Kommunikationsfreiheit = Verlegerfreiheit?: Zur Kommunikationspolitik der Zeitungsverleger in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1969 9783111332819, 9783794025176


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German Pages 429 [432] Year 1973

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INHALT
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. VORBEMERKUNG
2. ZUR KOMMUNIKATIONSPOLITIK IN DER BUNDESREPUBLIK 1945 BIS 1949
3. DER "BUNDESVERBAND DEUTSCHER ZEITUNGSVERLEGER E . V . " (BDZV)
4. ZUR KOMMUNIKATIONSPOLITIK DER ZEITUNGSVERLEGER IN DER BUNDESREPUBLIK
5. ERGEBNISSE
6. ANMERKUNGEN
7. LITERATURVERZEICHNIS
8. SACHREGISTER
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Kommunikationsfreiheit = Verlegerfreiheit?: Zur Kommunikationspolitik der Zeitungsverleger in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1969
 9783111332819, 9783794025176

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EZE3

Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung, Band 17 Herausgeber: Kurt Koszyk Institut für Zeitungsforschung der Stadt Dortmund

Rolf Richter

Kommunikationsfreiheit =Verlegerfreiheit ? Zur Kommunikationspolitik der Zeitungsverleger in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1969

MUms

Verlag Dokumentation, Pullach bei München

© 1973 by Verlag Dokumentation Säur KG, Pullach bei München Gesamtherstellung: Anton Hain KG, Meisenheim/Glan Printed in West Germany ISBN 3-7940-2517-2

INHALT ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

7

1

VORBEMERKUNG

9

2

ZUR KOMMUNIKATIONSPOLITIK IN DER BUNDESREPUBLIK 1945 BIS 1949 14 Vom Zusammenbruch 1945 bis zur Aufhebung der Lizenzpflicht 14 Die Periode der Lizenzpresse 14 Organisatorischer Zusammenschluß und Kommunikationspolitik der Lizenzverleger 21 Die kommunikationspolitische Aktivität der Altverleger . . 29 Resümee des Lizenzsystems 35

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 3 3.1 3.2

4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1 4.2.1.1 4.2.1.2 4.2.1.3 4.2.1.4 4.2.2 4.2.2.1 4.2.2.1.1 4.2.2.1.2 4.2.2.2 4.2.2.2.1 4.2.2.2.2 4.3 4.3.1

DER "BUNDESVERBAND DEUTSCHER ZEITUNGSVERLEGER E . V . " (BDZV) Die Fusion von VDZV und GDZV Zur organisatorischen Struktur des "Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e . V. " ZUR KOMMUNIKATIONSPOLITIK DER ZEITUNGSVERLEGER IN DER BUNDESREPUBLIK Die Funktionen der Presse in der Demokratie Politik-, rechts- und zeitungswissenschaftliche Ansätze . . . . Die verlegerische Auffassung von den Funktionen der Presse Der Status der Presse in der Demokratie Das Grundrecht der Pressefreiheit Zu Geschichte und Interpretation der Pressefreiheit Zu Herkunft und Problematik des Begriffs der "öffentlichen Aufgabe" Umriß eines zeitungswissenschaftlichen Begriffs der Pressefreiheit Die "institutionelle" Deutung als verfassungsrechtliche Begründung gleicher Meinungsfreiheit aller Die verlegerische Auffassung von Pressefreiheit Konkretisierungen der Pressefreiheit in Gestalt besonderer Rechte Das Informationsrecht der Presse Das Zeugnisverweigerungsrecht Konkretisierungen der Pressefreiheit in Gestalt besonderer Schranken Das Recht der Gegendarstellung Zur Problematik des Persönlichkeitsschutzes Die Presse im Gefüge der Massenmedien Tagespresse und andere Pressemedien

40 40 48

53 53 53 66 78 78 78 84 88 92 95 99 99 109 121 121 129 142 142 5

4.3.2 4.3.2.1

4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3

Tagespeesse und Rundfunkanstalten Erste Konflikte und der Prozeß gegen den Bayerischen Rundfunk Zwei Wege: Verhandlungen mit den Anstalten und Beteiligungen am Freien Fernsehen Neue Aktivität des BDZV und Verlegerdenkschrift Zwei Vorschläge: Kommerzialisierung des ZDF und Werbefunkverbot für die öffentlich-rechtlichen Anstalten Ein erster Durchbruch im Saarland und der "MICHEL-Bericht" Das innere Gefüge der Presse Zur Unternehmensform der Presse Das Selbstverständnis des Verlegers und seine Stellung gegenüber der Redaktion Das Selbstverständnis des Verlegers Das Verhältnis Verleger-Redakteur Zur Struktur der Presse, insbesondere zur Frage der Pressekonzentration Einige frühe Ansätze zur Bewältigung von Strukturproblemen Die Pressekonzentration im Mittelpunkt der kommunikationspolitischen Diskussion Der Bericht der Pressekommission und die Reaktion der Verleger Zur Problematik der Pressekonzentration und ihrer Bewältigung Zur Frage der Presseselbstverwaltung bzw. -Selbstkontrolle Frühe Modelle der Selbstverwaltung Der Deutsche Presserat Zur öffentlichen Kontrolle der Presse

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ERGEBNISSE

286

6

ANMERKUNGEN

292

7

LITERATURVERZEICHNIS

408

8

SACHREGISTER

421

4.3.2.2 4.3.2.3 4.3.2.4 4.3.2.5 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.2.1 4.4.2.2 4.4.3 4.4.3.1 4.4.3.2 4.4.3.3 4.4.3.4

6

148 148 153 163 172 184 198 201 212 212 216 236 236 243 254 261 271 271 275 279

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

(Zeitschriften und Pressedienste in Anführungsstrichen) ArchPr BDZV BGBl BGHSt.BGHZ BR BT BVerfGE DDV DDZ dju DJV DÖV DVB1 DZ F GARIOA GDZV GG HICOG HD ICD ISD J JCS JQu JZ LT MP NJW OMGUS P RF RPG RWJV SHAEF StenBer VBZV VDZ VDZV

"Archiv für Presserecht", Beilage zu "ZV + ZV" Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Straf- bzw. Zivilsachen ( a m t l i c h e Sammlung) Bundesrat Bundestag Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche Sammlung) "Der Deutsche Verleger" "Die Deutsche Zeitung" Deutsche Journalisten-Union Deutscher Journalisten-Verband "Die Öffentliche Verwaltung" " Deutsches Verwaltungsblatt" "Die Zeitung" "Die Feder" Government Appropriations for Relief in Occupied Areas Gesamtverband der Deutschen Zeitungsverleger e . V . Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland High Commissioner for Germany "Hinweisdienst" der "Werbung im Rundfunk GmbH" Information Control Division Information Services Division "Der Journalist" Joint Chiefs of Staff "Journalism Quarterly" "Juristenzeitung" Landtag "Media Perspektiven" "Neue Juristische Wochenschrift" Office of Military Government for Germany (US) "Publizistik" "Rundfunk und Fernsehen" Reichspressegesetz von 1874 Rheinisch-Westfälischer Journalisten-Verband e. V. Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces Deutscher Bundestag: Verhandlungen (Stenographische Berichte) Verband Bayerischer Zeitungsverleger e. V. Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e . V . Verein Deutscher Zeitungsverleger e. V. 1

VRWZ VSHZ VSWZ ZV

8

Verein Rheinisch-Westfälischer Zeitungsverleger e. V. Verein Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverleger e. V. Verein SUdwestdeutscher Zeitungsverleger e. V . . "Zeitungs-Verlag und Zeitschriften-Verlag" ("ZV+ZV")

1.

VORBEMERKUNG

Als Begriff noch kaum etabliert, als Bereich staatlicher Ordnungsaufgaben von den politischen Entscheidung?trägem weitgehend vernachlässigt, führt die Kommunikationspolitik in der Bundesrepublik ein Schattendasein. Die Vernachlässigung dieses Gebietes steht in auffälligem Kontrast zur ständigen Betonung der Bedeutung der Massenmedien für die Demokratie und vor allem zu der Aufmerksamkeit, mit der politische Amtsinhaber und gesellschaftliche Gruppierungen die Manifestationen insbesondere der elektronischen Medien auf ihre "Ausgewogenheit" hin verfolgen. Überzeugt davon, daß die Massenkommunikationsmittel erhebliche Wirkung auf die politische Willensbildung des einzelnen ausüben, bemüht man sich um Einfluß auf die Programme der Medien und sucht ihn durch entsprechende Personalpolitik etwa in den Rundfunkanstalten abzusichern. Darüberhinaus wacht man eifersüchtig Uber die Pressepolitik des politischen Gegners und streitet etwa im Bundestag Uber die Frage, wen wohl der Bundeskanzler mit den "die Pressefreiheit mißbrauchenden" Organen gemeint haben könnte und ob die Bundesregierung glaube, "einen angeblichen Mißbrauch nur bei Publikationen zu sehen, die ihre Politik kritisch begleiten"(l). Mit einem Wort: die Beschäftigung der Parteien mit dem Komplex Massenmedien erschöpft sich weitgehend in dem Bemühen, den eigenen Standpunkt in den Programmen möglichst vorteilhaft zur Geltung zu bringen. Erst in jüngster Zeit gibt es vereinzelt Ansätze zu intensiverer Auseinandersetzung mit dieser Problematik. Dem könnte man nun entgegenhalten, daß der Bundestag seit 1964 immerhin zwei Kommissionen eingesetzt hat, die Strukturprobleme der Massenmedien untersuchen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen sollten. Indes weisen das Zustandekommen dieser Kommissionen sowie die Verwertung ihrer Arbeitsergebnisse durch die politischen Entscheidungsträger auf die Art hin, in der bislang - wenn Uberhaupt Kommunikationspolitik betrieben wurde. Während man die auf die Untersuchung der angeblichen "Wettbewerbsverzerrung" zwischen den Medien angesetzte "MICHEL-Kommission" auf das unablässige und propagandistisch untermauerte Drängen des "Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger" hin installierte, bedurfte es zur Einsetzung der mit der Konzentrationsproblematik befaßten "GÜNTHERKommission" erst einer akuten und unübersehbaren Pressekrise - und das, obgleich bereits Jahre vorher etwa vom "Deutschen Journalisten-Verband" auf die drohende Entwicklung aufmerksam gemacht und eine entsprechende Untersuchung gefordert worden war. Wenn also die politischen Entscheidungsträger kommunikationspolitische Aktivität entfalteten, dann punktuell: entweder auf den Druck eines mächtigen Interessenverbandes oder einer nicht mehr zu ignorierenden oder wegzudiskutierenden gefährlichen Entwicklung hin. Was nun die Ergebnisse der Kommissionen betraf, so dienten sie - mit gewisser Berechtigung bei der "MICHEL-Kommission", kaum aber bei der "GÜNTHERKommission" - überwiegend als Alibi für weitere Untätigkeit. Sieht man einmal von den historischen Belastungen durch die N S - Z e i t ab, die bei den politischen Entscheidungsträgern eine deutliche Abneigung gegen Institutionen zur Regelung des gesellschaftlichen Kommunikationsprozesses etwa in Gestalt eines Informationsministeriums hinterlassen haben - Otto B. ROEGELE spricht in diesem Zusammenhang vom "Schatten von Josef Goebbels"(2) - , dann gibt es hierfür im wesentlichen zwei Gründe. Keine der den politischen Prozeß der Bundesrepublik bestimmenden 9

Parteien verfügte bis Ende der sechziger Jahre über ein ausgearbeitetes kommunikationspolitisches Gesamtkonzept, das - gewonnen aufgrund wissenschaftlicher Analyse und eingeordnet in das Grundsatzprogramm der Partei - als langfristiger Handlungsentwurf Leitlinien für kommunikationspolitische Entscheidungen geboten hätte. So machte man - insbesondere in der Frage der Pressekonzentration, und hier sogar streckenweise gestützt durch die entsprechende, aus Vertretern der Interessentengruppen zusammengesetzte Kommission - Plausibilitätsannahmen wie etwa die "Vielfaltsthese" zur Grundlage einer an Symptomen herumkurierenden Politik. Daneben griff man, um bei diesem Beispiel zu bleiben, den Satz der Pressekommission von der bislang noch nicht gefährdeten Meinungsfreiheit dankbar auf, um ein schneidenden strukturpolitischen Maßnahmen aus dem Wege zu gehen, die die Gefahr gezeitigt hätten, die Inhaber großer Pressekonzerne, d . h . vermutlicher "Meinungsmacht", zu verprellen. Mit anderen Worten: neben das Fehlen einer Gesamtkonzeption trat die Furcht vor der "Macht der Meinungsmacher. " Nun hört man häufig den Vorwurf, daß die Sozialwissenschaften und insbesondere die Zeitungs- oder Publizistik Wissenschaft zur Analyse des Kommunikationsprozesses bisher zu wenig beigetragen und der Politik keine Lösungsmodelle angeboten hätten. In der Tat sind die wissenschaftlichen Materialien etwa zur Frage langfristiger Wirkungen medialer Aussagen oder zur Problematik des Zusammenhangs zwischen publizistischer Marktmacht und "Meinungsmacht" noch unzulänglich und als Basis für konkrete Politik nicht ausreichend. Dazu ist allerdings zweierlei zu bemerken. Zum einen kann der circulus vitiosus, der darin besteht, daß die Zeitungswissenschaft nur wenige Ergebnisse liefert, weil es an entsprechender Förderung fehlt, und dieseFörderung ausbleibt, weil sie kaum Ergebnisse vorzuweisen hat, angesichts des gerade für die notwendigerweise breiten empirischen Forschungen erforderlichen Finanzbedarfs sicherlich nicht von den wissenschaftlichen Instituten aufgebrochen werden. Zum anderen verzichtete man dort, wo die Wissenschaft einen Beitrag hätte leisten können, auf ihre Mitwirkung und gab statt dessen den Raum frei für die Auseinandersetzung der Interessenvemeter. So wurden beispielsweise die ursprünglich für die "GÜNTHER-Kommission" vorgesehenen drei Publizistikwissenschaftler letztlich doch nicht hinzugezogen; so ging das Ergebnis eines publizistikwissenschaftlichen Gutachtens kaum in die Thesen des Schlußberichtes der "GÜNTHER-Kommission" ein. Und dort, wo - wie mit der "MICHEL-Kommission" der Versuch unternommen wurde, für eine kommunikationspolitische Entscheidung von einem neutralen Gremium objektive Unterlagen erarbeiten zu lassen, versuchten die Interessenvertreter, gestützt von ihnen nahestehenden Parteien, die präsumtiven Ergebnisse durch parlamentarische Initiativen zu unterlaufen. Nun wird hier nicht übersehen, daß Politik in einem parlamentarischen System weitgehend aus dem Ausgleich miteinander rivalisierender Interessen besteht. Problematisch wird dies jedoch, wenn für die Kommunikationspolitik - anders als etwa in der Wirtschaftspolitik, wo es wenigstens Ansätze zu langfristigen gesamtwirtschaftlichen Zielprojektionen gibt - Modellvorstellungen bei den politischen Entscheidungträgern fehlen. Der Mangel an derartigen Konzeptionen, die als Maßstab und Korrektiv für die Forderungen der gesellschaftlichen Gruppen dienen könnten, machte Kommunikationspolitik bislang zum Spielball rivalisierender Interessen, wobei noch erschwerend hinzukommt, daß die politischen Entscheidungsträger selbst derartige Interessen - etwa in Gestalt möglichst positiver Darstellung ihrer

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Politik in den Massenmedien - verfolgen. Diese Situation räumt den beteiligten oder betroffenen gesellschaftlichen Gruppen erheblichen Spielraum ein. Die Kommunikationspolitik einer dieser Gruppen, des "Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e. V. "(BDZV) als der Interessenvertretung der Zeitungsverleger in der Bundesrepublik, ist das Thema der vorliegenden Untersuchung. Es wurde gerade der BDZV gewählt, weil er einerseits als die Vereinigung der Tageszeitungverleger eine der den Kommunikationsprozeß der Bundesrepublik bestimmenden Gruppen repräsentiert, andererseits kommunikationspolitisch in hervorragendem Maße aktiv war: sowohl der Anstoß zur Schaffung der neuen Landespressegesetze als auch die Initiative zur Einsetzung der beiden erwähnten Untersuchungskommissionen gingen ganz wesentlich von der Organisation der Zeitungsverleger aus. Der Begriff der "Kommunikationspolitik" wird in vorliegendem Zusammenhang verstanden als die "Gesamtheit der Maßnahmen des Staates und der gesellschaftlichen Organisationen, die sich auf die Regelung des Prozesses der gesellschaftlichen Kommunikation richten"(3), als ein Handeln also, "das auf die Durchsetzung von Werten und Zielen im Bereich der öffentlichen Kommunikation gerichtet ist", eine Form der Politik, die in diesem Bereich "Wirkungen ausüben, Machtverhältnisse und Ordnungen etablieren, festigen, weiterentwickeln, ändern oder aufheben will" (4). In der aktuellen Diskussion wird für diesen Gegenstandsbereich zunehmend der Begriff "Medienpolitik" benutzt. In der Tat beschäftigt sich Kommunikationspolitik in der Bundesrepublik ausschließlich mit den Massenmedien, und die in dieser Untersuchung behandelten Einzelbereiche lassen sich ohne weiteres unter der Rubrik "Medienpolitik" subsumieren. Es wurde dennoch der Begriff "Kommunikationspolitik" gewählt, weil er zum einen in Wissenschaft und Politik als "communication policy" international gebräuchlich, zum anderen umfassender als der der "Medienpolitik" ist. Während "Medienpolitik" lediglich den Gegenstandsbereich der Kommunikation durch Massenmedien umgreift, beinhaltet "Kommunikationspolitik" die gesamte gesellschaftliche Kommunikation, also nicht nur die Massenkommunikation, sondern etwa auch die interpersonale Kommunikation. Diese direkte oder "face-to-face"-Kommunikation ist zwar nicht Gegenstand der Kommunikationspolitik westlicher Demokratien - und insofern deckensich hier de facto "Medienpolitik" und "Kommunikationspolitik" - , wohl aber der totalitären Systeme, die regelmäßig versuchen, mit Hilfe von Spitzeln und der Aufforderung zur Denunziation von Familienmitgliedern auch die direkte Kommunikation in den Familien und Kleingruppen zu steuern. Hier wäre die Bezeichnung "Medienpolitik" zu eng. Um nun nicht für den im Kern gleichen, nur in der Ausdehnung unterschiedlichen Gegenstandsbereich verschiedene Begriffe benutzen zu müssen, sollte man von vornherein den auch für die vorliegende Arbeit gewählten Terminus "Kommunikationspolitik" verwenden. Auf der Basis eines solchermaßen verstandenen Begriffs der "Kommunikationspolitik" war also zu fragen nach den Aktivitäten des BDZV, soweit sie sich auf die Regelung des Prozesses der gesellschaftlichen Kommunikation richteten. Dazu war zunächst zu klären, welche Wert- und Zielvorstellungen einer solchen Politik zugrundeliegen, konkret: welche Vorstellungen der BDZV von den Funktionen der Massenmedien, insbesondere der Tagespresse, entwickelte und wie er den Begriff der Pressefreiheit in diesem Zusammenhang interpretierte. Sodann war einzugehen auf die Einzelprobleme, für deren Gliederung sich die gebräuchliche Unterscheidung nach den Gegenstandsbereichen der "äußeren" und der "inneren Pressefreiheit" sowie des Verhältnisses der Massenmedien untereinander anbot. 11

Da - wie sich sehr bald erwies - auch der BDZV Uber kein geschlossenes kommunikationspolitisches Gesamtkonzept verfügt, sondern sich seine Kommunikations politik darstellt als eine Reihe von Reaktionen und Initiativen, ausgelöst durch Entwicklungen im Bereich der Massenmedien, war es Aufgabe der Untersuchung, aus dem jeweils aus aktuellem Anlaß zu Einzelfragen Geäußerten die grundsätzlichen Darlegungen herauszuarbeiten und in einen systematischen Gesamtzusammenhang einzuordnen. Innerhalb dieser Systematik war jedoch, eben weil die Kommunikationspolitik der Verleger jeweils von konkreten Anlässen ausging, chronologisch zu verfahren. Damit stellte sich das Problem der Periodisierung. Da das Jahr 1949 mit dem Ende der Prärogative der Alliierten auf dem Gebiet der Kommunikationspolitik eine entscheidende Zäsur brachte und überdies erst zu diesem Zeitpunkt die große Gruppe der bis dahin von der Berufsausübung ausgeschlossenen "Altverleger" offiziell wieder auf den Plan trat, wurde die Untersuchung in drei Abschnitte aufgeteilt. Der erste behandelt die Phase der Lizenzpresse, gibt einen Überblick Uber die organisatorischen Strukturen der Verlegergruppen und ihre kommunikationspolitischen Aktivitäten bis 1949. Der zweite beschreibt die Entwicklung bis zum Zusammenschluß der Verlegerverbände zum BDZV sowie dessen Struktur. Im dritten T e i l wird dann die Kommunikationspolitik des BDZV unter systematischen Gesichtspunkten untersucht. Dabei waren, weil die Wurzeln der Entwicklung in vielen Fällen in die Zeit vor 1949 zurückreichen, gelegentlich Rückgriffe und Verweise auf bereits im ersten T e i l Dargelegtes unvermeidlich. Wollte die Untersuchung nicht im Vordergründig-Deskriptiven verharren, sondern eine Wertung der verlegerischen Kommunikationspolitik vornehmen, mußte ein Maßstab für eine solche Wertung gefunden werden. Als Maßstab dieser Art dient der vorliegenden Arbeit das - normative - Modell von den Massenmedien als "Mittlern des sozialen Zeitgesprächs", wie es - wenn auch noch nicht bis in alle Einzelheiten ausgeformt - in der Nachfolge von Otto GROTH am Münchner Institut für Zeitungswissenschaft entwickelt wurde. In seinem Mittelpunkt steht die These, daß zur Selbstverwirklichung des einzelnen seine gleichberechtigte Teilnahme am - von den Massenmedien wesentlich mitgestalteten - "sozialen Zeitgespräch der Gesellschaft" gehört. In der Sprache des Verfassungsrechtlers ausgedrückt, geht es in diesem Modell um die Realisation der "gleichen Meinungsfreiheit aller", d.h. um die Repräsentation des einzelnen mit seinem, allerdings zumeist gruppenspezifischen, Gesprächsbeitrag im Gesamt der gesellschaftlichen Zeitkommunikation und damit zugleich um die Darstellung des vollen Spektrums dieser Beiträge in den Manifestationen der Massenmedien. Als wichtigste Quelle für die Untersuchung der verlegerischen Kommunikationspolitik diente das Verbandsorgan des BDZV, der "Zeitungs-Verlag und ZeitschriftenVerlag" (ZV+ZV) der Jahrgänge 1949 bis 1969, der, nach Aussage der Verleger, als "altangesehenes Fachblatt das Sprachrohr einer in allen wesentlichen Fragen einigen Verlegerschaft "(5) ist. Hinzu kamen neben den Vorläufern dieses Organs diverse Einzelveröffentlichungen sowohl des BDZV - etwa in Gestalt von Denkschriften als auch verschiedener Zeitungsverleger. Ein solches Quellenmaterial besitzt naturgemäß mehrere Mängel. Zum einen handelt es sich bei der vorliegenden Untersuchung um eine reine Dokumentenanalyse, die überdies nur die für die Öffentlichkeit bestimmten Darlegungen und damit lediglich die "offiziellen Zieldeklarationen" erfaßt, die, wie die Organisationssoziologie 12

lehrt, nicht ohne weiteres fiir "bare Münze" genommen werden dürfen, sondern oft sogar dazu bestimmt sind, die "tatsächlichen Ziele zu verschleiern"(6). Indes ging es in der vorliegenden Arbeit in eister Linie um die Untersuchung eben dieser "offiziellen" Politik, mit der sich ja auch die politischen Entscheidungsträger auseinanderzusetzen hatten. Zum anderen war eine Hinzuziehung der unveröffentlichten Unterlagen (Akten, interne Rundschreiben e t c . ) , abgesehen von der Schwierigkeit ihrer Beschaffung, angesichts der Fülle schon dieses "offiziellen" Materials (allein die ausgewerteten Jahrgänge von "ZV+ZV" umfaßten ca. 32 000 Seiten) aus arbeitsökonomischen Gründen nicht zu leisten. Allerdings wurde versucht, durch den Vergleich dieser Veröffentlichungen untereinander sowie mit den Veröffent- lichungen rivalisierender Gruppen (etwa der Journalistenverbände oder der Rundlunkanstalten) diesen Mangel wenigstens bis zu einem gewissen Grade auszugleichen. Eng damit zusammen hängt ein weiteres Problem. Es kann ebenfalls als gesichert gelten, daß die von einem Interessenverband verfolgte Politik nicht ohne weiteres die Politik a l l e r in diesem Verband Organisierten darstellt. Auch hier muß zunächst wieder entgegengehalten werden, daß es in der vorliegenden Arbeit in erster Linie um die Darstellung der Politik des V e r b a n d e s als Kontrahenten anderer Organisationen und Gegenüber' der politischen Entscheidungsträger ging. Zum anderen wurde versucht, Differenzen und Zielkonflikte innerhalb des BDZV wiederum durch Quervergleich und die Hinzuziehung anderer Quellen aufzudecken. Freilich ist sich der Verfasser bewußt, daß auf diese Weise eine organisationssoziologisch befriedigende Analyse etwa der Willensbildung innerhalb des Verbandes nicht geleistet werden konnte. Dies war aber auch nicht intendiert. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die leicht gekürzte Fassung einer Dissertation, die auf Anregung von Prof. Dr. Dr. Otto B. ROEGELE zwischen 1969 und 1971 an der Ludwig-Maximilians-Universität München entstand. Herrn Professor ROEGELE danke ich für die intensive Betreuung, die er der Arbeit - auch noch bei den Bemühungen um ihre Veröffentlichung - angedeihen ließ. Daneben gilt mein besonderer Dank Herrn Walter A. MAHLE M.A. für eine Fülle von Hinweisen und Anregungen, die wesentlich zur vorliegenden Gestalt der Arbeit beitrugen. Herrn Prof. Dr. Kurt KOSZYK bin ich sehr verbunden für die Aufnahme der Untersuchung in die von ihm betreute Reihe. Wichtiges Material wurde zur Verfügung gestellt vom "Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V.", seinen Landesverbänden - und hier insbesondere vom "Verband Bayerischer Zeitungsverleger e . V . " - , der "Pressevereinigung für neue Publikationsmittel e. V.", einer Reihe einzelner Zeitungsverleger sowie der "Werbung im Rundfunk GmbH" mit der Redaktion "Media Perspektiven". Auch ihnen möchte ich hiermit danken. Das Manuskript wurde Ende 1971 abgeschlossen. Hieraus erklärt sich, daß die neuesten Entwicklungen - einschließlich einiger Veröffentlichungen aus jüngster Zeit - nicht mehr berücksichtigt werden konnten. R.R.

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2. 2.1 2.1.1

ZUR KOMMUNIKATIONSPOLITIK IN DER BUNDESR E P U B L I K 1945 B I S 1949 V o m Z u s a m m e n b r u c h 1945 b i s z u r A u f h e b u n g d e r Lizenzpflicht Die Periode der Lizenzpresse

Die These von der mangelnden Kontinuität deutscher Kommunikationsgeschichte, insbesondere von der gebrochenen Pressetradition (1), ist richtig und falsch zugleich. In der Tat fand zweimal innerhalb von zwölf Jahren ein radikaler Wechsel der Kommunikationsordnung statt (2), beide Male ging er einher mit einem grundlegenden Wandel des politischen Systems, was einmal mehr auf die enge Verknüpfung von Politik und Kommunikation hinweist (3). Es ist müßig, darüber zu streiten, ob die konsequente Gleichschaltung der Presse und ihre Umformung zu einem Instrument totalitärer Herrschaft, beginnend mit dem Jahre 1933, oder aber der Versuch der Alliierten, mit Hilfe der Lizenzpresse das Nachkriegsdeutschland zu demokratischen Denk- und Verhaltensweisen "umzuerziehen", den bedeutenderen Einschnitt der jüngsten deutschen Pressegeschichte markiert. Unzweifelhaft gilt jedoch, daß in beiden Fällen ein Kommunikationssystem durch ein grundlegend anderes ersetzt wurde: 1933 ein "offenes" durch ein "zentralgeleitetes", in der Zeit von 1945 bis 1949 in den drei später zur Bundesrepublik verschmolzenen Westzonen schrittweise ein "zentralgeleitetes" durch ein "offenes"(4). Nun fragt sich allerdings, ob hiermit zugleich jeder "Anknüpfungstheorie" hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Presse der Weimarer und der der Bundesrepublik der Boden entzogen ist, oder anders ausgedrückt, ob wirklich kaum noch eine Gemeinsamkeit in den Pressestrukturen dieser beiden Geschichtsperioden festgestellt werden kann (5). Dies mag zutreffen für einige zwar recht bedeutsame, nichtsdestoweniger aber mehr äußerliche Kriterien wie die Typologie der Zeitungen ( z . B . weitgehendes Verschwinden der Partei- und Aufkommen der überregionalen Straßenverkaufs- und der politischen Wochenpresse sowie Fehlen einer "großen hauptstädtischen Presse"), personelle Fragen ( z . B . Zusammensetzung der Verlegerschaft aus Lizenzund Altverlegern) oder einige inhaltliche Gestaltungsprinzipien ( z . B . die weitgehende Trennung von Referat und Räsonnement). In zwei der grundlegenden Merkmale der Kommunikationsordnung ist jedoch ein eindeutiges Anknüpfen an die Weimarer Zeit zu verzeichnen: in der Rückkehr zum "offenen" System und der Beibehaltung der privatwirtschaftlichen Unternehmensstruktur der Presse. Die Grundlage hierfür und damit zugleich für wesentliche kommunikationspolitische Entwicklungen, die bis in die unmittelbare Gegenwart reichen, schuf die Pressepolitik der Alliierten in den Jahren 1945 bis 1949. Daher erscheint eineetwas eingehendere Beschäftigung mit dieser Periode angezeigt. Die als die Zeit der "Lizenzpresse" in die deutsche Kommunikationsgeschichte eingegangenen Jahre 1945 bis 1949 zeichneten sich aus durch ein kommunikationspolitisches Paradoxon: die Alliierten versuchten, den Deutschen die Gestaltung "demokratischer Zeitungen" unter Verweigerung des demokratischen Constituens Pressefreiheit anzuerziehen. Dieser Tatbestand deutet zugleich auf die der alliierten Kommunikationspolitik zugrundeliegenden Prämissen und die sich daraus ergebenden Leitlinien hin. Da war zunächst die Überzeugung, daß für den Untergang der Weimarer Republik die Pressestruktur der Jahre vor 1933 mitverantwortlich gewesen sei. Als Inbegriff dieses Pressewesens galt den Alliierten der HUGENBERG-Konzern, der,

14

von wirtschaftlichen Interessen bestimmt, über ein ausgedehntes Maternsystem tausende kleiner Heimatzeitungen mit einer parteipolitisch gefärbten Mischung von Meldung und Meinung versorgte und so nach Meinung der Alliierten den Grund für den Erfolg der Hitler-Partei legte (6). Da war als zweites das zentralgeleitete Pressesystem der nationalsozialistischen Machthaber, das - so stellte es sich den Alliierten dar - bis zum letzten Lokalredakteur und Heimatzeitungsverleger mit linientreuen Parteigenossen oder -anhängern besetzt, sich als verläßliche Stütze des Hitlerregimes bewährt und das deutsche Volk im Sinne der verbrecherischen Z i e l e des Diktators mobilisiert hatte. Als dritte Prämisse kam hinzu die Überzeugung der Alliierten, im jeweils eigenen Pressesystem das der Demokratie schlechthin adäquate zu besitzen und es folglich als Vorbild für das in Deutschland erst zu schaffende benutzen zu können. Vor dem Hintergrund der deutschlandpolitischen Zielsetzungen der Alliierten, wie sie etwa im Potsdamer Protokoll umrissen sind (7), ergaben sich daher als Leitlinien für die alliierte Kommunikations- und damit Pressepolitik: Liquidierung des nationalsozialistischen Propagandaapparates, Ausschaltung aller Möglichkeiten, neuerlich nationalsozialistisches und verwandtes Gedankengut zu verbreiten, und Aufbau einer demokratisch zuverlässigen Presse ohne die für gefährlich erachteten Merkmale der Presse in der Weimarer Republik. Dazu war es notwendig, die gesamte Kommunikationspolitik in eigene Hände zu nehmen und das Wiedererstehen des Informationswesens im weitesten Sinne (8) streng zu überwachen, was, zumindest vorläufig (9), Pressefreiheit für die Deutschen ausschloß. Grundlage der amerikanischen Pressepolitik - auf die hier vornehmlich eingegangen werden soll (10) - war zunächst die auch für andere Bereiche maßgebliche Geheimdirektive JCS 1067 vom Mai 1945 (11), die ein Jahr später durch den "Langfristigen Plan für die Umerziehung der Deutschen"(12) ergänzt und im Jahre 1 9 4 7 , als sich bereits die Wandlung des Verhältnisses zur Sowjetunion und damit der amerikanischen Deutschlandpolitik abzeichnete, durch die Direktive JCS 1779 abgelöst wurde (13). Für den internen Gebrauch des Personals der Nachrichtenkontrolle wurde am 12. Mai 1945 das - ebenfalls geheime - "Manual for the Control of German Information Services" herausgegeben (14). In der Kommunikationspolitik der Alliierten lassen sich deutlich drei Phasen unterscheiden. Die erste, die HURWITZ als die des "totalen black-out" (15) bezeichnet, begann mit dem Vormarsch der Siegermächte in Deutschland, der in den jeweils besetzten Gebieten die Tätigkeit von Presse und Rundfunk erlöschen ließ. Zugleich verboten die Alliierten durch das Gesetz Nr. 191 (16) j e g l i c h e deutsche Aktivität auf dem Informations- und Unterhaltungssektor und übernahmen die Unterrichtung der Bevölkerung über die wichtigsten Anordnungen der Befehlshaber selbst. Hierzu bedienten sie sich in der Regel mehr oder weniger dürftiger Mitteilungsblätter, die kaum ihren Namen "Besatzungszeitungen" verdienten. Dieser traf schon eher für die 13 Heeresgruppenzeitungen zu, die die zweite Phase der Entwicklung bestritten und seit dem Frühsommer 1945 wöchentlich einmal mit vier Seiten Umfang in der britischen und amerikanischen Zone erschienen. S i e vermittelten "dem deutschen Volk ein erstes Bild von sich selbst und seiner Lage, von seiner Wiederaufbauarbeit und von den Siegermächten, die es nun regierten"(17). Mit dem 1. August 1945 wurden sie allmählich abgelöst durch die Lizenzzeitungen, also durch von Deutschen mit alliierter Erlaubnis und unter alliierter Kontrolle herausgegebene Blätter, deren erstes, die "Frankfurter Rundschau", die dritte Phase

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der alliierten Kommunikationspolitik einleitete. Vorausgegangen waren diesen Zeitungen allerdings die "Aachener Nachrichten", die bereits seit dem 24. Januar 1945 erschienen und Ergebnis einer frühen, bald wieder aufgegebenen kommunikationspolitischen Konzeption der Amerikaner waren. Danach sollte die Säuberung Deutschlands vom nationalsozialistischen Gedankengut weniger von den Besatzungsmächten als von deutschen Antifaschisten bewältigt werden, die dabei die - vorwiegend technische - Unterstützung der Alliierten erhalten und sukzessive mit dem Vordringen der Besatzungmächte in Deutschland ihre Arbeit aufnehmen sollten. Mit dem Einschwenken der Alliierten auf die härtere "austerity" -Politik, das HURWITZ auf die "schwindenden Aussichten auf ein schnelles Ende des Krieges, die Politik der bedingungslosen Kapitulation und die Enthüllungen über die systematischen Massenvernichtungen in Lagern"(18) zurückführt, wozu noch die offensichtlich mangelnde Kooperationsbereitschaft der Deutschen kam (19), wurde diese Konzeption im Verlaufe des Frühjahrs zugunsten der in der Geheimdirektive JCS 1067 niedergelegten härteren Grundsätze aufgegeben (20). Die gesamte gesellschaftliche Kommunikation unterstand seitdem strikter Aufsicht der Alliierten. Maßgeblich hierfür waren das Gesetz Nr. 191 in der Fassung vom 12. Mai 1945 sowie die ergänzende Nachrichtenkontrollvorschrift Nr. 1 vom gleichen Tage (21), die unter anderem für die Herausgabe von Zeitungen eine "schriftliche Zulassung der Militärregierung" forderte und erste Bedingungen für den Erhalt einer solchen Lizenz formulierte. Diese Vorschrift bot den Alliierten die Handhabe zur Gestaltung der organisatorischen und personellen Struktur der Massenkommunikationsmittel und war somit eine der wesentlichen Grundlagen für den Aufbau der Lizenzpresse. In der Zielsetzung waren sich dabei alle drei Westmächte einig: Liquidierung des Nazi-Propagandaapparates und Ausschaltung aller Bedingungen, die zum Aufkommen des Nationalsozialismus beigetragen hatten. Um der Konzernbildung vorzubeugen, sollte die neue Presse regional und lokal gegliedert sein, wobei allerdings eine "Kleinpresse" zu vermeiden und durch Bezirks- und Lokalausgaben der Zeitungen mittlerer Auflagenklasse zu ersetzen war, um der Gefahr von Zeitungsringen und unkontrollierbaren äußeren Einflüssen zu steuern. Im übrigen entsprach der Typ der Regionalzeitung der an föderalistischen Prinzipien orientierten Politik der Alliierten. Weiterhin wollte man das Wiederaufkommen.einer "standpunktlosen Mischpresse" von Generalanzeigertyp (22) vermeiden, andererseits aber die parteipolitisch einseitig ausgerichtete Zeitung nichc wieder zulassen. An deren Stelle sollte die "demokratische Gesinnungszeitung"(23) treten, die bei strikter Trennung von Nachricht und Kommentar umfassende politische und möglichst objektive Information liefert und vor allem von Regierungen, Behörden, Parteien und Interessengruppen unabhängig ist (24). Damit erschöpften sich jedoch bereits die Gemeinsamkeiten der westlichen Alliierten. Ein erster Unterschied ergab sich in der Frage, ob man die neuen deutschen Zeitungen als "überparteiliche" oder als "grundrichtungsbestimmte", d.h. zwar auch von direkter Parteikontrolle unabhängige, aber in der Tendenz einer der lizenzierten Parteien nahestehende Organe konzipieren sollte. Die für das Pressewesen in der US-Zone zuständige (25) Information Control Division (ICD) entschied sich für die erste Lösung und lizenzierte ausschließlich überparteiliche "Gesinnungszeitungen"(26). Zu diesem Zweck bestand - zumindest in der ersten Zeit (27) - das Herausgebergremium einer Zeitung aus einem "gemischten panel", 16

d . h . mehrere Lizenzträger unterschiedlicher politischer Couleur teilten sich in die Herausgeberschaft einer solchen "Gruppenzeitung". Von der ursprünglich hohen Zahl von bis zu sieben Mitgliedern eines panels (28) ging die ICD jedoch wegen der geringen Praktikabilität (29) und wohl auch aus Mangel an geeigneten Persönlichkeiten (30) bald ab und vornehmlich zum Zweier-System über, bei dem sich meistens schnell eine Arbeitsteilung in Verlag und Redaktion einstellte (31). Ziel dieser Maßnahmen war die Schaffung politisch informativer, nichtsdestoweniger aber parteipolitisch ausgewogener Zeitungen, die, zur Darstellung aller "bedeutenden" unterschiedlichen Standpunkte verpflichtet (32), zur Diskussion anregen und zur demokratischen Meinungsbildung führen sollten. Die britischen Verantwortlichen, ursprünglich durchaus den amerikanischen Vorstellungen zuneigend, entschieden sich im Herbst 1945 anders (33) und lizenzierten vorzugsweise (34) Parteirichtungszeitungen. Dabei vermieden sie die Lizenzvergabe direkt an die Parteien und teilten die Genehmigung - meist auf Partei-Vorschlag(35) wie die Amerikaner ausschließlich Personen zu. Die einzige Verbindung dieser Zeitungen zu den Parteien bestand darin, daß die jeweiligen Lizenzträger Parteimitglieder oder auch nur -Sympathisanten waren. Mit dieser Lizenzierungspolitik wollten die britischen Verantwortlichen einerseits ideologisch fest ausgerichtete Organe im Sinne einer "echten" Parteipresse (36) nicht wieder aufkommen lassen, zum anderen aber - wenn schon eine praktische politische Betätigung der Deutschen erst langsam wieder in Gang kommen konnte wenigstens eine vorbereitende Diskussion ermöglichen, indem sie die verschiedenen politischen Strömungen sich in verschiedenen Zeitungen darstellen ließen. Im übrigen benötigten die Briten bis zur Lizenzierung des ersten Blattes nahezu ein halbes Jahr länger als die Amerikaner: die "Braunschweiger Zeitung" kam mit ihrer ersten Ausgabe am 8. Januar 1946 heraus (37). Die Franzosen schließlich, Uber deren Pressepolitik nur spärliche Angaben vorliegen (38), lizenzierten zunächst ebenfalls überparteiliche Zeitungen, gingen jedoch nach den ersten Landtagswahlen vom 18. Mai 1947 dazu über, in jedem der drei Länder ihrer Besatzungszone jeder der zugelassenen Parteien eine Zeitung zu lizenzieren, wobei es hier auch zur Lizenzvergabe an die Parteien selbst kam (39). Ein Hauptziel der alliierten Pressepolitik war, wie erwähnt, die Beseitigung nationalsozialistischen, militaristischen und rassistischen Gedankenguts und die Förderung der demokratischen Idee. Folglich kamen - nach Ansicht der Alliierten - als Lizenzträger der neuen Presse weder ehemalige NSDAP-Mitglieder noch solche Personen in Frage, die zwar nicht nominell Parteimitglieder, wohl aber während der NS-Zeit journalistisch oder verlegerisch tätig gewesen waren. Außerdem schieden auch frühere ZeitungsVerleger aus, ungeachtet dessen, ob sie bis zum Kriegsende eine Zeitung herausgebracht oder sie an die Nationalsozialisten verkauft hatten (40). Bevorzugt wurden solche ehemaligen Journalisten und Verleger, die den Nachweis antifaschistischer Tätigkeit erbringen konnten. Zumindest in der ersten Zeit berücksichtigten die westlichen Alliierten dabei in erheblichem Umfang auch KPD-Angehörige. Das rigorose Auswahlverfahren, das besonders die amerikanischen Behörden auszeichnete (41) und überdies an die Verleger und Journalisten weitaus strengere Maßstäbe als an Angehörige des öffentlichen Dienstes oder auch Politiker anlegte, zeugte von einer gewissen Unfähigkeit der Alliierten, zu differenzieren und sich in die vielfältigen Möglichkeiten nur äußerlich systemkonformen Verhaltens auch 17

als Zeitungsmann in einer Diktatur einzufühlen. So wurde eine Gruppe von Presseangehörigen "generell zu 'Nazis' gestempelt"(42) und von der Berufsausübung ausgeschlossen. Der dadurch bei vielen Betroffenen entstandene Unwille wurde noch gefördert durch die in der amerikanischen Zone von den Verantwortlichen durchgesetzten Zwangspachtverträge, die es den Lizenzverlegem ermöglichten, ihre Zeitungen auf den Maschinen der "Altverleger", also nunmehr von der Berufsausübung ausgeschlossenen ehemaligen Verleger, zu drucken. Die hieraus entstehenden Differenzen sollten noch geraume Zeit - auch nach Wiederzulassung der Altverleger - die Beziehungen zwischen den beiden Verlegergruppen stark belasten (43) Neben dieser personellen Folge, die sich später zu einer verbandspolitischen auswuchs, hatte das Auswahlsystem auch eine publizistisch bedeutsame Konsequenz. Gegenüber der starken Betonung der politischen Auswahlkriterien mußte die Frage der fachlichen Eignung der Bewerber im Zweifelsfalle zurücktreten. Da es einfacher war, "demokratische Einstellung" mit Hilfe eines Tätigkeitsnachweises aus der Zeit vor 1933 zu belegen als mit einer Bestätigung, sich im NS-Regime antifaschistisch betätigt zu haben, wurden vielfach ältere, aber im modernen Pressewesen unerfahrene Demokraten Lizenzträger, während junge, aus der Praxis kommende Presseangehörige, denen ein Nachweis demokratischer Grundhaltung nicht gelang, nicht berücksichtigt wurden. Das Durchschnittsalter der 113 Lizenzträger der US-Zone betrug daher auch 49 Jahre, rund ein Viertel von ihnen kam aus pressefremden Berufen (44). Wie schwierig die Situation sich dadurch gestaltete, "daß es unter den politisch qualifizierten Leuten nicht genug ausgebildete Journalisten oder Verleger gab, während die Vorgebildeten häufig in den letzten zwölf Jahren ihren Beruf nicht hatten ausüben können", zeigt die Tatsache, daß man allein in Bayern 2000 Kandidaten überprüfte, um für 21 Zeitungen 35 Lizenzträger zuzulassen (45). Auf der Basis der beschriebenen Pressekonzeption wurden in der Zeit vom August 1945 bis zum Herbst 1949 in der amerikanischen Zone 58, in der britischen 71, in der französischen 20 Zeitungen lizenziert, wozu noch weitere 20 in West-Berlin kamen, so daß sich ihre Gesamtzahl auf 169 belief (46). Mitte 1948 erschienen in allen vier Zonen einschließlich Berlins 860 Zeitungen, davon 690 Bezirksausgaben mit insgesamt rund 20 Millionen Auflage (47). Gleichsam als "Modell-Zeitungen" gaben daneben die Besatzungsmächte noch eigene Publikationen heraus, von denen "Die Neue Zeitung" als die amerikanische Version sehr bald eine gewisse Selbständigkeit entwickelte und sich durch ihren Freimut und gelegentliche "Selbstkritik" allmählich Anerkennung bei den Lesern und bisweilen den Unmut der Militärregierung zuzog. Das ebenfalls qualitativ hochstehende britische Gegenstück "Die Welt" existiert als einziges wenigstens dem Namen nach noch heute, während die zweisprachigen "Nouvelles de France" bereits zum Oktober 1949 ihr Erscheinen wieder einstellten (48). Es war eingangs die Rede von der mangelnden Pressefreiheit in der Lizenzperiode. In der Tat waren die von den Alliierten zugelassenen Zeitungen - trotz häufiger Betonung ihrer Unabhängigkeit (49) - alles andere als frei. Eine ganze Reihe einschlägiger Dokumente, angefangen vom Potsdamer Protokoll und endend bei der letzten Nachrichtenkontrollvorschrift (50), weist unübersehbar auf die vielfältigen Beschränkungen hin, denen die Lizenzpresse unterlag. Abgesehen von dem - sich in mehr oder weniger ausführlicher Form durch alle grundlegenden Gesetze und Erlasse der Alliierten ziehenden - Verbot, "nationalistische, pangermanistische,

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militaristische, faschistische, oder antidemokratische Ideen zu verbreiten", das Vertrauen der Alliierten untereinander und das des deutschen Volkes zu ihren demokratischen Maßnahmen zu untergraben (51), finden sich auch detaillierte verlegerische und redaktionelle Vorschriften. Die jedem Lizenzträger zusammen mit seiner Urkunde ausgehändigte Betriebsanweisung enthielt genaue Angaben über den Zeitung namen, Untertitel und Kopfleiste, Seitenzahl, Format, Spaltenzahl, Auflage und Verbreitungsgebiet, Preis, Vertrieb, Anzeigenart und -preis, Nachrichtenquellen, Trennung von Meldung und Meinung und anderes mehr (52). Wenn auch von den Amerikanern bereits am 4.September 1945 die Vorzensur aufgehoben wurde (53), und die anderen Alliierten ihnen bald folgten, so stellte doch ein gut funktionierendes System nachträglicher Kontrolle sicher, daß sowohl die grundsätzlichen Richtlinien als auch die bis in Einzelheiten redaktioneller Gestaltung gehenden Anweisungen zu einzelnen Themen beachtet wurden (54). Überdies nahmen die Alliierten Einfluß auf die Journalistenausbildung (55), die das Prinzip strenger Auswahl der Lizenzträger ergänzte. Berücksichtigt man über diese Reihe institutioneller Sicherungen hinaus noch die von vielen Lizenzträgern angesichts ständig drohenden Lizenzentzugs (56) geübte "freiwillige Selbstkontrolle"(57) bei heiklen Themen, dann wundert es nicht, daß Fälle von Lizenzentzug zwar nicht ganz fehlten, aber selten waren (58). Beginnend mit der sorgfältigen Auswahl der Verleger und Journalisten über die detaillierten Richtlinien für die organisatorische und inhaltliche Gestaltung der Presse bis zur nachträglichen Kontrolle und Kritik besaßen die Alliierten ein vollständiges und funktionierendes Instrumentarium zur Lenkung der deutschen Zeitungen Überdies fanden sie in der großen Mehrzahl der von ihnen eingesetzten Lizenzträger willige und von der Aufgabe der Umerziehung des deutschen Volkes durchdrungene Partner (59). Dies schloß gelegentliche Kritik der Lizenzpresse an Besatzungsmaßnahmen und auch an der Pressepolitik der Alliierten nicht aus. Im Juni 1947 wagte die Stuttgarter "Wirtschaftszeitung"die Anmerkung, daß die Lizenzpresse für die demokratische Entwicklung in Deutschland eher hinderlich denn förderlich sei, und daß es besser wäre, "wenn keine von Deutschen herausgegebene Zeitungen erschienen. . . "(60). Ein Jahr später bezeichnete Eugen KOGON in einem vieldiskutierten Artikel in den "Frankfurter Heften" die Lizenzpresse als eine "Erscheinung der Not" und vorübergehende "Gehschule", deren Verewigung nur Reaktionäre wünschen könnten (61). Und Paul HEILE schrieb zum gleichen Thema im Verlegerorgan der britischen Zone, daß die damalige Lage auf dem Pressegebiet "unangenehm an den Zeitungszwang der Nazizeit" erinnere (62). Solche Äußerungen waren jedoch nicht die Regel. Weitaus häufiger finden sich verbale Verbeugungen vor der Großzügigkeit der Alliierten und deren Verständnis und allenfalls verklausulierte Anmerkungen oder Bitten (63). Die "unabhängige" Presse verdiente also, zumindest, was ihr Verhältnis zu den alliierten Behörden betraf, diese Bezeichnung keineswegs. Auch wenn eine Vorzensur fehlte und die Presseoffiziere, nicht zuletzt aus einer Art väterlichen Gefühls für die oftmals mühsam in Gang gebrachte Zeitung, sogar Kritik an ihren Maßnahmen oder den Anordnungen der Militärregierung hinnahmen, so waren sie es doch, die den Rahmen der erlaubten Kritik absteckten und, wenn auch nicht willens, so doch immer imstande, mit harten Maßnahmen einzugreifen. Wenn HURWITZ (64) die geringe politische Entscheidungsfreudigkeit und das mangelnde Engagement der 19

Lizenzpresse am Beginn des Kalten Krieges beklagt, dann ist dies nicht nur auf die "bedacht graduelle Art" des Wiederaufbaus der deutschen Presse, sondern auch auf die geschilderte mangelnde Pressefreiheit der Lizenzzeitungen zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund muß auch die Reaktion des Publikums auf die Lizenzpresse gesehen werden. In kaum einer Nummer der Verlegerzeitschriften dieser Jahre fehlt die Klage über die Unbeliebtheit der neuen Zeitungen bei der Bevölkerung. Zunächst ist man versucht, den Grund in der anfangs zweifellos mangelhaften Qualität dieser Zeitungen, ihrem geringen Umfang, seltenen Erscheinen (65) und dürftigen äußeren Bild zu suchen. Diese Umstände änderten sich jedoch bald, während die Kritik blieb, Die eigentlichen Ursachen scheinen daher tiefer zu liegen und im wesentlichen aus zwei Quellen zu stammen. Zum einen hatte der deutsche Leser in der NS-Zeit das Mißtrauen gegenüber seiner Zeitung gelernt. Er kannte nur eine gleichgeschaltete Presse und war nun geneigt, auch die Lizenzpresse unter diesem Aspekt zu betrachten, womit er, wie zu zeigen versucht wurde, nicht vollkommen Unrecht hatte (66). Die Lizenzzeitungen standen vor der schwierigen Aufgabe, das in den letzten zwölf Jahren "zuschandengeschriebene Vertrauen"(67) des Lesers wiederzugewinnen, weckten aber zugleich sein Mißtrauen, indem sie - gezwungenermaßen - als Vertreter der Politik der Alliierten auftraten (68). Und diese waren nun einmal die "Besatzer" und "Feindmächte". Eng damit zusammen hängt ein zweiter Grund. MITSCHERLICH hat darauf aufmerksam gemacht, daß in den ersten Nachkriegsjahren bei der Mehrzahl der Deutschen an die Stelle der notwendigen Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit und Konfrontation mit dem eigenen Versagen, an die Stelle echter Trauer, ein Verdrängungsprozeß trat (69). Die Beschäftigung mit diesen Problemen wurde unterdrückt, die gesamte Energie in den Wiederaufbau und die Bewältigung der materiellen Probleme investiert. Zu diesem Prozeß trug offenbar die Farce der Entnazifizierung bei', die die geschichtliche Schuld jedes einzelnen mit formalen Kategorien zu messen, Urteile und Freisprüche zu fällen unternahm und so den einzelnen geradezu aufforderte, das Vergangene als aufgerechnet abzutun. Eine Art "psychologische Hemmung"(70) hinderte den "normalen" Deutschen, nach der eigenen Schuld zu fragen - und ließ ihn sich vehement gegen Versuche wehren, die die neuen Zeitungen, von den Alliierten angehalten, in dieser Richtung unternahmen (71). Das brachte die Lizenzpresse in eine Zwangslage. Wollte sie nicht jetzt schon ihre Lizenz verlieren, mußte sie nach den Wünschen der Allierten und gegen die der Leser handeln, wollte sie ihr Publikum auch nach der bald zu erwartenden Aufhebung der Lizenzpflicht behalten, mußte sie es jetzt zu befriedigen versuchen, was den Wünschen der Alliierten widersprach (72). Bei alledem, das sei hier ausdrücklich vermerkt, ging es nicht um augenblickliche Absatzprobleme. Die Nachfrage der Leser nach Zeitungen konnte kaum gedeckt werden, Remittenden waren unbekannt. Das galt aber nur so lange, wie die Auflage festgesetzt, das Papier kontingentiert, das Monopol jeder Zeitung in ihrem Verbreitungsgebiet gesichert und - das Geld kaum etwas wert waren. Als mit der Währungreform und der allmählichen Lockerung der Bestimmungen der Alliierten einige Schranken fielen und der Kampf um den Leser und die Auflage einsetzte, bekamen viele Verleger einen Vorgeschmack auf die Zeit völliger Presse- und Gewerbefreiheit. Zur Bewältigung dieser Probleme war eine starke Verlegerorganisation erforderlich. Die Grundlage dafür wurde schon in den ersten Nachkriegsjahren gelegt. 20

2.1.2

Organisatorischer Zusammenschluß und Kommunikationspolitik der Lizenzverleger

Der - von den Alliierten geförderte (1) - organisatorische Zusammenschluß der Lizenzverleger vollzog sich zunächst auf Landesebene und gedieh bis zur Aufhebung der Lizenzpflicht im Herbst 1949, von einem vagen Ansatz abgesehen, nicht über den Bereich der jeweiligen Besatzungszone hinaus. Bereits am 14. August 1945, zu einer Zeit, als in der britischen Zone noch keine Lizenzzeitung erschien und der Informationsbedarf der Bevölkerung durch Besatzungs blätter gedeckt wurde, konstituierte sich in Düsseldorf-Benrath mit Unterstützung britischer Presseoffiziere der "Rheinisch-Westfälische Zeitungsverleger-Verein e. V. " Neben dem Herausgeber des "Sonderfalles" "Aachener Nachrichten" gehörten diesem ersten Verlegerverband in Ermangelung von Lizenzträgern zunächst die Verlagsleiter der vier rheinisch-westfälischen Besatzungszeitungen, also des "Kölnischen Kurier", der "Neuen Rheinischen Zeitung", der "Ruhr-Zeitung" und der "Neuen Westfälischen Zeitung" an. Seine Aufgabe sah der Verein laut Gründungsprotokoll im "Neuaufbau der rheinisch-westfälischen Presse", der zunächst in Gestalt "unabhängige(r) Zeitungen im Wege der Gruppenbildung" vollzogen werden sollte (2). Zusammen mit dem im August 1946 entstandenen "Niedersächsischen Zeitungsverleger-Verein e. V." und dem "Zeitungsverleger-Verein für Hamburg und Schleswig-Holstein e. V. " bildete er ein Jahr später, am 12. August 1946, eine Dachorganisation der Zeitungsverleger-Vereine der britischen Zone, den "Norddeutschen Zeitungsverleger-Verein e. V. ". Vorsitzender wurde und blieb bis zum Herbst 1949 Emil GROSS, der Verleger der "Freien Presse" in Bielefeld (3). In der von den Amerikanern besetzten Zone machten, wiederum auf eine Initiative der Nachrichtenkontroll-Offiziere hin, die bayerischen Lizenzträger den Anfang. Nachdem sich am 20. und 21. Oktober 1945 45 Herausgeber und leitende Redakteure zu einem ersten Erfahrungsaustausch getroffen und einen vorbereitenden Ausschuß für die Bildung eines Verlegerverbandes ins Leben gerufen hatten, traten sie einen Monat später erneut zu einer Arbeitstagung in Garmisch-Partenkirchen zusammen. Hier wurde am 19. November der "Verein Bayerischer Zeitungsverleger e . V . " gegründet (4). Sein erster Vorsitzender - zunächst Mitherausgeber der "Schwäbischen Landeszeitung" (zusammen mit Curt FRENZEL) und später Verleger der "Augsburger Tagespost" - , Johann Wilhelm NAUMANN, wurde auch Vorsitzender der ein Jahr später, am 20. September 1946, ins Leben gerufenen "Arbeitsgemeinschaft der Verlegerverbände der amerikanischen Besatzungszone"( 5). Ihr gehörten, neben dem bayer ischen Verlegerverband, der am 13. Juli 1946 gegründete "Verein WürttembergischBadischer Zeitungsverleger e. V. "(6) und der hessische Verlegerverein an. Mit dem hessischen Verband hatte es indes eine besondere Bewandtnis. Er war ursprünglich im Mai 1946 als "Verband Großhessischer Zeitungsverlage"(7) entstanden, dem auf Betreiben seines ersten Vorsitzenden und kommunistischen Mitherausgebers der "Frankfurter Rundschau", Wilhelm Karl GERST, neben den Herausgebern auch die jeweiligen Betriebsratsvorsitzenden der Mitgliedsverlage angehören sollten. Diese unorthodoxe Konstruktion des auch durch seine Organisationsvorschläge für eine nicht-kapitalistische Verlagsform bekannt gewordenen Lizenzträgers (8) sollte nach dem Willen GERSTs die Polarisierung in Arbeitgeber- und ArbeitnehmerInteressenverbände überwinden und statt dessen eine Gemeinschaftsorganisation 21

aller im Pressewesen Tätigen schaffen. GERST traf mit seinen Ideen auf wenig Gegenliebe der anderen Verleger, da sein Vorschlag, wie später der Geschäftsführer der hessischen Zeitungsverleger meinte, "zu der Sicherung der Pressefreiheit und den Notwendigkeiten eines erfolgreichen Arbeitsablaufs in den Verlagen im Widerspruch" stand (9). Selbst wenn dieser Vorstoß mehr Verständnis gefunden hätte, mußte er doch an den Lizenzbestimmungen scheitern. Sie sahen die alleinige und ungeteilte Verantwortung des Lizenzinhabers gegenüber den Besatzungsmächten vor. Folglich konnte auch nur er als Vertreter eines Verlages in einer Berufsorganisation fungieren (10). So kam es im September 1947 zur Neugründung des Verbandes, dessen erster Vorsitzender der Lizenzträger der "Frankfurter Neuen Presse", Hugo STENZEL, wurde (11). Seit dem 10. Oktober 1946 gab die "Arbeitsgemeinschaft" als Verbandsorgan zum Zwecke der Information der Mitglieder über die Verbandsarbeit, aber auch zur Verständigung mit den Besatzungbehörden und deutschen Regierungsstellen (12) "Die Zeitung" heraus (13). Das Blatt wurde mit seinem Gegenstück aus der britischen Zone, der seit Juli/August 1947 erscheinenden Zeitschrift "Die Deutsche Zeitung", Anfang 1952 unter Beibehaltung des Titels der letzteren verschmolzen. "Die Deutsche Zeitung" wurde Ende 1953 eingestellt. Sie ist, mehr noch als "Die Zeitung", eine wertvolle Quelle für die Kommunikationspolitik der Lizenzverlegerverbände. Das Schlußlicht unter den Zonen-Verlegerverbänden bildete der am 10. Oktober 1946 ins Leben gerufene "Verein der Deutschen Zeitungsverleger in der französischen Zone e . V . " mit dem "Landesverband der Zeitungsverleger Rheinland-Pfalz". Seine Gründung erfolgte auf maßgebliche Initiative des Lizenzträgers der "Freiburger Nachrichten", Heinrich ROMBACH, der auch erster Vorsitzender wurde (14). Bei diesen drei Zonenverbänden blieb es bis zum Herbst 1949 (15). Allerdings kam es anläßlich der Eröffnung der Deutschen Presse-Ausstellung in Düsseldorf am 30. Oktober 1947 zur Bildung eines lose organisierten "Kollegiums Deutscher Zeitungsverleger" (16), in dem Vertreter der Organisationen und Verlage der vier Besatzungszonen den Gedankenaustausch über gemeinsam interessierende Berufsfragen pflegen sollten. Dieses Gremium erwies sich als nicht sonderlich lebenstüchtig. Abgesehen von einem Bericht, daß es im Rahmen einer Verlegertagung im Januar 1948 Uber Steuer- und Presserechtsfragen diskutierte, finden sich nur noch zwei Vorankündigungen seines Zusammentritts, ansonsten aber keine weiteren Spuren seines Wirkens (17). Es bleibt nur zu vermuten, daß es der im Laufe des jahres 1948 zunehmenden Ost-West-Spannung, die auch nicht ohne Einfluß auf das Verhältnis der drei westlichen zur sowjetischen Besatzungszone blieb, sowie dem sich anbahnenden Zusammenschluß der drei westlichen Zonen-Verleger-Organisationen zum Opfer fiel. Als sich Ende 1948 die Aufhebung der Lizenzpflicht ankündigte, beschlossen die im Januar 1949 in Stuttgart versammelten Lizenzverleger der US-Zone und im Februar ihre nordwestdeutschen Kollegen in Bochum, Vorbereitungen für die Gründung eines Uberzonalen Verbandes zu treffen, der stark genug war, in der Zeit der zu erwartenden harten Konkurrenz der Altverleger die Interessen der Lizenzverleger zu verfechten (18). Auf einer Sitzung von Landesverbandsvertretern am 25. Februar 1949 wurde die Bildung einer "Arbeitsgemeinschaft deutscher Zeitungsverleger-Verbände" einstimmig beschlossen (19). Der "Gesamtverband der Deutschen Zeitungsverleger e . V . " (GDZV), wie er sich dann endgültig nannte, begann am 1. September 1949 seine Tätigkeit, am selben Tage also, da der "Verein Deutscher Zeitungsverleger e . V . "

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(VDZV) als die Organisation der Altverleger und somit als Gegenspieler des GDZV wiedererstand. Entsprechend seiner Vorgeschichte organisierte sich der Gesamtverband nach dem föderalistischen Prinzip, d. h. Mitglieder der Dachorganisation waren die einzelnen Landesverbände, nicht aber die Verleger selbst. Der Geschäftsführende Vorstand als das Spitzenorgan setzte sich aus den Vorsitzenden der drei Zonenverbände und dem Westberliner Vertreter sowie Hugo STENZEL als Vorsitzenden zusammen. Der Länder ausschuß, eigentliche Mitgliederversammlung, umfaßte die Vorsitzenden der Landesverbände. Für die Wahrnehmung der laufenden Aufgaben wurde die übliche Geschäfts führung eingesetzt (20). Mit dem föderalistischen Prinzip als Organisationsgrundsatz des Gesamtverbandes unterschied sich die Lizenzträgervereinigung strukturell vom VDZV, der auf der direkten Mitgliedschaft jedes angeschlossenen Verlegers basierte. Hieraus sollten sich bei den späteren Fusionsverhandlungen der beiden Verbände nicht unbedeutende Schwierigkeiten ergeben (21). Entsprechend der allgemeinen Lage in der unmittelbaren Nachkriegszeit fanden sich die neu gegründeten Verlegerverbände der einzelnen Länder und Zonen in den ersten Jahren ihres Wirkens einer Fülle von Problemen konfrontiert. Sieht man einmal von den aus dem Zusammenbruch erwachsenen vornehmlich materiellen Schwierigkeiten ab, die über einen gewissen illustrierenden Effekt hinaus für die vorliegende Darstellung keine Relevanz besitzen, so standen im wesentlichen drei Problemkreise im Vordergrund. Da war zunächst die Frage der Sicherung der notwendigen Betriebs anlagen als der verlegerischen Basis, die von den Lizenzträgern mit viel Energie, von den Alliierten eher zurückhaltend angegangen wurde und zu ständigen Auseinandersetzungen mit den Altverlegern führte. Da war als zweites und eng damit verbundenes Problem das der Betriebsform der Lizenzverlage, das eine erste Diskussion über die Möglichkeiten zur Ablösung des privatwirtschaftlichen Verlagstyps zeitigte. Diese Diskussion spielte auch eine Rolle bei den Auseinandersetzungen um die notwendigen Pressegesetze als den dritten Fragekomplex, wobei sich hier ein harter Kampf mit den Exekutivorganen und Parteien entwickelte, die ihr Verhältnis zur neuen Presse in durchaus anderem Sinne regeln wollten, als es den Verlegern und Redakteuren vorschwebte. Die Mehrzahl der Lizenzträger besaß weder die notwendigen Betriebsanlagen noch das zu ihrem - ohnehin fast unmöglichen - Erwerb erforderliche Geld. Folglich stellte sich den alliierten Presseoffizieren, schon weil es Ziel der Besatzungsmächte war, bis zur unvermeidlichen Aufhebung der Lizenzpflicht die neuen Zeitungen auf eine sichere materielle und konkurrenzfähige Basis zu stellen, das Problem, Drukkereien zu beschaffen. Bei der Lösung dieser Aufgabe gingen die Amerikaner und Engländer getrennte Wege. Die US-Militärregierung stellte den Lizenzträgern Druckereien zur Verfügung, die aufgrund des sogenannten "Titels 21", der bereits Ende 1944 erlassen worden war (22), beschlagnahmt wurden. Im Frühjahr 1946 gab sie dann einen Musterpachtvertrag bekannt, der Mindestbedingungen für den Abschluß von Pachtverträgen mit den Druckereibesitzern enthielt (23). Obwohl ihnen der Vertrag Pachtgebühren sicherte, weigerten sich viele der Druckereibesitzer, vor allem wenn sie aus den nun laufenden Entnazifizierungsverfahren als "Entlastete" hervorgegangen waren, solche Verträge abzuschließen, weil sie nicht zu Unrecht hofften, bald wieder selbst Zeitungen herausgeben zu können. Da die 23

amerikanischen Behörden keine große Eile bei der Genehmigung der Verträge an den T a g legten (24), sahen die Lizenzverleger die technisch-materiellen Grundlagen ihrer Tätigkeit lange Zeit gefährdet. Das Problem der Pachtverträge zieht sich folglich wie ein roter Faden durch die Berichte über Verlegertagungen. Erst im September 1947 drohten die US-Behörden den Druckereibesitzern mit Zwangsverpachtung, falls sie sich nicht freiwillig zum Abschluß auf fünf Jahre befristeter Verträge verstanden (25). Dennoch hatten im Dezember 1948 von 56 Zeitungen der amerikanischen Besatzungszone und des amerikanischen Sektors von Berlin 10 noch keinen Pachtvertrag (26). Daher erging Ende 1948 eine Anweisung an die zuständigen Militärbehörden, die noch offenen Pachtverträge zwangsweise bis zum 31. Januar 1949 abzuschließen (27). Überdies stellte die Militärregierung durch die Einrichtung eines speziellen Gerichtshofes sicher, daß auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes die amerikanische Zuständigkeit für alle Pachtfragen erhalten blieb (28). Mit dieser Regelung schufen die amerikanischen Behörden zwar die notwendigen Voraussetzungen für das Weitererscheinen der Lizenzzeitungen auch nach dem Ende der Lizenzepoche, andererseits bedeuteten die Zwangspachtverträge eine Verlängerung der Vermögenskontrolle auf bis zu acht Jahren auch bei solchen Betrieben, deren Besitzer die Entnazifizierung unbelastet überstanden und damit ein Anrecht auf ihren Betrieb hatten. Erst im Laufe der Zeit regelte sich dieses Problem, das zugleich das Verhältnis Altverleger - Lizenzverleger komplizierte, durch "verständnisvolle Zusammenarbeit" oder aber Fusionen (29). In der britischen Zone fand man eine andere Lösung, die jedoch gleichermaßen Probleme aufwarf. Die britischen Behörden gaben die 1945 beschlagnahmten Drukkereien bereits in den ersten Monaten des Jahres 1946 vielfach wieder, frei (30) und legten den Besitzern und Lizenzverlegern den Abschluß von Lohndruckverträgen sowie die Zusammenarbeit nahe (31). Diese gestaltete sich jedoch schwierig, da auch hier die Druckereibesitzer auf den Tag warteten, da sie wieder selbst Zeitungen herausgeben konnten, und sich folglich nicht durch weitgehende Verträge festlegen wollten. Die Lizenzverleger wiederum fühlten sich durch überhöhte (32) und überdies schwer nachprüfbare (33) Preise von den Druckereibesitzern übervorteilt. Trotz verschiedener Ansätze zur Zusammenarbeit (34) der beiden Gruppen sahen die britischen Behörden das Weitererscheinen der Lizenzzeitungen nach Ende der Lizenzpflicht gefährdet (35). Mit der "Verordnung Nr. 185"(36) gaben sie daher den Ländern die Möglichkeit, per Gesetz die Lohndrucker zur Bereitstellung ihrer Aniagen für die Lizenzzeitungen zu verpflichten. Während am 28. September 1949 in Niedersachsen ein entsprechendes Gesetz erlassen wurde (37), konnte ein ähnlicher Versuch in Nordrhein-Westfalen von den Altverlegern vereitelt werden (38), zwei vergleichbare Paragraphen im Hessischen Pressegesetz vom 4. Mai 1949 wurden durch die amerikanische Militärbehörde wieder aufgehoben (39). Insgesamt war die Regelung in der britischen Zone weniger einschneidend, vor allem was das Verhältnis zwischen den Verlegergruppen betraf, wenn sie auch geeignet erschien, die Ressentiments beider zu bestärken (40). Jedenfalls hatten die Lizenzverleger der Westzonen mit alliierter Hilfe weitgehende Sicherungen für das Erscheinen ihrer Zeitungen nach Ende der Lizenzpflicht erhalten. Ein anderer Aspekt der alliierten Lizenzpolitik betraf unmittelbar die Frage der Unternehmensform der neuen Verlage und hatte damit einen ausschlaggebenden Einfluß auf die Wiedererrichtung des privatwirtschaftlichen Pressesystems in der Bundesrepublik. Da die Allierten von vornherein nicht an eine Verewigung der

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Pressekontrolle dachten (41), mußten sie in Anbetracht der zu erwartenden Konkurrenz bemüht sein, den Lizenzzeitungen über die nur für eine gewisse Zeit haltbare Zwangszuteilung von Druckmöglichkeiten hinaus eine Gelegenheit zum S a m meln des für den Erwerb eigener technischer Anlagen notwendigen Kapitals zu geben. Folglich forderte der Anhang A der erwähnten "Betriebsanweisung" (42) die Lizenzträger auf, "das Unternehmen nach besten Geschäftsgrundsätzen zu betreiben" und "genügend Mittel (zu) erwerben, damit sie finanziell stark genug sind, um beim Ankauf der beschlagnahmten Anlagen oder anderer angemessener Anlagen gegen andere Parteien konkurrieren zu können". Mit anderen Worten: Die Lizenzträger wurden angehalten, ihre Verlage mit dem Ziel der Gewinnmaximierung zu leiten, um möglichst bald nicht mehr auf Verträge mit den Druckereibesitzern angewiesen, sondern Inhaber eigener technischer Anlagen zu sein. Um anonyme Kapitalbeteiligungen auszuschalten, sah die Zulassungsurkunde die alleinige finanz i e l l e Beteiligung des Lizenzträgers vor (43), die "Press Control Durchführungsanweisung Nr. 1" erlaubte überdies nur bestimmte Gesellschaftsformen der Presseverlage (44). Damit war der Lizenzverleger nachgerade gezwungen, seinen Betrieb in der Form eines Einzelunternehmens (45) mit dem Ziel möglichst hohen Gewinns zu führen. Selbst wenn er gewollt hätte, mußte sich eine Umwandlung in eine Genossenschaft oder gar Stiftung schwierig gestalten. Indes: er wollte auch nicht. Dies mußte als erster der bereits erwähnte Mitherausgeber der "Frankfurter Rundschau", Wilhelm Karl GERST, erfahren, als er 1946 den Vorschlag machte, Z e i tungen in Form gemeinnütziger Stiftungen zu betreiben. Damit sollte neben die von den Alliierten veranlaßte strukturelle Neugestaltung der Presse eine solche der Unternehmensform treten, um von der Wurzel her den Rückfall in das Versagen der Presse in der Weimarer Republik zu vermeiden (46). Die Sprecher der US-Zonenverleger zogen sich jedoch - nicht ohne Bekundungen sozialer Einstellung und allgemeinen Interesses an neuen Lösungen - auf die alliierten Anordnungen zurück, die die Stiftungsform nur in begrenzten Ausnahmen zuließen, und betonten, die finanzielle Konsolidierung der neuen Presseunternehmen sei vorrangig (47). Hierzu bedürfe es der starken, in ihren Entscheidungen freien Verlegerpersönlichkeit, nicht aber eines "Geschäftsführer(s) und Sachwalter(s), Vollstrecker(s) des Willens eines Konzerns oder eines dritten Rechts- oder Geldträgers"(48). Diese Argumentation, wie sie von THIELEMANN (49) und NAUMANN (50) vertreten wurde, umfaßte wesentliche Elemente der seit jeher von den Verlegern propagierten These, wonach die notwendige Unabhängigkeit einer Zeitung nur durch eine gesunde wirtschaftliche Basis möglich und diese wiederum ausschließlich von der "schöpferischen Persönlichkeit" des "privaten Einzelünternehmers" abhängig sei. Sie bedeutete eine grundsätzliche Ablehnung der Stiftungsidee, unbeschadet der Frage ihrer Realisierbarkeit angesichts der Bestimmungen der Militärregierung. Das schlug sich auch in der Entschließung zu dieser Frage nieder, die auf der Verlegertagung vom 10. bis 12.Oktober 1946 gefaßt wurde (51). Damit war das Thema "Stiftung" in der US-Zone vorläufig von der Tagesordnung abgesetzt. Ähnlich gestaltete sich die Diskussion dieses Problems im darauf folgenden Jahr in der britischen Zone. Hier waren es zwei Vorsitzende von Journalistenverbänden, Erich KLABUNDE und Friedrich VOGEL (52), die im Zusammenhang mit den Erörterungen um ein zu schaffendes Pressegesetz die Frage nach einer Änderung der Unternehmensform im Pressewesen stellten. Während beide davon ausgingen, daß das mit der "öffentlichen Aufgabe" der Presse unvereinbare Gewinnstreben des 25

privaten "Zeitungsunternehmers" das Versagen der Weimarer Presse verschuldet habe, schlug VOGEL nur eine Beschneidung des Entscheidungsrechts des Verlegers sowie eine festgelegte Gewinnverteilung unter Beteiligung des Personals des Unternehmens vor (53). KLABUNDE ging noch weiter. Er regte die Bildung gemeinnütziger Zeitungsverlage durch interessierte kulturelle und Wirtschafts-Kreise an, die von einem angestellten Verleger geleitet werden und weder an diesen noch an jene Gewinne ausschütten sollten (54). Beide Vorschläge stießen schnell auf den Widerstand der Verleger. Lambert LENSING stimmte den Ideen KLABUNDEs zwar grundsätzlich zu, wollte aber die "Genossenschaftszeitung" im wesentlichen auf das Parteiblatt beschränkt wissen und hielt, gleich NAUMANN, ein Plädoyer für die freie Verlegerpersönlichkeit als Garanten eines der Demokratie adäquaten Pressewesens, in dem "Planwirtschaft" und "Reglementierung der Freiheit" nur zerstörend wirken könnten (55). Die Vorschläge VOGELs wurden eingehend diskutiert (56), letztendlich aber abgelehnt, da sie so die Argumente - die notwendige Kapitalbildung gefährdeten, die verlegerische Initiative lähmten und überdies weniger einer gesetzlichen Regelung als vielmehr innerbetrieblicher Absprache bedürften. Mit diesen Vorstößen in Richtung auf eine veränderte Eigentumsstruktur der Presse hatte es vorläufig sein Bewenden. Die 1949 verabschiedeten Pressegesetze wiesen allenfalls in den Paragraphen über die Offenlegung der Eigentumsverhältnisse (57) und einigen Vorschriften bezüglich der beruflichen Qualifikation in den Gesetzen der britischen Zone (58) noch Spuren der Versuche auf, etwas von der öffentlichen Verantwortung der Presse festzuhalten. Im übrigen installierten sie wiederum die liberale Kommunikationsordnung. Die Lizenzverleger hatten auch hier - diesmal gegenüber den Journalisten - ihre Position behauptet und damit zugleich an die vom VD ZV schon vorder NS-Zeit begründete traditionelle Haltung angeknüpft. Fragt man nach den Gründen für das Scheitern dieser Versuche, so bieten sich im wesentlichen zwei Erklärungen an. Ihren Hauptgrund hatte diese Entwicklung wohl in der Tatsache, daß die Idee des nicht-privatwirtschaftlichen Pressebetriebes so gar nicht in die kommunikationspolitische Vorstellungswelt vor allem der amerikanischen Verantwortlichen paßte. Da sie die altliberale Ansicht von der Konkurrenz vieler durch freie Unternehmerpersönlichkeiten geleiteter und sich derart gegenseitig kontrollierender Pressebetriebe als einziger der Demokratie adäquater Kommunikationsordnung vertraten, sahen sie in jedem Versuch eines Abbaus, einer Aufteilung der Verlegerverantwortung und -entscheidungsbefugnis oder gar einer institutionalisierten äußeren Kontrolle eine Verletzung demokratischer Presseprinzipien (59). Die neuen Verleger wuchsen überdies - und das dürfte der zweite Grund sein sehr schnell in die ihnen von den Alliierten zugewiesene Unternehmerrolle hinein. Der Umstand, daß 1945/46 Verleger wie Journalisten mit dem Nichts begannen, daß viele der Lizenzträger früher selbst Journalisten gewesen waren, hatte in den ersten Jahren durchaus ein Gefühl der Gemeinsamkeit geschaffen, das sich in der Tatsache gemeinsamer Tagungen (60) ebenso niederschlug wie in der Arbeitsatmosphäre (61). Dem antikapitalistischen Trend dieser Frühzeit folgend, lehnten es auch die Verleger immer wieder ab, ihre soziale Gesinnung in Zweifel gestellt zu sehen, und betonten ihre Solidarität mit den Journalisten (62). Die Bestimmung, daß der Lizenzträger den Allierten sowohl für den unternehmerischen wie für den redaktionellen Aspekt seiner Zeitung verantwortlich war (63), leistete jedoch bereits einer Haltung Vorschub, die sich im Laufe der Zeit dann auch tatsächlich 26

einzustellen begann: das Bestehen auf der unternehmerischen u n d redaktionellen Richtlinienkompetenz des Verlegers. Die anfängliche Gleichstellung des Verlegers mit dem Journalisten - zumindest bezüglich dessep, was er in den Betrieb einbrachte die eine Kooperation, den Abbau der Entscheidungshierarchie Verleger Redakteur hätte zeitigen können, änderte sich sehr bald in Richtung auf den Anspruch des Verlegers auf die Gesamtkompetenz (64), so daß die Journalisten nun ihrerseits auf klare Trennung der Aufgabenbereiche drangen (65). Den endgültigen Umschwung und das Einpendeln auf die bereits vor der NS-Zeit vorfindliche Vorrangstellung des Verlegers brachte die Währungsreform vom Juni 1948. So, wie sie in der Wirtschaft die Herrschaft des freien Unternehmers restaurierte (66), installierte sie im Pressewesen neuerlich die Herrschaft des Verlegers. Sie zwang zu scharfer Kalkulation und Einsparungen, die auch nicht an der Redaktion vorbeigehen konnten (67). Der Verleger saß wieder am längeren Hebel, und das mußte den kämpferischen Elan der Redakteure bremsen. Fünf Jahre später konnte Walter HAGEMANN aus der Rückschau konstatieren, der "Kampf zwischen Verleger und Chefredakteur sei inzwischen zugunsten des Verlegers entschieden . . . " ( 6 8 ) . Die liberale Pressekonzeption der Alliierten hatte indes einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Der abwartenden, wenn nicht gar ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegenüber der Lizenzpresse entsprach eine überaus skeptische, j a geradezu feindliche Einstellung der Behörden und - vor allem in der US-Zone - der Parteien. Alfred FRANKENFELD hat darauf hingewiesen, daß sich, trotz formaler Garantien der Pressefreiheit, in den ersten fünfzig Jahren dieses Jahrhunderts " d i e Presse überwiegend staatlicher Kontrolle mit variablen Eingriffsmöglichkeiten ausgesetzt" sah, die eine nachlastende Hypothek für die Beziehungen zwischen ihr und den Antsinhabern schuf (69). Sie äußerte sich auf seilen der Presse in ständigem Argwohn und geschärfter Empfindlichkeit, auf Seiten der Behörden in vielfachen Versuchen, "die Freiheit der Presse nach Möglichkeit oder nach angeblicher Notwendigkeit zu zügeln"(70). In den fünfziger Jahren quellen die Fachzeitschriften über von Meldungen über Zensurversuche von Behördenleitern, Interessenverbänden und Parteien, Uber Zeitungsbeschlagnahmen, Gerichtsverfahren und Gesetzesvorhaben (71). Neben den angestrengten Versuchen der Parteien, auf die Presse Einfluß zu gewinnen (72), die bei den US-Zonen-Verlegern auch auf ein gewisses Verständnis stießen (73), da hier im Gegensatz zur britischen Zone keine Parteirichtungszeitungen zugelassen waren, finden sich Vorstöße der politischen Amtsinhaber, die Presse in ein enges Korsett gesetzlicher Reglungen zu zwingen. Die auf Initiative des amerikanischen Militärgouverneurs CLAY im Jahre 1946 ausgearbeiteten Länderrats-Entwürfe für Pressegesetze (74) verraten deutlich obrigkeitsstaatliches Denken (75). ObwohlCLAY, um die Lizenzierung und Überwachung der Presse in deutsche Hände überleiten zu können, zu erheblichen Konzessionen und Abstrichen an seinen Vorstellungen von einer demokratischen Presseordnung bereit war (76), sah er sich gezwungen, die vom Länderrat am 5. November 1946 verabschiedeten Gesetze abzulehnen (77). Ihm schien es, wie er später schrieb, geradezu "unmöglich zu sein, zu einer Gesetzgebung zu gelangen, in der die Presse der regierenden Macht nicht auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert war"(78). Erst ein neuer Versuch im Jahre 1948, dem ein detailliertes amerikanisches Programm verbindlich zugrundelag (79), führte nach langwierigen Verhandlungen zur Verabschiedung von Pressegesetzen, die den Amerikanern demokratisch erschienen, d . h . nach liberalen Prinzipien verfaßt waren. Sowohl die Ablehnung der ersten Entwürfe als auch die strenge Reglementierung

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für die Erarbeitung der neuen durch die amerikanischen Behörden war durchaus im Sinne der Verleger. An den Pressegesetzen des Jahres 1949 hatten sie denn auch nicht viel auszusetzen. Vor allem fehlte in diesen Gesetzen jede institutionalisierte gesellschaftliche Kontrolle der Presse, wie sie noch im Länderratsentwurf von 1947, wenn auch mit stark etatistischem Einschlag verankert war (80). Hier unterschieden sich deutlich die Pressekonzeptionen der Amerikaner und der Engländer. Während letztere, wenn auch widerstrebend, der amerikanischen Politik zunehmender Freigabe des Pressewesens folgten, wie sie sich im Rahmen der sich seit 1948 ändernden politischen Gesamtkonzeption entwickelte, standen sie dem Gedanken gesellschaftlicher Pressekontrolle wesentlich näher als jene. Dies zeigen zwei Eigentümlichkeiten der britischen Pressepolitik: der Zonenpresserat und die Zulassungsbestimmungen und Kontrollrichtlinien in den norddeutschen Pressegesetzen. Durch die am 15. Oktober 1947 in Kraft getretene Verordnung Nr. 108 übertrugen die britischen Verantwortlichen das Recht der Lizenzierung auf die Ministerpräsidenten, denen beratende Presseausschüsse zur Seite standen. Ihnen übergeordnet war ein Zonenpresserat, der, wie die Landesausschiisse, aus Vertretern der Journalisten und Verleger sowie der "Allgemeinheit" zusammengesetzt, beratend zu Fragen der Lizenzierung, Materialzuteilung und "allgemeinen Problemen" Stellung nahm (81). Damit war, wenn auch immer noch abhängig von den britischen Behörden (82), eine Institution geschaffen, die neben Verleger- und Journalistenvertretern kompetente Persönlichkeiten aus dem Bereich der Öffentlichkeit umfaßte, wobei letztere ausdrücklich nicht als Partei- oder Verbandsvertreter entsandt und mit dem Ziel eines "gerechten Ausgleich(s) zwischen den verschiedenen in dem Land herrschenden Meinungen und Interessen"(83) bestellt werden sollten. Der Zonenpresserat entfaltete eine rege Aktivität (84) und beteiligte sich auch an der Ausarbeitung der zukünftigen Pressegesetze. Da er dort ebenfalls den Gedanken der gesellschaftlichen Kontrolle verankert und überdies die Zulassung zum Verlegerberuf an bestimmte Voraussetzungen gebunden wissen wollte, was dann auch bei den drei norddeutschen Gesetzen gelang (85), machte er sich bei den Altverlegern zur bestgehaßten Institution. Die Rolle, die für das Verhältnis zwischen Alt- und Lizenzverlegern in Bayern die Zwangspachtverträge spielten, übernahm in Norddeutschland der Zonenpresserat mit seinen Pressegesetzen. Wenn hier auch - neben durchaus lauteren Motiven - zweifellos das Bemühen der Lizenzverleger um die Ausschaltung der altverlegerischen Konkurrenz mitgespielt haben dürfte (86), so zeigten sich doch Ansätze, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und - in bewußter Abkehr von den rein liberalen Prinzipien und der Ansicht vom Verleger als "Unternehmer wie andere auch" - Elemente gesellschaftlicher Kontrolle in den Pressegesetzen zu verankern. Die gleiche Mischung kommunikationspolitischer Bedenken mit der Furcht vor der wirtschaftlich starken Konkurrenz der Altverleger bestimmte offensichtlich auch die Stellungnahmen der Lizenzverleger zur Ende 1948 (87) bekanntgewordenen Entscheidung der amerikanischen Militärregierung, so bald wie möglich und unter der Bedingung, daß brauchbare Pressegesetze geschaffen würden, die völlige Pressefreiheit wiederherzustellen. In einer Reihe von Artikeln in den Verbandsorganen und in Resolutionen (88) wird einerseits die grundsätzliche Zustimmung betont, andererseits aus politischen Erwägungen der Zeitpunkt für zu früh erachtet, da die Demokratie und die demokratische Presse in Westdeutschland noch keine genügend 28

starke Stellung besäßen. Ein anderes Argument will zwar die völlige Pressefreiheit, nicht aber die Gewerbefreiheit im Pressewesen zulassen und - ähnlich wie in Norddeutschland - reglementierend in den Zugang zum Verlegerberuf eingreifen (89), Da in diesen Stellungnahmen selten der Hinweis auf das Versagen der Altverleger in der Weimarer Republik oder gar auf die Gefahr des Wiedererstehens des Nationalsozialismus fehlte, war die Zielrichtung eindeutig (90). Mit ihren ebenso intensiven wie vergeblichen Versuchen, die völlige Freigabe des Pressewesens wenigstens zum fraglichen Zeitpunkt zu verhindern, schufen die Lizenzverleger weiteren Konfliktstoff im Verhältnis zu den Altverlegern, der, als es später um die Zusammenarbeit ging, erst mühsam aus dem Weg geräumt werden mußte (91). Die Furcht der Lizenzträger vor der Konkurrenz der Altverleger war jedoch, wie noch zu zeigen sein wird (92), weitgehend unbegründet. Sie gingen mit einer guten Startposition in das Rennen. Dank ihres ständigen Drängens bei den Alliierten, deren Intentionen überdies ebenfalls auf die Schaffung einer starken Stellung "ihrer" Verleger gerichtet waren, hatten sie sich die notwendige Druckkapazität gesichert. Mitbestimmungsversuche der Journalisten waren vorläufig abgewiesen. Die Gunst der Leser war, wie sich zeigen sollte, doch größer als erwartet. Und überdies: der "homo novus"(93), der Lizenzträger, hatte sich voll in seine Verlegerrolle hineingefunden. Dies sollte sich spätestens dann erweisen, als es - ungeachtet der ungelösten Probleme - galt, sich m i t den Altverlegern gegen die Exekutive und die Forderungen der Journalisten zur Wehr zu setzen. 2.1.3

Die kommunikationspolitische Aktivität der Altverleger

Naturgemäß ging es den Altverlegern in den ersten Nachkriegsjahren darum, die ihrer Berufsausübung durch die Lizenzpflicht auferlegten Beschränkungen zu mildern oder gar zu beseitigen. Hierzu war eine möglichst schlagkräftige Organisation ebenso unerläßlich wie unter den gegebenen Umständen schwer zu realisieren. Letzteres deswegen, weil das Vereinigungsrecht von den Alliierten suspendiert und j e g l i c h e Verbandsgründung genehmigungspflichtig war, ersteres, weil sich der Aufhebung der Lizenzpflicht nicht nur - zumindest zunächst - die Alliierten, sondern auch die Lizenzverleger entgegenstemmten, diese sogar noch zu einem Zeitpunkt, als die Amerikaner bereits die Wiederherstellung der Pressefreiheit beschlossen hatten. Auf beiden Seiten wurde das spätestens Ende 1948 in vollem Umfang anhebende Gefecht hauptsächlich mit kommunikationspolitischen Argumenten geführt, also dem Ruf nach Pressefreiheit bei den Altverlegern, dem Beschwören der durch die Wiedereinsetzung dieser kompromittierten Verlegergruppe für die junge Demokratie drohenden Gefahr bei den Lizenzverlegern. Daß dahinter jeweils auch wirtschaftliche Interessen standen, bedarf wohl keiner Erwähnung. Allerdings dürfte im Hinblick auf die konkreten Erfahrungen der NS-Zeit manche Befürchtung eines Lizenzverlegers echter Sorge um die demokratische Entwicklung Deutschlands entsprungen sein, wie ganz sicher auch das Hauptargument der Altverleger, daß sich im nun wieder installierten privatwirtschaftlichen Pressesystem das Fehlen eines seiner wesentlichen Kriterien, der Konkurrenz, verderblich auswirken müsse (1), nicht von der Hand zu weisen war (2). Lagen die taktischen Vorteile deutlich auf Seiten der Lizenz Verleger - sie besaßen Zeitungen und konnten mit Hilfe der Alliierten ihren Voisprung nutzen und ausbauen, um im Falle der Aufhebung des Lizenzsystems gegen die fachkundige

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Konkurtenz der Altverleger gerüstet zu sein - , s o konnten diese sich die bessere strategische Konzeption zugute halten: die von den Alliierten intendierte Erziehung des deutschen Volkes zur Demokratie mußte über kurz oder lang zum Zugeständnis eines elementaren demokratischen Grundrechtes, der Pressefreiheit, führen, wollte diese Erziehung nicht durch ihre eigene Praxis gegenüber dem vorgegebenen Ziel unglaubwürdig werden. Dann jedoch mußten sich die Erfahrung und die Tatsache, daß die technische Ausrüstung infolge der - nur streckenweise durchbrochenen (3) Hochachtung der westlichen Alliierten vor dem Privateigentum den Altverlegern verblieben war, zu ihren Gunsten auswirken. So befanden sich ironischerweise die gerade ob ihrer demokratischen Glaubwürdigkeit angezweifelten Altverleger in der günstigen Position, den durchaus demokratischen Ruf nach Pressefreiheit erheben zu können, während die Lizenzverleger, denen man die demokratische Zuverlässigkeit mit der Lizenzerteilung gleichsam schriftlich bestätigt hatte, zwar verbal in diesen Ruf über kurz oder lang einstimmen mußten, nicht ohne jedoch zugleich vor den Gefahren eines solchen "verfrühten" Schrittes mit mehr oder weniger Überzeugungskraft zu warnen und damit diesem Ruf einiges von seiner Wirkung zu nehmen. Bis dahin war jedoch noch ein weiter Weg. Zunächst galt es für die Altverleger, sich mit dem Blick auf das oberste anzustrebende Ziel, eben die Aufhebung der Lizenzpflicht und Wiederzulassung zum früheren Beruf, über den hierzu einzuschlagenden Weg klarzuwerden. Die Alliierten gingen, wie erwähnt, bei ihrer Pressepolitik von der Annahme aus, alle im Dritten Reich tätig gewesenen Verlegerseien ausnahmslos überzeugte Nationalsozialisten gewesen (4). Folglich mußte sich die Aktivität der Altverleger darauf richten, möglichst bald durch Entnazifizierungsverfahren rehabiliert zu werden und überdies die Alliierten über die tatsächlichen Presseverhältnisse im Dritten Reich aufzuklären (5). Zugleich galt es, den eigenen Besitzstand, insbesondere das Recht an der Druckerei zu wahren, um nach Beseitigung der Lizenzbestimmungen unverzüglich wieder eigene Zeitungen publizieren zu können. Schließlich mußte versucht werden, die Lizenzzeit durch die Herausgabe von Amts- und Anzeigenblättern zu überbrücken, die nicht an die gleichen scharfen Lizenzbestimmungen gebunden war wie das Verlegen politischer Zeitungen. All dies war mit Hilfe eines straffen Interessenverbandes leichter zu erreichen. Folglich mußten die Altverleger versuchen, sich möglichst bald und vollständig zu organisieren. Da, abgesehen von dem generellen Vereinigungsverbot, die Alliierten derartige Bestrebungen unter den Altverlegern mit erhöhter Aufmerksamkeit beobachteten (6), und nicht zuletzt weil die Kontakte selbst über die Grenzen zwischen den Wesizonen hinweg außerordentlich schwierig waren, lag ein interzonaler Zusammenschluß völlig außerhalb der Möglichkeiten. Die Organisation der Altverleger vollzog sich vielmehr in allenfalls regionalen Vereinigungen mit höchstens halblegalem Charakter und - zumindest äußerlich - unterschiedlichster Zielsetzung (7). Bereits im April 1946 fand sich um den Anwalt Friedrich BERGOLD in München eine Gruppe von Altverlegern zusammen, die, ungeachtet der amerikanischen Verbote, als "getarnter Verein" den Kampf gegen Enteignung, Zwangsverpachtung und für ihre Rehabilitierung aufnahm. Die gleichen Ziele wie diese süddeutsche "Mandanten-Vereinigung" verfolgten eine Reihe ehemaliger Verleger aus Baden und Württemberg, die hierbei den Beistand des durch seine einschlägigen Kommentare bekanntgewordenen Stuttgarter Presserechtlers Martin LÖFFLER fanden (8). 30

Vor allem in der britischen Zone war es vielen Altverlegern gelungen, die Erlaubnis zur Herausgabe amtlicher Mitteilungs- und Anzeigenblätter zu erhalten. So schlössen sich im April 1947 die Altverleger im nördlichsten Land dieser Zone zur "Vereinigung der schleswig-holsteinischen Kreisverlags- und Anzeigenblattdruckereien e . V." zusammen und strebten, wenn auch erfolglos, die Umwandlung der Blätter in Wochenzeitungen an (9). Mit einer ähnlichen, in Celle gegründeten Organisation verbanden sie sich ein Jahr später zur "Vereinigung der Kreisverlagsund Anzeigenblattdruckereien e. V. ". Außerdem hielten sie Kontakt zu einer weiteren Altverlegerorganisation, die unter der Bezeichnung "Arbeitsgemeinschaft der Zeitungs- und Zeitschriftendrucker im VGBN" firmierte und von Kurt NEVEN DUMONT angeführt wurde. Einen weiteren wichtigen organisatorischen Kern in der britischen Zone bildete die Versammlung niedersächsischer und nordrhein-westfälischer Altverleger, die sich im Winter 1947 in Bielefeld erstmals traf (10). Schließlich bleibt noch der 1938 gegründete und offiziell 1949 wieder ins Leben gerufene "Dienst mittlerer Tageszeitungen" (DIMITAG) zu nennen, der unter dem Vorsitz Viktor WURMs "das Notwendige vorbereitete, um allen schon vorher angeschlossenen und sich dann noch anschließenden Zeitungen bei ihrem-Wiedererscheinen ein konkurrenzfähiges redaktionelles Material zu liefern"(ll). Die Währungsreform im Sommer 1948 brachte nicht nur die Ablösung der allgemeinen Zwangswirtschaft, sondern auch eine Liberalisierung im Pressewesen. Die Papierkontingentierung ging zu Ende, die Pressekontrolle der Alliierten lockerte sich, die Lizenzzeitungen dehnten sich durch Bezirks- und Lokalausgaben weiter aus (12). Daher schien es den Altverlegern sowohl möglich als auch geraten, sich enger und interzonal zu organisieren. Am 17. Juli 1948 wurde in Wiesbaden der eiste Uberregionale Zusammenschluß der Altverleger, die "Arbeitsgemeinschaft für Pressefragen" gegründet. Unter Vorsitz des früheren Verlegers des "Hannoverschen Kurier", Walther JÄNECKE, trug sie vom Sommer 1948 an die Hauptlast der Aktivität. Sie wurde von den genannten Organisationen "als Zentrale für alle grundsätzlichen Fragen des Pressewesens und für den Kampf um eine Reaktivierung der Altverleger" anerkannt (13). Ihr Mitgliederbestand von zunächst rund 150 Altverlegern wuchs schnell an und bildete im September 1949 den Kern des dann wiedergegründeten (14) VDZV. Erklärtes Ziel der Arbeitsgemeinschaft war die Beseitigung der Lizenzpflicht, deren Auswirkungen für die Altverleger - wie JÄNECKE formulierte - "zum überwiegenden Teil unverdientes Unrecht" schufen, "dessen Folgen im allgemeinen nicht nur unseren Stand, sondern das ganze deutsche Volk schwer getroffen haben". Erst mit der Beendigung der Beschränkungen könne eine "den wirklichen Bedürfnissen der Publizistik entsprechende Neuordnung der deutschen Presseverhältnisse geschaffen werden... "(14a). Zu diesem Zwecke gelte es, weniger die breiten Massen, die die Nachteile dieses Pressesystems "längst erkannt" hätten, das bestehende Monopol ablehnten und Pressefreiheit verlangten, als vielmehr die "Persönlichkeiten und Organe, in deren Händen die letzte Entscheidung über die weitere Entwicklung im Pressewesen liegt, von der Notwendigkeit einer grundlegenden Reform zu überzeugen"(15). Beim Erreichen der erwähnten Ziele waren die Altverleger unterschiedlich erfolgreich. Trotz aller Beschränkungen war es ihnen gelungen, sich regional zu organisieren und schließlich im Sommer 1948, praktisch ein Jahr vor den Lizenzverlegern, 31

eine interzonale Arbeitsgemeinschaft einzurichten, die - nicht zuletzt aufgrund persönlicher Bekanntschaften aus der Zeit vor 1933 - vielfältige Kontakte zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens knüpfte. Was die Erhaltung des Eigentums anbetraf, so waren zwar die Lohndruckverträge und mehr noch die Zwangspachten eine sptirbare Beeinträchtigung des Verfügungsrechtes, aber sie bedeuteten keine Enteignung, was - auch wenn man die eigentumsfreundliche Haltung der westlichen Alliierten bedenkt - durchaus als Erfolg zu werten ist. Das gilt besonders für die der nordrhein-westfälischen Lohndruckervereinigung NEVEN DUMONTs gelungene Abwehr eines Gesetzentwurfs, der den Lizenzverlegern die Nutzung der Druckereien auch nach dem 21. September 1949 sichern sollte (16). Aus den Klagen vieler Lizenzträger über zu hohe Druck- und Pachtsummen (17) kann geschlossen werden, daß es den Altverlegern auch hier gelang, ihre Interessen weitgehend zu wahren. Nicht zuletzt gaben eine ganze Reihe von Altverlegern schon vor der Aufhebung der Lizenzpflicht wieder Zeitungen, wenn auch nur in Gestalt offiziöser Anzeigenblätter, heraus und trafen überdies Vorbereitungen für eine spätere Zusammenarbeit, was die Lizenzträger wiederum zu Protesten veranlaßte (18). Auf der anderen Seite gelang es den Anzeigenblattverlegern nicht, ihre Blätter redaktionell ausbauen und damit attraktiver machen zu dürfen (19). Die Zwangspachtverträge ließen sich zwar teilweise abmildern, aber trotz intensiver Bemühungen BERGOLDs und LÖFFLERs nicht verhindern. Schließlich scheinen die Anstrengungen der Altverleger, die Vorstellungen der Alliierten von der Treue der Altverleger gegenüber dem NS-Regime zu revidieren, wenig Wirkung gezeigt zu haben. Zumindest konnten Denkschriften LÖFFLERs, JÄNECKEs und des Münchner Ordinarius für Zeitungswissenschaft, Karl d'ESTER, sowie eine von WURM für die Arbeitsgemeinschaft verfaßte Broschüre (20) aufklärenden Inhalts nicht verhindern, daß die Ankündigung der amerikanischen Behörden, die Pressefreiheit einzuführen, vielfach besorgte Reaktionen hervorrief. Bekanntgeworden ist, neben einer Denkschrift Bert L. WERNERs, des Rechtsberaters der bayerischen ICD (21), vor a l l e m die "OMGUS Release Nr. 280" des bayerischen Presseoffiziers Ernest LANGENDORF. In seinen eist am 25. August 1949, also bereits nach Erlaß der Generallizenz veröffentlichten "Informationen" warnte der Presseoffizier besonders vor dem Wiederaufleben nazistischen, rassistischen und militaristischen Gedankenguts in der zu erwartenden Flut der "Heimatzeitungen"(22). Diese von der "Neuen Zeitung" und der DENA verbreiteten Informationen wurden sowohl von der Lizenzpresse als auch einer Reihe ausländischer Zeitungen aufgegriffen und von LANGENDORF trotz einer Intervention JÄNECKEs niemals offiziell dementiert (23). Wenn die altverlegerischen Bemühungen hinsichtlich ihrer Rehabilitierung also nicht immer erfolgreich waren, so hatten andererseits auch die Vorstöße der bayerischen ICD-Angehörigen keine nachhaltige Wirkung bei der amerikanischen Militärregierung. Dies hängt offenbar mit der politischen Lage im Sommer 1948 zusammen. Die bereits kurz nach dem Kriegsende einsetzende Entfremdung der östlichen und westlichen Alliierten war vollends deutlich geworden am Scheitern des Rates der Außenminister, der Ende 1947 die deutsche Frage vertagt h a t t e . Die Londoner Sechsmächtekonferenz hatte die Konsequenzen aus der Erkenntnis gezogen, "daß Deutschland ein T e i l des zu unterstützenden Europa (Westeuropa) sei" (24), und die wirtschaftliche Integration Westdeutschlands in Westeuropa empfohlen. Die Sprengung des Kontrollrates durch die Sowjetunion, die getrennten Währungs32

reformen in den drei Westzonen und dem sowjetisch besetzten Teil Deutschlands, die Blockade Berlins und die Überreichung der Frankfurter Dokumente am l.Juli 1948 bezeichnen die Stationen auf dem Wege zur Vertiefung der deutschen Teilung. Mit dem letzteren Schritt der westlichen Alliierten wurde unter anderem die Verabschiedung einer Verfassung in den drei Westzonen eingeleitet. Dies mußte mit der Gewährung der Grundrechte zugleich die Pressefreiheit zurückbringen, was umso näher lag, als, wie CLAY berichtet, schon 1946 bei den Amerikanern der Wille bestand, die alliierte Pressekontrolle abzubauen (25). Wenn VOGELSANG betont, daß die Amerikaner ihre Leitlinien für die Deutschlandpolitik gegenüber den westlichen Alliierten durchsetzten (26), so gilt dies - mit geringen Abweichungen auch für die Pressepolitik. Ihre Grundsätze waren deutlich formuliert in den Richtlinien, die für die Gestaltung der Pressegesetze in den Ländern ihrer Zone erlassen worden waren (27). Wenn im Frühjahr 1949 mit der Verabschiedung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik und im Laufe des Sommers mit den Landespressegesetzen in der US-Zone durchweg von liberalem Geist geprägte Presseregelungen in Kraft traten, dann liegt das daran, daß die Amerikaner ihre Vorstellung realisierten - nicht aber an den Aktionen der Altverleger, wie diese gern reklamierten(28). Für den geringen Einfluß der pressepolitischen Vorstellungen der Altverleger spricht auch das Scheitern des Versuchs, die Verabschiedung von Landespressegesetzen anstelle eines Bundesgesetzes und von Zulassungsbedingungen für den Beruf des Verlegers sowie die Installation gesellschaftlicher Kontrollgremien für die Presse zu verhindern (29). Besonders letztere Regelung, wie sie in die norddeutschen Pressegesetze Eingang fand, widersprach den Vorstellungen der Altverleger von einer freien Presse. Diese ihre Ideen hatte erstmals der Bielefelder Kreis der Altverleger in einer Broschüre vom Mai 1948 umrissen (30). Sie wurden präzisiert in den 16 Paragraphen eines Pressegesetzentwurfs, die JÄNECKE dem "Heidelberger Kreis", einer politischen Diskussionsrunde, vorlegte (31). Der Entwurf kodifizierte das liberale Prinzip der Pressefreiheit, das heißt, er lehnte jedes Zulassungsverfahren, jede gewerbliche oder zensierende Einschränkung der als Teil der Meinungsfreiheit angesehenen Pressefreiheit ab und wandte sich überdies gegen Pressekammern als verlegerische und journalistische Zwangsorganisationen. Als einziges Reformelement fanden sich "Mindesterfordernisse für den verantwortlichen Verleger und Redakteur sowie für die Klarlegung der Eigentumsverhältnisse an Zeitungsvertagen" (32). Die in der Diskussion von KLABUNDE als Journalistenvertreter entwickelten Ideen über neue Verlagsstrukturen wurden auch hier mit dem Hinweis auf die notwendige Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfreiheit der Presse abgelehnt - eine weitere Stütze der These, daß an vielen wesentlichen Punkten die Ansichten der Alt- und Lizenzverleger durchaus vergleichbar waren. Als im Herbst 1948 die amerikanische Militärregierung die baldige Aufhebung der Lizenzpflicht ankündigte und der Parlamentarische Rat sich bereits mitten in seinen Arbeiten am Grundgesetz befand, wandte sich die Arbeitsgemeinschaft mit einem "Manifest der Pressefreiheit" an die Öffentlichkeit, um im Sinne der Altverleger auf die Haltung der noch zögernden britisch-französischen Alliierten, auf die Beratungen des Grundgesetzes wie auch der Landespressegesetze einzuwirken. Das zunächst von sieben, später von 46 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens - u. a. Konrad ADENAUER und Carlo SCHMID - unterzeichnete Manifest "Pressefreiheit und Demokratie"(33) forderte die Beseitigung der Presselizenzierung und damit 33

des Monopols einiger hundert von den Besatzungsmächten ausgesuchter Lizenzträger, wandte sich unter Berufung auf die amerikanischen Verlautbarungen gegen alle Ideen einer Zugangskontrolle zur Pressetätigkeit und plädierte für das "freie Spiel der Kräfte auf dem Gebiet der Presse". Daneben postulierte es ein einheitliches Bundespressegesetz, zumindest aber Landespressegesetze, die später nahtlos in ein solches eingefügt werden könnten. Die diese Aktion der Altverleger leitenden Gesichtspunkte lassen sich unschwer aus dem Text des Manifestes ablesen. Mit dem Verweis auf die amerikanischen Vorstellungen von Pressefreiheit - die überdies auch dem deutschen Volksempfinden völlig entsprächen - und der Forderung zumindest nach bundeseinheitlichen Landespressegesetzen sollten die liberale Pressekonzeption in allen einschlägigen Bestimmungen der Bundesrepublik durchgesetzt und die Bestrebungen der norddeutschen Lizenzverleger vereitelt werden, Zulassungsbeschränkungen und Presseausschüsse nach dem Vorbild des Zonenpresserates in den norddeutschen Pressegesetzen zu verankern. Diese Bemühungen der Lizenzträger der britischen Zone waren deutlich geworden in einer Resolution vom 23. Oktober (34), in der der Zonenpresserat die Verwertung der "positiven Erfahrungen... mit den beratenden Presseausschiissen und dem Zonenpresserat" bei der Gestaltung des neuen Presserechts forderte und für eine sorgfältige Auswahl der Herausgeber von Zeitungen anstelle "schrankenloser Freiheit" plädierte, Der Verweis auf die "wirtschaftlich starke Stellung" ehemaliger Nazi-Verleger, die nicht noch durch die Möglichkeit der Herausgebe von Druckerzeugnissen unterstützt werden solle, macht die Stoßrichtung dieser Resolution durchsichtig (35). Gleiches gilt für eine weitere Entschließung, in der der Zonenpresserat am 3. /4. Dezember an den Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates appellierte, im Grund gesetz zwischen der für eine Demokratie unverzichtbaren "Publikationsfreiheit"und der von bestimmten Vorausetzungen abhängig zu machenden "Presse-Gewerbefreiheit" zu unterscheiden (36), was nichts anderes als den Versuch darstellte, dahin zu wirken, daß Presseausschüsse und Zugangsvoraussetzungen nach dem norddeutschen Muster auch im Grundgesetz verankert würden. Beide Verlegergruppen versuchten also mit ihrer kommunikationspolitischen Argumentation die jeweils ihnen günstigste Ausgestaltung der Pressefreiheit für die gesamte Bundesrepublik verbindlich zu machen. Der Arbeitsgemeinschaft mußte es darum gehen, die liberale Konzeption durchzusetzen, da nur so alle ihre Mitglieder ohne Schwierigkeiten wieder Zeitungen herausgeben konnten. Die Lizenzverleger wollten die zu erwartende Konkurrenz der Altverleger so gering wie möglich halten und mit Hilfe strenger Zulassungsvoraussetzungen ihre Monopolstellung weitgehend sichern, daneben aber die Segnungen der "Publikationsfreiheit" nicht entbehren. In beiden Fällen handelte es sich um wirtschaftlich motivierte Anstrengungen, beide Male ließen sie sich jedoch mit kommunikationspolitischen Argumenten untermauern (37). Geht man vom Ergebnis dieser Phase pressepolitischer Entwicklung aus, so gibt es keine Anzeichen für irgend einen Erfolg der Bemühungen beider Verlegergruppen, der nicht schon in den kommunikationspolitischen Vorstellungen der zuständigen Besatzungsmächte angelegt gewesen wäre. Wenn die Altverleger letztlich einen Grundgesetzartikel und süddeutsche Landespressegesetze nach ihrem Geschmack vorfanden, dann deswegen, weil diese auch den amerikanischen Intentionen entsprachen. Und wenn die Lizenzverleger wenigstens in drei norddeutschen Presse-

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gesetzen ihre Vorschläge wiedererkannten, dann deswegen, weil diese zu der von den Briten bereits seit 1947 praktizierten Politik paßten. Andererseits scheiterten die Versuche der Lizenzverleger, den Termin für den Eintritt der Pressefreiheit zu verschieben und im Grundgesetz zu unterscheiden zwischen Publikations- und PresseGewerbefreiheit, weil die Briten hier dem amerikanischen Vorgehen folgten. Und die Altverleger blieben mit ihrer Forderung, auf Presseausschüsse und Zulassungsbedingungen zu verzichten, in Norddeutschland erfolglos, weil hier die Briten ihre Konzeption bewahrten. Ganz zweifellos brachte jedoch der 21. September 1949, der T a g , an dem im Rahmen des Besatzungsstatuts das "Gesetz Nr. 5 " der Alliierten Hohen Kommission(38) in Kraft trat und die Pressefreiheit "wie im Grundgesetz vor gesehen "(39) kodifizierte, den Altverlegern den größeren Gewinn. Bedeutete er für die Lizenzverleger lediglich die Publikationsfreiheit und die - noch nicht einmal restlose (40) - Aufhebung der Nachzensur, so gewährte er den Altverlegern das Recht, ohne Lizenzantrag Zeitungen herauszugeben - und eben dies war ihr Ziel seit den ersten vorsichtigen Zusammenschlüssen von 1946. Mit dem September 1949 war die Monopolepoche der Lizenzpresse beendet. Was hatte sie gebracht? 2.2

Resümee

des

Lizenzsystems

Wie in anderen Bereichen auch, begann mit dem Zusammenbruch des NS-Regimes am 8. Mai 1945 im Pressewesen eine "Stunde Null" mit allen Problemen, aber auch den Chancen eines völligen Neuanfangs. Mittels "totaler Zwangswirtschaft"^) installierten die Alliierten zum Zwecke der Demokratisierung der Deutschen und ihrer Presse ein System von Zeitungen durchweg mittlerer und hoher Auflagen (2). Gestaltet von Männern, die mehr auf ihre "demokratische Zuverlässigkeit" als auf ihre fachliche Qualifikation überprüft wurden, war diese Presse zwar gegenüber deutschen Behörden, Parteien und Interessentengruppen unabhängig (3), ansonsten aber an den - wenn auch bisweilen locker gehaltenen - Zügel alliierter Kontrolle gefesselt. Die Lizenzpresse besaß, angefangen vom Entwurf am grünen Tisch bis zur streckenweise allzu buchstabengetreuen Realisierung durch die Militärbehörden, die negativen Eigenschaften, die eine geplante Gestaltung derartiger Gegenstandsbereiche nur allzu leicht aufweist. Ihr Schematismus im Entwurf, der naive Glaube an Überparteilichkeit zumindest aber Unabhängigkeit durch das Gruppensystem, der "Zwangskost"-Charakter (4), die infolge des Monopol-Status fehlende Konkurrenz(5), die vielfach mangelnde Qualität, die weithin wenig ausgeprägte Leser- und " H e i m a t " Verbundenheit - all dies ist an der Lizenzpresse hinreichend kritisiert worden (6). Trotz aller gebotenen Eile, die die Alliierten nach dem Zusammenbruch zum Wiederaufbau des Pressewesens trieb, wäre eine weniger undifferenzierte Ausschaltung der Verleger und Journalisten der NS-Zeit und ein Heranziehen derjenigen, die die vielfältigen Möglichkeiten der Obstruktion und verschleierten Opposition im System genutzt hatten, möglich und nützlich gewesen. Manche der negativen Momente der Lizenzpresse hätten so vermieden und überdies die schwierige Aufgabe der Presseoffiziere erleichtert werden können.

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Indes sollen einige Positiva nicht übersehen werden. So verhinderte das Verbot der alten Zeitungstitel das den Leser verwirrende, die Presse aber beschämende Schauspiel eines zweimaligen radikalen, wenn auch verordneten Haltung?wechsels innerhalb von zwölf Jahren. Die Lizenzzeit brachte darüberhinaus insofern eine Änderung der Zeitungsstruktur, als sie den Typ der überparteilichen aber nicht unpolitischen(7) Regionalzeitung mittlerer Auflage, wie er heute die westdeutsche Presselandschaft beherrscht (8), im Ansatz installierte. Die noch zur Weimarer Zeit bestehendeKluft zwischen - vor allem Berliner - Weltblättern und dem nach Tausenden zählenden Heer der Kleinpresse wurde dadurch geschlossen. Die reine Parteizeitung ist heute wenn auch nicht allein infolge der alliierten Pressepolitik (9) - praktisch verschwunden, ebenso das deutsche Hauptstadt-Blatt, dessen Stelle heute allenfalls von den drei überregionalen Tageszeitungen oder von politischen Wochenzeitungen eingenommen wird (10). Auch die undifferenzierte Behandlung der "Nazi-Verleger" durch die Alliierten und der daraus sich ergebende zweistufige Aufbau der deutschen Presse, der durch die Einsetzung der Lizenzverleger ab 1945 und die Rückkehr der Altverleger ab 1949 zustandekam, hatten, wie sogar JÄNECKE aus der Distanz mehrerer Jahre zugab, ihr Positives: sie brachten den Zustrom "neuen Blutes und neuer gestaltender Kräfte" in die Verlegerschaft"(ll). Nimmt man diese Faktoren zusammen, so ist in der Tat ein struktureller Bruch in der deutschen Pressetradition zu verzeichnen. Dies gilt auch für einige inhaltliche Merkmale wie das in der Tagespresse - soweit überhaupt möglich - vollzogene Prinzip der Trennung von Nachricht und Kommentar, die Aufwertung des Feuilletons und des Leserbriefs (12). Wichtiger indes als Fehler und Verdienste der Lizenzpresse und die durch die alliierte Kommunikationspolitik bewirkten Veränderungen dürften die nicht genutzten Chancen dieses Neuanfangs sein, wobei - wenn überhaupt nach "Schuld" gefragt werden kann - diese nicht allein bei den Alliierten zu suchen ist. Von Hause aus nichts anderes gewöhnt und überzeugt vom hohen demokratischen Wert des Marktprinzips auch auf dem Pressesektor, schufen die Alliierten eine zwar von äußeren politischen oder wirtschaftlichen Einflüssen unabhängige, nichtsdestoweniger aber privatwirtschaftlich betriebene Presse. Obwohl sie auf der einen Seite zumindest formal das Eigentumsrecht des Lizenzträgers beschnitten (13), ja sogar zum Schutze "ihrer" Zeitungen bei der Dekretierung der Zwangspachtverträge erheblich von der ihnen sonst heiligen Achtung vor dem Privateigentum abwichen, forderten sie die neuen Verleger auf der anderen Seite auf, ihren Verlag nach dem Prinzip privatwirtschaftlicher Gewinnmaximierung zu betreiben. Trotz - zumindest anfangs - gegenteiliger Beteuerungen machten sich die Verleger die unternehmerische Denkweise schnell zu eigen. Mit dem Ende der Lizenzzeit war die privatwirtschaftliche Verlagsstruktur als Normalfall im Pressewesen fest etabliert. Die Chance zur Installation und Erprobung neuer Unternehmensformen der Presse wurde vertan. Gleiches gilt für ein eng damit zusammenhängendes Problem: das Verhältnis Verleger - Journalist. Vor allem von den Amerikanern bei der Lizenzvergabe nicht hinreichend geklärt, hätte es angesichts der finanziell meist gleichen Ausgangsbasis von Verleger-Lizenzträger und Chefredakteur-Lizenzträger zu einer Kooperation, zum Kollegialprinzip bei der Unternehmungpleitung auch formell sich entwickeln können. Stattdessen beanspruchte spätestens seit der Währungsreform und der von da an zunehmenden Bedeutung des Anzeigenwesens der Untern e h m e r - T e i l der Zeitung die Kompetenz auch für den geistigen T e i l und verwies 36

den Journalisten, der er früher nur zu oft selbst gewesen war, auf den Platz des "Unternommenen" (ADORNO). Als sich dann die Besitzverhältnisse in der Zeit nach 1949 endgültig "bereinigt" hatten, nicht zuletzt auch durch das Eindringen kapitalkräftiger neuer Gesellschafter (14), war der alte Zustand restauriert. Der bittere Ton, der nun in den Beiträgen der Journalisten zu den Verbandszeitschriften aufkommt, und der bald darauf einsetzende Kampf um Tarife und Gehälter - anfangs hatte man alles großzügig und im Geiste der Kollegialität regeln wollen zeigen, daß das Unterordnungs- und Spannungsverhältnis Verleger-Journalist sich trotz aller früherer Beteuerungen von der "Gemeinsamkeit" wiederhergestellt hatte. Es beherrscht wie eh und j e die Diskussion und erlebt neuerdings eine Aktualisierung durch das Streben der Journalisten, auf dem Wege über Mitbestimmungsmodelle doch noch etwas von der in den ersten Nachkriegsjahren verpaßten Gleichstellung zu realisieren. Auch hier brachte also die Lizenzzeit keinen Neuanfang, sondern nur das weitere Verfehlen einer Chance, das ebenso wie das erste von den Alliierten nicht allein verschuldet, aber im Ansatz begünstigt wurde (15). Die dritte Chance, in den ersten Jahren vielfach diskutiert und sogar 1949 noch in einigen norddeutschen Pressegesetzen wahrgenommen, betraf die Schaffung gesellschaftlicher Kontrollmechanismen der Presse. Das Ergebnis des rein liberalen Pressesystems der Weimarer Republik vor Augen, waren sich die neuen Männer der Presse in den ersten Nachkriegsjahren einig, daß die wichtige Funktion, die die Zeitungen in einer Demokratie oder in einem Staatsgebilde auf dem Wege dorthin zu erfüllen hatten, ihre Kontrolle erforderlich mache. Dies erschien umso notwendiger, als infolge der begrenzten technischen und Rohstoffmöglichkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Zeitungen erscheinen konnte, so daß das - vermeintlich vollständige Information und objektive Unterrichtung gewährleistende - Regulativ der Vielfalt im Pressewesen nicht gegeben war. Amerikaner und Briten gingen dabei getrennte Wege (16). Die amerikanischen Verantwortlichen standen, wie es Ende 1948 vollends deutlich wurde, allen Presserats-Ideen und ähnlichen Vorstellungen gesellschaftlicher Kontrolle skeptisch gegenüber. Aus diesem Grunde gaben sie den Länderrats-Entwürfen der US-Zone von 1946 auch nicht ihr Plazet. Erfolgversprechender und ihrer liberalistischen Grundauffassung adäquater erschienen ihnen dagegen Konstruktionen, die das Marktprinzip in verkleinertem Maßstab in dem jeweiligen Medium selbst zu verwirklichen schienen. Während die Idee vom Ausgleich und der gegenseitigen Kontrolle der verschiedenen relevanten gesellschaftlichen Interessen, die folglich zu einer ausgewogenen und weitgehend objektiven Berichterstattung führen müßten, in den Rats-Gremien der Rundfunkanstalten sich als sinnvoll erwies, auf die Dauer trotz aller Mängel - bewährte und bis heute gültiges Konstruktionsprinzip der Hörfunk- und Fernsehanstalten ist, scheiterte die Übertragung dieser Vorstellung auf das Pressewesen. Die Gruppenzeitung, zum Zwecke der Neutralisierung der verschiedenen Anschauungen mit Lizenzträgern unterschiedlicher politischer Couleur ausgestattet, setzte sich nicht durch. Abgesehen davon, daß sehr schnell nicht mehr genügend geeignete Persönlichkeiten zur Verfügung standen, so daß bald das Gruppen-Prinzip zugunsten des Ein-Mann-Prinzips aufgegeben werden mußte, lösten sich auch die "panels" sehr bald auf, schmolzen zusammen oder paralysierten durch sirenge Funktionentrennung die ursprüngliche Idee (17).

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"Gegensätzliche Leitartikel gehörten bald der Vergangenheit an. Jede Zeitung steuerte - zumindest von dem Zeitpunkt an, da ihre Besitzverhältnisse 'bereinigt' waren - einen bestimmten Kurs, und über den entschied letztlich jener Gesellschafter, der die Mehrheitsanteile in den Händen hielt"(18). Was für ein großes, beratendes und kontrollierendes Gremium wie die Rundfunkräte Gültigkeit hatte, konnte in einem kleinen, produzierenden und ständig zu Entscheidungen gezwungenen "panel" keine positive Wirkung entfalten. Die an sich richtige Idee von der notwendigen Vielfalt i n der Zeitung, weil es an Vielfalt d e r Zeitungen fehlte, wurde durch einen falschen praktischen Ansatz und überdies durch kleinliche Vorschriften kompromittiert. Die in den "Richtlinien "(19) dekretierte gleiche Berücksichtigung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen bei der Berichterstattung führte dazu, daß die Parteien mit Lineal und Bleistift die "Objektivität" der Zeitungen maßen und - notwendig - für nicht gegeben befanden (20). Die Idee von der je einzelnen Zeitung als Forum, als Anwalt und Vermittler des Zeitgesprächs der Gesellschaft - heute in der Zeitungswissenschaft angesichts zunehmender Zweifel an der "Kiosk-These" diskutiert (21) - erlitt in den ersten Nachkriegsjahren eine Niederlage, und dies nicht, weil die Idee selbst falsch, aber der Weg zu ihrer Realisierung ungangbar war (22). Die von den Amerikanern 1946 abgelehnte Institution der Presseräte als Kontrollgremien der Zeitüngen wurde von den Engländern in modifizierter Form 1947 realisiert. Trotz aller Problematik - bereits lizenzierte Verleger und Journalisten entschieden über die Zulassung neuer Konkurrenten mit - stellten der Zonenpresserat und die einzelnen Presseausschüsse der Länder einen Ansatz dar, den weiterzuverfolgen sich gelohnt hätte. Auch wenn man die gewiß vorhandenen wirtschaftlichen Motive der Lizenzverleger in Rechnung stellt, die sie auf die Installation ähnlicher Gremien durch die norddeutschen Pressegesetze drängen liessen (23), so wies doch die Idee der beratenden Presseausschüsse der Länder in eine grundsätzlich richtige Richtung, die heute von Zeitungswissenschaftlern und Politikern mit gewissen Modifikationen wieder aufgegriffen wird. Ein grundlegender Konstruktionsfehler der Gesetze, der sie in Konflikt mit der Verfassung brachte (24), sowie die Tatsache, daß sie von niemandem so recht unterstützt und benutzt wurden, ließen die Presseausschüsse seit 1949 ein Schattendasein führen (25), bis die neuen Landespressegesetze sie endgültig aus der Welt schafften. Teils aus Gründen fehlerhafter Realisierung, teils aus mangelndem Interesse der Betroffenen konnten zwei aus derselben Grundvorstellung erwachsene Ideen - die Zeitung als Forum und "neutraler" Gesprächsanwalt und als Trägerin einer für die Gesellschaft notwendigen Funktion, was ihre gesellschaftliche Kontrolle erforderlich macht - keine volle Wirkung entfalten. Auch hier wurde ein erfolgversprechender Ansatz verpaßt, der viele Entwicklungen der Presse, an denen heute mit grosser Mühe Korrekturen versucht werden, von vornherein gebremst, wenn nicht gar unmöglich gemacht hätte. Stattdessen bot sich am Ende der Lizenzzeit das Bild einer nahezu vollständigen Restauration im Pressewesen. Ohne die Leistungen der Verantwortlichen in dieser Periode schmälern zu wollen - der Wiederaufbau einer Presse unter schwierigsten materiellen und personellen Bedingungen (26) und die Versorgung eines Volkes von 50 Millionen mit den nötigsten Informationen und noch etwas mehr ist in der Tat ein unübersehbarer Erfolg muß doch konstatiert werden, daß, von wenigen Ausnahmen abgesehen (27), im Jahre 1949 bereits wieder alle Bedingungen gegeben 38

waren, um die gleichen Fehlentwicklungen und Friktionen zu zeitigen, wie sie bis 1933 schon vielfach im Kreuzfeuer der Kritik gestanden hatten. Die privatwirtschaftliche Unternehmens form mit ihrem Zwang zur Gewinnmaximierung und ihrer Anzeigenabhängigkeit, die Vorrangstellung des Verlegers, die fehlende gesellschaft liehe Kontrolle und nicht zuletzt die Tatsache, daß die neuen Verleger in den wesentlichen Fragen - sieht man von dem in seiner Motivation zumindest zweifelhaften Einsatz für die Presseausschüsse ab - die gleiche Grundhaltung zeigten wie ihre Vorgänger und baldigen Kollegen - diese Komponenten stellten die Weichen für die weitere Entwicklung. Hinzu kam, daß die Haltung der politischen Amtsinhaber und der Exekutivorgane noch immer weithin von obrigkeitsstaatlichen Gesichtspunkten geprägt war und sich in ständigen Repressionsversuchen gegenüber der Presse äußerte. Damit ist das Aktionsfeld der Zeitungsverleger in seiner dreifachen Dimension umrissen. Neben den Kampf gegen "den Staat" mit seinen Einschränkung?- und Einschüchterungsversuchen trat die Auseinandersetzung mit den Journalisten als den Mitarbeitern und gleichzeitigen Widersachern beim Anspruch auf die geistige Leitung der Zeitung und als dritte Aktionsrichtung das Ringen um die wirtschaftliche Basis des Unternehmens, das - neben dem ständigen Blick nach der Auflagenhöhe und den Anzeigenaufträgen - vor allem Versuche zur Ausschaltung unlauterer Konkurrenz zeitigte. Bevor diese Aktivitäten der Verleger nachgezeichnet werden, ist jedoch ein Blick auf die Entstehung und die organisatorische Struktur ihres Verbandes notwendig.

39

3. 3.1

DER "BUNDESVERBAND DEUTSCHER VERLEGER e . V . " (BDZV) D i e F u s i o n von V D Z V und G D Z V

ZEITUNGS-

Im September 1949 setzte in der Bundesrepublik Deutschland ein kräftiger "Zeitungsboom" ein. Er begann besonders abrupt in der britischen Zone, weil hier die durch die Generallizenzen in Süddeutschland bewirkte kontinuierliche Entwicklung fehlte, hatte aber sein größtes Ausmaß im amerikanischen Besatzungsgebiet, das Anfang 1950 einschließlich Kopfblättern 650 neue Zeitungen besaß (1). Im Raum der Bundesrepublik erschienen im Dezember 1949 bereits 753 Zeitungen; das heißt, zu den 165 Lizenzzeitungen waren 588 Heimatzeitungen gekommen (2). Diese Zahlen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der von den Altverlegern erzielte Einbruch in die Stellung der Lizenzpresse verhältnismäßig gering war. Zum einen hatten eine ganze Reihe der wiederbegründeten Heimatzeitungen nur eine sehr kurze Lebensdauer (3), zum anderen bewegten sich die überlebenden durchweg in der niedrigsten Auflagenklasse von unter 10000 Exemplaren (4). Die "natürliche Fortentwicklung der deutschen Presse"(5), von den Altverlegern lange angestrebt und nunmehr eingeleitet, brachte den Lizenzzeitungen keinen an ihre Existenzgrundlage rührenden Auflagenverlust (6). Woran lag es, daß der erhoffte Sieg der "alten Zeitung in erneuerter Form"(7) nicht eintrat, daß sich besonders die parteipolitisch nicht festgelegte Lizenzzeitung der US-Zone als krisenfest erwies (8) und der von alliierten Presseoffizieren befürchtete Wiederaufstieg der "Nazi-Presse"(9) ausblieb? Hierfür waren mehrere Gründe maßgeblich. Zum einen hatte sich die Lizenzpresse in der Zeit ihres Monopols, nicht nur durch Gewöhnung des Lesers, sondern auch durch - zunehmend bessere Leistung, fest etabliert. In ihrem politischen T e i l von den durchweg auflagenschwachen und folglich auf wesentlich schmalerer finanzieller Grundlage operierenden Heimatzeitungen nicht zu erreichen (10), hatte sie überdies durch das seit Herbst 1948 ausgebaute Bezirks- und Lokalausgabensystem den potentiellen Markt der Altverleger-Zeitungen weitestgehend besetzt. Stellten diese nun noch mehr als die Bezirksausgaben der Lizenzzeitungen auf den heimatlichen und lokalen Aspekt ab, dann zogen sie sich nur zu schnell den Vorwurf der "Kirchturmpolitik"(ll) eines "Käseblattes" zu und gingen außerdem an der zahlenmäßig nicht zu verachtenden Zielgruppe der Flüchtlinge vorbei, für die das spezifisch Heimatliche zumindest anfangs keinen Leseanreiz liefern konnte. Gleiches gilt für den vielfach geübten Rückgriff auf die alten T i t e l und Aufmachungen, die - neben den Flüchtlingen - auch den meisten Deutschen unter 35 Jahren nichts mehr sagten (12). Nimmt man hinzu, daß die Zeitungsherstellung erheblich modernisiert und damit teurer geworden war, die Lizenzpresse aber auf dem Inseratenmarkt, dessen Ausschöpfung diese Teuerung bis zu einem gewissen Grade kompensieren half, ebenfalls einen Vorsprung hatte, dann wird die schwierige Lage der Heimatzeitungen deutlich (13). Hieraus erklärt sich zugleich der überhitzte Konkurrenzkampf der ersten Monate, das "völlige Durcheinander" auf dem Pressemarkt, das sehr bald den Ruf nach der Rückkehr zu "normalen Verhältnissen" zeitigte (14). Als kürzester Weg hierzu bot sich - neben direkten Absprachen zwischen konkurrierenden Zeitungen oder Fusionen (15) - die Vereinbarung von Wettbewerbsrichtlinien an, was allerdings die Zusammenarbeit der beiden Verlegerorganisationen voraussetzte. Infolge der

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reichlich vorhandenen Ressentiments standen dem jedoch erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Zu dem von der alliierten Pressepolitik geschaffenen Konfliktstoff und den aus den unterschiedlichen kommunikationspolitischen Zielsetzungen der beiden Verlegergruppen notwendig entstandenen Spannungen (16) kam die - von den Alliierten vielfach unterstützte - Kampagne der Lizenzverleger gegen das "Unterholz" und "Unkraut" der Kleinpresse (17). Sie setzte mit der Ankündigung der amerikanischen Behörden ein, die Lizenzpflicht aufzuheben, und erstreckte sich bis in die ersten fünfziger Jahre hinein. Da wurde von der "Liebedienerei und Hörigkeit" der k l e i nen "Duodez- und Lokalblätter"(18) gesprochen, von den altverlegerischen "Drahtziehern" mit ihren "gefüllten Geldsäcken"(19), die nur auf den T a g warteten, da sie mit einem neuen "Materndienst alten Stils a la Hugenberg"(20) ihr verderbliches Geschäft wieder aufnehmen konnten. Auch der Hinweis auf die ehemaligen "Nazi-Druckereibesitzer" fehlte nicht (21). Auf der anderen S e i t e hielten die Altverleger mit ebenso pauschalen Vorwürfen nicht zurück. So sprach JÄNECKE von "neuen Kräften, die den Verlegerberuf zum T e i l nicht aus innerer Bestimmung, sondern als Geschäft und jedenfalls nicht in der traditionellen Verbundenheit mit ihrer neuen Aufgabe a u s ü b e n . . . "(22). Im Mittelpunkt der Kritik von Seiten der Lizenzverleger standen die Maternzeitungen, Blätter, die ob ihrer "materiellen Abhängigkeit"(23) eine "Gefahr für die politische Entwicklung"(24) darstellten, zumal sich die "Zentralisierung des politischen Materndienstes"(25) bereits wieder anbahne. Nun war die Maternfrage in der Tat ein wunder Punkt der Altverleger. Wenn, wie WURSTBAUER konstatiert, eine Zeitung Anfang der fünfziger Jahre erst mit einer Auflage von 1 0 - 1 2 0 0 0 Exemplaren selbständig existenzfähig war (26), auf der anderen S e i t e aber Uber 50 o / o der bayerischen Heimatzeitungen sich im Auflagenbereich unter 3000 bewegten(27), so konnte dies nur bedeuten, daß sich deren Verleger, wenn nicht zur Fusion oder Resignation so doch zur Kooperation entschließen mußten. Folglich gab es in der amerikanischen Zone bereits im Jahre 1950 mehr als 16 Zeitungsringe mit über 175 Mitgliedszeitungen, die ihren politischen T e i l von einer Zentralredaktion bezogen (28). Während sich nach Aufhebung der Lizenzpflicht die Zahl der Zeitungen verfünffachte, stieg die Zahl der Vollredaktionen nur auf das Doppelte (29). Wenn auch die Polemik der Lizenz Verleger gegen diese Entwicklung bisweilen unaufrichtig wirkte (30) und die Gefahr überdies erheblich aufbauschte (31), so wurden die Altverleger angesichts der herrschenden Übereinstimmung bezüglich der verderblichen Einflüsse des HUGENBERGschen Maternsystems nicht müde zu betonen, daß Matern nur als "technisches Hilfsmittel" und unter der Bedingung zu verwenden seien, daß sich die Verleger die " v o l l e Verantwortung und den verlegerischen Einfluß auf die Gestaltung des redaktionellen Materials"(32) vorbehielten. Folglich lehnte der VDZV den Bezug anonymer Materndienste ab und plädierte für die Beteiligung an Gemeinschaftsredaktionen und - zur Sicherung eines bescheidenen Kontingents von Markenartikelwerbung - an Anzeigenringen (33). Die Angriffe der Lizenzverleger auf diese Praktiken und ihre - zumindest in einem Falle erfolgreichen (34) - Bemühungen, sie durch die Landes- und Bundespressegesetze verbieten zu lassen, mußten die Ressentiments zwischen den Verlegergruppen weiter steigern. Dennoch war auf die Dauer ein Mindestmaß an Zusammenarbeit unabdingbar, und wenn es zunächst auch nur Absprachen zur Beseitigung der gröbsten Auswüchse des Konkurrenzkampfes sein konnten. Eine Fortführung dieser Konkurrenz hätte, zu-

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mal sie von beiden Seiten nicht immer mit den lautersten Mitteln geführt wurde, über kurz oder lang nicht nur eine Reihe weiterer Zeitungen aus der Bahn geworfen, sondern auch für die "überlebenden" unerträgliche Bedingungen geschaffen. Da wurden wochenlang Freiexemplare in großer Zahl verteilt, "Sozialabonnements" angeboten, untragbare Anzeigenrabatte gewährt, Uberhöhte Werbeprämien gezahlt. Man bemächtigte sich alter Zeitungstitel und versuchte sogar, mit Hilfe gerichtlicher Klagen den Konkurrenten vom Markt zu drängen (35). Überdies bemühten sich die Lizenzverleger um Kredite aus Steuermitteln und um Eingriffe der Alliierten zu ihren Gunsten (36), was die Altverleger neuerlich empörte und bei den zuständigen Offizieren vorstellig werden ließ (37). Dies alles begründet die eigentümliche Zwangslage, in der sich die Verleger im Jahre 1950 befanden. Einerseits war durch die alliierte Pressepolitik, die Zwangppachten, die Pressekampagne und die presserechtlichen Bestrebungen der Lizenzverleger (38), durch den auf beiden Seiten hart geführten Konkurrenzkampf und die Polemiken in den Verbandsorganen die Atmosphäre vergiftet (39). Andererseits konnte eine ganze Reihe nun auftauchender Probleme - angefangen von Wettbewerbsvereinbarungen, über die bald notwendig werdenden Bezugspreisabsprachen und Umfangsbeschränkungen bis hin zu Tarif- und presserechtlichen Fragen - nur in enger Zusammenarbeit bewältigt werden. Kam es hier zu keiner Verständigung, so war es dem jeweiligen Gegenüber, also dem Inserenten, Abonnenten, den Gewerkschaften und Berufsorganisationen und nicht zuletzt den politischen Amtsinhabern, ein leichtes, die beiden Gruppen zu ihrem Schaden gegeneinander auszuspielen. Die ureigensten, weitgehend auch wirtschaftlichen Interessen der Verleger waren es also, die ein Minimum an Zusammenarbeit erforderten - und dieses sogar erzwangen, als, wie noch zu zeigen sein wird, das Verhältnis der beiden Gruppen auf einem Tiefpunkt angelangt war (40). Auch die Notwendigkeit der Kooperation wurde mit einem höheren Interesse der Allgemeinheit motiviert. Die "Richtlinien" des VDZV sprachen von den Wunden, die ein "auf die Spitze getriebener Konkurrenzkampf" der deutschen Presse schlagen würde, was "letzten Endes zu Lasten des deutschen Volkes gehen" müßte (41). Bezeichnend ist, daß die Kooperation am schnellsten dort zustande kam und am reibungslosesten auf der Ebene funktionierte, wo die auf die Presse zukommenden Schwierigkeiten sich unmittelbar auswirkten und vordringlich zu lösen waren, also in den einzelnen Landesverbänden mit den Verlegern als Mitgliedern. Dagegen machten sich auf der Bundesebene neben den anfänglichen atmosphärischen Schwierigkeiten vor allem Fragen der organisatorischen Struktur des zu schaffenden einheitlichen Verlegerverbandes und personelle Probleme bemerkbar. Der VDZV hatte am 1. September 1949 ausdrücklich die Tradition aus der Zeit vor 1933 wieder aufgenommen (42) und damit auf das bereits erwähnte Organisationsprinzip der direkten Mitgliedschaft der Verleger zum Dachverband zurückgegriffen. Da es ihm, mit einigen Ausnahmen (43), gelungen war, den Eintritt von Altverlegern in die Lizenzträgerorganisationen zu verhindern und sie im VDZV zu sammeln, belief sich seine Mitgliederzahl bereits im Dezember 1949 auf rund 400 (44). Dem stand der GDZV mit nur 150 Mitgliedern gegenüber. Auf der anderen Seite vertraten diese Verleger eine Auflage von rund 8 Millionen, während die Altverleger allenfalls 3 Millionen erreicht hatten (45). Daraus ergab sich nahezu zwangsläufig eine Auseinandersetzung um das Organisationsprinzip des zu schaffenden einheitlichen Verbandes, vornehmlich also um die Frage, ob Abstimmungen 42

nach Mitgliedeizahl oder nach Auflagenhöhe durchgeführt werden sollten, anders ausgedrückt: ob gleiches oder qualifiziertes Stimmrecht einzuführen sei. Dahinter stand die Angst beider Gruppen, von der anderen majorisiert zu werden, beziehungsweise das Bemühen, sich in der neuen Organisation einen möglichst großen Einfluß zu sichern. Das "geistige Ringen" um die Fusion, wie es von den Beteiligten gerne bezeichnet wurde (46), ging sehr bald - nachdem es nur einmal anfangs eine Auseinandersetzung offensichtlich grundsätzlicher Art gegeben hatte (47) - in zähe Debatten über organisatorische und personelle Fragen Uber, Debatten, die sich zum Mißfallen der Landesverbände über nahezu fünf Jahre hinzogen. Denn letztere hatten bereits sehr früh mit der praktischen Kooperation begonnen. Schon am 1 J u l i 1949, also noch vor Aufhebung der Lizenzpflicht, kam es zu Besprechungen über den zukünftigen Wettbewerb zwischen Alt- und Lizenzverlegern in München, bei denen auch erstmals die Frage des Beitritts der Altverleger zur Lizenzträgerorganisation, wenn auch ergebnislos (48), diskutiert wurde. Mit dem allmählichen Aufbau der Landesverbände des VDZV, beginnend im Herbst 1949, wurden weitere Kontakte zwischen den jeweiligen regionalen Organisationen angeknüpft. Bei der ersten Erörterung des Fusionsproblems auf der Mitgliederversammlung des VDZV im Dezember 1949 erwies sich allerdings, daß eine ganze Reihe von Verlegern erhebliche Vorbehalte gegen die Aufnahme von Fusionsverhandlungen hegten. So wurden als Voraussetzung dafür die öffentliche Rehabilitierung der Altverleger durch "die Gegenseite", mehr Engagement der Lizenzverleger in der Fusionsfrage, eine Straffung der Organisation des VDZV (49), "volle Wiedergutmachung, Beseitigung des durch die Zwangspachten geschaffenen Unrechts und Errichtung eines fairen Wettbewerbs"(50) gefordert und eine ursprünglich entgegenkommende Resolution des Vorstandes dahingehend abgeändert, daß infolge des Wettbewerbes "solche Fusionsverhandlungen im Augenblick noch nicht möglich sind"(51). Paradoxerweise betätigte sich vor allem der bayerische Landesverband, der doch als erster Kontakte mit den Lizenzverlegern aufgenommen hatte, auf dieser Sitzung und auch in der Folgezeit als Bremser der Entwicklung. Im übrigen übernahmen sehr bald die Landesverbände, und hier in erster Linie der nordrhein-westfälische, die führende Rolle, und sie sahen sich mehr als einmal veranlaßt, die zögernden Spitzengremien zu größerer Aktivität zu treiben, wobei sie sogar Ultimaten stellten und Gegen-Verb andsgr-ündungen androhten (52). Zunächst jedoch bildeten die einzelnen Landesverbände der Alt- und Lizenzverleger-seit dem Herbst 1949 zahlreiche Arbeitsgemeinschaften, die sich mit dem Ziel, Auswüchse des Konkurrenzkampfes zu vermeiden, um die Ausarbeitung und Vereinbarung von verbindlichen Wettbewerbsrichtlinien bemühten (53). Als sich infolge der - nicht zuletzt durch den Wettbewerb bedingten - knappen Kalkulation und des sich mit dem Koreakrieg anbahnenden Rohstoff- und Papiermangels eine Krise im Pressewesen abzeichnete (-54), trafen diese Arbeitsgemeinschaften weitere Absprachen über Erscheinungs- und Umfangsbeschränkungen, Wechsel der Erscheinungszeit und Bezugspreise (55). Während auf der.Landesverbandsebene, wo es um die Wahrung konkreter wirtschaftlicher Interessen des einzelnen Verlegers ging, die Zusammenarbeit weitestgehend gedieh und eine ganze Reihe von Vereinbarungen zeitigte, kamen die Verhandlungen auf Bundesebene nur schleppend in Gang. Zwar hatten beide Seiten ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Kooperation mit dem Ziele späterer Fusion bekundet (56), 48

jedoch scheint der VDZV, nicht zuletzt aufgrund seiner langen Verbandsgeschichte und Erfahrung, intensiver auf einen Zusammenschluß gedrängt zu haben, während der GDZV nicht allzu eifrig auf eine baldige engere organisatorische Verknüpfung hinarbeitete (57). Im Juni 1950 bildeten GDZV, VDZV und die Arbeitsgemeinschaft Graphischer Verbände (AGV) große und kleine Tarifkommissionen, Fusionsgespräche kamen aber erst im September zustande (58). Der dabei erarbeitete hoffnungsvolle Ansatz zerbrach indes bei einer weiteren Aussprache am 22. Oktober in Bad Homburg. Außer in den Fragen der GARIOA-Kredite (59) und der Zwangspachtverträge wurden grundsätzliche Differenzen hinsichtlich der Organisation des zukünftigen Verbandes offenbar. Während der GDZV, der sich j a eist vor rund einem Jahr als Dachverband selbständiger Landes- und Zonenorganisationen gebildet hatte, darauf bestand, daß sich zunächst die Landesverbände beider Vereine zusammenschlössen und später eine lose Spitzenorganisation gegründet würde, strebten die Altverleger einen Zusammenschluß der beiden Organisationen mit dem jeweiligen gesamten Mitgliederbestand und eine starke Spitzenorganisation an. Überdies wollten die Vertreter des GDZV Mitglieder von Gemeinschaftsredaktionen als "unechte Verleger" ausgeschlossen wissen. Zu diesen grundsätzlichen Differenzen kamen persönliche Auseinandersetzungen, so daß das Treffen ergebnislos abgebrochen wurde (60). Indes versäumte man nicht, zur Regelung des immer dringenderen Papierproblems und zur Abstimmung der Haltung in T a r i f - , Presserechts- und Werbewirtschaftsfragen eine "Arbeitsgemeinschaft in der Spitze" zu vereinbaren (61), mit anderen Worten: "grundsätzl i c h e " Differenzen wurden hintangestellt, als es um die Wahrung konkreter und aktueller Interessen ging. Trotz des Drängens der Landesverbände - wobei Bayern zurückhaltend blieb (62) traten erst im Frühjahr 1951 erneut Delegierte beider Organisationen zusammen, die das sogenannte "Königsteiner Statut" vom 17. März 1951 als Organisationsplan eines zukünftigen gemeinsamen Vereins entwarfen (63). Bei grundsätzlich föderalostischem Aufbau (64) sah es wiederum die vom VDZV angestrebte Doppelmitgliedschaft bei Landes- und Dachverband vor (65), was eine starke Stellung des letzteren bewirken sollte. Alle entscheidenden Gremien sollten für eine Übergangszeit von zwei Jahren paritätisch besetzt werden (66), im übrigen jedes Mitglied und als solche waren reine Maternzeitungs-Verleger nicht zugelassen (67) - bei Abstimmungen eine Stimme haben (68). Während die Angehörigen des VDZV das Statut, das weitgehend dem altverlegerischen Standpunkt entsprach, auf der Mitgliederversammlung Mitte April billigten (69) und in der Folge - wiederum mit Ausnahme Bayerns (70) - auf seine Realisierung drängten (71), behandelte der GDZV die Fusionsfrage "äußerst schleppend" (72). Trotz der im Statut festgelegten Parität der wichtigsten Gremien scheinen dem GDZV Befürchtungen wegen einer möglichen Majorisierung durch die Altverleger gekommen zu sein (73). Diese versuchten immer wieder, derartige Befürchtungen mit dem Hinweis auf den alten, nach dem gleichen Prinzip organisierten VDZV zu zerstreuen, was ihnen offensichtlich nicht ganz gelang. Jedenfalls setzten, als es endlich am 17. Januar 1952 zu neuen Fusionsgesprächen kam, die Lizenzverleger durch, daß das Prinzip der Doppelmitgliedschaft aufgegeben, eine stärkere Akzentuierung des föderalistischen Elements vereinbart und beim Entsendungsmodus für die Delegiertenversammlung Mitgliederzahl und Auflage in den Landesverbänden berücksichtigt wurden (75). Zur Klärung von Einzelheiten installierte man vier

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paritätische Ausschüsse für Personal-, Satzungs-, Finanz- und Organisationsfragen, die im März ihre Ergebnisse vorlegen sollten (76). Im übrigen rechnete JÄNECKE "ohne übertriebenen Optimismus mit der Wahrscheinlichkeit", daß der "Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger" - auf diesen Namen hatte man sich ebenfalls geeinigt - zum April 1952 seine Tätigkeit aufnehmen könne (77). Doch damit hatte er sich um zweieinhalb Jahre geirrt. Während einige Landesverbände, vorweg wiederum der nordrhein-westfälische, angesichts der Zähflüssigkeit der Fusionsverhandlungen erste vollendete Tatsachen schafften, indem sie selbst fusionierten (78), und der gemeinsame Finanz- und Wirtschaftsausschuß beider Dachverbände dringend zum Zusammenschluß aufforderte (79), ergaben sich neue Schwierigkeiten. Sie waren, wie ein Verleger feststellte, wohl "weniger auf sachlichen als auf personellem Gebiet zu suchen"(80), und eben deswegen finden sich darüber in den Verhandlungsberichten nur wenige Andeutungen. Am 17. Juni unterbreiteten die Ausschüsse einer Delegierten-Konferenz beider Vereine detaillierte Vorschläge zur Stellungnahme. Man einigte sich Uber Größe und Zusammensetzungen des Präsidiums (81), billigte die Institution eines "Bevollmächtigten des Präsidiums", der zwischen dem nicht ständig tagenden Präsidium und der Geschäftsführung koordinieren sollte (82), und legte die Zusammensetzung des Vorstandes sowie der Delegiertenversammlung fest (83).. Offen blieben das Etatproblem, die Frage der Beitragserhebung und des Geschäftsführers. Die Vorstellungen des GDZV hierzu präzisierte GROSS in einem Brief an den VDZV, der sich indes befremdet zeigte, da die Vorschläge in wesentlichen Punkten nicht den Vereinbarungen vom 17. Juni entsprachen (84). Während die Etatfrage und die der Erhebung der Mitgliedsbeiträge alsbald geklärt werden konnten (85), kristallisierte sich das Problem des Geschäftsführers als letztes Hemmnis heraus. In einer Resolution zur Fusionsfrage lehnte die Mitgliederversammlung des VDZV am 11. Oktober den Anspruch des GDZV auf eine bevorrechtigte Stellung seines Geschäftsführers im BDZV'ab und bestand auf Parität (86). Offensichtlich war aber der GDZVi nicht zur Aufgabe seines Anspruchs bereit, denn im Januar beschloß der VDZV, eine kleine Verhandlungskommission zur Lösung dieses Problems einzusetzen und die beiden Geschäftsführer mit hinzuziehen (87). Unter dem Druck der Landesverbände, die für "leere Ressentiments"(88) kein Verständnis zeigten, und nach intensiver Diskussion auf der Mitgliederversammlung Ende Juni 1953 bot der VDZV einen Kompromiß an, indem er vorschlug, für ein Probejahr solle der 1. Geschäftsführer vom GDZV, der Stellvertreter vom VDZV benannt und nach dieser Zeit eine endgültige Regelung getroffen werden (89). Wieder einmal machte sich Euphorie breit, wieder einmal schrieb JÄNECKE von der "Beseitigung letzter Hindernisse", wieder einmal nannte er einen "realistischen Termin" für die endgültige Fusion - diesmal den 1. Oktober 1953 - und wieder einmal hatte er sich, wenn auch nur noch um ein Jahr, geirrt(90). Denn ganz offensichtlich (91) war dem GDZV in den folgenden Verhandlungen die Zustimmung zu der vorgeschlagenen Lösung nicht abzugewinnen, so daß der Weg erst frei war, als Vorstand (92) und Mitgliederversammlung des VDZV nochmals nachgaben und am 8. Mai 1954 die Stelle des Geschäftsführers des BDZV Philipp RIEDERLE vom GDZV zubilligten, während Freiherr vom MAUCHENHEIM, der Geschäftsführer des VDZV, die Redaktion des "Zeitungs-Verlag und ZeitschriftenVerlag" als des zukünftigen Verbands-Organs übernahm (93). Am l . J u n i beschloß' auch der Länderausschuß des GDZV die Fusion (94), am 15. Juli 1954 wurde der 45

Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger durch Delegierte der Landesverbände beider Organisationen offiziell gegründet (95). Unter seinem Präsidenten Hugo STENZEL, dem früheren Vorsitzenden des GDZV, nahm er zum 1. Oktober 1954 seine Tätigkeit auf (96). Für den - wenn auch späten - Erfolg dieser mit außerordentlicher Zähigkeit geführten langjährigen Verhandlungen war zweifellos mitentscheidend, daß es in der Zwischenzeit auf Gebieten, die Zündstoff für Kontroversen liefern konnten, zur Einigung, auf anderen zu praktischer Zusammenarbeit gekommen war. Der Konkurrenzkampf - nach WURSTBAUER, einem zeitgenössischen Beobachter und Beteiligten, ohnehin "weniger ein politisch-publizistischer, weniger ein ideologischer als ein rein geschäftlicher, ein Wettkampf der Betriebe untereinander"(97) wurde durch Wettbewerbsrichtlinien, Aufteilung des Absatzmarktes, Konkurrenzausschluß-Übereinkommen, Kooperationen und Fusionen vielfach entschärft. Auf diese Weise lösten sich auch eine Reihe von Zwangspachtproblemen, andere fanden ihre Bereinigung in Gestalt des Erwerbs eigener Betriebe durch Lizenzverleger, in Form von Betriebsgemeinschaften zwischen Alt-und Lizenzverlegern, Beendigung, Revision oder Umwandlung von Pachtverträgen in freiwillige, Kauf von Lizenzrechten durch Alt- von Lizenzverlegern, gemeinsame Nutzung von Druckereien etc. Anfang 1952 bestand in Bayern nur noch ein Zwangspachtvertrag unverändert (98), im Sommer hatte das zuständige Gericht der HICOG lediglich noch zwei derartige Streitfälle zur Entscheidung vorliegen (99). Insgesamt stellte sich - allenfalls mit Ausnahme Bayerns, wo der Kampf mit besonderer Schärfe geführt wurde - bald ein "friedliches Nebeneinander"(100) ein, das die notwendige Kooperation erleichterte. Zur Kooperation kam es ebenfalls sehr bald auf dem Gebiet der Nachrichtenagenturen. Die anfänglichen Klagen des VDZV über die "Monopolstellung" der im August 1949 aus der Vereinigung von DENA und dpd hervorgegangenen Deutschen Presseagentur(dpa), die ein für die vielen kleinen Verlage des VDZV zu teures, umfangreiches und ungeordnetes Material liefere (101), verbanden sich zunächst mit dem Ruf nach der Gründung einer zweiten Nachrichtenagentur (102). Als sich jedoch 1950 die gesellschaftsrechtliche Umgründung von dpa anbahnte und damit eine Beteiligung der Altverleger in die Nähe rückte (103), empfahl der VDZV seinen Mitgliedern die Zeichnung von Gesellschaftsanteilen (104). Zum April 1951, dem Zeitpunkt der Umstrukturierung der Nachrichtenagentur, waren die Altverleger mit insgesamt (105) 285000 DM beteiligt und entsprechend im Aufsichtsrat vertreten (106). Damit begann auch auf diesem Sektor eine enge Zusammenarbeit zwischen Alt- und Lizenzverlegern. Ein weiterer Berührungspunkt ergab sich aus der Notwendigkeit, die 1950 ausgebrochene Papierkrise zu bewältigen. Da das - seit dem Ausfall der ostdeutschen Papierfabriken - bisher bezogene Importpapier infolge des Koreakrieges und der von den USA eingeführten Vorratswirtschaft knapp wurde, kletterten die Weltmarktpreise auf eine besorgniserregende Höhe (107). Eine Steigerung der deutschen Produktion war wegen des gleichzeitigen Kohlemangels nicht möglich, weshalb neben die bereits erwähnten Absprachen über Umfangs- und Erscheinungsbeschränkungen eine gemeinsame Selbstverwaltung der Verbände trat. Sie übernahm Verhandlungen mit den Behörden und Produzenten sowie die Verteilung der zugebilligten Papierkontigente (108). Wenn es ihr auch nicht gelang, eine ausreichende Versorgung sicherzustellen, und sie sich daher vielfältige Kritik zuzog (109), so konnte sie doch die krassesten Mangelerscheinungen lindern und vor allem geschlossen die Interessen der Zeitungs46

Verleger gegenüber Industrie und Verwaltung vertreten, was sich ohne Zweifel positiv auf die Beziehungen der Verleger und ihrer Vereinigungen untereinander auswirkte (110). Eine ähnliche Form der Kooperation bewährte sich bei der Vergabe der Pressekredite. Die HICOG hatte - ursprünglich zur Bewältigung der 1950 einsetzenden Finanzkrise der Lizenzpresse, insbesondere zur Beschaffung neuer Anlagen, auf Einspruch der Altverleger dann auch für die Renovierung veralteter Anlagen (111) - 15 Millionen DM aus GARIOA-Mitteln zur Verfügung gestellt (112). Die Prüfung der Kreditanträge von Verlagen und die Verteilung der Mittel wurde einer gemischten Kommission von Alt- und Lizenzverlegern übertragen. Zwar zog sich das Verfahren in die Länge (113), auch politische Querelen und Angriffe wegen der Herkunft der Gelder und der mit ihrer Verleihung verbundenen Bedingungen blieben nicht aus (114). Letzlich gelang dem Komitee jedoch eine alle Parteien befriedigende Lösung. Auch diese Tätigkeit trag zur atmosphärischen Verbesserung der Beziehungen zwischen den Alt- und Lizenzverlegem bei und schuf dadurch eine der Voraussetzungen für die Fusion der Verbände. Im übrigen scheint vor dem Hintergrund der geschilderten Entwicklung durchaus die These vertretbar, daß - abgesehen allenfalls von den ersten Monaten nach dem Ende der Lizenzpflicht - keine grundlegenden kommunikationspolitischen Differenzen zwischen den beiden Verlegergruppen bestanden. Selbst der in den Verbandsorganen und Presseausschüssen bis in die fünfziger Jahre hinein inszenierte Kampf gegen die Matern- und Kleinpresse, der durchaus nicht gewichtiger kommunikationspolitischer Aspekte entbehrte, gewinnt angesichts der Tatsache, daß er gleichzeitig als Vehikel zur Ausschaltung unliebsamer Konkurrenz brauchbar war, einen etwas zwielichtigen Charakter. Wenn WURSTBAUER betont, der scharfe Wettbewerb der ersten Zeit sei rein wirtschaftlicher Art gewesen (115), und wenn sich überdies auf der Landesverbandsebene sehr schnell eine umfangreiche Kooperation anbahnte und entwickelte, dann ist dies wohl ein weiteres Indiz dafür, daß das "geistige Ringen" um die Fusion auf Bundesebene sich mehr an organisatorischen und personellen Differenzen entzündete als an Unterschieden weltanschaulicher, politischer und insbesondere kommunikationspolitischer Art. Hierfür liefert JÄNECKE einen unfreiwilligen Beweis, wenn er, um nicht materielle als Beweggründe für die Fusion zugeben zu müssen, auf einen Angriff des DJV-Vertreters Karl HÖPFNER (116) hin betont, daß zwischen den beiden Verlegergruppen keine ideellen Verschiedenheiten bestünden. Das lange Tauziehen bis zur Fusion sei vielmehr wesentlich durch die von den Alliierten geschaffenen Verhältnisse im Pressewesen bedingt (117). Deutlicher konnte nicht gesagt werden, daß die Hindernisse auf dem Weg zum Zusammenschluß in erster Linie Interessengegensätze waren wie die Sorge vor der Majorisierung, das Streben nach maximalem Einfluß im Bundesverband, der Versuch, den eigenen Vertretern als adäquat erachtete Positionen zu sichern. Das entspricht zugleich der weiter oben aufgestellten These, daß in den wichtigen kommunikationspolitischen Ansichten, z. B. in der Frage der Unternehmensform der Zeitung, der Haltung gegenüber den Journalisten und den politischen Amtsinhabern, keine grundlegenden Unterschiede, vielmehr weitgehende Übereinstimmungen bestanden (118). Von daher überrascht es auch nicht, daß knapp zwei Jahre nach der Fusion die Delegiertenversammlung des BDZV eine "kaum erhoffte Geschlossenheit der beruflichen Auffassungen" und das Ausbleiben jeglicher "Kampfabstimmungen" und "Frontbildungen" konstatierte (119). 47

Alt- und Lizenzverleger waren, in den gegenüber Öffentlichkeit und Journalisten zu verfolgenden Interessen ohnehin längst einig, endgültig und nahtlos zusammengewachsen.

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Zur o r g a n i s a t o r i s c h e n S t r u k t u r des Deutscher Zeitungsverleger e.V."

"Bundesverbandes

Die vorliegende Untersuchung ist vom Thema her nicht auf eine organisationssoziologische Studie hin angelegt, ganz abgesehen davon, daß eine solche Arbeit mit dem benutzten Quellenmaterial nicht zu leisten wäre. Dennoch war der Entwicklung zur Fusion der beiden Verlegerverbände nachzugehen, um zu prüfen, inwieweit unterschiedliche kommunikationspolitische Auffassungen die Vereinigung erschwerten. Und in diesem Abschnitt soll die organisatorische Struktur des BDZV wenn auch in der gebotenen Kürze - dargelegt werden, zum einen, um einen Überblick über die im Laufe der Untersuchung häufig erwähnten Verbandsgremien, ihre Zusammensetzung und Funktion zu gewinnen, zum anderen, weil offenbar die unterschiedlichen Auffassungen zum Fernseh- und Konzentrationsproblem, kommunikationspolitischen Fragen also, in Verbindung mit der dabei vom BDZV eingenommenen Haltung, wenn nicht Grund, so doch zumindest Anlaß für eine Reorganisation des Verbandes waren. Der "Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e . V. (Herausgeber der deutschen Tageszeitungen)" bezweckt "als Spitzenverband die Wahrung und Vertretung der gemeinsamen ideellen und wirtschaftlichen Interessen der Verleger der im Verbandsgebiet erscheinenden deutschen Zeitungen"(l). Dazu gehören insbesondere auch "die Wahrung der Unabhängigkeit der demokratischen deutschen Presse", die "Vertretung der Interessen der Zeitungsverlage" gegenüber politischen Entscheidungsgremien, Behörden und Organisationen, die Auskunftserteilung und Gutachtertätigkeit in "grundsätzlichen Fragen des Zeitungswesens", der Abschluß von Tarifverträgen, die Entsendung von Verlegervertretern in die Organe beispielweise der Rundfunkanstalten und die "Anbahnung und Pflege internationaler Beziehungen". Diese Zuständigkeit gilt jedoch nur, "wenn es sich um gemeinsame Angelegenheiten der Zeitungsverlage des Verbandsgebietes handelt. In allen anderen Fällen kann der Bundesverband nur im Auftrag oder mit Zustimmung sämtlicher beteiligter Mitgliedervereine tätig werden", die wiederum bei der Wahrnehmung ihrer regionalen Interessen selbständig sind (2). Mitglieder des Bundesverbandes können nicht einzelne Verleger sonder lediglich regionale bzw. lokale Verlegerverbände werden (3). Es waren dies bis 1965 der "Verein Südwestdeutscher Zeitungsverleger e . V. " (Baden Baden), der "Verband Bayerischer Zeitungsverleger e. V. " (München), der "Verein der Berliner Zeitungsverleger e . V. " , der "Zeitungsverlegerverein Hamburg e . V. " , der "Verband Hessischer Zeitungsverleger e. V. " (Frankfurt/M.), der "Verein Niederdeutscher Zeitungsverleger e . V. "(Hannover), der "Verein RheinischWestfälischer Zeitungsverleger e . V . " (Düsseldorf), der "Landesverband der Deutschen Zeitungsverleger in Rheinland-Pfalz e . V . "(Ludwigshafen), der "Verein der Zeitungsverleger im Saarland e . V . " (Saarbrücken) und der "Verein SchleswigHolsteinischer Zeitungsverleger e. V. " (Kiel). Am 19. Januar 1966 schlössen sich der rheinland-pfälzische und der saarländische Verein zum "Verband der Zeitungs-

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Verleger in Rheinland-Pfalz und Saarland e. V . " (Koblenz) zusammen, so daß der BDZV zur Zeit neun Mitgliedsvereine umfaßt (4). Diese Vereine entsenden eine j e nach Mitgliederzahl und Auflagenhöhe schwankende (5) Anzahl von Delegierten in die Delegiertenversammlung, die die Mitgliederversammlung im Sinne des Vereinsrechts und damit das maßgebliche Beschlußorgan des BDZV darstellt. Als solches wählt sie den Präsidenten und die Präsidiumsmitglieder, setzt die Fachausschüsse ein und bestellt ihre Mitglieder, überwacht Präsidium und Geschäftsführung, genehmigt Haushaltsvoranschlag und -jahresabschluß, setzt die Verbandsbeiträge fest und entscheidet über die Aufnahme sowie über die Berufung wegen des Ausschlusses von Mitgliedern. Schließlich ist die - mindestens einmal jährlich einzuberufende - Delegiertenversammlug zuständig für Satzungsänderungen, die im übrigen eine Dreiviertelmehrheit der vertretenen Stimmen erfordern (6). Den Vorstand im Sinne des § 26 BGB bildet das Präsidium, das bis zur Satzungsänderung vom 15. Mai 1963 (7) aus vier, seitdem aus sieben Mitgliedern - Präsident, zwei Stellvertreter, vier andere Mitglieder - bestand, die jeweils auf ein Jahr von der Delegiertenversammlung gewählt wurden. Das Präsidium ist den Weisungen der Delegiertenversammlung und des Hauptausschusses unterworfen, dem Bundesverband für die Geschäftsführung verantwortlich und wird, da seine Tätigkeit ehrenamtlich ist, bei der Erledigung der laufenden Geschäfte von einer hauptamtlichen Geschäftsführung unterstützt (8). Die Funktion eines "Bevollmächtigten des Präsidiums", die eigens für Walther JÄNECKE geschaffen worden war, wurde nach dessen Ausscheiden am 31. Dezember 1959 (9) nicht mehr wahrgenommen, in der hier zugrundegelegten Satzung vom 15. Mai 1963 taucht sie ebensowenig auf wie in der Fassung vom 23. September 1958 (10). Der Hauptausschuß "besteht aus dem Präsidium sowie aus dem jeweiligen ersten Vorsitzenden der Mitgliedervereine und einem weiteren Vertreter" und sorgt für die "Ausführung der Beschlüsse der Delegiertenversammlung, unterbreitet ihr die zur Erreichung der Verbandsziele zweckmäßigen Vorschläge und gibt dem Präsidium entsprechende Weisungen". Er tritt mindestens dreimal im Jahr zusammen (11). Eine mehr dekorative, wenn man so will, auch verbandspsychologische Funktion hat die Hauptversammlung der Mitglieder der dem Verband angeschlossenen Vereine, die jährlich einmal vom Präsidenten einberufen wird. Sie nimmt nämlich lediglich "den Bericht des Hauptausschusses über die im abgelaufenen Geschäftsjahr durchgeführten Maßnahmen des Verbandes entgegen und erörtert diese Maßnahmen. Empfiehlt eine Mehrheit der Hauptversammlung dem Hauptausschuß oder der Delegiertenversammlung bestimmte Maßnahmen, so müssen diese Fragen auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung der entsprechenden Organe gesetzt werden" (12). Dagegen spielen die verschiedenen, zum T e i l auch ad hoc eingesetzten Ausschüsse eine wichtige Rolle. Sie leisten Wesentliches der Sacharbeit und erstellen vielfach das Material für die Beschlüsse und Resolutionen der Entscheidungsgremien des BDZV. Ihre Stärke reicht von 19 (Ausschuß für Rundfunk und Fernsehen) bis zu fünf Mitgliedern (Ausschuß für Öffentlichkeitsarbeit und Schlichtungs- und Einigungsausschuß), ihr Aufgabenbereich vom Anzeigen- über das Vertriebs- und Tarifwesen bis zu Rechts-, Papier- und Steuerfragen, es gibt einen "Ausschuß für Publizistik und Wissenschaft" und einen "Ausschuß für Entwicklungshilfe in Verlagsund Pressefragen"(13). 49

Solchermaßen organisiert, vertritt der BDZV eine seit 1954 von 508 auf 482 im Jahre 1966 gesunkene Zahl von Zeitungen (14), und damit gut 95 o / o der Tagesund politischen Wochenpresse der Bundesrepublik (15). Die Struktur der Mitglieder dürfte dabei im wesentlichen (16) der Struktur der Tageszeitungen nach Auflagengruppen entsprechen, die sich für das erste Quartal 1966 folgendermaßen darstellt: Hauptausgaben

Auflagengruppe

abs. Anteil in o/o bis bis bis bis über

5000 10000 50000 100000 100000

abs. (Mio.)

Ver kaufs - A ufl age Anteil in o/o

173 100 151 33 45

34,5 19,9 30,1 6,6 8.9

0,43 0,71 3,43 2,29 11,94

2,3 3,8 18,2 12,2 63,5

502

100,0

18,80

100,0

Die beiden Gruppen der kleinen Zeitungen (bis 10000 Auflage) stellen also mit 273 Hauptausgaben 54,4 o / o der Gesamtzahl der Zeitungen, mit 1,14 Millionen aber nur 6,1 o / o der Gesamtauflage, während allein die Spitzengruppe der 45 Zeitungen mit mehr als 100000 Auflage 63, 5 o / o der Gesamtauflage, d. h. also zehnmal so viel wie die beiden "Kleinzeitungs"-Gruppen zusammen, bei einem Anteil von lediglich 8,9 o / o der Zahl der Hauptausgaben bestreitet (17). Betrachtet man vor dem Hintergrund dieser Relationen die Zusammensetzung des BDZV-Präsidiums, so zeigt sich - bis einschließlich 1962 - eine Überrepräsentation der beiden auflagenstärksten Gruppen (ab 50 000), die drei von vier Präsidiumsmitgliedern stellen (STENZEL, GROSS, LENSING), während der "Mittelbau" gar nicht vertreten ist und die beiden auflagenschwächsten aber titelstärksten Gruppen (bis 10 000) lediglich ein Präsidiumsmitglied (BLUME) entsenden (18). Der naheliegende Schluß, daß die Gruppe der kleinen und mittleren Zeitungen ihre Interessen in der BDZV-Spitze ungenügend repräsentiert sahen, wird gestutzt durch die Tatsache, daß seit 1958 immer wieder Anträge auf Erweiterung des Präsidiums gestellt wurden (19), die - zumindest in den Jahren 1960 und 1961, für die Hinweise vorliegen - mit dem Wunsch nach besserer Berücksichtigung der kleinen und mittleren Verlage begründet wurden. Dies war jedenfalls ein wesentlicher Gesichtspunkt der entsprechenden Forderung auf der Jahreshauptversammlung der bayerischen Zeitungsverleger vom Juni 1960 (20) und des bayerischen Antrags auf der Delegiertenversammlung vom 8. November 1961, dem sich ROMBACH für die südwestdeutschen Verleger anschloß (21). Indes brachte die im Zusammenhang mit der Fernsehpolitik des BDZV (22) am 15. Mai 1963 verabschiedete Satzungsänderung keine Stärkung der Position der kleinen Verlage sondern der der Verleger größerer Zeitungen. Denn mit der Erweiterung des Präsidiums von vier auf sieben Mitglieder rückten als neuer Präsident Anton BETZ ("Rheinische Post", 275300 (1963)) und als zusätzliche Präsidiumsmitglieder Otto Wolfgang BECHTLE ("Eßlinger Zeitung", 29800 (1963)), Franz Karl MAIER ("Der Tagesspiegel" 96000 (1963)) und Axel SPRINGER 50

("Die Welt", 269900 und "Bild-Zeitung", 4020500 (1963) u . a . m . ) nach (23). Von diesem Übergewicht von Verlegern auflagenstarker und -stärkster Zeitungen mußte BLUME als Repräsentant der auflagenschwachen Gruppen hoffnungslos in die Minderheit gedrängt werden, woran auch die Tatsache nichts änderte, daß mit BECHTLE erstmals auch der "Mittelbau" vertreten war. Fünf von sieben Präsidiumsmitgliedern jedenfalls einschließlich des Präsidenten gehörten der Auflagenklasse um 100 000 und darüber an, drei von ihnen (BETZ, NEVEN DUMONT und BECHTLE) waren überdies SPRINGER geschäftlich verbunden (24). Erst 1966 kam mit Heinz MÖLLER ("Schleswig-Holsteinische Landeszeitung", 27700 (1966)) ein weiterer Repräsentant der mittleren Gruppe hinzu, andererseits blieben infolge des Ausscheidens BLUMEs die beiden Auflagengruppen unter 10 000 nunmehr ohne Vertretung. Dies gilt auch für das neue Präsidium von 1968, das allerding? insofern ein anderes Bild bietet, als von den insgesamt fünf Angehörigen (25) vier, darunter der Präsident (Hellmut GIRARDET, "General-Anzeiger der Stadt Wuppertal", 76900 (1966)) sowie BECHTLE, MÖLLER und SCHOLZ (26) Zeitungen mit Auflagen unter 100 000 repräsentierten. Auch wenn man davon ausgeht, daß das Präsidium gehalten ist, als Vertretung der Gesamtverlegerschaft zu fungieren, so konnte doch nicht ausbleiben, daß zumindest in der Zeit von 1963-1967 die Interessen der Verleger auflagenstarker Zeitungen an Gewicht gewannen und in der Politik des BDZV vorherrschend wurden. Ein Indiz dafür dürfte die Aufforderung des BDZV vom 12. Januar 1965 an die Mitglieder der Landesverbände liefern, sich für die Erhaltung und Errichtung von Straßenverkaufsständen einzusetzen (27), was hauptsächlich den - kapitalkräftigen - Verlegern von Straßenverkaufszeitungen, nicht aber den Verlegern der fast ausschließlich im Abonnement vertriebenen kleinen und mittleren Blätter dienlich sein mußte. Daß insbesondere in der Fernsehpolitik des BDZV die Verleger, die sich gegen ein Verlegerfernsehen wandten und zumeist unter den Herausgebern kleiner und mittlerer Zeitungen zu finden waren, ihre Interessen nicht ausreichend berücksichtigt sahen, zeigt die Forderung Wilhelm EHMERs von 1967, das Präsidium möge dafür sorgen, daß die "Ansichten der zu diesem Kreise gehörenden Zeitungsverleger besser zur Geltung kommen"(28). Und wenn Ende 1967 eine "Vereinigung der Heimatund Standortzeitungen e. V. " mit dem Ziel gegründet wurde, eine "konsequente Öffentlichkeitsarbeit" nicht nur gegenüber Werbungtreibenden und -mittlem sondern auch "gegenüber der Politik" zu betreiben, um die publizistische und werbliche Bedeutung der kleinen und mittleren Zeitungen herauszustellen (29), dann liegt der Schluß nahe, daß die Mitglieder der neuen Vereinigung diese ihre Interessen im BDZV eben nicht genügend gewahrt sahen. In diesen Zusammenhang gehören offenbar auch die Bemühungen der Landesverbände - von denen, wie sich am Fernsehproblem zeigt (30), die südwestdeutschen und der hessische die Interessen besonders der kleinen und mittleren Verlage vertraten größeren Einfluß in den Beschlußgremien des BDZV zu erlangen. Es ist wohl kein Zufall, daß diese Bestrebungen sich durchzusetzen begannen, als im Jahre 1967 die Bemühungen des BDZV um ein Verlegerfernsehen mit der Veröffentlichung des "MICHEL-Berichts"(31) ihren härtesten Schlag erlitten und sich unter den Landesverbänden - wohl auch im Zusammenhang mit der Konzentrationsproblematik die offenen Gegner der Politik des BDZV mehrten (32). Die Delegiertenversammlung vom 20. November 1967 jedenfalls beschloß, eine Reorganisation des BDZV

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unter dem Gesichtspunkt einzuleiten, "wie die Verbandsarbeit zugunsten aller Mitglieder verbessert werden könnte"(33). Am 2. Juli 1968 verabschiedete die Delegiertenversammlung einen neuen Satzungsentwurf mit einer ganzen Reihe von Änderungen. War die Erweiterung des Aufgabenkatalogs des BDZV (34) um den Punkt "Wahrung der publizistischen Aufgabe der deutschen Zeitungsverleger"(35) eine Reaktion auf die im Zusammenhang mit der Diskussion um die "innere Pressefreiheit" erhobene Forderung nach Beschränkung des Verlegers auf seine unternehmerische Funktion, so konnte man in der neu aufgenommenen Formel von der "Wahrung und Förderung des Ansehens der Zeitungsverlage in der Öffentlichkeit" eine Antwort auf die vor allem anläßlich der Konzentrationsdebatte laut gewordenen Kritik an der Presse, insbesondere der Konzernpresse, sehen (36). Hierher gehört auch die ebenfalls neu kodifizierte Aufgabe der "Wahrung eines dem Berufsstand angemessenen Wettbewerbs, die Bekämpfung unlauterer Werbung sowie aller Methoden eines Verdrängungswettbewerbs" und damit zusammenhängend der "Mitwirkung des BDZV bei der Bildung von Schiedsgerichten, Schlichtungs- und Einigungsausschlissen"(37). Neben der Erweiterung des Aufgabenkatalogs brachte die Satzungsänderung eine Modifizierung der Organisationsstruktur. Das Präsidium wurde wieder verkleinert und besteht nun aus dem Präsidenten und vier Stellvertretern, die in getrennten Wahlgängen von der Delegiertenversammlung auf zwei Jahre zu bestellen sind. Den Platz des ehemaligen Hauptausschusses nimmt nunmehr das - um die neun Vorsitzenden der Landesverbände - "Erweiterte Präsidium" ein, das vom Präsidium ständig über Tätigkeit und Planung zu informieren ist. Entscheidungen von größerer Tragweite bedürfen der Zustimmung des Erweiterten Präsidiums oder der Delegiertenversammlung. Das Erweiterte Präsidium unterbreitet auch dem Präsidium die für das Erreichen der Verbandsziele zweckmäßigen Vorschläge und achtet auf die Durchführung der Beschlüsse der Delegiertenversammlung. Bei der Delegiertenversammlung, die nach wie vor als Mitgliederversammlung zuständig ist für "pressepolitische Grundsatzfragen", wechselt nunmehr der Vorsitz im Turnus zwischen den Vorsitzenden der Landesverbände. Die bisherige Hauptversammlung der M i t glieder der Mitgliedvereine soll als "Jahrestagung . . . zukünftig zu pressepolitischen Grundsatzfragen Stellung nehmen und kann dem Erweiterten Präsidium oder der Delegiertenversammlung die Durchführung bestimmter Maßnahmen empfehlen" (38). Insgesamt stellen diese Satzungsänderungen eine Reaktion sowohl auf die seit Mitte der sechziger Jahre intensivierte kommunikationspolitische Diskussion in der Öffentlichkeit und den damit verbundenen Zwang verbesserter Darstellung der verlegerischen Position als auch auf die am Fernseh-Problem deutlich gewordene unzulängliche Beteiligung der Landesverbände an der Willensbildung des Bundesverbandes dar. Allerdings machten sich Auswirkungen dieser Reform auf die Kommunikationspolitik der Verleger im hier untersuchten und mit dem Jahre 1969 endenden Z e i t raum kaum noch (39) bemerkbar. Die hier dargestellte kommunikationspolitische Aktivität ging also von einem BDZV in der Struktur der Satzung vom 23. September 1958 bzw. der geänderten Fassung vom 15. Mai 1963 aus, wie sie weiter oben referiert wurde.

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4. 4.1 4.1.1

ZUR K O M M U N I K A T I O N S P O L I T I K DER Z E I T U N G S VERLEGER IN DER BUNDESREPUBLIK Die F u n k t i o n e n der Presse in der D e m o k r a t i e Politik-, rechts- und zeitungswissenschaftliche Ansätze

Wirft man einen Blick in die politikwissenschaftliche oder Verfassung?- bzw. presserechtliche Literatur, so scheinen die Funktionen der Massenmedien und ihre Bedeutung für den demokratischen Prozeß klar. "Die Kommunikationsmittel Presse, Rundfunk und Fernsehen sind die tragenden Medien der demokratischen Debatte. Nur durch sie ist es überhaupt möglich, daß in der modernen Großdemokratie der Kommunikationsprozeß zwischen Bürgern, Gruppen und politischen Institutionen funktioniert, so daß sie zu den wichtigsten Voraussetzungen demokratischer Ordnung im 20. Jahrhundert gehören"(1). "Ob im Sinne des rechtsstaatlichen demokratischen Systems der Prozeß der politischen Willensbildung funktioniert, hängt zunächst davon ab, ob Meinungsbildung in Freiheit erfolgen kann. Die Meinungsäußerung muß dabei ebenso ungehindert erfolgen können, wie die je eigene sachgerechte Information. Beides wird wesentlich durch Umfang und Art der bestehenden Informationsmittel und der sogenannten Kommunikationsmittel bestimmt"(2). "Öffentliche Meinung setzt Einsicht in die öffentlichen Zustände voraus. Vorformung des politischen Willens ist nur möglich in öffentlicher Auseinandersetzung der unterschiedlichen Meinungen und Bestrebungen. Nur wo Publizität herrscht, kann es auch Verantwortlichkeit bei den Regierten geben. In allem ist Demokratie nach ihrem Grundprinzip eine Sache mündiger, informierter Staatsbürger, nicht einer unwissenden, dumpfen, nur von Affekten und irrationalen Wünschen geleite*ten Masse, die von wohl- oder übelmeinenden Regierenden über die Fragen ihres eigenen Schicksals im Dunkeln gelassen wird"(3). "Da kaum ein anderes Kommunikationsmittel zu so universeller Information imstande ist wie die Presse, bedeutet deren Existenz und Freiheit die wichtigste Voraussetzung der Meinungsbildung. Darüber hinaus werden gerade in der Presse selbst Meinungen gebildet und verbreitet, so daß sie wesentlicher Faktor der Bildung einer öffentlichen Meinung ist. Im Zusammenhang damit ist die Presse eines der wichtigsten Mittel permanenter öffentlicher Kritik und Kontrolle"(4). Möglichst vollständige, objektive und verständliche Information über alle politisch relevanten Tatsachen und Ereignisse, Artikulation der in der Gesellschaft vorfindlichen Meinungen und dadurch Mitwirkung bei der Meinungsbildung des einzelnen, sowie Kritik an den politischen Amtsinhabern, d. h. Kontrolle der demokratischen Entscheidungsträger, nennen auch WILDENMANN/KALTEFLETTER (5) als die politischen Funktionen der Massenkommunikationsmittel. ELLWEIN spricht vom gemeinsamen Auftrag der Presse und des Rundfunks, "im Sinne des Artikels 5 den Bürger zu informieren und ihm bei seiner Meinungsbildung behilflich zu sein"(6), LAUFER von den Funktionen der Information, der Kontrolle und Kritik, sowie der Erziehung und Integration (7). KRÜGER sieht die drei wichtigsten Aufgaben der Massenmedien im Hinblick auf die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen der Völker, die Bildung, Verbreitung und Durchsetzung der öffentlichen Meinung und die Unterhaltung (8). Peter SCHNEIDER schließlich nennt als Funktionen die Konstituierung eines politischen Forums, die Beteiligung des Bürgers an der Kontrolle durch Kritik der Träger staatlicher Zuständigkeit, sowie die Vermittlung zwischen Regierung und Volk (9). Unbeschadet der bereits hier auftretenden Unterschiede in der Beschreibung der 53

einzelnen Funktionen ist man sich doch völlig einig darin, daß die Massenmedien allgemein und insbesondere die Presse "eines der wichtigsten oder wohl das wichtigste Forum des freien Ideen- und Meinungsaustausches ist und sein soll, der für den wesensbedingt pluralistisch aufgebauten demokratischen Staat lebensnotwendig ist"(10). Von daher könne "keine Demokratie ohne Pressefreiheit" gedacht werden, diese sei geradezu eine conditio sine qua non (11), sie sei "das politisch stärkste Grundrecht, der Hort aller Freiheit überhaupt. Mit der Pressefreiheit stehen und fallen alle übrigen Freiheitsrechte"(12). Ähnlich formulierte auch das Bundesverfassungsgericht (13), als es auf die ständige geistige Auseinandersetzung, den freien Meinungskampf als das "Lebenselement" der Demokratie hinwies und daher Art. 5 GG als "schlechthin konstituierend" bezeichnete (14), der Presse "institutionellen" Charakter verlieh (15) und die Massenkommunikationsmittel als unerläßliche Medien und Faktoren der öffentlichen Meinungsbildung einstufte (16). Es entspricht dieser hohen Bewertung der Massenmedien und ihrer Funktionen, wenn Martin LÖFFLER in Anlehnung an ROUSSEAUs Wort von der Presse als der "vierten Säule des Staates" die Presse als die "vierte Gewalt" bezeichnet, die angesichts des "Fassaden"-Charakters der hergebrachten Gewaltenteilung in der modernen parteienstaatlichen Demokratie berufen erscheine, "gegenüber dem Machtstreben der den Staatsapparat beherrschenden Parteiengruppe das gesunde Gegengewicht zu bilden"(17). Unter dem Machtaspekt betrachtet auch Karl LOEWENSTEIN Stellung und Funktion der Massenmedien, wenn er behauptet: "Wer die Massenkommunikationsmittel beherrscht, beherrscht die Wählerschaft; wer die Wählerschaft beherrscht, beherrscht den politischen Prozeß"(18). Zu LÖFFLERs Ansicht ist kritisch angemerkt worden, daß er die Stellung der Presse und das Wesen der öffentlichen Gewalt verkenne:"Die öffentliche Gewalt ist Staatsgewalt; eine Presse, die nur dann frei ist, wenn sie vom Staat nicht beeinflußt wird, kann natürlich nicht eine 'vierte Gewalt" sein, weil sie nicht Staat sein will und soll"(19), sondern im gesellschaftlichen Raum angesiedelt ist (20). Dagegen hat Franz RONNEBERG ER eingewandt, daß sich solche Kritik allein auf das positive Verfassungsrecht stutze und damit Gefahr laufe, einseitig zu sein:"Sollte eine Untersuchung über die Rolle der Massenkommunikationsmittel im modernen Staat tatsächlich zu dem Ergebnis führen, daß sie eine selbständige politische Macht darstellen, einen nachhaltigen Einfluß auf das Verfassungsleben ausüben und vor allem institutionalisierbar sind, so ist durchaus die Frage berechtigt, ob hier nicht ein Element der materiellen Verfassung zur formellen Anerkennung drängt"(21). Die von RONNEBERGER konstatierte Einseitigkeit der verfassungsrechtlichen Funktionsbeschreibungen wird jedoch noch deutlicher an dem jeweils aufgestellten Katalog von Einzelfunktionen. Dabei geht es weniger darum, daß neben den durchweg zu findenden Informations-, Meinungsbildungs- und Kritikfunktionen auch die der politischen Bildung und der Integration genannt werden und damit Unterschiede in den Katalogen auftreten. Denn diese Funktionen lassen sich ohne große Schwierigkeiten ersteren unterordnen bzw. die ersteren sind durchaus so interpretierbar, daß sie auch politische Bildung und Integration einbeziehen. Aufschlußreicher sind die Schwierigkeiten der Verfasser mit der Einordnung der Unterhaltung. Während b e i spielsweise HESSE, WILDENMANN/KALTEFLEITER, LAUFER oder SCHNEIDER auf die ausdrückliche Nennung einer solchen Funktion verzichten, begnügt sich LÖFFLER - ähnlich wie Hermann MEYN (22) - mit dem Hinweis, "daß bei der Bildung der öffentlichen Meinung auch der 'Unterhaltungspresse' eine große Bedeu-

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tung" zukomme (23). Wenn LÖFFLER jedoch als Beispiel für derartige Unterhaltung "Onkel Toms Hütte", SCHILLERS "Räuber" und REMARQUES "Im Westen nichts Neues" nennt (24), dann wird daran deutlich, daß es ihm lediglich um die "wertvolle" Unterhaltung geht, die geeignet ist, bei der politischen Meinungsbildung mitzuwirken. Mit anderen Worten: auch die Unterhaltungsfunktion wird unter dem Aspekt ihrer politischen Bedeutsamkeit gesehen, sie ist also letztlich ebenfalls eine politische Funktion. Bei dieser Interpretation hat LÖFFLER - oder auch KRÜGER (25) das Bundesverfassungsgericht auf seiner S e i t e , das in seinem Fernsehurteil davon sprach, daß die Mitwirkung des Rundfunks - und das gilt sinngemäß für die anderen Massenmedien - "an der öffentlichen Meinungsbildung...sich keineswegs auf die Nachrichtensendungen, politischen Kommentare, Sendereihen über politische Probleme . . . (beschränkt); Meinungsbildung geschieht ebenso in Hörspielen, musikalischen Darbietungen, Übertragungen kabarettistischer Programme bis hinein in die szenische Gestaltung einer Darbietung"(26). Damit hat das Gericht zwar die Unterhaltung als eine Funktion der Massenmedien anerkannt, sie aber ebenfalls ausschließlich unter dem - politischen - Aspekt ihrer Bedeutung für die Meinungsbildung (27) gesehen. Die Konsequenz einer solchen Auffassung ist, daß "reine" Unterhaltung, Beiträge also, die keinen ersichtlich meinungpbildenden Charakter haben, aus dem Funktionenkatalog der Massenmedien ausgeschlossen sind. Folgerichtig rechnet beispielsweise Franz SCHNEIDER das " g e druckte Variete" nicht zum Bereich der "öffentlichen Aufgaben" der Presse und spricht ihm den Schutz des Art. 5 GG ab (28). Daraus ergibt sich aber die Notwendigkeit, zwischen beiden Arten der Unterhaltung zu scheiden - und hier wird die Problematik einer rein politikwissenschaftlichen oder verfassungsrechtlichen Interpretation der Funktionen der Massenmedien deutlich. Sie betrachtet die Massenkommunikationsmittel allein von ihrer Bedeutung für den demokratischen Prozeß, nicht aber - oder zumindest nicht in zureichendem Maße - vom Individuum her. Daher finden für die politische Meinungsbildung irrelevant erscheinende Manifestationen im Funktionenkatalog keinen Platz, sie werden allenfalls als letztlich unnötiges "Beiwerk" geduldet (29). Hält man sich jedoch den Umfang vor Augen, den dieses "Beiwerk" in den Programmen der Massenmedien einnimmt, dann drängt sich die Vermutung auf, daß derartige Funktionsbeschreibungen zwar nicht falsch, wohl aber zu eng sind, um der Realität gerecht zu werden. Zweifellos stellen die politischen Funktionen der Massenmedien den für den demokratischen Prozeß wichtigen T e i l , den Kern des Funktionenkatalogs dar - und auch in der vorliegenden Untersuchung werden sie im Vordergrund stehen - , s i e sind aber eben nur ein T e i l , der allein die Bedeutung der Massenmedien für eine moderne Industriegesellschaft vom Zuschnitt der Bundesrepublik nicht hinreichend zu erklären vermag. Kommunikationssoziologische, publizistik- und zeitungswissenschaftliche Untersuchungen gehen daher auch nicht nur von den Anforderungen aus, die der demokratische Prozeß, sondern auch von denen, die die Gesellschaft - und das heißt auch: das Individuum - an die Massenmedien stellt (30). Jürgen HABERMAS hat den "Strukturwandel der Öffentlichkeit"(31) als die Ablösung de "Publikums individuell verkehrender Privatleute", wie es für das liberale Bürgertum des 19. Jahrhundert charakteristisch war, durch das "Publikum der organisierten Privatleute"(32) beschrieben. Die "Refeudalisierung" der Gesellschaft, ausgelöst durch die zunehmende Verschränkung von öffentlichem und privatem Bereich und

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gekennzeichnet durch die sich verstärkende Tendenz der gesellschaftlichen Organisationen, "mit dem Staat und untereinander politische Kompromisse, möglich unter Ausschluß der Öffentlichkeit", anzustreben, führe - vor dem Hintergrund des Wandels des liberalen zum sozialen Rechtsstaat und der damit verbundenen sozialstaatlichen Umfunktionierung der Grundrechte - zur Ausdehnung des Öffentlichkeitsgebots "von den Staatsorganen auf alle staatsbezogen agierenden Organisationen. " Folglich sieht HABERMAS nur noch ein Publikum der organisierten Privatleute i m stande, über die "Kanäle der innerparteilichen und verbandsinternen Öffentlichkeit . . . wirksam an einem Prozeß öffentlicher Kommunikation teilzunehmen"(33). Durch diesen Strukturwandel drohe die liberale Idee der Öffentlichkeit zu verfallen: "Sie wäre heute, auf einer veränderten Basis, nur noch zu verwirklichen als eine Rationalisierung der sozialen und politischen Machtauslibung unter der wechselseitigen Kontrolle rivalisierender, in ihrem inneren Aufbau ebenso wie im Verkehr mit dem Staat und untereinander auf Öffentlichkeit festgelegter Organisationen"(34). Dies verweist zugleich auf die gewandelte Beziehung zwischen Gesellschaft und Staat. An die Stelle des Dualismus Staat-Gesellschaft, wie er das bürgerlichliberale Zeitalter kennzeichnete, sind eine "staatshervorbringende Gesellschaft"(35) und ein Staat gerückt, der weniger Bereich hoheitlicher Machtausübung und Wächter über Ruhe und Ordnung denn "Adressat und Exekutor der Interessen und Wünsche der Gesellschaft"(36), Schiedsrichter im Kampf der gesellschaftlichen Interessengruppen und - im Rahmen der Daseinsvorsorge und seiner Eigenschaft als Verwaltungsstaat Lieferant einer Fülle materieller Leistungen für das Individuum ist (37). Öffentlichkeit konstituiert sich unter diesen Bedingungen nicht mehr von selbst als "die Sphäre der zum Publikum versammelten Privatleute"(38), sie muß aber "irgendwie 'hergestellt' werden"(39), da erst in dieser hergestellten Öffentlichkeit die Auseinandersetzung zwischen den gesellschaftlichen Mächten vonstatten gehen und somit "durch Austausch, Vergleich und Abgleichung des politischen Meinens der politische Gesamtwille vorbereitet und gebildet werden kann"(40). Erst vor diesem Hintergrund wird die volle Bedeutung klar, die der Prozeß der gesellschaftlichen Kommunikation für die Geschichte des Gemeinwesens besitzt. Aber auch die Situation des Individuums hat sich im Rahmen dieses Wandels verändert. "Die Komplexität des sozialen Mechanismus, die Banden gegenseitiger Ergänzung und der Interdependenz, mögen sie nun nationaler oder internationaler Natur sein, die Unsicherheiten und die Krisen, die fortschreitende politische, wirtschaftliche und soziale Demokratisierung, der Verlust von Traditionen, das Werben für Kultur und Erziehung"(41) - alles das droht die Fähigkeit des einzelnen zur Einsicht in die Rationalität des Gesellschaftssystems zu überfordern und ein Bewußtsein der Irrationalität zu schaffen. Mögliche Folgen sind "einmal Resignation vor der vermeintlichen Undurchschaubarkeit der gesellschaftlichen Realität, ja Hypostasierung dieser zu einem schicksalhaften Naturzusammenhang, den man sich einzuordnen hat; andererseits - und oft sogar parallel zu diesem Verhalten - forciertes Verlangen nach gesellschaftsadäquater Information und Orientierung... "(42). Hieraus erwächst die - nach David RIESMAN für den außengeleiteten Menschen, wie er charakteristisch sei für die möderne Industriegesellschaft, typische - Attitüde des "Informationssammlers"(43): überzeugt, daß er den Ablauf des politischen Geschehens nicht beeinflussen und ihm lediglich Verständnis, aber keine Handlungsimpulse entgegenbringen kann, stellt der Informationssammler die Verbindung mit der Aussenwelt zunehmend Uber die Massenmedien statt durch direkte Anschauung her, 56

wobei die politischen Ereignisse durch ein Nachrichtenprisma gebrochen werden, mit der Folge, "daß von den Ereignissen gewöhnlich nur noch einzelne Strahlen aufgenommen und diese nun personalisiert bzw. pseudo-personalisiert wer den "(44). Diese Entwicklung birgt zwei Tendenzen: zum einen wird eine solche vermittelte Wirklichkeit in Gestalt eines "Lebens aus zweiter Hand" (Arnold GEHLEN) nur zu leicht nicht als das "kulturindustrielle Produkt"(45) genommen, das es ist, sondern als die Wirklichkeit selbst, zum anderen werden politische Vorgänge nicht mit einem aus eigener Handlungsintention erwachsenen Interesse verfolgt, sondern als Konsumgut betrachtet: der Raum der Öffentlichkeit wird als privater Konsumraum entpolitisiert (46). Diese Tendenzen sind umso beachtenswerter, als die Teilnahme des einzelnen am Kommunikationsprozeß unabdingbar ist, will er die Orientierung über seine gesellschaftliche Umwelt und damit auch über sich selbst gewinnen. Eine solche Orientierung wird ihm erschwert, weil die Gesellschaft - angesichts der Komplexität sozialer Zusammenhänge und Interaktionen "sich selbst zum Problem geworden" und getrieben von dem Bewußtsein, "daß sie noch viel zu wenig weiß, um sich kraft rationaler Beschlüsse behaupten zu können"(47) - sich von jedem informieren läßt, der meint, etwas zu sagen zu haben. Da diese Information in großem Umfang von den rivalisierenden Machtgruppen mit dem Ziel plebiszitärer Zustimmung zu ihren Interessen geleistet wird, stellt sich die Aufgabe der Erkenntnis interessenbezogener Berichterstattung als solcher und der Scheidung bedeutsamer von wertloser Information. Angesichts des "reißenden Stroms"(48), der "Superredundanz"(49) der auf den einzelnen zukommenden Informationen ist weniger seine Meinungsoder Unterrichtungsfreiheit gefährdet als vielmehr "die Erfüllung des Anspruchs des Staatsbürgers auf die Information, die er braucht, die ihm das wirklich Wichtige in einer für ihn optimalen Form darbietet, die ihm Einzelwissen und Überblick, T a t sachen und Hintergrund, Benachrichtigung und Orientierung bietet"(50), die zureichend ist, ihm das Beziehen einer Meinungsposition und damit die Abgabe eines politischen Votums im Wahlakt zu ermöglichen. Der gesellschaftliche Wandel mit der Auflösung herkömmlicher sozialer Strukturen und der weitgehenden Anonymisierung menschlicher Beziehungen vor allem in den städtischen industriellen Ballungsgebieten brachte dem einzelnen einen empfindlichen Verlust an primären sozialen Kontakten. So tritt in der Gesellschaft der "sekundären Systeme"(Hans FREYER) neben den Wunsch nach orientierender Information das Bedürfnis nach einem Ausgleich für diese fehlenden Kontakte. Wie Untersuchungen ergaben (51), vermißt der einzelne beim Ausbleiben seiner Tageszeitung in starkem Maße die durch persönlich gehaltene Rubriken in der Presse gebotene Illusion sozialer Kontakte. Die gleichen Untersuchungen förderten den Wunsch nach Unterhaltung im Sinne von Entspannung (escapism) zutage. Die Anforderungen des industriellen Arbeitsprozesses, die vielfältigen Krisen und Konflikte, mit denen der einzelne gerade auch in den Manifestationen der Massenmedien konfrontiert wird, das zunehmende Schwinden direkter sozialer Kontakte und die damit stets geringer werdenden Chance, diese Belastungen mit Hilfe zwischenmenschlicher Beziehungen zu bewältigen, schaffen den Wunsch, wenigstens zeitweilig in eine "andere Welt" zu entfliehen und so neue Kräfte zu sammeln für die unausweichl i c h e Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität. Unmittelbar damit zusammen hängt das - ebenfalls empirisch erhärtete - Verlangen nach "Lebensh i l f e " im Sinne praktischer Hinweise für die Gestaltung des täglichen Lebens, für 57

das Zurechtfinden in einer "immer unübersichtlicher und auch fremdartiger werdenden Umwelt "(52). Auf der Basis solcher Überlegungen hat Franz RONNEBERGER einen Funktionenkatalog der Massenmedien aufgestellt, der - Uber die "klassische" Aufgabentrias der Information, Meinungsbildung und Unterhaltung, wie sie auch in der Kommunikationswissenschaft seit jeher propagiert wird (53), hinausgehend - neben die politischen auch soziale Funktionen der Massenmedien stellt. Erstere trennt er nach "Herstellung des Raums der Öffentlichkeit", "politischer Sozialisation und Integration", "Kritik und Kontrolle" sowie "politischer Bildung", als soziale Funktionen nennt er die "soziale Orientierung", die "Sozialisation einschließlich der Enkulturation" und die "Rekreation"(54). Da ohne Öffentlichkeit der demokratische Prozeß, insbesondere der Ausgleich der politischen Macht- und Interessenrivalitäten, der eine ständige Kommunikation zwingend fordert, nicht ablaufen kann, nimmt die Herstellung des Raums der Ö f f e n t l i c h k e i t einen hervorragenden Platz unter den Funktionen der Massenmedien ein. Sie fördert außerdem nicht nur das Selbstverständnis der beteiligten Gruppen und die Artikulierung ihrer Interessen in gemeinverständlicher Sprache sondern - zumindest wird dies vom einzelnen erwartet - auch die Aufklärung des "Publikums" Uber die Interaktionen der Beteiligten. Schließlich erhalten auf diese Weise die politischen Entscheidungsträger Informationen und Anregungen, hier wird der notwendige Kontakt zwischen Amtsinhabern und den sie entsendenden Wahlbürgern hergestellt. Im Rahmen p o l i t i s c h e r Sozialisation leisten die Massenmedien die Integration der modernen Gesellschaft, sei es mehr oberflächlich als Vermittlung einheitlicher Geschmacks- und Verhaltensnormen, sei es tiefergehend durch Stimulierung und Bestimmung des politischen Vorstellungsvermögens und seiner Inhalte. "Politische Sozialisation bedeutet vor allem, daß die kleingruppenhaften und primären Bindungen in ein System umfassender sekundärer Zusammenhänge, Gebilde usf. eingebaut, eingeordnet, zum T e i l auch zu deren Gunsten überwunden werden"(55). Die p o l i t i s c h e Kontrollfunktion umfaßt neben der "klassischen", auf dem Dualismus von Staat und Gesellschaft beruhenden Kontrolle der drei Staatsgewalten auch die der gesellschaftlichen Gruppierungen: "wir haben es mit einer Art von Selbstkontrolle eines gesellschaftlich-staatlichen, pluralistischen Gesamtsystems zu tun. Die Massenkommunikationsmittel üben ihre Kontrollfunktion nicht mehr in erster Linie kraft eigenen 'Rechts* als Institution einer bestimmten Gesellschaft aus, sondern sie leihen ihre Medien den Inter- und Intraorgankontrollbedürfnissen der am staatlichen und öffentlichen Prozeß Beteiligten"(56). Voraussetzung ist die Unabhängigkeit der Medien von einseitigen Bindungen, sowie ihre gegenseitige Kontrolle, da sie sonst die einzigen - bis auf die positiven Rechtsnormen und Formen institutionalisierter Selbstkontrolle - unkontrollierten Mächte wären(57). Die p o l i t i s c h e B i l d u n g s - und Erziehungsfunktion ist nach RONNEBERGER vornehmlich in Bezug auf die Heranbildung kritischer Staatsbürger zu sehen, die imstande sind, Informationen aufzunehmen, zu bewerten, eine Meinungsposition zu b e z i e hen oder - das als Optimum - sich eine eigene Meinung zu bilden. Gerade hier kann die Unterhaltung geeignetes Mittel sein, wenn sie nicht die anderen Funktionen beeinträchtigt oder im "Feuilletonismus und perfekten Darbietungsmodus"(58) stecken bleibt. Unter s o z i a l e r Orientierung als der ersten der sozialen Funktionen der Massenmedien ist die kontinuierliche Bereitstellung jener Fülle vielfältiger Infor58

mationen zu verstehen, die es dem einzelnen ermöglichen, von den durch eine entwickelte Industriegesellschaft angebotenen Gütern und Dienstleistungen Gebrauch zu machen, "den Mangel an primären sozialen Kontakten auszugleichen und uns im Alltag zeit- und raumgerecht zu verhalten"(59). Diese Funktion ist im wesentlichen Domäne der Tagespresse und hier insbesondere des Lokalteils. "Die S o z i a l i s a t i o n s und E n k u l t u r a t i o n s f u n k t i o n wird von der Tagespresse nicht zuletzt durch die Reproduktion und Wandlung von soziokulturellen 'Werten' erfiillt"(60). Da die Journalisten in der Regel eher das Außergewöhnliche denn die "Norm" im Blick haben, deckt sich die Welt, die die Massenmedien zeichnen, nicht ohne weiteres mit der Realität, zumal Kritik am Bestehenden, sei es aus "konservativer" oder "progressiver" Sicht, eher geübt wird als Zustimmung. Hier bieten nach RONNEBERGER die eher werte-bewahrenden Programme vor allem der regionalen und lokalen Tagespresse einen Ausgleich (61). Die R e k r e a t i o n s f u n k t i o n schließlich wird durch unterhaltende Beiträge erfüllt, die dem einzelnen die Möglichkeit geben, den "hohe Disziplin erfordernden Verhaltensstrukturen des Arbeitslebens"(62) durch Entspannung und Zerstreuung in der Freizeit ein Pendant entgegenzusetzen. Allerdings betont RONNEBERGER die Gefahren für die Erfüllung vor allem der politischen Funktionen, die aus einem allzu weitgehenden Nachgeben gegenüber den Wünschen des Rezipienten nach Unterhaltung erwachsen (63). Insgesamt wird dieser Funktionskatalog, gewonnen aus einer Analyse des politischen und gesellschaftlichen Wandels seit dem 19. Jahrhundert, der Bedeutung der Massenmedien für eine entwickelte Industriegesellschaft in weit höherem Umfang gerecht als eine lediglich aus den Verfassungsnormen und damit notwendigerweise vornehmlich politischen Postulaten abgeleitete Funktionsbeschreibung, zumal wenn sie von einem Gesellschaftsbild ausgeht, das allenfalls für die bürgerlich-liberale Epoche des 19. Jahrhunderts und beschränkt auf das gebildete Bürgertum Gültigkeit besaß. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Funktionsbeschreibung der Massenmedien, wie sie - allerdings im Unterschied zu RONNEBERGER von einem normativen Ansatz her in der Nachfolge Otto GROTHs entwickelt wurde. GROTH geht davon aus, daß die Massenmedien die Funktion eines Anwalts des gesellschaftlichen Zeitgesprächs, eines Mittlers der miteinander kommunizierenden einzelnen Gruppen und Institutionen der Gesellschaft haben. Er versteht die Medien als Foren eines freien Gesprächs der Gesellschaft mit sich selbst, als Vermittler des "sozialen Zeitgesprächs". Dieses Vermitteln bedeutet nicht lediglich passives "Zurverfügungstehen", sondern aktives Gestalten. Die Medien als Vermittler "müssen zu ihrer Verwendung Gelegenheit schaffen, zur Benutzung anreizen und sie erleichtern, die Begegnungen herbeiführen, dann, wenn die Benutzung erlahmt, die Aussprache zu stocken droht, eingreifen, selbst Gedanken in die Debatte werfen und so ihren Wert als Vermittler erhöhen". Dazu gehört ein beträchtliches Maß an Kenntnis der Partner, zwischen denen vermittelt wird, und eine gewisse Elastizität. "Diese Anforderungen an den Vermittler und seine Bedeutung wachsen, wenn er die Initiative nicht den Partnern überläßt, sondern selbst Partner sucht und heranzieht, in den Partnern latente Wünsche aufspürt, schlummernde Bedürfnisse zum Vermitteln weckt, wenn er auch denjenigen, der gar nicht an ein Geben denkt, ja dazu zunächst nicht bereit ist, mit dem Gedanken des Sichäußerns, Verkündens und Mitteilens vertraut macht und ihn schließlich dahin bringt, sich seiner Vermittlung zu bedienen und sich an andere zu wenden"(64). 59

Diese Auffassung von der Funktion der Massenmedien als Anwälte des gesellschaftlichen Zeitgesprächs steht in klarem und bewußtem Gegensatz zur "publizistischen Ideologie"(65), wie sie nicht nur etwa in Emil'DOVIFATs Postulat an die Presse "durch öffentlich bedingte und öffentlich bewirkte Unterrichtung und Leitung über Gesinnungskräfte zu Überzeugung und zu Tun und Handeln hinzulenken"(66) - zum Ausdruck kommt, sondern auch weithin die Berufsauffassung der in den Medien Tätigen bestimmt. GLOTZ/LANGENBUCHER schildern den Fall des Auslandskorrespondenten, der, aus "politischer Verantwortung" heraus, bei seiner Vietnam-Berichterstattung mit Rücksicht auf die amerikanischen Interessen wesentliche, für die Politik der USA ungünstige Informationen für sich behielt (67), Wie auch immer die zugrundeliegenden Motive zu bewerten sein mögen, ist dies doch ein Beispiel für ein "publizistisches", nicht aber "journalistisches" Verständnis der Aufgaben des Pressemannes: der Auslandskorrespondent "weigert s i c h . . . , die Berufsrolle, die ihm in einer demokratisch geordneten Industriegesellschaft zukommt, zu akzeptieren. Er will nicht Vermittler, Gesprächsanwalt sein, sondern will (in einem ganz bestimmten Sinn) politisch 'wirken'. Er schlüpft in die Berufsrolle des Politikers, des politisch verantwortlich Handelnden und 'entscheidet' sich für eine ganz bestimmte Position"(68). Die Folge ist, daß er nicht vollständig über These und Gegenthese eines politischen Streitgegenstandes, nicht über Sicht und Gegensicht eines aktuellen Themas berichtet und damit die Grundlage für eine freie öffentliche Debatte schafft, sondern diese Debatte - indem er ihr wesentliche Gesichtpunkte vorenthält - bereits von vornherein in eine bestimmte Richtung lenkt. In letzter Konsequenz wird damit die Demokratie "zur Farce"(69), da einige wenige Auslandskorrespondenten und Redaktionen den Gang der politischen Debatte bestimmen. "Die Gesellschaft, der die Grundlagen einer öffentlichen Debatte und einer politischen Entscheidung, die Informationen und die alternativen Meinungen, vorenthalten werden, . . . eine solche Gesellschaft braucht man nicht zur politischen Entscheidung aufzurufen. Man hat längst für sie entschieden"(70). Nun kann man sicherlich angesichts der hohen Auflagenzahlen einer stark mit emotionalen Appellen arbeitenden Massenpresse zu der Meinung kommen, die These von der politischen Entscheidungsbildung durch eine rationale demokratische Diskussion sei angesichts der Irrationalität des einzelnen utopisch. Dann muß man jedoch konsequenterweise eingestehen, "daß schon der Ansatz dieses Ansatzes, nämlich die Idee der Demokratie utopisch war"(71), und sich für eine wie auch immer geartete Erziehungsdiktatur entscheiden. Es sei denn, man stellt sich auf die Basis der "social responsibility theory", bei der "man is viewed not so much irrational as lethargic. He is capable of using his reason, but he is loath to do so"(72). Von diesem Ansatz her ergibt sich die Möglichkeit, durch geschickt aufgebaute Programme die "Denkabneigung" des einzelnen zu überwinden. Wie der Pädagoge Hartmut von HENTIG betont, gibt es "eine, von der Schule freilich verschüttete, ursprüngliche Freude am Verstehen. Didaktisch sorgfältig aufgebaute Fernsehsendungen beweisen uns das t ä g l i c h . . . In unseren Zeitungen fehlt vielfach die gut aufbereitete Belehrung über Hintergründe, Zusammenhänge, Begriffe, Einrichtungen und ihre Geschichte. In kleinen konstanten Dosen verabreicht, würde sie fraglos ein 'gutes Geschäft' bedeut e n " ^ ) . Zugleich würde sie ein wesentliches Kriterium des "Vermitteins" erfüllen: die Anpassung des vom Ausgangspartner Vermittelten an die Interessen und Fähigkeiten des Zielpartners, sprich: Lesers, Hörers oder Zuschauers.

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Von einem ganz anderen Ausgangspunkt her könnte man gegen die Kritik an der Haltung des erwähnten Auslandskorrespondenten einwenden, der einzelne habe j a die Möglichkeit, sich aus verschiedenen Quellen zu unterrichten und so doch die volle Vielfalt der Informationen und Gesichtspunkte kennenzulernen. Das ist j e doch aus zwei Gründen unzutreffend. Zum einen ziehen sich - Beispiele sind bei GLOTZ/LANGENBUCHER nachzulesen (74) - Informationsdefizite gerade in der Auslandsberichterstattung nur zu oft durch die gesamte Presse der Bundesrepublik, so daß auch die Lektüre mehrerer Zeitungen keine vollständigere Information sichert. Zum anderen geht die Annahme von dem sich aus verschiedenen Quellen umfassend orientierenden einzelnen wie weiter unten noch zu zeigen sein wird (75) - weitgehend an der Realität vorbei. Die große Mehrzahl der Bürger bezieht ihre Informationen neben den elektronischen Medien und Publikumszeitschriften aus e i n e r Tageszeitung (76), die also mit Ausnahme vielleicht der überregionalen Berichterstattung, wo elektronische Medien und Zeitschriften die Möglichkeit ergänzender Information bieten - bei diesem einzelnen eine Art "Veröffentlichungsmonopol" besitzt. Versteht sich nun der Redakteur einer solchen Zeitung, die die Grundlageninformation des Lesers liefert (77), nicht als Vermittler oder Gesprächsanwalt, sondern als "Publizist", der in eine bestimmte Richtung wirken will, seine Beiträge in diesem Sinne gestaltet und dies mit dem Recht auf seine individuelle Meinungsfreiheit begründet, dann entsteht keine gesellschaftliche Diskussion, sondern eher eine "Podiumsdiskussion" ohne jegliche Gesprächsleitung und -regelung:"Ein Chaos von Ansprachen und Monologen ist die Folge, nicht aber Vernehmbarkeit der Stimmen, nicht Transparenz der verschiedenen Positionen, nicht Austausch und Verständigung"(78). Demgegenüber beinhaltet die Interpretation der Massenmedien als Anwälte des sozialen Zeitgesprächs " k o m m u n i k a t i v e V e r m i t t l u n g des individuellen und kollektiven Redens und Beredens und seine öffentliche Präsentation bzw. Repräsentation als Darstellung gesellschaftlicher Zeit-Kommunikation. Deren A n w a l t und ehrlicher Makler, nicht aber Träger ist der Journalist p r i n z i p i e l l , und erfüllt 'seine' Zeitung (weit davon entfernt, s e i n Organ zu sein) diese soziale Funktion, dann ist sie das gesamt-gesellschaftliche offene F o r u m dieser Kommunikation, das von Publizisten a l l e r Kulturbereiche (warum nicht a u c h von sachverständigen, wortmächtigen Journalisten?) partnerschaftlich bestritten wird. D i e s e der Demokratie unentbehrliche s o z i a l e Funktion stellt dem Medium die 'öffentliche', d . h . g e s a m t - g e s e l l s c h a f t l i c h e Aufgabe: Vermittlung, Repräsentation des ganzen sozialen Fühlens, Wollens und Denkens in Wort, Schrift und Bild, aus denen pluralistischdemokratisches Leben und Tun, die gesellschaftlich gesteuerte und verantwortete Geschichte des Heute und Morgen erwächst"(79). Folglich nehmen der Bericht in allen seinen journalistischen Formen, Beiträge von Vertretern der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gruppen und der Leser eine hervorragende Stellung ein, hier liegt die journalistische Aufgabe der Medien, während die - beispielsweise in Kommentaren zum Ausdruck kommende - "eigene Linie" lediglich "private Beigabe" ist (80). Diese Interpretation der Funktion der Massenmedien in einer entwickelten Industriegesellschaft stößt, wie noch zu zeigen sein wird (81), bei den Verlegern auf vehemente Ablehnung: sie stellen sie als "Kommunikations-Ideologie" auf eine Stufe mit individuums-feindlichen Gesellschaftslehren wie dem Kommunismus. Hier 61

ist nun bemerkenswert, daß die Ansätze zu der beschriebenen "Gesprächsanwalts" -Funktion bereits 1947 in einem Lande formuliert wurden, das gemeinhin als Hort individualistischer Verfassungsinterpretation gilt. Die "Commission on Freedom of the Press" kam bei ihrer Untersuchung der amerikanischen Presse zu dem Schluß, diese sei "nicht frei, wenn die Leute, die sie bedienen, sich so verhalten, als verleihe ihnen diese Stellung das Vorrecht, ihre Ohren gegen Gedanken zu verschließen, auf welche die Redefreiheit ihre Aufmerksamkeit gelenkt hat"(82). "Das First Amendement zu unserer Verfassung beabsichtigt, die Freiheit der Meinungsäußerung zu gewährleisten, nicht aber eine privilegierte Industrie zu schaffen"(83). "Das Bedürfnis des Empfängers nach angemessener und unverdorbener Kost ist derart dringend, daß sie ihm nicht vorenthalten werden darf. Und wegen dieser Pflicht wächst sich sein Interesse zu einem Rechtsanspruch aus. Die Auffassung, daß die Menschen ein moralisches Recht auf Unterrichtung haben, die für sie von Nutzen ist, gewinnt eine gesetzliche Grundlage"(84). Von daher sei es Aufgabe der Presse, einen "wahrheitsgemäßen, umfassenden und verständigen Bericht über die Tagesereignisse in sinnfälliger Fassung" zu liefern, "Forum für den Austausch von Erläuterung und Kritik" zu sein, den "Entwurf eines Bildes, das die maßgebenden Gesellschaftsgruppen zutreffend darstellt", zu schaffen, die "Darstellung und Erklärung der Ziele und Werte der Gesellschaft" zu leisten sowie "unbehinderten Zugang zum Nachrichtendienst" zu ermöglichen (85). In diesen Feststellungen und Forderungen ist die These vom Massenmedium als dem Mittler des gesellschaftlichen Zeitgesprächs, der eine dienende Funktion als Kommunikations-Anwalt, nicht aber eine privilegierte h etwa gar aus der Gesellschaft herausgehobene und zwischen dieser und dem Staat angesiedelte Position als Kritiker, Kontrolleur oder Erzieher besitzt (86), unverkennbar angelegt. Von einem solchen Ansatz her gewinnen auch die einzelnen Funktionen der Massenmedien neue Aspekte. Zwar nehmen auch hier die Informations- und ArtikulationsFunktion - bei RONNEBERGER zusammengefaßt im "Herstellen des Raums der Öffentlichkeit" - eine hervorragende Stellung ein. Dabei hat die Information nicht nur vollständig, ausgewogen im Sinne der Repräsentanz aller relevanten, also auch dem Redakteur unliebsamer Fakten und Meinungen, wahrheitsgetreu und verständlich zu sein, sondern sie hat die Tatsachen durch Hintergrundberichte und Interpretationen in den Kontext zu stellen, der dem einzelnen ihre Einordnung erlaubt. Die "facts" allein genügen nicht, sie sind als "Facts in Perspective"(87) darzulegen, der Leser benötigt ein "konsistentes Bewertungssystem"(88). Wenn damit eine Überprüfung des Gebots strikter Trennung reiner Tatsachen- und interpretierender Berichterstattung nötig wird, dann nicht im Sinne textimmanenter Kommentierung der Tatsachen unter einem Meinungsaspekt - etwa als Suggestivkommentar - , sondern derart, daß der einzelne die Zusammenhänge erfährt, in die die Tatsachen einzuordnen sind, die sie bewertbar machen. Nicht um die Wertung des Publizisten geht es also, sondern um die Wertbarkeit der Information durch den einzelnen. Durch eine derartige Berichterstattung ist auch die Gefahr zu vermeiden, die in einer "Verfremdung und Entschärfung politischer Informationen durch Personalisierung gesellschaftlicher Tatbestände" liegt (89). Bei der Artikulationsfunktion geht es in erster Linie nicht um die wertende Stellungnahme des Journalisten, sondern um die D a r s t e l l u n g aller relevanten, d. h. von gesellschaftlichen Gruppen vertretenen und wenigstens minimalen gesellschaftlichen Grundnormen genügenden Meinungspositionen. Der Journalist soll "der Meinung Aller eine 62

Chance . . . geben"(90), so daß der einzelne nicht von vornherein in eine bestimmte Meinun^position gedrängt wird, sondern entweder seine bereits vorhandene Meinung dargestellt findet oder eine der dargestellten beziehen oder sich aus dem Vergleich der dargestellten selbst eine Meinung bilden kann. Eine derartige Information über Tatsachen und Meinungen, die, mit dem nötigen Hintergrund versehen, die Geschehnisse für den einzelnen verständlich macht, ihm also "Orientierungswissen" vermittelt, wird verhindern, daß er sich resignierend abwendet und, weil ihm die Einsicht in die gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge und folglich auch die Überzeugung des eigenen Betroffenseins fehlen, die Geschehnisse auf der politischen Bühne lediglich als - nicht einmal sonderlich interessantes - Spektakel konsumiert. Gerade in dieser vertiefenden Information liegt, etwa in Gestalt der Zweitinformation als Ergänzung zu den kurzen und indisponiblen (91) Erstinformationen der elektronischen Medien, heute die "eigentliche Domäne der Tageszeitung"(92). Schließlich ist durch eine Information, die das gesamte Spektrum sozialer Zeitkommunikation widerspiegelt, der Gefahr zu begegnen, daß das Bild, das sich der einzelne von seiner Umwelt auf der Basis der Programme der Massenmedien macht, von der Realität abweicht, weil das "kulturindustrielle Produkt" interessenbestimmte Fiktion, nicht aber Abbild der Wirklichkeit ist. RONNENERGER hat darauf hingewiesen, daß die Kontroll- und Kritikfunktion von der Presse nicht "Kraft eigenen 'Rechts* als Institution einer bestimmten Gesells c h a f t " ^ ) wahrgenommen werden soll, sondern daß sich die Medien als Austragungsort gegenseitiger Kontrolle der gesellschaftlichen Gruppen verstehen müssen. In der Tat ist nicht einzusehen, wieso ausgerechnet wenige tausend Journalisten, lediglich durch ihre Berufswahl legitimiert, die wichtige Funktion der Kontrolle der politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsträger monopolisieren sollten. Zwar sind auch in einer demokratischen Industriegesellschaft Kritik und Kontrolle der Entscheidungsträger nötig, aber nicht ausschließlich oder in einer irgendwie privilegierten Weise von einem Journalisten, der sich - wie mit einiger Berechtigung im autoritären Staat - als Vertreter und Sprecher der Gesellschaft gegenüber der Obrigkeit sieht, sondern in erster Linie als Vermittler gegenseitiger Kritik, denn "die Kritik an der Obrigkeit kommt aus vielen Gruppen und Parteien in der Gesellschaft: Die Opposition kritisiert die Regierung, die Regierung die Opposition, die Gewerkschaften kritisieren die Arbeitgeber, die Arbeitgeber die Gewerkschaften, einzelne Staatsbürger kritisieren die Parteien und so weiter"(94). Diesen Dialog in den Massenmedien nachzuzeichnen, ihn für den einzelnen transparent zu machen, ist in erster Linie Aufgabe des Journalisten, nicht aber in selbstangemaßter Sprecher-Rolle f ü r die gesellschaftlichen Gruppen eine eigene Kontrollfunktion wahrzunehmen. Das Recht, seine eigene Meinung zu vertreten, ist dem Journalisten unbenommen, vor allem dann, wenn er damit bislang nicht beachtete Gesichtspunkte, wie etwa den des Allgemeinwohls, in die Debatte wirft (95) - aber dieses Recht rangiert an nachgeordneter Stelle: im Vordergrund steht die "Vermittlung der Kritik aus allen Gesprächskreisen der Gesellschaft"(96). Nach GLOTZ/LANGENBUCHER hat die "publizistische Ideologie" zwei Aspekte: den der Einseitigkeit und den der Unverständlichkeit. Das heißt, es wird nur das vermittelt, was zum einen der Meinung des Journalisten entspricht, zum anderen den Anspruch auf "Seriosität" erfüllt. "Statt auf den Leser einzugehen, gibt man sich lieber 'seriös' und absolviert vor aller Öffentlichkeit, eben in der Zeitung, 63

sein eigenes Hobby-Programm"(97). Damit wird eine vieldiskutierte Problematik berührt. Wenn nach GROTH Gegenstand der Vermittlung a l l e Themen sind, die in die "Gegenwelten", d . h . in die Interessenbereiche der kommunizierenden Partner fallen, und wenn der Kommunikationsvorgang nur zustandekommt, wenn beide das Gegenwelt-Datum des jeweiligen Partners berücksichtigen, dann heißt dies übertragen in die Sprache der aktuellen Diskussion - , daß der Journalist die Bedürfnisse des Rezipienten berücksichtigen muß. Anstatt die LeserwUnsche als "falsche Bedürfnisse" oder "primitiven Massengeschmack" zu verachten, muß er, will er überhaupt gehört werden, sich mit den Wünschen der Rezipienten auseinandersetzen. " 'Auseinandersetzen' mit den Bedürfnissen, das heißt selbstverständlich nicht, sie fraglos zu befriedigen. Auseinandersetzen heißt, diese Bedürfnisse als Daten zu berücksichtigen"(98). Hierbei entfaltet bis zu einem gewissen Grade der Marktmechanismus brauchbare Funktionen als Steuerungselement, indem er über die Auflagenentwicklung das Maß der Koinzidenz der Medienprogramme mit den Leserbedürfnissen anzeigt. Indes darf nicht vergessen werden, daß zum einen der Kaufentscheid des einzelnen häufig nicht vom Zeitungsinhalt allein oder auch nur in erster Linie abhängt o stammen die Bemerkungen JÄNECKEs und BETZ' aus Repliken auf Walter HAGEMANNs Streitschrift "Dankt die Presse ab?"(68), in der die Kapitulation der Presse vor ihrer politischen Aufgabe gegeißelt wurde, und SPRINGER äußerte seine Ansichten in einer Rede zur Verteidigung seines Konzerns, bei der es ihm zwangsläufig um die Relativierung seiner Macht gehen mußte. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, daß sich die Auffassungen der Verleger über Bedeutung, Stellung und Wirkung der Presse nicht nur mit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis wandelten, sondern auch den jeweiligen taktischen Erfordernissen anpaßten (69). Was nun die Einzelfunktionen anbetrifft, so standen hier die politischen und von diesen wiederum die Informationsfunktion im Vordergrund. Die Presse solle "getreuer Spiegel der wirklichen Vorgänge"(70), "Spiegel des Zeitgeschehens"(71), "klarer Spiegel der öffentlichen Meinung"(72), "echter und wahrer Spiegel der Zeit"(73), "zuverlässiger Spiegel" der "Vielgestaltigkeit des Lebens"(74) sein. Mit dem Begriff des Spiegels und den beigefügten Attributen wird zugleich auf die Notwendigkeit objektiver Berichterstattung verwiesen: "objektive Nachrichtengebung"(75), eine "wahrheitsgetreue Unterrichtung"(76), die "tägliche gewissenhafte und umfassende Chronik des weltweiten, regionalen und lokalen Geschehens aller Gemeinwesen"(77) seien unabdingbar. Dabei dürfe die Zeitung die ihrer "Grundeinstellung widersprechenden Ansichten und Meinungen aus der Öffentlichkeit . . . nicht einfach totschweigen. Das öffentliche Bewußtsein kann durch die Zeitung nur in einer offen geführten Diskussion geweckt und in aktiver Bereitschaft gehalten werden"(78). Allerdings sah man, daß völlige Objektivität nicht erreichbar sei, was jedoch das ständige Streben nach Wahrhaftigkeit (79) bzw. Sachlichkeit (80) umso nötiger mache. BINKOWSKI erweiterte diese vorwiegend politisch orientierte Interpretation um das soziale Element. In Anlehnung an Howard BECKER (81) bezeichnete er Sicherheit, Erwiderung, Anerkennung und das Neuheitserlebnis als die vom Menschen in der Gesellschaft angestrebten Ziele, die - mit Hilfe der Massenmedien verwirklicht die Entfaltung der Person ermöglichten. Dabei hob er den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse heraus, wenn er die Komplexität der modernen Industriegesellschaft, die Existenz der "gemachten" neben der "gewachsenen" Welt, der sekundären neben der primären Sozialsystemen und die Überforderung des Erlebnishorizonts des einzelnen beschrieb (82). "Der Bereich der Öffentlichkeit ist nicht von selbst gegeben, sondern muß erst irgendwie hergestellt werden. Öffentlich wird heute bloß, was veröffentlicht ist. Erst durch das Öffentlichmachen ihrer Programm e , Absichten, Stellungnahmen, Ziele treten Gruppen, Institutionen und Parteien mit und untereinander in Kommunikation. In der Öffentlichkeit vollzieht sich die gesellschaftliche Willensbildung auf eine mehr oder weniger organisierte Weise"(83). Weil nun die "machbare" Welt seinen "Erlebnishorizont" überschreite, wolle der Mensch wenigstens seinen "Erfahrungshorizont" weiten. "Zeitungen helfen ihm dabei und vermitteln ihm Erfahrungen zweiter Hand, die ausreichen, um sich in der Welt zurechtzufinden"(84). Allerdings benötige er dazu - wegen des ständigen Wandels - kontinuierliche und überdies "nicht irgendwelche Information, sondern j e n e , die es ihm optimal ermöglicht, sie als Orientierungphilfe zu gebrauchen und der sozialen Verantwortung gerecht zu werden"(85). Das leitet über zur sogenannten interpretierenden Berichterstattung. In den frühen fünfziger Jahren waren die Plädoyers der Altverleger für diese Art der Information 71

deutlich orientiert an der Lizenzpresse, die sie wegen der dort geübten "reinen, zusammenhanglosen Nebeneinanderstellung der Nachrichten"(86) ablehnten. Sie forderten die "Erläuterung dieser Vorgänge"(87): "Die lebhaft gestaltete MeinungsZeitung würde vom Leser der reinen Nachrichten-Zeitung und auch dem Parteiblatt vorgezogen werden"(88). Die hierbei mitschwingende Gefahr, daß aus der sachbezogenen Interpretation eine meinungsorientierte Kommentierung wird, scheint gleichermaßen nicht ausgeschlossen, wenn man statt einer "Serie von Bildern, die sich nicht ineinanderfügen" die "innere Verknüpfung" durch den Kommentar forderte, "der allein aus dem Mosaik der Meldungen ein anschauliches Bild erzeugen k a n n . . . "(89). Offenbar sah "ZV + ZV" dieses Problem, wenn er die interpretierende Nachrichtengebung als "bedenklich" bezeichnete, "denn in logischer Fortführung dieser Gedanken und unter der Feder politisch nicht objektiver oder sogar abhängiger Nachrichtenredakteure kann sich jede interpretierende Berichterstattung in eine einseitige und nicht mehr objektive Nachrichtengebung verwandeln"(90). Erst als man sich unter dem Druck der konkurrierenden elektronischen Medien um eine Neuinterpretation der Informationsfunktion der Presse bemühte, kam man auf die Notwendigkeit der "Information im Kontext" zurück. Erich WAGNER forderte nunmehr von der Presse "Nachrichten mit interpretativen Elementen"(91), eine auf die Möglichkeiten der Tagespresse zugeschnittene "Synthese aus der Agentur-Nachricht und der analysierenden Nachrichten-Story im ' T i m e ' - S t i l . . . "(92). "Wir werden zwar", so BINKOWSKI, "nach wie vor eine Auswahl aus der Fülle der Informationen treffen, gleichzeitig aber das, was wir anbieten, durch zusätzliches Material bereichern müssen, um unsere Eigenart gegenüber Hörfunk und Fernsehen klarer herauszustellen und dem Leser durch Aufdecken von Hintergründen und Zusammenhängen ein Orientierungswissen zu vermitteln"(93). Gleichzeitig mit der Informationsfunktion wird auch die der politischen und sozialen Integration gesehen. Die Presse sei für den Staat eine "echte und treue Verbündete, um den Leser und Staatsbürger aus der Isolierung eines verneinenden Mißtrauens an die bejahende Anteilnahme am öffentlichen Geschehen heranzuführen"(94), ein "Verbindungsweg" zwischen "Regierenden und Regierten, zwischen Abgeordneten und Wählern"(95), der die "Absonderung" beseitigt, in der "die Routiniers ihre politischen Geschäfte betreiben"(96). Die Zeitung vermittle "jene gemeinsamen Vorstellungen und Begriffe, ohne die ein Gemeinschaftsleben nicht möglich ist"(97): "Der einzelne fügt sich den Sozialformen ein, paßt sich Sitten und Gebräuchen an, wodurch Triebe und Wünsche gebunden werden. Er setzt sich aber auch mit dem, was in der Gesellschaft vorhanden ist, auseinander"(98). Die im Zusammenhang mit der Informationsfunktion von den Verlegern akzeptierte Rolle eines neutralen Mittlers wird bei der Meinungsbildungsfunktion weitgehend zugunsten eines "publizistischen" Verständnisses verlassen. Zwar kommen hier gelegentlich Elemente der Artikulationsfunktion im Sinne objektiver und umfassender Darstellung der in der Gesellschaft vorhandenen Meinungspositionen durch (99), es überwiegt aber die These, die Presse müsse selbst Meinungen vertreten und formen. Noch verschwommen in Formeln wie "führende Gestalterin der Volksmeinung"(100), "Instrument der Meinungsbildung ersten Ranges"(101), wird dieses Verständnis der Meinungsbildungsfunktion deutlicher, wenn etwa REINOWSKI von den Tageszeitungen fordert, eine "eigene Meinungspersönlichkeit" zu sein. "Ihr Ansehen, ihre Bedeutung wächst in dem Maße, wie es ihnen glückt, ihrer Stimme im Meinungsaustausch Gehör zu verschaffen und ihre Ansicht zur Geltung zu 72

bringen"(102). Wenngleich die Meinungen über die Reaktion des Publikums auf eine solche Presse auseinandergingen - Alfred NEVEN DUMONT konstatierte: "Der Schluß, daß eine Zeitung nicht wegen, sondern trotz ihres politischen Engagements erfolgreich zu sein vermag, ist nicht überspitzt"(103) - , fand sich durchweg das Postulat, die Zeitung müsse sich am "politischen Meinung?kampf durch eigene Stellungnahme"(104) beteiligen und "die Leser über unverfälschte Nachrichtengabe hinaus mit einer eigenständigen und meinungsbildenden Kommentierung aller Angelegenheiten von öffentlicher Bedeutung unterrichten"(105). Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zum "Führungs"-Anspruch: "Wer die Ansprechbarkeit des breiten Publikums zum bestimmenden Faktor der Gestaltung der Zeitung macht, gibt den Anspruch auf, zu führen . . . das heutige Bemühen der Presse geht dahin, eine Form zu finden, die den Leser anspricht, ohne daß die Zeitung von ihrer Informations- und Führungsaufgabe etwas aufgibt"(106). Nun soll nicht bestritten werden, daß der Journalist im Rahmen seiner Meinungsfreiheit auch das Recht eigenständiger Kommentierung hat - nur: dieses Recht rangiert an nachgeordneter Stelle. Meinungsbildungsfunktion bedeutet in erster Linie Artikulation der von den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bezogenen Meinungspositionen, so daß sich der einzelne ein Bild machen und eine dieser Positionen oder eine eigene beziehen kann. Die These von der Teilnahme der Zeitung als "Meinungspersönlichkeit" am politischen Kampf umschreibt jedoch das, was weiter oben als "publizistische Ideologie" bezeichnet wurde. Und wenn sie schließlich gar zu einem "Führungs"-Anspruch gerinnt, dann begibt man sich in die Gefahr, statt politische Geschehnisse zu referieren und reflektieren, selbst Politik zu m a chen (107). Ihr Pendant findet diese elitäre Auffassung in den Ansichten der Verleger zur Kontroll- und Kritikfunktion. So meinte "ZV + ZV" in Anlehnung an Thomas JEFFERSON: "Die Kontrolle aller die staatliche Macht verkörpernden und anwendenden Organe ist wichtiger als diese Organe selbst"(108), und OPPENBERG teilte der Presse die Funktion des "Wächters", des "getreuen Ekkehard" zu, "der seine warnende Stimme erhebt"(109). Es war die Rede von dem "der Presse im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgabe zustehenden Recht zur Kritik"(110), von ihrer "Kontrollfunktion im politischen und wirtschaftlichen L e b e n " ( l l l ) . "Auf diese Weise sind Zeitungen die entschiedensten und wirksamsten Verteidiger der Demokratie. Die Wachsamkeit der politischen Tageszeitungen ist notwendig, unschätzbar und preislos"(112). Besonders in den fünfziger Jahren machte man sich häufiger Gedanken über Art und Ausmaß der Kritik, so wenn man etwa forderte, Kritik solle nicht um ihrer selbst willen geübt werden, um keine Gegnerschaft zwischen Volk und Regierenden zu schaffen, die "zu einer Untergrabung der demokratischen Autoritäten schlechthin und schließlich zum Nihilismus führen kann"(113). NOTHAFT verlangte gar eine gesetzliche Regelung, die hemmungslose, "zerstörerische" Kritik, insbesondere das "Abschießen" von Politikern unterbinden sollte (114). Andererseits wehrte man sich gegen die Empfindlichkeit der Kritisierten. An einem von der Presse aufgedeckten Skandal sei der Betroffene, nicht aber die Presse schuld (115). "Die Wahrheit m a g unangenehm sein, peinlich, störend, j a tragisch - zersetzend ist s i e nie! Deshalb ist auch Kritik, die sich an die Wahrheit hält, nicht zersetzend oder gefährdend . . . "(116). Insgesamt verstehen die Verleger - sieht man von vereinzelten Ausnahmen ab(117) die Kritikfunktion der Zeitung weniger als Bereitstellung eines Forums für die 73

gegenseitige Kritik der gesellschaftlichen Mächte als vielmehr in dem Sinne, daß die Presse als eigenständige Kraft selbst die Kontrolle und Kritik der gesellschaftlichen Mächte zu leisten habe. Es ist dies eine Auffassung, die sich mit der These von ihrer aus der Gesellschaft herausgehobenen Position, von der "soziologischen vierten Macht" deckt und unübersehbar "publizistische" Züge trägt. Daß zur Wahrnehmung einer so verstandenen Kritikfunktion Unabhängigkeit - insbesondere von den zu Kritisierenden - nötig ist, wurde von den Verlegern immer wieder hervorgehoben. "Denn nur unter der Voraussetzung voller ideeller und m a terieller Unabhängigkeit ist der ZeitungsVerleger frei von jedem äußeren Einfluß und damit erst in der Lage, die ihm zufallende Aufgabe im Dienst an der Bildung einer freien öffentlichen Meinung zu erfüllen" (118). Das beinhaltet einerseits die "Unabhängigkeit von staatlichen Einflüssen jeder Art"(119), andererseits das "Verständnis" des Staates für Forderungen der Presse auf wirtschaftlichem und steuerlichem Gebiet (120). Mit anderen Worten: der Staat ist aufgefordert, sich von allen die Unabhängigkeit der Presse gefährdenden Eingriffen zurückzuhalten und überdies die wirtschaftliche Sicherheit der Presse durch Privilegien zu gewährleisten. Freilich deutet sich in einigen Bemerkungen der Verleger die Tendenz an, diese Unabhängigkeit, insbesondere von den Staatsorganen, teilweise freiwillig aufzugeben. Wenn gelegentlich die Rede davon ist, Kritik dürfe die demokratischen Autoritäten nicht gefährden (121), die Redakteure, "durch deren Mund j a die Demokratie zu ihren Bürgern spricht"(!), müßten "bei jeglicher Veröffentlichung die politischen Rückwirkungen . . . bedenken"(122) und hätten "die Verantwortung zu übernehmen, im rechten Augenblick zu schweigen"(123), dann tritt sehr leicht an die Stelle objektiver Information eigene Politik. Zwar lehnen dies die Verleger grundsätzlich ab, so wenn es bei SPRINGER heißt: "Ich bin der Meinung, daß Z e i tungen zwar an der Politik teilhaben, aber nicht Politik machen sollen. Zeitungen haben die Politik zu begleiten, zu erklären, sie zu kritisieren, sie zu fördern . . . , aber die Zeitungen dürfen nicht Politik ersetzen wollen. Dies würde zwangsläufig zur Zersetzung der Politik führen"(124). Aber gerade SPRINGER meinte zu dem Vorwurf einseitiger DDR-Berichterstattung seiner Zeitungen, das wisse er selbst, "aber schließlich mache er j a Politik, und es komme eben auf den Effekt an, den Nachrichten bei der breiten Lesermasse erzielten"(125). Wenngleich nicht in solch grundsätzlicher Form finden sich ähnliche Tendenzen mehrfach in " Z V + ZV" angedeutet. Wenn JÄNECKE von der Pflicht der Presse spricht, "eine falsch verstandene Ausweitung des Mitbestimmungsrechts zu bekämpfen"(126) oder die "Forderung der Wiedervereinigung mit der ungestümen Kraft eines natürlichen Volksbegehrens vor der Welt zu erheben und zu vertreten"(127), wenn man statt - nicht etwa neben - ausführlichen Berichten über die "Halbstarken" die Diskussion über die Lösung dieses Problems fordert (128) oder schließlich meint, die Verleger sollten ihren " T e i l dazu beitragen, die aus dem Osten drohende Gefahr aufzuzeigen und abzuwehren"(129), dann hat man bereits die Grenze von der Information zur eigenen Politik überschritten und ist wiederum der "publizistischen Ideologie" erlegen. Wie weiter oben bereits angedeutet, zeichnet sich diese Ideologie unter anderem durch weitgehende Mißachtung der Leserwünsche aus. Von daher war auch die "Umerziehungs"-These der Lizenzverleger dieser Ideologie zuzuordnen. Auch bei den Altverlegern finden sich ähnliche Haltungen, so wenn man den "nach dem breitesten Publikum schielenden Zeitungsmacher" (130) verdammt und am 74

"Weltblatt" rühmt, es werde "ohne Rücksicht auf seine Leser gemacht"(131). Man ist der Überzeugung, daß ein Eingehen auf die Leserwünsche ein Eingehen auf den "Geschmack Lieschen Müllers"(132) bedeute, dessen Berücksichtigung die Aufgabenerfüllung der Zeitung in Frage stelle (133) und die Gefahr der "Verbildung des Publikumsgeschmacks"(134) zeitige. So spricht JÄNECKE von der "wünschenswerten "Unabhängigkeit vom Leser"'(135), EHMER vom "breiten Publikumsgeschmack", vom "genügsamen Durchschnitt", der ein "unteres Niveau" erfordere (136), und BINKOWSKI wendet sich gegen die "Ansprechbarkeit des breiten Publikums" als "bestimmenden Faktor für die Gestaltung der Zeitung"(137). Auf der anderen S e i te sieht man, daß "die gesunde Wechselwirkung zwischen Leser und Zeitung eine der wesentlichen Bürgschaften für ihren Einfluß im öffentlichen Leben (ist). Die Presse ist daher darauf angewiesen, das Interesse des ernsthaften Leseis an einer Zeitung, der er Vertrauen schenken kann, zu erhalten"(138). Man dürfe nicht für eine Elite schreiben, sondern müsse um des Leserkontaktes willen "dem Volk "aufs Maul schauen"'(139). Neben dem Berufsethos sei "seine Majestät der Leset mitbestimmend "(140) für die Gestaltung der Zeitung. Insgesamt scheinen OSCH1LEWSKI oder SPRINGER die in der Verlegerschaft vorherrschende Einstellung zu diesem Problem wiederzugeben, wenn sie betonen: "Eine Zeitung aber, die ihre Leser objektiv unterrichten, sie zum eigenen Denken anregen und ihren vielseitigen Interessen und Bedürfnissen Rechnung tragen will, kann dem von einer Reihe von Presseerzeugnissen selbst hervorgerufenen Publikumsgeschmack nicht nachlaufen, sie muß diesem aber durch moderne Gestaltung und lebendige Stoffwahl zu begegnen suchen"(141). "So ist die Gestaltung einer Z e i tung zu einer Kunstform geworden. Das Mischungsverhältnis zwischen Nachricht und Kommentar, zwischen Meldungen aus aller Welt und dem lokalen Bereich, zwischen menschlich erregenden und informativen Stoffen zu finden, bedeutet für Journalisten und Verleger T a g für Tag, einen schwierigen Balance-Akt zu vollbringen"(142). Die kritische Einstellung gegenüber dem Publikumsgeschmack verbunden mit der Überzeugung, daß man ihm - um nicht am Leser vorbeizukommunizieren - dennoch bis zu einem gewissen Grade Rechnung tragen müsse, dokumentiert sich auch an den Auffassungen der Verleger zu den sozialen Funktionen der Presse. Freilich spielen diese in den einschlägigen Äußerungen eine gegenüber den politischen Funktionen weit untergeordnete Rolle. Abgesehen von gelegentlichen Bemerkungen über die soziale Integration (143), finden sich hauptsächlich Aussagen zur Unterhaltungsfunktion. Hier wird aber entweder auf die - etwa für die politische Bildung - "wertvolle" Unterhaltung abgehoben oder aber die Unterhaltung als notwendiges, weil Leser-lockendes Anhängsel eingestuft (144). Auch die Aussagen der Verleger zur sozialen Orientierung sind spärlich. Immerhin meint JÄNECKE, die abschätzige Beurteilung des Anzeigenteils gehe an der Tatsache vorbei, daß die Zeitung ein Ganzes sei. " S i e übersieht auch, daß dieser für den Leser einen so wesentlichen T e i l der Zeitung darstellt, daß sein Fehlen zu einer Verringerung seines Interesses an der Zeitung führen wtirde"(145). So gilt für die sozialen Funktionen insgesamt, was PRAKKE für eine von ihnen, die Sozius-(=Unterhaltungs-) Funktion, festgestellt hat, daß nämlich die Presse "diese dritte Funktion materiell wohl akzeptiert hat, jedoch ihre i d e e l l e Bedeutung bis j e t z t nur unbestimmt anerkennt"(146). Die weitgehende theoretische Vernachlässigung der sozialen Funktionen in den Aussagen der Verleger entspricht offenbar der bislang noch mangel75

haften Durchdringung dieses Komplexes durch die Zeitungswissenschaft. Anders verhält es sich mit der These von der Komplementarität der Medien. Läßt man einmal ihre taktisch motivierten Äußerungen während des Fernsehstreits außer acht, dann waren sich die Verleger schon sehr früh darüber klar, daß die Tagespresse nur dann neben den anderen Medien bestehen kann, wenn sie - anstatt sich auf einen von vornherein aussichtslosen Wettbewerb in der Aktualität (147) oder der optischen Reizwirkung (148) einzulassen - sich auf ihre speziellen Stärken und Möglichkeiten konzentriert (149). "Die Presse hat die Priorität der Nachricht verloren. Sie muß neue Wege zur Sicherung ihrer Existenz und ihrer Wirkung suchen. Die eigene Nachricht, der eigene Kommentar, die Bebilderung und die Hervorhebung von Nachrichten, die noch Monopol der Zeitung sind - also der lokalen und regionalen Nachrichten - sind solche Möglichkeiten"(150). Wenn die Zeitungen heute mitunter noch so tun, "als seien sie alleinige Informationsträger"(151), wenn sie häufig noch "an Kriterien des Vorfernsehzeitalters ausgerichtet" sind und "versuchen, dem Fernsehen Konkurrenz zu machen, anstatt ein vernünftiges Ergänzungsverhältnis anzustreben"(152), dann liegt dies offenbar an der Problematik der Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in die Praxis. An Hinweisen, wie die Zeitung angesichts der gewandelten Verhältnisse zu gestalten sei, daß sie insbesondere die Lokalkommunikation fördern müsse (153), durch verbreiterte Information über die elektronischen Medien und Kritik an ihren Programmen Leser gewinnen könne (154) und durch neue, lebendigere Gestaltungsformen (155), insbesondere auch des Wirtschaftsteils (156), attraktiver werden müsse - an solchen Hinweisen hat es nicht gefehlt. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß die Aussagen der Verleger zu den Funktionen der Presse sich vorwiegend auf die politischen und nur sporadisch auf die sozialen Funktionen beziehen. Dabei finden sich - weniger bei der Information-, deutlicher bei der Meinungsbildungs- und vor allem bei der Kritikfunktion - starke Elemente der "publizistischen Ideologie", der Auffassung also, daß die Presse eine eigenständige, aus der Gesellschaft herausgehobene Kraft mit weitgehenden Kontroll- und Kritikaufgaben gegenüber den staatlichen Organen und gesellschaftlichen Gruppierungen darstelle. Folglich lehnen die Verleger auch die These von der Zeitung als Mittlerin sozialer Zeitkommunikation, als "Gesprächsanwalt", ab. Zwar scheinen in vereinzelten Äußerungen Elemente dieser Theorie durch, so wenn man in der Gemeinschaftsredaktion den Vorteil für den Leser erblickt, sich nicht erst "durch den Erwerb verschiedener Zeitungen einen eigenen Querschnitt durch die politischen Meinungen"(157) verschaffen zu müssen; wenn gefordert wird, die Zeitung dürfe keinen einseitigen Interessenstandpunkt vertreten, sondern müsse über alle Interessen informieren (158); wenn man die Zeitung als Forum für das Austragen von Meinungskämpfen bezeichnet, das auch Minderheitsauffassungen offenstehen müsse (159); wenn auf den Leserbrief als Möglichkeit der Meinungsäußerung des einzelnen verwiesen wird (160) oder wenn man schließlich die Forderung nach umfassender, objektiver Information mit der Feststellung begründet, es gehe "um den Sachverhalt, nicht um den Journalisten, der nur Mittler, nicht Mittelpunkt ist"(161). Gelegentlich ist auch die Rede vom "'Zeitgespräch' der Gesellschaft", in das alle relevanten Informationen und Meinungen eingingen, vom "Forumscharakter" der Zeitung mit ihrer "Vielfalt der Gruppenmeinungen"(162). Wenn es jedoch um konkrete Folgerungen aus der Mittler-These beispielsweise für das Problem des "Wettbewerbs" 76

der Medien, für die Frage des Eigentums an Massenmedien oder um das der MittlerThese adäquate Verständnis der Pressefreiheit geht (163), dann stecken die Verleger gern zurück (164) und bezeichnen die Mittler-These als "Kommunikations-Ideologie"(165) antiindividualistischen Charakters. Dann wehren sie sich gegen die Unterordnung des Rechts auf Eigentum unter die gesellschaftlichen Erfordernisse und betonen, Privatwohl und Gemeinwohl stünden nicht in einem Gegensatz, vielmehr führe "für den Bürger der Weg zum Gemeinwohl über die privaten Interessen . . . Ohne Fundierung im Privatwohl gibt es kein wahres Gemeinwohl"(166). Die Betonung des Gemeinwohls verleihe "der Gesellschaft einen totalitären Charakter" und begebe sich in die Nähe HEGELs und MARX', die ausschließlich die Gesellschaft zum bewegenden Faktor der Geschichte gemacht hätten. "Nach unserer Auffassung hingegen wird die Geschichte nicht von der Gesellschaft, sondern von dem sittlich freien und zur geistigen Entscheidung fähigen Menschen getragen und verantwortet"(167). Kommunikation sei daher "nicht so sehr Lebensäußerung der Gesellschaft, sondern vor allem die Existenzform des Menschen", sie sei "durchtränkt . . . mit menschlich-personalen Gehalten"(168). Damit falle auch die Mittler-These, weil sie an die Stelle des Journalisten, der "seine eigene menschliche Existenz in seiner Zeitung nicht ausschaltet"(169), einen seelenlosen Roboter setze. Gerade die von den Vertretern der Mittlerthese an nachgeordneter Stelle genannte "eigene Linie" bestimme "heute die journalistische Qualität eines Mediums"(170). Hierfür sei die Unabhängigkeit von Staat und Gesellschaft, folglich auch die von institutionalisierter gesellschaftlicher Kontrolle notwendig. "Die Offenheit des Journalisten für Probleme seiner Leser ist ein größerer Garant für die Offenheit der Zeitung als alle Hilfskonstruktionen, hinter die sich der freie, schöpferische Mensch verstecken kann"(171). An dieser Stellungnahme wird die - neoliberale - Annahme deutlich, daß sich das Gemeinwohl in einem automatischen Prozeß einstelle, wenn nur jeder sein Einzelwohl verfolge. Dabei wird vergessen, daß geride auf dem Gebiet der Massenkommunikation die Ausgangschancen nicht für alle gleich sind, daß in einem privatwirtschaftlichen Pressesystem die Selbstverwirklichung des einzelnen durch T e i l nahme am Zeitgespräch der Gesellschaft davon abhängt, ob der "freie, schöpferische" Journalist oder Verleger sich seiner kommunikativen Interessen annimmt. Gerade die Erkenntnis, daß Journalisten und Verleger nur zu leicht ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen, daß die von BINKOWSKI als Garantie für die Güte einer Zeitung angesehene Subjektivität des Kommunikators Hindernis für die Realisation des allgemeinen und gleichen Zeitgesprächs aller ist, bewog b e i spielsweise die Commission on Freedom of the Press zu ihrer Forderung nach einem Wandel des Selbstverständnisses der Kommunikatoren in Richtung auf die stärkere Berücksichtigung der "social responsibility"(172). Die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, daß wenige tausend Journalisten und Verleger frei darüber befinden, welche Gesprächsanteile in den Prozeß sozialer Zeitkommunikation eingehen und welche nicht. Von daher ist auch dem Vorwurf BINKOWSKIs entgegenzutreten, die Mittler-These sei antiindividualistisch. Wenn sie - wie weiter unten noch darzulegen sein wird (173) - den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des einzelnen auf Wiedergabe seines Gesprächsanteils im Gesamt gesellschaftlicher Zeitkommunikation betont, dann geht es ihr zwar auch um die Gewährleistung sozialer K o m munikation als solcher, ebenso aber um die Selbstverwirklichung des Individuums im Gespräch. Die mit dem Hinweis auf ihren antiindividualistischen Charakter 77

motivierte ablehnende Haltung der Verleger gegenüber der Mittler-These hat also wohl ihren eigentlichen Grund darin, daß diese These weniger die individuelle Selbstverwirklichung des Kommunikators: als vielmehr die des einzelnen Rezipienten in den Vordergrund stellt. Den Verlegern geht es aber vornehmlich um erstere, und folglich müssen sie die Mittler-These - zumindest da, wo sie einschränkende Konsequenzen für den Handlungsspielraum der Verleger zeitigt - ablehnen. Diese Haltung zeigt sich auch an der verlegerischen Einstellung zur Pressefreiheit, auf die im folgenden näher eingegangen werden soll.

4.2 Der S t a t u s der P r e s s e in der D e m o k r a t i e 4.2.1 Das Grundrecht der Pressefreiheit 4 . 2 . 1 . 1 Zu Geschichte und Interpretation der Pressefreiheit Von dem Zeitpunkt an, da die Zeitungspresse im Gefolge der französischen Revolution und vollends im Zusammenhang mit den deutschen Befreiungskriegen gesellschaftliches Ansehen, Einfluß und politische Macht gewann und der schon seit längerem geführte Kampf um die Pressefreiheit (1) in seine entscheidende Phase trat, nahm die periodische Publizistik eine rechtliche Sonderstellung ein. Diese Sonderstellung war, im Gegensatz zum - positiven - Selbstverständnis der Presse als "Wortführerin der öffentlichen Meinung"(2) eine negative: der Staat erblickte in der Zeitungs- und Zeitschriftenpresse in erster Linie einen potentiellen Störer, den es abzuwehren galt. Die staatliche Zensur, seit ihrer Installation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (3) vornehmlich gegen Bücher und Einzelschriften gerichtet, wandte sich seit dem Ende des 18.Jahrhunderts mehr und mehr den periodischen Druckwerken zu, vor allem solchen, die sich mit politischen und sozialen Fragen befaßten. Das Presserecht, von den Verfassungen weitestgehend dem "einfachen" Gesetzgeber überlassen und bis zum Jahre 1933 "durchweg Pressepolizeirecht"(4), bestand aus einer Fülle einschneidender Klauseln, die die Freiheit der periodischen Schriften erheblich beschränkten (5). Selbst das Reichspressegesetz von 1874, das - nach vereinzelten, jedoch wieder aufgegebenen Ansätzen in den Bundesländern (6) erstmals die Pressefreiheit für das Gebiet des deutschen Reiches verankerte (7), Restriktionen wie Sonderbesteuerung, Konzessions- und Kautionspflicht beseitigte und damit den formalen Schlußpunkt unter den Kampf um die Pressefreiheit setzte, hob die negative Sonderstellung der periodischen Presse nicht völlig auf, sondern ließ die Möglichkeit jederzeitigen Eingriffs in die Pressefreiheit durch Reichsgesetze offen, was dann auch mit dem Sozialistengesetz vom 21. Oktober 1878 geschah (8). Die Weimarer Reichsverfassung garantierte zwar im Rahmen der durch Art. 118 gesicherten Meinungsfreiheit erstmals auch die materielle Pressefreiheit als Grundrecht, nichtsdestoweniger wiesen die diversen Republikschutzgesetze und -Verordnungen, die sich, soweit auf Druckschriften bezogen, entweder ausschließlich oder aber mit besonderer Schärfe gegen die periodische Presse richteten, dieser wiederum die traditionell negative Sonderstellung zu (9). Erst der Nationalsozialismus beseitigte die überkommene Gegnerschaft zwischen Staat und periodischer Publizistik, freilich um den Preis der Einbeziehung der Presse in den Kreis der "öffentlichen Einrichtungen" und "Träger öffentlicher Verantwortung" mit der Verpflichtung, "an der Wiederherstellung einer einheitlichen 78

Geistes- und Willensbildung der Nation mitzuwirken"(10). Das Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933 brachte zwar die von der Presse der Weimarer Republik als Vehikel zum Abbau der negativen Sonderstellung geforderte und in den einschlägigen Gesetzentwürfen auf Drängen vor allem der Journalisten angelegte Anerkennung ihrer "öffentlichen Aufgabe"(ll), wandelte aber zugleich im Zuge der Installierung eines zentralgeleiteten Kommunikationssystems die Rolle der Presse von einem gesellschaftlichen Forum freier politischer Meinungsbildung zu einem staatlichen Instrument einheitlich nationalsozialistischer Meinun^formung. Vor dem Hintergrund dieser historischen Erfahrungen waren sich Juristen und Pressevertreter, als sie nach 1945 die Neuordnung des Pressewesens diskutierten, weitestgehend einig, daß diese Neuordnung eine klare Abkehr sowohl vom Liberalismus der Weimarer Republik - der nach allgemeiner Überzeugung wesentlich zum Durchbruch des Nationalsozialismus beigetragen hatte - als auch vom Zwangssystem der NS-Zeit bringen mußte (12). Wenn auch noch Übereinstimmung darin bestand, daß die "öffentliche Aufgabe" der Presse in den neuen Gesetzen wiederum zu verankern sei, so ergaben sich doch - offenbar auch im Zusammenhang mit den unterschiedlichen kommunikationspolitischen Vorstellungen der Alliierten (13) - in der Frage der daraus zu ziehenden Konsequenzen etwa einer verpflichtenden Bindung oder gar gesellschaftlichen Kontrolle der Presse erhebliche Differenzen. Während die norddeutschen Pressegesetze des Jahres 1949 durch Verankerung von Bestimmungen über journalistische und verlegerische Berufsvoraussetzungen und, wenn auch faktisch allenfalls auf "Mitverwaltungsausschüsse"(14) hinauslaufende, Selbstkontrollorgane der Presse das Prinzip gesellschaftlicher Verantwortung betonten, begnügten sich die Pressegesetze der US-Zonenländer mit - auch in den norddeutschen Gesetzen kodifizierten - Bestimmungen über die Offenlegung der Eigentumsverhältnisse (15), tendierten also mehr zur liberalen Auffassung. Der am Widerstand der Presse gescheiterte Rahmengesetz- Entwurf des Jahres 1952 (LÜDERSEntwurf) (16), bildete den Höhe- und zugleich Schlußpunkt der mit den norddeutschen Gesetzen begonnenen Entwicklung der Konzeption einer "gebundenen öffentlichen Aufgabe"(17) der Presse. In den seit 1964 verabschiedeten neuen Landespressegesetzen hat sich die "süddeutsche", traditionell liberale Auffassung von Pressefreiheit letztlich durchgesetzt. Zwar proklamieren sie durchweg - und gehen damit über die älteren Landespressegesetze hinaus (18) - die "öffentliche Aufgabe" der Presse (19), ziehen daraus jedoch keinesweg die Konsequenz einer starken gesellschaftlichen Verpflichtung, sondern, im Gegenteil, erweiterter Rechte der Presse(20): "an die Stelle der ehedem negativen Sonderstellung der Presse trat nunmehr eine positive"(21). Berücksichtigt man, daß diese Gesetze unter intensiver Mitwirkung der Verleger- und Journalistenverbände und ihres gemeinsamen Selbstkontroll- und Interessenvertretungsorgans, des Deutschen Presserates, zustandekamen, dann liefert dies zugleich einen ersten Hinweis auf die Vorstellungen von Pressefreiheit bei den in erster Linie Betroffenen, insbesondere den hier vornehmlich interessierenden Verlegern. Zwar kennt auch der Wortlaut des Art. 5 GG über die in Abs.2 genannten Schranken (22) hinaus keine Pflichtbindung der Presse, sondern installiert erneut die Meinungs- und darüberhinaus erstmals auch die formelle Presse- und die Informationsfreiheit, so daß die Interpretation naheliegt, hier sollten Individual-Garantien im Sinne reiner Abwehrrechte, liberaler Ausgrenzungen gegenüber dem Staat verankert werden. Gegenüber dieser, im allgemeinen als "traditionell" oder 79

"subjektiv"(23) bezeichneten Grundrechts-Deutung hat jedoch, ausgehend wohl von den Anregungen Helmut K . J . RIDDERs (24), eine andere Auffassung Anhänger gewonnen, die in den Vordergrund der Interpretation den "objektiven Zweck" des Grundrechts, also die "überindividuelle Komponente" stellt und Pressefreiheit vornehmlich "institutionell" verstanden wissen will. Mit der Herausbildung dieser beiden Lager setzt sich, wie es scheint, tendenziell die Zweigleisigkeit der presserechtlichen Nachkriegsentwicklung fort, wobei die "institutionelle" Auffassung bis zu einem gewissen Grade wohl auch, weil sich offenbar das Verfassungsgericht auf ihre S e i t e schlug (25) - zunehmende Verbreitung erfährt (26). Die "institutionelle" Deutung geht von einem Verständnis des Grundgesetzes aus, wonach die Verfassung "als eine wahrhaft 'sozial'-staatliche aufräumt mit der unglückseligen Ideologie einer bestimmten Aufspaltung von 'Staat' und 'Gesellschaft' der alten Krux über der demokratischen Entfaltung auf dem alten Kontinent, und die v o n R e c h t s w e g e n bestimmte Struktur- und Ordnungsprinzipien in das nationale Gesamt von Staat und Gesellschaft hineinsenkt"(27). Im Mittelpunkt der daraus resultierenden Grundrechts-Interpretation steht nicht das Individuum als Rechtssubjekt, dem die Verfassung mit den Grundrechten "glückselige Inseln privater Existenz und Tätigkeit gewährleistet"(28), sondern der Zweck, um dessentwillen das Grundrecht garantiert wird (29). Folglich ist Pressefreiheit "keine individuelle Freiheit, für die individuelle Rechte und Positionen entscheidend sein könnten - sie ist eine institutionelle Freiheit, eine Freiheit um der Aufgabe willen" (30). Die Rolle der Presse kann sich angesichts ihrer Bedeutung für den demokratischen Meinungsbildungsprozeß - nach dieser Auffassung - nicht in der unverbindlichen Nutzung eines vom Staate garantierten Tummelplatzes "privatisierender Libertäten"(31) erschöpfen, die Presse hat sich vielmehr zu verstehen als " e i n e öffentliche Institution i m Staat - eine Institution, die legitimiert wird durch den Auftrag, neben den Parteien und neben anderen Faktoren der öffentlichen Meinung bei der 'politischen Willensbildung' des Volkes" (Art. 21 GG) mitzuwirken"(32). Von diesem Ansatzpunkt her unternahm RIDDER den "entschiedensten Versuch zur Institutionalisierung der Presse"(33): aus der Tatsache, daß Art. 21 GG von der "Mit"-wirkung der Parteien am politischen Willensbildungsprozeß spricht, schloß RIDDER, daß hier auch andere Kräfte vom Grundgesetz als "legitim akzeptiert" werden. Da nun - und das ist wohl unbestritten - eine dieser Kräfte, und eine "besonderer Art" zumal, die öffentliche Meinung sei, könne gefolgert werden, Art. 21 GG gebe für "die Verfassung der Bundesrepublik die Haupt- und Grundnorm der institutionellen öffentlichen Meinungsfreiheit des modernen Parteienstaates ab, die bedenkenlos in den entsprechenden Versionen auf die politische Presse . . . angewendet werden kann . . . Daß man diese Pressefreiheit nicht als eine individuelle oder auch kollektiv-negatorische Freiheit von staatlichen Eingriffen bezeichnen kann, liegt auf der Hand. Im Gegenteil: Im Vordergrund (Abs. 1 Satz 1) steht die öffentliche A u f g a b e der politischen Presse, um derentwillen nachfolgend Freiheiten verbürgt werden"(34). Diese Auffassung RIDDERs ist unter Juristen weithin auf Ablehnung gestoßen, nicht zuletzt, weil der Verfassungstext eine derart weitgehende Auslegung, insbesondere die "Umsiedlung" der Pressefreiheit von Art. 5 nach Art. 21 GG zumindest mit den gebräuchlichen Interpretationsmethoden nicht erlaubt (35). Immerhin sind Rechtslehre und Bundesverfassungsgericht RIDDER insoweit gefolgt, als überwiegend zumindest n e b e n dem individualrechtlichen Aspekt das institutionelle Moment der Pressefreiheit, wenn auch mit

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je unterschiedlichen Gewicht anerkannt wird (36). Dabei gewinnt die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die vorliegende Arbeit insofern besondere Bedeutung, als sich die Zeitungsverleger auf dessen Urteile - soweit ihren Zielen dienlich - gern und ausführlich beziehen (37). In seiner ersten, für das vorliegende Thema wichtigen Entscheidung, dem bekannten LÜTH-Urteil vom 15. Januar 1958 (38), stieß das Bundesverfassungsgericht ein "breites Tor a u f . . . in eine terra nova"(39), indem es die Bedeutung der freien Meinungäußerung als "eines der vornehmsten Menschenrechte" hervorhob und fortfuhr: "Für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist. Es ist in gewissem Sinne die Grundlage jeder Freiheit überhaupt"(40). Auf dieser Basis entwickelte das Gericht die für die Auslegung des Art. 5 GG richtungweisende These von der Wechselwirkung bei Konfliktfällen zwischen dem Grundrecht und allgemeinen Gesetzen. Hatten die Richter hier bereits "die demokratische Wurzel des Grundrechts deutlicher als die liberale"(41) hervorgehoben, so nahmen sie im sogenannten Nordrhein-Westfalen-Urteil vom 6. Oktober 1959 (42) erstmals speziell zur P r e s s e freiheit Stellung, die sie nicht in der in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 verankerten Meinungsfreiheit erschöpft sahen: das Grundrecht der Pressefreiheit ist, so das Gericht, "mehr als nur ein Unterfall der Meinungsfreiheit, da darüber hinaus die institutionelle Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht oder Meinung gewährleistet ist. Diese institutionelle Sicherung der Presse als eines der Träger und Verbreiter der öffentlichen Meinung im Interesse einer freien Demokratie schließt das subjektive öffentliche Recht der im Pressewesen tätigen Personen ein, ihre Meinung in der ihnen geeignet erscheinenden Form ebenso frei und ungehindert zu äußern wie jeder andere Bürger. " Die im LÜTH-Urteil aufgestellte These von der Wechselwirkung zwischen Grundrecht und allgemeinem Gesetz bekräftigte das Gericht im sogenannten SCHMID"Spiegel"-Urteil vom 25.Januar 1961 (43) und kam, ausgehend von der mutmaßlichen Wirkung von Meinungsäußerungen im öffentlichen Meinungsbildungsprozeß, zu dem Schluß, daß auf eine unsachliche Presseberichterstattung eine ebensolche Entgegnung des Betroffenen erlaubt und von Art. 5 GG in Verbindung mit dem Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB gedeckt sei(44). Im übrigen umriß es abermals die Funktion der Massenmedien: "Die Presse ist neben Rundfunk und Fernsehen das wichtigste Instrument der Bildung der öffentlichen Meinung; die Pressefreiheit genießt deshalb gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG spezifischen Grundrechtsschutz". Es zog allerdings auch eine gewichtige Konsequenz: "Mit der Pressefreiheit gehen Pflichten einher, die umso ernster genommen werden müssen, je höher man das Grundrecht der Pressefreiheit einschätzt. Wenn die Presse von ihrem Recht, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Gebrauch macht, ist sie zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet. Die Erfüllung dieser Wahrheitspflicht wird nach gesicherter Rechtssprechung schon um des Ehrenschutzes des Betroffenen willen gefordert . . . Die Presse ist daher um ihrer Aufgabe bei der öffentlichen Meinungsbildung willen gehalten, Nachrichten und Behauptungen, die sie weitergibt, auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen." Die Formel von der "institutionellen Eigenständigkeit der Presse" griff das Bundesverfassungsgericht im "Fernseh-Urteil" vom 28. Februar 1961 (45) wieder auf und betonte, daß es "dieser Verfassungsgarantie widerspräche..., die Presse oder 81

einen Teil von ihr unmittelbar oder mittelbar von Staats wegen zu reglementieren oder zu steuern. Eine Einflußnahme des Staates wäre mit dieser verfassungsmäßigen Garantie der Pressefreiheit nur vereinbar, wenn sie wegen der Konkurrenz mit der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften an dem Bild der freien Presse substantiell nichts ändern würde." Vom Rundfunk - um den es hier vornehmlich ging - unterscheide sich die Presse eben durch diese Fülle, durch die "relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen", die durch die "institutionelle Freiheit" der Presse gesichert werde. Noch einen Schritt weiter in der institutionellen Deutung der Pressefreiheit ging das Gericht im sogenannten "Spiegel"-Urteil vom 5. August 1966 (46). In konsequenter Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung führte es zunächst aus:"Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich". Auf die Organisationsform der Presse eingehend, fuhr es dann fort:"So wichtig die damit der Presse zufallende öffentliche Aufgabe ist, sowenig kann diese von der organisierten staatlichen Gewalt erfüllt werden. Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und in privatrechtlichen Organisationsformen. Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf. " Diesem Plädoyer für eine privatwirtschaftliche Presse fügte das Gericht jedoch eine Ergänzung hinzu, als es, im Zusammenhang mit der notwendigen Sicherung des "Instituts 'Freie Presse"', wenn auch vorsichtig formulierend, feststellte: "Es ließe sich etwa auch an eine Pflicht des Staates denken, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten. " Das heißt mit anderen Worten: wenn die vom Bundesverfassungsgericht als "Normalfall" umrissene pluralistische Pressestruktur zugunsten weniger Meinungsmonopole zu schrumpfen droht, kann der Staat zum Zwecke der Erfüllung der gesellschaftlichen Funktion der Presse, um derentwillen die Pressefreiheit garantiert ist, auf den seinem Zugriff grundsätzlich entzogenen Bereich der privatwirtschaftlich organisierten Presse einwirken. Da dies schwerlich ohne Beeinträchtigung der individuellen Pressefreiheit des Verlegers geschehen kann, bedeutet der Satz des Gerichtes implizit, daß gegebenenfalls das individuelle Moment hinter dem institutionellen, eben um der Sicherung des letzteren willen, zurücktreten muß. Nun läßt sich sicherlich darüber streiten, ob das Bundesverfassungsgericht mit seiner Deutung der Pressefreiheit den Massenmedien, vornehmlich der Presse, tatsächlich einen besonderen Status im Sinne einer "institutionellen Garantie" zugebilligt und somit ein "crescendo" angestimmt hat, "das von 1956 bis 1961 gerade beim Bundesverfassungsgericht zur Ablösung der öffentlichen Meinungs- und Pressefreiheit aus der liberal-negatorischen Einbettung drängt"(47). Ohne Zweifel benutzt es an Stelle der "klassischen" Termini wie "institutionelle", "Instituts-" oder "Einrichtungsgarantie" verschiedene andere und offenbar beliebig vertauschbare Formeln wie "institutionelle Eigenständigkeit", "institutionelle Sicherung", "institutionelle Freiheit" oder "Institut 'Freie Presse" ". Daß solche Aussagen aber deswegen keinen "besonderen materiellen Gehalt"(48) besitzen oder das Gericht sich durch diese Wortwahl letztlich gar wieder von einem "Vehikel pseudojuristi82

scher Erschleichungen"(49) getrennt hat, scheint zweifelhaft. Immerhin stellten die Richter in den Vordergrund ihrer Argumentation mehrfach den o b j e k t i v e n Z w e c k der Pressefreiheit, ihre Bedeutung also für den demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß, und billigten der Presse ausdrücklich die Wahrnehmung einer "öffentlichen Aufgabe" zu (50). Diese beiden Kriterien sind es aber gerade, die nach Dieter CZAJKA, einem Gegner dieser Auffassung, die "institutionelle" Auslegung kennzeichnen (51). Sie sind es auch, an denen sich die Kritik der Anhänger einer "traditionellen" Deutung der Pressefreiheit entzündet. Da auch diese Interpretation des Art. 5 GG in der Argumentation der Verleger eine wichtige Rolle spielt, muß sie im folgenden, wenn auch nur umrissartig, dargestellt werden. Die "subjektive" Interpretation, wie sie wohl mit am pointiertesten Ernst FORSTHOFF vertritt (52), hält "an dem Modell jener sich gegen den Staat richtenden gesellschaftlichen Freiheitsgarantien" fest (53), wie es im Verlaufe des Kampfes um "die Freiheit des einzelnen als eine vorstaatliche Freiheit gegen die möglichen Eingriffe des Staates"(54) entwickelt und in der Periode des Rechtspositivismus in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts vollendet wurde. Danach kann die "frühliberale Auffassung, die der Pressefreiheit einen - freilich nie zu wirklicher Klarheit gebrachten - institutionellen Charakter beilegte, schon für die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts als überwunden gelten"(55). Folglich dürfe eine Interpretation des Grundgesetzes nicht davon ausgehen, der Verfassungsgeber habe zu dieser Auffassung zurückkehren wollen; eine institutionelle Sicherung der Presse sei mithin aus der Verfassung nicht abzulesen (56). Ebensowenig seien mit der Gewährung der Pressefreiheit bestimmte Verhaltenserwartungen verbunden, aus denen sich gar Pflichten der Presse herleiten ließen. "Freiheit kann als Rechtsbegriff, dessen sich die Verfassung bedient, schlechterdings nicht anders verstanden werden als in der Beziehung auf den Staat. Dann kann er nichts anderes bedeuten als Beschränkung der Staatsmacht, also als ein Abwehrrecht"(57). Durch Versuche ihrer "Demokratisierung" werde die Pressefreiheit letztlich "entliberalisiert"(58), denn, obwohl "eminent politisch", sei sie doch ausschließlich staats-, nicht aber gesellschaftsbezogen. Eine aus der Gesellschaftsbezogenheit entwickelte Theorie, wonach um des Schutzes der Pressefreiheit willen etwa eine Beschränkung der Pressekonzentration nötig sei, bedeute "apokryphe Begriffsvertauschung"(59). Die Zubilligung einer Institutsgarantie impliziere, da es sich bei der Presse um einen "von Menschen getragenen und beherrschten" und damit ohnehin die "grundrechtlichen Freiheiten" genießenden Sozialbereich, nicht aber um ein echtes Institut der Privatrechtsordnung wie Ehe, Eigentum oder Erbrecht handele, eine rechtsstaatswidrige Privilegierung (60). Weder aus Art. 1 noch aus Art. 20 oder 28 GG noch auch etwa aus einer "Wertordnungsvorstellung" sei eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte, also ihre Gültigkeit für den Rechtsverkehr Privater untereinander, ableitbar. Auch andere Begründungen wie "Art. 5 GG als politisches Grundrecht, die öffentlich-politische Aufgabe der Presse (Verfassungsauftrag), die Institutionalisierung der Presse" hätten keinen verfassungsrechtlichen Bestand (61). Da sich mithin die Pressefreiheit insoweit nicht von den übrigen Grundrechten unterscheide, seien auch Konstruktionen wie "Innere Pressefreiheit" unhaltbar. Das jedoch habe Folgen sowohl hinsichtlich einer Kompetenzabgrenzung Verleger-Redakteur, die als "Eingriff in die dem Verleger gewährleistete Pressefreiheit mit Art. 5 GG unvereinbar"(62) sei, als auch bezüglich eines staatlichen Vorgehens gegen Meinungsmonopole, das mit dem 83

Verweis auf Art. 5 GG nicht gerechtfertigt werden könne. Im Gegenteil: das uneingeschränkte Informationsrecht des einzelnen und der Grundrechtsschutz des Presseunternehmens verböten jeglichen Eingriff mit Ausnahme allenfalls strukturverbessernder Maßnahmen (63). Im Zusammenhang mit der von der "traditionellen" Lehre an der "institutionellen" Deutung des Art. 5 GG geübten Kritik spielt der Begriff der "öffentlichen Aufgabe" eine wichtige Rolle (64). Sein weithin unreflektierter Gebrauch stößt - allerdings auch unter den Verfechtern der "institutionellen" Interpretation - auf erhebliche Bedenken, die sich vor allem auf die Frage der verfassungsrechtlichen Relevanz und der sich aus seiner Anwendung ergebenden Konsequenzen beziehen (65). Andererseits gehört er seit geraumer Zeit zum festen Bestand der Argumentation einer um ihre Freiheit und Anerkennung ringenden politischen Presse und nimmt bis in die Gegenwart zusammen mit dem Fanal der Pressefreiheit die Stelle einer "Hauptund Grundnorm" in den kommunikationspolitischen Vorstößen auch der Verleger ein. Ein Blick auf seine historisch gewandelte Bedeutung und aktuelle Problematik ist daher auch in vorliegendem Zusammenhang erforderlich.

4 . 2 . 1 . 2 Zu Herkunft und Problematik des Begriffs der "öffentlichen Aufgabe" Völlig im Gegensatz zu der negativen rechtlichen Sonderstellung, die die periodische Presse spätestens seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in Deutschland einnahm (1), stand ihr aus der zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Bedeutung abgeleiteten Selbstverständnis. "Dabei bewirkte das offenbare Mißverhältnis zwischen dem öffentlichen Ansehen der Presse und dem Bemühen des Staates, diesem mit den polizeistaatlichen Methoden des 18.Jahrhunderts zu begegnen, auf Seiten der Betroffenen eine Idealisierung der Presse, die sich vornehmlich in der Behauptung einer ihr zukommenden besonderen normativen Qualität äußerte"(2). Die Forderung nach Pressefreiheit, noch bis zur Wende des 18. Jahrhunderts in erster Linie mit dem Blick auf Bücher und wissenschaftliche Abhandlungen, im Interesse also einer verhältnismäßig kleinen Intelligenzschicht erhoben, erstreckte sich nun auf politische Zeitungen und Zeitschriften, wobei als Argumente mehr und mehr überindividuelle Gesichtspunkte hervortraten. Dies gilt neben den häufig herangezogenen praktischen Begründungen - wie der von der kulturellen, von der politischen Bildungs- und Integrations- und der Mittlerfunktion der Presse zwischen Volk und Regierung - besonders für das staatstheoretische Argument von der "Volkssouveränität", als deren Ausdruck sich die liberale Presse des Vormärz verstand. Die These eines Joseph GÖRRES, der die Zeitungen als "Stimmen" bezeichnete, "durch welche die Völker zueinander und zu den Fürsten sprechen"(3), und folgerichtig ihr " A m t " als Wortführerin der öffentlichen Meinung betonte, wurde nicht nur fester Bestandteil der vormärzlichen liberalen Publizistik, sondern auch von der staatsrechtlichen Literatur des Liberalismus in Gestalt einer ausdrücklich als "formelles Volksrecht" verstandenen Pressefreiheit herausgehoben (4). Dieses Freiheitsrecht gewann besondere Bedeutung insofern, als man in der politischen Tagespresse gleichsam den Ersatz für die noch fehlende Volksrepräsentation erblickte (5). Wenn damit das Volk, nicht aber der Publizist Träger der Pressefreiheit war, mußte sich die Presse als Mandatarin der "öffentlichen Meinung", als "öffentliches Institut"(6) verstehen,

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wobei diese "öffentliche Meinung" von der Publizistik in Anlehnung an die "radik a l e " ^ ) Richtung des Liberalismus mit dem "Volkswillen" des sich selbst als " N a tion" betrachtenden liberalen Bürgertums identifiziert wurde. Mit der Erfüllung der hauptsächlichen politischen Forderungen des Liberalismus und der Durchsetzung des Rechtspositivismus in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts trat in der staatsrechtlichen Literatur die überindividuelle Komponente zugunsten der heute als "traditionell" bezeichneten Interpretation der Pressefreiheit im Sinne eines Abwehrrechts, einer Sicherung des privaten Freiheitsraumes zurück. Die These vom "öffentlichen Amt" indes blieb maßgeblicher Bestandteil des Selbstverständnisses der Presse, wobei hier, wie CZAJKA betont, insofern eine Akzentverschiebung eintrat, als diese These nunmehr zum einen den Anspruch der Presse auf Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 193 StGB untermauern, zum andern als Basis berufsethischer Normen, als Prinzip des Standesrechts dienen sollte (8). Da durch die Etablierung der Parlamente das Argument von der Presse als Volksrepräsentation unhaltbar geworden war, entwickelte man (9) j e n e Theorie, wonach die Presse als eigentliches Organ der öffentlichen Meinung dem Parlament gegenübersteht, das, als dem "Bereich des institutionell 'Staatlichen'"(10) zugehörig, als Instrument der öffentlichen Meinung nur unvollkommen brauchbar sei. Diese Vorstellung findet sich im Ansatz auch in Martin LÖFFLERs Theorie von der Presse als "Vierter Gewalt" die als Gegengewicht und Kontrollorgan der durch das moderne Parteienstaatssystem "gleichgeschalteten" drei klassischen Staatsgewalten fungiere (11). Die Bemühungen um die - möglichst gesetzliche - Anerkennung des "öffentlichen Amtes"(12) der Presse erreichten einen gewissen Höhepunkt in den auch von prominenten Presserechtlern wie Kurt HAENTZSCHEL (13) unterstützten Versuchender Journalistenorganisation der Weimarer Republik, mit Hilfe der Einrichtung öffentlich-rechtlich organisierter Pressekammern neben einer Interessenvertretung nach außen, einem Interessenausgleich im Innern (Verleger-Redakteur) und der Antizipation staatlicher durch Selbstkontrolle vor allem eine Bedeutungserhöhung des Journalisten zu erreichen (14). Als der Nationalsozialismus mit dem Schriftleitergesetz diese Versuche - freilich auf seine Weise - realisierte, wurde deutlich, "daß die Anerkennung der Presse als Trägerin einer öffentlichen Aufgabe nicht nur eine Aufwertung ihrer Stellung, sondern auch den Verlust der Freiheit bedeuten kann"(15). Dennoch blieb die These von der "öffentlichen Aufgabe" der Presse auch nach 1945 wichtiger Bestandteil der kommunikationspolitischen Argumentation der Standesorganisationen. Allerdings zog man aus den Erfahrungen im Dritten Reich insofern eine Konsequenz, als die Forderung nach öffentlich-rechtlich organisierten Pressekammern - von den süddeutschen und Altverlegern eher als den norddeutschen Lizenzverlegern und von beiden wiederum früher als von den Journalisten - fallengelassen wurde, mit der Folge, daß bereits 1952 der mit dem LÜDERS-Entwurf g e machte Versuch zur Einrichtung solcher Kammern auf den geschlossenen Widerstand aller Presseorganisationen traf (16). Die Funktion des Schlagwortes von der "öffentlichen Aufgabe" reduzierte sich auf die eines Vehikels zur Erlangung von Sonderrechten der Presse ohne die Anerkennung einer besonderen Pflichtbindung. Überzeugendes Beispiel sind die bereits erwähnten neuen Landespressegesetze, die, unter maßgeblicher Mitwirkung der Presseorganisationen entstanden, die "öffentl i c h e Aufgabe" der Presse anerkennen und in Gestalt etwa des Zeugnisverweigerungsrechts, der Informationspflicht der Behörden und des Beschlagnahmeprivilegs 85

Sonderechte gewähren, andererseits aber kaum Sonderpflichten verankern, j a sogar die ohnehin spärlichen Momente gesellschaftlicher Kontrolle aus den älteren Pressegesetzen eliminieren. Vor diesem Hintergrund scheinen Bemerkungen, wonach die These von der "öffentlichen Aufgabe" der Presse lediglich "ideologischer Überrest romantisch-demokratischer Identifizierung von Volk und Presse" bzw. "ein Fall neuer Ideologiebildung zur Wahrung der Selbstachtung"(17) oder "Material für Festredner"(18), ein "bloßes Wichtigkeitsattribut"(19) sei, insofern zu kurz zu greifen, als sie außer acht lassen, daß dieses Schlagwort zur Begründung konkreter Forderungen der Presse dient. Wenn die Standesorganisationen einschließlich der der Verleger an diesem Schlagwort festhalten, dann um der Erreichung dreier Ziele willen: zum einen geht es um die bereits in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, wenn auch vergeblich (20) geforderte - Zubilligung des "im Falle eines drohenden Beleidigungsprozesses für die Presse"(21) bedeutsamen Rechtfertigungsgrundes der "Wahrnehmung berechtigter Interessen" gemäß § 193 StGB. Martin LÖFFLER präzisierte diese Forderung, indem er im Zusammenhang mit dem geplanten Ehrenschutzgesetz (22) schrieb:"Die Presse muß deshalb darauf bestehen, daß die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe . . . vom Gesetz_eindeutig als Unrechtsausschließungsgrund anerkannt wird und zwar im Rahmen der Generalklausel, da die Wahrnehmung berechtigter Interessen einen generellen Rechtfertigungsgrund darstellt, der bei allen denkbaren Persönlichkeits beeinträchtigungen Platz greifen kann"(23). Zum zweiten muß die Anerkennung der "öffentlichen Aufgabe" der Presse in dem Fall entscheidende Bedeutung gewinnen, wenn es im Rahmen des vom Bundesverfassungsgericht im LÜTH-Urteil (24) aufgestellten Leitsatzes von der Güterabwägung um die Kollision des Art. 5 GGmit anderen Grundrechten geht. Schließlich wird der institutionelle Schutz, der die Pressefreiheit über die Meinungsfreiheit hinaushebt, wesentlich mit der "öffentlichen Aufgabe" der Presse begründet, wenn beispielsweise der Bundesgerichtshof formuliert:"Gerade wegen der Wichtigkeit dieser Aufgabe ist die Freiheit der Presse durch das GG (Art. 5 Abs. 1 Satz 1) besonders geschützt"(25). Wie an einer Reihe von Beispielen noch zu zeigen sein wird, dient darüberhinaus dieses Schlagwort in Verbindung mit dem ständigen Beschwören der Pressefreiheit ganz allgemein zur Abwehr von Bestrebungen des Staates, Mißbrauch der Pressefreiheit zu unterbinden oder den Wirkungsbereich des Art. 5 GG zugunsten anderer Rechtsgüter generell zu begrenzen (26). Die Bemühungen der Verlegender These von der "öffentlichen Aufgabe" der Presse Anerkennung zu verschaffen, waren durchaus erfolgreich. Sie ist nicht nur in den a l l gemeinen und juristischen Sprachgebrauch übernommen worden (27) und in die höchstrichterlichen Entscheidungen eingegangen (28),sondern auch Bestandteil der gültigen Landespressegesetze. Gerade an letzteren läßt sich jedoch auch die Problematik des Begriffs aufzeigen. Untersucht man die dort benutzten Formulierungen, so lassen sich zwei Gruppen unterscheiden, von denen die größere den Ausdruck "öffentliche Aufgabe" lediglich als generelle Funktionsbeschreibung der Presse benutzt (29), die kleinere aber die Erfüllung der "öffentlichen Aufgabe" von Bedingungen abhängig macht (30), ohne sie allerdings als Voraussetzung für die nachfolgend gewährten Privilegien zwingend vorzuschreiben. Damit kommen die Gesetze den Forderungen der Verleger entgegen, die diese Formel lediglich im Sinne einer Feststellung, einer Beschreibung der Realitäten verstanden (31), ihre Anerkennung aber nicht von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig gemacht sehen wollen (32). Eben diesen 86

Weg ging der Bundesgerichtshof, als er entschied: "Die Presse nimmt berechtigte Interessen im Sinne des § 193 StGB wahr, wenn sie über Angelegenheiten berichtet oder zu ihnen Stellung nimmt, an denen - wie z. B. den politischen Angelegenheiten - ein ernsthaftes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht"(33). Damit wirft das Gericht die Frage nach der Abgrenzung solcher Berichte von denen ohne das Kriterium des öffentlichen Interesses auf, eine Frage, die auch die einschlägige Literatur beherrscht, weil sie unweigerlich zum Problem des sachlichen Geltungsbereichs der Pressefreiheit führt. Während sich beispielsweise Willi GEIGER diesem Dilemma dadurch entzieht, daß er aus der Anerkennung der "öffentlichen Aufgabe" lediglich ein moralisches Postulat an die Presse ableitet (34), spricht Franz SCHNEIDER dem T e i l der Presse, den er als "gedrucktes Variete" bezeichnet, konsequenterweise den Schutz der Pressefreiheit ab (35), von MANGOLDT/KLEIN klammern sogar die reine Unterhaltungspresse aus dem Presse-Begriff des Grundgesetzes ganz aus (36). Dies läuft auf eine geteilte Pressefreiheit hinaus, weswegen sich eine Reihe von Autoren zu der - gegen den Vorwurf der Inkonsequenz allerdings empfindlichen (37) - Entscheidung bekennt, daß die Pressefreiheit zwar um der "öffentlichen Aufgabe" willen gewährt werde, aber unabhängig von der Erfüllung dieser Aufgabe allen Presseorganen, einschließlich den "Abfallprodukten der Freih e i t " ^ ) gleichermaßen zukomme (39). Für diese Lösung spricht, daß sie dem Problem einer Definition der "öffentlichen Aufgabe"(40), insbesondere einer - auf eine qualitative Beurteilung hinauslaufenden - Abgrenzung von "Informationen von öffentlichem Interesse" und "reiner Unterhaltung", von "wertvoller Unterhaltung" und "gedrucktem Variete" aus dem Wege geht und damit die Gefahr einer Grundrechtsverwirkung "auf kaltem Wege" oder einer Inpflichtnahme der Presse meidet. Wie leicht das Hantieren mit dem Begriff der "öffentlichen Aufgabe"in diese Richtung führt, zeigt die im S C H M I D - " S p i e g e l " - U r t e i l vom Bundesverfassungsgericht aus der "öffentlichen Aufgabe" abgeleitete Verpflichtung der Presse zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung (41). An dieser Entscheidung wird nicht ohne Grund kritisiert, daß moralische Kriterien herangezogen werden, wo nur juristische relevant sein dürften, was letztlich auf die Verwirkung eines Grundrechts "ohne die materiellen und prozessualen Voraussetzungen des Art. 18 GG"(42) hinauslaufe. Neben diesen aus der Formel von der "öffentlichen Aufgabe" erwachsenden juristischen Problemen ergeben sich auch Bedenken zeitungswissenschaftlicher Art. Die bei den Definitionsversuchen dieser Formel gelieferten Funktionsbeschreibungen oder Aufgabenpostulate der Presse greifen, was mit ihrer Herkunft aus verfassungsrechtlichem oder politologischem Denken zusammenhängen mag, angesichts der durch die gesellschaftlichen Veränderungen gewandelten Bedeutung der Massenmedien, insbesondere der Presse, zu kurz. Im Hinblick auf die sozialen Funktionen der Massenmedien, deren Umfang und Relevanz erst allmählich erkannt werden, bleibt ein auf den herkömmlichen Funktionsbeschreibungen basierender Begriff der "öffentlichen Aufgabe", der den Bereich des öffentlichen Interesses auf politische Informationen im weitesten Sinne und allenfalls noch auf "wertvolle", weil m e i nungsbildende Unterhaltung beschränkt, unbefriedigend. Angesichts seiner mangelhaften Klarheit, seiner problematischen juristischen Implikationen und - zumindest nach herkömmlichem Verständnis - inhaltlichen Verkürzung läge es nahe, den Begriff ganz zu vermeiden, zumal dies keinen rechtlichen Verlust bedeutete (43). Will man ihn jedoch beibehalten, so sollte man ihn im Sinne einer "soziologischen Funktionsbeschreibung"(44) verstehen, von einer "gesellschaftlichen Funktion"(45)

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sprechen, zumindest aber die "öffentliche Aufgabe" als "öffentlichkeitsbezogene", nicht "staatsbezogene" Funktion interpretieren (46), wie es auch ein Teil der Literatur vorschlägt. Auf eine derartige Auslegung sind in letzter Zeit auch die Zeitungsverleger eingeschwenkt, offensichtlich in der Erkenntnis, daß aus dem Verständnis, wie es etwa den zitierten Gerichtsentscheidungen zugrundeliegt, für die Presse unliebsame Konsequenzen im Sinne von Pflichtbindungen folgen (47). Dennoch gilt, daß die Verleger ihre kommunikationspolitische Strategie und Taktik bis in die Gegenwart in erheblichem Umfang auf den Begriff der "öffentlichen Aufgabe" der Presse, bezogen insbesondere auf ihre politischen Funktionen, aufbauen (48). Damit jedoch bedienen sie sich einer Pressefreiheits-Interpretation, die in ihren Konsequenzen auf die Beschränkung der "individuellen" Pressefreiheit des Verlegers hinausläuft. Denn anders als die "traditionelle" Deutung des Art. 5 GG eröffnet die "institutionelle" Auslegung - und sie argumentiert ja gerade mit dem Begriff der "öffentlichen Aufgabe" - die Möglichkeit, den Grundrechtsschutz nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber gesellschaftlichen Gruppierungen, letztlich also auch gegen Ubermächtige Zeitungskonzerne einschließlich ihrer Verleger in Anspruch zu nehmen. Sie liefert damit die juristische Basis für ein auf zeitungswissenschaftlichen Überlegungen beruhendes Verständnis der Pressefreiheit als "Teilhabegarantie" im Sinne einer "gesellschaftlichen Kommunikationsfreiheit aller". 4 . 2 . 1 . 3 Umriß eines zeitungswissenschaftlichen Begriffs der Pressefreiheit Wenn, wie weiter oben darzulegen versucht wurde, angesichts der gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse die Aufgabe der Presse in der Funktion eines Mittlers des gesellschaftlichen Zeitgesprächs, in der Bereitstellung des Forums sozialer Kommunikation besteht, auf dem sich der einzelne im Gespräch selbst verwirklicht, dann muß sich eine Interpretation des Art. 5 GG als des dafür maßgeblichen Grundrechts an eben dieser Funktion orientieren. Dies gilt insbesondere für den Begriff der Pressefreiheit als das gesellschaftliche Gegenstück zur individuell zu verstehenden Meinungsäußerungsfreiheit. Während diese, unabhängig von der gewählten Form, die Meinungsäußerung schlechthin, folglich also auch die in einer Zeitung, schützt (materielle Pressefreiheit), greift die (formelle) Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 darüber hinaus. Als "mediale Kommunikationsfreiheit" schützt sie den von den Massenmedien geschaffenen Raum des sozialen Zeitgesprächs. Wenn das Bundesverfassungsgericht den Begriff der Pressefreiheit dahingegend interpretiert, daß er über die individuelle Meinungsfreiheit hinaus die "institutionelle Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht oder Meinung gewährleistet"(1), dann stellt es damit eben diesen Vorgang der Herstellung von Öffentlichkeit, der "Bildung eines umgreifenden öffentlichen 'Meinungsmarktes'" unter Schutz, "auf dem Meinungen aller Art ausgetauscht und debattiert und Informationen aus beliebigen Tatsachen und Lebensbereichen bekannt bzw. zugänglich werden"(2). Damit wird zugleich der Raum eines politischen Forums geschaffen, der unerläßliche Vorbedingung für die eine Demokratie konstituierende freie politische Meinungsbildung des Volkes ist. Weil "allgemeiner Meinungsmarkt" und "politisches Forum" nicht scharf zu trennen sind, sondern insofern einen inneren Zusammenhang aufweisen, als jener dieses erst ermöglicht, weil darüberhinaus der allgemeine Meinungsmarkt den Raum der sozialen 88

Funktionen der Presse beschreibt, ist eine Differenzierung zwischen beiden, insbesondere dann, wenn sie mit der Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf das "politische Forum" einhergeht, unhaltbar. Das hindert nicht, im Falle einer Kollision der Pressefreiheit mit Rechten anderer die j e konkrete politische oder soziale Bedeutung der Presseäußerung zu untersuchen und im Rahmen der Güterabwägung dem tangierten Recht des anderen gegenüberzustellen. Es hindert aber sehr wohl am - einer faktischen Grundrechtsverwirkung gleichkommenden - generellen Ausschluß bestimmter und als für den politischen Meinungsbildungsprozeß nicht relevant erachteter Presseorgane oder -beitrage vom Grundrecht der Pressefreiheit. Vornehmlich um des Prinzips der Volkssouveränität,d.h. der von seiten der Amtsinhaber unbeeinflußten und ungehinderten politischen Willensbildung "von unten nach oben" willen schützt das Grundgesetz den Raum sozialer Zeitkommunikation durch Zensurverbot, Wesensgehaltssperre und ausschließlich verfassungsgerichtliche Aberkennung der Pressefreiheit. Dieser Raum erfuhr in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit Hilfe des Rückgriffs auf das "institutionelle"Moment der Pressefreiheit eine weitere Sicherung und ist durch die zusätzlichen presserechtlichen Verbürgungen wie etwa die Informationspflicht der Behörden, das Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeprivileg der Presse vollends gegen staatliche Beeinflussung abgeschirmt. Neben dieser Festigung der "äußeren Pressefreiheit", ihrem Schutz gegen staatliche Eingriffe, bringt Art. 5 CG - vor dem Hintergrund der Entwicklung vom liberalen Rechts- zum demokratischen Sozialstaat - einen prinzipiellen Gestaltwandel des Grundrechts selbst. "Seitdem die publizistischen Institutionen selbst zu einer gesellschaftlichen Macht geworden sind, die sich zur Privilegierung und Boykottierung der in die Öffentlichkeit einströmenden Privatinteressen und zur Mediatisierung aller bloß individuellen Meinungen eignetest die Ausbildung einer im strengen Sinne öffentlichen Meinung nicht schon dadurch wirksam sichergestellt, daß jedermann seine Meinung frei äußern und eine Zeitung gründen kann"(3). Angesichts der geringen Reichweite und folglich mangelhaften W i r k u n g schance einer nicht-medialen Meinungsäußerung einerseits, angesichts der - im Hinblick auf die damit verbundenen erheblichen Kosten und die faktische materielle Ungleichkeit der Individuen - fehlenden gleichen Z u g a n g s-chance zum öffentlichen Meinungsmarkt andererseits läuft ein lediglich als Freiheit der Zeitungsgründung und des Zeitungsbetriebes verstandenes Grundrecht für die weit überwiegende Mehrheit des Volkes leer. Da aber die Selbstverwirklichung im gesellschaftlichen Zeitgespräch als Ausfluß der Verfassungsprinzipien der Menschenwürde und der Gleichheit ein j e d e r m a n n zustehendes Recht ist, muß Pressefreiheit im Sinne einer Teilhabegarantie als mediale Kommunikationsfreiheit die gleiche Zugangschance eines jeden Bürgers mit seinem Gesprächsbeitrag zum öffentlichen Meinungsmarkt sichern (4). Das impliziert - im Hinblick auf die zeitliche bzw. räumliche Beschränkung des medialen Darstellungsraumes - nicht das subjektive öffentliche und einklagbare Recht, mit jedem Artikel oder Leserbrief in j e dem gewünschten Programm der Medien zu erscheinen, wohl aber den Anspruch, mit der eigenen, meist gruppenspezifischen, "wenigstens minimalen gesellschaftlichen Normen genügenden Überzeugung"(5) auf dem Forum des sozialen Zeitgesprächs r e p r ä s e n t i e r t zu sein. Mit anderen Worten:"Wie der Anzeigenteil prinzipiell den freien Markt darstellt, manifestiert echte Zeitung wesentlich das ganze Spektrum gesellschaftlicher Kommunikation"(6). 89

Grundsätzlich, wenn auch nicht in optimaler Ausgestaltung, in der pluralistischen Struktur der Rundfunkanstalten angelegt, kommt diese Teilhabegarantie beim Pressewesen in Gestalt der vielbeschworenen Vielfalt nur unvollkommen zur Geltung. Wird die Vielfalts-These auf dem Gebiet der überregionalen Berichterstattung vor dem Hintergrund der zeitlichen und materiellen Beschränkung des einzelnen schon fragwürdig, weil die Vorstellung von dem sich aus einer Reihe von Zeitungen umfassend informierenden und anhand des dort in der Zusammenschau gebotenen Meinungsspektrums eine eigene Überzeugung bildenden Bürgers unrealistisch erscheint (7), so gilt dies vollends von der Lokalberichterstattung. Während Verzerrungen des Informations- und Meinungsspektrums bei überregionalen Themen zumindest p o t e n t i e l l durch andere Zeitungen oder Medien ausgeglichen werden (8), fehlt diese Chance im Hinblick auf die lokal- oder regionalpolitische Berichterstattung bei Zeitungen mit lokaler oder regionaler Monopolstellung. Aus der von daher - zumindest tendenziell - folgenden Beschränkung der medialen Kommunikationsfreiheit aller im Sinne einer Teilhabegarantie entsteht die Pflicht des Staates zur Sicherung dieser Freiheit. Mit anderen Worten: Pressefreiheit als soziale Teilhabegarantie fordert den staatlichen Eingriff, wenn sie durch Konzentrationstendenzen gefährdet erscheint. Ob dies nun in Gestalt des Versuchs geschieht, durch strukturelle Maßnahmen die Vielfalt d e r Zeitungen zu erhalten, oder auf dem Wege, die Vielfalt i n der Zeitung zu sichern, wird vom Einzelfall abhängen (9). Es muß in diesem Zusammenhang nicht besonders betont werden, daß die reine Partei-und Interessengruppenpresse, da von ihrer Funktion und auch vom Anspruch her nicht auf umfassende Information des Bürgers im Sinne der Vermittlung des Spektrums sozialer Kommunikation angelegt, hier eine Sonderstellung einnimmt (10). Vom oben umrissenen Ansatz her ergeben sich auch Perspektiven für die Gestaltung der internen Verhältnisse des Zeitungsbetriebes. Die mediale Kommunikationsfreiheit des einzelnen wird beeinträchtigt, wenn aus politischem oder ökonomischem Interesse des Verlegers in seiner Rolle als Kapitaleigner - oder außenstehender Gruppen, die sich des ökonomischen Interesses des Verlegers bedienen - bestimmte Informationen oder gar ganze Sektoren des Meinungsspektrums unterdrückt, andere aber privilegiert werden. Dies gilt vollends dann, wenn ökonomische Privatinteressen den ihnen zugewiesenen Anzeigenteil der Zeitung verlassen und unter dem Deckmantel redaktioneller Gestaltung, als Information von allgemeiner und öffentlicher Relevanz getarnt, Eingang in den Meinungsprozeß des einzelnen suchen. Die strikte Trennung von Anzeigen- und T e x t t e i l , darüberhinaus aber auch die deutliche K o m petenzabgrenzung zwischen Verleger und Redakteur, die eine vom ökonomischen Interesse gesteuerte Einwirkung des Kapitaleigners auf die konkrete Gestaltung des Textteiles verhindern kann, erscheint daher als unmittelbarer Ausfluß medialer Kommunikationsfreiheit geboten (11). Da aber auch der Journalist nicht frei von privaten Ambitionen und politischen Präferenzen ist, muß eine institutionalisierte gesellschaftliche Kontrolle mediale Kommunikationsfreiheit zumindest dort sichern, wo die Chance ihres "automatischen" Zustandekommens durch gegenseitige Ergänzung der Medien infolge von Monopolstellungen gefährdet ist (12). Dies impliziert - und die weiter oben beschriebene Ablehnung solcher Gedanken durch die Verleger beweist es (13) - eine erhebliche Beschränkung verlegerischer Verfügungsmacht, was die Frage nach Art und Umfang der "Pressefreiheit des Verlegers" aufwirft. Der Verleger befördert, indem er die wirtschaftlichen Voraussetzungen für das Erscheinen einer Zeitung sichert, ganz wesentlich den Prozeß 90

sozialer Zeitkommunikation. Weil und solange dies der Fall ist, stehen er und sein Unternehmen sowie die gesamte Presse unter dem besonderen Schutz "institutionell" verstandener Pressefreiheit. Nur so ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auszulegen. "Denn darüber sollte doch Klarheit herrschen: Auch wenn man Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Anlehnung an den Beschluß des BVG vom 6. Oktober 1959 in Richtung einer "institutionellen Garantie' der Presse interpretiert, die besagt, 'daß dem Staat . . . die Verpflichtung aufgebürdet ist, dafür zu sorgen, daß d i e P r e s s e existenzfähig ist', dann heißt das noch keineswegs, daß damit eine staatliche Verpflichtung verbunden wäre, auch ihre Verleger existenzfähig zu halten. Die wirtschaftliche Existenz des Verlegers als solche kümmert die Gesellschaft wenig . . . 'Existenzfähigkeit' im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG meint zudem, daran ist gar kein Zweifel, nicht die ökonomische Struktur der Medien, sondern ihr publizistisches Funktionieren"(14). Wenn das Verfassungsgericht die privatwirtschaftliche Pressestruktur unter den besonderen Schutz des Art. 5 GGstellt, dann offenbar deswegen, weil diese Struktur die geforderte Vielfalt und Unabhängigkeit (noch) garantiert. Sollte sie jedoch - beispielsweise infolge von Konzentrationsprozessen - diese Eigenschaft verlieren und ihre Aufgabe, die Sicherung der gesellschaftlichen Kommunikation, nicht mehr erfüllen, dann wird man neue Wege suchen müssen, ohne daß damit, wie die Verleger behaupten (15), die Demokratie selbst zugrunde ginge. Auch für die Frage verlegerischer Verfügungsmacht über sein Eigentum, insbesondere hinsichtlich des Einflusses auf die inhaltliche Gestaltung seiner Zeitung, ergeben sich aus dem Begriff der medialen Kommunikationsfreiheit Konsequenzen. Wenn Pressefreiheit die Sicherung eines Raumes der Öffentlichkeit zur chancengleichen Realisierung gesellschaftlicher Zeitkommunikation und über diese zur Selbstverwirklichung des einzelnen im Gespräch bedeutet, dann verbietet sie zwangsläufig Privilegien, vor allem, wenn diese ausschließlich aus einem materiellen Vorsprung herrühren. Mit anderen Worten: es ist nicht zu rechtfertigen, daß der Verleger aus dem - oftmals zufälligen - Produktionsmittelbesitz ein Recht auf überproportionale Darstellung seines spezifischen Gesprächsbeitrags im Prozeß sozialer Kommunikation herleitet. Ohne Zweifel trägt der Verleger durch die Bereitstellung der technischen Mittel wesentlich zur Schaffung des Raums der Öffentlichkeit bei. Für diese Leistung wird er jedoch mit dem ihm zufließenden Gewinn, den er insbesondere aus dem ihm zugestandenen Recht zur Ausbeutung des Anzeigenmarktes zieht, hinreichend entlohnt. Eine darüber hinausgehende Prämie in Gestalt des Rechts zur privilegierten Darstellung eigener Überzeugungen ist aus dem Prinzip medialer Kommunikationsfreiheit nicht abzuleiten. Denn das hieße, die Finanzkraft zum primären Regulativ des Prozesses sozialer Kommunikation zu machen und jede Chancengleichheit zu vernichten. Als Gegenargument kann auch nicht der Hinweis auf den Schutz des Eigentums - einschließlich der freien Verfügung darüber - durch Art. 14 Abs. 1 GG gelten. Denn wenn irgendwo die in Abs. 2 desselben Artikels verankerte Sozialpflichtigkeit des Eigentums zum Tragen kommt, dann in Bezug auf den sozialen Kommunikationsprozeß (16). Der Verleger macht von dem Recht der Aktivierung und Mehrung seines Eigentums in einem gesellschaftlichen Bereich Gebrauch, dessen Struktur und Funktion für Existenz und Entwicklung der Gesellschaft von hervorragender Bedeutung sind. Wenn die Gesellschaft - in erster Linie, um den öffentlichen Meinungsbildungsprozeß von staatlichem Mißbrauch freizuhalten - seine Beförderung zum großen Teil privaten 91

Massenmedien überläßt, dann impliziert dies noch nicht, daß sie damit den beliebigen Gebrauch durch gesellschaftliche Gruppen oder einzelne dulden wollte. Der Verleger hat sich also, wenn er sich zum Zwecke der Mehrung seines Kapitals auf dem Gebiet der sozialen Kommunikation betätigt, den dafür entwickelten Regeln zu beugen und diese weisen ihm - qua Verleger - die Rolle eines Maklers, eines Anwaltes des gesellschaftlichen Zeitgesprächs, nicht aber die eines Vertreters eigener Interessen zu. Das Recht, sich mit seinen Überzeugungen im Darstellungsraum der Medien wiederzufinden, besitzt er wie jeder andere auch, nicht aber einen begründeten Anspruch, sein Blatt zu einsinniger und einseitiger Hinwirkung auf den Prozeß der sozialen Kommunikation zu nutzen. Die "öffentliche Funktion bestimmt vor allem die journalistische Qualität des Mediums, während die 'eigene Linie' gleichsam private Beigabe ist"(17). So ist nach Ansicht des Verfassers von einem zeitungswissenschaftlichen Ansatz her der Begriff der Pressefreiheit zu interpretieren. Ein solcher Begriff räumt auf mit der aus dem Kapitalbesitz erwachsenden Privilegierung des Verlegers und weist ihm in seiner Rolle als Bürger die gleiche Teilnahmegarantie wie allen anderen auch, in seiner Rolle als Verleger aber die Funktion eines Maklers zu, der zur "sozial-anwaltlichen"(18) Vermittlung des gesamten Spektrums gesellschaftlicher Kommunikation verpflichtet ist. 4 . 2 . 1 . 4 Die "institutionelle" Deutung als verfassungsrechtliche Begründung gleicher Meinungsfreiheit aller Im Zusammenhang mit der "zweigleisigen" Presserechtsentwicklung der Nachkriegszeit wurde oben auf die unterschiedliche Grundrechtsinterpretation durch die "institutionelle" und die "traditionelle" Schule in der presserechtlichen Literatur hingewiesen und die der "institutionellen" Richtung zuneigende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umrissen. Dabei war ein Blick auf den von der "institutionellen" Schule häufig benutzten Begriff der "öffentlichen Aufgabe" nötig, von dem sich herausstellte, daß er, als Ausdruck einer spezifischen historischen Situation, heute nicht nur juristisch fragwürdig ist, sondern auch zeitungswissenschaftlich zu kurz greift, weswegen man besser von der "gesellschaftlichen Funktion" der Presse sprechen sollte. Aus der, von einem zeitungswissenschaftlichen Ansatz her gewonnenen Beschreibung dieser Funktion als der eines "Anwalts des sozialen Zeitgesprächs" wurde anschließend ein Pressefreiheits-Begriff zu entwickeln versucht, der - als "mediale Kommunikationsfreiheit aller" - die chancengleiche Teilnahme eines jeden am Prozeß sozialer Zeitkommunikation sichert, konsequenterweise die faktische Privilegierung der Presseangehörigen, insbesondere der Verleger, in diesem Prozeß verneint und folglich die "verlegerische Pressefreiheit" erheblich tangiert. Bevor nun auf die ohnehin bereits mehrfach angedeutete Auffassung der Verleger von Gestalt und Tragweite der Pressefreiheit eingegangen wird, bleibt noch zu klären, inwieweit die oben umrissene zeitungswissenschaftliche Interpretation des Art. 5 GG, insbesondere die daraus gezogenen Folgerungen für die "innere Pressefreiheit", verfassungsrechtlicher Prüfung standhalten. Denn es erscheint wenig sinnvoll, den verlegerischen Thesen eine vielleicht zeitung?wissenschaftlich überzeugende, juristisch aber nicht vertretbare Grundrechtsdeutung entgegenzustellen. Dieses notwendige juristische Fundament liefert weniger die "traditionelle"(1) als 92

vielmehr die "institutionelle" Grundrechts-Auffassung, die " - n a m e n t l i c h bei den Fragen der 'inneren Pressefreiheit' - zu theoretisch und verfassungspolitisch befriedigenderen Lösungen führt"(2). Das wird besonders deutlich an einem Aufsatz von Horst EHMKE (3), der aus Anlaß der Pressekonzentrationsdebatte den ganzen Horizont der in diesem Zusammenhang erörterten Maßnahmen abschreitet und sie auf ihre verfassungsrechtliche Vertretbarkeit untersucht. Gleiches gilt für die Überlegungen des "Arbeitskreises Pressefreiheit", der, vor allem wenn er mit dem Begriff der "gleichen Meinungsfreiheit aller"(4) operiert, die oben entwickelten T h e men zur medialen Kommunikationsfreiheit in vollem Umfang stutzt. EHMKE geht davon aus, daß es "ein in der deutschen politischen Entwicklung b e gründetes Mißverständnis der Grundrechte" sei, wenn man diese als "isolierte, individuelle Abwehrrechte, Ansprüche des einzelnen gegen den Staat begreift und dann mit einem ganzen Arsenal formaler Begrifflichkeit aus- und eingrenzt. Den Grundrechten kommt verfassungs s t r u k t u r e l l e Bedeutung zu, sie ordnen bestimmt e Lebensbereiche eines freien Gemeinwesens und in diesen die Rechtsstellung des einzelnen als objektives Recht . . . Erschöpft sich Art. 5 CG aber nicht in einer Abwehrfunktion gegenüber dem Staat, so ist er auch für eine staatliche Gesetzgebung zum S c h u t z e der Pressefreiheit sedes m a t e r i a e " ( 5 ) . Bei dieser, an das Kriterium der "Allgemeinheit" gebundenen Gesetzgebung (6) geht es nach EHMKE weniger um die "Abwägung der Presse- und Informationsfreiheit mit der Eigentumsgarantie und der Freiheit wirtschaftlicher Betätigung oder mit der Berufsfreiheit". Die Problematik liege vielmehr im Bereich des Art. 5 GG selbst:"Pressefreiheit der Verleger, vieler Verleger, Pressefreiheit der Journalisten und Informationsfreiheit der Bürger müssen in eine Ordnung gebracht werden, die das für die freiheitliche Demokratie 'schlechthin konstituierende' Institut der freien Presse sichert" (7). Diese Ordnung deckt sich offensichtlich weitgehend mit dem, was Gerd ROELLECKE und Peter SCHNEIDER als "gleiche Meinungsfreiheit aller"(8) beschreiben; zumindest aber gelangen der "Arbeitskreis Pressefreiheit" und EHMKE zu gleichen Auffassungen in der Beurteilung der meisten rechtlichen Einzelprobleme. Die - nach Meinung der Verleger (9) - vom Bundesverfassungsgericht als mit einem demokratischen Pressewesen schlechthin identisch und für unantastbar erklärte privatwirtschaftlich organisierte Zeitungsvielfalt bezeichnet EHMKE als "historisch begründet", woraus er folgert, "daß sich dieses Verständnis wandeln muß, wenn das überkommene Organisationsbild unserer Presse obsolet werden würde"(10). D a bei erscheint es ihm vorstellbar, daß sich " V i e l f a l t , z . B . durch eine Vielzahl von unabhängigen 'Presse-Anstalten' durchaus auch öffentlich-rechtlich organisieren l i e ß e " ( l l ) . Obgleich er eine g e s e t z l i c h e Festlegung bestimmter Gesellschaftsformen wie z. B. der Stiftung als Unternehmensform der Presse, weil den Beruf des erwerbswirtschaftlich orientierten Zeitungsverlegers praktisch abschaffend und damit dessen Pressefreiheit beeinträchtigend, für verfassungswidrig hält(12), bejaht er die Frage, "ob der Staat eine Förderung von Neugründungen auf die Förderung bestimmter Gesellschaftsformen (etwa S t i f t u n g e n . . . ) beschränken könnt e " ( 1 3 ) . Mit anderen Worten: wenn auch eine gesetzliche Änderung der bestehenden Presse-Unternehmensstruktur verfassungsrechtlich nicht vertretbar ist, so eröffnet sich dem Staat doch in dem Wege Uber die gezielte Förderung bestimmter Neugründungen eine Möglichkeit, zum Zwecke der Erhaltung der Vielfalt die bestehende Pressestruktur zu modifizieren. Im Gegensatz zu Angehörigen des "Arbeitskreises Pressefreiheit", die direkte 93

staatliche Subventionen als einzige aus dem Instrumentarium finanzieller Antikonzentrationsmaßnahmen ausklammern (14), erachtet EHMKE auch diese, soweit sie zur Erhaltung der Vielfalt der Presse geeignet sind, für verfassungsrechtlich grundsätzlich vertretbar (15). Einigkeit herrscht wiederum in der Frage der "negativen" Antikonzentrationsmaßnahmen: "Führt die wirtschaftliche Konzentration zu einer die Pressefreiheit anderer Verleger und der Journalisten oder die Informationsfreiheit der Bürger gefährdenden publizistischen Konzentration, kann sich . . . z.B. ein Pressekonzern gegenüber einer Marktanteilsbegrenzung nicht mit Erfolg auf Art. 5 GG berufen. Seine Pressefreiheit muß im Interesse des von der Verfassung garantierten Instituts 'Freie Presse' zurücktreten"(16). Folglich sind auch Offenlegungspflicht (17), Fusionskontrolle (18) und Entflechtung (19) durchaus mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen. Dies gilt nicht für die Auflagenbegrenzung, die nicht nur von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und der Freiheit wirtschaftlicher Betätigung des Art. 2 Abs.l GG, sondern auch von Informationsrecht des Art. 5 GG her als verfassungsrechtlich unzulässig anzusehen ist (20). Auch bei der Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen Verleger und Redakteur sind sich EHMKE und der "Arbeitskreis" einig: sie halten eine gesetzliche Regelung im Sinne einer klaren Scheidung der jeweiligen Zuständigkeiten für durchaus verfassungskonform. Unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6.Oktober 1959 (21) betont EHMKE:"Art. 5 GG fordert, daß der Gesetzgeber die Pressefreiheit der Verleger und die Pressefreiheit der Redakteure einander 'optimierend* zuordnet. An der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit derartiger gesetzlicher Regelungen kann daher kein Zweifel bestehen"(22). Gleiches gilt für die "Mitbestimmung der Linie und des redaktionellen Inhalts einer Zeitung", wobei aus einer "Abwägung der Grundrechte der Beteiligten" folgt, daß eine "völlige Verdrängung des Verlegers durch eine Redaktionskonferenz in der Bestimmung der Richtung und des Inhalts des Blattes . . . mit Art. 12 und 5 GG kaum vereinbar wäre . . . Ein Mitwirkungsrecht der Redaktion bei der Richtlinienbestimmung würde man dagegen . . . als solches nicht für verfassungswidrig erklären können. Das gleiche gilt für eine Mitwirkung bei der Einstellung und Entlassung von Redakteuren"(23). An diesem Problem scheiden sich am deutlichsten "institutionelle" und "traditionelle" Grundrechtsinterpretation. Während diese in der Frage der Bekämpfung von Konzentrationsvorgängen von der "sozialen" Seite des Art. 5 GG her womöglich noch eine Regelungsbefugnis des Staates ableitet (24), lehnt sie jedenfalls Eingriffe in das Verhältnis Verleger-Redakteur grundsätzlich als mit der Verfassung nicht vereinbar ab (25). Bei dieser Frage ergibt sich offenbar auch die einzige Differenz zwischen der oben entwickelten zeitungswissenschaftlichen Pressefreiheits-Interpretation und der EHMKEs. In dem Modell vom Verleger bzw. Redakteur als Mittler, als Anwalt sozialer Kommunikation, spielt die Frage der Richtlinienbestimmung eine untergeordnete Rolle, da eine bestimmte "Linie" der Zeitung von diesem Konzept her nicht gefordert, sondern allenfalls als "Beigabe" geduldet wird. Geht man jedoch von der - von den Verlegern als realistisch bezeichneten (26) - Annahme aus, der Leser wünsche diese Linie, und bedenkt man weiterhin, daß von der Rechtslehre Pressefreiheit anders als im "Mittler"-Modell auch als Recht des Verlegers gesehen wird, seine Meinung in seiner Zeitung zu propagieren (27), dann erscheint in der Tat eine Zuordnung der jeweiligen Rechte bei der Richtlinienbestimmung nötig und in der von

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EHMKE beschriebenen Form vertretbar (28). Immerhin wäre zu erwägen, ob die von RIDDER befürchtete und abgelehnte Folge, daß redaktionelle Mitbestimmung "den Pressebetrieb als Tendenzbetrieb pluravisierend auflösen würde"(29), tatsächlich so negativ zu beurteilen ist. Jedenfalls schiene die Vertretung mehrerer Linien in einer Zeitung anstelle "der Linie" des Blattes als Schritt in Richtung auf die Ausgestaltung auch des Meinungsteiles zu einem Forum des gesellschaftlichen Z e i t gesprächs durchaus erörternswert (30). Abschließend bleibt zu prüfen, inwieweit die Institutionalisierung gesellschaftlicher Kontrolle als Mittel zur Sicherung medialer Kommunikationsfreiheit mit den Normen der Verfassung übereinstimmt. Im Zusammenhang mit einem einschlägigen Gesetzentwurf (31) äußert sich EHMKE auch in dieser Frage positiv. Ein Gesetz, das, wie das von GLOTZ/LANGENBUCHER konzipierte (32), von den gesellschaftlich relevanten Kräften beschickte Presseausschüsse zur Kontrolle ausgewogener Berichterstattung von marktbeherrschenden Zeitungen vorsieht, ist "nach den vom Bundesverfassungsgericht im Fernsehurteil entwickelten Maßstäben als mit Art. 5 GG vereinbar anzusehen"(33). Das gilt auch für die darin vorgesehenen Sanktionen wie etwa Zwang zum Abdruck einer "Mißbilligung" oder gar Entzug von Vergünstigungen der öffentlichen Hand. "Die Kontrolle allein von Zeitungsunternehmen mit marktbeherrschender Stellung ist nicht nur mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) vereinbar, sondern wird von der im Sinne der Vielfaltsthese des Bundesverfassungsgerichts verstandenen Pressefreiheit (Art. 5 GG) sogar gefordert"(34). Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß die Auslegung der Pressefreiheit des Art. 5 GG als "mediale Kommunikaticnsfreiheit aller" einschließlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen insbesondere für die "innere Pressefreiheit" von einer sich an den Maximen "institutioneller" Deutung der Grundrechte orientierenden verfassungsrechtlichen Interpretation im weitesten Umfang gedeckt wird. Dies gilt sowohl für die Frage der organisatorischen Struktur einer freien Presse (35) wie für die staatliche Befugnis zur Abwehr von Konzentrationserscheinungen (36), für die Regelung des Verhältnisses Verleger-Redakteur (37) wie das Problem gesellschaftlicher Pressekontrolle (38). Das Eingreifen des Gesetzgebers in diesen F ä l l e n - und das wird, wenn die Berufsverbände nicht versuchen, durch interne Vereinbarungen dem zuvorzukommen (39), die Regel sein - impliziert aber durchweg erhebliche Abstriche an der Verfügungsmacht des Zeitungsverlegers. Von daher ist nun zu prüfen, welches Pressefreiheits-Verständnis die Verleger demgegenüber entwickelt haben.

4.2.2

Die verlegerische Auffassung von Pressefreiheit

Der Begriff der Pressefreiheit stellt eine, wenn nicht d i e zentrale Kategorie kommunikationspolitischer Argumentation der Verleger dar. Welches kommunikationspolitische Problem auch immer zur Diskussion steht, die Verleger argumentieren in der Regel mit der These von der Bedrohung der Pressefreiheit oder der von der Notwendigkeit einer von ihnen geforderten Maßnahme vor dem Hintergrund "recht" verstandener Pressefreiheit. Dabei wird die Pressefreiheit vielfach auch dann bemüht, wenn bei unvoreingenommener Betrachtung ein Bezug zu ihr nur schwer oder gar nicht herstellbar ist. Fragt man nun mit dem Blick auf die oben dargestellten Interpretationen des Art. 5 GG 95

nach der Position der Verleger,so stellt sich heraus, daß diese - zumindest auf Anhieb - nicht eindeutig lokalisierbar ist. Zwar lehnten sie die zeitungswissenschaftliche Konzeption in den wenigen Fällen, da diese bislang - und dann auch nur im Zusammenhang mit einem konkreten Einzelproblem (1) - zur Diskussion stand, als "Kommunikations-Ideologie"(2) vehement ab (3). Andererseits heißt dies aber nicht, daß sie durchgängig die "traditionelle" Auffassung von Pressefreiheit vertraten, obwohl diese die logische Gegenposition wäre. Mit anderen Worten: die verlegerische Pressefreiheits-Interpretation ist abhängig von dem jeweils behandelten Problem. Dies vermag bei näherer Betrachtung nicht zu verwundern. Die "institutionelle" Deutung liefert mit ihrer Betonung des objektiven Zwecks der Pressefreiheit, mit dem Hinweis auf den für eine Demokratie "schlechthin konstituierenden" Charakter öffentlichen Tatsachen- und Meinungsaustausches eine umfassende und tragfähige Basis für die Forderung nach einer lückenlosen Absicherung der Presse gegen staatliche Eingriffe und nach vielfältiger Privilegierung um der Erfüllung ihrer Funktion willen. Andererseits eröffnet diese Grundrechtsinterpretation, wie oben zu zeigen versucht wurde, dem Gesetzgeber die Möglichkeit, eben um des Schutzes der "institutionellen" Pressefreiheit, also des sich aus einer Vielfalt nach ihrer Tendenz unterschiedlicher Presseerzeugnisse frei entwickelnden Meinungsbildungsprozesses willen, die individuelle Pressefreiheit des Verlegers zu beschneiden. Dies läßt sich vom "traditionellen" Ansatz her wesentlich schwerer begründen, mehr noch: mit Hilfe der "individualistischen" Pressefreiheits-Interpretation sind, vor allem wenn Art. 5 GG als rein negatorische Ausgrenzung gegenüber dem Staat ohne "soziale" Komponente verstanden wird, im Falle drohender Beschränkungen verlegerischer Verfügungsmacht - z. B. durch gesetzliche Regelungen wichtiger Bereiche der "inneren Pressefreiheit" - verhältnismäßig leicht Gegenpositionen zu beziehen und juristisch zu untermauern. Allerdings hat die Interpretation, daß Fressefreiheit in erster Linie ein Individualrecht sei, den Nachteil, daß sich von ihr aus bei weitem nicht so zwingend argumentieren läßt, wenn es im die Gewährung von Sonderrechten der Presse oder um die Abwehr bzw. Aufhebung von Restriktionen geht. Angesichts dieser Sachlage wählten die Zeitungsverleger durchweg eine Zwischenposition, eine ambivalente Haltung, auf deren Basis es sich in allen Fällen, da es um Fragen der "äußeren Pressefreiheit" ging, von der "institutionellen" Seite her, bei Problemen der "inneren Pressefreiheit" jedoch mit der individualrechtlichen Komponente argumentieren ließ. So bedienten sich die Verleger - wie weiter unten noch im einzelnen darzulegen sein wird - bei ihrem Kampf gegen verschiedene "Maulkorb"-Paragraphen wie etwa die "Lex SCHÄFFER", die "Lex SORAYA" oder gegen die Fernsehkonkurrenz der von der "objektiven" Bedeutung der Pressefreiheit herleitbaren Argumente, insbesondere der These von der staatspolitisch gar nicht hoch genug einzuschätzenden Funktion der Presse in einer freiheitlichen Demokratie (4). Gleiches gilt für die Bemühungen um die gesetzliche Zubilligung der Wahrnehmung berechtigter Interessen, der Verankerung der behördlichen Informationspflicht gegenüber der Presse und des Zeugnisverweigerungsrechts, die insbesondere in den frühen sechziger Jahren, als es um die Verabschiedung der neuen Landespressegesetze ging, breiten Raum in den kommunikationspolitischen Aktivitäten der Verleger einnahmen. Hier beriefen sie sich mit Vorliebe und Nachdruck auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Leitsätze und auf die Thesen von Presserechtlern wie Martin LÖFFLER, der im Anschluß an ein Urteil dieses Gerichtes 96

schrieb: "Die 'Institutsgarantie' ist von größter praktischer Bedeutung und besagt ein Doppeltes: Schutz genießt zunächst die 'Institution Presse', d.h. das einzelne Presseunternehmen mit all seinen sachlichen, personellen und funktionellen Gegebenheiten, mit seinem Maschinenpark, seinen technischen und wirtschaftlichen Anlagen und seiner Organisation. Ohne freie Pressebetriebe ist die Idee der Pressefreiheit nicht realisierbar. Aber auch die freie Presse als Ganzes, als 'Einrichtung' hat im Rahmen unserer Verfassungsordnung 'institutionellen' Charakter, d. h. sie ist - ähnlich wie die politischen Parteien - zur unmittelbaren Mitarbeit am Staatsleben berufen und übt hier eine grundrechtlich geschützte öffentliche Funktion aus"(5). Auch das in Fortführung solcher Thesen von LÖFFLER entwickelte Modell von der Presse als der "Vierten Gewalt", die das gesellschaftliche Gegengewicht zu den drei klassischen Staatsgewalten bildet, weil diese durch die allgegenwärtigen Parteien quasi gleichgeschaltet und zu gegenseitiger Kontrolle unfähig sind, klingt vielfach in den Stellungnahmen der Verleger an - ganz zu schweigen von dem Schlagwort der "öffentlichen Aufgabe". Überall dort, wo es um Ausbau und Absicherung von Status und Aktionsraum der Presse ging, wie beispielsweise bei der Abfassung der Landespressegesetze, übernahm die These von der "öffentlichen Aufgabe" der Presse zusammen mit der jeweils brauchbarsten Interpretation der Pressefreiheit den Charakter eines Universalinstrumentes zur Durchsetzung der verlegerischen Forderungen. In ihrem Streben nach einer Bedeutungserhöhung der Presse und der möglichst lückenlosen Absicherung ihres Tätigkeitsgebietes gingen die Verleger sogar so weit, die Verankerung der "öffentlichen Aufgabe" der Presse im Entwurf eines Ehrenschutzgesetzes zu fordern, obgleich sie sowohl den Entwurf als Ganzes grundsätzlich ablehnten als auch mit dieser Forderung die an sich wesentlich breiter gedachte Stoßrichtung dieses Gesetzes auf die Presse verengen und ihr damit eine negative Sonderstellung zuschreiben mußten (6). Nun fordert die Auffassung von der Presse als "Institution" vor allem dann, wenn man, wie LÖFFLER, die Massenmedien auf eine Stufe mit den politischen Parteien stellt und sie überdies durch den Gebrauch der Formel von der "Vierten Gewalt" in die unmittelbare Nähe, wenn nicht gar direkt in den Bereich der verfaßten Staatsorgane rückt, eine Folgerung heraus, die RIDDER konsequent zog, als er die innere Ordnung der Presse, analog zu der den Parteien in Art. 21 GG vorgeschriebenen, nach demokratischen Grundsätzen organisiert wissen wollte (7). Wenn dies auch angesichts der unterschiedlichen Struktur und Zielsetzung von demokratischem Staat und erwerbswirtschaftlich orientierten Presseunternehmen nicht die unreflektierte Übertragung demokratischer Willensbildungs- und Entscheidungsprinzipien auf den Unternehmensbereich bedeuten konnte, so mußte dieser Grundsatz "jedenfalls jede Art von 'monarchischem Prinzip', hier auf privatkapitalistischer und arbeitsrechtlicher Grundlage"(8) ausschließen. Diese Konsequenz aus der These von der Presse als "Institution" und "Vierter Gewalt" lehnen die Verleger, wie weiter unten noch darzulegen sein wird (9), mit Entschiedenheit ab. Sie folgen auch hierin der von LÖFFLER vertretenen Auffassung, wonach es "nur der auf sein Privateigentum gestützte Verlegerstand" sei, "der allein die innere und äußere Unabhängigkeit zur Erfüllung der Pressefunktion besitze und untrennbar verbundene kaufmännische und publizistische Aufgaben wahrnehme"(10). Wie MALLMANN dazu kritisch anmerkt, ist die "privatwirtschaftliche Organisation des Pressewesens, so wie er sie versteht, . . . für LÖFFLER . . . oberster, unantastbarer und unproblema97

tischer Grundsatz, den er unbekümmert dem Presseverfassungsrecht unterschiebt, um den Arbeitgeber zum Staatsgewaltträger avancieren zu l a s s e n " ( l l ) . Wie ebenfalls noch zu zeigen sein wird, geht in der verlegerischen Argumentation diese Auffassung, das Axiom also von der unabhängigen, publizistisch engagierten und sich folglich der Öffentlichkeit verantwortlich wissenden Unternehmer-Persönlichkeit als Garant für die Aufgabenerfüllung der Presse, mit der - nunmehr betont individualistisch verstandenen - Pressefreiheit als Freiheit des Verlegers eine nahezu unlösbare Verbindung ein, die die Funktion eines Bollwerkes gegen alle Vorstöße zur Absicherung der "inneren Pressefreiheit" übernimmt. Bei der Diskussion um die Unternehmensform der Presse, um das Verhältnis Verleger-Redakteur und um die Pressekonzentration rücken die Verleger die individualrechtliche, die "traditionell e " Seite der Pressefreiheit in den Vordergrund, wodurch die Pressefreiheit des Verlegers zum unantastbaren Verfassungsgrundsatz gemacht wird. Gleichsam am anderen Ende einer von der rein "institutionellen" bis zur rein "individualistischen" Deutung reichenden Skala von Interpretationen des Art. 5 GG sind die Zeitungsverleger angelangt, wenn sie - wie etwa Axel SPRINGER -beim Versuch der Abwehr staatlicher Antikonzentrationsmaßnahmen sich eines Gutachters wie FORSTHOFF versichern, der die individualrechtliche Auffassung vertritt und den Begriff von der "Institution Presse" scharf ablehnt (12). Zwar wird in diesem Zusammenhang die objektive Seite der Pressefreiheit von den Verlegern nicht geleugnet, sie besitzt jedoch keine rechtliche Relevanz und wird dem Bereich des Gewissens und Berufsethos anvertraut. Nun iit ni-'ht zu bestreiten, daß in der einschlägigen Literatur weithin eine Parallelgeltung der "individualrechtlichen" und der "institutionellen" Seite der Pressefreiheit anerkannt wird (13). Dies bedeutet jedoch nicht, daß beide als gleich g e w i c h t i g gelten. Die Auffassungen der hier referierten zwei Schulen kommen ja gerade dadurch zustande, daß jeweils eine der beiden Komponenten als die vorherrschende und im Zweifelsfalle entscheidende, die andere folglich als die dahinter zurücktretende, bisweilen lediglich als ein "Reflex"(14) der vorherrschenden angesehen wird. Während man sich also in der staats- und presserechtlichen Literatur durchweg für das Übergewicht jeweils e i n e r Komponente entscheidet und daraus die Beurteilungskriterien für a l l e Probleme entwickelt, "entscheiden" sich die Verleger für b e i d e Komponenten, von denen dann j e n a c h P r o b l e m k r e i s die eine oder die andere nach Brauchbarkeit in den Vordergrund geschoben wird. Da aber die gemeinsame Vorherrschaft zweier einander ausschließender Prinzipien schwerlich Basis einer in sich geschlossenen Pressefreiheitsauffassung sein kann, drängt sich der Eindruck der Inkonsequenz auf. Genau dies macht CZAJKA denn auch einem Verfassungsrechtler wie Ulrich SCHEUNER zum Vorwurf, wenn er meint, der Bonner Ordinarius für Öffentliches Recht habe "bewußt nicht alle möglichen Folgerungen" aus dem von ihm ansonsten vertretenen Vorrang der überindividuellen Seite der Pressefreiheit gezogen. CZAJKA fährt fort: "Für ihn dient die 'institutionelle Sicht' vor allem zu einer extensiven Auslegung der Pressefreiheit und zur Rechtfertigung von Privilegierungen der Presse im Verhältnis zu den übrigen Bürgern... " und merkt weiter unten an: "eine Einschränkung der Unternehmerrechte des Verlegers lehnt Scheuner ab"(15). Es überrascht daher nicht, daß SCHEUNER vor allem nach seinem - von CZAJKA noch nicht berücksichtigten, aber seine Kritik vollauf bestätigenden - Vortrag (16) vor den Zeitungsverlegern von diesen gern als ein ihre Thesen stützender Wissenschaftler 98

zitiert wird (17). Kommt er doch ihren Auffassungen insofern entgegen, als auch er zwar die aus der "institutionellen" Sicht ableitbaren Sonderrechte der Presse stützt, die den Verlegern unangenehme S e i t e dieser Auffassung in Gestalt möglicher Pflichtbindungen aber ablehnt. Wenn jedoch eine bestimmte Auffassung von Pressefreiheit nur so lange vertreten wird, wie sie den verlegerischen Handlungsspielraum sichert, und durch eine andere ersetzt wird, wenn sie ihn zu beschneiden droht, dann ist kommunikationspolitisches Leitprinzip eben nicht die - so oder so verstandene - Pressefreiheit, sondern der Schutz des Handlungsspielraums. Mit anderen Worten: Pressefreiheit in dieser oder jener Ausgestaltung hat bei den Verlegern nicht den Status einer Maxime, von der die kommunikationspolitische Aktivität Impulse und Zielrichtung empfängt, sondern die Funktion eines Vehikels zur Absicherung der freien Verfügungsmacht über ihr Unternehmen. Wenn im einen Falle mit der einen Begründung Sonderrecht e gefordert, im anderen Falle mit der konträren Argumentation Verpflichtungen abgewehrt werden, dann gewinnt der Begriff der Pressefreiheit instrumentalen Charakter-, als gemeinsamer Nenner und leitender Zweck fungiert die Absicherung der verlegerischen Handlungsfreiheit. Wie schon oben aufzuzeigen versucht wurde, deutete sich dieses instrumentale Pressefreiheits-Verständnis bereits in den unterschiedlichen Haltungen von Alt- und (norddeutschen) Lizenzverlegern an, als es um die Aufhebung der Lizenzpflicht und die Ausgestaltung der ersten Pressegesetze ging (18). Es zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte verlegerische Kommunikationspolitik, sei es in Fragen der "äußeren Pressefreiheit", die unmittelbar anschließend aufgegriffeu, sei es bei Problemen der "inneren Pressefreiheit", die weiter unten behandelt werden sollen.

4.2.2.1 Konkretisierungen der Pressefreiheit in Gestalt besonderer Rechte 4 . 2 . 2 . 1 . 1 Das Informationsrecht der Presse Das Informationsrecht - verstanden als Recht der Presse, "von den Behörden Auskünfte und Informationen zu verlangen", was die "entsprechende Auskunftspflicht der Behörden"(l) voraussetzt - bezieht seine Problematik aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem demokratisch-rechtsstaatlichen Öffentlichkeitsprinzip einerseits und dem, besondern in Deutschland tief in der historischen Entwicklung verwurzelten, Geheimhaltungsstreben der Behörden andererseits, das, nicht immer mit schutzwürdigen privaten oder öffentlichen Interessen rational begründbar, offensichtlich Relikt einer langen obrigkeitsstaatlichen Tradition ist. Nach 1945 gestaltete sich die Lösung dieses Problems ausnehmend schwierig, weil dem Auskunftsanspruch einer sich als Erzieherin und Mahnerin zur Demokratie verstehenden Presse eine Exekutive gegenüberstand, die - in einer durch die Weimarer Zeit kaum unterbrochenen und im NS-Regime betont weitergeführten Kontinuität - diesen Anspruch als unberechtigt und störend empfand. In dieser Einstellung mußten sich die Behörden bestärkt fühlen durch eine Presse, die - hinsichtlich der Entwicklung eines nach Forderungen und Zurückhaltung ausgewogenen Verhältnisses zu den Staatsorganen durch die jüngste Geschichte gerade ohne Kontinuität - nur allzu leicht ein begründetes Schweigen von Verwaltungsstellen als Arkanpolitik anprangerte, andererseits bei der Verwendung überlassener Informationen nicht immer das notwendige Maß an Verantwortung zeigte. So war das Verhältnis zwischen

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Amtsinhabern und Massenmedien, zwischen Behörden und Presse in den ersten Nachkriegsjahren von einem nur allmählich schwindenden "tiefen, tiefen Mißtrauen"(2) gekennzeichnet, das mit seinen Ausläufern, denkt man an die Kontroversen um die politischen Fernsehmagazine, über die "Spiegel"-Affäre hinaus bis an unsere Tage reicht. Das konnte nicht ohne Einfluß bleiben auf die Bemühungen, einen beide Seiten befriedigenden Ausgleich zwischen dem Informationsanspruch der Presse und der Wahrung schutzwürdiger öffentlicher oder privater Interessen zu finden. Die Positionen in dieser Auseinandersetzung wurden bereits im Jahre 1946 erstmals abgesteckt, als es um den Länderrats-Entwurf eines Pressegesetzes für die US-Zone ging. Hatte die ursprüngliche, schon von den Ministerpräsidenten verabschiedete Fassung (3) in § 34 noch deutlich die Auskunftspflicht der Behörden - "wenn kein zwingender Grund entgegensteht" - verankert, "Willkür in der Hütung oder in der Mitteilung des amtlichen Wissens" sowie ein allgemeines oder auf eine bestimmte Presse oder einzelne Zeitung bezogenes Auskunftsverbot untersagt, so verwässerte ein jüngerer Entwurf dieses Recht ganz erheblich. Danach sollte ein Journalist, unter der Voraussetzung, daß nicht eine "Bestrafung nach anderen Gesetzen Platz greift", für die Veröffentlichung einer Nachricht straffrei bleiben, "die er dadurch erlangt hat, daß ein anderer sein Amtsgeheimnis verletzt hat . . . "(4). Das hatte mit einem Informationsrecht nur noch wenig zu tun und stieß folglich auf heftige Kritik der Presse (5). Anerkennung fand demgegenüber § 30 des von der amerikanischen Militärregierung erlassenen "Gesetzes Nr. 15 betreffend Verwaltungsangehörige der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes", der dem Behördenleiter oder von ihm beauftragten Beamten die Verweigerung nicht geheimer Auskünfte gegenüber der Presse verbot und damit eine klare Auskunftspflicht verankerte (6). Sinngemäß formulierten auch die vom Zonenpresserat (7) entwickelten "Richtlinien für ein Bundespressegesetz" (8) unter der Rubrik "Auskunftsrechte und -pflichten": "Journalisten sind berechtigt, Auskünfte zu verlangen. Behörden sind, soweit nicht ausdrücklich gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, zur Auskunftserteilung verpflichtet". Ausgenommen waren lediglich schwebende Gerichtsverfahren; die Veröffentlichung einer Anklageschrift war erst nach ihrer Mitteilung in öffentlicher Verhandlung oder nach Freigabe durch die Behörde erlaubt. Einen auf die verfassungsrechtliche Absicherung des Auskunftsanspruchs der Presse zielenden Vorstoß unternahm Ende November 1948 die "Aktionsgruppe Heidelberg"(9), als sie dem Grundsatzausschuß des Parlamentarischen Rates den - unter maßgeblicher Mitwirkung von Eugen KOGON und Dolf STERNBERGER entstandenen - Entwurf eines "Verfassungsartikels über das Informationsrecht" mit der Bitte um Aufnahme in das Grundgesetz übersandte. Danach sollten Presse und Rundfunk das Recht haben, "bei politischen Vertretungen, Behörden und allen sonstigen vom Volk bestellten Organen Auskünfte zu verlangen, die dieser Unterrichtung dienen. Solche Auskünfte müssen erteilt werden, soweit es das öffentliche Interesse gestattet und ein schutzwürdiges privates Interesse nicht entgegensteht"(10). Das Nähere sollte ein Gesetz bestimmen. Für den Fall, daß die Verankerung im Grundgesetz mißlang, wurde dieser Artikel gleichzeitig als Ziffer 6 in die von demselben Gremium verabschiedeten "Leitsätze für ein Pressegesetz" aufgenommen (11). In der Tat lehnte der Grundsatzausschutz die Aufnahme einer "so eingehende(n) Spezialregelung"(12) in den Grundrechtskatalog ab und verwies auf ein später zu schaffendes Pressegesetz. Immerhin verankerte er das - von der "Aktionsgruppe" ebenfalls geforderte - Grundrecht, sich aus den allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, in Art. 5 GG. 100

Sieht man von Beamtengesetzen wie dem "Gesetz Nr. 15" ab, dann blieben zunächst die 1948/49 unter Aufsicht der Militärregierung in den Ländern der US-Zone verabschiedeten Pressegesetze die einzigen, die ein Informationsrecht enthielten. Denn weder das in den Ländern der französischen Zone sowie in Niedersachsen noch gültige Reichspressegesetz von 1874 noch die presserechtlichen Teilregelungen der Länder der britischen Zone gingen auf diese Frage ein. Aber auch in den Gesetzen der US-Zone war sie unterschiedlich gelöst. So sprach das Bremer Pressegesetz in § 5 lediglich davon, daß die "Presse und ihre Vertreter . . . bei der Beschaffung und Veröffentlichung von Nachrichten von öffentlichem Interesse durch die staatlichen Organe nicht gehindert werden" dürften (13), wodurch die Auskunftspflicht, wie im "Zeitungs-Verlag" formuliert wurde, "ziemlich farblos verklausuliert" war (14). Entgegen einer großzügigeren älteren Fassung (15) kodifizierte das endgültige württemberg-badische Pressegesetz nur die "Unterstützung" der Presse bei der Nachrichtenbeschaffung (16). Damit hatte man zwar noch keine Auskunftspflicht erreicht, sondern war ihr allenfalls "ein Stück nähergekommen"(17) als beispielsweise in der Bremer Regelung. Andererseits forderte die württemberg-badische Fassung auch die öffentlich-rechtlichen Körperschaften ausdrücklich zur Unterstützung der Presse auf, eine Klausel, die sich bei den neueren Landespressegesetzen lediglich im bremischen wiederfindet (18). Gedämpften Beifall von Verlegerseite (19) erhielt § 4 des bayerischen Pressegesetzes, der das grundsätzlich gewährte Auskunftsrecht der Presse nur dort beschränkte, wo "auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht"(20). Die Formulierung des hessischen Pressegesetzes schließlich wurde als die "fortschrittlichste"(21) angesehen, verankerte sie doch ausdrücklich die behördliche Auskunftspflicht und beschränkte das Recht zur Auskunftsverweigerung auf schwebende gerichtliche Verfahren sowie Fälle, in denen ein schutzwürdiges privates oder öffentliches Interesse überwog (22). Diese Fassung des Informationsrechts wurde von der Presse als vorbildlich angesehen (23) und sogar noch zehn Jahre später, als es um die Schaffung moderner Landespressegesetze ging, regelmäßig als beispielhaft hingestellt (24). Der im bayerischen Gesetz zu findende Hinweis auf die beamtenrechtlichen Vorschriften rührt unmittelbar an die mit dem Auskunftsanspruch entstehende Kollisionsmöglichkeit zwischen diesem und der in den Beamtengesetzen verankerten Verschwiegenheitspflicht (25). Es lag also nahe, den Reibungspunkt im direkten Zugriff zu beseitigen, indem man das Informationsrecht der Presse eben in dem neu zu schaffenden Beamtengesetz normierte (26). Diesen Weg beschritt der Deutsche Journalisten-Verband, als er am 10. August 1951 das Bundesinnenministerium aufforderte, in das geplante Beamtengesetz einen Paragraphen entsprechenden Inhalts aufzunehmen (27). Der Vorschlag wurde abgelehnt, weil eine solche Bestimmung rechtssystematisch nicht in das Beamtengesetz passe; ein weiterer Appell an den Beamtenrechtsausschuß des Bundestages blieb ebenfalls erfolglos (28). Diese, wenn auch gescheiterte, Initiative des DJV fand die volle Unterstützung des VDZV (29), der seinerseits zusammen mit dem VDZ bereits am 22. Februar 1950 einen "Bundes-Pressegesetz"-Entwurf vorgelegt und darin das Recht der Presse verankert hatte, "bei politischen Vertretungen, Behörden und allen sonstigen vom Volk bestellten Organen Auskünfte zu verlangen . . . Solche Auskünfte müssen erteilt werden, soweit es das öffentliche Interesse gestattet und ein schutzwürdiges privates Interesse nicht entgegensteht"(30). Daneben erschien wieder das Willkür101

verbot gegenüber einer bestimmten Zeitung oder Presse. Diese Fassung entsprach - abgesehen von ihrer unverkennbaren Verwandtschaft mit den Leitsätzen der "Aktionsgruppe Heidelberg"(31) - im Tenor dem im gleichen Jahre von Frankfurter "Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten" erarbeiteten Diskussionsentwurf eines entsprechenden Paragraphen für das in Vorbereitung befindliche BundesPressegesetz. Abgesehen von Unterschieden in der Formulierung, umriß dieser lediglich noch den Kreis der zur Auskunftserteilung Befugten und erweiterte die Reihe der Hinderungsgründe um die gesetzlich vorgeschriebene Amtsverschwiegenheit und Fälle eines schwebenden gerichtlichen Verfahrens (32). Indes brachte das lange erwartete Bundespressegesetz, als es in Gestalt des LÜDERSEntwurfs im März 1952 der Presse zur Stellungnahme vorgelegt wurde, lediglich eine negative Formulierung des Informationsrechts. In § 4 wurden Anordnungen als unzulässig bezeichnet, "die einer Behörde Auskünfte an die Zeitungspresse überhaupt, an diejenige einer bestimmten Richtung oder an eine bestimmte Zeitung oder Zeitschrift allgemein verbieten"(33). Es handelte sich bei dieser Bestimmung letztlich nur um ein leicht erweitertes Willkürverbot, von einer Auskunftspflicht der Behörden war keine Rede. Im Verbandsorgan des VDZV sprach Gerhard BADER denn auch davon, daß der Entwurf "nach dieser Richtung äußerst bedenkliche Mängel" (34) aufweise, was angesichts seiner "pressefremden Tendenzen" nicht weiter verwunderlich sei: "Es bleibt somit nur noch festzustellen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers das bestehende Mißverhältnis zwischen Presse und Behörden gesetzlichen Schutz genießen soll"(35). Als Lösung des Problems in der Richtung, "daß für beide bisher unversöhnlichen Partner eine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit geschaffen wird"(36), forderte BADER einen Informationsrechts-Paragräphen, der sich an den Vorschlag des "Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten" (37) anlehnte. Die wenig pressefreundliche Ausgestaltung des Informationsrechts entsprach in der Tat dem gespannten Verhältnis zwischen der Presse und den Exponenten aller drei Staatsgewalten, das sich in den Verbandsorganen in einer Fülle von Meldungen über - bis zu Handgreiflichkeiten reichende (38) - Zusammenstöße, Auskunfts- und Teilnahmeverbote an Sitzungen oder Konferenzen wiederspiegelte (39). Gelegentliche Lichtblicke wie die Plädoyers einiger Landesminister (40) für das Informationsrecht, die Verankerung dieses Rechts in der hessischen Gemeindeordnung (41), die Anordnung der Auskunftspflicht aller Justizbehörden durch das nordrhein-westfälische (42) und das schleswig-holsteinische Justizministerium (43) oder die Verabschiedung von recht aufgeschlossenen Leitsätzen für die Pressearbeit durch den deutschen Städtetag (44) vermochten dieses Bild nur wenig aufzuhellen, das sich überdies sofort wieder verdüsterte, als der Bundesgerichtshof 1954 entschied, daß es für Beamte einem einzelnen Presseangehörigen gegenüber keine Dienstpflicht auf Erteilung sachgemäßer Auskünfte gebe, und insoweit ein unwahres Dementi eines Ministers und eines Behördenleiters deckte (45). Auch die Informationspolitik des Bundespresseamtes, insbesondere seine "Praxis . . . , lieber mit Vertrauensjournalisten zu arbeiten als mit dem großen Gremium der Bundespressekonferenz" wurde im "ZeitungsVerlag" vielfach kritisiert: "Die Unfähigkeit, zwischen der Geheimhaltung bestimmter Fragenkomplexe und der Notwendigkeit der ausreichenden Information der Öffentlichkeit einen Ausgleich zu finden, nährt das Mißtrauen"(46), ein Mißtrauen, das durch "Sechs-Punkte-Programme für Pressepolitik"(47) kaum zu beseitigen war

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und durch restriktive Maßnahmen wie etwa Photographierverbote im Bundestag (48) erneut bestärkt werden mußte. Gleiches gilt für die wiederholt unternommenen Versuche der Regierung ADENAUER, die Informationsgebung der Ministerien zu koordinieren, wenn nicht zu zentralisieren. Da gab es bereits 1949 Anordnungen, der Presse nur Uber die Presse-Referate der "Bundeskanzlei" Auskünfte zu erteilen (49), und im Jahre 1953 griff man eine schon auf dem CDU-Parteitag zwei Jahre vorher gemachte Anregung (50) auf, ein Informationsministerium zu schaffen (51). Nach den vom "Leiter der Bundeskanzlei, Ministerialdirektor Globke"(52), entwickelten Plänen sollte dieses Ministerium unter Leitung des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, LENZ, die Informationsaufgaben des Bundespresse- und Informationsamtes, der Bundeszentrale für Heimatdienst und des Gesamtdeutschen Ministeriums zusammenfassen und das Hauptgewicht seiner Tätigkeit auf die "'demokratische Aufklärung' der breiten Masse des Volkes" l e gen (53). Während die Bundespressekonferenz - trotz gegenteiliger Erklärungen des Bundeskanzleramtes - "eine Einengung der Freiheit und Unabhängigkeit der Publizistik" befürchtete und, ebenso wie die Vertreter der Alliierten, erhebliche Bedenken äußerte, während der SPD-Vorstand sogar Parallelen zu ähnlichen "Einrichtungen totalitärer Staaten" zog, urteilte der "Zeitungs-Verlag" vorsichtiger und erinnerte an das französische Informationsministerium als durchaus demokratische Institution (54). Dennoch beeilte sich ADENAUER, alle Pläne dieser Art zu dementieren (55). Auch Gerüchte über die Schaffung eines "Koordinationsamtes für Information" wurden zurückgewiesen (56). Ähnliche Pläne aus dem Jahr 1954 (57) scheiterten wiederum am Widerstand der Presse und ihrer Verbände (58), der FDP, DP und SPD (59) und sogar des Kabinetts (60). Als es im Jahre 1957 um die Verabschiedung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung ging, witterte die Presse in einigen Paragraphen erneut die Tendenz, die Informationsgebung der Regierung zu zentralisieren, die Pressestellen der Ministerien zu entmündigen und ein schlagkräftiges Instrument der Regierungspropaganda zu schaffen (61), womit sie nicht ganz Unrecht hatte (62). Aufgrund ihrer Proteste wurde jedoch die alte Praxis beibehalten (63). Im Jahre 1960 rief die Einrichtung eines mit Koordinations aufgaben betrauten Planungsbüros im Bundeskanzleramt abermals das Mißtrauen der Presse und der Opposition hervor, weil auch hier ein neuer "Anschlag auf die Pressefreiheit"(64) in Gestalt einer Informations- und Kontrollstelle erwartet wurde. Später erwies sich j e doch, daß tatsächlich nur die Gesetzgebungsarbeit der Ministerien koordiniert werden sollte und auch wurde (65). Schließlich stieß auch der Versuch der Staatssekretäre DIEHL und AHLERS vomjahre 1968, eine "Bundeszentrale für Öffentlichkeitsarbeit" einzurichten, auf Widerstand in SPD und FDP und verschwand ebenso schnell, wie er aufgetaucht war (66). Insgesamt waren diese Versuche der Bundesregierungen (67) wenig geeignet, das Spannungsverhältnis Presse-Behörden abzubauen, ließen sie doch - vor allem angesichts der reichlich autoritären Auffassung ADENAUERS von der Funktion und dem Umgang mit der Presse (68) - nur allzu leicht die Vermutung aufkommen, hier solle ein schlagkräftiges Propagandainstrument geschaffen werden. Sowohl die Opposition als auch die Presse und ihre Verbände liefen daher immer wieder und letztlich auch erfolgreich Sturm gegen derartige Pläne, wobei sich die Verleger zumindest was ihr Organ, den "Zeitungs-Verlag" bzw. "ZV + ZV" betrifft - vergleichsweise zurückhaltend äußerten. 103

Als weiteres Hindernis für ein den Interessen beider Seiten gerecht werdendes Verhältnis zwischen Behörden und Presse erwiesen sich zeitweilig die §§ 353 b und c StGB, die, 1936 im Zuge der Aufrüstungsbemühungen des Dritten Reiches in das Strafgesetzbuch aufgenommen und von den Allierten nicht außer Kraft gesetzt, nicht nur den Bruch der Amtsverschwiegenheit beim Beamten sondern auch die unbefugte Weitergabe geheimer Mitteilungen durch jedermann mit Strafe bedrohen (69), Das bedeutet die Ausdehnung der Treuepflicht über den Kreis der Beamten hinaus auf alle Staatsbürger, was - 1936 mit der Idee der "Voll