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German Pages 37 [45] Year 1916
Kriegsgeographische Zeitbilder Land und Leute der Kriegsschauplätze LerauSgegeben von den
Privatdozenten Dr. Haus Spethmanu und Dr. Erwin Schm Die vorliegende Sammlung will in anregender und anschaulicher Form «in klares Bild der Kriegsschauplätze entwerfen, um es jedem zu ermög lichen, den amtlichen Nachrichten von den Vorgängen auf den Kampf gebieten mit Verständnis folgen zu können. Die Darstellung wird durch zahlreiche Abbildungen und Skizzen wirkungsvoll unterstützt. ES liegen vor: 1. Die Wirtschaftlichen Grundlage« der kriegführende» Mächte. Von Professor Dr. A. Oppel-Bremen. Lest 2. Kohlennot und Kohlenvorräte i« Weltkriege. Von Ge heimem Bergrat Professor Dr. Frech-BreSlau. Lest 3. Der Kanal mit feine« Küsten- «nd Flottenstützpunkte«. Don Privatdozent Dr. L. Spethmann-Berlia. Lest 4. Antwerpen. Geographische Lage «nd Wirtschaftliche Bedeutung. Don Dr. Lans Praesent-Treifswald.
Lest
In Vorbereitung befinden fich: Lest 5. Der russisch - türkische KriegSfchanplatz. Von Dr. jur. et phil. Lugo Grothe-Leipzig. Lest 6. Die Küsten Englands. DaS Kampfgebiet «nferer Flotte. Von Privatdozent Dr. L. Epethmann-Berlin. Lest 7. Die Vogesen «nd ihre Kampfstätte«. Von Redakteur Adrian Maper-Etraßburg. Lest 8. Der deutsche Kriegsschauplatz zwischen MaaS «nd Mosel. Von Dr. Karl Wolff-Leipzig. Lest 9. Japan «ad die Japaner. Von Dr. Ed. ErkeS-Leipzig. Lest 10. Natur «nd Wirtschaft Poleus. Von Professor Dr. F. Lötzsch-Berlin. Lest 11. Natur und Wirtschaft Rußlands. Von Dr. Erwin ScheuLeipzig. Ferner find vorläufig in Aussicht genommen: Flandern «nd seine Küsten. Belgie«. Der Gnezkanal «nd seine poDie KriegSscha«Plätze i« Ost littsche Bedeutung. preußen. Die KriegSschanplätze in Ger Deutschland- Kolonie« im Welt kriege. bte«.
Jede- Heft im Umfange do» zirka L Druckbogen kostet M. —.80
Verlag van Veit & Camp. in Leipzig, Marien str. 18
Kriegsgeographische Zeitbilder Land und Leute der Kriegsschauplätze
Herausgeber
Dr. Hans Spethmann und Dr. Erwin Scheu in Berlin
in Leipzig
Lest 2
Kohlennot und Kohlenvorräte im Weltkriege
Leipzig Verlag von Veit & ComP. 1915
Kohlennot und Kohlen vorräte im Weltkriege
Prof. Dr. F. Frech Geh. Bergrat in Breslau
Mit 5 Abbildungen im Text
Leipzig Verlag von Veit & Comp.
1915
Copyright 1915 by Veit L Comp. in Leipzig.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
Einleitung.
Wenn der alte Montecuccoli sein bekanntes Wort über
die Kosten des Krieges einer Ergänzung mit Rücksicht auf die
moderne Kriegführung unterziehen wollte, so würde er wahr scheinlich
sagen,
daß
zum Kriegführen
zweitens Kohlen gehören.
erstens
Geld
und
Nicht nur für die Bearbeitung
von Stahl und Eisen, sondern vor allem für die Transporte
zu Wasser und zu Lande sind wir auf die ungeheuren Energie massen
angewiesen,
welche vor Millionen von Jahren die
Tätigkeit der Pflanzen in der Erdrinde aufgespeichert hat.
Für die Führung der Leere, deren Aufmarsch, Verschie bung und Nachschub auf den Schultern der Eisenbahn ruht,
ist die rechtzeitige und reichliche Kohlenversorgung eine der wichtigsten Aufgaben.
Auch unsere Militärverwaltung erkennt
die Berechtigung dieser Anschauung durch die Rücksicht an, die
sie bei der Aushebung auf die Fortsetzung des Betriebes der Kohlenwerke nimmt. Somit erscheint eine kurze Übersicht der Vorgänge nicht unwichtig,
welche während der ersten sechs
Kriegsmonate die Kohlenversorgung von Freund und Feind beeinflußt haben.
Die Förderungszahlen der kriegführenden Länder ergeben für das Jahr 1913 folgendes Bild:
England.................................. Deutschland............................. Österreich-Ungarn.................... Frankreich............................. Belgien.................................. Rußland..................................
in 1000 T Steinkohle
in 1000 T Braunkohle
Zusammen
292044 191511 17762 40129 22846 vorwiegend
— 86475 35663 793 — zurücktretend
292044 278627 53425 40922 22846 30745
England steht demnach mit einer Jahresproduktion von 292044000 Tonnen noch immer an der Spitze der europäischen
Kohlenländer.
Indessen wird angesichts der viel schnelleren
verhältnismäßigen Steigerung der deutschen Kohlenförderung diese in wenigen Jahren die englische übertreffen. Über die deutsche und englische Steinkohlenförderung geht allerdings die der
Vereinigten
Staaten mit
517142000 Tonnen
erheblich
hinaus. Nach den bei dem internationalen Geologenkongreß in
Kanada auf Grundlage der Berichte der verschiedenen Regie
rungen 1913 veröffentlichten Werkes über die Kohlenvorräte im
Schoße der Erde unterscheidet man vier Gruppen von Kohlen von verschiedenem Brennwert: A. Anthrazit und anthrazitische Steinkohlen, B. Bituminöse Steinkohlen, C. Magere, langflammige Kohlen und D. Braunkohlen.
Die Art und Weise der Verteilung auf die verschiedenen Länder bietet in ihrem Verhältnis keine wesentlichen Über raschungen gegenüber der bisherigen Kenntnis.
Nur kann man
sagen, daß die englische Vorratsschätzung von fast 190 Mil liarden Tonnen Steinkohle sehr optimistisch1 * gefaßt * * * 6 ist, d. h. 1 Die große, 1905 veröffentlichte Parlamentserhebung über den Steinkohlenvorrat Englands ist, wie alle späteren Zusammenstellungen, wesentlich aus den Vernehmungen der Interessenten, d. h. der Bergwerksdirektoren und Bergingenieure hervorgegangen. Die nach der Natur der Sache notwendige Befragung der Leiter von Aktiengesellschaften und der Bergwerksbesitzer selbst muß daher ein stark geschmeicheltes Bild des Kohlenvorrats ergeben. Denn die An gestellten der Bergwerksunternehmen würden ja geradezu dem Interesse ihrer Gesellschaften entgegenhandeln, wenn sie nicht die Ansichten auf die Rachhattigkeit der Kohlenvorräte ihrer Gruben so günstig wie nur irgend möglich schilderten. Im Gegensatz hierzu beruht die Feststellung der deutschen Kohlenvorräte auf den objektiven Studien von geologischen
6
gegenüber den früheren englischen Annahmen fast wie ein Bluff
wirkt. Die Gesamtmengen der unterirdischen Kohlenvorräte sind in folgender Übersicht enthalten:
Europäische Staaten und Gebiete
Gruppe C u. B Bituminöse und magere Stein kohle
Gruppe A Anthrazit
GruppeD Braunkohle
Zusammen
Millionen Tonnen Deutsches Reich .... Großbritannien u. Irland Europäisches Rußland . Österreich.......................... Bosnien-Herzegowina . Ungarn .......................... Serbien................................ Frankreich.......................... Belgien................................ Spanien.................................. j
—
11,353 37,599 — — — — 3,271 — 1,635
1
409,975 178,180 20,849
40,982 — 113 45 12,680 11,000 6,366
13,381 — 1,658 12,894 3,676 1,604 484 1,632 — 767
423,356 189,533 60,106 53,876 3,676 1,717 529 17,583 11,000 8,768
I. Die Kohlenvorräte unserer Feinde. 1. England. Wert- und Ausfuhrsteigerung der englischen Kohle.
Die Zunahme deS Wertes der Kohle ist ein auf dem Welt markt überall etwa gleichzeitig eintretendes Ereignis, und so
sehen wir, daß gleichzeitig mit der Zunahme der Förderung
im Jahre 1900 ein gewaltiges Ansteigen der Exportmenge statt findet; die Lochkonjunktur an der Jahrhundertwende vermehrte in England, dem Lande der bisher unbegrenzten Transport
möglichkeiten, die Ausfuhr. Die englische Ausfuhr von Kohle, Koks und Briketts nach anderen Ländern erreichte schon im Jahre 1908 die geFachleuten. Das Mengenverhältnis zwischen englischen und deutschen Kohlenvorräte dürfte sich daher wohl nicht wie 19:42, sondern wie 1:3 stellen.
gegenüber den früheren englischen Annahmen fast wie ein Bluff
wirkt. Die Gesamtmengen der unterirdischen Kohlenvorräte sind in folgender Übersicht enthalten:
Europäische Staaten und Gebiete
Gruppe C u. B Bituminöse und magere Stein kohle
Gruppe A Anthrazit
GruppeD Braunkohle
Zusammen
Millionen Tonnen Deutsches Reich .... Großbritannien u. Irland Europäisches Rußland . Österreich.......................... Bosnien-Herzegowina . Ungarn .......................... Serbien................................ Frankreich.......................... Belgien................................ Spanien.................................. j
—
11,353 37,599 — — — — 3,271 — 1,635
1
409,975 178,180 20,849
40,982 — 113 45 12,680 11,000 6,366
13,381 — 1,658 12,894 3,676 1,604 484 1,632 — 767
423,356 189,533 60,106 53,876 3,676 1,717 529 17,583 11,000 8,768
I. Die Kohlenvorräte unserer Feinde. 1. England. Wert- und Ausfuhrsteigerung der englischen Kohle.
Die Zunahme deS Wertes der Kohle ist ein auf dem Welt markt überall etwa gleichzeitig eintretendes Ereignis, und so
sehen wir, daß gleichzeitig mit der Zunahme der Förderung
im Jahre 1900 ein gewaltiges Ansteigen der Exportmenge statt findet; die Lochkonjunktur an der Jahrhundertwende vermehrte in England, dem Lande der bisher unbegrenzten Transport
möglichkeiten, die Ausfuhr. Die englische Ausfuhr von Kohle, Koks und Briketts nach anderen Ländern erreichte schon im Jahre 1908 die geFachleuten. Das Mengenverhältnis zwischen englischen und deutschen Kohlenvorräte dürfte sich daher wohl nicht wie 19:42, sondern wie 1:3 stellen.
wattige Masse von 62547175 Tonnen, die sich auf die einzelnen
Ausfuhrgebiete wie folgt verteilte: Tonnen
Frankreich Deutschland Italien» Schweden Rußland Dänemark Spanien und Kanarische Inseln . Norwegen
10415430 9646868 8742634 4370468 3414103 2810754 2537331 1940913
Aus den festgestellten Zahlen geht nach der Meinung der englischen Parlamentskommission hervor, daß „von den Kohlen feldern Großbritanniens mehr oder weniger alle andern Länder
abhängen, auch Deutschland, das doch selbst im Besitze aus
gedehnter Kohlenfelder ist".
Andererseits zeigen uns die er
wähnten Ziffern, welchen furchtbaren Schlag die Llnterseeblockade England für seinen Kohlenhandel darstellt.
Ferner werden Frankreich und Rußland, ganz besonders scharf aber auch das neutrale Italien» mit seinem mehr als 8 bis 9 Millionen Tonnen betragenden Kohlenbedarf durch die
Unterbindung der Zufuhr betroffen. Da die italienische Industrie besonders in dem franzosenfreundlichen Norden des Landes zu Lause ist, wäre der eventuelle Ersatz der fehlenden englischen
Kohlen durch Deutschland ein sehr wirksamer Linweis für die Italiener darauf, daß Bundestreue und Geschäftsinteresse zu sammenfallen. 1 Eine Notiz über „Kohlennot in Italien" bestätigt die obigen Bemerkungen. Danach hätten sich Vertreter der italienischen Industrie, der Gas- und Wasserwerke mit dringenden Bitten an den zuständigen Minister gewandt, um Abhilfe aus Deutschland gegen die bevorstehende Kohlennot zu erhalten. Englische Kohle käme feit der Untersee-Blockade nicht mehr in Betracht und an eine Zufuhr von Amerika sei wegen der enormen Frachtsätze nicht zu denken.
Der Wert der Eigenproduktion an Kohle (und anderer Mineralien, d. h. vor allem an Erzen) ist in den verschiedenen
Kulturländern Europas außerordentlich ungleich, wie Losch in einer lehrreichen Zusammenstellung betont,
hiernach mag sich
der Wert der mineralischen Urproduktion Großbritan
niens zurzeit auf 3 Milliarden Mark beziffern, wovon reich lich % auf Steinkohle und Anthrazit entfällt.
Kohle wird etwa 1/3 ausgeführt.
Von der
Außer der Steinkohle kommt
nur noch Eisenerz und etwas Zinn in Betracht.
Demgegen
über übertrifft der Gesamtwert der deutschen Mineralproduktion
— schon wegen des Äinzutretens bedeutender Eisen-, Zink- und
Bleierze, sowie nicht unbeträchtlicher Kupsermengen — die eng lische erheblich.
Der Gesamtwert der gesamten heimischen Ur
produktionen Englands zu der Deutschlands dürfte nach Losch in dem Verhältnis von 8:20 Milliarden Mark stehen.
Von der bisherigen Kohlenausfuhr Englands muß jedenfalls nach dem 18. Februar der überwiegende Teil im Lande bleiben. Aber es sei selbst angenommen, daß unter Bedeckung von Kriegsschiffen
englische
Kohlendampfer
die
Ääfen
verlassen
können. Dann macht sich doch noch eine sehr erhebliche Schwierig
keit geltend: die Beschaffung des Grubenholzes, d. h. die zur Verzimmerung
der im
Abbau begriffenen Strecken nötigen
Äölzer, die in genau bestimmter Länge und Stärke erforderlich
sind.
Da England eine geregelte Forstwirtschaft nicht kennt,
werden diese Äölzer aus dem Auslande, vor allem aus Schweden zugeführt.
Glücklicherweise hat sich unsere Flottenverwaltung
nicht davon abbringen lassen, Äolz als Kriegs-Konterbande zu
behandeln, und England hat versucht, das notwendige Lolz teils in seinen — ungepflegten — Waldungen zu gewinnen, teils aus Kanada einzuführen, teils auch die Äölzer durch ge
füllte Eisenröhren zu ersehen.
Alle diese Notbehelfe bedingen
günstigstenfalls eine weitere sehr bedeutende Verteuerung der 9
Kohle.
England führt, wie erwähnt, 1/23 bis % seiner Kohlen
aus; schon in den ersten drei Kriegsmonaten, also lange vor
der Anterseeblockade, blieb die englische Ausfuhr um 8 Millio nen Tonnen oder um fast 50% hinter der entsprechenden Ziffer
der beiden Vorjahre zurück. Die Anterseeblockade richtet sich gegen die englischen Schiffe und den englischen Lande!; der wichtigste, jedenfalls der der Masse nach überwiegende Teil ist die Kohlenausfuhr — und
diese wird derart
getroffen,
daß auch Bundesgenossen und
„Neutrale" ihr Teil mit erhalten. Nach einer aus internationalen Kreisen stammenden Mit
teilung (19. Februar 1915), bekunden schwedische Reeder, daß bei dem Anterseekrieg für sie die bereits stockende Zufuhr eng
lischer Kohle bei dem zu erwartenden weiteren Ausfall emp findlich in Betracht komme.
Auch Norwegen, Dänemark
und Lolland* würden in gleichem Maße an Kohlenmangel leiden.
Vor allem müsse sich Italien? nach anderen Bezugs
quellen von Steinkohle und Eisen umsehen. Als erste sichtbare Folge der in Italien bestehenden Kohlen
not hat die Verwaltung der italienischen Staatseisenbahnen in Rom die Einstellung von 40 bisher regelmäßig verkehrenden
Eisenbahnzügen vom 25. Februar 1915 ab verfügt. Zurzeit hat Deutschland auf dem europäischen Kontinent die Kontrolle über alle wertvollen Kohlenlager, angefangen
von Dombrowa in Russisch-Polen bis Belgien und Nord frankreich (Lille).
Deutschland beherrscht somit den Kohlenmarkt bis Ru1 In Winterswyk passierten am 18. Februar allein 2000 Waggons mit deutscher Kohle die Grenze. 2 Italien bezieht seine Kohlen fast ausschließlich von Cardiff; der Frachtpreis ist bereits von den ursprünglichen 9 sh auf die unglaubliche Löhe von 40 sh gestiegen! Die Kohlennot ist für Italien bedenklicher als der Getreidemangel.
10
mänien, Bulgarien und bis in die Türkei und für die Lage der Zentralmächte ist in politischer und wirtschaftlicher, nicht
nur in militärischer Linsicht diese unbedingte Kontrolle über
die Kohlenschätze von großer Bedeutung.
(Nach der Neuen
Züricher Zeitung, 20. Februar 1915.) 2. Rußlands Kohlen.
Viel ungünstiger liegen dagegen die Verhältnisse in Ruß
land.
Die Kohlenvorräte Rußlands stehen in keinem Verhält
nis zu der Ausdehnung, die das Reich in Europa und Asien
In der Gesamtförderung an Kohle nimmt Rußland
besitzt.
die 7. Stelle ein und wird z. B. von Österreich-Angara noch um fast das Doppelte übertroffen.
Rußlands Kohlenförderung in Millionen Tonnen betrug:
1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902
. ............................ 9,1 . ............................ 9,4 . ......................11,2 . ....................... 12,3 . .......................... 14,0 . ..................... 16,1 . .......................... 16,5 . .......................... 16,5
1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1913
. . . . . . . .
. . 17,9 .......................... 19,6 .......................... 18,7 ..................... 21,8 .......................... 24,9 .......................... 24,7 .......................... 24,4 ..........................30,7
Wenn auch ein Teil der nordrussischen Eisenbahnen noch durch Lolz geheizt wird, so ist doch diese Form der Kraftbe schaffung immer mehr zurückgegangen und kann angesichts der Anverwendbarkeit frisch gefällten Lolzes nicht beliebig gesteigert
werden.
Jedenfalls ist der Ausfall, der sich aus dem Fehlen
der englischen Kohlen in dem Baltischen und Schwarzen Meer,
dem Verlust des Dombrowa-Beckens und der Unterbindung der
Erdölzufuhr ergibt, in keiner Weise zu ersetzen.
Da ferner der
Lasen von Archangelsk zugefroren ist, so braucht man kein Pro
phet zu sein, um für das Ende des Winters und das beginnende Frühjahr den russischen Eisenbahnen eine Katastrophe voraus-
zusagen. Auch im Donjeh-Becken hat infolge Fehlens von Spreng stoffen die Förderung um 30 °/„ abgenommen und in Charkow, dem
Zentrum dieses Reviers, droht Anfang März bereits Kohlennot. Zum Schluß sei noch an eine merkwürdige Episode erinnert, welche ebenfalls mit der Brennstoffversorgung zusammenhängt und
gleichzeitig von der Kopflosigkeit der Leitung der russischen Flotte
Abb. I. Songuldak. Der Lasen von Songuldak am Schwarzen Meer östlich von Leraklea mit der maschinellen Verlade-Einrichtung für die dort gewonnenen Steinkohlen. Im Lintergrunde das französische Kon sulat und die übrigen Villen der französischen Bergingenieure. (Nach einer Griginalaufnahme von Frau Vera Frech.)
Zeugnis ablegt. Anfang November haben die Russen Songuldak
und Koslu — zwei etwa eine halbe Tagesfahrt vom Bosporus entfernte pontische Lafenstädte — bombardiert.
Mit einem
Angriff auf den Bosporus hatte dieser Versuch nichts zu tun. Er stellt vielmehr eine Anternehmung dar, welche die einheimische Kohlenversorgung der türkischen Flotte stören sollte; denn wenige
12
Kilometer von den genannten Orten liegen die einzigen Stein
kohlengruben,
welche die Türkei besitzt.
Nach den überein
stimmenden Meldungen haben nun die Nuffen auf der offenen
Reede von Koslu ein kleines griechisches Kohlenschiff versenkt, bei Songuldak aber das französische Konsulat, die Wohnhäuser
Abb. 2. Der Steinkohlenbergbau von Koslu (zwischen Leraklea und Songuldak am Schwarzen Meer). Das Tal im pontischen Wald gebirge mündet unmittelbar auf die Küste und enthält moderne Schacht anlagen für den Abbau der Steinkohle. (Nach einer (Vriginalaufnahme von Frau Vera Frech.)
der Bergbeamten, endlich die griechische Kirche und Schule bombardiert.
Damit haben sie zweifellos das Angeeignetste,
beinahe Ansinnigste getan, was unter den gegebenen Amständen möglich war.
Das Versenken eines Dampfers hätte an einem
engen Lafeneingang den Zweck haben können, das Einlaufen der Schiffe zu stören oder unmöglich zu machen; aber der
13
Kohlendampfer wurde gerade auf der offenen Reede von Koslu
versenkt und gehörte außerdem den Griechen, d. h. den An gehörigen eines Volkes, auf dessen Lilfe Engländer und Fran
In Songuldak haben dagegen die
zosen immer noch hoffen.
Russen, die seit einem Friedensschlüsse des 18. Jahrhunderts
die Schuhherrschaft der orientalischen
Christen in Anspruch
nehmen, die Schulen und Kirchengebäude ihrer Schutzbefohlenen zerstört, und damit nicht genug, auch noch ihre intimen Freunde
geschädigt: die Kohlenförderung in Songuldak liegt oder lag in Länden einer französischen Aktiengesellschaft, und gerade das
Privateigentum
ihres
Bundesgenossen
Schiffe zusammengeschossen,
haben
die russischen
während es ihnen nicht gelang,
die etwas versteckter liegenden Gebäude der türkischen Berg Die
behörde
aufzufinden.
wahren
Schildbürgerstreich
alten Sprichwortes:
russische Flotte
ausgeführt
in
hat
also
einen
Erläuterung
Quem deus vult perdere,
des
eum prius
dementat.
Die Gesamtziffer der russischen Kohlenförderung ist nur um ein weniges höher als die Belgiens, dabei ist die Kohle höchst ungleich verteilt. Kohlenproduktion -des
Rußland bestritten.
Etwa 95% werden allein von der Donez-
und
Dombrowa- Beckens
in
Die Förderung im polnischen oder Dom
browa-Becken betrug
fast 6 Millionen
Tonnen und diese
Summe — also immerhin % bis % der Gesamtförderung — fehlt seit dem ersten Beginn des Krieges.
Daß die übrigbleibenden rund 18 bis 24 Millionen Tonnen
nicht ausreichen werden, ergibt sich besonders daraus, daß die englische Kohlenzufuhr nach dem Ostseebecken seit Beginn des
Krieges und die nach dem Schwarzen Meer seit der Sperrung der Dardanellen gänzlich unterbrochen ist.
Die Dardanellen
sperre ist für beide Ententegenossen höchst störend, da die zahl reichen nach dem Schwarzen Meer gehenden englischen Kohlen-
14
schiffe als Rückfracht russisches oder rumänisches Getreide mit
zunehmen pflegten.
3. Erdöl in Vorderasien. Nun deckt allerdings Rußland seinen Bedarf an Brenn
stoffen für den Transport zu Wasser und zu Lande großen teils durch das bei Baku gewonnene Erdöl.
Aber auch diese
Quellen sind zum Versiegen verurteilt, selbst wenn die türkische
Offensive noch nicht bis Baku vorrücken sollte; denn der Trans port des kaukasischen Erdöls erfolgt im wesentlichen nicht durch
Tankwagen, sondern durch eine der Eisenbahnlinie Baku-Batum folgende Röhrenleitung.
gedehnten
Ein 'Durchschneiden dieser weit aus
Röhrenleitung ist
aber für leichte Truppen oder
kaukasische Aufständische nicht schwierig; außerdem scheint nach verschiedenen Nachrichten der Bohrbetrieb in Baku infolge des
Massenauszuges persischer Arbeiter sehr eingeschränkt zu sein. Der Ausfuhrhafen Batum selbst ist ebenfalls durch die türkische Invasion schwer bedroht. ökonomische und politische Bedeutung können die Erdöl
vorkommen im südlichen Vorderasien schon in sehr naher Zukunft gewinnen.
Das Erdöl und vor allem die Asphalt
vorkommen Mesopotamiens sind seit der biblischen Sintflut überlieferung und Izdubarepos bekannt.
Noah verpichte die
Fugen seiner Arche mit Asphalt, dessen Arsprung — ähnlich wie der der alten Überlieferung — im Bereiche des Euphrat oder am Tigris zu suchen ist.
Neuere Antersuchungen haben
mehrfach stattgefunden, ohne daß jedoch etwas anderes als Berichte allgemeinerer Art in die öffentlichkeit gelangt wären.
Wesentlich hierauf beruhen die folgenden Mitteilungen:
Zahlreiche Petroleumquellen entspringen aus geringer Tiefe oder oberflächlich in der kontinentalen Tertiärformation in der
Nähe der persischen Grenze, unweit Mendeli und Tuz Khur-
15
mali, bei Tekrit und Kerkuk am Tigris, ferner bei Nasrieh
und Lit am Euphrat; sie lassen erkennen, daß nordöstlich von Bagdad am Tigris und ferner am unteren Euphrat im Be
reiche des alten Babylon umfangreiche Petroleumgebiete liegen.
r
Abb. 3. Beba Gurgur bei Kerkuk. Das Vorkommen der Kohlen wasserstoffe (Gas- und Petroleumquellen) an der türkisch-persischen Grenze bei Kerkuk, nordöstlich Bagdad. Der deutsche Ingenieur steht unmittelbar über der Äauptquelle, der hockende Araber zur Linken weist auf einen kleinen Austrittspunkt hin. (Nach einer von Herrn Regierungsbaumeister Dr. Hinrichs freundlichst überlassenen Griginalaufnahme.)
welche noch der sorgfältigeren Erschließung bedürfen, aber große
Zukunftsaussicht bieten. Über die Petroleumvorkommen wird aus London berichtet:
Die mesopotamischen Ölfelder sind geologisch ein Teil der
persischen Faltungsketten. 16
Untersuchungen des Öls bei Men-
deli haben ergeben, daß es fast die gleich chemische Zusammen setzung besitzt wie das Öl von Baku. Die Felder von Men-
deli im Vilajet Bagdad sind die reichsten.
Über ein Dutzend
Quellen ergießen das Öl mit großer Gewalt, und es ist von
ausgezeichneter Beschaffenheit. Der letzte Sachverständigen bericht über die mesopotamischen Ölfelder resümiert wie folgt:
„Wenn man bedenkt, daß das Petroleumgebiet sich über 400 km ausdehnt und daß das Öl in Mengen zur Öbersiäche kommt,, die bisher in der Geschichte der Petroleum geologie unbekannt waren, so ist man zu der Annahme be
rechtigt, daß die Petroleumgebiete zu den reichsten der Welt
gehören."
Die einzige Schwierigkeit für die Aufschließung
des Gebiets ist die des Transports. Die Bagdadbahn wird den nördlichen Teil der Ölfelder in Gajara ihrer ganzen
Länge nach durchschneiden und wird binnen kurzer Zeit in der Nähe von Mendeli in Betrieb sein.
Ferner werden die ge
planten Seitenlinien nach Tus Churmati und nach Chanikin wie Kasri-Schirin Ölfelder anschneiden. Es liegt die Vermutung
nahe,
daß
man sich
auf diesen
Strecken des Öls
als
Feuerungsmaterial anstatt der teuren Kohlen bedienen wird. Erdöl in Südpersien. Außer in
den
türkischen
Gebieten
finden
sich
reiche
Erdölquellen in den politisch zu Persien gehörenden Grenz ländern sowohl östlich Kerkuk (am Wege Bagdad-Teheran),
wie weiter südlich bei dem persischen Ort Ahawas (in Kusistan).
Ahawas (oder Achwas) liegt an dem einzigen schiffbaren Fluß Persiens, dem Karun, etwa 200 km oberhalb seiner Mündung
in
den
Schatt el Arab.
Eine englische Gesellschaft beutet
schon seit Jahren dieses Vorkommen aus.
Es ist daher von
Bedeutung, daß türkische Truppen Ende Januar 1915 dieses
wichtige Erdölgebiet besetzt haben.
Wenngleich zurzeit noch 17
eine Ausfuhr nach der Türkei erschwert ist, erscheint doch die Eroberung eines leicht, d. h. auf dem Wasserwege zugänglichen
Petroleumvorkommens von weittragender Bedeutung: Besitzt doch England auf eigenem Gebiet keine Erdölquellen. Jedenfalls
ist die
Vertreibung
Englands
aus
diesem
usurpierten Gebiete nicht nur bei dem Friedensschluß, sondern vielleicht schon während des Krieges politisch und national ökonomisch wichtig. Äber den Vorstoß der Türken nach Chusistan bringt das
Deutsche Offizierblatt folgendes: Nach
einer Londoner
Depesche vom
5. Februar
aus
Ispahan in Persien ist eine 2000 Mann starke türkische Abteilung über Ahwaz am Karun in das von England
besetzte Petroleumgebiet der persischen Provinz Chusistan
eingedrungen, um die Petroleumquellen zu besetzen.
In London
herrscht begreiflicherweise große Llnruhe über diese Nachricht,
weil die Quellen von außerordentlicher Wichtigkeit für die britische Marine sind und die Verjagung der türkischen Be satzung ausgeschlossen erscheint.
Die nach Irak-Arabi gesandten indischen Truppen haben
sich bisher vergeblich bemüht, die Euphrat und Tigris schützen den türkischen Truppen bei Korna am Zusammenfluß beider
Der Scheich von Mohammara, an der
Flüsse zu vertreiben.
Einmündung
des Karun in den Schatt-el-Arab, hatte sich
gegen den heiligen Krieg erklärt, weil er in britischem Solde stand.
Er ist Ende Dezember 1914 ermordet worden; Moham
mara, das den Zugang zu dem Petroleumgebiet deckt, ist in
türkischen Länden.
Die persischen Einwohner von Chusistan
sind türkenfreundlich,
also werden die Quellen für England
wohl verloren sein.
Der Verlust ist gerade jetzt für die
Marine besonders empfindlich.
England war vor dem Kriege
lange Zeit auf der Suche nach einem Petroleumvorkommen, 18
das von amerikanischen Trusts unabhängig sei, um die Ol-
feuerung seiner Kriegsflotte vollständig zur Durchführung zu
bringen.
Dieses Rohöl wurde in Chusistan gefunden, wo die
Anglo-Persian Oil Co. bereits 1901 eine Konzession erworben, aber nur wenig ausgebeutet hatte. Als sich die Ölquellen, die am
oberen Lauf des Karun zwischen den Städten Ahwaz,
Schuschter und Disful liegen, ergiebig erwiesen, griff die eng lische Regierung zu und beteiligte den Fiskus mit 44 Millionen
Mark an den Aktien der Oil Co. Zustimmung.
Das Parlament gab seine
Dem persischen Staate wurden 16 v. 5>. des
Reingewinns versprochen. Der Karunfluß ist von Ahwaz ab schiffbar.
Die Öl
quellen liegen also im Machtbereich des persischen Golfs, von dem andere Mächte fernzuhalten, England mit aller Macht bestrebt
war.
Es sei in dieser Äinsicht nur an die deutsch-englischen Ver
handlungen über die Bagdadbahn erinnert, die bei Basra ihr Ende fand und von dort auf den Versandungen ausgesetzten
Schatt-el-Arab mit seiner vorliegenden Barre basiert blieb. Wie wichtig das neue Befeuerungsmaterial wegen seiner
leichteren
Verstaubarkeit,
größeren
Wärmeenergie
und
des
dadurch erzielten erheblich erweiterten Aktionsradius.für die Kriegsflotte ist, bedarf keiner weiteren Ausführung. Äber
100 Kampfeinheiten der britischen Kriegsmarine waren im Frühjahr 1914 schon zur ausschließlichen ölfeuerung eingerichtet.
Röhrenleitungen
sind
aus
dem
Quellgebiet
direkt nach dem persischen Golf geführt worden.
Außerdem hatte die Imperialbank of Persia in Teheran die Genehmigung für den Bau einer Bahn von Mohammara über Ahwaz und Disful nach Khoremabad erworben; die Ab-
steckungs- und Vermessungsarbeiten auf der Strecke Moham-
mara-Disful (225 km)
waren im Frühjahr 1914 beendet,
die Fortführung der Arbeit nach Khoremabad (130 km) aber 19
durch die feindliche Lattung der dort wohnenden Lurenstämme
verhindert. Zu Anfang des Jahres 1914 ist mit dem Bau der Bahn
Mohammara-Ahwaz-Disful begonnen und auch eine größere Zahl von Bohrtürmen zwischen letzteren beiden Orten zur Aufstellung gelangt. Die ölgewinnung wird nunmehr den Türken zugute kommen, besonders, wenn es gelingt, die britisch indischen Truppen aus der Provinz Irak-Arabi zu verjagen
und freie Schiffahrt auf dem Schatt-el-Arab zu gewinnen, auf dem jetzt noch britische Kanonenboote die Herrschaft ausüben. Österreich-Ungarn und Deutschland. Deutschlands Österreichs
und
Kohlenförderung ist durch
den
Krieg
in räumlicher Hinsicht nicht berührt worden, und die Be
setzung der galizischen Erdöldistrikte dürfte nur vorübergehend
Die deutsche Kohlenförderung, die ja auch für die bis
sein.
her aus England versorgten Seehäfen aufkommen muß, hat
durch die Aushebung zahlreicher. Bergleute nur geringe Ein buße erlitten.
Die Steinkohlenfördemng, die im ersten Kriegs
monat um 49°/, hinter dem betreffenden Monat des Vorjahres
zurückgeblieben war, ist im September nur um 37°/, geringer ausgefallen.
Bei der Braunkohle betrug der Produktions
rückgang 40°/, im August, aber nur noch etwa 20% im Sep tember.
Auch die weiteren Aussichten sind günstig.
Die neuesten Berechnungen des internationalen Kohlen werkes geben für Österreich allein einen Vorrat von rund 41 Milliarden * Steinkohle und fast 13 Milliarden Braunkohle Dazu kommen in Bosnien etwa 33 bis 35 Milliarden
an.
und in Ungarn 13 bis 14 Milliarden fast ausschließlich Braun
kohle.
Da die Stein- und Braunkohlenreviere der Donau
monarchie in Mähren, Böhmen, in den Alpen, Ungarn und
1 Genaue Zahlen in der Tabelle S. 7.
Bosnien vom Kriege unberührt geblieben sind, geht die Ver
sorgung mit dieser Form des Brennstoffes wie in Friedens zeiten weiter und die beiden Zentralmächte bleiben von der
Sorge verschont, die ihre Gegner bedrängt. 4. Frankreichs Kohlennot. Für Frankreich
hat sich
Entwicklung der
die
ersten
Kriegsmonate sehr ungünstig gestaltet, denn zwei Drittel der französischen Kohlenförderung nördlichen Departements
stammen jetzt aus den beiden
(du
Nord
und
Pas de Calais),
während die südlichen Kohlenbecken kaum ein Drittel produziert. Nach die
Nachrichten
Tagesförderung
207 000 Tonnen.
an
vom Anfang
Februar 1915
Steinkohle in Fankreich
betrug
nur noch
Das würde einem Iahresergebnis von 6 bis
7 Millionen Tonnen entsprechen, wenn das Jahr zu 300 Arbeits
tagen angenommen wird.
Frankreichs Kohlenförderung in Millionen Tonnen betrug nun bisher:
Jahr
Pas de Calais
Nord
übrige (südl. und nördl. Bezirke
insgesamt
1885 1895 1901 1903 1906 19081
6,1 11,1 14,4 16,2 15,4 18,0
3,6 5,0 5,3 5,9 5,8 6,3
9,3 11,4 11,9 12,1 12,3 12,5
19,0 27,5 31,6 34,2 33,5 36,8
hiernach ist auch in den vom Kriege verschonten Bezirken die Förderung wahrscheinlich infolge Arbeitermangels auf die Äälfte herabgegangen. 1 Seitdem hat sich das Verhältnis der drei Hauptgebiete kaum geändert.
Die Kohlennot in Paris.
Aus dem letzten in der zweiten Februarwoche 1915 ver öffentlichten Berichte >des Syndikats der französischen Kohlen händler geht folgendes hervor:
Nach cher Besetzung der Gebiete im Norden und Osten
Frankreichs blieben nur die Kohlenbergwerke im Süden des
Landes in beschränkter Tätigkeit,
Lingegen mußten infolge der
Besetzung durch die deutschen Truppen in einem großen
Teil der Departements im Norden und im Pas de Calais die Grubenwerke von Anzin, Aniche, Courrieres, Lens, Bourges, Liövin und viele andere ihren Betrieb gänzlich einstellen. Einigen im Westen gelegenen Kohlengruben war es möglich gewesen, die Förderung, wenn auch mit verminderter Arbeitskraft, in Gang
zu erhalten, und es wird zum Beispiel im Loirebecken, wo
viele Fabriken an der Verstellung von Leeresbedarf arbeiten, der größte Teil der Kohlen aus einheimischen Gruben herbei
geschafft.
Es kamen jedoch auch (vom 18. Februar 1915 an
nicht mehr) aus England viele Schiffsladungen Kohle in den
westfranzösischen Läsen, in Rouen und in Le Lavre an, aber man hört in Paris trotzdem heftige Klagen über den Mangel
an Steinkohle.
Die Ländler können
sich
nur unter den
größten Schwierigkeiten mit der nötigen Kohle versorgen, ebenso
klagen viele Pariser Industrielle über den Kohlenmangel und
fordern Abhilfe. 2. Die Läsen, in welchen die englischen Kohlen gelandet
werden, sind dermaßen überfüllt, daß es bei dem herrschenden Mangel an Arbeitskräften fast unmöglich geworden ist, die Ladungen zu löschen; dabei steigen die Kosten täglich.
3. In den noch produktiven Teilen des Pas de Calais fehlt das Waggonmaterial, das immer unzureichend ist, zeit weilig vollkommen.
Abgesehen von diesen im Norden produzierten zwei Dritteln
war Frankreich stets auf die jetzt abgeschnittene Kohlenzufuhr aus Belgien,
gewiesen.
dem Saar-
und
niederrheinischen Revier an
Man kann also sagen, daß drei Viertel, vielleicht
sogar noch mehr, bis vier Fünftel der normalen Bezugsquellen
fehlen;
ein Ersatz wird jedoch immer schwieriger, je weiter
unsere Besetzung der Kanalküsten vordringt und je mehr unsere Unterseeboote die englische Kohlenausfuhr behindern.
Schon
im Frieden, d. h. bei voller Förderung der nördlichen Departe
ments, verbraucht Frankreich fast 5O°/o Kohle mehr, als es er
zeugt.
Die Kohlennot in Paris beleuchtet eine Nachricht des
Temps vom 20. Dezember 1914: Danach betrug die Pariser
Kohleneinfuhr in der zweiten Novemberhälfte 80000 Tonnen anstatt der notwendigen 300000.
Infolge des Steigens der
Seefrachten stieg der Preis englischer Kohlen um 11,25 Franken
für die Tonne.
Offenbar ist die Lichtstadt nicht nur aus Furcht
vor den deutschen Fliegern und Zeppelinen in nächtliches Dunkel
gehüllt. Ze weiter der Winter vorschreitet, um so größer wird der
Kohlenbedarf; aber immerhin kann man annehmen, daß eine
sehr starke Behinderung und sehr beträchtliche Verteuerung, aber solange der Weg von Amerika her noch frei ist, nicht eine vollkommene Unterbindung der Kohlenzufuhr für die Industrie
versorgung, für Eisenbahn und Dampfschiffahrt eintreten wird.
Am günstigsten stand England in bezug auf Gewinnung und Verschiffung seiner Kohlenschätze da, solange die Invasion nur
von den Zeitungen besprochen wurde und die Verschiffnng aus den Westhäfen wenig behindert war.
Nachdem jedoch der Sekretär des Reichs-Marineamtes die Anterseeblockade angekündigt, nachdem die Angriffe in der
Irischen See auf englische Äandelsdampfer erfolgreich ausgeführt
sind und neutrale wie befreundete Marinesachverständige die weitere wirksame Durchführbarkeit der Blockade bejaht haben, 23
fragt es sich, wieweit diese Vorgänge auch die Kohlenzufuhr
Englands beeinflussen.
Es wird wahrscheinlich gar nicht not
wendig sein, zahlreiche Dampfer durch Unterseeboote zu versenken. Der Eindruck, den die Verluste — sagen wir nur von 20 bis 30 Dampfern — machen, dürfte schon ausreichend sein, um die eng lische und neutrale Schiffahrt von den großbritannischen Küsten
fern zu halten. Ist es einmal der internationalen Schiffahrt bekannt, daß der Unterseebootkrieg durchgeführt wird, so dürfte sich jeder Reeder und Kapitän überlegen, ob die höheren Fracht raten für das Risiko und die Steigerung der Versicherungs sätze eine; Entschädigung bieten. Eine Erläuterung zu dem, was kommt, gibt die Löhe der Frachtsätze für Getreidetrans porte: Am 8. Februar betrug die Fracht für 1 Tonne Weizen
von La Plata nach London 75 Schilling, d. h. der Getreide verkehr war unterbunden! Ebenso haben die Getreidefrachten nach Bordeaux eine unwahrscheinliche Löhe erreicht und be
weisen, daß auch die entsprechenden Kohlenfrachten sich enorm verteuern werden. 5. Belgiens Kohlenförderung und Kohlenvorräte. Belgien ist durch seine gegenwärtige Steinkohlenförderung ein ungemein reiches Land geworden; es übertrifft in seiner Produktion Österreich-Ungarn (das nur durch die Braunkohlen
eine höhere Ziffer erreicht) und steht hinter dem gewaltigen
russischen Reich nicht allzusehr zurück.
Auch die Förderung
Frankreichs ist nur um ein Drittel größer als die belgische. Dieser ganze Kohlenreichtum entstammt dem mittleren Maas gebiet, d. h. den Provinzen Lennegau, Namur und Lüttich, bildet also die unmittelbare Fortsetzung der Aachener Kohlen. Über die Vorräte berichtet das lediglich auf offiziellen An
gaben beruhende Internationale Kohlenwerk: „Den wichtigsten Kohlenvorrat der Zukunft umschließt
in Belgien Kempenland
Limburg).
ohne
Zweifel das noch
gänzlich
unabgebaute
oder die Campine (in der Provinz Belgisch.
Die Verleihungen umfassen dort bereits 315 qkm
und die erschlossenen, aber noch nicht verliehenen Kohlenfelder (reserves) 195 qkm, zusammen also noch mehr als 500 qkm.
Außerdem
gibt es in der unmittelbar anstoßenden Provinz
Antwerpen einige noch nicht verliehene Kohlenvorkommen, die ebenfalls erheblichen Wert besitzen.
Antwerpen, der frühere
Brückenkopf Englands, hat als Handelshafen mit den Ver hältnissen des Inselreiches auch insofern Ähnlichkeit, als die
Steinkohlenlager bis in geringe Nähe an das Lafengebiet heranreichen.
Allerdings sind es Steinkohlen der Zukunft, sie sind
erbohrt und auch schon durch Schächte unterirdisch erreicht, aber
noch nicht in Abbau genommen.
Am so größer ist ihre Be
deutung für eine schon recht nahe Zukunft. Nach den gründlichen, schon 1903 von Denoel ausgeführten Berechnungen gelangt man zu folgenden Vorratsmengen:
Die Provinz Belgisch-Limburg, die unmittelbar an die Provinz Antwerpen grenzt, enthält 7 Milliarden Steinkohle.
Von ihnen sind a) 3,6 Milliarden Fettkohlen mit einem Gehalt von mehr als 30%
flüchtiger Bestandteile.
b) 2,9 Milliarden enthalten 18 bis 30% Gas und
c) eine halbe Milliarde ist als halbfett (demi-gras) zu be zeichnen.
Die Provinz Antwerpen enthält
1 Milliarde Tonnen
Kohle der zweiten und dritten Gruppe (b, c).
jener wie dort
sind nur die Kohlenflöze bis zu 40 cm Mächtigkeit in Rech nung gestellt, die geringeren außer Betracht gelassen.
Ins
gesamt enthalten somit die Provinzen Belgisch-Limburg und Antwerpen bis zu einer Tiefe von 150 m 8 Milliarden Tonnen Steinkohle, von denen mehr als die Hälfte in einer Tiefe bis
25
zu 1000 m abwärts lagert.
Da sich jedoch die größte Tiefe,
bis zu welcher der belgische Kohlenbergbau hinabgestiegen ist, jetzt schon auf 1160 m beläuft, kommt für die wirkliche Zukunfts
berechnung die Summe von 8 Milliarden in Betracht. Zm Vergleich zu den erwähnten 8 Milliarden ist der
Gesamtvorrat des jetzigen Zndustriebezirks im Äennegau, an
der Maas und der Sambre nicht allzu bedeutend.
Die Kohlen
statistik des belgischen Staates schätzt die in dem gegenwärtigen Industriegebiet zur Verfügung stehenden Kohlenmengen auf
3 Milliarden Tonnen.
Die wichtigsten, noch unverritzten Zu
kunftsreserven befinden sich hier im westlichen Lennegau; es handelt sich um die südliche Region nahe der französischen Grenze, ferner um das Mittelstück der nördlichen Zone sowie
endlich um den Südwesten des Zentrums." Die belgische Kohlenförderung hat nun seit 1900 durch schnittlich 23 Millionen Tonnen, im Jahre 1913 sogar um ein Geringes weniger betragen; bei Annahme einer geringen Steige
rung würde also das alte Revier Lennegau-Maas noch für
120 Jahre, der Norden des Landes zwischen Antwerpen und
Maastricht aber für mehr als 3 weitere Jahrhunderte Stein kohle enthalten. Dieser Vorrat [im nördlichen Belgien ist an sich sehr be deutend und wird durch die günstige Lage nächst dem größten
Seehafen
des europäischen Festlandes noch viel wertvoller.
And dieser gewaltige Kohlenvorrat ist durch die Eroberung Antwerpens in deutsche Verfügung gekommen!
Wenn auch — wie gesagt — eine Förderung noch nicht stattfindet, so find doch die Eigentumsverhältnisse dadurch ein
facher und übersichtlicher,
daß sich der belgische Staat von
vornherein eine sehr erhebliche Gewinnbeteiligung an den von seinen Staatsgeologen ermittelten unterirdischen Schätzen Vor
behalten hat: 26
Der glückliche Erbe ist der Eroberer, und an
baren Aufwendungen find bisher von verschiedenen Seiten nur die Kosten der Bohrungen und des Beginns der im Abteufen begriffenen Schächte gemacht worden.
eine
Berücksichtigung
dieser
Wenn also einerseits
zivilrechtlichen Ansprüche
ohne
Schwierigkeit möglich ist, so erscheint andererseits das Vorhandensein eines so gewaltigen Wertobjektes im ungefährdeten
Bereiche von Antwerpen für die Kosten der Fortführung des
Krieges wichtig. Der preußische Staat und das Deutsche Reich haben bisher mehrfach unbewußt bei wichtigen Friedensschlüssen bedeutende
Gewinne an unterirdischen Schätzen gemacht: Der Bereich des
heutigen oberschlesischen Kohlenreviers,
den nach dem ersten
schlesischen Kriege keine der friedenschließenden Mächte über
nehmen wollte, gelangte nur deshalb an Preußen, weil durch die Besitznahme von Neiße der Zusammenhang mit den öster
reichischen Erblanden unterbrochen war. 3m Frankfurter Frieden
kam die Umgebung von Metz mit ihren gewaltigen Reichtümern an Eisenerz vornehmlich auf Grund der strategischen Erwägungen Moltkes an Deutschland.
Auch auf die Eisenerze wurde hin
gewiesen ', trotzdem sie nach dem damaligen Stande der Technik nicht verhüttet werden konnten.
Erst die wenige Zahre später
von einem Engländer auf Grund seiner Studien im Labora
torium der Bergakademie gemachte Entdeckung der Entphospho rung der phosphorreichen Erze der sog. Minette ermöglichte die Ausnützung der lothringischen und luxemburgischen Eisen
erzlager.
Der wertvollste Teil dieser Eisenschätze, der Distritt
von Briey, ist bereits seit den ersten Tagen des Krieges besetzt
und steht — ebenso wie Longwy — unter der Verwaltung deutscher Bergbehörden. 1 Der spätere Direktor der Bergakademie in Berlin, Lauchecorne, hat das Verdienst, Bismarck auf die voraussichtliche Bedeutung der Lothringer Erzlager hingewiesen zu haben.
Etwas besser war man schon 1815 über den Wert des
Saarbrücker Kohlenbeckens unterrichtet, das noch ein halbes Iahrundert später die Begehrlichkeit der Franzosen gereizt hat.
Aber gerade die Erwerbung des zurzeit bekanntlich dem preußischen Bergfiskus gehörigen alten Saarreviers zeigt, wie
wichtig die rechtzeitige Berücksichtigung bergrechtlicher Fragen in Kriegszeiten ist:
Die alten Lerzöge von Pfalz-Saarbrücken hatten sich —
vor der französischen Revolution — die Steinkohlenlager als Staatseigentum vorbehalten.
Ihr glücklicher Erbe waren zu
erst die französischen Machthaber, und nach 1815 der preußische
Staat.
Die oben besprochenen Steinkohlenreichtümer der Cam-
pine in Belgisch-Limburg übertreffen zweifellos die Saarbrücker
(mit ihren 12 bis 13 Millionen Tonnen Jahresförderung) ganz
Mögen
erheblich.
unsere Diplomaten
beim Friedensschlüsse
auch an diese Schätze denken!
Japan.
Für die zukünftige Entwicklung des Weltkrieges ist das Verhältnis von Japan zu China von ganz besonderer Bedeu tung.
Japan besitzt zwar Braunkohlen, aber Steinkohlen nur
in ganz unerheblicher Menge und ist in bezug auf Eisenerze durchaus auf das Festland angewiesen. Die Kohlenförderung Japans hat sich sehr erheblich
gesteigert: 1874 1884 1899 1904 1908 1910 1911
. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . . . . . . . ...
209 515 Tonnen 1 148829 6804279 10854726 ff 15062 613 ff 16012998 ff 17887 580 ff
Auch die Kohlenausfuhr Japans hat immer größere Bedeutung gewonnen:
1869 . 1884 1894 1904 1907 1908 1910 1911
Die
.
....................
;
.
.
33 750 Tonnen 527630 1 729628 2944460 3018 882 2 960400 2874309 3 354280
gesamten Kohlenvorräte Japans
werden nach dem
Internationalen Kohlenwerk auf wenig über 7 Milliarden Braunkohle
geschätzt.
Diese Ziffern
bleiben ganz
gewaltig
hinter den Reichtümern zurück, welche China an Anthrazit, Steinkohle und Eisenerz besitzt.
Die Ausdehnungsbestrebungen des Jnselreiches richten sich
daher ganz besonders
auf China
und in China auf dessen
Kohlen- und Eisenreichtümer: Der „Manchester Guardian" erwähnte vor kurzem, daß Japan die Übertragung der deutschen Bergwerksrechte in
Schantung und die Verlängerung der Pachtfrist von Port
Arthur fordert.
Das Blatt erörtert sodann Japans Forde
rungen im Iangtsetal,
die weiterer Aufklärung bedürften.
Die Forderung gemeinsamer Kontrolle mit China über gewisse Bergwerke, Kohlengruben und Eisenwerke in Lanjang bedeuten
eine Verletzung der Unabhängigkeit Chinas, deren Siche rung einer der Zwecke des englisch-japanischen Bündnisses sei. Die britischen Sympathieerklärungen für China seien so formell
und die britischen Interessen im Iangtsetal so bedeutend und so lange das Ziel der britischen äußeren Politik gewesen,
daß jedenfalls die Frage berechtigt sei, was eigentlich vorgehe. Die allgemeine Wirkung der japanischen Forderungen, soweit
sie bekannt sind, wäre die, daß Japan sich in Schantung 29
und der Mandschurei festsetze, die Anfänge einer bevor rechteten und exklusiven Stellung
in der Ostmongolei
und im Iangtsetal zu begründen und die Anerkennung
einer besonderen japanischen Zone in Fukien anzubahnen.
In welcher Weise sich diese Umgestaltungen im fernen Osten anbahnen möglich.
werden,
das
vorauszusagen erscheint kaum
Aber eins ist wesentlich, daß nämlich einer der Aus
gangspunkte offenbar das Streben nach Kohlen ist.
II. Deutschlands Stein- und Braunkohlenreichtum. Im Anschluß an die Verhandlungen über die Eisenerz vorräte der Welt auf dem internationalen Geologenkongreß in Stockholm hat die preußische Landesanstalt die Ausarbeitung
eines Werkes über die Stein- und Braunkohlenvorräte Deutsch lands für die 1913 in Kanada tagende Geologenvereinigung in Angriff genommen. Für die in dem Weltkriege auftauchenden
Fragen
über Kohlenversorgung
hatte
gerade
ein Jahr vor
dessen Ausbruch weiten internationalen wissenschaftlichen Bestre
bungen die Antwort vorbereitet und diese Zusammenstellung
für die
im Jahre 1913
in Toronto
tagende internationale
Geologenvereinigung zum Abschluß gebracht. Der jüngst ermittelte Steinkohlenvorrat Deutschlands
bettägt bis 1000 m Tiefe über 100, bis 1200 m über 140 und bis 1500 m über 194 Milliarden Tonnen, wenn man den
schon vorhandenen Vorrat berücksichtigt.
Die Zahlen erhöhen
sich bei Einrechnung der Flöze bis zu 30 cm Mächtigkeit auf
140, 190 und 272 Milliarden Tonnen, und gar auf 290 schon vorhandene und 410 Milliarden Tonnen wahrscheinlich vor
handene Steinkohlen unter Zurechnung der untersten Teufen stufe von 1500 bis 2000 m.
Hierzu kommen noch mehr als
13 Milliarden Braunkohle.
Bei der Bettachtung des Gesamtvorrates nimmt West-
falen im Nahmen Deutschlands an Bedeutung nach der Tiefe
zu.
Birgt Westfalen von 0 bis 1000 m knapp % (30 bis 32%)
des deutschen Gesamtvorrates, so enthält es in der Teufenstufe
1500 bis 2000 m über %, nämlich rund 70%.
Umgekehrt verringert sich Oberschlesiens Bedeutung im
Vergleich zu ganz Deutschland immer mehr, je tiefer man kommt.
Von 0 bis 1000 m enthält es allein 60% des gesamten
deutschen Steinkohlenvorrates, also einen fast genau doppelt so
großen Vorrat wie Westfalen in dieser Teufenstufe, ist mithin
weitaus das reichste Kohlenbecken Deutschlands in der heute im Abbau befindlichen Teufenstufe.
Dagegen weist es nach ziemlich Mt
Di