Knochenmarködem: Formen, Pathogenese, Diagnose und Therapie 3662671336, 9783662671337, 9783662671344

Heute kann die Diagnose eines Knochenmarködems (KMÖ) nicht mehr als eine "gutartige, selbstlimitierende Erkrankung&

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German Pages 164 Year 2023

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Table of contents :
Vorwort
Danksagung
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
1: Anatomie und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems
1.1 Das Knochen-Knochenmark-System
1.2 Gefäßsystem und Nerven
1.3 Stroma („microenvironment“) und topografische Nischen
1.4 Hämatopoiese und ihre Zellreihen
1.5 Osteoklast und andere Knochenzellen
1.6 Subchondrale Knochenplatte und Gelenkknorpel
Literatur
2: Definitionen, Formen und Pathogenese des KMÖ
2.1 Definitionen des KMÖ
2.2 Formen des KMÖ
2.3 Klinik, Radiologie und Histologie des KMÖ
2.4 Ätiologie des KMÖ
2.5 Pathogenese des akuten KMÖ
2.6 Verlaufsformen des generalisierten KMÖ
Literatur
3: Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie
3.1 Einleitung und Begriffsklärung
3.2 Bildgebende Modalitäten
3.3 Radiologische Muster
Literatur
4: Optionen und Strategien in der Therapie des KMÖS
4.1 Formen und Pathogenese des KMÖ
4.2 Behandlungsstrategien des KMÖS
4.3 Allgemeinmaßnahmen
4.4 Schmerztherapie
4.5 Vitamine D, K und C
4.6 Iloprost
4.7 Bisphosphonate
4.8 Eigene Erfahrungen mit Ibandronat-Infusionen
4.9 Denosumab
4.10 Operative Techniken und andere Optionen
4.11 Aktuelles Therapiekonzept des KMÖS in unserem Zentrum
Literatur
5: KMÖ in der Inneren Medizin und Onkologie
5.1 AIDS-Osteomyelopathie und andere Infektionskrankheiten
5.2 Diabetische Osteomyelopathie und Gicht
5.3 Rheumatologische Erkrankungen
5.4 Primärer Hyperparathyreoidismus
5.5 Renale Osteopathie
5.6 Myelofibrose/Osteomyelosklerose-Syndrom und andere fibrosierende Neoplasien
5.7 KMÖ unter Chemotherapie, Kortikosteroiden, Strahlentherapie und toxischer Schädigung
Literatur
6: KMÖ und KMÖS in der Orthopädie und Traumatologie
6.1 Das Knochenmarködemsyn
6.2 Knochenstressreaktionen und Stressfrakturen
6.3 Osteonekrosen
6.4 Osteochondrosis dissecans
6.5 Osteoarthritis
Literatur
7: CRPS in der Orthopädie und Neurologie
7.1 Definition, Klinik und Diagnose des CRPS
7.2 Pathogenese und Risikofaktoren des CRPS
7.3 Verlauf und Prognose des CRPS
7.4 Therapiestrategie und Optionen des CRPS
7.5 Bisphosphonate bei CRPS
7.6 Neuropathische Osteoarthropathie
Literatur
Anhang Medikamentenliste
Medikamentenliste in der Behandlung des KMÖ
Alendronat
Calcitonin
Calcitriol
Denosumab
Ibandronat
Iloprost
Pamidronat
Zoledronat
Übersicht der Bücher, Reviews und aktuellen Publikationen zum Thema KMÖ
Stichwortverzeichnis
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Knochenmarködem: Formen, Pathogenese, Diagnose und Therapie
 3662671336, 9783662671337, 9783662671344

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Reiner Bartl · Christoph Bartl · Harald Marcel Bonél · Emmo von Tresckow

Knochenmarködem Formen, Pathogenese, Diagnose und Therapie

Knochenmarködem

Reiner Bartl • Christoph Bartl Harald Marcel Bonél Emmo von Tresckow

Knochenmarködem Formen, Pathogenese, Diagnose und Therapie

Reiner Bartl Osteoporosezentrum München am Dom München, Deutschland

Christoph Bartl Osteoporosezentrum München am Dom München, Deutschland

Harald Marcel Bonél Radiologie Lindenhof-Spital Bern, Schweiz

Emmo von Tresckow Pharmakologie und Organische Chemie Starnberg, Deutschland

ISBN 978-3-662-67133-7    ISBN 978-3-662-67134-4 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-67134-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Illustrationen: Harald Konopatzki, Heidelberg Planung/Lektorat: Antje Lenzen Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort

Das Ödem (vom altgriechischen „oidema“, deutsch „Schwellung“) ist eine „Schwellung von Körpergewebe aufgrund einer Einlagerung von Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem in den extrazellulären Raum“. In der Medizin wird der Begriff „Ödem“ in der Regel für ein klinisches Symptom verwendet, z.  B.  Beinödeme bei Herzinsuffizienz oder Leberzirrhose, Lidödeme beim nephrotischen Syndrom, Hungerödeme bei Ernährungsmangel oder Quincke-­ Ödem (Angioödem) bei allergischen Reaktionen der Haut und Schleimhaut. Ein generalisiertes Ödem im Knochenmark (KMÖ) ist bei der körperlichen Untersuchung dagegen nicht zu erkennen, geht nur selten mit Symptomen (generalisierte Knochenschmerzen) oder Befunden (Panzytopenie) einher und fiel bisher allenfalls als histologischer Nebenbefund bei der Beurteilung von Knochenmarkbiopsien auf. Mit der Entwicklung der Plastikeinbettung und der Semidünnschnitttechnik der Knochenmarkbiopsien in den 1960erund 1970er-Jahren konnte erstmals das „Knochenmarködem“ (KMÖ) als generalisierte Störung genauer untersucht und mit klinischen Befunden und zugrunde liegenden Krankheiten verknüpft werden. Formen und Verläufe des KMÖ und ihre klinische Relevanz wurden v. a. bei hämatologischen, onkologischen, endokrinologischen und anderen internistischen Erkrankungen beschrieben. Mit Etablierung der Magnetresonanztomografie (MRT) als bildgebende Methode für die klinische Routine in den 1980er- und 1990er-Jahren konnte erstmals das KMÖ ohne invasiven Eingriff eindeutig diagnostiziert werden. Damit wurden immer häufiger pathologische Veränderungen beschrieben, die im konventionellen Röntgen nicht erkennbar waren. Der lokale Nachweis von KMÖ im Rahmen von orthopädischen und unfallchirurgischen Erkrankungen führte zum Begriff des „Knochenmarködemsyndroms“ (KMÖS), häufig im Rahmen von subchondralen Insuffizienzfrakturen (SIF). Diese lokale Form eines KMÖ ist klinisch dagegen mit massiven Schmerzen und Bewegungseinschränkung verbunden („Wo Ödem, da Schmerz!“). Prognose und Verlauf des KMÖS wird von der zugrunde liegenden Erkrankung bestimmt (z. B. spontane Ausheilung oder Übergang in eine Osteonekrose oder ein Complex Regional Pain Syndrome [CRPS]). Die Diagnose eines KMÖS wird daher nicht mehr ausschließlich mit einer „gutartigen, selbstlimitierenden Erkrankung“ verknüpft. Vielmehr wird das KMÖS heute als Warnsignal für den möglichen Übergang in langwierige schmerzhafte Erkrankungen (z.  B.  CRPS) oder gar in eine Osteonekrose (z.  B.  Femurkopfnekrose). mit der Konsequenz einer endoprothetischen V

Vorwort

VI

­ ersorgung angesehen. Einer klinisch orientierten Klassifikation des lokalen V KMÖS mittels MRT kommt daher besondere prognostische Bedeutung zu. Während früher eine Anbohrung des ödematösen Bezirkes als „Mittel der Wahl“ galt, stehen uns heute effektive Medikamente zur Verfügung, die zu einer Ausheilung des Ödems und auch der zugrunde liegenden Erkrankung führen. In der Literatur finden sich v. a. Therapiestudien mit Prostazyklinen, Bisphosphonaten und der Stosswellentherapie. Neue klinische und pathogenetische Erkenntnisse bei der Entstehung des KMÖ untermauern die Therapieempfehlung, bei Verdacht auf ein schmerzhaftes KMÖ konsequent eine initiale MRT durchzuführen und bei Befundbestätigung ein erprobtes Medikament einzusetzen  – unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Erkrankung. Bei der Abhandlung der einzelnen Fächer, die mit der Diagnose und Therapie eines Knochenmarködems konfrontiert sind, haben die 4 Autoren des Buches auf eine multidisziplinäre Betrachtung Wert gelegt. Beteiligte Fachdisziplinen wie Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, Osteologie, Orthopädie und Traumatologie sowie Radiologie und Pharmakologie werden von den Autoren fachkundig abgedeckt. Bone marrow oedema – a syndrome whose time has come! München, Deutschland  Juni 2023  

Reiner Bartl Christoph Bartl Harald Marcel Bonél Emmo von Tresckow

Danksagung

Für Geduld und Toleranz danken wir unseren Familien

VII

Inhaltsverzeichnis

1 Anatomie  und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems ��������������������������������������������������   1 1.1 Das Knochen-Knochenmark-System����������������������������������������   1 1.2 Gefäßsystem und Nerven����������������������������������������������������������   4 1.3 Stroma („microenvironment“) und topografische Nischen������   9 1.4 Hämatopoiese und ihre Zellreihen��������������������������������������������  11 1.5 Osteoklast und andere Knochenzellen��������������������������������������  11 1.6 Subchondrale Knochenplatte und Gelenkknorpel��������������������  13 Literatur����������������������������������������������������������������������������������������������  16 2 Definitionen,  Formen und Pathogenese des KMÖ������������������������  17 2.1 Definitionen des KMÖ��������������������������������������������������������������  17 2.2 Formen des KMÖ ��������������������������������������������������������������������  20 2.3 Klinik, Radiologie und Histologie des KMÖ ��������������������������  23 2.4 Ätiologie des KMÖ������������������������������������������������������������������  25 2.5 Pathogenese des akuten KMÖ��������������������������������������������������  26 2.6 Verlaufsformen des generalisierten KMÖ��������������������������������  27 Literatur����������������������������������������������������������������������������������������������  30 3 Bildgebende  Diagnostik des KMÖ in der Radiologie ������������������  31 3.1 Einleitung und Begriffsklärung������������������������������������������������  31 3.2 Bildgebende Modalitäten����������������������������������������������������������  32 3.3 Radiologische Muster ��������������������������������������������������������������  35 Literatur����������������������������������������������������������������������������������������������  67 4 Optionen  und Strategien in der Therapie des KMÖS������������������  69 4.1 Formen und Pathogenese des KMÖ������������������������������������������  69 4.2 Behandlungsstrategien des KMÖS ������������������������������������������  70 4.3 Allgemeinmaßnahmen��������������������������������������������������������������  71 4.4 Schmerztherapie������������������������������������������������������������������������  71 4.5 Vitamine D, K und C����������������������������������������������������������������  71 4.6 Iloprost��������������������������������������������������������������������������������������  72 4.7 Bisphosphonate ������������������������������������������������������������������������  73 4.8 Eigene Erfahrungen mit Ibandronat-Infusionen ����������������������  78 4.9 Denosumab ������������������������������������������������������������������������������  80 4.10 Operative Techniken und andere Optionen������������������������������  81 4.11 Aktuelles Therapiekonzept des KMÖS in unserem Zentrum ������ 81 Literatur����������������������������������������������������������������������������������������������  83 IX

X

5 KMÖ  in der Inneren Medizin und Onkologie������������������������������  85 5.1 AIDS-Osteomyelopathie und andere Infektionskrankheiten ��������������������������������������������������������������  86 5.2 Diabetische Osteomyelopathie und Gicht��������������������������������  87 5.3 Rheumatologische Erkrankungen ��������������������������������������������  88 5.4 Primärer Hyperparathyreoidismus��������������������������������������������  90 5.5 Renale Osteopathie ������������������������������������������������������������������  90 5.6 Myelofibrose/Osteomyelosklerose-­Syndrom und andere fibrosierende Neoplasien����������������������������������������  92 5.7 KMÖ unter Chemotherapie, Kortikosteroiden, Strahlentherapie und toxischer Schädigung������������������������������  94 Literatur����������������������������������������������������������������������������������������������  97 6 KMÖ  und KMÖS in der Orthopädie und Traumatologie ����������  99 6.1 Das Knochenmarködemsyn­drom (KMÖS)������������������������������  99 6.2 Knochenstressreaktionen und Stressfrakturen�������������������������� 119 6.3 Osteonekrosen�������������������������������������������������������������������������� 124 6.4 Osteochondrosis dissecans�������������������������������������������������������� 127 6.5 Osteoarthritis���������������������������������������������������������������������������� 128 Literatur���������������������������������������������������������������������������������������������� 129 7 CRPS  in der Orthopädie und Neurologie�������������������������������������� 131 7.1 Definition, Klinik und Diagnose des CRPS������������������������������ 131 7.2 Pathogenese und Risikofaktoren des CRPS������������������������������ 134 7.3 Verlauf und Prognose des CRPS���������������������������������������������� 136 7.4 Therapiestrategie und Optionen des CRPS������������������������������ 138 7.5 Bisphosphonate bei CRPS�������������������������������������������������������� 140 7.6 Neuropathische Osteoarthropathie�������������������������������������������� 142 Literatur���������������������������������������������������������������������������������������������� 143 Anhang Medikamentenliste�������������������������������������������������������������������� 145  Übersicht der Bücher, Reviews und aktuellen Publikationen zum Thema KMÖ������������������������������������������ 149 Stichwortverzeichnis�������������������������������������������������������������������������������� 153

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen

ADC Apparenter Diffusionskoeffizient AFF Atypische Femurschaftfraktur AH Aromatasehemmer ALP Alkalische Phosphatase AN Anorexia nervosa ARCO Association Research Circulation Osseous AS Ankylosierende Spondylitis BJ Bence-Jones Protein BMC Bone Mineral Content, dt. Knochenmineralgehalt BMD Bone Mineral Density, dt. Knochendichte BMI Body-Mass-Index BMP Bone Morphogenic Protein, dt. knochenmorphogenetisches Protein BMU Basic Multicellular Unit BP Bisphosphonat(e) BRU Bone Remodelling Unit, dt. Knochenumbaueinheit BSP Bone Sialoprotein BUA Broadband Ultrasound and Attenuation CAM Cell Adhesion Molecule, dt. Zelladhäsionsmolekül CaSR Calcium-Sensing Receptor CKD Chronic Kidney Disease, dt. chronische Nierenerkrankung CNO Chronische nichtbakterielle Osteomyelitis COPD Chronic Obstructive Pulmonary Disease, dt. chronisch obstruktive Lungenerkrankung CPPDD Calcium Pyro Phosphate Deposition Disease, dt. Kalziumpyrophosphatablagerungserkrankung CRMO Chronisch rezidivierende multifokale Osteomyelitis CRPS Complex Regional Pain Syndrome, dt. komplexes regionales Schmerzsyndrom CT Computertomografie CTX Carboxyterminale Telopeptide DECT Dual-energy CT DKK1 Dickkopf WNT Signaling Pathway Inhibitor 1 DM Diabetes mellitus DXA Dual Energy X Ray Absorptiometry, dt. Dual-Röntgen-Absorptiometrie

XI

XII

ELMSI

Edema-like Marrow Signal Intensity, Ödemähnliche Signalintensität im Knochenmark dt. ? ESWT Hochenergetische fokussierte Stoßwellentherapie FDA Food and Drug Administration FN Femoral Neck, dt. Schenkelhals FOV Field of View GFR Glomerular Filtration Rate, dt. glomeruläre Filtrationsrate GM-CSF Granulocyte-Macrophage Colony-Stimulating Factor, dt. Granulozyten-Makrophagen-Kolonien-stimulierender FaktorGnRH Gonadotropin Releasing Hormone HA Hydroxylapatit HADD Hydroxyle Apatite Deposition Disease, dt. Hydroxyapatitablagerungserkrankung HAL Hip Axis Length, dt. Hüftachsenlänge HPP Hypophosphatasie HPT Hyperparathyreoidismus HRT Hormone Replacement Therapy, dt. Hormonersatztherapie HSC Haematopoietic Stem Cells, dt. hämatopoetische Stammzellen ICTP C-terminal Telopeptide of Type I Collagen IFNγ Interferon γ IGF Insulin-like Growth Factor IL Interleukin INF Interferon KML Knochenmarkläsion KMÖ Knochenmarködem KMÖS Knochenmarködemsyndrom LIPUS Low Intensity Pulsed Ultrasound MACT Matrixgestützte autologe Chondrozytentransplantation MAS McCune-Albright Syndrom MDF Myelopoiesis Depressing Factor MF/OMS Myelofibrose/Osteomyelosklerose MGUS Monoclonal Gammopathy of Undetermined Significance MM Multiples Myelom MMPs Matrixmetalloproteinasen MRI Magnetic Resonance Imaging MRT Magnetresonanztomografie MS Multiple Sklerose MSC Mesenchymal Stem Cells, dt. mesenchymale Stammzellen MTX Methotrexat M-CSF Macrophage Colony-Stimulating Factor, dt. Makrophagen-­ Kolonien-­stimulierender Faktor μSv Micro Sievert NSAR Nichtsteroidale Antirheumatika NTX N-Terminal Telopeptide NW Nebenwirkungen OAF Osteoclast Activation Factor ODF Osteoclast Differentiation Factor OI Osteogenesis imperfecta

Abkürzungen

Abkürzungen

XIII

OIF Osteoblast Inhibitory Factor ONFH Osteonecrosis of the Femoral Head, dt. Femurkopfnekrose ONJ Osteonecrosis of the Jaw, dt. Kiefernekrose OPG Osteoprotegerin PBM Peak Bone Mass, dt. maximale Knochenmasse PDGF Platelet-derived Growth Factor PEMF Pulsierende elektromagnetische Felder PG Prostaglandin pHPT Primärer Hyperparathyreoidismus PPI Proton Pump Inhibitors, dt. Protonenpumpenblocker PINP Amino-terminal Propeptide of Type I Procollagen PMMA Polymethylmethacrylat PPS Pentosanpolysulfat-Natrium PTH Parathormon PTHrP Parathormon related Protein QCT Quantitative Computertomografie QUS Quantitativer Ultraschall RA Rheumatoide Arthritis RANKL Receptor Activator of Nuclear Factor-kB Ligand ROD Renale Osteodystrophie RR Relative Risk, dt. relatives Risiko SD Standard Deviation, dt. Standardabweichung SIF Subchondrale Insuffizienzfraktur SIFK Subchondrale Insuffizienzfraktur des Knies SLE Systemischer Lupus erythematodes SMP Sympathetically Maintained Pain SPONK Spontane Osteonekrose des Kniegelenkes SRE Skeletal Related Event, dt. skelettbezogenes Ereignis STIR Short Tau Inversion Recovery TENS Trancutaneous Electrical Nerve Stimulation, dt. transkutane elektrische Nervenstimulation TGF Transforming Growth Factor, dt. transformierender Wachstumsfaktor TNF Tumor Necrosis Factor, dt. Tumornekrosefaktor TRANCE TNF-Related Activation-Induced Cytokine (ODF, OPG-L, RANKL) TRAP Tartrate Resistant Acid Phosphatase US Ultraschall VEGF Vascular Endothelial Growth Factor, dt. vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor VNC Virtual Non-Calcium

1

Anatomie und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems

Key Points

• Das menschliche Skelett  – ein hoch kompliziertes Zusammenspiel von ca. 220 form- und funktionsgerechten Einzelknochen. • Das Knochengewebe – „high-tech“ von der Architektur bis in den molekularen Bereich. • Knochen und Knochenmark sind eine funktionelle Einheit und haben gemeinsame Stammzellen. • Der Osteoklast – der „Bagger“ im Bauunternehmen Knochen: effizient und schnell, aber auch brutal zerstörerisch in krankhaften Situationen. • Die Osteoblasten – die „Maurer“, langsam arbeitend, aber echte Facharbeiter. • Die hormonelle und nervale Steuerung des Knochens bedient sich der Osteozyten. • Der Knochen – ein lebenslanger Prozess des Modellierens und Reparierens. • Der Knochenumbau läuft nach einer genau festgelegten Sequenz gleichzeitig millionenfach im Knochen ab und ein Zyklus dauert jeweils etwa 2 Wochen. • Die Mineralisation der weichen Knochenmatrix läuft in 2 Phasen über Jahre

ab und bedarf ausreichend Vitamin D, C und K. • Ohne intaktes Gefäß-/Nervensystem kein geregelter Knochenumbau und keine Frakturheilung! • Das Erreichen der maximalen Knochendichte („peak bone mass“) hängt von 4 Parametern ab: Genetik, Hormone, körperliche Aktivität und Ernährung. Sie ist das Kapital für stabile Knochen im Alter.

1.1

Das Knochen-KnochenmarkSystem

Mit der Integration des weichen blutbildenden Markes in die Zwischenräume der feinmaschigen Spongiosa des Knochens wurde eine nach Form und Funktion untrennbare Organgemeinschaft geschaffen: das Knochen-Knochenmark-System (Abb.  1.1a, b). In Abb.  1.2 sind die wichtigsten Zelltypen beider miteinander verwobenen Systeme dargestellt. Mit dieser Synthese konnte die Evolution mehrere Probleme lösen: Gewichtsreduktion des Knochens Die Spongiosierung des Knochens (Leichtbauweise) führt zu einer massiven Einsparung an Ge-

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bartl et al., Knochenmarködem, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67134-4_1

1

1  Anatomie und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems

2

a

Schutzfunktion der Blutbildung Die Architektur des Skelettes mit ihren Hohlräumen schützt nicht nur zahlreiche innere Organe, sondern liefert auch dem vulnerablen Mark Struktur und Schutz nach außen. Versorgung des Knochens Das blutbildende Mark (Hämatopoiese) sichert mit seinem hoch spezialisierten Gefäßsystem und einer hohen Durchblutungsrate die Versorgung des Knochengewebes mit Energie, Sauerstoff und Botenstoffen. Bereitstellung der Vorläuferzellen des Knochens Die Hämatopoiese liefert im engen Kontakt die Vorläuferzellen des Knochengewebes. So werden die Osteoklasten zum Monozyten-­Makrophagen-­ System gezählt. Die Osteoblasten und Osteozyten stammen von mesenchymalen Stammzellen des Knochenmarks ab.

b

Sicherstellung der Regeneration des Knochengewebes Die lebenslange Rekrutierung von Vorläuferzellen aus dem benachbarten Knochenmark sichert eine ständige Modellierung („modelling“) und Erneuerung („remodelling“) des Knochengewebes.

Abb. 1.1  a Verteilung der Blutbildung (rotes Mark) im Skelett bei einem Kind und bei einem Erwachsenen. b Darstellung der Knochenstruktur in der Beckenkammbiopsie (angeschnittener Acrylatblock)

Sicherstellung der Reparation von Verletzungen (Traumen) Der Knochen hat das Privileg einer eigenständigen Reparatur von Traumen. Hämatopoietische und immunologische Zellen leiten im Konzert mit den Knochenzellen die kaskadenartig verlaufende Frakturheilung ein.

wicht und zu einer Steigerung der Belastbarkeit (Rigidität und gleichzeitig Elastizität) des Knochengewebes.

Die histomorphologische Beurteilung des Knochen-Knochenmark-Systems erfolgt mittels Beckenkammbiopsie (Einbettung in Methylmethacrylat und Semidünnschnitttechnik) [1–4]. Das

1.1  Das Knochen-Knochenmark-System

3

Abb. 1.2 Das Knochen-Knochenmark-­ System – eine strukturelle und funktionelle Einheit von Zellen und Strukturen des Knochens (Osteoklasten, Osteoblasten, Osteozyten, „lining cells“, Knochenmaterial), sowie von Zellen und Gefäßen des Knochenmarks (Hämatopoiese, Stammzellen, Stromazellen, Immunzellen, Adipozyten, Gefäßsystem)

Vorgehen bei der Auswertung und Beurteilung von Beckenkammbiopsien ist in Abb. 1.3 dargestellt. Bei Störungen dieses engen Zusammenspiels von Knochen und Knochenmark von außen (Traumen, Bakterien, Viren, Medikamente) oder von innen (Autoimmunprozesse, Erkrankungen der Hämatopoiese, Gelenkerkrankungen, Neoplasien) kommt es zuerst zu einer Störung und Reaktion des hoch spezialisierten Gefäßsystems des Knochenmarkes mit nachfolgender ödematöser Entzündungsreaktion und negativen Folgen für das Knochen- und Knochenmarkgewebe. Histologisch sind bei der Entstehung eines Knochenmarködems (KMÖ) folgende Strukturen des Knochen-Knochenmark-Systems maßgeblich beteiligt: • hoch spezialisiertes Gefäßsystem und seine nervale Versorgung, • Stroma und interstitieller Raum („microenvironment“), • Osteoklasten im Zusammenspiel mit anderen Knochenzellen und dem Immunsystem, • subchondrale Knochenplatte, die Grenzzone von Knochen und Knorpel.

Systemische Infektionen sowie metabolische, endokrinologische und toxische Erkrankungen manifestieren sich mit einem generalisierten KMÖ. Dieses kann entweder akut mit einer Schädigung des Sinussystems auftreten oder chronisch mit einer zusätzlichen Beteiligung des arteriellen Gefäßsystems und des Immunsystems (fibrovaskuläre Reaktion). Bei Verletzungen des Knochen- und Knorpelgewebes (Frakturen, Mikrofrakturen, „bone bruise“ und Gelenkknorpelverletzungen) ist v.  a. die vulnerable subchondrale Knochenplatte an der Entstehung eines lokalen schmerzhaften KMÖ beteiligt. Dieser Übergang vom Knochen- in das Knorpelgewebe („subchondrale Zone“) spielt in der Entstehung orthopädischer Erkrankungen (z. B. Osteoarthritis) eine wichtige Rolle. Die akute, ödematöse Entzündungsreaktion des Knochenmarkes kann unterschiedlich schnell nach Wegfall der Noxe oder unter Medikamenten wieder ausheilen oder chronifizieren mit erheblicher Schmerzsymptomatik, Behinderungen und Beeinträchtigungen von Knochen, Gelenken und Blutbildung.

4

1  Anatomie und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems

Abb. 1.3 Systemati­ sches Vorgehen bei der Auswertung von Knochen- und Knochenmarkstrukturen in der Beckenkamm­ biopsie

1.2 Gefäßsystem und Nerven Alle Funktionen des Skelettes einschließlich Bewegung, Beherbergung und Ausreifung der Hämatopoiese, Kalzium-Phosphat-Metabolismus und endokrine Sekretion hängen von einer geregelten Blutversorgung ab. Das Gefäßsystem des Knochens (Abb. 1.4) liefert als Transportsystem Sauerstoff, Baustoffe, regulatorische Faktoren und Vorstufen von Knochenzellen. Es transportiert ausgereifte hämatopoietische und

l­ymphatische Zellen sowie metabolische Abbauprodukte ab. Das Knochen- und Knochenmarkgewebe selbst hat einen intensiven Stoffwechsel und bedarf daher einer hohen Durchblutung (bis zu 1 l Blut pro Minute, ungefähr 10–20 % des gesamten kardialen Auswurfs entsprechend). Vor allem das rote Knochenmark ist reich mit spezialisierten Blutgefäßen versorgt [2, 5, 6]. Die Markarterien gelangen als Vasa nutricia – begleitet von zahlreichen Nervenfasern – über Kanäle in der Diaphyse in den Binnenraum des Kno-

1.2  Gefäßsystem und Nerven

5

Abb. 1.4 Blutversor­ gung langer Röhrenknochen (proximaler Femur): arterielle, venöse und sinusoidale Gefäße

chens und verzweigen sich in den Markräumen (Abb.  1.5). Die lokale Durchblutung wird über lippenartige Sphinkter am Abgang der arteriellen Gefäße über Impulse sympathischer Nervenfasern gesteuert (Abb. 1.6a, b). Sie gehen in Arteriolen und Kapillaren (Abb. 1.7) und diese selbst in dünnwandige Sinusgefäße (Abb. 1.8) über. Die weiten Sinusgefäße, kurz „Sinus“ bezeichnet, finden sich ausschließlich im roten, blutbildenden Knochenmark und dienen v. a. der Ausschleusung reifer hämatopoietischer Zellen in die Blutbahn. Das Gesamtvolumen der Sinusgefäße im Knochenmark beträgt 5  Vol%, mit dem Alter abnehmend. Die Wände der Sinus be-

stehen aus einer einfachen Lage von Endothelzellen und einer immer wieder unterbrochenen Basalmembran, umgeben von sympathischen Nervenfasern, Perizyten, Megakaryozyten sowie mesenchymalen und hämatopoietischen Stammzellen (MSC und HSC). Unterschieden ­ werden zentrale Marksinus (Abb. 1.9a) im Zentrum der Markräume, die für den Eintritt reifer Blutzellen in den Blutkreislauf verantwortlich sind, und endostale Sinus (Abb. 1.9b–d), die mit den „lining cells“ der Knochenoberfläche in Kontakt stehen und die Energieversorgung und den Stoffwechsel des Knochens gewährleisten. Sympathische Nervenfasern steuern auch den Zu- und

1  Anatomie und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems

6 Abb. 1.5 Das Gefäßsystem und seine nervale Versorgung in einem Markraum, begrenzt von Knochenbälkchen

a

b

Abb. 1.6  a, b Abgang einer Arteriole von einer kleinen Arterie. Beachte die sphinkterartigen Einschnürungen am Abgang der Arteriolen, der Blutdurchfluss wird nerval gesteuert. Gomori

1.2  Gefäßsystem und Nerven

7

a

b

Abb. 1.7  a, b Zwei dünne, waagrecht verlaufende Kapillaren mit unterschiedlich dicker Wand. Giemsa

Abb. 1.8  Langgezogener Sinus mit Kapillarstrukturen an beiden Enden. Beachte die mastzellige Infiltration. Giemsa

a

b

c

d

Abb. 1.9  a Zahlreiche weite zentrale Sinusgefäße mit Hyperplasie der Erythro- und Megakaryopoiese. Giemsa. b Weiter endostaler Sinus mit flachen „endos-

teal line cells“. Giemsa. c Endostaler Sinus, gefüllt mit Erythrozyten. Gomori. d Kollabierter endostaler Sinus. Giemsa

8

1  Anatomie und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems

Abfluss des Blutes in die Sinus und damit die Weite der Sinusgefäße. Expansion und Kontraktion des Sinussystems innerhalb des starren Knochengerüstes werden unterstützt durch den Blutrückfluss aus dem Knochen, der durch eine Sogwirkung über das Periostvenengeflecht sowie über größere Venen (Vasa nutricia) mittels Muskelkontraktionen („Muskelpumpe“) entsteht. Eine zusätzliche Blutversorgung übernehmen epiphysale, metaphysale und periostale Arterien, die den subchondralen Knochen, die Wachstumsfuge, einen Teil des trabekulären Knochens und den äußeren Anteil des kortikalen Knochens versorgen. Im kortikalen Knochen verlaufen die Havers-Gefäße vertikal in den Osteonen, während die Volkmann-Gefäße im rechten Winkel auf die Havers-­Gefäße zulaufen und vom Periost ausgehen (Abb.  1.10). Bei einer Atrophie des Knochens und der Hämatopoiese werden die weiten Sinusgefäße zunehmend durch Fettzellen ersetzt („paratrabekuläre Adipozytensäume“). Lymphgefäße finden sich nur im Bereich des Periostes, nicht aber im Inneren des Knochens.

Die Mehrheit (>80  %) der Nerven im reifen Knochen sind nur dünn und von nichtmyelinisierenden Schwann’schen Zellen teilweise ummantelt. Die Verteilung, Dichte, Typen und Aufgaben der Nerven und Nervenfasern im Knochen sind unterschiedlich, sie sind v.  a. in Nachbarschaft von Gefäßstrukturen (Abb.  1.11) zu finden und mit 4 Kompartimenten verknüpft:

Abb. 1.11  Querschnitt durch einen Nerv (links oben) und eine Arterie (unten) in Nachbarschaft zum Knochen (rechts oben). Gomori

Abb. 1.10  Knochenstrukturen mit Darstellung des Periostes, der Spongiosa und der Kortikalis einschließlich deren Gefäße und Nerven

1.3  Stroma („microenvironment“) und topografische Nischen

• Nachbarschaft zu den zentralen Sinus, Kapillaren und Arteriolen in den Markräumen zur Regulation der Durchblutung und zur Steuerung des Übertrittes reifer hämatopoietischer Zellen in den Blutkreislauf, • Nachbarschaft zu den „bone remodelling units“ und den endostalen Sinus auf der endostalen Knochenoberfläche zur Steuerung des Knochenumbaus und der Durchblutung in diesem Bereich. Bei Vorliegen einer Markatrophie und eines verminderten Knochenumbaus mit Vermehrung des Fettgewebes nimmt auch die Dichte der Nerven und Gefäße deutlich ab. • Im Periost und in den kortikalen Poren zur Registrierung mechanischer Stimuli („loading“) und zur Schmerzempfindung. • Sympathische und parasympathische Nerven steuern den ausgewogenen Knochenumbau und die Knochenreparatur.

9

„haematopoietic microenvironment“. Das Stroma weist den Stammzellen und den einzelnen Zellreihen den Platz für ihre Proliferation, Reifung und Ausschüttung in die Blutbahn zu. Es besteht aus dem interstitiellen Raum, Fibrozyten mit ihren retikulären Faserstrukturen (Kollagen Typ III) (Abb. 1.12), Fettzellen, Mastzellen, Plasmazellen, B- und T-Lymphozyten, Makrophagen (Speicherzellen) sowie aus Arteriolen, Kapillaren, Sinus und sympathischen Nervenfasern. Die Markräume können topografisch und funktionell in 2 Nischen („niches“) eingeteilt werden, mit unterschiedlicher Verteilung hämatopoietischer, lymphopoietischer und osteogener Zellsysteme [4, 7, 8] (Abb. 1.13a, b):

1.3 Stroma („microenvironment“) und topografische Nischen Das Stroma ist der „Dirigent“ im Knochenmark und bildet ein Gerüst, das für das „homing“, die Versorgung, die Proliferation und Ausreifung der Blutbildung sowie für die Ausschüttung der reifen Blutzellen in die Blutbahn verantwortlich ist: a

Abb. 1.13  a Histotopografie der normalen Hämatopoiese im Knochen-Knochenmark-System. Giemsa. b Schematische Darstellung der Histotopografie (Kompartimente) mit Stammzellen, Granulopoiese, Lymphopoiese, ossären

Abb. 1.12 Nachweis von feinen Faserstrukturen (Stroma) im Bereich der Hämatopoiese und eines endostalen Sinus (rechts unten). Polarisation, Gomori

b

Vorläuferzellen und endostalen Sinus im endostalen Bereich (blau) und mit Erythropoiese, Megakaryozyten und zentralen Sinus im zentralen Bereich (rot). ZK zentrales Kompartiment; EK endostales Kompartiment

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1  Anatomie und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems

a

b

c

d

Abb. 1.14  Entzündliche Reaktionsformen im Knochenmark: a Mastzellen periarteriell. Giemsa. b Plasmazellen perikapillär c lymphozytäres Infiltrat im endostalen Be-

reich. Immunhistologie und d ausgeprägtes Knochenmarködem mit plasmazellulärer Infiltration und osteoklastischem Knochenabbau. Giemsa

Zentrale Nischen („perivascular niche“): Hier finden sich die Erythrone und Megakaryozyten mit einem ausgedehnten Sinussystem. Die Wandungen der Sinusgefäße sind hier extrem dünn mit teilweise unterbrochener, vulnerabler Basalmembran, um die Ausschüttung von Erythrozyten und Thrombozyten in die Blutbahn zu ­ermöglichen. Endostale Nischen („endosteal niche“): Dort finden sich v. a. die hämatopoietischen und mesenchymalen Stammzellen (HSC und MSC), die Osteoblastensäume mit den endostalen Sinusgefäßen, die Vorstufen der Myelopoiese („Myeloblastensäume“) und die Lymphopoiese. Vor allem die Osteoblasten und Endothelzellen produzieren das Zytokin CXCL12, das die Differenzierung von B-Immunzellen und Myeloblasten aus den HSC regelt.

Das Stroma des Knochenmarkes steuert daher nicht nur die Proliferation und Differenzierung der HSC und MSC, sondern ist auch für den Schutz des Knochen-Knochenmark-Systems nach außen und innen verantwortlich und prägt das Bild der unterschiedlichen Entzündungsreaktionen im Knochenmark (Abb.  1.14a–d): Bei Infektionskrankheiten werden in der akuten Entzündungsphase v. a. die dünnwandigen zentralen Sinusgefäße beschädigt mit Auftreten eines generalisierten Knochenmarködems. Bei lokalen Schäden des Knochen- und Knorpelgewebes geht der Entzündungsprozess dagegen v. a. von der subchondralen Knochenplatte aus, mit Aktivierung der Osteoklasten und des Immunsystems (Kaskaden der Frakturheilung) und dem Bild eines lokalen, gelenknahen Knochenmarködems.

1.5  Osteoklast und andere Knochenzellen

11

1.4 Hämatopoiese und ihre Zellreihen

len gehören der monozytären Zellreihe an und werden über das RANK/RANKL-System differenziert. Charakteristisch für den Osteoklasten ist die stark gefaltete Zellmembran („ruffled border“) auf der Knochenoberfläche in den Howship’schen Lakunen. Folgende vielfältige Funktionen erfüllt der Osteoklast als Zelle der monozytären Reihe:

Das Stroma des Knochenmarks liefert die anatomischen Räume für die Speicherung und Differenzierung hämatopoietischer Zellen. Die unreifste Zelle, die das gesamte hämatopoietische System (Granulopoiese, Erythropoiese, Megakaryopoiese und Lymphopoiese) generieren kann, wird die hämatopoietische Stammzelle genannt (HSC). Für das „homing“ und die Regulation der gesamten Hämatopoiese ist ein spezifisches „microenvironment“ („niches“) und das Stroma Voraussetzung. Auch nichthämatopoietische Strukturen einschließlich Knochenmatrix, Gefäße und Knochenzellen produzieren Produkte (Zytokine), die für die Funktion der Hämatopoiese essenziell sind. Makrophagen, ­ Osteoblasten, Osteozyten, Osteoklasten, Fettzellen, Nerven und Endothelzellen sezernieren in gegenseitiger Abstimmung ein Gemisch von Botenstoffen, die die Hämatopoiese in zugeordneten Markregionen proliferieren und reifen lassen. Wichtige Wachstumsfaktoren und Zytokine sind beispielhaft TGF-β, CXCL-1, SCF, TNF-α, OPN und TPO. Die Ausschüttung reifer Blutzellen erfolgt über zentrale Sinusgefäße. Die Granulound Lymphopoiese sowie HSC finden sich v. a. in breiten endostalen Säumen, in enger Kooperation mit Osteoblasten und Osteoklasten. Die Erythround Megakaryopoiese siedelt sich dagegen bevorzugt in den zentralen Markräumen an, in enger Beziehung zu den zentralen Sinusgefäßen mit ihren dünnen Gefäßwänden [1, 3, 4] (s. Abb. 1.13a, b).

1.5 Osteoklast und andere Knochenzellen Osteoklasten bauen alten Knochen in nur wenigen Tagen ab und haben eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Osteoporose und des KMÖ [1] (Abb. 1.15a). Diese mehrkernigen Riesenzel-

• Produktion von Salzsäure zur Auflösung des anorganischen Knochenmaterials. Die Irritation von benachbarten Nervenfasern durch das saure Milieu in den Lakunen ist ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung des charakteristischen dumpfen Schmerzes im Rahmen des KMÖS. • Produktion von proteolytischen Enzymen (Cathepsin K, TRAP und MMPs) zur Auflösung der organischen Matrix. • Beitrag zum Remodelling, zur Kalziumhomöostase und Frakturheilung. • Sekretion von Wachstumsfaktoren (IGF-1, TGF-β, PDF-1, BMPs) in die Knochenmatrix. • Interaktion der Osteoklasten mit IL-17 (produziert von T-Helferzellen, TH17), IL-1 und TNF bei entzündlichen Prozessen. • Sekretion von Osteopontin, einem multifunktionellen Glykoprotein, das an den Grenzflächen zur Mineralsubstanz lokalisiert ist und die zelluläre Dynamik, Mineralisation und Kohäsion beeinflusst. Zusätzlich hemmt es den programmierten Zelltod (Apoptose). Dadurch ist es von Bedeutung beim Knochenumbau, bei der Frakturheilung, bei der Bildung von Nierensteinen, bei der Atherosklerose, bei der Entstehung und Ausbreitung von ­Knochenmetastasen und bei entzündlichen Prozessen wie z. B. dem KMÖ. • Interaktion mit B-Lymphozyten zur Produktion von Immunglobulinen. • Sekretion angiogenetischer Zytokine, die für ein Gefäßwachstum verantwortlich sind. Dieser Reichtum an Gefäßen, Fasern und Entzündungszellen in Nachbarschaft von hochaktiven Osteoklasten ist besonders eindrucksvoll beim

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1  Anatomie und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems

a

b

c

d

Abb. 1.15 Knochenzellen: a Osteoklast, b Osteoblasten, c Osteozyten und d „endosteal lining cells“. Alle Giemsa

Morbus Paget zu beobachten, klinisch mit einer hohen Durchblutungsrate bis hin zur Manifestation einer Herzinsuffizienz verknüpft. Osteoblasten (Abb.  1.15b) bauen langsam über viele Wochen neuen Knochen wieder auf und wandeln sich abschließend in „endosteal lining cells“, Osteozyten oder Adipozyten (Fettzellen) um. Ihre Hauptfunktion ist die Synthese von Knochenmatrix. Sie sezernieren auch viele Wachstumsfaktoren und Zytokine, die für die Hämatopoiese von Bedeutung sind. Osteoblasten stehen mit den hämatopoietischen Stammzellen (HSC) in der endostalen Region in enger Verbindung und regeln die Proliferation und Differenzierung der HSC. Eine Dysfunktion der Osteoblasten führt über verschiedene Mechanismen zu einer Panzytopenie. Osteozyten (Abb. 1.15c) sind mit 90–95 % die häufigsten Knochenzellen und werden auf ungefähr 40 Billionen im Skelett des Erwachsenen geschätzt. Etwa jeder 10. auf der Knochenoberfläche liegende Osteoblast wird in das neu gebildete Knochengewebe eingebaut und entwickelt sich

zum Osteozyten. Die Oberfläche der Lakunen und Kanälchen wird auf 200–300  m2 geschätzt. Das lakunokanalikuläre Netzwerk spielt eine wichtige Rolle im Transport von organischen und anorganischen Stoffen vom endostalen Bereich in das Knocheninnere. Osteozyten registrieren den Muskelzug am Knochen, produzieren Sklerostin und geben diese Signale über zelluläre Verknüpfungen an die auf der Knochenoberfläche liegenden Baueinheiten (Osteoblasten und Lining Cells) weiter. Sie registrieren auch das Altern der Knochensubstanz und leiten deren Umbau ein. Endostzellen („endosteal lining cells“, knochenschützende Zellen) (Abb.  1.15d) bedecken 80 – 95‍  % der Oberfläche des Knochens und stammen ebenfalls von inaktiven Osteoblasten ab. Sie bilden zusammen mit der darunter liegenden Kollagenmembran eine Schutzschicht und eine funktionelle Überwachungseinheit, zusammen mit dem Kanalsystem der Osteozyten. Eine neue Funktion wird diesen „lining cells“ in der Aktivierungsphase der Osteoklasten zugeschrieben.

1.6  Subchondrale Knochenplatte und Gelenkknorpel

1.6 Subchondrale Knochenplatte und Gelenkknorpel Die „subchondrale Zone“ oder „subchondrale Knochenplatte“ bezeichnet die Übergangszone zwischen dem Knochenmark mit dem spongiösen, lamellierten Knochen und dem Gelenkknorpel mit seiner kalzifizierten Zone [9] (Abb. 1.16a, b). Im englischen Sprachraum werden auch die Begriffe „osteochondral unit“ und „chondro-­ osseous junction“ verwendet. Die „Tidemark-­Linie“ kennzeichnet den Übergang von nichtverkalktem hyalinen Knorpel zum Kalkknorpel („hyalin-calcified cartilage interface“). Folgende Schichten werden unterschieden (Abb. 1.17): • hyaliner Knorpel, • Tidemark-Linie (Grenzzone), • kalzifizierte Knorpelzone, a

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• subchondraler kortikaler Knochen, • subchondraler spongiöser Knochen mit Arterien, Venen, Nerven und Hämatopoiese. Die mikroskopische Ausstattung der subchondralen Platte umfasst spezialisierte, kleine Osteoklasten („vessel-associated osteoclasts“) und Osteoblasten, mesenchymale Stammzellen, „type H vessels“, zahlreiche sensorische Nervenfasern und feine Kollagen-Typ-III-Faserstrukturen. Der Gelenkknorpel mit arkadenförmig verlaufenden kollagenen Fibrillen besteht aus 4 Zonen: Tangentialfaserzone (vom Scheitel der Arkadenfasern gebildet), Übergangszone, Radiärzone (senkrecht verlaufende Arkadenfibrillen), Kalkzone (Mineralisationszone). b

Abb. 1.16  a, b Subchondrale Zone mit Übergang des Knorpelgewebes (oben) in die normale Spongiosa und Hämatopoiese (unten). Giemsa und Gomori

14

1  Anatomie und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems

Abb. 1.17  Grafische Darstellung der subchondralen Zone. OK Osteoklast, OB Osteoblast, OZ Osteozyt, CZ Chondrozyt

Die kollagenen Fibrillen des Gelenkknorpels zeigen eine charakteristische arkadenförmige Anordnung. Sie verlaufen oberflächenparallel, biegen nach innen ab und durchziehen einander überkreuzend die Knorpelschicht. Chondrone werden von den Fibrillen umschlossen und sind in der Mitte der Knorpelschicht senkrecht zur Oberfläche angeordnet. Diese charakteristische Architektur der kollagenen Fasern mit den Chondrozyten ist für die Umwandlung von Druck in Zug verantwortlich. Nach Druckentlastung nimmt der Knorpel seine ursprüngliche Form wieder an (Druckelastizität).

Zwischen der Radiär- und Kalkzone verläuft die Grenzlinie („tidemark“). Wird diese Grenzlinie von der Kalkzone aus durchbrochen, ­entstehen degenerative Veränderungen des Gelenkknorpels (Arthrose). Die Grundsubstanz wird vermindert gebildet, die Wasserbindung und der Gehalt an Chondroitinsulfaten nehmen ab und die kollagenen Fibrillen werden demaskiert, auch als „Asbestfasern“ bezeichnet. Begünstigt werden die degenerativen Prozesse im inneren der Knorpelschicht zusätzlich durch die Gefäßlosigkeit des Knorpelgewebes.

1.6  Subchondrale Knochenplatte und Gelenkknorpel

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Abb. 1.18  Darstellung der vulnerablen Übergangszone (Mitte) vom Knorpelgewebe (links) zur belastbaren, lamellierten Spongiosa (rechts). Gomori

Die Hauptaufgabe dieser schmalen Knochen-­ Knorpel-­Übergangszone besteht in der Versorgung des Knorpelgewebes mit Sauerstoff, Energie, nervalen Informationen, Hormonen, Zytokinen und mesenchymalen Stammzellen über Gefäße und Nervenfasern aus dem angrenzenden Knochenmark. Hinzu kommen Reparationsaufgaben bei Verletzungen des Gelenkknorpels. Während der benachbarte spongiöse Knochen mit seiner Anordnung und Lamellierung die mechanische Belastbarkeit als Hauptaufgabe verrät, ist die subchondrale Zone mit dem Gefäß- und Nervenreichtum und dem gesteigerten Knochenumbau auf die Versorgung und „Intakthaltung“ des Knorpels und weniger auf Belastbarkeit aus-

gerichtet (Abb. 1.18). Folge davon ist eine hohe Vulnerabilität dieser Region bei Druck- und Scherbelastungen. Einerseits führt Überbeanspruchung leicht zu Mikrofrakturen („bone bruise“) dieser „unfertigen“, minder durchmodellierten und nur primär mineralisierten Knochenbälkchen mit Auslösung einer benachbarter Entzündungsreaktion (KMÖ). Andererseits führen degenerative Prozesse des Knorpels ebenfalls zu entzündlichen Reaktionen der Knochenzellen (Osteoklasten und Osteoblasten) und Stromazellen (Fibrozyten, Lymphozyten, Plasmazellen) mit Auslösung eines Knochenmarködems und folgenden degenerativen Veränderungen (Osteoarthritis, Osteochondrose).

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1  Anatomie und Physiologie des Knochen-Knochenmark-Systems

Literatur 1. Bartl R, Frisch B (1993) Biopsy of bone in internal medicine  – an atlas and sourcebook. Kluwer Academic Publishers, Boston/London/Dordrecht 2. Burkhardt R (1971) Bone marrow and bone tissue. Color atlas of clinical histopathology. Springer, Heidelberg 3. Frisch B, Bartl R (1990) Atlas of bone marrow biopsy. Kluwer Academic Publishers, Boston/London/Dordrecht 4. Frisch B, Bartl R (1998) Biopsy interpretation of bone and bone marrow. Arnold, London

5. Bartl R, Bartl C (2004) Osteoporose-Manual: Diagnostik, Prävention und Therapie. Springer, Heidelberg 6. Bartl R, Bartl C (2017) Bone disorders: biology, diagnosis, prevention, therapy. Springer, Heidelberg 7. Bartl R, Frisch B, Burkhardt R (1984) Die Knochenmarkbiopsie. Eine neue Dimension für Klinik und Prognose maligner Blutkrankheiten. Karger, Basel 8. Bilezikian J (Hrsg) (2019) Primer on the metabolic bone diseases and disorders of mineral metabolism, 9. Aufl. Wiley-Blackwell, Hoboken 9. Müller-Gerbl M (1998) The subchondral bone plate. Springer, Heidelberg

2

Definitionen, Formen und Pathogenese des KMÖ

Key Points

• Unter „Knochenmarködem“ (KMÖ) versteht man eine unspezifische Flüssigkeitsansammlung im interstitiellen Raum des Knochenmarks, ausgelöst durch verschiedenartige Störungen des Knochen-Knochenmark-Systems. • Das KMÖ kann systemisch (Innere Medizin) oder lokal (Orthopädie, Unfallchirurgie) auftreten. • Ein KMÖ konnte früher als Begleitbefund einer zugrunde liegenden Erkrankung nur mittels Knochenmarkbiopsie diagnostiziert werden. • Heute wird die Diagnose „Knochenmarködem“ („Spongiosaödem“) zuverlässig und nichtinvasiv mittels MRT gestellt. Sein typisches Signalverhalten (T2-gewichtete fettunterdrückte Sequenzen) ist unspezifisch und tritt bei zahlreichen Krankheitsbildern des Knochens und Knochenmarks auf. • Bei internistischen Erkrankungen ist eine systemische Ausbreitung des Ödems im Knochenmark die Regel, während im orthopädisch/unfallchirurgischen Bereich v.  a. lokale Läsionen (KMÖ-Syndrom) auftreten.

• Ätiologisch liegen dem KMÖ mechanische, zirkulatorische, neurologische, entzündliche, metabolische, degenerative, neoplastische, traumatische oder iatrogene Störungen zugrunde. • Ein lokales KMÖ-Syndrom (KMÖS) geht häufig von Mikrofrakturen sowie von degenerativen und/oder entzündlichen Veränderungen der subchondralen Knochenplatte aus. • Folgende Formen eines subakuten und chronischen KMÖ werden in der Knochenmarkbiopsie unterschieden: atrophisch, proliferativ, fibrotisch und granulomatös.

2.1

Definitionen des KMÖ

Erkrankungen mit systemischem Knochenmarködem wurden bereits 1971 von Burkhardt et  al. anhand von nichtentkalkten Beckenkammbiopsien – in Methylmetacrylat eingebettet und in Semidünnschnitten verarbeitet – histopathologisch detailliert beschrieben und klinisch zuordnet.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bartl et al., Knochenmarködem, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67134-4_2

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2  Definitionen, Formen und Pathogenese des KMÖ

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Histopathologische Definition des KMÖ Das KMÖ ist die Einlagerung einer je nach Pathogenese unterschiedlich eiweißreichen Flüssigkeit in den interstitiellen Räumen des Knochenmarks. Begleitet wird das Ödem von entzündlichen Reaktionen, Gefäßalterationen, einer Reduktion hämatopoietischer Zellen und im chronischen Verlauf von einer Fibrosierung und einem gesteigerten Knochenumbau [4, 5, 7] (Abb. 2.1 und 2.2a–d).

Der zunehmende Einsatz der MRT in der Rheumatologie und Orthopädie führte zur Wahrnehmung eines spezifischen bildgebenden Musters bei Patienten mit lokalen Schmerzen im Gelenkbereich: unauffälliges Röntgenbild und CT, aber deutliche Signalanhebung in T2-­gewichteten Sequenzen. Man nannte diese diagnostische Konstellation „Knochenmarködem (KMÖ)“, erstmals 1988 beschrieben von A. Wilson et al. . Man erkannte aber auch, dass es sich um ein komplexes Syndrom mit unterschiedlichen Verläufen, Prognosen und Ätiologien handeln muss.

Radiologische Definition des KMÖ Das KMÖ kann nicht mit Röntgenstrahlen (Röntgenbild, Computertomografie) dargestellt werden. Es bezeichnet vielmehr Signaländerungen bei der MRT einer Knochenregion, die sich auf Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme) zurückführen lassen: Das betroffene Knochenmark-­ Knochen-­Areal zeigt in der T1-Wichtung eine erniedrigte (dunkel), in der T2-­ Wichtung und im STIR-Bild („Short-­Tau-­ Inversion-­Recovery-­Sequenz“) eine erhöhte Signalintensität (hell). Diese Signaländerungen sind vereinbar mit vermehrter intra- und extravasaler Flüssigkeit (z.  B.  Blut, Serum, interstitielle Flüssigkeit, Lymphe). Die Goldstandardtechnik zum sicheren Nachweis eines KMÖ ist also die MRT [6] (Abb. 2.3a, b).

Abb. 2.1  Lokales KMÖ im subchondralen Bereich des Femurkopfes. Gomori

In der Orthopädie und Rheumatologie liegen diesem häufig beobachteten und charakteristischen Befundmuster ganz unterschiedliche Erkrankungen, Ursachen und Prognosen zugrunde: Osteoarthritis, Spondylitis, Traumen und Frakturen, „bone bruise“, Knorpelschäden, Infektionen, Neoplasien und Ätiologien „of unknown origin“ [3, 8, 10, 11].

Radiologisch-klinische Definition des KMÖS Der Begriff Knochenmarködemsyndrom (KMÖS) wurde daher 2008 von Thiryayi eingeführt und beschreibt eine lokale „klinisch-radiologische Entität, in der unspezifische Gelenkschmerzen – vorwiegend Hüfte und Knie betroffen  – und funktionelle Einschränkungen mit reduzierter Lebensqualität assoziiert sind mit einem charakteristischen MRTBild und in Abwesenheit von spezifischen Zeichen einer avaskulären Nekrose“ [9]. Bis heute gibt es keine evidenzbasierten Leitlinien zur Diagnose und Therapie des KMÖS [10].

Salomon wies 1993 auf die klinisch wichtige Unterscheidung eines KMÖS ohne und mit Osteonekrose hin. Erstere Form ist hypervaskulär und selbstlimitierend, letztere ist definitiv eine frühe Nekrose mit Minderdurchblutung und progressivem Verlauf mit Zerstörung des Gelenkes

2.1  Definitionen des KMÖ

19

a

b

c

d

Abb. 2.2  a Ausgeprägtes akutes KMÖ mit Erythrozytenextravasaten und weitgehendem Schwund von hämatopoietischen Zellen und Sinusgefäßen. Giemsa. b Ausgedehntes chronisches KMÖ mit atypischen Gefäßen und Wandsklerose sowie vermehrt Plasmazellen und Mastzel-

a

len. Giemsa. c Ausgedehntes KMÖ mit zarter Fibrose. Noch intakter endostaler Sinus (links) und kleine Arterie (rechts oben). Schwund der Hämatopoiese. Gomori. d Chronisches KMÖ mit Übergang in Knochenmarkaplasie. Gomori

b

Abb. 2.3  KMÖ in der MRT: a ausgeprägtes schmerzhaftes subchondrales KMÖ im lateralen Femurkondylus; b lokales KMÖ in sämtlichen Wirbelkörpern

20

[9–11]. Eine frühe Diagnosestellung mittels MRT und eine konsequente medikamentöse Therapie können aber selbst bei dieser progressiven Form zu einer Ausheilung führen.

2.2 Formen des KMÖ Nach der Ausdehnung im Knochenmark und folglich auch nach den betroffenen Fachdisziplinen werden 2 Formen des KMÖ unterschieden (Abb. 2.4):

2  Definitionen, Formen und Pathogenese des KMÖ

• Das generalisierte Knochenmarködem ist charakterisiert durch ein pathologische Flüssigkeitsansammlung in allen interstitiellen Räumen des Knochenmarks auf Kosten der Hämatopoiese. Es wird in der Regel verursacht durch eine generalisierte Schädigung des Sinussystems mit entzündlichen Stromaveränderungen und erhöhtem Knochenumbau. Da sich die weiten Sinusgefäße ausschließlich im roten Knochenmark finden, beschränkt sich das KMÖ weitgehend auf diese Areale des

Abb. 2.4  Einteilung des KMÖ nach der Ausdehnung: links ein generalisiertes KMÖ im Bereich der gesamten Blutbildung, rechts lokales KMÖ in Nachbarschaft der auslösenden Noxe (Trauma)

21

2.2  Formen des KMÖ

Knochenmarkes. Bei myelo- und lymphoproliferierenden Erkrankungen können sich aber Ödeme wegen der Expansion der Hämatopoiese auch auf das gesamte Knochenmark ausdehnen. Diese generalisierte Ausbreitung des KMÖ findet sich v.  a. bei systemischen Erkrankungen in der Inneren Medizin, Endokrinologie, Hämatologie und Onkologie. Eine Therapie des KMÖ mit intravenösen Bisphosphonaten (BP) ist v. a. indiziert bei begleitenden generalisierten Knochenschmerzen (z. B. bei Myelofibrose/Osteomyeloskerose [MF/ OMS], Morbus Gaucher, Anorexia nervosa, Knochenmetastasen) (Abb. 2.5). • Das lokale Knochenmarködem: Knochen- und Gelenk-assoziierte Varianten des lokalen KMÖ werden heute unter dem Begriff des Knochenmarködemsyndroms (KMÖS) zusammengefasst. Dieses Syndrom wird v. a. in der Rheumatologie und Orthopädie beobachtet und ist ätiologisch eng mit Schäden/Traumen des Gelenkknorpels und Knochengewebes verknüpft. Eine symptomatische und häufig auch kausale Therapie (Verhinderung des Übergangs in eine avaskuläre Osteonekrose) mit intravenösen BP ist in jedem Fall indiziert. Das KMÖS wurde erstmals 1959 als ein klinisches Syndrom beschrieben, charakterisiert durch Hüftschmerzen und erniedrigter Knochendichte im Röntgenbild während des letzten Trimesters der Schwangerschaft („transiente Osteoporose“). Seitdem begegnet man in der Literatur unterschiedlichen Begriffen für dieses pathogenetisch unklare, ätiologisch vielfältige und im Verlauf schwer einschätzbare Syndrom (Tab.  2.1) Bei der heutigen breiteren Definition handelt es sich unserer Erfahrung aber nicht mehr um ein „rare and self-limited syndrome without a definable cause“, vielmehr um eine zunehmend häufiger auftretende, extrem schmerzhafte und bewegungseinschränkende Krankheit, in der Regel mit Nachweis einer zugrunde liegenden Läsion der Knochenstruktur („microfractures“), der subchondralen Zone (Trauma) oder des Gelenkknorpels selbst (Osteoarthritis). Das KMÖS mit betont subchondraler Lokalisation tritt v. a. in der Orthopädie und Unfallchirur-

Abb. 2.5  Histologisches Bild eines schweren, aber noch reversiblen KMÖ mit vermehrt Fettzellen und Verlust hämatopoietischer Zellen. Klinisch verknüpft mit Osteoporose und Panzytopenie bei einer jungen Patientin mit Anorexia nervosa. Giemsa Tab. 2.1 Liste verschiedener Bezeichnungen für das Knochenmarködem (KMÖ) in der Literatur • „Acute bone marrow oedema“ • „Acute myelitis“ • „Bone bruise“ • „Bone contusion“ • „Bone lesions“ • „Bone marrow oedema syndrome“ • „Bone marrow oedema-like signal intensity“ • „Bone marrow oedema“ • „Migratory transient osteoporosis“ • „Oedema-like bone marrow abnormalities“ • Osteitis • Osteomyelitis • „Post-transplant distal limb syndrome“ • „Primary bone marrow oedema syndromes“ • „Regional migratory osteoporosis“ • „Regional transient osteoporosis“ • „Shifting bone marrow (oedema of the knee) “ • „Subchondral nonneoplastic bone lesions“ • „Transient bone marrow oedema syndrome“ • „Transient osteoporosis“ • „Transient migratory osteoporosis“ • „Transient bone marrow oedema“

gie auf. In einer spanischen Studie waren 43,5 % der KMÖ posttraumatisch, 34,7 % degenerativ und nur 6,3 % idiopathisch [10]. In 98 % der Fälle sind die unteren Extremitäten betroffen. Am häufigsten werden Männer zwischen 30 und 60 Jahren und Frauen zwischen 20 und 40 Jahren betroffen mit einer Inzidenz von 3 zu 1 bei Männern und Frauen. Die Inzidenz des KMÖS nach chondralen oder osteo-

2  Definitionen, Formen und Pathogenese des KMÖ

22

chondralen Operationen liegt zwischen 40 % und 80 %. Treten nach einer Prellung, Fraktur oder Operation Wochen später unklare und inadäquate Schmerzen auf, muss differenzialdiagnostisch immer auch an ein CRPS („Morbus Sudeck“) gedacht werden. Diese facettenreiche und in ihrer klinischen Präsentation heterogene Schmerzkrankheit wird heute noch nicht vollständig verstanden und wurde 1994 in der internationalen Literatur als „komplexes regionales Schmerzsyndrom“ (engl. CRPS  – Complex Regional Pain Syndrome) bezeichnet. Patienten mit CRPS werden v. a. von Schmerztherapeuten und Neurologen behandelt Es stellt eine schwere Komplikation von Traumata oder Immobilisation einer Extremität (Prellungen, Distorsionen, Frakturen, Operationen) dar, die sich Wochen später zu einer für den Patienten zermürbenden chronischen Schmerzkrankheit entwickeln kann. Am häufigsten betroffen sind Hände und Füße. In der MRT stellt sich ein fleckförmiges, gelenknahes KMÖ in mehreren benachbarten Gelenken dar (z.  B.  Hand- oder Fußwurzelknochen). In späteren Stadien entwickelt sich in der Regel eine schwere Osteoporose mit Bewegungseinschränkungen und Frakturen, die v. a. von Orthopäden und Unfallchirurgen weiter betreut werden. Nach der Topografie kann das KMÖS weiter unterteilt werden: • Ossäres KMÖ in Skelettregionen unabhängig von benachbarten Gelenkstrukturen, ausgelöst durch traumatische, mechanische, neurogene, neoplastische oder ischämische Störungen des Knochen-Knochenmark-Systems. Als typisches Beispiel ist die Radiusfraktur mit nachfolgendem CRPS im Handwurzelbereich anzuführen. • Subchondrales KMÖ, ausgelöst durch Verletzung der subchondralen Zone oder durch Degeneration des Gelenkknorpels mit entzündlicher Reaktion der subchondralen Zone („osteoarthritis“). Die Wachstumslinien bilden bei der Ausbreitung des KMÖ eine Barriere, bedingt durch die Versorgungsgrenze mit Blut-

gefäßen. Am häufigsten betroffen sind Kniegelenk, oberes Sprunggelenk (Talus), Hüftgelenk sowie Mittel- und Vorderfuß, seltener das Schultergelenk, das Handgelenk und die Wirbelsäule. Während das KMÖ bei Gelenkverletzungen auf das betroffene Gelenk beschränkt bleibt und überwiegend eine diffuse Ausbreitung zeigt, ist das KMÖ bei CRPS fleckförmig gelenkbezogen mit Befall mehrerer benachbarter Gelenke (Hand- bzw. Fußwurzelknochen). Je nach Progressivität des KMÖ werden in Abhängigkeit von der Lokalisation, dem Verlauf und dem Ansprechen auf eine konservative Therapie 2 Formen unterschieden: • Transientes KMÖ (TBMES) und regional migratorisches KMÖ (RMES), die sich in der Regel nach einigen Wochen bis zu Monaten unter konservativen Maßnahmen und Entlastung wieder zurückbilden. Migratorische Formen können chronologisch innerhalb des Gelenkes (z. B. mediales und laterales Tibiaplateau, mediale und laterale Femurkondylen) oder auch die Extremität wechseln („shifting“). Diese benignen Formen haben Zeichen einer fokalen osteopenischen Knochenstruktur im Röntgenbild, ein positives Knochenscan und ein lokales KMÖ in der MRT. Selten wird eine Ursache gefunden. Beim REMS sind Männer in der 3.–5. Dekade besonders häufig betroffen. • Progressives KMÖ wie z. B. die Osteonekrose des Femurkopfes (ONFH), die subchondrale Insuffizienzfraktur (SIF) und die Osteoarthritis des Hüftgelenkes (Abb.  2.6). Diese progressiven Formen enden ohne Therapie in einer Osteonekrose mit Zerstörung des Gelenkes. Ursächlich kann es sich um einen primären Prozess handeln oder einen sekundären durch ein Trauma, Alkoholismus, Glukokortikoidtherapie oder hämatologische Neolasien. Die radiologischen Veränderungen hängen vom Stadium der Nekrose ab: „crescent sign“ (= Ergebnis kumulativer Mikrofrakturen), Verschmälerung des Gelenkspaltes, subchondrale Zysten und Osteophyten.

2.3  Klinik, Radiologie und Histologie des KMÖ

23

sache des typischen Schmerzprofils eines KMÖ ist komplex und multifaktoriell: • erhöhter intraossärer Druck mit Irritation sensorischer Nerven im Knochenmark, • erhöhter venöser Druck, • erhöhter fokaler Knochenumbau mit Vermehrung aktiver Osteoklasten mit oder ohne Mikrofrakturen, und • Irritation des Periostes und periartikulärer Strukturen.

Abb. 2.6  Übergang eines chronischen KMÖ in eine Osteonekrose des Femurkopfes. Am rechten proximalen Femur ist noch der Anbohrungskanal sichtbar. MRT

Die Frage muss offenbleiben, ob und wann das regionale KMÖ eine eigene, potenziell reversible Entität oder doch eine Vorstufe einer ­Osteonekrose darstellt, – eine Vorstufe, die heute aber mit medikamentösen Methoden als heilbar einzustufen ist! Hinweise für die Progressivität sind in zugrunde liegender Ätiologie, Ausdehnung, Lokalisation, Beschwerdebild und Begleitläsion zu finden. Die MRT-Perfusionsaufnahmen mit Nachweis einer Hypervaskularisation erlauben heute die frühe Abgrenzung des KMÖ zur Osteonekrose. Für den prognostischen Verlauf eines KMÖ im Bereich des Hüftkopfes kann auch die Osteonekrose-Klassifikation der Association Research Circulation Osseous (ARCO) nützlich sein: ARCO I: reversibles KMÖ, ARCO II: irreversible lokale Nekrose, ARCO III: zusätzlich subchondrale Fraktur mit „crescent sign“, und ARCO IV: sekundäre Hüftarthrose mit Abflachung des Hüftkopfes.

2.3 Klinik, Radiologie und Histologie des KMÖ Klinisch zeigt sich das KMÖS mit akuten lokalen Knochen- und Gelenkschmerzen, Gelenkschwellungen, lokalem Hitzegefühl, Druckschmerzhaftigkeit und Bewegungseinschränkungen. Die Ur-

Eine zeitnahe Unfallanamnese besteht nur in seltenen Fällen. Laborchemisch manifestiert sich ein ausgedehntes bzw. systemisches KMÖ mit Blutbildveränderungen, Leukozytosen aber auch Zytopenien bis hin zur Agranulozytose, Entzündungszeichen (CRP-Erhöhung, Eiweißveränderungen in der Elektrophorese) und erhöhten Knochenumbauparametern. Lokale Formen (KMÖS und CRPS) zeigen dagegen häufig sowohl im Blutbild als auch in der Serologie keine auffallenden abnormen Werte. Radiologisch ist das KMÖ als eine primär nichtzystische, diffuse oder fleckförmige Signalanhebung (hell) in der T2- und T2/STIR-­ Wichtung der MRT definiert. In den T1w-­ Sequenzen finden sich dagegen hypointense Signalalterationen. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Schmerzsymptomatik spricht man in der Orthopädie von einem „KMÖ-Syndrom“ (KMÖS) [1]. Differenzialdiagnostisch müssen vor jeder therapeutischen Entscheidung traumatische, degenerative und entzündliche Ursachen abgeklärt werden. Dabei ist das CT zum Nachweis von Mikrofrakturen wertvoll. Die Radiografie und die Knochenszintigrafie sind dagegen aufgrund ihrer geringen Sensitivität wenig hilfreich. Histopathologisch wurden ödematöse Veränderungen des Knochen-Knochenmark-Systems bereits 1971 von Burkhardt et al. im Detail mittels unentkalkter Methylmethacrylat-Histologie beschrieben [7]. Folgende Strukturen sind am histologischen Bild eines KMÖ beteiligt:

2  Definitionen, Formen und Pathogenese des KMÖ

24

• ausgedehnte Flüssigkeitsansammlung in den interstitiellen Räumen und in den Gefäßwänden der kleinen arteriellen Gefäße, • Hyperplasie der Sinusgefäße, teils mit Zerstörung der Gefäßwände und Erythrozytenextravasaten (Abb. 2.7a), • unterschiedlich ausgeprägte Vermehrung von Eosinophilen, Mastzellen und Plasmazellen, teils diffus, teils gefäßbezogen (Abb. 2.7b), • Vermehrung von Lymphozyten, teils diffus, teils als Lymphzellinfiltrate (Abb. 2.7c), • Vermehrung von zarten bis grobsträhnigen Faserstrukturen, Kollagen Typ III (Abb. 2.8a, b), • vermehrt Speicherzellen und nekrotisches Zellmaterial, • in schweren Fällen Aufhebung der topografischen Zuordnung der Hämatopoiese mit dysplastischen bzw. aplastischen Störungen (Abb. 2.7d),

• Veränderungen der Knochendichte mit osteoporotischen als auch osteosklerotischen Reaktionen und vereinzelt Geflechtknochenbildung (Abb. 2.9a, b), • breite Osteoidsäume mit Zeichen einer Mineralisationsstörung, • gesteigerter Knochenumbau („bone remodelling“) mit vermehrt aktiven Osteoklasten und tiefen Howship’schen Lakunen. Aufgrund der ossären Mitreaktion beim KMÖ wurde das Konzept des „regional accelerated phenomenon“ („RAP“) entwickelt: ein gesteigerter Knochenprozess mit etwa 10fach erhöhten Werten des „bone remodelling“ und „bone modelling“, ausgelöst durch die jeweilige Noxe [9]. Vor allem die hochaktiven Osteoklasten spielen eine Schlüsselrolle und sind mit ihrer Salzsäureund Zytokinproduktion für die schmerzhafte Irritation der Nerven beim KMÖS verantwortlich.

a

b

c

d

Abb. 2.7  a Frisches KMÖ mit Zerstörung der Sinuswände, proteinreiches Ödem, Erythroytenextravasate und Phagozyten mit Siderin. Giemsa. b Ausgedehntes KMÖ mit deutlicher Plasmazellvermehrung perikapillär. Giemsa. c Großes Lymphzellinfiltrat im zentralen Kom-

partment als Ausdruck einer immunologischen Reaktion bei einem frischen KMÖ. d Aplasie der Granulopoiese (medikamentös bedingte Agranulozytose) mit dysplastischer Störung der Erythro- und Megakaryopoiese. Giemsa

2.4 Ätiologie des KMÖ

25

b

a

Abb. 2.8  a Massive Plasmazellvermehrung und herdförmige Fibrose innerhalb eines ödematösen Areals. Gomori. b Nachweis einer herdförmigen Fibrosierung im Bereich des KMÖ. Polarisation, Gomori

b

a

Abb. 2.9 Geflechtknochenneubildung im ödematösen Areal: a Bildung von Geflechtknochen teils im zentralen Kompartment, teils vom spongiösen Knochen ausgehend.

Gomori. b Bildung von Osteoid mit Einschluß von Osteoblasten im ödematösen Bereich. Giemsa

2.4 Ätiologie des KMÖ

• infektiös-septisch (Bakterien, Endotoxine, Viren, HIV, Tuberkulose, Osteomyelitis), • entzündlich (rheumatoide Arthritis, ankylosierende Spondylitis, psoriatrische Arthritis), • autoimmunologisch (Vaskulitiden, rheumatologisch), • metabolisch (Diabetes mellitus, Anorexia nervosa, Gicht, Typ-IV-Hyperlipoproteinämie, renale Osteopathie), • Hydroxyapatitablagerungserkrankung („hydroxyapatite deposition disease“, HADD) im Bereich der Ansätze pathologisch veränderter Sehnen, • endokrinologisch (primärer Hyperparathyreoidismus [pHPT] „bone disease“, tHPT), • nerval-vegetativ (sympathische Dysregulation, CRPS Typ 1 und 2, Charcot-Gelenk),

Nach der chemischen Zusammensetzung der Mineralien und Proteine im Ödem werden folgende Ödeme unterschieden: • • • • •

kolloidosmotisches Ödem, hydrostatisches Ödem, ischämisches Ödem, mechanisches Ödem, entzündliches Ödem.

Nach der Ätiologie des KMÖ werden primäre (ohne nachweisbare Grunderkrankungen) und sekundäre (mit Nachweis einer Ursache) Varianten des KMÖ unterschieden. Folgende Ursachen können zugrunde liegen:

26

2  Definitionen, Formen und Pathogenese des KMÖ

• ischämisch (Osteonekrosen, CRPS, Schwangerschafts-­assoziierte „transiente Osteoporose“, CRPS Typ 1), • gerinnungsbedingt (kongenitale hämolytische Anämien), • kolloidosmotisch (Amyloidose, nephrotisches Syndrom, Leberzirrhose), • traumatisch (Frakturen und Mikrofrakturen, „bone bruise“, Stressfrakturen, Kontusionen), • entzündlich/degenerativ (Osteoarthritis), • neoplastisch (MF/OMS, Knochenmetastasen, maligne primäre Knochentumoren), • medikamentös (Chemotherapie, Kortikosteroide) und Strahlentherapie, • nutritiv-toxisch (Endotoxin, Nikotin, Alkohol, Anorexia nervosa), • unklar („idiopathisches KMÖS“).

Endotoxinen und konnten zeigen, dass bei gramnegativen Infektionen das Knochenmark mit seinem spezifischen Gefäßsystem besonders empfindlich reagiert [2]. Bereits 5 min nach Endotoxingabe (Lipopolysaccharid von E.  coli) waren elektronenmikroskopisch Veränderungen im Knochenmarkgefäßsystem nachweisbar:

2.5 Pathogenese des akuten KMÖ

• Zunahme der Sinusfläche auf 40  % von der gesamten Knochenmarkfläche (7fache Zunahme), • massive Destruktion der Sinuswände, • ausgedehntes KMÖ und Erythrozytenextravasate im interstitiellen Raum, • Abnahme der Megakaryozytenzahl im Knochenmark um die Hälfte, • Nachweis von unreifen erythro- und granulopoietischen Zellen sowie Megakaryozytenfragmenten in den weiten Sinuslumina.

Bei infektiös bedingten Schockzuständen werden häufig unreife Blutzellen in der Peripherie angetroffen. Die Zellausschwemmung aus dem Knochenmark wird als Folge einer toxisch bedingten Wandschädigung der Knochenmarkgefäße mit Erhöhung der Permeabilität für Blutplasma (Ödem) und unreife hämatopoietische Zellen interpretiert. Im Tierversuch an Meerschweinchen untersuchten wir bereits 1974 die Wirkungsweise von a

Abb. 2.10  a Tierversuch: wenige Minuten nach Endotoxingabe Nachweis von Endothellücken mit Ausschwemmung von unreifen Blutzellen. b 15 min nach Endotoxin-

• Sinusendothellücken (Unterbrechung der Basalmembran) (Abb. 2.10a), • pinozytotische Aktivität und Bildung ödematöser Bläschen im Sinusendothel (Abb. 2.10b). Lichtmikroskopisch war nach 5  min eine zunehmende Hyperämie zu beobachten. Das histologische Vollbild des Endotoxinschocks im Knochenmark lag 60  min nach Endotoxingabe vor (Abb. 2.11):

b

gabe lebhafte pinozytotische Aktivität in den Sinuswänden mit Blasenbildung und Lückenbildung in den Sinuswänden. Elektronenmikroskopie

2.6  Verlaufsformen des generalisierten KMÖ Sinusvolumen (Vol%): 6 Megakaryozyten: 100 %

27 Sinusvolumen (Vol%): 40 Megakaryozyten: 46 %

Abb. 2.11  Unter der Endotoxineinwirkung kommt es nach 10 min zu einer Ausschwemmung von Megakaryozyten in die Blutbahn und zu einer auffallenden Vergröße-

rung der Sinusfläche um den Faktor 6–7, wahrscheinlich verursacht durch einen Stau im venösen Bereich. Links Knochenmark vor, rechts 10 min nach Endotoxingabe

16 Tage nach überstandenem Endotoxinschock fanden sich wieder normal weite Sinus (histomorphometrisch 6  % der gesamten ­Knochenmarkfläche) und in der Elektronenmikroskopie ein normales, geschlossenes Sinusendothel. Auffallend waren eine reaktive Megakaryozytose von 165  % gegenüber der Norm sowie eine Eosinophilie im Knochenmark.

metabolische Störungen. Vor allem bei Beteiligung und Aktivierung der Knochenzellen mit Steigerung des „Remodelling-Prozesses“ kommt es zu einer Ausschüttung zahlreicher entzündungssteigernder und angiogenetischer Zytokine und Hormone, wie z. B. Osteopontin und TGF-β. Diese „konzertierte Aktion“ von Knochenzellen, hämatopoetischen Zellen, Gefäßen und Entzündungszellen führt bei unterlassener medikamentöser Therapie zu einer Chronifizierung mit chronischen Schmerzen, und Bewegungseinschränkungen. Die akute, überwiegend ödematöse Form des KMÖ kann spontan oder unter Therapie wieder ausheilen oder in eine subakute und schließlich in eine chronische Form der Myelitis (Entzündung des Knochenmarkes) übergehen. Folgende Formen eines subakuten und chronischen KMÖ (Abb. 2.12) werden in der Knochenmarkbiopsie unterschieden [3, 4, 7]:

2.6 Verlaufsformen des generalisierten KMÖ Ein akut aufgetretenes, generalisiertes KMÖ, verursacht durch eine Schädigung der weiten Sinusgefäße, kann nach Absetzen der Noxe rasch innerhalb von 2–3 Wochen wieder vollständig ausheilen. Der Verlauf des KMÖ kann jedoch in ein chronisches Stadium übergehen, wenn der Schaden bzw. die Noxe nicht rasch zu beheben ist. Beispiele dafür sind neurovegetative Störungen (CRPS Typ 2), Frakturen, Degeneration des Gelenkknorpels, Ischämien, Neoplasien oder

• Ödematöser Typ (Abb. 2.13): Er charakterisiert eine akute Schädigung mit Dilatation der Sinus und Unterbrechung der Gefäßwände, ausge-

28

2  Definitionen, Formen und Pathogenese des KMÖ

Abb. 2.12  Vier Formen einer chronischen Myelitis: atrophische, fibrotische, proliferative und epithelioidzellige Myelitis

Abb. 2.13  Ausgedehntes KMÖ mit vermehrt Fettzellen. Gomori

dehnten ödematösen Arealen und Extravasaten von Erythrozyten. Die Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Ödemflüssigkeit (Eiweißanteil, mit Änderung der Anfärbbarkeit bei der Ladewig- und PAS-­Färbung) hängt von der zugrunde liegenden Schädigung ab. Gleichzeitig kommt es zu einer Dysorganisation der Hämatopoiese und Ausschwemmung unreifer Blutzellen. Das Knochengewebe reagiert mit einem gesteigerten Remodelling und Rarefizierung, später Sklerosierung. Das gleichzeitige Auftreten von ossären Nekrosen hängt vom Schweregrad der toxischen Schädigung (Strahlentherapie, ­Chemotherapie, Endotoxine, Glukokortikoide usw.) ab. • Atrophischer Typ (Abb. 2.14): Diese subakute oder chronische Entzündungsreaktion zeigt einen ausgedehnten Ersatz der Hämatopoiese

durch Fettzellen, Ödem und gelatinöses Material. Die betroffenen Regionen sind fast vollständig azellulär, dezent infiltriert mit Lymphzyten, Speicherzellen, Mastzellen und Plasmazellen. Die Sinusgefäße sind erweitert und haben sklerotische Wände (PAS-positiv), umgeben von feiner Fibrose. Die Trabekel zeigen ein gesteigertes Remodelling mit breiten Osteoidsäumen. Dieser Typ wird v. a. bei Strahlentherapie, Chemotherapie, Ernährungsstörungen (Anorexia nervosa), Autoimmunerkrankungen, Diabetes mellitus, Tumormetastasen und chronischen Infektionen gefunden. Die gelatinöse Transformation des Knochenmarkes bei Anorexia nervosa ist vollständig reversibel nach erfolgreicher Behandlung und normaler Ernährung. Andere Fälle mit gelatinöser Entzündung können aber auch in eine Fibrose oder totale Markatrophie mit Knochenmarkversagen und Osteopenie übergehen. • Proliferativer Typ (Abb. 2.15a, b): Dieser Typ besteht aus einer hyperplastischen Granulopoiese („leukämoides Mark“), zusammen mit einer Vermehrung von Eosinophilen, Megakaryozyten, Plasmazellen und Mastzellen. Fleckförmig finden sich gefäßreiche, ödematöse Areale mit zarter Fibrose. Der Knochenumbau ist gesteigert mit teils osteoporotischen, teils osteoklerotischen Bereichen. Dieser proliferative Typ findet sich bei Morbus Hodgkin mit und ohne Knochenmarkbefall,

2.6  Verlaufsformen des generalisierten KMÖ

a

Abb. 2.14  a Atrophische Myelitis mit Auflösung des Sinussystems, Schwund der gesamten Hämatopoiese und einem zentralen Lymphzellinfiltrat. Gomori. b Atrophi-

a

29

b

sche Myelitis mit massiver Fettzellvermehrung und zarter Fibrosierung. Polarisation Gomori

b

Abb. 2.15  a Proliferative Myelitis mit vermehrt Myeloblasten im endostalen Bereich. Giemsa b Eosinophile Myelitis mit dichter Infiltration reifer Eosinophiler im gesamten Markraum. Giemsa

Abb. 2.16 Fibrosierende Myelitis mit grobsträhniger Fibrose. Gomori

bei bakteriellen Infektionen, bei AIDS und bei rheumatoider Arthritis. • Fibrotischer Typ (Abb. 2.16): auch „sklerosierende Myelitis“ bezeichnet. Die Markräume sind ausgefüllt von einem generalisierten, dich-

ten fibrotischen Gewebe, zusammen mit ödematösen Arealen und entzündlichen Reaktionen. Die Hämatopoiese und das Fettgewebe sind weitgehend verdrängt. Neben ­Plasmazellen und Lymphozyten finden sich vermehrt Lymphzellinfiltrate. Die Sinus sind massiv erweitert und ektatisch, die Sinuswände verdickt mit umgebenden fibrotischen Säumen („Wandsklerose“). Der gesteigerte Knochenanbau führt zu einer Osteosklerose, teils auch zu Geflechtknochenanbau. Die Ätiologie dieser „Zirrhose des Knochenmarkes“ ist unklar, aber autoimmunologische Prozesse oder myelodysplastische Störungen können in der Pathogenese eine Rolle spielen. Auch bei Morbus Hodgkin wird dieser Typ im Knochenmark beobachtet, ist in der Literatur als „Osteomyelitis sclerosans Garré“ bekannt und darf nicht als „Hodgkin-Befall“ interpretiert werden.

2  Definitionen, Formen und Pathogenese des KMÖ

30

• Nekrotisierender Typ: Bei zunehmenden Gefäßalterationen und bei einer Minderversorgung des Gewebes kommt es zum Übergang in eine finale Osteonekrose mit Zerstörung der Knochenstruktur.

Literatur Abb. 2.17  Epithelioidzellige Myelitis mit Markatrophie. Gomori

• Granulomatöser Typ (Abb.  2.17): Er ist definiert durch den Nachweis umschriebener Knoten im Knochenmark, bestehen aus Makrophagen, Epithelioidzellen, vielkernigen Riesenzellen, Blutgefäßen und Fasern. Die Granulome werden umgeben von Lymphozyten, Plasmazellen, Eosinophilen und ausgedehnten ödematösen Bereichen. Zentrale „verkäsende“ Nekrosen finden sich im Knochenmark selten. Die Diagnose einer Tuberkulose wird bestimmt von Spezialfärbungen, Blutkulturen und klinischen Daten. Die häufigsten Diagnosen verbunden mit Granulomen im Knochenmark waren in unserem Biopsiegut (n = 70.000): –– unklar 46 %, –– Morbus Hodgkin 17 %, –– Sarkoidose 16 %, –– Tuberkulose 14 %. Granulomatöse Erkrankungen korrelieren häufig auch mit einer Hyperkalzämie, bedingt durch einen gesteigerten Knochenabbau, ausgelöst durch Produktion von Vitamin-D-Metaboliten in den Epithelioidzellen der Granulome.

1. Bartl R, Bartl C (2021) Das Osteoporose Manual, Biologie, Diagnostik, Prävention und Therapie. Springer, Heidelberg 2. Bartl R, Schauer A, Hübner G, Burkhardt R (1975) Changes of the bone marrow in endotoxin shock. In: Urbaschek B, Urbaschek R, Neter E (Hrsg) Gram-­ negative bacterial infections and mode of endotoxin actions. Pathophysiological, immunological and clinical aspects. Springer, Wien 3. Bartl R, Bartl C (2011) Knochenmarködem: Pathogenese, Diagnostik und Therapie. Bisphosphonate als erfolgversprechende Therapieoption. Orthopädie 14:22–26 4. Bartl R (Hrsg) (2014) Klinische Osteologie: Entstehung, Diagnostik, Prävention und Therapie aller Knochenkrankheiten. Thieme, Stuttgart 5. Bartl R, Bartl C (2017) Bone disorders: biology, diagnosis, prevention, therapy. Springer, Heidelberg 6. Baur-Melnyk A (Hrsg) (2013) Magnetic resonance imaging of the bone marrow. Springer, Heidelberg 7. Burkhardt R (1971) Bone marrow and bone tissue. Color atlas of clinical histopathology. Springer, Heidelberg 8. Freyschmidt J (2016) Skeletterkrankungen, 4. Aufl. Springer, Heidelberg 9. Patel S (2014) Primary bone marrow oedema syndromes. Rheumatology 53:785–792 10. Stojanovska K, Schirmer M (2022) Klinische Aspekte der Knochenmarködeme: eine Literaturübersicht. J Miner Stoffwechs Muskuloskelet Erkrank 29:42–48 11. Tarantino U, Greggi C, Cariati I et  al (2022) Bone marrow edema. Overview of etiology and treatment strategies. J Bone Joint Surg Am 104:189–200

3

Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

Key Points

• Beim KMÖ handelt es sich um eine extrazelluläre Flüssigkeitsvermehrung im Knochenmark. Es ist ein häufiger MRT-Befund bei unklaren Gelenkschmerzen. • Die Patienten haben Schmerzen, sind funktionell eingeschränkt mit verminderter Lebensqualität. „Wo Ödem, da Schmerz!“ • KMÖ-Veränderungen sind im Nativröntgen und in der CT nicht nachzuweisen. • Für die Bildgebung des an sich unspezifischen Knochenmarködems stellt die MRT mit dafür optimierten Protokollen die sensitivste und spezifischste Methode dar und ist am besten etabliert. • Das KMÖ wird mittels MRT diagnostiziert und zeigt ein typisches Erscheinungsbild in den verschiedene Signalintensitäten: erhöhte Signalintensität (hell) in den T2-gewichteten Sequenzen (wasserbetont) und erniedrigte Signalintensität (dunkel) in den T1-gewichteten Sequenzen. • Die Perfusionsmessung des Knochenmarks (Perfusions-MRT) benötigt eine Kontrastmitteldynamik. Sie kann in der

Für die kritische Durchsicht des radiologischen Textes danken wir Dr. Jenny Cullmann und Dr. Christian Waldherr aus Bern.

Charakterisierung von Knochenmarkläsionen (Nachweis einer Nekrose) unterstützen. • Bei einigen Fragestellungen und Konstellationen zeigen sich die Phosphonat-­ SPECT-CT (z.  B. bei schmerzhaften metallischen Implantaten) und seltener die FDG-PET-CT (z.  B. bei Tumoren mit einer Weichteilkomponente und bei der chronischen Osteomyelitis und der Spondylodiszitis) der MRT überlegen. • Spezifische Muster erlauben eine sehr präzise Einordnung der Ätiologie. Gelegentlich unterstützt ein Röntgenbild, seltener eine CT, durch die plakative Darstellung der Mineralisierung des kortikalen und spongiösen Knochens.

3.1 Einleitung und Begriffsklärung Fast alle Magnetresonanztomografie-Untersuchungen (MRT, in der Schweiz englisch „magnetic resonance imaging“ = MRI und französisch „imagerie par résonance magnétique“ = IRM) des menschlichen Körpers bilden einen Teil der Knochenmarkräume mit ab, sodass das Knochenmark stets mit evaluiert werden kann.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bartl et al., Knochenmarködem, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67134-4_3

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32

3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

In der Bildgebung stellt sich das Knochenmark in Abhängigkeit vom Lebensalter und Geschlecht unterschiedlich dar. Jedoch bildet sich das Knochenmark bilateral intraindividuell ­weitgehend symmetrisch ab und ist in der Patientenkarriere relativ stabil, sodass man in der Diagnostik gerne auf die Symmetrieeigenschaften und Voraufnahmen zurückgreift. Der Begriff „Knochenmarködem“ (KMÖ) wird modernerweise durch den Begriff „edema-­ like marrow signal intensity“ (ELMSI) ersetzt. ELMSI geht von einer Knochenmarkalteration im MRT aus und repräsentiert eine histopathologische Diagnose mit eosinophiler extrazellulärer Flüssigkeit im Knochenmark und vergrößerten Fettzellen. Im anglophilen Raum ist auch der Begriff „bone-marrow edema-like signal“ üblich. Aus Gründen der Vereinfachung in einem bildgebend fokussierten Text wird nachfolgend der traditionelle Begriff „Knochenmarködem“ beibehalten, insbesondere da die MRT-Bildgebung der Ursprung dieses Begriffs ist. Die am Ende des Kapitels aufgelisteten Literaturangaben geben einen Überblick über dieses heterogene radiologisch-­klinische Syndrom des KMÖ. Neben der differenzialdiagnostischen Einordnung kommt vielfach dem Verlauf des Knochenmarködems eine prognostische Bedeutung zu. Gutartige Veränderungen können ebenfalls das Knochenmarksignal beeinflussen, wie beispielsweise Hämangiome, und müssen von behandlungsbedürftigen Erkrankungen unterschieden werden. Schließlich ist das KMÖ eine „red flag“ für viele Pathologien: „Wo Ödem, da Schmerz!“ Man hypothetisiert, dass Nervenirritationen aufgrund des erhöhten Binnendrucks im Knochenmarkraum für die Schmerzen verantwortlich sind. Die Größe der Ödemzone zeigt jedoch keine Korrelation zu den klinischen Beschwerden der Erkrankten.

dendem Knochenmark können Erkrankungen wie auch Therapien das Knochenmark in spezifischer Weise verändern und so Hinweise auf die Ätiologie der Veränderungen liefern.

3.2 Bildgebende Modalitäten Die Bildgebung des Knochenmarks ist dadurch erschwert, dass auch blutbildendes Knochenmark bis zu 50 % Fettzellanteil zeigt. „Fettmark“ hingegen besteht fast vollständig aus Fettzellen. Neben der Rekonversion von Fettmark zu blutbil-

MRT Die MRT ist die Methode der Wahl zur Darstellung des Knochenmarks. Leider sind MRT-­Sequenzen (Messprogramme) nicht in einer Weise standardisiert, die über alle Hersteller und Sequenzen einen verlässlichen gleichen Bildeindruck (z. B. wasserbetont oder fettbetont) ermöglichen. Auch werden für skelettale Untersuchungen andere und präzisere Bandbreiten verwendet als z.  B. bei einer Abdomenuntersuchung. Damit variiert das MRT-Signal sogar je nach Untersuchungsprotokoll beim gleichen Hersteller, und der Bildeindruck ist verschieden. Dies bewirkt, dass sich Radiologinnen und Radiologen jahrelang in die Bildcharakteristik der verwendeten Sequenztechniken der gängigen MRT-Scanner einsehen müssen. Durch die Verwendung mehrerer Sequenzen mit unterschiedlicher Gewichtung (z. B. T1, T2) in standardisierter Schnittführung lässt sich jedoch diese Problematik eingrenzen. Schließlich wird bei höheren Feldstärken der Kontrast zwischen dem normalen Knochenmark und etwaigen Läsionen häufig schlechter als bei mittelstarken Geräten. Daher kann bei der Beurteilung des Knochenmarks die Verwendung eines 1,5-Tesla-Geräts gegenüber einem 3-Tesla-Gerät sogar von Vorteil sein! Jedes Untersuchungsprotokoll sollte eine T1-gewichtete (fettbetonte) Sequenz enthalten. Spin-Echo-Sequenzen wären die beste Wahl, werden jedoch aufgrund ihrer langen Dauer nur selten verwendet. Die Turbo/Fast-Spin-Echo-­Sequenzen (TSE oder FSE) dauern deutlich kürzer und sind damit aus Zeitgründen zur Sequenz der Wahl in der Praxis geworden. T1-gewichtete Sequenzen bilden die Fettzellen in blutbildendem Knochenmark und Fettmark mit höchster Sensitivität und Spezifität signalreich ab, d. h., mit höherem Fettgehalt wird das Signal stärker und im Bild heller abgebildet. Das KMÖ verringert den lokalen Gehalt an Fettzellen und kommt daher signalärmer und damit dunkler zur Darstellung. T1-gewichtete Bilder zeigen die Knochenmarkveränderung mit

3.2  Bildgebende Modalitäten

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der besten Genauigkeit, in ­fettunterdrückten Se- View) überlegen. Gerade bei Ganzkörperuntersuquenzen ist die Ausdehnung zum Teil übertrieben. chungen verschaffen diese mittlerweile schnellen T1-gewichtete Sequenzen sind schnell durchzu- robusten Sequenztechniken einen sehr guten führen, sind zuverlässig, wenig von Artefakten Überblick über das Ausmaß der systemischen Erbelastet und variieren im Vergleich zu anderen krankung mit einem robusten Bildeindruck. MRT-Sequenzen relativ wenig über die Hersteller. Aufgrund der sehr guten AbbildungseigenT2-gewichtete (wasserbetonte) TSE/FSE-Sequen- schaften für Bänder und Menisken finden protozen ohne Fettunterdrückung sind hingegen zur nengewichtete (PD) fettunterdrückte Sequenzen Beurteilung des Knochenmarks bedeutungslos, eine breite Anwendung in der Untersuchung periinsbesondere weil sie ein mischgewichtetes Sig- pherer Gelenke. Auf T2-gewichtete Sequenzen nal mit einem hohem Fettsignal zeigen, in dem wird hingegen häufig verzichtet. Die protonengeKnochenmarkveränderungen häufig überlagert wichteten Sequenzen stellen Wasser ähnlich dar werden (siehe Abb.  3.12f). Der Effekt verstärkt wie T2-gewichtete Sequenzen und werden daher sich bei einer höheren Zahl akquirierter Echos, vielfach als Alternative zu diesen verwendet. ein langer Echo-Train hingegen verkürzt die AkFettunterdrückte T1-gewichtete Sequenzen quisitionszeit. Dieses Artefakt wird als „J-Cou- machen zur Abbildung des Knochenmarks nur pling“ bezeichnet. Liegt die Veränderung dann nach intravenöser Gabe von paramagnetischem noch nahe an der Messspule, die z.  B. bei Kontrastmittel Sinn. Normales Fettmark zeigt im Wirbelsäulen-­MRTs in der Liege integriert ist, Bild keine relevante Signalzunahme. Dadurch kann das Signal im Knochenmark geradezu über- sind z. B. neoplastische oder entzündliche Veränblenden und ist damit nicht mehr korrekt beurteil- derungen sehr gut detektierbar und werden realisbar. Die ursprünglichen T2-gewichteten Spin- tisch abgebildet (Abb. 3.28 und 3.29). Die PerfuEcho-­Sequenzen, auf die sich viele Klassifikatio- sionsmessung des Knochenmarks benötigt eine nen beziehen, haben zwar einen besseren Kontrastmitteldynamik. Sie kann ebenfalls in der Bildkontrast, werden jedoch aus Zeitgründen Charakterisierung von Knochenmarkläsionen unnicht mehr in der Routine verwendet. terstützen. Die Perfusion des gesunden KnochenFettunterdrückte (= fettgesättigte) T2-­marks nimmt mit zunehmendem Alter ab, damit gewichtete (wasserbetonte) MRT-Sequenzen hel- ist auch in dieser Technik die Standardisierung erfen der Detektion des Knochenmarködems, weil schwert. Deshalb findet diese Technik ihre Ansie dieses signalreicher zeigen als das unverän- wendung überwiegend zu Forschungszwecken. derte physiologische Knochenmark. Das hohe Die Diffusionsbildgebung widerspiegelt über Signal ist in der Befundung leichter zu entdecken die Messung der molekularen Bewegung im als in der T1-gewichteten Sequenz. Vom Se- Knochenmarkraum die Stoffwechselaktivität sequenztyp sind verschiedene Techniken möglich, miquantitativ. Pathologisch verändertes Knoz. B. als TSE/FSE, als STIR („Short Tau Inver- chenmark weist eine höhere Diffusion auf als sion Recovery“)-Sequenz oder in Dixon-­Technik. normales Knochenmark. Mehrere Messungen Zur Korrelation der Befunde des KMÖ sollte er- mit verschiedenen Parametern ermöglichen eine gänzend in mindestens einer Schichtungsebene Quantifizierung der Diffusion über den appareneine T1-gewichtete Sequenz ohne Fettunterdrü- ten Diffusionskoeffizienten (ADC). Dieser lässt ckung akquiriert werden. Hierbei ist darauf zu auf das Ausmaß der Diffusionsrestriktion der achten, dass die Fettunterdrückung auch in der freien Wassermoleküle schließen. Mittlerweile Kutis, Subkutis und weiteren Grenzflächen voll- sind genügend robuste Sequenzen verfügbar, die ständig ist, weil ansonsten schlecht unterdrücktes eine akzeptable Ortsauflösung in einer vertretbaFett mit einem vermeintlich hohen Wassersignal ren Scandauer liefern. verwechselt werden kann. Hier sind Turbo-­ Bei der Unterscheidung z. B. einer neoplastiInversion-­ Recovery-Sequenzen sowie die schen von einer osteoporotischen Genese von Dixon-Methode der frequenzselektiven Fettun- Frakturen liefert die Diffusion wertvolle terdrückung bei großen Messbereichen (Field of ­Zusatzinformationen, gleichfalls bei Ganzkörper-­

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MRTs zur Abklärung polyostotischer Krankheitsbilder wie einer Metastasierung oder eines multiplen Myeloms. In/Opposed-Phase-Gradientenecho-Sequenzen hatten in den ersten Jahrzehnten der MRT-Bildgebung in der Medizin eine höhere Bedeutung als heute. Zurzeit werden sie v. a. in der Bildgebung der Leber angewendet, und bilden dabei einen Ausschnitt des Skeletts ab, sodass sich auch dort auffällige Befunde zeigen können. Bei diesem Sequenztyp werden zwei verschiedene Bildeindrücke durch geschickte Wahl von zwei Echozeiten so akquiriert, dass sich in einem Bilderstapel das Signal von Fett und Wasser addiert („in-phase“), und im zweiten Bildstapel subtrahiert („opposed-phase“, fetthaltige Strukturen erscheinen also dunkler im Bild). Das gesunde blutbildende Knochenmark der LWS bildet sich damit signalreich in den In-Phase-Bildern und signalarm in den Opposed-Phase-Bildern ab. Findet sich kein Signalabfall in den Opposed-­ Phase-­Bildern, sollte man ggf. muskuloskelettale Sequenzen ergänzen. Schließlich werden bei Gradienten-­Echo-­Sequenzen lokale Unterschiede in der Suszeptibilität, also der Magnetisierbarkeit des abgebildeten Gewebes, deutlicher und kontrastreicher abgebildet als in Turbo-Spin-­ Echo-Sequenzen. Daher erscheint der Bildeindruck kantenreicher und bildet z.  B.  Spongiosa strukturreicher ab als TSE/FSE-Sequenzen. Durch schnelle MRT-Sequenzen ist es möglich, die Kontrastmittelanreicherung im Zeitverlauf darzustellen (Konstrastmitteldynamik und Perfusions-MRT). Diese Methodik ist wenig zeitintensiv und in der Diagnostik von Tumoren, Osteonekrosen und der Rheumatologie von Vorteil. Da der Materialaufwand für die Druckpumpe erhöht ist, ist eine Verdachtsdiagnose vorab wünschenswert, da nach einer ersten Kontrastmittelgabe eine Perfusions-MRT wegen Verbleib des Kontrastmittels im Körper für einige Stunden nicht mehr durchgeführt werden kann und dann ggf. ein zweiter Termin notwendig wird. Feldinhomogenitäten, Limitationen von Zeit- und Ortsauflösung sowie die Verwendung von Kontrastmitteln, die extrazellulär, jedoch nicht intravasal verbleiben, erfordern komplizierte Rechenmodelle, die typischerweise nur in Forschungseinrichtungen verwendet werden.

3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

In der Routine der modernen MRT-Bildgebung werden aus Zeitgründen meistens • T1-gewichtete (fettbetonte) Bilder ohne Fettunterdrückung sowie • T2-gewichtete (wasserbetonte) fettunterdrückte oder protonendichtegewichtete fettunterdrückte Bilder in gleicher Schnittführung miteinander verglichen, um das KMÖ zu erkennen und differenzialdiagnostisch einzuordnen.

CT, SPECT-CT, PET-CT und Dual Energy CT Dem Standard-CT bleibt das Knochenmarködem weitgehend verborgen, auch wenn der aufmerksame Betrachter auch im Standard-CT Fettmark und blutbildendes Knochenmark gelegentlich differenzieren kann. Allen genannten CT-­ Techniken ist jedoch gemeinsam, dass Trabekulierung und kortikaler Knochen direkt abgebildet werden. Im MRT bildet sich hingegen kortikaler Knochen nicht direkt ab, da er keine anregbaren Protonen enthält. Eine Fraktur wird z. B. im MRT dadurch sichtbar, dass das Hämatom in den Frakturspalt hineingeflossen ist, da ja der Frakturspalt nun anregbare Protonen in Form von Wasser enthält. Der signallose intakte kortikale Knochen ist damit durch das signalreiche Hämatom unterbrochen und wird sichtbar. Dagegen kann im CT der Frakturspalt als Kortikalisunterbrechung und Spongiosaunterbrechung diagnostiziert werden. Die CT ist damit für die Beurteilung des mineralisierten Knochens die wertvollste Ergänzung zur MRT (z. B. Nachweis von Mikrofrakturen). Die SPECT-CT mit dem Knochenstoffwechsel-­ Tracer Phosphonat (nuklearmedizinisches Kontrastmittel) liefert funktionell ein der MRT und morphologisch ein der CT sehr gut vergleichbares Bild. In der SPECT-CT lässt sich in der Regel eine erhöhte Knochenstoffwechselaktivität im Knochenmark genau dort erkennen, wo das MRT-Signal ein KMÖ, also eine ossäre kortikale und/oder trabekuläre Stressreaktion, darstellt. Die SPECT-CT ist der MRT in der Regel dort überle-

3.3  Radiologische Muster

gen, wo Metallartefakte das MRT-Bild negativ beeinflussen, also bei Abklärungen schmerzhafter Prothesen, Osteosynthesen und anderweitiger Implantate aus Metalllegierungen. Ein weiterer Vorteil der SPECT-CT gegenüber der MRT kann das große Field of View (FOV) sein, das in der Regel die Beurteilung benachbarter Gelenke oder der gesamten Wirbelsäule zulässt (ausstrahlende Beschwerden, asymmetrische Gelenkstatik). Die im Vergleich sehr kostenintensive PET-CT mit dem Knochenstoffwechsel-Tracer Fluorid liefert im Vergleich zur günstigeren SPECT-CT mit dem Knochenstoffwechsel-Tracer Phosphonat keine Zusatzinformationen bei der Klärung nichtinfektiöser Knochenmarködeme und Knochenpathologien. Die PET-CT mit dem Zuckerstoffwechsel-­ Tracer FDG (Fluorodeoxyglukose) dagegen vermag durch Pathogene aktivierte weisse Blutzellen (erhöhter Zuckerstoffwechsel) und die Akkumulation weiterer Entzündungszellen im Knochen- und angrenzenden Weichteilgewebe darzustellen. Dies kann bei der Suche eines ossären Infektfokus hilfreich sein. Aktuelle Studien zur ossären Infektfokussuche legen daher nahe, dass die FDG-PET-CT im Vergleich zur SPECT-CT und MRT die sensitivste Methode zur Erkennung einer chronischen Osteomyelitis oder eines Low-Grade-Infektes sein könnte. Die Dual Energy CT (DECT) kann das KMÖ ebenfalls als Zusatzinformation detektieren. Neben einer weiteren Reduktion der Metallartefakte durch die zwei verwendeten Strahlenenergien sind damit über den Nachweis des KMÖ in einem Untersuchungsgang auch z.  B. okkulte Frakturen, diskoligamentäre Verletzungen an der Wirbelsäule oder ein entzündlich bedingtes KMÖ nachweisbar. Grundlage hierfür ist die Evaluation von Virtual-Non-Calcium (VNC)-Bildern im Postprocessing. Momentan ist das DECT noch nicht verbreitet genug, um diese Technik flächendeckend anzuwenden und systematisch weiter zu evaluieren, sie besitzt jedoch ein sehr hohes Potenzial. Zukünftig kann jedoch z.  B. im Polytrauma-­ Setting eine Verbesserung der Detektion von okkulten Verletzungen erwartet werden, die bisher erst im Rahmen einer sekundären Bildgebung diagnostiziert wurden.

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3.3 Radiologische Muster Da das Knochenmarködem durch eine große Bandbreite verschiedener Erkrankungen verursacht werden kann, ist es sehr wichtig, das KMÖ radiologischen Mustern zuzuordnen, die für die jeweilige Erkrankung typisch sind. Die erste Ergänzung zur MRT ist das digitale Röntgenbild, gelegentlich liefert jedoch erst die CT durch die Feinmorphologie der Spongiosa und gelegentlich der Kortikalis die entscheidenden Zusatzinformationen. Nach der Ossifikation enthalten alle Apo- und Epiphysen, mit gelegentlichen Ausnahmen von proximalem Femur und Humerus, durchwegs Fettsignal. Beim Erwachsenen ist blutbildendes Knochenmark im Stammskelett, im proximalen Femur und der distalen Femurmetaphyse zu finden. Da das Signal des MRT nicht standardisiert ist, behilft man sich mit der vergleichenden Betrachtung von angrenzenden Geweben und dem intraindividuellen Vergleich von Fettmark und blutbildendem Knochenmark bezüglich der bilateralen Symmetrie der Menschen und der Darstellung des Musters von Fettmark und blutbildendem Knochenmark. Das rote blutbildende Knochenmark und das gelbe Fettmark sind Mischgewebe mit fetthaltigen und wasserhaltigen Anteilen. Dies wirkt sich auf die Signalgebung aus. Das rote Knochenmark ist normalerweise hypointens (signalarm, dunkel im Bild) in T1-gewichteten (fettbetonten) Sequenzen und signalreich in T2-gewichteten wasserbetonten Sequenzen. Das Fettmark ist in modernen Sequenzen hyperintens in beiden Gewichtungen. Beim Erwachsenen hat Fettmark in den T1-gewichteten Sequenzen ein höheres Signal als die Muskulatur und die intakte Bandscheibe. In den T2-gewichteten Sequenzen ist das Signal stets geringer als das von Wasser. Rotes Knochenmark nimmt stets nur gering Kontrastmittel auf. Traumatisch Voraussetzung für die Diagnose sind anamnestische Angaben über Traumamechanismus und Zeitpunkt des Traumas. Kenntnisse über Verletzungsmuster und Biomechanik sind ebenfalls er-

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3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

forderlich. Grundsätzlich ist das KMÖ bei einem Kompressionsmechanismus grösser als bei einer Traktion. Bei einer Patellaluxation muss man z. B. das Knochenmarködem an der medialen Patellafacette und am lateralen Femurkondylus suchen, eben dort, wo sich beide kontaktierten. Bei der Unhappy Triad des Kniegelenks hingegen ist häufig ein Knochenmarködem am posterolateralen Femurkondylus subchondral zu finden. Knorpelverletzungen sind ebenfalls zur Erkennung eines traumatisch verursachten Ödems hilfreich (Abb. 3.1). Bei einer Kompressionsfraktur eines Wirbelkörpers findet sich eine typische, zur mechanischen Belastung quer verlaufende Kondensationslinie (Abb.  3.2). Dieses Muster findet sich auch bei peripheren Gelenken (Abb.  3.3). Die Fraktur- oder Kondensationslinie kann auch fehlen. Das traumatische Knochenmarködem (Bone Bruise, Knochenprellung) weist häufig eine keilförmige, im Schnittbild dann dreieckige Morphologie auf und ist von der Morphologie selten unspezifisch (Abb. 3.4). Am Ort des größten me-

chanischen Stresses ist das KMÖ ausladender. Bei der Bone Bruise liegen spongiöse Mikrofrakturen vor, die Kortikalis ist jedoch  – anders als bei der Fraktur  – nicht unterbrochen. Gelegentlich kann man bei der Bone Bruise sogar eine angedeutete, flächige, spongiöse Kondensationszone erkennen, die der mechanischen Verdichtung der frakturierten Knochenbälkchen entspricht. Die Darstellung einer Ermüdungsfraktur ist ein wenig flauer und folgt auch typischen Lokalisationen (Abb. 3.5). Bei Kindern ist das KMÖ gelegentlich sehr signalreich und flächig (Abb. 3.6), sodass gegebenenfalls sogar Tumorabklärungen indiziert werden. Bei kortikalen Frakturen lässt sich das KMÖ in T2-gewichteten Sequenzen an einer linearen Morphologie mit hohem Signal und Überschreitung der Kortikalis erkennen. Häufig ist jedoch die signalarme Darstellung in den T1-­gewichteten Sequenzen besser demarkiert. Das posttraumatische Knochenmarködem bildet sich mit großer Bandbreite zurück: im peripheren Skelett des Erwachsenen ist eine Rückbildung innerhalb von 3–10 Monaten zu erwarten.

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Abb. 3.1  Sportverletzung bei einem 53-jährigen Patienten mit Knorpelläsion am Femurkondylus. Die fettunterdrückte protonengewichtete Sequenz zeigt ein schmales

Knochenmarködem (a), das sich direkt am Knorpeldefekt befindet. In der Ausschnittvergrößerung (b) ist das KMÖ direkt an der Knorpelverletzung am ausgeprägtesten

3.3  Radiologische Muster

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Abb. 3.2 Bodenplattennahe Wirbelkörperfraktur im LWK 4 einer 73-jährigen Patienten. Das KMÖ ist nur entlang der Bodenplatte von LWK 4 zu finden, der LWK 5 weist kein KMÖ auf. In der T2-Gewichtung ohne Fettunterdrückung (a) ist das KMÖ am schlechtesten fassbar.

Die T1-gewichtete (b) und STIR-Sequenz (Wasserbetonung mit Fettunterdrückung, c) zeigen neben dem KMÖ auch eine spongiöse Verdichtungszone, die der Verdichtung der Spongiosa entspricht

Am Stammskelett, insbesondere an der Wirbelsäule, kann das KMÖ sich selten auch erst über 2 Jahre zurückbilden. In dieser Zeit remodelliert sich typischerweise die spongiöse Kondensationszone. Das begleitende Weichteilödem hingegen bildet sich deutlich schneller im Verlauf weniger Wochen zurück. Die subchondrale Insuffizienzfraktur des Knies (SIFK, früher „spontaneous osteonecrosis of the knee“ oder „Osteochondrosis dissecans“) (Abb. 3.7) ist eine Erkrankung älterer meist über 60-jähriger Erwachsenen. Ätiologisch handelt es

sich um eine Insuffizienzfraktur durch repetitiven und exzessiven Stress auf den subchondralen Knochen. In T2-gewichteten fettgesättigten Sequenzen zeigt sich bereits in frühen Phasen ein subchondrales KMÖ als feine Linie parallel zur subchondralen Grenzlamelle des betroffenen Femurkondylus, die sich rasch flächig ausweitet. In einzelnen Arbeiten korreliert die Größe des Ödems zur Prognose, die Messtechnik des flau verdämmernden Knochenmarks erschwert jedoch reproduzierbare Größenangaben. Das KMÖ bei der SIFK korreliert zu einem Misch-

3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

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Abb. 3.3  Spongiöse Mikrofraktur des medialen Tibiaplateaus bei einer 55-jährigen Patientin ohne Impression. Die fettunterdrückte protonengewichtete Sequenz zeigt sehr gut das ausgedehnte KMÖ (a). Die spongiöse Mikrofraktur ist sehr gut anhand der signalarmen welligen Linie zu

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erkennen, die dem Verlauf des Gelenkspalts folgt und einer Verdichtung der Spongiosa entspricht. In der T1-­ gewichteten Sequenz (b) ist diese besonders deutlich zu erkennen. Das KMÖ ist realistisch dargestellt, die Frakturlinie signalarm

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Abb. 3.4  Spongiöse Mikrofraktur („bone bruise“) des medialen Tibiaplateaus nach Trauma mit medial akzentuierten Schmerzen: Die coronare und sagittale fettunterdrückte protonengewichtete Sequenz zeigen das KMÖ der Tibia sehr sensitiv (a und c). In der T1-gewichteten fettbetonten Se-

quenz demarkiert sich das KMÖ unterhalb des Knorpels besser (b). Eine Frakturlinie oder Kondensationslinie hingegen fehlt. In der fettunterdrückten protonengewichteten sagittalen Darstellung (c) sind vorbestehender Knorpelverlust und Meniskusruptur wiederum besser sichtbar

bild aus lymphoider Infiltration, Fibrose, verstärkter Vaskularisation, Blutabbauprodukten und granulomatösen Foci fragmentierten Knochens und Knorpeldebris. Bildet sich in der KMÖ-Zone eine subchondral gelegene, lineare Flüssigkeitsansammlung heraus, entspricht dies einer beginnenden Loslösung eines osteochondralen Dissekats.

Bei der subchondralen Insuffizienzfraktur des Knies („Osteochondrosis dissecans“) ist je nach Stadium der Knorpel mehr oder weniger intakt. Das KMÖ ist variabel, orientiert sich jedoch typischerweise halbmondförmig am betroffenen subchondralen Bezirk.

3.3  Radiologische Muster

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Abb. 3.5  Schmerzhafter Mittelfuß einer 54-jährigen Patientin. Das digitale Röntgenbild ist unauffällig (a), die Ermüdungsfraktur ist nicht sichtbar. In der fettunterdrückten wasserbetonten Sequenz (STIR) zeigt sich metadiaphysär ein KMÖ, das flau imponiert (b). In der T1-­ gewichteten Sequenz sieht man die diskreten Frakturlinien der Stressfraktur wesentlich deutlicher (c), das

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Knochenmarködem ist hingegen noch diskreter. Davon abgesehen sind die Kortikalis und Spongiosastruktur erhalten, auch spongiöse Einstauchungen oder Unterbrechungen fehlen. Das kontrastverstärkte Bild (d) schließt eine neoplastische oder entzündliche Genese aus. Das reparative Gewebe weist ein geringes Volumen auf, das mit dem paraossären Ödem (b) gut korreliert

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3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

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Abb. 3.6  Anpralltrauma des rechten Femurs bei einem 11-jährigen Fußballspieler. Das Knochenmarködem ist in der rechten distalen Femurmetaphyse gut zu erkennen und verdämmert gut in den T1-gewichteten Bildern (a). Diese nehmen dem dramatisch hohen Signal in den coronaren STIR-Sequenzen (b) den gefährlichen Aspekt, ein ursprünglich postuliertes Malignom konnte ausgeschlossen

werden. Auch wird die Epiphysenfuge respektiert, es liegen keine ossären Destruktionen vor. Die Epiphyse weist ein sehr ähnliches Signal zur Gegenseite auf, ist jedoch noch nicht verfettet. In dieser Altersgruppe vor Epiphysenschluss ist das Signal von Epiphyse und Meta-/Diaphyse noch sehr ähnlich

Das Complex Regional Pain Syndrome (CRPS, früher Morbus Sudeck) (Abb. 3.8) kann sekundär als Traumafolge, postoperativ und idiopathisch in Gelenken der Extremitäten entstehen und ist eine primär klinische Diagnose. Häufig weist es ein flaues grobfleckiges KMÖ mit bevorzugt subkortikaler Lokalisation auf, das sich artikulär und periartikulär manifestiert. In manchen Fällen kann das Knochenmark auch unauffällig imponieren. Ein Ödem der angrenzenden Weichteile, eine Verdickung der Haut sowie Gelenkergüsse mit synovialer Hypertrophie sind ebenfalls typi-

sche Befunde. Im Röntgen zeigt sich ein spongiöser wie auch kortikaler Verlust der Knochenmineralisation. In Spätstadien bildet sich das KMÖ wie auch das Ödem der Weichteile zurück, es zeigen sich muskuläre Atrophien.

Das CRPS ist primär eine klinische Diagnose. Zeigt sich radiologisch ein KMÖ, dann ist dieses fleckig und subchondral gelegen.

3.3  Radiologische Muster

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Abb. 3.7 Subakute subchondrale Insuffizienzfraktur (Osteochondrosis dissecans) bei einer 61-jährigen Patientin (a–c) und akute Osteochondrosis dissecans bei einem 60-jährigen Patienten (d, e). Die Zone des KMÖ orientiert sich am osteochondralen Defekt, der sich morphologisch als kleine Einsenkung des medialen Femurkondylus zeigt (a STIR-Sequenz mit Wasserbetonung und Fettunterdrückung; c Bild mit nahezu identischer Signalgebung, jedoch protonengewichtete Sequenz mit

Fettunterdrückung und in sagittaler Schnittführung). Die sagittale Schnittführung zeigt den ausgedehnten osteochondralen Defekt mit der spongiösen Kondensation jedoch ohne Loslösung (b). Das KMÖ wird in der T1-gewichteten Sequenz (b) sehr gut demarkiert. Bei dem 60-jährigen Patienten sind osteochondrale Defekte an medialem Femurkondylus und der Tibia zu erkennen (d). Das Ödem ist sehr ausgeprägt und es zeigt sich eine beginnende Loslösung des Knorpels (e)

3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

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Abb. 3.8  Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) des Kniegelenks bei einer 24-jährigen Patientin. Insbesondere an der Patella manifestiert sich in sagittalen protonengewichteten fettunterdrückten Bildern (a) ein fleckiges

KMÖ, das subkortikal akzentuiert ist. Jedoch auch am Femur kann man das fleckige KMÖ erkennen. Das Verteilungsmuster zeigt sich auch gut in der axialen Ebene (b)

Statisch-mechanisch, degenerativ Die Arthrose entsteht durch einen Knorpelverlust im Rahmen mechanischer Abnützung. Die dadurch verursachten Belastungsspitzen werden durch eine subchondrale knöcherne spongiöse Verstärkung (subchondrale Sklerose) partiell abgefangen. Abstützende Anbauten (Osteophyten) gleichen Kapsel-Band-Laxitäten aus. Die Degeneration der echten Gelenke (Arthrose) weist ein vom Intervertebralraum (Spondylose = Chondrose, bei knöcherner Beteiligung Osteochondrose) verschiedenes Muster auf.

schreitender Arthrose Geröllzysten (Abb.  3.11) aus, die mit dem Gelenkraum in Verbindung stehen (das sind dann eigentlich Ganglien). Der Begriff der Geröllzyste (Detrituszyste, Trümmerzyste) ist damit semantisch nicht ideal gewählt, da eine Gelenkverbindung besteht. Sollte eine intravenöse Kontrastmittelgabe indiziert sein, reichert auch das Innere der Geröllzysten mit einer der Synovia vergleichbaren Signalintensität an. Bei der Aktivierung der Arthrose kommt es zudem zu synovialen Proliferationen im Gelenkerguss und im Verlauf der PatientInnenkarriere zu septierten extraossären Ganglien, die ebenfalls auf die Ätiologie des Knochenmarködems hinweisen. Die bekannteste davon ist die „Bakerzyste“, die eigentlich anatomisch einer mit dem Kniegelenk kommunizierenden Bursa semimembranosa entspricht. Je ausgeprägter das KMÖ, desto gravierender sind die Schmerzen. Im Röntgen und in der CT zudem erkennbare Knorpel- und Meniskusverkalkungen bei Kalziumpyrophosphatablagerung (CPPD) sowie in der MRT erkennbarer Knorpelverlust und Kapsel-/Band-Laxitäten lassen auf eine rasche Aggravierung der Degeneration schließen. Die Degeneration des Intervertebralraums (Abb.  3.12) findet zunächst am Diskus statt (Chondrose = Spondylose). Reagiert der Knochen mit einem bandförmigen Knochenmarködem ent-

Bei der Arthrose erkennt man in fortgeschrittenen Stadien ein subchondrales KMÖ, das sich am Ort der höchsten mechanischen Belastung signalreicher zeigt und rasch abflaut (Abb.  3.9). Bei Patientinnen und Patienten mit einem ausgeprägteren Knorpelverlust ist das KMÖ häufiger und größer (Abb. 3.10) und weist ein artikuläres Muster auf. Die Schmerzen korrelieren jedoch nicht statistisch mit der Größe des Ödems. Eine subchondrale Mehrsklerose weist ebenfalls auf diese Diagnose hin. Dabei entspricht die Ödemzone einer hohen metabolischen Aktivität mit Angiogenese und Hypervaskularisierung. Das KMÖ weist auf eine klinisch relevante Arthrose hin, und sollte stets im Rahmen der Befundung evaluiert werden. Schließlich bilden sich bei fort-

3.3  Radiologische Muster

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Abb. 3.9  Chronische Meniskusruptur mit angrenzender lokalisierter Arthrose bei einer 63-jährigen Patientin mit flächigem, jedoch nur partiellem Knorpelverlust und angrenzendem KMÖ (a) und im Vergleich bei einer 80-­jährigen Patientin mit partiell vollständigem Knorpelverlust (b). Der Knorpelverlust am posteriomedialen Femurkondylus ist über 50 % der zu erwartenden Dicke (a). Darin sind mehrere Zonen von kleinflächig vollständigem Knorpelverlust zu erkennen. Das angrenzende Knochen-

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Abb. 3.10  Aktivierte Arthrose bei einem 62-jährigen Patienten. In der sagittalen T1-gewichteten Sequenz (a) erkennt man bereits das nur mäßiggradige Knochenmarködem im Caput tali, das dem Gelenkspalt folgt und zum Fußrücken zunimmt, es entspricht einem artikulären Muster. Die Subchondralsklerose im Talus und Os naviculare zeigt die mechanische Belastungszone jeweils entlang des Gelenkspal-

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marködem ist eng lokalisiert, von flauen Erscheinungsbild und nicht so fokal erhöht, wie bei der traumatischen Knorpelverletzung in Abb. 3.7. Hingegen ist das KMÖ bei der schweren Arthrose mit flächigem vollständigen Knorpelverlust (b) an der lateralen Tibia und am korrespondierenden Femur (b) sehr ausgedehnt. Es kann durch die biomechanisch korrespondierende Ausdehnung in Femur und Tibia ätiologisch sehr gut auf die Fehlbelastung im Rahmen der Degeneration zurückgeführt werden

b

tes. Das korrespondierende protonengewichtete fettunterdrückte Bild (b) demonstriert das Knochenmarködem des Talus flächiger. Jedoch erkennt man hier besser, dass nicht nur der gesamte Talus, sondern auch die distale Tibia ein KMÖ aufweist. Im oberen, weniger im unteren Sprunggelenk ist ein Gelenkerguss erkennbar. Das Weichteilödem ist ein Indikator für die Aktivierung der Arthrose

3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

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Abb. 3.11  Arthrose des Kniegelenkes mit lokalisiertem Knochenmarködem und beginnenden Geröllzysten bei einem 72-jährigen Mann mit nur geringen Beschwerden. Trotz anscheinend partiell erhaltenem Knorpel ist im medialen Tibiaplateau direkt angrenzend an den Gelenkspalt

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ein Knochenmarködem (a und b) zu sehen. Die längsovalen Signalerhöhungen in der protonengewichteten fettunterdrückten Sequenz entsprechen dabei den sich bereits formierenden Geröllzysten

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Abb. 3.12  Die schematische Darstellung (a) illustriert den Verlauf einer Degeneration des Intervertebralraumes mit Beteiligung des Markraumes, einer Osteochondrose, im typischen Zeitverlauf nach Modic. In der akuten Phase folgt ein Knochenmarködem bandförmig dem Intervertebralraum (Modic 1). Das KMÖ ist in allen T1- und T2-­gewichteten Sequenzen gut erkennbar. Dieses wird zunehmend durch Fett (Modic 2) ersetzt, hier gibt es bei modernen schnellen T2-gewichteten Sequenzen gelegentlich ein Mischsignal, das die Beurteilung erschwert. Schließlich geht es in eine Sklerose des Markraumes über (Modic 3): im sklerotisch veränderten Knochen liegen wenig oder keine anregbaren Protonen vor, das Signal bleibt daher in allen Gewichtungen niedrig.Verlauf der Osteochondrose bei einem 41-jährigen Patienten mit Spondylolyse im Segment LWK 5/SWK 1 in der akuten Phase der Beschwerden Modic 1 (b–d) und 11 Jahre später (e–h). Die Osteochondrose zeigt sich in der

Akutphase zunächst als bandförmiges KMÖ (Modic 1), das dem Intervertebralraum morphologisch folgt (b–d). Das Signal ist in den T1-­gewichteten Sequenzen erniedrigt, in den T2-gewichteten Sequenzen ohne (c) und mit (d, STIR) erhöht. Das KMÖ wird schließlich durch Fettmark und Sklerose des Knochenmarkraums ersetzt (Modic 3, e–h). Wegweisend ist das hohe Fettsignal in der T1-gewichteten Sequenz (e). Moderne schnelle T2-gewichtete Sequenzen ohne Fettunterdrückung (f) liefern ein mischgewichtetes Signal. Klarheit schafft hier die T2-gewichtete Sequenz mit Fettunterdrückung (g), in der das bandförmige KMÖ (d) unterdrückbarem Fett gewichten ist. Die Markraumsklerose angrenzend an die korrespondierenden Deck- und Bodenplatten (i) kann in der Computertomografie besser erfasst werden als im MRI, die für die verfrühte Degeneration verantwortliche Spondylolyse (h) ist ebenfalls plakativ und überzeugend illustriert

3.3  Radiologische Muster

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Abb. 3.12 (Fortsetzung)

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3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

lang der korrespondierenden Deck- und Bodenplatten mit, spricht man von einer Osteochondrose. Der Verlauf der Osteochondrose in der PatientInnenkarriere wird am besten durch die Modic-Klassifikation beschrieben (Abb.  3.12a). Diese stützt sich auf T1- und T2-­gewichtete Bilder in sagittaler Schnittführung und berücksichtigt die entzündliche Aktivierung der Degeneration zur erosiven Osteochondrose.

Bei der Beurteilung von schmerzhaften Metallimplantaten wie Prothesen, Osteosynthesen und Stabilisationen kommt aufgrund der gut beherrschbaren Metallartefakte der SPECT-CT eine besondere Bedeutung zu, da sie die Grenzflächen vom Knochen zur Prothese artefaktarm zeigt und die ossäre Über-/Fehlbelastung durch die funktionelle Zusatzinformation des stressbedingt erhöhten Knochenstoffwechsels (ähnlich dem KMÖ in der MRT) sehr gut darstellzustellen vermag (Abb. 3.13). Die bildgebenden Muster sind zur MRT identisch.

• Im frühen Stadium der Osteochondrose Modic I (Abb. 3.12a–d) wird entlang des betroffenen Intervertebralraumes Flüssigkeit eingelagert. Die Knochenmarkräume werden verstärkt vaskularisiert. In T1-gewichteten Sequenzen ist daher ein Signalabfall (weniger Fettsignal) zu erkennen, in den T2-­ gewichteten Sequenzen eine Signalzunahme (mehr Wasser). Moderne T2-gewichtete Sequenzen liefern kein ideales Wassersignal (J-Coupling, s.  o.), sodass eine zusätzliche T2-gewichtete fettunterdrückte Sequenz zur Detektion des Wassersignals von Vorteil ist. Diese Phase ist besonders schmerzhaft. Reparative Vorgänge führen zu einer zunehmenden Vaskularisierung auch des Diskus. Es treten ossäre Destruktionen auf. Als Ursache hierfür wird eine Besiedelung mit Anaerobiern diskutiert, die durch die nun neue Vaskularisierung eindringen können. • Wird das blutbildende Knochenmark zunehmend durch Fettmark ersetzt, steigt das Signal in der T1-Gewichtung an, sodass nun ein hohes Signal in beiden Gewichtungen erkennbar wird (Modic II). Wenn sich dieses Stadium nicht rückentwickelt, ist es deutlich schmerzärmer als die frühere Phase. • Fibrotische und sklerosierende Veränderungen führen schließlich zu einem Signalverlust in beiden Gewichtungen (Modic  III, Abb. 3.12e–h). Die PatientInnen haben in diesem Segment keine Schmerzen mehr. Facettengelenkarthosen hingegen weisen gleiche Veränderungen auf wie die übrigen Gelenke.

Um ein degeneratives Muster des KMÖ korrekt einzuordnen, sind biomechanische Beobachtungen (z.  B.  Knorpeldicke, Belastungsmuster) und klinische Kenntnisse (aktuelle Aktivität, Laxitäten) eine wichtige Voraussetzung.

Septische Entzündung Die MRT ist die sensitivste Methode zur Diagnose einer akuten Osteomyelitis (Abb. 3.14) und kann das KMÖ bereits am ersten oder zweiten Tag nach Beginn der Entzündung nachweisen. Der Fokus zeigt zentral ein hohes Wassersignal. Das KMÖ ist im übrigen Knochenmarkraum sehr flächig und nimmt den Markraum sehr rasch ein, ist jedoch von vergleichsweise niedriger oder intermediärer Signalintensität. Daher ist die Bedeutung der fettunterdrückten T2-gewichteten Sequenzen von großer Bedeutung, in Kenntnis dieser ist das KMÖ auch in T1-gewichteten Sequenzen erkennbar. Kortikale und spongiöse Destruktionen sind ein wichtiges Kriterium zum Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen, wie auch der lokoregionären Osteopenie. Diese sind hingegen besser in T1-gewichteten Sequenzen erkennbar, häufig liefern auch korrelierende Röntgenbilder oder CTs entscheidende Hinweise. Bei der unbehandelten Osteomyelitis ist eine große entzündliche Weichteilkomponente typisch, die sich bei adäquater Behandlung schneller rückbildet als die ossären Veränderungen und als frühes Zeichen einer wirksamen Antibiotikatherapie verwendet wird. Anga-

3.3  Radiologische Muster

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b

Abb. 3.13  Tibiale Überbelastung bei einer medialen Teilprothese des Kniegelenks bei einem 72-jährigen Patienten. In der CT-Bildinformation fehlen Anzeichen für eine Knochenresorption: die Spongiosa reicht bis an die

Prothese heran (a). Die SPECT-Information zeigt im Fusionsbild eine erhöhte Aktivität, die das Knochenmarködem widerspiegelt (b). Hier liegt eine Belastungsreaktion vor, die dem Patienten Schmerzen bereitet

ben über den Beginn und Wechsel der Antibiotikatherapie sind wichtig und erleichterndie Befundung. Subperiostale Abszesse sowie Abszesse in den angrenzenden Weichteilen sind wichtige radiologische Kriterien für die Primärdiagnose einer ­Osteomyelitis und am besten in kontrastverstärkten Bildern erkennbar (Abb. 3.14, 3.15 und 3.16). Die Sonderform der Osteomyelitis sclerosans Garré weist als Ausnahme eine Mehrsklerose des Knochenmarkraums auf, ist jedoch eine Erkrankung der Mandibula typischerweise von Kindern und Adoleszenten und über dieses Spektrum gut eingrenzbar. Aber auch ansonsten können ­chronische Verläufe der Osteomyelitis mehrsklerosierte Areale enthalten.

Der Brodie-Abszess tritt vor Epiphysenschluss bevorzugt an der unteren Extremität von Knaben auf und kann differenzialdiagnostisch schwer einordenbar sein. Hier hilft das „Penumbra-­Zeichen“, das die Abszesshöhle als signalreiche Linie in nativen T1-gewichteten Sequenzen umgibt und nach Kontrastmittelgabe stark aufleuchtet.

Muster der Osteomyelitis: kortikale Destruktion + spongiöse Destruktion + entzündliche Weichteilkomponente (vor Antibiotikatherapie) ± Eintrittspforte.

3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

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Abb. 3.14  Osteomyelitis im Kleinzeh bei einer 59-­jährigen Dialysepatientin. In der T1-gewichteten Sequenz links lässt sich das Knochenmarködem an der Signalminderung im Knochenmarkraum erkennen, auch die ossären Destruktionen sind offensichtlich (a). Nach intra-

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Abb. 3.15 Subakute Sternoklavikulargelenkarthritis bei einem 12-jährigen Mädchen. In der STIR-Sequenz sind das KMÖ und der Gelenkerguss wie auch die reaktive Lymphadenopathie signalreich abgebildet (a). Auch die T1-gewichtete Sequenz (b) zeigt intakte Spongiosa

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venösem Kontrastmittel zeigt sich in der fettunterdrückten Sequenz eine flächige Kontrastmittelaufnahme des Metatarsale-­V-Köpfchens bis nach metaphysär. Die entzündliche Weichteilkomponente angrenzend an die Osteomyelitis reichert sehr kräftig an (b)

b

und Kortikalislamellen. Die Hyperämie fungiert als Proliferationsreiz und resultiert in einer Volumenzunahme der medialen Klavikula links. Die Epiphyse bleibt teilverfettet und damit signalreich in T1-gewichteten Sequenzen

3.3  Radiologische Muster

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Abb. 3.16  Tuberkulöse Spondylodiszitis bei einem 36-jährigen Mann. Aufgrund des ausgeprägten Knochenmarködems ist dieses mit (a) und ohne (b) Fettunterdrückung in den wasserbetonten Sequenzen gleichermassen sichtbar. Die ossären Destruktionen führen zu einem Gib-

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bus. In den T1-gewichteten Sequenzen vor und nach Kontrastmittel (c, d beide ohne Fettunterdrückung) ist die Kontrastmittelaufnahme nur durch den direkten Vergleich der Bilder sichtbar. Jedoch kann man auch hier die epiduralen Abszesse dorsal sehr gut erkennen

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3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

Wie in Abschn. 3.2 bereits beschrieben, vermag die PET-CT mit dem Zuckerstoffwechsel-­Tracer FDG durch Pathogene aktivierte weisse Blutzellen (erhöhter Zuckerstoffwechsel) und die Akkumulation weiterer Entzündungszellen im Knochen- und angrenzenden Weichteilgewebe darzustellen. Daher kommt der FDG-PET-CT eine besondere Bedeutung zum Ausschluss/Nachweis einer chronischen Osteomyelitis zu. Sie ist in diesem Bereich den verschiedenen SPECT-CT-Tracern (geringere Sensitivität und Spezifität gegenüber der FDG) und der MRT (insbesondere aufgrund der Metallartefakte) überlegen. Bei der septischen Arthritis (Abb. 3.15) liegt ebenfalls ein ausgedehntes Knochenmarködem vor, das eine in T2-gewichteten fettunterdrückten Sequenzen eine hohe Signalintensität aufweist. Typischerweise ist auch der Gelenkerguss ausgedehnt. Auch hier ist vor der Antibiotikatherapie eine große ödematös-entzündliche Weichteilkomponente mit einem perikapsulären Ödem typisch. Die Hyperämie sorgt für eine flaue artikuläre und juxtaartikuläre Osteopenie, fast immer ist die Korrelation zu einem Röntgenbild hierfür vollkommen ausreichend, auch die Destruktion des direkt subchondralen Knochens ist im Röntgen bereits augenfällig (Abb. 3.15). Die (septische) Spondylodiszitis (Abb. 3.16) ist vom MR-radiologischen Bild her eine „Diszitis-­ Osteomyelitis“ und entsteht beim Erwachsenen auf der Basis eines degenerativ destruierten Diskus, der beim Erwachsenen durch seinen Integritätsverlust eine Ausbreitung der Erreger in die angrenzenden Deck- und Bodenplatten und die angrenzenden Knochenmarkräume ermöglicht. Typisch sind die Flüssigkeit im Intervertebralraum sowie das flächige KMÖ in den angrenzenden Wirbelkörpern, bei der Osteochondrose folgt dies hingegen bandförmig den Deck- und Bodenplatten. Bei der kindlichen Spondylodiszitis ist der Ausbreitungsweg durch den Diskus durch die gute Vaskularisierung des Diskus gegeben, eine Degeneration liegt nicht vor. Vor der Antibiotikatherapie ist erneut eine sehr großvolumige Entzündungsreaktion der perivertebralen Weichteile zu finden, die auch epidurale Abszesse sowie Psoasabszesse aufweisen kann. Liegt eine Hyperintensität der Psoasmus-

kulatur in wasserbetonten Sequenzen vor, steigert dieses Zeichen Sensitivität und Spezifität der MR-Diagnose auf je ca. 92  %. Die intravenöse Kontrastmittelgabe ermöglicht die zuverlässige Detektion insbesondere von epiduralen Abszessen, die sonst in der phlegmonösen Entzündung nicht detektierbar sind. Die Diffusionsgewichtung kann dabei helfen, akute von chronischen Spondylodiszitiden zu unterscheiden, gerade wenn eine Kontraindikation gegen intravenöse Kontrastmittel besteht. Die PET-CT ist bei der Diagnose der septischen Spondylodiszitis ebenfalls sehr sensitiv, ein negativer Scan schließt eine Spondylodiszitis zuverlässig aus. Sie ist die Methode der Wahl bei MRT-Kontraindikationen und die MRT stark störenden Metallartefakten. Falls Röntgen und MRT kortikale und spongiöse Destruktionen nicht zeigen, kann die CT-Zusatzinformation über den mineralisierten Knochen diese ggf. sensitiver nachweisen, ansonsten ist die CT in dieser Fragestellung von eingeschränkter Bedeutung.

Diagnose der septischen Spondylodiszitis beim Erwachsenen („Diszitis-­ Osteomyelitis“): vorgeschädigte Bandscheibe (für den Ausbreitungsweg) mit Flüssigkeitssignal + flächiges KMÖ der Spongiosaräume + kortikale und spongiöse Destruktion + entzündliche epidurale und paravertebrale Weichteilkomponente (bildet sich unter Antibiotikatherapie als erstes zurück).

Rheumatologische Entzündung Die Spondyloarthritis ist durch eine Entzündung der Enthesien, die Enthesitis, gekennzeichnet. Die Enthesien sind überall da zu finden, wo Kollagen in den Knochen einstrahlt, also bei Bandoder Sehnenansätzen und z. B. am Annulus fibrosus des Diskus. In der seltenen Maximalvariante sind sogar ganze Wirbelkörper ödematös verändert (SAPHO-Syndrom oder chronisch rezidivierende multifokale Osteomyelitis [CMRO]) (Abb. 3.17).

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Abb. 3.17  SAPHO-Syndrom (Synovitis, Akne, Pustulosis, Hyperostosis und Osteitis; Synonym auch „chronic recurrent multifocal osteomyelitis“ [CRMO] oder „spondyloarthritis hyperostotica pustulopsoriatica“) bei einer 56-jährigen Patientin mit typischen Hauteffluoreszenzen. Die Osteitis in den Brustwirbeln 11 und 12 und den Len-

denwirbeln 4 und 5 ist aufgrund des persistierenden relativ hohen Fettgehalts (c) im Knochenmark besonders gut in den STIR-Sequenzen (a) und den kontrastverstärkten Sequenzen (d) zu erkennen und wird in den T2-­ gewichteten Sequenzen ohne Fettunterdrückung vollständig maskiert (b)

Gelenke mit Faserknorpel, wie das Sternoklavikulargelenk oder das Sakroiliakalgelenk, sind ebenfalls bevorzugt von der Entzündung betroffen. Dort findet sich bei aktiver Erkrankung ein Knochenmarködem, das sich bei adäquater Therapie zurückbildet. Das KMÖ ist bereits in den fettunterdrückten T2-gewichteten Sequenzen zu finden, jedoch ist gerade bei hoher Feldstärke von 3 Tesla der Bildkontrast schlechter als bei 1,5 Tesla. Deswegen und wegen des schlechteren Nachweises der Entzündung in den Ligamenten selbst kann man den Einsatz von intravenösem Kontrastmittel diskutieren, ist die Nativuntersuchung negativ. Leider können verschiedene Regionen mit verschiedener Krankheitsaktivität belastet sein, sodass bei der Mehrzahl der Erkrankten eine Untersuchung des gesamten Stammskeletts zur Verlaufskontrolle erforderlich wird. An der Wirbelsäule zeigt sich im Bereich des Annulus fibrosus eine Entzündungsreaktion mit

meist gut lokalisiertem dreieckigem Erscheinungsbild, die an der Vorderkante der Wirbelkörper als Spondylitis anterior, an der Hinterkante als Spondylitis posterior bezeichnet wird (Abb.  3.18). Dies lässt sich sehr gut morphologisch vom bandförmigen Ödem entlang der Deck- und Bodenplatten im Rahmen einer Osteochondrose unterscheiden. Auch tritt es direkt am Annulus fibrosus auf, sodass eine typische Morphologie vorliegt, ein Ödem anterior der Vorderkante und posterior der Hinterkante hat andere Ursachen. Die Enthesitis der Ligamenta interspinosa ist eine weitere Schmerzursache der Erkrankten, und kann bei starker Ausprägung ein KMÖ an der Insertion in die Processus spinosi hervorrufen, gelegentlich sind auch ossäre Destruktionen zu finden. Die aseptische Spondylodiszitis (Abb.  3.19) befällt anders als die septische Erkrankung nur einen Teil des Intervertebralraumes. Der Diskus

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Abb. 3.18  Floride Entzündung des Stammskeletts bei einem 32-jährigen Patienten mit Erstdiagnose eines Morbus Bechterew vor Therapie. Die Spondylitis anterior auf Höhe HWK 6 bis HWK 7 ist besonders ausgeprägt, ebenso die Spondylitis posterior auf Höhe HWK 4 bis HWK 5 (d). Auf Höhe BWK 3 bis BWK 6 ist die anteriore Spondylitis hingegen nur mäßiggradig aktiv, auf Höhe BWK 7 und 8 nur angedeutet. Auf Höhe BWK 12/LWK 1 ist die Spondylitis anterior mäßiggradig aktiv, auf Höhe LWK 2/3 nur geringgradig. Die Enthesitis der Ligamenta interspinosa auf Höhe HWK 2–4, BWK 11 bis LWK 1 und LWK 4 bis SWK 1 reichert nach Kontrastmittel stark an, die auf Höhe LWK 1/2 nur wenig. Die Enthesitis wird häufig erst mit Kontrastmittel deutlich erkennbar (c–e), kann jedoch auch bei z.  B. vollständig ankylosierten Gelenken eine Schmerzursa-

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che sein. Auf Höhe BWK 9–11 ist sie in diesem Fallbeispiel nach Kontrastmittel besser zu sehen. Für die Beurteilung der Intervertebralsegmente genügt hingegen eine Darstellung mit der STIR-Sequenz (a) und der T1-gewichteten nativen Sequenz (b) ohne intravenöses Kontrastmittel. Der Bildkontrast ist in diesen Bildern von einem 1,5-Tesla-MRT-Gerät sehr hoch, bei 3 Tesla sind die Zonen mit KMÖ regelmässig schlechter zu sehen. Die höhere Eindringtiefe bei 1,5 Tesla ermöglich sogar die Darstellung der Entzündung des Ligamentum longitudinale anterius in der STIR-Sequenz (a) auf Höhe BWK 9–11. Diese ist jedoch nicht pathognomonisch für eine Spondyloarthritis. Nebenbefundlich teilverfettete Hämangiome in BWK 9 und 11, diese sind signalreich in wasserbetonten fettunterdrückten Sequenzen (a) und ohne Signalverlust in der fettbetonten Sequenz (b)

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Abb. 3.18 (Fortsetzung)

ist typischerweise nicht degenerativ vorgeschädigt. Im Krankheitsverlauf kann ein lokalisiertes KMÖ auftreten, das sehr gut zum entzündlichen Fokus im Diskus zugeordnet werden kann. Flaut die Entzündung ab, wird das entzündliche KMÖ durch Fettmark ersetzt. Eine kokardenförmige Morphologie ist typisch. Am Sakroiliakalgelenk ist stets der gesamte Gelenkraum involviert (Abb. 3.20), während bei mechanischen Belastungsreaktionen die kaudalen Gelenkflächen prädilektiert sind. Das Knochenmarködem ist bei der Spondyloarthritis in etwa symmetrisch zum Gelenkspalt zu finden, bei einer mechanischen Belastungsreaktion v. a. am Os ilium. Typisch ist eine Enthesitis der Ligamenta interossea (Abb.  3.21): diese ist gele-

gentlich auch bei vollständiger Ankylose des Gelenks für die Schmerzen der Erkrankten verantwortlich. Die Arthritis psoriatica (Abb. 3.22) weist im Vergleich zu anderen Spondyloarthritiden einen häufigen Befall peripherer Gelenke auf. Hier sind ödematöse Knochenmarkveränderungen im Bereich der betroffenen Gelenke wie auch periostal zu finden. Der typische transversale oder auch longitudinale Befall helfen als Muster weiter, gleichfalls werden die Gelenke zum Teil direkt destruiert, ohne dass der hyaline Knorpel wie bei der rheumatoiden Arthritis eine schützende Wirkung ausübt. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis ist gelegentlich sogar ein diaphysäres KMÖ erkennbar.

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Abb. 3.19  Aseptische Spondylodiszitis bei einem 47-­jährigen Patienten mit Morbus Bechterew. In den Intervertebralsegmenten von BWK 9 und 10 sowie LWK 2–4 sowie inkomplett in der Bodenplatte von LWK 4 sind kokardenförmige ödematöse Veränderungen zu erkennen, die mit Fettunterdrückung (a, STIR) deutlicher zu sehen sind als ohne (b). Trotz aktueller Therapie lässt sich eine

Muster der Spondyloarthritis: Die Entzündung lokalisiert sich immer dort, wo Kollagen in den Knochen einstrahlt, an den Enthesien: • Band- oder Sehnenansätze: Enthesitis • Gelenke, die Faserknorpel enthalten, sind häufiger befallen: Sternoklavikulargelenk, Sakroiliakalgelenk • Annulus fibrosus: Spondylitis anterior oder posterior • Aseptische Spondylodiszitis: charakteristisch ist eine kokardenförmige Morphologie. Der Diskus ist nicht vorgeschädigt. Eine Weichteilkomponente außerhalb des Intervertebralraums fehlt

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Anreicherung nach intravenösem Kontrastmittel erkennen. Die T1-gewichtete Sequenz (c) zeigt angrenzend an die entzündliche Veränderung bereits eine signalreiche Reverfettung des Knochenmarkraums, also war die Entzündung zuvor in der Patientenkarriere ausgeprägter als aktuell. Nebenbefundlich Vertebroplastie von LWK 1 (d)

Die rheumatoide Arthritis (Abb. 3.23) ist die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke mit chronischem schubförmigem Verlauf. Eine frühe Diagnose noch vor Eintreten von Sekundärarthrose und Deformitäten ist für die PatientInnen dieser chronischen Systemerkrankung entscheidend. Die proliferative Synovialis greift in den Gelenken die „bare areas“ an, also die Areale mit freiem Periost, die nicht von schützendem hyalinen Knorpel überdeckt sind. Es entstehen Erosionen in typischer Lokalisation, z.  B. am Processus styloideus ulnae, an den karpalen und tarsalen Gelenken sowie an den Metatarso- und Metakarpophalagealgelenken beider Seiten. Die MRT kann schon in der Frühphase vor Eintreten der osteodestruktiven Erosion bildgebende Kriterien zur Diagnose liefern. Kontrastverstärkte Se-

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Abb. 3.20  Erstdiagnose einer floriden Sakroiliitis im Rahmen einer Spondyloarthritis bei einer 25-jährigen Patientin (a–d). Die T1-gewichteten Bilder zeigen einen flauen Signalabfall durch das KMÖ periartikulär in etwa gleicher Ausprägung sakral und ilial und bei diesem Fall auch bilateral in etwa symmetrisch. Die kontastverstärk-

ten Sequenzen mit Fettunterdrückung zeigen das synoviale Enhancement sowie die Anreicherung im Knochenmarkraum korrespondierend zum Signalabfall. Die Mehrsklerose erkennt man besser in den T1-gewichteten Sequenzen: man kann postulieren, dass die Patientin schon Jahre erkrankt ist

quenzen zeigen bereits früh die proliferative Synovialitis, hier hat die MRT von allen bildgebenden Modalitäten die beste histopathologische Korrelation. Noch bevor eine ossäre Destruktion eintritt, lässt sich ein KMÖ in den typischen Prädilektionsstellen („bare areas“) zeigen. Das KMÖ bleibt im Ultraschall verborgen, dieser zeigt hingegen die proliferative Synovialitis gleich gut. Das KMÖ entspricht einem Ersatz des Fettes durch inflammatorische Zellen mit begleitendem Ödem und ist dementsprechend das bildgebende Korrelat für die Entzündung des Knochens. Lässt sich ein KMÖ nachweisen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich dort Erosionen ausbilden, etwa 7-mal höher als in den blanden Arealen. Das KMÖ bekommt dadurch einen prognostischen Wert und zeigt Gelenke mit zukünftig größerer Knochendestruktion an. Das KMÖ ist jedoch unter adäquater Therapie reversibel. Da sich im Krankheitsverlauf sämtliche Erosionen gleich verändern, genügt zur Verlaufskontrolle neben klinischen und labortechnischen Pa-

rametern lediglich eine Bildgebung der bereits bekannten Erosionen.

Muster der rheumatoiden Arthritis: Erosive Arthropathie an den „bare areas“, den Prädilektionsstellen im Gelenk, wo freies Periost zu finden ist, z. B. epikondylär, im Ursprungs- und Ansatzbereich von intrinsischen Ligamenten. In Bereichen mit KMÖ ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich neue Erosionen bilden, um ein Vielfaches erhöht, das KMÖ ist ein prognostischer Faktor.

Speichererkrankungen Bei der Calcium PyroPhosphate Deposition Disease (CPPDD, Pseudogicht, HydroxylApatite Deposition Disease [HADD]) kann ein geringgradiges KMÖ im Ansatzbereich der Sehnen oder Ligamente vorliegen, das jedoch nur wenig

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Abb. 3.21 Beidseitige Sakroiliitis bei einem 44-jährigen Mann mit Erstdiagnose einer Spondyloarthritis. Wie man in axialen Ebenen am KMÖ und Gelenkerguss (a) und der Anreicherung (b) erkennt, ist die Sakroiliitis rechts mehr als links ausgeprägt. Das Ödem ist beiderseits zum Gelenkspalt ilial und sakral in etwa symmetrisch ausgeprägt, bei der mechanischen Belastungsreaktion wäre es ilial ausgeprägter. Das Gelenk befindet sich interossär in der vorderen Hälfte zwischen Os sacrum und Os ilium, während die linearen Strukturen dorsal den Ligamenta interossea entsprechen. Dort zeigt sich bei diesem Fallbeispiel eine ausgeprägte Enthesitis der Ligamente, die ebenfalls einen Schmerzbeitrag liefert.

Im zweiten Fall (c–e) bei einem 38-jährigen Patienten ist die Kapsulitis links deutlicher zu sehen. Die Kapsel ist im Seitenvergleich dorsal verdickt, sie weist ein Ödem auf (c), ist in T1-gewichteten Sequenzen inapparent (b) und reichert nach intravenösem Kontrastmittel deutlich an (e). Bei ausgeprägtem Befund kann bereits die STIR-Sequenz (c) das KMÖ an der ossären Kapselinsertion zeigen. Bei der geringgradigeren Ausprägung rechts sieht man die ossäre Entzündungsreaktion erst nach intravenösem Kontrastmittel, hier ilial dann links anterior und posterior und rechts nur ilial posterior

Signalintensität in T2-gewichteten fettunterdrückten Bildern aufweist. Intraossäre Tophi können bei der Arthritis urica (Gicht, engl. „gout“) (Abb.  3.24) ein geringgradiges Ödem aufweisen, dieses ist jedoch nur in einer kleinen Subgruppe erkennbar, insbesondere wenn die Tophi wenig verkalkt sind. Liegen ossäre Destruktionen vor, sind diese

scharf begrenzt und direkt durch Tophi hervorgerufen, andernfalls muss man anstelle der typische Osteitis die Differenzialdiagnose einer Osteomyelitis in Betracht ziehen. Die rein bildmorphologische Zuordnung bei der Gicht kann gelegentlich trickreich sein, die bildgebende Präsentation ist sehr variabel („in case of doubt consider gout“).

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Abb. 3.22  Psoriasisarthritis mit Transversalbefall der Hand bei einer 62-jährigen Patientin. In der STIR-­ Sequenz (a) fallen die Entzündung des distalen Interphalangealgelenks am Daumen sowie der proximalen Interphalangealgelenke am Zeige- und Mittelfinger, gering auch am Ringfinger auf. Auch in der T1-gewichteten Se-

quenz (b) ist das KMÖ im Rahmen der Arthritis am zweiten und dritten Strahl besonders offensichtlich. Die kontrastverstärkte fettunterdrückte Sequenz (c) zeigt eine floride synoviale Entzündungsreaktion mit Aufweitung des Gelenkraums und Gelenkerguss insbesondere am ersten Strahl

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Abb. 3.23  Handgelenk eines 14-jährigen Mädchens mit juveniler rheumatoider Arthritis. Die STIR-Sequenz zeigt das flaue KMÖ am Os hamatum und triquetrum insbesondere (a). Jedoch auch in der Metaphyse von Radius und Ulna ist ein minimales Ödem zu sehen, das jedoch reaktiv entstanden ist. Im kontrastverstärkten Bild (b) erkennt man dann das sehr stark enhancende Gewebe, die prolife-

rative Synovialitis. Dadurch sind die Erosionen deutlicher abgrenzbar, das intraossäre Enhancement widerspiegelt das Knochenmarködem deutlich. Jedoch auch die reaktiven Metaphysen zeigen ein verstärktes Enhancement: Dies wirkt als Proliferationsreiz und erklärt die Verplumpung insbesondere der Ulna und die auffällige Morphologie von Radius, Ulna und auch des Karpus

Ischämie Die avaskuläre Nekrose der großen Gelenke (Abb.  3.25), hier v.  a. von Schulter und Hüfte, weist ein typisches morphologisches Bild auf. Die primäre Diagnostik ist eine Domäne der MRT, auch sind frühe Stadien im CT nur unzureichend erforscht. Im „Initialstadium“ liegt ein diffuses KMÖ vor, das morphologisch nicht eingeordnet werden kann. Dieses widerspiegelt in erster Linie kleinste Insuffizienzfrakturen, die noch potenziell reversibel sind. Im Stadium I liegt nun ein Knochenmarködem vor, das einer subchondralen Nekrose mit reaktivem Randsaum entspricht. Die klassische Morphologie des KMÖ ist dabei sichelförmig („crescent sign“), es gibt jedoch selten auch weniger typische, diffuse Muster. Der Randsaum grenzt die Nekrosezone vollständig ab und weist in der T2-Gewichtung mit Fettunterdrückung ein Doppellinienzeichen auf. Dabei entspricht die signalreichere innere Linie Granulationsgewebe, die äußere signalarme Linie einem Sklerosesaum. Dieser Sklerosesaum ist im Stadium II bereits in Röntgen und CT erkennbar.

Im Stadium III sind neben der subchondralen Fraktur bereits die Abflachung des Gelenkkopfes und der sklerotische Randsaum ersichtlich, es entsteht das Crescent Sign. Das KMÖ nimmt die Nekrosezone ein. Im Stadium IV sind sekundär arthrotische Veränderungen zu erkennen. In protonengewichteten fettunterdrückten Sequenzen ist die typische Morphologie des Doppellinienzeichens erhalten, das Signal der inneren Linie jedoch abgeschwächt. In späteren Stadien zeigt das Röntgen ossäre Einbrüche der Gelenkfläche, bei kleineren Einbrüchen ist die Computertomografie hilfreich. Knocheninfarkte (Abb. 3.26) weisen eine geschlängelt verlaufende girlandenförmige Begrenzung auf, die den zentralen nekrotischen Kern durch eine hyperäme Zone vom nichtinfarzierten Markraum unterscheiden lässt. Sie ist in T2-­ gewichteten Sequenzen dem Doppellinienzeichen der avaskulären Nekrosen von Schulter und Hüftgelenk vergleichbar: auch hier entspricht der signalreiche innere Ring Granulationsgewebe und der äußere Ring einem Sklerosesaum. Die Demarkierung zwischen dem normalen Knochenmark, der Ischämiezone und dem nekroti-

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Abb. 3.24  Osteitis des Großzehenendglieds bei einer 91-jährigen Patientin mit Arthritis urica. Das KMÖ des Endglieds wie auch der umgebenen Weichteile lässt sich in den T1-gewichteten fettbetonten Sequenzen (a, c) sehr gut an der Signalminderung erkennen und imponiert in der fettunterdrückten wasserbetonten Sequenz signalreich (b, coronare Ebenen). In den axialen Ebenen lässt sich im

Vergleich der T1-gewichteten Sequenzen vor und nach KM (dann mit Fettunterdrückung) die ausgeprägte Anreicherung mit Kontrastmittel im Knochen wie auch in den angrenzenden Weichteilen sehr gut erkennen. Das KMÖ imponiert dann signalreich (d), das Enhancement ist paraossär gut zu sehen. Im Vergleich zur Osteomyelitis sind die Kortikalislamellen intakt, ossäre Destruktionen fehlen

schen Zentrum sorgt für eine vielfältige Morphologie in der Bildgebung. Zentrale Knochenmarkräume in der Diaphyse und Metaphyse sind typische Lokalisationen der Knocheninfarkte, konvexe Gelenkflächen sind aufgrund der schmalkalibrigen terminalen Gefäße und fehlenden Kollateralisierung am häufigsten betroffen. Während in der Frühphase das KMÖ in der MRT das radiologische Leitsymptom ist, werden in Spätphasen Sklerosesäume im Rahmen reparativer Vorgänge auch im Röntgen und CT deutlich.

Das primäre Knochenmarködemsyndrom weist kein spezielles radiologisches Muster auf, auch sind anamnestische und andere klinische Parameter nicht einordenbar. Jedoch breitet sich das KMÖ meist weiter in die Metaphyse aus als bei einer avaskulären Nekrose. Eine Abgrenzung zu einer Osteonekrose mit einem seltenen diffusen Muster des KMÖ ist bisweilen schwierig. Die Patienten klagen während Wochen bis Monaten über Schmerzen an der unteren Extremität, meist in Hüfte, Knie, Sprunggelenk oder Füßen,

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Abb. 3.25  Avaskuläre Humeruskopfnekrose bei einer 47-jährigen Patientin. Die signalarme Linie demarkiert in der T1-gewichten Sequenz das nekrotische Areal zum Gelenkknorpel (a). Das Signal der fettunterdrückten protonen-

gewichteten Sequenz (b) vermag das KMÖ nicht gleich gut zeigen wie die STIR-Sequenz (c): hier ist der Kontrast eindrucksvoller und korrespondiert sehr gut zum KMÖ in der aktivierten Arthrose des Akromioklavikulargelenks

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Abb. 3.26  Knocheninfarkt im Femur einer 38-jährigen Patientin. Die protonendichtegewichtete Sequenz ohne (a) und mit Fettunterdrückung (b, c) zeigt die Demarkierung des Knocheninfarkts anhand einer girlandenförmigen Linie von KMÖ im Knochenmarkraum. Aufgrund der

besseren Blutversorgung im Bereich der Metaphyse ist dort diese Linie weiter von der Kortikalis entfernt als im Bereich der von hyalinem Gelenkknorpel eingeschränkten epiphysären Situation, diese Beobachtung ist auch am lateralen Tibiaplateau zu sehen (c)

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bevor sie einer Bildgebung zugeführt werden. Es wird bei einem Teil der Erkrankten als Vorstufe zu einer Osteonekrose angesehen. Bei den übrigen Erkrankten wird hypothetisiert, dass reparative Vorgänge den Knochen wieder ausheilen.

Eintrittspforte der Erreger ab dem kutanen Defekt zur Osteodestruktion verfolgt werden.

Neoplastisch Benigne Veränderungen Osteoidosteome (Abb.  3.27) und Osteoblastome weisen ein deutlich erkennbares perifokales KMÖ auf. Bei Osteoidosteomen in Gelenknähe sind ein Gelenkerguss und ein synoviales Enhancement typisch, man erhält gelegentlich den Eindruck, es handle sich um eine entzündliche Veränderung. Man führt dies auf tumorassoziierte Entzündungsmediatoren (PGE2) zurück. Maligne Veränderungen Generell ist der lokale Verlust von Fettmark dann malignitätssuspekt, wenn er keinem benignen Muster folgt (Abb.  3.28 und  3.29). Ist in den T1-gewichteten fettbetonten Sequenzen das Knochenmark zentral hypointenser als peripher, ist dies verdächtig auf eine Metastasierung. Bei malignen Knochentumoren ist ein perifokales flächiges KMÖ typisch, in dem es auch zu einer Kontrastmittelaufnahme kommt. Bei Chondroblastomen und Langerhans-Histiozytose ist das KMÖ besonders ausgeprägt. In der Differenzierung von neoplastischem Fokus und r­eaktiven KMÖ ist häufig die Diffusionsbildgebung von Nutzen. In den Diaphysen beginnt die Konversion von blutbildendem zu Fettmark zentral und breitet sich nach peripher aus. Neurologisch Beim Charcot-Fuß im Rahmen einer Polyneuropathie liegen häufig Mischbilder von KMÖ im Rahmen statisch-mechanischer Fehlbelastung vor, jedoch auch im Rahmen einer Osteomyelitis. Mit Hilfe von kontrastverstärkten Sequenzen und MR-Verlaufskontrollen im Rahmen der Abheilung der Osteomyelitis gelingt eine Differenzierung der beiden Ursachen des KMÖ. Gelegentlich kann die

Iatrogen Die Radiotherapie wird als häufigste Ursache eines iatrogenen KMÖ angesehen. Das Knochenmarködem ist häufig bereits am Tag nach Beginn der Strahlentherapie nachweisbar und flaut auch relativ rasch ab. Typischerweise bleibt es 2 bis maximal 3 Wochen nachweisbar, Intensität und Dauer hängen jedoch von Dosis und bestrahlter Region ab. Das postaktinische Muster zeigt sich als ein homogenes und flaues KMÖ, das dem Bestrahlungsfeld folgt, einen erkennbar geometrischen Aspekt hat und der Tumorregion, jedoch nicht der Anatomie entspricht. Das Knochenmark verfettet schließlich. Die geometrische Begrenzung der alterierten Knochenmarkräume passend zum Bestrahlungsfeld lässt normalerweise keine andere Differenzialdiagnose zu. Nach orthopädischen Eingriffen am Knochen lässt sich ein durch den Operationszugang und Operationstechnik gut erklärbares KMÖ nachweisen. Dies fällt vergleichsweise gering aus und flaut in der Peripherie innerhalb von 6 Wochen bis 3 Monaten ab. Im Bereich des Stammskeletts, hier insbesondere der Wirbelsäule, kann die komplette Rückbildung gelegentlich auch ein Jahr oder länger dauern. Unklarer Ätiologie Das transiente regionale Knochenmarködemsyndrom (transiente Osteoporose, mit vielen weiteren Synonymen) ist eine schmerzhafte, zeitlich begrenzte Erkrankung, die sich meistens im Hüftgelenk manifestiert. Meist nimmt das KMÖ den gesamten Femurkopf ein, kann sich jedoch auch in den Schenkelhals und nach intertrochantär erstrecken. Die Kontrastmitteldynamik zeigt einen späteren Enhancementpeak als normales Knochenmark und hilft damit der Diagnosefindung. Häufig liegt ein Gelenkerguss vor. Die Erkrankung manifestiert sich überwiegend bei jungen Erwachsenen und Graviden im dritten Trimenon. Da man wegen der Schwangerschaft gelegentlich mit der Bildgebung zögert, ist eine A-­posteriori-­

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Abb. 3.27  Osteoidosteom bei einem 20-jährigen Patienten. Das KMÖ ist in der MRT sehr gut sichtbar (sagittale STIR, a) und weniger deutlich in der T1-gewichteten Sequenz (b). Die Lokalisation des Ödems in der Pedikelwurzel von LWK 3 nur links ist atypisch für eine Belastungsreaktion. In axialen Ebenen ist das KMÖ in T2 signalreich (c) und signalarm in T1 (d). Das SPECT-CT zeigt einen

verknöcherten (knochenbildenden) Nidus mit hoher Aktivität (e–g). Dabei widerspiegelt das Bild (e) nur die Aktivität der Positronenemissionstomografie. Die Fusionsbilder (f und g) mit der Knocheninformation aus dem CT und der Überlagerung durch die SPECT erlauben eine ideale Zuordnung des verknöcherten Nidus zur Aktivität

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Abb. 3.28  Osteosarkom bei einer 23-jährigen Patientin. a) Die coronare STIR-Sequenz zeigt das Knochenmarködem sehr sensitiv. Die Steady-State-Gradientenecho-Sequenz mit selektiver Wasseranregung (Dual Echo in the Steady State [DESS], b) ist dabei weniger signalreich und kann das KMÖ in der Epiphyse nicht gleich gut darstel-

len. Die T1-gewichtete Sequenz (c) demonstriert erneut das KMÖ in Epiphyse und Metaphyse sehr plakativ. Die Subtraktionsbilder aus nativen und kontrastverstärkten Bildern weisen die intra- und extraossären Tumoranteile anhand der starken Anreicherung nach (d)

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Abb. 3.29  Osteosarkom bei einem 19-jährigen Patienten. Das flaue KMÖ der Epiphyse steht im Gegensatz zum kompletten Ersatz des hypointensen physiologischen Knochenmarks durch das Sarkom (T1-Gewichtung, a). Die kontrastverstärkte Sequenz (b) zeigt die wahre Di-

mension des Tumors und auch eine Mehranreicherung der reaktiven Epiphyse. Die extraossäre Weichteilkomponente weist Nekrosen auf. Die Epiphysenfuge fungiert wie eine Barriere für das Tumorwachstum

Diagnose in dieser Situation häufig. Histologisch handelt es sich um eine Mischung aus Fibrose, Hämorrhagie und Hyperämie, assoziiert mit subchondralen und spongiösen Insuffizienzfrakturen.

MRT-Signal nicht standardisiert. Knochenmarkerkrankungen werden dadurch gelegentlich erschwert diagnostiziert. Bei der Diagnostik des Knochenmarks von Kindern sollte in den Epiphysenkernen spätestens 6 Monate nach ihrem Auftreten nur mehr Fettmark nachweisbar sein, andernfalls müssen Bluterkrankungen, am häufigsten eine Leukämie, ausgeschlossen ­werden. In der Wirbelsäule des Erwachsenen hat sich ein

Knochenmarkerkrankungen Beim Kind und Adoleszenten ist deutlich mehr blutbildendes Knochenmark in den Markräumen zu finden als beim Erwachsenen. Auch ist das

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Vergleich des T1-gewichteten Signals von Bandscheibe und Knochenmark bewährt: Ist das Knochenmarksignal eines Wirbels höher als in der benachbarten Bandscheibe, sollte dies weiter abgeklärt werden, es könnte auf eine diffuse Metastasierung, auf ein multiples Myelom, auf eine Leukämie oder auch seltenere Bluterkrankungen hinweisen.

verstärkten Sequenzen. Dies wird gern mit dem Bild eines Sternenhimmels verglichen. Ein intaktes dreischichtiges Erscheinungsbild von Periost und kortikalem Knochen sowie ein konstanter Abstand von dieser Schichtung zum kortikalen Knochen sprechen für einen Normalbefund und gegen eine maligne oder posttraumatische Alteration. Eine trilaminäre Epiphysenfuge ist ebenfalls physiologisch, wenn sie bei typisch undulierendem Verlauf eine in etwa konstante Dicke aufweist.

Neben einer Rekonversion des Fettmarks zu blutbildendem Knochenmark können auch hämolytische Anämien (Abb.  3.30) und Hämoglobinopathien zu einem diffus veränderten Knochenmarksignal mit einer Reduktion des Fettsignals führen. Entwicklungsvarianten Sekundäre Ossifikationszentren, inkl. der Apophysen, können bei Kindern und Adoleszenten mit Traumaanamese gelegentlich zur diagnostischen Herausforderung werden. Insbesondere im Tarsus erscheinen diese gelegentlich mit heterogenem MRT-Signal in nativen und mit wenig ausgeprägtem Enhancement in kontrasta

Abb. 3.30 An Sphärozytose erkrankte 47-jährige Patientin mit blutbildendem Knochenmark auch in der Epiphyse des rechten Kniegelenks. Normalerweise enthalten die Epiphysen in dieser Altersgruppe Fettmark. Aufgrund der erforderlichen Blutneubildung sind sie jedoch komplett

Bei der Tibiaepiphyse ist der anteromediale Quadrant besonders häufig prominent („Kump’s bump“). Am Sakroiliakalgelenk von Präadoleszenten ist das subchondrale Knochenmark in der Massa lateralis des Os sacrum häufig in T2-­ gewichteten Sequenzen ein wenig signalreicher als ilial. Gleiches gilt für die Apophysen des Os ilium. Seitenasymmetrie, ein Gelenkerguss, ein höheres Signal im Os ilium als im Os sacrum und ein erhöhtes Signal nach dem Apophysenschluss sind hingegen auffällig und müssen ggf. weiter abgeklärt werden. b

mit blutbildendem Knochenmark abgebildet, das sich in der protonendichtegewichteten fettunterdrückten Sequenz (a) signalreicher als KMÖ zeigt als die Patella, in der T1-gewichteten Sequenz (b) signalärmer erscheint und weniger Fett enthält

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Abb. 3.31  a–c Hämangiomwirbel bei einer 46-jährigen Patientin als Zufallsbefund. In der T2-gewichteten Sequenz (a) und signaläquivalenten STIR-Sequenz jedoch mit Fettunterdrückung (c) kann man sehr gut auf den hohen Wassergehalt rückschließen. In der T1-gewichteten Sequenz (b) sieht man den hohen Fettanteil sehr gut. Diese

Beobachtung ist neben der kraniokaudalen Streifung, die einer vergröberten Trabekulierung entspricht, das wichtigste differenzialdiagnostische Kriterium. Fehlt die Verfettung und ist die vergröberte Trabekulierung nicht sichtbar, hilft im Zweifelsfall die CT mit einer plakativeren Darstellung der vergröberten Trabekulierung weiter

Schmorl’sche Knötchen werden als Entwicklungsvariante angesehen und sind bildgebend durch eine flache oder kugelförmige Einsenkung der Deck- oder Bodenplatten erkennbar, in den Einsenkungen befindet sich Diskusmaterial. Im MRT ist die kortikale Begrenzung schlechter als im CT erkennbar, sie ist jedoch durchwegs gleich dick und weist keine osteolytischen Komponenten auf. In Bezug auf den Intervertebralraum lässt sich keine Symmetrie zwischen den korrespondierenden Deck- und Bodenplatten zeigen. Schmorl’sche Knötchen mit angrenzendem KMÖ sind aktiviert und können Symptome hervorrufen. Zur Diagnose eines Morbus Scheuermann sind Schmorl’sche Knötchen in drei aneinander angrenzenden Intervertebralsegmenten erforderlich, wobei ein Auftreten in der BWS häufiger ist und eine bessere Prognose hat als in der LWS. Im Verlauf nimmt der anterioposteriore Durchmesser zu. Cupid’s-Bow-Varianten der Deck- und Bodenplatten werden als symptomlose Entwicklungsvarianten angesehen. Es handelt sich um eine bezüglich des Intervertebralraums symmetrische „Amors-Bogen-artige“ Einsenkung der korrespondierenden Deck- und Bodenplatten am Übergang vom mittleren zum posterioren Drittel des Intervertebralraums. Aufgrund der eindeuti-

gen Morphologie kann sie sehr gut von einer bikonkaven Fraktur unterschieden werden. Cupid’s-Bow-Varianten weisen kein KMÖ auf. Intraossäre Hämangiome in der Wirbelsäule und weniger häufig auch des übrigen Stammskeletts sind typisch benigne Befunde, die sich gelegentlich atypisch präsentieren. Sind die Hämangiome in den T1-gewichteteten Sequenzen partiell verfettet, ist die Zuordnung einfach (Abb.  3.31), weil dies dem typischen Bild entspricht. Sind sie jedoch nicht verfettet und lässt sich in der MRT keine Vergröberung der Spongiosa erkennen, kann dies, insbesondere wenn sie klein sind und die Unterscheidung zu Metastasen diagnostisch entscheidend ist, gelegentlich eine Korrelation zur CT erfordern. Die native CT zeigt die spongiöse Vergröberung zuverlässig.

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3  Bildgebende Diagnostik des KMÖ in der Radiologie

3. Freyschmidt J (2005) Handbuch diagnostische Radiologie. Muskuloskelettales System 3. Bonel H und Lingg GM: Erkrankungen der Gelenke. Springer, Heidelberg 4. Lankinen P, Seppänen M, Mattila K et al (2017) Intensity of  18F-FDG PET Uptake in Culture-Negative and Culture-Positive Cases of Chronic Osteomyelitis. Contrast Media Mol Imaging 2017:9754293 5. Maraghelli D, Brandi ML, Matucci Cerinic M et  al (2021) Edema-like marrow signal intensity: a narrative review with a pictorial essay. Skelet Radiol 50:645–663 6. McQueen FM, Benton N, Perry D et al (2003) Bone edema scored on magnetic resonance imaging scans of

the dominant carpus at presentation predicts radiographic joint damage of the hands and feet six years later in patients with rheumatoid arthritis. Arthritis and Rheumatism 48:1814–1827 7. Radiopedia.org – a wiki-based radiology resource 8. Tarantino U, Greggi C, Cariati I et  al (2022) Bone marrow edema: overview of etiology and treatment strategies. J Bone Joint Surg Am 104(2):189–200 9. Toledano TR, Fatone EA, Weis A et  al (2011) MRI evaluation of bone marrow changes in the diabetic foot: a practical approach. Semin Musculoskelet Radiol 15:257–268

4

Optionen und Strategien in der Therapie des KMÖS

Key Points

• Der Verlauf eines KMÖS kann selbstlimitierend sein, aber ein progressiver Übergang in ein Complex Regional Pain Syndrome (CRPS) oder eine Osteonekrose ist nicht auszuschließen, mit Folgen für den Patienten. • In Abhängigkeit von der Schwere der schmerzhaften Symptomatologie stehen folgende Therapieoptionen zur Verfügung: Allgemeinmaßnahmen, unspezifische Schmerztherapie, extrakorporale Stoßwellentherapie, Vitaminsubstitution (D, K und C), Medikamente und chirurgische Eingriffe. • Die intravenöse Gabe eines modernen Bisphosphonates (BP) ist unserer Meinung nach heute der „Goldstandard“ in der medikamentösen Therapie des schmerzhaften KMÖ, unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung. • Sämtliche medikamentöse Behandlungen des KMÖ sind heute noch Off-­ Label-­Therapien, müssen mit dem Patienten ausführlich besprochen werden und bedürfen dessen schriftlicher Zustimmung.

• Eine rasche und erfolgreiche Therapie des KMÖ begünstigt und verkürzt auch die Ausheilung der zugrunde liegenden Erkrankung. • Selbst Patienten mit Osteonekrosen im frühen Stadium können mit einer konsequenten BP- und Vitamin-D-Therapie noch erfolgreich behandelt werden.

4.1 Formen und Pathogenese des KMÖ Formen mit generalisiertem KMÖ finden sich überwiegend in der Inneren Medizin und werden in der Regel durch infektiöse, toxische, allergische, metabolische, onkologische oder hämatopoietische Erkrankungen verursacht. Dabei steht die kausale Therapie ganz im Vordergrund. Bei erfolgreicher Therapie der Grundkrankheit bilden sich auch die ödematösen Reaktionen des Knochenmarks rasch und vollständig zurück. Bei der Pathogenese generalisierter Knochenmarködeme steht die toxische bzw. entzündliche Schädigung des Gefäßsystems, insbesondere des Sinussystems, im Vordergrund. Klinisch manifestiert sich diese generalisierte Form des KMÖ v. a.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 R. Bartl et al., Knochenmarködem, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67134-4_4

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4  Optionen und Strategien in der Therapie des KMÖS

durch Zytopenien, Agranulozytose bis hin zu Knochenmarkversagen, teils in Verbindung mit generalisierten Knochenschmerzen und Entzündungszeichen. Beim lokalen und subchondralen KMÖ sind dagegen überwiegend ossäre und/oder chondrale Verletzungen oder Degenerationen die Auslöser, mit besonderer Beteiligung der Knochen- und Immunzellen. Am häufigsten betroffen ist die untere Extremität mit Hüfte, Knie und Sprunggelenk. Diese Formen werden unter dem Begriff des Knochenmarködemsyndroms (KMÖS) zusammengefasst. Häufige Ursachen sind Frakturen, Mikrofrakturen, Minderdurchblutung, Osteoarthritis oder Verletzungen der subchondralen ­Knochenzone.

4.2 Behandlungsstrategien des KMÖS

Der wichtigste Auslöser eines KMÖ in der unteren Extremität sind Mikrotraumen, die im Röntgenbild nicht erkennbar sind.

Bei der Entwicklung des lokalen KMÖS mit dem charakteristischen Schmerzprofil spielt der Osteoklast im Zusammenspiel mit den lokalen Gefäßen und Nerven die Schlüsselrolle. Der aktivierte Osteoklast produziert nicht nur Salzsäure und lysosomale Enzyme (Kollagenasen, MMPs), die für den Knochenabbau verantwortlich sind, sondern setzt auch zahlreiche Zytokine aus dem Knochengewebe (TGF-β, IGF, PDF-1, BMPs) frei. Zusätzlich produziert der Osteoklast Substanzen (Chemokine), die die Neubildung von Gefäßen und Nerven (TGF-β, NGF, VEGF) sowie die Immunzellen stimulieren und die Apoptose hemmen [1, 2]. Ziele der KMÖS-Behandlung sind: • kurzfristig rasche und effektive Schmerzbekämpfung, • langfristig effektive Behandlung des KMÖ mit der Option zur Ausheilung und • Therapie der zugrunde liegenden Knochen-/ Gelenkknorpelschädigung.

Ossär-assoziierte Varianten des KMÖ werden heute unter dem Begriff des Knochenmarködemsyndroms (KMÖS) zusammengefasst. Nachdem das KMÖS vereinzelt selbstlimitiert und voll reversibel sein kann, wird die Behandlung oft sehr kontrovers diskutiert. Dabei handelt es sich unserer Erfahrung nach nicht um ein „rare and self-limited syndrome without a definable cause“ [3], vielmehr um eine zunehmend häufiger auftretende, extrem schmerzhafte und bewegungseinschränkende Krankheit, in der Regel mit Nachweis einer zugrunde liegenden Läsion der Knochenstruktur („microfractures“), der subchondralen Zone (Trauma) oder des Gelenkknorpels selbst (Osteoarthritis). Der Verlauf ist schwer beurteilbar und unbehandelt kann es zu einer subchondralen Fraktur, einer Osteonekrose oder einem konsekutiven Gelenkschaden kommen. Nicht selten werden diese Knochenläsionen, die nur mittels einer MRT diagnostiziert werden können, mangelhaft mit nur einem Röntgenbild bedacht und/oder sogar nur symptomatisch und physiotherapeutisch über Jahre behandelt. Damit wird der Krankheitsverlauf unnötig verlängert, die Möglichkeit einer frühen Heilung des Ödems inkl. der zugrunde liegenden Läsion vergeben und sogar der Übergang in eine Osteonekrose in Kauf genommen [4, 5]. Bei der Behandlung des KMÖS sind bisher folgende Methoden publiziert worden und/oder haben sich in der Praxis bewährt: • Medikamentöse Ruhigstellung des hyperaktiven Osteoklasten mit antiresorptiven Substanzen (Bisphosphonate, Denosumab) [6–8]. • Verbesserung der Mikrozirkulation (Iloprost) [9, 10]. • „Anbohrung“ („core decompression“) mit dem Ziel einer chirurgischen schnellen Reduktion des erhöhten Gewebedrucks innerhalb des betroffenen Knochenareals und der Verbesserung der Minderdurchblutung [3].

4.5 Vitamine D, K und C

71

• Vitamin-D-Gabe bei einem häufig beobachteten Vitamin-D-Mangel führt zu einer Normalisierung des gestörten Knochenumbaus, Verbesserung der Knochendichte und zur Hemmung der reifen Osteoklasten [11]. • Allgemeinmaßnahmen wie Gewichtsreduktion, Immobilisation und Thromboseprophylaxe gehören zu den Standardmaßnahmen und zur Vermeidung von Nebenwirkungen [3]. • Extrakorporale Stoßwellentherapie (Evidenzgrad in Studien IIb) und Extrakorporale Magnetotransduktionstherapie (EMTT). • Schmerzmittel oder antiphlogistische Medikamente dienen nur einer initialen symptomatischen Schmerzbehandlung [3].

für ältere Personen mit Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus) und kardiovaskulären Risiken (Bluthochdruck). Damit werden neben der Verwendung von Gehhilfen die Belastung der betroffenen Gelenke und so auch die Schmerzintensität reduziert. Voraussetzung für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion ist jedoch eine vertrauensvolle, enge und langfristige Kooperation und Motivation des Patienten durch den behandelnden Arzt.

Keinen therapeutischen Effekt konnten folgende Maßnahmen in klinischen Studien zeigen:

Thromboseprophylaxe  Vor allem bei Patienten mit KMÖS der unteren Extremitäten und Bewegungseinschränkung ist eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularen Heparinen (z. B. Clexane®, Fraxiparin®, Monoembolex®) zu empfehlen. Physikalisch bieten sich eine Hochlagerung der Beine, Fußgymnastik mit Aktivierung der Wadenmuskelpumpe und eine frühe kontrollierte Mobilisation an.

• • • •

Antituberkulostatika, Prednisolon, Kalzitonin und lumbale Sympathektomie.

Zukünftig werden in der Behandlung des KMÖS Antagonisten bzw. Antikörper gegen die oben ­beschriebenen KMÖ-stimulierenden Zytokine eine wichtige Rolle spielen.

4.3 Allgemeinmaßnahmen Gehhilfen und Immobilisation  In der Regel kommen Patienten mit einem KMÖS erst nach einer längeren Schmerzperiode zum Arzt. Bei einem KMÖS der unteren Extremität und des Beckens sollte der Patient zur Schmerzerleichterung entlastend mit Gehhilfen und ggf. mit einem Entlastungsstiefel mobilisiert werden. Die Immobilisation kann mittels eines Gehgipses über 12 Wochen verstärkt werden. Gewichtsreduktion  Bei übergewichtigen Patienten mit KMÖS und Bewegungseinschränkung ist als generelle Maßnahme eine Gewichtsreduktion mit entsprechender Kost und Einstellung des Stoffwechsels dringend anzuraten. Dies gilt v. a.

„Zuerst der Patient, dann die Krankheit.“

4.4 Schmerztherapie Die Entlastung des betroffenen Gelenkes ist die wichtigste und erste therapeutische Maßnahme zur Schmerzreduktion. Für die initiale symptomatische Schmerz- und Entzündungstherapie eignen sich nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie z.  B.  Ibuprofen und Diclofenac sowie Paracetamol. Physiotherapie und Ergotherapie über mehrere Monate können ebenfalls zu einer Schmerzerleichterung und Ausheilung führen.

4.5 Vitamine D, K und C Zahlreiche klinische Studien haben gezeigt, dass Vitamin-D-Mangel nicht nur klassische Knochenkrankheiten wie Rachitis, Osteomalazie und Os-

72

4  Optionen und Strategien in der Therapie des KMÖS

teoporose verursacht, sondern auch viele andere Osteopathien  – systemisch wie lokal  – auslösen kann oder sie zumindest verschlimmert [11]. So ist auch bei der diagnostischen Abklärung von Patienten mit der Diagnose eines KMÖS ein auffallend häufiger und ausgeprägter Mangel an Vitamin D zu beobachten. In einer Studie an Patienten mit KMÖS im Sprunggelenk hatten 61 % der Patienten einen Vitamin-D-­Mangel und nur 16  % der Patienten einen normalen Vitamin-D-Spiegel. Die Bestimmung von 25(OH)D3 im Serum ist aufgrund seiner Halbwertszeit von 3 Wochen der beste Labortest zur Beurteilung des Vitamin-D-Speichers. Ein Vitamin-­ D-Mangel wird definiert bei Werten unter 20 ng/ml. Für den Erhalt der Knochengesundheit werden Werte von 25(OH)D3 über 30 ng/ml empfohlen. Vitamin D hemmt die Aktivität der reifen Osteoklasten, steigert die Differenzierung der Osteoblasten und erhöht die Mineralisation. Mit einer ausreichenden Zufuhr von Vitamin D allein wird eine Hemmung der hyperaktiven O ­ steoklasten im Bereich des KMÖS erzielt, die Osteoklasten-­ assoziierten Schmerzen reduziert und ein sekundärer Hyperparathyreoidismus unterbunden.

• Stimulierung der Knochenneubildung, • Reduktion der Inzidenz von Wirbelfrakturen.

Empfohlene Tagesdosis

• Vitamin K2 100 μg • Vitamin K1 (Phytomenadion) 375 μg

Vitamin C ist bedeutsam für die Produktion von Kollagen und verbessert damit die Frakturheilung. Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und Schwangerschaft führen vermehrt zu Vitamin-­C-Mangel und damit verbunden zu Insuffizienzfrakturen mit KMÖ, Entzündung und gesteigertem Knochenumbau. Kasuistiken zeigen, dass Vitamin-C-Mangel die Entstehung eines KMÖ begünstigt und die Substitution mit Vitamin C den Heilungsprozess fördert. Patienten mit KMÖ haben auch häufiger Vitamin-­C-­ Mangel. Eine Messung des Vitamin-C-Spiegels im Serum bei Patienten mit KMÖ erscheint daher sinnvoll.

Empfohlene Tagesdosis

Vitamin C 100–200 mg Empfohlene Tagesdosis

Vitamin D3 2000–4000 IE, in Abhängigkeit vom ­Serumspiegel 4.6 Eine gängige Anwendung ist die Kapsel mit 20.000 IE Vitamin D pro Woche, zusätzlich eine ausreichende Kalziumzufuhr bzw. Zufuhr von mindestens 1000  mg Kalzium tgl. und eine proteinreiche Kost. Auch die Zufuhr der Vitamine K und C wird als eine sinnvolle Ergänzung beschrieben [12]. Vitamin K hat folgende Einflüsse auf den Knochen: • Einbau von Kalzium in den Knochen und Steuerung der Kalzifizierung, • Stimulierung der Produktion von Osteocalcin, dem zweitwichtigsten Protein im Knochen nach Kollagen [13],

Iloprost

Iloprost (Ilomedin®), ein synthetisches Prostazyklin, wird seit 1998  in der Behandlung früher Stadien der Osteonekrose und des KMÖS eingesetzt. Abb. 4.1 zeigt die chemische Struktur von Iloprost, mit der molekularen Formel C22H32O4. Auch in der Behandlung peripherer atherosklerotischer Erkrankungen, der diabetischen Angiopathie, des pulmonalen Hochdrucks, der Sklerodermie, der Sichelzellanämie und des Raynaud-­ Syndroms findet Iloprost Anwendung. Grundlage und Ziel der Therapie mit Iloprost ist eine Reperfusion und Verbesserung der Mikrozirkulation bei Patienten mit einer Frühform einer Osteonekrose. Folgende Wirkungen an den Gefäßen sind nachgewiesen worden:

4.7 Bisphosphonate

73

• • • • • •

OH

HO O OH

Abb. 4.1  Chemische Formel des Iloprost

• • • • •

arterielle und venöse Dilatation, Verbesserung der Mikrozirkulation, Reduktion der kapillären Permeabilität, Reduktion der Plättchenaggregation, Verbesserung der Viskosität in den distalen Gefäßen, • Reduktion des durch freie Radikale vermittelten oxidativen Stresses, • Reduktion der Leukotriene-Konzentrationen.

Iloprost wird eingesetzt zur Verbesserung der Durchblutung von Geweben, erreicht durch Vasodilatation und Verhinderung der Plättchenaggregation. Hauptsächliche Anwendungsgebiete sind schwere Durchblutungsstörungen wie z. B. bei Thrombangiitis obliterans.

Das Medikament wird stationär als intravenöse Infusion (Infusionsspritzenpumpe) über 5 Tage in Dosen zwischen 25 und 50  μg pro Tag verabreicht [9, 10]. Indikationen: Iloprost hat sich als wirksam erwiesen bei Patienten mit ischämisch verursachtem KMÖS (frühe Formen der Femurkopfnekrose, regionale transiente Osteoporose, KMÖ im Knie und Sprunggelenk. Die Therapie mit Iloprost stellt einen Off-­Label-­Use dar, was in der Aufklärung sowie in der schriftlichen Dokumentation registriert werden muss. Zahlreiche Ausschlusskriterien für die Behandlung mit Iloprost sowie schwere Nebenwirkungen grenzen seine Anwendung stark ein:

Schwangerschaft und Stillzeit, Behandlung mit Warfarin und Heparin, Herzfehler und Herzinsuffizienz, instabile Angina pectoris, vorausgegangener Myokardinfarkt, gastrointestinale Ulzera.

Bekannte Nebenwirkungen im Rahmen der anfänglich auftretenden vasodilatorischen Hypotonie sind Kopfschmerzen, Schwitzen, Übelkeit, Angina pectoris und EKG-Veränderungen. Schwere Nebenwirkungen sind Arrythmien, Blutungen, Lungenödem, Thromboembolien und allergischer Schock.

4.7 Bisphosphonate In der Pathogenese des KMÖS (einschließlich CRPS) spielt der aktivierte Osteoklast eine Schlüsselrolle [1, 2, 14]. Entzündung, Ödem, Knochenreaktion und Schmerzsymptomatik werden durch die Osteoklasten direkt und über Zytokine im Bereich der Knochenläsion ausgelöst und verstärkt. Therapeutisch bietet sich daher der Einsatz von Bisphosphonaten (BP) an, die den Stoffwechsel des Osteoklasten effektiv und nebenwirkungsarm hemmen. Neben der Hemmung der Osteoklasten wirken die BP auch auf andere Zelltypen. Sie stimulieren hämatopoietische Zellen im perisinuösen Bereich und reduzieren die Apoptose der Osteoblasten und Osteozyten [13]. Neue tierexperimentelle Befunde belegen auch, dass BP die Durchblutung und die Angioneogenese im Knochen stimulieren (Zunahme der Typ-­ H-­ Gefäße und der Osterix+-Progenitorzellen) [15]. Aktuelle Experimente an Mäusen konnten zeigen, dass die BP eine komplexe Antwort im Knochengewebe auslösen, einschließlich eines erhöhten Blutflusses, einer Aktivierung des „endothelial notch signalling“, eines gesteigerten Gefäßwachstums (Angioneogenese) und einer Stimulierung hämatopoietischer Zellen [15]. Damit kommt den BP neben der Ausheilung eines KMÖ auch eine positive Wirkung auf Frakturheilung und Knochenformation zu. Es gibt auch mehrere Berichte über extraskelettale Wirkungen der BP, insbesondere auf das Immunsystem mit einem im-

74

Abb. 4.2  Chemische Formel der Bisphosphonat-Gruppe (BP)

munmodulierenden Effekt [16]. So konnte ein positiver Effekt der BP über antiinflammatorische Zytokine auf die Progression chronisch-entzündlicher Gelenkerkrankungen nachgewiesen werden. BP stimulieren auch die B-Zellen und damit die humorale Antikörperproduktion. Bei der Wahl des BP (Abb.  4.2) sind einige Besonderheiten der BP in Beziehung zu einem KMÖS zu beachten [2, 14, 15, 17]: • Die gastrointestinale Resorption der BP ist mit 95  %) und nur selten die obere Extremität und Kinder. Beim idiopathischen KMÖS liegt meist kein relevantes Trauma vor. Am häufigsten sind das Hüftgelenk, die Kniegelenke und die Sprunggelenk/Fußregion betroffen [4, 6, 7]. An den Gelenken der unteren Extremität sind vorwiegend die konvexen Gelenkpartner (Femurkopf, Femurkondylen und Talus) betroffen. Das KMÖS liegt meist einseitig vor, wobei im eigenen Patientengut auch Fälle von zwei

Epidemiologie und Verlauf Die vorliegenden Studien weisen sehr unterschiedliche Anteile der einzelnen KMÖS-Typen auf. Die

6  KMÖ und KMÖS in der Orthopädie und Traumatologie

102

a

b

c

Abb. 6.2  Histologie eines Areals mit Knochenmarködem (KMÖ): a Übersicht über ein subchondrales Areal mit KMÖ (hellbraun links oben subchondral). Gomori. b

Mikrofraktur mit Produktion von Geflechtknochen im subchondralen Bereich. Giemsa. c Massives KMÖ im benachbarten Knochenmark. Gomori

gleichzeitig betroffenen Hüften und von beidseitigen KMÖS der medialen Femurkondylen vorliegen. Auch ein Wechsel der KMÖ-Lokalisation vom medialen zum lateralen Kniekompartiment oder ein Überspringen der Gelenklinie von der Femurkondyle zum Tibiaplateau ist möglich (Abb.  6.3a–c). Diese Verläufe sind auch für das Hüftgelenk und das Sprunggelenk beschrieben [2, 4]. An der eher selten betroffenen oberen Extremität tritt v. a. das sekundäre KMÖS im Rahmen eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms/ Morbus Sudeck nach einer distalen Radiusfraktur auf. Wichtig für die Prognose ist zum einen die Ursache des KMÖ-Syndroms, zum anderen die MRT-­ Differenzierung des KMÖS von einer drohenden Osteonekrose. In Abhängigkeit der klinischen Risikofaktoren muss hier im Verlauf eine genaue Analyse der subchondralen Knochenmarkläsion im MRT erfolgen, da ihr MRT-Grad mit der Reversibilität und für fortgeschrittene MRT-Grade mit invasiveren Therapieformen korreliert [5–7]. Im vorliegenden Kapitel stellen die Autoren eine MRT-basierte Klassifikation mit Graduierung der Knochenmarkläsionen am Kniegelenk vor, die nach Auswertung von über 400 Fällen mit MRT-Verlauf mit der Reversibilität der KMÖ korreliert. Aus Sicht der Autoren und nach Analyse der therapeutischen Studien ist die so oft zitierte These von der „selbstlimitierenden Erkrankung“, die nach 3–18 Monaten spontan ausheilt, nicht zu halten, da bestimmte KMÖS-Typen und MRT-­ Grade ein erhöhtes Risiko für eine Osteonekrose oder irreversible Knochenknorpelschäden haben

und daher eine umgehende Therapie indiziert ist. Auch sind die Kollateralschäden einer abwartenden Therapie mit anhaltenden Schmerzen, einer langen Entlastungsphase mit dem Risiko eines lokalen Knochenschwundes, der seinerseits oft zu einem Rezidiv des Überlastungsödems nach der Wiederaufbelastung führen kann, und der potenziellen Entstehung einer irreversiblen Knochenmarkläsion mit Gelenkbeteiligung mit den generell guten Ergebnissen und den niedrigen Risiken der medikamentösen oder biophysikalischen Therapie abzuwägen [6]. Diagnose des KMÖS Die Diagnose eines KMÖS wird mit der MRTUntersuchung in Kombination mit der Klinik gestellt. Die Patienten klagen über plötzlich auftretende, heftige, dumpfe Schmerzen unter Belastung und in Ruhe, ohne ein vorausgehendes traumatisches Ereignis. Oft sind die angegebenen Schmerzen und die Einschränkung disproportional zum vorliegenden Befund mit einer guten Beweglichkeit ohne eine Instabilität. Für die Diagnosestellung entscheidend ist die MRT mit dem Nachweis eines gelenknahen KMÖ. In der T1-Wichtung zeigt sich das KMÖ-Areal mit erniedrigter und in der T2-Wichtung und auf STIR-Sequenzen mit erhöhter Signalintensität. Perfusionssequenzen können helfen zwischen einer subchondralen Fraktur mit erhöhten Knochenumbauprozessen und vermehrter Durchblutung und einer Osteonekrose mit einem nicht mehr durchbluteten, demarkierten Areal zu unterscheiden (Abb. 6.4a, b) [15].

6.1  Das Knochenmarködemsyndrom (KMÖS)

a

103

b

c

Abb. 6.3  Migratorisches KMÖ und Ausheilung unter BP-Therapie: a KMÖ im medialen Femurkondylus. b 4 Monate später ohne Therapie Auftreten eines massiven

KMÖ jetzt im lateralen Femurkondylus. c Vollständige Ausheilung des KMÖ unter 3-maliger intravenöser Therapie mit Ibandronat 6 mg

Bei Verdacht auf einen Gelenkeinbruch kommt auch das CT zum Einsatz. Mit dem DECT-CT kann ein Knochenödem ebenfalls diagnostiziert werden. Im MRT zeigen sich subchondrale Frakturen (subchondrale Insuffizienzfrakturen, SIF) in der T1-­Wichtung als signalarme Linien in Nachbarschaft der subchondralen Lamelle oder als Verdickung der subchondralen Lamelle mit intak-

tem darüberliegenden Knorpel [1, 2]. Im fortgeschrittenen Stadium ist eine konvexe subchondrale Läsion mit einem Umgebungsknochenödem ausgehend von der subchondralen Lamelle nachweisbar, bei meist noch intaktem Knorpel, – hier kann bereits eine partielle, lokale Osteonekrose vorliegen. Bei Fortschreiten der Läsion kommt es zu einem Gelenkeinbruch mit zunehmendem sub-

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a

6  KMÖ und KMÖS in der Orthopädie und Traumatologie

b

Abb. 6.4  a KMÖ am medialen Femurkondylus mit subchondraler Fraktur. b In der Perfusionsaufnahme zeigt sich eine Hypervaskularisierung (rot) im Bereich der subchondralen Läsion als Zeichen der Knochenreparatur

ohne Hinweis auf eine Osteonekrose. (In Kooperation und zur Verfügung gestellt von R. Westhaus, C. Hutterer und S. Richter)

chondralen Schaden und einer geringen Gelenkinkongruenz mit nun bestehendem Knorpelschaden. Im Endstadium besteht eine Osteonekrose mit Gelenkeinbruch [13, 14]. Die Abb.  6.5a–d zeigen KMÖS im Bereich des Hüftgelenkes, Kniegelenkes und Sprunggelenkes/Fußwurzel. Weitere Lokalisationen von KMÖS finden sich in folgenden Skelettarealen:

dig, um den Kalziumhaushalt auszugleichen [4, 6]. Wird durch die Entlastung keine adäquate Schmerzreduktion und Belastbarkeit erreicht oder kommt es nach Wiederaufbelastung zu rezidivierenden Beschwerden, ist bei einem persistierenden bzw. progredienten Knochenödem in der MRT eine medikamentöse oder biophysikalische Therapie indiziert. Dies gilt speziell für Knochenmarködeme mit subchondralen Frakturen und solchen, die mit einem erhöhten Risiko in eine Osteonekrose oder einen Gelenkeinbruch übergehen können. Alle derzeitig verfügbaren Therapieoptionen stellen einen Off-Label-Use dar und bedürfen einer speziellen Aufklärung des Patienten. Die folgenden nichtoperativen Therapiemethoden sind die in Studien am häufigsten angewandten und effektivsten Therapieformen [4–7, 16]:

• • • • •

Wirbelsäule, Sakrum, Beckenring, Mittelfuß, Hand, Schultergelenk.

Therapie des KMÖS Bei Diagnose eines KMÖS ist die Entlastung des betroffenen Gelenkes die wichtigste erste therapeutische Maßnahme. Häufig bilden sich dann die Symptome spontan zurück. Eine begleitende Therapie mit Vitamin D3 (mind. 1000 IE/d) oder eine initial noch höher dosierte Boosttherapie bei einem vorliegenden Vitamin-D-Mangel ist notwen-

• intravenöse Bisphosphonate, • subkutane Applikation von RANKLInhibitoren, • Infusion von Prostazyklinen, • extrakorporale Stoßwellentherapie.

6.1  Das Knochenmarködemsyndrom (KMÖS)

a

105

b

c

d

Abb. 6.5  a Ausgedehntes Knochenmarködem (KMÖ) der medialen Femurkondyle ohne subchondrale Insuffizienzfraktur (SIFK) in der T2-Wichtung. b KMÖ (T2-­Wichtung)

mit linearer SIFK (T1-Wichtung) der lateralen Femurkondyle. c KMÖ des gesamten Femurkopfes (T2-Wichtung). d KMÖ des gesamten Talus (T2-Wichtung)

Die Infusionstherapie mit Bisphosphonaten erfolgt als einmalige oder mehrmalige Gabe im 3–4 Wochenintervall. Die Therapie zielt auf die Schlüsselzelle in der Generierung und Erhaltung des KMÖ, den Osteoklasten, ab. In der Therapie von frischen akuten und subakuten Wirbelfrakturen mit KMÖ konnte durch eine im Rahmen der Kyphoplastie entnommenen Biopsie nachgewie-

sen werden, dass die Knochenheilung bei später versorgten Frakturen mit einem rückläufigen KMÖ bereits weiter fortgeschritten war [17]. Es wird angenommen, dass ein Abheilen des KMÖ bzw. die Therapie des Knochenödems die Knochenheilung wie auch die Abheilung von subchondralen Insuffizienzfrakturen (SIF) im KMÖ-­ Areal positiv beeinflusst.

106

Aktuell liegt eine randomisierte Studie vor mit Gabe einer einmaligen Infusion von 5  mg Zoledronat, die einen deutlichen Rückgang der Schmerzen, eine signifikante Verbesserung der Funktion und eine signifikante Reduktion der KMÖ-Größe im Vergleich zur Kontrollgruppe nachweisen konnte [18]. Die Studie umfasst mehrere KMÖ-Lokalisationen und dadurch nur eine geringe Patientenanzahl in jedem Gelenkabschnitt, wodurch die Aussagekraft limitiert ist. Weitere kontrollierte Studien mit einer m ­ehrmaligen BP-Infusion konnten an unterschiedlichen Lokalisationen ebenfalls eine Verbesserung der Funktion und eine hohe KMÖ-­Heilungsrate nachweisen [6, 10, 19]. Am häufigsten werden intravenöse stickstoffhaltige Bisphosphonate im Rahmen einer Stoßtherapie angewendet:

• Ibandronat: 3–4 Infusionen mit 6 mg im Abstand von 3–4 Wochen • Zoledronat: einmalige Infusion mit 5 mg oder 2 Infusionen mit 4 mg im Abstand von 4 Wochen

Die i.v.-Gabe ist hier der oralen Gabe aufgrund der deutlich höheren Bioverfügbarkeit und der hohen Anreicherung im trabekulären Knochen überlegen. Auch wird durch die i.v.-Applikation eine deutlich raschere Schmerzlinderung erreicht. In der Behandlung des KMÖS an Knie-, Hüft- und Sprunggelenk/Fuß mit der ambulanten intravenösen BP-Infusionstherapie zeigten sich folgende Ergebnisse: • Eine signifikante Reduktion des Schmerzscores in der VAS kann nach 3, 6 und 12 Wochen erreicht werden. Eine rasche Schmerzlinderung tritt bei ca. 75  % der Patienten bereits nach der 1. Infusion auf. • Es konnte eine deutliche Verbesserung in den Scores der Gelenkfunktion erzielt werden. Dies betrifft bereits den frühen Untersuchungszeitraum (6 Wochen, 3 und 6 Monate nach Beginn der Therapie) als auch den späten Untersuchungszeitraum (1- und 2-Jahres-Follow-up).

6  KMÖ und KMÖS in der Orthopädie und Traumatologie

Im Vergleich zur alleinigen Entlastung und Schonung konnte durch die Infusionstherapie eine deutlich schnellere Schmerzreduktion, raschere Wiederaufbelastung, schnellere Sportrückkehr, eine Reduktion der Schmerzmitteldosis und Reduktion der Physiotherapiesitzungen sowie eine Verkürzung der Arbeitsunfähigkeit erreicht werden. • Eine signifikante Reduktion des KMÖ bzw. komplette Regression des KMÖ und der subchondralen Läsionen im MRT konnte in über 80 % der Patienten nach 3–6 Monaten erreicht werden. • Als typische Bisphosphonat-Nebenwirkung war nach der ersten Infusion in etwa 30  % eine milde Akute-Phase-Reaktion mit Muskel- und Gliederschmerzen zu beobachten, die aber in keinem Falle einer speziellen Therapie bedurfte. In unserem Patientenkollektiv trat bislang keine therapierelevante Einschränkung der Nierenfunktion auf. Auch traten keine therapieassoziierten Fälle von Kiefernekrosen oder atypischen Femurfrakturen auf. Die hier vorgestellte Klassifikation der subchondralen Knochenmarkläsionen (Abb. 6.6) für das Kniegelenk leitet sich aus den Ergebnissen der konservativen (Entlastung) und der medikamentösen Therapie ab. Die nachfolgenden Knochenmarkläsionstypen wurden auch in weiteren MRT- und Therapiestudien mit konservativer, medikamentöser, biophysikalischer und operativer Therapie beschrieben. Die Klassifikation erfolgt MRT-basiert anhand des Schweregrades und der Reversibilität. • Im Stadium 1 liegt ein KMÖ vor ohne abgrenzbare subchondrale Insuffizienzfraktur (SIF). Es besteht eine hohe Reversibilität. • Das Stadium 2 ist durch ein KMÖ mit zusätzlich bestehenden SIF unterschiedlicher Formen (Typ 2a, 2b und 2c) gekennzeichnet. Prozentual fallen die meisten behandelten Läsionen in das Stadium 2. Hier besteht ebenfalls bei adäquater Therapie eine Reversibilität der Läsionen, jedoch besteht ein erhöhtes

6.1  Das Knochenmarködemsyndrom (KMÖS) Abb. 6.6 Klassifikation der subchondralen Knochenmarkläsionen am Kniegelenk: Typ 1: KMÖ ohne Frakturlinie; Typ 2a: KMÖ mit Verdickung der subchondralen Platte (SP); Typ 2b: KMÖ mit linearer SIFK; Typ 2c: KMÖ mit mehreren oder atypischen Frakturlinien; Typ 3: KMÖ mit konvexer, flächiger subchondraler Frakturzone – Knorpel intakt; Typ 4a: flächige subchondrale Fraktur mit partiellem Gelenkeinbruch und Knorpelschaden; Typ 4b: große subchondrale Frakturzone mit Gelenkeinbruch und Gelenkinkongruenz

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Risiko für eine Progression der Läsion, v.  a. bei zeitlicher Verzögerung und zusätzlich vorliegenden Risikofaktoren. Die Reversibilität der SIF korreliert mit der Fissurlänge in der koronaren und sagittalen Ebene als auch mit der Anzahl der SIF. • Das Stadium 3 zeigt im MRT eine konvexe flächige Knochenmarkläsion über der subchondralen Platte, die bereits ein Zusammensinken der Fraktur andeutet (hypointens in der T1-Wichtung) und auch mit zystischen Läsionen auftreten kann. Der meist ausgedünnte Knorpel ist noch intakt. Die Läsion ist meist nicht komplett reversibel und das Ziel der Therapie ist eine Stabilisierung der Läsion und ein Erhalt des darüberliegenden Knorpels. Die Reversibilität der Läsion und gute klinische Ergebnisse korrelieren mit der Größe und der Dauer der Läsion und den vorliegenden Risikofaktoren. Unbehandelte Grad-3-­Läsionen können im Verlauf in einen Gelenkeinbruch mit konsekutivem Knorpelschaden und Gelenkinkongruenz (Stadium 4a und 4b) münden. Hier kommen dann häufiger operative Therapieverfahren zum Einsatz (Abb. 6.7a–d). Bessere funktionelle Ergebnisse korrelierten mit einem höheren Grad der Reversibilität in der MRT bei Absenz einer flächigen Frakturzone (Grad-3-Läsion) bzw. bei einer Höhe derselben