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German Pages 583 [600] Year 1839
Klopstscks
s ä mmt l i c h e We r ke . Stereotyp-Auögabe.
Achter Band.
Leipzig. V e r l a g v o n Ge o r g Joachi m Göschen.
1839.
deutsche Gelehrtenrepublik von
Friedrich Gottlieb Klopstock.
Leipzig. V e r l a g v o n G e o r g J o a c h i m Gö s c h e n. 1839.
I n h a l t . Die deutsche Gelehrtenrepublik, ihre Einrichtung, ihre Gesetze, Geschichte des letzten Landtags. Auf Befehl der Aldermänner durch Salogast und Wlemar.
deutsche Gelehrtenrepubtik, ihre Einrichtung, ihre Gesetze, Geschichte des letzten Landtags.
A u f Befehl der Aldermanner durch Salogast und W lemar.
Klopstock, deutsche G e le h rte u re p u b lik . V III.
1
Einrichtung der Republik. Die Republik besteht aus A ld e r m ä n n e r n , Z ü n fte n und V olke. Wir müssen auch, weil dieses einmal nicht zu ändern ist, P ö b el unter uns dulden. Dieser hat sich fast auf jedem Landtage über seine Benennung beschwert. M an hat ihm zu seiner Beruhigung verschied»« andre Benennungen angeboten, a ls: d a s g e r in g e V o lk , der groß e H a u fe n , der ge m e in e M a n n ; aber er hat damit nie zufrieden seyn, son dern immer: d as groß e V olk heißen wollen. Jahrbücher setzen beständig: P öb el. Es thut nicht noth, ihn zu beschreiben. Er hat keine Stimme auf den Landtagen; aber ihm wird ein S c h r e ie r zugelassen, der, so oft man nach einer Stimmensammlung ausruht, seine Sache recht nach Herzens Lust, doch nur eine Viertelstunde lang, vorbringen darf. Er ist gehalten, einen Kranz von Schellen zu tragen. Nach geendetem Landtage wird er allezit Landes verwiesen.
V o n dem V o lk e . Zum Volke gehört, wer, ohne sich über das M i t t e l m ä ß ig e zu erheben, schreibt, oder öffentlich le h rt, oder die Wissenschaften im gemeinen Leben anwendet; ferner gehören diejenigen dazu, welche so wenig von dem wissen, was würdig ist gewußt zu werden (es kommt hier auch m it in Betracht, wenn sie sich aufzu viel Unwissenswürdiges eingelassen haben), daß sie nicht zünftig sind. Außer diesen wird die Zahl des Volkes auch uoch durch die schwankenden Kenner, und die jenigen Jünglinge vermehrt, welche von sich hoffen lassen, daß man sie bald in eine Z unft werde aufnehmen können. Diese Hoffnung schlägt freilich nicht selten fehl, und manche von diesen Jünglingen bleiben zeitlebens unter dem Volke. Indeß ist es doch g u t, hier bei der Untersuchung nicht streng zu verfahren; denn sonst würde man wohl gar einigen Jün g lingen anrathen müssen, sich fürerst unter dem Pöbel auf zuhalten, unter dem sie n u r verw ildern, und ganz würden verdorben werden. Aber diese dürfen es dann auch nicht lange anstehn lassen, sich würdig zu machen, dem Volke an zugehören; denn sonst müssen sie sich, oft sehr unvermuthet, unter den Pöbel begeben. Das Volk hat einen R a t h f r a g e r . Diesen lassen die Aldermänner oder auch die Zünfte so oft zu Anfragen vor, als er es verlangt. E r hat über dieses auch das Recht, etwas öffentlich vorzutragen, so wie es die A n w ä l t e der Zünfte haben, aber doch m it dem Unterschiede, daß er n u r den Aldermännern, die Anwälte hingegen, ob es gleich gewöhnlich durch die Aldermänner geschieht, der Republik vortragen. Die A lder männer können daher den V o rtra g des Rathfragers abweisen.
Dieß schränkt zwar auf der einen Seite das Volk ziem lich ein; auf der andern Seite aber hat es, wie man gleich hören wird, auch Vorzüge, nicht n u r vor jeder einzelnen -Zunft, sondern sogar vor den Aldermännern. Es hat lange gewährt, e is die Einrichtung der Republik Ln dieses Gleis gekommen ist. Unsre jungen Politiker pflegen noch sehr oft darüber in S tre it zu gerathen, ob es so auch gut sey. Wenn unter dem Volk die M ehrheit über zwei D ritth e il geht, so macht sie bei der Stimmensammlung drei S tim m e n aus: und zwei, wenn sie unter zwei D ritth e ile n ist. S in d die einzelnen S tim m en getheilt, so hat das Volk g a r keine S tim m e . I m vorigen Jahrhunderte, da dieser Unterschied noch nicht war, da das Volk noch v ie r S t im m e n hatte, und da über'dieß bald diese, bald jene Z u n ft auf einige Zeit einzugehn pflegte, weil es an Wahlfähigen fehlte, ist das Volk Urheber mancher Zerrüttungen in der Republik gewesen. Doch e is w ir fortfahren, von ihrer Einrichtung Nachricht zu geben, muffen w ir ein Paar W orte von den A l t f r a n k e n sagen. M a n nennt diejenigen Deutschen, die nicht zu der Re publik gehören, Altfranken. D ie M itb ü rg e r anderer Gelehr tenrepubliken heißen bei u n s: A u s l ä n d e r , und die übrigen Einwohner andrer Länder: f r e m de L eute. D ie Benennung: A ltfranken, drückt auf keine Weise Geringschätzung aus; sie ist im Gegentheil m it daher entstanden, weil w ir nicht haben wollten, daß Deutsche sollten Ausländer genannt werden, obgleich Deutsche, die keine M itb ü rg e r unsrer Republik sind (es versteht sich von selbst, daß hier von denen die Rede gar nicht ist, die ihre Erziehung und Lebensart von allem Zugänge
zu den Wissenschaften völlig ausschließen), in Beziehung au f unS, wohl so hätten heißen können. D e r Ursprung dieser Benennung geht in alte Zeiten zurück. ES war damals, da unsre Republik entstand, nicht lange her, daß sich die Deutschen noch Franken genannt hatten. N u n hatten die kühnen, edlen Franken zwar große Thaten gethan, auch sogar einige gute Gesetze gegeben; aber die Wissenschasten hatten sie nicht geliebt. Daher unsre Benen nung: Altfranken, um diejenigen zu bezeichnen, die unS n u r in Absicht auf die Wissenschaften nicht angehören. W ir schätzen die A ltfra n k e n ; denn man kann Verdienste haben, ohne m ir den Wissenschaften bekannt zu seyn: aber w ir verachten sic auch von ganzem Herzen, sobald sie sich esherausnehmen, deßwegen, weil sie unwissend sind, m it S to lz aus uns herabsehn zu wollen. Und hier schützet sie nichtsgegen uns. Aus welchen alten Häusern, wie mächtig, wie bebändert und betitelt, wie reich, wie erfindsam in allem A rten dev Wuchers, wie wohlgewachsen, wie modisch, w ie fertig in Leibesübungen, fremden Sprachen und Spielen^ durch welche genaue Bande m it der sogenannten großen o ft sehr kleinen W elt sie verbunden seyn, und wie laut sie sich auch fü r Kenner der schönen Künste ausgeben mögen — sie werden verachtet. M a n muß übrigens die Altfranken ja nicht m it unserm Pöbel verwechseln. E in M itg lie d des PvbelS verdirbt die wenigen Naturgaben, die es etwa noch haben mag, durch das S tu d ire n ; ein Altfranke läßt sich gar nicht darauf ein. Denn, daß er etwa auch einmal in einem Buche blättert, oder einem Gelehrten m it Gebärden zuhört, als ob er wirklich Ohren f ü r ih n hätte, das verändert bei der Sache nichts.
V o n den Z ün ften. W ir haben v ie r.ru h e n d e und e ilf w irk s a m e Zünfte. Diese werden gewöhnlicher O b e r z ü n f t e , und jene U n te r z ü n f t e genannt. D ie M itglied er der Unterzünste haben manchmal Ge schäfte im gemeinen Leben, zn deren Betreibung allerdings dieß und das Theilchen einer kleinen Kenntniß erfordert w ird ; aber solche entfernte Beziehungen entscheiden nichts, und die Unterzünfte werden ihrer ungeachtet in Absicht au f die Republik als ruheird angesehn. Sobald ein Unterzünfter schreibt, oder öffentlich lehrt, oder seine Wissenschaft im gemeinen Leben anwendet, das heißt, sobald er aus dem Bezirke h e rv o rtritt, in welchem alles, was er weiß, n u r zur Nahrung oder auch zum Schmause seines eignen Geistes da is t: so kommt er dadurch, nach der Beschaffenheit der S chriften, des V o rtra g s, der Anwendung, entweder unter das V o lk , oder in eine O berzunft, doch in dem letzten Falle so, daß er der Z u n ft, auf welcher er zuvor w ar, auch noch angehören kann. Ueberhaupt kann man bei uns zwei, ja bisweilen, drei Zünften angehören; man muß aber, wenn Landtag ist, die ganze Zeit über auf der Z u n ft bleiben, die man fü r dießmal gewählt hat. D ie Unterzünfte sind: D ie Z u n f t de r W i s s e r , oder derer, welchen beinah alles Wissenswürdige bekannt ist. Diese Z u n ft ist seit jeher sehr klein gewesen. D ie Z u n f t d e r K u n d i g e n , Hälfte des Wissenswürdigen wissen.
derer, die mehr als die
D ie Z u n f t d e r D r i t t l e r . Ih re Benennung zeigt ihre Beschaffenheit. Es ist eine überaus große Zunft. S ie hat einen ganz besondern Gefallen daran, zahlreich zu seyn. Daher sie denn auch jeden Vielwisser m it lautem Zurufe auf n im m t, welcher von der Z unft der Wisser, wegen seiner V e r geßlichkeit in Ansehung des Wissenswürdigen, m it einsylbiger K älte abgewiesen ward. D i e Z u n f t d e r K e n n e r. Durch diese Z unft wird zwar die Zahl unsrer M itb ü rg e r nicht wenig verm ehrt, w ir haben sie gern unter u n s , und sie thu t auch wohl bisweilen etwas fü r u n s ; allein die meisten ihrer M itg lie d e r stehen gleichwohl in zu vielen und zu genauen Verhältnissen m it den A ltfranken, um patriotisch genug gegen die Republik ge sinnt zu seyn. S ie hat auch Z ü n s t e r in n e n ; aber diese haben bisher n u r im m er Abgeordnete auf die Landtage ge schickt. Vielleicht würde, wenn sie selber kämen, die Z unft patriotischer werden. B e i Aufnahmen in die Unterzünfte haben die Aldermänner viel saure A rbeit. Denn ohne ihre Genehmigung kann Niemand auf eine Unterzunft kommen. M a n vermuthet, daß sie den nächsten Landtag neues M aß und Gewicht des W is s e n s w ü r d ig e n werden einzuführen suchen. Was sie bisher davon abgehalten h a t, ist die alsdann schwerere B e rechnung gegen ausländisches Maß und Gewicht gewesen. Auch w ird , wie man sagt, auf diesem Landtage der große U nter schied, der zwischen Geschmack und K e n n e r e i ist, genauer festgesetzt werden. Gewöhnlich werden n u r die in die Oberzünfte aufgenom men, die selbst denken, selten nachahmen, und als Entdecker oder Erfinder wenigstens zu einiger Höhe gekommen sind. D ie Oberzünfte haben jetzt Anwälte und Aelteste, auf welche sie stolz
seyn dürfen. B e i einem Aeltesten kommt es nicht aus seine Jahre, sondern auf die Zeit an, die er Zünfter gewesen ist. W ir sind verpflichtet, bei der Nachricht von den Oberzünften allzeit zu erwähnen, daß diese oder jene derselben entweder ent decke oder e r fin d e , oder auch b e i d e s v e r e i n e . D a m it wird nicht gesagt, daß ein jeder Zünfter thue, auch nicht, daß es die meisten zu allen Zeiten gethan hätten (denn man konnte ja wohl bisweilen bei der W ahl eines M itzü n fte rs Erwartungen von ihm haben, die er nicht e rfü llte ); aber die Z u n ft selbst kann sich deßwegen nichts ver geben, noch Vorzüge verschweigen lassen, in deren Besitze sie seit vielen Jahren ist. W e il w ir Deutschen von uns selbst so wenig wissen, so sind uns auch gro ß e nteils unsre eignen Reichthümer, wenig stens ihrem ganzen Werthe nach, unbekannt. Auch das gehört zu diesen Reichthümern, was w ir r o h hinwarfen, und was dann die Ausländer nahmen, ausbildeten und sich z u e i g n e t e n . Aber die Geschichte w ird schon zu ihrer Zeit aufstehn und reden; und wenn sie geredet hat, so kommt alles vorhergegangne Geschwätz nicht mehr in Betracht. M a n le rne , was man Ausländern (sagte einm al ein Alderm ann), die etwa was gegen uns vorbringen, zu an t worten habe. Dieß hat man ihnen zu an tw o rte n : t n k e i n e r G e l e h r t e n r e p u b l i k ist so v i e l e n t d e c k t u n d e r f u n d e n w o r d e n , a l s i n d e r d e u t s c h e n ; und sie werden stillschweigen, wenn sie nicht unwissend oder Thoren sind, die in Ausflüchten oder Hartnäckigkeit Ruhm suchen. Einige der Oberzünfte sind d a r s t e l l e n d e , und andre abhandelnde. D a r s t e l l u n g und A b h a n d l u n g (dieß mochte Einigen vielleicht noch nicht recht bekannt seyn) sind nicht wenig von
einander unterschieden. Abhandlung ist gewöhnlich n u r T h e o r i e , und wo sie es nicht ist, da ist sie doch von der Darstellung gleich weit entfernt. D ie A r t des V ortrag s, die zum Erempel ein Naturforscher zu der Beschreibung einer gehabten Erfahrung w ä h lt, gränzt wenigstens sehr nah an den V ortrag der Abhandlung; Darstellung h a t T h e o r i e . S ie vergegenwärtiget, durch Hülfe der Sprache, das Abwe sende in verschiednen Graden der Täuschung. S ie beschäfti get bei der H ervvrbringung und bei dem Eindrücke, welchen sie auf den Zuhörer macht, die ganze Seele; Abhandlung n u r das Urtheil. D ie Beschaffenheit dessen, was auf beiden S eiten hervorgebracht w ird , le rn t man am besten kennen, wenn man auf die W irkung des einen oder des andern Acht hat ; und W irkung zeigt sich vorzüglich durch ihre D auer. E in abhandelndes Werk geht unter, sobald ein besseres über eben diesen In h a lt erscheint. E in Werk der Darstellung (wenn es sonst zu bleiben verdient), bleibt auch nach E r scheinung eines bessern über eben den In h a lt . W ir sagen n u r, daß es bleibe, und läugnen dam it nicht, daß es nicht etwas von seinem Werthe verliere. D ie Abhandlung n im m t bisw eilen, weil sie ihre B edürf nisse kennt, einige Töne von der Darstellung. Sobald sie - n v i e l n i m m t , wie sie z. B . in Buffons Schriften thu t, w ird sie Z w i t t e r w e r k . Und Zwitterwerk kann zu nichts W eiterm gelangen, als etwa dann und wann Mode zu seyn. M a n hat hierin zu viele vergebliche Versuche gemacht, als daß die Sache nicht entschieden seyn sollte. D ie darstellenden Zünfte sind: D ie Z u n f t d e r G e s c h i c h t s c h r e i b e r . S ie erfinden, wenn sie auf neue A r t darstellen, und entdecken, wenn sie das w i r k l i c h G e sch eh ne herausbringen. W er den Namen
eines Geschichtschreibers m it Recht führen w ill, m uß beides vereinigen. Diese Z unft würde die kleinste u n ter allen seyn, wenn sie nicht auch die zu M itgliedern aufnähm e, die sich bloß m it Untersuchung des Geschehenen beschäftigen. D ie Z u n f t d e r R e d n e r . V iele, die dem N am en nach auch R edner sind, hat die Z unft nicht aufnehm en wol len. S ie haben sich un ter das Volk begeben müssen- I n den ältesten Zeiten Deutschlands waren vornehmlich die O ber richter und die Feldherren Redner. S ie sind durch die vcrschiednen A rten der Darstellung Erfinder. D i e Z u n f t d e r D i c h t e r . S ie sind theils durch die Erdichtung, und theils durch neue A rten der Darstellung E r finder. Noch nie ist die Z unft so groß als jetzt gewesen; und doch hat m an dieM itzünfter nicht ohne S tren g e gewählt. D ie abhandelnden Zünfte sind: D i e Z u n f t d e r G o t t e s g e l e h r t e n . S ie sind E n t decker, wenn sie die Schrift von unrichtigen A uslegungen reinigen, und neue machen. A ls Prediger können sie auch den Rednern angehören. Sobald sie aber so m ittelm äßige Redner sind, daß sie als solche un ter das Volk müssen, so sind sie (m an ist hierin nach Beschaffenheit der Zeiten m ehr oder weniger streng gewesen) auch auf der Zunft der G o ttes gelehrten nicht zünftig mehr. M an verm uthet zw ar, daß den bevorstehenden Landtag viel Streitigkeiten hierüber vor fallen w erden; aber gleichwohl ist es, wie u n s dünkt, nicht zu befürchten, daß diejenigen die Oberhand behalten werden, welche auch d ie g u t e n R e d n e r a u s den Kirchen verban nen wollen. Solcherlei so oft schon da gewesene und bald wieder verschwundne V orurtheile pflegen eben kein Glück zu machen, wenn die Republik versam m elt ist.
D i e Z u n f t bet N a t u r f o r s c h e r . Eine große ver ehrungswürdige Z unft, zu der vornehmlich auch die Aerzte gehören. Einige gehen m it ihrem Ursprünge bis in die Zeiten der D ruiden zurück. Diese ließen die Verse, in denen ihre Untersuchungen enthalten w aren, nicht aufschreiben, sondern n u r auswendig lernen; und so mußten sie desto ge wisser untergehn. Von dem getischen Druiden Orpheus ist etwas durch einen Griechen ü brig, der davon gehört haben mochte. Welchem Ausländer sind die Entdeckungen der deutschen Naturforscher unbekannt? Diese Unwissenheit be halten sich n u r In län der vor. Auch die Chymiker gehören dieser Zunft an, so wie die Mechaniker der Zunft der M athe matiker auch angehören, ob sie gleich besondere Zünfte au s machen könnten. D enn sie handeln nicht ab, beschreiben auch nicht nach A rt der Abhandlung; sondern sie b r i n g e n h e r v o r , oder s t e l l e n d a r . (M an sieht, daß hier D ar stellung in einer andern Bedeutung genommen wird.) Aber bei Einrichtung eines S ta a ts kann nicht Alles so auf der Goldwage gewogen werden. M an untersucht, man berath schlagt sich, man streitet, die Leidenschaft mischt sich in s S p ie l; die Entschließungen werden gefaßt und ausgeführt. Und wer kennt die Rechte der Ausführung nicht? M an kann von ihr reden was m an will; aber drein reden, daß es Wirkung habe, läßt sie sich nicht. D ie Z u n f t d e r R e c h t s g e l e h r t e n . Als Gesetzerklä rer haben sie noch große Ernten von Entdeckungen vor sich. Zu dieser Zunft gehören auch die Publicisten und die P oliti ker. S e it einiger Zeit macht sie nicht wenig Schwierigkeit, wenn ein Politiker will aufgenommen werden, weil die ge lehrten Politiker so oft und m it so vielem Rechte von den regierenden sind verlacht worden.
D i e Z u n f t d e r A s t r o n o m e n beschäftigt sich mehr m it Entdeckungen, und D ie Z u n f t d e r M a t h e m a t i k e r mehr m it E rfin dungen. D i e Z u n f t d e r W e l t w e i s e n oder der Untersucher der ersten Ursachen, und der S ittenlehre in ihrem ganzen Umfange. S ie sind E rfin d e r, wenn sie neue, oder vorher schon wahrscheinliche Sätze e r w e i s e n . D i e Z u n f t d e r S c h o l i a s t e n . S ie haben in unsern Zeiten nicht mehr viel zu entdecken. D ie g e mi s c h t e Z u n f t . S ie besteht aus deutschen Sprachlehrern, aus Theoristen der schönen Wissenschaften, aus Geographen, aus Heraldikern; aus solchen, die über vielerlei I n h a lt kleine Schriften so schreiben, daß man sie wegen Einer, in keine andere Z u n ft, aber doch wegen aller zusammen in diese aufnehmen kann, und aus Uebersetzern der Alten, und solcher Neuern, welche die Vergleichung m it jenen aushalten. D ie Uebersetzer beschäftigen sich zwar eben sowohl m it Werken der Darstellung als m it abhandelnden; aber gleichwohl sind sie n u r hier zünftig. D ie Sprachlehrer und Theoristen haben, nach vorhergegangener großer S ä u berung, noch Vieles zu entdecken. Erfinder könnten die letzten nur alsdann seyn, wenn es anginge, aus der N a tu r der Seele n o t h w e n d i g e Regeln des Schönen zu erweisen. S ie thun genug, wenn sie durch eigne und durch A ndrer E r f a h r u n g die W irkungen bemerken, welche das Schöne hervorbringt, und so geführt die Beschaffenheit desselben bestimmen. D ie Oberzünfte haben auf den Landtagen jede Eine S t im me, auch wenn die S tim m e n der Z ünfter getheilt sind. I n diesem Falle gibt der A n w a lt den Ausschlag.
D ie Unterkünfte haben n u r m it der Bedingung die Eine S tim m e, daß die einzelnen S tim m en über zwei D r it theil gehn. D ie fü n fte haben A n w ä l t e . E in A nw alt muß sehr auf seiner H u t seyn, und sich ja nichts herausnebmen wollen. Denn die Z u n ft duldet's nicht. M a n hat von mehr als einem Anwälte Beispiele, daß er sogar von dem Vortrage, den er bei den Aldermännern hatte, ist abgerufen, und ein neuer an seine Stelle geschickt worden.
Von den Aldermännern. *) D ie Aldermänner werden aus allen Zünften gewählt. Ob sie gleich auch von einzelnen Zünftern zur W ahl können vorgeschlagen werden, so geschieht's doch gewöhnlich von einer Z unft, selten von ih rer eigenen, weil sie in diesem Falle nicht leicht dazu kommen, Aldermänner zu werden. W enn sie nicht wenigstens zwei S tim m en über die Halste haben, so sind sie nicht gewählt. W ir haben noch kein Beispiel, daß einer durch alle S tim m en wäre Aldermann geworden. Selbst Leibnitz ward es nicht. Dieß . . . doch den Vorhang herunter. D ie Aldermänner haben z w e i S t i m m e n . S in d die einzelnen S tim m en gleich, so w ird geloost. S ie können Anklage und Vertheidigung, wenn sie nicht von einer Z unft geführt werden, ohne sie auszuhören (n u r den Rathfrager müssen sie aushören), abweisen. *) Aldermar-n ist ein alteS deutsches Mort.
S ie können vom Pöbel so viele, als sie wollen, Landes verweisen. S ie haben keinen A nw alt; unterdeß sind hoch einige unter ihnen oster Wortführer, als andere. Jeder Aldermann darf nicht nur die M einung der meisten oder aller Alderrmmner, sondern auch einiger wenigen und sogar seine eigne allein den Zünften und dem Volke vortragen. Ueber dieses alles können sie auch Knechte freilassen, und dem Herold die Stim m ensam m lung auf drei Tage verbie ten. S ie thun das Letzte sehr selten, weil es die Zünfter nur gegen sie aufbringt. E s ist nicht ausgemacht, ob sie einen Landtag ohne A n frage bei Zünften und Volk endigen können; sie haben's indeß zweimal m it stillschweigender Genehmigung gethan.
B on den Knechte«, Freien und Edlen.
Wer nur Andrer M einu ng, oder Geschmack h a t, oder wer nur nachahmt, ist ein K n ech t. Wer selbst denkt und selten nachahmt, ist ein F r e i e r . Wer als Entdecker oder Erfinder eine gewisse Höhe er reicht hat, ist ein E d l e r . D am it man dieß W ort ja im rechten Verstände nehme, so merken wir a n , daß es gar keine Beziehung auf diejenigen Edlen habe, welche Verdienste erben. Unsre Edlen haben selbst Verdienste, und größere, als gewöhnlich jelbst die Erblasser hatten. Diese Unterschiede haben darauf, ob unsere M itbürger dem Volke oder den Zünften oder auch den Aldermännern angehören, folgende Beziehung:
Die meisten Knechte sind unter dem Volke. Kein Knecht kann Aldermann werden. Die Zünfte haben bisweilen einige wenige. A uf dem Landtage 1753 entstand ein großer Zwist darüber: ob m an nicht wohl thäte, wenn man die Knechte (es waren ihrer damals noch viel mehr als jetzt) nnzünftig machte; aber es ging nicht durch. Und welche Ungerechtigkeit würde es auch nicht gewesen seyn, wenn m an die guten, ehrlichen Knechte, die es kein Hehl hatten, wie in ihren Schriften und sonst offenbar am Tage lag, so hätte verstoßen wollen; da man auf der andern Seite den vielen heimlichen Knechten der Unterzünfte doch nicht hätte beikommen können. Unter der Zunft der Kenner soll es dazumal so viele dieser letzten A rt gegeben haben, als es verhältnißmäßig n u r immer heimliche Juden in Portugal geben mag. Es sind auch wohl bisweilen etliche Freie unter dem Volke; aber gewöhnlich sind die Freien Zünfter. Die Aldermänner werden fast immer n u r ans den Edlen gewählt.
Von den Belohnungen.
D ie F r e i l a s s u n g . Die Bedingungen, unter welchen ein Knecht ein Freier w ird, kommen in den Gesetzen selbst vor. W ird ein Knecht, der ein Scribent ist, frei gelassen, so geschieht es (nun seit drei Landtagen) m it dieser Formel, welche der wortführende Aldermann ausspricht: U n s re A l te n g a b e n d em K n e c h te , d en s ie l o s l i e ß e n , e i n e n P fe il.
D u hast b i s h e r d ie F e s s e l d e r N a c h a h m u n g g e tr a g e n . D a s V a t e r l a n d le g te sie d ir n ic h t a n , d a s t h a te s t du s e lb s t; a b e r e s lö se t sie. D a ist d e in P f e i l : L e s e r, w ie g e f a ll' ich d i r ? L e s e r, w ie g e fä lls t du m ir ? D ie S c h a le . Einigen w ird, wenn sie in die versam melte Landgemeine kommen, aus der Quelle des H ains geschöpft. W ir haben eine goldne neuere, und eine Muschelschale, die noch aus den Zeiten der Druiden seyn soll. D a s E ic h e n b la tt. Es wird Etlichen bei ihrer An kunft gereicht. Einigen wird ein Hügel angewiesen, von dem n ur sie die Landgemeine anreden können. B l a t t und E ich el empfangen Einige zugleich, wenn sie ankommen. Die Unterherolde überreichen die Schale, die B lätter und die Eichel; sie führen auch auf den Hügel. S o gewiß es auch ist, daß die Eiche den deutschen Charak ter vorzüglich gut abbildet, und daß sich wohl etwas Anmaßung unbesess'ner Verdienste m it einmischte, wenn die Römer ihren Vürgerkranz aus Eichenlaube flochten, so können wir doch der Meinung derer nicht beitreten, welche den Ursprung der eben angeführten Belohnungen in den ältesten Zeiten unsrer N a tion finden. Denn zu geschweige», daß diese M einung bloß Vermuthung ist, so war die Eiche bei unsern ältesten V or fahren mehr, als etwas Symbolisches; sie war ein geheiligter B aum , unter dessen Schatten die G ötter am liebsten ausruhten. Alles, was man etwa zugestehn kann, ist, daß die geglaubte Heiligkeit der Eiche die Wahl derselben zu einer symbolischen Klopftock, deutsche Gelehrtenrepublik. VIII.
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Vorstellung vielleicht veranlaßt hat. Denn in den ersten Zeiten der Republik war unter dem gemeinen Volke die Eiche noch eben so heilig, als es die Loose waren, welche man da m als nicht etwa im Verborgnen, sondern vor den A ltären warf. Z u r u f a n di e N a c h k o m m e n . W er einen Hügel hat, und die Eichel m it dem B la tte zu erhalten pflegt, ist der größ ten unserer Belohnungen fähig; dieser nämlich: der Herold r u f t von ihm vor der versammelten Landgemeine a u s : U r e n k e l , schütze s e i n W e r k g e g e n d i e L e e r h e i t , die F ü h l l o s i g k e i t u n d die s p i t z f i n d i g e D e n k u ngsa r t deiner B r ü d e r ! Daß dieser A u s ru f geschehen sey, w ird auf eine Pergament rolle, wie die Gesetze, geschrieben, und die Rolle w ird in der großen Halle aufbewahrt.
V o n den S tra fe n . D a s S t i r n r u n z e l n zeigt nicht S p o tt, sondern n u r Verdruß an. D a s L ä c h e l n ist angehender S p o tt. D ie l a u t e Lacke ist voller herzlicher S po tt. D a s N a s e r ü m p f e n ist S p o tt und Verachtung zu gleich. D a s H o h n g e l ä c h t e r ist beides im höchsten Grade. Zwei einheimische Folianten tragen, nennen w ir : d e n H u n d t r a g e n ; vier ausländische: den S a t t e l t r a g e n . Diese beiden Strafen sind durch sehr alte und lang abgekom mene deutsche Gesetze veranlaßt worden. W er den Hund
träg t, geht hundert Schritte dam it, und wer den S a tte l, tausend. Kein Freier oder Edler trägt den S a tte l. D en tragen n u r die Knechte. Unterdeß beehrt m a n , bei geringerer Straffälligkeit, auch wohl Knechte m it dem Hunde. E s ist dieß eine gelinde S tra fe . S ie wird der R unzel gleich gehal ten. W ir haben's dabei im S in n e unsrer Alten genom m en. Diese, die den wirklichen H und tragen ließen, m einten's m it dem nicht schlimm, welcher dem einzigen Gesellschafter des Menschen unter allen Thieren diese kleine Gegenfreundschaft erweisen mußte. M it dem S a tte l ist es ganz w as anders, nicht sowohl deßwegen, weil es vier F o lian te n , sondern weil es ausländische sind. D ie L a n d e s v e r w e i s u n g geschieht durch den Herold m it diesem Z urufe: G e h , du trinks t nicht mehr a u s der Q u e l l e d ie s e s H a i n s ! u n d w ä r m s t dich n i c h t m e h r a n unserm Feuer! Einem d ie T o d t e n f a c k e l a n z ü n d e n , heiß t: ihm durch den Herold zurufen lassen, d a ß s e i n e S c h r i f t t o d t se y , ob e r gl ei ch s e l b s t noch l ebe. E s ist schon gesagt worden, w as die Herolde bei den B e lohnungen und auch bei zwei Bestrafungen zu thun haben. W ir haben aber auch sonst noch Beam te, welche die andern S trafen an den M an n bringen müssen. Diese sehr löblichen Aemter sind allerdings etwas lästig. D ie Lästigkeit findet be sonders alsdann statt, wenn sie jo viele V errichtungen auf Einm al bekommen, daß sie dieselben so zu sagen m it E iner Gebärde und in Einem Athem bewerkstelligen müssen. W er ihrer einer werden w ill, muß hauptsächlich zwei Eigenschaften haben: nämlich eine große Geschicklichkeit, sich
sehr ausdrückend zu gebärden; und dann ein gar besondres Larvengesicht, wobei vornehmlich die Größe und Gestalt der Nase m it in Betrachtung kommen. D er Hohnlacher must außer diesem (er kriegt aber auch mehr verewigte M aculatur zur Besoldung als die andern) eine sehr starke und zugleich rauhe Stim m e haben. M an pflegt wohl den Schreier von der Landesverweisung loszusprechen, und ihn zum Hohnlacher zn erheben, wenn seine Nase die erforderlichen Eigenschaften zu dieser Verrichtung hat. Es verlautet, daß es verschiednen gewesenen A usrufern, die jetzt Aufwärter bei den Nachtwäch tern sind, geglückt sey, Anwartschaft auf eine oder andre dieser Stellen zu bekommen. S ie sollen besonders in der Gebärdung gar stark seyn. Diese sind die gewöhnlichsten Belohnungen und Bestra fungen. Die übrigen, die seltner vorkommen, kann m an au s den Gesetzen kennen lernen.
V on dem Polizeigerichte.
Bisweilen wird auf den Landtagen ein Polizeigericht niedergesetzt. Dieses geschieht, wenn Fälle vorkommen, die zu entscheiden unter der Würde der Republik wäre. D ieß Gericht besteht aus Zwölfen, die zum Volke gehören, und au s Einem fünfter, Es ist gehalten, nach einer Vorschrift zu ver fahren, die, den Zeitumständen gemäß, gelinder oder strenger eingerichtet wird. Zünfte und Volk überlassenes gewöhnlich den Aldermännern, die Vorschrift zu geben. Vielleicht kommt diese Nachricht von der Einrichtung der Republik Einigen zu kurz vor. D a sie aber gleichwohl voll ständig ist, so kann uns unserm Vcdünken nach der V orw urf
-e r Kürze nicht nachtheilig seyn. Den meisten Gelehrten ist -Lese Einrichtung ohnedieß schon bekannt, und die, welche «egen ihrer Ju g end , oder aus andern Ursachen, noch nicht auf unsern Landtagen gewesen sind, mögen aus dem Kerne, den wir geliefert haben, sich, wie es ihnen gefällt, den B aum aufwachsen lassen, und, kommen sie hernach auf einen Land tag, zusehen, ob Blüthe und Frucht so sind, wie sie es ge m eint haben. W ir wollen zu allem Ueberflusse nur noch ein paar An merkungen machen. Die Einrichtung der Republik ist aristokratisch. D a die Gesetze auch die größten unsrer M itbürger angehn, so kann es -nicht geschehn, daß die Aristokratie in Oligarchie ausarte. Im vorigen Jahrhundert fing die Republik an, ziemlich demo kratisch zu werden; aber diesem Uebel ist im Anfange des jetzigen dadurch völlig gesteuert worden, daß das Volk die -vierte Stim m e verloren hat, und die Aldermänner den V or trag des Rathfragers abweisen können. W ir sind auf Landtagen der englischen und der französi schen Gelehrtenrepublik gewesen. Die englische ist beinah de mokratisch. D er Pöbel hat da viele Freiheiten, und mehr als Einen Schreier. W enn sich die Schreier über eine Sache -vereinigen (das Beste ist noch, daß dieß selten zu geschehn pflegt), so kann der Pöbel sogar der Republik vortragen. Knecht kann man da nach Herzenslust seyn, und heißt doch ein Freier. Denn diese Ausländer behaupten, daß sie keine Knechte unter sich haben. Deutschen, denen es zuwider ist, daß wir hiervon nicht geschwiegen haben, müssen wir bezeu gen, daß sie uns, wegen ihres Anstaunens des Ausländischen, verächtlich sind. Die französische Gelehrtenrepublik ist jetzt so oligarchisch,
23 daß sie sogar einen Hang hat, die D ik ta tu r einzuführen. A u f dem Landtage, auf welchem w ir waren, fehlte nicht viel daran, daß V o lta ire wäre zum D icta to r gemacht worden. Glücklicher Weise gelang noch einem kleinen Häuflein P atrioten ihre Widersetznng. W enn denn ja D ik ta tu r seyn sollte, welch ein D ic ta to r! Was würde er unter uns seyn! S ollte unsre Re publik (welches doch ganz und gar nicht zu befürchten ist) so unglücklich seyn, auf die D ik ta tu r zu verfallen, so wurde die Sache doch gewaltig in s Stecken gerathen, wenn es nun auf die W ahl des D ictators ankäme. Leibnitz könnten w ir denn doch nicht wieder auferwecken. Aber gesetzt, er lebte noch, würde dieser so sehr verehrungswürdige M a n n , dessen Be scheidenheit n u r seiner Große glich, die D ik ta tu r annehmen w ollen? D ie F r e i h e i t u n s n r Republik ist in ihrer Einrichtung und in ihren Gesetzen tie f gegründet. V on innen haben w ir also ihren Verlust nicht zu fürchten; aber von außen auch nicht. Denn wären a u c h Mä c e n e in Deutschland, so würden die sich gewiß nichts gegen die Republik anmaßen, das ih rer Freiheit nachtheilig seyn könnte: und dazu, daß uns die M ä c e n a t e , die es etwa hier und da gibt, auch nu r den Schat ten eines Jochs sollten auflegen können, würde sehr viel ge hören, nichts G eringer's, als die Abschaffung derer Gesetze, welche die Republik in Beziehung aus sie gegeben hat.
Wi e
Ge s e t z e .
V o r r e d e .
D i e Gesetze unsrer Republik sind bisher nur durch die mündliche Ueberlieferung unter u n s bekannt gewesen. D ie Aldermänner pflegten sie bei versammelter Land gemeine bisw eilen au s dem Gedächtnisse zu wieder holen. N u r wenige unsrer M itbürger bekümmerten sich genug darum , um in die H alle zu gehen, und in den Rollen nachzulesen. Oeftere Vorschützung der Angeklagten, daß sie die Gesetze nicht recht wüßten, hat die Aldermänner zu dem Entschlüsse gebracht, u n s, Salogast und W lem ar, zu gebieten, daß w ir den H aupt inhalt der n o t h w e n d i g s t e n Gesetze durch den Druck bekannt machen sollten. W ir thun dieses hierm it, und führen dabei allzeit die Gesetze selbst, oder die L a n d g e r i c h t e , denn so heißen sie in unsern Jahrbüchern, dadurch a n , daß wir den Anfang derselben hinsetzen. E s ist nun auch Folgendes von den Alderm änner» ge nehmigt worden. D ie Landgerichte werden nämlich nicht mehr, w ie vordem und nur bisw eilen geschah, vor
der Landgemeine au s dem Gedächtnisse wiederholt, sondern verlesen. Und vielleicht wird bei der nächsten Versam m lung der Landgemeine au f den Druck derselben angetragen. I n dem F alle, daß dann die M ehrheit der Stim m en für diese Bekanntmachung ist, so werden w ir sie, und zwar in der ihnen eignen ältern Schreib a r t, die aber auch in den spätern Zeiten ist beibehalten w orden, herausgeben. D ürften w ir diese Schreibart auch verändern, so würden w ir es doch nicht thun wollen. D enn sie ist von einer Beschaffenheit, daß durch sie der w a h r e S i n n der Gesetze vorzüglich gut hervorleuchtet. H ätten w ir , w as unsre jetzigen Anzeigen des H au pt inh alts betrifft, auch n u r im geringsten diesen w ahren S in n verfehlt, so würden w ir die ersten seyn, die sich darüber die lebhaftesten V orw ürfe machen w ürden. D enn zu geschweigen, daß dieß dem Besten der Republik zuwider w äre , so müßten w ir und ja alsdann fürunw ürdige Abkömmlinge unsrer großen S tam in väter, S a l o g a s t s und W l e m a r s , halten, die nebst andern W eisen ihrer Z eit die Gesetze der salischen Franken und der Friesen m it der gewissenhaftesten S o rg fa lt gesammelt und in O rdnung gebracht haben. Geschrieben in der großen Halle 1769.
Einleitung.
1. V o n den Grundsätzen der R epublik. Deren haben wir nur drei. Der erste ist: durch U n t e r suchung, Best i mmu ng , Entdeckung, E r f i n d u n g , B i l d u n g und Beseelung e he ma l i ge r , neuer und w ü r d i g e r Gegenstände des De nk e ns und der Em p f i ndung sich recht vi el e und recht mannichfal tige Beschäftigungen und V e r g n ü g u n g e n des Geistes zu machen. Der zweite: das Nützlichste und Schönste von dem, was j eneBe s c hä f t i g u n ge n und V e r gn ü g u n g e n u n t e r h a l t e n h a t , durch S c h r i f ten, und das Not hwendi gst e auf Lehrstühl en A n dern m i t z u t h e i l e n . Der dritte: S c h r i f t e n , deren I n h a l t e i ne r gewissen B i l d u n g nicht n u r fähi g, sondern auch wü r d i g ist, denen v o r z u z i e h n , die ent weder ohne diesen I n h a l t , oder ohne diese B i l d u n g sind. Dadurch wird nicht gesagt, daß diese Bildung sich immer bis zur D a r s t e l l u n g , aber gesagt wird, daß sie sich allzeit über den trocknen V o r t r a g erheben müsse.
D ie Erfahrung vieler Jahrhunderte hat gezeigt, daß n u r solche Schriften dauern. Und obgleich auch bisweilen die jenigen, denen jene W ürdigkeit des In h a lts fehlt, auf die Nachwelt gekommen sind, so verdienen sie doch ihre Dauer nicht. D e r G rund des Vorzuges, den w ir geben, ist zu erwartende und verdiente Dauer. Handeln und Schreiben ist weniger unterschieden, als man gewöhnlich gla übt. W er handelt und wer schreibt, bring t Wirkungen hervor. Diese sind auf beiden Seiten sehr mannichfaltig. D ie das Herz angehn, sind die vorzüglichsten. S ie haben eine nähere Beziehung ans Glückseligkeit, als alle andern. Ob der Schreiber oder der Handelnde in größerm Umfange wirke? D er eine vielleicht bisweilen so lange er le b t, und dann durch die W irkungen der W irkun ge n, so lange sie dauern können. D er andre w irkt auch nach seinem Tode, und i m m e r v o n n e u e m ganz. Und wenn dieses von neuem ganz auch n u r ein Jahrhundert fortw äh rt, so w ährt es lange. Hierzu kommt noch die gewöhnlich größere Zahl derer, auf welche die S ch rift Einfluß hat. Und dann die Einflüsse der Leser auf die, welche sie nicht kennen. Dieß wiegt auch auf der Wagschale. D ie Aldermänner haben uns geboten, auch über diese Sachen kurz zu seyn, ob w ir gleich, ohne w eitläuftig zu werden, viel mehr darüber hätten sagen können.
2. V o n unsrer P o litik . W ir haben gar keine. Dieß bringt uns nicht wenig Nachtheil. Den Aldermännern ist nicht unbekannt, daß sie sich bei versammelter Landgemeine vergebens bemühen würden, sie von diesem Nachtheile zu überzeugen. S ie haben aber
L7 beschlossen, einige wenige Grundsätze der P o litik fü r sich selbst festzusetzen. H ie rv o n kommt in der Geschichte unserer Re p u b lik , die n u n bald vollendet is t, m ehr vo r. W ir wissen noch n ich t, ob w ir sie werden herausgeben d ü rfe n ; aber davon, daß u n s die Alderm änner befehlen werden, die Geschichte des bevorstehenden Landtages bekannt zu machen, haben w ir v ie l H o ffn u n g .
A u f diesem werden vie l wichtige D in g e vorgehn
und ausgemacht werden. u n te r andern
M a n w ird auch, wie die Rede geht,
einige F re ie ,
die es unrechtmäßig sind,
zu
Knechten machen; viele unsrer M itb ü r g e r, bis sie sich etwa bessern m öchten, fü r stim m enlos, und nicht wenige zu Nacht wächtern
erklären,
sowohl wegen ih re r W ah lfä h ig keit, als
auch deßwegen, w e il die V e rm ehrung der Nachtwächter jetzt noth th u t. D e n n von den ausländischen Gelehrtenrepubliken kommen nachtnächtlich m ehr verstorbne S ch rifte n a n , die als Gespenster um gehen, und bei unsrer Jugend besonders dadurch vie l Unheil s tifte n , daß sie vorgeben, als machten sie daheim Epoke. ( W ir dürfen es uns verzeihn, dieses fremde W o r t gebraucht zu haben, w e il das ganze Geschwätz von a llerlei Epoken, die keine Epoken sin d , von den A u sländern zu u n s herüber gekommen is t.) u n te r
uns
an
erwähnten
Es zweifeln freilich etliche
Gespenstergeschichten; sie führen
auch ziemlich scheinbare Ursachen ih re r Zweifel a n , indem sie sagen, daß solche S ch rifte n ohne Geist gewesen w ären; wenig stens würde m an das Gegentheil eben so wenig erweisen können,
als m an erweisen könnte, daß die Thiere Seelen
h ä tte n : aber was sie auch vorbringen mögen, so sind zu V iele, die solche Gespenster gesehen haben.
V o n unsrer Sprache.
1. W er lateinisch schreibt (die bekannten Nothdurften ausge nommen), wird so lange Landes verwiesen, bis er etwas in unsrer Sprache geschrieben hat.
Landgericht: Die unvaterländischen Sklaven . . . L. G . Den Nachlesern und Stoppelsammlern . . . W ir werden sowohl hier, als in der Folge einige historische und auch andre Erläuterungen hinzusetzen. N u r denen, welchen unsre Gesetze gleichgültig sind, kann es diese S o rg fa lt ihren S in n zu zeigen seyn. D as Gesetz, die S k l a v e n betreffend, ist älter, als w ir wegen der lauen Beobachtung desselben sagen mögen. D ie S t o p p e l s a m m l e r kamen auch schon auf einem Landtage des vorigen Jahrhunderts vor. D ie Schvliasten haben sich auf beiden Landtagen nicht wenig unnütz gemacht; aber dafür auch derbe Widersprüche Horen müssen. Eine Stelle des ersten Gesetzes hat uns im m er vorzüglich merkwürdig ge schienen, diese nämlich: d e n n w a s da B ü c h e r l i e f e t , w i r d n i c h t e h e r a u s dem N e b e l d e r R e d e n s a r t e n h e r a u s , u n d b i s zu dem L i c h t e w i r k l i c h e r G e d a n k e n k o m m e n , a l s b i s d i e , welche d i e B ü c h e r f e r t i g e n , i n de r S p r a c h e des L a n d e s s c h r e i b e n . D er Scholiast Petrus Schorfius Secundus soll von dieser S telle das Zipperlein gekriegt haben.
2. W er in einer neuen ausländischen Sprache schreibt, w ird so lange Landes verwiesen, bis er etwas in unsrer Sprache herausgibt. I s t er. ein Knecht, so w ird er vorher durchs Naserümpfen gestraft.
L. G . D ie Geringschätzung des E ig n e n , und Bewunderung des Frem den. . . L. G . Selbst Leibnitz, wenn er wieder käme. . . 3. W enn ein Knecht über drei neue W orte wagt, so büßt er's durch das Naserümpfen.
L. G . Einmischung in andrer Leute Sachen . . ♦ Dieß Gesetz ist auf dem ersten Landtage, von dem w ir Jahrbücher haben, nämlich 1553, gegeben worden. M a n weiß, daß schon Luther (gegrüßet sey m it einem warmen herzlichen Gruße die Asche dieses vortrefflichen M a n n e s !), daß schon er einen ordentlicheren Landtag, auf dem unter andern A lles, was vorginge, in Jahrbücher aufgezeichnet würde, hat zusammen berufen wollen; aber er ist nicht dam it zu Stande gekommen, und darüber hingestorben. W ir finden in den Jahrbüchern (Luthers Handschrift ist dabei geklebt, und m it Seidenzeuge, wie die kleinen Malereien über den Liedern der Minnesänger, bedeckt) Folgendes m it größer»
Buchstaben eingetragen: k o r n m t ' s d a z u , daß di e Landg e me i n e g e l e h r t e r M ä n n e r z u s a m m e n t r i t t , so r e g ' ich d e n n a n , u n d b r i n g e al s z u r Ri cht s chnur i n V o r s c h l a g : b e r ü m p f t s ol l u n d mu ß w e r d e n j e g l i c h e r Knec ht , k l e i n e s oder g r o ß e s R u f s u n d N a m e n s , v om H a u p t b i s z u m F ü ß e n , der ' s wa g h a l s e t , auch n u r z wei b i s d r e i n e u e W o r t ' i n u n s r e l i e b e deut sche S p r a c h e e i n s c h a l t e n zu
wollen. 4. Wenn ein Freier oder Edler ausländische Worte ohne Bedürfniß in die Sprache mischt, so entgilt er's, sind's nur wenige, durch die S tirn ru n ze l; sind's aber viele, so trägt er den Hund. Mischt ein Knecht ein, es seyen dann viele oder wenig W orte, so büßet er's durch das Hohngelächter, und wird er noch einmal betreten, durch den Sattel.
W ider die Sprache ♦ ♦ .
N atur
L. G . und alte gute S itte
unsrer
5. Wer hundert Scherfe und zehn Goldstücke in die Sprache gebracht hat, der erhält Schale und B la tt; wer die doppelte Zahl der Scherfe und der Goldstücke, Hügel und Eichel.
L. G . W e il von der Sprache großenteils die Denkungsart eines Volks abhängt . . . Sowohl das von der a l t e n g u t e n S i t t e , als von der Spr ache u n d D e n k u n g s a r t , sind 1698 gegeben
worden. I u K a rls des Fünften Jetten mischte m an , wie Leibnitz erzählt, spanische W orte e in , vermuthlich aus gut herziger Dankbarkeit fü r den schönen kaiserlichen E in fa ll, und dam it ihm die Pferdesprache etwas sanfter wiehern möchte. W ie es diesen Worten ergangen ist, wissen w ir ; und sehen zugleich daraus, wie es künftig alten H e u t i g s t ä g i g e n E i n m i s c h u n g e n ergehen werde, so arg näm lich, daß dann einer kommen und erzählen muß, aus der oder der Sprache wäre dam als, zu unsrer Je tt nämlich, auch wieder eingemischt worden; aber die Sprache, die das nun einmal schlechterdings nicht vertragen könnte, hätte auch damals wieder Uebelkeiten bekommen. I n dem zweiten dieser Ge setze wird von den Goldstücken gesagt, daß sie wahre Hecke t h a l e r wären.
Von Streitschriften. 1. Streitschriften können n u r im Falle der Nothwehr ge wechselt werden.
L. G. Obwohl oft Wahrheit durch Streit und Strauß . . . Dieses wurde erst auf dem Landtage 1733 gegeben. Eine frühere Gesetzgebung, S tre it und S tra u ß betreffend, hätte vielleicht manche Lächerlichkeit von den Gelehrten abgewendet.
2. Wenn der Fall der N othw ehr, welcher durch hundert gute M änner und Einen bestätigt werden m uß, nicht vor-
Handen gewesen is t, so w ird's an dem Angreifer und dem Vertheidiger durch dreimal wiederholtes Hohngclächter gerügt, weil unter den Altstanken, vornehmen und geringen, viel Lachens über S tre it gewesen ist.
L. G . D er hohe Ton etlicher Altfranken, die doch selbst, wenn sie Kriege führen . . .
3. I s t der eine von den Streitenden ein Edler gewesen, so büßt er's n u r durch die S tirn ru n z e ln und das Lächeln.
L. G . M ehr zur W arnung als zur S trafe . . .
4. W ird ein S treite nde r ertappt, daß er u n ter seinem Schreibzeuge K n itte l oder Keule versteckt liegen habe, so w ird er auf ein J a h r Landes verwiesen.
L. G . Alle W ild e m a n n s-A rb e it. ♦ . Diese drei Gesetze gehören dem folgenden Landtage zu. D ie Angeklagten hatten sich h inter der Schwierigkeit, den Fall der Nothwehr zu bestimmen, verstecken wollen. D a s : d e r hohe T o n e t l i c h e r A l t f r a n k e n enthält besonders eine nicht unmerkwurdige S te lle , diese näm lich: m ö g e n sich doch K a r l u n d F r a n c i s c n s noch so h e ftig e S c h i m p f w o r t e zugeschrieben h a b e n ; mag
doch so mancher Fürstendiener, wenn er, zur Zeit des Schwertrechts, vom Bernunftrechte ge plaudert hat, durch Hülfe noch derberer Schimpf worte über beiderseitigeMajestäten noch so weit weggekommen seyn, so ist's und bleibt's doch der Gelehrten unwürdig . . . B e i der gelinderen Bestrafung eines Edlen w ird voraus gesetzt, daß er m it mehr M äßigung als der andre gestritten habe. Denn wäre dieses nicht, so müßte er es, tveil er ein Edler is t, desto mehr büßen. Cs konnte scheinen, als wenn das letzte dieser Gesetze in stühcren Zeiten, in denen, da m an noch g e w a f f n e t e V o r r e d e n schrieb, wäre gemacht worden. Gleichwohl ist es von 1733. M a n hat Unrecht, wenn man den Gesetz gebern nicht zu tra u t, daß fie ihre Jeite« kennen. Vielleicht ist dieß Gesetz, selbst i n unsern Z eiten, nicht ganz über-
m tKerngesetze. 1. W er, unter dem Vorwände der Vollständigkeit, das Wiederholte wiederholt, ist au f J a h r und Tag zu Beloh nungen unfähig.
L. G . Anlangend die Abschaffung der Pluderhosen . . . W ir erwähnen n u r im Vorbeigehen, aber, nach unsrer historischen Genauigkeit, können w ir cs doch auch nicht völlig weglassen, daß unter dem Volke und der Z u n ft der Hlopstvck, deutsche Gelehrtenrepublik. VI!I. 3
Scholiasten ein nicht kurzdauernder Zwist darüber entstand, vb man P l u d e r h o s e n oder P u m p h o s e n sehen sollte. Dieses sehr reichhaltige Gesetz, das unschuldiger Weise den lächerlichen Zwist veranlaßte, wurde auf dem Landtage 1723 von den Aldermännern in Vorschlag gebracht. B einah' wär' es nicht durchgegangen. N u r Eine Z u n ft gab den Ausschlag. D ie Scholiasten regten sich m it besonderer Heimtücke dawider. D ie Nachricht von ihren damaligen Ränken fü llt viele B lä tte r -e r Jahrbücher. W ir haben diese Abtheilung deßwegen Ker n ge s et z e überschrieben, w eil w ir sie unter den Papieren eines Alderm anns m it dieser Aufschrift gesunden haben.
2. W enn sich ein S crib en t in seinen Werken au f.m e h r als zwei W i s s e n s c h a f t e n und drei K e n n t n i s s e einläßt, muß er entweder auf alles Gefühl von Vortrefflichkeit V e r zicht th u n ; in diesem Falle ist e r, so lange er bei dieser Verzicht beharret, aller Belohnungen unfähig.
L. G. Alle die sich mit Wissen und Willen beim Stuhle niedersetzen . . . Oder er fahren sey. w ill, ist e r, sowohl aller
muß beweisen, daß Leibnihens Geist in ihn ge I m F alle, daß es m it dem Beweise nicht fo rt so lange er bei der Behauptung beharret, eben Belohnungen unfähig.
L. G. Da nichts mißlicher ist, als Berufung auf große Männer . . .
W ir haben die erste von diesen beiden Rollen nie gelesen, ohne «ns bei folgender Stelle etwas länger aufzuhalten: d e n n B o r t r e f f l i c h k e i t hat F a lk e n a u g e u n d A d l e r f l u g , n n d is t m i t n ic h te » e in S c h m e t t e r l i n g , d e r n u r so eb e n e in w e n ig ü b e r m G esch m e iß u m h e r fla tte r t.
E i« Knecht kann über diese Sache gar nicht vernommen werden.
L. G . Alles was außer der Sehe und Beäugung . . .
4. I n dem hoffentlich seltnen F alle, daß ein Freier fo rt dauernde Unbärtigkeit durch den Augenschein darthun kann, w irb er auch nicht vernommen.
L. G . D a Unbärtigkeit unter die unüberwindlichen Hinder nisse . . . D ie beiden Gesetze, die k u r z e S e h e und die a u g e n sc h e in lic h e U n b ä r t i g k e i t betreffend, gehören m it zu den gelindesten, welche die Republik hat. B e i den A lt franken sind uns indeß die Folgen dieser Schonung etwas nachtheilig. Denn diese haben kein Arg aus dem großen Unterschiede, der zwischen Knechten, solchen Freien und M ännern is t, wider welche nach den drei ersten Kerngesctzen m it Strenge verfahren w ird.
5. W er überwiesen werden kann, daß er die S tunde des Genie's ungebraucht habe vorübergehen lassen, ist auf J a h r und Tag keiner Belohnung fähig.
L. G . D ie
Kürze
des Lebens und
die Seltenheit der
S tunden . . .
6. W er zu wenigem In h a lte viel Geschwätz gemacht, und dieß hundert und Einen Tag getrieben h a t, e n tg ilt es durch die laute Lache.
L. G . Niemanden weniger als den Deutschen ziemet . . . L. G . D ie große ansteckende und gar gefährliche K rankheit unsers erleuchteten achtzehnten Ja h rh u n d e rts . . . D ie Seuche, der das Gesetz erw ähnt, wurde erst auf dem Landtage 1757 so recht bemerkt; und doch hatte sie besonders auch in vorigem Jah rhu nde rt schon sehr gewüthet. W ie schleichend ist oft der G a n g , den die menschliche Erkenntniß geht. W ir können die etwanige Dunkelheit des Ausdrucks: H u n d e r t u n d E i n e n T a g , am besten aus dem Gesetz selbst erklären. I n der Rolle lautet's davon so: t r e i b t m a n d a s h u n d e r t u n d e i n t ä g i g e Geschwät z a u f L e h r s t ü h l e n , so ist d i e R e d e v o n w i r k l i c h e n
T a g e n ; f ä l l t a b e r b e r U n fu g in B ü c h e r n v o r , so w ir d d ie a n g e z e ig te Z a h l B o g e n v e rs ta n d e n . 7. W ill sich einer, der vieles Geschwätzes halben angeklagt ist, durch Gewohnheiten, Herkommen, S itte n und Gebräuche anderer Gelehrtenrepubliken, unsrer Bundesgenossinnen, ent schuldigen, so büßet er's durchs Hohngelächter.
L. G . Nicht zur Beschönigung,
sondern
daß
man sich
daran spiegle, d ie n t . . . M i t den Einflüssen dieser S itte n und Gebräuche ging es vo r der Gebung des Gesetzes (es ist auch erst von 1757) doch auch allzuweit. W er M u th genug ha t, sich in große Bücher säle zu begeben, muß beinahe vor jedem Schranke die Ohren zuhalten, wenn er nicht völlig betäubt werden w ill. W ir Deutschen (sagte m ir ein Bekannter, der mich an meinem Pulte antraf) gehen wohl, ohne alle Einflüsse der Ausländer, auf unserm lang gebahnten Wege fort. E r ließ m ir Folgendes zurück: ich legte es in s P u lt. B i t t e a n A p o llo . Is t ei uns angeboren? ist es erlernet?
W ir Deutschen
Sind w eitläu ftig , und ach selber die Denkenden stnd's! Wenn es erlernt ist. so sey. A p o ll, noch E in m a l B a rb a r, und. W ie den Marsyas einst, kleide die Lehrenden aus.
D o n den Lehrgebäuden.
1. Nene Lehrgebäude werden gleich, wenn sie fe rtig sind, ver b ra n n t.
L. G . D a m it die Republik nicht durch zu große W a h r heitsverluste in Gefahr komme. . .
2. W e n n das Lehrgebäude b re n n t, w ird der E rb a u er an die G ränze g e fü h rt. Läßt er beim Umsehen n u r eine T h rä n e fa lle n , so w ird er so lange verwiesen, bis der W in d die Asche ganz zerstreuet hat.
L. G . Hartnäckige oder weichliche Anhänglichkeit darf nie den R ic h te r...
3. W e r auch n u r a ls H a n d la n ge r dabei geholfen, vornehm lich aber wer den K ra n z aufgesetzt u n d die Rede gehalten h a t, w ird m it der la u te n Lache bestraft.
8. G . B e i D ing en , wodurch die Republik in Gefahr kom men kann, w ird bis auf den H elfershelfer... E in ig e w o llte n , daß m an die E in fü h ru n g dieser Gesetze, w e il W o lf noch lebte, b is zum künftigen Landtage aussetzen
sollte. Aber wie konnte die versammelte Republik, eines M annes halben, unterlassen, was fie z u th u n vorhatte? W ird die Zeit jemals kommen, da man g e n u g r ic h t ig e E r fahrungen w ird gesammelt haben, und also die Gesetze von den Lehrgebäuden wird abschaffen können?
B o n den N a ch tw ä ch tern .
1. W er fü n f Jahre und sieben Tage nichts anders gethan, als mittelmäßige Bücher übersetzt h a t, w ird Nachtwächter. L. G . D ie gute Vertheilung der verschiednen Geschäfte. . . W urde 1733 von der Z u n ft der Scholiasten vorgeschlagen. S ie fürchteten wohl, -aß nähere Bekanntschaft m it den A u s ländern ihren Schriften nachtheilig seyn möchte. D ie ein stimmenden Zünfte nahmen „m i t t el m ä ß i g" in seinem rechten Verstände, und kehrten sich nicht daran, daß die Scholiasten die Schriften der Neueren überhaupt damit gemeint hatten^ Bald nach Einführung des Gesetzes wurden drei Scholiasten, weil sie ans andern Ursachen wahlfähig waren, zu Nacht wächtern gemacht.
2. E in Nachtwächter sorgt unter andern d a fü r, daß die,welche durch eine spitze oder scharfe Feder im Zweikampf erlegt find, und nun als Gespenster umgehen, des Spukes nicht zu viel machen.
L. G . D as
ewige Vorgeben derer, die im Zweikampfe
geblieben sind, als w ären sie nicht geblieben . . . W er hat solche Beispiele von Zweikämpfen nicht erlebt. W ir Gelehrten streiten so v ie l, daß ja zuletzt auch: wohl mancher bleiben muß. A ls vor kurzem der berühmte P ara celsus Gompel von seinem Gegner nicht ritterm äßig erlegt, sondern auf gut irokesisch so war zerstümmelt worden, daß. er vor aller W e lt Augen, Glied bei Glied, dalag; konnten seiner gleichwohl drei Nachtwächter nicht H e rr werden, so gewaltig spukte er, und schrie im m er dabei: ich bin aber doch nicht erlegt I ich bin nicht erlegt, sage ich! Endlich riefen sie einen ganz jungen Kritikbeflissenen zu H ü lfe , der eben erst! aus dem Neste geflogen war. D e r verstand's anders, und schaffte den armen Gompel auf der Stelle fo rt. W enn er nun noch bisweilen wiederkommt, so t r i t t er ganz leise a u f, und fragt, sobald er die H örner hört, im m er erst, eh' er weiter schleicht: ist der Beflissene auch von der Gesellschaft?
V o n der Entdeckung und Erfindung.
1. Entdecker bekommen das Eichenblatt.
L. G . D a besonders auch dadurch das Beste der Republik gefördert w ir d , d a ß . . . Auch die gehören zu den Entdeckern, welche die wahr geglaubte E rfahrung als falsch zeigen.
2. E rfindern w ird der Hngel gegeben.
L. G . D ie Ehrerbietung, die man den Erfindern schul dig is t. . . L. G . Erfindung hat Augen, Fund e rta p p t's ... D a b e s o n d e rs auch d a d u rc h u n d : d ie E h r e r b ie t u n g , d ie m a n . . . sind schon von 1645. S o früh sind uns Entdecker und Erfinder wichtig gewesen; und gleichwohl scheint noch jetzt die Ä rn n tn iß dessen, was einer N a tio n Ehre macht, bei unsern Großen sehr eingeschränkt zu seyn. Und wer kann wissen, wie lange ihnen diese altfränkische Denkungsart noch ausleben w ird. 3. Wenn bie Entdeckung und die E rfindung von Umfange der Schwierigkeit und des Nutzens ist, so w ird dem E n t decker der Hügel und dem E rfind er, außer dem Hügel, B la tt und Eichel gegeben.
L. G . Keiner hat gerechtere Ansprüche auf die höchsten Belohnungen. . . L. G . Nicht die bloße Ausbildung, sondern die wirkliche Erweiterung der Wissenschaften...
4. W enn ein Knecht darthun kann, daß Entdeckung oder E r findung einem Andern zugehöre, so läßt man ihn frei.
L. G . Sollte etwa ein Knecht wider alles V e rm u th e n ... Nichts ist ungerechter, als eines Andern Erfindung fü r seine eigne auszugeben. Deßwegen boten w ir selbst die Knechte gegen solche Räuber auf.
D o n den M a c e n a te n . V o r b e r i c h t . Selbst ein M äcen, ein Unterstützer der Wissenschaften, welcher dem römischen gleicht, und nicht bloß sein Nachäffer ist, kann das nicht th u n , was M a rtia l in jenen kriechenden Versen an Flaccus schrieb: w e n n n u r M ä c e n e s in d , so w i r d 's a n M a r o n e n n ic h t fe h le n . S e lb s t d e i n D o r f w i r d d i r e in e n V i r g i l g e b e n . W as können nun vollends Mäcenate thun? Und was ha be n sie g e th a n ? Doch sie lassen w ir in R u h ' und Frieden der Ehre genießen, m it der sie nun so fürlieb nehmen wollen; unsre Gesetze gehen n u r diejenigen unter uns an, die schwachköpfig oder niedrig genug sind, Mäcenate als Mäcene zu verehren.
1. N im m t sich's einer heraus, ohne Anfrage bei Z u n ft oder Volke, irgend Jemand einen Mäcen zu nennen, der ein Band
hat oder fe in d , einen Kragen oder fein en , der ein Altfranke ist, oder einer unsrer la u e n M itb ü rg e r, aber der weder Macht noch K o p f s g e n u g ha t, ein Mäcen zu seyn, so f'ommt er so »st, und jedesmal auf drei Tage, entweder unter das V o lf, oder unter den Pöbel, als ihm es ein andrer nach spricht, und gegen den M a n n , den man m äcenirt h a t, den grossen Namen mißbraucht. W ird 's ihm zum zwanzigsten M ale nachgesprochen, so muß er bleiben, wo er dann eben hingefommen ist.
L. G . Möchte sich doch die Asche M äcens in ih re r Urne bew egen... th u t's ,
In
daß w ir
der R olle
steht noch dieses:
noth
sie sogar verschiedentlich benennen.
E iner von altem römischen Gepräge heiße denn: ein M ä ce n ; und einer von neuerem Schlage,
ein Ehren
pfennig, heiße: ein Mäcenat.
2. Schmeichelt Jemand einem Mäcenaten dergestalt, daß diesem sogar davor efett, so w ird er auf drei Tage unter die Nachtwächter gebracht.
L. G . W o einer, es sey schriftlich oder m ündlich, dem Mäcenaten so unmäßiglich räuchert, daß diesem schlimm darob w ird , und er endlich die Nase zuhalten muß, s o .. .
3. F ührt Jemand einen guten Jü n g lin g zu einem Mäcenaten, daß er demselben Bücklinge mache, und seine W orte noch fü r
etwas mehr als W orte nehme, so w ird er au f so viel Tage Landes verwiesen, als der arme junge Mensch Bücklinge ge macht hat. D a es manchmal Schwierigkeiten haben könnte, die Zahl der Bücklinge genau anzugeben, so werden, bei verschiedner Aussage des Führers und des G eführten, zwanzig in Rechnung gebracht.
L. G . Oberschranzen und Unterschranzen, Jrwische und Sternschnupfen, und dergleichen; Masken, und was sie in die Hand schreiben, Versprechen und Halten, und dergleichen. . . Einige wollten bei der erwähnten Verschiedenheit der A u s sagen hundert Bücklinge annehmen; allein sie ließen sich doch von ihrer M e in u n g abbringen, als man ihnen vorstellte, daß die kleinen halbvvllendeten Bücklinge, deren doch bei solchen Anlässen nicht wenige vorfielen, bloß als Z w is c h e n s p ie le anzusehn, und daher nicht mitzuzählen wären.
4. W er Mäcenaten edle Ehrbegierde Schuld g ib t, w ird als ein Verunglim pfer ihres guten Nam ens angesehn, und gleich allen Afterrednern der Polizei übergeben.
L. G . D ürfte Schutz der Gesetze irgend Jemanden ver weigert werden, so fände solche Verweigerung bei etwanigen Klagen der Mäcenatschaften wohl am ersten s ta tt...
W ie oft u rth e ilt man nicht von Sachen, von denen man doch nicht weiß, wie es damit zusammenhängt. W ir befürch ten, -aß die angeführte Rolle solche U r t h e i l e r e i veranlassen werde. MLr müssen also sagen, wie sie entstanden ist. E in M äcenat gab wider einen seiner H o firer eine Klage e in , daß ihm dieser a u f eine ehrenrührige Weise S tolz beigemeffen habe; und der Hofirer hatte doch weiter nichts gethan, als in einem langen Abschnitte v o n d e r e d le n E h r b e g i e r d e eine nicht viel kürzere Anwendung auf den Mäcenaten gemacht. M a n that dem Mäcenaten Vorstellung über die eigentliche Be schaffenheit der Sache; da er aber gar nicht hören wollte, und über versagte Gerechtigkeit immer lauter wurde, so konnte man ihm zwar wohl keine Genugthuung verschaffen; denn nach welchem Gesetze hätte man den Hofirer bestrafen könnend aber man sah sich doch durch den V o rfa ll genöthigt, das Gesetz, wovon w ir reden, zu geben. D e r Mäcenat äußerte viel Zufriedenheit darüber, und schien völlig besänftigt zu seyn, als er den Landtag verließ. Komm m ir nun n u r wieder! mochte er denken. N u r denen, die noch nicht lange in der W e lt gelebt, oder auf nichts, was darin vorgeht, Achtung gegeben haben, ist es unbekannt, daß solche Begebenheiten sich wirklich zuzutragen pflegen.
5. Derjenige M äcenat, der den Unfug einsieht, welcher da durch entstanden ist, daß er sich die bekannten Körner hat streuen lassen, und der dabei erklärt, daß er dergleichen ge lehrte Dienerschaft nicht ferner zu dulden gesonnen sey, kann in die Republik, und also nach vorgängiger Untersuchung der M e rm ä n n e r entweder unter das V olk, oder in eine Z unft
aufgenommen werden. Fände man ihn aber weder hier noch dort der Aufnahme w ü rdig , so läßt man ihm gleichwohl nicht zu, sich un te r den Pöbel zu begeben. D enn wie wenig Ansehn er un te r wahren Kennern von Personen und Sachen auch im m e r gehabt haben mag, so geziemt es sich doch nicht, daß ein g e w e se n e r M ä c e n a t unter dem Pöbel herumwandre, und wenn er au f einem Landtage etwas vorzubringen hat, sich bei dem Schreier in Gunst sehen müsse, daß der es be kannt mache.
L. G . Unerachtet aller H e g - und Pslegung der Zuschrifts verbeugungen , Knechtlichkeiten und Kriechereien,
der
sich etwa ein w eiland M äcenat möge schuldig gemacht haben. . .
V o n der E h re , die keine E hre ist.
1. A n denen, die Verdienste haben, aber doch schwach genug sind, sich aus dem Beifalle derer etwas zu machen, die keinen geben können, w ird diese Schwachheit dadurch bestraft, daß es ihnen m it vorzüglicher Strenge, und beinah' m it, Härte er schwert w ird , die Belohnungen der Republik zu erhalten.
L. G . W e il m it Nichten können loben, und auch
nicht
tadeln, die da sind Nachsager, A ngaffer, W itzhaftige,
Schwätzer in Zusammenkünften und Büchern, M äcenaten, Schranzen, Ausschreiber, Abconterfeier, Meisterer, Pfuscher,
Theoreiklauber, Bänkelsänger,
Schemelrich
ter, und w er sonst noch dieses Gelichters, Geschmeißes, und Gezüchts seyn mag, kurz die N arren, Thoren und Gäuche sammt und sonders, von denen Luther sagt: bist du der H a a r,
Lieber, so g re if' d ir an deine O hren,
und greifest du recht, so w irst du finden ein schön P a a r großer langer O h re n ;
und wage
dann vollends die
Kost daran, und schmücke sie m it güldnen Schellen, auf daß, wo du gehest, man dich hören könne, m it F in g e rn auf dich weisen, und sagen: sehet, sehet, da geht das feine T h ie r , das so trefflich kann Ehre geben und Ehre nehmen.
M agst dann m it den Schellen läuten, oder
auch, behaget d ir dieses baß, a u f der L e tte n schlagen allerlei Sudelei etlichen zum Lobe, und a lle rle i Hudelei etlichen zum T a d e l, so haben w ir zu Förderung ächter E h r, und dam it diese K rö n , J u w e l und Kleinod ge lehrter Leute nicht unter die B ank gerathe, diensam zu seyn erachtet, d a ß .. . Dieß Gesetz ist aus der M itte des vorigen Jahrhunderts, nämlich von dem Landtage 1652. Es ist sehr zu vermuthen, daß es auf dem nächsten Landtage werde abgeschafft werden, weil es auf unsre Zeiten nicht paßt, und daher überflüssig ist. Gleichwohl haben w ir nicht unterlassen w ollen, cs m it anzuführen, weil man denn doch allerhand gute Betrach tungen über das anstellen kann, was zu den Zeiten unsrer
Vorfahren etwa nützlich oder wohl gar nothwendig gewesen ist.
2. W ird Jemand ertappt, dass er einem A usrufer Eigenlob m it noch etwas dabei in die Hand gedrückt, und sich also selbst ausgerufen habe, so wird er der Polizei übergeben, die ih n dann den Umständen gemäß, nachdem nämlich der A u s r u f la u t oder leise gewesen ist, lange oder kurze Z eit gewährt hat, schon abstrafen w ird.
L. G. Da solch Eigenlob, welches einer durch eines An dern Schlund und Maul gehen läßt, so unsäglich stinkt, daß. . . W ir sind einige Zeit bei uns angestanden, ob w ir dieß Gesetz m it anführen wollten. W ir dachten nämlich, es könnte der Ehre der Republik nachtheilig seyn, wenn w ir einen so schlimmen Schaden aufdeckten, als der ist, zu dessen H eilung sich hier die Gesetzgeber haben herablassen müssen; allein bei reiferer Erwägung der Sache fanden w ir , daß es denn doch billige M ä n n e r, und sollten sie selbst Altfranken seyn, der Republik nicht würden zu Schulden kommen lassen, wenn sie etwa ein Paar solcher r ä u d i g e r M itb ü rg e r hätte. I s t doch wohl vielfachere und größere Räudigkeit unter denen vorhanden, welche, m it einem der f e i n s t e n T ö n e der so genannten großen W e lt, das gleich von a l l e n Gelehrten behaupten, weßwegen doch n u r eine geringe Anzahl u n te r ihnen Vorw ürfe verdient.
3.
Diejenigen, die einander öffentlich wiederholt, nnd so loden, daß man stehet, der eine wolle immer wieder haben, nnd bekomme auch wieder, was er gegeben hat, machen sich dadnrch unwürdig, daß ihnen Denkmale gesetzt werden.
L. G . Wechseln ihrer zwei mit solcher Hitze Lob gegen einander, daß immer Schuß auf Schuß geschieht, und es sich also zuletzt fügt, wie es sich fügen mußte, näm lich daß sie beide auf dem Platze bleiben, so kann sir zwar in der S tille beweinen wer da w ill: aber N ie mand darf solchen der wahren Ehre verlustigen Leu ten . . . 4.
Wer seinem Buche in der Vorrede liebkoset, sollt' er auch diesen Weg des Selbstlobes mit noch so leisen Tritten gehn, kann in zwei Jahren, wenn er unter dem Volke ist, auf keine Aunst kommen; und ist er ein Zünfter, in eben so langer Zeit nicht Anwalt werden. Aldermann wird er niemals.
L. G . Wär es, daß man die Vorreden ganz und gar abschaffen, und also das Uebel mit Stum pf und S tie l ausrotten könnte, s o . . . Klopstock, deutsche Gelehrtenrepubllk. VIII.
4
so V o n den geadelte» Gelehrte». D ie Annehmung eines Adelnamens macht, wenn m a» ih n zwar nicht gesucht, aber auch nicht abgelehnt h a t, der Belohnungen der Republik verlustig; hat man ihn aber gesucht, so ist und bleibt man über dieses auch zeitlebens «nzünftig.
L. G . W ie auch der Federhut zu dem Degen, und zu dem, was sonst noch dorthin gehört, etwa passen möge, so schicken sich doch die Feder auf dem Hute wenigstens die neugerupfte und die in der Hand so wenig zusam men, d aß . . . V o m Landtage 1757. B e i diesem Gesetze ist, nach unsrer M e in u n g , zweierlei m erkwürdig: erst, daß es nicht schon vor langer Zeit ist gegeben worden; und da nn, daß es, da es endlich gegeben wurde, so schwer durchging. N u r eine S tim m e M e h rh e it gab den Ausschlag.
V o n den Literaturschnle«. Glaubet ei» Kunstrichter, daß er eine Literaturschule stiften könne, wenn er ein Häufchen oder einen Haufen Kunstrichter um sich versammle, und zu ihnen sage: w i r w o l l e n e in e S c h u le s e y n : so werden sie, der S t if te r durch den R ü m p fe r, und die Gestifteten durch den Laut lacher bestraft.
L. G . W e il nach Einführung mancher Mißbräuche, und
B eglaubigung vieler J rrs a le , obenein auch noch Schul halter und Schulknaben aufgekommen sin d , s » . . . D ie Veranlassung zu diesem Gesetze oar folgende: etliche K ritik e r hatten davon gehört, daß man die M a le r in Schulen absonderte, a ls : in die römische, die venetianische; da dach ten sie, sie müßten auch aus verschiedenen Schulen bestehn, und vergaßen dabei zu überlegen, daß nicht die Beurtheile r!d e r M aler!, sondern die M a le r selbst die Schule aus machten.
Bon der Freilassung. 1. W enn ein Knecht sein Geschriebenes bis au f ein Stück oder zwei vor der Landgemeine öffentlich verbrennt, so w ird er nach dem übriggelassenen be urthe ilt, und kann den näch sten Landtag fre i werden.
L. G . Obgleich lange Knechtschaft. . .
2. W enn ein Knecht durch Nachahmung eines andern Knechts zwiefach ein Knecht w ir d , so ist er auf J a h r und Tag zur Freilassung unfähig.
L. G . Allzugroßem V e rfa lle vorzubeugen. . .
I s t von 1652. Es ging zwar beinah' m it allen S t im men durch, aber leider ist auf den folgenden Landtagen nicht sonderlich darüber gehalten worden. D ie Knechte von der Z w i t t e r a r t , die nämlich, welche halb nachahmen, und halb ausschreiben (das Völkchen ist jetzt nicht kle in !), sind noch unter den z w i e f a c h e n . W ir haben des Gesetzes oder vielmehr der Polizeiverordnung die erste A r t betreffend nicht erwähnt, weil w ir, nach dem Be fehle der A lderm änner, n u r die n o t h w e n d i g s t e n Gesetze bekannt machen sollten. Es ist hier übrigens noch nachzu holen, daß zwiefache Knechte, und Knechte von der Z w itte ra rt nicht zünftig sind. A u f dem Landtage 1757 wurde von einigen n u r erst vor kurzem freigelassenen Knechten in Vorschlag gebracht: den zwiefachen Knecht zur Freilassung gänzlich unfähig zu erklä ren. Aber die Republik hat, nach ihrer weisen Gelindigkeit, das alte Gesetz behalten und zugleich das neue gegeben: daß k e i n g e w e s e n e r K n e c h t v o r V e r l a u f e i n e s J a h r e s et w a s bei d e r ' L a n d g e m e i n e i n V o r s c h la g b r i n g e n k ön n e . 3. W enn ein Knecht einen streitsüchtigen Freien im Zwei kampfe erlegt, so w ird er freigelassen.
L. G. Den Knechten desto mehr Thüren und Thore zu öffnen ♦ . . A u f dem Landtage 1698 traten die Knechte zusammen, und baten um Einführung dieses Gesetzes. B eim ersten
Anblicke scheint es, daß die S treitigkeiten dadurch gebilligt « e rde n; aber bet genauerer Untersuchung findet m a n , daß, da S treitigkeiten einmal ein Uebel sind, welches nicht völlig abgeschafft werden kann, es der W eisheit der Gesetz geber gemäß w a r, ihnen dadurch von ihrem Reize etwas zu benehmen, daß sie oft durch Knechte geführt würden; und überdieß war es auch g u t, daß ein Weg mehr da wäre, zur Freilassung zu gelangen.
V o n den Ankündig ern «nd A usrufern.
1. D ie A usru fer können bei dem Anlasse, da sie neue B ü cher anzeigen, ihre S tim m e als M itb ü rg e r geben. Dünket ihnen aber, daß sie deßwegen, weil sie A u sru fe r sind, mehr als Eine S tim m e haben, so müssen sie sich entweder dam it entschuldigen, daß sie zu der Z e it, da sie diese M e in u n g von mehr als E in e r S tim m e hegten und äußerten, krank gewe sen seyen, oder sie werden zum Hohngelächter verurtheilt.
L. G . D a allerlei W a h n , Dünkel und Schwindel obwal tet, als w e n n . . .
2. Verharren die A u sru fe r bei ih rer M e in u n g , so fragt sie der A ldcrm ann: wie vie l S tim m e n denn mehr als Eine?
und nachdem sie eine Zahl genannt haben, so werden sie eben so viele Jahre Landes verwiesen. L. G . D a die Leute oft mehr als einen Sparren zu v ie l. . ♦
3. Wenn ein solcher Ausrufer von der Landesverweisung zurückgekommen ist, so wird er noch Jahr und Tag Auf wärter bei den Nachtwächtern, und ihm liegt ob, den Nacht wächtern das Horn rein zu halten, damit es gut blase, und er in Zeiten damit umgehen lerne. Denn künftig, wenn er wieder Ausrufer ist, muß er, wenn er fein Ausrusungsgeschäft verrichtet, von Zeit zu Zeit dabei ins Horn stoßen. L. G . Es ist nicht ohne, daß die Gesetzgeber gegen ein gewurzelte und hartnäckige Schäden. . . Zn diesem Blasen wird unter andern erfordert, daß sie nicht durchgehends: ich oder w ir Horen lassen, sondern wenigstens Einmal die K r it ik an ih re S t e lle unter schieben. Dieser Unterfchub der K r it ik ist eine ausdrück liche Bedingung, die sie nothwendig eingehn müssen, eh' sie ins Land zurückkommen dürfen.
4. Sollte ein Ausrufer des Umstandes, daß der Landtag noch entfernt ist, zu sehr mißbrauchen, und mit den vielen
Stimmen, die er zu haben glaubt, zu laut schreien, so warne ihn Jeder, der eS gut mit den U n m ü nd igen meint, die der Ausrufer etwa irre führen könnte, und gebe ihm tu verstehn, dass denn doch endlich gewiß Landgemeine gehalten werde. Wer dieß thut, hat Belohnung von den Aldermännern zu erwarten. L. G . Auch gute H a n d lu n g e n , die in
den Gesetzen nicht
benannt sind . . .
5. Thut ein Ausrufer Einen schiefen Ausruf, und Einen spitzfindigen, und Einen gar unwissenden, und Einen allzuplauderhaften, und bricht er die Ursachen des Tadels oder des Lobes, das er in dem Ausrufe vorbringt, offenbar vom Zaune; und geschieht dieses so ununterbrochen, daß er da zwischen nicht Einmal gewissermaßen zur Vernunft kommt^ so wird er auf fünf Jahre stimmenlos. L.
G.
W o ein solcher, der sich vo r aller W e lt O hren in s B eurtheilen mischet, bis dahin geriethe, daß er die ganze Runde der Abgeschmacktheit machte . .
W ir finden in den Jahrbüchern keine S p u r, wie cs zu gegangen ist, daß die gemischte Z u n f t mit diesem dochwirklich allzugelinden Gesetze hat durchdringen können. Man stelle sich vor, was alles bei einander sepn müsse, ehe man
straffällig w ird , und man w ird die übertriebne Gelindigkeit des Gesetzes zugestehn. Es ist von dem Landtage 1745. Den folgenden Landtag suchte sich ein Angeklagter in völligem Ernste und m it gro ßer Hartnäckigkeit a u f diese A r t zu retten : nach dem Ge setze besteht die bekannte R unde, die in demselben m it einem so widrigen Ausdrucke beschrieben w ird , d a rin , daß erst ein schiefer A u s ru f geschehe, hernach ein spitzfindiger, ferner ein gar unwissender, dann ein allzuplauderhafter, und daß man hierauf endlich die Ursachen vom Zaune bricht. N u n berufe ich mich a u f A lle , die meine B lä tte r gelesen haben — und wer las sie nicht?— ob ich nicht gerade das Gegentheil von dem thue, was in dem Gesetze steht. Fange ich etwas schief an? B eim Zaune fange ich a n ! D a nn schreite ich (m an erlaube m ir die etwas härtlichen Ausdrücke des Gesetzes ein wenig zu m ildern ; dieß w ird demselben nicht zum Nachtheile gesagt; denn wer hat wohl mehr Ehrfurcht gegen die Gesetze, als ich habe?) ich schreite dann zu einer gewissen angenehmen Redseligkeit fo rt; hierauf fä llt denn wohl ein A u s ru f v o r, in dem etwa ein W o rt der Unwissen heit stehen mag; wer kann aber auch Alles wissen, was andre Leute wissen? Nach diesem begebe ich mich m itte n in das Verfeinerte hinein. D enn verfeinert — was soll's zu vieler Bescheidenheit?— bin ich in hohem Grade! Und endlich kommt bei m ir erst da s, was die Rolle jchief, ich aber kühne Wendung des kritischen Genie's nenne. I s t das nun die Runde, von der das Gesetz redet? Mache ich nicht viel mehr die meinige in der entgegengesetzten Ordnung? Zu geschweigen, daß ich, auch in andrer Betrachtung, mehrbemeldete Runde nicht mache. Ic h habe es durch meine ge milderten Ausdrücke zur Gnüge d a r g e t h a n , wie unschul-
big ich auch von dieser S e ite b in ! K urz — denn was braucht es bei einer so klaren Sache viel W o rte ? — ich wollte m ir die Stim m enlosigkeit, m it der man m ir drohet, gar sehr ver beten haben! M a n siehet, dieser M a n n irrte besonders auch d a rin , daß er sich vorstellte, es müßte in der Runde im m er Alles in einer gewissen Ordnung auf einander folgen, und nicht in Erwägung zog, daß es dabei n u r darauf ankäme, daß das, was zur Runde gehörte, durch nichts anders unterbrochen würde.
6. Es gibt einen F a ll, in welchem den A usru fern völlige Gesetzlosigkeit (es ist hier von den sie angehenden Gesetzen die Rede) zugestanden w ird. D e r F all ist, wenn sich Jemand so sehr erniedrigt, daß er einen A u sru fe r in der Absicht lobt, « m , wo nicht Gegenlob, doch M äßigung beim Tadeln von ihm zu erbetteln. Dieser w ird dann allen A u s ru fe rn , die um Gesetzlosigkeit ansuchen und sie erhalten (sie erhalten sie aber a llze it), Preis gegeben.
L. G . Los und ledig von Allem , was ihnen bei ihren Verrichtungen obliegt, muffen die Ausrufer Nothdurst halben seyn, sobald Jemand für achtfällig und vogel frei zu erklären ist. Denn so traurig es auch immer seyn mag, daß man Gesetzlosigkeit gestatten muß, so würde doch auch auf der andern Seite der Vogelfreie, ohne die mächtige Beihülfe der A usrufer, wie unge straft herumwandern, und er würde also ♦ . .
Einige waren anfangs d a fü r, daß man Vogelfreie dem Hohnlacher und seinesgleichen. A n d re , daß man sie dem Schreier und seinesgleichen überlassen sollte; zuletzt aber wurde, aus vielen und gewiß sehr guten Ursachen, beschlos sen, daß man diejenigen A u s ru fe r, die um Gesetzlosigkeit ansuchen würden, a u f die Vogelfreien loslassen wollte. M a n sieht von selbst, daß hier von ehrbaren A u sru fe rn die Rede nicht ist. D e n n diese hüten sich wohl, daß sie um Gesetzlosigkeit anhalten. Aber die jungen K r it ik b e f lis s e « e n , die eben erst A usru fer geworden sind, setzen sich leicht über solche Bedenklichkeiten weg; und weil man ihnen dieß m it Recht zutraute, so wählte man den Hohnlacher und den Schreier nicht.
7. W enn sich ein Freier oder ein Edler gegen einen A u s ru fe r öffentlich vertheidigt, so büßt er's durch Runzeln und Lächeln.
L. G . D a zur rechten Z ä h lu n g ,
Messung und W äg u n g
mehr als eine Zusammenkunft der Landgem eine. . .
8. V ertheidigt sich ein Knecht, so läßt man's hingehen, und ahndet es nicht.
L. G . Gemeines Handgemenge und F austrecht. . . D ie Neuheit der Gesetze von den Ankündigcrn und A u s rufern erhellt aus ihrem In h a lte . Alderm ann Ekhard (künf-
SS ttg mehr von ih m ) that sich bei Gebung des ersten durch die bekannte, aber oft sehr falsch ahgeschriebne Rebe hervor, die ansängt: m ir geht es nicht etwa wie B urinam S Thiere »wi sche» den beiden Heuhaufen; m ir geht es sogar wie einem A u s ru fe r, wen» er gestiefelt und gespornt in den g r o ß e » S t a l l s e in e r s ä m m tlic h e n S t e c k e n p f e r d e t r it t , und ganz und gar nicht m it sich einig werden kann, welches er reiten w ill: ob es der S checkichte seyn soll? o b d e rW in d g le tc h c ? der L a n g g e s c h w e ifte ? ob der T a p p e n d e ? der E in ä u g ig e ? oder wie sie sonst noch heißen mögen. C r pfeift, er trille rt, er klatscht; und im m er kann er noch nicht zu Pferde kommen . . . W ir hoffen, diese Rede ehestens nach einer richtigern Handschrift herausgeben zu können.
Do» Böürrei und Trunkenheit,
l. W er sich in einer ausländischen S chrift berauscht h a t, es sey W ein oder Weingeist darin gewesen, sie sey kühl hinunter gegangen, oder sie habe geraucht, und taumelnd von ih r auf der Gasse herumwankt, und la u t schreit (m urm eln kann er wie er w ill) , daß er diese S ch rift allen deutschen Schriften vorziehe, über dem rufe man gleich auf der Stelle und ohne alle S a u m n iß : Jo D u th e ! und stoße ihn, ohne Alderm änner und Herold abzuwarten, über die Gränzen hinaus.
L. G. Der Trunkene muß wie der Nüchterne . . ♦ 1733 vorgeschlagen von der Z u n ft der Wisser. Es w ar ih r damaliger A n w a lt, der Urenkel des treuen Ckhard, der
die Sache vornehmlich betrieb. W e il w ir den zu haltenden Landtag nun endlich sehr nah glauben; so hoffen w ir auch, daß dieser gute G reis noch darauf erscheinen werde. E r machte « n s aus dem letzten Landtage sehr angenehme Abende. Für die Kenner gewisser Sachen sagt er viel m eh r, als er zu sagen scheint. E r trie ft recht von deutschen Sprüchw örtern, beson ders, wenn er E k h a r d e erzählt. S v nennt man diejenigen seiner Erzählungen, in welchen sein U rä lte rva te r, der treue Ekhard, vorkommt.
2. W er, ob er gleich zu Hause b le ib t, und n u r m urm elt, sich täglich in den Schriften der neuen Sophisten, zum Erempel V o lta ire n s und seiner S äuglinge, besäuft, und zwar dermaßen, daß er fün f- bis sechsmal beim S tuh le liegend und den Rausch ausschlafend gefunden worden is t, der w ird bei den Nachtwächtern auf Gnade und Ungnade eingesperrt, und ihm seines gewöhnlichen Gesöffs, wie auch Papiers zum S p e ie n , so viel er w ill, gelassen.
L. G . Z u r Steurung allzugroßer und anhaltender Vollerer, und damit nicht unter den Altfranken durch die Unthaten Verstandes - und ehrvergess'ncr Trunkenbolde. . . A u f dem Landtage 1745 von der Z u n ft der Weltweisen vor geschlagen. 1757 ließ die Z u n ft das Gesetz aufrollen, u n d : V o l t a i r e n s u n d s e in e r S ä u g l i n g e , an den Rand schreiben.
V o n de« jungen Gelehrten. 1. I s t eines jungen Gelehrten erster A u s tritt in den Ge schäften oder auf dem Lehrstuhle m it Stolze begleitet, so darf er binnen Jahresfrist auf keine Belohnungen der Republik hoffen.
L. G. Ziemte Bescheidenheit minder Jung und Alt, Jung insonders, und wär' sie nicht deutscher Art und Eigen schaft sonderlich gemäß, so. . . D ie Gesetzgeber müssen sich bekanntlich nach dem Charakter der N a tio n richten, fü r welche die Gesetze bestimmt sind. Daß dieß, in Betracht des eben angeführten Gesetzes, gu t beob achtet sey, werden wenigstens die « « v e r f e i n e r t e n D e ut schen einsehn, die hier aus der Erfahrung noch mitsprechen können. W ä r' es in der französischen oder englischen Gelehrten republik gegeben worden, so würde es von der W eisheit der Gesetzgeber gar nachtheilige Begriffe erwecken. D enn dort (es versteht sich, daß einige Ausnahmen zugestanden werden würde es eine barbarische Strenge haben und übermenschliche Dinge fordern. Glücklicher S ta a t, der solche Gesetze haben kann, hat und darüber halt. Hochverrath kann wider ihn begangen, seine Majestät kann beleidigt werden, aber seine Grundfesten bleiben unerschüttert.
2. Steiget bei einem Jünglinge der S to lz so hoch, oder ist er (denn man kann nicht recht wissen, wie es hier eigentlich
m it ihm bewandt ist) so ü b e r t r i e b e n d e m ü t h i g , daß er eine erste S ch rift dennoch herausgibt, ob sie gleich nichts als geruchlose B lü th e hat, und nirgends auch n u r eine saure Frucht zeigt, so ist er beßfalls auf J a h r und Tag unzünftig.
L. G. Wer's in Meisterwerken so wenig ausspäht, worauf es ankommt, und sich mit Gesellenarbeit (alle, auch die zierlichsten Schwätzer sind Gesellen) noch dergestalt güt lich thut, daß er . . . 3. H a t ein J ü n g lin g , den die Denkmale nicht schlafen lassen, welche länger als Erz dauern, seine erste S ch rift m it feuriger U nruh' und lauten Herzschlägen gearbeitet, aber sie gleichwohl, ohne eine Thräne dabei zu vergießen, in s Feuer geworfen, so bekommt er das Cichenblatt, wenn er auch noch kein Aünfter ist.
L. G. Merkzeichen, welche den künftigen großen Schreiber wittern lassen . . . 4. Entdeckt Jemand einen J ü n g lin g , der unter der Last der äußerlichen Umstände, oder der Bescheidenheit erliegend, völ lig unbekannt ist, aber Gaben h a t, so erhält er das Eichen blatt, und dereinst ein Denkmal bei dem Denkmale des E n t deckten, wenn dieser bis dahin gelangt.
r. G. Patriotische Sinnesart, die mit Scharfsicht ver einigt ist. . . D o « handwerksmäßigen Gesinnungen.
1. Einem Gelehrten, der bloß das le rn t, was er zum Am te nothwendig braucht, ist es nicht um die Wissenschaften zn th u n , «nd er ist daher un fähig, die Belohnungen der Repu blik za erhalten.
L. G. Kümmerlicher Behelf mit nur eben so Vielem aus den Wiffenschaften, als zur Verwaltung eines Amtes alsdann zureicht, wann man allein Broderwerbs hal ben sein wartet . . . 2. D ie niedrige D enkungsart, nicht zulassen zu w ollen, daß einer in mehr als E in er Wissenschaft vortrefflich sey, w ird an dem, der sie in öffentlichen Urtheilen zu erkennen gibt, da durch gestraft, daß er kein Z ünfter werden kann, oder, ist er einer, aus der Z u n ft gestoßen w ird.
L. G . Einer zeigt sich etwa so in einer Wissenschaft, daß selbst seine Neider müssen eingestehn, er habe Haare auf den Zähnen. D a ra u f begibt er sich auch wohl in eine andre Wissenschaft hinein, und arbeitet in selbi-
ger;
da treten
denn stracks Leute a u f,
schelten: G la ttk in n ! G la ttk in n !
rufen
und
Und dieß Gerufe und
Geschelte treiben sie nicht deßwegen,
w e il sie's aus
der Beschaffenheit der neuen A rb e it darthun können, daß der es verdiene,
der selbige unternommen h a t;
sondern w e il sie eine verwachsene Seele haben, daher
und
auf keine Weise zulaffen und dulden w ollen,
daß einer in mehr als E in e r Sache (denn es ist ihnen schon gar w id r ig , daß es in einer geschehen ist) sich hervorthue.
W ie
sehr nun auch diese Niederträchtig
keit nicht n u r in unsrer H e im a th ,
sondern auch unter
den Ausländern möge eingeriffen seyn,
so lassen w ir
doch die Hände nicht sinken, sondern, dam it sie m in destens nicht gar
zu schamlos ih r H a u p t em pvrtra-
gen könne, und denjenigen vo r andern gesteuert werde, die keine Wissenschaft eigentlich recht angeht, doch
bei
solchen
Anlässen am
und die
redseligsten sind;
so
setzen und ordnen w ir, daß . . . W ir sind die Jahrbücher von der Zeit a n , da dieß Gesetz ist gegeben worden (es ist vom vorigen Jahrhunderte), genau durchgegangen, und haben gefunden, daß man auf jedem Landtage m it Strenge darüber gehalten h a t; und gleichwohl . . . doch in keinem Staate können es ja die Gesetze allein th u n ; d ie g u t e n S i t t e n müssen hinzukommen, und den Gesetzen beistehen. W ir können, ohne im geringsten zu ver größern, sagen, daß die guten S itte n in unsrer Republik viel Einfluß haben; aber was diese S ch e lsu ch t anbetrifft.
wider welche das angeführte Gesetz gegeben is t, so kann nicht geläugnet werde«, daß «S m it dem Einflüsse nicht so recht f o r t wolle. D i e U e b e r le g e n h e i t , welche die deutschen Gelehrten durch ihre B e s c h e id e n h e it über die Gelehrten andrer Völker lange gehabt haben, und haben, würde um einen v i e l e n ts c h e id e n d e n G r a d steigen, wenn sie aufhören w ollten, sich ihnen, in Betracht jener Schelsucht, gleich zu stellen.
V o n den Ausschreibern.
1. W er Andre ausschreibt, und sie n e n n t, muß gleichwohl Rechenschaft geben, warum er ausgeschrieben habe. S in d die Ursachen, die er a n fü h rt, nicht gut (und beinah' nie mals können sie es seyn), so w ird er a u f ein Jah r Nacht wächter.
L. G . D am it der Vervielfältigung und selbst der Verdickung der Bücher, als woraus seit langer Z eit so vieles der Ehre der Republik Nachtheiliges gekommen ist, gleich wohl in etwas gewehret werde, so . . .
2. W er Andere, ohne sie zu nennen, ausschreibt, w ird der n u r nicht völlig willkürlichen V erurtheilung des F ü n f e r g e r ic h ts überlassen.
L. G . Tempelraub ist's zwar eben nicht, wenn einer den Hlvpstock, deutsche G elehrtenrepublik. V I II .
5
andern ausschreibt, w e il so manche Bücher m it nichte» Tem pel sind, w ohl aber S tro h h ü tte n und Marktschreierbuden . ♦ . D a s Fünfergericht ist eine A r t Untergericht, das gewöhn lich n u r aus fü n f M itglied ern besteht, und bei jedem V o r falle, wo man eins braucht, von neuem ernannt wird. D e r Schreier hat oft den Vorsitz darin. D enn noch allen Schreiern hat diese Ernennung so wohl gethan, daß sie ein beinah' unfehlbares M it t e l gewesen is t, sie a u f einige Tage zu schwichtigen.
V o n den Denkmalen. 1. E in Freund kann einem Freunde wohl ein Denkmal in oder außer dem Haine setzen, wo w ir die Landtage halten; er muß sich's aber auch gefallen lassen, daß bei vorhandnen guten Ursachen das Denkmal wieder weggenommen werde.
L. G . M ag'S
doch gestattet w erden,
daß
ein
tüchtiger
M a n n , w ohl verstanden, er sey ein Z ü n fte r oder der Atdermänner einer, setze einem andern einen Denkstein, der Z ie r habe,
oder einfältiglich gehauen sey.
Fügt
sich's aber hernachmals, wenn ein Zehend Jahre dahin ist,
daß kein Mensch deß mehr kenne, dem das S te in
lein w ard, und die Z e it hab' also einen Spruch gespro chen w ohl so streng, als die alten Aegyptier pflegten
über die Todten zu sprechen: so lasset ih r das Denkzeichcn zuschlagen, und die Stücke ausn'ander werfen. Denn ein einzelner M a n n mag w ohl dieß oder das, Kleines oder Großes, Tiefes oder Hohes von ’ttern an dern einzelnen M anne meinen und halten; aber die Z e it, das ist so v ie l, als 'ne ganze Reih' und Folge M änner, die sich auch auf die Wagschal' verstehn, und des Züngleins Bewegung genau beobachten, fährt doch besser durch, wenn's Entscheidung g ilt, würde wohl Sandkornlein wägen, geschweige denn gröblichen Fehl und Mißgestalt. D aher, solltauch derfenig', so das Denkzeichen oder M a l hat aufgerichtet, bitterlich drob weinen, so muß doch m it dessen Zertrümmerung und Zerstörung. . .
2. E in Denkmal, das eine Z u n ft gesetzt hat, kann nicht weg genommen werden; aber keine Z u n ft darf auch einem ih rer M itglied er ein Denkmal setzen. D erjenige, dem diese Ehre widerfährt, muß auf einer andern Z u n ft, oder ein A lderm ann seyn. S o llte eine Z u n ft es wagen, ein solches Denkmal machen zu lassen, so darf es nicht errichtet werden, und die Z u n ft w ird au f fü n f Tage stimmenlos.
L. G . Geahndet und gerügt muß werden Alles, was die Grundfeste der wahren Ehre erschüttert. W ü rd' also ein parteiischer Freund durch List und Ränke, Vorspieg-
hing und Täuschung, Lug und T rug, Helfer und Hel fershelfer, auf einer Z u n ft so viel vermögen, daß e r . . . V o n dem Landtage 1652. Es herrschte damals große und unverhohlne Eifersucht unter den Zünften. I n den Jahrbüchern steht viel Denkwürdiges davon. D ie Aldermänner haben au f keinem Landtage m it mehr Durchsetzung und K ra ft von der w a h r e n E h r e geredet, als auf diesem. M a n behauptet zwar, daß zu unsern Zeiten n u r edl e Na c h e i f e r u n g statt fin d e ; unterdeß könnte doch wohl auch manch Fünkchen von anderer Beschaffenheit hier und da unter der Asche glim m en.
V o n der Verehrung der A lte « und der Ausländer. 1. Uebertriebne Verehrung gegen die A lten bleibt n u r dann ungeahndet, wenn (wie das gewöhnlich der Fall ist) gefunden w ird, daß sie der Angeklagte doch nicht kenne, wie viel er auch von ihnen schwatze; kennt er sie aber, so ist er, haben ihn die Griechen zu der Sklaverei gebracht, auf zwei Jahre unzünstig; und haben es die Römer, auf drei Jahre.
L. G . Anstaunung, Maulaufsperre, Fröhnung und Räu cherei, als welche den Geist nur kleinlaut machen, und ihn dergestalt austrocknen und ausdörren, daß er zuletzt gänzlich einschrumpfet, dieses A lles, wie es auch, in Betreff der Alten, möge beschönigt werden . . .
L. G . S o g a r das edle S elbstgefühl, welches nicht durch S to lz , sondern durch K ra ft entsteht, kann von der so w e it eingerilstnen Abgötterei, welche m it den A lten ge trieben w ird ♦ . .
r. W er die Verehrung gegen die Ausländer zu weit tre ib t, ist auf fü n f Jahre unzünstig.
L. G . Recht und Gerechtigkeit w ird
der Deutsche allzeit
gegen die Ausländer handhaben; er ist hiezu n u r a ll zugeneigt: aber beständig zum H ofiren in Bereitschaft stehn, w enn fie n u r das M a u l aufthun, und ihnen da Geist Schuld geben, wo denn doch kaum . . . Schon auf dem Landtage 1698 gegeben. Es ist dieß der wenigen W irkung halben, die das Gesetz gehabt h a t, zwar unglaublich, aber gleichwohl ist's wahr.
Bon der Polytheorie. Der P olytheorist, welcher durch die W a h l und den B e w e is seiner Sätze zeigt, daß er sich noch zu bemühen habe, ein guter Lehrling zu werden, muß dem Hohnlacher stehn.
L. G . Nachdem die
P olyhistorei v ö llig abgekommen ist,
hingegen an ih re r S ta tt die Polytheorei im m er mehr
und mehr einreißet, so sollen, zur Hemmung des neuen Uebels, diejenigen, welche Andre in einer Wissenschaft, in der sie kaum buchstabiren können, zur Redehaltung anleiten wollen, gehalten seyn, daß sie z u v o r . . . Vom Landtage 1757. Kaum konnten die Meister in den Wissenschaften dam it durchdringen. Denn das V olk hatte dießmal einige Zünfte m it seinen M einungen angesteckt.
Vo n der Todtenfackel. 1. W enn ein F re ie r, oder ein E d le r, oder gar ein Alderm ann sieht, daß seinem Werke die Todtenfackel angezündet werden soll, so hat er die Befugniß, die Stimmensammlung zu hindern, und um F rist bis zu dem nächsten Landtage zu bitten. I n dieser ist ihm vergönnt, allerhand ihm vortheilhafte Nachrichten von dem Geschmacke einiger unserer M i t bürger zu sam m eln, und sie den nächsten Landtag anzufüh ren. Unterdeß kann ihm dieß nicht viel helfen. D enn die gerechte Republik, Alderm änner, Zünfte und V o lk , hatte nicht ohne Ursache die Anklage wegen der nun nothwendigen Anzündung der Todtenfackel ausgehört. Es kommt also dieß m al zur Stim m ensammlung, und der.Herold r u f t : D u le b s t, a b e r d e in W e r k i st t o d t !
L. G . D a keinesweges geduldet werden kann, daß die A ltfranken
uns
oder gar unser Pöbel in Aussprüchen
über wichtige Sachen der Republik vorgreifen, und ferner kurze Verjährung doch nie rechtskräftig is t. . . V o n 1698. S o wenig auch auf diesem Landtage waren
Ein klein Gemald', ein Strahl, gesandt Bunt Brennen nicht, nur zum Erleuchten.
Vorschlag zur Güte. Ohm endlich find wir doch dahin gekommen l Erfahrung hat den Platz, der ihr gebührt, genotnmen! Sie ist's in der Philosophie: Sie ist eS in der Theorie Des Dichters, und auch da nur / 1?: Erst hatte sie der Dichter, sprach Ihr Donnern und ihr Säuseln nach. Erfahr' du sie, wie er. Wenn dieser Tag dir tagte. Dann frag' ihn erst: ob er sie recht erfuhr? recht sagte Tenn was dein Satz auch immer setze. Vom fotgereichsten Allgemeinen Bis zu dem Einzelsten des engbegränzten Feinen. Ist Alles, ohne sie. Geschwätze. D ie
E h vo n o ( og vn.
Er lahmt am Griechenstab', und schleicht am Nomersto«5e: Und dennoch schreien sie. er mach' Epor-
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Die Carricatur. W enn du den M aler siehst, so verbildete, schlage du keine Laute Lache nicht auf, das Gesicht verzerrend, und nenne Zerrbild nicht, was Verbildung ist. D u verkennest den Künstler, Den vor den Spaßen ekelt, und glückliche Scherze nu r freuen.
An d e n , der's v e r s t e h t . Aus deutscher herzensvoller Lache (Fern laß vollhalsiges Gelachter seyn; Und streu' des Lächelns Würze sparsam ein). Besonders aber auch A us S i t t' und Brauch, A us eigner Laun' und Geist, vereine du und mache E in neues schönes Sonderding, D as nicht von fremder Flitter gleiße. Und das so Vornehm wie Gering Deutschkomisch heiße.
F r a g e , d i e g l e i c h s a m z u r S a c h e zu g e h ö r e n schei nt . E r, sagt er. I s t Richter, und Verklagter, W er schreibt. O du vom H errn Verleger Gemietheter, wer ist denn Klager?
Ganz gute Bemerkung. Die Dichter, die nur spielen. Verstehen nicht, was sie und was die Leser sind. D er rechte Leser ist kein K ind; E r mag sein männlich Herz viel lieber fühlen. A ls spielen.
S i t t ' u nd W e i s e der N e u e r n . Die Röm er sind es euch, die Griechen laßt ihr liegen; I h r nehmt das E i , und laßt die Henne fliegen.
F o r t g a n g i n den Wi s s e ns c h a f t e n . S te t- vor, und nicht langsaumend stille stehn. Nicht hinter sich m it Stolze sehn. Nicht auf dem Wege sich im Kreise drehn. D a ra u f kommt's an, ihr Söhne meines V aterlands S te il ist sie hier und da die Bahn Den Felsenberg h in a n ; Allein wer steigen konnt', und stieg, der fand's.
D e r s e l t n e Zuhörer. T aub bin ich, spricht man m ir von T h aten , die man thun will, vor; Doch von geschehnen, lauter O hr.
V o m r echt en Gebrauche der F e i l e . Willst du dein Bild vom Untergange retten. S o m ußt du es so sehr nicht glätten. Der Arm , an dem so viel die Feile macht und schafft. Die gar zu Helle S tirn H at keine K raft Und kein Gehirn.
Veit. D a hat er's n u n ! bekommt, wie J a n u s , zwei Gesichter! Doch w arum ahmt er auch itzt Frankreichs Dichter, Itz t Engellands, so unablässig nach?
Scharfsinn fprcch' iin seine Miene, Tiefsinn iyt, wie's Urbild sprach. Meint ihr. Nachgebardung wurde ja auch dies; nur seyn, AngenommneS, fremdes Ding, nichts mcfn*; allein Veit macht ja nur Gesichter.
D e r un g l ü c k l i c h e W a g h a l s . Den Griechen seine Nation vergleichen.. Es ist ein kühner Schritt; Man thut ihn wohl, doch tt>un ilm Andre mit? Der Griech' erfand! Welch ist die Wahrheit, die sein tieferer Verstand Nicht forschte? Welcher Schönheit Bild Hat nicht fei« Genius enthüllt? Und ihr. was habt ihr? Nachgeahmet'. Das; also hier, wie sonst, die Gleichheit lahmet. Gch's, wie es kann; allein wo ist der neue Zug. Der lächerlich genug Den Thoren zeichnet, der in Wolken schifft. Und schwanet, daß sein Volk die Griechen übertrifft?
Die Henriade. Was ist wohl, das bei Meister Arouet, I n seinem Heldenreim, nicht bei einander steht? Erst macht er dieß und jen s von Menschen kund. Dann kommen Geister und Hernach, als handelnde Personen, Abstractionen: Die Politike, Mit mancher Nicke! Auch die Discorde
Zu B lu t und M orde; D arauf, Ein G ötterhauf'! I s t dieser Misch was anders als Horazens Madchenkopf, Fischschwanz und Pferdehals?
Die Pucelle -'Orleans. S inget dein Lied Wollust, so gefällst du leicht: und zu Leichtem Lächelt die Ehre nicht zu. Wen verwunderten Dichter nicht, die, so stolz sie auch waren. Doch der unglücklichen W ahl Demuth nicht sahn. W enn du zu reich dein Werk ausbildest, so zittre; denn ist nicht Auch dein Ueppiges schön, w ahrt eS nicht lange m it dir. Und dem Schönen ist selbst hier nicht zu tra u e n ; der Regel Ernstes W o r t: nicht zu v iel! hat auch ein weites Gebiet.
Die Kritik. Durch die K ritik, zu zeigen neue Wege, Die sich der Dichter wählen würde. W enn er nicht lieber eigne ginge. D as wäre M eisterwerk; Die neuen Wege zu entdecken. Die Dichter, welch' Erfinder find, betratet!. D as w ar' nicht kleines Beifalls w e rth ; Doch, Wege hundertmal gewiesen. Zum hunderterstenmal zu weisen. Und trifft man auch dabei a u f unbemerkte Stege, Die seitwärts laufen, wiederkehren, WaS ist denn das?
152 Der Zufriedne. So oft ich dieß und das und jenes noch beschönige. Bleib' ich bei guter Laune, S o das; ich dann in meinem S inn Zufrieden bin M it jedem Könige A uf jcdem Zaune.
Von Wenigen bemerkter Unterschied. I n zwanzig Versen des Homer Liegt wahrer tiefgedachter Regeln mehr. Als in des Lebrbnchs ausgedehnten, bis zum Schlafen Fortplaudernden zehn hundert Paragraphen.
Verlorne Mühe. E r zischt mich an, und wollte Krieg M it mir so gerne führen l Antworten? mich hinab bis gar zu ihm verlieren? Ich geh und laß, auch diesen Kriechenden, Musst Der Schlangen, wie's ihn lüstet, musscircn.
Das feine Ohr. Gleich dem thatenlosen Schüler der Ethik, Hörst du in der Poetik G ras wachsen; aber hörest nie Den Lorber rauschen im Hain der Poesse.
Die Idealisten. Kernlose Schale, Wie'ö auch mit tiefer Untersuchung prahle. Is t doch nur dieß Geschwätz vom Ideale.
Der philosophische Idealist Hat, wie ihr wißt. S o w as von einem N arren ; D er kritische Idealist Hat, wie ihr noch vielleicht nicht wißt. Auch oft wohl was von mehr als Einern S p a rren .
D i e v e r a l t e t e Kritik. Die Griechen hielten am Olympc Spiel, M it Lauf, und Roß, und Kampf, mit Flöt', und Liede. Da schattete der Lorber n u r am Z ie l; Da saßen andre Richter, Als die vom heutigen Gelichter; Da scholl kein Lob. D as euch erniedrigte, kein Tadel, der erhob. Geh m it deinem Jahrhunderte fort; doch so oft es itzt strauchelt. Jetzo den Krebsgang kriecht, geh' du den eigenen Weg.
Kl age. Bardicte tönten auch im Eichenhain, Poeme nicht allein I m Lorberhain. Und, o ihr J a h re ! doch I s t umgefallen Der Baum , den ihr erkort von a lle n ; Der Lorber schattet noch.
D iesen Abend war weder bei den Ulmen noch in der Laube V ersam m lung; aber im T hale war sie desto zahlrei cher, und die Unterredung von dem, w as auf diesem Landtage geschehen müßte und würde, desto lebhafter und freier.
154 Zweiter Morgen. Die
(bem annet weisen einen Ankläger
ab.
Andre Anklagen.
W ie es der Zu n ft der Scholiasten ergeht.
E in Ankläger erklärte, er wäre im Stande, viele der A u s rufer zu überweisen, daß sie sich mehr als Eine S tim m e angemaßt hätten; auch hätten etliche ih r A m t ein Richteram t genannt, und wären daher des Hochverraths schuldig. W as das Richteramt besonders anbeträfe, so hätte er nicht wenig Lächerlichkeiten in Bereitschaft, die bis zum Abge schmackten gingen, und die auf keine Weise durch A usbildun gen bis dahin gekommen wären, weil sie aus den e i g n e n W o r t e n * dieser Leute bestünden. Ueber das Alles wär' er durch sehr glaubwürdige M än ne r dahinter gekommen, daß etliche A u sru fe r, die er kennte., eine Gesellschaft unter sich errichtet hätten, und m it kleinen leicht zu verbergenden Ab bildungen der M i t t e l m ä ß i g k e i t Schleichhandel trieben. S ie sollten, sagte man, Nachtwächter zu M aklern und Hökern brauchen. E r wüßte von diesem allen wenigstens so viel, daß eine weitere Untersuchung angestellt werden könnte. W as die beiden ersten Punkte, nämlich die V ie lh e it der S tim m en und das R ichteram t, beträfe, so müßte er die Aldermänner b itte n , nicht m it zu großer Strenge die Kürze von Um zu fordern, weil die Beweise, die er zu führen hätte, und die er gern sehr genau führen w ollte, durch viele A n d e u t u n g e n , auch B e z i e h u n g e n auf das, was man an derswo g e r a d e h e r a u s gesagt hätte, unterstützt würden. W ir verlangen da keine Kürze, sagte der wortsührende Aldermann, wo sie, wegen Beschaffenheit derSache, nicht statt find et; aber w ir halten dafür, daß A lle s , was die A usru fer angeht, und sollten sie auch selbst des Hochverrathes schuldig
seyn, in Vergleichung m it denen vielen wichtigen Sachen, die wir ans diesem Landtage abzuthun haben, Kleinigkeitsey. V iel leicht ist gegen das Ende des Landtages noch Zeit zu diesen Nebendingen übrig. F ü r jetzt weisen wir deine Anklage ab. V on dem Schleichhandel, der m it den Bilderchen getrieben wird, kannst du u n s diesen Abend weitere Nachricht geben. Ein zweiter Ankläger näherte sich. Entscheidet, sagte er, ob nicht sogar . . . u nter die Nachahmer gehöre? I s t meine Anklage gerecht, so — es wird m ir schwer, ein gewisses W ort m it . . . s N am en auszusprechen; aber sein Beispiel ist zu verführend, die Gesetze sind einm al die Gesetze, und die R e publik ist versam m elt, so hutf? . . . zum Knecht erklärt werden. . . . bezog sich in seiner V ertheidigung auf das Urtheil der Republik, ob er nicht g u t, und so wie es ein Freier th u n d ürfte, nachgeahmt hätte? und ob er nicht für die große A n zahl derer, die sein Urbild nicht kennen, aufhörte ein Nach ahm er zu seyn? Ueber dieses hätte er auch o f t n ich t n a c h g e a h m t . Viele ließen sich auf die V ertheidigung ein. E s wurde nicht wenig aus den Zünften gestritten. . . . soll also, sagte m an u nter andern, nach dem Gesetze: o b g l e i c h l a n g e K n e c h t s c h a f t seine Werke vor der Land gemeine öffentlich verbrennen, dam it er zur Freilassung fähig werde? Welche F ordrung? B leibt denn, wurde geantw ortet, nach dem angeführten Gesetze nicht auch M anches unver b ra n n t? Und überdieß hat er ja auch andre Wege, zur Frei lassung zu gelangen. Freilich wird er keinen streitsüchtigen Freien im Zweikampf erlegen wollen, und die Leute auf a n gemaßten Erfindungen zu ertappen, hat m an nicht im m er Anlaß. Recht gut. Aber kennen denn die A lderm änner einen M an n von . . . s Verdiensten nicht? und wird es
ihnen nicht eine Freude seyn, ih r Recht, frei zu lassen, wen sie wollen, bei ihm zu; brauchen? I s t er es denn allein, fuh r man fo r t, ihn zu vertheidigen, der nachgeahmt hat? W arum werden die ndern nicht auch angeklagt? Daß er es allein ist, der angeklagt wird, macht ihm Ehre. M a n würde, wenn man m it Anklagen fo rtfü h re , Gefahr laufen, auf Nachahmer von der Z w itte ra rt zu stoßen. Und wer möchte sich vorwerfen lassen, diese angeklagt zu haben? D e r Herold unterbrach diese und ähnliche Streitigkeiten. E r fing an die S tim m en zu sammeln. Ohne die Z u n ft der Scholiasten w ä r e . . . zum Knecht erklärt worden. Denn sie, die den Herold abwies, da er zu ih r kam, und sich zuletzt fragen ließ, gab, da die S tim m e n getheilt waren, durch die ihrige den Ausschlag. Es war schmeichelhaft fü r den Angeklagten, daß sich die H älfte der Zünfte fü r ihn erklärte; aber gleichwohl hatte ih n mehr als die Hälfte Aldermänner (die andern hielten die wenigen nnnachgeahmten und zugleich schöneren Stücke seiner Werke davon ab) vernrtheilt. Uebrigens war es zwar wohl die Z u n ft der Scholiasten gewesen, die ihn gerettet hatte; doch dieß konnte ihm auf keine Weise nachtheilig seyn. Denn nicht ih r B eifa ll war es, was sie ihm dadurch hatte bezeigen wollen (die meisten dieser Z u n ft kennen weder . . . noch sein O rig i n a l), sondern sie folgte n u r ihrer N e igu ng , es ih m , als einem Nachahmer der A lte n , eher wie Andern zu verzeihn, daß er deutsch geschrieben hätte. E in neuer Ankläger erschien. E r sagte: wenn m ir . . . z u tra u t, daß ich ihn, ohne deßwegen etwas wider ihn zu ha ben, anklage, so hat er Recht: und tra u t er m ir es nicht zu, so hab' ich gleichwohl Recht, daß ich es thue. W er das Beste der Republik m it meinem E ifer wünscht, der denkt hierin
wie ich; und wer diesen Eifer nicht kennt, der ist m ir gleich gültig. . . . hat auch ohne Bedürfniß viel ausländische W o .t in die Sprache gemischt. E s muß daher das Landgericht: w i d e r di e N a t u r u n d a l t e g u t e S i t t e u n s r e r S p r a c h e auch gegen ihn, oder vielmehr vorzüglich gegen ihn gelten, weil er schon Viele zur Nachfolge gebracht hat. D er Ankläger las hierauf au s . . . s Schriften alle S tellen her, in welchen er ausländische W orte gebraucht hat. D a s Urtheil von B edürfniß und Nichtbedürfniß überließ er zwar, wie sich das verstand, der Entscheidung der Republik; er schloß aber gleichwohl m it dieser A n m e rk u n g : sowohl die, welche die Sprache nicht kennen, au s der das ausländische W ort genom m en w ird, als die, welche sie ein wenig verstehn, und wie klein ist die Anzahl d e re r, die fremde Sprachen genug ver stehn, bekommen von diesem W orte so unbestim m te Begriffe, daß die Absicht des Gebrauchs beinah' ganz verfehlt wird. D ieß ist desto wahrer, je bedeutender das ausländische W o rt ist; und bedeutende W orte soll m an denn doch vorzüglich wählen, wenn m an anders verlangt, noch einigerm aßen ent schuldigt zu werden. Dieß schon ist zureichend, solche W orte zu verw erfen; und wir haben, es zu thun, kaum nöthig, u n s des W idrigen der Mischung und des Reichthums unsrer Sprache, den sie schon h a t, und nach ihrer vielseitigen A nlage noch haben kann, zu erinnern. E s w underte Einige, daß die A lderm änner dem Ankläger, nach der Ablesung, noch dieses zu sagen erlaubten. D en n w as braucht er, w ar ihre Anmerkung, G ründe der Gesetze a n zuführen, die u n s Allen bekannt sind? M a n klage ihn an, sagte Lessing, und werde ihn vielleicht g ar verurtheilen; gleichwohl fordre er B elohnung. D enn er
habe, außer den ausländischen Goldstücken, auch einheimische, der Scherfe nicht zu gedenken, in die Sprache gebracht. D er Ankläger antwortete: er würde doch an der Gerechtigkeit der Republik nicht zweifeln, und wissen, daß sie sich durch die auswärtige M ü n z e , denn n u r das, und nichts mehr wären auch die besten solcher W o rte , nichk würde abhalten lassen, fü r die Goldstücke zu belohnen, im F alle, daß diese die in den Gesetzen bestimmte Zahl ausmachten. D ie S tim m en wurden hierauf gesammelt. I n den Zünf ten der Rechtsgelehrten, der Astronomen, der Naturforscher, der Mathematiker und der Weltweisen waren zwar nicht wenig S tim m en fü r den Angeklagten, weil verschiedne M itglied er dieser Zünfte, bei Bereicherung der Sprache, eben nicht ekler W ahl seyn, und auch wohl die Bedürfniß nicht genau mochten untersucht haben; aber die M ehrheit war doch wider ihn. D ie Aldermänner und die übrigen Zünfte waren's beinah' m it allen einzelnen S tim m en . F ür ihn waren n u r die Z u n ft der Scholiasten und das V o lk; aber dieß, zu V ie le r Verw und rung, doch n u r m it zwei S tim m en . D ie Aldermänner schickten zu den D ichtern, und ließen ih ne n, wegen ihrer Unparteilichkeit, in Absicht auf . . . n, und auf sich selbst, danken ; auf jenen, weil sie ihn überhaupt und als ihren M itz ü n fte r hochachteten, und auf sich selbst, weil ihnen die Sprachmischung so oortheilhast wäre. Denn, g e m i s c h t , wäre die Prosa am meisten von der Poesie unter schieden; und bekanntlich müßten die Dichter nach nichts so sehr trachten, als sich von den Prosaisten zu unterscheiden. D e r würde sehr Unrecht haben, fuhr der Abgeordnete der A l dermänner fo rt, welcher das Verdienst der Unparteilichkeit, fü r die jetzo den Dichtern gedankt würde, durch dieVerm uthung schmälern wollte, daß sie gefürchtet hätten, das Genrisch könnte
wohl einmal bis zur poetischen Sprache durchdringen. Denn es wäre eine offenbare Ungerechtigkeit, von den Deutschen zu glauben, sie würden jemals so sehr, als es hierin die Eng länder w ären, von allem Geschmacke verlassen seyn, daß sie den Dichtern einen solchen Verderb ihres Ausdruckes gestatten sollten. Um die Unparteilichkeit der Dichter (der Abgeordnete wandte sich an seine Begleiter, unter denen Altfranken waren) richtig zu beurtheilen, muß man sich (denn bis dahin würd' es zuletzt kommen), auf der einen S e ite , die Sprache der Prosaisten beinah' auf englische A rt, und selbst m it dem Eng lischen (denn warum denn nicht auch dieß?) vermischt, und also als eine halb ausländische, oder m it dem nicht so gelinden W orte der A lte n , als eine halb barbarische vorstellen; und auf der andern S e ite , daß die Dichter die deutsche Sprache behalten haben: ein Unterschied zwischen Prosa und Poesie, der selbst bei den Griechen, bei denen er doch am weitesten geht, so weit nicht gegangen ist. W er unter euch die A lten kennt, der vergleiche hier nicht etwa Herodotus und Sopho kles, denn bei ihnen ist die Verschiedenheit weniger merklich, sondern Venophon und H om er: und thue dann den A us spruch. D ie Dünste wurden durch das jetzige Verfahren der Scholiasten von neuem gegen sie aufgebracht. Denn sie fanden in demselben eine geheime Absicht, der Sprache zu schaden. Da diese M e in u n g zu so vielem A lte n , das gegen die Scholiasten zu erinnern w a r, hinzukam, so blieb es selbst ihnen nicht länger zweifelhaft, daß die Aufhebung ihrer Z u n ft be schlossen wäre. S ie thaten in dieser großen Angst einen S chritt, den sie freilich, wie viel Anderes, nicht genug über legt hatten, und der sie hernach sehr reute. S ie schickten ihren A nw alt ab, der sich m it der B itte an die Republik
w andte: man möchte dem großen Volke (so nannten sieden Pöbel, um ihn zu gewinnen, und vielleicht auch, das S o n derbare ihrer Entschließung sich selbst zu verbergen) dem gro ßen Volke gestatten, morgen doch auch Einm al eine Stim m e zu haben. D ie Aldermänner antworteten dem Anwälte auf der Stelle: das sollen sie schon heute; und aus allen Zünf ten und dem ganzen Volke rief m an dem Herolde, der die Stim m en sammeln wollte: schon heute! zu. Kaum war dieß vorbei, so begaben sich die Anwälte der Redner, der Dichter und der Geschichtschreiber zu den Alderm ännern. Dieser ungewöhnliche Hergang der Sache, denn sonst hat imm er n ur e in Anwalt den V o rtrag , veranlaßte die übrigen Zünfte, ihre Anwälte schnell nachzuschicken. N ur der Anwalt der D rittler wurde ein paarm al zurückgerufen, neue Verhaltungsbefehle zu empfangen. Denn diese Zunft schwankte ein wenig. D er Anwalt der Geschichtschreiber führte das W ort. I h r sehet, Aldermänner, daß dießmal alle Zünfte vor euch versammelt sind. D er Herold braucht die S tim m en nicht zu sammeln. W ir haben von unsern Zünften Befehl, sie zu geben. Es sind drei Jahrhunderte, daß nicht etwa n u r die Scholiasten unsrer Republik, sondern auch die Scholiasten aller Gelehrtenrepubliken des ganzen Europa die Alten erklärt haben. Also denken wir, daß sie endlich einmal erklärt sind. Zu der geringen Nachlese, die etwa noch zu ha.ten seyn möchte, braucht es keine Zünfter. D enn die Stelle, welche ein Züns ler in der Republik einnim m t, ist für den zu erhaben, der weiter keine Verdienste hat, als ein solcher Nachleser zu seyn. Gleichwohl würden wir Deutschen, nach der u n s eignen un aussprechlich großen Geduld, noch immer Nachsicht m it unsrer Scboliastenzunft gehabt haben, wenn sie nicht größtentheils au s Leuten bestünde, die vor Dünkel und V orurtheil nicht
wissen, wo sie hinwollen. Sprachen muß man lernen; wer läugnet das? Aber wie m an die englische, französische oder italienische entweder durch sich selbst oder von einem Sprachmeister le r n t , so, und nicht anders, lerne man auch die lateinische und die griechische. D ie ersten und nächstfolgenden Scholiasten waren und mußten ganz andre Leute seyn, als die jetzigen. S ie begaben sich ans ein neues großes Feld voller Schwierigkeiten. S ie sahen scharf, einige nämlich, verglichen, entwickelten eben so, und konnten n u r erst spät ein reifes U rtheil fällen. D ie jetzigen Scholiasten, die jenen nu n das Hundertemal nachsprechen, sind weiter n ichts, als lateinische oder griechische Sprachmeister. W er verachtet sie deßwegen, weil sie n u r das sind? Aber sol len sie denn deßwegen, weil sie n u r das sind, auch fortfahren, eine Z u n ft zu seyn? Und dennoch würde die unüberwindliche deutsche Geduld sie noch beibehalten, wenn sie den Fortgang der Wissenschaften, durch Verwandlung der Nebendinge in Hauptsachen, des M itte ls in den Zweck, nicht hinderte«; nicht, weil man Anmerkungen über die A lten gar füglich la teinisch schreibt, noch im m er bei ihrem Wahne blieben, daß man überhaupt am besten thäte, in dieser Sprache zu schrei ben; und, welches vollends Alles ü b e rtrifft, was n u r unge dacht und lächerlich ist, daß man in keiner neuern, sondern einzig und allein in der römischen Sprache (thun sie's etwa, und k a n n m an's jetzo noch?) schön schreiben könnte; wenn sie uns endlich, vornehmlich durch diese Behauptung, nicht geradezu verführen wollten, Hochverräther an unserm V ate r lande, an uns selbst und an unsern Nachkommen zu werden, und zu glauben, die wahre, innre, tie f eingeprägte K ra ft und Schönheit des deutschen Geistes könne durch unsre Sprache nicht ausgedrückt werden. Nichts G eringer'ö liegt in ih re r Klopstock, deutsche Gelehrtemepubltk. VM. 11
Behauptung. D enn sie wissen, oder sollten wissen, daß wir auf keine Weise verlangen, was Fremdes, was Ausländisches, altes oder neues auszudrücken. Ich rede gar nicht mehr von diesen M än n ern , gar nicht mehr m it ihnen, wenn ich hinzusetze, daß wir noch sehr Vieles ungethan lassen, wenn wir nur diesen Hochverrath nicht begehn. W ir müssen den M uth haben, den Entschluß fassen, ihn m it deutscher Standhaftigkeit ausführen, alle Wissenschaften, welche diesen großen Namen verdienen, und dieß ungeachtet der Mitansprüche der gebil deten Völker E u ro p a's, Ln u n s r e r Sprache zu erweitern und zu erhöhn. Denn der ist n u r ein Kleinmüthiger, ein Halbdeutscher, einer, der sein Vaterland verkennt, der es noch erst lernen m uß, daß der ächte Deutsche, der kernhafte M ann der N ation alsdann gewiß ausführt, wenn er aus zuführen beschlossen hat. Nach Endigung dieser Anrede zeigte es sich, daß die Hoff nung, welche die Scholiasten auf die Gelindigkeit der Aldermänner gesetzt hatten, eitel gewesen war. D enn diese stimm ten dem Ausspruche der Zünfte sogleich bei. Es währte auch gar nicht lange, daß der Rathfrager zu den Alderm ännern herauf kam, und den B eitritt des Volks anzeigte. D er Schreier w ar m it ungebärdiger Freude unter dem Pöbel herumgewandert, und hatte die Stim m en gesammelt. Er kam ganz außer Athem zu dem Herolde gelaufen (denn herauf kommen darf er nicht) und sagte ihm , daß man sich ihrerseits hiermit gegen die ganze Republik erkläre. Den Aldermännern wurde von den Zünften und dem Volke aufgetragen, die M itglieder der aufgehobnen Zunft zu vertheilen. Dieß geschah, und die meisten kamen unter den Pöbel. Die Aldermänner wurden zugleich einig, daß den Platz, welchen die Zunft der Scholiasten einzunehmen pflegte,
feine andre Zunft betreten, und daß dort ein S tein mit einer Aufschrift errichtet werden sollte. Ernesti ging's bei dieser Gelegenheit ein wenig wunder lich. Er gehörte zwar der Zunft der Gottesgelehrten auch