obrig­ keit am Seelenheil der Untertanen und der Kirche vorstellen, was seinen Vor­ stellungen von guter Regentschaft diametral gegenüberstünde. Dass eine solche allgemeine Religionsfreiheit darüber hinaus auch schädlich für das Gemeinwohl ist und somit auch den politischen Interessen der Obrigkeit entgegensteht, sucht der Mainzer Jesuit mit zahlreichen historischen Belegen zu untermauern. Einer befristeten Toleranz zieht Becanus enge Grenzen. Primäres Ziel der Obrigkeit muss es stets sein, die katholische Religion im ganzen Territorium einzig ver­ bindlich zu machen. Nur wenn dies außerhalb seiner Macht steht, kann er be­ grenzte Toleranz gewähren, um schlimmeren Schaden für das Gemeinwohl – zu denken ist hierbei wohl an einen für ihn nicht zu gewinnenden Bürgerkrieg – abzuwenden: „Wenn er aber dies [sc. die Durchsetzung allein des katholischen Glaubens] nicht erreichen kann ohne größeres Ungemach für das öffentliche Wohl, kann er sie tolerieren, gleichsam einem kleineren Übel [minus malum], um ein größeres zu verhindern, das sonst daraus folgen würde.“327

Mit dem Verweis darauf, dass die Wahl des kleineren Übels (minus malum) in bestimmten Fällen begrenzte Toleranz zulässt, sieht sich Becanus der katho­ lischen Tradition verpflichtet, aus der er wiederholt Augustins antidonatistische Briefe, Thomas von Aquin, Gregor de Valencia und Luis de Molina anführt.328 In der Tat hält sich Becanus in seiner ersten Schrift zu Religionsfreiheit recht eng an seine Vorlagen. Ebenfalls im Hinblick auf die Situation in Deutschland und den Niederlanden ist die Abhandlung De fide haereticis servanda des Löwener Kontroverstheologen Johannes Molanus (1533–1585) verfasst. An diesem 1584 in Köln gedruckten Werk orientiert sich Becanus bereits im Titel und zieht es mehrfach zur Zitation heran. Wenn auch sehr viel knapper beschäftigt sich Molanus ebenfalls mit der Frage nach der Gewährung religiöser Toleranz. Auch er sieht die Möglichkeit einer Ausnahme zur Vermeidung eines größeren Übels, warnt jedoch eindringlicher als Becanus vor diesem Schritt und empfiehlt, den Papst einzubeziehen.329 Diese Position, die eine scharfe Haltung mit der poli­ aut magistratu; sed potius omnibus modis, si commodè fieri potest, impediri & profligari. 4. Si autem commodè impediri non possit, nisi cum maiori damno aut malo reipublicae, aliquo tempore tolerari posse. 5. & si hoc modo toleretur, & in pactum deducatur, fidem seruandam esse.“ 327  Ebd., 102: „Si tamen id facere non possit sine grauiori incommodo boni publici, potest eam tolerare, tanquam minus malum, ad euitandum maius, quod alioqui sequeretur.“ 328  Vgl. etwa ebd., 10 f. 329  Molanus, Libri quinque, De Fide Haereticis Servanda, 4 f. Eine Ausgabe dieses Werks findet sich zudem im alten Bibliothekskatalog des Mainzer Kollegs: StAMz 14/32.



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tisch unumgänglichen Ausnahme verbindet, lässt sich geradezu als Gemeinplatz der katholischen politischen Autoren Deutschlands um 1600 begreifen. So wird sie etwa von Becanus’ Mainzer Vorgänger Petrus Thyraeus, dem Reichshofrat Andreas Erstenberger und dem Freiburger Theologen Johann Paul Windeck vertreten.330 Die wichtigste Autorität in dieser Frage ist für Becanus die Summa Theo­ logiae des Thomas von Aquin, den er durch die Vermittlung der spanischen Spätscholastik rezipiert. Von ihm übernimmt er den Grundsatz „Obwohl die Ungläubigen in ihren Riten sündigen, können sie dennoch toleriert werden, entweder um eines Vorteils willen, der daraus erwächst, oder um eines Übels willen, das dadurch vermieden wird.“331 Explizit lehnt sich Becanus an Thomas an und verwendet so wie dieser ein Augustinuszitat um zu argumentieren, dass nichtkatholische Religionsausübung in bestimmten Fällen ähnlich wie die ebenfalls sündige Prostitution zu dulden ist, um Schlimmeres zu vermeiden. Allerdings weist Becanus Ausführung einen entscheidenden Unterschied zu seinem Vorbild auf. Thomas trennt ausdrücklich zwischen infideles, auf die sich das Zitat bezieht, und haeretici, welche zu tolerieren der Aquinate unter keinen Umständen vorsieht.332 Becanus verweist nun auf das obige Zitat, aus dem her­ vorgehe, dass „man die Riten der Heiden und Häretiker tolerieren kann, um Schlimmeres zu vermeiden.“333 Diese Beobachtung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Becanus eine vergleichsweise kompromisslose Haltung gegenüber Häretikern einnimmt. Er befürwortet sowohl kirchliche als auch weltliche Strafen bis hin zur Todes­ strafe, wobei er darauf verweist, dass dies in Deutschland nicht ohne weiteres umzusetzen sei.334 Den protestantischen Anschuldigungen begegnet er damit, dass auch in den Vereinigten Provinzen der Niederlande Katholiken keine Religionsfreiheit gewährt werde.335 Für die alltägliche Koexistenz zwischen den Konfessionen, wie sie in vielen Gebieten Deutschlands gelebt wurde, betont Be­ canus den Umstand, dass die überwältigende Mehrheit der Häretiker seiner Zeit nicht namentlich, sondern als Teil ihrer Konfessionsgruppe exkommuniziert sei. Da somit im Regelfall kirchenrechtlich keine formale, sondern lediglich eine materiale Häresie vorliege, erübrigten sich einige Vorschriften des kanonischen 330  Thyraeus, De Libertate Fidei Religionis, bes. 2 f.; zu Erstenberger und Windeck vgl. Schneider, Ius reformandi, 183. 331  Thomas von Aquin, Summa Theologiae II2, q.10 a.11: „quamvis infideles in suis ritibus peccent, tolerari possunt vel propter aliquod bonum quod ex eis provenit, vel propter aliquod malum quod vitatur.“ 332  Vgl. ebd., q.11 a.3. 333  Becanus, Disputatio Theologica De Fide Haereticis Servanda, 10 f.: „ritus gentilum & haereticorum tolerari posse, ad maius euitandum.“ 334  Ebd., 77–81. 335  Ebd., 143; vgl. zur Situation der niederländischen katholischen Minderheit im frühen 17. Jahrhundert Kooi, Paying off the Sheriff.

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Rechts zum alltäglichen Umgang mit diesen. Auch in Bezug auf einen Ehever­ trag ist Häretikern daher grundsätzlich die Treue zu halten.336 Martin Becanus bleibt somit in seiner ersten Schrift, die bereits in einem kon­ troverstheologischen Kontext entstanden ist, in den Bahnen anderer katholischer Autoren seiner Zeit. Über die thomistische Position geht er nur dahingehend hinaus, dass er zwischen infideles und haeretici nicht näher unterscheidet. Zum Zeitpunkt des Erscheinens der Disputationsthesen Becanus’ war die Frage, welche Haltung die Jesuiten und die katholische Kirche zu den Vertrags­ pflichten gegenüber Häretikern einnehme, von großem öffentlichen Interesse. Kurz nach Veröffentlichung und offenbar ohne Kenntnis dieses Buchs disputier­ ten der calvinistische Prädikant Daniel Plancius (ca. 1580–1618) aus Delft und der Antwerpener Jesuit Heribert Rosweyde (1569–1629), der Initiator der von den Bollandisten fortgesetzten Acta Sanctorum, öffentlich über diese Frage und das von Plancius eingebrachte Beispiel der Hinrichtung Johannes Hus’. Plancius Thesen wurden zunächst in lateinischer, später auch in niederländischer Spra­ che veröffentlicht, woraufhin sich Rosweyde und sein Antwerpener Ordens­ bruder Robert Sweerts (1570–1646) um deren Widerlegung bemühten.337 Im kurpfälzischen Amberg erschien 1608 die anonyme Schrift Aphorismi doctrinae Jesuitarum et aliorum aliquot Pontificiorum Doctorum, eine Sammlung kom­ mentierter Sinnsprüche jesuitischer Autoren zu theologischen und politischen Themen, die deren Falschheit offenbaren sollten. Unter anderem dürften die Jesuiten durch geschickte Doppeldeutigkeiten lügen (aequivocatio), würden bei Konfessionsverschiedenenheit die Eheversprechen und -verträge für ungültig erklären und Häretikern gegenüber die Treulosigkeit bis hin zum Tyrannen­ mord erlauben.338 Becanus entgegnete dem pfälzischen Druck seinerseits mit einer Sammlung angeblicher Lehren seiner Gegner mit dem Titel Aphorismi Doctrinae Calvinistarum. Er verteidigt die katholische Position mit einer kurzen Zusammenfassung seiner unlängst erschienenen Disputation, auf die er für Wei­ teres verweist,339 und baut sein Argument weiter aus, dass auch die Calvinisten den Katholiken und beispielsweise in Hessen sogar den Lutheranern keinerlei Toleranz gewährten.340 Die unmittelbar erschienene Amberger Antwortschrift 336  Becanus, Disputatio Theologica De Fide Haereticis Servanda, 81–82; vgl. Dreitzel, Toleranz und Gewissensfreiheit, 120; Happel, Katholisches und Protestantisches Christentum, 44. 337  Plancius, Dissertatio De Fide Haereticis non servanda (Amsterdam 1608); Plancius, Reden-strijd van de Ketters ghenn gheloove te houden (Amsterdam 1609); Rosweyde, De fide haereticis servanda (Antwerpen 1610); Sweerts, De fide haereticis servanda (Antwerpen 1611). 338 [Anonym], Aphorismi Doctrinae Jesuitarum, 32–43. Die Schrift erlebte mehrere Auf­ lagen und lehnt sich an die englische Vorlage Morton, An exact discoverie of Romish Doctrine (London 1605) an. Zu dem in der antijesuitischen Polemik häufig erhobenen Vorwurf der Duldung von Meineid und Lüge vgl. Duhr, Jesuiten-Fabeln, 921–925. 339  Becanus, Aphorismi Doctrinae Calvinistarum, 110–112. 340  Ebd., 32.35–37.



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verzichtet, auf die von Becanus angeschnittenen politischen Themen einzuge­ hen, und konzentriert sich auf die theologischen Streitpunkte.341 Zum Auslöser einer viele Schriften hervorbringenden Kontroverse wurde der unscheinbare Mainzer Druck durch einen Anhang gegen das im gleichen Jahr erstmals erschienene Pamphlet Foederatorum Inferioris Germaniae Defensio Tertia, Contra Calumniam Pacis Perturbatae Et Penitus gerichtet ist und dieses zu widerlegen sucht. Diese Schrift ist im Kontext der Vorbereitungen des Zwölf­ jährigen Waffenstillstands (Twaalfjarig Bestand 1609–1621) zwischen Spanien und den Niederlanden entstanden. Mutmaßlicher Autor des anonymen Werks ist Pieter Cornelis van Brederode (ca. 1559–1637), ein international bekannter Jurist und niederländischer Botschafter im Reich.342 Ein Schwerpunkt von Brederodes Arbeit war es, bei den protestantischen Reichsständen, insbesondere der Kurpfalz und anderen reformierten Territorien, für die Interessen der Niederlande und um ihre finanzielle Unterstützung zu werben. Neben dieser verfasste er weitere ge­ druckte und handschriftliche Abhandlungen vergleichbaren Inhalts, die er offen­ bar an verschiedene Fürstenhöfe im Reich verschickte.343 Dabei wirbt er für den harten Kurs, den die durch Seesiege gestärkten Niederlande bei der Vorbereitung von Friedensverhandlungen fuhren, indem er die deutschen Verbündeten des äu­ ßerst kostspieligen Konflikts auf die besondere Gefahr einschwört. Da die Spanier sich ihres katholischen Bekenntnisses wegen nicht an Verträge mit Häretikern gebunden fühlten und diese jederzeit mit päpstlichem Dispens auflösen könnten, sei ein normaler Friedensvertrag mit dem tyrannischen König Philipp III. nicht möglich. Die Katholiken seien in dieser Hinsicht schlimmer als die Türken, des­ halb müsse man auch im Falle eines Friedensschlusses mit religiöser Verfolgung rechnen.344 Dass für die Spanier das Ziel von Friedensverhandlungen nur die Auslöschung der reformierten Religion sein könne, versucht Brederode durch be­ ständig herangezogene Zitate kanonischer und päpstlicher Rechtstexte sowie von jesuitischen Autoren zu belegen. In der Tat erwies sich die Toleranzfrage in den 1607 beginnenden Verhandlungen zum Waffenstillstandsvertrag, die auf beiden Seiten kritisch gesehen wurden, als zentrales Thema. Die Spanier forderten die freie Religionsausübung aller Katholiken in der Republik, die jedoch nicht rezi­ prok den protestantischen Untertanen in den spanischen Niederlanden gewährt werden sollte, was den Generalstaaten als unannehmbar galt.345 341  Vgl. [Anonym], Ad Martini Becani, Jesuitae Moguntini, Aphorismos, quos vocat, Calvi­ nisticos, Notae (Amberg 1609). 342  Sibeth, Friede als Fortsetzung, bes. 48 f. 343  Ebd., 485–485; es handelt sich dabei um die ebenfalls anonymen bzw. pseudonymen Schriften Foederatorum Inferioris Germaniae Defensio Secunda und Repraesentatio Pacis Generalis. Eine „Defensio Prima“ ist in den einschlägigen Verzeichnissen und Bibliotheken nicht auffindbar (vgl. Sibeth, Friede als Fortsetzung, 484). Vgl. zur Tätigkeit Brederodes in Deutsch­ land Arndt, Das Heilige Römische Reich, 82. 344 [Brederode], Foederatorum Inferioris Germaniae Defensio Tertia, bes. 59–67. 345  Thomas, Treaty of London, 288; Estríngana, Preparing the Grounds, 38–47.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

Der im nordbrabantischen Hilvarenbeek geborene Martin Becanus (van der Beek, ursprünglich Martin Schellekens) ließ sich von der Schrift seines Lands­ mannes zu einer Antwort provozieren. In einem Appendix zu dem Thesendruck von 1607 wiederholt er im Wesentlichen seine Argumentation, spitzt sie jedoch auf die Vorwürfe Brederodes zu. Dieser reagierte hierauf mit einer neuen Kon­ troversschrift mit dem Titel Pro Defensione Tertia Foederatum.346 Der niederlän­ dische Botschafter weist darin die Argumentation Becanus’ umfassend zurück. Den Vorwurf des Mainzers, auch in der Republik gebe es keine Religionsfreiheit für Katholiken, wertet er zunächst als Eingeständnis, dass die Anhänger des Papsts keine aufrichtige Position hierzu verträten. In der Sache verteidigt er die niederländische Toleranzpraxis damit, dass diese zum eigenen Schutz nötig sei. Nicht gegen die Ausübung des katholischen Glaubens im eigenen Land vorzugehen würde bedeuten, das Ausgreifen der spanischen Inquisition auf die Republik zu riskieren. Dennoch sieht er seine Seite als überlegen an, da in den Niederlanden die Papisten „nicht ausgelöscht werden, wie in Italien, Spanien, Österreich und anderswo die Evangelischen.“347 Im August 1608 begegneten sich Martin Becanus und Pieter Cornelis van Bre­ derode zufällig im Kurort Bad Schwalbach im Zuge des später als „Schwalbacher Kolloquium“ bezeichneten Aufeinandertreffens Mainzer Kontroverstheologen mit David Pareus und anderen Heidelbergern. Während Becanus zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass es sich hierbei um seinen Kontrahenten im Streit über die Treue gegenüber Häretikern und die Toleranz handelte, berichtet Pareus in seinen Acta des Kolloquiums von dem selbstbewussten Auftreten Brederodes, der beim ersten Aufeinandertreffen mit Becanus die gemeinsame niederländische Herkunft der beiden „Landsmänner aus den Niederlanden“348 herausstellt, um ihn anschließend bei einer theologischen Diskussion über das Fegefeuer intellektuell vorzuführen, indem er auf die Ähnlichkeit dieser Lehre mit Vergils Darstellung der Unterwelt verweist, worauf der Mainzer keine Er­ widerung gehabt habe.349 Der Verweis auf Becanus’ niederländische Herkunft zeigt, wie Brederode die Kontroverse zwischen dem niederländischen und dem deutschen Kontext einordnet.

346  Becanus, Epistola, 51; für die Autorschaft Brederodes sowohl für die Defensiones, als auch für die nachfolgende Apologia sprechen neben den von Sibeth, Friede als Fortsetzung, bes. 48 f. genannten Gründen, dass alle Schriften in einem vergleichbaren Stil geschrieben sind, Brederodes Auftreten gegenüber Becanus beim „Schwalbacher Kolloquium“ (s. u., Pareus, Acta Colloquium Swalbacensium, 1 f.) und der für die Apologia anzunehmende Druckort Hanau, der Wohnort Brederodes. Vgl. Kap. 2.3.1. Zur Datierung und Reihenfolge der Schriften Brederodes vgl. Sibeth, Friede als Fortsetzung, 479 Anm. 3. 347 [Brederode], Pro Defensione Tertia Foederatum, 74: „non extirpantur, vti in Italia, Hispania, Austria, & alibi Euangelici“. 348  Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 12: „conterranei (…) ex Belgio“. 349  Ebd., 16.



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Im Jahr darauf veröffentlichte Becanus eine Antwortschrift auf Brederodes Verteidigung. Das Buch mit dem Titel Quaestiones Miscellaneae De Fide Haereticis Servanda. Contra Quendam Calvinistam Batavum, Qui se foederatorum inferioris Germaniae Defensorem appellat geht auf das Thema der Toleranz nicht erneut ein. Offenbar empfand es Becanus als lohnender, die Kontroverse einer­ seits auf die Frage zuzuspitzen, welche Konfession als katholisch bzw. häretisch zu betrachten ist, und andererseits wie in der katholischen Tradition über die Grundfrage der Treue gegenüber Ketzern gelehrt wird. Brederodes Antwort erfolgte 1610 erneut anonym. In Hanau, wo der Bot­ schafter bis zu diesem Jahr wohnte, ehe er nach Heidelberg zog, wurde die Schrift Apologia Pro Christiano Batavo, Non Calvinista, Contra Martini Becani Jesuitae, Antichristiani Sylvaducensis Quaestiones Miscellaneas; De Fide Haereticis servanda […] gedruckt.350 Die Schrift ist weitaus umfassender als die voran­ gegangenen Brederodes und umfasst nun mehrere historische Dokumente, die seine Position stützen, dass die Katholiken nicht lehren, dass Häretikern Treue zu halten sei. Auch das Thema der Religionsfreiheit bringt er wieder offensiv ins Spiel. Die Katholiken hätten in der Vergangenheit ihre diesbezüglichen Zu­ sagen stets gebrochen.351 Es sei vielmehr als von höchster Wichtigkeit für die Katholiken, „dass den Häretikern entweder keine Treue zu versprechen ist oder, wenn versprochen, nicht zu halten ist, wenn es um ihre freie Religionsausübung geht.“352 1611 erwiderte Becanus den erneuerten Vorwürfen in einer Schrift mit dem Titel Quaestiones Batavicae. In Quendam Batavum, Qui Se Christianum, Evangelicum, & Foederatorum Defensorem appellat. Um sich der quantitativen Steigerung Brederodes anzupassen, ist auch sein Buch deutlich umfangreicher als die vorangegangenen Schriften. Dennoch trägt er auch hier nichts Neues zur Frage der Toleranz bei. Vielmehr drängt es ihn offenbar, die katholischen, insbesondere jesuitischen Position in einer neuen Problematik zu verteidigen. Seit der Ermordung König Heinrichs IV. von Frankreich standen insbesondere die Jesuiten in dem Verdacht, den Mord an protestantischen oder allgemein der Kirche missliebigen Potentaten zu propagieren. Der Politik seines Ordens ent­ sprechend, der sich von dem Attentat an dem französischen König und den The­ sen des spanischen Jesuiten Juan de Mariana zum Tyrannenmord distanzierte, weist auch Becanus jegliche Anschuldigungen weit von sich.353 350  Der auf der Titelseite angegebene Druckort „Londini“ wird bei vielen nachweislich in Hanau gedruckten Schriften dieser Zeit verwendet. Dementsprechend ist dem Katalog der Universitätsbibliothek Heidelberg, der Hanau angibt, zuzustimmen und die in VD 17 vor­ geschlagene (als unsicher ausgewiesene) Deutung, dass es sich um eine Londoner Schrift des englischen Theologen Matthew Sutcliffe handelt, als unplausibel abzulehnen. 351 [Brederode], Apologia pro Christiano Batavo, 21 f. 352  Ebd., 251: „Fidem Haereticis vel non dandam, vel datam non esse seruandam, si illis data sit super libero Religionis suae exercitio.“ 353  Becanus, Quaestiones Batavicae, 42–44.

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Mit dieser Schrift endet die Kontroverse Becanus’ mit dem niederländischen Botschafter, der seinerseits auf eine Erwiderung verzichtete. Zugleich lässt sich hier ein erster Abschnitt in der Entwicklung des Toleranzdenkens Becanus’ ab­ grenzen, der sich folgendermaßen charakterisieren lässt. 1. Becanus’ Beschäfti­ gung nicht nur mit der übergeordneten Thematik der Treue gegenüber Häreti­ kern, sondern auch der Frage nach der obrigkeitlichen Gewährung von Toleranz ergibt sich aus seinem kontroverstheologischen Anliegen, die Anschuldigungen seines Kontrahenten zurückzuweisen. Seitens Brederode wird die Thematik der Toleranz wiederholt erneut angestoßen. 2. Becanus’ Argumentation bezieht sich zwar auf den niederländischen Kontext, seine Thesen sind jedoch allgemein für jede katholische Obrigkeit formuliert. Dabei bemüht er sich schon hier, den pragmatischen Anforderungen der Politik gerecht zu werden. 3. Becanus geht über die von Thomas formulierte Position nur insofern hinaus, dass er die dort eingeführte Unterscheidung zwischen Ungläubigen und in keinem Fall zu duldenden Häretikern nicht übernimmt. Toleranz ist für Becanus in dieser ersten Phase nur zeitlich begrenzt zulässig und muss zur Verhinderung eines größeren Übels unumgänglich sein.

6.3.3.  Die Kontroverse zwischen Becanus und Pareus In den Jahren nach der Kontroverse zwischen Becanus und Brederode blieb die Thematik de fide haereticis servanda in der öffentlichen Diskussion. So erschienen 1616 zwei volkssprachliche Drucke, die die Positionen in dieser Streitfrage einem breiteren Publikum näherzubringen versuchen. Das unter einem Pseudonym erschienene Buch des berühmten konvertierten katholischen Kontroversisten Caspar Schoppe (1576–1649) mit dem Titel Erinnerung von der Calvinisten falschen betrüglichen Art und Feindseligkeit gegen dem heiligen Römischen Reich. Item, Widerholung der Catholischen Scribenten, sonderlich der Herrn Jesuiter Lehr und Meynung vom ReligionsFrieden, und ob Ketzern, Trew und Glaub zu halten sey verweist dabei sogar explizit auf die Schriften des „fürtreffliche[n] hochberümbte[n]“354 Becanus. Die szenische Dialogschrift Ein Catholisch Tisch-Gespräch. Eines Alten Teutschen, Jungen Studenten, Gemeinen Priesters, und Verrufften uberwitzigen Jesuiters. Von der disputirlichen Frage: Ob man schuldig, einem jeden, Trew und Glauben, Eyd und Verheis zu halten nimmt die protestantische Position ein, unterscheidet jedoch zwischen der Position der „politisch“ orientierten Katholiken und der der Jesuiten, die als hinterlistige Befürworter des Meineids dargestellt werden. Diese Schrift wurde bis 1655 wiederholt neu herausgegeben.355 354  Ungersdorff [Pseud. = Schoppe], Erinnerung von der Calvinisten, 84. 355  Zu dieser Schrift Fadenrecht, Ein Catholisch Tisch-Gespräch, gibt es zudem zwei Fortsetzungen. Die drei Autorenangaben Fadenrecht (nach Katalogen, auf Titel „A. I.F“),



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Sieben Jahre nach der letzten Schrift Becanus’ war es schließlich David Pareus, der bedeutendste der Heidelberger Theologen, der die Kontroverse wieder auf­ griff. Als sich Becanus und Pareus beim „Schwalbacher Kolloquium“ persönlich trafen, tauschten sie als symbolischen Akt Exemplare ihrer Kontroversschriften aus. Dabei hatte der Heidelberger eine Ausgabe der Disputatio Theologica. De fide haereticis servanda erhalten. Auf anderem Wege lernte er zumindest auch die Nachfolgeschrift Quaestiones Miscellanea von 1609 kennen.356 Pareus und Brederode hatten sich 1608 in Schwalbach kennengelernt. Da der niederlän­ dische Botschafter, ein promovierter Rechtsgelehrter, zwischen 1610 und 1621 seinen Hauptwohnsitz nach Heidelberg verlegt hatte, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass sie in fortlaufendem Kontakt standen. Wie die Kurpfalz politisch etwa durch Militärhilfen mit der Republik Nieder­ lande verbunden war,357 so nahmen auch die Heidelberger Theologen Anteil am Schicksal ihrer reformierten Glaubensbrüder. Mit diesen war die Univer­ sität nicht nur durch Gelehrte niederländischer Herkunft verbunden, auch pflegten viele Heidelberger Gelehrte Briefkontakte in die Republik. Gerade auch kirchen- und religionspolitische Fragen erregten die Aufmerksamkeit der Pfälzer.358 Zudem besaßen die Heidelberger Theologen ein hohes Ansehen bei den niederländischen Reformierten. Bald nach der Wiederaufnahme der Kon­ troverse durch Pareus brachen Abraham Scultetus und Heinrich Alting als Teil der kurpfälzischen Gesandtschaft zur Nationalsynode von Dordrecht 1618/19 auf, wo der Heidelberger Katechismus zur autoritativen Bekenntnisschrift erklärt wurde. Anlässlich der Inauguration Abraham Scultetus’ in seine erste Professur am 20. August 1618 hielt dessen Promotor Pareus eine anschließend gedruckte Rede mit dem Titel Oratio Inauguralis De Fide Haereticis Servanda: Num serio sic sentiant Iesuitae & Sophistae in Papatu. Dass Pareus mit explizitem Verweis auf Becanus die Kontroverse über die Treue gegenüber Häretikern erneuert, passt zu der allgemeinen Verschärfung des Tons der Heidelberger spätestens seit dem Reformationsjubiläum. Ausgehend von einem intensivierten Gefühl der Bedrohung durch das Papsttum beschäftigte sich David Pareus neu mit der Johannesapokalypse, woraus sich auch das Thema der Promotionsthesen Scultetus’ Demonstratio Antichristi ergab.359 Dieser Grundhaltung entsprechend stellt der Heidelberger Theologe Beca­ nus’ Konzeption als Erweis der hinterhältigen Absichten des Papsts und der Jesuiten vor. Die Grundbehauptung des Mainzers, dass die Katholiken lehrten, Lügenfeindt und Huldreich sind offenbar Pseudonyme. Der wahre Autorenname bleibt unbe­ kannt (vgl. Paintner, Des Papsts neue Creatur, 280–283). 356  Vgl. ein Zitat aus dieser Schrift: Pareus, Acta Colloquiorum Swalbacensium, 14 f. 357 Vgl. Arndt, Das Heilige Römische Reich, 169–175. 358  Vgl. etwa Becker, Reception of „Ordinum Pietas“. 359 Vgl. Pareus, In divinam Apocalypsin; Pareus, Demonstratio Antichristi.

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Häretikern die Treue zu halten, ist für Pareus nichts weiter als „Schöne Worte: Doch sie sind geteilter Zunge; der Geist verschworen in Unredlichkeit“.360 Sein Hauptaugenmerk liegt dabei auf Becanus’ Ausführungen zur Toleranz. Der Mainzer habe mit seiner Sophisterei absichtlich einen Widerspruch formuliert, indem er nämlich die Gewährung der Religionsfreiheit einmal kategorisch aus­ schließe („plane illicita“) und an anderer Stelle als Ausnahme zur Vermeidung eines größeren Übels als „licitum & honestum“ zulasse.361 Eben diese Ausnahme „pragmatischer Toleranz“ angesichts eines maius malum ist für Pareus nichts weiter als ein „abgefeimter Deckmantel der Unredlichkeit“.362 Für Becanus seien die Grundlage für einen solchen Vertrag nicht Wahrheit, Gerechtigkeit und Treue, sondern nur die „die Nützlichkeit für die Papisten oder ihre Furcht“, was bekanntlich der „schlechteste Wächter der Dauerhaftigkeit“363 sei. Es sei für die tolerierte Konfession also immer zu befürchten, dass mit veränderten Um­ ständen, etwa einer militärisch stärkeren Position der Obrigkeit, mit der Not­ wendigkeit der Toleranzpolitik auch die Bindung der Katholiken an den Vertrag wegfällt. Der kurpfälzischen Lesart dieses Vertrags entsprechend, sieht Pareus seine eigene Konfession durch den Augsburger Religionsfrieden gedeckt: „Die Papisten und Evangelischen haben einen Vertrag über die Freiheit der evan­ gelischen Religion im Reich.“364 Wie viele protestantische Publizisten seiner Zeit sieht er diesen Vertrag durch die katholische Partei bedroht.365 Pareus selbst ist indessen weit davon entfernt, umfassende Toleranz zu propa­ gieren. Gegenüber Gottlosen, Gotteslästerern und anderen, die natürliches und göttliches Recht verletzen, ist ein Gewährenlassen nicht vorstellbar, da dies den Pflichten der Obrigkeit nach Röm 13 widersprechen würde.366 Mit Sicherheit schließt Pareus mit dieser Formulierung Antitrinitarier und andere christliche Kleingruppen seiner Zeit ein. Während Pareus an dieser Stelle jedoch weit­ gehend offenlässt, wie mit katholischer Religionsausübung zu verfahren ist, wird er in seinem Römerbriefkommentar deutlicher. Gegen Bellarmins Betonung des Papstamts bei der Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Religion wertet Pareus die Rolle der weltlichen Obrigkeit stark auf. Diese darf freilich nicht nach eigenen Vorstellungen und Interessen handeln, sondern soll sich ein Beispiel an den Königen des Alten Testaments nehmen, die wie Josaphat, Hiskia und Josia den Götzendienst abgeschafft hätten. Mit dieser Formulierung bezieht sich Pareus auf zentrale katholische Praktiken wie das Messopfer – nach dem Heidel360  Pareus, Oratio Inauguralis, 6: „Bona verba: Estis hic lingua diuisi: mente conspiratis in perfidia”. 361  Ebd., 9; vgl. Becanus, Disputatio Theologica De Fide Haereticis Servanda, 89.104. 362  Pareus, Oratio Inauguralis, 8: „vafrum perfidiae tegumentum”. 363  Ebd., 8: „vtilitas Pontificiorum, vel metus“ „pessimus diuturnitas custos“. 364  Ebd., 7: „Pactum habent Pontificii & Euangelici de libertate Religionis Euangelicae in Imperio.“ 365 Vgl. Strohm, Konfessionsspezifische Zugänge, bes. 142–154. 366  Pareus, Oratio Inauguralis, 9 f.



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berger Katechismus eine „vermaledeite Abgötterei“ – und die Heiligenverehrung. Für den Umgang mit diesem „Götzendienst“ prägt Pareus die griffige Formel „non tolerare, sed tollere“ („nicht tolerieren, sondern aufheben“).367 Die Konzeption des Pareus weist einmal mehr darauf hin, wie eng Gewäh­ rung von Toleranz im konfessionellen Zeitalter mit den Konzeptionen zum Verhältnis von Staat und Kirche und zur Kompetenz einer weltlichen Obrig­ keit verbunden war.368 Einerseits lässt sich in den Worten Horst Dreitzels vom „Zwangsrecht des ‚ius circa sacra‘“369 sprechen, das eine hemmende Wirkung auf die Entwicklung des Toleranzdenkens gehabt hat. Andererseits ist etwa am Beispiel der Niederlande im frühen 17. Jahrhundert sichtbar, dass eine Obrig­ keit ihre Kompetenzen in Religionsangelegenheiten auch zur Durchsetzung von Toleranz nutzen konnte.370 Becanus, der mittlerweile an der Universität Wien wirkte und bald darauf zum kaiserlichen Beichtvater ernannt wurde, bekam von seinen Mainzer Or­ densbrüdern, die er 1619 besuchte, ein Exemplar dieser Rede seines langjährigen Gegners vorgelegt. Er antwortete in einem zum Druck gebrachten offenen Brief an Pareus. In diesem verteidigt er sich zudem gegen die kurz zuvor ebenfalls von Pareus veröffentlichten Acta des „Schwalbacher Kolloquiums“. Becanus fasst beide von Pareus wiedereröffneten Kontroversen zusammen und wirft dem Heidelberger vor, er hätte den Umstand auszunutzen versucht, dass er sich in Wien befindet. In der Zwischenzeit hatte Becanus zudem erfahren, dass es sich bei seinem anonymen niederländischen Gegenspieler um den Botschafter Bre­ derode handelt.371 Der Brief wurde, wie alle anderen Schriften Becanus’ (auch aus dessen Wiener Jahren), bei seinem Mainzer Stammdrucker Albin verlegt. Becanus beklagt nun, von Pareus vorsätzlich missverstanden zu werden. Ein größeres Übel zu meiden, sei kein Beweis mangelnder Rechtschaffenheit, sondern ein Gebot der Natur. Direkt wendet er sich an den Heidelberger Theo­ logen: „Wenn du anders denkst, bist du nicht ganz bei Verstand“.372 Dennoch lässt er sich auf die mit größerer argumentativer Kraft als zuvor von Brederode vertretenen Anwürfe des Reformierten ein und reagiert mit einer erstaunlichen Flexibilität in der eigenen Argumentation. So ist er sogar hypothetisch bereit, die 367  Pareus, In Divinam ad Romanos, 1401. 368  Vgl. v. a. Kap. 6.1.5. 369  Dreitzel, Toleranz und Gewissensfreiheit, 125. Einen starken negativen Zusammen­ hang zwischen der Möglichkeit zur Toleranz und der obrigkeitlichen cura Religionis betont auch Schröder, Tolerantia – Libertas Religionis – Cura Religionis. 370  Strohm, Reformatorisches Staatsverständnis, 21 f. Im Streit zwischen Remonstranten und Contraremonstranten setzte die Obrigkeit, unterstützt von Gelehrten wie Hugo Grotius, ihre Rechte ein, um gegenseitige Toleranz vorzuschreiben. Diese Politik wurde im späteren Ver­ lauf des 17. Jahrhunderts während der Formierung der niederländischen Toleranzpraxis weiter angewandt. Vgl. Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit, II, 372–376; Nobbs, Theocracy and Toleration. 371  Becanus, Epistola, 51. 372  Ebd., 74: „si tu aliter sentis, parum sanus es“.

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in den vorangegangenen Schriften besonders wichtige Frage nach der wahren Katholischen Kirche zurückzustellen. Hierfür spitzt er seine Grundthese mit dem Verweis auf die unstrittigen Häretiker der Alten Kirche neu zu: „In Ver­ sprechen, Verträgen und Übereinkünften ist Manichäern und Donatisten Treue zu halten.“373 Dass auf der anderen Seite Eide mit illegitimen Inhalt – also auch Verträge, die ohne zwingenden Grund Toleranz zugestehen – nicht eingehalten werden müssen, sieht Becanus als einen Gemeinplatz an. Um dies mit einem Beispiel zu untermauern, verlässt er freilich die Grenzen des Anstands, wie es in dieser Form in den Kontroversschriften der Zeit nur selten vorkommt: „Zwischen Pareus und Catharina besteht ein Vertrag über Ehebruch und darüber, den Ehepartner mit Gift zu töten. Die Frage ist, ob er daran gebunden ist, Vertragstreue zu leisten und in Erfüllung dieses Vertrags Ehebruch zu begehen und mit Gift zu töten? Schau, wie du antworten wirst.“374

Überhaupt lehre er lediglich die vorherrschende Lehrmeinung der Rechts­ gelehrten und keine jesuitische Sophisterei, nämlich, dass durch Gewalt und Furcht zustande gekommenen Verträge (also auch solche, die Häretiker durch ihre militärische Macht erzwingen können) aufgehoben werden können: „Wenn dies, O Pareus, dir alles töricht vorkommt, berate dich mit den Heidelberger Rechtsgelehrten. Aber hüte dich, dass du nicht auch diese, wenn sie anders als du urteilen, als Lehrmeister der Hinterhältigkeit bezeichnest.“375

Diese Argumentation ist dahingehend bemerkenswert, dass sich Becanus auf die Rechtsgelehrsamkeit als eine gewissermaßen überkonfessionelle, neutrale Instanz beruft. Die Autorität, die Becanus der Jurisprudenz an dieser Stelle zu­ gesteht, ist angesichts des geringen Gewichts, das diesem Fach im jesuitischen Bildungskanon beigemessen wurde, durchaus erstaunlich. Eine juristische Fa­ kultät war in den reinen Jesuitenuniversitäten nicht vorgesehen, während dieser an protestantischen Universitäten zunehmend ein Vorrang zugesprochen wurde. Bemerkenswert ist auch die Reaktion des ehemaligen Mainzer Professors auf Pareus’ Anschuldigung, einen sophistisch verdeckten Widerspruch zwischen der kategorisch ausgeschlossenen und doch im Ausnahmefall erlaubten Re­ ligionsfreiheit zu konstruieren. Den Gepflogenheiten seiner Zeit entsprach es, die Begriffe zu Religionsfreiheit und Toleranz weitgehend synonym zu verwen­ 373  Ebd., 64: „In Promissis, pactis, & conuentis, seruanda est fides Manichaeis & Donatistis“. 374  Ebd., 68: „Pareus cum Catharina pactus est de adulterio, & de veneno marito ipsius porrigendo. Quaestio est, an teneatur seruare fidem; & vi illius pacti, adulterium committere, & venenum porrigere? Vide, quid respondeas.“ Catharina ist hier ein generischer Frauenname, den Becanus auch an anderer Stelle für fiktive Beispiele verwendet. Ob Becanus wusste, dass Pareus seit dem Tod seiner Frau Magdalena 1615 verwitwet war, ist nicht bekannt. 375 Ebd., 77: „Si haec, Paree, tibi omnia desipiunt, transige cum Iureconsultis Heidel­ bergensibus. Sed caue, ne & ipsos, si aliter, quam tu, sentiant, perfidiae Magistros appellaveris.“ Vgl. auch ebd., 67.79.



6.3.  Toleranz im Konfessionsstaat?

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den.376 Becanus formuliert nun eine zuvor implizite begriffliche Unterscheidung zwischen der kategorisch ausgeschlossenen libertas religionis und der im Einzel­ fall erlaubten, begrenzten, tolerantia: „Das eine ist die Religionsfreiheit (libertas religionis) oder die freie Ausübung der häre­ tischen Religion, das andere die Toleranz (tolerantia) gegenüber dieser Ausübung. Freie Religionsausübung der häretischen Religion ist immer illegitim und es ist nicht erlaubt, über diese Verträge zu schließen. Aber die Toleranz gegenüber der Ausübung jener kann legitim sein und daher kann man legitim Verträge über Toleranz abschließen.“377

In diesem zweiten Abschnitt in der Entwicklung der Toleranzkonzeption des Martin Becanus steht er im Kontroversschriftenwechsel mit David Pareus. Der Heidelberger Theologe hatte den Jesuiten zu einer Neuaufnahme der Thematik gereizt und die Kontroverse stärker als zuvor Brederode auf die Problematik der Religionsfreiheit zugespitzt. Im kontroverspublizistischen Austausch sieht sich Becanus dazu genötigt, seine Argumentation weiter zu präzisieren.

6.3.4.  Becanus’ Auseinandersetzung mit Rom und sein Manuale Controversiarum 1620 wurde der zweite Teil des zweiten Bandes der Theologia Scholastica in Mainz gedruckt, die als Kompendium seines Wirkens in Mainz Becanus’ theo­ logisches Denken einem größeren akademischen Publikum näherbringen sollte. In diesem Teilband sind auch Fragen zum Ketzerrecht untergebracht, wobei in den Fragen zur Religionsfreiheit der Text seiner ersten Schrift zum Thema weitgehend wortgleich abgedruckt ist.378 Neu ist lediglich eine Passage über die Todesstrafe für Ketzer, die Becanus  – sofern politisch durchsetzbar  – befür­ wortet.379 Zu dieser Zeit, inzwischen hatte er das Amt des Beichtvaters Kaisers Ferdinands II. in Wien angetreten, kam Martin Becanus in die Situation, sich zu Fragen der Toleranzgewährung in der Praxis zu äußern. In Folge des Böh­ mischen Aufstands sah sich der Kaiser genötigt, der innerösterreichischen Ständeopposition in ihrer Forderung nach freier Religionsausübung nach dem Augsburger Bekenntnis entgegenzukommen.380 Da es sich um ein Kernterrito­ 376 Vgl. Schreiner, Toleranz, bes. 495. 377  Becanus, Epistola, 81: „Aliud est, libertas religionis, seu liberum exercitium haereticae religionis; aliud tolerantia illius exercitij: Liberum exercitium haereticae religionis semper est illicitum, & de eo pacisci non licet. At tolerantia illius exercitij potest esse licita, ac proinde de tolerantia licitè pacisci quis potest.“ 378 Vgl. Becanus, Theologiae Scholasticae, II,2, 237–259. Hierbei dürfte es sich um die von Krebs, Die politische Publizistik, 14 f. genannte zweite Auflage der Disputatio Theologica De Fide Haereticis Servanda handeln, die dieser für 1614 verzeichnet. In diesem Jahr wurde der erste Band der Theologia Scholastica Becanus’ veröffentlicht. 379  Becanus, Theologiae Scholasticae Partis Secundae Tomus Posterioris, 223–229. 380 Vgl. Strohmeyer, Konfessionskonflikt und Herrschaftsordnung, 199–341, bes. 266.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

rium der Habsburger und nicht um das Reich im Allgemeinen handelte, war dies zu gewähren aus Sicht Ferdinands und seiner Berater durchaus eine heikle Angelegenheit. Dabei teilte der Kaiser im Wesentlichen die Position Becanus’. In der militärischen Bedrohungslage durch das aufständische Böhmen und ihren neuen König, den pfälzischen Kurfürsten Friedrich V., sahen sie die Bedingungen erfüllt, nach denen Toleranz zur Vermeidung eines maius malum gewährt werden kann. Bereits im Spätjahr 1619 bekam Becanus den Auftrag, im Namen des Kaisers eine Einwilligung des Papstes zu erwirken. Becanus trug den Fall des Kaisers gegen innerkatholische Widerstände engagiert vor. Inwieweit er die Haltung des Kaisers in dieser Frage beeinflusste, lässt sich jedoch nicht mit Gewissheit sagen.381 Als Becanus die Zustimmung der Kurie nicht erreichen konnte, gewähr­ te Ferdinand den lutherischen Ständen Innerösterreichs dennoch befristete Toleranz. Sein Beichtvater sah sich anschließend dazu genötigt, diese Politik gegenüber Rom zu verteidigen. Sein wichtigstes Gegenüber war sein Ordens­ bruder Robert Bellarmin, mit dem er schon in der Affäre um die Indizierung seiner Schrift Controversia Anglicana in Briefkontakt stand. Der Kardinal blieb bei der Position, dass die Gewährung von Toleranz auch in einem solchen Fall für eine katholische Obrigkeit ausgeschlossen sei. Er schlug dem Kaiser vor, der Ständeopposition stattdessen ein doppeldeutiges Angebot zu machen, das die freie Religionsausübung nicht explizit gewährt.382 Jegliche staatliche Zurück­ haltung bei der Bekämpfung der Häretiker ist für Bellarmin ein „höchst ver­ derblicher Irrtum.“383 In dieser Auseinandersetzung mit Bellarmin beweist sich das eigenständige Profil Becanus’, das sich dem kaiserlichen Hofbeichtvater nicht absprechen lässt.384 In einem Brief an Bellarmin bemüht sich Becanus vor allem, die engen Grenzen der gewährten Toleranz zu betonen. Diese sei durch die militärische Bedrohung nicht nur unbedingt notwendig, sondern auch zeitlich und räumlich begrenzt und betreffe nur die Lutheraner, welche bekanntlich „viel friedferti­ ger“385 als die Calvinisten seien. Diesen habe schon Karl V. 1555 Zugeständnisse gemacht. In einem nach Rom übersandten Gutachten betont Becanus maß­ geblich die Notwendigkeit („necessitas“) einer zeitweiligen Duldung der Ketzer. Eine solche Vorgehensweise des Kaisers als katholischer Obrigkeit sei jedoch nicht nur legitim, da sie sich nicht ohne ein größeres Übel verhindern lasse. 381  Die Rolle Becanus’ betonen Duhr, Geschichte der Jesuiten, II,2, 220–222 und auch Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit, I, 41 f. Vgl. zu den Einflussmöglichkeiten jesuitischer Beichtväter Bireley, Hofbeichtväter und Politik; zur innerkatholischen Kontroverse um die Toleranz in Innerösterreich vgl. Dreitzel, Toleranz und Gewissensfreiheit, 120. 382 Vgl. Döllinger/​R eusch, Geschichte der Moralstreitigkeiten, I, 55 f. 383  Bellarmin, Controversia, V,3,18: „error perniciosissimus“. 384  Salatowsky, Zwischen Hinrichtung und Duldung, 3 f. sieht Becanus’ und Bellarmins Konzeption letztendlich als „ein und dieselbe“ an. 385  Becanus an Bellarmin, 8.8.1620, 266: „magis pacifici“.



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Seiner bisherigen Argumentation fügt Becanus den neuen Punkt hinzu, dass sich durch die Duldung auch ein „größeres Gut“ („maius bonum“) ergebe. Im konkreten Fall lasse sich ein militärisch sinnvolles Bündnis mit den lutherischen Sachsen erwarten und man könne im Laufe der Zeit unter den österreichischen Lutheranern „die Konversion vieler erhoffen“, wenn diese gut behandelt wür­ den.386 Diese in seiner Tätigkeit entwickelte Neupositionierung brachte Becanus auch in sein abschließendes Hauptwerk Manuale Controversiarum Huius Temporis ein. Dieses erstmals 1623 herausgegebene Werk, das in kurzer Zeit eine beachtliche Zahl an Auflagen erfuhr, ist als ein Handbuch der Kontrovers­ theologie konzipiert. Es verbindet den Anspruch auf Vollständigkeit mit einem wesentlich kürzeren Umfang als die Kontroversien Bellarmins. Das Manuale ist Becanus’ auflagenstärkstes und wirkungsreichstes Buch. Die Passagen zur Religionsfreiheit und Toleranz bauen spürbar auf den vorangegangenen Texten auf, sind allerdings in den letzten Lebensjahren Becanus’ neu von ihm bearbeitet worden. Der Text ist sichtbar von den vorangegangenen Kontroversen mit Pareus und Brederode geprägt. Letzterer wird sogar in der Widerlegung der von ihm vor­ gebrachten obiectiones der Thesen als „Batavus“387 direkt angesprochen. Offen­ bar aus den Erfahrungen als kaiserlicher Beichtvater heraus ist auch die Passage zur Begründung im Einzelfall gewährter Toleranz als Verteidigung gegen die römische Position erweitert. Auf die Situation in Österreich geht er sogar ex­ plizit ein.388 Statt einer argumentativen Konzentration auf die Vermeidung eines größeren Übels unterscheidet er nun drei Fälle, in denen Toleranz für eine ka­ tholische Obrigkeit legitim sein kann: „Aus dem Gesagten schließe ich folgendes: Ein katholischer Fürst kann in drei Fällen Häresie in seinem Gemeinwesen oder Territorium zulassen oder tolerieren: Erstens, wenn er es nicht verhindern kann. Zweitens, wenn aus der Erlaubnis ein größeres Gut erhofft wird. Drittens, wenn durch die Erlaubnis ein größeres Übel verhindert wird, das er anders nicht verhindern kann.“389

Der augenfälligste Unterschied zu den vorangegangenen Publikationen Becanus’ ist die Legitimation von Toleranz durch die Erwartung eines größeren Gutes (maius bonum), wie Becanus dies erstmals im internen Gutachten gegenüber der Ordensspitze in Rom formuliert hatte. Diese Formulierung übernimmt der 386  ARSI Boh. 94, fol. 80r–88v, Becanus, Casus super permissionem Imperatoris factum Aus­ triacis Lutheranis, hier fol. 86v : „etiam sperare potest multorum conversionum“. 387 Vgl. Becanus, Manuale Controversiarum, V,15, 711–714. 388  Ebd., V,16, 715. 389  Ebd., V,16, [719] (falsch paginiert: 717): „Ex dictis concludo, Principem Catholicum in tribus casibus posse permittere seu tolerare haeresim in sua ciuitate vel prouincia: Primò, quando non potest impedire. Secundò, quando ex permissione speratur maius bonum. Tertiò, quando ex permissione euitatur maius malum, quod aliter euitari non potest.“

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Jesuit ebenfalls aus der Summa des Thomas (II,2 q.10 a.11), wo dies explizit nicht für die Duldung von Häretikern, sondern ausschließlich der infideles, primär also der Juden, ausgesagt wird. Dementsprechend wendet Becanus das Beispiel der Juden an, deren geduldeten Bräuche wie die Beschneidung und das Paschafest die Legitimität der christlichen Riten untermauerten, denen sie als alttestamentarische Analogie dienten.390 Doch auch in der gegenwärtigen Situa­ tion der konfessionellen Spaltung kann der kaiserliche Beichtvater Umstände ausmachen, die als maius bonum gewertet werden können. Dies trete ein, „wenn ein katholischer Fürst mit Gewalt die Häretiker bezwingen kann, aber dennoch glaubt, dass mit ihnen milder umzugehen ist, aus Hauptgründen. Erstens, weil er die Ka­ tholischen sieht, die unter den Häretikern leben, aus einem gewissen frommen Wetteifer werden sie täglich eifriger in ihrem Glauben und ihrer Religionsausübung und nicht nur in den Sitten und der Einhaltung der Gebote Gottes machen sie Fortschritte, sondern sie werden auch mehr und mehr dazu ermuntert, unsere Glaubenslehre darzulegen und zu verteidigen. Zweitens wirkt es sich auch auf die Häretiker selbst aus, von jenem Eifer der Katholischen allmählich angesteckt zu werden und sich den Katholischen beizugesellen. Diese guten Dinge würden nicht daraus hervorgehen, wenn er sie nicht tolerieren will.“391

Aufhorchen lässt zunächst die Betonung, dass in diesem Beispiel der katholische Fürst militärisch und politisch in der Lage wäre, hart gegen seine häretischen Untertanen vorzugehen. Die Hoffnung auf ein maius bonum ist für ihn also ein ausreichender Grund zur Toleranz und nicht bloß eine ergänzende Legitima­ tion. Seine Ausführungen über die Chancen der Hebung des Glaubenslebens bei den Katholiken stehen jedoch in einem schroffen Kontrast zur Bewertung multikonfessionellen Zusammenlebens durch katholische Zeitgenossen. Anstatt sich des Bildes einer ansteckenden Krankheit zu bemühen, die auf die katho­ lische Bevölkerung übergreifen könnte, spricht Becanus von einem frommen Wettkampf (pia aemulatio), sogar von positiven Auswirkungen konfessioneller Konkurrenz im alltäglichen Zusammenleben. Dies spricht nicht nur für sein großes Vertrauen in die katholische Seelsorge und Bildung, der sich sein Orden verschrieben hatte, sondern ist auch ein Hinweis darauf, dass sich Becanus die geduldete Religionsausübung der Häretiker nur in sehr begrenztem Maße vor­ stellt. Die Erlaubnis öffentlichkeitswirksamer Predigt und Lehre wird nicht Teil seiner Vorstellung gewesen sein. Die Legitimation von Toleranz durch die Vermeidung eines größeren Übels baut Becanus ebenfalls in seinem Manuale Controversiarum aus. Nicht nur die 390  Ebd., V,16, 717. 391 Ebd., V,16, [719] (falsch paginiert: 717): „si Princeps Catholicus posset quidem vi coercere haereticos, sed tamen putet mitius agendum esse, ex duplici capite. Primò, quia videt Catholicos, qui viuunt inter haereticos, ex pia quadam aemulatione fieri quotidie feruentiores in sua fide ac religione; & non solum in moribus & obseruatione mandatorum Dei proficere, sed etiam magis ac magis ad doctrinam fidei nostrae explicandam & propugnandam excitari. Secundò, aduertit etiam ipsos haereticos, ex illo Catholicorum feruore paulatim accendi, & Catholicis aggregari. Haec bona non euenirent, si nollet illos tolerare.“



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militärische Position der Häretiker im Territorium, die die Gefahr eines langen Bürgerkriegs bewirkt, legitimiere ein solches Vorgehen, sondern auch „wenn ein katholischer Fürst die Häretiker in seinem Territorium behindern oder be­ zwingen will, aber wenn er es versuchte, die benachbarten häretischen Völker und Fürsten sich verschwörten und einen Angriff machen, um die Katholiken zu unterdrücken. Dann wäre er besser beraten, wenn er die Häretiker vermischt mit den Katholiken zulässt oder toleriert.“392

Das hier heraufbeschworene Szenario einer ausländischen Intervention ist recht klar auf die konfessionelle Außenpolitik der Kurpfalz und die protestantische Union gemünzt. Insgesamt erweitert Becanus aus seiner Erfahrung als Beicht­ vater heraus den Ermessensspielraum des katholischen Fürsten im Umgang mit Häretikern. Gleichwohl lehnt er aus seiner Sicht unlautere Gründe, die zur Gewährung von Toleranz führen können, vehement ab. „Deshalb sündigen jene aufs Schwerste, die entweder aus schierer Nachlässigkeit erlauben, dass jene [Häretiker] sich allmählich einschleichen, oder die aus Hoffnung auf weltlichen Profit sie freiwillig tolerieren. So wie es auf gewissen Märkten gemacht zu werden pflegt, wo auch Häretiker, Türken und Mauren aus kaufmännischer Raison toleriert werden.“393

Becanus’ Kritik zielt deutlich auf die großen Handelsakteure wie etwa Venedig, er spricht aber eine Haltung an, die zu seiner Zeit stets an Bedeutung gewann. Seit dem späten 16. Jahrhundert wandelten sich die Argumente für Toleranz dahingehend, dass theologisch-philosophische Argumente, wie sie gerade im Umfeld der frühen Humanisten vorherrschten, durch politisch-ökonomische Argumente ersetzt wurden.394 Auch der später in Heidelberg lehrende niederlän­ dische Theologe Franciscus Junius macht 1566 – also in der Anfangsphase der niederländischen Rebellion gegen die spanische Herrschaft – solche pragmati­ schen Argumente in seinem Brief discours envoyé au roy Philippe stark. In der später auch in Heidelberg gedruckten Abhandlung versucht Junius, den spa­ nischen König davon abzubringen, die Inquisition in den nördlichen Nieder­ landen einzuführen und somit effizient gegen die reformatorischen Gruppen vorzugehen. Hierfür stellt er dem Monarchen nicht nur in Aussicht, dass die reformierte Kirche sich an der Bekämpfung kleinerer protestantischer Sekten beteiligen könne, sondern verweist auch auf die finanziell schädlichen Folgen nicht gewährter Toleranz, da zum einen die Kriegsrüstung im Falle eines Bürger­ 392  Ebd., V,16, 720: „si Princeps Catholicus vellet quidem impedire vel coercere hereticos in sua Prouincua; sed si tentaret, ipsi cum vicinis populis ac Principibus hereticis conspiraturi essent, & impetu facto, Catholicos oppressuri: Tunc enim foret consultius, permittere seu tolerare hereticos permixtos cum Catholicis.“ 393  Ebd.: „Itaque peccant illi grauissimè, qui ex mera negligentia permittunt illos sensim irrepere; vel qui spè lucri témporalis, libenter eos tolerant, vt fieri solet in quibusdam magnis emporiis, vbi & haeretici, & Turcae, & Mauri tolerantur, ratione mercaturae (…).“ 394  Guggisberg, Wandel der Argumente.

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kriegs teuer sei und zum anderen Händler und ihr Kapital auswandern könnten und den Märkten fernbleiben würden.395

6.3.5.  Die Bedeutung konfessioneller Konkurrenz für die Geschichte der Toleranz Bis zum Abschluss des Westfälischen Frieden erschienen weiterhin zahlreiche Schriften, die sich der Problematik De fide Haereticis servanda und den Mög­ lichkeiten der Toleranz im konfessionalisierten Staatswesen widmeten. Nicht alle Jesuiten teilten Becanus’ Ansichten vollständig. Der Mainzer Adam Contzen sieht für eine Obrigkeit, die ihre Pflichten gegenüber der katholischen Religion ernst nimmt, keine Möglichkeit, Toleranz zu gewähren, was er auch als Beicht­ vater Maximilians I. von Bayern vertrat.396 Dennoch ist Becanus’ Wirkung in der Toleranzfrage nicht zu unterschätzen. Zur Mitte des Jahrhunderts war die Konzeption Becanus’ ein wichtiger Bezugspunkt der katholischen Kompromiss­ partei in der Kontroverse um den Friedensschluss und blieb gerade im Umfeld des Kaisers eine zentrale Lektüre.397 Erst im Manuale Controversarium ist die Toleranzkonzeption Becanus’, die in Teilen der Forschung als exzeptionell herausgestellt wird, vollständig und mit der Legitimation von Toleranz durch die Hoffnung auf ein maius bonum entwickelt. Entscheidend für die Endgestalt seiner Konzeption im Manuale sind freilich primär die Erfahrungen als kaiserlicher Beichtvater. Der Blick auf die Entwicklung seiner Position in den Kontroversen mit Protestanten zeigt jedoch, dass die Bedeutung des interkonfessionellen Schriftaustauschs für die Entwicklung seiner Toleranzkonzeption nicht zu unterschätzen ist. Der Antrieb zur Beschäftigung mit dem Thema kommt bei Becanus klar von außen, durch die Anschuldigungen Brederodes und anderer protestantischer Autoren wie dem anscheinend kurpfälzischen Verfasser der Aphorismi Doctrinae Jesuitarum. Dabei sah sich Becanus genötigt, seine Argumentation fortlaufend zu präzisieren. Martin Becanus ist nicht der einzige Autor des konfessionellen Zeitalters, der seine Toleranzkonzeption in der Auseinandersetzung mit Theologen anderer Konfessionen entwickelt. Johann Gerhard (1582–1637), der einen der wichtigs­ ten lutherischen Beiträge zu der Thematik verfasste, beschäftigt sich ebenfalls mit den Möglichkeiten der Toleranz im Konfessionsstaat. In diesem Punkt 395  Junius, Brief discours envoyé au roy Philippe, bes. 2 f.; vgl. Sarx, Franciscus Junius, 50–70; Zwierlein, Discorso und Lex Dei, 385. 396  Contzen, Politicorum Libri Decem, IX,20, 672–674; vgl. Bireley, Counter-Refor­ mation Prince, 14 f. Eine weitgehende Übereinstimmung zwischen Contzen und Becanus behauptet hingegen Seils, Staatslehre des Jesuiten Adam Contzen, 101. Zur Rolle Contzens als Beichtvater während der Rekatholisierung der Oberpfalz vgl. Dieter, Der Einfluß Adam Contzens. 397  Friedeburg/​Seidler, Holy Roman Empire, 14 f.; Duhr, Geschichte der Jesuiten, II,2, 222.



6.3.  Toleranz im Konfessionsstaat?

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vergleichbar mit Becanus, zu dem ihm von Lecler sogar eine „unleugbare Ver­ wandtschaft“398 attestiert wird, sieht auch Gerhard die Möglichkeit, Toleranz als ein geringeres Übel zu gewähren. In seinen Loci Theologici geht er fortlaufend auf die Positionen von Theologen auch anderer Konfessionen ein. So grenzt er sich in der Toleranzfrage einerseits von Bellarmin ab, dessen Position zur Todes­ strafe für Häretiker er ablehnt, andererseits auch explizit von der harten Haltung des Reformierten David Pareus in seinem Römerbriefkommentar.399 Insbesondere für die Ideengeschichte der Toleranz in der Frühen Neuzeit ist es daher von großer Bedeutung, auf die interkonfessionellen kontroverstheologi­ schen Austauschprozesse und die Bedeutung der konfessionellen Konkurrenz im Allgemeinen zu schauen. Die Konfessionen bauten in der Toleranzfrage nicht nur auf einem gemeinsamen Fundament, zusammengesetzt aus den Schriften Augustins, Teilen der mittelalterlichen Tradition und des Humanismus, auf, sie standen auch im konfessionellen Zeitalter fortwährend in Kontakt zueinander. Die Wirkung konfessioneller Konkurrenz verdeutlicht ein Beispiel aus der kurpfälzischen Geschichte. Nach dem lutherischen Intermezzo während der Herrschaft Ludwigs VI. bemühte sich dessen Nachfolger Johann Kasimir um die „Totalrestitution des Reformiertentums“,400 indem er 1584 per Mandat zunächst ein Kondemnationsverbot erließ, das lutherische Polemik gegenüber der refor­ mierten Religionspolitik des Kuradministrators unterbinden sollte. Von einer eigentlichen Toleranz lässt sich hier noch nicht sprechen, statt zwischen zwei protestantischen Konfessionen unterscheidet das Mandat von 1584 im Grunde eher zwischen besseren und schlechteren Evangelischen. In Anspielung auf den 1. Korintherbrief bekennt sich das Mandat zur Rücksicht „mit den schwachen, die solche lehr [sc. die reformierte] […] noch nicht erreychen können, gedult zu tragen und ihnen mit aller sanftmuth auß dem wort Gottes bericht zu geben […].“401 Entgegen der Hoffnung des Kuradministrators blieben Teile der Bevöl­ kerung langfristig bei ihrer lutherischen Glaubenspraxis. Hinzu kamen einige katholische Untertanen, welche in dem Mandat von 1584 nicht thematisiert werden. Im frühen 17. Jahrhundert schuf Kurfürst Friedrich IV. Erleichterungen für die lutherischen Untertanen, wie etwa die Erlaubnis zum Auslaufen in lu­ 398  Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit, I, 416. Diese „Verwandtschaft“ sollte jedoch nicht zu stark betont werden. Der Hauptunterschied zu Becanus ist Gerhards Ablehnung der Todesstrafe. 399  Gerhard, Loci Theologici [1657], Bd. 6, cap. 27, 314. Vgl. Pareus, In Divinam ad Romanos, 1401. Vgl. zur Toleranzkonzeption Gerhards auch Honecker, Cura religionis, 102– 105.121–128; Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit, I, 411–415; Salatowsky, Zwischen Hinrichtung und Duldung, 43. 400  Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 194. Ursprünglich hatte Johann Kasimir wohl für eine zurückhaltendere Politik optiert, wurde jedoch von den Theologen, insbesondere seinem Hofprediger Daniel Tossanus umgestimmt. Vgl. Kohnle, Heidelberger Disputation, 45 f.; Press, Calvinismus und Territorialstaat, 322–368. 401  Johann K asimir, Mandat gegen Kondemnationen 1584, 512.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

therische Gottesdienste in benachbarten Territorien.402 In einem neuen Mandat von 1608 – ein Jahr nach der Veröffentlichung der Thesen Becanus’ – gestattete der Kurfürst schließlich auch den katholischen Untertanen zumindest die nicht öffentliche Ausübung ihres Glaubens. Die im Mandat gegebene Begründung dieses Vorgehens ist erstaunlich. Friedrich IV. beurkundet sein Anliegen, angesichts „etlicher betrangter undt verfolgter christen wegen, so nicht der rö­ mischen religion zugethan seindt, glaubwürdig vorkommen“403 zu wollen, und gibt zu bedenken, dass auch „von den anstiftern undt verursachern solcher verfolgungen bey des geistlichen undt welt­ lichen stands zu ihrer bescheinung dieser behelf vorgewendet werde, daß in churf. Pfaltz und bey andern ständen, so nicht papistisch seyen, diejenige, so der römischen religion zugethan, ebenmäßig auß dem land geschafft undt nicht gedult werden […].“404

Auch Becanus hatte das Argument angeführt, dass die Protestanten keine Tole­ ranz fordern könnten, da sie selbst keine gewährten. Im kurfürstlichen Mandat wird dieser Vorwurf nun als Grund angegeben, katholische Untertanen in ihrer Religion begrenzt zu tolerieren  – entgegen der im gleichen Jahr publizierten Forderungen David Pareus’ als dem wichtigsten Heidelberger Theologen. Hierin ergibt sich eine interessante Verbindung der kurpfälzischen Leitlinie in der Außenpolitik, bedrängten Glaubensbrüdern zur Hilfe zu kommen, und der Gewährung begrenzter Toleranz für Katholiken in der Pfalz. Das Mandat lässt sich somit auch als eine Folge des kontroversen interkonfessionellen Austauschs betrachten. Es ist indes nicht plausibel, einen Zusammenhang des Toleranzman­ dats von 1608 und der sogenannten pfälzischen Irenik anzunehmen.405 Diese Haltung der Heidelberger Gelehrten überschneidet sich zwar zeitlich mit der Abfassung des Mandats, allerdings zielt die Irenik nur auf eine Vereinigung mit den Lutheranern ab und war konstitutiv von einer vehementen antikatholischen Haltung begleitet. Im Irenicum des Pareus geht der Heidelberger Theologe aller­ dings ebenfalls auf das von Lutheranern vorgebrachte Argument ein, dass diese in der Kurpfalz verfolgt würden. Nach Pareus’ Darstellung würden diese jedoch geduldet, nur ihre Pfarrer seien wegen Ungehorsams abgesetzt worden.406 Gewiss sollte man sich die Grenzen der hier aufgezeigten Toleranzkon­ zeptionen bewusstmachen. Weder Becanus’ Darstellung noch das pfälzische Mandat von 1608 bieten eine heutigen Maßstäben genügende Toleranzkon­ zeption. Toleranz wird weder als etwas an sich Gutes angesehen, noch sind Juden, Antitrinitarier, Wiedertäufer oder andere religiöse Gruppen in die Kon­ zeptionen eingeschlossen. Dennoch lohnt es sich auch diese zu betrachten. Die 402  Kohnle, Kleine Geschichte der Kurpfalz, 109. 403  Friedrich IV., Toleranzmandat 1608, 960. 404 Ebd. 405 So Kohnle, Kleine Geschichte der Kurpfalz, 109. 406  Pareus, Irenicum, 31 f. Vgl. auch Wolgast, Die Heidelberger Irenik, 19 f. Vgl. Kap. 5.2.4.



6.3.  Toleranz im Konfessionsstaat?

369

maßgebliche Leistung, die Becanus’ Ansatz erbringt, ist es, eine aus politischer Pragmatik erforderliche begrenzte Toleranz mit der katholischen Dogmatik in Einklang zu bringen. Entscheidend für die Bewertung von Toleranzkonzeptionen ist der an sie an­ gelegte Maßstab. Mit Rainer Forst lassen sich vier grundlegende Konzeptionen unterscheiden.407 Zum einen die „Erlaubnis-Konzeption“, die Tolerierung einer Minderheit aus pragmatischen Gründen, die vertikal durch eine Mehrheit oder Obrigkeit gewährt wird, zum zweiten die „Koexistenz-Konzeption“, die ebenfalls aus pragmatischen Gründen, nun aber gegenseitig zwischen etwa gleich großen Gruppen praktiziert wird, zudem die „Respekt-Konzeption“, welcher eine mora­ lische Untermauerung der Toleranz als Wert an sich eigen ist, und schließlich die „Wertschätzungskonzeption“, der zufolge das Gegenüber auch wertzuschätzen ist. Martin Becanus’ Überlegungen wären, wie andere frühneuzeitlichen Kon­ zeptionen, die dem damaligen Gemeinplatz entsprechend einen konfessionell einheitlichen Staat als einzig erstrebenswert ansehen, am treffendsten der „Er­ laubnis-Konzeption“ zuzuordnen. Sie erfüllen somit nicht alle Anforderungen, die aus heutiger Perspektive „echte Toleranz“ bedingen. In seiner Zeit konnten praktisch nur solche Konzeptionen, die eine (begrenzte) Toleranz mit der Vor­ stellung des regimen christianum verbinden, nachhaltige Wirkungen zeitigen.408 Diese Ansätze stehen im größeren Zusammenhang mit den Bemühungen, die Realität der konfessionellen Koexistenz mit den Ansprüchen der eigenen kon­ fessionellen Lehre zu vereinbaren. Becanus’ Ansatz geht weit über die Frage der Toleranz hinaus und beschäftigt sich allgemein mit ökonomischen, politischen und auch familiären Beziehungen zwischen den Konfessionen. Seine Über­ legungen sind Teil der Bemühungen, die interkonfessionellen Beziehungen rechtlich präzise und konfessionellen Normen entsprechend zu ordnen.409 Dennoch sollte man sich vor Augen führen, dass die am weitesten gehende Toleranzkonzeption, die in dieser Zeit in Mainz oder Heidelberg gedruckt wurde, bei dem Mainzer Richter Michel Kreps zu finden ist.410 Kreps, der den Jesuiten seines Wirkungsortes spürbar distanziert gegenüberstand, widmet sich in seinem Werk Teutsche Politick auch der Frage nach dem Umgang mit Anders­ gläubigen im Territorium. In seinem Selbstverständnis als Politicus, von denen sich sowohl Becanus als auch Contzen immer wieder explizit abgrenzen, wendet er sich gegen „der gelerten Theologen Zanck und ohneinigkeit“411 und fordert eine Haltung gegenüber Untertanen mit abweichender Religion, die zwar die öffentliche Ordnung wahrt, aber diejenigen, 407 Vgl. Forst, Toleranz im Konflikt, 42–48. 408  Dreitzel, Toleranz und Gewissensfreiheit, 116. 409 Vgl. Decock, Trust Beyond Faith. 410 Zu Kreps vgl. Kap. 6.1.6. 411  Kreps, Teutsche Politick, I, 13.

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

„welche für sich ingeheim ohne Nachtheil der Gemein etwan wanckeln, zweiffeln oder einer anderer Meynung ohne ärgernus seind, nicht wol zur straff zu ziehen, noch stren­ giglichen denselben nach zuforschen seye.“412

Dass Toleranzforderungen in der Frühen Neuzeit im entscheidenden Maße als Reaktion auf die Erfahrungen der Glaubensspaltung und der Konfessionskriege zu beschreiben sind, lässt sich kaum leugnen. Dennoch ist auch auf die Kon­ fessionen selbst zu blicken. Der konfessionellen Konkurrenzsituation und der Kontroversliteratur lässt sich dabei durchaus eine stimulierende Wirkung für die Beiträge zur Debatte um die Möglichkeiten der Toleranz zuschreiben.

6.4. Ergebnisse: Politische Implikationen theologischer Kontroversen Die interkonfessionellen Kontroversen im konfessionellen Zeitalter, deren Ak­ teure mehrheitlich Theologen waren, beschäftigten sich auch mit den politischen Implikationen ihrer Lehre. Trotz der beginnenden Ablösung der Theologie als Leitwissenschaft durch die Jurisprudenz, wie sie im geflügelten Wort „silete theologi in munere alieno“ Alberico Gentilis (1558–1608) Ausdruck findet, wurden die in den Kontroversen entstandenen Schriften ebenso von Nichttheo­ logen gelesen und teilweise nachhaltig rezipiert. Die besonders für das deutsche Staatskirchenrecht bedeutsame terminologische Unterscheidung Pareus’, die Schriften der Oath-of-Allegiance-Kontroverse und Becanus’ Toleranzkon­ zeption wurden von den Zeitgenossen aufgegriffen und beeinflussten teilweise sogar nachfolgende Generationen. Die Beschäftigung mit den Kontrovers­ schriften dieser Zeit ist daher auch hinsichtlich ihrer politischen Implikationen bedeutsam.413 Keinesfalls wurzelten innovative frühneuzeitliche Konzeptionen zum Verhältnis von Staat und Kirche und der Frage des Umgangs mit Anders­ gläubigen ausschließlich in dem Wunsch, konfessionelles Denken einzuhegen. In den konfessionellen Kontroversschriften selbst wurde der Diskurs zu diesen Themen vorangetrieben. Aus der konfessionellen Konkurrenz ergibt sich eine deutlich sichtbare Sti­ mulation der gelehrten Beschäftigung mit den kontroversen Themen zur Ord­ nung des christlichen Gemeinwesens. Es stünde zu bezweifeln, ob sich die hier untersuchten Autoren mit Fragen zum Verhältnis von Staat und Kirche und zur Toleranz in gleicher Intensität auseinandergesetzt hätten. Die ungeschriebenen Regeln der interkonfessionellen Kontroversen legen den Akteuren die Notwen­ digkeit einer möglichst umfassenden Erwiderung nahe. Anhand der Entwicklung der Toleranzkonzeption Becanus’ lässt sich aufzeigen, dass die Beschäftigung mit 412  Ebd., I, 148. 413  Vgl. auch Tschopp, Politik im theologischen Gewand, bes. 55.



6.4. Ergebnisse

371

der Thematik maßgeblich durch die Polemik seiner konfessionellen Gegner ini­ tialisiert wurde und diese Beschäftigung durch die intensiv geführten Schriften­ wechsel mit Brederode und Pareus weiter vorangetrieben wurde. Vergleichbares gilt für das durch die konfessionelle Konkurrenzsituation stimulierte Schrifttum über die Kompetenzen der weltlichen Obrigkeit in Kirchenangelegenheiten und über die zeitliche Gewalt des Papsttums. Die kontroverstheologischen Angriffe provozierten auf der anderen Seite konzeptionelle und argumentative Neuerungen. Die wirkungsreiche Unter­ scheidung äußerer und innerer Kirchengewalt bei David Pareus sowie auch ihre Anwendung etwa bei Robert Burhill sind aus der Beschäftigung mit den Argumenten ihrer katholischen Gegner entstanden und entspringen dem Bedürfnis, die eigene konfessionell verortete Position schwerer angreifbar zu machen. Entsprechendes gilt etwa auch für die explizite terminologische Unterscheidung zwischen Religionsfreiheit und Toleranz, die Becanus in der Auseinandersetzung mit Pareus und zuvor Brederode entwickelt. Eng hiermit verbunden ist als weitere Wirkweise der konfessionellen Konkurrenzsituation die Dynamisierung der Argumentation in den Kontroversschriften zu nennen. Die eigene Position zur Kompetenz weltlicher Obrigkeit in Religionssachen versuchten Akteure beider Seiten durch Verweise auf die Heilige Schrift, die Ge­ schichte sowie das römische und kanonische Recht mit einer Argumentation zu untermauern, die ihnen grundsätzlich auch für die andere Seite kommunikabel erschien. Um seinen Standpunkt zur Überordnung des Pontifex über den König zu unterstützen, legt Becanus in De Pontifice Veteris Testamenti großen Wert auf die Feststellung, seine Schlussfolgerungen lediglich aus der Bibel gezogen zu haben, welche er zusätzlich durch Verweise auf Philo und Flavius Josephus belegt. Wie weit diese Dynamisierung der Argumentation führen kann, zeigen die Zensur beziehungsweise Indizierung und Verurteilung Becanus’ erster und letzter Schrift in der Kontroverse um den Oath of Allegiance. Zur Widerlegung der Argumente seiner protestantischen Gegner und zur Stärkung seiner eigenen übertrat Becanus festgelegte Grenzen innerhalb seiner eigenen Konfession. Einerseits betonte er die Trennung zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt stärker als Bellarmin und relativierte das privilegium fori, andererseits sprach er über die Gewalt des Papstes, einen abgesetzten Monarchen töten zu lassen, und relativierte das dynastische Recht gegenüber der Zustimmung des Volkes. Schließlich sind an manchen Stellen sogar interkonfessionelle Transfer­ prozesse zu beobachten, auch wenn diese zumeist indirekter Natur sind und von den Autoren geleugnet werden. So entwickelte David Pareus seine wirkungs­ reiche Unterscheidung zwischen der potestas ecclesiastica interna und externa nicht nur als Reaktion auf die kontroverstheologischen Angriffe seiner Gegner, sondern orientierte sich anscheinend an im Mittelalter geprägten Theorien und Begriffen zur Kirchengewalt. Pareus entwirft eine ähnliche Dreiteilung wie die Unterscheidung der potestas ordinis und der potestas iurisdictionis interioris und

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6.  Kontroversen um die rechte Ordnung des christlichen Gemeinwesens

exterioris und verwendet mit der potestas Regia und potestas ecclesiastica Ter­ mini, die im Umfeld der hochmittelalterlichen Papaltheorie entwickelt wurden. Diese Modelle und Begrifflichkeiten füllt Pareus indes mit anderen Inhalten und in konträrer Absicht. Auf dem Gebiet der Staatslehre und Jurisprudenz sind deutliche konfessionelle Differenzen zu berücksichtigen. Gerade auch durch den geringen Stellenwert, der der Jurisprudenz im Bildungskanon der Jesuiten zu­ gebilligt wurde, sind auf katholischer Seite kaum Beiträge etwa zur Entwicklung des öffentlichen Rechts zu verzeichnen.414 Auf der anderen Seite sind besonders von calvinistischen Rechtsgelehrten, die sich meist explizit mit der reformierten Konfession identifizieren, wichtige Beiträge auf diesem Gebiet geleistet worden – so auch in Heidelberg.415 Die konfessionelle Konkurrenzsituation trug dazu bei, dass die Diskussion um das öffentliche Recht einerseits stimuliert wurde und andererseits interkonfessionelle Transferprozesse ermöglicht wurden.416

414  Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, I, bes. 141–146; Stolleis, Protestantis­ mus und modernes Staatsdenken; Strohm, Religion und Recht, bes. 312–314. 415  Strohm, Calvinismus und Recht, 53–163.439–460. 416  Strohm, Produktive Kraft konfessioneller Konkurrenz.

7. Ergebnisse Die aus Reformation und Glaubensspaltung resultierende konfessionelle Kon­ kurrenzsituation hat in nicht zu unterschätzendem Maße das frühneuzeitliche Europa geprägt. Sicherlich erschöpft sich weder der Beitrag der Konfessionen in den Auswirkungen dieses Konkurrenzverhältnisses, noch lässt sich der ent­ scheidende Einfluss anderer religiöser, philosophischer und kultureller Tradi­ tionen leugnen. Trotz des berechtigten Einwands bezüglich der Grenzen der Konfessionalisierung lässt sich nicht nur für das Reich eine große Prägekraft der konfessionellen Trennung feststellen. Die Konfessionen standen jedoch nicht isoliert nebeneinander, sondern in Konkurrenz zueinander. An verschiedenen Beispielen wie dem Bildungswesen, der Theologie oder anderen Wissenschaften wie der Historiographie und Philologie lässt sich zeigen, wie konfessionelle Kon­ kurrenz Innovationen provoziert und Austauschprozesse anregt, jedoch auch eine hemmende oder gar destruktive Wirkung haben kann. Es spricht einiges dafür, konkurrierende Wahrheitsansprüche und eine daraus erwachsene „Streitkultur“ sogar als „historische Konstante westlicher Gesellschaften“1 seit der Frühen Neuzeit anzunehmen. Heinrich August Winkler, der in besonderer Weise den Begriff des ‚Westens‘ in der deutschen Geschichts­ wissenschaft geprägt hat, hielt seine Berliner Abschiedsvorlesung unter dem Motto ‚Der Westen braucht den Streit‘. Darin stellt er die These auf, dass die politische Kultur des Westens als pluralistische notwendig eine „Streitkultur“2 sei. Der Glaubensspaltung und somit auch den Konfessionen wird man hierbei ihren historischen Anteil zubilligen, da sie mit ihrer  – gewiss mehrfach auf tragische Weise gescheiterten – Koexistenz neue Wege der politischen Kompro­ missfindung erforderlich machten. Doch nicht nur im politischen, auch in vielen anderen Bereichen des kulturellen und gesellschaftlichen Mit- und Gegen­ einanders trug die konfessionelle Trennung zu Entwicklungen bei, die rückbli­ ckend als tragend für die Entwicklungen zumindest in Europa erscheinen. Noch einen Schritt weiter als Winkler geht der umstrittene britische Historiker Niall Ferguson. In seinem Buch Civilization. The West and the Rest nennt er als eine von sechs „killer applications“, die für den Aufstieg des Westens ausschlaggebend gewesen seien, die innere Konkurrenz („competition“).3 Diese sieht er vor­ 1  Baumann u. a., Polemik im Dialog, 7. 2  Winkler, Der Westen braucht den Streit, publiziert im Kölner Stadtanzeiger, online. 3  Ferguson, Civilization, 19–49.

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7. Ergebnisse

wiegend im politischen und wirtschaftlichen Gegeneinander im fragmentierten Europa, aber auch im Wettbewerb der Konfessionen. So habe etwa der Eifer für die eigene Bekenntnisgruppe als Anreiz zur globalen Expansion gedient.4 Doch ist der Verweis auf die „religiös-kulturelle Differenzierung und Plu­ ralisierung“,5 welche die auf die Reformation folgende Glaubensspaltung maß­ geblich bewirkt hat, ein zufriedenstellendes Ergebnis bei der Suche nach dem Beitrag der Konfessionen in der Entwicklung des frühneuzeitlichen Europa? Thomas Nipperdey, der sich anlässlich des 500. Geburtstags Martin Luthers der Frage stellte, ob der Reformator als ‚Vater der modernen Welt‘ anzusehen sei, fasst diese Aporie wie folgt zusammen: „[…] aber das ist doch keine Vater­ schaft mehr, das ist die allgemeine Weltkausalität, daß jede Epoche die folgende mitbedingt.“6 Dies mag für die Person Martin Luthers zutreffen, dass aber der aus der Reformation hervorgegangene Protestantismus und der neuzeitliche Katholizismus in ihrem Mit- und Gegeneinander fortlaufend die historischen Entwicklungen prägten, ist jedoch alles andere als historisch banal. Durch den intensiven interkonfessionellen Austausch lassen sich die Kon­ fessionen in der Frühen Neuzeit nicht isoliert voneinander betrachten. Wer nach Kulturwirkungen des Protestantismus sucht, wird auch im katholischen Bereich fündig und umgekehrt. Dass „Luther auch und gerade Erfolg in Rom hatte“,7 wie es Heinz Schilling ausdrückt, ist nur auf den ersten Blick paradox. Die von keinem der historischen Akteure angestrebte konfessionelle Koexistenz ver­ festigte sich und stellte beide Seiten fortwährend vor Herausforderungen. Stets ist hierbei darauf zu achten, interkonfessionelle Transfers nicht als ‚Einbahn­ straße‘ anzusehen. Auch der Tridentinische Katholizismus regte Lutheraner und Reformierte zu Innovationen an und brachte selbst solche hervor, die von Protestanten adaptiert wurden. Diese Möglichkeiten des Austauschs beschrän­ ken sich nicht auf überkonfessionelle Freiräume, sondern geschehen auch vor dem Hintergrund scharfer Abgrenzung in konfessionellen Kontroversen. Es wird daher eine bleibende Aufgabe historischer Forschung sein, den Blick für die Verstrickung der Konfessionen zu schärfen und besonders auch die inter­ konfessionelle Kommunikation, etwa in Kontroversschriften, zu untersuchen. Hierzu kann das vorgestellte Konzept der ‚konfessionellen Konkurrenz‘ wichtige Anstöße geben. In Bezug auf die Frage nach den ‚Kulturwirkungen‘ ist besonders zu beachten, dass die Tatsache, dass bestimmte Phänomene in mehr als einer Konfession zu beobachten sind, nicht bedeutet, dass das Konfessionelle hierbei nur eine untergeordnete Rolle spielt. 4  Ebd., 39. Auch die Bildung neuer politischer Strukturen etwa in den Niederlanden be­ schreibt er ebd. als Folge der Glaubensspaltung. 5  Perspektiven für das Reformationsjubiläum 2017, These 3. 6  Nipperdey, Luther und die moderne Welt, 805. 7  Schilling, Martin Luther, 622.



6.4. Ergebnisse

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In den hier untersuchten Kontroversschriften lassen sich drei grundlegende produktive Wirkweisen konfessioneller Konkurrenz aufzeigen. Zu den bereits ausgeführten Wirkungen der Stimulation und des interkonfessionellen Transfers8 tritt als eine spezifisch in dieser Quellengattung anzutreffende Wirkweise die Dynamisierung der Argumente und Konzepte hinzu. Von einer Stimulation lässt sich dahingehend sprechen, dass die gelehrte Textproduktion durch die konfessionellen Kontroversen schon rein quantitativ angeregt wurde. Wie sich gezeigt hat, handelt es sich bei diesen Schriften keines­ wegs um bloße Wiederholungen und verschwendete Energie ihrer Autoren. Bedeutsam ist dieser Effekt insbesondere für die Grenz- und Randbereiche der konfessionellen Theologien. Es reichte nicht aus, dass ein Kontroverstheologe nur in der Dogmatik des eigenen Bekenntnisses gewandt war, er musste über eine umfassende Gelehrsamkeit verfügen, um im interkonfessionellen Streit auf Augenhöhe mitreden zu können. Der Senat der Universität Heidelberg drückte es als die größte Schwierigkeit bei der Besetzung einer etwaigen kontrovers­ theologischen Professur aus, dass der Kandidat „nicht allein in locis theologicis, sondern auch in omnibus aliis partibus philosophiae et linguis wol versirt“9 sein müsse. Heidelberger und Mainzer Theologen arbeiteten sich für ihre kontro­ verspublizistische Tätigkeit unter anderem in die Kalenderrechnung und his­ torische Chronologie, die Geschichte der Alten Kirche, des Mittelalters und ihre unmittelbare Zeitgeschichte ein und eigneten sich ein beachtliches methodisches Wissen in Philologie und Historiographie an. Es steht zu bezweifeln, ob ohne die konfessionelle Konkurrenzsituation beispielsweise in der Kalenderrechnung eine derartige Zahl an Büchern und Schriften in lateinischer und deutscher Sprache publiziert worden wäre. Freilich wird in den Kontroversschriften im Regelfall keine innovative Grundlagenforschung in diesen Rand- und Grenz­ bereichen betrieben, allerdings wurden die Konzepte und Argumente auf diese Weise einem breiteren Personenkreis bekannt, der sich ohne die konfessionelle Aufladung weniger für diese Fragen interessiert hätte. Allerdings wurde in der konfessionellen Konkurrenzsituation nicht nur die Quantität der Publikationen gehoben, auch die inhaltliche Diskussion wurde in der interkonfessionellen Kommunikation vorangetrieben. Dieser Effekt lässt sich als Dynamisierung bezeichnen, zu der sich die Autoren gegenseitig provozierten. Die Kontroverspublizisten bemühten sich, auf die Angriffe ihrer Gegner zu reagieren, indem sie immer wieder neue Argumente, Belege oder gar neue Konzeptionen in die Kontroverse einbrachten. Dabei versuchten sie vom Gegner aufgedeckte blinde Flecken des eigenen Argumentationsgangs zu beseitigen, freilich ohne dies offen zu thematisieren. Eine Anpassung der eigenen Position sollte vielmehr als eine präzisierende Wiederholung der vor­ 8  S. o. Kap. 1.3.; vgl. auch Strohm, Produktive Kraft konfessioneller Konkurrenz, 13 f. 9  Senat der Universität an Friedrich IV., 8.6.1599, abgedr. in: Winckelmann, Ur­ kundenbuch, I, 332; vgl. oben Kap 2.3.2.

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7. Ergebnisse

maligen Position verstanden werden. Ziel der Autoren war es, ihre Position interkonfessionell kommunikabel zu formulieren, um die eigene Konfession als die objektiv Überlegene zu erweisen. Im Zuge dieses Prozesses wurden in den Kontroversschriften  – angestoßen durch die konfessionellen Kontrahenten  – auch innovative und wirkungsreiche Konzeptionen entwickelt. Beispiele hierfür lassen sich zahlreich anführen, etwa die neue differenziertere Sichtweise auf die Kirchenväter bei Abraham Scultetus, der diese Konzeption dem katho­ lischen Vorwurf, die Protestanten wichen entgegen ihres Anspruchs von den Vätern ab, entgegensetzen wollte. In ähnlicher Weise entfalteten Serarius und die Bollandisten ein neues kritischeres Verhältnis zu den Heiligenlegenden als Reaktion auf protestantische Kritik. David Pareus entwickelte seine einfluss­ reiche Unterscheidung innerer und äußerer Kirchengewalt nicht nur als Folge katholischer Kritik, sondern übernahm sogar teilweise deren Terminologie. In den aufgeheizten Kontroversen ließen sich manche Gelehrte sogar zu Spitzen­ thesen provozieren, die sie in anderen Publikationen wohl nicht formuliert hätten. Martin Becanus, der sich auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung von anglikanischen Autoren dazu hatte verleiten lassen, die durch den Papst ver­ anlasste Tötung eines Monarchen und die Höhergewichtung des Volkswillens über das dynastische Erbrrecht zumindest in den Raum zu stellen, musste als Konsequenz sogar die Indizierung seiner Schrift ertragen. Zu Transferprozessen über die Konfessionsgrenzen hinweg kam es in der angespannten Lage meist nur indirekt und ohne, dass dies von den Akteuren thematisiert wurde. Dennoch ermöglichten die Kontroversschriften als dem maßgeblichen Medium gelehrter interkonfessioneller Kommunikation wie sonst nur die seltener werdenden persönlichen Kontakte den Transfer von Ideen und Wissensbeständen von einer Konfession zur anderen. Ein gutes Beispiel hierfür ist David Pareus’ Übernahme des „nicht-essentialistischen ‚naturale‘-Be­ griff[s]“.10 Um der Kritik seines katholischen Gegenparts Robert Bellarmin zu begegnen, übernahm Pareus dessen Terminologie und deutete sie entsprechend den Bedürfnissen protestantischer Urstandslehre und Anthropologie um. Von hier verbreitete sich die Konzeption im protestantischen Bereich, ohne dass die Herkunft aus der katholischen Dogmatik bekannt blieb. Wie sich auch in diesem Beispiel zeigt, sind diese Transferprozesse eng verwandt mit der beschriebenen Dynamisierung der Argumente und Positionen. Zu einer langsamen Übernahme der gegnerischen Position kam es sogar im Fall zweier historisch nicht haltbarer Geschichtslegenden. Getrieben von der Kontroverspublizistik der Gegenseite erkannten Kardinal Caesar Baronius und der Hugenotte David Blondel, dass die in ihren Lagern populären Geschichtsmythen der Konstantinischen Schenkung beziehungsweise der Päpstin Johanna nicht haltbar waren. Der gegnerischen Position schlossen sie sich freilich nicht explizit an. Ebenfalls als interkon­ 10  Schubert, Ende der Sünde, 52. Vgl. o. Kap. 5.1.2.



6.4. Ergebnisse

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fessionelle Transferprozesse lassen sich Hinwendungen zu Themenkomplexen begreifen, die im anderen Lager besondere Aufmerksamkeit genossen. Evan­ gelische und katholische Gelehrte sahen sich in der konfessionellen Konkur­ renzsituation dazu genötigt, aus ihrer jeweiligen „Komfortzone“ auszubrechen und sich sehr viel intensiver mit den Kirchenvätern beziehungsweise mit der ursprachlichen Exegese und der Hebraistik auseinanderzusetzen. Dass diese Disziplinen in beiden Konfessionsgruppen gefördert wurden, heißt somit nicht, dass Konfession als prägender Faktor auszuschließen wäre. Die dargestellten produktiven Wirkweisen konfessioneller Konkurrenz in den Kontroversschriften sind eng mit der beschriebenen Funktion und den „Regeln“ dieses Mediums verbunden. Dass von den Autoren erwartet wurde, vollständig auf jeden Punkt des Gegners zu antworten und sich dabei nicht einfach wörtlich zu wiederholen, erforderte eine hohe Flexibilität der Autoren und förderte die Dynamisierung der Argumente und Positionen. Auch das Gebot, den Gegner genau zu zitieren und ihn möglichst in allen Punkten zu widerlegen, verlangte von den Kontroverspublizisten eine hohe Genauigkeit und ermöglichte direkte oder indirekte Transferprozesse, da die Autoren gezwungen waren, ihre Gegner mit besonderer Sorgfalt zu studieren. Dass die Kontroversschriften ihrer iden­ titätsstiftenden und selbstvergewissernden Funktion entsprechend in erster Linie für die eigene Konfessionsgruppe verfasst wurden und dort vornehmlich rezipiert wurden, steht indes nicht im Widerspruch zu diesen Wirkweisen. Auch unter diesen Umständen gaben sich die Gelehrten höchste Mühe, interkon­ fessionell kommunikabel zu argumentieren. Den Konfessionsverwandten sollte die objektive Überlegenheit der eigenen Konfession vor Augen geführt werden; außerdem wurde den Kontroversschriften von Zeitgenossen teils durchaus die Bedeutung zugeschrieben, zumindest Einzelpersonen der Gegenseite zu über­ zeugen oder wenigstens zum Zweifeln zu bringen. Neben diesen grundlegenden produktiven Wirkweisen sind auch themen­ spezifische Wirkungen der konfessionellen Konkurrenz zu benennen. Bei den Kontroversen, die sich Fragen nach den rechten Methoden und Quellen der Erkenntnis widmen, wird an verschiedenen Stellen eine „Methodisierung“ und eine Hochschätzung der philologischen und historischen Kritik sichtbar. Da die Geschichte und ihre Zeugnisse legitimatorisches Potential für die Konfessionen hatten, wurde ihnen auch durch die Kontroverstheologen besondere Aufmerk­ samkeit zuteil. Die Gelehrten beider Konfessionen bedienten sich daher auf dem aktuellen Stand der jeweiligen Disziplinen und ihrer Methodik, um die eigene Position abzusichern und die gegnerische anzugreifen. Diese Methodik wurde in den Kontroversschriften freilich nicht erfunden, allerdings lässt sich mit gewissem Recht behaupten, dass diese Publikationen zu ihrer Popularisierung beitrugen. Durch die konfessionelle Inanspruchnahme kamen auch Rezipienten in Kontakt mit den Methoden philologischer und historischer Kritik, die sich für diese Themen an sich weniger interessierten.

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7. Ergebnisse

Eng hiermit verbunden ist der Bedeutungsanstieg der „Positiven Theologie“ (abgegrenzt von der spekulativen Theologie), wie er besonders im katholischen Bereich augenfällig ist. Hier führte das Bedürfnis, sich als die wahre Kirche zu erweisen, zudem in das neu entstehende Fach der Fundamentaltheologie. An­ gestoßen durch den konfessionellen Streit stiegen auch hier die Bereitschaft und das Interesse daran, die literarische Tradition des Christentums unter histori­ schen und philologischen Gesichtspunkten zu behandeln. Durch die Glaubens­ spaltung wurde in allen Konfessionen eine umfassende Neuorientierung der Theologie angestoßen. Treibend war hierbei die Tatsache, dass aus der gemein­ samen Tradition des abendländischen Christentums von der Bibel bis zu den mittelalterlichen Theologen konkurrierende Wahrheitsansprüche erwachsen waren. Hier galt es, die eigene Position zu stärken und interkonfessionell kom­ munikabel zu verteidigen. Die konfessionellen Theologien lassen sich daher keineswegs als erstarrte Orthodoxien begreifen. Sie entwickelten sich nicht isoliert voneinander, sondern blieben aufeinander bezogen. Auch innerkon­ fessionelle Auseinandersetzungen wie Differenzen in der Rechtfertigungslehre im Gnadenstreit und im Vorfeld der Synode von Dordrecht sind nur im Kontext der konfessionellen Konkurrenzsituation vollends zu begreifen und wurden von dieser beeinflusst. Im Falle der sogenannten Heidelberger Irenik wurzelte sogar eine von mehreren Gelehrten mitgetragene theologische Denkrichtung maß­ geblich auf der Angst, der Auseinandersetzung mit den Katholiken andernfalls nicht gewachsen zu sein. Auch manche Bereiche der konfessionellen Frömmig­ keitskultur wie der Heiligenverehrung und der Tätigkeit der Marianischen Sodalitäten in Mainz blieben von den Kontroversen nicht völlig unberührt. Im Bereich der Kontroversen politischen und juristischen Inhalts ist es bemerkenswert, dass Fragen nach dem Verhältnis von Staat und Kirche und dem Umgang mit Andersgläubigen von konfessionell fest verankerten Autoren gestellt wurden, die dabei innovative Konzeptionen einbrachten. Hier wurden sie ebenfalls von ihren konfessionellen Gegnern zur Stellungnahme provoziert. Diese in der Frühen Neuzeit virulenten Fragen wurden also nicht nur von Denkern vorangebracht, die den Einfluss der Konfessionen einhegen und zurückdrängen wollten. Auch wenn derartige „säkularisierende“ Tendenzen in vielen Fällen letztlich wirkungsreicher gewesen sein mögen,11 ist stets auch auf „konfessionalistische“ Autoren und Konzepte zu blicken. Indes sind für die hier aufgezeigten Ergebnisse zu den Wirkungen der konfes­ sionellen Konkurrenzsituation, wie sie sich in den Kontroversschriftenwechseln zeigen, Einschränkungen zu beachten. Zum ersten sind die hier dargestellten Ergebnisse zeitlich eingeschränkt. Sie beziehen sich auf die Hochzeit der inter­ konfessionellen Kontroversschriftenwechsel in den Jahrzehnten vor dem Drei­ ßigjähigen Krieg und sind unter anderen Zeitumständen nicht gleichartig zu be­ 11 Vgl. Stolleis, „Konfessionalisierung“ oder „Säkularisierung“, 21.



6.4. Ergebnisse

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obachten. Im 18. Jahrhundert galten konfessionalistische Ansätze an deutschen Universitäten mit einigem Recht als überholt. Dementgegen bemühten sich die Mainzer Jesuiten, die Berufung eines ausgewiesenen Kirchenhistorikers an ihrer Universität zu verhindern, in der Sorge, die konfessionelle Tradition werde sonst relativiert.12 Dies gelang dem Orden, der mit Jansenisten und Rationalisten inzwischen neue Feindbilder hatte, bis zu seiner vorübergehenden Auflösung 1773. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich die vorliegende Studie maßgeblich auf den Südwesten des Reichs bezieht. Durch die territoriale Durchmischung entlang etablierter Kommunikationswege kam es hier zu gesteigertem interkon­ fessionellem Kontakt, wodurch die Wirkungen der in ganz Europa sichtbaren konfessionellen Konkurrenzsituation in besonderer Weise sichtbar werden.13 So zeigen sich nicht zufällige Unterschiede zwischen in Mainz und in Rom wirken­ den Jesuiten. Serarius’ exegetisches Werk und Becanus’ Art der Kontroverspubli­ zistik riefen in Rom die ordensinterne Zensur und in einem Fall sogar die Index­ kongregation auf den Plan. Als Verteidung seines Kollegen Becanus führt Adam Contzen sogar die besonderen Umstände, unter denen die Gesellschaft Jesu im konfessionell gemischten Deutschland wirkte, als Erklärung an. Die Konkurrenz zu den Protestanten war zwar auch den Jesuiten außerhalb Deutschlands ein Begriff, an vielen Wirkungsstätten des global wirkenden Ordens spielte er jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist die internationale Verflechtung vieler Kontroversen zu beachten. Ereignisse wie der Oath of Allegiance James’ I., der zwölfjährige Waffenstillstand im spanisch-niederländischen Krieg oder Abraham Scultetus’ Prager „Bildersturm“ riefen ein europaweites Medienecho und grenzüberschreitende Kontroversschriftenwechsel hervor. Auch wenn international koordinierte Kontroversen wie Martin Becanus’ Streit mit den Anglikanern die Ausnahme gewesen sein mögen, haben sich weitere Beispiele gezeigt, in denen Kontroversschriften in anderen Ländern nachgedruckt oder übersetzt wurden. Somit lässt sich die hier geschilderte konfessionelle Konkur­ renzsituation keinesfalls exklusiv auf die Kontaktzonen im deutschsprachigen Raum beschränken. Schließlich ist auf soziale Einschränkungen der hier aufgezeigten Ergeb­ nisse aufmerksam zu machen. Die gelehrten Kontroversschriftenwechsel sind ein Zeugnis der „Gelehrtenrepublik“ und eine kulturelle Ausdrucksform derselben. Schriftlichkeit, Sprache und hohe inhaltliche Verstehensvorausset­ zungen schränken den historischen Rezipientenkreis stark ein. Mit Studenten, Pfarrern, Lehrern und dem Hof mit seinen Beamten war jedoch ein großer Teil der staatstragenden konfessionellen Elite in die Kontroversen involviert, die auch multiplikatorisch die Inhalte in elementarisierter Form in Predigt oder Ka­ 12  Walter, Theologie, 715. 13  Strohm, Theologenbriefwechsel im Südwesten, 34–36.71–74.

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7. Ergebnisse

techese weitergeben konnten. Sicherlich vorhandene „volkskulturelle“ Aspekte konfessioneller Konkurrenz, die für größere Bevölkerungsteile sichtbar waren, sind in dieser Studie bewusst ausgeklammert worden. Solche Wirkungen kon­ fessioneller Konkurrenz finden sich in Grenzgebieten und multikonfessionellen Städten vor allem in der Besetzung des Raums mit Prozessionen und anderen Bräuchen oder sind architektonisch im Kirchenbau, Hausmadonnen und der­ gleichen greifbar.14 Auch der „Schülerproselytismus“ attraktiver Jesuitenkollegs und protestantische Gegenmaßnahmen sind ein Beispiel hierfür. Wie bereits ausgeführt, fokussiert sich diese Studie wegen ihrer Quellen­ grundlage auf die produktiven Wirkungen konfessioneller Konkurrenz. Die hemmenden oder gar zerstörerischen Wirkungen dürfen darüber weder geleug­ net noch verdrängt werden. Es wäre jedoch nicht sachgemäß, „konfessionelle Konkurrenz“ lediglich als ein Grundübel der europäischen und insbesondere der deutschen Geschichte darzustellen, wie es beispielsweise Tillmann Bendikowski in Der deutsche Glaubenskrieg vertritt.15 Das Produktive der konfessionellen Konkurrenzsituation verdankt sich eben nicht dem bloßen Streit und dem Beharren auf Identität und Differenz, sondern dem Aufeinanderbezogensein und der interkonfessionellen Kommunikation, die unter den Umständen der Zeit auf gelehrter Ebene fast nur noch im Medium der Kontroversschriften möglich war. Eine Forderung nach Fortführung oder Wiederaufnahme harter konfessioneller Polemik kann somit nicht aus dieser Studie abgeleitet werden, da sie die besonderen historischen Umstände verkennen würde. Interkonfessio­ nelle Kommunikation kann und muss heute anders gestaltet werden. Überhaupt ist gegenüber der Ansicht, der Nutzen konfessioneller Polemik überwiege auch gegenwärtig die Nachteile,16 die kritische Nachfrage zu stellen, wie eine solche konfessionelle Polemik heute aussehen sollte und welcher Medien, sprachlicher Mittel und Strategien sich diese bedienen dürfte, um nicht hinter unbestreitbare Errungenschaften des ökumenischen Dialogs zurückzufallen. Das verbreitete Bedürfnis, die eigene konfessionelle Identität und das theologische Profil in einer sich pluralisierenden Umwelt zu stärken, mag eine der großen Heraus­ forderungen ökumenischer Theologie sein – dieser Herausforderung lässt sich jedoch keinesfalls durch den Rückgriff auf Kommunikationsformen vergangener Jahrhunderte begegnen. Vielmehr weist die historische Perspektive auf die Kontroversschriften und die konfessionelle Konkurrenzsituation um 1600 auf den Umstand, dass die 14  Nicht zufällig finden sich in den konfessionellen Kontaktzonen im Süden und Südwesten Deutschlands sowie in multikonfessionellen Städten besonders viele Madonnenstatuen an Hausportalen und -winkeln. Die kurmainzisch-würzburgisch-kurpfälzische Grenzregion am östlichen Odenwald gilt sogar als „Madonnenländchen“. 15 Mit der Verwendung des Begriffs der „konfessionellen Konkurrenz“ Bendikowski, Glaubenskrieg, bes. 33 f. 16  Slenczka, Vom Nutzen und Nachteil konfessioneller Polemik.



6.4. Ergebnisse

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großen Konfessionen auf 500 Jahre gemeinsame Geschichte zurückblicken. So konfliktbehaftet dieses Verhältnis oft war, kann es zu einem Teil des gemein­ samen Gedenkens von Katholiken und Protestanten werden, sich vor Augen zu führen, dass die Konfessionen nach der Glaubensspaltung nicht isoliert neben­ einander existierten, sondern selbst in Zeiten schärfster Abgrenzung im Aus­ tausch standen. Die zum Teil bis heute gegebenen konfessionellen Differenzen und die in weiten Teilen von Ab- und Ausgrenzung oder sogar Gewalt geprägte gemeinsam erlebte Geschichte müssen ernst genommen werden. Ein ‚Healingof-memories-Prozess‘,17 wie er zum Reformationsjubiläum 2017 angeregt wurde, sollte auf der Erkenntnis aufbauen, nicht eigener, sondern gemeinsamer Ge­ schichte zu gedenken. Dies ist auch aus allgemeinhistorischer Perspektive von Bedeutung. Konfes­ sionelle Aspekte sind in der europäischen Frühen Neuzeit von herausragender Bedeutung. Wie sich gezeigt hat, reicht es nicht aus, nur auf eine Konfession zu blicken oder die Konfessionen komparatistisch nebeneinander zu stellen. Vielmehr sind auch die Beziehungen, Austauschprozesse und Interdependenzen im Mit- und vor allem Gegeneinander der konfessionellen Konkurrenzsituation zu berücksichtigen.

17  So das Motto des am 11. März 2017 an vielen Orten begangenen ökumenischen Ver­ söhnungsgottesdienstes zum Reformationsjubiläum: Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Ökume­ nischer Gottesdienst zum gemeinsamen Reformationsgedenken 2017.

Quellen- und Literaturverzeichnis Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen ARSI: Archivum Romanum Societatis Iesu. Archivio della Casa del Superiore Generale,

Rom, Borgo S. Spirito 4. Boh.: Epistolae Generalium. Bohemia. FG Cens.: Fondo Gesuitico. Censurae. Germ.: Epistolae Generalium. Germania. Rhen. Inf.: Epistolae Generalium. Rhenania Inferioris. Rhen. Sup.: Epistolae Generalium. Rhenania Superioris. Opp. NN.: Opera Nostrorum. ASV: Archivum Secretum Vaticanum. Archivio Segreto Vaticano (Vatikanisches Geheim­ archiv), Vatikanstadt, Cortile del Belvedere. Segr. St., Francia: Segreteria di Stato. Francia. Segr. St., Inghilterra: Segreteria di Stato. Inghilterra. StAMz: Stadtarchiv Mainz, Mainz, Rheinallee 3b. Best. 14: Archiv der Mainzer Jesuiten. Best. 15: Archiv der Oberrheinischen Jesuitenprovinz.

Vor 1800 gedruckte Quellen Alting, Heinrich, Oratio Secularis, in: Iubilaeus Academicus De Doctrina Evangelii centum ab hinc annis, a tenebris Rom. Papatus in lucem revocari: Ecclesiaque a sordibus eiusdem repurgari coepta. Celebratus In Academia Archi-Palatina Heidel­ bergensi, Heidelberg 1618. Anastasius Bibliothecarius, Historia. De Vitis Romanorum Pontificium, Mainz 1602. Andreae, Jakob, Christliche Trewhertzige Erinnerung vermanung vnd warnung vor der zur Newenstatt an der Hart nachgetruckten verfälschten vnd mit Caluinischer Gotts­ lästerlicher Lehr beschmeißten Bibel D. Martin Luthers, Tübingen 1589. Andrewes, Lancelot, Tortura Torti: siue, Ad Matthaei Torti librum responsio, qui nuper editus contra Apologiam serenissimi potentissimique principis, Iacobi, Dei gratia, Magnae Britanniae, Franciae, & Hiberniae Regis, pro Iuramento fidelitatis, London 1609. Ders., Responsio ad Apologiam Cardinalis Bellarmini, quam nuper edidit contra praefationem monitoriam Serenissimi ac potentissimi principis Iacobi, Dei gratia

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Magnae Britanniae, Franciae, & Hiberniae Regis, fidei defensoris, omnibus Christianis monarchis, principibus, atque ordinibus inscriptam, London 1610. Annuae Litterae Societatis Iesu, Florenz 1592 [1600], Florenz 1601 [1593], Antwerpen 1618 [1601], Dillingen 1609. Anonymus, Warer Bericht, warumb das alt Römisch Calender dieser Zeit nothwendig ersehen und gebessert worden. Wie im Nicenischen Concilio vor 1255 Jahrn auff Be­ geren deß Großmächtigsten Römischen Keysers Constantini Magni auch beschehen, Mainz 1584. Anonymus, Gegenbeweisung Daß die Heidelbergische Theologen Gottes wort der Aug­ spurgischen Confession deroselben Apologia vnd der Concordia Anno 36 mit nichten vngemeß lehren noch von ihrem Catechismo abweichen oder wider einander seyn. Wider die neulich zu Wittemberg gedruckte vnd auff ietzigem Reichstag zu Regen­ spurg außgesprengte vnwarhaffte Beweisung. Gestellet Durch einen Theologum der Augspurgischen Confession zugethan, Heidelberg/​Amberg 1594. Anonymus, Zwo Newe Zeitung. Die eine ist ein Spiegel und Ehrenkräntzlein der Jesuider. Das ist Warhafftiger Historischer Bericht wie der Jesuit Robertus Bellarminus gewesener Cardinal zu Rom unseliger Gedächtnuß in seinem Pharisäuischen unhei­ ligen Leben mehr nicht dann 1642. Weibspersonen beschlaffen dieselbigen hernacher mehrertheils sampt den Kindern durchs Schwerd Gifft Fewer und Wasser jämmerlich unnd heimlicher weiß verderbt und umbgebracht. Die ander ist Wie die Jesuiter eine Comedi zu Moltzheim agirt und gehalten und H. Doctor Luthern durch einen Teuffel verreissen wollen, Basel 1614. Anonymus, Aphorismi doctrinae Jesuitarum et  Aliorum  Aliquot  Pontificiorum  Doc­ torum. Quibus Verus Christianismus Corrumpitur, Pax publica turbatur, & vincula societatis humanae dissolvuntur. Sumpti Ex Pontificum,  Jesuitarum  Et Aliorum Pontificiorum scriptis, dictis, & ex actis publicis, s. l. 1608/Frankfurt a. M. 1608/Am­ berg 1609/s. l. 1629. Anonymus [Brederode]: Vgl. Brederode, Pieter Cornelis van. Anonymus, Ad Martini Becani, Jesuitae Moguntini, Aphorismos, quos vocat, Calvinis­ ticos, Notae, Amberg 1609. Anonymus, Examen und Gegenbericht Uber das jüngsten zu Heidelberg getruckt Calvinische Büchlin nachfolgenden Tituls. Außführlicher Bericht Was die Reformierte Kirchen in Teutschland glauben oder nicht glauben. Item was sie für Ceremonien ge­ brauchen oder nicht gebrauchen. Darinn zugleich auch das letztere Büchlin D. Davidis Parei, Summarische Erklärung intitulirt von den fürnembsten jetziger Zeit streitiger Religions Articuln etc. an füglichen Orten mit eingezogen und Refutirt worden, Frankfurt a. M. 1611. Anonymus, Einfältiges Gespräch uber den kurtzen Aber unschrifftmässigen Bericht Von den Ungötzen Bildern. An die Christliche Gemein zu Prag. Als auß ungnädigisten befelch die Schloß-Kirch von allem Gottswerck ungesäubert worden gethan Durch Abraham Scultetum, Prag 1620. Arcularius, Daniel, Disputatio De Calendario Novo Gregoriano, Marburg 1596. Arturus, Laurtentius (Lawrence Arthur Faunt), Refutatio Descriptionis Coenae Dominicae a Daniele Tossano Professore Heidelbergen., Posen 1590. Balduin, Friedrich, Epistola Apologetica Friderici Balduini, S. Theol. Doctoris ac Professoris Wittebergensis. In qua respondetur ad Epistolam Martini Becani, S. Theol. Doctoris ac Professoris Moguntini, nuper editam, qua Notas de Communione sub utraque spiecie leviter perstringere conatus fuit, Wittenberg 1610.



Quellenverzeichnis

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Ders., Oratio Panegyrica De Synodo Evangelicorum Generali. Quam in componendis Controversiis Sacramentariis frustra urget D. Pareus in suo Irenico, Wittenberg 1614. Ders., Rettung seiner Lateinischen Oration de Synodo generali Evangelicorum. in pro­ motione Doctorali anno 1614. d. 19. Iul. Gehalten. Welche D. David Paraeus Professor zu Heidelberg in einer Teutschen Vorrede die er seinem Teutschen Irenico praefigiret, unlangst anzustechen sich hat gelüsten lassen, Wittenberg 1616. Ders., Gründlicher Gegenbericht Auff Abrahami Sculteti vermeinten Schrifftmessigen Bericht von Götzenbildern Welchen Er an die Christliche Gemein zu Prage in einer Predigt den 12/22 Decembr. des 1619. Jahrs gethan. Genommen aus den alten Schriff­ ten der Theologischen Facultet zu Wittenberg wieder die Anhalter darinnen solcher Bericht vorlengst widerlegt und die Sprüche der H. Schrifft richtig und gründlich erklehret werden; Sampt einem Bedencken von den Bildern Herrn D. Lutheri seligster gedechtnüß wider Andream Carlstadt schon vor 95. Jahren gestellet, Wittenberg 1620. Ders., Außführlicher und in Gottes Wort wolgegründter Bericht Von Bildern Gottes Christi und der Heiligen in und ausserhalb den Gotteshäusern. Mit Beantwortung dessen Was Theophilus Mosanus Esbacensis in seinen vindiciis wider solche Lehre unlengst vorgebracht, Wittenberg 1621. Baronius, Caesar, Annales Ecclesiastici, Bd. 1–12, Rom 1588–1608 [Bd. 1–11, Mainz 1601–1606]. Ders., Venerabilis Caesaris Baronii S. R. E. Cardinalis Bibliothecarii Epistolae et Opus­ culae, ed. Raimondo Alberici, Bd. 1+2, Rom 1759. Baronius, Justus: Vgl. auch Calvinus, Justus [Namensänderung 1601/02]. Ders., Praescriptionum Adversus Haereticos Perpetuarum Ex SS. Orthodoxis Potissi­ mum Patribus Tratactus VI. Praesentium Temporum Novatoribus oppositi: Atque Ad retegendas eorum fraudes, mirificamque cum priscis haereticis similitudinem ostendendam, Argumentis, Notis atque Analysi ita illustrati, ut Catholicae Romanae Ecclesiae Veritas, atque inconcussa insuperabilisque ad finem usque mundi soliditas perspicue omnium retro seculorum testimonio asseratur, Mainz 1602. [Leicht veränderte Neuauflage:] Praescriptionum Adversus Haereticos Perpetuarum ex SS. Orthodoxis potissimum Patribus Tractatus VI. Iterum Editi, Ac Vindiciis adversus Joan. Rainoldum Anglo Calvinianum aucti, Mainz 1605. Ders. [Ps.: Tribonianus Cassius], Pseudoiubilaeus Wittenbergensis. Id est, Confutatio Orationis Secularis Aegidii Hunnii, Profess. Wittenb.: Quam Nuper Infesto, ut scribit, Natalitio eiusdem Academiae habuit, virulentissimisque Catholicorum infectationi­ bus, falsissimis vero Martini Lutheri, prodigiosi haeretici, laudibus adimplevit, Mainz 1603. [Neuauflage unter Klarnamen:] Pseudoiubilaei Wittebergensis Adversus Aegidium Hun­ nium, atque infelicem Magistrum eius Lutherum. Liber Singularis. Recens Emendatus, Ac Memoriae S. D. N. Clementis VIII. Pont. Max. consecratum, Mainz 1605. Ders., Epistolarum Sacrarum Ad Pontificem Max. Et Amplissimos Cardinales &c. Libri VI. Quibus Quae Ad Causam Abiectae A Se Haereseos Pertinent, ordine quasi his­ torico complexus est: insertis aliorum subinde ad se amoebaeis Epistolis, Mainz 1605. Bartoli, Daniello, Della Vita di Roberto Cardinal Bellarmino libri IV., Rom 1678. Becanus, Martin, Disputatio Theologica De Duplici Praedestinatione; Calvinistarum Desperata Una; Catholicorum Orthodoxa Altera, Mainz 1602. Ders., Disputatio Theologica An Deus Sit Auctor Peccati? contra Calvinistas. Vel An alius sit Calvinistarum, alius Catholicorum Deus?, Mainz 1604. Ders., Quaestiones Calvinisticae Contra Pareum, Mainz 1605.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Ders., Disputatio Theologica De Circulo Calvinistico Contra Pareum, Mainz 1605. Ders., Enchiridion Variarum Disputationum. Quae In Academia Moguntina Contra Calvinistas Propositae Sunt. De Praedestinatione, de Authore peccati, Iustificatione, Merito, Gratia, circulo Calvinistico, &c., Mainz 1606. Ders., Disputatio Theologica De Duplici Iustificatione, Altera Calvinistarum, altera Ca­ tholicorum, Mainz 1606. Ders., Disputatio Theologica, De Fide Haereticis Servanda: Cum Appendice In Libellum, Cui Titulus; Foederatorum inferioris Germaniae defensio tertia contra calumniam pacis perturbatae &c, Mainz 1607. Ders., Disputatio Theologica De Antichristo Reformato. In Qua Tumalii, Tum Marpur­ gensis quidam Calvinista refutatur, qui nuper duplici Elencho conatus est probare, Papam esse Antichristum, Mainz 1608. Ders., Disputatio Theologica De Triplici Coena: Calvinistica Lutherana Catholica, Mainz 1608. Ders., Aphorismi Doctrinae Calvinistarum: Ex Eorum Libris, Dictis Et Factis, collecti; Cum Brevi Responsione Ad Aphorismos Falso Jesuitis impositos, Mainz 1608. Ders., Disputatio De Purgatorio Calvinistarum: Cum Appendice, De Statu Animarum Post hanc vitam, Mainz 1609. Ders., Disputatio De Communione Sub Utraque Specie: Pro Defensione Catholicorum, contra Hußitas, Lutheranos & Calvinistas, Mainz 1609. [Nicht authorisierter Nachdruck mit kritischen Anmerkungen:] De Communione Sub Utraque Specie Disputatio Martini Becani, Jesuwiticae Theologicae Doctoris ac Professoris Moguntini. Cum Notis Necessariis; Pro asserendo integro Sacramento Christi, una cum Confeßione constantißimi martyris Johannis Hussi de hoc articulo, Wittenberg 1610. Ders., Quaestiones Miscellaneae De Fide Haereticis Servanda: Contra Quendam Calvi­ nistam Batavum, Qui se foederatorum inferioris Germaniae Defensorem appellat, Mainz 1609. Ders., Serenissimi Jacobi Angliae Regis Apologiae, & monitoriae Praefationis ad Impera­ torem, Reges & Principes, Refutatio, Mainz 1609. [Gleichnamige, leicht überarbeitete Neuauflage:] Mainz 1610. Ders., Brevis Refutatio Quarundam Propositionum Philippi Plessaei Calvinistae, de Eucharistia, Mainz 1609. Ders., Quaestio De Differentia Inter Calvinistas, Pelagianos, Et Catholicos, In Negotio Praedestinationis: Contra Quendam Calvinistam Anonymum, Calvinisticorum Aphorismorum defensorem, Moguntiae proposita, Mainz 1609. Ders., Examen Plagae Regiae, Mainz 1610. Ders., Refutatio Torturae Torti Seu Contra Sacellannm Regis Angliae, quod causam sui Regis negligenter egerit, Mainz 1610. [Englische Übersetzung:] The confutation of Tortura Torti: or, Against the King of Eng­ lands chaplaine: for that he hath negligently defended his Kinges cause, Saint-Omer 1610. Ders., Ad Fridericum Balduinum Theologum Wittenbergensem. De Communione sub utraque specie: Epistola, Mainz 1610. Ders., Tractatus De Deo Et Attributis Divinis. In Quo Catholicorum Sententia Breviter Explicatur, & novi quorundam Calvinistarum Atheismi refelluntur, Mainz 1611 [Nachdruck Mainz 1620]. Ders., Privilegia Calvinistarum, Mainz 1611.



Quellenverzeichnis

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[Stark erweiterte Neuauflage:] Privilegia Calvinistarum: Quibus acceßit, Simoniani Rittingindoni, Ministri Britanni, De Privilegiis Calvinistarum, Et Epistola Scurrae De Oppenhaim, qui se Guilelmum De Pratis Presbyterum Societatis Jesu nominat, Iudicium Ad Davidem Pareum Professorem Heidelbergensem, Mainz 1612. [Dt. Übersetzung:] Von der Calvinisten Wunderseltzamen Privilegien Freyheiten Vorzug und eigenthumblich habenden Gerechtigkeiten, München 1612. Ders., Quaestiones Batavicae. In Quendam Batavum, Qui Se Christianum, Evangelicum, & Foederatorum Defensorem appellat, Mainz 1611. Ders., Dissidium Anglicanum De Primatu Regis. Cum Brevi Praefatione ad Catholicos in Anglia degentes, Mainz 1612. [Engl. Übersetzung:] The English iarre or disagreement amongst the ministers of great Brittaine, concerning the Kinges supremacy, Saint-Omer 1612. Ders., Duellum Martini Becani, Societatis Jesu Theologi, Cum Guilielmo Tooker, An­ glicanae Theologiae Professore, & Decano Ecclesiae Lichefeldensis. De Primatu Regis Angliae, Mainz 1612. Ders., De Pontifice Veteris Testamenti. Et De Comparatione illius cum Rege, Mainz 1612. Ders., Controversia Anglicana. De Potestate Regis Et Pontificis. Contra Lancellottum An­ dream, Sacellanum Regis Angliae, qui se Episcopum Eliensem vocat, pro defensione Illustrissimi Cardinalis Bellarmini, Mainz 1612. [Emendierte Neuauflage:] Mainz 1613. Ders., Theologiae Scholasticae Partis Secundae Tomi Posterioris [II,2], Mainz 1620. Ders., Tractatus Scholasticus De Libero Arbitrio, Mainz 1613. Ders., Examen Concordiae Anglicanae. De Primatu Ecclesiae Regio, Mainz 1613. Ders., Tituli Calvinistarum. Collecti, In Ordinem Redacti, Et Explica, Mainz 1614. Ders., De Iudice Controversiarum, Id est, An Scriptura Sit Iudex Controversiarum, Ut volunt Adversarii: An potius Ecclesia, ut docent Catholici?, Mainz 1616. [Engl. Übersetzung:] A treatise of the iudge of controuersies, Saint Omer 1619. Ders., Libellus De Invocatione Sanctorum, Mainz 1616. Ders., Apologia Pro Iudice Controversiarum Fidei Ac Religionis, Mainz 1617. Ders., De Republica Ecclesiastica Libri quatuor. Contra Marcum Antonium De Dominis, Nuper Archiepiscopum Spalatensem, nunc Desertorem & Apostatam, Mainz 1618. Ders., Epistola Martini Becani Societatis Jesu Theologi Ad D. Davidem Pareum Theo­ logum Heidelbergensem. De Actis Colloquiorum Swalbacensium, & de fide haereticis servanda, Mainz 1619. Ders., Manuale Controversiarum Huius Temporis. In Quinque Libros Distributum. Ad Invictissimum Et Sacratissimum Imperatorem Ferdinandum II. Austriacum, Catho­ licae fidei Defensorem, Münster/​Würzburg 1623 [zahlreiche Neudrucke, vgl. 8.1.3]. Bellarmin, Robert, Opera Omnia, 12. Bd., Paris 1870–74. Belgische Jesuitenprovinz, Imago Primi Saeculi Societatus Iesu, Amsterdam 1640. Blondel, David, Familier éclairissement de la question: si une femme a été assise au siège papal de Rome, Amsterdam 1647. Ders., De Ioanna Papissa sive famosae quaestionis an foemina ulla inter Leonem IV. & Benedictum III. Romanos Pontif. Media sederit, Anacrisis, Amsterdam 1657. Bongars, Jacques, Ad Roberti Cardinalis Bellarmini librum de Temporali Potestate Papae, Commentatio, Frankfurt a. M. 1612. Bozio, Tommaso, De Signis Ecclesiae Dei, Köln 1593. Braunbom, Friedrich, Florum Flaminiorum, Romanensium, BaPalium, sive PaPalium, Decas Una, Hanau 1613.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Brederode, Pieter Cornelis van, Repraesentatio Pacis Generalis, inter Orbis Chris­ tiani Reges, Principes Et Status: Pontificum & Sedis Romanae sollicitudine procuratae. In qua eiusdem Scopus cuivis velut in tabella conspiciendus exhibetur, cuius cognitio quid ad felicitatem obtinendam cuique sequendum fugiendumve erit ostendit, s. l. 1608. Ders., Foederatorum Inferioris Germaniae Defensio Secunda, Contra Calumniam De Invasis Et Usurpatis In Imperium, s. l. 1608. Ders., Foederatorum Inferioris Germaniae Defensio Tertia, Contra Calumniam Pacis Perturbatae Et Penitus reiectae, s. l. 1608. Ders., Pro Defensione Tertia Foederatum, contra Appendicem Disputationis Theo­ logicae, De Fide Haereticis servanda, Martini Becani, Amsterdam 1608. Ders., Apologia Pro Christiano Batavo, Non Calvinista, Contra Martini Becani Jesuitae, Antichristiani Sylvaducensis Quaestiones Miscellaneas; De Fide Haereticis servanda. In qua Axiomatis Pontificii, quo fidem haereticis servandam esse docent, fraus, ut & caetera pestiferae sectae damnata dogmata, quibus publica simul ac privata in Regnis & Rebusp. eversum eunt, ex ipsorum Jesuitarum scriptis, & indubitatae fidei monumentis, tam Pontificiorum quam Evangelicorum evidentissime demonstrantur, London [Hanau] 1610. Burhill, Robert, Pro Tortura torti, contra Martinum Becanum Iesuitam, responsio Roberti Burhilli Angli, London 1611. Ders., Contra Martini Becani, Iesuitae Moguntini, Controuersiam Anglicanam auctam & recognitam Assertio pro iure regio, proque Reuerendi Episcopi Eliensis Responsione ad apologiam Bellarmini Auctore Roberto Burhillo Anglo, London 1613. Ders., De potestate regia, et vsurpatione papali pro Tortura Torti, contra Parallelum Andreae Eudaemonioannis Cydonij Iesuitae, responsio Roberti Burhilli Angli, Oxford 1613. Busaeus, Johannes, De Persona Christi Disputatio Theologica Adversus Ubiquitarios, Mainz 1583. Ders., Pro Calendario Gregoriano Disputatio Apologetica, Mainz 1585. Ders., Apodixis Theologia pro ritu orandi rosarium B. Mariae Virginis, xx propositioni­ bus comprehensa, Mainz 1587 [rekonstruiert, nicht überliefert]. Ders., Apologeticus Disputationis Theologicae de Persona Christi in Moguntia Academia aduersus Ubiquitarios editae, Vanißimis cauillationibus, mendacijs, erroribusq́ue Ste­ phani Gerlachii, Ubiquistae, in Tubingensi Academia Professoris Theologi oppositus, Mainz 1588. [Posthume Neuauflage:] R. P. Joannis Busaei, Societatis Jesu Theologi, Apologeticus, Dis­ putationis Theologicae De Persona Christi Adversus Ubiquitarios Editae Vanissimis Cavillationibus, mendaciis, erroribusque Stephani Gerlachii Ubiquistae, in Tubingensi Academia Professoris, ante annos XX. Oppositus, Mainz 1609. Ders., Responsio ad Theses Theol. Marpurgensium. De Missa Pontificia, et Coenae Do­ minicae in ea Profanatione, Mainz 1588. Ders., Disputatio Theologica De Baptismi Necessitate, et nominatim De Constantino Magno, an in Fine Vitae fuerit baptizatus, Mainz 1589. Ders., Refutatio Cavillationum, A Stephano Gerlachio Tubingensi Ubiquista in Primum Caput Disputationis Moguntinae de Persona Christi, eiusque Apologeticum leuissimé obiectarum, Mainz 1591. Ders., Defensio Secundi Capitis Apologetici Disputationis De Persona Christi, Adversus futilissimas cauillationes Stephani Gerlachii, Mainz 1596.



Quellenverzeichnis

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Ders., Enchiridion Piarum Meditationum In Omnes Dominicas, Sanctorum Festa, Christi passionem, & caetera, insequenti pagina comprehensa. In Gratiam Parthenio­ rum Sodalium, vitaeque Religiosae cultorum, Mainz 1606 [Mehrere Neuauflagen]. [Dt. Übersetzung:] R. P. Joannis Busaei Handtbüchlein Geistlicher und Andächtiger Be­ trachtungen. Auff alle Son- Fest- und Feyertäg durchs gantze Jahr auch uber das bitter Leiden Jesu Christi und andere Geheimnussen des Christlichen Glaubens, Mainz 1620. Ders., Viridarium Christianarum Virtutum. Ex sacrosanctae Scripturae Sanctorumque Patrum sententiis, quasi lectißimis Stirpibus, constructum. Et In Gratiam Concionato­ rum et Religiosae Vitae Cultorum editum, Mainz 1610. Calixt, Georg, Responsum Maledicis Theologorum Moguntinorum Pro Romani Pontificis Infallibilitate Praeceptoque Communionis Sub Una Vindiciis Oppositum, Helmstedt 1644. Calvinus, Justus: Vgl. auch Baronius, Justus [Namensänderung 1601/02]. Ders., De Unitate Sacrosanctae Romanae Ecclesiae Omnibus amplectenda Epistolarum Catholicarum Volumen Unum, Mainz 1601. Ders., Pro Sacrosancta Catholica Romana Ecclesia, Proque Sua Ad Eam Transmigratione Apologia: Ex Sacris Literis, Veneranda Antiquitate, Atque Ipsis Sectariorum principiis ita adornata, ut facilem lectori viam ad veritatem muniat, Mainz 1601. Ders., Apologia oder Schutzrede Deß wolgelerten und Fürnemen Herrn Iusti Calvini Veteracastrensis &c. Als er vom Calvinismo zu der Römischen Kirchen getretten und Catholisch worden, Mainz 1602. Calvisius, Sethus [K allwitz, Seth], Chronologia, Ex autoritate potißimum Sacrae Scripturae, Et Historicorum Fide Dignissimorum, Ad Motum Luminarium coelesti­ num, tempora & annos distinguentium, secundum characteres chronologicos con­ texta & deducta, Leipzig 1605. Ders., Examen Hypothesium Chronologicarum a Davide Pareo, Leipzig 1606. Ders., Epistola Chronologica Ad D. Davidem Paraeum Theologum Heidelbergensem, Leipzig 1608 [Titel möglicherweise verloren, Schlüsselseiten in VD17 nachgewiesen (Brandverlust HAAB Weimar)]. Ders., Epistola Chronologica Ad Clarissimum Virum D. L. Eliam Reusnerum, In Aca­ demia Salana Historiarum Professorem celeberrimum. Cui acceßit Epistola Alta Ad Clarißimum Virum D. D. Davidem Paraeum Theologum Heidelbergensem. Quibus universa fere ratio Chronologiae continetur, Leipzig 1609. Ders., Elenchus Calendarii Gregoriani. In quo Errores, Qui Passim in anni quantitate & Epactis, quae festa mobilia vitiosissime determinant, comittuntur, manifeste demons­ trantur; & Duplex Calendarii Melioris & expeditioris formula proponitur, Frankfurt a. d. O. 1612. Ders., Formula Calendarii Novi. Quae Quidem Alia Est a Calendario Gregoriano, sed tamen expeditior, melior & certior; et quae a Calendario Gregoriano non discrepat, nisi quando id in diversum abit, & Paschata cum mobilibus Festis aliis, alieno tempore & in Canonibus Ecclesiasticis prohibito agit, Heidelberg 1613. Carleton, George, Jurisdiction Regall, Episcopall, Papall, London 1610. Carpzov, Benedikt (d. J.), Jurisprudentia Ecclesiastica seu consistorialis. Rerum & quaes­ tionum in serenissimi ac potentissimi principis electoris Saxon. Libr. III, Leipzig 1649. Clavius, Christoph, Responsio Ad Convicia, Et Calumnias Josephi Scaligeri, In Calendarium Gregorianum, Mainz 1609. Ders., Refutatio Cyclometria Josephi Scaligeri, Mainz 1609.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Ders., Appendix Ad Novi Calendarii Romani Apologiam. Continens Josephi Scaligeri Elenchum & castigationem Calendarii Gregoriani a Christophoro Clavio castigatam, Responsionem ad convicia & calumnias eiusdem Josephi Scaligeri in Calendarium Gregorianum, eodem auctore: Cui accessit Refutatio Cyclometriae eiusdem Sca­ ligeri, Confutationem Calendarii Georgii Germanni, eodem auctore, Admonitionem Theodosii Rubei pro Christophoro Clavio adversus Francisci Vietae expostulationem, Responsionem Laurentii Castellani ad expostulationem Francisci Vietae adversus Christophorum Clavium, Mainz 1612. Ders., Opera Mathematica. V. Tomis distributa, Mainz 1612. Contzen, Adam, Defensio Libri De Gratia Primi Hominis A Reverendissimo Atque Illustrissimo Roberto Bellarmino S. E. R. Cardinale Amplissimo conscripti Contra Castigationes & explanationes Davidis Parei Professoris Heidelbergensis, Mainz 1613. Ders., Crudelitas Et Idolum Calvinistarum Revelatum Seu Defensio Trium Librorum De Peccato. A Reverendiss. Et Illustriss. Roberto Bellarmino S. R. E. Cardinali Ampliss. Conscriptorum Contra Castigationes Et Explanationes Davidis Parei Professoris Heidelbergensis, Mainz 1614. Ders., De Unione Et Synodo Generali Evangelicorum Theologis Et Politicis necessaria consultatio, Mainz 1615. Ders., De Pace Germaniae. Libri Duo. Prior De Falsa Pace Alter De Vera Pace, Mainz 1616. Ders., Ketzerbruet Das ist: Augenscheinlicher Beweiß daß alle Ketzereyen mit behender Fruchtbarkeit die aller gröste unnd gröbste Irrthumben außgebrüht und erzieglet haben. Erstlich zwar in vielen Articuln Fürnemblich aber in falschen Prophezeyen deß Calvinischen Friderici Braumbomi. Vom Antichrist vom Jahr der Geburt Christi der Abnemung Verfolgung Undergang deß Bapsthumbs und Jesuiten: Deß letzten Gerichts, Mainz 1618. Ders., Iubilum Iubilorum Iubilaeum Evangelicum Et Piae Lacrymae Omnium RomanoCatholicorum. Ad Imperatorem Aug. Reges, Principes, Respublicas, Populos, Mainz 1618. [Dt. Übersetzung:] Jubel uber Jubel. New Evangelisch Jubeljahr Und Christliches Mitt­ leyden Aller Alten Catholischen An Keyserliche Majestät Könige Fürsten Gemeinden Völcker etc., Mainz 1618. Ders., Chronologia Iubilaei Evangelici Opposita Piis lachrymis Catholicorum: Et In­ structio Paterna De Iubilo Iubilorum, Mainz 1618. Ders., Coronis Omnium Iubilorum Anno Saeculari Evangelico Scriptorum. qua Status Conturbatae In Europa Religioinis, Errores, Errorum Causae, & Remedia, Modesta Synceritate, Et Perspicua brevitate exponuntur, & omnibus omnium Religionum Ordinibus post centum annorum lachrymosa certamina pax suadetur, Mainz 1619. Ders., Politicorum Libri Decem. in quibus De Perfectae Reipubl. Forma, Virtutibus, Et Vitiis, Institutione civium, Legibus, Magistratu Ecclesiastico, civili, potentia Reipubli­ cae; itemque Seditione et bello, ad usum vitamque communem accomodatè tractatur, Mainz 1621. Ders., Commentaria In Quatuor Sancta Jesu Christi Evangelia. In Quibus Sensus Verus, Literalis Et Moralis ita explicatur, ut & ipsis verbis, collatione aliorum locorum, Conciliis, Pontificum decretis, Patribus vetustis, Interpretibus recentioribus, lingua Hebraea, Graeca, Syra, Philosophia, Historia, libris Sectariorum, (prout cuiusque loci textus postulat,) contra Gentiles, Judaeos, Haereticos veteres & novos, veritas aperte



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vindicetur, ostendaturque a Scriptura Catholica fidem, non Haereticorum opiniones confirmari, Köln 1626. Ders., Methodus Doctrinae Civilis, Seu Abissini Regis Historia, Köln 1628. Ders., Commentaria In Epist. S. Pauli Apostoli ad Romanos. In Quibus Sensus Verus, Ac germanus luculenter exponitur, haereses & errores recentium sectariorum solide convelluntur; nec non moralium discursuum materia, Concionatorum usui accom­ modata, copiose suggeritur, Köln 1629. Cooke, Alexander, Pope Ioane A dialogue betvveene a protestant and a papist. Mani­ festly prouing, that a woman called Ioane was Pope of Rome: against the surmises and obiections made to the contrarie, by Robert Bellarmine and Caesar Baronius Cardinals: Florimondus Raemondus, N. D. and other popish writers, impudently denying the same, London 1610. [Freie lat. Übersetzung:] Johanna Papissa toti Orbi manifestata. adversus Scripta Roberti Bellarmini, Caesaris Baronii, Florimundi Raemundi & aliorum Papicolarum, quibus impudenter negant, Johannam hanc Papissam fuisse unquam, Oppenheim 1616/19. Cratius, Johannes, Iubilum Continuatum, Das ist Richtige Wolgegründte auch mit Christlicher Sanfftmuth gefaste erklärung dreyer Evangelischen Jubelpredigten. So zu Heidelberg und Amberg Anno 1617. den 2. Novemb. gehalten worden, Hanau 1619. De Dominis, Marco Antonio, Causae Profectionis suae ex Italia, Heidelberg 1616. Ders., De Republica Ecclesiastica, Heidelberg 1618. Decker, Konrad, Tractatus De Proprietatibus Jesuitarum. Continens Doctrinae Je­ suitarum Praecipua capita, a doctis quibusdam Theologis retexta, solidis rationibus testimoniisque sacrarum Scripturarum & Doctorum veteris Ecclesiae confutata, Oppenheim 1611. Ders., De Papa Romano, Et Papissa Romana; Hoc est, Quadraginta Demonstrationum Nicolai Sanderi, Quod Papa Romanus non sit Antichristus ille insignis, solida refutatio a Guilielmo Whitakero adornata, Oppenheim 1612. Delrio, Martin Anton, Disquisitionum Magicarum Libri Sex, Mainz 1600. Driel, Gottfried van, Rosarii Hyperaspistes Hoc est Depulsio Levissimarum Cavil­ lationum et Nugarum, quibus Calviniae Theologiae Studiosus, nescio quis, Apodixin Theologicarum Pro Ritu Precandi Rosarium B. Virg. Mariae ab Academiae Partheni­ cae Sodalibus Moguntiae divulgatam, frustra obscurata conatus est, Würzburg 1588. Ders., Antipericope Disputationis III. Pareanae Adversus Jesuitarum Strophas: De Supremo Controversiarum Theologicarum Iudice, Mainz 1607. Drusius, Johannes, Ad voces Hebraicas Novi Testamenti Commentarius. In quo praeter explicationum vocum, variae nec leves censurae, Antwerpen 1582. Ders., Quaestionum ac Responsionum liber, Leiden 1583. Ders., De Hasidaeis, quorum mentio in libris Machabaeorum, Franeker 1603. Ders., De Tribus sectis Iudaeorum. Libri quatuor, qui Apologiam continent libelli de Hasidaeis, Franeker 1605. Ders., De sectis Iudaicis commentarii. Trihaeresio & Minervali Nic. Serarii Jesuitae op­ posita, atque antehac seorsim editi, Arnheim 1619. Eberman, Veit, Anatomia Calixtina h. e. Vindiciae Catholicae, Quas, Auspice Christo Jesu, pro asserendo S. Rom. Ecclesiae Tribunali In Fidei Causis Infallibili, Prae­ ceptoque Communionis sub una specie, &c. Contra Georgii Calixti Nov-antiquas Impugnationes, Mainz 1644. Ders., Irenici Anti-Calixtini Pars Altera: hoc est, S. Apostolicae Romanae Cathedrae Infallibilitas, Summorumque Pontificum In Fidei Decretis Concordia. Adversus spiri­

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tum contradictionis, quem illis Helmestadiensis Turbo afflare nititur, Seorsim Asserta, Et Publicae Disceptationi Proposita a Theologis Moguntinis, Mainz 1646. Etzel, Balthasar, ΒΙΒΛΙΟΝ ΤΟΥ ΕΝ ΑΓΙΟΙΣ ΠΑΤΡΟΣ ΗΜΩΝ ΙΩΑΝΝΟΥ ΑΡΧΙΕΠΙΣΚΟΠΟΥ ΚΩΝΣΤΑΝΤΙΝΟΥΠΟΛΟΥΣ ΤΟΥ ΧΡΙΣΟΣΤΟΜΩ. S. Patris Nostri Ioannis Archiepiscopi Constantinopolitani Cognomento Chrysostomy liber, qui ap­ pellatur Flores sive Florilegia, Mainz 1603. Even, Sigismund, Palma Secularis Lutherano-Evangelica Pressa Haud Oppressa, Halle 1619. Fadenrecht, Johann [Ps., vgl. Huldreich, Christian; Lügenfeindt], Ein Catho­ lisch Tisch-Gespräch. Eines Alten Teutschen Jungen Studenten Gemeinen Priesters und Verrufften uberwitzigen Jesuiters. Von der disputirlichen Frage: Ob man schuldig einem jeden Trew und Glauben Eyd und Verheis zu halten. Von deß Bapstes Dis­ pensation, in diesem Fall: und der Jesuiter Lügenkunst Aequivocatio genant, s. l. 1616. Florimond, Raimond de, Error Popularis Seu Fabula Joannae Quae Pontificis Romani Sedem Occupassse Falso Credita Est. Adiectus est Tractatus De Eadem Joanna, Moguntiaca Ex Annalibus Moguntinis R. P. Nicolai Serarii Soc. Jesu desumptus, Köln 1614. Franckenheim, Marcellus, Asinus Palmatus, Seu Paedagogus Halensis Sigismundus Evenius Furens In Tyrannide Pontificia Seculari. Adversus R. P. Adamum Contzen, Societatis Jesu, Theologum Et Professorem Ordinarium In Catholica Electorali Academia Moguntiaca, Mainz 1620. Francus, Germanus [Ps.]: Vgl. Brederode, Pieter Cornelis van. Freher, Marquard, Constantini M. Imp. Donatio Sylvestro Papae Rom. Inscripta. Non ut a Gratiano truncatim, sed integra edita, Heidelberg 1610(?). Ders., Otthonis III. Imp. Donatio Sylvestro II. Papae Facta. In qua de fide & auctore Con­ stantinianae testimonium. Cum Notis amplißimis, Heidelberg 1610(?). Gerhard, Johann, Loci Theologici. Cum pro adstruenda Veritate, tum pro destruenda quorumvis Contradicentium Falsitate, per theses nervose, solide & copiose explicate. Ab Autore Ipso Revisi Et Locis Innumeris aucti, Indicibusque, Materiarum, Locorum Scripturae, Autorum, Rerumque & Verborum exornati, & a mendis innumeris repur­ gati. In Novem Tomos Et Exegesin Divisi Loci Theologici, Bd. 6, Frankfurt a. M. 1657. Goldast von Haiminsfeld, Melchior (Hg.), DD. NN. Imperatorum Caesarum Augustorum, Regum, Et Principum Electorum S. Rom. Imperii Statuta Et Rescripta Imperialia, Frankfurt a. M. 1607. Ders., Monarchia S. Romani Imperii, sive Tractatus De Iurisdictione Imperiali Seu Regia, & Pontificia seu Sacerdotali; deque potestate Imperatoris ac Papae, cum distinctione utriusque Regiminis, Politici & Ecclesiastici, Bd. 3, Hanau 1613. Graser, Konrad d. Ä., Plaga Regia. Hoc est Commentarius brevius & perspicuus In Apocalypsin Sancti Johannis, Zürich 1610. Gretser, Jacob, Historia Ordinis Iesuitici. De Societatis Iesuitarum, Ingolstadt 1594. Ders., Libri Quinque Apologetici. Pro Vita Ignatii Loiolae, Fundatoris Societatis Iesu, edita à Petro Ribadeneira. Contra Calumnius cuiusdam Christiani Simonis Lithi Miseni Caluinistae, Ingolstadt 1599/1601. Ders., Responsum Jacobi Gretseri Societatis Jesu Theologi Ad Theses Aegidii Hunnii Praedicantis Wittenbergensis, De Colloquio Cum Pontificiis Ineundo. In Quo Non Pauca De Proxima Disputatione Ratisbonensi, deque controversiarum norma & iudice, Ingolstadt 1602.



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Ders., Jacobi Gretseri Societatis Jesu Theologi Lithus Misenus Calvinista. Nunc tertio libris quinque dedolatus Pro defensione B. P. Ignatii, Qui Societatem Eandem Instituit ac fundavit, Ingolstadt 1604. Ders., I. Panegyricus Misenicus II. Stigma frontis Misenicae […] VI. Paracletus Lu­ theranus ad Lithum Calvinistam missus, cum duabus Monstrantiis, & Ludo anagram­ matico, Ingolstadt 1606. Ders., I. Virgidemia Volciana. […] VI. Lithi Myseni Satyra Palinodica Commentario illus­ trate, Ingolstadt 1608(?). Grynaeus, Johann Jacob, Synopsus Orationis. Quae Habita est in Celeberrima Academia Heydelbergensis à Johanne Iacobo Grynaeo, quum is, Aprilis die XV Anno 1584 finem imponeret Disputationibus Theologicis, de Controuersia Eucharistica, per octiduum habitis, Heidelberg 1584. Ders., De Eucharistica Controversia Capita Dotrinae Theologicae, De Quibus Mandatu D. Iohannis Casimiri, Comitis Palatini ad Rhenum. Acceßit Eiusdem Iohannis Iacobi Grynaeis, Synopsis Orationis, quam de Disputationis euentu, Heidelberg 1584. Guldin, Paul, Refutatio Elenchi Calendarii Gregoriani A Setho Calvisio Conscripti, Et Opera Davidis Origani editi. Qua Libris Quatuor Calendarium Gregorianum vere Ecclesiasticum, & ab omnibus recipiendum esse ostenditur, Mainz 1616. Ders., Ad Refutationem Calvisiani Elenchi Calendarii Gregoriani Paralipomena Sive An­ notationes. Quibus Praeter Alia Notatu Digna, Quaedam ex Scaligeri nova Astronomia clarius explicantur, Mainz 1616. Hager, Balthasar, Catholische Jubelpredig. Von dem Frewdenreichen JubelFest so die Sectischen Anno Domini 1617. Im hunderten Jahr ihres Irrthumbs In den abge­ wichenen Kirchen Teutscher Nation feyerlich angestelt und celebrirt haben, Mainz 1618. Ders., Wiederlegung deß kurtzen aber nicht Schrifftmässigen Berichts Abrahami Sculteti, Von den vermeinten Götzen-Bildern Und deren Außmusterung auß der Königlichen Schloßkirchen zu Prag, Hildesheim 1620. Ders., Calvinische Gottsdieberey Oder Rettung der Ehr Gottes in Verehrung der hey­ ligen Bildern. Wider eines unbekannten Calvinisten der sich Theophilum Mosanum Esbacensem nennet ubel gegründte Vindicas, So er zur Rettung D. Abraham Sculteti bey der unchristlichen Bildstürmerey Anno 1619. zu Prag gehaltener Götzenpredig im folgenden Jahr eylfertig in Truck geben. In Vier Theyl underschieden, [zugleich Bd. 1], Mainz 1623. [Band 2:] Ders., Newe Juden und Gottsleydler. In welchem an Tag geben wirdt wie die Calvinisten die H. Bilder nit auß Christlichem sonder Judischem und altem Ketzeri­ schen Theopaschitischem Eyffer abreissen, Mainz 1623. [Bands 3:] Ders., Calvinische Boßheit. Das ist. Auß welchem sonderlich erscheint wie die Calvinisten auß lauterer Bißheit die bekante Jüdische Abgöttertey mit dem guldinen Kalb entschuldigen der Catholischen BilderEhre füglicher anzuklagen, Mainz 1623. [Bans 4:] Ders., Calvinischer Betrug Das ist. Auß welchen abzunemen wie die Calvinisten den Grund Catholischer Bilder betrüglicher weiß die Welt viel anderst fügen als es sich befindet, Mainz 1623. Harris, Richard, Concordia Anglicana de primatu Ecclesiae regio aduersus Becanum De dissidio Anglicano. Authore Ricardo Harris, ss. theologiae professore, London 1612. [Engl. Übersetzung:] Ders., The English concord in ansvver to Becane’s English iarre: together with a reply to Becan’s Examen of the English Concord, London 1613.

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Heerbrand, Jacob, Disputatio De Adiaphoris, Et Calendario Gregoriano, Tübingen 1584. Heidelberger Theologen [Sammelband], Iubilaeus Academicus De Doctrina Evan­ gelii centum ab hinc annis, a tenebris Rom. Papatus in lucem revocari: Ecclesiaque a sordibus eiusdem repurgari coepta. Celebratus In Academia Archi-Palatina Heidel­ bergensi. Die 1. 3. & 4. Novembris Anno salutis reparatae 1617, Heidelberg 1618. Heilbrunner, Jacob, Synopsis Doctrinae Caluinianae altera. Widerholte Erzehlung der Caluinischen Jrrthumb in allen zwischen der reinen Lehrern Augspurgischer Confession, vnd jnen strittigen Religions Artickeln. Wider Marx Beumlers Gegen­ bericht Danielis Tossani Vorrede vber die drey Anno &c. 91. getruckte Predigten also auch wider die zwen Sprossen der Newstättischen Gulden Leyter vnnd dergleichen Schrifften, Laugingen 1595. Hoe von Hoenegg, Matthias, Gründtliche Ableinung zweyer Calvinischer Unwar­ heiten. Mit welchen In Newlicher zeit Doctor Paulus Tossanus, in einem Büchlein dessen Titul ist: Recapitulatio des Examinis der Würtenbergischen Theologen, &c. Zur höchsten Ungebür beschmitzet und öffentlich Diffamiret hat, Leipzig 1615. Ders., Trewhertzige Warnung Für der JubelfestsPredigt so im vergangenen Jahr den 2. Novembr. zu Heydelberg von Abraham Sculteto, Churfürstl. Pfältzischen HofePredi­ ger daselbst gehalten. Darinnen jrrige Lehr von den Sacramenten fürgebracht Zwinglij Lehr für das reine und klare Evangelium ausgegeben die Augspurgische Confession, und das Christliche ConcordienBuch schmählich angetastet Des löblichsten Churfürs­ tens zu Sachsen Herren Christiani des Ersten Christseligster gedechtniß zur höchsten ungebühr erwehnet und die Calvinische Religion umb der weiten und schnellen aus­ breitung willen auffs höchste gerühmet und gepreiset wird, Leipzig 1618. Höpner, Johannes [auch Höpfner], Christliche und Trewhertzige Warnung Für der Deutschen Postill D. Abrahami Sculteti. Darinnen die Calvinische Lehre mit fleiß theils mit klaren theils mit verschraufften worten verstecket ist, Leipzig 1620. Huber, Samuel, Rettung Der Christlichen grossen JubelFrewde und Dancksagung zu Gott Für die Erlösung aus des Bapsts zu Rom Hand und Rachen. Allhie wird das gant­ ze Bapstthumb in allem seinem Grewel vollkomlich entdeckt und widerlegt. Gestelt wider Adam Cuntzen des Jesuwieders LästerSchrifft, Goslar 1619. Huldreich, Christian [Ps., vgl. Fadenrecht, Johann; Lügenfeindt], Das Dritte Catholisch Tischgespräch. Eines Guten Teutschen. Jungen Studenten. Gemeinen Priesters und Eyfferigen Jesuiters. Von der Frag Ob erlaubt und recht einen König Fürsten und Obrigkeit mit Gifft oder in andere wege hinzurichten. Von des Babstes Directorio in diesem Fall. Und der Jesuiter Mordthat Regicidium genandt, Frankfurt a. M. 1619. Hunnius, Aegidius, Relatio Historica De Habito Nuper Ratisbonae Colloquio inter Augustanae Confessionis Theologos & Pontificios, Magdeburg/​Erfurt/​Jena 1602. [Dt. Übersetzung:] Ders., Historischer bericht Von dem zu Regenspurgk unlangst ge­ haltenen Colloquio, zwischen den Theologen Augspurgischer Confession und den Papisten, Wittenberg 1602. Husman von Namedy, Friedrich, Chronologia. De Serie et Successione Omnium Temporum et Annorum. A Prima Hominis Formatione, usque ad hunc praesentem à nato Christo Annum M. D.LXXXI, in tres Partes diuisa & distribute, Heidelberg 1581. Hutter, Leonhard, Davidis Parei Notae In Problema Theologicum. An Syncretismus Fidei & religionis inter Lutheranos & Calvinianos ideo iniri vel poßit, vel debeat, ut



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Antichristi Tyrannis coniunctis viribus & studiis facilius & felicius reprimi poßit?, Frankfurt a. M. 1616. Jöcher, Christian Gottlieb (Hg.), Allgemeines Gelehrtenlexikon. Darinne die Ge­ lehrten aller Stände sowohl männ- als auch weiblichen Geschlechts, welche vom An­ fange der Welt bis auf jetzige Zeit gelebt, und sich der gelehrten Welt bekannt gemacht, Bd. 4: S–Z, [Neudruck von Leipzig 1751] Hildesheim 1961. Junius, Franciscus, Brief discours envoyé au roy Philippe nostre sire et souverain Seigneur, pour le bien et profit de sa Maiesté, et singulierement de ses pays bas, auquel est monstré le moyen qu’il faudroit tenir pour obvier aux troubles et emotions pour le faict de la religion, et extirper les sectes et heresies pullulantes en sesdicts pays, Ant­ werpen 1566. Ders., Sanctorum Apostolorum Acta, Ex Arabica Translatione Latinè reddita, Frankfurt a. M. 1578. Ders., De Lingua Hebraeae Antiquitate, Praestantiaque Oratio Habita in illustri Schola Neapolitana, Neustadt a. d. H. 1579. Ders., Grammatica Hebraeae Linguae nunc Primum Justae Artis Methodo Quam Accu­ ratißimè brevißimèque fieri potuit conformata, et in licem edita, Frankfurt a. M. 1580. Ders., Ecclesiastici Sive de Natura et Administrationibus Ecclesiae Dei Libri tres, Frank­ furt a. M. 1581. Ders., Eirenicvm De Pace Ecclesiæ Catholicæ: inter Christianos, quamvis diversos sententiis, religiosè procuranda, colenda, atque continenda In Psalmos Davidis CXXII et CXXXIII meditatio, Leiden 1593. Ders., Animadversiones ad controversiam tertiam Christianae fidei, de summo ponitifi­ ce, quam Robertus Bellarminus Politianus Societatis Iesu (ut vocant) disputationum suarum libris exaravit adversus huius temporis haereticos, Genf 1613. Kimedoncius, Jacob, De Sacrificiis, cum Episagmate adversus Commentitium Missae Sacrificium. Praeside Iacobo Kimedoncio, S. Theologiae D. et Professore, in inclyta Academia Heidelbergensi, ad diem VIII. Iunij. Ad disputandum propositae A Conrado Vorst Agrippinensi, Heidelberg 1594. Kreps, Michael, Teutsche Politick oder Von der Weise wol zu Regieren In Frieden und Kriegszeitten, Frankfurt a. M. 1620. Kronberg, Johann Schweikard von, Erlass zum Jubeljahr 1617, abgedr. in: Scha­ daeus, Oseas/​L autenbach, Conrad, Sleidani Continuati Pars Quarta, Straßburg 1621, Sp. 448–450. Leyser, Polykarp, Vindiciae Lyserianae An syncretismus in rebus fidei cum Calvinia­ nis coli possit, & in Politica conversatione Pontificii illis praeferendi sint? Oppositae Calumniis Irenici Pareani, quibus Praefationem Catecheticam Lyserianam deformare voluit, Leipzig 1616. Libavius, Andreas, Annotatorum Ex libro Irenici D. Davidis Parei Theologiae in Academia Heidelbergensi Professoris, Coburg 1615. Löfenius, Michael, Wolmeinende Warnung An alle Christliche Potentaten und Obrig­ keiten Wider Deß Bapsts unnd seiner Jesuiten hochgefehrliche Lehr und Prackticken. Auß Bäpstlichen und Jesuitischen Büchern gezogen, s. l. [Heidelberg] 1606. Lügenfeindt [Ps.: vgl. Fadenrecht, Johann; Huldreich, Christian], Das Zweyte Catholisch Tischgespräch Von der Frag: Ob man schuldig einem jeden Trew und Glauben Eydt und Verheiß zuhalten. Von deß Papstes Dispensation in diesem Fall und der Jesuiter Lügenkunst Aequivocatio genandt, Frankfurt a. M. 1617. Magdeburger Zenturiatoren, Quarta Centuria Ecclesiasticae Historicae, Basel 1560.

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Marbach, Johann, Antwort vnd grundtliche Widerlegung Der vermeindten Trost­ schrifft M. Danielis Tossani, Dieners des Worts zu der Newstatt an der Hart in deren er den Zwinglischen Sacramentsschwarm auffs new auff die Ban bringt vnd zuu­ erthedigen vnderstanden, Tübingen 1579. Mariana, Juan de, De Rege Et Regis Institutione Libri III. Ad Philippum III. Hispaniae Regem Catholicum, Mainz [Hanau] 1605. Marta, Giacomo Antonio [Novus Homo], Supplicatio ad imperatorem, reges, prin­ cipes super causis generalis concilij convocandi contra Paulum Quintum. Et summa actorum facultatis Parisiensis contra librum inscriptum, controversia anglicana de po­ testate regis & pontificis &c. Auctore Martino Becano societatis Iesu. Quibus adiicitur Annotatio de ijs quae Becanus Iesuita in editione eiusdem controversiae anglicanae recognita, & romano pontifici dicata, expunxit, London 1613. Mason, Francis, Vindiciæ Ecclesiæ Anglicanæ. Siue De legitimo eiusdem ministerio. Id est, de episcoporum successione, consecratione, electione & confirmation. item, de presbyterorum, & diaconorum ordinatione, libri V. In quibus Ecclesia Anglicana à Bellarmini, Sanderi, Bristoi, Hardingi, Alani, Stapletoni, Parsonij, Kellisoni, Eudæmo­ nis, Becani, aliorúmque romanistarum calumnijs, & contumelijs vindicatur. Editio secunda, priori Anglicanâ longè auctior, & emendatior. Cui inter alia accesserunt ad Fitzherberti presbyteri, Fitz-Simonis Iesuitæ, D. Kellisoni, Champnæi Sorbonistæ, Fluddi, & nescio cujus anonymi exceptiones suis quæque locis intertextæ responsio­ nes, London 1625/1638/1646. [Engl. Übersetzung:] A vindication of the Church of England, and of the lawful ministry thereof, London 1728. Miletus, Vitus, De Sacramentis, Mille Sexcenti Errores Vaniloquia, Et Cavillationes Eorum, qui hoc tempore ab Ecclesia secesserunt Catholica, cum breui eorundem refutatione; Plerique collecti ex Kemnitio, Mainz 1593. Ders., De cura pro mortuis agenda, Mainz 1604. Molanus, Johannes, Libri quinque, De Fide Haereticis Servanda Tres, De Fide Rebel­ libus servanda, liber unus, qui est quartus: Item unicus, De Fide Et Iuramento, quae a Tyranno exiguntur, qui est quintus, Köln 1594. Morton, Thomas, An exact discoverie of Romish Doctrine in the Case of Conspiracie and Rebellion, London 1605. Mosanus, Theophilus [Ps.?], Vialia, Das ist Ein Christlich unnd freundlich Reyß-Ge­ spräch So gehalten worden auffm Kutschen von Nürnbergk auß nach Franckfurt in der Herbstmeß Anno 1617. Zwischen zween Kauffleuten und zween Studenten. Darin sonderlich Die Puncten so in Dissertatione Monitoria, unnd der Gegenantwort ent­ halten kürtzlich erkleret werden, Hanau 1618. Ders., Vindiciae, Oder Gründtliche Rettung der kurtzen und Schriffmässigen Predigt So D. Abrahamus Scultetus Anno 1619. den 12/22. Decembris zu Prag in der Schloß­ kirchen von Götzenbildern gethan und daselbst in Druck gegeben hat Und was her­ gegen 1. Ein Papistischer Dialogista. 2. D. Balthasar Hagerus Jesuit. 3. D. Fridericus Balduinus. 4. D. Martinus Lutherus. 5. L. Johannes Hopfnerus. Wider solche Predigt geschrieben: Wird richtig und außführlich beantwortet, Hanau 1620. Ders., Passer Irretitus: Oder Richtige und wolgegründte Widerlegung der elenden Char­ theken so M. Paulus Sperling newlich wider meine kurtze Censur auff eigen unkosten Drucken lassen und also außgesprengt hat, Hanau 1621. Ders., Censura, Oder Kurtzes Urtheil Von D. Friderici Balduini, Theologiae Professoris zu Wittemberg Bericht den er im Früling Anni 1621. von Gottes Christi unnd der



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heiligen Bilder in offentlichen Druck gegeben hat. Dabey mit angedeutet wird wie gedachter Bericht D. Balduini richtig von Wort zu Wort ohne alle Stümlung unnd Mißdeutung wiederleget unnd solche Widerlegung auffs eheste in offenen Druck abgeben werden soll, s. l. 1621. Ders. [?], Scultetus Orthodoxus, hoc est, Responsio Ad Theses De Imaginibus, Tubingae, M.DC.XX, Mense Augusto, sub Praesidio D. Theodori Thummii profess. Theolog. pub. Propositas. quae ita concipitur Ut D. Thummius Vindicias Theophili Mosani Germanicas, quae 1620. mercatu Francofurti autumnali prodierunt, Hanau 1621. Mühlmann, Johannes, Anakrisis elenchtikē De Pyrrhone Redivivo: hoc est, Censura De Sterili Et Egelida Censura, quam Iesuitae Moguntini, contra Ienensem nostram disputationem, de Methodo Theologicae Demonstrationis nuper protulerunt. In Qua Pyrrhonem Istum Scepticum Et Ephecticum Tanto Cum aestu aemulantur. Contra Ie­ suiticam disputandi Formam, spuriam & larvarum plenam, quam neque ex SS. Bibliis, neque ex Organo Aristotelis probare possunt, Wittenberg 1605. Mulhusinus, Johannes [Spitznaes], De Sacrarum Scripturarum Authoritate, Neces­ sitate, Et Usu; doctrinali & iudiciario. Adversus Jesuitarum Imposturas, Disputationis Primae Davidis Parei Censura. In qua ipsius Imposturae, asyllogistia, & ineptiae, breviter demonstrator, Mainz 1603. Ders., Disputatio Theologica, De Sacrarum Literarum Interprete Authentico; Fidei Que Norma Seu Regula; Et Controversiarum iudice. Cum Duplici Censura. Una, Disputa­ tionis cuiusdam Ienensis altera, Davidis Parei, Calviniani, Heidelbergensis Professoris, de sacrarum Scripturarum authoritate, Mainz 1604. Ders., Speculum Miseriarum. Cum Synopsi Mendaciorum; Duorum Praedicantium; Davidis Parei, Calviniani; Et Joannis Mulmanni Adhuc Lutherani, Mainz 1605. Ders., Auctarium Primum Speculi Miseriarum, Davidis Parei Calvinistae Heidelber­ gensis. Ad Ipsius In Oseam Prophetam Prolegomena de SS. Scripturarum Canonica authoritate, Mainz 1606. Mylius, Georg, Theses et Antitheses De Coena Domini Evcharistica: In Qvarvm Istis, De Doctrinae Lvtheranae Veritate. In His De Sacramentarij fermenti impuritate, in hoc capite disputatur. Scriptae Pro Explicatione Ac Defensione Articvlorvm In Visita­ tione Misnica Propositorum, aduersus ea, quae carpere in istis nuper Daniel Tossanvs Sacramentarius Heidelbergensis impudenter ausus fuit, Jena 1593. Ders., Theses De Methodo Tēs Theologikēs Apodeixeōs. Contra Sophismata & pseudo­ graphēmata, quibus impudentes Jesuitae Christianam veritatem, praeter omne Theo­ logiae & Dialecticae ius, in Colloquio Ratisbonensi maxime, eludere & evertere conati sunt, & adhuc summa ope conantur, Jena 1602. Neuhäuser Scholaren, Chronologia Iubili Evangelici Opposita Iubilo Iubilorum Je­ suitico Moguntino Per Scholasticos illustris ludi Neuhusiani in Vangionibus, Heidel­ berg 1618. [Neustädter Bibel]: Das Newe Testament. D. Mart. Luth. Jetzund ordenlich in gewisse versicul abgetheylt vnd mit darauff gerichten Summarien sampt eynem Register vber alle Sontags Euangelia vnd Episteln gezieret vnd zugericht, Neustadt a. d. H. 1588 [zahlreiche Nachdrucke]. [Neustädter Theologen:] Notwendige vnnd gründtliche Bedenckhen Von dem allgemeinen uhralten vnd nu mehr bey sechzehen hundert Jahren gebrauchten Rö­ mischen Kalender wie vnd ob etliche Irrthumb hiezwischen in demselbigen eyvange­ lischen seyen. Item ob vnd wie sie zu corrigieren oder zu verbessern weren, Heidelberg 1584.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Novus Homo [Ps.]: Vgl. Marta, Giacomo Antonio. Osiander, Lucas, Scultetus Atheus, Hoc Est, Nova Sed Athea Et Epicurea Calviniana Principia. Ab Abrahamo Sculteto, in Foederali sua Concione 15. Aprilis, Anno 1620. Pragae proposita & Orbi Christiano commendata, Tübingen 1620. Otto, Daniel, Dissertatio Iuridico-Politica De Iure Publico Imperii Romani, Jena 1619. Owen, David, Anti-Paraeus:  siue  Determinatio de  iure  regio habita Cantabrigiae in scholis theologicis, 19. April. 1619. contra Davidem Paraeum, Cambridge 1622. Pareus, David, Methodus Totius Controversiae Ubiquitariae brevis & perspicua. In usum Studiosae Iuuentitus modestè instituta, Neustadt a. d. H. 1586. Ders., Rettung Der zur Newstatt an der Hardt durch Matthaeum Harnisch Anno LXXXVII, gedruckten Teutschen Bibel wider D. Iacobi Andreae newlich dawider auß­ gesprengte vnuerschämbte Lesterungen Sampt Nothwendigem Gründtlichem Bericht von den XVI. gedachter Bibel fälschlich zugelegten Jrrthumben Auch Entdeckung XLV. Jrrthumben D. Jacob Andres, Neustadt a. d. H. 1589. [Leicht überarbeitete Neuauflage:] Rettung Der zur Newstadt an der Hardt in ANNO 87. vnd 91. getruckten Teutschen Bibel […] jetzt auffs new auff begeren viler frommen Christen widerumb mit fleiß ubersehen, Amberg 1592. Ders., Sieg Der Newstädtischen Teutschen Bibel Wider D. Johan Georg Siegwarts Pfar­ rers zu Tübingen in seiner auff M. Dauid Parei wolgegründte Rettung vermeinten Ant­ wort newlich widerholete vnd weiland von D. Jacob Anreae seinem Principal wider ermelte Bibel außgesprengte gifftige Landlflügen: Von verfälschung der Teutschen Bibel D. Martin Luthers, Neustadt a. d. H. 1591. Ders., Summarische Erklärung Der wahren Catholischen Lehr so in der Chur Pfaltz bey Rhein vnd andern vom Bäpstlichen Sawerteyg geseuberten Kirchen bestendig vnd einmütiglich aus Gottes wort geübet wirdt. Von den fürnemsten jtziger zeit streitigen Religions Articuln in kurtze Puncten gründlich verfasset vnd mit zeugnüssen der H. Schrifft befestiget, Heidelberg 1593/Amberg 1595/Amberg 1608. Ders., Christlich vnd gründlich Bedenken vom Brot vnnd Brotbrechen im H. Abendmal des Herren. Allen Gelerten vnnd Vngelerten sonderlich den einfältigen diser zeit nutz­ lich zu lesen. Vff begeren einer Gottseligen vornemen Person, Amberg 1598. Ders., Theses Theologicae De Sacra Domini Coena, Heidelberg 1601. Ders., Disputation und Unterricht Von Dem H. Abendmal. Darinn erstlich die wahre und reine Lehr vom H. Abendmal darnach die gegenlehr der Papisten und anderer fein kurtz richtig und verstendlich erkleret wird, Heidelberg 1602. Ders., Davidis Parei De Symbolis Sacramentalibus, Et De Ritu Fractionis In S. Eucharistia, Libri Duo. Ex scriptura sacra, orthodoxa vetustate, item Scholasticorum, Jesuitarum, & Evangelicorum scriptis syncere explicata, Heidelberg 1603. Ders., Controversiarum Eucharisticarum Una De Litera Et Sententia Verborum Domini In S. Eucharistia. Iuxta normam sacrarum scripturarum, & consensum Orthodoxae vetustatis. Libris Quinque explicata. Cum Indice capitum authorum & rerum, Heidel­ berg 1603. Ders., Oratio de Jesuitarum Strophis Circa Canonem Scripturarum: Et De Consensu Antiquitatis cum Ecclesiis Orthodoxis huius temporis, Heidelberg 1604. Ders., De Sacrarum Scripturarum Autoritate Divina Et Canonica Adversus Jesuitarum strophas & imposturas. Disputatio Prima; D. Davidis Parei In Academia Heidel­ bergensi Theologiae Doctoris & Professoris, Eiusdemque Epistola dedicatoria, Mainz 1604 [unautorisierter, kommentierter Fremddruck].



Quellenverzeichnis

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Ders., Exegesis Disputationis De Sacrarum Scripturarum Divina & Canonica authoritate. Adversus Jesuitarum strophas & imposturas. Cum Vindicatione A Maledica Cuiusdam Moguntini Vicarii Censura, Heidelberg 1604. Ders., Disceptatio Epistolaris Joannis Magiri Jesuitae Concionatoris: Et Davidis Parei Christiani Theologi. De Authoritate Divina & Canonica S. Scripturarum: deque ab­ soluta Ecclesiae infallibilitate, Heidelberg 1604. Ders., Hoseas Propheta Commentariis illustrates. Cum Translatione Triplici; Latina Gemina, Ex Hebraeo, Et Chaldaeo Thargum Jonathae; nec non Graeca LXX. Prae­ mittuntur Prolegomena de Prophetis deque Propheticae Scripturae authoritate, à Moguntini cuiusdam Jesuitastri scurrilibus Animadversionibus breviter vindicate, Heidelberg 1605. Ders., Oratio Chronologica Altera De Quaestione: Utrum Chronologia integra ab Adamo ad Christum ex sola historia sacra haberi possit? Synopsin totius Chronologiae sacrae exactissimam complectens. In Academia Palatina habita & evulgata pro S. Theologiae & Chronologiae studiosis. Ad Petrum Clignetum S. Theologiae Doctorem: Ecclesiae Otterburgicae Pastorem, Heidelberg 1606. Ders., Synopsis Chronologiae Sacra, Frankfurt a. M. 1607. Ders., In Divinam Ad Romanos Epistolam Commentarius. Quo praeter accuratam Textus sacri analysin atque interpretationem, de quaestionibus controversis Dubia CLXXIX. Explicantur & antiqua Romanorum fides adversus nunc-Romanistarum opi­ niones, praecipue Roberti Bellarmini Jesuitae argutias, & Thomae Stapletoni Antidota: nec non Socini, Enjedini, & Ostorodii haereticorum Samosatenianorum blasphemias vindicatur, Frankfurt a. M. 1608 [mehrere Nachdrucke]. Ders., In Genesin Mosis Commentarius. Quo praeter accuratam Textus sacri Analysin atque interpretationem Theoricam & practicam explicantur, Frankfurt a. M. 1609. Ders., Aphorismi Papistici & Jesuitici De S. Eucharistia Et De Sacrificio Missae Roberti Bellarmini Jesuitae Disputationibus & Concilii Tridentini Decretis praecipue aßerti, Heidelberg 1609. Ders., Davidis Parei Disputationum Theologicarum Publice In Academia Archi-Palatina habitarum Volumen Unum [1. Band der Disputationssammlung, s. u.], Frankfurt a. M. 1611. Ders., Davidis Parei Theologi Tractatus, De Sacra Eucharistia Succintus Quidem, At Absolutissimus, Amberg 1612. Ders., Quaestiones controversae Theologicae, De Iure Regum Et Principum. Contra Papam Romanum, Magnum Illum Anti-Christum. Pro Principe Jacobo Dei Gratia Magnae Britaniae, Franciae Et Hiberniae Rege, Fidei Defensore: Adversus Bellarmi­ num, Becanum & id genus alios Pontificiae aulae Parasitastros, Amberg 1612. Ders., Roberti Bellarmini Politiani Societatis Jesu Theologi Cardinalis Liber unus De Gratia Primi Hominis Commentatio, Frankfurt a. M. 1612. Ders., In Roberti Bellarmini Jesuitae Cardinalis Librum I. de verbo Dei scripto Dis­ putatio Aphoristica. Notis perpetuis illustrate, Frankfurt a. M. 1612. Ders., Roberti Bellarmini Politani Societatis Jesu Theologi Cardinalis De Amissione Gratiae & Statu Peccati Libri Sex. Quorum tres posteriores tractant de peccato originis, Frankfurt a. M. 1613. Ders., Roberti Bellarmini Politiani Societatis Jesu Theologi Cardinalis De Gratia & Li­ bero arbitrio. Libri VI. Quorum duo priores tractant de gratia, quatuor posteriores de libero arbitrio, eiusque cum gratia cooperation, Frankfurt a. M. 1614.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Ders., Irenicum sive De Unione Et Synodo Evangelicorum Concilianda Liber Votivus. Paci Ecclesiae & desideriis pacificorum dicatus, Frankfurt a. M. 1614. Ders., Irenicum Oder Friedemacher. Wie die Evangelischen Christlich zuvereinigen und zu einem Synodo, oder allgemeinen Versamblung gelangen mögen, Frankfurt a. M. 1615. Ders., Roberti Bellarmini Politani Societatis Jesu Theologi Cardinalis De iustificatione impii Libri V, Frankfurt a. M. 1615. Ders., De Pace & Unione Ecclesiarum Evangel. Oratio Inauguralis. Habita In Solenni Universitatis Heidelbergensi panēgyrei, 11. April. 1616, Frankfurt a. M. 1616. Ders., In Publicatione Rectorali Legum Academiae Heidelbergensis 21. Ianuar. 1611. habita Oratio De quaestione: Utrum leges Magistratus obligent in conscientia?, Frank­ furt a. M. 1616. Ders., Notae In Problema Theologicum. An Syncretismus Fidei & religionis inter Luthe­ ranos & Calvinianos ideo iniri vel poßit, vel debeat, ut Antichristi Tyrannis coniunctis viribus & studiis facilius & felicius reprimi poßit?, Heidelberg 1616. Ders., Thema Seculare De causis, centum ab hinc annis, immenso Dei beneficio, ex Evan­ gelicis Germaniae Ecclesiis eliminati, semperque] fugiendi Papatus Rom., Heidelberg 1617. [Dt. Übersetzung:] Thema Seculare, Oder JubelJahrs Disputation Von Uhrsachen Wa­ rumb unsere VorEltern vor hundert Jahren das Römische Papstumb verlassen haben und warumb es noch von menniglich deme seine ewige Seligkeit angelegen zu fliehen sey, Neustadt a. d. H. 1618. Ders., Demonstratio Antichristi, Heidelberg 1618. Ders., Oratio Inauguralis De Fide Haereticis Servanda: Num serio sic sentiant Iesuitae & Sophistae in Papatu. Cum Bulla Revocatoria Pii IV. Concilio Tridentino pro Sigillo appensa, Heidelberg 1618. Ders., Acta Colloquiorum Swalbacensium, Inter tres Doctores Jesuitas Moguntinos: & Davidem Pareum Theologum Heidelbergensem: Mense Maio, Anno 1608. habitorum. De variis Theologiae controversiis, sequente pagella annotates, Frankfurt a. M. 1619. [Dt. Übersetzung, mit einem Anhang des Übersetzers:] Acta Colloquiorum Swalbacen­ sium Das ist Gespräche zu Langen-Schwalbach beym Sauerbrunnen zwischen dreyen Mentzischen Doctorn Jesuiten: und zwischen David Pareo Professorn bey der Univer­ sitet Heydelberg gehalten den 1. bis den 8. Augusti 1608, Frankfurt a. M. 1620. Ders., Oratio De Synodo Nationali Dordracena. Calendis Februar. Ann. 1619. habita In Promulgatione Statutorum Universitatis Archi-Palatinae, quae est Heidelbergae, Heidelberg 1619. Ders., Erwegung Deren Theologen meynung die sich nicht schewen Evangelische Herr­ schafften zu bereden daß sie lieber mit den Papisten und dem Römischen Antichrist als mit den Reformirten Evangelischen die sie aus haß Calvinisch nennen Gemein­ schafft haben sollen, Heidelberg 1620. Ders., Davidis Parei Collegiorum Theologicorum Quibus Universa Theologia Ortho­ doxa, Et omnes prope Theologorum huius temporis controversiae perspicue & varie explicantur [2. Band der Disputationssammlung, s. o.], Frankfurt a. M. 1620. Ders., Chronologiæ Sacræ Ex solâ historiâ sacrâ accuratissimè constructæ Libri Tres. Accessit Index Chronologiæ Sacræ; cum Epimetro Chronologico, Amsterdam 1641. Pareus, Johann Philipp, Castigationes In brevem & maledicam admonitionem Jo­ hannis Magiri Jesuitae Praedicantis apud Nemetes Spirenses. In quibus Locus de au­ thoritate Scripturae, & infallibilitate Ecclesiae examussim pertractatur: impostura Je­



Quellenverzeichnis

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suitica in lucem producitur: varia Scripturae loca accurate discutiuntur, examinantur, illustrantur, Heidelberg 1606. Ders., Narratio Historica De Curriculo Vitae, & Obitu Reuerendißimi Patris D. Davidis Parei Sacrarvm Literarvm olim in Antiquissima Academia Archi-Palatina Doctoris & Professoris Primarii, Frankfurt a. M. 1633. Pariser Theologische Fakultät, Recueil de ce qui s’est faict en Sorbonne et ailleurs, contre un livre de Becanus Jesuite, [Paris] 1613. [Lat. Übersetzung:] Summa Actorum Facultatis Theologiae Parisiensis contra Librum inscriptum. Controversia Anglicana De Potestate Regis Et Pontificis, &c., London Oppenheim 1613. Pehem, Josef Johann Nepomuk, Praelectiones in jus ecclesiasticum universum, Löwen 1787. Pitiscus, Bartholomaeus, Antirosarium, Sive Refutatio Thesium M. Godefriedi Drielis Noviomagi Pontificiae Theologiae apud Jesuitas Moguntinenses studiosi Quibus demonstrare voluit, Ritum precandi Rosarium B. Virginis Mariae non esse superstitiosum. Scripta á quodam Christianae Theologiae studioso, in Academia Heydelbergensi, Heidelberg 1587. Ders., Trewhertzige Vermahnung der Pfältzischen Kirchen An alle andere Evangelische Kirchen in Deutschland: Daß sie doch die grosse Gefahr die ihnen so wol als uns vom Bapsthumb fürstehet in acht nemmen: Und die inheimische unnötige oder ja nunmehr genugsam erörterte Stritte dermal eins Christlich und Brüderlich mit uns auffheben unnd hinlegen wollen, s. l./Amberg/​Hanau 1606. Ders./Lingelsheim, Michael, Außführlicher Bericht Was die Reformierte Kirchen in Deutschland gleuben oder nicht gleuben. Item Was sie für Ceremonien gebrauchen oder nicht gebrauchen. Sampt beygefügten Ursachen warumb sie eins oder das ander thuen oder lassen. Guthertzigen leuten zur nachrichtung an tag gegeben, Heidelberg 1607. [Sammelband:] Friedfertige Anbietung Christlicher Brüderschafft. In zwey Büchlein verfasset. I. Trewhertzige Vermahnung der Pfältzischen Kirchen II. Außführlicher bericht was die Reformirten Kirchen in Deutschland gläuben oder nicht gläuben. Guthertzigen Christen zur nachrichtung also zusammen gedruckt, Heidelberg 1609. Ders./Lingelsheim, Michael, Kurtzer Anhang Deß Außführlichen Berichts, was die Reformirte Kirchen in Deutschland gleuben oder nicht gleuben, etc. Darinne sonderlich dieser Punct noch weiter wird erkläret und bewiesen, daß wir keines wegs so einen schrecklichen glauben haben, als uns von Friedhessigen leuten wird zugemessen, Heidelberg 1609. Ders./Lingelsheim, Michael, Antwort Der Heidelbergischen Theologen auf die Continuationem Examinis des Ausführlichen Berichts Was die Reformirte kirchen in Deutschland gleuben oder nicht gleuben, Heidelberg 1610. Ders./Lingelsheim, Michael, Endliche Uberweisung Das die verkläger der Reform­ irten kirchen die schriften deroselben wissentlich falsch anzuziehen oder ja in frembden verstand zu verkehren pflegen nur damit sie ihnen allerhand abschewliche irthümbe zumessen mögen. Dem spöttischen buche der Würtebergischen Theologen genannt Promotio gehaltenen Examinis etc. entgegen gesetzt, Heidelberg 1612. Placcius, Vicentius, Theatrum Anonymorum et Pseudonymorum, Hamburg 1708. Plancius, Daniel, Dissertatio De Fide Haereticis non servanda Ex decreto Concilij Constantiensis, Amsterdam 1608.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

[Ndl. Übersetzung:] Reden-strijd van de Ketters ghenn gheloove te houden wt het De­ creet van Constantz: Schriftelijck ghehandelt tusschen eenen Antwerpschen Jesuwyt, Amsterdam 1609. Pratis, Wilhelm von [Ps.], Epistola Ad P. Martinum Becanum Societatis Jesu Theo­ logum Doctorem illuminatissimum directa. Super Privilegiis Calvinistarum ab eodem D. Becano nuper evulgatis, Oppenheim 1611. Preston, Thomas, Disputatio theologica de Iuramento fidelitatis Sanctissimo Patri Paulo Papae Quinto dedicata. In qua potissima omnia argumenta, quae a Card. Bellarmino, Iacobo Gretzero, Leonardo Lessio, Martino Becano, alijsque nonnullis contra recens Fidelitatis iuramentum ex decreto Regii, & Parliamenti, in Anglia stabilitum hactenus facta sunt, syncerè, dilucidè, & accuratè examinantur. A Rogero Widdringtono Ca­ tholico Anglo, London 1613. [Engl. Übersetzung:] A theologicall disputation concerning the oath of allegiance dedica­ ted to the most holy father Pope Paul the fifth […], London 1613. Radamanthus [Ps.], Spiritus Familiaris Schulteti. Das ist: Ansehenliche Legation und Bottschafft deß Calvinischen Pfältzerischen (olim) Hoff-Predigers D. Abrahami Schulteti zu seinem Lehrmeister unnd Vorfahrer Calvino, mit angehengten fürnembs­ ten Acten und Discursen so dieser Bottschafft begegnet. Alles vertrewlich Annotirt und verzeichnet, Schweffelbach [Ps.] 1620. Rainolds, John, Sex Theses de sacra Scriptura & Ecclesia. Ut publicis in Academia Oxoniensi disputationibus explicatae, sic editae, ante annos viginti; nunc autem reco­ gnitae, & Apologia contra Pontificios Elymas, Stapletonum, Martinum, Bellarminum, Baronium, Iustum Calvinum Vetera-Castrensem auctae, Hanau 1602 [Nachdruck]. Reinkingk, Theodor, Conclusiones CCXC De Brachio Seculari et Ecclesiastico seu Potestate utraque, Gießen 1616. Ders., Tractatus de regimine seculari et ecclesiastico cum indicibus, capitum et rerum, Gießen 1619. Rennecher, Hermann, Oratio de Lingua Hebraea. In qua Eius antiquitas, dignitas, facilitas, & ad Scripturam Propheticam rectè intelligendam necessitas veris ac per­ spicuis argumentis asseritur, Heidelberg 1595. Ders., Assertio Solida Ac Pia Veritatis Carnis Christi, Cum Irrefutabili Fictae & Ementi­ tae Ubiquitatis Refutatione, Ex Puro Dei Verbo desumpta, & iam lucem edita, Hanau 1597. Reuter, Adam, Libertatis Anglicanae defensio, seu demonstratio regnum Angliae non esse feudum pontificis: in nobilissima & antiquissima Oxoniensi Academia, publicè opposita Martino Becano Societatis Iesu theologo & professori ordinario, London 1613. Ribadeneira, Pedro de, Vita Ignatii Loiolae, Qvi Religionem Clericorum Societatis Iesv instituit, Ingolstadt 1590. Riegger, Paul Josef von, Institutionem Jurisprudentiae Ecclesiasticae. Pars I., Löwen 1780. Roest, Peter, Pseudoiubilaeum. Anno Septimo Decimo Supra Millesimum Sexcen­ tesimum, Calendis Novembribus, Insolenti Festivitate A Lutheranis, Tum Ob Dari Coeptas Maiorum Nostrorum Religioni In Germania Tenebras, Tum Ob memoriam Martini Lutheri, Apostatae selectissimi, celebratum, Molsheim 1618. Rosweyde, Heribert, De fide haereticis servanda: Cum Dan. Plancio in qua, quae de Husso historia est, excutitur, Antwerpen 1611.



Quellenverzeichnis

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Salcolbrigiensis, Heinrich [Ps.], Becano-Baculus-Salcolbrigiensis: Vel Refutatio Becanici Examinis Plagae Regiae, quoad Orthodoxam Protestantum doctrinam, & Serenissimi Regis Angliae Primatum Ecclesiae Regium, Oppenheim 1611. Sandaeus, Maximilian, Thema Seculare De caußis, post mimicum centuplicis In­ constantiae Ludibrium, deserendae, semperque fugiendae Synagogae Protestanticae Solenni Disceptationi propositum, & oppositum Themati Seculari De causis eliminati, & fugiendi Papatus Rom. Davidis Parei Professoris Heidelbergensis, Mainz 1618. Scaliger, Joseph Justus, De Emendatione Tempore. In octo libros tributum, Paris 1583. Ders., Elenchus Trihaeresii Nicolai Serarii: eius in ipsum Scaligerum animadversiones confutatae. eiusdem delirium fanaticum & impudentissimum mendacium, quo Esse­ nos monachos christianos fuisse contendit validissimis argumentis elusum, Franeker 1605. Ders., Elenchus utriusque Orationis Chronologicae D. Davidis Parei, Leiden 1607. Ders., Scaligerana, Thuana, Perroniana, Pithoeana, et Colomesiana. Ou Remarques His­ toriques, critiques, morales, & litteraires […] Avec les Notes de plusieurs savans. Bd. 2, Amsterdam 1740. Scholbroch, Heinrich, Ad Zetemation, Ab Eglino, Apud Marpurgenses Theolo-Chy­ mista R. P. Joanni Mulhusino, Societatis Jesu Theologo, propositum; Cur nimirum hoc Anno 1609. Romanus Pontifex Pascha cum Judaeis celebret?, Mainz 1609. Schoppe, Caspar, Herrn Christoffen von Ungersdorff Erinnerung von der Calvinisten falschen betrüglichen Art und Feindseligkeit gegen dem heiligen Römischen Reich. Item Widerholung der Catholischen Scribenten sonderlich der Herrn Jesuiter Lehr und Meynung vom ReligionsFrieden und ob Ketzern Trew und Glaub zu halten sey, s. l. 1616. Scultetus, Abraham, Medulla Theologiae Patrum. Quia A Temporibus Apostolorum ad Concilium usque; Nicenum floruerunt. Methodo analyticâ et syntheticâ expressa, In gratiam eorum, qui vel ob Codicum temporisvé defectum Patres ipsi legere non possunt. vel eosdem cum fructu evolvere volunt [Band 1], Amberg 1598. [Band 2:] Medulla […] Theologia Clarissimorum Veteris Ecclesiae Doctorum, Athanasii Magni, Et Epiphanii polyhistoris, analyticâ & syntheticâ methodo expressa, & à Roberti Bellarmini corruptelis est vindicate, Neustadt/​Amberg 1605. [Band 3:] Medulla […] In Qua Theologia Eusebii Pamphili, Gregorii Nysseni, Luciferi Calaritani, Nemesii Basilii Coaetanei, Macarii Aegyptii, Optati Milevitani, Methodo analytica & synthetica est expressa, &, ubi opus fuit, a Pontificiorum corruptelis vindicate, Heidelberg 1609. [Band 4:] Medulla […] In qua Theologia Basilii Magni, Episcopi Caesariensis, & Hilarii, Episcopi Pictaviensis, Methodo analytica & synthetica est expressa, & a corruptelis Pontificiorum vindicate, Frankfurt a. M. 1613. Ders., Confutatio Prolixae Disputationis Caesaris Baronii Sorani, De Baptismo Con­ stantini Romano. Quam tertio Annalium Ecclesiasticorum Tomo inseruit: Edita In gratiam Theologiae studiosorum: ut vel hinc videant, qua fide Annales Ecclesiasticos Baronius condiderit, Neustadt a. d. H. 1603. Ders., Newe Jahrs Predigt: Das ist Historischer Bericht wie wunderbahrlich Gott der Herr die verschienene hundert Jahr seine Kirche reformiert regiert und biß daher erhalten, Frankfurt a. M./Amberg 1617. Ders., Evangelische JubelJahrs Predigt. Zu Heidelberg den 2. Novembris anno 1617. in der kirchen zum H. Geist gehalten, Heidelberg/​Frankfurt a. M. 1617.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

[Lat. Übersetzung:] Concio Secularis, De Evangelii Doctrina decimo quinto a Christo nato seculo divinitus instaurata, conservata, Heidelberg 1618. Ders., Annalium Evangelii Passim Per Europam Decimo quinto salutis partae seculo renovati Decas Prima, Ab anno M. D.XVI Ad Annum M. D.XXVI [Band 1], Heidelberg 1618. [Band 2:] Annalium […] Decas Secunda. Ab Anno MDXXVI Ad Annum MDXXXVI, Heidelberg 1620. [Dt. Übersetzung, Band 1:] Historischer Bericht Wie die Kirchenreformation in Teutsch­ landt vor hundert jahren angangen, Frankfurt a. M. 1618. [Dt. Übersetzung, Band 2:] Ander Theil Deß Historischen Berichts […], Hanau 1624. Ders., Kurtzer Aber schrifftmässiger Bericht Von den Götzenbildern. An die Christliche Gemeine zu Prag als auß Königlicher Mayestät gnädigstem befelch die Schloßkirch von allem Götzenwerck gesäubert worden, Prag/​Carlsberg 1620. Ders., Daß mann sich weder an dem Unmenschlichen Schmehen, Lästern, Verleumbden der Rechtgläubigen, noch an der grossen Verfolgung, so jtzt uber die Herde Christi gehet, ärgern, viel weniger derentwegen von der erkandten Evangelischen Warheit abweichen solle, Heidelberg 1621. Ders., De Curriculo Vitae, Inprimis vero De actionibus Pragensibus Abrah. Sculteti, Professoris nuper Theologi, in Florentissima tunc Academia Heidelbergensi, Narratio Apologetica: Qua decus famae & doctrinae ipsius a virulentis nominis eius Mastigibus modeste vindicatur, Emden 1625. [Dt. Übersetzung:] Historische Erzehlung Von dem Lauff des Lebens Insonderheit aber Von den Pragerischen Handlungen D. Abraham Sculteti, gewesenen Professoris Theo­ logiae, in der Fürtrefflichen Academi zu Heidelberg. Darinnen so wol sein ehrlicher Nahm als seine Lehr wieder die gifftigen Lästermeuler bescheidentlich gerettet und verthediget wird. Von Ihme selbsten in Lateinischer Sprach geschrieben: Jetzo aber Von einem seiner und der warheit Liebhabern in die Hochteutsche Sprach ubergeset­ zet: Damit seine Unschuld desto mehr außgebreitet und bekandt würde, Emden 1628 [In dieser Übersetzung nach der Edition G. A. Benraths zitiert, cgl. 8.1.4.]. Selnecker, Nicolaus, Acta Disputationis De S. Coena. Publicè in Academia Heidel­ bergensi habitae, inter eius loci Theologos syncerae Religionis propugnatores, et lohannem Iacobum Grynaeum, Caluiniani dogmatis Sectatorum, mens. April. Anno 1584. A Praecipuis & fide dignis personis bona fide excepta, & iam in lucem edita, Leipzig 1585. Serarius, Nicolaus, In Sacros Divinorum Bibliorum Libros Tobias, Iudith, Esther, Machabaeos, Commentarius, Mainz 1599. Ders., Deß Luthers Nachtliecht Das ist kurtzer Warhafftiger beständiger und gründlicher Bericht von der grossen und ersten vornembsten und wunderbarlichen Erleuchtung durch welche dem thewren und hochgelehrten Mann D. Martin Luther seine Lehr im anfang offenbahret worden, Ingolstadt 1603. Ders., Lutheroturcicae Orationes, Quarum, Post Praefationem, Indiculus, Mainz 1604. Ders., Trihaeresium, Seu De Celeberrimis Tribus, Apud Judaeos, Pharisaeorum, Saddu­ caeorum, Et Essenorum Sectis, Ad Varios Utriusque Testamenti, veterumque Scripto­ rum locos intelligendum: & ad nupero Jo. Drusii De Hasidaeis libello respondendum. Libri Tres, Mainz 1604. Ders., Moguntiacarum Rerum Ab Initio Usque Ad Reverendissimum Et Illustrissimum Hodiernum Archiepiscopum, ac Electorem, Dominum D. Joannem Schwichardum, Libri Quinque, Mainz 1605.



Quellenverzeichnis

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Ders., Epistolae S. Bonifacii Martyris, Primi Moguntini Archiepiscopi, Germanorum Apostoli: Pluriumq. Pontificum, Regum, & aliorum, Mainz 1605. Ders., Minerval Divinis Hollandiae, Frisiaeque Grammaticis, Jos. Scaligero, Et Jo. Drusio, Trihaeresii auctati ergo, e Grammatico, Ethico, Theologicoque saccello, libra librorum quinum Paraenetica & Antirrhetica, depensum, Mainz 1605. Ders., Rabbini, Et Herodes, Seu De Tota Rabbinorum Gente, Partitione, Creatione, Auctoritate, Pluribusque Rebus aliis, & sacris, & prophanis: maxime De Herodis Ty­ ranni natalibus, Judaismo, uxoribus, liberis, & regno, Libri Tres. Adversus Jos. Scaligeri Eusebianas Annotationes, & Jo. Drusii Responsionem, Mainz 1607. Ders., Quaestiones De Sanctis, Eorumque Invocatione, Ac Litaniis, Variae. De quibus, Assequendi Baccalaureatus in SS. Theologia Sententiarij ergo; in Academia Mogunti­ nae Theologico Auditorio, respondebit R. P. F. Ioannes Zittardus, S. Dominici Ordinis Supprior, Mainz 1608. Ders., Litaneutici, seu de Litaniis Libelli Duo. In quorum Priore monstratur earum na­ tura & fructus: haereticaque perinepta earundem correctio. In Posteriore de iisdem, & Sanctis, eorumque invocatione multiplices tractantur quaestiones, Mainz 1609. Ders., Prolegomena Bibliaca, Et Commentaria In Omnes Epistolas Canonicas, Mainz 1612. Sigwart, Johann Gerhard, Antwort Auff die nichtige vnnd krafftlose Rettung M. Dauid Paraej eines Caluinischen Lehrers zu Heidelberg betreffend die zur Newen­ statt an der Hart Anno 1587. nachgetruckte verfälschte vnnd mit Caluinischen Lehren beschmeißte Teutsche Bibel D. Martin Luthers. Sampt Notwendigem gründtlichem Bericht von den fürnembsten Caluinischen Jrrthumben so in ermelte Bibel D. Luthers allbereit einlosiert worden, Tübingen 1589. Ders., Admonitio Christiana, De Irenico sive Libro Votivo: Quem David Pareus de Unione, Synodo Et Syncretismo, inter Evangelicos, hoc est, Lutheranos & Calvinianos, constituendo, superiore Anno 1614. Evulgavit, Tübingen 1616. Ders., Kurtzer Extract Oder Summarischer Außzug Deren Admonition-Schrifft so im 1616. Jahr zu Tübingen auff David Parei der Heiligen Schrifft Doctoris und Professoris zu Heydelberg Irenicum, in Truck verfertiget worden. In welchem auch auff solch ver­ teutschte Irenicum, (der Friedenmacher genant) geantwortet und gründtlich angezeigt würdt: Warumb zwischen den genanten Lutherischen und Calvinischen noch der Zeit kein Vereinigung in Religions-Puncten gemacht werden könne, Tübingen 1618. Sperling, Paul, Antwort Auff Die vermeynte Censur oder Urtheil uber den Außführ­ lichen Bericht von Bildern etc. Herrn D. Friderici Balduini, so unter dem erdichten Namen Theoph. Mosani, in jüngst abgewichener Herbstmeß zu Franckfurt am Mäyn außgesprenget worden, s. l. 1621. Spitznaes, Johannes: vgl. Mulhusinus, Johannes. Stapleton, Thomas, Antidota Apostolica Contra Nostri Temporis Haereses. In Episto­ lam B. Pauli ad Romanos, Antwerpen 1595. Ders., Principiorum fidei doctrinalium relectio scholastic, Antwerpen 1596. Stenius, Simon, Achillis Clavigeri Veronensis Satyra in novam discordem Concordiam Bergensem, Leiden 1582. Ders., Examen Recitationum D. Nicolai Selnecceri De Libro Concordiae, Admonitio­ nem Neustadianum luculenter firmantium […] A Iohanne Baleo, Theologiae Studioso, Neustadt a. d. H. 1582. Ders., Triumphalia De Victoriis Elisabethae Anglorum, Francorum, Hybernorumqzue Reginae Augustissimae. Fidei Defensoris Acerrimae, Contra Classem Instructissimam

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Ders., Disputatio de Ecclesia, eius Veris ac Perpetuis Notis. Contra repetita Iesuitarum sophismata, & miserandum eorum errorem, qui inanai Ecclesiae titulo, & splendore hujus Mundi decepti ad eos sese aggregant, qui Ecclesiam Christi crudeliter per­ sequuntur, Heidelberg 1588. Ders., Ad Petrum Thyraeum Societatis Iesuiticae Theologum, et Professorum Mogunti­ num, Heidelberg 1588. Ders., Coenae Dominicae, et Apostolicae Descriptio Ex D. Paulo I. Corinth. XI. Thesibus aliquot perspicuis comprehensa, in quibus inter alia ostenditur, Laurentium Arturum Iesuitam Posnaniensem, in sua oppugnatione Coenae Caluinianae, Coemam Apos­ tolicam oppugnare, et eius loco Idolum Pontificium defendere, Heidelberg 1589. Ders., Pastor Evangelicus, sive De Legitima Pastorum Evangelicorum vocatione, officio & praesidio. Cum breui et perspicua refutatione eorum, qui vel de Ministerio verbi diuini: vel de vocatione Ministrorum Euangelicorum minus honorifice sentient, Heidelberg 1590. Ders., Axiomata Theologica Contra Sacrificium Missaticum, Desumta inprimis ex Epistola ad Hebraeos. Cum breui refutatione exceptionum Iesuiticarum. De quibus, volente Domino, disputabitur in Auditorio Theologico inclytae Academiae Heidel­ bergensis, Heidelberg 1591. Ders., Locus de Sessione Christi ad Dextram Patris in Excelsis, et Dominio in Omnes Creaturas; Perspicuis Aliquot Thesibus Explicatus Et a Corruptelis Ubiquitistarum vindicates, Heidelberg 1591. Ders., Theses et Antitheses Brevissimae De his quatuor Capitibus: De Coena Domini. De Persona Christi. De Baptismo. De Praedestinatione. Oppositae partim falsis, partim captiosis Thesibus et Antithesibus, quibus nuper aliquot Vbiquitarij orthodoxarum Ecclesiarum doctrinam deformare conati sunt, Heidelberg 1593/94. [Dt. Übersetzung:] Theses & Antitheses breuissimae: Das ist Kurtze vnd richtige Artickul in welchen die reine Lehr der Reformirten Kirchen vnd hinwiderumb die Gegenlehr von denen heutiges tags Vier strittigen Haupt Artickuln Christlicher Religion gründ­ lich wird dargethan: Als nemlich Von Dem H. Abendmal. Der Person. Dem H. Tauff. Der Gnadenwahl Christi, Heidelberg 1593. Ders., Synopsis De Patribus, Sive Praecipuis Et Vetustioribus Ecclesiae Doctoribus, Nec Non De Scholasticis. Quantum Eis Deferendum: quo tempore vixerint: qua cum cautione legendi: quaeque eorum dotes & naevi fuerint, Heidelberg 1603. [Engl. Übersetzung:] A synopsis or compendium of the fathers, or of the most famous and ancient doctors of the Church, as also of the schoolmen, London 1635. Ders., Doctrina De Praedestinatione. Brevibus Ac Perspicuis Quaestionibus Com­ prehensa, Et In septem capita distincta, Hanau 1609. Tossanus, Paul, Recapitulatio Deß Examinis der Würtembergischen Theologen. In welcher die Irrthumb und Greuwel deren sie die Lehr der genanten Calvinisten beschuldigt ferrner abgeleynet und auff alle und jede Zeugnussen mit welchen sie dieselbe zubeweisen sich unterstanden geantwortet wirdt, Frankfurt a. M. 1614. Ders., Gründtliche Antwort Auff die vermeynte Rettung Jacob Hackhen Jesuiten zu Olmütz: in welcher er sich unterstanden Georg Scherers Jesuiten erste Predigt von der Communion unter einer oder beyder Gestalten wider M. Nicolaum Hegium Boium, zu vertheydigen, Frankfurt a. M. 1614. Ders., Abfertigung Der Vermeynten Gründtlichen Antwort D. Christophori Binderi, Apts zu Maulbrunn auff die Recapitulation deß Examinis der Württembergischen Theologen, Frankfurt a. M. 1615.



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Anhang: Nachwirkungen der Heidelberger und Mainzer Kontroversschriften bis ins 18. Jahrhundert Becanus, Martin, Manuale Controversiarum Huius Temporis. In Quinque Libros Dis­ tributum, Würzburg 1623/Münster 1623/Mainz 1624/Luxemburg 1625/Würzburg 1626/Münster 1629/Mainz 1629/Mainz 1631/Münster 1638/Würzburg 1646/ Würzburg 1660/Münster 1660/Lyon 1688/Köln 1697/Passau 1701/Köln 1714/Passau 1719/Passau 1727/Passau 1731/Rom 1735/Köln 1750/Rom 1750/Kaufbeuren 1771. Ders., Becanus Redivivus, Das ist, Deß Wohl-Ehrwürdigen Hochgelehrten Herrn Martini Becani der Societät Jesu Theologen S. Handtbuch. Aller dieser Zeit in der Religion Streitsachen in 5. Bücher abgetheilt: An Die Römische Kayserl. Mayestät Ferdinandum den Andern der Catholischen Religion Beschützern. In welchem alle bißdahero zwischen die Catholischen und deren Wiedersachern: Den Calvinisten Lu­ theranern vorgefallene Streitsachen erörtert werden, Mainz 1631. Ders., De iudice controversiarum, Rom 1698. Ders., Compendium Manualis Controversiarum Huius Temporis De Fide & Religione. Cum Excerpto Animadversionm Moguntinensium Anti-Becano oppositarum, Köln 1651. Cornaeus, Melchior, Animadversiones In Anti-Becanum, A Joanne Crocio Theo­ logiae Cassellensis Professore, Mainz 1647. Ders., Anti-Crocius Sive Animadversiones Iteratae In Joannem Crocium Calvinistam, Anti-Becano Suo, Andimadversionibus Theologorum Moguntinensium pridem cas­ tigatio, inutiles suppetias ferentem, Würzburg 1658.

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Personenregister Acquaviva, Claudio 34, 41, 71, 210 f., 219, 313, 321, 326, 341 Albin, Johannes 46, 49 f., 66, 73, 90, 146, 331, 359 Alting, Heinrich 153, 155, 157, 221 f., 271, 357 Amalteo, Attilio 322–326 Andreae, Jacob 29, 162, 242–244 Andrewes, Lancelot 60, 69, 326 f., 332, 334 f., 342 Arcularius, Daniel 254 Arminius, Jacobus 161, 218 ff. Arturus, Laurentius 233 f., 240, 261, 269, 289 Auer, Lambertus 32 Augustinus von Hippo 64, 110, 113, 115, 127, 215, 231, 351 Balduin, Friedrich 46, 156, 258, 273–275 Báñez, Domingo 204 ff. Baronius, Caesar 96, 112, 131, 134 ff., 145 ff., 159 ff., 183, 198, 267, 376 Baronius, Justus (Calvinus) 47, 64, 92, 108 ff., 124, 127 f. Becanus, Martin 37, 42 ff., 56 ff., 64 ff., 91, 125 f., 148, 155, 181 f., 202 ff., 217 f., 223, 252–257, 261 f., 268, 270, 278, 280, 311, 313, 317 ff., 346 ff., 379 Behem, Franz 48 f. Behem, Kaspar 48 f. Bellarmin, Robert 55, 60 f., 69, 72 f., 76, 80 f., 85, 96, 109 ff., 117 ff., 143, 145, 148–151, 166, 179, 181, 205, 209 ff., 217 ff., 248 f., 255 f., 261, 270, 275, 278, 284, 287 ff., 295, 301 ff., 320 ff., 358, 362 f., 371, 376 Beroaldus, Matthaeus 172–174, 178 Blondel, David 151 f., 198, 376

Borghese, Scipione Caffarelli 89, 154, 252, 322–326, 340 Braunbom, Friedrich 181 ff. Brederode, Pieter Cornelis van 348 ff., 357–361, 366, 371 Brehm, Heinrich 48 Brendel, Daniel (Bischof ) 32–34 Bucer, Martin 42, 162, 227, 235, 282 Burhill, Robert 327, 332 f., 344, 371 Busaeus, Johannes 34–36, 41, 45, 47, 62, 66, 133–135, 139, 143, 146, 192 f., 198, 253 f., 259, 261, 263 ff. Calixt, Georg 117, 262 Calvin, Johannes 5, 210, 220 Calvinus, Justus (Baronius), siehe auch Baronius, Justus Calvisius (Kallwitz), Sethus 174 ff., 193 ff. Casaubonus, Isaac 137 f., 178 f. Chemnitz, Martin 233, 253 f. Clavius, Christoph 184, 190, 193, 195 Clemens VIII. (Papst) 91, 109, 112, 205 Clemens von Alexandria 114 Cochlaeus, Johannes 163, 269 Comenius, Johann Amos 44, 262 Commelin, Hieronymus 28, 121 f. Contzen, Adam 1, 37–39, 46, 61, 63–65, 75, 90–92, 155 ff., 181 ff., 211, 217 ff., 254 ff., 278, 314 ff., 341, 343, 366, 369, 379 Cramer, Michael 59, 67 Cyprian von Karthago 110–116, 123 Dalberg, Wolfgang von (Bischof ) 33, 49 Dathenus, Petrus 27, 286 Decker, Konrad 148 ff., 331 Donellus, Hugo 27 Driel, Gottfried van 41, 61 f., 87, 264 f.

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Personenregister

Drusius, Johannes 36, 93 ff. Ebermann, Veit 262 Erastus, Thomas 285 f., 308, 312, 329 Eusebius von Caesarea 96, 103, 115, 119 f., 132–135, 139 f., 160, 173, 231, 243 Even, Sigismund 157, 163 Faber, Peter 32 Flacius Illyricus, Matthias 131, 158 f., 213, 238 Forster, Michael 48 Franckenheim, Marcellus 157, 163 Freher, Marquard 28, 140 ff., 146, 152, 198 Friedrich III. von der Pfalz 16, 25 f., 32, 48, 91, 153, 158, 225, 227 f., 240, 285 f., 308 Friedrich IV. von der Pfalz 26 f., 43, 61, 235 f., 239, 246, 367 f. Friedrich V. von der Pfalz 26, 31, 271, 329, 362 Galler, Hieronymus 48, 148, 330, 342 Gerlach, Stephan 41, 254 Goclenius d. Ä., Rudolph 214, 217 Graser, Konrad 327, 330 Gretser, Jacob 30, 54, 81, 103 ff., 320 Grotius, Hugo 312, 344, 359 Gruter, Jan 28, 174 f., 179, 182 Grynaeus, Johann Jacob 230 f., 246, 264 Guldin, Paul 195 Hager, Balthasar 154, 156, 210, 274 ff. Harnisch, Matthäus 48 f., 241 Heerbrand, Jacob 191 f. Hoe von Hoenegg, Matthias 156, 251, 258 Huber, Samuel 156 Hunnius, Aegidius 81, 167, 234, 238 James I. (und VI.), König von England und Schottland 142, 181, 280, 311, 317 ff. Johann Kasimir von der Pfalz 26, 30, 43, 185, 190, 228 f., 235, 316, 367 Jospehus, Flavius 93 f., 96, 104, 336 f., 345 Junius, Franciscus 27, 31, 66, 88, 97, 108, 145, 147, 171, 225, 241, 252 f., 287, 292, 310, 322, 365

Kallwitz, Seth, siehe auch Calvisius, Sethus Kreps, Michel 315–317, 369 Kronberg, Johann Schweikhard 33–35, 113, 154, 301 Kues, Nikolaus von 132 f. Lancelot, Johann 326 f., 329, 334, 342 Lingelsheim, Georg Michael 28, 99, 175, 179, 264, 312, 331 f. Lipp, Balthasar 48 f., 90, 339 Lipsius, Justus 169, 310, 316 Löfenius, Michael 339 f. Loyola, Ignatius von 32, 45 Ludwig VI. von der Pfalz 26 f., 185, 187 Luther, Martin 81, 107, 240, 245, 298, 374 Lyra, Nikolaus von 107 Magirus, Johannes 80 ff., 235 Maldonatus, Johannes 90 Marbach, Philipp 230 f. Mästlin, Michael 185 ff., 196 Maximilian I. von Bayern 29, 38, 81, 314 f., 366 Melanchthon, Philipp 25 f., 67, 83, 158, 227, 259, 282, 287 Molina, Luis de 203 ff., 348, 350 Moritz von Hessen 239, 252, 299–310, 305 f., 312 Mosanus, Theophilus (Pseud.) 156, 251, 274–277 Mühlmann, Johannes 85, 87 Mulhusinus, Johannes (Spitznaes) 19–21, 36, 41, 46, 58 f., 80, 83 ff., 88, 91, 114, 123, 183, 195, 242, 301 Ottheinrich von der Pfalz 25, 42 Pareus, David 27 f., 31, 36–46, 51, 56–61, 64, 70, 73–75, 80 ff., 111, 123–128, 148, 153, 155, 157, 161, 171 ff., 181–184, 193, 198, 200, 207–210, 211 ff., 224 ff., 240 ff., 264, 278, 280, 289, 299 ff., 313, 317, 323–325, 330–334, 344 f., 354, 356 ff., 363, 367 f., 370–372, 376 Pareus, Johann Philipp 28, 38, 44, 51, 82, 85, 155, 171, 181, 259, 311, 332, 334 Paul V. (Papst) 143, 153, 206, 208, 219, 320, 343



Personenregister

Pétau, Denis 182 Philo von Alexandria 106, 336 Piscator, Johannes 220, 244 Pitiscus, Bartholomäus 225, 240, 246–250, 253, 255, 258–260, 264 f., 278, 309 Preston, Thomas 327 Rennecher, Hermann 88, 235 Rivet, André 127 Roest, Peter 163 Rosa, Jonas 48, 51, 73 Rosweyde, Heribert 270, 352 Scaliger, Joseph Justus 28, 36, 56 f., 96 ff., 168 ff., 181–184, 193, 195, 198, 200, 220 Schede, Paul Melissus 28 Schmid, Sebastian 51 Schoppe, Kaspar 97, 356 Schopper, Jacob 230 Scultetus, Abraham 18–21, 27 f., 31, 41, 51, 66 f., 88, 104 f., 109, 113, 114 ff., 123, 127 f., 137 ff., 142 f., 152 ff., 161–164, 200 f., 212, 221 f., 225, 249, 249–251, 261, 271 ff., 278, 357, 376, 379 Serarius, Nicolaus 18, 36 f., 45–47, 56 f., 72, 90 ff., 104–107, 139, 147, 163, 166, 183, 195, 198, 200, 266 ff., 376, 379 Sigwart, Johann Georg 243 ff. Simon, Richard 107 Smesmann, Abraham 47

445

Sohn, Georg 166, 221, 232 Spitznaes, Johannes, siehe auch ­Mulhusinus, Johannes Stapleton, Thomas 85, 284, 287 f., 302–304, 307, 316 Stenius, Simon 28, 30, 53, 61, 103 ff., 229, 235 f., 239 f., 329 f., 338 Strohecker, Anton 46, 50 Suarez, Francisco 275, 320, 339 Thomas von Aquin 94, 205, 212, 233, 307, 350 f. Thomson, Richard 327 Thyraeus, Hermann 35 Thyraeus, Petrus 35, 41, 45, 68, 123, 195, 253, 288 ff., 304, 313, 316, 337, 351 Tooker, William 60, 327, 337 Tossanus, Daniel 27, 29–31, 35, 41, 45, 47, 50, 68, 75, 92, 108, 111, 122 f., 128, 166, 221 f., 228 ff., 244 f., 269, 288 ff., 301, 304, 309, 313, 316, 323, 367 Tossanus, Paul 240, 271 Ursinus, Zacharias 31, 43, 110 f., 173, 225, 228 f., 249, 253, 259 f., 304, 308 f., 329 Valla, Lorenzo 121, 132 f., 136 Vögelin, Gotthard 47 Zepper, Wilhelm 250, 310 Ziegler, Johann Reinhard 34, 39, 194

Ortsregister Antwerpen 97, 287, 352 Aschaffenburg 34, 40 Augsburg 146, 154, 191

Ingolstadt 32, 67, 103, 154, 276, 290 Italien 39, 93, 109, 131–133, 141, 185, 319, 354

Baden-Durlach 31, 237 Bad Schwalbach, siehe auch Schwalbach Bayern 29, 38, 81, 190, 314, 366 Brandenburg 31, 152, 287, 300

Kassel, siehe auch Hessen-Kassel Köln 32, 34, 36 f., 50, 73, 89 f., 147, 154, 252, 322, 325, 350 Kreuznach 34, 148 Kursachsen, siehe auch Sachsen

Cambridge 150, 331 Dordrecht 155, 217 ff., 251, 256, 271, 278, 303, 357, 378 Douai 288, 319 England 27, 30 f., 123, 130, 144, 228, 252, 286, 311, 318 ff. Erfurt 34, 51 Franeker 93 f., 97, 99 Frankfurt am Main 23, 34, 39, 48–51, 71, 73, 193, 228, 235, 277, 329 Frankfurt an der Oder 156, 274 Frankreich 27, 50, 90, 253, 295, 319, 321, 339, 343, 355 Fritzlar 34, 40, 300 Genf 25, 71, 172, 286, 289, 316 Halle 157 Hanau 48, 51, 155 f., 181, 235, 251, 274, 329, 339, 354 f. Heiligenstadt 34 Helmstedt 51, 117, 262 Herborn 49, 244, 310 Hessen(-Darmstadt) 41, 108, 154, 300 Hessen(-Kassel) 221, 239, 252, 256, 299

Leiden 56, 93, 97, 100, 102, 169, 173, 175, 183, 193, 218, 252 London 60, 150, 342, 355 Marburg 45, 108, 195, 217, 227, 234, 254, 299 f. Molsheim 154, 163 Mömpelgard 29 München 32, 258 Neustadt an der Weinstraße (historisch: an der Haardt) 26, 30, 41, 43, 48, 59, 67, 88, 171, 187–190, 194, 196, 228, 238 f., 240 ff., 254, 259 f., 287 Niederlande 27, 46, 73, 104, 161, 218–221, 251–253, 312, 320, 350 ff., 365, 374 Oppenheim 48, 148, 150, 329–331, 342 f. Orléans 29 Osmanisches Reich 12 Österreich 354, 361–363 Oxford 60, 327, 334 Paris 29, 269, 334, 336, 339 f. Prag 31, 156 f., 250, 271 ff., 379 Regensburg 44, 81, 85 f.



Ortsregister

Rom 19, 34, 37, 39, 50, 55, 60, 72, 90, 107–109, 112, 115, 124, 131 f., 134, 138, 141, 143 f., 148, 171, 181, 184, 193, 195, 209–211, 218, 220, 252, 258, 266 f., 278, 294, 296, 313, 318, 320, 325 f., 329, 334, 339–343, 345, 361–363, 374, 379 Sachsen 41, 48, 152, 234 f., 250, 268, 363 Schlesien 27, 31 Schwalbach 18, 41 f., 54, 57–61, 86, 88, 183, 207 Schweden 29, 42, 50, 152 Schweiz 27, 152, 221, 286 Spanien 185, 205, 319, 321, 353 f. Speyer 39, 82 Straßburg 16, 51, 154, 159, 163, 228, 235

447

Trier 32, 34 f., 49, 155 Tübingen 29, 185, 236, 240, 244, 247, 276 Ungarn 27 Venedig 30, 140, 142, 320 f., 329, 344, 365 Wien 32, 37, 48 f., 211, 217, 256, 283, 359, 361 Wittenberg 31, 45, 113, 156, 166 f., 217, 227, 234–238, 241, 251, 255, 273, 276 Württemberg 29 f., 41, 43, 185, 187, 240, 244, 246 Würzburg 35–37, 90, 155, 380

Sachregister Abendmahl 19, 43, 66, 120, 126, 202, 206, 223 ff., 242, 245 ff., 260 f., 286, 289, 300 Administrationsstreit (Kurpfalz) 26, 235 Anonyma, anonym 47, 62, 93, 113, 192, 236, 264, 273, 275, 319, 329, 332, 342, 352, 353, 355, 359 Arianismus, arianisch 119, 133, 135, 139 f., 267 Astronomie 168, 170, 173, 175–177, 183, 186, 193, 199 Augsburger Bekenntnis 167, 300, 361 Augsburger Religionsfrieden 3, 45, 76, 78, 167, 225, 228, 300, 358 Augsburger Religionsverwandte 43, 46, 227, 260 Beichtvater 34, 37–39, 60, 258, 263, 314 f., 343, 347, 359, 361–366 Bibliothek, Bibliothekar 19, 28, 42, 46 f., 50, 62, 72, 112, 114, 122, 125, 138, 140, 142–144, 146, 162, 178, 274, 332, 350, 353 Bildersturm, Bilderfrage, Bilderkritik 31, 39, 67, 156, 250, 271 ff., 300, 304, 379 Brief, Briefwechsel 34 f., 39, 53, 82, 84 f., 89, 92, 99, 109–114, 117, 124, 136 f., 142, 159, 162, 166, 171, 174 f., 178 f., 182, 210, 218 f., 221, 231, 255, 264, 278, 295 f., 312, 319, 323, 325, 330 f., 341, 357, 359, 362 Confessio Augustana, siehe auch Augs­ burger Bekenntnis Disputation 42, 44 f., 51, 53, 55, 62, 72, 81–87, 109, 133, 143, 153, 174, 183, 191–193, 205, 207–209, 223, 230–235,

239 f., 254 f., 263–265, 269, 285, 289, 295 f., 298, 348 f., 352 Dordrechter Synode 155, 217 ff., 251, 256, 271, 278, 303, 357, 378 Dreißigjähriger Krieg 29, 42, 50, 76, 121, 157, 245, 250, 261 f., 276 Drei-Stände-Lehre 313 Drucker, Druckerei, Offizin 28, 47 ff., 71, 73 f., 90, 121 f., 146, 148, 241, 311, 330 f., 339, 359 Erzstift 32, 34, 40, 45, 154, 167 Essener 94, 96–105 Exil 26, 28, 30, 41, 43, 48, 51, 174, 187 f., 190, 228, 240 f., 245, 286–288 Fälschung 121 f., 124, 131–137, 140–142, 149, 151, 170, 245, 330 Gegenreformation 2, 7, 45, 49, 128, 225, 263, 265, 279 Gelehrtenkultur 2, 53, 57 f., 60, 75 Gelehrtenrepublik 21, 57 f., 146, 379 Griechisch 19, 30, 32, 49, 54, 74, 88–90, 98, 100–102, 115, 125, 135–137, 140, 142, 151, 212, 266, 268, 329 Gunpowder Plot 30, 317, 329, 338, 344 Häretiker, Häresie, Ketzer 18, 41, 45, 57, 63–65, 69, 72, 75, 84, 89, 94 f., 100, 111, 113, 119 f., 123, 135, 154, 167, 187, 190, 218 f., 229, 231, 252, 255, 261, 265, 268, 275, 278, 288, 290, 303, 306, 314 f., 321 f., 337, 341, 347–349, 351 ff. Hasidäer 93 ff. Hebräisch, Hebraistik 32, 56, 74, 88 ff., 180, 199, 336, 377



Sachregister

Heilige, Heiligenverehrung 42, 109, 115, 202, 234, 266 ff., 278, 295, 359 Heiliges Jahr 165 f., 171 Hochzeit (Friedrichs V.) 27, 329 Hugenotten, Hugenottenkriege 27, 66 Humaniora 32, 47, 169, 186 Humanismus, Humanist, humanistisch 16, 21, 28–30, 33, 74 f., 78 f., 88, 91, 94, 97, 102, 121, 125, 129, 132, 136, 141, 146, 166, 168, 174 f., 179, 197 f., 241, 264, 266 f., 269 f., 332, 346, 365, 367 Identität. Identitätsstiftung 17, 66, 128, 143, 151, 166, 168, 197, 280, 377, 380 Index, siehe auch Zensur Irenik, irenisch 41, 43, 160, 219, 224 ff., 275, 277 f., 309, 368, 378 Ironie, ironisch 69, 92, 100, 138, 147–149, 177, 217, 256, 274 Jakobusbrief 83, 242 f. Juden, Judentum, Judaistik 13, 21, 92 f., 95 f., 99, 101–106, 184, 199, 273, 275, 364, 368 Jurisdiktion 307 f., 320, 324, 333 f. Jurisprudenz, juristisch, Jurist 7, 15, 28, 33, 51, 53, 61, 65, 79, 87, 108, 141 143, 146, 280 f., 284, 293, 296, 300, 307 f., 311 f., 316, 318, 320, 324, 328, 331, 342, 345, 347, 349, 353, 360, 370, 372, 378 Kalender 16 f., 59, 66, 168–170, 178, 183, 184 ff., 199, 267 f., 375 Kanonistik, Kanonisches Recht 33, 62, 72, 82, 87, 135, 282 f., 293, 313, 317, 323, 348, 351, 353, 371 Ketzer, siehe auch Häretiker Kirchenväter 36, 70, 75, 79, 83, 91, 101, 104, 108 ff., 133, 139, 158, 160, 198, 200, 212, 215, 218, 233, 241, 243, 245, 255, 266, 269, 301, 317, 376 f. Konfessionalisierung 3, 6–14, 21–23, 25 f., 32, 49, 76, 129, 202, 244, 281, 299 f., 314, 373 Konkordienbuch, Konkordienformel 26, 30, 43, 76, 213, 216, 224, 228 f., 239, 253, 258 Konzil 34, 76, 90 f., 95, 114 f., 117, 13–134,

449

186, 189, 192, 203, 222, 229, 257, 267, 269, 273, 349 Marienverehrung, Marianische Sodalität 42, 263–266, 270 f., 279, 378 Mathematik 32, 83, 185–188, 193, 195 f., 199 Medizin 33, 285 Messopferlehre 42, 225 f., 235, 239, 358 Mission 45, 47, 154, 315 Modernisierung 3 ff., 129 Oath of Allegiance 60, 69, 72, 142, 148, 197, 210 f., 280, 311, 313, 317 ff., 370 f., 379 Oberrheinische Ordensprovinz 34, 90 Orthodoxie, orthodox 22, 80, 118 f., 138, 202, 219, 223, 233, 279, 308, 346, 378 Papst, Papsttum, Päpstin 16, 29 f., 32, 39, 42, 78, 81, 86 f., 91, 109, 112, 116, 124, 131 ff., 144 ff., 153 f., 159 f., 162, 164, 166 f., 169 f., 181, 184 ff., 205 ff., 219, 221, 223, 228, 244, 247, 249–251, 262, 280, 286, 288, 291, 296 f., 306 ff., 350, 353–358, 371, 376 Patrologie, siehe auch Kirchenväter Philologie, philologisch 20, 24, 30, 36, 53, 78 f., 94 f., 98, 100, 121–123, 128, 312, 134, 137, 142 f., 146, 151, 168, 170, 183, 198–201, 373–378 Philosophie 32, 43, 101, 172, 216 f. Positive Theologie 200, 378 Prädestination 205–209, 212, 218 f., 222, 246, 256 Predigt 31, 34, 44, 53, 63, 66, 82, 90, 121, 125, 152–158, 165, 250, 269–276, 303, 364, 379 Pseudonyma, pseudonym 62, 69, 113, 155–157, 166, 189, 229, 274–276, 289, 320, 326 f., 330 f., 353, 356 Ratio Studiorum 67, 89, 91, 95, 130 Rechtswissenschaft, siehe auch Juris­ prudenz Reichstag 49, 78, 81, 225, 300 Regensburger Kolloquium 44, 81, 85 f. Rekatholisierung 42, 300, 366

450

Sachregister

Römerbrief 38, 51, 182, 241, 284, 288, 298, 303 f., 311 f., 324, 330–334, 358, 367

Ubiquitätslehre, Allgegenwart Gottes 65, 120, 126, 226, 232–238, 247, 253 f., 259, 261

Sapienzkolleg (Heidelberg) 31, 148, 171, 232, 304, 331 Scholastik 17, 89, 203, 212, 233, 312, 348, 351 Schwalbacher Kolloquium 18, 41 f., 54, 57–61, 86, 88, 183, 207 Späthumanismus, siehe auch Humanismus

Verleger 47–51, 73, 146, 193, 339 Volkssprache, volkssprachlich 2, 56, 65–67, 74, 81, 112, 125, 141, 164 f., 182, 185, 228, 244, 277, 290, 294, 320, 344, 356 Vulgata 88–92, 213, 241

Textkritik 107, 132, 147, 150 f., 198 Übersetzung 42, 47, 50, 65–67, 92, 94, 112, 125, 141, 150, 161, 164 f., 168, 171, 187, 213, 229, 234 f., 237, 240–244, 266, 272, 290, 320, 327, 344

Zensur 62, 71 ff., 91, 200, 205 f., 210, 218, 220, 223, 296, 322 ff., 334 ff., 341, 343, 371, 379 Zenturien, Magdeburger 97, 118, 127, 131–134, 138 f., 143, 159, 163