Kleine Geschichte der antiken Komödie 3534248171, 9783534248179

Wer kennt nicht die beiden Masken, von denen die eine lacht, die andere weint? Die eine symbolisiert die Komödie, die an

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German Pages 160 [162] Year 2011

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Inhaltsverzeichnis
Worum es gehen wird
Aristophanes
Sein Leben
„Die Bauern von Acharnaí“
„Die Wolken“
„Der Friede“
„Die Vögel“
„Lysistrate“
„Die Frösche“
„Frauen im Parlament“
„Der Reichtum“
Menander
Sein Leben
„Dyskolos“ („Der Unangenehme“)
Rückschau auf den „Dyskolos“
„Epitrepontes“ („Das Schiedsgericht“)
Rückschau auf die „Epitrepontes“
„Aspis“ („Der Schild“)
„Perikeiromene“ („Die Geschorene“)
Die „Sikyonioi“ und Menanders Technik
Die „Samia“ und Menanders Lehre
Der Weg von Aristophanes zu Menander
Der Anfang lateinischer Bühnen-Literatur
Plautus
Sein Name
Sein Leben
Die Stücke
Die Überlieferung
Die Sprache
Die Metrik
Die Art plautinischen Übertragens
Vergleich Menander („Dis Exapaton“ 11–30) – Plautus („Bacchides“ 494–525)
Die „Bacchides“ insgesamt
Plautus, der Verwandler
Die Cantica des Plautus
Die Kontamination
Der „Miles Gloriosus“
Der „Poenulus“
Meisterszenen des Plautus
„Amphitruo“ 633–653
„Trinummus“ 301–401: Ein Spiel mit verdeckten Karten
Publius Terentius Afer
Sein Leben
Seine Überlieferung
Aufführungsbedingungen
Die Sprache des Terenz
Die Verstechnik
„Andria“ („Die Frau aus Andros“)
Die Bedeutung der „Andria“
„Eunuchus“
Die Bedeutung des „Eunuchus“
„Adelphoe“ („Die Brüder“)
Die Bedeutung der „Adelphoe“
Zusammenschau
Anmerkungen
Bibliographie
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Kleine Geschichte der antiken Komödie
 3534248171, 9783534248179

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Gregor Maurach Kleine Geschichte der antiken Komödie

Gregor Maurach

Kleine Geschichte der antiken Komödie

Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Einbandgestaltung: Peter Lohse, Büttelborn. Einbandbild: Römische Wandmalerei 1.–3. Jh. n. Chr. Schauspieler und Kitharöde (Foto: akg-images/Erich Lessing).

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2005 by Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Setzerei Gutowski, Weiterstadt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de

ISBN 3-534-18326-6

Für C. Am Rande des Waldes zwei Birken, Die Wurzeln getrennt, die Kronen verwoben, Sie stützen im Sturme die eine die andre, Weht’s lind, dann rascheln die Blätter sich zu, und es wiegen die Bäume sich liebend und danken’s einander, solange sie stehn.

Inhaltsverzeichnis Worum es gehen wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aristophanes . . . . . . . . . Sein Leben . . . . . . . . . „Die Bauern von Acharnaí“ „Die Wolken“ . . . . . . . . „Der Friede“ . . . . . . . . „Die Vögel“ . . . . . . . . . „Lysistrate“ . . . . . . . . . „Die Frösche“ . . . . . . . . „Frauen im Parlament“ . . „Der Reichtum“ . . . . . .

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Menander . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sein Leben . . . . . . . . . . . . . . . . „Dyskolos“ („Der Unangenehme“) . . Rückschau auf den „Dyskolos“ . . . . . „Epitrepontes“ („Das Schiedsgericht“) Rückschau auf die „Epitrepontes“ . . . „Aspis“ („Der Schild“) . . . . . . . . . „Perikeiromene“ („Die Geschorene“) . Die „Sikyonioi“ und Menanders Technik Die „Samia“ und Menanders Lehre . . Der Weg von Aristophanes zu Menander

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Der Anfang lateinischer Bühnen-Literatur . . . . . . . . . . . . . . .

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Plautus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sein Name . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sein Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Stücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Metrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Art plautinischen Übertragens . . . . . . . . . . . . Vergleich Menander („Dis Exapaton“ 11–30) – Plautus („Bacchides“ 494–525) . . . . . . . . . . . . . . . . . Die „Bacchides“ insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

Plautus, der Verwandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Cantica des Plautus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kontamination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der „Miles Gloriosus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der „Poenulus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meisterszenen des Plautus . . . . . . . . . . . . . . . . . „Amphitruo“ 633–653 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Trinummus“ 301–401: Ein Spiel mit verdeckten Karten Publius Terentius Afer . . . . . . . . Sein Leben . . . . . . . . . . . . . Seine Überlieferung . . . . . . . . Aufführungsbedingungen . . . . . Die Sprache des Terenz . . . . . . Die Verstechnik . . . . . . . . . . . „Andria“ („Die Frau aus Andros“) Die Bedeutung der „Andria“ . . . „Eunuchus“ . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung des „Eunuchus“ . „Adelphoe“ („Die Brüder“) . . . . Die Bedeutung der „Adelphoe“ .

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Zusammenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Bibliographie

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Worum es gehen wird* Wie kam es wohl, dass die vielen Büsten des griechischen Komödiendichters Menander einen „leisen Zug von Verachtung“, zudem neben dem Ausdruck „aufmerksamsten Beobachtens“ immer wieder einen „leisen Ton des Leidens“ zeigen?1 Woraufhin hat man das leidzerfurchte Antlitz jener oft, so zum Beispiel von Rubens, als „Seneca“ bezeichneten Büste als die des Komödienverfassers Aristophanes verstehen können? Wohl aus diesem Grunde: Auf der Bühne geschieht im Vordergrunde Heiteres, manchmal Hitziges, oder auch nur Irren und Verwirren, doch in den Nebentönen klingen nicht selten auch Bitterkeit und ernstes Mahnen mit. Zeigt die Komödie also nicht nur eine erheiternde Fiktion, kennt sie auch die dunkleren Regungen im wirklichen Menschen, und sind die Porträts ihrer Dichter aus diesem Grunde zuzeiten nicht gar so lustig? Trauern sie vertanen Chancen nach? Denn „Wie bezaubernd ist der Mensch, wenn er Mensch denn ist“, so lautet eine Zeile Menanders (Frg. 484 Körte). Seien wir also darauf gefasst, dass sich neben und unter dem Bühnengeschehen auch Einblicke in das Innere des wirklichen Menschen auftun und dass solches Aufzeigen des Menschlichen zur Zielsetzung der Komödie gehörte. Solcherlei Gedanken werden dies Buch beeinflussen, geplant aber ist es vorwiegend als „Begleitbuch“ zur Lektüre des Plautus und Terenz, die frei vom Fachwissenschaftlichen dem interessierten Laien und dem Liebhaber des Lateins einen ersten Eindruck verschaffen will. Daher wird dieses Buch so weit wie möglich auf eng wissenschaftliche Erörterungen verzichten, um eines ersten und übersichthaften Kennenlernens willen. Da nun aber die römische Komödie des Plautus und Terenz, auf den Stoff gesehen, Übertragung und Umformung griechischer Stücke ist, muss dieses Buch auch die griechische Komödie umfassen. Es wird dabei nicht der Anmaßung verfallen, sich neben die großen Übersichtswerke zu stellen, will auch nicht längst Gesagtes noch einmal ausbreiten; es wird nur Wichtigstes daraus erwähnen, dabei aber das herausheben, was über der rein wissenschaftlichen Diskussion in den Hintergrund getreten ist, nämlich, wie eben angedeutet, die Frage, was die Komödie der Alten wohl über den Menschen zu sagen hatte. * Mit Freude und Dankbarkeit erinnere ich mich an die ebenso liebenswürdige wie hilfsbereite und sachkundige Zusammenarbeit mit den Lektoren der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Herrn Dr. Harald Baulig und Herrn Daniel Zimmermann.

Aristophanes „Die reiche Vielfalt attischen Lebens in Athens stolzester Zeit, die Höhen und Tiefen seiner ins Weite strebenden Politik, der Reichtum seiner Märkte, die Absonderlichkeiten seiner harmlosen und seiner schlimmen Käuze, aber auch das Andringen neuer Ideen und die Revolutionierung der Kunst – das alles ist in diesem Zauberspiegel eingefangen, den die Hand eines großen Dichters so bewegt, dass wir über tausend flirrenden Lichtern doch nie die Wirklichkeit des Lebens und den Ernst seines eigensten Anliegens aus dem Blicke verlieren“, so schrieb vor ungefähr fünfzig Jahren Albin Lesky (Nachdruck 1993, 471). Aber die griechische Komödie war nicht von Anbeginn attische und athenische Komödie; überall im griechisch sprechenden Raum, Süditalien einbegriffen, hatte es lange vor Aristophanes eine Fülle von ähnlichen Lustbarkeiten gegeben. Das Leben, das der Bauer dort führte, war karg wie der Boden es war. Doch es war kein dumpfes Mühen. Das arbeitsame und entbehrungsbereite Volk hoffte jedes Jahr erneut auf gute Aussaat und auf gute Ernte, und so betete es viel und gern, nicht selten auch in schönen Versen. Das Volk suchte auch Erholung im Lachen, im Trunk und im Tanz, es spottete gern, damals wie heute, und suchte die Natur, anders als heute, durch Tanz, Musik und Wort dazu an- und aufzuregen, reiche Frucht und kräftigen Nachwuchs zu schenken, und dies nicht selten, damaligen Brauch befolgend, durch deutlichstes Aussprechen von Dingen des Zeugens, auf dass Erde und Tier es hören und dann zu fruchtbarem Keimen kommen. So flossen Beschwörung, Gottesdienst und entspannende Sanges- und Spottlust zusammen bei Fest und dörflichem Umzug. Man lachte zum Beispiel gern über absonderlich vorn und hinten ausgestopfte Gesellen, die da umhertollten, man spottete um des befreienden Lachens willen auch über kauzige Dorfgenossen, über Knauser und Schwätzer, und sorgte so auch für Zusammenhalt und Ordnung, lustig und zuweilen auch zornig den Grenzüberschreitungen wehrend. So war auch das attische Fest aus Lust und Gebet gemischt, aus Frohsinn und Götterverehrung zugleich. Will man sich ein Bild vom Ablauf eines solchen Festes machen, so muss man zunächst nach der Gottheit fragen, welcher das Fest galt. Wir wollen uns hier auf die Feste beschränken, an denen es wild und doch auch ehrfürchtig zuging, wo Gottesdienst sich mit der Lust am Lachen verband, und das sind die Feste zu Ehren des Dionysos, des Gottes „des Weins und der rauschhaften Ekstase“, wie Walter Burkert (1977, 251) ihn nannte. Er war der Gott aber auch der Zeugungslust, des Todesschmerzes, des Aufwachsens und auch des Vergehens, wie die Vasen und die Mythen berich-

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ten. Maskierte trugen da riesige Phallen, traten zuweilen als Tiere auf, sangen und spotteten, zu Fuß oder auf Festwagen wie bei unserem Fasching, ließen Derbstes hören und auch Loblieder auf den Gott, um die Zuschauer und Beteiligten zu ergötzen, die Gottheit gnädig zu stimmen und die Natur zu Frucht und Geburt aufzuregen. Kurze Alltagspossen wird man gehört und gesehen, Chorgesänge vernommen haben. Mancher Brauch stammte noch aus der Jungsteinzeit, mancher hat bis heute in vergleichbarer Form überlebt (man denke nur an den Karneval). Vielfältig war, was da geschah, allmählich aber gestaltete sich dieses so formbegabte Volk aus dem Vielfältigen Wiederholbares und Festwerdendes. Das Chorlied, wohl in Attika entstanden, gehörte bald zum festen Bestand, kleine Szenchen zu Beginn und nach dem Hauptlied des Chors werden aus dem reichen Schatz der Imitation von Alltäglichem in erheiternder, darum grotesker Form entsprungen sein, vorgetragen von Schauspielern mit drollig dickem, weil ausgepolstertem Bauch und Hinterteil, dazu mit riesigem Penis. In Unteritalien entstand schon vor der zunächst noch recht ordnungslosen attischen Komödie und auch vor dem Drama, wie es Kratinos2 um die Mitte des 5. Jahrhunderts schuf, eine gepflegtere Form der Aufführung. Rede-Wettkämpfe wurden da von zwei Streitenden auf der Bühne ausgetragen, zum Beispiel zwischen „Herrn und Frau Volksrede“, dazu wurden berühmte Mythen parodiert, und kein Geringerer als Platon schätzte solche, sicherlich recht kurze Aufführungen des Dichters Epicharm aus der Wende des 6. zum 5. Jahrhundert v.Chr. hoch2a. Einen Herakles, der ungeheuer essen konnte, sah man da, und einen wohl nicht ganz heroischen Odysseus, aber auch Parasiten und „dumme Auguste“; und sie alle sprachen Verse. Mit feinem Instinkt gestaltete die attische Formkunst aus solch Vielfältigstem eine literarische Gattung, die bis ins 18.Jahrhundert im Grundsätzlichen wenig verändert am Leben bleiben sollte. In Athen fand die erste staatlich beaufsichtigte Komödienaufführung im Jahre 486 v. Chr. statt, also nur wenige Jahre vor dem Zug und der Niederlage des Perserkönigs Xerxes gegen Griechenland; den ersten inschriftlich bezeugten Sieg beim Wettkampf der Komödiendichter vor einer Aufführung errang ein Magnes, und wir hören von einer ganz frühen Komödie – ob das Wort von „kómos“, dem Festzug, oder von „kóme“, dem Dorf, abgeleitet wurde, ist unklar –, dass sie sich verächtlich über die Komödie der benachbarten Megarer aufhielt.3 Man achtete also in Athen auf Qualität, und der Brauch, dass eine Jury die eingereichten Texte beurteilte, garantierte gutes Niveau.4 Wann Komödienverfasser sich von der Bühne aus in die Politik einzumischen begannen, wissen wir nicht. Aber als Athen nach jenen großen Siegen anfing, sich nicht ohne Gewalt ein Imperium zu schaffen, die umliegenden Inseln in ein Flottenbündnis zu zwingen und

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Abtrünnige hart zu strafen, so zum Beispiel Thasos, Naxos und Lesbos, als ferner Perikles Wirtschaftskriege anzettelte (gegen Korinth, dann gegen Megara) und die Stadt in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft verwandelte, da erhob ein Komödiendichter, nämlich Kratinos5, seine Stimme gegen ihn, und es ließ sich noch ein anderer Lustspielschreiber, Platon (er hat nur den Namen mit dem viel späteren Philosophen gemein), mit Kritik gegen die Inselpolitik vernehmen. Das bildete Tradition, und so hört und liest man viel politische Kritik in den Komödien selbst oder den Berichten über sie, Kritik insbesondere an des Perikles schwächerem, dafür gewalttätigerem Nachfolger Kleon. Aber sie beherrschte keineswegs allein das Bühnengeschehen, es wurde gesungen, getanzt, gestritten und die große Tragödie parodiert, und als Dikaiopolis in des Aristophanes „Bauern von Acharnaí“ sagen will, dass er sich verkleiden wolle, zitiert er den „Telephos“ des großen Euripides und deklamiert: „Es tut mir not, heut arm zu scheinen, zu sein zwar, der ich bin, doch so nicht auszusehen.“ Wer den tragischen Text nicht kannte, hörte zumindest das Gestelzte und amüsierte sich.

Sein Leben Wann nun Aristophanes geboren wurde, ist nicht mehr genau zu erschließen, wahrscheinlich um 440 v. Chr., wie Schmid (1959, 177) vermutet. Gesichert aber ist, dass es ihn schon in ganz jungen Jahren zum Komödienschreiben hinzog und dass er dabei zwei Stücke unter fremdem Namen auf die Bühne brachte,6 und man hat keinen Grund anzunehmen, dass er nicht schon in diesen Spielen so schrieb, wie sich inzwischen der Brauch entwickelt hatte, das heißt mit der Lust an Wort und Geste, an persönlichem Angriff auf Missliebige, an schönem Chorgesang und heiteren Szenchen, zum Beispiel in Form einer Auseinandersetzung von einem gut Erzogenen und einem schlecht Aufgewachsenen, in den „Schmausgesellen“ von 427 v. Chr. Sein Drama „Die Babylonier“ vom Jahre 426 jedenfalls brachte ihm eine Klage Kleons6a ein. Aber auch hier ging es nicht um den einen Politiker, sondern um die Gefahren, welche den stimmberechtigten Bürger seitens der gewissenlosen Schmeichler, Schönredner und Gewaltpolitiker umlauerten. So hatte Kleon dafür plädiert, die vom athenischen Seebund abgefallene Stadt Mytilene auf Lesbos „aus Wut“ (Thukydides 3, 36, 2) dadurch hart zu bestrafen, dass man alle Männer tötete und alle Frauen und Kinder versklavte. Es ging, kurz gesprochen, um die Bundesgemeinschaft, die Stadt und die Gesellschaft in der Kriegszeit. Zwischen den beiden Hauptmächten auf so engem Raum, wie Zentralgriechenland es nun einmal war, musste es wohl zu einer Entscheidung kommen, und sie begann im Jahre 431 mit der Auseinandersetzung um die reiche Handelsstadt Ko-

„Die Bauern von Acharnaí“

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rinth, setzte sich fort im Handelskrieg des Perikles gegen die Nachbarstadt Megara, die zu Sparta gestoßen war, und fand ihren ersten Höhepunkt im Zug der Spartaner nach Attika, um dort die Ernte zu vernichten. Im Hintergrund lauerte der Perserkönig auf eine Gelegenheit, die vordem fehlgeschlagenen Eroberungszüge wieder wettzumachen.

„Die Bauern von Acharnaí“ Im Jahr 425 aufgeführt, spiegelt das Stück7 die Empfindungen besonders der Bewohner des eingemeindeten Städtchens Acharnaí im Norden Athens. Es hatte im Sommer 432 die wüste Vernichtungswut des spartanischen Landheeres zu spüren bekommen, das sich dort festgesetzt und Äcker und Wingerte zerstört hatte. Da tritt zu Beginn des Spiels der Weinbauer Dikaiopolis auf und klagt in der Pnyx, dem Ort der Versammlung aller athenischen freibürtigen Männer, zunächst über schlechte Tragödien, dann aber darüber, dass in der Stadt so wenig Interesse an der Politik herrsche. Endlich füllt sich der Platz und die Debatte beginnt. Der Bauer ist entschlossen, immer dann dazwischen zu rufen, wenn man sich nicht mit dem Frieden befasst (38 f.). Die Verhandlung fördert allerhand Betrügereien von Gesandten an den Perserkönig zutage, Dikaiopolis protestiert (56 ff.), und da es wieder nichts ist mit dem Frieden zwischen Sparta und Athen, entsendet er selber (130 ff.) einen Botschafter nach Sparta, um einen Privatfrieden abzuschließen. Er bekommt gar einen dreißigjährigen, und das erweckt den Neid der dort ansässigen, kriegslüsternen (225 ff.) Kohlenbrenner. Der alte Weinbauer aber feiert ein ländliches DionysosFest inmitten der Familie (241 ff.), muss sich dann aber, von den Köhlern mit dem Tode bedroht, jämmerlich rechtfertigen, borgt sich dafür, um ja recht armselig auszusehen, von Euripides die Fetzen, mit denen dessen bejammernswerter König Telephos auf die Bühne gekommen war (404f f. )7a, und klagt nun die athenische Bündnerpolitik an, die für alles Elend verantwortlich sei. Er tut das natürlich als Komödienfigur mit Komödienbegründungen (v. 499 f. sagt er das selbst);8 so habe der gegenseitige Raub von ein paar schicken Hürchen die Handelsblockade Megaras ausgelöst (524ff.). Einige der aufgebrachten Köhler beginnen zu schwanken, andere aber rufen empört den waffenklirrenden Athenergeneral Lamachos zu Hilfe (572 ff.), doch den verhöhnt Dikaiopolis ob seiner Kriegsdrohung gegen alle Peloponnesier (620) und verkündet im Gegensatz zu ihm allen Peloponnesiern, Megarern und Böotern Frieden (623). Mit lobenden Worten über den Mut des Verfassers dieser Komödie, offen die Wahrheit zu sagen, zieht dann der Chor aus alten Bauern über die Bühne und klagt dabei,

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Aristophanes

umsonst bei Marathon gesiegt zu haben, wenn die Stadt ihnen nun nichts biete als Streit und Prozesse. Der Chor zieht ab, auf die Bühne kommt ein verarmter Megarer, der in einem Sack zwei Ferkel verkaufen möchte, und es sind dies seine Töchterlein, denen er das Grunzen beigebracht (729– 817)! Ein Denunziant wird abgefertigt, und dann kommt ein Thebaner (eigentlich also ein „Feind“), um Handel zu treiben, und Dikaiopolis lässt es mit Einverständnis des hier mithandelnden Chors zu, trotz allem Gekeife eines Denunzianten über den Blockadebruch. Den aber gibt Dikaiopolis dem Thebaner wohlverpackt mit heim, denn diese Spezies gibt es in Theben nicht (904–958). All denen, die mit gutem Grunde ihn um etwas Frieden bitten, spendet er ihn in Form von Wein, nur der kriegswütige Lamachos wird übel verspottet, als er, der sich doch so kriegslüstern gab, nun ebenfalls etwas von der verbotenen Ware haben will (959 ff.). Er muss ohne das abziehen, und als er dann, lendenlahm gekämpft, heim gehinkt kommt (1190), wird er verlacht. Dikaiopolis aber zieht ins Haus, zwei süße Mädchen führt er an der Hand und lässt sie genüsslich seinen gewaltigen Phallos hochhalten. Mit „Jucheh“ zieht man von dannen. Was geschieht da auf der Bühne? Ist Dikaiopolis ein Mensch, ein Athener, wie man ihn täglich sah, oder ist er ein „Starker Hans“ aus Utopia, dem Dinge möglich sind, die andere nicht können? Nun, er beginnt als einer der vielen arg gebeutelten Bauern von Acharnaí, enttäuscht von der verlogenen Politik der athenischen Machthaber. Aber dann verwandelt er sich in einen Überstarken, der von sich aus Frieden schließen kann. Auch der Chor verwandelt sich aus neidischen, wütenden Köhlern zu klagenden Marathon-Veteranen, aus zunächst blind Regierungstreuen zu Männern, die dem Tun des Dikaiopolis zustimmen und am Ende gar mitfeiern möchten (1044 ff.). Der Winzer wird überwirklich kraftvoll, wenn er für sein eigenes Glück sorgt und jubelnd sogar den General verlacht. Doch solcher Jubel erhebt sich überall vom Boden bitterer Not, überspielt die harte Wirklichkeit, die hier fabulierend für kurze Zeit außer Kraft gesetzt wird. Nur der Chor klagt, und er klagt bitter. Der Zuschauer geht am Ende erheitert aus dem Theaterraum, es könnte so sein, wie er es eben gesehen, schön wär’s ja, aber draußen ist alles anders. Wie weit ein solch utopisches Spiel mit all seiner Kritik der Politiker auf diese einwirkte, können wir nicht abschätzen. Kleon jedenfalls fühlte sich persönlich verleumdet und ging vor Gericht (Schmid [1959] 184), wurde aber abgewiesen. Des Dichters Klage über die „allzu rasch beschließenden und dann wieder allzu rasch umbeschließenden Athener“ (v. 630 ff.) in der Ratsversammlung allerdings ist ebenso mutig wie bitter. Bitter auch die Klage zu Beginn darüber, dass die Männer es nicht eilig haben, in die Versammlung zu gehen, draußen herumstehen und lässig umhergehen, sich dann hereinkommend nur um die besten Sitze balgen, statt über den Frieden zu reden (17ff.):

„Die Wolken“

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„Von Seife hat’s mir noch niemals an den Augen so weh getan wie jetzt, wo ich mit ansehen muss, wie leer die Pnyx hier ist, wo doch eine Hauptversammlung für den Morgen anberaumt ist, aber die einen auf dem Markt herumschwatzen, auf und ab spazierend dem roten Seile aus dem Wege gehen (mit dem man zur Versammlung treibt). Nicht mal die Vorsitzer sind da, und wenn sie dann eintreffen, dann kommen die Leute, schubsen einander wer weiß wie um die vorderen Sitze, aber um den Frieden geht es ihnen nicht in erster Linie. Oh Stadt, oh Stadt! Ich aber komme (von weit her) und setz’ mich immer wieder als der Allererste in den Rat, und bin ich dann mal wieder ganz allein, dann ächz’ ich, gähne, recke mich, furze, langweil’ mich, mal’ was in den Sand, fahr’ mir durchs Haar, überlege was. Dabei schau’ ich in die Ferne, hinaus aufs Land, sehn’ mich nach dem Frieden und finde die Stadt ganz scheußlich, gier’ nach meinem Dorf …“, so könnte man die Verse etwas freier übertragen. Am Anfang also etwas immer gleich bleibend Menschliches, dann die Utopie. So gut wie alles bleibt dabei im Äußerlichen, noch führt der Dichter nicht unter die Oberfläche, bis auf diese wenigen Verse ganz am Anfang (30 ff.), in denen Dikaiopolis, gelangweilt und einsam im Versammlungsort sitzend, sich nach seinem Lande draußen sehnt: Hier kommt unverstelltes Empfinden zum Vorschein.

„Die Wolken“ Sind der Paphlagonier und der Wurstler in den „Rittern“ aus Alltags-Widerlingen hinauf potenzierte Popanze, so erwacht in den „Wolken“ vor uns auf der Bühne mit lautem „Au weh“ ein ganz gewöhnlicher, aus dem Leben gegriffener Athener, ähnlich dem Winzer aus Acharnaí. Er befindet sich in einer besonderen Lage, in der sich aber wohl viele Väter damals befanden: Er wälzt sich morgens noch vor dem Hahnenschrei schlaflos vor Sorgen, die Diener schnarchen noch, obschon es Zeit wäre, das Licht zu bringen. Aber den Lampen fehlt das Öl – das war früher alles anders (43)! Damals und heute, es wird noch mehr solcher Kontraste in dem Drama geben: Stadt und Land (man erinnere sich an die Sehnsucht des Bauern nach dem Lande in Acharner 32), Drinnen und Draußen, Arbeit und Faulenzen, Alt und Jung und vor allem: Zufriedensein mit wenigem wird gegen ewig mehr begehrendes Wohlleben gestellt sein. Der Krieg ist schuld, er hat alles verändert. Unser Mann wird von Schulden geplagt, denn der Sohn gibt Unsummen für seinen Pferdesport aus. Wie war es doch früher ruhig, klagt der Alte, als er noch auf dem Lande lebte, noch ohne sein vornehmes Luxusweibchen aus der Stadt (47). Nein, die Dinge müssen anders werden, der Sohn muss bei den klugen Köpfen nebenan

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lernen, wie man Schuldansprüchen entgeht. Das sind tiefe Denker, die bei Sokrates subtile Sachen erforschen (94ff.): Die werden helfen können. Sokrates – ein Wort dazu, dass der große Mann in den „Wolken“ schlecht wegkommt. Der Sokrates des Aristophanes betreibt Naturkunde, was er bei Platon nicht tut. Wohl aber lässt Platon ihn im „Phaidon“ (96 a 7 ff.) erzählen, dass er in seinen jungen Jahren unter dem Einfluss des Anaxagoras solches tat. Man wird den Philosophen der „Wolken“ missverstehen, wenn man in ihm ein gehässiges Zerrbild sieht. Vieles von dem, was der Sokrates der „Wolken“ sagt und tut, ähnelt dem, was der reale Sokrates tat und sagte;9 Aristophanes hat ihn wiedererkennbar gemacht. Aber zugleich muss er für die gesamte Sophistik seiner Zeit herhalten, von der man nicht ohne Berechtigung sagen kann, dass sie (ob sie es nun wollte oder nicht) die traditionellen Wert- und Göttervorstellungen und dazu die herkömmliche Erziehung in Frage stellte. Die Behandlung, oder auch: Misshandlung des Sokrates zeigt, mit welcher Skepsis und mit welchem Abscheu manch ein Nachdenklicher den neuen Strömungen begegnete.10 Der Sohn soll also bei dem so gearteten Sokrates das Rechtsverdrehen lernen, doch der Sprössling verdrückt sich, und so geht Strepsiades selber hin, um seine missliche Lage zu „drehen“ (das bedeutet sein Name, vgl. 434 und 1455). Zunächst führt ein Schüler den Alten in die Mysterien der Naturerforschung ein, doch auf jede der wundersamen Erkenntnisse reagiert der Alte dem Schüler und bald darauf dem Meister selbst gegenüber in ganz inadäquater Weise. Wenn da zum Beispiel ein paar Figuren tief gebeugt in die Erde hinabschauen und, wie der Schüler erklärt, „das unter der Erde“ erforschen, nimmt der praktisch denkende ehemalige Bauer sogleich an, die suchten nach Trüffeln (184 ff.), und so geht es weiter.11 Oben war von Antithesen die Rede. Eine der stärksten ist die zwischen einem auf die Ursachen gerichteten Fragen (so zerwitzelt es in den „Wolken“ auch erscheinen mag) und dem ganz anderen, praktischen Sich-Auskennen in den Realitäten. Im Folgenden erinnert Strepsiades immer wieder die Belehrenden an sein eigentliches Anliegen, die Tricks der Zahlungsverweigerung (167, 434 ff. usw.), doch davon ist wenig die Rede, vielmehr erschüttert ihn die Leugnung des Sokrates, dass es Götter und einen Zeus gebe (226, 246, 380 usw.). Dies Credo12 bekennt Sokrates nun auch vor dem Chor der Wolken, der mit einem herrlichen Lied hereinwallt (275 ff.). Sokrates betet zur Luft, zum Äther und zu den Wolken als Gottheiten. Später (380) wird er dann über ihnen den „Dinos“, den Wirbel, ansetzen, was als Parodie der damaligen naturphilosophischen Suche nach dem Ursprung von Bewegung gelesen werden mag. Einstweilen erklärt er, dass es die Wolken seien, die Klug- und Schlauheit verleihen (317 f.), und diese letztere erscheint dem Schuldengeplagten denn auch besonders begeh-

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renswert (320 ff.). Die Wolken versprechen, dass er bei Sokrates ein schlauer Rechtskenner werden würde (466ff.). Nun beginnt die Lehrzeit, doch erneut reagiert der Alte auf alle Lehrversuche falsch, so zum Beispiel auf den echt sokratischen Versuch, dem Gegenüber zur Selbsteinsicht zu verhelfen.13 Sokrates geht mit dem neuen Lehrling ins Haus und gibt sich alle Mühe, während der Wolkenchor sein Parabasenlied14 singt, in dem der Dichter stolz bekennt, er peile nicht seichte Effekte an, sondern seine Komödie „komme ihr selbst und den Worten vertrauend daher“. Er sagt: „So bin ich als Dichter, aber prunken will ich nicht“, wohl aber lobt er sich, denn immer Neues bringe er und Mutiges (544 ff.). Und doch habe man ihn bei der Beurteilung der „Ritter“ schlecht bewertet, die „Wolken“ aber seien nun sein „schlaustes Stück“ (522).15 In der Zwischenzeit hat Sokrates den alten Mann versucht zu belehren, umsonst: Beim Atem, beim Chaos, beim Äther, so schwört er, nie habe er einen Dümmeren mit einem kürzeren Gedächtnis erlebt! Alle Unterrichtung über Metrik, Grammatik und derlei mehr fruchte nichts; und Strepsiades ärgert sich, dass er nichts übers Rechtsverdrehen erfahren habe (738 f.). Kein Wunder, Sokrates ist solchen platten Alltagsdingen viel zu weit entrückt (740 zum Beispiel), und der Alte kommt, wenn er an eine Lösung seiner Not denkt, nur auf Groteskes (780 ff.: Gefragt, wie er sich das Entkommen aus der Schuldverpflichtung vorstelle, antwortet er, er werde sich halt umbringen). Da hat der Wolkenchor ein Einsehen und heißt den Vater, seinen Sohn statt seiner lernen zu lassen, und rät dabei dem Sokrates, sich einen solchen Fang nicht entgehen zu lassen (804 ff.). Man fragt sich mit einiger Spannung, wie das wohl ausgehen werde.16 Die hehren Wolken geraten hier ins Profitliche hinab! Der Sohn kommt, und nun kippt der Vater das Halbwissen, das er sich angeeignet, über dem Sohne aus, verdreht dabei in belustigender Weise aber alles, und so geht denn am Ende der Sohn in die Denkerschule, um „die stärkere und die schwächere Rede“ zu erlernen (882 f., man erinnert sich an 113), also das, woran der Vater scheiterte. So angekündigt, treten – während Sokrates drinnen den Sohn Pheidippides (ausgerechnet „Der an Pferden spart“ ist sein Name) belehrt – zwei solcher „Reden“ auf, im Grunde Vertreter zweier unterschiedlicher Erziehungsweisen. Es entspinnt sich ein an Epicharm gemahnender Wettstreit („Agón“),17 wobei die „rechte Rede“ die konservative, die „schlechte Rede“ die moderne Denkweise repräsentiert, dies nun aber nicht in abstrakter und dogmatischer, das heißt ganz unlustiger Weise, sondern immer ins lächerliche Extrem fallend. Die „rechte Rede“ fordert (961 ff.), man müsse die altehrwürdigen Texte auswendig lernen und sich sittsam benehmen, und dies bis zu dem Exzesse, dass ein Knabe, der auf Sand ge-

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sessen, den Abdruck seines Hinterbrötchens verwischen müsse, um die homophilen Männer nicht zu reizen (975)! Man müsse die Alten ehren, sich abhärten und die Mädchen meiden: So werde man „ganz marathonisch kraftvoll und kriegstüchtig, anders als die verweichlichend falsche Erziehung, die der Lust nachgeht, das Schöne hässlich und das Hässliche schön nennt bis hin zum lustvollen Liebesabenteuer“ (997). Die „schlechte Rede“ widerspricht stracks, lobt die Fähigkeit, allem geltenden Recht zu widersprechen (1040), und liefert gleich ein Beispiel, indem sie die „rechte Rede“ nach Strich und Faden zerpflückt, und kommt dann, indem sie sich Pheidippides zuwendet, zu dem Aufruf: „Nutze Deine Kraft, spring’, lach’ und halt’ nichts, was Spaß macht, für hässlich“ (1078, vgl. Thukydides 3, 83). Die „rechte Rede“ macht sich geschlagen davon, die „schlechte“ und der Sohn verschwinden mit vollem Einverständnis des Vaters im Denkerhaus. Der Chor warnt: „Geh’ nur, ich fürchte aber, du wirst es noch bitter bereuen!“ (1114). Während der Chor noch die Richter um den Sieg für das Drama bittet, erscheint Strepsiades in 1131 mit einem Sack Mehl auf dem Rücken zum Lohn für Sokrates und singt, nachdem Sokrates ihm versichert hat, dass der Sohn „gelernt“ habe (1150), ein Jubellied: Nun sei der Schrecken bald vorüber. Man kennt solche Jubellieder kurz vor dem Untergang aus der Tragödie.18 Wie ein tragischer Held hat auch Strepsiades sein Schicksal selbst entschieden: Falsches Selbstbewusstsein hat er sich angeeignet und damit gewappnet, schickt er nun hohnlachend einen Gläubiger nach dem anderen mit leeren Händen fort, um dann zufrieden mit dem Sohn, dem er’s gezeigt hat, wie man’s macht, ins Haus zu gehen. Der Chor weiß, was geschehen wird.19 Und in der Tat kommt der Vater mit dem Sohne zeternd aus dem Haus gerannt, der schlaue Sprössling hat den Umsturz aller Werte gelernt und den Vater samt der Mutter tüchtig durchgewalkt. Jetzt wird der Alte zu der Einsicht gebracht, er habe selber Schuld, ähnlich dem tragischen „Nun erst sehe ich ein!“20 Er kehrt zur alten Art und Religion zurück, aber auch dies in ganz verkehrter Weise: Statt alle Schuld bei sich zu sehen, zündet er dem Sokrates seine Denkerbude an. Die „Wolken“ sind im Unterschied zu den „Acharnern“ und „Rittern“ ein facettenreiches und dazu ein zweischichtiges Stück. Zweischichtig, weil an der Oberfläche eine geradezu miese Handlung abläuft, die, von Strepsiades vorangetrieben, auf seine von ihm selbst verschuldete Katastrophe zusteuert und mit einem ebenso miesen Racheakt endet. Denn Sokrates hat ja an der Niederlage des Alten wenig Schuld21 und wird dennoch hart geschädigt, obschon seine anklingende Kunst, Menschen zur Selbsterkenntnis zu führen, hier dringend notwendig gewesen wäre. Die zweite Ebene liegt „unter“ dieser Oberfläche, liegt im Inneren des Vaters. Er hat

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Geld- und Erziehungssorgen, dann verfällt er, als er sich an die falschen Lehrmeister wendet, in intellektuelle Notlagen und vermag nicht, sich zu einer Gründe und Ursachen suchenden Geisteseinstellung aufzuschwingen (woraus ergötzliche Inadäquatheiten entspringen), und wird am Ende in bitterste Enttäuschung gestürzt, ja vom Sohn verprügelt, obschon der Chor gewarnt hatte. Und er weiß am Ende auch, dass all das seine ganz eigene Schuld ist. Unter der erheiternden Oberfläche liegt also eine gewiss auch heiter gefärbte, eigentlich aber bittere Schicht inneren Geschehens und leidvoller Seelenzustände. Diese Schicht hat eine geradezu tragödiengleiche Struktur. Facettenreich ist das Drama zu nennen, weil das eben Beschriebene von allerlei Beiwerk umflochten ist, so zum Beispiel vom Agon der beiden Reden und darunter liegend von einer ständig spürbaren Antithetik22: Stadt und Land, Vordem und Jetzt, Alt und Jung, Philosophie (oder was von ihr beim Zerspielen übrig bleibt) und eng praktisches Denken. Strepsiades ist kein Popanz mehr wie in den „Rittern“, auch kein anfänglich „normales“, sich dann aber zum Starken Hans aufschwingendes Wesen, er ist ein einfacher athenischer Bürger, der unter dem Kriege und unter der modernen Unbotmäßigkeit von Sohn (und Dienerschaft) und einem Leben leidet, das nicht eigentlich seines ist, dann, rettungslos überfordert, sich eine phantastische Abhilfe ausdenkt, am Ende aber bar aller Illusionen hart auf den Boden der Realität zurückstürzt. Schmerzhaft wird er nach böser Irrfahrt wieder zu dem, was er eigentlich ist: ein attischer Bauer (1457). Nahe der Tragödie, ist dieses Drama ein „sehr komplexes dichterisches Gebilde“, wie Lesky (1993, 489) schrieb, komplex nicht zuletzt dadurch, dass es sehr viel mehr vom Menschen als Menschen zeigt als die Stücke bisher.

„Der Friede“ Das Jahr 424 war ein Unglücksjahr für Athen gewesen. Der großartige Spartaner Brasidas hatte sich auf dem Landwege nach Thrakien bis in die Chalkidike durchgeschlagen und brachte dort etliche Gemeinden zum Abfall von Athen, nahm Amphipolis am Strymon-Fluss und setzte sich in den Besitz der Goldminen am Pangaion-Gebirge. Ferner waren die Athener in einer großen Schlacht am Apollo-Heiligtum in der Nähe von Tanagra (bei Delion: Thukydides 4, 76, 4) von den Böotern geschlagen worden. Im folgenden Jahr sandte Athen seinen Kleon nach Thrakien, und vor Amphipolis fielen 422 er sowie Brasidas.23 Nun begannen Friedensverhandlungen, und kurz vor Abschluss eines fünfzigjährigen Friedens erschien das Stück des Aristophanes auf der Bühne. Das Spiel verläuft geradlinig in drei Etappen: Ein athenischer Wein-

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bauer, Trygaios mit Namen („Hefler“), von seinem Weingut durch die spartanischen Verheerungen vertrieben, weiß nicht mehr, wie er die Familie ernähren soll (119ff.). Er beschließt, es wie der Bellerophon des Euripides zu machen, der auf einem Flügelross gen Himmel fuhr, und so fliegt er auf einem Reittier, einem gewaltigen Mistkäfer, zu Zeus, um ihn um Frieden anzugehen, um Frieden für alle Griechen (93, 105). Nun die zweite Etappe: Droben angekommen, findet er Zeus und die Götter bis auf Hermes verreist. Der war zurückgeblieben, um auf die Habe der Gottheiten aufzupassen (ausgerechnet er, der Gott der Diebe). Hermes erlaubt es nach langem Bitten, sehr gegen den Willen des Herrn Polemos („Krieg“), der so gern ganz Hellas in einem Mörser zerstampft hätte (236–288), dem Chor aus Vertretern sämtlicher Griechengemeinden, die Göttin Eirene („Frieden“), die Zeus in ein Loch gestopft hatte, herauszuzerren (511). Es sind dabei die Bauern, denen es nach langer Mühe der anderen endlich gelingt. Die Göttin (eine große Puppe) erscheint, und Hermes erklärt, wie es zu dem Kriege überhaupt kam: Als Phidias, der Freund des Perikles, Gold beim Ausrichten des Parthenon-Tempels auf der Akropolis unterschlagen und so seinen Freund kompromittiert hatte, zettelte der zur Ablenkung einen großen Krieg an (605 ff.), und die kriegswütigen Völkerschaften verjagten den Frieden (624, 637). So verkamen die Bauern (625). Nun aber ist der Friede endlich wieder erschienen, und im dritten Teil des Dramas übergibt der Gott die Eirene samt Opora (706), der Fülle, und Theoria, der Rateingeberin (713), dem Trygaios, der verjüngt (wie der Demos der „Ritter“: 861 ff.) die Theoria dem athenischen Rat überlässt (846, 873), Opora aber als Braut mit sich nach Hause nimmt, um daheim sein ganz eigenes Friedensfest zu feiern (wie der Dikaiopolis der „Acharner“). Doch zuvor wird geopfert und zur Eirene gebetet, und zwar in Worten (987 ff.), die für das Athen dieses Jahres hoher Ernst waren und die man frei etwa so wiedergeben könnte: „Zeige dich ganz, so edel du bist, uns, deinen Verehrern, die wir uns nach dir sehnen nun schon dreizehn Jahre! Hindere die Schlachten und die Tumulte, auf dass wir dich ‚Kriegsauflöserin‘ nennen. Beende unser Misstrauen gegeneinander, das fein und unbemerkt sich einschleichende, das wir untereinander ausschwatzen, und lasse in uns Griechen einfließen den Saft der Freundschaft, wie es am Anfange war, und benetze unseren Sinn mit mildem Verzeihen!“ Dann aber regiert wieder der Spaß, und Trygaios weist in einer Reihe von Szenen mit kontrastierten Personen einen Orakel plärrenden Seher (dem es doch nur ums Essen geht: 1050) mit dessen eigenen Sprüchen ab (1112), lässt einen Sichelschmied mitspeisen (1197), einen Waffenhändler und andere Hersteller von Kriegsgerät dagegen nicht (1210 ff.). Den Knaben seiner Hochzeitsgäste, die, fehlunterrichtet in der Schule, nur Kriegslieder kennen und sie hier vortragen wollen, verweist er den scheußlichen

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Gesang (1270ff.). So ist am Ende der Weg frei, nun alle und auch den Chor der Bauern zum großen Schmause einzuladen, und es ist auch an der Zeit, etwas sehr Menschliches zu tun, nämlich die Opora zu genießen. Sicherlich ist Trygaios eine Kraftnatur und wird zum überwirklichen Starken Hans wie Dikaiopolis in den „Acharnern“ und in seiner Art auch der Wurstmacher der „Ritter“; gewiss ist auch das ganze Stück ein Traumspiel, ausgelöst allerdings durch eine sehr real bedrückende Lage, und zweifellos bleibt alles Geschehen an der Oberfläche. Aber hier und da kommt verborgen auch eine Sehnsucht zum Ausdruck, die wohl die meisten athenischen Bürger und Bauern spürten, und kommen Sorgen zur Sprache, die alle bedrückten: die Sorge, wie es nun nach dreizehn Jahren Krieg weitergehen werde. Doch nicht nur um diese Sorge geht es; man ist auch unglücklich ob der kriegshetzerischen Schulerziehung, eine Sorge, die seither nur zu berechtigt geblieben ist; hinzu kommt die bittere Erinnerung daran, wie rücksichtslos Athen mit seinen geduldigen Kämpfern umzuspringen pflegte (1172 ff.): Man ließ ihnen vor dem Ausmarsch nicht einmal Zeit, das Nötigste mitzunehmen; dazu die Selbstzerfleischung der Bürgerschaft durch grenzenloses Misstrauen jedes gegen jeden (993), welches das Klima der Stadt vergiftete und welches die freie Meinungsäußerung, die doch ein heilsames Regulativ ist, völlig unterband. Was die Sehnsucht angeht, so sehnt der in der Stadt eingepferchte Bauer sich nach dem heimatlichen Land, ja nach dem geliebten Vegetabilischen überhaupt, dem Ackern, dem Wachsen, dem Gedeihen (1140 ff. und 1318 ff.). Und nicht vergessen sei die kleine, aber aussagekräftige Selbstdemaskierung des Wahrsagers: In Notzeiten wuchert das Unwesen der Zukunftsdeuterei, die Deuter aber haben nicht das Wohl der Stadt im Auge, sondern Sattwerden und Profit (1093 ff.). Freilich waren bisher die Prominenten, allen voran Kleon, von solchen komödiantischen Reduzierungen und Demaskierungen umspielt; aber dass nun auch die kleinen Alltagsbürger hiervon ergriffen werden, ist neu in dem uns vorliegenden Werk des Aristophanes. Es verwundert allerdings nicht mehr nach dem, was in den „Wolken“ an innerem Geschehen zu spüren war.

„Die Vögel“ Als dieses sehr lange24 und doch fest in sich geschlossene Stück des Jahres 414 v. Chr. beginnt, sieht man zwei müde Männer ratlos über die Bühne irren. Es sind dies Peisetairos (so stellt man heute die Namensschreibung her), das heißt „Der beratende Freund“, mit einer Krähe auf der Hand, und Euelpides („Der gute Hoffnung hegt“) mit einer Dohle. Ein Tierhändler hatte sie ihnen angedreht, als sie nach einem Vogel fragten, wel-

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cher den Weg zum Wiedehopf wüsste, zum Wiedehopf, der einst König Tereus gewesen, jetzt nach seiner Verwandlung Herr unter den Vögeln sei. Die beiden Männer sind Athener, die auswandern wollen und sich von den weit umher schauenden Vögeln Auskunft darüber erhoffen, wo es eine Stadt gibt, in der man in Ruhe und gut leben könnte (128ff.). Mit einigem Glück finden sie die Behausung des Wiedehopfes, der gibt auch Hinweise, aber alle vorgeschlagenen Städte haben irgendwelche Nachteile. Da weiß Peisetairos, obschon eigentlich ein Feind der Vögel (die von den Menschen ja gern verspeist werden), endlich für sich und die Tiere Rat: Man müsste selber eine Stadt, und zwar fern der Menschen in den Wolken gründen25 und sich zu Herren der Lüfte machen, indem man den die Götter nährenden Opferduft von der Erde nicht mehr durchlässt und ihnen auch verwehrt, weiter frei auf die Erde hinab zu ihren Liebschaften zu reisen (193, 557ff.). Gesagt, getan: „Auch von ihren Feinden lernen Kluge mancherlei“ (375), so willigt der Wiedehopf ein. Man will daraufhin alle Vögel zusammenrufen lassen, und so weckt der Wiedehopf die Nachtigall in einem überaus zarten Liede, und dann auch alle anderen in einem nicht minder schönen Ruflied.26 Es ist vielleicht einen schwachen Versuch wert, das Lied so wörtlich wie möglich zu übersetzen, mit dem der Wiedehopf die Nachtigall weckt (209/222): „Auf, du Gefährtin mir, ende den Schlaf, lass’ frei die Weisen heiliger Lieder, die du klagst durch göttlichen Mund um meinen und deinen vielbeweinten Sohn Itys! Helle klingend in schnellem Gesang aus flatternder Kehle strömt klar der Klang durch die Laubestressen der Eiche zum Sitz des Zeus, wo ihn der goldhaarige Phoibos vernimmt, deinem Trauerliede auf elfenbeinziselierter Phorminx antwortet und dann ordnet den Reigen der Götter. Aus unsterblichen Mündern strömt mit dir zusammen klingend der Seligen göttliche Klage.“ Man entdecke einmal eine Nachtigall im dichten Eichenlaub, betrachte ihre flatternde Kehle und staune über die Kunst des Dichters, das Flattern der Kehle durch sein „elelízomené“ (213) wiederzugeben; aber besonders schön ist, wie die Klage der in eine Nachtigall verwandelten Königstochter Prokne im Olymp von Apoll saitenschlagend und von den Göttern dazu singend und tanzend beantwortet wird. So gerufen, kommen alle, vom Flamingo bis zum Specht.27 Nach anfänglicher Skepsis folgen die Tiere dem Rat des Menschen, dieses „verschlagenen Geschöpfes“ (451 f.), das den Vögeln beweist, eigentlich seien sie und kein anderer die Herren der Götter und Menschen (467 ff.). Die Götter einschränken und die Menschen sich verpflichten durch Vertilgung von Heuschrecken und Ameisen und durch Aufzeigen verborgener Goldadern und Schätze, sie auch vom teuren Götterdienst entlasten, das ist der Plan.

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Die Stimmen der Vögel vereinigen sich nun zu einem Chorlied (676 ff.). Die Nachtigall eröffnet (jetzt nennt auch der Chor sie „Sangesgefährtin“: 678, vgl. 209), dann fallen die anderen ein, und es entsteht ein Gesang von schöner Kraft, gerichtet an die Menschen, die da „von einem im Dunkel lebenden Wesen, gleich der Art der (rasch gilbenden) Blätter, weniges könnend, geformt aus Lehm, ein schattenhaft schwaches Geschlecht“ sind (685 f.; hier mischt sich Homerisches [Ilias 6, 146] mit Pindarischem [Pyth. 8, 95]); untermischt wird das Lied allerdings, wie es der Komödie ansteht, mit einigen Seitenhieben: Sie singen zunächst eine Kosmogonie aus der Vogelsicht, die mit der Werbung endet, sie, die Vögel, als Götter zu verehren (723ff.). Dann erklingt ein herrlicher Musenanruf (737/752), auf den dann ein ins Grotesk-Komische abfallendes Versprechen folgt (755/768: Unter Vögeln dürfe man zum Beispiel sehr wohl seinen Vater verprügeln, 757). Dann aber schwingt sich der Gesang erneut zur Höhe, zu einem klangvollen Lied über den Singflug der Schwäne (769/784), und wieder lässt das Singen und Sagen sich hinabfallen ins deftig Zotige, um die Lacher zu reizen. Es lohnt sich, diese Dichtung aufmerksam und mit offenem Sinn für das schöne Wort zu lesen. Nun aber zurück zur „Realität“ der Vogelstadt. Sie erhält einen Namen (819), nämlich „Wolkenkuckucksheim“, man trifft Vorbereitungen für den Mauerbau, opfert fürs Gelingen, und während dann droben gemauert wird, tritt – das Vorhaben der Vögel wird inzwischen ruchbar geworden sein – ein Poet auf, der Lobeshymnen anbietet, ferner ein Wahrsager, der Wahrsprüche offeriert; ein Landvermesser, der genaue Pläne zu liefern sich erbietet, und auch noch ein Gesetzeshändler – alle werden sie grob davongejagt und geprügelt (Peisetairos will halt keine Stadt wie die, der er entfloh). Nein, der Vogelchor verkündet jetzt seine eigenen Gesetze, Gesetze gegen Vogelfang und Vogelmord (1077/1083; sie werden bis heute grob missachtet). Doch es bleibt nicht beim Verbieten, jubelnd singen die Vögel Verse voller Seligkeit sommerlichen Vogellebens und glücklichen Überwinterns. Dann ist die Stadt fertig, doch auf einmal wird die Lufthoheit grob verletzt: Iris, die Götterbotin, hat sie gebrochen, sie will zu den Menschen und sie mahnen, weiter Opferdüfte emporzusenden (1231 f.). Hier beginnt eine zweite Serie von Abfertigungen (siehe Anm. 24). Iris wird mit Schimpf und Schande davongejagt. Nach ihr erscheint ein Bote von drunten, von den Menschen: alle Welt ahme den Vogelstaat nach, man gebe sich bereits Vogelnamen, ja man wolle aussehen wie Vögel! Peisetairos befiehlt nun, so viele Federn herbeizuschaffen für die Menschen wie möglich, und er treibt die Vögel mit der Peitsche an (1335f.) – so weit wäre man also wieder! Und noch jemand kommt von unten: Ein junger Mann singt begeistert vom Adlerflug, aber warum kommt er zu den Vögeln? Nur, weil er weiß,

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dass es in der Vogelwelt so eingerichtet ist, dass die (zur Reife gekommenen) Söhne ihren Altvögeln gegenüber unabhängig werden und sich durchsetzen, sie hacken und prügeln (1347 f.). Das gefällt ihm, aber Peisetairos fertigt ihn mit der Bemerkung ab, er solle sich lieber bewaffnen und in Thrakien für Athen kämpfen.28 Der ebenso dürre wie dümmliche Dithyramben-Poet Kinesias, den Lesky (1993, 468) vorstellt, wird gleichermaßen schroff abgefertigt, dann aber erscheint ein wunderlicher Mann, der sich unter einem Sonnenschirm verbirgt: Es ist Prometheus, der nicht von Zeus erblickt werden möchte (1494 ff.), und der meldet, dass die Götter hungern. Und in der Tat, es kommt auch schon dieserhalb eine Abgesandtschaft der Olympier: Poseidon, Vielfraß Herakles und ein Barbarengott „Triballos“, der in lustiger Weise nichts so recht versteht (1572, 1628, 1678). Man schließt einen Vertrag: Peisetairos erhält die Jungfer Basileia von den Göttern und damit die Königsherrschaft über den Vogelstaat. Die Vögel aber erhalten die Lufthoheit und Herakles bleibt zum Essen! Athenische Rede- und Rategewandtheit hat der Vogelwelt also den Sieg gebracht, und mit einem herrlichen Hochzeitslied (1731 ff.) klingt das Spiel aus. Die Menschen des Aristophanes – hier sind es zunächst zwei gebeutelte Athener, mit denen man mitzufühlen bereit ist, zwei sehr reale Vertreter der einfachen Bürger. Wieder ist es ein Traum,29 um den es geht, ein mächtiger, beglückender und dieses Mal auch ein gesangerfüllter Traum. Und wieder ist es ein „Starker Hans“, der am Ende ein beseligendes Weibchen erhält. Erneut zeigt ein athenischer Dichter, wozu die menschliche Phantasie fähig ist, zu welcher Lust und zu welcher Wortschönheit. Aber es mischen sich auch dunkle Töne in das schöne Bild: Wieso traktiert Peisetairos Vögel mit der Peitsche und wieso brät er (1583) Vögel? Gut, er nennt sie Aufrührer und sagt, sie seien deswegen hingerichtet worden, aber hatte es nicht eben noch geheißen, Vogeltötung dürfe es nicht mehr geben (523ff.)? Und dann verzehrt der Mann, ein „tyrannos“ (1708), die gebratenen Vögel auch noch selber (1688; anders N. Dunbar, Aristophanes Birds, Oxford 1995, 720, dem ich nicht folge). Man muss nun nicht nach haargenauen Analogien zu Vorgängen in Athen fahnden wollen, wovor Newiger (1975, 277) zu Recht warnt; aber es scheint doch so zu sein, dass der erfolgreiche Peisetairos das Maß zu verlieren beginnt. Zumindest angedeutet ist die leider allzu menschliche Hybris, die ja auch eines der gewichtigsten Themen des Thukydides war.30 Und nicht nur dies anklingende schwergewichtige Thema lässt die „Vögel“ sich über die Ebene eines bloß lustigen Spiels erheben; auch die Sentenz 375 f. („Kluge Menschen lernen auch von ihren Feinden gern“), der herrliche Gesang des Wiedehopfes (209 ff.) und des Chors, der sich schier zu pindarischen Höhen beim Bejammern des Menschenlosen aufschwingt, geben dieser schönen Komödie hohen Rang.

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„Lysistrate“ Der Name der Protagonistin, die „Heerauflöserin“ heißt, nennt bereits den Gegenstand des Spiels von 412/411: die Beendigung des Krieges. Er soll auf zwei Wegen zu einem Ende geführt werden: Die Frauen erheben sich von ihren Webstühlen und Kocharbeiten, übernehmen das Regiment, indem sie sich zum einen den Kriegsschatz der Männer aneignen und sie zum anderen durch Ehestreik gefügig machen, und beenden so das Leid. Dieses sehr streng gebaute Drama nimmt trotz seines Kriegsthemas nicht Bezug auf ein konkretes Ereignis, obschon dazu wahrlich genug Gelegenheit gewesen wäre: Das gesamte Expeditionsheer der Athener wurde 413 in Sizilien31 gefangen genommen und verkam nun in den Steinbrüchen von Syrakus (die gewaltige, erschütternde Höhle, das „Ohr des Dionysios“, kann man heute noch aufsuchen), Attika wurde erneut verwüstet und auch die Silberminen von Laureion gerieten in Feindeshand. Lysistrate hat alle Frauen, die von Athen und die von Sparta, zum Burgberg (also ins Dionysos-Theater) gerufen. Sie schlägt, um die Männer willig zu machen, einen Ehestreik zuhause vor und draußen die Besetzung der Burg mit dem Kriegsschatz. Man stimmt zu, die Spartanerinnen gehen heim, die Athenerinnen ziehen auf die Akropolis, um das Beschlossene ins Werk zu setzen (111/253). So geschieht es, und nun kommt ein Chor älterer Männer heran, um die Frauen zu vertreiben (ausräuchern will man sie), ein Chor von reiferen Frauen verteidigt die eingenommene Burg, begießt die Männer und ihre Feuerbrände (349/469) und verjagt gar den Polizeihauptmann samt seinen Schergen (462; 608). In der folgenden Verhandlung zwischen den Frauen und dem Polizeihauptmann weist der Amtsinhaber darauf hin, dass die Männer doch nur den Staat retten wollen (497); Lysistrate antwortet, dass allein die Frauen dies vermöchten, und klagt mit ergreifenden Worten über das Geschick der Frauen im Kriege: Zwar durchschauten sie die Unsinnigkeit der Kriegsbeschlüsse, dürften als Frauen aber nicht mucksen. Nur immer arbeiten, immer nur ertragen, das sei ihr Los gewesen (507 ff.). Der Amtmann wird böse und will von einer Frau derlei nicht hören, will vor einer Haube nicht weichen. Da ergrimmt nun auch Lysistrate, stülpt dem Mann die Haube über den Kopf, die anderen Frauen greifen zu und staffieren den Mann hohnlachend als Frau aus (532 ff.). Danach beschließen sie, den Männern den Beischlaf zu verweigern (551 f.), um sie gefügig zu machen, selber dann das Regiment zu übernehmen und so den Staat „auszuklopfen“ und „umzukrempeln“, wie Lysistrate mit einem Bild aus dem Bereich der weiblich-häuslichen Wollarbeit sagt (574 ff.). Und erneut klingt Bitteres an: In der Zeit, in der eine Frau sich ihres jungen Lebens freuen sollte, sie, die doch (im Süden) rasch verblüht, da muss sie, wenn der Mann im Kriege, im Bett alleine lie-

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gen und in ihrer Kammer still dahinaltern. Und kommen die Männer dann, selber gealtert, wieder heim, nehmen sie die Jungen, und die, welche ausgehalten haben, müssten dann traurig zurückschauen auf ihren einst vergangenen „kurzen Frühling“ (596), und doch sind es die Frauen, die den Männern die Knaben gebären zum Hoplitenkampf (590)! Auch die nachfolgende Auseinandersetzung in der Parabase zwischen Männer- und Frauenchor (614 ff.), bestehend aus gegenseitigen Beschimpfungen, gewinnen die Frauen, aber dann naht Unheil: Die Frauen, eingeschlossen in der Burg, spüren allmählich Liebesverlangen, doch Lysistrate bleibt hart, so auch ihre Gefährtin Myrrhine, die vorgibt, ihren gequälten Mann erhören zu wollen, ihn aber in erheiterndster Weise hinhält und kurz vor der Erfüllung davonrennt (979). Der Polizeihauptmann und sein spartanischer Kollege treffen sich, in sichtbarer Not mit gestrecktem Phallos daherschleichend (1073), und sind nun endlich fürs Verhandeln, wollen unter dem Druck in ihren Leibern das Volk dazu bringen, Verhandlungsführer zu entsenden (1009ff.). Erneut treten die Chöre auf, die Männer höchst unanständig, die Frauen, scheinbar mitleidig, verdecken die Scham der Männer unter allerlei Spott. Der athenische Ratmann und sein spartanischer Kollege kommen herbei und beteuern nun endlich ihren Friedenswillen. Da erscheint Lysistrate mit einem süßen Weibchen, der „Versöhnung“ (1114), und die zieht Athener und Spartaner an ihren Schweifen zu sich heran und bewirkt den Schwur des Friedensschlusses: „Der Feind (die Perser) steht vor der Tür, und ihr vernichtet euch gegenseitig!“ (1133f.). Das Ende ist ein tolles Fest. Nur im Allgemeinen ist dies Stück ein Friedensstück, es nimmt auf keine besonderen historischen Ereignisse Bezug; es plädiert aber für den Frieden in einer umso stärkeren, erschütternden Weise, wenn die Frau über den stummen Gehorsam klagt, den der Mann ihr auferlegt, und über ihren rasch vergehenden Lenz, wo sie es doch ist, die dem Staat die Kämpfer für die Phalanx gebiert. Es ist ein fest in sich geschlossenes Gebilde, es integriert den Chor (diesmal aus zwei Teilgruppen, aus Männern und Frauen), und man soll nicht zu genau fragen, wie glatt die beiden Strategien der Lysistrate – Eroberung der Burg draußen und zuhause der Ehestreik – miteinander verfugt seien.32 Ein utopisches Traumglück steht am Ende, voller Verspieltheit, aber auch voll Trauer. Es wird gerade an diesem Drama deutlich, wie Aristophanes seine erheiternden Bühnengeschehnisse auf einem dunklen Grunde aufruhen lässt, wie er dem Lachen die Trauer beigibt.

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„Die Frösche“ Bei dieser Komödie des Jahres 405 oder 40433 mildert nur weniges den Eindruck eines scharf zweigespaltenen Stückes. Immerhin bleibt die Hauptfigur, der zumeist etwas läppische, doch autoritär befehlende, dickliche Theatergott Dionysos auch im zweiten Teil sich gleich. Zweigeteilt ist das Spiel insofern, als im ersten Teil der Gott, mittels Löwenfell und Keule als Herakles drapiert, samt seinem Diener sich auf die Reise in die Unterwelt macht, um einen „rechten“ Tragöden (71) aus dem Hades wieder ans Licht zu bringen, nachdem die Bühne keine Kraftgestalten mehr kennt (407/06 stirbt Euripides, rund 50 Jahre nach Aeschylus). Die Reise wird des Längeren in mehreren lustigen Episoden beschrieben. Dann aber, bei Pluton im Hades angelangt, beginnt der zweite, ganz anders geartete Teil: die Auswahl des besten Tragöden. Aber bleiben wir einstweilen bei der Reise. Die Route wird von Herakles erfragt (109 ff.), der ja schon einmal drunten war (136). Dann beginnt die Fahrt. Sehr erheiternd ist nun, wie der Gott, als es richtig gefährlich wird angesichts all der Hadesungeheuer, den Diener bittet, die Kleider zu wechseln und sich für Dionysos auszugeben, sie dann aber zurücktauscht, wenn es angenehm wird. Doch zunächst muss der Gott den Charon-Kahn über den Unterweltsee rudern, wobei die Frösche ihn mit ihrem berühmten „Brekekekex-Koax“ begleiten (209 ff.), muss an der fürchterlichen Empusa vorüber, dann mit den Mysten wallen, die ihren Dionysos besingen, ohne zu wissen, wer da mitwallt. Endlich ist man an Plutos Tür (440). Auf das Klopfen hin erscheint dessen Türsteher und beginnt lauthals zu keifen, als er des vermeintlichen Herakles ansichtig wird, der ja seinerzeit den Höllenhund Kerberos gestohlen hatte (467 f.). Nun wechselt der verängstigte Gott mit dem Diener rasch die Kleidung. Aber da kommt eine hübsche Magd voll der besten Erinnerungen an den kräftigen Herakles (503) und lockt den vermeintlichen Liebhaber von damals, und sofort muss der ältliche Diener die Herakles-Kleider wieder herausrücken, muss sie allerdings gleich wieder tauschen, als die Wirtinnen des Unterwelt-Hotels erscheinen und schimpfend unbezahlte Rechnungen präsentieren (549 ff.). Als nun der Türsteher mit Schergen kommt, um sich am „Herakles“ zu rächen, und Dionysos in Dienerkleidern leugnet, der Hundedieb zu sein, und der Diener in Herakles-Kleidern abstreitet, je die Unterwelt aufgesucht zu haben, da muss der Türsteher durch eine Prügelprobe herausfinden, welcher der beiden ein Gott ist: Wer schreit, ist es nicht. Eine grob-lustige Folterszene bringt keine Entscheidung, der Herr der Unterwelt soll selber entscheiden (670). Ein Zwischenlied des Chores tritt aus dem Spiel heraus und mahnt die Zuschauer zur Besonnenheit in schwieriger politischer Lage und zum Verzeihen, wenn

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Männer unter ihnen vordem einmal mit den Oligarchen sympathisiert hatten (687 ff.; siehe Anm. 33): Man brauche in der Notlage jeden! Das Lied gefiel, wie gleich gezeigt werden wird, den Zuhörern außerordentlich. Nach diesem Appell des Chores beginnt die von Anfang an geplante Heimholung des „rechten Dichters“ (71), und zwar so, dass Dionysos den „rechten“ erst einmal auswählen und sich zwischen Euripides und Aeschylus, man könnte sagen: zwischen den Extremen34 entscheiden muss. In dem nun folgenden heiteren Wettstreit, bei dem die Wörter der Dichter dann gar gewogen und gemessen werden sollen (797 ff.), geht es um die Kunst, sich von der Alltagssprache zu der höheren der tragischen Bühne aufzuschwingen (841, 937 ff., 1058), ferner um die Außerkraftsetzung der alten Götter durch Euripides (891 ff.), danach um Spieltechnisches, und da um die seltsamen schweigenden Spielanfänge des Aeschylus (911 ff.) und um des Euripides raffinierte Wortkunst (956), die er stolz als Belehrung des Publikums in Sachen Rhetorik versteht (954, 971 ff.), wohingegen Aeschylus sich damit brüstet, die Jugend nicht zu solchem Wortverdrehen, sondern zum Kämpfen fähig und bereit gemacht zu haben (1013), und bei alldem spielt Dionysos trotz aller Autorität, mit der er den Wettstreit ordnet, weiterhin die Rolle auch des Spaßmachers (Radermacher [1954] 331), obschon die Thematik zu immer Gewichtigerem hinführt, so besonders zu der Frage, ob der Tragöde Unmoralisches auf die Bühne bringen dürfe, wie Euripides es tue (1053 ff.). Der Dichter solle doch vielmehr die Jugend zu Gutem führen (1054),35 nicht aber zu Wortklauberei und respektloser Widerrede wie bei Euripides (1072). Nach solcher Gesinnungsprüfung geht es zurück zum Technischen, und es werden beider Dichter Prologe untersucht, wobei es zunehmend possenhaft zugeht, indem Aeschylus die Gleichförmigkeit euripideischer Prologanfänge dadurch lächerlich macht, dass er zeigt, wie man in so vielen Anfangsversen des Konkurrenten nach dem ersten schweren Einschnitt ein „kam er um den Salbentopf“ anfügen könne, zum Beispiel lade „In Argos landend“ (1208) dazu ein, so ein „kam er um den Salbentopf“ anzukleben.36 Dann aber werden die Chöre des Aeschylus in ganz ähnlicher Weise überprüft. Sie scheinen nun wiederum dem Euripides so schablonenhaft, dass man nach jedem Satz ein „flattotratt, flattotratt“, das die Musik- bzw. Zitherbegleitung nachäfft, anbringen könne (1285 ff.), so wie wir heute ohne Schwierigkeiten Schlager dadurch lächerlich machen können, wenn wir nach jedem Satz ein „Wummtawumm“ einflicken, das den Discofox-Rhythmus imitiert. Aeschylus revanchiert sich, indem er Lieder des Euripides verspottet (1305 ff.), doch nach allem Prüfen und Streiten ist nichts entschieden, und Dionysos ist ratlos, also muss ein anderes Entscheidungsmittel als sein Geschmack herbei, nämlich eine Waage (1365). Jeder soll nun schwere Worte dort hineinsprechen, bis der Schiedsrichter „Kuckuck“ ruft (1380: Was für

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ein Einfall!), dann wird gewogen. Auch dies verschlägt nichts, und so muss denn der Herr der Unterwelt selber urteilen. Der befragt dazu beide nach ihren politischen Gesinnungen (1422 ff.) und äußert auch selber Ratschläge zu Gunsten des gequälten Athen.37 Am Ende nimmt Dionysos den mit, der seinem Herzen näher steht, nämlich Aeschylus (1471), und entlässt ihn zum Segen der Stadt nach oben (1500 ff.). Einen eindeutigen Sieg konnte Aeschylus ja nicht erringen, so muss denn das „Herz“ des Gottes sprechen (1468). Ihm gefallen die Kraft und Gesinnung des Aeschylus, er bewundert aber und ist (eher intellektuell) fasziniert von der Raffinesse des Euripides; aber für Athen ist Aeschylus, so scheint ihm, wichtiger.38 Aber man darf nicht verkennen, dass Aeschylus dabei keineswegs heroisiert wird, Möllendorff (2002, 164) betont dies zu Recht: Der alte Dichter greift ja nicht selten zu unlauteren Mitteln (1404 f.) und sucht sein Heil in zunehmendem Maße bei Clownerien: Aber man bedenke, dass die Komödie ja nicht der Ort für ernste Belehrung ist, sie lässt gern die Dinge offen, und so wird man sich auch hier vergeblich fragen, wie Aristophanes nun selber geurteilt habe. Viele der hier scherzhaft vorgetragenen Dichtungsfragen haben in der damaligen theoretischen Diskussion ihren Ursprung, das macht vor allem der Kommentar von L. Radermacher (1954) sehr deutlich. Aber nicht dies ist der tragende Grund des Dramas. Das Drama ist ein Lustspiel aus viel Scherz und Spaß, auf dem Grunde auch schwieriger Probleme der Literaturtheorie; aber etwas anderes gibt trotz aller Clownerie dem Stück seine Basis: die Not Athens. Gewiss, wir lesen eine Komödie aus Albernheiten und interessanten Literaturproblemen zugleich und mögen dabei staunen, wie in den Jahren größter politischer Gefährdung ein so heiteres Stück entstehen konnte; aber es ist ja nicht zu übersehen, dass der Chor ganz ernst spricht, wenn er zur Eintracht rät, und dass am Ende mit großem Bedacht von Alkibiades gesprochen wird (1422 ff.), der ja große Siege errungen hatte, die Bengtson (1959, 248 f.) in Erinnerung bringt. Dann aber, des Oberbefehls entsetzt, hatte er sich auf seine Besitzungen zurückgezogen: Gab es Gedanken, ihn zurückzuholen, wie Radermacher (1954, 339) vermutet? So kommt doch etwas von der Sorge des Atheners Aristophanes zum Vorschein, im Liede des Pluto sogar Schimpf und Häme gegen die üblen Machthaber (1504 ff.). Jedenfalls schien den Athenern der hohe Ernst im Aufruf des Chores zur Versöhnung so sehr aus dem Herzen gesprochen, dass sie die „Frösche“ späterhin noch einmal aufführen ließen, worüber Schmid (1959, 358) informiert.

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„Frauen im Parlament“ Im Sommer 405 verlor Athen seine letzte Flotte und mit ihr Tausende von Kämpfern, die gefangen genommen und hingerichtet wurden (Xenophon, Hist. Graec. 2, 1, 32); der Seebund fiel auseinander; der spartanische Flottenführer Lysander sperrte die Dardanellen, das heißt Athens Kornzufuhr aus der Schwarzmeerküste, und das spartanische Landheer verheerte das attische Land: Athen war am Ende, es musste gar den Spartanern Kriegsdienste leisten.39 Ist dies der Grund dafür, dass nun auf einmal auch die Komödie des Aristophanes sich verdüsterte? In dem Spiel der „Frauen im Parlament“, den „Ekklesiazusai“ vom Jahre 392 oder 391, übernehmen die Frauen das Regiment, indem sie in die Volks- oder besser: Männerversammlung gehen und als Männer verkleidet dafür stimmen, dass ein Rat der Frauen die unter Krieg und Misswirtschaft leidende Stadt regiere. Aller Privatbesitz soll abgeschafft, alles soll abgeliefert und neu verteilt werden, Gemeinschaftsspeisung wird eingeführt, und kein Mann darf zu einer hübschen Jungen, bevor er nicht eine Alte befriedigt hat. Dieses Drama hat gegenüber den früheren einige Besonderheiten aufzuweisen. Wenn der Chor in den früheren Stücken seine Parabase beendet hatte, pflegten in einer Reihe kleiner Szenen stadtbekannte Figuren an den Helden des Stücks heranzutreten, zum Beispiel Feldherren, Waffenmacher, Priester, Denunzianten, usw. Sie wurden je nach ihrem äußeren Tun und Beruf davongejagt oder angenommen. Immer waren es die Hauptpersonen, die urteilten, und immer waren es Standes- oder Berufseigenschaften, nach denen geurteilt wurde. Es handelte sich hier um eine fest gewordene Spielform.40 In den „Ekklesiazusai“ ist das anders. Nach der Chordarbietung tritt ein Mann auf (727 ff.), der bereit ist, seine Habe abzuliefern. Neu ist, dass sich nun nicht eine Richterszene abspielt, sondern der einzige Gesprächspartner des Mannes ist ein zweiter Athener. Beide Männer tragen keine deutlich im Text erkennbaren Namen, scheinen also anonym und typisch.41 Der eine folgt also dem Aufruf der Frauen und inszeniert eine „mock Panathenaic procession of his household goods“,42 der andere ist skeptisch, wie er in einem Selbstgespräch durchblicken lässt (746 ff.), will erst einmal abwarten, wie sich die Dinge entwickeln (769, 772). Aber nicht nur dieser Charakterzug zeichnet den Mann aus, er zieht auch das Nehmen dem Geben vor; Nehmen, das sei gute Väterart (778), das täten ja auch die Götter, deren Standbilder die Unterarme und Hände vorstreckten in Erwartung einer Gabe.43 Das Neue an dieser Szene ist, dass hier Gesinnungstypen einander gegenübergestellt werden, wobei die Gesinnung44 des Skeptikers erst allmählich zutage gebracht wird; mehr noch: Als plötzlich eine Meldung vom Frauenrat kommt, das Gemeinschaftsessen sei bereitet, da entpuppt sich der Zurückhaltende als gar nicht mehr zögerlich,

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sondern rennt zum Markt und zur kostenlosen Speisung (853). Man hat an diese Szene die Frage gestellt, ob sie vielleicht zeigen sollte, wie wenig wirksam das Regiment von Frauen sei,45 hat auch vermutet, Aristophanes wollte den Staat gegen solche Parasiten in Schutz nehmen.46 Dabei war längst das Richtige von W. Süss ausgesprochen worden,47 und es ist auch schon geklärt, was diese Szene spieltechnisch an Neuem bringt: eine fortschreitende „Selbstdemaskierung“.48 Hernach folgt statt der Parabase die Darstellung, was aus dem zweiten Hauptteil des Beschlusses im Frauenrat wurde: Ein junges Mädchen wartet auf ihren Liebsten (877ff.), mit ihr aber wartet auch eine Alte auf einen Mann, und als nun der Erwartete erscheint, gibt es ein wüstes Gerangel um seine Gunst, bis zwei noch Ältere auftauchen, das junge Mädchen verscheuchen und den Jüngling ins Haus zerren (1049 ff.). Dann ruft eine angetrunkene Heroldin zum gemeinsamen Mahl, Tänzerinnen erscheinen, und im Jubel marschiert der Chor samt Heroldin und Tänzerinnen von der Bühne. Die „Ekklesiazusai“ sind unter dem Aspekt von Kommunismus, von Mann und Frau, Arm und Reich und vielem anderen besprochen worden; festzuhalten scheint aber, dass die ganze späte Komödie von einem Schatten überzogen ist, alles ist gedämpft, alle Vorhaben verlaufen im Sande, unliebsame Typen tauchen auf, nichts hat Erfolg, und wenn jemand erfolgreich ist wie die alten Weiber, dann bleibt ein fader Nachgeschmack,49 und den Schluss hat man immer schon getadelt.50 Die Buntheit der vielen verschiedenen Versmaße in den früheren Stücken ist aufgegeben, der iambische Trimeter herrscht (Schmid [1959] 372), und mit ihm eine gewisse Eintönigkeit. Die Hauptakteure, die Führerin der Frauen und der Chor, werden im Verlauf des Stückes in einer bis dahin unerhörten Weise an den Rand gedrängt und verschwinden ganz wie die anfangs führende Frau oder spielen eine Nebenrolle wie der Chor.51 Die Zeit der fröhlichen Kraftgestalten ist vorüber. Doch das Hauptthema dieses Buches verlangt nach einem anderen Ausblick auf das Drama: Auch früher gab es bereits Selbstdemaskierungen, so zum Beispiel in den „Vögeln“ die des Wahrsagers, der am Ende sich doch nur als gefräßig entlarvt. Aber dass eine solche Selbstdemaskierung derart breit ausgespielt wird und dazu als Gegenüberstellung von Gesinnungstypen, anscheinend gar ohne Namen, das hatte es zuvor nicht gegeben in dem erhaltenen Werk des Aristophanes, das heißt, es bezeugt sein wachsendes Interesse an den Motiven von Bühnengestalten und an den charakterlichen Widerwärtigkeiten von Normalmenschen, und von hier führt dann der Weg zur Neuen Komödie, auch zu Menander.

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„Der Reichtum“ In dieser Komödie aus dem Jahre 388 wird zu Beginn ein armer Mann gezeigt, der beim delphischen Orakel nach einer Möglichkeit angefragt hatte, seiner Armut zu entkommen. Es gehe, so eröffnet er dem Gotte, gar nicht so sehr um ihn selber, sondern um den Sohn: Soll der rechtschaffen leben oder unehrlich, um voranzukommen? Er bekommt die dem euripideischen „Ion“ ähnelnde Antwort, er solle dem ersten folgen, dem er beim Verlassen des Heiligtums begegnen würde. Es war dies ein alter, schäbiger Blinder. So folgt er denn mit seinem Diener Karion dem Alten und ärgert sich, dass der nur schweigt und nicht sagt, wer er sei.52 Der arme Mann, Chremylos mit Namen, nennt sich selber rechtschaffen und gottesfürchtig (28), obschon seine Frage an den Gott die Zuschauer kaum davon überzeugen konnte. Man ist von der Rechtschaffenheit des Chremylos auch im weiteren nicht überzeugt, stimmt er doch dem Sklaven bei, als der vorschlägt, um den Blinden loszuwerden, ihn vor eine Schlucht zu stellen, damit er hineinfalle (69 f.). Nun spricht der Mann: Er sei der Reichtum (78), den Zeus aus Beneidung53 der Menschen geblendet habe. Würde er wieder sehend werden, würde er nur noch zu den Guten gehen (95ff.), und so geht er denn auch ins Haus des „rechtschaffenen“ Chremylos, der unumwunden zugibt, das Geld mehr zu lieben als Weib und Sohn, den „ich am meisten liebe nach dir“ (251). Chremylos ist nun reich geworden, das Gerücht davon hat sich verbreitet, und so kommt ein Freund herbei. Dem Neureichen ist sein Glück schon zu Kopfe gestiegen, denn er begrüßt den Freund nicht mehr wie sonst, sondern hoch gestelzt.54 Der Freund, ein Normalmensch, wie Flashar (1975, 416) verdeutlicht, kann sich gar nicht vorstellen, dass sein Freund auf ehrliche Weise reich geworden sein könnte, kennt er ihn doch von ganz anderen Seiten (360, 365), Chremylos ihn aber auch (380 f.): So entlarvt man einander gegenseitig, man kennt sich, und die Ironie des Dichters ist unüberhörbar, unüberhörbar auch der Anschluss an die Selbstentlarvungen in den „Ekklesiazusai“. Ironie umspielt nun auch die Szene, in der die Personifizierung der Armut („Penia“) auftritt:55 Sie sei notwendig, sonst würde ja niemand mehr, reich geworden, an Arbeit denken und, da nur die Armen rechtschaffen, würde die Stadt ihre Rechtschaffenheit verlieren (569). Nach dem Agon56 tritt als Hauptperson der Diener57 des Chremylos, Karion, auf, und an ihn heran tritt ein Mann, der zum neuen Gotte will, zum Plutos, um ihm zu danken. Hinter ihm drein kommt ein Diener, der ihm einen zerschlissenen Mantel und löchrige Schuhe nachträgt. Sein Herr, ehemals ein Reicher, der durch Wohltätigkeit verarmt war, also ein – so scheint es – Ehrenmann durch und durch, will dem Gotte seine frühe-

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ren Kleider und Schuhe weihen (844), die Karion zu Recht ironisch als uralt58 bezeichnet: „Das sind ja süße Gaben“ (849). Nach ihm erscheint ein Denunziant, und seine Szene ist dadurch bestimmt, dass er seine widerliche Art nur allmählich offenbart, und dies verbindet den „Plutos“ erneut deutlich mit den früheren „Ekklesiazusai“. Nicht viel anders steht es mit der folgenden Szene, in der eine Alte auftritt, toll geschminkt; sie klagt, dass ihr junger Liebhaber, den sie bisher für seine Dienste entlohnte, nun reich geworden, nichts mehr von ihr wissen wolle. Und wie geldversessen, nicht aber ehrlich hilfsbereit der Mann ist, zeigt er selber, als er betrunken auftritt und die arme Alte übel verspottet. So macht er seine „schmutzige Gesinnung“ (Flashar 427) selber erkennbar. Aber letztlich sind alle hier, bis auf Plutos und Penia, unredliche Charaktere, die ihre Unredlichkeit selber schrittweise demaskieren. Das, was in den früheren Komödien nur ein Unterton war, das Offenlegen von inneren Motiven und verborgenen Gesinnungen, wird im „Plutos“ zum tragenden Gedanken. Das Stück ist nicht mehr politisch im Sinne einer Bezogenheit auf bestimmte Ereignisse. Darum tragen mehrere Personen auch keine Eigennamen mehr, sondern Bezeichnungen wie „Ein Gerechter“.59 Es beginnt die Zeit der „Typen“, wie Silk (2000, 231) es ausdrückt. Die Komödie ist auf dem Wege zu Menander.

Menander Aristophanes ersinnt Hoffnungsbilder, Bilder eines erträumten Friedensund gar Jubeldaseins, ersonnen inmitten des allmählichen Untergangs der Heimatstadt aufgrund verfehlter Politik und verfehlter menschlicher Reaktionen; nur zum Ende seines Schaffens wird aus Athenisch-Menschlichem ein Menschliches überhaupt. Menander,60 dessen Sinnen und Trachten längst den engen Umkreis seiner Heimatstadt Athen verlassen hatte und damit der Kritik engstirniger Politik und Politiker entwachsen war, ihn reizten nur noch die Gemütsbewegungen des Menschen überhaupt; er ersinnt äußerliche Irrungen und Verwirrungen, um das Innere der Handelnden und Reagierenden offen zu legen, ihre Fehler und auch ihre kleine, private Größe, zum Beispiel die Größe fester Treue, mutiger Selbstüberwindung oder anderer Kennzeichen eines guten Charakters. Charakter – bevor wir zu den Texten übergehen, um das eben Gesagte zu belegen, ein Wort zum Begriff des „Charakters“. Das griechische Wort „charaktér“ meint das Bild auf dem Prägestock des Münzmeisters, das Münzbild, das sich, auch wenn es tausendmal verwendet wird, nicht ändert. Diesem Begriff entsprechend scheint auch Menander seine „Charaktere“ angelegt zu haben61: Er scheint davon auszugehen, dass ein Mensch ein festes, unveränderliches Grundmuster des Verhaltens besitzt, das in seinen Grundzügen keinem Umsturz unterliegt, wohl aber je nachdem, wie äußere Lagen auf den Menschen einstürmen, doch auch Varianten zulässt und zeitweilige Änderungen der Nuancen. Die Grundmuster des Verhaltens also bleiben, unter dem Druck der Verhältnisse aber kann es zu kurzzeitigen Abweichungen kommen; ja man kann, wenn man klug ist, günstige Varianten selber herbeiführen, und das nennen die Menschen dann Reifen. Dies, so scheint Menanders Komödie zu lehren, sollte jeder Nachdenkliche wissen, um vorbereitet zu sein.62

Sein Leben Wenig Gesichertes ist über Menanders Leben überliefert. Eine anonyme antike Abhandlung „Über die Komödie“63 berichtet, seine Eltern seien angesehene und wohlhabende Bürger im athenischen Stadtteil Kephisia gewesen (den gibt es als „Kifisia“ heute noch). Diese Nachricht, falls sie zutrifft, würde bedeuten, dass Menander nicht für Geld zu schreiben brauchte, anders: dass er schreiben konnte, wie ihm zumute war und unabhängig vom Geschmack des großen Publikums. Der Sohn scheint 342/41 v. Chr. geboren, gestorben 292/91 – verstummte also kaum über 50 Jahre

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alt. Ob der Jüngling wirklich seinen Epheben-Dienst, das heißt seine militärische Ausbildung mit anschließendem Grenzwachdienst zusammen mit Epikur ableistete, ist möglich,64 ist vielleicht auch nur eine schlaue Vermutung aufgrund von Anklängen in Menanders Stücken an epikureische Lehren (vgl. Epitr. 1084 ff.). Ähnlich steht es mit der Nachricht, er sei mit dem Philosophen Theophrast befreundet gewesen,65 dem Nachfolger des Aristoteles in der Leitung der Schule und Verfasser der „Charaktéres“, übersetzt „Grundformen des Verhaltens“: Das waren dreißig Skizzen menschlicher Schwächen, von denen man einige auch in Menanders Komödien wiederzufinden glaubte und daraufhin ein Freundschaftsverhältnis konstruierte. Vielleicht, aber dass die beiden bedeutenden Männer wirklich befreundet waren, kann gar nicht ausgeschlossen werden. Auch mit dem Aristoteles-Schüler Demetrios von Phaleron, diesem sowohl als Feldherr wie als Politiker und Literat hervorragenden Mann, soll Menander freundschaftlichen Verkehr gepflegt haben, was Arnott für gesichert, Blume für gut möglich hielt. Noch näher an Menanders Kunst führt die Notiz, er habe das Komödienschreiben von Alexis, einem Lustspielverfasser der älteren Generation, gelernt.66 Menanders erstes Stück, die „Orgé“ („Der Zorn“) scheint 317/16 aufgeführt worden zu sein, aber auch die Zahl 321 ist überliefert.67 Es folgten nach antiken Angaben noch 107 Stücke, uns sind 97 Titel bekannt, wenn sich hier auch Doppeltitel wie „Der Verhasste oder Thrasonides“68 verbergen mögen. Äußerlichen Ruhm, das heißt Preise, brachten ihm nur wenige davon ein, sehr im Gegensatz zu seinem gewaltigen Nachruhm, den zum Beispiel Blume (1998, 17ff.) skizziert. Es steht zu vermuten, dass es einmal eine Gesamtausgabe der menandrischen Stücke gegeben hat; sicher ist, dass sie im Schulunterricht verwendet wurden, denn sie waren leicht zu lesen. Doch abträglich wird gewesen sein, dass „verknöcherte Wortklauber“ wie der Grammatiker Phrynichos69 an Menanders Griechisch zu mäkeln hatten. Ob dieser Tadel dazu beitrug, dass keine Ausgabe auf uns gekommen ist, können wir nicht mehr abschätzen; jedenfalls sind uns nur Reste auf Papyrus und Pergament überliefert, teils bei Ausgrabungen zutage gekommen, teils beim Abrollen von Mumienhüllen entdeckt. Erleichtert wurde die Rekonstruktion von Handlungsabläufen durch den Fund von Szenenbildern auf Mosaiken, zum Beispiel im „Haus des Menander“ in Mytilene auf Lesbos,70 Bildern, die Augenblicke aus Komödien zeigen und sie auch mittels Beischriften bestimmen. In entsagungsvoller und mühsamer Klein- und Feinarbeit haben Gelehrte seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Fetzchen um Fetzchen zusammengefügt, bis dann endlich auf einem Papyrus des 3. Jahrhunderts n. Chr. ein so gut wie vollständiges Stück auftauchte, der „Dyskolos“ („Der Unangenehme“).

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Menander

Bevor wir uns dieser Komödie zuwenden, eine kurze Bemerkung noch zur Aufführungspraxis. Gespielt wurde auf einer Bühne, die gewöhnlich zwei Häuser aufwies, davor stand wohl ein Altar mit Kultbild, Bühnenmaschinen gab es bei Menander nicht. Die sprechenden Schauspieler (es gab deren maximal drei, stumme Akteure gab es zuweilen mehrere) trugen Masken, die typisiert waren; doch an diese Typisierung hielt Menander sich nicht immer: Ein Schauspieler mochte mit der Maske eines Soldaten auftreten, aber dass er deswegen ein grober Klotz sein musste, war nicht gesagt. Das Maskentragen stimmt sehr wohl zu Menanders Art, der zwar sehr fein zu differenzieren wusste, doch nie Individuen zeichnete, zu denen Masken nicht passen würden.71 Durch die Vorgabe nicht sehr zahlreicher Maskentypen72 scheinen die Komödiendichter nicht eingeengt gewesen zu sein. Hinzu kommt etwas, was man aus moderner Sicht ebenfalls für eine Einschränkung halten könnte: das Stereotype der Handlungen.73 Vergewaltigung von freien Mädchen in Festnächten ist eine der üblichen Verwicklungsursachen, Raubzüge mit anschließendem Kinderverkauf eine andere. Aber ganz unerhörte „plots“ hat man nicht erfunden, man blieb im gewohnten Umkreis – warum? Man könnte zu dem Schluss kommen, dass die äußere Handlung überhaupt nicht das war, worein ein Dichter der Neuen Komödie seinen Ehrgeiz setzte. Das war vielmehr, so will es jedenfalls im Falle Menanders scheinen, das eher innere Geschehen, die voreiligen Meinungen, das Gekränktsein, die hinterlistige Geldgier und immer wieder die Demaskierung unlauterer Motive. So vorbereitet gehen wir nun zum Text.

„Dyskolos“ („Der Unangenehme“) Im Jahre 316 errang Menander mit diesem Stück an den Lenäen74 den ersten Preis. In ihm geht es darum, dass ein junger Städter, Sostratos, „gestern“ Athen verlassen und die wilden Landschaften im Norden aufgesucht hatte, um zu jagen. Im Dorf Phyle angekommen, hatte er die schöne Tochter eines dort ansässigen, ebenso armen wie menschenfeindlichen Bauern Knemon erblickt und sich sofort in sie verliebt (v. 50ff.). Nun ist er am nächsten Tage, also „heute“, gleich frühmorgens wieder dorthin gegangen, diesmal in Begleitung eines Freundes. Leider hatte er zuvor den Fehler begangen, taktlos nur einen Unfreien, einen Diener zu Knemon zu schicken, um Kontakt aufzunehmen (75). Der jagt den Unliebsamen grob davon, und so kommt der Diener zu Beginn des Stückes in Panik auf die Bühne gerannt und verbreitet Schrecken vor dem Toben des alten Bauern. Auch der Freund, eben noch hatte er sich sehr gewandt gegeben, gerät in Angst: Angesichts des blitzartigen Entschlusses seines Freundes, das Mädchen sofort zu heiraten, und angesichts eines solchen Schwiegervaters,

„Dyskolos“ („Der Unangenehme“)

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zieht er es vor zu verschwinden (129 ff.): eine der feinen, kleinen Demaskierungen Menanders; immerhin war derlei bei Aristophanes vorgebildet. Laut über die Belästigung vor sich hin schimpfend kommt nun Knemon daher – er war gut zwei Kilometer hinter dem Sklaven hergerannt! – und geht, als er dann auch noch von Sostratos, der standfest am Ort geblieben war, angesprochen wird, unwirsch brummend in sein Haus. Kurz darauf kommt aus eben diesem Hause die Tochter. Sie ist verzweifelt, denn eine Dienerin hat den Wassereimer in den Brunnen fallen lassen (190 f.). Sie will daher aus dem benachbarten Nymphen-Heiligtum das nötige Wasser holen, denn sonst werde der Vater die unachtsame Dienerin gewiss „zu Tode prügeln“ (195) – so sorgt sich die Tochter, eine Freie, um die Dienerin, eine Sklavin. Dies macht sie sympathisch und auch ihr Zögern, denn sie will, falls im Heiligtum eine Zeremonie stattfindet, nicht mit ihrem Wasserholen stören (198). Diese Verzögerung eröffnet Sostratos, der sie hingerissen75 betrachtet, eine Gelegenheit, ihr höflich zur Hand zu gehen. Sie gibt ihm ängstlich das Gefäß, hat nur eines im Sinne, nämlich das Wasser, wohingegen er sie entzückt beobachtet: „Welch feiner Anstand in diesem Landmädchen!“ (201 f.). Er ist ihr unrettbar verfallen, wie er selber feststellt (202 f.). Sostratos holt das Wasser, sie ruft ihn zu ihrer Tür und geht; er ruft ihr ein „Alles Gute!“ und „Sorg’ für den Vater!“ nach, dann ist er allein mit seinen Gedanken. Die Umstände erweisen sich als nicht eben günstig für seinen Heiratsplan. In dem jungen Manne mischt sich Verliebtheit, blitzschneller Entschluss und Bangigkeit zugleich, dazu die Bereitschaft, von sich selber abzusehen, wenn er, ohne von sich etwas zu sagen, ihr „Alles Gute“ wünscht und sie sich um den Vater kümmern heißt, statt zu versuchen, von sich selber zu reden. Rasch bereit, ohne viel zu überlegen, ist Sostratos auch in der nächsten Szene: Als der Stiefbruder des Mädchens, Gorgias, der neben Knemon wohnt, den Verliebten, den er zunächst für einen üblen Schürzenjäger hält (289 ff.), fortzuschaffen sucht, dann aber, durch ein Gespräch eines Besseren belehrt (315ff.), ihm abrät, sich dem Vater zu nähern (338ff.; 348ff.), da meint der Sklave des Stiefbruders, der Alte würde nur mit jemandem sprechen, der selber ackere (367 f.). Und sofort ist Sostratos bereit, eine Hacke zur Hand zu nehmen und sich aufs Feld zu begeben, auch wenn das Gerät „zwei Zentner wiegt“ (390 f.), wie dem Städter vorkommt. So bleibt er sich, das heißt dem Grundmuster seines Verhaltens und dem schnellen Entschluss, auch hier treu. Ganz anders als dieser differenzierte Charakter ist die simple Art des Küchensklaven, der mit Sostratos’ Mutter und dem Mietkoch beim PanHeiligtum nahe Knemons Haus zu einem Opferschmause angekommen ist und nun feststellen muss, dass ein Kochtopf vergessen wurde. Er, ein

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Großmaul, klopft ungestüm an Knemons Tür, schreit, will einen Topf borgen (vgl. Plaut. Rud. 133ff.), allerhand Beleidigungen ausstoßend, man solle unverzüglich öffnen (459 ff.), redet frech mit dem Hausherrn, zieht dann aber, von Knemon angefahren, rasch ab (476ff.). Simpel auch der Koch selber, der es mit feiner Redekunst besser machen will (487ff.), aber, vom wilden Alten weidlich durchgebläut, ebenfalls abziehen muss (515). Das sind die von Aristophanes her wohlbekannten kleinen Entlarvungen und Abfuhren; das ist ein Zwischenspiel etwas gröberer Art, als Gegenstück zu dem feinen Spiel zwischen Sostratos und dem Mädchen, geschrieben für den etwas derberen Geschmack, wie Blume (1998, 89) treffend urteilt. Sostratos erscheint nun bald wieder, kreuzlahm (525 f.) von der Arbeit und doch wie magisch hingezogen zur Tür der Geliebten, nachdem Knemon sich nicht hat blicken lassen, und er, vom Stiefbruder des Mädchens aufgefordert, das Schuften nur zu gern und schnell abbrach. In seinem monologischen Bericht spricht er dies „schnell“ nicht ohne Selbstironie aus (540) – Selbstironie: ein gegenüber Aristophanes neuer Ton in der Komödie. Rasch ist auch erneut sein Entschluss, den verständnisvollen Stiefbruder samt seinem Diener freundschaftlich zum Opferschmause seiner Familie einzuladen, dies allerdings nicht ohne Hintergedanken an möglichen späteren Nutzen (562). Auch dem eigenen Diener, der bisher leer ausgegangen war, lässt er „menschenfreundlich“ (573) etwas zukommen. Da aber wird er vom Wehgeheul der alten Sklavin Knemons unterbrochen: Sie hat bei dem Versuch, den Wassereimer aus dem Brunnenschacht mittels einer Hacke herauszuholen, diese nun ebenfalls in den Brunnen fallen lassen, und Knemon wütet, will selber hinabsteigen und sich dabei nicht helfen lassen. Und doch klagt er nun auf einmal darüber, dass er allein und nur auf sich gestellt sei, so in 597, was auf die spätere Verhaltensänderung vorbereitet. Er versucht’s und – fällt hinein. Die Alte ruft um Hilfe, der vorhin so hart angelassene Koch hört’s und rät, obendrein noch einen Felsen auf den Widerwärtigen zu werfen (631), er lacht den Greis dort unten aus. Was für den herzlosen Kerl ein Rachefest ist, das wird für Sostratos, während der herbeigerufene, früher von Knemon lieblos behandelte Stiefbruder den Alten mit einiger Beihilfe des Verliebten rettet (669ff.), zu einem Liebesfest („süße Augenblicke“): Er trug wenig zur Rettung bei, ließ sogar das Halteseil ein paar Male los (681 ff.), denn er betrachtete wie trunken die verzweifelte Tochter, tröstete sie, war „goldig“ (675) zu ihr wie eine Amme: Verliebte können sich halt nur schwer auf Reales konzentrieren. Hier kam also nicht seine Fähigkeit zu raschem Zupacken zum Tragen, sondern sein Hang zum Tagträumen wie damals in v. 191f. („O Vater Zeus, Apollo Paian, Ihr lieben Dioskuren!“). Knemon hat, als er vom Stiefbruder selbstlos gerettet wurde, seinen Fehler der Selbstisolierung in einem tragisch klingenden „Jetzt erkenne

Rückschau auf den „Dyskolos“

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ich“ begriffen,76 er hatte nicht den bösen Zufall, der irgendwann jeden heimsucht, in Rechnung gestellt (715 ff.) und auch die menschenfreundliche Hilfe des Nachbarn nicht; nun hat sie ihn gerührt. Schwer geschunden und das Ende nicht mehr ferne spürend, vermacht er die Hälfte seines Besitzes dem Gorgias, der Tochter die andere als Mitgift. Dann findet er einige Worte der Rechtfertigung für sein zurückgezogenes Leben; gute Worte sind es (743 ff.), beherzigt, würden sie viel Verkehrtes verhindern, aber diese Art zu denken, will er niemandem mehr aufzwingen (747). Kaum ist die Frage der Mitgift geregelt, da präsentiert ihm der Erbe auch schon den Schwiegersohn: Sostratos habe mit Hand angelegt bei seiner Rettung, und als der Alte den Jüngling gebräunt (754) sieht und vom Erben hört, dass auch der junge Mann farme, gibt er (so wird es in einer Textlücke gestanden haben) sein Jawort, und der Stiefbruder spricht die Verlobungsformel unter allerhand anerkennenden Redensarten. Sostratos wehrt das Lob gar nicht ab, verspricht vielmehr, nicht ohne einiges Selbstlob, noch Besseres (771) und bittet nun, überglücklich, seinen neuen Freund, seine Schwester zur Frau zu nehmen; endlich stimmt auch sein Vater, nun auch zum Opferschmaus eingetroffen, trotz anfänglicher finanzieller Bedenken (der Bräutigam ist arm), gerne zu. Sostratos, der eben noch (771) jegliches Selbstlob verurteilt hatte, „hebt das eigene Verdienst am guten Ausgang dieses Tages über Gebühr hervor. Das ist ein feines Beispiel für Menanders subtile Ironie“ (Blume [1998] 95). Diese Ironie, die kleine Selbstüberhebung und Selbstüberschätzung (bei der Landarbeit) verhindert, dass Sostratos allzu golden erscheint. Mit einer furiosen Rüpelszene (Koch und Sklave des Sostratos zerren den lahmen Knemon aus seinem Haus und zwingen ihn, am Fest- und Verlobungsmahl teilzunehmen) endet dieses Stück.

Rückschau auf den „Dyskolos“ Nebensächliches wie zum Beispiel genaue Motivation von Auftritten und Abgängen einiger Personen oder die Frage, ob denn die Bräute überhaupt gefragt wurden, das lässt Menander fort. Wesentlich war ihm vielmehr, seinen Figuren bestimmte Eigenarten zu verleihen, gröbere fürs gröbere Lachen, feinere für die Genießer feiner Ironie und feiner Lebensart und Empfindungsweise. Dazu gehört auch das Spiel um die Belehrung – keineswegs Umkehrung! – des schwierigen Alten, der sein Grundmuster ja nur modifiziert: Er bleibt bei seiner Überzeugung, nur drängt er sie nicht mehr als Panazee auf; dazu gehört auch das Hervortretenlassen verschiedener Facetten im Charakter des Sostratos, und auch die Zeichnung des Stiefbruders, der gern etwas weise und gewunden spricht, wenn er offiziell

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werden muss: Derlei können ja auch wir täglich in Dorf und Kleinstadt erleben. Wenn oben gesagt wurde, dass die menandrischen Handlungsführungen ein nicht geringes Maß an Stereotypem aufwiesen, dann trifft dies auf den „Dyskolos“ nicht voll zu, denn Brunnenstürze wird es vermutlich nicht so oft als Mittel gegeben haben, ein Liebeshindernis zu überwinden. Aber wenn weiter gesagt wurde, dass die Handlung nicht das Wesentliche war, dann finden wir dies am „Dyskolos“ bestätigt, denn die Handlung ist äußerst einfach: Ein junger Mann verliebt sich, kommt der Geliebten wegen des wütenden Charakters des Vaters nicht näher, doch ein Zufallsereignis ebnet den Weg. Was im „Dyskolos“ die Hauptsache ist, und darin wird oben richtig geurteilt sein, das sind die Verhaltensweisen, denen denn auch viel Raum gewidmet wurde. Die interessanteste Person des Stückes ist gewiss Sostratos, nicht uninteressant scheint aber auch (neben Knemon) die des Stiefbruders der Geliebten zu sein, dessen treuherzige Handlungsweise und dessen etwas gestelzte Ausdrucksweise dem unbekannten Städter gegenüber auf viel sorgsames Beobachten seitens des Dichters schließen lassen. Und wenn irgendetwas als „Lehre“ Menanders herausgehoben werden könnte, dann wäre es dies, dass ein Miteinander besser ist als absondernder Ingrimm.

„Epitrepontes“ („Das Schiedsgericht“) Im Jahre 1876 fand Konstantin Tischendorf in einem Kloster auf dem Sinai nicht nur den berühmten Bibeltext, sondern auch zwei Pergamentblätter mit jeweils rund 20 Versen aus den „Epitrepontes“ und dem „Phasma“; 1907 publizierte Gustave Lefebvre ein Papyrusbuch, das er in Ägypten ergraben hatte und worin sich auch ein großes Stück aus dem „Schiedsgericht“ befand.77 So können wir heute die Hälfte des ursprünglichen Textes vollständig, ein weiteres Sechstel in beschädigter Form lesen. Immerhin bieten auch diese Reste genügend Feinheiten, um den Enthusiasmus von Gelehrten und Liebhabern zu verstehen. Die Vorgeschichte des Stückes ist nicht ganz so angenehm: Der junge Charisios hatte vor etwa zehn Monaten ein nächtliches Frauenfest belauscht, und als sich zufällig ein hübsches junges Mädchen etwas weiter von der Gruppe entfernt hatte, griff er zu und tat ihr Gewalt an – eine jener sich wiederholenden Grundstrukturen von Stücken dieser Neuen Komödie.78 Das Mädchen wehrte sich und zog dabei dem Mann einen Ring vom Finger. Der junge Mann heiratete wenige Monate darauf Pamphile, Tochter des Smikrines, und ging gleich danach auf eine längere Geschäftsreise. Pamphile gebar nicht lange nach seiner Abreise heimlich ein

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Kind, sie hatte also schwanger geheiratet. Wir ahnen: Sie war es, der Charisios Gewalt angetan hatte, und ihr Kind ist auch seines, nur wissen es beide nicht. Pamphile setzt das Kind, ein Ehehindernis, aus, gibt ihm aber Tuch und Schmuck aus edlem Material mit und auch den Ring, den sie einst dem Wilden entrissen hatte: Das Kindchen sollte, wenn gefunden, als frei erkannt und aufgezogen werden. Ganz so geheim war nun die Geburt nicht geblieben, und als Charisios heimkehrt, hat sein Diener Onesimos („Der Nützliche“) nichts Eiligeres zu tun, als dem jungen Herrn davon Mitteilung zu machen. Charisios, wie vom Donner gerührt und doch seine Frau im tiefsten Herzen liebend, ist verzweifelt und zieht sich in das Haus seines Freundes Chairestratos zurück, bestellt bestes Essen, guten Wein, mietet eine Harfenspielerin, die er aber nicht berührt (439 f.), und nun beginnt ein langes und teures Trinkgelage, in dem der unglückliche junge Ehemann79 seinen Kummer ersäufen will. Onesimos ist äußerst besorgt ob der eigenen Schwatzhaftigkeit, die so viel Verwirrung schuf; der Schwiegervater Smikrines ärgert sich weniger wegen der Sittenlosigkeit als vielmehr wegen der Geldvergeudung (128 ff.). Als er auf die Bühne kommt, will er sich nach der Tochter erkundigen (wie sie das Ganze aufnimmt) und dann einen Aktionsplan entwerfen (162). So weit der erste Akt. Den zweiten Akt könnte ein Zwiegespräch zwischen Smikrines und Onesimos eingeleitet haben, der den brummigen Alten unter allerhand Vorspiegelungen von der Bühne schafft. Dann aber kommen wir auf festen Boden: Zwei ärmlich gekleidete Männer erscheinen, der eine mit seiner Frau, die ein Kind (302) und einen Beutel mit Sachen trägt. Es sind dies Daos, der Schafhirt, und Syros, der Köhler, mit seiner Frau (269). Daos hatte den ausgesetzten Säugling im Wald (dort ist es schattig, was dem Kleinen eine bessere Überlebenschance bot) gefunden (244) und mitgenommen, hatte dann aber Bedenken bekommen, denn er war allein und fürchtete die Unbequemlichkeiten, und als dann der Köhler den Hirten traf, von dem Funde hörte und um das Kind bat, da seine Frau eben eines verloren hätte (268), gab Daos es her. Doch bald wollte der Köhler auch Kleid und Schmuck haben, das aber wollte der Finder nicht herausrücken, und so kommen sie streitend auf die Bühne und beschließen, einen Vorübergehenden um einen Schiedsspruch zu bitten (219 f.); ein solches Anliegen war in Athen ja rechtsüblich (Arnott [1979] 407, Anm. 1). Smikrines kommt ihnen da gerade recht, und nach einigem Brummen lässt der sich auch herbei, den Fall anzuhören. Dem etwas ungewandten Hirten wird bang angesichts der Redefertigkeit seines Kontrahenten, mit der dieser den Unwillen des Alten zerstreut (236 f.), und erzählt seinen Fall denn auch etwas holprig, spielt den Wert der Sachen natürlich herunter (276) und erhebt dennoch als ihr Finder Anspruch auf sie; er redet sich warm und am Ende beschimpft er den Köhler gar (285ff.; Blume [1998] 109).

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Dann Syrus, der Gewandtere: Geschickt wirft er sich zum Anwalt des Kleinen auf, die Schmuckstücke müssten ihm erhalten bleiben, damit er als frei Erkannter später auch eine standesgemäße Erziehung genösse, Löwen töten und Olympiasiege erringen könne.80 Das leuchtet Smikrines ein, und so spricht er den gesamten Fund glatt dem Köhler zu (353 f.). Schimpfend zieht der Hirt ab, und Daos prüft nun umständlich den neuen Besitz; dabei wird er von Onesimos beobachtet. Als man den Ring bespricht, wird der hellhörig und erkennt das Schmuckstück als das seines Herrn (393). Flugs setzt er sich in den Besitz des Rings, um ihn dem Herrn „morgen“ zu zeigen (414; „heute“ ist man drinnen wohl zu trunken). So beginnt der Ring seine Wanderung „von Hand zu Hand“ (Blume [1998] 110). Onesimos hat dann aber offenbar Mühe, den rechten Zeitpunkt zu finden; er hat auch Bedenken vor einer Aussöhnung seines Herrn mit Pamphile, denn dann würde er mit seinem voreiligen Ausschwatzen als Störenfried dastehen (424 f.). Während er sich so in düsteren Zukunftsaussichten ergeht (es ist inzwischen der nächste Tag gekommen), erscheint die Hetäre Habrotonon80a – eine der gelungensten Gestalten Menanders – und äußert sehr standesunüblich ihr Mitleid mit dem jungen Mann da drinnen, dazu bedauert sie sich auch selber, die da unberührt von ihm nun schon den dritten Tag ohne Liebe lebt (438 ff.): Das soll den feinen Takt des jungen Mannes zeigen, der zwar unbeherrscht sein kann, aber irgendwie auch seiner Frau die Treue halten möchte. Habrotonon wird nun Zeugin davon, wie der Köhler den Ring zurückfordert und wie Onesimos ihn noch nicht hergeben will, wie er davon spricht, dass sein Herr ihn bei einem nächtlichen Tauropolienfest verloren habe.81 Nun hatte Habrotonon eben die Köhlersfrau beim Säugen eines Kindes gesehen, und als sie hört, der mitgefundene Ring gehöre Charisios, erbietet sie sich, die Zusammenhänge geschwind erahnend, ihm das Schmuckstück zu zeigen, was Onesimos ja bisher nicht geschafft hatte. Werde er alles zugeben, könne sie sich dann auf die Suche nach der Mutter machen, an deren Vergewaltigung sie sich noch erinnert (476 ff.). Sie spielt dabei dem zögerlichen Diener vor, wie sie mit Charisios reden werde (517 ff.).82 Sie werde vorgeben, das, was mit dem Mädchen geschehen, sei ihr, der Habrotonon widerfahren: „Du warst so frech und draufgängerisch“, werde sie sagen (527 f.). Bewunderung und leiser Vorwurf, das müsse doch sein Ohr öffnen für die peinliche Enthüllung. Onesimos ist hingerissen, träufelt aber, vielleicht auch aus Neid, Essig in den Wein: „Du tust das ja nur, um freigesprochen zu werden“ (539). Reines Lob ist dieser subalternen Figur nicht möglich. Habrotonon gibt jedoch sofort zu, dass sie sich für das Kleine einsetzen werde, auch um die Freiheit zu erlangen (548), doch es gehe ihr zugleich um die Zukunft des „hübschen, armen“ (466) Kindes und der feinen, netten Frau (484), die sie bemitleidet. Dem Onesimos aber bangt vor den Verwicklungen. Und die kommen gleich.

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Interessant und erhellend ist die Studie der beiden Charaktere: Der Mann ist schnell bei der Hand mit Vermutungen, ist ängstlich und unentschlossen, wohingegen die Hetäre rasch begreift, klug die Möglichkeiten abwägt und energisch vorgeht. Onesimos behauptet (515 f.) vorschnell, „jetzt begreife ich alles“, begreift aber gar nichts; auch sonst ist er reichlich langsam (492 f., 511), misstrauisch Habrotonon und sich selber gegenüber (551 f.). Dann ist – der Text lässt nicht erkennen, wie – auf einmal Smikrines wieder da und wird Zeuge davon, wie der Mietkoch Reißaus nimmt vor dem Chaos, das Habrotonons Enthüllung drinnen im Hause des Chairestratos angerichtet hat, wo sich ja Charisios aufhält und wo er eben erfuhr, dass er Vater eines Kindes von einer Hetäre ist (646), die nun „Herrin im Hause“ sein werde (629):83 Smikrines reagiert sofort: Die Tochter muss heim (657 f.)! Erneut irrt da ein Mensch von der Wahrheit ab, indem er nicht fragt. Er geht hinein in Charisios’ Haus, um mit der Tochter zu reden und sie nach Haus zu holen. Er kommt mit ihr auf die Bühne, und endlich84 erblickt der Zuschauer die Hauptpersonen, zunächst die Pamphile. Ihr rechnet der materialistische Vater die Kosten des Lebenswandels vor (749 ff.), den Charisios führt. Anstatt sich um das geschundene Seelchen der Tochter zu kümmern, rechnet er ihr vor, wie wenig Chancen eine Ehefrau ohne Kind gegen die Konkubine mit Kind habe (Arnott [1979] 480). Dabei ist Habrotonon ja ganz anders als die anderen Hetären, kümmert sich liebevoll um das schreiende Kindchen (853). Smikrines schimpft, doch Pamphile hält nach wie vor zu ihrem Mann, denn sie weiß und begreift, dass er an der Vorstellung leidet, sie habe ein uneheliches Kind (Blume a. O. 118). Es scheint – der Text ist hier lückenhaft – so, dass Charisios wenigstens Teile dieses Gesprächs zwischen Vater und Tochter gehört hatte, denn wir erleben sehr bald einen Ausbruch von wilden Selbstanklagen (dazu gleich). Inzwischen bleibt Pamphile allein auf der Bühne und klagt, Habrotonon hört sie, geht auf sie zu, man kommt sich näher: Aus der kühlen Anrede „Frau“ wird bald ein „Liebste“ und „Süßeste“,85 denn was Habrotonon der Verzweifelten zu sagen hat, ist der Beginn der Lösung aller Nöte: Das Kind sei zwar das des Charisios, aber nicht von ihr, Habrotonon, geboren. Als plötzlich Onesimos aus dem Hause stürzt, führt Habrotonon die Überglückliche rasch ins sichere Haus. Onesimos berichtet völlig verstört von dem Ausbruch wilder Reue bei seinem Herrn – verstört, denn er fürchtet als Plappermaul Schlimmes (903). Dann erscheint Charisios selber (endlich sehen wir nun auch die zweite Hauptperson): Herzlos habe er die Frau verdammt und hatte doch selber Schweres verbrochen: „Darin zeigte ich, dass ich ein Mensch“ (912), denn er habe groß daher geredet (922), habe sich für fehlerfrei gehalten, alle Schuld bei Pamphile gesucht, und habe in seiner Stumpfheit nichts be-

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griffen von der Liebe einer verständnisvollen Frau (918: „agnómon“). Ist der junge Ehemann nun „gewandelt“, wie Blume (1998, 121) ihn nannte? Auch ihm widerfährt ein „Jetzt erst begreife ich“ wie dem Knemon im „Dyskolos“ (711 ff.), aber noch begreift er in Wirklichkeit wenig. Doch wild, wie er damals mit Pamphile beim Tauropolienfest verfuhr, verfährt er jetzt mit sich selber, und noch immer geht er nicht zu seiner Frau, um mit ihr zu sprechen, ihr zu danken. Er weiß ja noch nicht, dass der Säugling gar nicht Habrotonons Kind ist, sondern sein eigenes. (Das erfährt er erst 953 ff.) Eigentlich hätte er jeden Grund zur Bescheidung (926 ff.); aber nein: Er probt86 einen groben Auftritt mit dem Schwiegervater (929 ff.), obschon er doch eben erst eine Lektion in Sachen Voreiligkeit erhalten hat. Eine solche erhält er nun gleich wieder in einem fast nicht mehr lesbaren Textabschnitt, der ein Gespräch zwischen ihm und Habrotonon enthielt (948 ff.: „Ich hätte müssen“, „Du hättest“, usw. deuten auf eine Art Abrechnung mit früherem Verhalten). Er hört nun endlich, dass nicht Habrotonon die Mutter des Kindes sei. So ist nun alle Not vorbei. Die ersten Szenen des Schlussaktes sind teils verloren, teils kaum mehr entzifferbar. Vielleicht stellte sich am Ende heraus, dass Chairestratos das Mädchen Habrotonon lieb gewonnen hat, klar ist aber und interessant dazu die Partie 1060 ff.: Charisios stellt sich vor, dass Chairestratos sich Habrotonon gegenüber nicht würde zurückhalten können: Das musste ausgerechnet Charisios von sich geben! Dann endet das Stück anscheinend mit etwas gröberen Tönen: Onesimos, nun wieder ganz obenauf, fertigt den herbeistürmenden Smikrines, der erzürnt seine Tochter abholen kommt, mit überlegener Ironie und epikurischen Floskeln höhnisch ab (1084). Smikrines gerät ja immer an diese nichtsnutzige Figur, meint immer, alles zu durchschauen und stets die richtigen Entschlüsse klug zu fassen, und hinkt doch immer den wirklichen Entwicklungen hinterdrein (1064ff.; 1114f.; 1124).

Rückschau auf die „Epitrepontes“ Menander ist ein Dichter von Charakteren und Charakterkontrasten. In seinem Spiel vom „Schiedsgericht“ zeigen sich davon mehrere, und sie sind auch das eigentlich Interessante an diesem Spiel, weniger das äußere Geschehen; interessant sind auch scheinbar ganz einfache Figuren wie etwa die alte Dienerin, die zuletzt mit dem racheschnaubenden Smikrines auf die Bühne kommt, mehr gezerrt, als freiwillig: Sie sagt nichts, aber der Kontext (1064 ff.) zeigt, dass sie viel weiß und viel versteht (sehr im Unterschied zu ihrem Herrn). Da wären der etwas einfältige Hirt und der gewitzte Köhler, ein interessantes Kontrastpaar. Ganz einfach und ganz auf-

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recht, im Privaten ihres Kreises ganz groß ist Pamphile, die bereit ist, ihren Mann trotz dessen unmöglichem Benehmen zu begreifen und zu ihm zu stehen. An Facetten reicher ist Habrotonon: Gerührt kann sie sein, so vom Missgeschick des Charisios und vom Klagen des Säuglings; umsichtig plant sie und behält stets auch die Übersicht. Diese beiden Frauen sind den Männern weit überlegen, den Männern, die da wüten und vorschnell (Blume [1998] 118) Schlüsse ziehen. Habrotonon ist zwar klug und hilfsbereit, aber sie ist als Unfreie – naturgemäß – nicht vollkommen selbstlos bei ihrem Handeln; im Grunde wünscht sie sich, dass dies ihr Tun ihr die Freiheit bringen möge. Und das gibt sie, danach gefragt, auch sofort zu: Unverstelltheit ist ihr Wesen, und darum glaubt man den Interpreten, dass sie später die Frau des treuen Freundes Chairestratos wurde, gern. Im Unterschied zu ihr steckt Onesimos voller Unklugheit, vorschnellem Plappern und auch unbegründetem Vermuten, dann wieder voller Bangigkeit, wenn es schwierig wird; wird es dann wieder hell, ist er sogleich obenauf und verspottet den Smikrines. Er ist auch nicht frei von Missgunst, denn warum sonst versucht er, Habrotonon bloßzustellen mit seiner Vermutung, sie nehme sich des Kleinen nur an, um dadurch frei zu werden? Indem er sie kleiner zu machen sucht, überdeckt er die eigene Unterlegenheit. Charisios ist nicht minder vorschnell; aber was ihn (und natürlich auch Smikrines) auszeichnet, das ist die Unfähigkeit, sich dem anderen, hier: seiner Frau, zuzuwenden und zu fragen, bevor er wütet. Charisios hat einen „guten Kern“, der es ihm verbietet, Habrotonon zu berühren, obschon er sie gemietet hatte. Aber als er sieht, wie tapfer und treu Pamphile ihrem Vater Widerstand leistet, da ergeht er sich in Selbstanklagen, badet sich im Selbstmitleid, anstatt zu ihr zu gehen und schlicht und einfach „Ich danke Dir!“ zu sagen. Nein, kaum klärt sich seine Lage, da verfällt er wieder in die alte Art und meditiert darüber, wie er den Schwiegervater hart anfassen werde: Selbstgenuss auch hier. Und als die ganze Wahrheit heraus ist, was macht er? Er macht seinen treuen Freund Chairestratos schlecht. Ein noch unreifer, schwankender, noch sehr junger Mann. Sein Grund-Verhaltensmuster ist Vorschnellsein und Selbstmitleid, Wüten statt ruhiger Erkundigung. Und das eben mag diese Komödie lehren: Stimmt etwas nicht, soll man nicht gleich Vermutungen anstellen, denn es kann ja auch ganz anders von der Tyche geordnet sein, als man denkt. Aber die wichtigste Lehre betrifft das Miteinander: Vertrauen und Hinwendung, und vor allem kluges Bedenken. Nur, wer kann das schon? Am ehesten die Frauen der „Epitrepontes“, und da besonders Habrotonon, die hier alles andere als eine Miethure ist. Smikrines bleibt sich in jeder Szene treu, Habrotonon und (soweit wir sehen) Pamphile auch. Nur Charisios ändert sein Verhalten von Szene zu Szene. Er ändert nicht sein Grundmuster, aber aus dem Stürmischen dieses „Cha-

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rakters“ kommen je nach Lage verschiedene Ausprägungen dieses Grundcharakters zum Vorschein.

„Aspis“ („Der Schild“) Wir werden nur einen raschen Blick auf dieses Stück werfen, von dem kaum mehr als die Hälfte erhalten ist. Es wurde mehrfach die Vermutung geäußert, es sei Menander um nichts als um die Charaktere gegangen, und die Handlung sei stereotyp und werde von ihm stiefmütterlich behandelt. Gewiss, es gibt da Handlungstypen, die sich – mit einigen Variationen zwar, aber im Grunde doch – wiederholen, als da wären Vergewaltigung und Kindesaussetzung, Kindesraub und Wiedererkennung nach Jahren. Im „Schild“ aber hat Menander eine interessante und kaum sehr alltägliche Handlung erdacht und vielleicht aus diesem Grunde ein paar Charaktere gebildet, die simpel bleiben: Chaireas, der Sohn des reichen und zart besaiteten Chairestratos zum Beispiel, bleibt blass, und der Bruder des wohlhabenden Chairestratos, Smikrines, bleibt immer gleich widerwärtig: hartherzig, ewig misstrauisch (391 ff.; 433 ff.), immer beleidigt, nie mitteilsam87 und unentwegt hinter dem Gelde her. Im Gegensatz zu ihm steht der phrygische Sklave, ehrlich und treu seinem Herrn, dem jungen Kleostratos, ergeben, dessen Pädagoge (Hauslehrer) er gewesen; diesen bereits etwas älteren Sklaven nannte Arnott (1979, 5) „fast schon zu fehlerlos“, wie er überhaupt das Stück wegen der „fehlenden Breite der Charaktere“ tadelte.88 Wenn also die Charaktere wenig „Breite“ aufweisen, dann wird hier doch einmal eher die Handlung Interesse wecken. Der wenig begüterte Vater des Kleostratos ist gestorben, und um seiner Schwester eine Mitgift zu verschaffen, geht Kleostratos als Söldner nach Kleinasien. Die Schwester gibt er in die Obhut des alten Chairestratos, der sie mit seiner eigenen Tochter zusammen aufzieht. Chairestratos hat auch einen Stiefsohn, Chaireas, den Sohn seiner ersten Frau, in seinem Hause, und der verliebt sich in die Schwester des Kleostratos. Sie wird seine Braut. In der letzten Schlacht nun in Kleinasien, vor Beginn der Bühnenhandlung in Athen, hatte die Einheit des Kleostratos gesiegt, die Beute ist beträchtlich, er schickt seinen Diener Daos mit seinem Anteil der Beute und weiteren Untergebenen nach dem benachbarten Rhodos.89 Der macht sich ohne Hast auf den Weg, kommt nicht weit, und in der Nacht vernimmt er Kampfgetümmel in der Ferne: Das Lager der sorglos feiernden Sieger wird vom tags zuvor geschlagenen Feind überfallen. Die Überraschten ziehen sich auf eben den Hügel zurück, auf dem Daos lagerte und auf dessen Kuppe er, als der Kampflärm hörbar wurde, eine rasch erstellte Befestigung bezogen hatte. Die Sieger des Vortages, völlig überrascht, ergriffen

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an Waffen, was ihnen gerade in die Hände fiel. So kam es, dass einer den Schild des Kleostratos trug, als er fiel. Kleostratos selber wurde nach tapferer Gegenwehr gefangen genommen. Nach drei Tagen zieht sich der Feind zurück, Daos besucht das Kampffeld, um den Herrn zu suchen, findet den zerhackten Schild, eine bereits entstellte Leiche darunter und nimmt nun an, sein lieber Herr sei gefallen. Er schlägt sich mit der Beute und ihren Trägern und Bewachern bis nach Athen durch. Nun kommt er vor das Haus seines Herrn, das heißt auf die Bühne, und trifft auf den ärmeren, älteren Bruder des wohlhabenden Chairestratos, des Onkels seines vermeintlich gefallenen jungen Herrn. Dieser ältere Bruder, Smikrines, ist der Älteste in der Familie, und da nun die Schwester des Kleostratos keinen direkten männlichen Verwandten mehr als Vormund besitzt, kommt der grämliche Alte nach athenischem Recht als Vormund und möglicherweise auch als der in Frage, der sie heiraten muss, damit sie unter Schutz lebt, wie das Gesetz es vorschrieb. Daos trifft also mit den Beute schleppenden Untergebenen auf den ärmlichen, übellaunigen Alten. Nach kurzem Gespräch ist ihm die Lage klar und er nennt den Alten spöttisch den „Erben“ (85) der Beute seines Neffen und den „Besitzer“ (89). Nach dem Gespräch, das die Akzente setzt, erscheint die Göttin Tyche, der „Zufall“, und macht von vornherein klar, dass Kleostratos nur gefangen worden sei und demnächst zurückkommen und alles, so habe sie es eingerichtet, wieder ins Lot bringen werde. Als dann Smikrines wieder auftritt, rühmt er sich zwar, die Beute nicht gezählt zu haben, denn er wolle nicht wieder als gierig beschimpft werden (153), aber er verkündet, er wolle die für „heute“ anberaumte Hochzeit zwischen dem Stiefsohn des Chairestratos und der Schwester des Kleostratos (die ja nun eine reiche Erbin ist) abblasen lassen, zumal niemand ihn um seine Zustimmung gebeten habe (178). Da aber die Beute des Bruders jetzt der Schwester, das heißt der Braut des Chaireas, zufallen und ihm dadurch entgehen würde, will er nun selber, der Greis, die Erbin, das junge Ding, als ihr nächster männlicher Verwandter ehelichen (185), wie er dem Daos eröffnet. Daos verspricht eine genaue Aufstellung von Kleostratos’ nachgelassenem Vermögen und seufzt: Was für einem Kerl werde er nunmehr, nach dem wunderbaren Kleostratos, dienen müssen (213ff.)! Wie anders dieser treue Phryger ist als andere Sklaven aus dem Osten, macht ein Zusammentreffen zwischen ihm und dem für die Hochzeit gemieteten, nun wegen der Absage enttäuschten Koch deutlich (238 ff.): Der Mietkoch verdient ein Zubrot mittels mancherlei Diebereien und staunt über Daos’ Ehrlichkeit. Der Vergleich der Rassen (242 ff.) ist voller Witz: Nur die Thraker nämlich, so der Koch aus Thrakien, seien rechte Kerle,

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echte Draufgänger, was man daran sehen könne, dass sie den höchsten Anteil unter den Strafgefangenen stellen (245). Nun aber macht Smikrines sich ans Werk und setzt zunächst seinen jüngeren Bruder Chairestratos von seinem Willen in Kenntnis, die junge Erbin zu heiraten (253 ff.). Auch er wolle verheiratet sein und Kinder haben, so spricht er von sich als einem zu kurz Gekommenen. Nichts werde ihn abhalten, denn wenn Chaireas, des Chairestratos Sohn, und dessen in Aussicht genommene Frau einmal Kinder haben sollten, so würde ja diesen das Erbe zufallen. Da ist’s heraus: Es geht ihm nur um den Besitz (Blume [1998] 152). Chairestratos erleidet vor Verzweiflung einen Schwächeanfall (282), doch der treue Daos lässt nicht zu, dass er aufgibt; vielmehr liefert ihm dieser Anfall einen Intrigen-Plan: Wie, wenn man vortäuschte, Chairestratos wäre gestorben? Dann würde Smikrines sogleich die Tochter des Chairestratos als die Erbtochter heiraten wollen und würde die Schwester des Kleostratos mit ihrem viel geringeren Erbe vergessen und daher ohne Schwierigkeiten ihre Heirat mit Chaireas zulassen. Gesagt, getan: Als Smikrines auftaucht, verärgert über das Ausbleiben der vollständigen Liste von Kleostratos’ Vermögen und voll böser Vermutungen, dass man ihm etwas verheimliche, und umso entschlossener, jetzt zuzugreifen und selber nachzuzählen (394 ff.), da stürzt Daos aus dem Hause, tragische Klageverse ausstoßend (und ihre Herkunft zugleich aufs possierlichste kommentierend: 407 ff.). Ein Arzt kommt gelaufen (Daos hatte einen Freund instruiert und entsprechend ausstaffiert: 377 ff.), stellt die Todesursache des Chairestratos fest und diagnostiziert, so scheint es, nebenbei Krankheit und baldigen Tod auch des Smikrines,90 der auf den Trick bezüglich des Chairestratos hereinfällt (464 ff.). Sofort befürchtet er, dass die Dienerschaft nun das Haus des Toten plündern (und viel von seinem, des Smikrines, Erbe stehlen) werde.91 Dann aber erscheint urplötzlich Kleostratos (491 ff.), aus der Gefangenschaft freigekommen. Überglücklich begrüßt ihn der treue Diener,92 und alle Not hat ein Ende: Chaireas bekommt seine Geliebte, das Erbe bleibt ungeschmälert und Chairestratos darf wieder unter die Lebenden zurückkehren. Der gierige Smikrines bleibt auf dem sitzen, was er bisher hatte. Die Handlung scheint insofern ungewöhnlich, als sie mit einem Tod beginnt, auch wenn er nur vom Diener angenommen wird, und durch einen Tod, auch wenn dieser nur simuliert wird, vorangetrieben wird. Aber dieser zweite „Tod“ bewirkt eigentlich nichts, oder sagen wir: nichts Äußerliches. Wohl aber treten nun die Art und Absicht des Smikrines unverhohlen hervor, und zudem verhindert die Verstellung sein weiteres Zupacken, das heißt die unnatürliche Heirat. Ferner weist die Handlung einige Überraschungen auf, vor allem das unerwartete Wiedererscheinen des tot-

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geglaubten Kleostratos; sie erlaubt auch einige heitere Einlagen, so die Zitatenfontäne des nicht nur ehrlichen, anständigen, sondern auch gebildeten Daos mit kommentierenden Zusätzen, sie ermöglicht auch das lustige Auftreten eines fingierten und erheiternden Dialekt sprechenden Arztes – der „dottore“ sollte noch lange die Komödie beleben. Hinzu kommt manches Rührende, so die Freude des Heimkehrenden und des alten Pädagogen. Auf diese Weise gewinnt die äußere Handlung hier mehr Gewicht und Interesse als anderswo bei Menander.93 Man wird daraus nicht gleich den Schluss auf eine frühe Abfassungszeit ziehen (wozu Blume [1998] 161 vorsichtig rät), denn es mag ja sein, dass Menander mehrere Grundformen der Komödie zu verschiedenen Zeiten angewendet hat, um zu variieren. Zudem bleibt es das Kennzeichen auch dieses Stückes, dass die Personen zu Kontrasten geordnet sind: farblos Chaireas; ein wenig facettenreicher Chairestratos, der zur Depression neigt (388 f., 422), woraus sich dann leicht der Zusammenbruch und die daraus folgende Intrige ergibt. Smikrines ist durchweg negativ, doch diese unfeine Art hat ihre Variationen: Einmal kommt seine Geldversessenheit zum Vorschein, dann sein Beleidigtsein und dann auch wieder das Minderwertigkeitsgefühl. Auch er eine facettenreiche Gestalt, doch im Negativen. Im Positiven ist es Daos, der eine farbenreiche Rolle zugewiesen erhielt: treu, empfindsam und doch93a energisch (man denkt an seine Befestigung der Bergkuppe), gebildet und verschmitzt, dazu ein Mann, der rasch die richtigen Einfälle hat und die passenden Entscheidungen zu treffen weiß. Der krasse Kontrast zu ihm (Gaiser [1973] 128) ist der Koch mit seiner Rassentheorie: Er macht nur umso deutlicher, wie Menander hier einen Sklaven aufgrund seiner Persönlichkeit zum führenden Charakter machte, im deutlichen Gegensatz zum „freien“ Smikrines.

„Perikeiromene“ („Die Geschorene“) Es war gewiss nicht selbstverständlich, einen Sklaven so großartig zu zeichnen, wie Menander es im „Schild“ getan hat; nicht minder auffällig war es wohl, wenn er in der „Geschorenen“ einen Offizier als wild und zugleich zart besaitet schildert. Von diesem Stück sind auch wieder nur Reste erhalten, nur etwa 40 Prozent.94 Die Komödie spielt diesmal in Korinth. Als sie beginnt, wird man das Mädchen Glykera, eine Freie im Haushalt des jungen Offiziers Polemon, der sie von Herzen liebt und als seine „Frau“ betrachtet, gesehen haben, wie sie aus dem Hause stürzt, den Kopf geschoren; vielleicht kam Polemon hinterdrein, doch das Abscheren des Haupthaares hat sicherlich nicht auf der Bühne stattgefunden. Was dort

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geschah und gesagt wurde, ist verloren; nur so viel ist erhalten, dass gleich darauf die Gottheit des Unwissens die leere Bühne betrat. Der Beginn ihres Prologs ist verloren, man kann vermuten, dass sie berichtete, wie der alte Pataikos in diesem Stadtviertel einst zwei Kinder hatte, einen Knaben und ein Mädchen, seine Frau aber bei deren Geburt verlor. Die Kinder setzte er aus (786), an einer schattigen Quelle (797). Das Mädchen Glykera führte dann der Zufall zu einer guten Frau, die, als sie dem Tode nahe, das Mädchen über seine früheste Kindheit aufklärte (131 ff.). Der Knabe kam zu einer Frau, die „hier“, also auf der Bühne, ihr Haus hatte. Sie hieß Myrrhine. Das Mädchen wuchs heran, ein Offizier, der „wilde“ (128) Polemon, verliebte sich in sie, und Myrrhine gab sie ihm, betrachtete sie sich doch als ihren Vormund mit Verfügungsfreiheit. Als sie alt und schwächlich wurde, wollte sie das Geheimnis um Glykeras Geburt nicht bei sich behalten, erzählte dem Mädchen vielmehr alles und gab ihm die Kleidungsstücke, in denen sie seinerzeit das Kind von Pataikos erhalten hatte. Sie sagte Glykera auch, dass der junge Mann, der mit ihr, aber „nebenan“, aufgewachsen war, ihr Bruder sei. Sie wollte nicht, dass der sich ebenfalls in sie verliebte, wollte einen Inzest vermeiden (137ff.). So lebt Glykera mit ihrem Polemon nun in dem einen Bühnenhaus, ihr Bruder mit seiner „Mutter“ Myrrhine in dem anderen. Glykera hat sich jedoch nicht zu erkennen gegeben, denn ihr Bruder lebt in einem reichen Haushalt, hat glänzende Perspektiven, auch wenn er einen lockeren Lebenswandel führt, und die bescheidene, ärmlich und in nicht ganz bürgerlichen Verhältnissen lebende Schwester wollte ihn nicht kompromittieren. Kurz bevor der Offizier seinen Wutausbruch hatte, war nun aber Folgendes geschehen: Glykera traf ihren Bruder auf der Straße, der lief auf sie zu und griff zu Zärtlichkeiten, die sie nicht abwehrte, wusste sie doch, wer er war (155 f.). Der Sklave des Kriegers aber, Sosias, der hatte das beobachtet und seinem Herrn alles brühwarm erzählt. Dass der nun in Rage geriet, kann man verstehen, und so kam es zum Haarabschneiden als entehrendem Zeichen für einen Ehebruch. Nach der Tat verließ Polemon sein Haus und zog – wie Charisios im „Schiedsgericht“ – zu einem Freund, Glykera aber blieb in Polemons Haus wohnen. Polemons Diener Sosias erscheint und schüttelt sein Haupt: „Eben noch gewaltig und so kriegerisch, ließ die Frauen nicht ihr Haupthaar tragen – jetzt liegt er da und heult!“ (172ff.). So haben wir denn einen jungen Mann, der zwar ein draufgängerischer Krieger ist, leicht in rasende Wut gerät, aber dann auch in heulende Verzweiflung fallen kann, wenn er, so könnte man vielleicht sagen, sein Spielzeug verloren hat. Polemon hat nun Sosias beauftragt, in sein Haus zu gehen, um etwas zu holen; in Wahrheit, um zu sehen, was Glykera macht. Er tritt zur Seite, als Glykeras Dienerin erscheint. Er hört, wie diese über das Schicksal ihrer unglücklichen

„Perikeiromene“ („Die Geschorene“)

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Herrin klagt (185 ff.), und – eine ganz subalterne Seele – meint daraufhin, seinem Herrn werde es eine Genugtuung sein, wenn die, welche ihn so gekränkt hat, nun ihrerseits weint. In Wirklichkeit bereut der Gewalttätige bitter, und Glykera ist todunglücklich: Beide lieben einander, aber das kann der Sklave nicht begreifen. Im zweiten Akt erscheint nun Glykeras Bruder Moschion, der ja nicht weiß, dass die schicke junge Frau von nebenan seine Schwester ist. Aber jetzt nicht mehr „von nebenan“, denn die verängstigte Glykera ist ins Haus der Nachbarin, das heißt von Moschions Ziehmutter geflohen. Er erscheint mit Daos, seinem Diener, der großtuerisch sich selber diesen Umzug zuschreibt, einen Umzug, der seinem Herrn, so glauben beide, eine gute Gelegenheit zu einem Liebesabenteuer bietet. Moschion, im Vollgefühl bester Chancen, spielt mit dem Diener ein Spielchen: „Was ist dein Lebenswunsch?“ Nun, der ist, Käsehändler auf dem Markt zu sein (275 ff.). Dann schickt Moschion ihn nach drinnen in das Haus seiner Mutter, um alles auszukundschaften. Er meint, es sei sein anziehendes Aussehen gewesen, das Glykera dazu brachte, nicht fortzulaufen, als er sie küsste. Er stellt sich vor, wie sie verschämt tun werde, sobald er auftauche, aber da kommt Daos zurück, ganz kleinlaut diesmal: Man war gar nicht erbaut von der Aussicht, Moschion zu sehen, und warf Daos hinaus (319 ff.). Moschion konfrontiert den Schwätzer nun mit dessen eigenem Geschwätz, er und kein anderer sei es gewesen, der Glykeras Übersiedlung arrangiert habe; er droht ihm, und Daos verfällt auf die Möglichkeit, Glykera sei wohl nicht abgeneigt, aber wolle kein so überrasches Vorgehen, keine solche Eile (337), und fügt hinzu, Glykera habe solche Andeutungen ihm, Daos, gegenüber gemacht (was erneut gelogen war: 344 f.). Gutes hoffend, geht Moschion ab. Es kommt statt seiner Sosias, Polemons Diener, mit dessen Schwert und Militärmantel (soll er das in Polemons Haus schaffen?), aber das ist erneut nur ein Vorwand: In Wirklichkeit will der leidenschaftliche Verliebte wissen, wo sein Nebenbuhler ist und wie es um Glykera steht (355ff.). Voller Mitleid geht der Diener in Polemons Haus hinein, beobachtet von Daos. Dort erfährt er von Glykeras Flucht, die er als Umzug zu ihrem neuen Geliebten versteht (369 f.). Sosias, Polemons Diener, und Daos, Myrrhines Bedienter, geraten nun aneinander, Daos beschimpft den hergelaufenen Bramarbas und geht laut fluchend in sein, in Myrrhines Haus ab. Aus Polemons Haus kommt eine Dienerin geschlichen und klärt vorsichtig Sosias darüber auf, dass Glykera nicht Moschions wegen fortgegangen ist, sondern aus Angst vor weiteren Ausbrüchen Polemons (400). Nun bricht der Text ab, und wir können nur vermuten,95 dass die Dienerin Hilfe holen ging, vielleicht Pataikos (weder weiß er, dass er Glykeras Vater ist, noch ist ihr das klar), und dass der Offiziersbursche Sosias zu Polemon

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ging, um ihm vorzuschlagen, mit einer „Armee“ aus Sklaven vor Myrrhines Haus zu ziehen und Glykera herauszuholen. So geschieht es, eine „Armee“ aus ein paar Sklaven marschiert heran unter den Klängen der Militärkapelle, bestehend aus einer Flötenspielerin (Arnott [1996] 421). Sosias will losschlagen, aber Pataikos (inzwischen war er zu Hilfe gekommen) versucht, den wilden, zudem noch kräftig angetrunkenen Offizier von derlei Unfug abzubringen. Der begreift, was er angerichtet, und bricht am Ende weinend vor Jammer zusammen, stotternd (505 ff.) bittet er Pataikos, sein Fürsprech bei Glykera zu sein – oh, wenn er ihm doch nur ihre wunderbaren Kleider zeigen könnte, dann wüsste er, wie groß und schön sie sei! Ein vielleicht etwas seltsamer Trick des Dramenverfassers, Pataikos Dinge sehen zu lassen, die später zur Lösung der Probleme führen werden (vielleicht nahm er auch Glykeras Schmuckkästchen mit, möglicherweise als Druckmittel?). Aber Pataikos sollte vor allem verstehen, welch wunderbarer Frau Polemon nachweinte. Danach ist der Text so bruchstückhaft, dass man nur ahnen kann, was geschah: Moschion kommt heim und versteckt sich in seinem eigenen Haus, um einen passenden Augenblick für sein Auftreten abzuwarten. Pataikos ist zu Glykera gegangen und hört nun die ganze Wahrheit über ihren Umzug aus Angst, nicht aus neuer Liebe (708 ff.). Sie lehnt eine Rückkehr ab und bittet Pataikos, ihr das Kästchen zu bringen, von dem ihre ganze Zukunft abhänge, das Kästchen mit den Dingen, die ihr bei ihrer Aussetzung beigegeben worden seien. Aber das ist, so jammert die Dienerin, verschwunden (758 f.; Arnott 443 unten). Pataikos erinnert sich, derlei bei Polemon gesehen zu haben und dass einige der Stücke denen ähnelten, mit denen zusammen er seinerzeit seine Tochter hatte aussetzen lassen, und nun kommt die ganze Wahrheit ans Tageslicht. Arm war Pataikos durch den Untergang seines Handelsschiffes geworden, Kinder konnte er, so meinte er damals, nicht großziehen, und so gab er sie denn her, Tochter und Sohn – und nun hat er sie beide wieder. Noch einmal wird, so darf man vermuten (der Text fehlt), Moschion seine ganze Selbstgefälligkeit unter Beweis gestellt haben,96 dann kam Polemon (hier ist der Text erhalten) und vermutete nun, dass alles aus sei: Glykera, Tochter eines (inzwischen wieder) reichen Herrn und im Hause eines nicht minder wohlhabenden jungen Mannes! Aber da erscheint Glykeras Dienerin und bringt die frohe Botschaft: Glykera zieht gerade ein neues, schönes Kleid, das ihr Vater Pataikos ihr geschenkt, zu Hause an (990 ff.), um vor ihm, den sie liebt, zu erscheinen! Pataikos spricht die Verlobungsformel, und alles ist gut geworden – es hätte alles schlimm ausgehen können. Wodurch aber kam es so weit? Dadurch, dass man nicht offen und zurückhaltend miteinander sprach.

Die „Sikyonioi“ und Menanders Technik

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Die „Sikyonioi“ und Menanders Technik Wir haben inzwischen so viel von Menander gehört, dass wir eine Zusammenfassung wagen können. Und zwar wollen wir ein noch nicht behandeltes Stück dazu verwenden, um anhand dessen, was von ihm noch verständlich ist, von Menanders Arbeitsweise zumindest einiges hervorzuheben. Zu Beginn und dann auch um die Mitte des 20.Jahrhunderts fanden sich in Ägyptens Boden und als Ummantelung von Mumien Papyrusstücke97, welche Reste eines Menander-Stückes aufwiesen, das mittels antiker Zitate als „Sikyonioi“ beziehungsweise „Sikyonios“ identifiziert werden konnte, als „Die Leute aus Sikyon“ oder „Der Mann aus Sikyon“ (Arnott [2000] 196), also aus der Isthmos-Stadt nordöstlich von Korinth. Die Papyrusfetzen erlauben nicht, die Handlung befriedigend zu rekonstruieren, doch so viel ist noch erkennbar: Einem Mann in Attika, vielleicht einem Athener namens Kichesias wird (bei einem Fest?) in einem der beiden Küstenorte namens Halai die vierjährige Tochter Philumene samt ihrem Diener Dromon und ihrer Amme von Piraten98 entführt und nach Mylasa in Karien (südwestliche Türkei) auf den Sklavenmarkt gebracht. Schon hier können wir eine Anmerkung anfügen, die gleich wichtig werden wird: In den Versen 12 ff. berichtet die allwissende Prolog-Gottheit von diesem Ereignis und erzählt, wie ein Sklave, der mit den beiden auf seinen Kauf wartete, ihnen, als ein höherer Offizier sie erstand, aufmunternd zurief: „Nur Mut, der Mann ist aus Sikyon, ist anständig und auch reich.“ Was wäre hier wichtig? Die Tatsache, dass Menander durch diese winzige Szene den oft eintönigen Prologbericht lockerte und interessant machte. Der Offizier – wer er war, ob ihr späterer Ehemann Stratophanes oder dessen Stiefvater, wissen wir nicht – zog Philumene sorgsam in seinem Hause auf. Dieser Stratophanes war (Arnott [2000] 204–209) nun nicht der Sohn dessen, der dieses Haus einst besessen; er war dem Manne früher von dem Athener Smikrines in die Hand gegeben worden, als dieser, so scheint es, in Schulden gekommen war. Dieser Athener Smikrines hatte Zwillinge gehabt, eben diesen Stratophanes, den er fortgab, und Moschion, den er behielt. Das Geschick fügte es nun so, dass sie alle in Athen zusammen kamen, Moschion im Hause seines Vaters Smikrines und Stratophanes und Philumene im Hause daneben. Moschion verliebte sich nun in das Mädchen von nebenan, als es reif geworden; aber auch dem Stratophanes gefiel sie überaus gut (und vielleicht war da gar „ein dritter Liebender“: v. 98). Aber weder wusste Moschion, dass Stratophanes sein Bruder war, noch wusste man etwas über Philumenes Herkunft. Im Hause des Stratophanes lebte aber auch Theron, sein Tischgenosse und wohl auch Unterführer im Krie-

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ge; der war ein frei geborener Athener und liebte die Malthake, die, ebenfalls Freie, auch im Hause des Stratophanes lebte und anscheinend dem Hetärenberufe nachging. Doch sie mochte den ewig hungrigen Theron (zunächst?) nicht sehr. Nach dem arg zertrümmerten Prolog wird in v. 52 ff. deutlich, dass Stratophanes und Theron Pläne schmieden, um sich Philumenes zu bemächtigen – anscheinend war sie aus dem Hause, in dem sie ihre Kindheit verbrachte, geflohen (vor Stratophanes’ Zudringlichkeit?). Soll man, so berät man, an Entführung denken (57 f.)? Lieber einen Mann bestechen, der schwören könnte, sie sei eine freie Bürgerin, dann könnte Stratophanes sie rechtmäßig heiraten.99 Philumene scheint in ein Heiligtum zu Eleusis (eine Tagesreise östlich von Athen an der Küste) zur Priesterin geflohen, wo sie sich sicher fühlt (189 f.). Stratophanes scheint wütend darüber, dass Philumene aufgrund von Therons ungeschicktem Vorgehen Wind von seinen Absichten bekommen hatte. Dann aber platzt am Ende des dritten Aktes der Diener des Stratophanes, Pyrrhias, mit der Nachricht und den entsprechenden Beweisstücken herein, sein Herr sei gar nicht Sohn des Mannes, den er bisher für seinen Vater gehalten habe und in dessen Haus er als Sohn groß geworden sei (125 ff.). Diese Nachricht scheint vor allem zu bewirken, dass Stratophanes eine Schuld seines (Stief-)Vaters nun nicht mehr abtragen muss, also weiter wohlhabend sein wird und in der Lage, eine Frau zu ernähren (135; Arnott [2000] 237 unten). Es erscheint nun zu Beginn des vierten Aktes der eigentliche Vater des jungen Stratophanes, der ja auch der Vater des Moschion ist. Er weiß nicht, dass Stratophanes sein Sohn ist. Er tritt auf in ein Gespräch mit einem „Demokraten“ über die verschiedene Mentalität von Armen und Reichen vertieft, was mit der Haupthandlung wenig zu tun hat und somit überrascht. Aber auch in dieses Gespräch platzt ein Bote: Eindrucksvoll tragischen Ton anschlagend und dabei Euripides anklingen lassend,100 erzählt der Mann breit und nicht ohne Selbstgefälligkeit von einer Volksversammlung in Eleusis, während der man Philumene als freie Athenerin anerkannte, was anscheinend sowohl Moschion als auch Stratophanes miterlebten, jeder auf seine Weise sein Interesse an dem Mädchen bekundend (199 ff.; 215 ff.). Ja, Stratophanes sprach seinen festen Willen aus, das Mädchen gar zu heiraten, sobald ihr Vater gefunden sei (254 ff.). Nach dieser Szene erscheinen Stratophanes noch einmal und Theron auf der Suche nach Philumenes Vater, das heißt nach Smikrines (wie man herausgefunden hat, dass er am selben Orte wohnt, ist nicht mehr zu erkennen). Moschion hat inzwischen des Stratophanes Eifer, Philumenes habhaft zu werden, erkannt, er erscheint in 272 ff. gewillt, ihr als Helfer in der Not beizustehen und Stratophanes als Entführer zu verhaften. Dann aber kommt es zur Wiedererkennung der Dinge, die dem kleinen Stratophanes seinerzeit

Die „Sikyonioi“ und Menanders Technik

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bei der Überantwortung an die Stiefeltern mitgegeben wurden, das heißt Smikrines entpuppt sich als der Vater des Stratophanes. Ein Höhepunkt des Dramas muss es gewesen sein, als Theron dann im fünften Akt auf der Suche nach einem gewissenlosen Kerl, der vielleicht bereit wäre, sich gegen Geld als Philumenes Vater auszugeben, ausgerechnet auf Kichesias stößt, ihren wirklichen Vater.101 Als der Alte erfährt, dass seine Tochter lebt und ehrbar geblieben ist, erleidet er vor Freude einen Ohnmachtsanfall (363), wie der alte Chairestratos in der „Aspis“. Wir können noch erkennen, dass Stratophanes aufgrund der neuen Entwicklung Malthake aus dem Hause schaffen lässt (wenn er heiratet, kann seine Frau nicht mit einer Hetäre102 unter einem Dach leben). Es ergibt sich dann, dass Theron Malthake nun endlich in die Arme schließen darf und dass Moschion sich in sein Schicksal willig fügt und bereit ist, bei Stratophanes’, also seines Bruders Hochzeit mitzuwirken (404ff.). Diese sehr kurzen Bemerkungen zu den „Leuten von Sikyon“ galten weniger einer Wiedergewinnung des Handlungsablaufs als vielmehr dazu, anhand der „Sikyonioi“ etwas von der Technik dieses Autors zu verdeutlichen. Gewiss war es richtig zu sagen, dass die Handlungsskelette von Menanders Komödien (soweit wir sie übersehen) ihm weniger wichtig waren als die Darstellung seiner Menschen. Der Handlungsablauf war ja auch durch den Prolog zumeist von vornherein klar. Aber ebenso wichtig ist es zu beobachten, wie er durch unentwegtes Variieren und Einführen überraschender Details diese Handlungsskelette interessant macht. Betrachten wir einige solcher interessant machenden Details: Natürlich musste Smikrines im Sikyonios gesagt bekommen, was aus seinem Sohn Stratophanes geworden war; aber Menander lässt den Vater in 150 ff. gleichsam handlungsfremd auftreten, nämlich mit einem Partner Moralbegriffe diskutieren, was überrascht, weil dieses Thema mit dem Stück nichts zu tun hat. Weiter: Natürlich musste der Vater informiert werden, aber das musste nicht durch einen wortreichen, von sich selbst recht eingenommenen Berichterstatter geschehen, der an den Wächter aus der „Antigone“ des Sophokles erinnert.103 In dieser Weise gestaltet der Dichter das, was zu erwarten war, dennoch überraschend aus. So vorbereitet, können wir, jeweils mit den „Sikyonioi“ beginnend, einige Hauptpunkte aus Menanders Technik anführen. 1. Überraschende Details a) äußerliche: Sik. 364: Kichesias wird ohnmächtig, was die Handlung nicht verlangt (in „Aspis“ wird, etwas anders als hier, aus einem solchen Schwächeanfall ein Handlungsmoment). Wir vergleichen: Asp. 464 (der Arzt sagt dem Chaireas, handlungsunabhängig, den Tod voraus); Perik. 384 (ein Zeuge wird angerufen, wenn auch vergeblich); Sam. 101 ff. (Lob Athens,

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Schmähung des Wetters am Schwarzmeer); Dysk. 130 ff. (Chaireas kneift, nachdem er große Worte geredet).104 Dies leitet zu Punkt 1 b hin. b) Psychologische Kleineffekte: Asp. 172 (Smikrines fühlt sich stets benachteiligt, darum dann auch in 257 das herablassende „Junge“, mit dem er, der Ältere, seinen jüngeren Bruder anreden zu können glaubt); Dysk. 771 und 863 ff. (Sostratos spricht sich gegen Eigenlob aus, prahlt dann aber doch gleich darauf kräftig); die kleine Szene Epitr. 859 ff., in der die Anrede wechselt, ist besonders hübsch; ferner das dreimalige Irren der Hauptpersonen in Sam. 269 ff., 338 und 550 ff. (Blume [1998] 134 f., 138). Arnott (1975, 21 f.) macht auf die oben behandelte doppelte Niederlage von Koch und Gehilfe in Dysk. 464ff. aufmerksam.105 2. Beschwerung des Aktendes In den „Sikyonioi“ endet der dritte Akt bei 149. Zuvor hatte das Metrum gewechselt (aus iambischen Trimetern wurden trochäische Tetrameter) und war Stratophanes’ Diener in 126 ff. aufgetreten, und zwar mit einer sensationellen Neuigkeit: Er sei gar nicht der Sohn der Eltern, bei denen er groß wurde, und das bewiesen auch die Dinge, die ihm einst mitgegeben wurden. Dass am Aktende ein besonders wichtiges oder interessantes Detail auftaucht, das findet man auch sonst: In Asp. 216 treten am Aktende neue Personen auf, Koch und Tafelordner, ähnlich beschwert in Dysk. 393 ff. der neu auftretende Koch das Aktende, desgleichen im Misumenos (nach 670 tritt Kleinias mit einem Koch auf, mit 676 endet der Akt); in Sam. 590 ff. wird am Aktende in einer Rätselrede mit Mythologischem gespielt, was auffällt, da dergleichen sonst sehr selten geschieht; in Epitr. 385 ff. gelingt die Identifizierung des alles entscheidenden Ringes am Aktende, und am Aktende begreift die Hauptperson Charisios endlich, was geschehen ist (952ff.).106 3. Verselbständigung von Handlungsmomenten In den „Sikyonioi“ verselbständigt sich der Botenbericht 176 ff. in unvorhersehbarer Weise und verlangsamt das Geschehen, ähnlich geht es mit der Schiedsgerichtsszene Epitr. 230 ff. und der Musterung der Lebensideale eines Sklaven in Perik. 275 ff. Anders gesprochen: Menandrische Handlungen kennen Ballung und Lösung, Eile und Verweilen: Das Tempo ist nicht immer gleich, und das trägt zur Abwechslung bei und dadurch zum Interessantwerden. 4. Stil-Spiele a) Tragödienimitationen: In den „Sikyonioi“ berichtet ein Erzähler von einer Volksversammlung (176 ff.), und dabei lässt er den Botenbericht aus dem „Orest“ des Euripides anklingen.107 Auch in der „Perikeiromene“

Die „Samia“ und Menanders Lehre

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774 ff. findet sich derlei, wie Gomme-Sandbach (1973, 519 f.) und Arnott (1996, 445) vermerken. b) Hoch-Stil: In der „Samia“ 207 ff. vergleicht Demeas seine Lage mit der von Sturmbedrohten bei einer Seefahrt,108 und im „Dyskolos“ 153 ff. meint Knemon, der sagenhafte Perseus habe es besser gehabt als er, denn er konnte sich auf seinen Flügelschuhen über alle Menschen, die einem da in den Weg laufen, leicht erheben: Eine Art komparativischen MonologAnfanges macht die Rede interessant. Zum Hoch-Stil als rhetorischem Mittel, und zwar zum Mittel der Übertreibung, greift der gewitzte Sklave im „Schiedsgericht“, als er dem Säugling eine glänzende Zukunft in Aussicht stellt: Löwenjagd (324), Olympiasieg und Königtum (325 und 333). 5. Handlungsverläufe Man sollte auch nicht die Passagen wie Sik. 193 ff., wo ein Berichterstatter die Reden derjenigen einflicht, von denen er erzählt, als singulär ansehen: Derlei Bravour-Stücke für hervorragende Schauspieler gibt es öfters (Epitr. 261 ff.; Sam. 252 ff. zum Beispiel); auch dies gehört zu den Mitteln Menanders, seine im Großen vorhersehbaren Handlungsverläufe im Kleinen interessant und überraschend zu gestalten. 6. Ernstes und Heiteres Zuletzt sei noch auf etwas hingewiesen, was zur dramatischen Technik Menanders zu gehören scheint, auf den Wechsel von Heiterem und Ernsterem. Man kann nämlich beobachten,109 dass Menander auf ernste und ergreifende Szenen gern eine heitere folgen lässt: In die rührende Wiederfindung zwischen Pataikos und seiner lange verloren geglaubten Tochter platzt der immer etwas lächerliche Moschion und sorgt (so scheint) es für einen angenehmen Wechsel der Stimmung. In dem Buch „Lateinische Dichtersprache“ finden sich dazu Belege aus anderen Dichtungsarten.110

Die „Samia“ und Menanders Lehre Wenn die bisherigen Ausführungen zutreffend sind, dann ergibt sich daraus, dass Menander um interessante Abwechslung bemüht war, und zwar in den Charakteren überhaupt, bei denen er gern das Gewohnte mied und Klischees außer Kraft setzte;111 dazu aber auch in deren kleinen und scheinbar nebensächlichen Handlungen und Reaktionen. Abwechslung suchte er auch im Stil: In alltäglichen Szenen spricht man alltäglich, ergibt sich aber die Gelegenheit zum Beispiel für einen Diener, sich wichtig zu machen, greift er wohl auch zum Hochstil und sogar zu tragischer Diktion, die er aus dem Theater kennt. Scherz und Ernst sollten sich abwechseln,

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Rührendes und Erheiterndes, und all dies kann uns ja nicht überraschen, die wir aus dem guten Film derlei ja gewöhnt sind. Aber richten wir doch den Blick auf Gewichtigeres. Die MenanderStücke, die wir kennen gelernt haben, zeigen oft ein identisches Muster: Irgendetwas Äußerliches geschieht und wird sofort – und falsch – erklärt und verstanden. Ein Kind scheint zu früh geboren: Aha, eine voreheliche Liebschaft, und sogleich wird wütend reagiert. Die Geliebte lässt sich von einem jungen Mann küssen: Aha, sie hat ein neues Verhältnis, und ohne nachzudenken und nachzufragen, wird getobt. So geht es fort und fort. Was hätte den Konflikt vermeiden können? Bevor wir antworten, ein Blick auf den „Schild“: Dort gab es keinen Konflikt durch Fehlverstehen; also läge hier ein ganz anderes Baumuster vor? Überlegen wir: Im „Schiedsgericht“ hätte Charisios, bevor er wild wurde, fragen können; in der „Perikeiromene“ hätte der Offizier, bevor er seinem Mädchen die Haare abschor, sich erkundigen müssen. Und im „Schild“? Da ist das Gegenteil der Fall, der geldgierige Alte gehört zu denen, mit denen nicht zu reden ist, die Gier siegt über die Scham. Der Diener durchschaut das sehr genau, versteht und plant dementsprechend. Offenbar geht es Menander um das Verstehen des anderen und um das Sprechen miteinander. Er zeigt, wie verhängnisvoll es ist zu reagieren, bevor man nicht Bescheid weiß. Dies aber verlangt: im Augenblick des Schocks inne zu halten, sich zu zügeln und zu fragen, vielleicht aus dem Wissen darüber, wie sehr alles Menschliche vom Zufall abhängt. „Epoché“ nannten sowohl Epikureer wie Stoiker dies, „Zurückhalten“ – und zwar der unvermittelten Reaktion. Erfahrung mag die Epoché lehren, auch wenn es nur die Erfahrung anderer auf der Bühne ist, wo man miterlebt und mitlernt. Gewiss gibt es Unbelehrbare wie den Smikrines aus der „Aspis“. Er steht für das, was ein Stoiker (Seneca, Epist. 85, 10) eine „eingefressene Krankheit“ nannte. Sind diese Ausblicke auf die hellenistische Philosophie unerlaubte Abschweifungen? Nun, Zenon, der Stoiker, und Epikur waren Zeitgenossen Menanders, wenn nicht gar mehr. Und zudem die „Samierin“: Die Bühne zeigte zwei Häuser in Athen. Das eine gehörte dem reichen Demeas. Bei ihm leben seine Konkubine Chrysis und der Adoptivsohn Moschion samt dem Diener Parmenon. Das andere bewohnt der ärmere Nikeratos mit seiner Tochter Plangon. Beide Alten befinden sich, als das Spiel beginnt, auf einer längeren, gemeinsamen Geschäftsreise. Das Stück beginnt mit dem Auftritt des Adoptivsohns, der dankbar berichtet, wie gut und großzügig er aufgezogen, wie er liebevoll „zu einem Menschen“ gemacht wurde (17), das heißt zu einem Erwachsenen, der etwas gilt. Doch er habe sich etwas zu Schulden kommen lassen (3), er habe Plangon während eines nächtlichen Festes verführt, ein Kind sei da

Der Weg von Aristophanes zu Menander

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und er habe der Mutter Plangons geschworen, das Mädchen zu heiraten (52 ff.). Da kommt auch schon der Diener Parmenon mit der Nachricht, die Väter seien heimgekommen (61). Moschion kann und muss nun dem Vater beichten – da verlässt ihn der Mut. Als Chrysis, des Vaters Konkubine, erscheint, die eben gerade ein Kind verloren hat, da schlägt Moschion vor, sie solle doch einmal das Kind übernehmen (Plangons Vater sollte nicht gleich ein unerwartetes Kind in seinem Hause vorfinden): Er wolle dem Vater dann schon alles sagen, obschon der gewiss wild werde (80). Chrysis geht, das Kind zu stillen, Moschion geht, um seine Rede einzustudieren (95; s. Anm. 82). Die Väter, heilfroh, von der unwirtlichen Schwarzmeerküste erlöst und zurück im lieben Attika zu sein,112 bekräftigen, was sie unterwegs besprochen haben, nämlich die Kinder miteinander zu verheiraten (114 ff.), was von Demeas durchaus großzügig gedacht ist, denn die Mitgift wird klein sein. Alles scheint in guter Ordnung. Dann trifft Demeas in seinem Hause auf die stillende Chrysis. Gewiss, das musste sein eigenes Kind sein; aber wütend malt Demeas sich aus, wie die Kebse nun die Herrin im Hause spielen werde (vgl. Epitr. 629). Er ist zornig und wirft die gütige Frau aus dem Haus. Noch drei Male wird er und wird Nikeratos so reagieren, ohne die heilsame Zwischenstufe der „Epoché“; die kleine Frage „Was ist hier los?“ hätte alles Wüten verhindert. Und eben dies wollte Menander zeigen.113 Wollte er das wirklich? Gibt es einen Beweis? In v. 566 f. sagt Demeas: „Es ist gewiss das bei weitem Beste, unumwunden zu sagen, was geschah.“ Das ist allgemein gesagt, wie ein Motto über dem ganzen Stück.114 Spät, sehr spät erst spricht Moschion unumwunden, auch er hätte gleich zu Beginn nicht zu Lügen seine Zuflucht nehmen dürfen: „Jetzt erst durchschaue ich das Ganze“ (522). So sind eben die Menschen, zeigt Menander. Und dass dies seine Botschaft war, macht ein Menander-Fragment (aus dem „Hypobolimaios“, fr. 421 Körte) deutlich: „Stets das Beste ist, die Wahrheit zu sagen.“

Der Weg von Aristophanes zu Menander Das Hauptergebnis meiner Überlegungen zu Aristophanes und Menander115 „ist wohl dies, dass die beobachteten Veränderungen im Altersstil des Aristophanes Zeugnis ablegen für eine Wandlung seines Menschenbildes und – wenn man so will – für die Veränderung des Menschenbildes seiner Epoche überhaupt“. Indem er nämlich am Ende seines Schaffens nicht mehr Athener-Figuren zeichnete, die über alles Menschenmaß hinaus einem utopischen Glückszustand zustreben, sondern zunehmend Allge-

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mein-Gestalten mit alltäglichen Schwächen, beschritt er den Weg vom athenischen Bürger zum menandrischen „Menschen von nebenan“, dem Menschen überhaupt. Menander stellt nicht mehr Athener dar, die am Ende in einen Paradieszustand gelangen, der aber immer noch ein Paradies der bürgerlichen Gerechtigkeit ist, die äußerlich bleibt; er stellt Charaktere dar, die innere Größe und Schwäche zeigen, vor allem Fehlverhalten im Miteinander von Mensch zu Mensch, von Familie zu Familie, ganz gleich welcher griechischen oder heutigen Stadt. Kurzum: Menander und die, welche es ihm vormachten und gleich taten, malten (wenn man ein wenig übertreiben darf) das Leben ab. Dem entspricht das Verstummen der Chöre zwischen Aristophanes und der Neuen Komödie; dem entspricht auch das Nachahmen der auf den Straßen Athens vom gehobenen Bürgertum gesprochenen Sprache (man könnte sagen, dass nur die Sklaven zuweilen tragischen Hochton anschlagen). „O Menander und o Leben – wer von Euch hat wen nachgeahmt?“, so rief Syrian, der Lehrer des Proklos, aus.116 Das war gewiss nicht immer erfreulich, und gewiss sah Menander überall, wie das menschliche Miteinander besser gestaltet werden könnte, aber er wusste auch, was ein durch Erfahrung gereifter Mensch ist, und er wusste, wie bitter solches Reifen werden kann. Daher wohl der Zug feiner Trauer in seinem edlen Antlitz. Daher auch sein Versuch, den Menschen im Theater das Menschliche zu zeigen: Lernen durch Miterleben im Theater.

Der Anfang lateinischer Bühnen-Literatur Am Anfang der lateinischen Literatur überhaupt stehen zwei Persönlichkeiten von grundverschiedener Art und Wirksamkeit, aber von gleich mutiger Originalität: Appius Claudius Caecus (bezeugt zwischen 312 und 279/78 v. Chr.), der Römer, und Livius Andronicus, der in Rom wirkende Grieche. Beide überführten griechische Texte ins Römische, Appius popularphilosophische Sprüche,117 Livius Homer und griechische Dramen (am Ende seines Lebens dichtete er dann 207 v. Chr. frei ganz Römisches, ein Sühnelied). Im Jahre 240 v. Chr. beschloss der Senat in Rom, an die Stelle von bisher doch wohl recht rohen Aufführungen, von Pantomimen mit Flötenbegleitung, nunmehr griechische Dramen in Übersetzung aufführen zu lassen.118 Solche Aufführungen überhaupt anzusetzen, war römischen Priestern im Jahre 364 v. Chr. als notwendig erschienen, als nämlich eine Pestilenz trotz mancher Gottesbeschwichtigung nicht weichen wollte (Livius 7, 2, 3). Die lateinische dramatische Literatur wuchs also nicht aus Volkstümlichem unter den Händen formbegabter Künstler hervor, sondern sie wurde befohlen. Wenigstens zu einem Teil, denn wie viel Etruskisches und Volkstümliches hereinspielte, können wir nicht mehr abschätzen. Woraufhin konnte Livius einen so ehrenden Senatsauftrag erhalten, ein griechisches Drama zu übertragen und aufzuführen? Doch wohl, weil er bereits bekannt war, und bekannt wurde er wahrscheinlich durch die Übertragung der Odyssee ins Lateinische als „Odusia“.119 Die römischen Herren, welche an derlei interessiert waren, zogen die Odyssee der Ilias wohl deswegen vor, weil in dem Heimkehrer-Epos die römische Grundtugend der pietas vorbildlich geschildert und gepriesen wurde. Seit der Leistung des Livius im Jahre 240 ist die Form der Übertragung griechischer Dramen120 nicht mehr grundsätzlich verändert worden, der iambische Senar und die iambischen und trochäischen Langverse, dazu Lieder in anfangs wohl wenigen „lyrischen“ Maßen blieben die metrischen Grundformen. Cn. Naevius scheint sie bereichert (Albrecht [1992] 102), aber nicht wesentlich verändert zu haben. So standen denn die Dramen des Ennius und Plautus bereits in einer recht fest gewordenen Tradition.

Plautus Bevor wir eine Plautus-Ausgabe öffnen und zu lesen beginnen, sollten wir vor uns ein Schildchen hinstellen: „Bedenke, wie viel nicht gesichert ist.“ Denn so gut wie alles an und um Plautus ist umstritten, weil wenig durch direkte Zeugnisse abgestützt wird. Dass zum Beispiel Horaz das Festlied zu Augustus’ Säkularfeier dichtete, wissen wir aus einer Inschrift: Carmen composuit Qu. Horatius Flaccus.121 Solche Glücksfälle gibt es bei Plautus nicht. Unsicherheit umspielt seinen Namen, seine Lebensdaten, den Bestand seiner Stücke, die Textüberlieferung, die Sprache, die Metrik und seine Art, griechische Originale zu behandeln. Dies gilt es zu bedenken.

Sein Name Aus den Handschriften haben Gelehrte die Namensform Titus Maccius Plautus erschlossen. Aber konnte ein Komödienschreiber drei Namen führen wie ein Adliger? Ist Maccius, nicht vom Namen des Vielfraßes aus der Volksposse, des Maccus abgeleitet? Plautus – da hat man an plautus gedacht, was „platt“ und „plattfüßig“ bedeutet oder auch „schlappohrig“, und dies letzte deswegen, weil der Verfasser des „Casina“-Prologs in v. 34 Plautus „den mit dem kläffenden Namen“ genannt hat, cum latranti nomine, aber da liest M. Puelma (MH 45, 1988, 13 ff.) jetzt fragranti. Also nicht einmal der Name steht fest,122 und so konnte Sander M. Goldberg123 fragen: „Plautus? Who (or what) and when was T. Maccius Plautus?“

Sein Leben An und für sich ist das Leben eines Dichters oder Künstlers für die Beurteilung seines Werkes nebensächlich, aber immerhin: Was wissen wir an Gesichertem über das Leben des Plautus? Gesichert ist nur, dass sein „Miles Gloriosus“ in den Jahren 206/04, der „Stichus“ im Jahr 200 v. Chr. aufgeführt wurde und der „Pseudolus“ im Jahr 191. Das lehren die (nur zum Teil erhaltenen) „Didaskalien“, das heißt die Angaben vor manchen Stücken über die Umstände der Aufführung – Angaben, die spätere Editoren der Antike aus gelehrten Schriften über die frühe römische Literatur, vielleicht letztlich denen des M. Terentius Varro, vor die Komödientexte setzten. Aber auch hier zweifelte immerhin ein H. B. Mattingly (Athenaeum NS 35, 1957, 78ff.). Und gegenüber der Lebensbeschreibung des Varro,

Sein Leben

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wie Gellius sie in 3, 3, 14 wiedergibt, hat insbesondere Fr. Leo (1912, 70 ff.) Skepsis geäußert. Was aus seinen Untersuchungen und Überlegungen resultierte, hat J. Blänsdorf (1978, 136) zusammengefasst: Aus Sarsina in Umbrien stammend, verdiente Plautus gutes Geld als Schauspieler der „Atellana“, der Volksposse, verlor es anscheinend bei Handelsunternehmen, musste sich als Müllersknecht verdingen und schrieb in der Mühle bereits einige Stücke. Durch seine Komödien kam er dann wieder auf festen Boden. Das letzte Aufführungsdatum war 184 v. Chr. All dies, so betont Blänsdorf, ist ungesichert – und es wäre, so fügen wir hinzu, auch nicht eben sehr erhellend. Aber so viel können wir mit einiger Sicherheit sagen: 1. Plautus widmete sich, anders als Ennius, Naevius und Livius Andronicus, nur einer einzigen Gattung, der „Palliata“, das heißt dem Übertragen griechischer Komödien in solche lateinische Dramen, die in griechischem Gewand, das die Römer pallium nannten, aufgeführt wurden. 2. Er konnte gut Griechisch, obschon ihm zuweilen Übersetzungsfehler unterliefen (Maurach [1988] zu Poen. 282), kannte die griechische Welt, obgleich er zuweilen sich im Mythologischen versah (Fraenkel [1922] 31), und ähnliche Kenntnisse konnte er bei einem Teil seines Publikums voraussetzen (Blänsdorf [1978] 106ff.). 3. Plautus hatte sein Handwerk so gut gelernt, dass auch schon das erste für uns kenntliche Stück, der „Miles“, eine vollendete Vers- und Palliatentechnik zeigt. 4. Ebenso klar ist, dass Plautus und seine Kollegen, anders als zum Beispiel Menander, für Geld schrieb – und verdienen wollte er dadurch, dass er dem Publikum gefiel. Es sollte lachen über das, was da auf der Bühne mit den griechischen Personen geschah. Die Griechen – das waren für die meisten die etwas albernen Leute, die man gern die Graeculi, die „Griechlein“, nannte, und pergraecari und ähnliche Wörter meinten, man benehme sich so albern wie sie.124 Darüber lacht die plautinische Komödie lauthals und oft reichlich grob. Jedenfalls zeigte die Bühne des Plautus Dinge, die den römischen Zuschauern zumeist recht fern lagen. Daher die tausend Vergröberungen, das ständige Lächerlichmachen und Witzereißen über eine Welt, eine „Phantasiewelt“,125 die nicht die der Zuschauer war. Auf der Bühne Menanders passierte dem Römer zu wenig; daher freute er sich an Gesangseinlagen, die es in der Nea Athens nicht gab; er hatte seine Lust an Possen, die Menander verabscheute, die der Italiker aber aus allerhand grobschlächtigen Lustbarkeiten wie zum Beispiel Volksposse der Atellane kannte und die er mit Spaß erlebte,126 und er hatte sein Vergnügen an vielfältiger Aktion, weshalb spätestens seit Naevius die Komödiendichter ihre Vorlagen durch handlungsträchtige Einlagen anreicher-

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ten. Dazu ließ Plautus in verstärktem Maße den verschlagenen Sklaven die Handlung beherrschen und schob neben dem Späße machenden Parasiten den widerlichen Kuppler zuweilen in grelles Licht.127 Kurzum: Was Plautus schrieb, war – so wollen wir vorerst sagen – denaturiertes Griechentum, das dem lauten Gelächter, einem „broad amusement“, wie Arnott (1975, 40) es nannte, preisgegeben war. Naturgemäß musste er da manches Feine seiner Vorlage vereinfachen und manche Empfindung zur Karikatur werden lassen. Wie viel vermochte er da von Menander zu begreifen und zu retten? Plautus war dennoch, das werden wir noch erleben, sehr wohl empfänglich für feinere Töne in seinen Vorlagen, aber – das war die Folge des Schreibens für Geld – er musste Kompromisse eingehen.

Die Stücke Plautus soll nach Gellius 3, 3, 11 nicht weniger als 130 Komödien verfasst haben. Uns sind 55 Titel bekannt, 21 davon hielt jener Gelehrte ciceronischer Zeit, Marcus Terentius Varro, aufgrund seines Stil- und Sprachgefühls (Gellius 3, 3, 3) für authentisch. Urkundlich absicherbar ist diese Auswahl nicht. Dies alles will sagen: Auch was die Zahl und die Autorschaft anlangt, herrscht Unsicherheit. Denn es fällt nicht leicht, ein und denselben Autor für derart disparate Stücke wie den „Trinummus“, den „Stichus“ und den „Persa“ anzunehmen. Jetzt aber müssen wir auf eine noch viel unruhigere See hinaussegeln.

Die Überlieferung Die laienhafte Frage lautet: Sind die 21 Plautus-Komödien, die wir noch lesen können, so in den Handschriften überliefert, wie Plautus sie geschrieben hat? Da wäre zunächst in einfachster Form zu klären, welches diese Handschriften denn sind. Wenn man die ältesten auswählt, so ergibt sich dieses Bild: Die älteste erhaltene Handschrift ist ein Kodex in der ambrosianischen Bibliothek zu Mailand (genannt A), dessen Blätter einst den Plautus-Text trugen, dann aber abgewaschen wurden, um einen christlichen Text aufzunehmen. Noch schimmern die alten Unzial-Lettern durch, ein italienischer Gelehrter übergoss sie vor rund 200 Jahren mit einer Flüssigkeit, welche die alte Tinte hervorleuchten ließ, dann aber Löcher ins Pergament fraß. Das zeitigte Schadstellen, denen dann Wilhelm Studemund das noch Lesbare entlockte, dafür aber sein Augenlicht gab. Dieser Kodex stammt wohl aus dem 3./4. Jahrhundert n. Chr. und zeigt einen Textzustand, der vielerorts älter, das heißt weniger verderbt ist als

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der Text, den die Zusammenschau der drei nächstjüngeren ergibt, der Handschriften B (ein Palatinus Vaticanus aus dem 10.Jh.), C (ein Palatinus Heidelbergensis aus dem 11. Jh.) und D (ein Vaticanus aus dem gleichen Jh.). Man fügt diese drei Handschriften unter dem Zeichen P zusammen. Der Unterschied zwischen A und P ist, schlicht gesprochen, der, dass in P alles gegen Ende der Antike, als diese Ausgabe entstand, noch Erreichbare gesammelt ist, so zum Beispiel Schauspielerbezeichnungen, Varianten, Doppelfassungen, wohingegen A eine Auswahl aus dem Überlieferten darstellt und im Falle von Varianten und Doppelfassungen zumeist allein das dem Editor besser Erscheinende schrieb.128 Stellen wir uns die Ausgangslage vor Augen: Plautus hat ein Stück geschrieben. Das verkauft er an einen der „Direktoren“ einer Schauspielertruppe; der bietet das Stück den Aedilen an, den Beamten also, welche für die Ausrichtung der Feste und deren Bühnenaufführungen zuständig waren. Diese Beamten treffen ihre Auswahl, und das gewählte Stück erscheint auf der Bühne. Wenn es gut gefallen hat, wird man sich seiner erinnern, es vielleicht erneut aufführen. Jedenfalls dann, als die Komödienproduktion zu versiegen begann, war man begierig, Plautus erneut auf die Bühne zu bringen. Da es so etwas wie den Schutz geistigen Eigentums damals nicht gab, waren die Aufführenden frei, den alten Text zu ändern, Motive zu verstärken, Altbackenes auszumerzen, Komisches hinzuzufügen.129 In dieser Zeit der Wiederaufführungen geschahen die stärksten Textänderungen. Ihnen ward dann Einhalt geboten, als ein Kenner im 1. Jh. v. Chr. eine erste Gesamtausgabe veranstaltete. Dann verblasste das Interesse an den alten Dichtern, Horaz bezeugt und beförderte das (vgl. Epist. 2, 1). Wohl aber interessierte die hadrianische Zeit sich für die Alten, und in dieser Periode erschien wohl auch die für lange Zeit maßgebende Edition (Leo [1912] 19f.), gelenkt und geleitet wohl durch die Nachwirkung des bedeutenden Gelehrten Valerius Probus im 1. Jh. n. Chr.130 Inzwischen hatten die einzelnen Stücke je nach Gebrauch ihre jeweils eigenen Schicksale, weshalb manche von ihnen recht gut, manche schier heillos verderbt überliefert sind (man lese einmal den „Truculentus“, den besonders P. J. Enk in bewundernswerter Arbeit wieder lesbar machte). Diese Ausgabe wird nach griechischem Vorbild kritische Zeichen verwendet haben, also Zeichen am Rande der Seite, die auf Fehler und Ähnliches hindeuteten. Diese Zeichen sind bald verloren gegangen, wurden auch zuweilen falsch aufgelöst, und so wird eine Menge von Versumstellungen zu erklären sein. Inzwischen drangen aus den gelehrten Kommentaren und Lexika Glossen ein, Erklärungen alter und schwer verständlicher Wörter; manche solcher Randglossen haben dann auch Echtes verdrängt. Ein Beispiel: Der „Persa“ erfreut sich, teilweise zu Recht, keiner Hochschätzung, enthält aber erstaunlicherweise einen recht menschlichen Bor-

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dellwirt und manches Mal hinreißende Komik.131 Der Inhalt ist kurz dieser: Ein Sklave Toxilus hat sich in eine Hetäre namens Lemniselenis verliebt, hat aber kein Geld, um sie freizukaufen. Der Mitsklave Sagaristio unterschlägt nun den Erlös eines Viehverkaufs. Um den Schaden wieder gutzumachen, wird der Parasit Saturio erpresst, seine Tochter in einem Scheinverkauf dem Kuppler anzubieten. Sagaristio, verkleidet als Perser, bietet an, der Kuppler kauft, fällt herein. Der Parasit will dann seine Tochter wieder zurückhaben, der Bordellwirt muss sich der Rechtslage beugen, zahlt zurück, und Toxilus lädt zu einem Triumphgelage. Eine alberne, restlos irreale Handlung, sie dient nur als Spalier für eine Fülle von Effekten. Zu Beginn des zweiten Aktes tritt die in Toxilus verliebte Lemniselenis in Begleitung ihrer Dienerin auf, die ihr verspricht, ihre Liebesunruhe zu stillen. In A steht da: ego istuc pelagus tibi ut sit faciam (178), in P dagegen: ego istuc placidum tibi ut sit faciam, eine „Glosse, die den ursprünglichen Text verdrängt hat“.132 Wenn man dies alles bedenkt, sieht man, wie berechtigt es war, von „unruhiger See“ und gleichsam einem Meer von Unsicherheiten zu sprechen. Die Unsicherheit wird dadurch vermehrt, dass wir nie sicher sein können über das Ausmaß an Zufügungen (Interpolationen) während der Wiederaufführungszeit. Da liest man zum Beispiel im „Stichus“ Seltsames. Die beiden Schwestern Panegyris und Pamphila sind seit Jahren ohne Nachricht von ihren auf einer Handelsreise abwesenden Männern. Ihr Vater will seine beiden Töchter daraufhin erneut und besser verheiraten, die aber wehren sich. Dann aber kommen die Männer, reich geworden, heim, und das Ganze endet mit einem furiosen Gelage. Die Handlung ist nichtig, gewiss; aber gleich der Anfang bietet ein metrisch buntes Schwestern-Duett (1–47), dem zehn recht prosaische iambische Senare folgen, und zwar allein in P. Sie stammen ersichtlich aus nachplautinischer Zeit (Petersmann [1973] 91, 98f.), sind also interpoliert, um das schwierige Lied zu ersetzen. Doch auf diesem Felde der Interpolationsforschung herrscht Streit. Otto Zwierlein hat sich nach Vorarbeiten, die gut hundert Jahre zuvor begannen, aufgemacht, den Plautus von solchen Bearbeitungsspuren zu reinigen, in vier gewichtigen Bänden legte er einen schlanken Text vor. Doch seine Argumente halten nur zu oft der Prüfung nicht stand (vgl. H. D. Jocelyn [1993] und [1996]). Keine Frage, dass er oft Interpolationen entdeckt und wiederentdeckt hat, zum Beispiel die Schlüsse des „Poenulus“ beweisen die Bearbeitung in nachplautinischer Zeit (Zwierlein [1990] 56 ff.), aber zu oft wankt die Beweisführung. Noch ist hier viel zu tun, vieles in ruhigeres Fahrwasser zu lenken. Der Leser aber sollte sich stets an das Schildchen erinnern und überall fragen: „Ist das wirklich Plautus, was ich lese?“ Die gelehrte Literatur wird ihm, vorsichtig geprüft, trotz aller Pro-

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blematik einige Klarheit schenken. Jetzt wenden wir uns den Hauptstücken plautinischer Technik zu, um den Leser für seine Lektüre vorzubereiten, nämlich der Sprache, der Metrik, dem Stil des Übertragens, den Liedern und der Kontamination.

Die Sprache Können wir auf dem Gebiet der Sprache sicherer gehen als auf dem der Textkritik? Beginnen wir beim Einzelwort. Bei der Untersuchung scheinbar oder wirklich interpolierter Stellen liest man oft und zu oft das Argument: „Das gibt es bei Plautus nicht, also ist dies sonst unplautinisch, will sagen: nachplautinisch.“ Aber man lese zum Beispiel M. J. Kümmel (Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 347 ff.): Man wird einige Wörter finden, die unzweifelhaft echt sind und doch nur an einer einzigen Stelle belegt. Deiuvare, „die Hilfe verweigern“, in Trin. 344 wäre ein solches Wort, das unzweifelhaft echt, aber nur hier belegt ist. Das Latein des Plautus ist voll von Wörtern und Formen, die zu seiner Zeit noch gängig waren, danach aber bald verschwanden (Blänsdorf [1978] 207 ff.); man denkt an examussim oder edentulus; man denkt auch an Formen wie mavelim oder duint, schon für Plautus altertümliche Wortformen, die meist am Versende auftauchen, weil sie da metrisch bequem sind. Plautus spielte gern und erfand Wörter, die es damals überhaupt nicht gab (vgl. Truc. 422): Die Hetäre verspricht ihrem Geliebten, immer bei ihm zu sein: usque ero assiduo, und er antwortet immo hercle vero accubuo mavelim (niemand sagte jemals accubuo; eine Übersetzung erübrigt sich). Dann kann man übergehen zu den Ausdrucksweisen, die in der Zeit nach dem Altlatein verschwinden oder normalisiert werden. Die Zeitenfolge (Consecutio Temporum), die bei Plautus noch längst nicht so geregelt ist wie später, wäre ein gutes Beispiel.133 Plautus konnte auch das Supinum (zum Beispiel [facile] factu) vielfältiger verwenden als die klassische Grammatik, zum Beispiel im Dativ: me habes perditui (Cist. 366; Lindsay [1907] 76 f.). Das alte Latein war sehr lebendig, viel entstand und vieles verging bald. Ita verborum vetus interit aetas, konstatiert Horaz (AP 60 ff.). Aber auch hier stellt sich immer wieder die Frage, was an sprachlichen Seltsamkeiten (verglichen mit der Klassik) Plautus überhaupt zuzutrauen sei. Kann man iniuriarum inducere für „mit einer Gerichtsklage überziehen“, „anklagen“ (Poe. 1337) dem Umbrer zutrauen? Leo im Apparat zur Stelle verneinte, HS 76 bejahten, Zwierlein (1990, 71) blieb unentschieden – überall Glatteis, das viel Vorsicht erfordert. Zur Sprache gehören aber noch zwei Dinge mehr: die Periodisierung und das, was man die Modulation nennen könnte. Was die Periodisierung

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angeht, so reiht er lieber Nebensätze, anstatt sie zu verschachteln, und er reiht sie oft so, dass die Subjekte wechseln (HS 734 f., besonders Blänsdof [1967] 11, vgl. Pers. 361 ff.). Terenz wird hier Eleganteres versuchen (HS 735). Was die Modulation betrifft, also zum Beispiel die Variation zwischen Zart und Grob, so reicht die Palette der alten Palliata vom Vergleich einer Schmachtenden mit einer welkenden Blume (Ps. 38) bis zu so Grobem wie Pseud. I 1–3 oder Most. I 1. Der Plautus-Leser muss also vorbereitet sein auf das Widerspiel von Unbeholfenheit im Bau längerer Sätze zum Beispiel und meisterhafter Witzigkeit, gepaart mit sprudelnder Phantasie; doch das rührt bereits an Stilfragen. Über Plautus’ Sprache Auskunft zu finden, ist schwierig genug,134 aber noch schwieriger ist es, seinen Stil zu beschreiben. Die Ausdrucksweise des Plautus, sein „Stil“, ist überaus flexibel; spricht er in den jambischen Senaren etwa so, wie ein gebildeter Mann in Rom damals in nicht allzu lockerer Gesellschaft zu sprechen pflegte, so schmückt er seine Langverse durch allerhand nachdrückliche und klangvolle Alliterationen, Wiederholungen, erschöpfende Doppelungen und pathetische Wendungen und überlädt seine Cantica zuweilen mit nicht enden wollenden poetischen Ergüssen.135 Dabei wusste er recht genau zu differenzieren, und zwar so ausgeprägt, dass W. Stockert sogar Personenverteilungen in den Handschriften aufgrund der spezifischen Ausdrucksarten von Freien und Sklaven korrigierte.136 Denn in der Tat lässt Plautus seine Freien sich viel zurückhaltender ausdrücken als seine gern bramarbasierenden Sklaven. Bei aller spielerischen Freiheit befolgt Plautus also sehr wohl unterscheidende, selbst auferlegte Regeln,137 wenn auch nie strikt. Zum Stil des Plautus gehört nun aber auch das Widerspiel von streng geregeltem Sprechvers und freier Verfügung über die Maße der Cantica. Man könnte meinen, einen Wechsel von strenger Gebundenheit in der Sprechvers-Metrik und der frei strömenden Lösung im Lied zu verspüren. Aber zum Stil des Plautus gehört noch anderes: Gewiss reißt Aristophanes Witze, doch bleiben sie so gut wie immer im Rahmen der Szenenhandlung, zum Beispiel die Scherze über das Missverstehen des Strepsiades in den Lehrgesprächen der „Wolken“. Auch seine tagespolitischen Anspielungen bleiben wenigstens zur Hälfte in der Szene, denn eine Anspielung in den „Vögeln“ (s. oben Anm. 28), ein nichtsnutziger Sohn solle lieber kämpfen als ein Vogel werden, bleibt dem Sinne nach („Werde nicht Vogel, sondern tue etwas Nützliches!“) im Rahmen der Szene. Diesen Rahmen sprengt Plautus nun aber nur zu gern. Schier unendliche Begrüßungsduette oder alberne Wortwiederholungen (Rud. 1212 ff. zum Beispiel) zerbrechen die Szenenhandlung. Der Stil wird dadurch buntscheckig, mitten in Ernstem fällt ein blöder Witz (vgl. wieder Rud. 341; s. Zagagi, Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 182), die Sprache prickelt auf

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Kosten der Einheitlichkeit. Eduard Fraenkel hat diesen Erscheinungen ein glänzendes Buch gewidmet (1922).

Die Metrik Was die Verstechnik anlangt, so scheinen wir endlich festeren Stand zu finden: Manches ist auf diesem Gebiet so geregelt, dass man von Gesetzen sprach. R. Bentley zum Beispiel hatte schon vor 300 Jahren (zu Hor. Sat. 2, 5, 79) festgestellt, dass im jambischen Senar in der vorletzten Hebung kein jambisches Wort enden dürfe, das heißt dass doppeljambischer Versschluss verpönt sei. Eine Wortfolge malúm lucrúm darf also nicht das Versende bilden. Doch Drexler (1967, 32) nennt eine ganze Reihe von Ausnahmen. Die sind noch überschaubar, aber die Regeln der Jambenkürzung sind es kaum noch,138 und ist Verschleifung über auslautendes -s, wie Leo sie annahm (1912, 248ff.), gesichert? Die meisten Plautiniker verneinen, Drexler (1967, 47 und 61) hält einige Fälle für glaubhaft. In das Gebiet zwischen Sprache, Vers und Sinn gehört die so oft behandelte Frage nach den Hiaten, das heißt nach den Einschnitten in den Versfluss durch Unterbleiben der Verschleifung zwischen -m oder Vokal an einem Wortende und einem Vokal am Anfang des nächsten Wortes (das -m in bonum amicum wird in der Regel zu bonamicum verschliffen, zuweilen, je nach Aussprache, auch wieder nicht, zum Beispiel in cum/ero nicht: Poe. 396). Im Deutschen sagen wir, wenn wir schnell sprechen „Da lach’ ich doch nur“; aber wenn wir „lache“ gegen ein „weine“ setzen wie in „Da lache ich und weine ich zugleich“, dann lassen wir die Gegensätze ohne Verschleifung von „lache“ und „ich“ kontrastbedingt unverschliffen gegeneinander stehen. Man unterscheidet solchen prosodischen, den „Aussprache-Hiat“, vom metrischen Hiat, dem Einschnitt in den Baufugen des Versinneren, und vom logischen Hiat in Sinneinschnitten. Ich habe 1971 versucht, in einem System die metrischen und logischen Hiate zusammenzufassen. Viele haben dies System akzeptiert, Woytek hat seinen „Persa“Kommentar danach eingerichtet. Deufert (2004, 347ff.) hat mir jüngst einige Belegstellen zu Recht widerlegt, arbeitet selber aber gern mit meinen Kategorien. Eine neuerliche breite Untersuchung würde wohl die Entscheidung bringen. Bemerkenswert scheint immerhin, dass sich auch Hiate in Texten von Plautus’ Zeitgenossen (Deufert, 364 ff.) mit der Hilfe dieses Systems erklären und damit dann auch sichern lassen. Ein rasches Beispiel: In Bacch. 495 bittet der besorgte Vater des Pistoclerus den Freund seines Sohnes, den Mnesilochus: serva tibi sodalem / et mihi filium, „rette dir deinen Freund (vor den Mädchen) und mir den Sohn“. Vor dem affektisch betonten „und mir den Sohn“ schneidet der Dichter durch den Hiat

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betonend ein. Aber viel wichtiger als Einzelnes ist dies: Derlei Hiate gab es im Griechischen Menanders nicht. Sind sie für Plautus gesichert? Friedrich Leo (1912, 2 ff.) hatte die meisten Hiate auf Fehler und Verderbnisse der Textüberlieferung zurückgeführt. Aber schon Cicero bezeugt, dass die alten Dichter gern den Hiat verwendeten (Or. 152), doch suchten Editoren bereits im 15. Jahrhundert, sie durch Textänderung dann wieder loszuwerden, ihre Änderungen sind jedoch in den allermeisten Fällen keine Verbesserung. Da weiterhin der Hiat unter immer wieder in der gleichen Weise auftretenden Bedingungen vorkommt und somit zumeist beabsichtigt scheint, kann ich Leos Theorie nicht folgen. Fragen wir aber einen Augenblick danach, was die Hiate denn überhaupt bedeuten? Um hier etwas mehr Klarheit zu gewinnen, nehmen wir eine andere Erscheinung gleich dazu. Nach der drittletzten Hebung des Senars und trochäischen Septenars und nach dessen zweiter Hebung darf eine Silbe, auch wenn sie kurz ist, dennoch den Akzent tragen, das heißt, es darf wie am Versende „Syllaba Anceps“ angenommen werden. Fingeré falláciám ist demnach an diesen Versstellen legitim. Dies hatte Hermann Jacobsohn (1907, 5 ff.) erkannt, und es gilt heute als „unanfechtbar“ (Drexler [1967] 49). Was bedeuten nun diese beiden Erscheinungen? Sie bedeuten, dass der altlateinische Vers sinnvolle Unterbrechungen des Wortflusses zuließ, eine Technik, die ganz ungriechisch ist. Plautus und seine Kollegen haben also die griechische Glätte nicht nachgeahmt, sondern blieben beim altlateinischen oder altitalischen Brauch, schrieben sie ja doch auch die Verse nicht nach Maßgabe der griechischen Dipodie, sondern nach Füßen.139 Die alten Dichter blieben also bei dem Ihren, auch auf Kosten der Glattheit.

Die Art plautinischen Übertragens Wir sprachen von Glätte in der Versgestaltung; wir können die Frage nach der Glätte auch in Bezug auf die Kompositionsweise des Plautus stellen. Wie frei verfügt er über seine Vorlagen? Ohne Skrupel flickt er spaßige Anspielungen ein, die ganz aus dem Römischem kommen und für die römischen Zuschauer gedacht sind, so zum Beispiel Anspielungen auf die Leute von Praeneste (heute Palestrina), über die der Stadtrömer gern lachte (Trin. 609, Truc. 691). Aber die Freiheiten, die er sich erlaubte, gingen noch viel weiter. Im Folgenden werden wir, wie im Falle des Aristophanes und Menander, etwas ausführlicher bei einem Beispiel verweilen, bei dem Stück „Bacchides“. Es wird etwas von den oben nur kurz angesprochenen Eigenarten des Plautus im Sprachlichen, Metrischen und auch im Dramaturgischen zeigen können, wird dabei sowohl seine Mängel als auch seine

Die Art plautinischen Übertragens

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Tugenden wenigstens umrisshaft erkennbar werden lassen, wird aber auch einiges Licht auf die Überlieferung werfen. Im Jahre 1968 konnte E. W. Handley einen Papyrus veröffentlichen, der zum ersten Male Verse aus einer Menander-Komödie enthielt, die Plautus bearbeitet hat. Es handelte sich um ca. 100 Verse aus dem „Dis Exapatón“ („Der Doppel-Betrüger“), aus dem Plautus seine „Bacchides“ („Die Schwestern Bacchis“) gemacht hatte.140 In diesem Stück geht es um Folgendes: Der Athener Mnesilochus,141 der Sohn des Nicobulus, war vom Vater auf eine Geschäftsreise nach Ephesus geschickt worden, um eine Schuld einzutreiben. Dabei hatte er sich unterwegs, auf Samos, in die Hetäre Bacchis verliebt, die jedoch leider mit einem Offizier einen einjährigen Liebesvertrag abgeschlossen hatte und mit ihm, recht ungern, nach Athen ziehen musste. Mnesilochus hatte darauf seinen Freund zuhause, Pistoclerus, den Sohn des Philoxenus, brieflich gebeten, sie bei ihrer Ankunft in Athen ausfindig zu machen. Pistoclerus war das auch gelungen: Sie ist eingetroffen und wird, so ergab sich, zu ihrer Schwester ziehen, die – ebenfalls Bacchis geheißen und ganz ähnlich aussehend – in dem Hause neben dem des Philoxenos und Pistoclerus gleichermaßen dem Hetärenberuf nachging. Zu Beginn des erhaltenen plautinischen Textes (der Anfang des Stückes ist verloren)142 sehen wir den noch sehr jungen, bisher unter der Fuchtel seines sittenstrengen Erziehers aufgewachsenen Pistoclerus vor seinem Hause im Gespräch mit der Nachbarin Bacchis und ihrer eben eingetroffenen Schwester. Der Junge ist zunächst sehr absprechend, hat Angst, kann seine Erziehung nicht vergessen; die Schwestern aber hoffen, in dem jungen Mann Hilfe zu finden: Er soll den Liebhaber der neu angekommenen Schwester spielen, um den Offizier auf Distanz zu halten. Zunächst lehnt der Junge züchtig ab (53, 73, 85), dann aber, als Bacchis aufgibt (89f.: „Nun gut, nichts dran [im Sinne von „vielleicht ist an meinem Plan nichts dran, vielleicht ist er nicht durchführbar“]; soll der Soldat sie halt abführen!“), da bezieht er das „nichts dran“ auf sich, sein Stolz ist gekränkt,143 aber noch kann er seine Art nicht verleugnen. Auf die erneute Frage (vgl. 54), wovor er denn Angst habe (92), ermannt er sich endlich: „Nichts, Kleinigkeiten!“ Er wirft mit diesem Wort seine gesamte Erziehung über den Haufen, und auch damit, dass er jetzt auf den Plan eingeht und sich sogar bereit erklärt, auf dem Markt ein Willkommensessen für die neu Angekommene zu kaufen.144 Die Bühne wird leer, dann beginnt der Gegenzug: Der Erzieher des Pistoclerus, Lydus, ist seinem jungen Herrn, der sich schick herausgeputzt hat, gefolgt und stellt ihn nun zur Rede. Der aber weist den Alten ab, und zwar in mehreren, sich steigernden Schritten145 bis hin zur völligen Demontage („Wer ist hier der Herr und wer der Sklave?“, 162). Als Helfer einer reizvollen Frau ernst genommen, am Ende bei der Ehre gepackt und zu einer

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eigenen Entscheidung gegen alles als Knabe Gelernte gebracht, wird aus dem Bengel ein Mann: „Komm’ mit und halt’ den Mund!“ (169). Auf die leer gewordene Bühne kommt nun die sehr bald alles in Gang setzende und haltende Person, der pfiffige Sklave Crusalus,146 der Diener des Mnesilochus, und zwar mit einer Parodie von Heimatbegrüßungen der großen Literatur.147 Zu ihm tritt Pistoclerus, der ja gebeten worden war, die Geliebte des Mnesilochus aufzufinden. Er kann den Erfolg melden (199 f.).148 Nun ist es an Crusalus, Geld aufzutreiben, um den Offizier fortzukaufen (229ff.). Großspurig tönt Crusalus, er werde jetzt aliquam machinabor machinam (232), werde zu „einem Kunstgriff greifen“, obschon sein Trick sehr simpel ist: Er wird dem Jungherrn raten, etwas von dem mitgebrachten Gelde abzuzweigen. Aber so exaltiert reden die eingebildeten Betrüger-Diener des Plautus. Da kommt Nicobulus, der Vater des Mnesilochus, der ja verreist gewesen war, eben heimgekehrt und somit dem Vater noch nicht begegnet ist, aus der Tür (die Bühne zeigte drei Haustüren) und fragt naturgemäß seinen Diener Crusalus, der mit dem Sohne gesegelt war, nach diesem. Es gehe ihm gut. Und das Geld? Beinahe hätten, so flunkert Crusalus, Räuber es erwischt (270ff.), aber nun liege es sicher beim reichen Theotimus in Ephesus. Der Vater ist hoch erfreut und geht ab, dem Sohn entgegen. Das war die erste List des Crusalus. Dem aber wird nun doch etwas bang: Ob er vielleicht aus einem Crusalus zu einem Crucisalus werde, zu einem, „der am Kreuz zappelt“ (362)?149 Jetzt steht das Barometer auf „Sturm“: Der eine Vater, Nicobulus, wird viel Geld verlieren, weil sein Sohn Mnesilochus seine geliebte Bacchis aus dem Vertrag kaufen muss; der andere Vater, Philoxenus, wird Verluste erleiden, weil sein Sohn Pistoclerus der Schwester Bacchis verfallen ist und für den Aufwand Mittel nötig hat. Nun beginnen die Verwicklungen: Lydus, der seinem jungen Herrn in das Nachbarhaus gefolgt war (169), stürzt aus dessen Tür, entsetzt ob der Szenerie da drinnen, die er, was die Fürchterlichkeit anbetrifft, mit dem Totenreich vergleicht: Dort hinein gehe nämlich keiner, der nicht alle Hoffnung auf Anstand aufgegeben habe (vgl. Dante, Inf. 3, 9); das seien keine „Bacchides“, sondern wahre bacchae,150 also nach der Auffassung des Normalrömers um 190 v. Chr. (Liv. 39, 8 ff.) kinderfressende Bestien, Blutsaugerinnen. Diese maßlose Übertreibung geht auf Plautus’ Konto, denn für ihn ist „sofort die Vorstellung des Bordells gegeben, sobald von einer meretrix die Rede ist“; dafür, was eine der „vornehmen und anspruchsvollen“ Hetären in Athen war, hatte er kein Verständnis beziehungsweise konnte es bei seinen Zuschauern nicht voraussetzen: Hetäre, das war der Anlass zu Grobschlächtigkeiten.151 Was ist aus dem bis hierher Gesagten zu ersehen? Dass der Plautus-Leser mit zwei Schichten zu rechnen hat, mit der Schicht des mehr oder weniger wörtlich übertragenen

Die Art plautinischen Übertragens

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griechischen Originals als Fundament, dann mit der Schicht plautinischer Zutaten.152 Zu den Zutaten des Plautus gehören nicht nur Gleichsetzungen wie die der Bacchis-Schwestern mit Blutsaugern (372), sondern auch die Klangspiele: In 372 findet sich die s-Alliteration sorbent sanguinem,153 in 373 der Gleichklang des Wortbeginns (opime – opipare) und 374 zeigt gleich zwei Alliterationen: „Als ich das Haus von drinnen sah, continuo contuli protinam in pedes.“ Das sind Reizmittel, die Menander nicht anwendet. Plautus sucht also über den Gedanken und seine klare Darstellung hinaus die Beeindruckung des Ohrs. Aus dem griechischen Spiel, welches das Leben abbildet, wird hier ein klangvolles Rezitationsvergnügen, das nicht mehr lebenswahr sein will. Also Lydus verdammt das Hetärenhaus und gesteht, vor der Entsetzlichkeit Reißaus genommen zu haben. Jetzt, nach dem Gedanken an seine eigene Rettung, denkt er an seine Pflicht und ruft zu Pistoclerus ins Hetärenhaus zurück: „Soll ich etwa alles verheimlichen? Deine Untaten vor dem Vater verbergen?“ Und diese „Untaten“ bezeichnet er gleich mit drei grässlichen Ausdrücken: flagitia aut damna aut desidiabula (376): Schande, Schaden und Lasterhöhle. Durch sie, so geht der Text weiter, „bringst154 du den Vater, mich, dich und alle deine Freunde zugleich in Verruf, Schaden, Schande und verdirbst sie. Weder um meinet- noch um deinetwillen hast du dich da drinnen deines Tuns geschämt, durch das du deinen Vater und mich zugleich, deine Freunde und Verwandten, indem du üble Nachrede auf dich ludest, zu Schand-Gepäckträgern gemacht hast.“ Diese Zeilen verlangen nach Erklärung, sie fällt zweifach aus. Zum einen fügt der Text einen albernen Scherz ein, indem er die Nächsten des Pistoclerus mit Töpfern gleichsetzt, die ihre Ware auf den Schultern hausierend herumtrugen (so könnte man gerulifiguli in 381 verstehen155). Mit diesem Witz zerbricht er die Illusion der Lebensnachahmung: Macht man Witze mit dem, was man sagt, schafft man Distanz. Zweitens sagen die Verse 377f. dasselbe wie 379/81, wiederholen zudem flagitia aus 376 und weisen ein bedenkliches Verb auf (affectas). Seit langem hat man die beiden Verse als Doppelfassung getilgt. Sie belegen, dass der Plautus-Text nicht nur durch eine Fülle von Zutaten des Plautus zum griechischen Original durchsetzt ist, sondern auch aufbauschende wie kürzende oder vereinfachende Doppelfassungen aus der Zeit nach Plautus aufweist. Nachdem Lydus von seinem Zögling so arg demontiert worden ist („Wer ist hier der Herr und wer der Sklave?“ in 162), steckt er sich jetzt hinter den Vater. Denn immer noch sieht er es als seine Aufgabe an, den Jungen rein zu erhalten. Wenn er das nicht aus eigener Kraft vermag, muss eben der Vater ein Machtwort sprechen. Wird der das jetzt tun? In 385 tritt Mnesilochus auf, dem Freunde zutiefst dankbar für das Auffinden der Geliebten. Er will sich, so sehr er kann, bemühen, ihm das Gute

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mit Gutem zu vergelten. In 405 kommt Lydus mit dem Vater des Pistoclerus, Philoxenus, herzu. Lydus will sehen, ob der Vater genug Energie (cor acre) besitzt, seinen Sohn dem Verderben zu entreißen. In vier Angriffsschritten156 sucht er den Alten in Bewegung zu bekommen, von denen erst der letzte verfängt, als nämlich Lydus, jetzt im Beisein des Mnesilochus, diesen über alles lobt, den Sohn aber scharf tadelt: Da wird Philoxenus böse (463): „Hör’ auf, ihn schlecht zu machen!“ Jetzt erfragt Mnesilochus die Ursache der hitzigen Auseinandersetzung und erfährt, dass Pistoclerus sich dort drinnen mit „Bacchis“ vergnügt. Er meint, beruhigen zu können: Die Wahrheit sei, dass Pistoclerus für ihn, für Mnesilochus, in seinem Auftrag157 handele. Aber Lydus hat gesehen, was dazu nicht passt: „Schöner Auftrag! Pistoclerus hielt sie auf dem Schoß und küsste sie!“ (477f.). Auf der Bühne sieht man nun die Dreiergruppe auseinander platzen: Zu der einen Seite hin springt Mnesilochus, erschüttert jammert er, der Freund habe ihn „vernichtet“ (489). Doch unmittelbar darauf klagt er die Frau an.158 „Ich bringe sie um! Ich will lieber selber sterben, als das nicht tun!“ Dann die Verzweiflung: „Weiß ein Mensch wirklich nicht, wer ihm treu ist, wem er vertrauen kann?“ Ein catullischer Klang. Auf die andere Seite treten Lydus und Philoxenus: Das Entsetzen des Mnesilochus versteht der Erzieher natürlich nicht als Folge der vermeintlichen Treulosigkeit, sondern als Zeichen der Erschütterung über des Pistoclerus Sittenlosigkeit: „Siehst du“, sagt er 492 f. zum Vater des Angeklagten, „wie Mnesilochus verzweifelt ist über die Verdorbenheit deines Sohns?“ Da reagiert Philoxenus nun endlich, wie gesagt, irritiert. So vorbereitet, gehen wir jetzt zum Text Menanders.

Vergleich Menander („Dis Exapaton“ 11–30) – Plautus („Bacchides“ 494–525) Wir wollen allein diese Textteile vergleichen und nicht alle die 100 aufgefundenen Menander-Verse, da das zu viel Raum beanspruchen würde und das Grundsätzliche auch aus den zu besprechenden Zeilen deutlich wird. Es scheint dabei am besten, die Teiltexte in Übersetzung vorzuführen, wobei auf die Plautus-Verse verzichtet wird, die bisher mit guten Gründen als später hinzugesetzt betrachtet worden sind.159 Menander (11) Vater: Ruf’ du ihn heraus, setz’ ihm den Kopf zurecht, von Mann zu Mann, und rette ihn und die ganze Familie, die ihn liebt.160 Lydus, wir wollen gehn!

Vergleich Menander–Plautus

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Lydus: Wenn du auch mich hier ließest … (15) Vater: Wir wollen gehn. Er ist genug. Lydus: Geh’ hart mit ihm ins Gericht, Sostratos! Pack ihn an, den Unbeherrschten! Uns allesamt, die wir ihn doch lieben, bringt er ja in Schande! (Geht ab). Sostratos: So, der wäre weg. – Sie hat ihn umgarnt (gemeint der Freund), sie hält ihn fest. Den Sostratos (gemeint er selbst ) hast du ja schon vorher so in deine Gewalt gebracht. (20) Das wird sie abstreiten, klar, schlau ist sie ja; von sämtlichen Göttern wird Man hören, (wenn sie ihre Eide schwört), weiß Gott. Übel soll’s ihr jetzt …! (stürmt auf ihr Haus los). Beherrsch’ dich, Sostratos! Aber vielleicht wird sie dich beschwatzen? Ihr Sklave (bin ich ja, so Lieb’ ich sie!) (25) Aber gut, sie soll mich beschwatzen, wenn ich abgebrannt bin, Nichts mehr habe: Das ganze Geld will ich dem Vater wiedergeben. Ihr Gebarme Wird dann schon aufhören, wenn sie merkt, dass sie (wie man so sagt) einer Leiche Vortrag hält. Aber jetzt muss ich ihn aufsuchen (den Vater nämlich). Plautus (494) Phil.: Mnesilochus, darum bitte ich dich, dass du sein Trachten und Sinnen lenkst, Rette dir den Kameraden und mir den Sohn! Mnes.: So soll’s geschehn! – Lyd.: Besser wär’s, wenn du auch mich, zusammen mit ihm, hier ließest. Phil.: Er ist genug. Lyd.: Mnesilochus, sieh zu, geh’, tadle den Menschen tüchtig, Der mit Schande dich, mich und alle anderen Freunde bedeckt! Phil.: Auf dich lege ich diese ganze Last! Lydus, folge mir. Lyd.: Jawohl. – (500) Mnes.: Wen ich jetzt für feindlicher halten soll, das ist ganz unklar, Den Kameraden oder die Bacchis. Hat sie ihn lieber haben wollen?161 Soll sie ihn haben, in Ordnung. Aber, das hat sie sich selber162 Zum Schaden getan! Denn niemand soll mehr etwas glauben, Das ich bei den Göttern schwöre, (505) wenn ich sie nicht mit allen Mitteln ganz und gar – liebe! (512) Aber wenn sie jemals von meinem Geld auch nur um den Flaum Einer Feder reicher werden sollte, will ich ärmer sein als ein Bettler! Nie im Leben wird sie mich verlachen, (515) denn ich hab’ beschlossen, Jetzt gleich das ganze Geld dem Vater zurückzuzahlen.

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So wird sie mir als einem Abgebrannten und Mittellosen schmeicheln, Wobei das Schmeicheln nicht mehr Wirkung haben wird, als wenn Einer an einem Grab dem Toten Vorträge hält! Worin unterscheidet sich nun Plautus von Menander? Der Grieche schreibt ein schlankes, einfaches Griechisch, Plautus führt Fülligkeit ein, zum Beispiel eine nachdrückliche Doppelung (animum atque ingenium, 494); Menander spricht von der Rettung des Sohnes als von der Rettung „des Sohnes und des ganzen Hauses, das ihn liebt“, Plautus dagegen bezieht Mnesilochus mit ein in Form einer rhetorischen Antithese von Du und Ich: „Rette dir den Kameraden, mir den Sohn.“ Das mag dramatisch eindringlicher sein. Auch Menander hängt eine eigentlich recht unnötige, kurze Aufforderung des besorgten Pädagogen an die des Hausherrn; die Aufforderung des Lydus bei Plautus ist mit ihren drei Imperativen aber erneut fülliger, und wo Menander nur „uns allesamt“ sagt, nennt Plautus gleich drei Betroffene: „Dich, mich und alle anderen Freunde“ (498). Menander sagt (v. 18) ganz lebensecht: „Jetzt ist er endlich weg“, denn das Gerede des Erziehers war ihm zu viel, er wollte endlich seiner Enttäuschung Luft machen. Plautus dagegen lässt seinen Mnesilochus rhetorisch mit einer förmlichen Rede-Einleitung beginnen (501f.). Ein kleiner Unterschied liegt auch darin, dass Mnesilochus, anders als der Sostratos Menanders, auch den Freund in seinen Tadel einbezieht, doch nur kurz und um einer erneuten Antithese willen. Im Folgenden konzentriert er die Schuldzuweisung auf die Frau wie Menanders Sostratos. Plautus lässt von Menanders köstlich lebendiger Szene, in der Sostratos das Verschwinden des lästigen Mahners begrüßt und in der seine Phantasie sich ausmalt, wie das Mädchen schwören werde, nichts stehen; Mnesilochus will nur Rache, und die kündigt er mit wuchtig-fülligen Worten an – um dann ins Witzeln zu verfallen, denn in 505, vielleicht schon 503, schreibt er eine überraschende Schlusspointe, die einen Lacher provozieren soll.163 Eng an Menander hält sich nur das Wörtchen „leer“ (inani, 517, was dem griechischen Attribut in 25 wörtlich entspricht), aber Plautus setzt auch hier wieder ein zweites Adjektiv dazu: inani atque inopi. Am Ende schwenkt er auf Menanders Linie ein und verwendet dasselbe Bild vom Reden zu einem Toten. Kehren wir zum Anfang zurück: Wenn Plautus den Monolog des Mnesilochus mit einer förmlichen Einleitung beginnen lässt, dann macht er aus einem lebendigen Selbstgespräch, dessen Lebendigkeit auch noch durch impulsives Losrennen auf die Haustür der Nachbarin (23) und sofortige Selbstbeherrschung verstärkt wird, einen Rezitations-, wenn nicht Deklamationsmonolog.164 Zudem wirbelt er die Gedankenfolge Menanders bunt durcheinander, nicht zuletzt seines Witzes wegen, der das feine psychologische Geflecht zerreißt.

Die „Bacchides“ insgesamt

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Die „Bacchides“ insgesamt Um uns ein Bild zu machen von dem, was Menander in seinem „Dis Exapaton“ wohl gewollt hatte und was Plautus schrieb, ist es angebracht, uns der wenigen Verse Menanders, die wir oben besprochen haben, zu erinnern: Der Vater des Jungen, der sich in Bacchis, die Nachbarin, verguckt hat, bittet dessen eben von der Reise zurückgekehrten Freund, ihm den Sohn zu „retten“. Daran hängt der untergeordnete Erzieher seinerseits eine Mahnung, „kartet nach“, nimmt sich als der (ehemalige) Sittenlehrer dabei also überaus wichtig. Diese kleine Charaktereigenart des Pädagogen zeigt, was Menander an spezifisch Menschlichem in seinen Figuren vorführen wollte. Wollte Plautus das Gleiche? Auch sein Lydus führt sich auf wie der Menanders. Das bewahrt Plautus also trotz aller Rhetorisierung und Verstärkung so wie er die innere Wandlung zum Manne in Pistoclerus fein zu gestalten wusste. Aber wie steht es mit den anderen Figuren? Plautus gibt im weiteren Verlauf des Stückes einen fintenreichen Sklaven von unmenandrischer, weil unrealer Einfalls- und Machtfülle.165 Die Väter des Plautus sind nur wenig verschieden: Nicobulus sorgt sich um den Sohn Mnesilochus und wird so zur Geldquelle für Crusalus. Er zahlt und verliert viel. Und Nicobulus ist es auch, der sich länger als Philoxenus (1157) gegen die Verführungskünste der Frauen wehrt. Sein Nachgeben in 1194 kommt nicht gänzlich unerwartet, denn als Crusalus ihm die Hetäre zeigte, war er beeindruckt: Auf die Frage: „Kommt sie dir nicht toll vor?“ antwortete er: „Ja, in der Tat“ (838). Der andere Vater dagegen, Philoxenos, gibt sich als jovial und verständnisvoll, dennoch äußert auch er Bedenken gegen die jüngste Entwickelung des Sohnes (1076), lässt sich dann aber wider besseres Empfinden (nihili sum: 1157) selber bezirzen. Plautus hat hier nicht mehr viel Wert auf Psychologie und genauere Charakterzeichnung gelegt. Hat er sich mehr den Jünglingen zugewandt? Wie Pistoclerus sich vom Erzieher befreit, das hat er eindrucksvoll gezeigt, wobei er wohl den Schritten Menanders recht genau folgte. Aus dem entsetzten Monolog des Mnesilochus machte er Rhetorik, aber die Grundsubstanz wird er nicht verändert haben. Beide Jungen sind impulsiv, wie Zwanzigjährige nun einmal sind: Ohne viel nachzudenken, verlieben sie sich, und als das Geld fehlt, werde „ein Gott schon helfen“ (638 a).166 Dazu sind sie jugendlich rücksichtslos: An die Väter denkt keiner von ihnen. Seltsam aber ist, dass Plautus weder die Szene zeigt, in der Mnesilochus dem Vater das mitgebrachte Geld zurückerstattet, noch es auch eine Szene gibt, in der die Söhne (oder doch wenigstens einer von ihnen) zwischen Betrug und furiosem Finale (Einzug der Alten ins Hetärenhaus, wo sich ja auch die Söhne vergnügen) auf die Väter treffen: An dem inneren Geschehen zwischen

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Vätern und Söhnen war Plautus167 hier nicht interessiert. Verstanden hat er derlei aber sehr wohl, denn er weiß auf engstem Raum feine psychische Kleinigkeiten zu gestalten: Als Nicobulus, gespannt Nachrichten vom Sohn erwartend, auf Crusalus trifft, ihn aber nicht begrüßt, sondern mit der Frage: „Um Gottes willen: Wo ist mein Sohn?“ überfällt, Crusalus aber, frech wie er nun einmal ist, einwendet: „Kein’ ‚Guten Tag‘ gibt’s?“, da wirft Nicobulus nur ein kurzes „Tag!“ hin. Derlei Übergehen und Übersehen eines Unwichtigen wusste Plautus also durch ein kurz hingeworfenes Wort sehr gut auszudrücken.168 Und noch etwas ist anscheinend zu beherzigen: Dort, wo es um Sachliches, um energisches Handeln oder auch um das Berichten von Ereignissen geht, lässt Plautus die Szenen rasch und in Senaren voraneilen; dort aber, wo es sich um Psychisches handelt, um ein Überreden (auch der Brief in 734 ff. ist ein Überreden) oder um ein Einwirken auf den anderen (vgl. den lange zurückgehaltenen Vorwurf in III 6), da lässt er sich Zeit und malt die Situation in Langversen breit aus (im Finale mischt er Langvers mit Canticum). Mit anderen Worten: Die meisterliche Ponderierung der Versmaße ist auf die Haben-Seite des Römers zu schreiben. Und noch ein Letztes: Vielleicht wird mir der Leser beistimmen, wenn ich meine, dass die Überredungsszene I 1 und die belauschte Vater-Erzieher-Szene III 1–3 einen vorwiegend ernsten, in den Abfertigungen des treuen Mannes geradezu erschütternden Ton aufweisen. Die Szene zwischen dem „trickster“-Diener und dem Vater II 3 dagegen ist vorwiegend heiter. Auch was nach der ernsteren Szene III 3 folgt, sollte komisch wirken, und der Ernst der Auseinandersetzung zwischen den beiden Freunden in III 5 und 6 wird, da sie vorwiegend ernst gemeint ist, aufgewogen in III 6 durch ein pathetisches Verheimlichungs- beziehungsweise ein Katz-und-Maus-Spiel: Der Plautus-Leser wird überall diesen Wechsel von Ernst und Heiterkeit finden, den auch Menander liebte (s. S. 57, 6).

Plautus, der Verwandler Plautus ändert Namen, und zwar macht er aus einfachen griechischen Alltagsnamen hochtönende, im Falle des trickreichen Dieners Crusalus („Chrysalos“) einen sprechenden: „Goldjunge“. Plautus verwandelt seine Vorlage nicht nur dadurch, dass er Verspartien umstellt, etwa um einen einleitenden Kopfsatz zu einem Monolog zu erhalten, sondern auch so, dass er Motive der Vorlage unbekümmert umbiegt und verändert169: Dazu schneidet er ganze Szenen aus seinen Vorlagen heraus, so die Szene des „Dis Exapaton“, in welcher der Sohn dem zunächst geprellten Vater das Geld zurückerstattet; daraus entstand dann eine Szenenführung, in wel-

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cher die Rückgabe in einer unwahrscheinlich kurzen Zeit im hinterszenischen Raume stattfand. Und Plautus dichtet Gesangspartien, wo in der Vorlage keine waren. Gewiss, die Cantica, die wir heute lesen, enthalten einiges Nachplautinische, waren also kürzer als das, was wir in unseren Ausgaben lesen; aber diese Lieder, ferner der Pomp, die Witze, das alles führt zu dem Schluss, dass Plautus aus dem möglichst wahren Lebensbild Menanders ein unterhaltsames Gemisch aus Alltagssprechen, Rezitieren in Langversen, ja aus Singen von „Arien“ machte. Und das alles zum Ergötzen der Römer damaligen Schlages, damit sie etwas über die „Griechlein“ mit ihrer verrückten Lebensart und ihren phantastischen Namen zu lachen hätten. „Diese Komposition, beruhend auf dem Wechsel gesungener und rezitierter Szenen, trennt die plautinischen Komödien in ihrer Gesamterscheinung am auffälligsten von ihren attischen Vorbildern“, urteilte Fraenkel (1922, 323), und diese Szenen zeigen dann häufig so „pomphafte Szeneneingänge“ (Fraenkel, ebd.), wie wir sie in den „Bacchides“ fanden. Solche Szenenanfänge bewirken deutliche Einschnitte und Neueinsätze, also eine gewisse Isolation der Einzelszene, und dies ermöglichte oder erleichterte es dann dem Dichter auch, derlei Szeneneinheiten auszutauschen (darüber bald unter „Kontamination“). Doch bei aller Verwunderung über die Freiheiten, die Plautus sich nahm, müssen wir ihm dankbar sein dafür, dass sein wacher Kunstverstand trotz aller Zugeständnisse an den Geschmack der zu unterhaltenden Zuschauer fein gesponnene Stellen in seiner Vorlage als solche und als wertvoll erkannt und bewahrt hat. Man denkt da vor allem an die anrührenden Szenen, in denen der treue, aber etwas altbackene Erzieher als unnütz abgefertigt wird, Szenen, die dem Alten Verständnis und auch Mitleid zollen (aber man vergesse nie: In Rom war ein Sklave eine res, eine bloße Sache). Man erinnere sich auch der gelungenen Überredungsszene I 1 und solcher Kleinigkeiten, wie die frühe Motivation für das Umdenken des Philoxenus es war. Dankbar sollten wir auch dafür sein, dass Plautus sehr wohl die köstliche Ironie, welche den intriganten Sklaven umspielt, begriffen und bewahrt, ja durch das laute Lied noch verstärkt hat. Auch wenn das Atriden-Lied durch neuere Untersuchungen arg geschrumpft ist, so bleibt die selbstsichere Pracht des „O Troia, o patria, o Pergamum“ (933), unmittelbar nach der Betonung von Nicobulus’ Skepsis (921 f.) dem Siegesgewissen gegenüber, ebenso erheiternd wie das Triumphlied des Deus (638a), der da über sein Gelingen peroriert, das längst überholt ist (in dem Augenblick, in dem 640 erklingt, ist das Geld ja schon zurückerstattet: 530). Verlassen wir nun dieses lange Kapitel und fahren wir im Vorführen der Hauptstücke plautinischer Technik fort.

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Die Cantica des Plautus Immer dann, wenn Plautus meinte, dass eine Szene durch ihre Bedeutung für das Ganze oder durch ihre Emotion hervorgehoben werden könnte, setzte er die griechischen Jamben oder Trochäen in Liedverse um, zu Anapästen, Baccheen, Kretikern oder noch anderen und selteneren Versmaßen.170 So lässt er den Mnesilochus seine Selbstanklage in 612 ff. und den schlauen Sklaven Crusalus seine Siegeslieder 640 ff. und 925 ff. (bzw. nach Zwierlein 933 ff.) in solchen „lyrischen“ Versen vortragen, welche in der Spätantike dann „Cantica“ genannt wurden.171 Problematisch ist hierbei zunächst die Analyse: Welches Versmaß jeweils vorliegt, ist noch immer nicht an jeder Stelle klar und unumstritten,172 doch ist inzwischen ein optimistisch stimmendes Maß an Konsens gewonnen. Menander und seine Zeitgenossen schrieben Lieder in solchen „lyrischen“ Maßen nur ganz selten,173 Plautus dagegen setzte unvergleichlich mehr Szenen in Sang und Flötenmusik, Szenen, die man als „Cantica“ bezeichnet. Was die Herkunft dieser Liedszenen betrifft, so wird man heute über Fraenkel (1922, 335 ff.) nicht hinausgelangen.174 Er wies auf die Fragmente des Livius Andronicus hin, des Dichters der ersten lateinischen Tragödie, welche lyrische Versmaße enthalten; und auch Naevius, insbesondere aber Ennius (Fraenkel 339) schrieben Cantica. Man verlangte von den Komödien, so vermutete Fraenkel, ein Gleiches wie in den Tragödien, die Komödie sollte an Unterhaltungswert nicht hinter der Tragödie, die stets viele solcher Liedpartien aufwies, zurückbleiben (Fraenkel 341). Woher aber die schwere, zuweilen gar schwerfällige und pomphafte Stilisierung solcher Liedpartien stammt, das werden wir heute nicht mehr erschließen können; Fraenkel (359) vermutete die Wurzeln im Sakralen. So viel zum Ursprung der Cantica; was nun ihren Bau anbelangt, so muss man zunächst zwei Arten unterscheiden: Die einen bestehen aus einer bunten Folge rasch wechselnder Versgattungen, und ihre Ordnungsprinzipien sind noch nicht entdeckt, vielleicht nach dem Verstummen der Musik nicht mehr auffindbar. Die anderen weisen längere Reihen gleichartiger Verse auf, und hier ist gefunden,175 dass Plautus die Enden solcher Reihen durch Variationen (Katalexe, Synkope, Klausel,176 usw.) erkennbar macht, und derlei Abschluss-Verse auch noch zwei oder drei Verse vorher durch eine ähnliche Variation ankündigt. Bunter Wechsel herrscht zum Beispiel in Amph. 153 ff. und Sti. 1–47; Reihen gleichmäßiger Verse findet man zum Beispiel in Rud. 1, 3f. Aber fragen wir uns doch einmal, was es bedeutet, wenn die Komödienverfasser in ihre griechischen Originale, welche Cantica nicht kannten, solche Lieder hineintrugen? Mit vielem anderen zusammen deutet dieser

Die Kontamination

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Vorgang darauf, dass die römischen Dichter mehr Aktion auf die Bühne bringen wollten, als sie in ihren Originalen vorfanden. Die Cantica als Zeugnisse der Extraversion – gibt es noch mehr solcher Zeugnisse oder handelt es sich um ein einmaliges Aperçu? Prüfen wir das letzte hier zu behandelnde Hauptproblem, die so genannte Kontamination.

Die Kontamination Als Karl Moritz Rapp das elfte Bändchen seiner „Plautinischen Lustspiele, im Trimeter übersetzt“, welches „Die Familie aus Karthago“ enthielt, 1852 zu Stuttgart herausgab, schrieb er im Vorwort, es gehe der Komödie „das erste Erfordernis, um ein gutes Stück zu sein, nämlich die Einheit der Handlung, völlig ab. Plautus hat hier Scenen aus zwei oder mehreren Stücken, die ihm gerade effectvoll erschienen, zusammengestellt.“ Hatte er eine Autorität, auf die er sich bei solcher Annahme berufen konnte? Sicherlich, Terenz: Der hatte im Prolog zur „Andria“ zugegeben (v. 16), in sein Stück, welches Menanders „Andria“ zur Hauptvorlage hatte, das, was hineinpasste, aus Menanders „Perinthia“ eingefügt zu haben trotz des Verdikts der Literaturkritiker, contaminari non decere fabulas. Terenz entschuldigt sich dann in v. 18 damit, dass Naevius, Plautus und Ennius ein Gleiches getan hätten, nur wo? Und was bedeutet das Wort? Contaminari, das bedeutet ein Beschmutzen,177 im literaturkritischen Sinne das Ineinanderarbeiten mehrerer Vorlagen, was für antike Puristen ein Verfälschen griechischer Dramen war. Seit Karl Moritz Rapp suchen nun die Gelehrten nach Spuren solcher Arbeitsweise. Eine erste gewichtige Zusammenfassung des bis dahin Geleisteten bot Friedrich Leo (1912, 87 ff.), dann Eduard Fraenkel (1922, 251ff.), der besonders deutliche Hinweise aufs Kontaminieren im „Miles Gloriosus“ und im „Poenulus“ zu sehen glaubte.178 Da diese Forschung nun vielfach im Sande verlaufen war, begann man die zweifellos vorhandenen Anstöße oder Ungewöhnlichkeiten der Komposition in plautinischen Stücken anders zu erklären, hat zum Beispiel die seltsamen Stillstände, Kehren und Abbrüche in des Römers Dramen mit der Hilfe dramaturgischer Überlegungen zu erklären versucht,179 und heute konnten so namhafte Kenner wie Konrad Gaiser und Michael von Albrecht urteilen, dass eine Kontamination in dem Sinne, dass irgendwo zwei verschiedene Vorlagen ineinander geschoben seien, im Plautus nicht sicher nachzuweisen sei.180 Dieses Buch, das ein orientierendes Begleitbuch sein will, hat nicht die Aufgabe, Probleme einer Lösung zuzuführen, sondern sie darzustellen. Dieser Aufgabenstellung entsprechend soll hier die Kontaminationshypothese nur in den beiden Stücken „Miles Gloriosus“ und „Poenulus“ vorge-

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stellt werden. Das scheint für denjenigen unumgänglich, der sich ein Urteil über den Rang dieses Schriftstellers bilden möchte. Denn wenn Plautus Stücke zusammenflickte und dabei auch noch Widersprüche stehen ließ, arbeitete er, um das Mindeste zu sagen, sorglos. Das aber muss doch wohl geprüft werden.

Der „Miles Gloriosus“ Zu Athen lebt ein junger Mann, Pleusicles, der sich in die schöne Hetäre namens Philocomasium verliebt. Nun muss er von Staats wegen nach Naupaktos reisen, in Athen aber findet ein aufschneiderischer, liebessüchtiger und dämlicher Offizier (dies die Rache der spitzzüngigen Athener an der Besatzungsmacht; zu ihr RE Suppl. 10, 82, 4 und 66) Gefallen an der schönen Frau und ködert die Mutter, die er überredet, mit ihm und der (dazu ganz unwilligen) Tochter nach Ephesus zu gehen. Das gelingt. Als der treue Diener des Pleusicles, Palaestrio, davon erfährt, geht er auf ein Schiff, das nach Naupaktos segelt, um dem jungen Herrn Bescheid zu geben, wird aber von Seeräubern gefangen und auf dem Sklavenmarkt verkauft, und zwar, Tyche will es so, genau an den Offizier. Palaestrio und Philocomasium treffen so im Hause des Soldaten zusammen, erkennen einander natürlich, und Palaestrio schreibt dem Pleusicles einen Brief mit der entsprechenden Nachricht. Der kommt sogleich nach Ephesus. Nun geht es Herrn und Diener darum, Philocomasium vom Offizier zu befreien. Da wird zunächst der Soldat vorgestellt, wie er sich mit Palaestrios Hilfe in maßlos übertreibenden Erinnerungen an seine großen Schlachtensiege ergeht (I 1), dann begibt sich der Offizier auf den Markt, um Söldner für seinen König anzuwerben. Als Palaestrio dergestalt allein auf der Bühne bleibt, berichtet er, zuweilen in die Rolle eines Prologsprechers schlüpfend, die Vorgeschichte und kommt dann mit dem Nachbarn, einem jovialen älteren Herrn, mit Periplectomenus, ins Gespräch. Bei ihm wohnt der mittlerweile herbeigereiste Pleusicles. Palaestrio hatte im Hause des Offiziers, in einem Zimmer, das allein der Frau vorbehalten war, die Wand zum Nachbarhause durchstoßen, um so dem Liebespaar Zugang zueinander zu verschaffen. Da aber beginnen die Verwicklungen: Der dümmliche Sklave Sceledrus, dem der Offizier das Bewachen der Konkubine aufgetragen hatte, war aufs Dach geklettert, um einen entsprungenen Hausaffen wieder einzufangen, und dabei hatte er Philocomasium und Pleusicles zusammen beim Nachbarn Periplectomenus erblickt, wie sie sich küssten. Wie jetzt dem Mann beibringen, dass all das, was er gesehen, alles gar nicht wahr ist? Gehen wir in großen Schritten voran. Da wird zunächst Sceledrus dadurch getäuscht, dass die junge Frau, die er doch bewachen soll, mittels

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des Loches in der Wand einmal aus diesem, einmal aus jenem Hause hervorkommt, vielleicht zu zwei verschiedenen Personen verkleidet. So wird der Mann von Palaestrio zu dem Glauben gebracht, dass es sich um zwei Frauen handelte, um seine Herrin Philocomasium und um deren Schwester, die eben von auswärts angereist und im Hause des alten Nachbarn untergekommen sei. Daran, wie der Abgang des Sceledrus (575 ff.: er geht, ohne ganz überzeugt zu sein, und hält dabei ein Selbstgespräch) formuliert ist, hat man gemäkelt (vgl. Fraenkel [1922] 253). Es sei undenkbar, dass Sceledrus nach der Abschiedsformel numquid nunc aliud me vis? zusätzlich einen Abgangsmonolog halte, an den sich dann noch ein weiteres Selbstgespräch des Periplectomenus anschließt (586 ff.). Nach solcher Formel pflege bei Plautus nämlich kein Wort mehr des Abtretenden zu fallen und schon gar nicht ein Monolog einer weiteren Person.181 In der Tat hatte Otto Zwierlein (1991, 60 f. und 73 ff.) es nicht allzu schwer nachzuweisen, dass eine derartige Monologhäufung weder in den Resten der Nea noch bei Plautus belegt ist, die Verse 576–585 und 586–595 aus diesem und anderen Gründen unplautinisch sein müssten. Auch die sehr bedenklichen Verse 612–615 eliminierte Zwierlein nach Vorgang anderer und damit den Anstoß, dass in 612 ff. ein Plan besprochen wird, den man bereits „drinnen“ ausgeheckt hatte und der dann in 766 noch einmal dargelegt werden wird, und dies nach einem langen, die Kontinuität zerreißenden Intermezzo (616–765; s. Zwierlein [1991] 75 f.; 81ff.; 96ff.). Der höfliche Gast Pleusicles bittet nämlich den alten Periplectomenus um Entschuldigung dafür, dass er ihm, dem so viel älteren Herrn, so viel Kosten und Mühe mache. Das löst einen freundlichen Protest aus: Er sei doch noch gar nicht so alt und abgängig, sei vielmehr forsch und ein guter Gesellschafter. Diese „Aristie des alten Ephesiers“ (Leo [1912] 181) scheint von Plautus eingeschoben (Fraenkel [1922] 255). Man war versucht, dieses Intermezzo für ebenso von Plautus hinein„kontaminiert“ anzusehen wie die Verse 738–765 mit ihrem Frühstücksmotiv: Da sagt Periplectomenus, er wolle auf dem Markt ein Frühstück einkaufen, obschon ein solches Frühstück dann gar nicht eingenommen wird: Das Motiv „hängt in der Luft“. Sprachliche Anstöße kommen hinzu, und so glaubte Zwierlein (96 ff.), den Passus als nachplautinisch entlarven zu können. Damit entfiele einer der schwersten Anstöße, nämlich der, dass da ein Essen eingekauft werden soll für eine Willkommensmahlzeit, die dann nicht stattfindet. H. D. Jocelyn (1996, 412) gibt zu bedenken, dass eine Willkommensmahlzeit durch das Eintreffen des Pleusicles „gestern“ sehr wohl denkbar sei (so schon Fraenkel [1922] 255), und denkt an eine Kürzung durch Plautus, der so ein in der Luft hängendes Motiv habe stehen lassen. Aus diesen und auch aus sprachlichen Gründen hat Zwierlein (1991, 96 ff.) die Verse

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über das Frühstück einem späteren Bearbeiter zugeschrieben; aber warum sollte der ein nirgends nötiges Motiv einflicken? Jocelyns Alternative ist nicht minder gut. Warum aber muss Palaestrio dem Alten und dem Pleusicles in 436 und 805 ff. einschärfen, Philocomasium nie mit diesem Namen, sondern als „Dicaea“ anzusprechen? Er wird sie ja doch später als die inzwischen uninteressant gewordene182 Philocomasium in Gnaden entlassen, das Dicaea-Motiv wird also nirgends verwendet: Noch ein Motiv, das „in der Luft hängt“. Zwierlein (1991, 90) hält die Dicaea-Verse, die sprachlich einwandfrei formuliert sind, für eine „Vorsichtsmaßnahme“, was ein verzweifelter Rettungsversuch scheint. Wir wollen nicht urteilen, wollen nur die Problematik des contaminare zeigen. Es gibt bei Plautus Widersprüche und „in der Luft hängende“ Motive, und da rechnen die einen damit, dass derlei dadurch entstand, dass Plautus zwei verschiedene Komödien ineinander geschoben oder doch Handlungsteile aus einer anderen Komödie in die Hauptvorlage eingeflochten hat; andere rechnen damit, dass er verkürzte und sorglos manches nunmehr Unpassende stehen ließ; noch andere denken an spätere Eindichtungen, welche den plautinischen, einst tadellosen Zusammenhang störten. Doch wer denkt sich Störendes aus und schiebt Unpassendes ein? Das alles mag zur Orientierung genügen. Dieses Kapitel über die Kontamination zeigt erneut, auf wie schlüpfrigem Boden wir uns beim Lesen des Plautus bewegen, anders: dass naives Drauflos-Lesen gleichsam blindes Lesen bedeutet. Nun wollen wir zum Schluss noch rasch den weiteren Gang dieses pläsierlichen Stückes verfolgen: Pyrgopolynices (so hat Plautus seinen Kriegshelden genannt, „Vielstädtebesieger“) kommt vom Markt zurück, Palaestrio macht ihm weis, alle Damen der Stadt träumten von ihm, die junge und schöne Gattin des Nachbarn Periplectomenus sende ihm gar einen Ring als Liebespfand. Was mit der bisherigen Liebschaft geschehen solle? Wegschicken natürlich, mit allem, was sie hat (973 ff.). Und da erscheint nun schon die Dienerin der „Gattin“, schon sie ist hinreißend. In erregten Anapästen wird der Soldat nun umgarnt, der Abzug der Philocomasium von Palaestrio vorbereitet (1161 ff.), dann trifft Pyrgopolynices auf Acroteleutium, die verkleidete „Gattin“ selbst, verabschiedet sich anständig von der Bisherigen (1351: „Reise mit allen Göttern!“) und geht, nachdem Pleusicles, als Schiffskapitän verkleidet, zum Absegeln mahnt, ins Haus des Periplectomenus, wo man ihn sogleich als Ehebrecher festnimmt und gar kastrieren will (was dann doch nicht geschieht): Man empfindet ein wenig Mitleid mit dem Düpierten. Ein pläsierliches Stück, gewiss, aber die uns hier interessierende Frage bleibt unbeantwortet oder unbeantwortbar: Was hat das Wandloch-Motiv mit dem Motiv eines geilen Bramarbas, der durch Vorspiegelung der Verliebtheit einer Nachbars-

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gattin zur Aufgabe seiner Konkubine gebracht werden soll, eigentlich zu tun? Geht die Häufung der Motive (das Dicaea-Motiv und das Willkommensessen) auf Plautus zurück oder auf eine hellenistische Vorlage, die bereits ein kräftiges Maß an Motivhäufung und damit an Extraversion aufwies?

Der „Poenulus“ Ein zugkräftiges Stück: Agorastocles liebt Adelphasium, die, mit ihrer Schwester Anterastilis einst aus Karthago von Seeräubern entführt, jetzt „hier“ in Kalydon, einer Stadt in Ätolien (in der Nähe des heutigen Missolonghi) an einen Kuppler verkauft wurde und nun unmittelbar davorsteht, den Beruf der Hetäre „morgen“ zu beginnen. Ihr Vater befindet sich seit Jahren auf der Suche nach den verlorenen Töchtern, sein Bruder dagegen, dem man gleichermaßen den Sohn geraubt hatte, stirbt vor Gram. Dieser Sohn ist Agorastocles, der neben dem Kupplerhause wohnt, nicht wissend, in wen er sich verliebt. Mit seinem schlauen Diener Milphio plant er nun, dem Kuppler einen Mann mit Geld ins Haus zu schicken, auf dass er den Mann als Kunden bewirte. Daraufhin solle Agorastocles den Kuppler aufsuchen und vor Zeugen fragen, ob er nicht einen bei sich habe, der ihm, dem Agorastocles, gehört. Das werde der Mann natürlich verneinen, womit er sich dann wegen Hehlerei strafbar gemacht haben werde. Damit flöge der ganze Haushalt auf, und Adelphasium werde frei für den Geliebten. Eine dubiose, in Wirklichkeit unmögliche Rechtslage, aber in der Komödie geht derlei gut voran, der Kuppler nimmt einen ihm unbekannten Sklaven des Agorastocles auf, knöpft ihm sein (von Agorastocles ihm vorher zugeschobenes) Geld ab, dann leugnet er vor Zeugen, jemanden aus dem Haushalt des jungen Mannes bei sich zu haben, und schon ist es um ihn geschehen: „Morgen“ („heute“ ist gerichtsfreier Festtag) werde die Klage eingereicht (800). Die Bühne wird frei für den großen Auftritt des seine Töchter suchenden Puniers, der zum Ergötzen der römischen Zuschauer Punisch sprechend in exotischem Gewand und mit exotischem Gefolge auftritt. Milphio gibt vor, Punisch zu können, aber seine Brocken erweisen sich als lächerlich, blamiert muss er schweigen (1028). Höflich spricht dann der junge Herr den Fremden an, und es kommt zur Wiedererkennung des Agorastocles mit dem „Onkel aus Karthago“. Dann werden auch noch Vater und Töchter von der alten Amme als solche erkannt,183 alle sind endlich vereint, und die lange Suche findet ihr glückliches Ende. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde des öfteren moniert, dass im Poenulus das Ziel, dem jungen Agorastocles seine Adelphasium zu verschaffen, unnützerweise gleich auf zwei Wegen erreicht werde, dadurch nämlich, dass Milphio gegen den Kuppler eine Vernichtungsintrige ins

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Werk setzt und dann später noch eine zweite Intrige plant, nämlich die, dass der Punier Hanno Adelphasium und ihre Schwester als seine Töchter endlich wiedererkennen soll.184 Wie ist dieser doppelte Weg zu beurteilen? Wenn nicht als Zeichen einer Uneinheitlichkeit durch Vermischung zweier Vorlagen, wie dann? Nun, heute glaubt man, erkannt zu haben, dass die beiden Wege einander ergänzen:185 Der erste Weg befreit die Frauen vom Kuppler, der zweite lässt sie als Freie dastehen, und erst dieses ermöglicht die Heirat. Zwei Schwierigkeiten aber bleiben: Erstens, wieso lässt Agorastocles den Vorwurf der Adelphasium (359 ff.), er tue nichts zu ihrer Befreiung vom Kuppler, auf sich sitzen, wo er doch eben gerade (ganz ungewöhnlich schon in Szene 1, 1) mit Milphio eine raffinierte Befreiungsintrige angezettelt hat? Wieso benehmen sich die Schwestern im ersten Teil des Stückes wie (anständige) Hetären, im zweiten Teil wie rechtschaffene Jungfern? Und wieso verspricht Agorastocles der Adelphasium hier am Spielort, also in Kalydon, er werde die Geliebte zur „attischen Bürgerin“ machen (372)?186 Nun, den zuletzt genannten Anstoß entkräftet Zwierlein (1990, 139 mit Anm. 264, bes. 168 f.) dadurch, dass er den Vers einfach mit Guyet hinauswirft – ein verzweifelter Versuch, so will es scheinen. Das erstgenannte Problem, dass da einer sich gegen die Anschuldigung, nichts zu tun, nicht verwahrt, wo er doch gerade eben das Entsprechende getan, den erwähnt Zwierlein, soweit ich sehe, gar nicht; also bleibt er bestehen, und mit allen Kautelen und Vorbehalten bleibe ich bei meinem früheren Urteil187: „Ich bin überzeugt, dass Plautus den gesamten 1. Akt des Originals … strich, dass er die originale Mädchenszene ersetzte, dass er es war, der die Intrige ‚zu früh‘ beginnen ließ“ (dies der Einwand Friedrich Leos) „und so die bezeichneten Unstimmigkeiten in sein Stück brachte.“188 Aber damit war die Diskussion noch nicht zu Ende. Jüngst erschien ein Buch „Studien zu Plautus’ Poenulus“ (Tübingen 2004), und darin erhebt E. Lefèvre schwerste Bedenken gegen die Struktur des Plautus-Stückes. Agorastocles habe in 166 sechshundert Taler, könnte also seine Adelphasium leicht freikaufen (so S. 14f. , Anm. 50): Die erste Intrige sei demnach überflüssig. Weiter (ich kürze ab): Wenn sich im zweiten Teil herausstellt, dass die Mädchen frei geboren sind, wieso hört man dann im ersten Teil nichts davon? Wüssten die Mädchen von ihrer freibürtigen Herkunft, würden sie sich im zweiten Akt gewiss nicht als Hetären aufführen (so S. 19). Die gesamte erste und auch zweite Intrige sei Zutat des Plautus (18 und 20). Man fragt sich dann aber, wozu sie „Zutat“ seien?189 Ein Text ohne die beiden „Zutaten“ ergibt doch nicht einmal eine rudimentäre Komödie? Dagegen wies in demselben Buche W. G. Arnott die Vorlage des „Poenulus“ dem Alexis (eine Generation vor Menander) zu und bezeich-

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nete das Stück als gut gebaut (70), wenn auch mit zwei Fehlern behaftet: Septuennis in 66 widerstreite dem sexennis in 902 (aber der erstgenannte Vers steht im Prolog, und der braucht nicht zur Gänze von Plautus zu stammen);190 und weiter sei das Versprechen des Agorastocles, seine Adelphasium zur „attischen Bürgerin“ zu machen (372), zwar absurd, denn das Stück spiele in Calydon; doch möglicherweise habe Plautus einen Ausdruck des Alexis wie „aus einer hellenischen Stadt“ missverstanden – möglicherweise. Arnott dringt bei weitem nicht so tief ein wie Lefèvre oder wie J. C. B. Lowe in demselben Band (253 ff.). Er ist von der Rückführung des „Poenulus“ auf den „Karchedonios“ des Alexis nicht voll überzeugt (253, Anm. 3) und setzt dementsprechend ganz anders an als Arnott. Man weiß, so ungefähr argumentiert er, dass Plautus gern dem Original zusätzliche Personen einfügte. So seien Milphio sowohl wie Agorastocles in die PutzSzene 210–409 von Plautus eingebaut worden, was allein aus der Einleitung dieser Szene, das heißt aus dem für griechische Verhältnisse unglaubwürdigen Hinein und raschen Heraus des Agorastocles in 197 ff. deutlich werde, dem für all das, was er im Hause zu erledigen hatte, kaum Zeit genug bleibe (so 254, Anm. 6), bevor die Mädchen kommen. Weiter schreibt er die gesamte zweite Intrige (1086ff.) dem Römer zu.191 Dieser habe auch vor dem so oft beanstandeten v. 817 eine Szene des Originals fortgelassen, um seine zweite Intrige beginnen zu können; daraus ergebe sich die Seltsamkeit, dass sein Milphio sagt, er wisse nicht, was aus seinen Plänen geworden sei. Auch 961–1173 seien plautinisch (261ff.). Wenn dies alles zuträfe, dann hätten wir einen überaus erfindungsreichen Plautus vor uns; erfindungsreich aber immerhin auf den vorgegebenen Bahnen der Nea. Blickt man nun zurück auf den vorstehenden Abschnitt, wird noch einmal die ganze Unsicherheit der Plautus-Lektüre deutlich: Woran soll man sich halten? An das mitleidlose Zerhacken bei befremdlichen Nahtstellen? An den Versuch, die Ungereimtheiten auf das Original zu schieben? Auf Zusätze und Streichungen, das heißt auf Änderungen, die einen überaus erfindungsfreudigen Plautus zeitigen? Woran? Wagen wir einmal, ganz anders zu lesen: Wir sollten uns klar darüber sein, dass immer noch die Analyse das Denken und Interpretieren (eigentlich müsste dieses Wort in Anführungs- und Uneigentlichkeitszeichen gesetzt werden) blind machend beherrscht. Wieso blind machend? Blind macht sie dafür, dass diejenige Form der Komödien (nach Abzug evidenter Interpolationen), die wir vor Augen haben, die ist, die Plautus gefiel. Darum sollten wir nicht allein nach den Stationen der äußeren Handlung und nach Möglichkeiten fahnden, ein griechisches Original zu rekonstruieren, sondern uns auch einlassen auf die kleinen Einblicke in seelisches Geschehen, wie wir sie versuchen werden.

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Halten wir fest: Eine Groß-Kontamination, das heißt ein Ineinanderschieben zweier Vorlagen, ließ sich weder für den „Miles“ noch für den „Poenulus“ sicher nachweisen, wohl aber das Anreichern der Grundvorlage durch Szenen und Motive aus fremden Stücken. Aber darum geht es gar nicht so sehr. Es geht vielmehr darum, dass die Kontamination, die Terenz nun wirklich eindeutig bezeugt, auf etwas deutet, was schon oft anklang: Wer in seine Vorlage Stücke aus anderen einfügte, tat dies, weil ihm in seiner Hauptvorlage zu wenig Aktion war. Also erneut ein Hinweis auf die Extraversion des Römers.

Meisterszenen des Plautus Bis hierher ging es um die Hauptstücke plautinischer Technik, um seine Sprache, seine Metrik, seinen Stil des Übertragens und um die so genannte Kontamination. Dabei hörten wir viel Kritik, Kritik an seiner Baufähigkeit, seinem Geschmack, seiner Folgerichtigkeit und Einheitlichkeit. Es wird Zeit, dass wir größere Szenen im Ganzen betrachten, Meisterszenen, die zeigen, was dieser Dichter und Übertrager wirklich vermochte.

„Amphitruo“ 633–653 Der Mensch – ein Spielball der Götter,192 dies ist das Thema dieser Tragikomödie193. Woher der römische Nachdichter sein Original nahm, das wissen wir nicht. Das Spiel ist ein Mythen-Drama, wie es sonst unter den Komödien der Antike nicht wieder zu finden ist und wie es am ehesten in die so genannte „Mittlere Komödie“ passt. Amphitruo, der große König und Feldherr der Thebaner, muss seine schöne Frau Alcumena verlassen, um gegen die Feinde, die sein Reich bedrohen, zu Felde zu ziehen. Der Vater der Götter und Menschen bemerkt das Fortsein des Königs und, immer galanten Abenteuern zugetan, reist mit einem Diener, seinem Sohn Merkur, hinab nach Theben. Dort erscheint er als der heimgekehrte König, findet daher leicht Eingang bei Alcmene, ja er verlängert die Liebesnacht, um die schöne Frau genießen zu können, während Mercurius des echten Königs Diener, der die Siegesnachricht überbringen soll und bei seinem Bühnenauftritt ein grandioses Lied über die Schlacht singt,194 dadurch vom Tore fern hält, dass er, als Sosia verkleidet, dem echten Sosias vorspiegelt, er, Merkur, sei in Wirklichkeit der Diener des Feldherrn. Sosias ist erschüttert, erstattet Meldung – und herbeistürzt der aufgebrachte König, der seinem Diener natürlich kein Wort glaubt. Als er zum Tore seines Palastes kommt, erblickt er dort seine Gattin, die (nach-

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dem Juppiter, von dem sie annehmen musste, er sei ihr Gatte, sie verlassen) vors Palasttor getreten war, um ihrem Kummer über das erneute Alleinsein Ausdruck zu geben, und zwar ist sie hochschwanger. Dieses Lied195 beginnt mit einer enttäuschten, rhetorischen Frage: „Ist es denn wirklich so, dass auf jede Freude sogleich ein Leid folgt?“ Es beginnt also mit der uralten Klage aus Platons „Phaidon“,196 dass Freude und Leid stets zusammengehen. Alcumena weiß, dass dies im Menschenleben halt so ist, nur variiert sie das alte Wort, indem sie aufgrund des selbst Erlebten klagt, dass auf die Freude ein Leid „sogleich“ folgt (ilico, 636). Dies allgemein Gesagte wendet sie nun auf sich selber an: Ihr ward auch nur kurze Freude gegeben, auf die plötzlich (repente) die Enttäuschung folgte. Hier entsprechen die Gedanken, wie man an den Zeitadverbien sieht, einander und verklammern die Liedteile. Mit 642 (sed) setzt die Gegenbewegung ein, die Überwindung des Kummers: Aber wenigstens dies gibt Trost, dass der Mann ruhmbedeckt heimkehrt, und dies sagt sie gleich zwei Male, es sich gleichsam einredend (sed hoc me beat saltem [642], und absit, dum, etc. [644]). So durch die Aussicht auf Sieg und Frieden197 getröstet, wird sie das Leid „tragen und weiter ertragen“ (645 erneut mit Doppelausdruck, wovon das Lied voll ist: 633, 636, 637, usw.). Die Kraft, siegreich die Bedrohung zu überwinden, die virtus des Siegers, das ist das Thema der Schlusspassage: Eine solche virtus ist der höchste Lohn im Leben, denn sie schützt Freiheit, Heil, Leben, Wohlstand, Eltern, Heimat und Nachkommenschaft. Wer sie sein Eigen nennen darf, der besitzt das höchste aller Güter, das alle anderen unter sich begreift; und wer sich ihr unterordnet, wie hier Alcumena, der ist ein rechtschaffener Mensch. Virtus, das muss stark betont werden, ist nun aber für den Römer nicht erwerbbar; die Zeile 648, die da sagt, virtus sei ein „Lohn“, ist eindeutig griechisch gedacht (Maurach [wie Anm. 195] 146). Offenbar hat Plautus zu einem Liede gestaltet, was im griechischen Original in einfachen Sprechversen stand. Was wir lesen, ist ein schönes Lied einer tapferen Frau, welche die staatserhaltende Leistung über das eigene Wohlsein ordnet. Umso grässlicher ihre nachfolgende Enttäuschung. Denn als sie endet, treten ihr Gatte und sein Diener zu ihr, Amphitruo muss notwendig bei ihrem Erstaunen über das erneute Erscheinen des Gatten, der eben noch bei ihr gewesen sei, auf eine Eheverfehlung schließen. Statt über das mysteriöse Verschwinden der goldenen Schale, des Trinkgefäßes des besiegten Königs, das er ihr zum Geschenk mitgebracht, aus dem Schutzkistchen in der Hand des Dieners nachzudenken, wirft er ihr Ehebruch vor und geht, einen Zeugen dafür zu holen, dass er die ganze Nacht auf dem Schiffe gewesen sei (849 ff.). Nun erscheint erneut der Verwirrer Juppiter, um die „Komödie“ zu einem guten Ende zu führen

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(868 ff.) und um zugleich noch einmal die schöne Frau zu genießen (892).198 Als Alcumena, die es in ihrer Qual im Hause nicht mehr ausgehalten hatte (882), vor ihren Palast getreten war, behauptet Juppiter (nun wieder als ihr Gatte posierend), er habe alles „nur im Scherz“ gesagt, um sie zu „prüfen“ (913–916). Die liebende Frau verzeiht solche Geschmacklosigkeit (937), Juppiter heißt daraufhin Sosias den Kapitän des Flaggschiffes zum Willkommensessen laden (951). Danach befiehlt er seinem Sohn-Diener Merkur, den zu erwartenden Amphitruo bei dessen Rückkehr (er wollte ja einen Zeugen holen) zu verscheuchen, er selber wolle drinnen ein Opfer darbringen, nämlich „sich selber“ (983). Amphitruo kommt denn auch, seinen Zeugen habe er nicht finden können, aber er muss sich von seinem eigenen Sklaven Sosia (Merkur beschimpft ihn als Sosia von den Zinnen des Palastes) von seinem eigenen Hause verjagen lassen. Und hier, mitten in der Szene, brechen unsere Handschriften ab, und seit mehr als hundert Jahren rätselt man über das Verlorene. Nur wenige Fragmente daraus finden sich bei antiken Grammatikern; sie führen auf die folgenden Ergänzungen: Merkur hat also den Feldherrn davongejagt, der ist in die Stadt gelaufen, um Bürger zu Hilfe zu holen (frg. XVI bei Leo ist an „thebanische Mitbürger“ gerichtet); Sosia kommt mit dem Kapitän199; es muss eine Viererszene200 gegeben haben mit beiden Paaren vor Blepharo und Alcumena, eine Szene, welche sowohl die Frau als auch den Gatten in tiefste Verzweiflung hat stürzen müssen. Alcumena geht ins Haus, ihre Wehen setzen ein (1039); und Amphitruo fällt vernichtet zu Boden (1046f.). Aktpause. Am Ende dann der Bericht der erschütterten Magd: Unter Donner und Blitz ertönte Juppiters gewaltige Stimme: „Alcumena, fürchte nichts“, und wirklich: Die Frau gebar ohne Schmerzen Zwillinge, den menschlichen Sohn des Feldherrn und den göttlichen Juppiters, nämlich Herakles (der auch sofort die bekannten zwei Schlangen erwürgte: ein weiteres Wunder dieses wundersamen Tages). Juppiter sprach dann zu den gequälten Menschen, erklärte alles, und Amphitruo erhebt sich getröstet (1121ff.).201 Man erkennt, wie das Komische das „Diener“-Paar umspielt, das Tragische Alcumena und Amphitruo umwittert. Im Grunde ein uraltes Motiv und eine alte thebanische Sage zur Legitimation des dortigen Königsgeschlechtes (Tränkle a. O. 218), stellt der „Amphitruo“ vermutlich eine um Komödienhaftes angereicherte Neufassung der euripideischen „Alkmene“ dar (Tränkle 218, Anm. 6). Sollte sie nichts als ein Verwechslungsspiel sein, ähnlich den „Menaechmi“? Oder ging es auch um den Gedanken an den Menschen als den „Spielball der Götter“? Über den unerklärlichen Eingriff höherer Mächte ins Menschenleben dachte man ja seit Homer nach bis hin zum endgültigen Sieg des Christentums. Aber was ist meisterlich an dieser Szene? Der hohe Ernst, bewirkt nicht zuletzt durch die Gewichtig-

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keit altlateinischer Stilmittel, zum Beispiel des Doppelausdrucks. Plautus hat sich also nicht gescheut, in prachtvollem Latein ein zwar auch heiteres Verwechslungsspiel zu schreiben und nachzuschreiben, im Grunde aber ein Spiel darüber, wie der Hochmut der Gottheit den Menschen zu quälen vermag (874f.) – ein euripideisches Thema.

„Trinummus“ 301–401: Ein Spiel mit verdeckten Karten In der „Mostellaria“, die auf ein Stück des Philemon zurückgeht, spielte ein Gespenst im Hause eine Rolle und ein Hauskauf, im „Trinummus“, der ebenfalls eine Komödie Philemons zum Vorbild hat (Trin. 19),202 dreht sich alles erneut um ein Haus, aber auch um den Schatz, den der alte Charmides in seinem Hause vergraben hat, bevor er auf eine lange Geschäftsreise ging: Der Sohn sollte versorgt bleiben, wie er dem Nachbarn und Freund Callicles unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut. Zwei Familien haben ihre Häuser auf der Bühne; der arme, aber achtbare Charmides mit seinem Sohne Lesbonicus und einer erwachsenen Tochter einerseits, Lysiteles mit seinem wohlhabenden Vater Philto anderseits. Im Hause des Lesbonicus wohnt inzwischen Inopia, die Bedürftigkeit, Tochter der Luxuria (v. 15), nachdem der junge Mann allzu flott gelebt hat und daraufhin sogar sein Haus veräußern musste. Ihm hat nun allerdings der wohlhabende Callicles sein Haus abgekauft, bis auf ein Hinterhausteil, den Lesbonicus sich reservieren konnte. Und dies Abkaufen macht in der ersten Szene Megaronides dem Callicles zum Vorwurf: Wie kann bloß, so rede man in der Stadt, ein rechtschaffener Mann die Notlage des Jünglings so ausnutzen (116ff.)? Dieser bittere Vorwurf zwingt Callicles, mit der Wahrheit doch noch herauszurücken: Als Charmides abreiste, habe er ihm, dem Callicles, eröffnet, dass er ein Barvermögen in seinem Hause als Rückhalt für den Sohn vergraben habe, dass der Sohn aber davon nichts wisse (149 ff.). Das wollte der treue Freund durch den Kauf des Hauses mit dem Schatz ihm retten. Megaronides ist entzückt (161). Man verlässt die Bühne. Auf tritt nun Lysiteles, der Sohn des Philto, und singt ein Lied auf die schlimmen Folgen des Amor, von dem er sich verabschiede (267). Zu ihm tritt der Vater und ist überaus zufrieden, als er vernimmt, dass der Sprössling in allen Belangen sich nach den Lehren des Vaters richten wolle (298 praecipio, 300 imperia; der Sohn nimmt diese Worte in 302 chiastisch auf). Nun beginnt ein erheiterndes Versteckspiel.203 Zunächst versichert der Sohn, er fühle sich als Freier von Geburt, dem Vater aber untertan (301–304: 4 Verse). In der doppelten Anzahl von Versen predigt der Alte den Prinzipat des Gehorsams über die Lust (animus), anders gewendet: Besser ist es, so zu sein, „wie es sich gehört“ (ut opust,

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311), als der Lust zu folgen, und diejenigen, welche sich selber beherrschen, haben das größere Ansehen (probiores cluent, 312). Das sind zwei recht förmliche Reden, lange Sätze, fein gedrechselt, gemessene Worte, ohne dass einer den anderen unterbräche. So habe er es stets gehalten, bestätigt der Sohn; fern allen Umtrieben, ganz auf die Zustimmung des Vaters bedacht, habe er die väterlichen Lehren in Selbstbescheidung „heil und ganz“ (sarta tecta, 317) gehalten (313–317: 5 Verse). Warum er ihm den Gehorsam so betone? Es gehe ja doch nicht um ihn, den Vater, sondern um den Sohn. Und außerdem: Niemand solle sich selber genug gefallen, stets ist noch etwas Wertvolles zu tun übrig: bene facta bene factis aliis pertegito, ne perpluant (323), so nimmt der Vater die Bau-Metaphorik des Sohnes (317) auf;204 er spricht dabei genau so viele Verse wie eben Lysiteles. Soweit das Vorgeplänkel. Mit „Ich habe darum so gesprochen, weil ich von dir etwas erbitten möchte“ (324 f.) leitet Lysiteles nun zu seinem eigentlichen Thema hin, mit „Was ist es? Ich möchte ja sehr gern dir willfahren“ öffnet der Vater das Ohr. Lysiteles beginnt nun mit „Einem jungen Mann“, fügt gleich seine gute Herkunft an, auch die Freundschaft und Gleichaltrigkeit – damit möchte er sich des väterlichen Wohlwollens versichern, bevor er den Notfall bezeichnet: Der junge Mensch sei mit seinem Vermögen nicht ganz vorsichtig umgegangen, und da möchte er, Lysiteles, helfen, „wenn’s dir recht ist, Vater“ (das Appell-Wort ist sehr bedacht vor das eigentliche Anliegen gesetzt). Der Vater denkt natürlich an eine finanzielle Hilfe und scherzt: „Doch wohl aus deiner Kasse?“ – „Klar“, ist die Antwort, „was dir gehört, gehört ja auch mir“ (329). So scherzt man, bevor es zur Sache geht und Lysiteles einräumen muss, dass der Freund „durch Großzügigkeit,205 ein wenig aber auch aus Lust und Laune“ (333 f.) Verluste erlitt, das heißt der gute Junge hat genau das nicht getan, was Vater Philto eben gerade an Selbstbeherrschung gefordert hatte. „Ein sauberes Bürschchen hast du da zum Freund“, ist denn auch seine Reaktion (335–337). Der Sohn kontert: „Weil er durch und durch ein anständiger Kerl ist, will ich ihm in seiner Bedürftigkeit unter die Arme greifen“ (338). Der Vater mahnt, Bettlern nicht durch Gaben das armselige Leben noch zu verlängern,206 aber er sage ja nicht Nein, nur wolle er nicht, dass der Sohn, wenn er scheitert, nachher selber Mitleid nötig habe (343). Es sei eine Schande, so gibt der Sohn zu bedenken, nicht zu helfen. Lieber Scham als (nachher) Gram, hält der Vater dagegen (345). Aber dank den Ahnen und dank dem Fleiß des Vaters – erneut setzt Lysiteles das AppellWort pater ein (346) – hätten sie doch die Möglichkeiten, einem Freunde zu helfen, da brauche man sich doch nicht nachher zu grämen, und schämen müsse man sich allein einer unterlassenen Hilfeleistung (348). Der Einwand kontraproduktiver Hilfe und der des Schämens und Grämens ist also erledigt. Aber noch stimmt der Vater nicht zu.

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„Was passiert, wenn man von einem großen Vermögen etwas wegnimmt?“ „Gewiss, Vater (pater wieder in 350), es nimmt ab, aber böse Rede ergieße sich über den, der nicht gibt“ (immunis, 350): „Dem Knauser soll es schlecht gehen“, riefen dann alle (351 f.). Auch dies räumt Philto ein, dass man so rede, gibt aber zu bedenken, dass ein solcher immunis ja doch einer ist, der nichts zu geben hat. Aber das ist ein stumpfes Argument, der Sohn kann wieder auf das eingestandenermaßen vorhandene Vermögen verweisen: „Wir haben’s doch und können Menschen gegenüber, die uns dankbar sein werden,207 Großzügigkeit walten lassen“ (356). Philto ist besiegt und fragt, wem der Sohn denn nun helfen wolle. Der nennt den Namen, es ist Lesbonicus, der Nachbarssohn, dem er helfen möchte. „Etwa dem, der aufgefressen, was da war und was nicht da war?“, so die grobe Frage des Vaters. Der Sohn führt das Pech ins Feld, der Vater widerspricht mit der alten Weisheit, dass jeder für sein Schicksal selber verantwortlich sei.208 Aber er sei doch noch so jung. Klugsein hänge nicht vom Alter ab, erwidert der Vater, aber er will es nicht bei Einwänden belassen: „Was willst du ihm denn nun zukommen lassen?“ „Nichts, Vater: Hab’ nur nichts dagegen, wenn ich was bekomme!“ (370). Der Vater staunt: Helfen durch Nehmen? „Genau, Vater“, antwortet Lysiteles und kommt nun endlich, hier schon ein siebtes Mal mit dem Appell-Wort „Vater“ beginnend, mit der zweiten Hälfte seines Planes heraus: Er will die Schwester des Lesbonicus, der ja doch aus bestem Geschlecht ist, heiraten, aber ohne Mitgift. Und hier steht nun der einzige Hiat der ganzen Szene: Sine dote úxorém?/Itá (375). Der Hiat ist äußerst emphatisch, die Formulierung ist das chiastische Spiegelbild der Worte des Sohns, und zu allem Überfluss ist dies auch die einzige Stelle, an welcher der Sohn dem Vater ins Wort fällt: „So bedacht und einfühlsam arbeitete Plautus“ (Maurach [1987] 303). Höchste Dankbarkeit (summa gratia, 376) führt Lysiteles nun ins Feld und den Erwerb einer Freundschaft (379).209 Philto antwortet, er könnte zwar manches dagegen anführen, aber die Aussicht auf eine neue Freundschaft und auf gratia (382) bestimmen ihn zu einem Ja: tibi permitto: posce duce (384). Und nun dreht sich die Verteilung von Gehorsam, Ansinnen und freundlicher Abwehr mit jedesmaliger Zustimmung am Ende glatt um: Der Sohn erbittet des Vaters Mithilfe. Er soll es sein, der den Brautwerber macht: „Da haben wir’s. Man tut was Gutes und hat noch Mühe davon“ (389). Aber er sagt Ja. Und nun lässt Lysiteles das schier unterwürfige Reden, all die langen Sätze bleiben und greift, in der Eile des Jubels, zu kurzen Anordnungen (390f.). Die Schlacht ist gewonnen. Wieso soll nun aber dies alles eine „Meisterszene“ sein und worin läge etwas „Komisches“? Nun, das Meisterhafte wird der genaue Leser in der

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Sprachführung erkennen (gemessenes Reden zu Beginn, dann immer rascheres bis hin zum sprachlich herausgehobenen Höhepunkt in 375), wozu auch dies gehört, dass nach den vielen fast feierlichen Doppelausdrücken die Reden rasch zu nachdrücklich-einfachen wechseln. Dazu das Argumentieren: Immer wieder gelingt es dem Lysiteles des Plautus, Worte des Vaters zu seinen Gunsten „umzudrehen“ (Genaueres bei Maurach a. O. 306), und sehr genau weiß er das emotive Wort „Vater“ einzusetzen. Und am Ende die wirklich meisterhafte Wortmalerei der eilig befehlenden Siegesfreude (390 f.). Mag Plautus derlei auch schon bei Philemon vorgefunden haben, er vermochte, es zu einer Meisterszene nachzubilden. Und was ist nun „komisch“ an all diesem? Fantham (1977) ließ sich auf diese Frage nicht ein, sie schälte ethische Fragestellungen in der Nachfolge des Aristoteles heraus (besonders 421); Blänsdorf (1967, 239) erblickte die Komik berechtigterweise darin, „dass sich aus einer Übereinstimmung zwischen Vater und Sohn in moralischen Grundsätzen doch eine Meinungsverschiedenheit über die Hilfe für einen leichtsinnigen Freund entwickelt“. Ich selber hatte (304f.) herausgestellt, wie die Personen mit „verdeckten Karten“ spielen, denn Lysiteles erweckt zunächst den Eindruck eines überaus gehorsamen Sohnes, entpuppt sich dann aber als genau berechnender Orator in eigener Sache; lange lässt er den Vater unter dem Eindruck, es gehe um eine finanzielle Unterstützung, am Ende muss der Vater eine mitgiftlose Braut akzeptieren. Philto lässt den Sohn seinerseits lange vermuten, dass er aus standesmoralischen Grundsätzen Einwände haben werde, lässt sich jedoch bei jedem Schritt (letztlich gern) überwinden und macht am Ende gar den Brautwerber.210 Diese völlige Umkehrung der Ausgangslage ist, gut gespielt, ein dankbarer Szenenentwurf. Wir aber werden, neben allem Suchen nach Komik, Plautus zugestehen, dass er eine Szene geschrieben hat,211 die man wohl gut und gerne eine Meisterszene nennen wird. Doch wie geht es weiter? Nun, Lesbonicus zeigt Charakter und will nicht die Schande auf sich laden, seine Schwester ohne Mitgift in die Ehe gegeben zu haben, und bietet seinen letzten Acker als Mitgift (508). Nun legt sich aber der treue Diener Stasimus ins Mittel, nimmt den Brautwerber Philto beiseite und teilt ihm unter vier Augen mit, der Acker sei mit schlimmem Unheil behaftet (516 ff.), woraufhin Philto diese Mitgift dankend ablehnt (559). Dem Lesbonicus aber gibt er zur Antwort, über die Mitgift müsse er mit seinem Sohne verhandeln (569 f.), doch die Werbung bitte er ihn anzunehmen. Das tut der auch und so kommt es zum Austausch der Verlobungsformeln (572 f.). Philto geht, Lesbonicus trägt dem Diener auf, zu Callicles zu gehen und der Schwester die Verlobung zu melden, allerdings unter der Bedingung „Ohne Mitgift keine Heirat“ (585). Dann geht auch er.212 Callicles aber ist nicht begeistert, eine „Schande“

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(612) ist die mitgiftlose Verheiratung, und dieser Ansicht ist dann im Gespräch mit Lysiteles auch Lesbonicus, der nach wie vor den Acker als dos anbietet, was Lysiteles aber unter gar keinen Umständen annimmt (716). Das veranlasst nun Callicles im Verein mit Megaronides, eine List anzuwenden: Er räumt das von Lesbonicus gekaufte Haus mit dem Schatz darin, gräbt den aus, nimmt einen Teil und staffiert einen lügenflinken Herumtreiber (falsidicum, 770) als Geldboten heraus, um das Geld dem Lesbonicus auszuhändigen samt einem Brief, als käme beides vom fernen Vater Charmides. Doch nun kommt eben dieser wirklich heim, und der falsidicus fragt ausgerechnet ihn, den Charmides, nach dem Hause des Lesbonicus, seines Sohns.213 Mit dem Lügenbold wird Charmides noch fertig, aber als Stasimus auftritt, den Herrn erkennt und ihm berichtet, da kommt, so scheint es dem Heimkehrer wenigstens, die ganze Untat des Sohnes und des raffgierigen Callicles ans Licht (1083 ff.), aber auch dieser Schein löst sich in allgemeines Wohlgefallen auf. Die fides fidelitasque (1126) des treuen Callicles hat die Lage gerettet. Segal (1974, 262) hat diese Komödie ein „morality play“ genannt, weil über allem Bühnengeschehen die Wertbegriffe der römischen Nobilität walteten, die Treue und die Verlässlichkeit.214 Werden hier solche Wertbegriffe dargestellt? Man wird vieles hiervon mit Peter Riemer auf die Rechnung des Umformers Plautus setzen, wird aber auch nicht vergessen, dass der Verfasser des Originals, Philemon, ebenfalls gern Popularphilosophisches einfließen ließ.215 Wäre der Sinn des Trinummus dann, dass Philosophisches Gestalt gewinnt? „Darstellung von Wertbegriffen“ oder „Gestaltgewinnung von Philosophischem“ – kommt man mit solcher Leseweise dem näher, was Plautus gewollt hat? Man lasse auf sich einwirken, wie Segal (1974, 262) mit der von uns als Meisterszene bezeichneten Überredung fertig wurde: „After some persuasion“ werde der Vater für den Heiratsplan des Sohnes gewonnen. Aber was verbirgt sich nicht alles an feinen Drehungen und Wendungen hinter diesem „nach einiger Überredung“! Die Leseweise, welche das Beste am Plautus trifft, ist immer noch, nicht Nebenzielen wie dem Aufdecken von Wertbegriffen oder Philosophemen nachzujagen, sondern die viel näher liegende Frage zu stellen: „Was macht diese Szene interessant?“ Wer das vergisst, geht dann auch achtlos an dem vom Dichter selbst durch den einzigen Hiat angezeigten Höhepunkt vorbei, und vorbei ist es mit dem Künstler Plautus. Er wird zum Steinbruch für Thesengebäude.

Publius Terentius Afer Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich große und kleinere Gelehrte um eine bessere Kenntnis dieses Dichters bemüht; über keinen anderen Komödienautor gibt es so leicht erreichbare Literatur wie über ihn.216 Über Sprache, Metrik und Stil geben diese Arbeiten und viele andere217 so gute Auskunft, dass es unangebracht erscheint, hier ins Einzelne zu gehen. Begnügen wir uns daher mit Hinweisen auf die Hauptprobleme und versuchen wir, die Ergebnisse der Forschung zu verstehen, das heißt die Absichten des Dichters Terenz.

Sein Leben C. Suetonius Tranquillus verfasste eine Vita des Terenz im 2. Jahrhundert n. Chr., die Donat im 4. Jahrhundert erweiterte. Dort wird angegeben, Terenz sei 159 v. Chr. im Alter von 25 Jahren auf einer Reise nach Asia verschollen. Dann hätte er 166 v. Chr. mit 19 Jahren sein erstes Stück, die „Andria“, aufgeführt. Er sei, in Karthago geboren, nach Rom als Sklave in den Haushalt des Terentius Lucanus gekommen, und es wird ferner durch Terenz selber bezeugt, dass er mächtige Gönner gehabt habe (Ad. 15 ff.).218 Wir wollen uns nicht an den vielfältigen Spekulationen darüber beteiligen, wieso ein Nordafrikaner zu einer Zeit, als es dort einen Krieg nicht gab, als Sklave nach Rom gebracht und auf welche Weise sein Talent entdeckt worden sei. Es mag genügen, dass der noch sehr junge Terenz in seinen ersten Stücken219 noch Unfertigkeiten zeigt,220 dann aber sehr bald ein makelloses, und dazu neues, nämlich schlankeres und leichteres Bühnenlatein schreibt, als es der Generation zuvor möglich war. Gleich, ob er allein oder der Kreis seiner Förderer es war, welcher den Gedanken an eine „Reform“ (Bagordo [1999] 17) fasste, was damals geschah, war eine bewusste Umformung der lateinischen Komödiensprache und -metrik: Es wird bei Terenz viel weniger und viel weniger phantasievoll geschimpft,221 die Umgangssprache ist gereinigt und zuweilen dem Griechischen (nach Maßgabe des Originals) stärker angenähert als bei Plautus (Bagordo 97, 147 f.), sie ist modernisiert, zum Beispiel schreibt Terenz nur tuli als Perfekt von ferre wie die Späteren, nicht mehr tetuli wie vordem (Haffter [1967] 12), und er lässt manchen Gräzismus zu (so wie sein Umkreis es wohl auch tat). Seine Metrik weicht darin von der des Plautus ab, dass er zunehmend den iambischen Senar favorisiert, dass er ferner im iambischen Oktonar die scharfe Mitteldihärese des Plautus zu meiden beginnt, dass er das Enjambement (das Überbrücken des Versendes) bevorzugt

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und dass er die Cantica zunehmend beschränkt (Haffter [1967] 14). Sinn und Absicht hiervon ist, dass Terenz insgesamt „realistischer“ sprechen lässt als Plautus (Haffter 43), also ein „Sprechdrama“ aus der „Oper“ des Plautus machte (so Haffter 14f.). Wenden wir den Blick kurz hinunter zum Publikum vor der Bühne des Terenz: Gewiss gab es da eine Menge von gröberen Gemütern, die lieber zu Boxern und Seiltänzern gingen als die terenzischen, feiner gewordenen Figuren anzusehen (Hec. 33 ff.), aber es muss eine ganze Menge von Einflussreichen dort gesessen haben, die interessiert waren an den Feinheiten dieser Handlungsführung, an der Neuheit dieses reineren Stils und an der literarischen Fehde, die Terenz gegen Gegner seiner Arbeitsweise222 führte. Diese Menge von mittlerweile sehr viel Gebildeteren, als die allermeisten Plautus-Zuhörer es gewesen waren,223 verstand bereits Anspielungen auf Klassiker römischer Literatur, auf Ennius und sogar Livius Andronicus, und hatte ihren Spaß daran, wie da ein etwas tumber Offizier mit Zitaten aus ihnen nicht zurechtkam.224 Aber wo liegen Sinn und Absicht all dieser Dinge? Er liegt in etwas, das man die literarische Entscheidung des Terenz nennen möchte. Es geht ihm ja nicht nur um Korrekturen hier und da, um kleine Milderungen und ein bisschen mehr Bildung, es geht ihm um eine grundsätzliche Entscheidung: Es war an der Zeit, die lateinische Sprache der Flexibilität des Griechischen anzunähern, sie unter Zuhilfenahme des Griechischen zu modernisieren; es galt, die Komödie aus dem Ineinander von attischen Feinheiten einerseits und latinischem Salz und plautinischen Clownerien andererseits herauszulösen und zu einem Instrument der Verfeinerung zu gestalten, der Verfeinerung von Sprache und Geschmack. Dem diente die Verwandlung ins „Sprechdrama“, zu „Realistischem“ in Sprache und Inhalt – warum? Nur, wenn die Figuren lebensnahe handeln und sprechen, kann der Zuschauer sich in sie hineinversetzen und sich auf diese Weise – so hoffte man – den Geschmack säubern lassen. Daher das „nahe, persönlich-intime, menschliche Interesse“ des Terenz, von dem Haffter sprach (47). Das alles war nicht Abweichung und Korrektur, das war ein Umsturz. Er bestand, kurz gesagt, darin, dass man nunmehr das Griechentum angenommen und als modellhaft ernst genommen hatte. Wir wollen nun so fortfahren wie bei Plautus und zunächst über die Textüberlieferung und über die Aufführungsbedingungen das Nötigste mitteilen, dann einiges über die Sprache des Terenz beibringen und über seine Verstechnik, und werden dann vorbereitet sein für die drei Komödien, die etwas eingehender besprochen werden sollen, um die Eigenart dieses Dichters kennen zu lernen.

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Seine Überlieferung Wir kennen heute etwa 600 Terenz-Handschriften. Die älteste ist der ehrwürdige Bembinus (Vaticanus 3226), so genannt weil er Pietro Bembo gehört hatte. Er ist auf das 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. datiert (Marouzeau [1947] 70). Die übrigen Handschriften lassen sich in solche einteilen, die bebildert sind,225 und solche, die keine Szenenbilder zeigen. Wie der Plautus-Text erlitt auch der Terenztext in der ausgehenden Antike eine durchgreifende Normalisierung und eine das Verständnis erleichternde Interpolation.226 Die heutigen Ausgaben sind von dieser Schicht weitgehend befreit. Spuren von Wiederaufführungen sind kaum bemerkbar, immerhin aber hat die „Andria“ zwei Schlüsse, von denen der zweite, der nur in wenigen Handschriften überliefert ist, ersichtlich das Stück zu einem umfassenderen Abschluss führen sollte, als der kürzere, wohl echte, es getan hat.

Aufführungsbedingungen Hier wollen wir uns ganz kurz fassen, da Peter Kruschwitz (2004, 169 ff.) unter Nennung neuester Literatur das Nötige gesagt hat. Wenn bei Terenz im Unterschied zur Nea bis zu sechs sprechende Schauspieler auf der Bühne beschäftigt sind, dann zeigen solche Fälle an, wo Terenz in das Gefüge seiner Vorlage anreichernd eingriff. Für denjenigen, der den Text bloß liest und nicht etwa auf die Bühne bringen will, mag die Frage nach den Masken nur ganz beiläufig interessant sein. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass man die klaren Zeugnisse antiker Autoritäten, die sagen, dass die Masken erst nach Terenz aufkamen, nicht missachten dürfe.227 Wichtiger ist für den genauen Leser das Problem der Auftritte und Abgänge (Kruschwitz [2004] 172). Die Nea nahm es hiermit sehr genau; ein Schauspieler durfte immer nur von dort auftreten, wohin er abgegangen war, zum Beispiel in sein Haus; Plautus und auch Terenz lassen es zuweilen an dieser Genauigkeit fehlen, und das zeigt dann den Ort des Eingriffs in das originale Gefüge, wie dies besonders J. C. B. Lowe untersucht hat. Erhöhung der Sprecherzahl und Lässigkeiten bei den Auftritten – worauf deutet das? Wenn bei Terenz mehr Figuren auf der Bühne handeln als etwa bei Menander, dann scheint dies auf das Bestreben hinzudeuten, für den Zuschauer das Geschehen anzureichern; es ist auf der Bühne „mehr los“. Das Auge des Betrachters wird gereizt, eine Wendung zum Äußeren tut sich kund. Dies ist dann auch offenbar die Auswirkung der vielfach besprochenen Doppelhandlung:228 Gewiss bezeugt das Auftreten einer Negersklavin das Interesse des Dichters, dem Publikum Reizvolles zu zeigen, andererseits beweist die Einführung eines zweiten, allerdings untergeord-

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neten Liebespaares in der „Andria“ des Verfassers Anliegen, durch Kontrastierung die Einblicke in seelisches Geschehen zu bereichern (Ludwig 426). Ein gewisses Maß an Extraversion zeigt also auch Terenz.

Die Sprache des Terenz Es gibt, wenn man so will, zwei Sprachen des Terenz: die in seinen Prologen und die innerhalb des Dramenkörpers. Die Sprache der Prologe, die ja zum Teil Verteidigungen sind, Verteidigungen gegen die Vorwürfe seines literarischen Gegners, weisen ein hohes Maß an Rhetorisierung auf, eine Fülle von Antithesen229 und Verdoppelungen, zum Beispiel malevoli poetae … maledictis (Andr. 6f.), dazu Wortspiele wie faciuntne intellegendo ut nil intellegant (Andr. 17)?. Ob der Unterschied solcher Rhetorisierung zur frei und schier figurenlos fließenden „Spielsprache“ (Juhnke [1978] 294) einen „Zug kunstbewusster Selbstverleugnung“ darstellt, ist schwer zu beurteilen. Sicherlich aber spricht Terenz freier im Dramenkörper selbst. Hier jedoch tadelte man bereits in der Antike die fehlende Kraft (Marouzeau [1947] 46 und Kruschwitz [2004] 181 nennen die Stellen), Terenz selber nannte seine Sprache „fein“ (Phorm. 5), ob das aber zugleich eine „künstlich-seelenlose Sprache“ hervorbrachte, wie Kruschwitz schreibt, wird man bezweifeln. Nehmen wir Andria 802 f.: Der Onkel der kürzlich verstorbenen Hetäre Chrysis kommt und trifft vor deren Haus die Dienerin Mysis. Nach kurzer Begrüßung fragt er: „Itan Chrysis …? Hem! („So ist es denn wirklich wahr, dass Chrysis …? Ach je!“). Das stark affektische itan230 und die taktvolle Aposiopese231 sind alles andere als „seelenlos“. Aber rechten wir nicht mit einzelnen Urteilen, sondern machen wir uns klar: Terenz verwitzelt seine Sprache nicht mehr; es gibt keine „Verwandlung und Gleichsetzung“ mehr wie bei Plautus232: muscast meus pater: nil potest clam illum habere, das sind Späße (Merc. 361), wie man sie bei Terenz nicht mehr liest. Keine Schimpfkanonaden mehr, keine groben Verwünschungen, keine lächerlichen Wortungeheuer und keine Phantasienamen: Alles ist glatt geworden, so glatt, wie ein gebildeter Mensch der gehobenen Kreise um Terenz sprach: maßvoll und elegant. Warum? Gewiss auch deswegen, weil er und die Seinen Exuberanzen nicht mochten; ebenso aber wollte Terenz eine Sprache schreiben, die nun nicht mehr im Phantasieland des graecari, der „trickster“ und Kasperles angesiedelt ist, kurzum: im Unwahrscheinlichen (vgl. Heaut. 31; Phorm. 6), sondern er wollte so schreiben, dass jeder Römer und vielleicht auch jeder Mensch sich doch auch identifizieren konnte mit den Gestalten, die er auf der terenzischen Bühne sah.

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In die gleiche Richtung weist auch die Tatsache, dass der Hiat bei Terenz233 ungleich seltener ist als bei Plautus. Terenz unterbricht den Fluss seiner Verse nur selten, und dann um bestimmter, für das Spiel wichtiger Effekte willen (vom selbstverständlichen „prosodischen Hiat“ ist hier nicht die Rede, vgl. Marouzeau zu Heaut. 688 – er hätte dort allerdings von „Dihärese“ sprechen sollen). Vor Pointen, Namensnennungen, Imperativen setzt auch Terenz noch zuweilen den Hiat, aber er zerbricht den Vers nicht derart wie Plautus. Selten geworden sind auch die Unterbrechungen an „Jacobsohn’schen Stellen“ (Deufert [2002] 37). Glätte also auch hier, weniger Unterbrechungen ebenso wie weniger Interjektionen – die Sprache konzentriert sich auf die Handlung und führt den Zuhörer nicht in eine ihm ungeläufige Sprachwelt.

Die Verstechnik Die numeri innumeri des Plautus fanden bei Caecilius eine deutliche Nachfolge, bei Terenz nicht.234 Er meidet die Cantica weitgehend, und wenn er solche schreibt, zeichnen sie sich nicht mehr durch besondere Gewichtigkeit der Motive aus; nur in Ad. 610–617 findet sich ein Rest des alten Reichtums. Das sind doch wohl Konzessionen an das Gewohnte, aber die geringe Zahl solcher Konzessionen zeigt, in welche Richtung Terenz sich bewegte: Lieder „verfremden“, das Vorherrschen des Jambus und Trochäus nähert das Gesagte dem Alltag, dem Bekannten, mit dem der Zuschauer sich identifizieren konnte. Daher meidet Terenz auch den wilden, schier regellos dahinrennenden Anapäst, daher sucht er das Enjambement und meidet in den Langversen die scharfe Unterbrechung durch die Dihärese. Gern setzt er ans Versende ein elidiertes Monosyllabon, das bereits zum nächsten Vers gehört, also zu ihm über die Versgrenze hinweg glatt hinführt. Überall dasselbe: Terenz strebt eine Sprache und einen Vers an, der ja nicht zu weit sich vom Alltag entfernen sollte. Der Zuschauer sollte spüren: Tua res agitur. Wenden wir uns, so vorbereitet, den einzelnen Stücken zu. Drei von ihnen sollen vorgeführt werden, um die Eigenart des Terenz zu verdeutlichen, die „Andria“, der „Eunuchus“, die „Adelphoe“.

„Andria“ („Die Frau aus Andros“) Wenn wir den Text aufschlagen, treffen wir auf Didaskalien (die zur „Andria“ fehlt) und auf die versifizierten Inhaltsangaben, die „Periochae“ des Sulpicius Apollinaris (2. Jh. n . C hr.),235 dann auf den Prolog, wo Terenz

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nun nicht das Folgende ankündigt („exponiert“), sondern seiner literarischen Fehde bezüglich des „Kontaminierens“ nachgeht (kurz Kruschwitz [2004] 165 f.).Welches ist nun aber der Inhalt der „Andria“? Vater Simo hat Vorbereitungen für die Hochzeit seines Sohnes Pamphilus mit der Nachbarstochter getroffen, aber erklärt seinem freigelassenen Sosia, das alles sei nur fingiert: Immer habe sein Sohn alle Vergnügungen junger Männer mitgespielt, aber immer maßvoll, so maßvoll, dass der Nachbar ihm, dem Simo, eine Heirat des Pamphilus mit seiner Tochter vorgeschlagen habe. Nun aber habe er, Simo, bei der Bestattung einer anderen Nachbarin, einer Frau von der Insel Andros, einer Hetäre, beobachtet, wie deren schöne junge Schwester sich in ihrem Jammer Pamphilus liebevollvertraulich an die Brust geworfen habe – Liebe und keimendes Leben im Angesicht des Todes, eine gänzlich unplautinische, dafür eminent lebenswahre Szene. Dem Nachbarn Chremes sei das zu Ohren gekommen, und ärgerlich habe er seinen Heiratsvorschlag zurückgenommen. Nun habe er, Simo, dennoch eine Hochzeit für „heute“ anberaumt und vorbereitet, um den Sohn auf die Probe zu stellen: Lehnt der ab, kann der Vater einschreiten (158), denn alles Bisherige sei ihm ja eigentlich nicht vorzuwerfen. Das alles hätte Terenz auch in einem Monolog eröffnen können, aber er liebt zugeschaltete Personen.236 Sosia wird entlassen mit dem Auftrag, auf den Sohn aufzupassen. Dann kommt der Diener des Sohnes, Davos, wobei Simo murmelt, dass der Sohn offenbar die Hochzeit nicht wünsche, das sei an Davus’ entsetzter Miene abzulesen (173). Also Simo, statt den Sohn unmittelbar zu fragen, bildet sich eine Meinung über ihn aufgrund nur eines vagen Anzeichens, nämlich des Gesichtsausdrucks des Dieners seines Sohnes! Davus redet vor sich hin darüber, ob „das“ wohl so abgehen werde (nämlich die scheinbar abgesagte Hochzeit) und über die Milde des Vaters, der nachzugeben bereit scheint; aber er hält das alles für vorgetäuscht. Er meint, die Täuschung aus Simos Schweigen bezüglich einer Hochzeit der Dienerschaft gegenüber schließen zu dürfen (177): In Sicherheit wolle der Alte Sohn und Davus wiegen, dann blitzschnell alles in die Wege leiten, um ihnen keine Zeit zur Gegenwehr zu lassen (182). Beide Figuren verlassen sich also auf vage Eindrücke und bloße Vermutungen. Dann endlich kommt man ins Gespräch: Was früher gewesen, gehe ihn, den Vater, nichts an; aber „heute“, da werde geheiratet. Der Sohn trage schwer daran, gewiss; aber es müsse halt sein. Wenn Davus dem Sohn aber beispringen und versuchen sollte, die Hochzeit zu hintertreiben, dann wehe ihm (196 ff.)! Mit diesen Drohworten entfernt sich der alte Herr. Da steht Davus nun, er hatte Recht mit seiner Vermutung, dass die Absage der Hochzeit nur vorgetäuscht sei – was nun? Er versucht, sich Mut einzureden,237 doch weiß er zunächst nicht, ob er dem Herrn oder dem Sohn zu Willen sein soll (209). Mit dem Herrn ist ja schlecht spaßen. Warum? Weil

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er schlau von sich aus die Liebe des Pamphilus entdeckt hat. Und dazu kommt Weiteres:238 Die schöne junge Andrierin ist von Pamphilus schwanger (216), man habe verrückterweise auch noch beschlossen, das Kind anzunehmen (und nicht auszusetzen), und flunkere irgendwas von freier Geburt der Frau – „Quatsch“ nennt Davus das (224)239. Dann läuft er auf den Markt, um Pamphilus zu warnen. Auf tritt Mysis, eine Dienerin der hochschwangeren Andrierin: Sie soll die Hebamme holen. In ihre kurze Auftrittsrede platzt Pamphilus, der vom Markt herbeigerannt kommt. Aufgelöst klagt er, eben gerade habe der Vater im Vorbeigehen ihm zugerufen: „Heute wird geheiratet!“ Jetzt ist auch Pamphilus hin und her gerissen, nämlich zwischen Vater und Geliebter (259 ff.). In diese Zweifel greift nun Mysis ein: Glycerium, Pamphilus’ Geliebte, schicke nach ihm: Sie habe Angst, er könnte sie verlassen, da für „heute“ ja einst die Hochzeit angesagt gewesen sei (269, vgl. 102). Da entlädt sich der ganze Gefühlsüberschwang: „Ich sie verlassen, die mir ihr Leben anvertraut, die meinem Herzen so lieb ist, die ich wie eine Gattin hatte, die so fein erzogen?“ Er habe sich so an sie gewöhnt, liebe sie, empfinde Achtung vor ihr (279) und werde zu seinem Wort stehen, habe er doch der sterbenden Schwester versprochen, für Glycerium da zu sein, welcher die Schwester den Pamphilus „als rechten Mann“ übergab.240 Auf diese Weise scheint Pamphilus sich nun festgelegt zu haben. Es tritt eine Pause ein, und es treten zu Pamphilus und Davus zwei Personen, welche Terenz dem Original hinzugefügt hat: Charinus, der sich in des Chremes Tochter (die „heute“ eigentlich den Pamphilus heiraten sollte) verliebt hat, und sein Diener. Charinus ist verzweifelt, denn „heute“ werde er, so fürchtet er mit Grund, seine schönen Hoffnungen verlieren; Pamphilus ist zerstört, denn am selben heutigen Tage soll er eine heiraten, die er nicht liebt. Aber Davus beruhigt: In und vor dem Haus des Simo tue sich nichts, keinerlei Hochzeitsvorbereitungen. Aus dem Heiraten werde heute wohl nichts. Auch hier dient ein „Anzeichen“ dazu, einer Gestalt eine feste Meinung einzuflößen. Charinus ist erleichtert, Pamphilus aber versteht nun gar nichts mehr. „Warum simuliert er?“ (375). Davus weiß es: Wenn der Alte dem Sohne böse wäre, nur weil Chremes die Hochzeit abgeblasen habe, dann wäre er im Unrecht, denn nicht Pamphilus habe ja die Hochzeit abgelehnt, sondern Chremes. Also fingiere der Vater jetzt eine Hochzeit, wenn der Sohn diese aber ablehne, dann habe der Vater einen echten Grund zum Einschreiten (376ff.). Was ist also zu tun, fragt Pamphilus. „Sag’, dass du bereit bist zu heiraten.“ Pamphilus solle das sagen, um dem Zorn des Vaters die Ursache zu nehmen; und das sei gefahrlos, denn wenn eines feststehe, dann sei das die Ablehnung des Chremes (391), und inzwischen werde schon etwas geschehen, das weiterhilft (398).241 Aber – jetzt rückt Pamphi-

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lus mit etwas heraus, das alles erschwert: Er habe beschlossen, das Kind als seines anzuerkennen. Davus ist entsetzt (s. Anm. 239), verspricht aber, diesen Beschluss geheim zu halten. Als der Vater kommt, ermahnt Davus seinen Schützling, ja nicht besorgt oder verstört (tristis) dreinzuschauen. Simo tritt auf in der Absicht, „einmal nachzusehen, was die da so treiben“, eine übliche Formel (Büchner [1974] 64); Davus ist sich sicher, dass der Alte eine wohlvorbereitete Umstimmungsrede mitgebracht hat. Inzwischen ist aber auch Byrria,242 der Diener des Charinus, auf die Bühne gekommen und muss nun hören, dass Pamphilus (von Davus instruiert) gar keinen Widerstand leistet (420: „Ich werde für keine Verzögerung [mora] sorgen“). Simo fehlen die Worte, so erstaunt ist er, dann schickt er den Sohn hinein mit genau dem Ausdruck, den Pamphilus eben angewandt hatte: mora (424). Davus bleibt mit dem Alten zurück, er vermutet, dass Simo von ihm irgendeine Teufelei erwartet, und in der Tat erwartete Simo von Davus ein Widerwort (435). Dann fragt er den Vertrauten des Sohnes, ob der nicht schwer an der Veränderung trage. Davus spielt ihm vor, dass der Sohn gewiss eine Zeit lang, solange es sich schickte, die Nachbarin geliebt habe, aber jetzt nur ans Heiraten denke. Aber er habe doch etwas besorgt ausgesehen (447)? Aber nein, nicht wegen der Heirat; nur deswegen, weil so wenig eingekauft, so wenig Aufwand betrieben wurde. Simo, in den Verdacht des Knauserns geraten, wird ärgerlich: „Ich werd’ schon dafür sorgen!“, und geht ab, nicht ohne den Verdacht, dass der alte Schlauberger243 etwas im Schilde führe (457f.). Während man noch auf der Bühne verweilt, kommt Mysis mit der Hebamme und erzählt ihr, Pamphilus habe der Glycerium seinen Treuschwur wiederholt und beschlossen, das Kind anzuerkennen. Das hört Simo: „Ist er verrückt? Das Kind einer Ausländerin!?“, ereifert er sich.244 Dann aber geht ihm, so meint er, ein Licht auf: Die (nämlich Davus, Pamphilus und Glycerium) simulieren bloß eine Geburt, um Chremes abzuschrecken (472) – so verlassen sich mittlerweile beide Parteien auf angenommene Täuschungen der Gegenseite. Wieder nimmt er die Fakten nicht als real, sondern als fingiert, und verfällt in eine Irrmeinung. Die Vorspiegelung, durchschaut zu haben, erfüllt ihn mit Spaß, und so spricht er den Davus ironisch lächelnd aus der Höhe der „vermeintlichen Überlegenheit seines Scharfsinnes“ an (so Oppermann [1973] 326): „So schnell gebiert man hier? Lächerlich! Kaum hat man begriffen, dass ich hier vor der Tür stehe, legt man los! Deine Leute haben sich wohl etwas in der Zeit geirrt?“ Dabei ist er es, der irrt. Und als die Hebamme nach getaner Arbeit aus dem Haus der Wöchnerin kommt, ein paar Verhaltensmaßregeln ins Haus zurückspricht und dem kräftigen Kind alles Gute wünscht, da „begreift“ Simo erneut: Dass die Hebamme zurück ins Haus spricht,245 sei abgekarte-

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tes Spiel (491), sei ein Zeichen für Davus’ Täuschungsmanöver. Seinen Verdacht (432ff.; 501) sieht er also bestätigt (Oppermann 331). Davus aber sieht eine Chance, die Hochzeit doch noch zu hintertreiben: Zunächst geht er auf Simos eitle Verdächtigungen scheinbar ehrlich und offen ein, warnt ihn gar vor den Ränken der Glycerium und verheißt, dass alsbald ein Kind auftauchen werde (507): Schon früher habe Glycerium behauptet, sie sei von Pamphilus schwanger; das habe sich dann nicht bestätigt. Jetzt habe sie zu dem verzweifelten Mittel, eine Hebamme kommen zu lassen, gegriffen, um auf Pamphilus Druck auszuüben; Pamphilus aber könne nichts dafür: Er wolle die Heirat (520). Simo schickt Davus ins Haus und bleibt mit mancherlei ungläubigen Besorgnissen auf der Bühne; aber Pamphilus habe versprochen zu heiraten, darauf baut er (527, vgl. 420), und macht sich auf, Chremes umzustimmen. Es gelingt ihm, denn er führt als Argument an, es bestehe Zwist zwischen Glycerium und Pamphilus. Woraufhin kann er das behaupten? Wohl auf die Ansicht hin, Glycerium spiele seinem Sohn etwas vor (512 ff.), eine Ansicht, die er auf Davus’ täuschenden „Bericht“ baut, wie er 576 selber zugibt, und auf seinen eigenen gloriosen Einfall, das Schreien der Wöchnerin und ihr Weinen seien vorgetäuscht (558). Doch da erscheint Davus, immer noch felsenfest überzeugt, Chremes werde seine Tochter nicht herausgeben (398 f.), er kommt wohlgemut herbeigeschlendert, lässt sich sagen, die Hochzeit sei nur vorgespiegelt gewesen – eine Eröffnung von etwas, das er längst wusste, darum kann er ironisch vor dem Alten dessen schlaue Intrige loben (589: „Das hätte ich nie durchschaut!“). Dann aber muss er vernehmen, dass Chremes nun doch zustimmt und quittiert das mit einem occidi (592: „Jetzt ist’s aus!“), was Simo nicht recht gehört hat: „He, was sagst du da?“ Daraufhin fängt Davus sich und gibt vor, optume gesagt zu haben.246 Simo durchschaut das Spiel des Sklaven noch immer nicht, und darum bittet er ihn, der doch sein einziger Helfer beim Bewerkstelligen der Hochzeit gewesen, den Sohn auf den Pfad der Tugend zu führen (595 ff.). Simo ist also hoch zufrieden, Chremes ist umgestimmt und Pamphilus heiratswillig. Davus dagegen scheint erledigt: iam perturbavi omnia (601), er hat sich „sein eigenes Grab geschaufelt“ (Büchner [1974] 85). Simo geht siegessicher nach drinnen, um Pamphilus in Kenntnis zu setzen. Davus bleibt erschüttert auf der Bühne, Pamphilus stürzt heraus, voller Vorwürfe, aber gegen sich selber („energie- und planlos“ habe er sich einem Sklaven anvertraut: 608 f.)! Der schwört, er werde alles daran setzen, „irgendeine“247 Abhilfe zu finden. „Klar“, quittiert Pamphilus ironisch, „so eine wie eben gerade!“ In diese verfahrene Situation platzt nun auch Charinus: Kein Verlass sei auf eines Menschen Versprechen, Glaubwürdigkeit und Schamgefühl (fides und pudor in 637 f.). Pamphilus ent-

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schuldigt sich: Er habe unwissentlich sich und den Freund ins Unglück gebracht. Keineswegs, kontert Charinus: Als er gemerkt, dass Charinus die Chremes-Tochter liebe (somit für liebenswert erachte), da habe sie auf einmal auch Pamphilus gefallen (645). Nur mühsam gelingt es Pamphilus, dem Eifersüchtigen klar zu machen, dass dies ganze Unheil Davus’ Tun sei (660 ff.). Aber da kommt Mysis: Glycerium habe sie nach Pamphilus geschickt, sie ängstige sich um Pamphilus’ Treue. Da bricht aus dem jungen Mann sein ganzer Jammer in Form eines neuerlichen Treueschwures heraus (694), und am Ende kommt er sich selber großartig treu vor: quis videor?, fragt er in 702, indem „er sich plötzlich distanziert und sich gleichsam selbst betrachtend in seiner Rolle bespiegelt“ (Büchner [1974] 94): Ein seltsamer Zug, der doch wohl den Jungen als noch recht unfertig zeigen sollte. Währenddessen grübelt Davus noch immer, doch auf einmal ruft er aus: „Ich hab’s!“ (704), lässt sich aber nicht über seinen neuerlichen Plan aus. Charinus geht heim, Davus um Hilfe bittend: Er werde zu Hause warten. Pamphilus war schon vorher zu Glycerium gegangen, nun läuft auch Davus ins Haus der Glycerium und kommt gleich darauf wieder heraus, mit dem Säugling auf dem Arm. Da kommt auch Mysis. Sie hat von der nun doch stattfindenden Hochzeit vernommen und klagt, wie Charinus eben gerade, über die Untreue der Menschen – auch sie sich irrend. Da erblickt sie das Kind im Arm des Davus: „Wohin schaffst du das Kind?“ Nun spricht Davus sie an: „Leg’ das Kind bei uns vor die Tür! Hol’ irgendein Grün, leg’s drunter!“ Will er das Kind auf den Altar legen, gleichsam als Bittflehenden? Aber da kommt Chremes, und der wendige Davus ändert die Strategie (733): Er werde herbeischlendern, so für sich hin, und Mysis soll ihm ganz nach dem Munde reden beim Dialog mit Chremes. Mysis stimmt zu, denn „er wisse ja doch alles viel besser“ (738): plus vides, „a common phrase“(Shipp). Chremes kommt, nachdem er (auf dem Markt) alles besorgt, zu seinem Haus, um seine Tochter zu holen; Davus schlendert herbei, irgendetwas daherredend, um den Anschein zu erwecken, er komme ganz absichtslos.248 Da erblickt Chremes denn auch das Kind: „Frau, hast du das hier hingelegt?“ Und nun folgt eine gekonnte Szene, in der Davus Mysis, die nie ganz versteht, dazu bringt, die Herkunft des Kindes im Gespräch mit ihm, Davus, vor den Ohren des lauschenden Chremes zu enthüllen: Es ist des Pamphilus Baby (765). Davus will dabei den Anschein erwecken, er glaube nicht daran („Ein Trick jagt bei euch den anderen“: 779) und fügt hinzu: Man rede ja wohl insgeheim sogar davon, Glycerium sei eine attische Bürgerin. „Ja, ist sie’s denn nicht?“, protestiert Mysis, ehrlich über Davus’ Redereien aufgebracht. Da hat Chremes genug gehört. „Um Gottes willen – hast du das alles mit angehört?“, erkundigt sich Davus schein-

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heilig. „Entsetzlich, man muss diese Klatschbase hier umbringen!“, und zischt sie heimlich an: „Um den hier geht’s! Ich mein’ es ehrlich mit euch!“ (787). Am Ende dieser Komödie in der Komödie besänftigt Davus die Dienerin: Anders ging’s nicht, und es ist doch wohl besser, wenn einer „aus dem Bauch“ heraus redet (ex animo, 794) und ganz, wie die Natur es ihm eingibt, so wie sie es gerade getan habe, als wenn er präpariert sei (seltsam missverstanden bei Büchner 100). Die Situation ist so verfahren wie nur möglich: Simo wird nach Pamphilus’ erneutem Treueschwur die beabsichtigte Hochzeit jetzt nicht mehr ohne eine Auseinandersetzung mit dem Sohne durchführen können; Pamphilus ist gespalten: Er steht dem Vater gegenüber ebenso im Wort wie gegenüber Glycerium; Chremes ist wegen des neuerlichen Umschwunges verärgert, und Charinus ist keinen Schritt weitergekommen (obschon für ihn der Weg jetzt frei wäre, um die Hand der Chremes-Tochter anzuhalten), und Davus ist ob seiner Listen so gefährdet wie nie zuvor. So endet dieser vorletzte Teil des „Akts“.249 Die letzte Szene des vierten Aktes beginnt mit einer Überraschung: Ein Unbekannter tritt auf: Hier müsse Chrysis gewohnt haben, die es vorzog, im Ausland unehrenhaft reich zu werden, statt zu Hause bescheiden, aber ehrlich zu leben (796 ff.). Mysis erkennt den Vetter der Chrysis sofort, und er sie: „So ist denn Chrysis …? Ach je …!“, feiner kann man kaum vom Tode der Verwandten reden, und dann: „Hat Glycerium ihre Eltern gefunden?“ Das ist nach Lefèvre (1971, 38) ein Hinweis darauf, dass Glycerium ebenso wie Mysis über die Herkunft des Mädchens wenigstens teilweise Bescheid wissen. Sie suchte ihre Eltern, und das bedeutet: Diese Eltern müssen Freie gewesen sein. Der angereiste Crito („Der Entscheider“), als er hört, die Suche sei vergeblich geblieben, bedauert das, denn eigentlich wollte er sich des Erbes versichern, aber Glycerium – sie galt stets als die Schwester der Chrysis – in Armut stürzen, das will er keinesfalls (814 f.). Hoffentlich hat sie einen Freund und Beschützer; alt genug müsste sie ja sein, denn Andros verließ sie, als sie schon nicht mehr Kind war. So vorgestellt mit Namen und Erscheinungsgrund, geht er hinein. Die Bühne wird leer, Aktschluss. Wie zu erwarten war, kommt Simo jetzt auf die Bühne; er spricht mit Chremes, der eine neuerliche Bitte um die Hochzeit ablehnt: Er hätte beinahe das Leben der Tochter aufs Spiel gesetzt (822). Simo aber akzeptiert die neuen Fakten noch immer nicht; immer noch glaubt er an Ränke wie in 524:250 Alles Mache, alles vorgetäuscht (836). Es ist nun (vgl. in 576 den Vertrauensgrund des Simo) Chremes, der sich auf des Davus Reden und Miene verlässt und auch darauf, dass die Reden zwischen Davus und Mysis echt waren, weil sie (so wird er denken) einander nicht bemerkt und darum auch nicht verabredet hätten (839; gut Kruschwitz 40, Anm. 52).

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„Das glaub’ ich gern“, ist Simos Antwort, das Spielchen haben die längst vorher geplant, denn: „Davus hat mich davor gewarnt“ (das war in 507f.) – ein Wirrwarr an Irren und falschem Verlass. Davus steckt also hinter allem, und da kommt er auch schon. Er spricht beruhigende Worte zurück zu Glycerium, ermutigende zu sich: „Passender hätte kein anderer kommen können!“ (844). „Schurke – wen lobt er so?“, fragt Simo. Davus spricht doppeldeutig: „Drinnen ist alles bereitet, hol’ herbei, wann immer du willst“ – wen wohl? Shipp (1960) meint, er spräche zu Chremes und meinte Philumena, Büchner (1974, 102) spricht von „Ablenkungsmanöver“; die Worte bleiben unklar. Klar aber muss er antworten auf die Frage, was er bei Glycerium zu suchen habe, er muss mit der Wahrheit heraus: Er war mit Pamphilus zusammen dort (851), „wohl um“, wie Chremes ironisch bemerkt, „mit Glycerium zu streiten“. Chremes mag scherzen, aber für Simo bricht eine Welt zusammen (Oppermann 332): Heimlich ging Pamphilus zu Glycerium! Aber wer genau Crito ist, das sagt Davus nicht, nur dass es nach wie vor (vgl. 552, 575) Streit zwischen Glycerium und Pamphilus gebe (853). Warum flunkert er? Versucht er, das Spiel von 507 ff., nämlich alle Ränke auf Glycerium abzuwälzen, noch einmal, um sein Fell zu retten? Will er es dadurch retten, dass er behauptet, der Ankömmling sehe zwar wie ein ernster, verlässlicher Mensch aus, aber die Nachricht, die er überbracht habe, Glycerium sei attische Bürgerin, sei ein Märchen? Immerhin sagt er, der Mann habe sicheres Wissen darüber (scire, 859). Das reicht: Wütend schreit Simo nach einem anderen Diener und lässt Davus trotz besänftigender Worte des Chremes gebunden abführen (865). Dann ruft er Pamphilus heraus. Er tobt, Chremes sucht zu mildern, es fruchtet nichts: Vor lauter Zorn verfällt er in 878 ff., als er vom eigenen Sohne spricht, in die dritte Person, wie Donat fein bemerkt: „Schämt er sich denn gar nicht?“ Pamphilus antwortet mit einem Aufschrei: „Ich Armer!“ Und nun folgt eine erschütternde Klage des Alten: „Ich Armer!“, das hätte er früher sagen sollen, bevor er wider alles Recht sich auf diese Liebe einließ. Und wieder fällt er in die distanzierende dritte Person: „Soll er sie haben! Soll er mit ihr leben!“ Damit verstößt er den Sohn (889). „Vater!“, so drängt sich der unglückliche Sohn, Schlimmstes befürchtend, an ihn. „Was ‚Vater‘?! Den brauchst du nicht, hast ja alles: Frau, Kind und einen, den ihr beigebracht habt, um sie als Bürgerin hinzustellen.“ Da bricht der Sohn zusammen: „Ja, ich liebe sie. Aber (du bist mir lieber, so muss man ergänzen) ich gebe mich in deine Hand.“ Der Vorwurf, den Vater betrogen zu haben, wiegt zu schwer (Oppermann 335), die Angst, verstoßen zu werden, ist zu groß. Da tritt Crito aus dem Hause der Glycerium. Noch immer glaubt Simo an Lug und Trug (909). Doch als der wie ein euripideischer Deus ex machina die Geschichte vom Schiffbruch eines attischen Kaufmanns bei

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Andros erzählt und dass Glycerium mit ihm gerettet wurde, dass die beiden bei Chrysis’ Vater aufgenommen wurden, der ein Verwandter des Crito war (926 f.),251 da stellt sich heraus, dass der Vater der Glycerium Phanias geheißen habe und von Rhamnus herstammte, dann auf Andros gestorben sei. Vor allem: Das Mädchen war nicht die Tochter des Phanias, sondern von dessen Bruder: „Sie ist mein!“, schreit Chremes auf, und dann stellt sich auch das letzte Beweisglied ein: Sie hieß einst nicht Glycerium, sondern Pasibula (945), ein Name, den auch Pamphilus aus ihrem Munde oft gehört. Nun sind alle Wege offen, Pamphilus kann Pasibula heiraten und ist mit dem Vater versöhnt, dazu kann Charinus jetzt um Philumena werben252 und wird erhört, Davus ist bald aller Fesseln ledig.

Die Bedeutung der „Andria“ Deutet dieses Stück auf etwas Wichtiges? Was bezweckte Menander mit dem Original der „Andria“ und Terenz mit seiner Nachdichtung?253 Kruschwitz (2004, 45) las die „Andria“, „nüchtern und vordergründig betrachtet“, als das „Scheitern Simos“ und als die „glückliche Auffindung von Chremes’ verlorener Tochter“. Bereits Donat hatte Simo als den Protagonisten hingestellt (Kruschwitz 45, Anm. 65), und auch Oppermann ging von seiner Person „in der Betrachtung der Grundlinien des Dramas“ aus (323). Tun wir ein Gleiches; aber wir betonen, dass es eine weitere Ebene der Betrachtung gibt. Doch zunächst die Ebene der Charaktere. Die vordergründige Entwicklung der Handlung bildet die Aufklärung eines Irrtums, oder: eines Irrens, nämlich des Irrens des Simo. In I 1 sehen wir, wie er, der um des Sohnes willen, welcher gern mit seinen Freunden ins Nachbarhaus zu Chrysis ging, zu ihrer Bestattung mitgegangen war und dabei erkannt hat, dass zwischen dem Sohn und Chrysis’ Schwester ein consuetus amor bestand (135). Anstatt sich nun beim Sohn genauer nach dieser Liebe zu erkundigen, erweckt er den Schein einer Hochzeit mit Chremes’ Tochter – warum? Gewiss, er will für Pamphilus (den „Allseits Beliebten“) das Beste, will eine standesgemäße Heirat und nicht eine mit einer Ausländerin (146, 469). Liebe zum Sohn mischt sich mit Liebe zu sich selbst, denn er will seine Vorstellungen verwirklichen (Oppermann [1973] 324) und nebenbei auch die Freundschaft mit Chremes festigen (538). Darüber spricht er nun aber nicht offen mit dem Sohn, sondern täuscht ihn (Oppermann [1973] 323), weil er meint, alles Bisherige reiche nicht aus, um den Jungen zu stellen, ihm Vorwürfe zu machen (142, 150, 154, 158) und zu einem anderen Leben zu zwingen. Von Glyceriums Schwangerschaft, beider Entschluss, das Kind anzuerkennen, und von ihrem Reden von Freibürtigkeit (215–224)254 weiß er nichts.

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Simo, statt mit dem Sohne offen und verständnisvoll zu sprechen, befiehlt die Hochzeit (252 f.) und stürzt Pamphilus in ein Gefühl, das sich aus Sohnes- und Frauenliebe mischt (261 ff.). Die Liebe zur Frau obsiegt zunächst (279 ff.), und so muss intrigiert werden. Davus durchschaut den Trick der fingierten Hochzeit (363 ff.), weiß, dass Chremes inzwischen seine Zusage widerrufen hat (391 f.), und von diesem festen Grunde aus rät er Pamphilus zuzustimmen: Der Vater werde befriedigt und es werde ja doch nichts aus der Hochzeit. Als Pamphilus ihm aber eröffnet, er wolle das Kind anerkennen, ist Davus erschrocken, und Pamphilus bittet ihn, darüber zu niemandem zu sprechen: Heimlichtuerei also auf allen Seiten. Simo ist, weil er genau weiß, dass er selber mit verdeckten Karten spielt, misstrauisch (404 captent consili ist so viel wie „Intrigen betreiben“),255 aber das Misstrauen löst sich auf, als Pamphilus seine Zustimmung verspricht (420). Dies Zustimmen wird nun der feste Grund des Simo sein (527), von dem aus er alles, was nun geschehen wird, im Sinne einer Fiktion Glyceriums glaubt auslegen zu können. Als Mysis von dem Neugeborenen berichtet, ist er zwar zunächst erschüttert („Ist er verrückt? Ein Kind von einer Ausländerin?“, so in 469, vgl. 146), aber da er Pamphilus vertraut, denkt er sofort um: „Die simulieren, um Chremes abzuschrecken“ (472). Davus spielt vor ihm dieselbe Melodie: Da komme viel zusammen, um alles als Intrigieren seitens der Glycerium aufzudecken (511 ff.); er, Davus, ganz allein habe Pamphilus gerettet (wie Simo es in 190 verlangt hatte): 519. Simo glaubt dem schlauen Diener nicht ganz (524), aber er baut auf den festen Grund von Pamphilus’ Versprechen (527). Daher verlässt er sich auf die Schuldzuweisung des Dieners an Glycerium und darauf, dass Pamphilus (so hatte ja Davus suggeriert) anders denkt, und zwar so sehr, dass er den Faden weiterspinnt und aus der Heiratsbereitschaft des Sohnes auf ein Zerwürfnis mit Glycerium schließt (irae 552) und die Schreie der Glycerium für Täuschung erklärt (558). Und worauf stützt er sich dabei? Auf die „Worte des Davus“ (576), dem er eben noch misstraute (404, 524). So weit geht die „Rechthaberei seines Verstandes“ (Oppermann 325). Immerhin gelingt es Simo, den Chremes umzustimmen, und Davus’ „fester Grund“ ist zerbröckelt (601), Pamphilus anscheinend vernichtet (III 5). Er schwört angesichts von Glyceriums Not, immer bei ihr zu bleiben (694). Simo hingegen verlässt sich immer noch auf das Wort des Sohnes, auch dann, als Chremes von dem Kind berichtet, das er als das des Pamphilus gesehen (779 ff.). Chremes seinerseits verlässt sich dabei ganz auf die „unverstellte Miene“ des Davus (839) – beide Väter verlassen sich auf irgendetwas Unsicheres. Der Schein, dem Simo unterliegt, erhält nun aber einen ersten Einriss, als er sieht, dass Pamphilus zu Glycerium gegangen ist (und daher von irae keine Rede sein kann), daher sagt er in 851 crucior miser.256 Er ahnt, dass Pamphilus an dem Täuschungsmanöver, das sich gegen ihn,

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den Vater, richtete, beteiligt ist, denn an Täuschung seitens Glyceriums glaubt er immer noch: Crito sei zu seiner Aussage „angestellt“ (adducti, 892), und zwar offenbar mit Wissen des Sohnes. Da bricht Pamphilus zusammen: In den Geruch, den Vater zu betrügen, will er nicht geraten; er will nicht verstoßen werden, und so gibt er das Mädchen auf (96 ff.): Eine „große Szene“, wie Oppermann (333) sie nennt. Das Ende ist bekannt. Worauf deutet dies alles nun? Was ist der Sinn? Büchner (1974, 81) versteht Simo als einen harten, Schrecken um sich verbreitenden Vater (besonders wegen 210 f.), ja als „Mitgiftjäger“,257 und sieht in der Charakterisierung des Vaters Brüche, die er auf die „Kontamination“ von Menanders „Andria“ und „Perinthia“ zurückführt. Doch das Wort des Sklaven, dass mit Simo nicht gut Kirschen essen sei, scheint von Büchner überfordert, und ein Mitgiftjäger ist er ganz bestimmt nicht. Oppermann las das Drama gleichsam euripideisch als ein Spiel um Schein und Wahrheit im Sinne Karl Reinhardts, und glaubte, dass die Thematik „Trug und Wahrheit“ bei Menander (und daher in Terenzens „Andria“) die wichtigste Rolle spielt, zusammen mit dem Motiv eitlen Vermutens nach Menanders Vorgang (Frg. 227 Körte): „Woher wir kommen, wissen wir nicht, wir vermuten es nur immer und haben eine Ansicht“ (doch worauf sich dies im Einzelnen bezieht, bleibt ungewiss). Wir sind hier nicht aufgerufen, den Streit der Interpreten aufzulösen; aber so viel ist eindeutig, dass es um „Offenheit und Vertrauen“ (Oppermann 323) geht, dass gezeigt wird, wie nur ein glücklicher Zufall eine Tragödie aus Unvertrauen (Verstoßen des Sohnes oder der Geliebten, dies die Alternative) vermeidet. Wollen wir hier einhalten und uns einer anderen Art der Betrachtung zuwenden. Sie ist bereits deutlich geworden, als wir zeigten, auf wie unsichere Daten sich die Handelnden stützten. Und das heißt, dass man hier nach der euripideischen Ebene eine gleichsam thukydideische betritt: Die Akteure treffen auf Anzeichen („tekmeria“, Thuk. 2, 39, 2 Anf.) und bauen darauf ihre ganz ungewissen Schlüsse und Vermutungen (zum Beispiel 364, 474, 491 [Oppermann 331], 476, 645, 839), und auf diese dann auch ihr Handeln. Man sollte dieses Aufzeigen der Brüchigkeit von coniecturae (512) nicht unterbewerten: Es war ganz sicher auch dies ein Anliegen Menanders und des Terenz zu zeigen, welche Not aus falschen, weil ungesicherten und unbefragten Vermutungen kommt.

„Eunuchus“ Dieses Stück führte Terenz 161 v. Chr. auf und hatte großen Erfolg damit: Es wurde gleich noch einmal gespielt und brachte dem Verfasser viel Geld ein.258 Was die Vorlage des Terenz für dies Drama angeht, so gibt der Ver-

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fasser selber im literarkritischen Prolog über sie Auskunft: Nachdem Terenz das Stück an die Ädilen259 verkauft hatte, setzte sein Kritiker Luscius durch, dass in seiner Gegenwart das Stück vorgeführt würde. Als die Beamten zur Prüfung eingetroffen waren, wurde mit der Prüfung begonnen, und alsbald schrie Luscius, Terenz sei ein Dieb (23): Naevius und dann auch Plautus hätten einen „Colax“ („Schmeichler“, so ein Stück Menanders260) geschrieben, und Terenz habe die Figur des Parasiten und Offiziers daraus entnommen und in Menanders „Eunuchos“, in die Hauptvorlage, eingeflickt. Terenz gibt auch sofort zu, dass sein Parasit und sein Bramarbas daher stammen, leugnet aber, die Figuren dem Naevius oder Plautus gestohlen zu haben: Er habe nicht gewusst, dass Naevius und Plautus diese Figuren schon einmal verwendet hatten. An dieses Geständnis des Terenz hat sich ein wahrer Rattenschwanz von Untersuchungen gehängt.261 Die Eröffnungsszene ist berühmt geworden.262 In ihr fragt sich Phaedria, der Liebhaber der Hetäre Thais, ob er nun zu ihr gehen solle, nachdem sie ihn, der doch jeden Tag zu ihr ging, für heute ausgeladen und dann doch wieder gerufen habe. Auch diese Szene ist eine „Meisterszene“ und wert, bei ihr etwas länger zu verweilen.263 Gleich die ersten Worte zeigen die Seelenlage Phaedrias: „Soll ich nicht gehen? Nicht einmal jetzt, wo sie mich ruft?“ Das „Nicht einmal“ legt offen, dass er am liebsten gehen würde. Das vermeintliche Unrecht, das man an ihm verübt hat, schmerzt jedoch: „Oder soll ich mir doch lieber nichts gefallen lassen?“ Ausgeschlossen, zurückgerufen – da soll er gehen? Da schlägt das Pendel in die andere Richtung aus: „Nein, auch wenn sie mich bittet!“264 Denkpause, dann folgt265 in veränderter, längerer Sprechweise: „Wenn es geht, nur nichts überstürzen!“ Man muss, wenn man einen Entschluss gefasst hat, diesen durchhalten und ja nicht, wenn man’s nicht mehr (vor Liebe) aushalten kann, von sich aus ungerufen und ohne Friedensschluss (53) wieder hingehen: Dann ist’s aus, und sie tanzt einem auf der Nase herum. „Darum, solange es noch Zeit ist, denke nach, viel nach …!“ (56). Nun der Diener: Was weder Plan noch Maß in sich hat, kann man nicht planen wollen. In der Liebe herrscht nun einmal so Schlimmes wie Kränkungen, Verdächtigungen, Feindschaften, Waffenstillstände, Krieg und wieder Frieden. Das alles schwankt hin und her, und wer das mittels des Verstandes festmachen will, der will mit Verstand verrückt sein (63). „Und was du jetzt, gekränkt wie du bist, überlegst: ‚Soll ich die …, welche den da …, die mich …, die nicht … – Soll sie nur, lieber sterbe ich! Sie wird sehen, was für ein Kerl ich bin!‘266 – ein einziges Tränchen, mühsam abgepresst, und du kriechst zu Kreuze!“ (69). „Welch’ schändliche Tat!“, ereifert sich Phaedria: Hat er dem Diener überhaupt zugehört? Er vermeint, jetzt erst so recht begriffen zu haben, was für ein Biest Thais

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und wie vernichtet er selber ist. „Ich hasse sie und brenne doch vor Liebe, wissentlich und bei vollem Bewusstsein, lebendig und mit offenen Augen gehe ich vor die Hunde – und weiß doch nicht, was tun!“267 Parmeno greift dies auf: „Was tun? Nichts als dich loskaufen, so billig wie möglich – und ja keine Aufregung!“ An dieser Szene ist manches sehr interessant: Zunächst ist deutlich, dass sie mit einer wohlbekannten Redeform beginnt, mit dem rationes putare, dem mit sich zu Rate gehenden Selbstgespräch: „Soll ich? Soll ich nicht?“, usw. Dann greift Parmeno zu einer eskalierenden Reihe von vitia in der Liebe; Barsby kommentiert Einzelnes aus ihr, aber insgesamt ähnelt sie Horaz (Ep. 1, 19, 48 f. und anderen Reihungen)268 so sehr, dass man sagen darf, der Diener bedient sich hier – nach dem Willen des Dichters – eines hellenistischen Philosophems. Dann v. 70: Der Vers scheint auf v. 46–55 zurückzugehen und keine Antwort auf Parmenos Gerede zu sein, dem der in sich versunkene Phaedria (er wollte ja nachdenken, noch und noch [56]) gar nicht zugehört hat. Er reagiert nicht auf Parmenos Worte, sondern auf sein eigenes Empfinden, wenn er sein „Gemischtes Gefühl“269 ausdrückt. Der Diener hatte zunächst den Herrn dem Vorwurf ausgesetzt, der werde doch klein beigeben (69f.); auf den Ausbruch Phaedrias hin rät er nun zum „Loskaufen“,270 und das auch noch durch Feilschen! Und er fügt den Rat hinzu, sich nicht aufzuregen – und das in dieser Lage! „Das soll dein Rat sein?“ „Ja, wenn du klug bist“: Da wäre wieder der Verstand, und das Gespräch hat sich im Kreis gedreht. Das Gespräch zeigt einen verzweifelnden Herrn und einen beratenden Diener, der aber in sich Widersprüchliches vorbringt, vorschnell, realitätsfern, ohne wirkliches Verstehen. Diese Konstellation hat ihre Vorläufer, von Euripides (Ion 725 ff.) angefangen.271 Wir lesen also eine sehr voraussetzungsreiche Meisterszene, deren letztes Wort das vernünftelnde recte feras ist (78). Wie dieses „aufrecht Durchstehen“ aussieht, wird sich sogleich zeigen. Mit einem miseram me, also einem Klageton, wie der Phaedrias es war, tritt nun Thais auf; sie befürchtet „überraschenderweise“, wie Kruschwitz (75) zu Recht bemerkt, dass Phaedria ihr die Abweisung verübeln könnte. Der erschauert, als er der Geliebten ansichtig wird, der Diener macht alberne Glossen, dann aber bricht aus dem jungen Verliebten die Seelennot hervor: „O Thais, Thais, wenn wir doch nur in gleicher Stärke einander lieben könnten!“ (91 f.), ein catullischer Klang, dann erklärt die Frau alles (hier arbeitet Terenz die Vorgeschichte ein): Ihre Mutter sei eine Samierin gewesen, lebte jedoch auf Rhodos (107); ein Kaufmann habe ihr ein kleines Mädchen geschenkt, das von Seeräubern aus Sunium geraubt worden und vielleicht freie Bürgerin war. Die Namen der Eltern habe die Kleine gewusst, mehr nicht. Das Kind habe die Mutter genauso wie die Thais er-

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zogen, ja die Kleine habe man für Thais’ Schwester gehalten (118). Dann habe Thais Rhodos mit einem hospes, einem Liebhaber (119) verlassen, sei hierher nach Athen gekommen, und als der starb, vermachte er ihr all seinen Besitz, so erzählt sie, ungerührt von den schnöden Bemerkungen des Sklaven. Dann begann sie ein Verhältnis mit einem Offizier (125),272 der dann aber bald nach Karien in den Krieg zog. Nun starb neulich die Mutter, und der geldliebende Onkel verkaufte das gut erzogene Mädchen kurzerhand, und zwar – wie die Tyche so spielt – dem Offizier, der aus Karien zurückreiste. Der brachte das Mädchen hierher nach Athen. Als er dann aber merkte, dass Thais es liebend gern gehabt hätte, inzwischen aber Phaedria zum Liebhaber genommen hat, da zögert er nun mit der Übergabe und erpresst Thais, vielleicht aber hat er sich auch in das junge Ding verguckt. Und darum, so bittet Thais, möge Phaedria ein paar Tage dem Mann den Vortritt lassen. Sie wolle das Mädchen ihren Eltern zurückgeben, um sie zu Schützern zu gewinnen, sie, die allein und ohne Freunde lebe (147). Phaedria braust auf, glaubt ihr kein Wort, beschimpft sie als undankbar, wo er ihr doch eben gerade ihrem Wunsch gemäß ein äthiopisches Mädchen und einen Eunuchen gekauft habe (165 ff.). „Nun gut“, antwortet die ihn aufrichtig liebende Thais (171), „obschon ich das Mädchen gern von dem Offizier befreien würde, will ich dir nachgeben“, und Phaedria jubelt: Wenn das wahr wäre, könnte er alles ertragen! Man einigt sich dann doch in Thais’ Sinne auf zwei Tage Abwesenheit. Phaedria geht mit dem Diener in sein Haus, Thais aber gesteht in einem Selbstgespräch: „Keiner ist meinem Herzen so nah wie Phaedria“ (200 f.). Und dies Leid habe sie Phaedria zufügen müssen des Mädchens wegen; heute noch werde deren Bruder kommen, ein vornehmer junger Herr.273 Er wird das Mädchen vielleicht identifizieren können. Ihn hat Thais inzwischen auffinden können. Nach dem Abgang der Frau tritt Phaedria mit dem Diener wieder aus dem Hause, er ist abmarschbereit, will nun gar für drei Tage aufs väterliche Landgut. Er trägt dem Diener auf, Äthiopierin und Eunuchen zu Thais zu schaffen, wiederholt seine Instruktionen, nervös stammelnd wie Polemo in Menanders „Perikeiromene“ (514ff) oder (maßlos übertrieben) Agorastocles im plautinischen „Poenulus“ (428 ff.). Der Diener spottet über des Jungherrn Mut, gar drei Tage auf dem Lande zuzubringen, dann ist er allein (231). Aber nicht lange steht er allein vor dem Haus, es kommt der Parasit des Rivalen Phaedrias, Gnatho (der „Kiefer“), der das von Thais so gewünschte Mädchen (ihre „Schwester“) überbringen soll. Er wirft sich in die Brust als Erfinder einer neuen Schmeichler-Kunst, ja er hat eine Sekte gegründet, wie die Platoniker es sind, nämlich die „Gnathoniker“ (264),274 und nach über dreißig Versen275 sieht er endlich Parmeno, den er weidlich ob

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des Sieges der Gaben seines Herrn (des Offiziers) über die von Parmenos Herrn (Phaedria) verspottet. Siegesfroh liefert der Meister-Schmeichler das Mädchen im Haus der Thais ab und geht dann ohne weiteres Gerede zu seinem Herrn zurück. Wieder bleibt Parmeno allein, wieder nicht lange, denn da kommt sein jüngerer Herr herbeigerannt, ganz aufgelöst. Urlaub habe er bekommen vom Wachdienst im Piräus, wo er sein Ephebenjahr zubringt, habe ein Gastmahl mit Freunden verabredet und auf dem Weg nach Hause, da habe er ein hinreißendes Mädel gesehen, sei aber aufgehalten worden, und nun sei ihm die Schönheit aus den Augen gekommen. Oh weh, denkt sich Parmeno, nun auch der noch! Und wenn der sich in eine Liebesgeschichte stürzt, dann wird’s wilder hergehen als im Falle des älteren Bruders (300 f.). Ja, er liebe, gesteht der junge Mann, Chaerea mit Namen, und Parmeno müsse ihm helfen, das Mädchen wiederzufinden: „Mit Gewalt oder heimlich oder mit Geld“ (319), aber her muss sie! Als Parmeno sich genauer erkundigt, merkt er, dass Chaerea das Mädchen meint, das eben der Parasit in Thais’ Haus brachte (352). „Mach, dass ich sie kriege!“, lautet der Auftrag des Jungherrn (362). Was ist der Eunuch, der mit dem Mädchen zusammen abgeliefert wurde, zu beneiden: So nahe bei dem süßen Kind (367 f.)! „Nun, nimm dessen Kleider und gehe als der Parasit hinein, den Phaedria für Thais gekauft hat!“, so lautet der nur so hingeworfene Einfall des Parmeno (372 ff.).276 Begeistert geht Chaerea auf ihn (mit einem Umspringen des Metrums)277 ein. Da hilft aller Widerstand des verängstigten Parmeno nichts: Chaerea ist entschlossen, der Hetäre diesen Streich zu spielen,278 und geht zu diesem Behufe in sein Haus, um die Verkleidung vorzunehmen. Was nun folgt, ist erneut eine Meister-Szene.279 Der Offizier erscheint mit Gnatho vor dem Haus der Thais, um sie zum Gelage abzuholen, gleich darauf erscheint Parmeno,280 um nachzusehen, wann der günstigste Augenblick sein wird, seinen „Eunuchen“ hinüberzubringen (395). Thraso erkundigt sich in schneidigem Kasinoton (er spricht in unflektierten Infinitiven), ob Thais ihm dankbar sei (für seine Gabe, nämlich die vermeintliche „Schwester“ der Thais). „Ungeheuer“, ist die Antwort. „Sag’, freut sie sich?“ „Sehr, aber noch mehr darüber, dass gerade du der Geber bist: Darüber triumphiert sie!“, so antwortet Gnatho dem Krieger kriegerisch. „Das ist mir halt so angeboren“, und nun folgt die Geschichte (die Gnatho längst kennt), wie der Perserkönig den Helden stets im Auge „getragen“ habe (401 f.): Es mischen sich hier die Ausdrücke „im Auge haben“ und „im Herzen getragen“, aber daran nimmt das Großmaul keinen Anstoß; es folgt weiterhin die aus Ennius geborgte Episode (Annalen frg. 275 Skutsch), wie der König, „wann immer er sich erholen wollte, da wollte er quasi – äh, wie war das doch noch?“ „Quasi die schlechte Laune aus dem

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Gemüte spucken“,281 greift Gnatho, der seinen Ennius kennt, aber vergröbert, unter die Arme; und es folgen noch mehrere Rodomontaden dieser Art, zuletzt die ungeheuer witzige Abfertigung eines jungen Burschen, der sich an des Thraso Liebchen herangemacht hatte: „Ein Hase bist du, und willst an die Pastete?“ (425 f.), ein Witz, der voraussetzt, dass doch wenigstens die Maßgebenden unter Terenzens Zuschauern ihren Livius Andronicus kannten.282 Und so fürchteten denn alle den großen Mann (432). Diesen Szenenteil mit den lateinischen Literaturwitzen hat ersichtlich Terenz in den „Eunuchus“ Menanders hineingedichtet, vielleicht auf Anregung von Stellen aus dem „Kolax“, denn dort gibt es ein Fragment,283 das aus einer Szene stammt, in welcher der Parasit seinen Helden verspottet und unter anderem sagt: „Ich muss lachen, weil ich mich über das Witzwort gegen den Mann aus Zypern erinnere.“284 Dann aber folgt etwas recht anderes: Der Offizier wird auf einmal ein wenig unsicher bei dem Gedanken, Thais könnte vermuten, er habe ein Auge auf das Mädel geworfen (434). Ulrich Knoche (1936, 158ff.) erblickte in dem Offizier dieses zweiten Teils von III 1 einen ganz anderen Thraso als den des ersten Abschnitts, einen feineren und weicheren, und in der Tat stimmt er Gnathos perfidem Plan, Thais mit dem Mädchen eifersüchtig zu machen, nur unter der Bedingung zu, „wenn sie mich bloß liebt“ (446).285 Thais hat die Stimme des Offiziers vernommen und kommt heraus, Thraso drängt sie, mit ihm zum Gastmahl zu gehen, da aber kommt Parmeno mit seiner Äthiopierin286 und mit seinem Pracht-Eunuchen Chaerea. Die erste Gabe wird von Thraso verspottet, die zweite geil (479) bestaunt, dann führt Thais ihre Geschenke ins Haus. Thraso hat es eilig, befiehlt Gnatho, auf Thais zu warten (494), was Parmeno mit der galligen Bemerkung quittiert, es schicke sich ja auch nicht für einen Feldmarschall, mit einem Liebchen über die Straßen zu spazieren, was wiederum Gnatho erheitert, weil es ihn daran erinnert, wie Thraso (vorgeblich) einen solchen Spötter einst abfertigte. Dann aber, als Thais erscheint, heißt Thraso seinen Parasiten, heim zu eilen, auf dass alles wohl vorbereitet sei (499) – ein umstrittener Vers: curre bieten die Handschriften und auch Donat, zu cura änderte Palmerius, dem viele Spätere folgten (Marouzeau, Ludwig [1973] 387, Barsby), nur Lindsay-Kauer und Knoche behielten curre bei, das Büchner (1974, 258) ablehnte, weil bei Plautus wie bei Terenz „auf das curre nie ein ut finale folge“. Nun ist das keine gute Begründung, denn der ut-Satz kann sehr wohl ein „verselbständigter abhängiger Satz“ (HS 456 kurz vor der Mitte) sein, vgl. KS 2,1; 187, Anm. 3). Und curre ist selbstverständlich die schwierigere Lesart, die leichter zu cura werden konnte (wenn man dies als terenzisch annimmt) als umgekehrt. Ich meine, es muss dabeibleiben, dass der Soldat seinen Begleiter zum Laufen antreibt, eilig, wie er selber ist. Das allerdings würde bedeuten, dass hier ein Rest einer

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Szene stehen geblieben ist, in welcher der Rivale einen Mann bei sich hatte, mit dem er so umspringen konnte, einen Diener. Und eben dies nimmt man heute an: Dass bei Menander ein Offizier mit einem Diener auftrat, nicht mit einem Parasiten.287 Nach diesem kurzen Einblick in die „Eunuchus“-Philologie soll es nun zügig weitergehen. Hier nun setzt die Chremes-Handlung ein: Chremes, der Bruder des Mädchens, um das es der Thais ging, war auf „heute“ bestellt (Thais kannte ja die Namen von deren Eltern, konnte daher erfolgreich Nachforschungen nach der Familie unternehmen). Er ist misstrauisch – eine Hetäre bestellt ihn zu sich! Mürrisch lässt er sich zum Gastmahl des Offiziers führen, um Thais dort zu treffen (III 3). Erneut wird die Bühne leer. Kopfschüttelnd tritt nun Antipho, einer der Freunde Chaereas, auf, mit welchen der Bruder Phaedrias sich zu einem Umtrunk verabredet hatte; aber der war nicht gekommen, und so sieht Antipho einmal bei ihm zuhause nach.288 Aber da kommt Chaerea auch schon aus dem Haus der Thais, verkleidet als Eunuch, was Antipho einen Entsetzensruf entlockt. Er tritt zur Seite, um zu hören, was der Freund vorzubringen hat (Büchner wunderte sich zu Recht über diesen Umweg). Chaerea ist im „Siebten Himmel“.289 Als ungefährlichem „Eunuchen“ hatte man ihm aufgetragen, während alle anderen badeten, sich um das auf seinem Bette erschöpft liegende Mädchen zu kümmern. Er fächelte ihr, wie geheißen, kühle Luft zu, erblickte ein Wandgemälde290, auf dem zu sehen war, wie Zeus zu Danae kam, und meinte, aus dem Tun des Gottes eine Berechtigung für eine ähnliche Vergnügung ziehen zu dürfen: Ego homuncio hoc non facerem? Nun jubelt er über seinen Spaß. Er äußert nicht das geringste Mitgefühl mit dem vergewaltigten Mädchen. Aber er muss die Kleider wechseln, Antipho führt ihn hierfür zu sich heim (591). Kaum sind die beiden verschwunden, stürzt eine Magd auf die Bühne: Sie hatte Chremes zum Gelage des Thraso begleitet und erzählt nun, dass es kam, wie Gnatho geraten hatte. Als Chremes (der vermeintliche Nebenbuhler) erschien, habe Thraso Pamphila, Thais’ „Schwester“, holen lassen wollen, es sei zum Streit gekommen, und Thais habe ihr, der Magd, ihren Goldschmuck gegeben mit dem Auftrag, ihn „nach Hause in Sicherheit zu bringen“ (so Ludwig 367).291 Dann habe sie bei nächster Gelegenheit sich selber entfernen wollen. Und nun „überschlagen sich die Ereignisse“ (so Kruschwitz 83): Als die Magd geendet, erscheint zu allem Überfluss auch noch Phaedria: Er hat es nicht ausgehalten dort draußen, wenigstens sehen will er seine Thais,292 aber alles weitere Reden wird vom Geschrei der aus Thais’ Haus stürzenden Magd Pythias abgeschnitten, die, aufs höchste erregt, in einem Monolog von der Untat des Ungetüms – ein Eunuch vergewaltigt! – berichtet. Phaedria ergreift sofort die Initiative, holt aus seinem Haus den dort verbliebenen verängstigten, schrumpeligen

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alten Eunuchen, den „echten“ also, und erfährt nun den Hergang der Verkleidung. Phaedria will Chaerea durch Vertuschen schützen (706 ff.), auch Dorias möchte im Gespräch mit Pythias (der übergeordneten Magd) Thais gegenüber Schweigen bewahren (721 ff.), und das hat nach Büchner (1974, 276) seinen guten Grund: Thais hätte, wüsste sie von dem Unheil, Chremes (dem Bruder der vergewaltigten Pamphila) nicht unbefangen gegenüber treten können. Solches „Kopf in den Sand und von nichts gewusst“ der Dienerinnen gibt eine eindrucksvolle Folie ab gegen die bald zu Tage tretende souveräne Art der Herrin. Chremes kommt nun auch vom Gastmahl zurück, beschwipst und gar nicht mehr so mürrisch, wie er gegangen. Er macht der Pythias Komplimente wie der Truculentus in des Plautus gleichnamigem Stück (673 ff.): „Holla, da hat man mich aber angeführt“, beginnt er und meint den Wein, der ihm zunächst nicht geschadet, dann aber beim Aufstehen die Beine wackelig gemacht habe.293 Nun sei er fröhlich, Pythias kommt ihm begehrenswert vor, nun ja: „Ohne Brot und Wein friert die Liebe ein.“294 Endlich trifft dann auch Thais ein:295 „Der Kerl wird bald da sein, um sie mir zu entreißen“, befürchtet sie; aber: „Sein Gerede kann ich ja ertragen, aber wenn’s zu Handgreiflichkeiten kommt, dann wehe ihm!“: Eine entschlossene Frau. Dann aber erblickt sie Chremes: „Nach dir habe ich sehnlichst Ausschau gehalten.“296 Er erfährt, dass er wegen eines Mädchens kommen sollte, die aller Wahrscheinlichkeit nach seine wieder aufgefundene Schwester ist. Als er dann aber hört, sie sei im Haushalt von Thais’ Mutter (einer Hetäre) erzogen worden, entfährt ihm ein „Um Gottes willen!“ (hem!, 747; Ludwig 379), doch Thais, die sofort versteht, beruhigt: Sie sei auferzogen wie es ihrer und seiner Würde entspräche, also nicht als Hetäre. Und nun ist Eile geboten: Die Magd soll das Kistchen mit den Wiedererkennungszeichen holen,297 und Thais treibt sie mit einem ungeduldigen: „Du lässt dir verteufelt viel Zeit!“ zur Eile, denn der Offizier rückt heran. Chremes will sich aus dem Staube machen (762 f.: Er will Rechtshelfer holen), aber Thais hält den Angsthasen fest und murmelt: „Der braucht selber Schutz, den ich mir da zum Verteidiger ausgesucht habe“ (770). Auch diese kurze Szene zeigt Thais als resolute, ihren Gegenpart sofort durchschauende Frau. Nun aber der Aufzug des Feldherrn und seiner Truppe aus allerhand Dienern. Man meint heute zu sehen, dass auch im „Eunuchos“ Menanders der Rivale Phaedrias ein Offizier war, nur hatte er einen Diener bei sich, keinen Parasiten. Daher müsste die Szene IV 6, in welcher der Offizier mit Gnatho auftritt, aus dem „Kolax“ stammen (s. Anm. 287). Aber nicht ohne terenzische Änderungen, weil hier nun gar fünf sprechende Figuren auf der Bühne stehen, was in der Nea nicht vorkommt (Kruschwitz [2004] 85, Anm. 48). Thraso verlangt nun an der Spitze seines „Heeres“ die Rück-

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gabe Pamphilas,298 habe Thais doch ihr Wort gebrochen, Thraso zu ihrem alleinigen Liebhaber zu machen (er hat ja die Geschenke seines Rivalen Phaedria gesehen). Chremes hat sich inzwischen ermannt: Weniger die Versicherung, Thraso sei nur ein Maulheld, als vielmehr das „Du musst keine Angst haben“ (786) aus dem Munde einer Frau zwingen den Mann zum Mut. Er versucht es nun mit einem „Bluff“ (Ludwig 382): Er behauptet, Pamphila sei eine freie Bürgerin (805), sei athenische civis und zudem seine Schwester. Das ist ein Bluff, eine Schutzbehauptung des Mannes, der allerdings sehr bald erkennen wird, dass er unwissend die Wahrheit sprach. Nachdem er dies gesagt (und sein Wort offenbar gewirkt) hat, eilt er zur ehemaligen Amme der Pamphila, um ihr die Erkennungszeichen vorzuführen. Daraufhin bläst Thraso den Feldzug ab, seine Leute sollen sich „um Heimat und Herd“ kümmern, was an sich die Schlagworte römischer Kriegsaufrufe waren, hier aber sehr wörtlich aufzufassen sind. Die Belagerung ist aufgehoben, die äußere Gefahr gebannt. Gleich aber beginnt die innere Gefährdung aller Pläne der Thais. Pythias, ihre Dienerin, hat drinnen Andeutungen gemacht, nun ruft Thais sie hinaus und will Klarheit. Pythias muss mit der Wahrheit heraus: Chaerea hat Pamphila vergewaltigt, aber, als Chaerea auftaucht, warnt sie feige: „Leise, leise!“ Doch dann spornt sie Thais an: „Da ist er! Fass’ ihn!“ Und hier beginnt erneut eine meisterhafte Szene: „Was sollen wir denn mit ihm tun?“ Thais mahnt zur Besonnenheit, Pythias schimpft über die freche Visage, der aber ist alles andere als frech: Nirgends konnte er sich umziehen, und so hastet er von einer dunklen Ecke zur anderen – wollte man modern interpretieren, könnte man sagen, dass seine Tat ihn durch die halbe Stadt hetzt. Dann erkennt er Thais und spielt erneut den Unverschämten, als sie ihn mit dem Namen des echten Eunuchen anspricht (850): „Guten Tag, Dorus! Abgehaun?“ „Jawohl, Herrin!“ „Gefällt dir das?“ „Nein.“ „Glaubst du, du kommst so weg?“ „Verzeih’ diese eine Schuld; bei der nächsten bring’ mich um!“ „Hast du gefürchtet, ich sei eine harte Herrin?“ „Nein.“ „Was also?“ „Dass die hier mich bei dir anschwärzt.“ „Was hast du denn getan?“ „Ein bisschen was.“ Da aber fährt Pythias auf ihn los: „Ein bisschen, du Frechling? Ist das ein bisschen, ein frei geborenes Mädchen zu vergewaltigen?“ „Ich dachte, die wäre auch nur eine Sklavin.“ Das hätte er nicht sagen sollen, nun wird die derart als Sklavin beleidigte Pythias so wild, dass Thais sich ins Mittel legen muss: „Chaerea“ – so appelliert sie an seine Ehre jetzt mit seinem richtigen Namen, wie Büchner (291) fein sagt, und zeigt dadurch, dass sie Bescheid weiß – „wenn ich selber vielleicht so eine Tat verdient habe, deiner ist sie nicht würdig! Und dazu hast du alle meine Pläne durchkreuzt; ich wollte sie doch ihrer Familie zurückgeben, um mir einen Rechtsschutz durch diese Wohltat zu schaffen, Chaerea“ (870f.).

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Da geht dem Jungen das Herz auf: Genau jetzt werde zwischen ihr und seinem Haus dauernde Freundschaft entstehen, denn er wolle Pamphila auf der Stelle zur Frau (888), der Vater werde schon zustimmen. Thais begibt sich mit dem Begeisterten ins Haus zum Umkleiden, denn es zeigt sich Chremes mit der sehr alten Amme, die ihm vor Alter viel zu langsam geht.299 Aber die Erkennungszeichen hat sie bereits als die Pamphilas identifiziert. So wäre denn die Hauptverwicklung glücklich aufgelöst, und als Parmeno erscheint, ist der Weg frei für eine zusätzliche Fopperei und Rache-Szene:300 Parmeno brüstet sich zunächst, sehr „post festum“, seinem jungen Herrn den Weg zu einem heilsamen Abenteuer geebnet zu haben und zu der Erkenntnis, was für Bettelexistenzen derlei raffgierige Hetären seien (927 ff.).301 Das ist einerseits wieder eine feste Spielform: Jubel vor der Vernichtung wie im „Oedipus Rex“ des Sophokles (1080), das nannte man in der Antike eine „Parektasis“;302 andererseits dient die Szene dazu, Parmeno so sehr in Angst und Schrecken zu versetzen, dass er dem nun gleich wie ein deus ex machina (Büchner 297) erscheinenden Vater Chaereas alles beichtet (in V 5). Pythias hat dann ihren Spaß daran, Parmeno aufzuklären (1017). Danach aber treten zu aller Leser Erstaunen Thraso und Gnatho noch einmal auf, und Gnatho kann Phaedria, der in der ersten Szene des Stückes so eifersüchtig war, hier dazu bewegen, Thais mit Thraso zu teilen.303 Gut, es gab derlei im alten Athen,304 aber das Wiederaufflammen des Antagonismus zwischen Phaedria und dem Rivalen scheint nicht menandrisch, eher terenzisch zu sein (Büchner 301–305): Wollte Terenz dem römischen Zuschauer, der interessante Äußerlichkeiten goutierte, ein Schluss-„Feuerwerk“ (Büchner 305) bescheren? Denn die Überredungskünste Gnathos sind in der Tat (1073 ff.) interessant geschrieben. Schade aber scheint es denn doch um das Thais-Bild zu sein, das man inzwischen gewonnen hat – aber ist ein solcher Gedanke nicht viel zu modern? Fragen wir also lieber nach der Bedeutung des „Eunuchus“.

Die Bedeutung des „Eunuchus“ Wer das Stück auf Risse und Unstimmigkeiten untersuchte, war an dem Eigenwert der Komödie wenig interessiert; wohl aber hat es mehrere Versuche gegeben, einige Leitmotive und das Zentralthema aufzudecken. E. Fantham (1971, 970 ff.) zum Beispiel fragte nach dem Vater-Sohn-Verhältnis, das in „Heautontimorumenos“ und „Adelphoe“ so deutlich im Vordergrunde steht, musste aber beobachten, dass dieses Thema im „Eunuchus“ weit weniger Gewicht hat. G. M. Pepe305 beobachtete das PatronKlienten-Verhältnis, das in der Tat im „Eunuchus“ eine wichtige Rolle

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spielt, sucht Thais doch nach einem Schützer und findet gleich zwei: die Familie des Chremes und die des Chaerea, der ihr zu Dank verpflichtet ist. Doch war dies Thema auch in der „Andria“ so gewichtig, dass man es nicht als Besonderheit des „Eunuchus“ betrachten kann, sondern eher als einen Grundzug der Gesellschaftsstruktur dieser Art von Schauspiel.306 Ch. F. Saylor307 sieht im Thema von Planen und kopflosem Drauflos-Handeln ein Spezifikum des Dramas, und in der Tat kommt es durch Thais’ kluges Planen zum Sieg über Thraso, durch Chaereas unüberlegt-planloses Handeln zur Katastrophe um Pamphila. Hier führt nun Kruschwitz (2004, 95) weiter, indem er den „Eunuchus“ als ein „Stück über unterschiedlich ausgeprägte Formen des Verantwortungsbewusstseins“ versteht; wenn er dann aber als Gegenpole solchen Handelns Thais und Thraso konstruiert, wird man den Gedanken an die (mangelnde) Verantwortung als Thema des „Eunuchus“ gutheißen, seiner Begründung aber die Zustimmung versagen, denn nicht Thraso ist bar jeden Gefühls für Verantwortung, sondern Parmeno und Chaerea. Ich selber hatte schon früher308 Parmeno als einen Ratenden bezeichnet, der „nicht in der Verantwortung steht“. Ein solcher ist er auch in 370 ff., wo er unbedacht ein Wort fallen lässt, das kaum absehbare Folgen zeitigt. Saylors „planlessness“ trifft gewiss auf Phaedria zu, der die Dinge so lassen will, wie sie sind (er denkt nicht etwa daran, Thais freizulassen), auch auf Chaereas Tun; dieser aber übernimmt die volle Verantwortung für seine Tat, wobei ihm hilft, dass er sich inzwischen in das Mädchen heiß verliebt hat. Verantwortliches, überlegtes und selbstbeherrschtes Planen kennzeichnet in höchstem Maße Thais, zum Beispiel in der Szene 836 ff., wo sie Pythias’ kopfloses Drauflos abbremst. Aber auch für den zappelig dem Augenblick verhafteten Phaedria, der ja ein „großes Kind“ ist, wie auch für Chaerea, muss sie mitdenken, von ihrem Schützling, von ihrer „Schwester“ Pamphila ganz abgesehen. „Was dieses Stück auszeichnet, ist die Höhe des Beitrags der Liebe zur Integration der Komödienwelt“, schrieb Juhnke (1978, 250) und meinte damit wohl, dass es die Liebe der Thais zu Phaedria und zu Pamphila, aber auch ihr Verständnis für Chaerea, sind, welche die Dinge so lenken, dass ein heiler Zustand hergestellt beziehungsweise wiederhergestellt und ihre Lage so gebessert wird, wie sie es sich wünschte.309 Das sagt Terenz sehr schön in 679 f., als Chaerea sich auf die Einwirkung des amor beruft: et pol propterea mage nunc ignosco tibi, non adeo inhumano ingenio sum, Chaerea, neque ita imperita, ut quid amor valeat, nesciam. Unter der Ebene von Planen und Handeln liegt im „Eunuchus“ die Schicht der Motivationen von Planen und Handeln, die vielen verschiedenen Formen des Liebens, nämlich die Fürsorge und schwesterliche Liebe, und auch die beiden Formen der Liebe zwischen Mann und Frau. Die Hauptfigur des Stückes ist

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entschieden Thais, und mit ihr wird die verständnisvolle Klugheit zum Hauptthema.

„Adelphoe“ („Die Brüder“) „Storax!“, so beginnt310 das Stück, also mit dem Ruf nach einem Sklaven. Der Ruf verhallt ungehört, der Sprecher – es ist der wohlhabende, in der Stadt lebende Micio, der Vater des Aeschinus – macht sich Sorgen, der Sohn sei von einem Gastmahl nicht heimgekommen und auch keiner der Diener, die er dem Sohn entgegen geschickt habe (26 f.). Dabei sei Aeschinus nicht einmal sein leiblicher Sohn, er habe ihn, den älteren Sohn seines viel ärmeren, auf dem Lande sich abmühenden Bruders, nur adoptiert, aber er liebe ihn wie ein eigenes Kind (48). Und nun berichtet er, wie er ihn aufgezogen habe – an der langen Leine, habe ihm manches nachgesehen, nur Offenheit habe er erwartet (54): „Durch Schamgefühl (vor dem Vater) und durch Freundlichkeit (seitens des Vaters) führt man Söhne besser durchs Leben als mittels der Furcht“ (58).311 Doch der Bruder, der leibliche Vater des Aeschinus, mache ihm deswegen ständig Vorwürfe; dabei führe doch ein strenges Regime nur zu Heimlichkeiten: Ein Kind müsse lernen, von sich aus sich anständig aufzuführen, nicht aus Furcht (75). Es müsse doch ein Unterschied sein zwischen Vater- und Herr-Sein über den Sohn. So stellt Micio sich vor, aber rüde wird er vom herbeistürzenden Bruder Demea unterbrochen: Aeschinus sei ins Haus eines Kupplers eingebrochen, habe den Mann samt der Dienerschaft zu Tode geprügelt (!) und eine Hetäre, die er liebt, einfach geraubt (88 ff.). Micio verteidigt das Tun des Jungen großzügig, allzu großmütig (101 ff.) als Jugendstreiche, man werde den Schaden schon in Ordnung bringen. „Muss ich denn dein Geschimpf immer über dasselbe tausendmal hören?“ „Ich sorge mich“, antwortet Demea. „Ich auch; aber wollen wir es bei der Abmachung belassen: Ich kümmere mich um Aeschinus, du um deinen jüngeren Sohn Ctesipho – alles andere wäre Rückforderung des Adoptierten.“ „Meinetwegen, soll er Geld um sich werfen, vor die Hunde gehen, es geht mich nichts an“, so resigniert Demea (134); aber: „Es tut nur so weh! Ich bin doch kein Fremder!“ Micio sprach reichlich großzügig, Demea reichlich laut und voreilig, am Ende aber findet er diese bewegenden Worte. Und so gesteht Micio, als der Bruder gegangen, Aeschinus kränke auch ihn, den Adoptivvater, mit solchem Gebaren; nur habe er kein Öl ins Zornesfeuer seines Bruders gießen wollen (145ff.). Aber jede Hetäre muss der Sohn haben, allen gebe er etwas, habe aber neulich etwas von Heiraten gesagt – und nun wieder dies! Damit macht er sich auf den Weg zum Markt, um Aeschinus zu suchen. Diese Folge von Monolog und Zwiegespräch ist voller Drehungen und

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Wendungen: Da äußert Micio zunächst sein volles Vertrauen auf seine Erziehungsmethode,312 doch dann wird sie arg strapaziert, und um sie zu verteidigen und Demea zum Schweigen zu bringen, muss Micio sich in fröhliche Übertreibungen flüchten und größte Selbstsicherheit vorspielen. Diese verliert an Überzeugungskraft, als aus dem gequälten Demea echter, starker Schmerz hervorbricht (129 f.: curae est mihi und aegre est: alienus non sum: 137). Micio muss zum Äußersten greifen, zur Frage, ob Demea die Adoption rückgängig machen wolle, um ihn abzuwimmeln. Demeas „echtes Gefühl“ (Büchner [1974] 365) zwingt den Bruder zu solcher Grobheit: kein glanzvoller Sieg. Gewiss, Demea hätte sich nicht auf Gerüchte verlassen sollen,313 aber Micio muss sich verstellen: von brüderlicher Offenheit und gegenseitigem Verständnis keine Spur. Dann, allein geblieben, muss er gestehen, dass ihm das Treiben des Aeschinus nun auch allmählich zu viel werde, dass er enttäuscht sei darüber, dass es mit dem angedeuteten Heiraten nun doch nichts ist.314 Nun folgt die von Terenz in seine Hauptvorlage eingesetzte DiphilosSzene.315 Der Kuppler war dem Aeschinus, der samt dem geraubten Mädchen und seinem Diener Parmeno davongegangen war, schimpfend und um Hilfe rufend gefolgt, will nun verhindern, dass die Beute in Micios Haus geschafft wird, und bekommt Prügel. Immerhin verspricht Aeschinus, ihm den Kaufpreis zu erstatten (191).316 Der Kuppler, der es eilig hat (er will nach Zypern zu einem Sklavenmarkt: 224, 278), willigt endlich ein, und nun folgt eine Überraschung: Aus Micios Haus kommt der jüngere Bruder des Aeschinus, Ctesipho; er strömt über von Dankbarkeit und Lob: Das Mädchen hat Aeschinus also für ihn, nicht für sich selber, geraubt, als er sah, dass der unglücklich Verliebte, der sich nicht zu helfen wusste,317 bereit war, vor lauter Kummer auszuwandern (275), und von all dem wusste der Vater, wusste Demea nichts! Nun geht Aeschinus auf den Markt, um (mit Hilfe des Hausbankiers) den Kuppler auszuzahlen, Ctesipho eilt nach drinnen zu seiner Geliebten; es wird ein Gelage geben. Die Bühne wird leer. Sicherlich ist die Überführungsszene grob: Der Kuppler, der nicht als übles Subjekt gezeichnet ist, wird geprügelt und überrannt (er muss die Frau zum Selbstkostenpreis abgeben); grob sind auch die Klagen über Aeschinus’ Gewalttat, aber all dies Grobe wird aufgewogen durch die laute Freude und Dankbarkeit des Ctesipho. Seine Redeweise bleibt allerdings auf dem Laut- und Lärmpegel der vorigen Szenenteile: In höchster Erregung greift er zu hohem Stil,318 der aber sein Gegengewicht findet in dem vertrauten Umgangston des älteren Bruders: „Ach was, Dummkopf!“ (271). So findet diese im Ganzen sehr hitzige Szene eine kleine Abkühlung, wie ja auch der erste Akt nicht eintönig, sondern recht differenziert abgelaufen war. Die Bühne wird erneut leer.

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Zwei ältere Frauen erscheinen, Sostrata, die Mutter der Pamphila, wohnend neben dem Hause Micios, und Canthara, ihre alte Amme (288: mea nutrix). Sostrata äußert ihre Sorge um das Kommende, nicht, wie Canthara vermutet, hinsichtlich der bevorstehenden Entbindung der Tochter,319 sondern Sostrata denkt weiter, denkt an den Mann, der Pamphila schwängerte – es ist Aeschinus (292)! Aber das Gespräch wird brüsk unterbrochen, der Diener Geta rast auf die Bühne, außer Atem, und nun entfaltet er eine unglaublich laute, aufgeregte Rhetorik, verflucht „den Missetäter“, schwelgt in der Vorstellung, wie er ihn und dessen gesamte familia umbringen werde (314 ff.), eine wahre „Osmin-Rachearie“. Endlich von Sostrata zum Halten und Berichten gebracht, erzählt er vom Frauenraub: Mit seinem amare occepit alteram (397) stürzt er die beiden Frauen in höchste Angst. Die Dienerin Canthara will ebenso wie Geta das Gehörte verschweigen, Sostrata aber, eine resolute Hausherrin, schreitet zur Tat: Sie trägt Geta auf, den alten Hegio, einen Verwandten des Aeschinus aufzusuchen, und Canthara bittet sie, die Hebamme zu holen. Diese Szene habe ich (1985, 89 ff.) genau erklärt. Das feige Daherreden des Sklaven, das so sehr von seinem martialischen Gehabe der Minuten zuvor absticht, wurde mit dem verantwortungslosen Losplappern Parmenos aus dem „Eunuchus“ verglichen (90, Anm. 18) und es wurde verdeutlicht, wie in der Geta-Gestalt Großspurigkeit und Pathos seinen kleinmütigen Worten widerspricht – ein Widerspruch, den Albrecht Dürer sehr klar spürte, als er seine Druckstöcke schnitt.320 Das will sagen: Auch in diese Szene hat Terenz eine innere Gespanntheit gebracht, die Spannung zwischen Dienstboten und Herrin und die zwischen unverbindlichem Drohgehabe und Einknicken, sobald es zur Tat kommen soll. Erneut leert sich die Bühne. Auf sie stürzt Demea; seine Welt aus Wahn und Wunsch, aus dem Wahn, Ctesipho sei wie er, und dem Wunsch, er möge es stets sein, ist zerbrochen: Er sei bei dem Raub beteiligt gewesen, so habe er gehört. Erneut stützt Demea einen Zornesausbruch auf ein Hörensagen (audivi, 355). Aeschinus wird ihn angestiftet haben, dessen sei er sicher (sat scio, 360: Also nichts als eine Vermutung). Da hört er den Diener Micios, Syrus, vor sich hin321 erzählen, wie Micio sich, als Syrus ihm den Hergang meldete, gefreut, den Sohn gelobt (!) und ihm, Syrus, als Ratgeber gedankt (!) und sogleich alles bezahlt habe. Das sind für Demea naturgemäß aufregende und aufreizende Worte. Kaum aber hat er Demea erblickt, redet Syrus so, als finde er Micios Gebaren absurd, behandelt auch Demea nicht sehr respektvoll (376 f.). Aber Demea gibt sich auch wirklich genügend Blößen: Er wisse, sagt er, immer alles im Voraus, so zum Beispiel dass Aeschinus demnächst, wenn er den Adoptivvater in den Bankrott getrieben, zu den Soldaten gehen werde. „Das ist Klugheit, nicht nur zu wissen, was vor den

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Füßen liegt,322 sondern auch das Zukünftige“, spottet der Sklave frech (386), ohne dass Demea es merkt. Der regt sich darüber auf, dass die geraubte Hetäre (wie Syrus erwähnt) sich im Hause Micios aufhält (389): Anstatt nachzusehen, verlässt er sich auf das Reden des Dieners. Dann lässt Syrus den Alten mit allerhand anzüglichen Lobeserhebungen (394), einer Unverschämtheit und einer spottenden Parodie der eigenen Sprüche Demeas (422 ff.) dorthin gehen, wohin er wollte, nämlich aufs Land (433). Der arme Vater ist tief hinunter gestoßen worden. Diese Szene ist voll des köstlichsten Humors, aber auch voll von peinlichen Selbstentblößungen des immer voreiligen, nie den Dingen auf den Grund gehenden Demea. Der trifft nun auf Hegio, der in Begleitung Getas aus dem Hause der Sostrata und Pamphila tritt. Hegio, das ist nun endlich ein rechter Mann, so recht nach der Vorstellung Demeas, ihn zu sehen, gibt ihm wieder Lebenszuversicht (445 f.). Er hört, wie Hegio eine Untat des Aeschinus verurteilt, und meint, es gehe um den Raub. Hegio klärt ihn jedoch darüber auf, dass Aeschinus die Tochter ihres gemeinsamen Freundes Simulus geschwängert (466 f.) und der Mutter versprochen habe, das Mädchen denn auch zu ehelichen. Aber nun habe er sich eine Hetäre besorgt und Pamphila verlassen – so berichtet Hegio nach Maßgabe der Worte Getas (479). Er fordert Demea, der ja doch aus vornehm-reichem Hause stamme (501 f.), energisch auf, das Nötige zu veranlassen (nämlich das Unrecht an Pamphila zu korrigieren), denn „noblesse oblige“. Demea weicht aus: Er werde mit Micio (dem er ja die Verfügung über Aeschinus überlassen hatte), gern sprechen (499), verspricht dann aber, gleichsam am Portepee gepackt (503 f.), dass geschehen werde, was sich gehört. Hegio verabschiedet sich kühl (Büchner [1974] 395). Demea macht sich auf, Micio zu suchen, um vor ihm den ganzen Ärger „auszuspucken“ (510). Demea gerät somit in einen Anschein, sitzt einem Gerücht auf und schämt sich für Micio und die Seinen (485). Das ehrt ihn, wie überhaupt die ganze Szene und die Bewunderung für Hegio, nicht zuletzt seine Bereitschaft, Verantwortung zu tragen (fient quae fieri aequom est omnia, 505)323 ihn in ein ehrenhaftes Licht rückt und keineswegs zur „lächerlichen Figur“ macht, wie Büchner 395 schrieb. Hegio geht zu Sostrata hinein, Demea geht den Bruder suchen. V. 598 zeigt, was danach geschah: Hegio hat nach dem Besuch bei Pamphila Micio aufgesucht und ist mit ihm zu Sostrata und Pamphila in deren Haus gegangen. Hegio muss also aus Sostratas Haus wieder herausgekommen sein, und eben dies bewerkstelligen die v. 511–516, von denen allerdings Donat sagt, sie fänden sich nicht in allen Handschriften. Für U. Knoche (1936, 152) war das ein sicheres Zeichen der Unechtheit, Büchner (1974, 394) verteidigte die Passage; Denzler (1968, Anm. 324) schwankt. Die Verse weisen keinerlei Charme auf, sagen nichts Neues und sagen das We-

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nige, was sie enthalten, holprig. Was aber sagen sie? Dass Hegio Micio „aufsuchen will, wenn er auf dem Markt ist“ und „wenn er handelt, wie es seine Pflicht ist, wird er tun“ – was denn? Man kann es sich denken, gesagt ist es nicht. „Wenn er über diese Angelegenheit eine andere Meinung hat, soll er mir antworten, auf dass ich möglichst bald weiß, was ich zu tun habe“: recht läppische Worte. Die Bühne wird leer. Auf tritt nun endlich Ctesipho, er kommt aus Micios Haus, wo er sich vergnügt, und fragt Syrus, wo der Vater sei? Auf dem Landgut, meint Syrus und fügt frech hinzu: „Ich denke, er schuftet da irgendwas“ (518). Man wünscht ihm eine mehrtägige Erschöpfung an den Hals. Sehr bald wird er hier wieder auftauchen, so fürchtet Ctesipho, und ihn fragen: „Wo warst du? Den ganzen Tag hab’ ich dich nicht gesehen.“324 Und wenn er, Ctesipho, nun gar die ganze Nacht in der Stadt bleibe? Syrus ist um keine Antwort verlegen: „Irgendein zu erledigendes Geschäft wirst du dir ja wohl ausdenken können.“ Im Übrigen werde er den Alten schon lammfromm bekommen, indem er ihm von den Tugenden des Sohnes erzählt. „Meinen?“, fragt Ctesipho in genauer Selbstkenntnis erstaunt. Aber: „Wenn man den Teufel nennt, kommt er schon gerennt“ (lupus in fabula, 537). Laut jammernd kommt Demea vom Lande, wo er den Sohn nicht fand, wie er auch Micio nicht gefunden. „Ich muss ja wohl von Natur aus immer daran leiden, alles als Erster zu erfahren“ (ausgerechnet er! Demea spielt hierbei auf das an, was er von Hegio in III 4 erfuhr). Ctesipho zieht sich ins Haus zurück, und Syrus bindet Demea, als der nach dem Bruder fragt, einen Bären auf: Langatmig beschreibt er Demea den Weg zu Micio, zu einer Tischlerei, wo er irgendwo weitab sich sehr spezielle Möbel anfertigen lasse (585). Und wieder fällt Demea kopflos auf eine derartige Rederei herein;325 immerhin: Die Luft ist wieder rein. Syrus aber zieht sich auf ein ruhiges Plätzchen zurück, um sich eins zu trinken (587). Während Demea auf der erneuten Suche nach dem Bruder durch die Stadt irrt, hat Hegio keine Mühe gehabt, Micio zu finden. Rasch hat man sich geeinigt, die Sache wird in Ordnung gebracht, und man geht hinein zu Sostrata und der Wöchnerin, um sie zu beruhigen: Arme Leute seien ja besonders argwöhnisch (s. Büchner [1974] 400, Anm. 38). Die Bühne wird leer. Nun ist die Krise da: Aeschinus nähert sich dem Hause seiner Geliebten, er ist verzweifelt: discrucior animi (610), so beginnt326 seine Klage, übrigens das längste Canticum des Terenz . Er klagt darüber, dass Sostrata nun annehme, er habe sich eine Hetäre besorgt, habe Pamphila verlassen; er habe nichts erwidert, um den Bruder zu schützen (624 ff.) – ein nobles Verhalten übrigens (s. auch Büchner 401). Und dann das Entscheidende: Er begreift seine Schuld, die nämlich, dem Vater (doch wohl Micio) nichts gebeichtet (629), nicht gestanden zu haben, dass er das Mädchen heiraten wolle. „Wach’ auf, Aeschines!“, so rüttelt er sich wach (631).327 Er ent-

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schließt sich, hineinzugehen, doch immer, wenn er dort anklopfe, bekomme er es mit der Angst zu tun (horresco), was wohl der Ausdruck eines schlechten Gewissens ist (er hat sich ja nicht überlegt, wie es denn weitergehen solle). Er klopft, da aber kommt Micio aus der Tür. „Warst du es, der geklopft hat?“, fragt Micio, und Aeschinus leugnet, wird aber rot: Erubuit, salva res est!, sagt Micio erleichtert zu sich selbst. Die Scham, so lehrt Aristoteles,328 sei eher ein Affekt („pathos“) als eine Tugend („aretè“), und wer sie verspürt, der errötet. Aeschines hat, so würden wir sagen, das „Herz auf dem rechten Fleck“. Dennoch folgt eine Trugrede des Vaters: Das Mädchen habe geboren, und da es allein steht, muss (nach attischem Recht) der nächste Verwandte es heiraten; der sei auch schon aus Milet eingetroffen und werde Pamphila dorthin mitnehmen. Aeschinus ist entsetzt, aber noch immer plädiert er indirekt: Ob der Vater denn nicht mitfühlen könne, was der junge Mann, dessen Geliebte Pamphila sei, wohl dabei leide (665 ff.)? Tief erschüttert, stürzen ihm die Tränen aus den Augen; da öffnet Micio sein Herz: „Aeschinus, ich habe doch alles vernommen, weiß alles!“ Aber er hätte sich alles besser überlegen, hätte die Folgen bedenken müssen. Ob er geglaubt habe, die Götter würden schon alles richten? Er hätte selber Vorsorge treffen sollen (693 ff.) – aber er dürfe guten Mutes sein, er werde sie zur Frau bekommen! Aeschinus jubelt: „Ich liebe dich mehr als alles!“ „Mehr als sie?“, scherzt Micio. „Gleich viel.“ „Das ist aber freundlich!“ Man ist zusammengekommen, ein Herz hat sich dem anderen geöffnet: „Schönere Früchte hätte Micios Erziehung nicht tragen können.“329 Als dies alles geregelt ist, hechelt Demea heran, also der, welcher „alles als Erster weiß“ (546). Er überfällt den Bruder mit Vorwürfen: Nicht nur eine Harfenspielerin sei geraubt, sondern der saubere Sohn habe auch noch eine Freigeborene geschwängert! Und die muss Aeschinus nun auch noch ohne Mitgift heiraten! Bis zur Weißglut reizt es ihn, dass Micio gelassen mit einem „Weiß ich“ reagiert. Demea verlangt nun auch noch, Micio solle die Heirat zum Schein geschehen lassen, danach könne man sie ja irgendwie abschieben (744). Micio stellt ihm dann sogar in Aussicht, die junge Ehefrau des Aeschinus unter dasselbe Dach zu bringen wie die Harfenistin. „Um jemand zu haben, mit dem du Liedchen trällern kannst?“, erkundigt sich Demea ironisch. Aber das Witzeln ist ihm vergangen, er klagt, allein gelassen, über den Wahnsinn des Bruders, ist nun fast endgültig erschüttert (757 ff.) – fast: Denn noch erwartet ihn der letzte Hieb: zu erfahren, dass die Harfenspielerin für Ctesipho geraubt wurde. Das erfährt er, als Syrus, leicht bezecht, vor dem Hause auftaucht, durch Zufall, durch den Zufall nämlich, dass ein Diener seinen Kopf aus der Tür steckt und Syrus mitteilt, Ctesipho verlange nach ihm. Er stürzt hinein, um – endlich – sich selber zu überzeugen; Syrus verdrückt sich nach all seinen Unver-

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schämtheiten, um sein Räuschlein auszuschlafen. So wird die Bühne wieder frei. Die Bühne füllt sich jedoch alsbald erneut, und zwar mit lautem Jammern Demeas, der aus Micios Haus hervorstürzt, nachdem er die ganze bittere Wahrheit erfahren. Zu allem Überfluss kommt gerade jetzt auch Micio aus dem Nachbarhaus, als Demea in höchstem Pathos „O Himmel, o Erde, o Neptuns Meere!“ schreit (790).330 „Jetzt muss ich dem Ctesipho helfen“, meint Micio, und es kommt zu einer erneuten Auseinandersetzung über die Grundsätze der Erziehung, wobei Micio den Bruder hinsichtlich des Finanziellen (807, 830) und auch bezüglich der guten Grundart beider zu beruhigen sucht. „Vertraue mir heute einmal, glätte deine Stirn!“ (839 f.). „Klar, das verlangt der Augenblick, ich tu es. Aber morgen …“, und nun verheißt er der Harfenistin schlimme Zeiten: Schuften soll sie, bis sie schwarz wird (846). Micio lacht darüber, wie Demea sich echauffiert, und gerade dieses Lachen-Können macht Demea neidisch: fortunatus qui isto animo sies (852): „Du hast es gut, dass du da noch lachen kannst. Ich dagegen meine …“, aber da schneidet Micio ihm das Wort ab: Nicht schon wieder Geschimpfe! Brüderlich vereint geht man ins Haus, um ausgiebig die Hochzeit zu feiern. Die Bühne bleibt nicht lange leer. Demea hat drinnen die unbeschwerte Fröhlichkeit gesehen, und er hat nachgedacht: Die sind alle lustig und guter Dinge, in ihm aber saß der Stachel (853: ego sentio, usw.).331 Offenbar führt Leichtlebigkeit und Nachgeben (861), das heißt die Art des Micio, den Menschen zu größerer Zufriedenheit, als sein eigenes hartes Arbeitsleben es leistet. Micio gibt sich stets heiter, alle lieben ihn; er dagegen, Demea, den mag man nicht, der ist allein gelassen (873), ja man wartet nur auf seinen Tod. Er, Demea, habe die Söhne großgezogen, jetzt hat Micio sie ganz auf seine Seite gebracht, mit nur wenig Aufwand: „Alles Leid häuft sich auf mich, er aber erntet Lust“ (876). Demea, isoliert, zurück- und niedergedrückt, will nicht gänzlich ins Abseits geraten; es gibt nur ein einziges Mittel: Selber so agieren wie der lebenslustige Bruder. „Also versuchen wir’s mal anders herum!“, das ist sein Entschluss, provoziert durch den erfolgreicheren Bruder (quando hic provocat, 878). Und so begrüßt er denn Syrus, der ihm so übel mitgespielt, praeter naturam aufs freundlichste (885), ordnet an, dass die Mauer zwischen den Häusern der Sostrata und des Bruders niedergerissen werde, ja er bringt Micio trotz dessen leidenschaftlichem Protest332 so weit, die Sostrata, alt wie sie ist, zu heiraten, und jedes Mal kommentiert er seine Erfolge höhnisch, zum Beispiel: „Den Micio wird das einiges kosten, aber was geht das mich an?“ (913). Micio zwingt er zur Heirat und auch dazu, Hegio, dem Vermittler und Verwandten, einen Acker zu schenken (946 f.), und wieder der Kommentar, diesmal ein besonders böser: „Den bringe ich mit der eigenen Waffe um!“ (958).333

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Kein Sieg einer neuen Überzeugung, sondern nur der Erfolg einer neuen Technik. Dann wird auf sein Zureden hin auch noch Syrus samt Frau freigelassen, ja Demea wirft auch noch eine Geldzuwendung aus (977): Er wirft das bisschen Erbe fort, er ist fertig mit dem Leben (913: quid mea?). „Was ist los?“, fragt Micio (984), „woher dieser Umschwung?“ und mit einem Caecilius-Zitat (985):334 „Was ist das für eine plötzliche Freigebigkeit?“ (largitas ist eher „Verschwendung“, keineswegs identisch mit der liberalitas aus v. 57). Demeas enttäuschende Antwort: Er habe zeigen wollen, dass Micios Erfolg bei den Menschen nicht „aus den tatsächlichen Gegebenheiten“ (ex vera vita, 987) und somit direkt aus Micios an den Gegebenheiten orientiertem Handeln kommt und „schon gar nicht aus dem, was recht und angemessen“ (neque adeo ex aequo et bono) herkommt, sondern aus einem an der populären Wirkung, am Publikumserfolg interessierten Ausstreuen von Loben, Nachgeben und von Verschenken (ex adsentando, indulgendo et largiendo). Sein eigenes, Demeas, Handeln strebe demgegenüber nach Weitsicht (Gegenteil des fehlerhaften minus videtis, 993) und nach sachgerechtem Planen (consulitis parum, ebd.); wenn es dessen einmal bedarf, mögen die Söhne zu ihm kommen.335 Damit hat er Micio, so meint er, als Falschspieler entlarvt und sich selber als Mann von rechtem Korn und Schrot, als Mann der Tatsachen und nicht des Laissez-faire um der Publikumswirkung willen dargestellt. Nun, Demea ist gewiss nicht der Sieger nach dem langen Lauf, denn seine Erfolgsmethode grenzte ans Absurde und schloss Wohltaten denen gegenüber ein, die ihm bitteren Hohn und schwere Mühe bereitet hatten. Er spricht kein Wort verständnisvollen Verzeihens, sondern häuft Geschenke. Kein Umdenken, keine Änderung des „Charakters“ also, sondern der verzweifelte Versuch, sich zu behaupten. Aber dieser Versuch entbehrt nicht einiger Überzeugungskraft, denn in der Tat grenzte auch Micios Allnachgiebigkeit ans Extrem. Sicherlich ist es eine gute Maxime, nicht mit dem Schicksal zu hadern, wenn man es nicht ändern kann (739 ff.), aber das leichthin gesagte quor non (748, 751) scheint sehr weit, zu weit zu gehen. Terenz fällt kein klares Urteil, wollte es sicher auch nicht fällen: Er überlässt das dem nachdenklichen Zuschauer; die weniger nachdenklichen hat er zweifellos durch das menandrisch anmutende SchlussFurioso köstlich amüsiert.

Die Bedeutung der „Adelphoe“ Gern rechnet man seit Lessing die Charaktere der vier Brüder dieses Stückes gegeneinander auf336: Von den Söhnen erscheint Aeschinus, als er dem Bruder, der auf dem Lande lebt und arbeitet, ein Mädchen vom

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Kuppler raubt, als städtisch-gewandt, souverän Situationen und Personen handhabend, zuweilen auch grob (er lässt den Kuppler, der keineswegs als übler Kerl dargestellt ist, prügeln). Doch geht es um seine Geliebte und um den Adoptivvater, ist er zart besaitet. Das sind klärlich zwei verschiedene Verhaltensweisen. Hat Terenz sich um einen Ausgleich nicht bemüht, vielmehr sich weniger nach den Erfordernissen einer durchgehenden Psychographie als nach den Gegebenheiten der jeweiligen Szenen gerichtet oder sollte gezeigt werden, was man an sich selbst so gern übersieht, dass man nämlich bei Fremdem forsch zupackt, bei Eigenem eher zögerlich agiert? Ctesipho bleibt blass; aber als der Raub geschehen, die finanzielle Seite erledigt ist und die Brüder aufeinander treffen, da spricht Ctesipho, der bäuerliche Bruder, exaltierte Dankesworte in höchstem Pathos (darf man an den Gorgias aus Menanders „Dyskolos“ erinnern?), während Aeschinus überlegen und sehr viel nüchterner erwidert: ein reizvolles Widerspiel. Im Folgenden hat Terenz dem jüngeren Sohn kein eigenes Profil verliehen, er ist nur da, weil Terenz den Raub seiner Harfenistin aus dem Kupplerhause brauchte. Das ältere Brüderpaar, Demea und Micio, ist schärfer kontrastiert: Micio, der wohlhabende Städter, gibt sich jovial und verständnisvoll für die Streiche der Jugend (solange sie noch erträglich sind). Er lebt nach dem weisen Grundsatz: „Hadere nicht mit dem Geschick, nimm es an und versuche, es klug zu korrigieren!“ Er weist daher die eifernde Kritik des sittenstrengen, arbeitsamen und ärmlichen Bruders ab, schließlich hatte er die Verantwortung bei der Adoption übernommen, lässt sich vom Bruder aber in seiner weltmännisch überlegenen Redeweise bis ins Extrem reizen und treiben. Immerhin erntet er eine schöne Frucht seiner auf Vertrauen gebauten Erziehung, als Aeschinus ihm – nach einigen Umwegen – errötend beichtet. Demea, der sich auf dem Lande abmüht, um ein kleines Erbe zu schaffen und den jüngeren Sohn an das kärgliche, aber sittensichere Landleben zu gewöhnen, hat den älteren zwar juristisch aus der Verantwortung gegeben, nicht aber aus dem Herzen: Er fühlt sich in moralischer Hinsicht immer noch verantwortlich. Bei seinen Versuchen, ein Wörtchen mitzusprechen, verlässt er sich jedoch stets aufs Hörensagen oder auf listige Redereien des Sklaven, statt selber den Gerüchten und dem bloßen Anschein auf den Grund zu gehen. Immerhin entringen sich seiner gequälten Seele Töne echten Gefühls und tiefer Sorge; und als er auf Hegio trifft, sind seine bewundernden Lobesworte überzeugend. Weniger überzeugend dagegen klingt sein „Gesinnungswandel“: Er ändert nicht seine Grundsätze, er probiert lediglich eine neue Methode aus, drängt den Mit- und Gegenspielern geradezu absurde Wohltaten auf, und das nur, um einen Anschein

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aufzubauen, den Anschein, er sei ein liebenswürdiger und verständnisreicher Freund und Vater. Man vergesse nicht, wie er herzlos bereit war, die Harfenistin einfach irgendwo auszusetzen (wie einen unliebsamen Hund). Kruschwitz (2004, 163 f.) sieht die „Aussage des Stücks“ in der Darstellung zweier ganz unterschiedlicher „Lebensentwürfe“, aber diese Aussage bleibt denn doch zu trocken. Nein, man sollte die Figuren nicht isolieren, sollte nicht nach Gewinnern und Verlierern fragen, wie Kruschwitz es versucht, sondern sollte auch in den „Adelphoe“ auf das Zusammenspiel der Gestalten achten. Da erkennt man sogleich das alte, aus der „Andria“ bereits bekannte Manko der Offenheit und auch des Nachforschens, statt sich auf Gerüchte zu verlassen. Dieses Manko führt im Falle Demeas zu köstlicher Komik. Man muss ja auch sehen, wie Terenz das Verhältnis von Micio zu Aeschinus, obschon sorgsam angelegt (man erinnere sich des ersten Aktes), lange nicht gelingen lässt, bevor er es in IV 5 in schönster Blüte zeigt. Auch Demea steht in einer mehrdeutigen Beziehung: Obschon juristisch nicht für Aeschinus verantwortlich, liegt er ihm aufs engste am Herzen, doch die Dankbarkeit des älteren Sohnes am Ende erwächst nur aus dem Ernstnehmen von Demeas faulem Trick. Und Demeas Verhältnis zu Ctesipho ist das der blinden Sicherheit, die nie nach ihrer eigenen Berechtigung fragt und darum leicht zerbricht. Das sind alles sehr fein angelegte Fäden, die da hin und wider laufen, Fäden, die in ihrer Festigung und in ihrem zeitweiligen Abreißen und scheinbaren Wiederanknüpfen zu denken geben. Einfache Formeln sind hier nicht am Platze, die „Brüder“ des Terenz wollen Studien zuweilen feiner, manchmal gröberer Charaktere geben. Und am Ende hat Terenz auch diese Komödie, ganz wie Menander seinen „Dyskolos“, mit einem Furioso enden lassen, das alles über den Haufen wirft.

Zusammenschau Wer kennt nicht die beiden Masken, von denen die eine lacht, die andere weint? Unzählbare Male sind sie überall zu sehen. Die eine soll die Tragödie, die andere die Komödie symbolisieren. Wie, wenn sie beide zusammen die eine Gattung, die Komödie, kennzeichneten? Aristophanes schrieb gewiss auch zuweilen aus reinem Spaß an der Parodie, so an vielen Stellen der „Frösche“ und überall in den „Thesmophoriazusen“; zumeist aber schrieb er aus Sorge um seine Heimatstadt Athen, ihre verfehlte Politik und ihre verqueren Politiker, die von üblen Leidenschaften beherrscht üble Politik machten. Er sah, wie seine Heimat sich dem selbst verschuldeten Untergang näherte, und sah die Ursachen: überall Geldgier, Machtdrang, Rechthaberei, Misstrauen, Maßlosigkeit. Am Ende steht die düstere Selbstdemaskierung des widerlichen kleinen Alltagsmenschen im „Reichtum“. Hier ist mehr Trauer als Lustbarkeit. Seine Kunst war durch die Vorgänger vorgebildet, deren Errungenschaften er wahrt, nur zuweilen maßvoll variiert. Er zeigt nur zu oft einfache Athener, die er zu übermenschlichen Kraftgestalten werden lässt, die gar zum Himmel auffahren. Ihr Tun ist vielfach vom Sang und Tanz des Chors begleitet, nach der Parabase (s. Anm. 14) folgt die Spielform der Abfertigung von Typen durch den Hauptakteur. Doch gegen Ende seiner Laufbahn lässt er viele von diesen alten Formen fort, welche die Komödie vom realen Leben unterschieden. Die Komödie des alten Aristophanes nähert sich einem Spiegelbild des Alltäglichen und wird düster. Die Schönheit des Gesanges weicht der durchgehend dargestellten ränkevollen Geldgier eines Chremylos. Lachte man vordem über Wortspäße, Zötchen, Clownerien, so reagiert man angesichts des Spätwerks eher betreten: Der Gott des Reichtums und die Inkarnation der Armut decken zu viel an alltäglichen Charaktermängeln auf. Die Komödie des alten Dichters beginnt zu weinen. Menander geht den Weg des späten Aristophanes weiter, doch ohne die betrübende Düsternis. Es geht ihm nun nicht mehr um die Ursachen von Athens Untergang. Athen hatte sich ja aus einer Großmacht zu einem recht geruhsamen Provinzstädtchen gewandelt, und so treten in Menanders Stücken auch nicht mehr unverwechselbar athenische Figuren auf, sondern Figuren, die überall im griechischen Mittelmeerraum auftreten konnten. Keine Phantasiewelt mehr wie das „Wolkenkuckucksheim“, keine Kraftgestalten, Exuberanzen, Grotesken; der Alltag wird abgeschildert und mit ihm alltägliche Defizienzen, die das Miteinander so oft misslingen lassen. Von Politik keine Rede, nur vom privaten Fehl-

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und Rechtverhalten, von Impulsivität, Voreiligkeit, Heimlichtun und von der stillen, privaten Größe einer treu liebenden Ehefrau oder der klugen Voraussicht einer sympathischen Hetäre. Die Standesgrenzen bleiben zwar gewahrt, aber nun können auch Sklaven treu und klug sein, ein Daos rettet seine Herrschaft vor der Geldgier des Onkels. Gut und Böse überall, und überall das Spiel des Zufalls, dem das Menschenleben unterworfen ist. Spiegel des Lebens – dem dient auch Menanders Technik: Keine Chöre mehr und keine Arien, keine Götter (bis auf die Prologgottheiten) und kein „Starker Hans“. Dafür folgerichtig durchgeführte Handlungen, die jedem nachvollziehbar sind. Die Komik mag zuweilen in den Zwischenaktspielen getollt haben; in den Komödien selbst liegt sie im Inneren, im Irren und Verfehlen, das der Zuschauer lächelnd, weil vom Prolog informiert, miterlebt; lächelnd, denn er sieht sich selber abgebildet. Die Schönheit liegt in den edlen Charakteren, im Gelingen klugen Handelns, in der heiteren Glätte der Sprache. Überall immer wieder dieselben Typen von Menschen und Menschentun, und oft ist die Komik eine bittere. Man könnte meinen, jene beiden Masken kennzeichneten zusammen die Komödie Menanders, aber höher hängt doch die lachende: Es geht, dank einem Zufall und einer Menschenklugheit, doch immer gut aus. Als Rom das Makedonenreich zerbrach, bewies es seine militärische Überlegenheit über Griechenland, Athen agierte glücklos. Kein Wunder, dass der gewöhnliche Römer sich den Griechlein überlegen fühlte; er lächelte über deren Aufgeregtheiten, nicht gehässig, aber amüsiert und aus der Position der Stärke und moralischen Superiorität, wie er meinte. Diesem Selbstbewusstsein der Zuschauer bei Komödien jener Kraftzeit trug auch Plautus Rechnung, und musste es tun, wollte er gefallen und verdienen. Gern verzerrte er daher die hilfreichen Diener griechischer Lustspiele zu unerschöpflich trickreichen, prahlenden Alleskönnern; gern vermehrte er die Zahl der Akteure oder ließ auch solche fort; er schaltete souverän mit den Originalen, reicherte sie durch Arien und durch zugkräftige Szenen an, die er aus anderen Stücken hereinnahm. Überall ließ er seinen Witz spielen und wird – strikt beweisen kann man es nicht – manche Spielform der heimischen Atellanen-Posse übernommen haben. Die Glätte regelrecht durchlaufender Handlungen gab er um possierlicher Effekte willen oft auf; oft aber wahrte er sie peinlich und war sehr wohl in der Lage, eine psychisch präzise beobachtete Szene als solche zu erkennen und wiederzugeben. Man macht einen groben Fehler, Plautus allein als den Allesverdreher und Allesverwitzler hinzustellen: Zwar musste er mit dem Publikumsgeschmack Kompromisse schließen, er war aber Dichter genug, das Feine seiner Originale zu erkennen, und mutig genug, es als solches nachzugestalten. Ja, er war imstande, auch selber überzeugende

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Handlungsstücke zu erfinden, dies aber immer in den Bahnen der Nea, Bahnen, die er zuweilen arg strapazierte, immer jedoch respektierte. Rein Römisches zu dichten, war ja anderen Gattungen vorbehalten. Schrieb Plautus willkürlich veränderte, oft bis ins Groteske getriebene, und nur zuzeiten genau nachgebildete Nea-Adaptionen, so folgte Terenz einem anderen Stilideal, und nicht nur einem anderen, sondern einem revolutionär neuen. „Du auch“, dichtete Caesar einmal337 Terenz an, „Du auch, o halbierter Menander, wirst zu den Besten gezählt, und zu Recht, Liebhaber Du reiner Rede. Wenn doch nur Deiner so feinen Schreibweise Kraft beigegeben wäre und gekonnte Komik gleiche Ehre davontrüge wie die der Griechen und Du in dieser Hinsicht nicht schwächlich danieder liegen müsstest! Nur dies eine kränkt mich und schmerzt, dass dies Dir fehlt, Terenz!“ Nun, dem Numider Terenz fiel es wohl leichter, den römischen Chauvinismus eines Plautus abzuwerfen, aus Überzeugung das Griechentum Menanders ganz und voller ernst zu nehmen als Plautus, ja in revolutionärer Umkehr als modell-, wenn nicht gar vorbildhaft zu gestalten. Er zeigte an seinen Griechen, die jedoch fast schon Überall-Menschen und Allerweltstypen sind, wie schwer man sich das Leben machen kann durch Unbedachtheit, Misstrauen und all die Untugenden, die Menander auf die Bühne brachte, und wie man Unbilden mit jenen Tugenden zu bewältigen vermag, die auch die Tugenden menandrischer Helden waren. Gewiss reicherte auch Terenz seine Vorlagen um mancherlei Personen und Szenen an, auch er störte dabei die Folgerichtigkeit der Handlungen nicht ganz selten. Aber sein Bestreben war klar und deutlich, wieder zurückzukehren zur menandrischen Komödie. Und wenn Caesar einen Mangel an „gekonnter Komik“ verspürte, so wird man das registrieren, aber nicht unterschreiben, wenn man nämlich Szenen wie der zwischen Syrus und Dema in den „Adelphoe“ auf sich hat wirken lassen. Terenz, der Numider, zeigte der Welt zum ersten Male, wessen römische Dichtung fähig ist, wenn sie weitgehend getreu den griechischen Meistern folgt; weitgehend, denn auch Terenz musste Kompromisse schließen: Er ließ wieder das eine oder andere Lied ertönen, ließ auf der Bühne mehr geschehen als in seiner Vorlage geschah. Nur in dieser Hinsicht, im Hinblick auf derlei Kompromisse, hatte Caesar Recht, wenn er Terenz einen „halbierten Menander“ nannte. Aber Terenz war Caesar in einem Punkte näher, als der große Politiker und Feldherr ahnte: Die terenzische Komödie erhebt sich zu solch schönen Gestalten wie Micio oder Thais von einem düsteren Untergrund wie schon die Komödie des Aristophanes und Menanders, düster nicht zuletzt deswegen, weil über diese Figuren stets der Zufall willkürlich waltet. Micio sagt einmal: „Das Leben des Menschen gleicht dem Würfelspiel: Wenn’s

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Zusammenschau

nicht so ausfällt, wie es dir am liebsten wäre, musst du halt, was durch den Zufall zu deinem Nachteil ausfiel, mittels der Klugheit korrigieren.“ Auch Caesar wusste sich dem Zufall ausgesetzt; so sagte er einmal338 etwas dem Micio Ähnliches: „Wenn nicht alles nach Wunsch ausfällt, muss man dem Zufall durch bedachten Fleiß eben aufhelfen.“ Not und Abhilfe, Weinen und endlich doch Lachen – die attisch-römische Komödie hängt am Ende die lachende Maske doch höher als die trauernde; sie ist aus dem Verlass darauf geschrieben, dass kluge Menschlichkeit letzten Endes über die üblichen Defizite zu siegen vermag.

Anmerkungen 1 Alle Zitate aus dem bei Fittschen (1988) 202 abgedruckten Aufsatz von F. Studniczka aus dem Jahre 1918. Über die Kennzeichnung als „versonnen“ und „nachdenklich“ geht P. Zanker, Die Maske des Sokrates (München 1995, 82 f.), nicht hinaus, will den Dichter zugleich modernistisch zum luxuriösen „Außenseiter“ stempeln: Ein Abgleiten ins Unwesentliche, das uns hier nicht kümmern muss. 2 Zu Kratinos vgl. Schmid (1959) 9, wo die Rüge und das Stellungnehmen zu Politischem ihm als Neuerung zugeschrieben wird, und 67 ff. über die erhaltenen Bruchstücke. Zu der gleich zu nennenden Bühnenfigur des Parasiten vgl. P. Kruschwitz, Die antiken Wurzeln des Begriffs „Parasit“, Nova Acta Leopoldina NF 83, Nr. 316, 2000, 147ff. 2a Zu Epicharms Einfluss auf die attische Komödie s. Kerkhof (2001) 133ff. 3 Vgl. zu den „megarischen Witzen“ Schmid (1959) 7 f.; Lesky (1993) 274. Wenn man über ländliche Lustbarkeiten als Vorläufer der organisierten Komödie nachdenkt, muss man sich stets vor Augen halten, dass die antiken Nachrichten nicht erlauben, z. B. die dorische Farce naiv als einen solchen „Vorläufer“ vorauszusetzen, da weder die literarischen noch die archäologischen Zeugnisse bis in eine Zeit vor dem Beginn der literarischen Komödie hinaufreichen (L. Breitholtz, Die dorische Farce, Stockholm 1969, bes. 124 und 182; vgl. aber Kerkhof [2001] 12). 4 Vgl. Möllendorff (2002) 51 mit Literatur. 5 Zu einem weiteren, nicht minder berühmten (Hor. Sat. 1, 4, 1) Dichter der alten Komödie, zu Eupolis, dem Zeitgenossen des Aristophanes, vgl. J. C. Storey, Eupolis, Oxford 2003 (Hinweis von K. Alpers). 6 Zu den Aufführungsbedingungen seiner Zeit s. W. Kraus, Aristophanes’ politische Komödien, Wien 1985, 14 ff. Der Komödienverfasser studierte sein Werk auch selber ein, S. 14; zur Finanzierung ebd.; s. jetzt auch Zimmermann (1998) 16 ff. Zu Genese und Struktur der Alten Komödie ist das Grund-Buch das von Sir Arthur Pickard-Cambridge, Dithyramb, Tragedy and Comedy, 2. Aufl. Oxford 1962. 6a Vgl. Brockmann (2003) 147ff., bes. 154f. 7 Die hier gegebene und alle späteren Inhaltswiedergaben sind, da ein vorab bestimmter Buchumfang einzuhalten ist, kurz und geben nicht jedes Detail des äußeren Handlungsablaufs wieder; genauere Paraphrasen finden sich bei Schmid (1959) 223–386; verkürzte Inhaltsreferate auch bei Möllendorff (2002) 63 ff., der auch die einzelnen Teile der Chorauftritte benennt und auf S. 14–35 definiert. 7a Dazu Brockmann (2003) 162f. 8 Kraus (1985) 30 spricht bezüglich der Politik von einem „satirischen Bühnenfestspiel“, ähnlich C. H. Whitman, Aristophanes and the Comic Hero, Cambridge/ Mass. 1964, 61, betonend, dass diese Satire an der Realität, z. B. im Falle des an sich tapferen und fähigen Lamachos, vorbeiging. 9 Möllendorff (2002) 135 f.; jüngst handelt besonders erhellend hierüber H. Erbse, Hermes 130, 2003, 381ff. 10 Schmid (1948) 218. So wie hier argumentiert wurde, verstand das SokratesBild des Aristophanes auch Kraus (1975) 446–9.

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Anmerkungen

Vgl. v. 203, 267, 295, 330, usw., dazu Segal (1969) 180 und 182. Der Schüler, der Strepsiades empfängt (133 ff.), zeigt ihm gleichsam Einzelforschung, Sokrates selbst nennt die Prinzipien, mit dem Göttlichen beginnend. 13 Vgl. 478 und Plat. Charm. 164 e 7; Phileb. 48c 10. 14 Die Parabase (gr. Parábasis, „Vortreten“ des Chors aus der Rolle als Akteur in die des Sprachrohrs des Autors) und ihre sieben Teile sind genau besprochen bei Schmid (1959) 44 und Möllendorff (2002) 24ff. 15 Zu den chronologischen Schwierigkeiten des v. 553, in dem die „Wolken“ von 423 über ein zwei Jahre später aufgeführtes Drama eines anderen Dichters sprechen, das heißt zur Frage der späteren Überarbeitung der „Wolken“ vgl. das Forschungsreferat bei Möllendorff (2002) 133. 16 Der Ausdruck „Spannung“ dürfte nicht verkehrt sein, denn Aristophanes arbeitet gern mit diesem Mittel, s. M. Landfester, Handlungsverlauf und Komik in den frühen Komödien des Aristophanes, Berlin–New York 1977, 54, 67, usw. 17 Auch dieses Formelement kennt bestimmbare Teile, die allerdings variabel angewendet werden, vgl. zum Agon der „Wolken“ Möllendorff (2002) 22. 18 Rau (1967) 148ff.; man denkt an des Sophokles König Oedipus 1080. Zu dieser Spielform, „Parektasis“ genannt, Maurach (1988) 197. 19 Erbse (1954) 402 zeigt, wie doppelbödig die Ankündigung des Chores ist, Pheidippides werde die Kunst lernen, den Rechtdenkenden Gegenargumente entgegenzusetzen (1303ff.). 20 Vgl. Eur. Alk. 940, Bacch. 1296; Segal (1969) 189. 21 Immerhin geht er das eine oder andere Mal auf das üble Anliegen des Vaters ein: 260, 874, 886, 1152. 22 Segal (1969) 177 zählt die einzelnen Gegensätze auf. 23 Zu diesen Vorgängen s. Bengtson (1969) 234 f. Die Hauptquelle ist Thukydides 5, 10. 24 Newiger (1975) 272 ff. führt die Länge auf die Verdoppelung besonders der Serie von Abfertigungsszenchen zurück, vgl. Möllendorff (2002) 107. 25 Newiger (1975) 274f., interessiert an der Sonderstellung der „Vögel“ innerhalb des aristophanischen Schaffens, weist darauf hin, dass eine solche Geburt eines Planes auf der Bühne während der Handlung und nicht schon vorher, im Werke des Aristophanes hier zum ersten Male auftaucht. 26 Zu den Textschwierigkeiten in v. 209 ff. s. Fraenkel (1950) 256 ff; zur Metrik L. P. E. Parker, The Songs of Aristophanes, Oxford 1997, 296f. 27 Zur kunstvollen Anordnung der Vogelarten im Rufe des Wiedehopfes v. 227 ff. s. Fraenkel (1950) 259: Die Vogelarten sind nach Feld-, Garten- und Bergbewohnern, Feuchtwiesen- und Küstenbewohnern unterschieden. 28 Anspielung auf den wenig erfolgreichen Zug des Feldherrn Nikias in Thrakien, s. Bengtson (1969) 239. 29 Vgl. Schwinge (1977) 43ff. 30 De Romilly (1963) 336ff. 31 Zur zweiten Sizilischen Expedition s. De Romilly (1963) 200 ff.; Bengtson (1969) 240ff. 32 Gut hierüber Möllendorff (2002) 84 mit Anm. 40: Innerhalb der Behandlung einer jeden Motivgruppe erscheint jeweils das andere Motiv ebenfalls als Nebenthema. 11

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Anmerkungen

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33 Im Jahre 411 brachen die Reste athenischer Demokratie zusammen und eine Gruppe der „Oligarchen“ trat die Herrschaft über die Stadt an, doch nur für kurze Zeit: Von der Flotte ging eine Gegenbewegung aus, s. Bengtson (1969) 246 f.; sie führte zur Einsetzung einer Körperschaft aus 5000 freien Bürgern, aus deren Mitte der Rat der 400 gewählt wurde. Es folgte Mitte 404 eine rigide, zuweilen gewalttätige und alles Oligarchische hassende Politik, die jedoch unter den Schlägen mehrerer Niederlagen zusammenbrach und von einer noch gewalttätigeren Regierung abgelöst wurde, den „Dreißig“, vgl. Bengtson (1969) 259f. 34 Sophokles ist an dieser Wahl nicht beteiligt, ihn hatte (so sagt Aristophanes 787 ff.) Aeschylus, als sein großer Dichterkollege unten anlangte, auf dem Meisterthron mit ihm zusammen sitzen lassen. Zu den schwierigen Textfragen um v. 790 s. U. von Wilamowitz-Moellendorff in Wege der Forschung 265, 359, Anm. 4. 35 Radermacher (1954), 289. 36 Dazu C. H. Whitman in: Wege der Forschung 265, 377ff. 37 Zu den Textproblemen dieser Passage vgl. Radermacher (1954) 339ff.; Möllendorff (2002) 160. 38 Den modernen Interpreten hat diese Lösung Schwierigkeiten bereitet, eine Auswahl bietet Möllendorff (2002) 163f. 39 Bengtson (1969) 251 f. Immerhin wehrte Sparta das Ansinnen Korinths und Thebens ab, Athen völlig zu vernichten. 40 Gelzer (1960), bes. 217–224. 41 Zu dieser Frage vgl. Maurach (1968) 4. Die beiden Figuren waren bisher im Stück noch nicht aufgetreten, s. A. H. Sommerstein, The Comedies of Aristophanes, Bd.10: Ecclesiazusae, Warminster 1998, 206. 42 Slater (2002), 221. Schamlos nennt der Skeptische seine Haltung „besonnen“ (Rademaker [2005] 229), was an Thuc. 3, 82, 4 erinnert. 43 Vgl. z. B. den Apoll vom Piräus (530/510 v. Chr.), A. Stewart, Greek Sculpture, Yale UP, Bd. 2, 1990, Abb. 168–169. 44 Man wird gern ein allgemeiner geltendes Urteil fällen als das von Slater (2002) 221, der den Sinn der Szene wohl zu eng im Politischen sieht („defence of the new state against such parasites“). Weiter fasst das Thema Zimmermann (1998) 178, wenn er vom „menschlichen Egoismus“ spricht. 45 Möllendorff (2002) 118. 46 N. W. Slater (2002) 221; M. S. Silk, Aristophanes and the Definition of Comedy, Oxford 2000, 221 nennt die beiden Männer zu Recht „Typen“, geht aber nicht weiter auf sie ein. Von „ironischer Distanz“ zwischen Reden und Tun spricht H. Flashar, The Originality of Aristophanes’ Last Plays in Oxford Readings in Aristophanes, hrsg. von E. Segal, Oxford 1996, 314 nach seinem Aufsatz 1967, 414. 47 Maurach (1968) 7. 48 Dies war das Ergebnis von Maurach (1968) 7 in seinem Aufsatz, den Flashar (1975) 434 im Nachtrag zustimmend erwähnt. 49 Die Szene mit den alten Vetteln kann man mit den nicht minder derben Szenchen des „Friedens“ vergleichen (Waschungen der Opora) oder mit der gespielten Verführung in der „Lysistrate“. Doch dort herrscht Laszivität, und man könnte mit einem „Der hat’s gut“ reagieren; hier dagegen mag man ebenfalls ein Gelächter anstimmen, aber der Beigeschmack wäre eher ein „Pfui Teufel“ wie in Horazens achtem Jambus.

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Anmerkungen

Schmid (1959) 370 und 372. Möllendorff (2002) 124. 52 Wenn Dover (1972) 202 diese Szene damit abtut, dass Plutos „pestered by Khremylos and Karion to tell them who he is“, so genügt das angesichts der gewaltbereiten Gemeinheit der beiden nicht; zu ihr auch Zimmermann (1998) 181. 53 Zu diesem Motiv Hom. Od. 5, 118; Hes. Werke 42; Herod. 1, 32, 1. 54 Nachweise bei Maurach (1968) 8, Anm. 21. Die Ironie, welche den Chremylos umspielt, arbeitet Flashar (1975) 412f. überzeugend heraus. 55 Besonders krass wird die Kennzeichnung des Chremylos dort, wo er der Penia entgegenhält, sie werde ihn von der Notwendigkeit der Armut auch dann „nicht überzeugen, wenn sie ihn überzeuge“, das heißt, sie könne gern intellektuell und „dialektisch die Oberhand behalten“ (Flashar 423, 430), richten werde er sich danach nicht. Das bedeutet nicht weniger, als dass Aristophanes sich sehr klar darüber war, dass über allem Intellekt eine stärkere Steuerung im Menschen angelegt ist, als der Verstand es ist. 56 Wie reduziert der Agon in diesem späten Stück bereits ist und wie reduziert auch die anderen Spielelemente der früheren Stücke eingesetzt sind, verdeutlicht Flashar (1975) 405f. 57 Ein Sklave als Hauptakteur war in den früheren Stücken undenkbar: Flashar (1975) 407 mit Anm. 6. 58 Die Ironie ist im sprachlichen Ausdruck unüberhörbar, s. Maurach (1968) 9 f. mit Anm. 24. 59 Vgl. Maurach (1968) 9f. 60 Es sei gleich zu Beginn des Menander-Kapitels betont, dass in ihm ausschließlich nach Arnotts drei Loeb-Bänden zitiert wird (siehe das Literaturverzeichnis unter Arnott [1979, 1996, 2000]). 61 Im Unterschied hierzu spricht Dover (1972) 59 ff. von einer Diskontinuität der Charaktere bei Aristophanes, was Silk (2000) 207 ihm nachspricht. 62 So zu argumentieren und gleichsam von einer Lehre Menanders zu sprechen, bedeutet, dass seine Charaktere ein hohes Maß an Wirklichkeit zeigen; eben dies spricht Silk (2000) 232 den Figuren des Aristophanes noch ab. 63 Vgl. Lesky (1993) 718; Arnott (1979) XIII; Blume (1998) 5 mit Anm. 2. 64 Vgl. Arnott (1979) XVI; Blume (1998) 5, Anm. 3. 65 Vgl. Arnott (1979) XIV unten; Blume (1998) 6 mit Anm. 4. 66 Arnott (1979) XIV; Blume (1998) 7 mit Anm. 10. Zu den Vorläufern Menanders Zimmermann (1998) 188ff., 206f. (über die so genannte Mittlere Komödie). 67 Arnott (1979) XV schenkt der ersten, Blume (1998) 8 unten der zweiten Zahl Glauben. 68 Arnott (1996) 251, Abs. 2. 69 So bezeichnet ihn Blume (1998) 21 unten; der strenge Attizist widmete sein Werk dem Kaiser Commodus, s. Lesky (1993) 930 f. Blume zitiert in 21, Anm. 17 eine moderne Ausgabe. 70 Vgl. Blume (1998) 30 f.; aus jüngerer Zeit Arnott (1996) 369 f.; (2000) 4 f. und 196; ders. in: Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 399ff. 71 Zu allen diesen Fragen vgl. die reich dokumentierten Seiten bei Blume (1998) 46–74. 50 51

Anmerkungen

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72 Zu ihnen und zur Liste des Pollux (Lexikograph des 2. Jh. n. Chr.; im 4. Buch des „Onomastikon“ eine Liste von Theatermasken) s. Blume (1998) 70. 73 Blume (1998) 101, Anm. 13. Zu eigenwilligen Handlungen vgl. E. Fantham in: Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 231f. 74 Zu den attischen Festen s. Möllendorf (2002) 49 mit Literatur. 75 Dreifacher Götteranruf in 192; ähnlich 666f. 76 V. 597, vgl. oben Anm. 20 und Blume (1998) 93. 77 Genauer beschrieben sind diese Funde bei Arnott (1979) 380 f.; Blume (1990) 35 f. 78 Hierzu oben Anm. 73 und Blume (1998) 101, Anm. 13. 79 Es mag sein, dass sich Chairestratos in das Harfenmädchen verguckt, eine hübsche Vermutung, die Blume (1998) 104, Anm. 25 zitiert, doch Arnott (1979) 388 hält diese aus den Fetzen gewonnene Vermutung verständlicherweise für unsicher. 80 V. 324f., als ob es jemals in Griechenland Löwen gegeben habe! Mit feiner Ironie Blume (1998) 108, Anm. 39 dazu. 80a Zu Halerotonon Krieter-Spiro (1997) 43ff.; zu ihrer Sprache 240. 81 V. 451; Arnott (1979) 447, Anm. 1 zu diesem Fest. Eigentlich könnte man fragen, was ein Mann da zu suchen gehabt habe, aber Spielvoraussetzungen sollte man nicht zu genau befragen. 82 Solches Erproben einer später zu haltenden Rede ist ein in der Alten und Neuen Komödie nicht unübliches Motiv: Aristoph. Eccl. 163ff.; Men. Perik. 550; vgl. Blume (1998) 115 unten. 83 Vgl. Blume (1998) 117 mit Anm. 62 zu Text und Sprache dieser Passage. 84 Blume (1998) 118 macht treffend darauf aufmerksam, wie Menander das Erscheinen der Hauptfiguren lange aufspart, um Spannung zu erregen. 85 V. 858 bis 866; hier ist Blume (1979) 120 oben besonders aufschlussreich. 86 Zu solchen Rede-Proben vgl. oben zu v. 517ff.; s. auch Anm. 82. 87 Gut beschreibt dies Blume (1998) 150, Anm. 64. 88 Arnott folgt darin Gomme-Sandbach (1973) 62f. 89 So sendet der Offizier im „Misumenos“ seinen Diener mit der Beute davon (v. 33ff.), s. Arnott (1996) 262. 90 V. 458 ff.; Arnott (1979) 79, Anm. 1 warnt jedoch: Der Text sei nicht sicher herzustellen. 91 V. 465 ff.; man erinnert sich an die Szenen nach Bobolinas Tod in dem Film „Sorbas, The Greek“. 92 V. 408; hier wie in Misumenos 615 erklingt die Formel „Ich halte dich!“ 93 Gut Blume (1998) 159, Absatz 3f. 93a Gut hierüber Krieter-Spiro (1997) 172. 94 Arnott (1996) 370; als Gesamtumfang nimmt er 1030 bis 1064 Verse an (S. 371). 95 Nach Arnott (1996) 419. 96 Arnott (1996) 456 nach Gomme-Sandbach. 97 Vgl. zur Textgeschichte Arnott (2000) 193ff. 98 Zum Piratenunwesen damals Arnott (2000) 201, Anm. 10. 99 Zu diesen Möglichkeiten s. Arnott (1997) 7ff. 100 In 176 ff. zitiert der Botenbericht Eur. Orest. 866 f.; Arnott (2000) 248–253 registriert die Anklänge.

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Anmerkungen

101 Arnott (2000) 199 verweist auf die Parallele bei Plautus, Poenulus 1087ff. (vgl. Maurach [1988] 153 mit Literatur). 102 Vgl. auch Plaut. Epid. 400 ff. Zu Malthakes sozialem Stand Arnott (2000) 209, Anm. 6. 103 V. 219ff.; vgl. dazu u.a. E.-R. Schwinge, Gymnasium 78, 1971, 466. 104 Solche „Niederlagen“ scheinen in der Neuen Komödie öfter geschehen zu sein: Nachdem Getas bei Knemon (Dysk. 459 ff.) abgeblitzt, tadelt Sikon sein tölpelhaftes Vorgehen und macht sich anheischig, es besser zu machen, doch es ergeht ihm genauso: 487 ff. Ähnlich muss Milphio im „Poenulus“ des Plautus (der auf den „Lehrer“ Menanders, auf Alexis, zurückgeht) in 1028 sich geschlagen geben (s. Maurach [1988] 149, 205). 105 Arnott (1975) 22 zeigt auch Beispiele für die Verknüpfungstechnik von Szenen durch Wortwiederholung. 106 Es mag sein, dass Menander zuweilen auch den Akt-Anfang hervorhob, vgl. Sik. 150 ff. (unerwartbares Thema einer lebhaften Diskussion), Sam. 96 ff. (Lob Athens), 617ff. (Moschion will urplötzlich zu den Soldaten). 107 Vgl. oben Anm. 100. 108 Vgl. Blume (1976) 80 und 82 zum Stil. Arnott (1975) 25 weist auch auf die genaue Differenzierung der Sprechweisen einzelner Figuren hin: Menander macht standesbedingte Unterschiede. Zum Topos der Heimatbegrüßung (Sam. 101 ff.) vgl. auch Plaut. Stich. 649f. und unten Anm. 112. 109 Vgl. Gomme-Sandbach (1973) im Kommentar zu Perik. 827 (Arnott [1996] 456 oben). 110 Maurach (1995), 220ff. 111 So auch Arnott (1975) 24. 112 V. 96 ff.; so „chauvinistisch“, wie Arnott (2000) 9 und 33, Anm. 23 ihre Begrüßung der Heimat nennt, wird man die bewegten Worte nicht empfinden; vgl. Blume (1974) 35 und 49, Anm. 97. 113 Treffend spricht Zimmermann (1998) 235 ff. von den „Schwierigkeiten der menschlichen Kommunikation“ bei Menander. Bei solchen Überlegungen ist stets im Gedächtnis zu behalten, dass wir von Menanders Vorgängergeneration fast nichts mehr lesen, genauer gesprochen: Von der so genannten Mittleren Komödie. Arnott (1972) hebt als deren Kennzeichen, welche diese Dichter sowohl mit der Alten wie mit der Neuen Komödie verbinden, hervor: Schwinden der Chorpraxis (S. 68), Politisches ist reduziert (69); Handlungen nähern sich der Nea (Töchter umschwärmt von mehreren Liebhabern; Säuglinge ohne gleich erkennbare Eltern, usw.: 68–70); Philosophisches und Tragisches wird gern parodiert (71); Mythen-Burlesken beliebt (71 ff.; daher der „Amphitruo“ des Plautus); Hetären-, Parasitenund Kochrollen nehmen zu: 77. 114 Arnott (2000) 143 interpolierte wohl zu Unrecht ein personalisierendes „für mich“: „(It’s far the best, however) for me.“ 115 Maurach (1968) 22f.; akzeptiert z.B. von Flashar (1975) 434. 116 Testimonium 32, S. 7 in Körte (1953). Die Lebensnähe betont auch Arnott (1975) 23. 117 Vgl. Maurach, Geschichte der römischen Philosophie, 2. Aufl. Darmstadt

Anmerkungen

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1997, 7 ff. Auf Appius geht der unsterbliche Spruch zurück, dass jeder seines Glückes Schmied sei. 118 Vgl. Wissowa (1912) 462. Zu Livius Andronicus bes. Leo (1913) 55 ff.; Knoche (1986) 65f. 119 Diese Vermutung steht bei Knoche (1986) 65; zur Form des Titels Knoche 66 mit Anm. 9, sie findet sich bereits bei A. Klotz, Hermes 60, 1925, 320. 120 Ob Livius auch eine Komödie zur Aufführung brachte, ist nicht deutlich, vgl. Albrecht (1992) 92, Anm. 2 mit leiser Skepsis gegenüber der sehr späten Bezeugung. 121 D. Kienast, Augustus, 3. Aufl. Darmstadt 1999, 223, Anm. 65; eine Abbildung bei E. Simon, Augustus, München 1986, 15. 122 Zum Namen A. S. Gratwick, CQ 67, NS 23, 1973, 78ff.; Maurach (1988), 31f. 123 In: Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 385. 124 Gaiser (1972) 1979 ff. Dazu gehört auch der „Schwall griechischer Fremdwörter“ (Blänsdorf [1978] 107), die gewiss auch komisch wirkten, wie auch die Punica im „Poenulus“ (zu ihnen S. Faller, Studien zu Plautus’ „Poenulus“ 163ff.). 125 Leo (1913) 139ff.; Gaiser (1972) 1079. 126 Leo (1913) 370; Albrecht (1992) 82 f. mit Literatur. Ein Beispiel: Der Kuppler Ballio aus dem „Pseudolus“, v. 133–229. 127 Vgl. hierzu Arnott (1975) 35 f. zum Sklaven als „trickster“ und zur Kupplerrolle. 128 Hierzu Deufert (2002) 293–329; hier wird der Ambrosianus A ins 5. Jh. datiert (294). Die Fülle der sprachlichen Varianten wird der letzten antiken Ausgabe, also dem 4./5. Jh. zugeschrieben. 129 Zu all diesen Dingen Leo (1912) 14ff.; leichte Änderungen des dort entworfenen Bildes bei Deufert (2002). 130 Zu ihm aus neuerer Zeit R. Hanslik, RE 8 A, 206; H. D. Jocelyn, CQ 34, 1984, 464ff.; 35, 1985, 149ff., 466ff. 131 Vgl. E. Woytek (1982) 11 und 58. 132 Woytek [1982] 224. Wie eine Variante aussieht, zeigt auch Bacch. 503. Dort heißt es in A: „Das hat sie zu ihrem eigenen Schaden getan!“ (ne illa illud hercle cum malo fecit suo), in P malo fecit suo meo. Das paradoxe meo ist angesichts der paradoxen Witzelei in 503 nicht sinnlos, wir haben es also mit einer echten Variante zu tun, die der Verfasser des Archetyps P in seinen Handschriften fand. Ein weiterer Beleg: Poe. 214f. 133 Zu deren altlateinischen Anfängen Lindsay (1907) 56f.; HS 550. 134 Lindsay (1907) 1. Die Sprache des Plautus stellte A. Thierfelder ausführlich dar in „Titus Maccius Plautus Rudens“, Stuttgart 1949, 12ff. 135 Haffter (1934) 52 ff., 62 ff., 115 ff.; vgl. Happ (1967) 60 ff. Die Kunst plautinischer Bilder untersuchte H. Marti, Untersuchungen zur dramatischen Technik bei Plautus und Terenz, Diss. Zürich 1959, 73ff. 136 W. Stockert, Bemerkungen zur Figurenverteilung in der „Aristie des Periplectomenus“, WS 114, 2001, 157 ff. T. J. Moore scheint es, wenigstens „grosso modo“, gelungen zu sein, bestimmte Versmaße bestimmten Typen zuzuordnen, z. B. die Baccheen den Matronen (Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 319ff.). 137 Wie sehr er seine Sprache über die Jahrzehnte seiner Tätigkeit hin änderte, ist

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Anmerkungen

kaum mehr feststellbar, da die Datierung der Stücke unsicher ist, vgl. Gaiser (1972) 1027; Schaaf (1977) 373; E. Woytek, WS 114, 2001, 119 ff. 138 Crusius-Rubenbauer (1955) 24ff.; Drexler (1967) 49ff. geben das Nötigste. 139 Der griechische jambische Trimeter besteht aus drei Metren, die im Falle der Tragödie im Inneren eine Kürze, in der Komödie Kürze oder zuweilen auch Doppelkürze aufweisen. 140 Dass Plautus wirklich der Verfasser der „Bacchides“ ist, scheinen die Verse 213 ff. klar zu machen, in denen der Verfasser sein Stück „Epidicus“ erwähnt (so Leo [1913] 94, 137; Fraenkel [1922] 119 und 250); neuerdings aber wurden Zweifel daran erhoben, ob diese Verse wirklich von Plautus und nicht von der Hand eines Späteren bei einer Wiederaufführung stammen, s. Zwierlein (1992) 203 ff., der mit seiner Skepsis nicht allein steht. Die Skepsis beruht darauf, dass man die Worte über Pellio als Tadel versteht; vielleicht ist das aber falsch. 141 Plautus hat alle Namen bis auf den des Erziehers Lydus geändert. 142 Barsby (1986) 94 vermutet eine Hausputz-Szene zu Beginn, dann einen Monolog des Pistoclerus, in dem er einiges aus der Vorgeschichte mitteilt, dann die Ankunft der Schwester aus Athen (auch der Diener oder Parasit des Offiziers könnte mit aufgetreten sein, um an den Kontrakt zu erinnern); vielleicht belauschte Pistoclerus diese Szene und erfuhr so, dass die Schwester die Geliebte des Freundes ist. 143 Die Verse sind genau erklärt bei Maurach (1983) 109. Zwierlein (1992) 136 eliminiert die Verse 89 f., schneidet damit aber genau die Partie heraus, welche das Umschwenken des Pistoclerus motiviert. Der Leser möge selbst entscheiden, ob Zwierleins zweiter Absatz auf S. 138 oder meine Erklärung auf S. 109, Anm. 2, die Zwierlein nicht berücksichtigt, überzeugender ist. 144 Zur Willkommensmahlzeit Petersmann (1973) zu 470. 145 Zunächst antwortet er auf die Frage „Wohin gehst du?“ schnoddrig: „Dahin!“; dann erklärt er auf die Frage, wer da wohne, spaßig: „Die Liebe, die Lust und das Scherzen und Kosen – wieso kennst du, ein Lehrer, die Götter nicht?“ Auf die Frage nach den hübschen Kleidern antwortet er, er müsse dem Festessen entsprechen; dann macht er dem Alten klar, dass der Pädagoge bei dem Fest nichts zu suchen habe, dass er selbstverständlich eine amica habe, und wenn der Alte nicht den Mund halte, er ihn verprügeln werde. Auf den Protest des Lehrers hin folgt die endgültige Abfertigung: Aus Frechheit wird Vernichtung. 146 Überliefert ist der Name als „Chrysalus“ (von griechisch „chrysos“, Gold); Plautus hat mit Sicherheit, altlateinischer Sprache gemäß, Crusalus geschrieben, wie sich gleich zeigen wird. 147 Vgl. H.-P. Schönbeck (1981) 56. 148 Köstlich des Crusalus Weisheit 193 f.: „Die Geliebte ist des Liebenden Seele: Ist sie fern, ist er tot; ist sie da, ist das Geld weg, er aber verkommt und verarmt.“ Crusalus bekennt, er würde lieber im Aceruns, der Totenwelt sein, als Misserfolg haben (198): Plautus fügt nur zu gern eine Anspielung an den ganz ungriechischen, vielmehr letztlich etruskischen Aceruns in seine Vorlagen: Fraenkel (1922) 180. Und die Alberei mit dem fünfmaligen immo des Pistoclerus, vor dem Crusalus am Ende weglaufen möchte (207 ff.), dürfte ebenfalls Plautus zuzuschreiben sein (wie die Vergleichsstelle Poen. 428ff. nahe legt), vgl. aber Men. Perik. 514ff.

Anmerkungen

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149 Zu derlei Verwandlungen als Zeichen plautinischer Eindichtungen s. Fraenkel (1922) 27ff. 150 Diese im Plautustext, nicht im Attischen häufige Ausdrucksweisen („etwas ist nicht …, sondern …“), also Übersteigerung durch Vergleich mit Übermäßigem, hat Fraenkel (1922) 68 als plautinische Zutaten erwiesen. Es stimmt bedenklich, dass Lydus eigentlich von zwei Bacchis-Schwestern nichts wissen sollte (Primmer bei Zwierlein [1992] 166); es ist aber die Frage, ob der Plural hier nicht generell gemeint sein könnte. 151 Die Zitate stammen aus Fraenkel (1922) 152, dem hier gefolgt wird. 152 Hierher gehört z.B. auch die Erwähnung der spezifisch römischen „samischen Töpferware“ in 199ff. (zu ihr Marquardt [1886] 661). 153 Das Aussaugen ist eine Lieblingsmetapher des Plautus, wie Barsby (1986) zu 372 zeigt. 154 Im Text steht affectas mit Infinitiv (377; eigentlich „vorgeben“, „simulieren“, was hier nicht recht passen will, wo man mit „bewirken“ rechnet), ein Ausdruck, der erst zweihundert Jahre später wieder auftaucht. Doch das Argumentieren mit Singularitäten ist mit Bedacht anzuwenden: Eine sprachliche Eigentümlichkeit allein reicht zur Tilgung meist nicht aus. 155 Anders Barsby (1986), der eher an „Ausführer von Listen“ zu denken scheint und an der plautinischen Verfasserschaft von 377–81 nicht zweifelt (Zwierlein [1992] 165ff. tilgt sie). 156 Wir wollen hier die Tilgungen von Verspartien in III 3 durch Zwierlein (1992) 175–198 nicht verfolgen; wollen nur vor der von 463 warnen: Auf die Angriffe folgt jedes Mal ein Ungerührtsein des Vaters, bis auf den letzten Angriff, auf den er in der von Lydus gewünschten Weise antwortet. (Zwierlein begründet seine Tilgung von 463 mit einer sprachlichen Singularität, was kaum überzeugt.) 157 Genauer als so konnte Mnesilochus nicht sprechen, sonst hätte er sich selber als verliebt in eine Hetäre enthüllt, und sein „Entsetzen“, das Lydus so gut brauchen konnte, wäre weitgehend entwertet. 158 So reagiert auch Sostratos bei Menander, Dis Ex. 100: „Irgendwie bin ich ja wütend auf ihn, aber andererseits glaube ich nicht, dass er die Schuld hat an dieser Untat.“ 159 Das sind 506–511 (Zwierlein [1990] 31 und 34) und 519–525 (Zwierlein [1992] 253). Das Ende des plautinischen Mnesilochus-Monologs entspräche somit dem Monolog-Ende bei Menander v. 28 f. (in 29 b wendet Sostratos sich bereits dem Vater zu). Unklar bleibt, wo der v. 499 (Leo) einzuordnen ist. Er lautet: in te ego hoc onus omne impono. Lyde, sequere hac me. Lyd.: sequor ist als v. 499 im Ambrosianus überliefert, in den Palatini als 496 (nach des Mnesilochus factum volo). Ich hatte im Gymnasium 101, 1994, 63, Anm. 5 Zweifel daran geäußert, ob Lydus nach Lyde, sequere hac me. Lyd. Sequor wirklich melius esset, usw. ohne „Aber“ oder dergleichen habe sagen können. Primmer (1984) 26 rechnet mit stummem Spiel, das meinen Einwand gegenstandslos mache (Zwierlein ist ihm gefolgt). Aber das stumme Spiel bei Plautus sieht anders aus (M. Erren in: Plautus und die Tradition des Stegreifspiels Tübingen 1995, 219 ff.). Ich bin noch immer nicht sicher, ob die Palatini nicht doch Recht haben. 160 Wörtlich: „das ganze Haus seiner Lieben“.

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Anmerkungen

161 Wenn dies illum exoptavit potius in 502 Menanders „Den Sostratos hast du dir zuerst geschnappt“ (19) übersetzen soll, dann handelt es sich um eine Fehlübersetzung. Derlei findet sich auch sonst bei Plautus, s. Maurach (1988) 88 zu v. 202. 162 Zu v. 503 s. oben Anm. 132. 163 Vgl. dazu Zwierlein (1990) 31. Eine Parallele: Truc. 348. 164 Menanders Verse 100–102 („Na ja, der kann nicht soviel dafür, aber sie, die Freche …“) zieht Plautus von ihrem Sitz bei Menander nach vorn und rhetorisiert sie. Vgl. bereits Gaiser (1970) 57 f. („umständlicher, pompöser, pathetischer“ sei Plautus und er ziehe die Worte des menandrischen Jünglings in 505 „ins Lächerliche“). 165 Vgl. Barsby (1986) 111 (3), der dort auch die spärlichen Hinweise auf finessenreiche Diener in griechischen Fragmenten bespricht. 166 Der „Gott“ ist dann ausgerechnet der Sklave Crusalus. Diese Szenenführung (Notstand und Herzukommen einer Person, die für einen Ausweg sorgt), ist sicherlich menandrisch, wie die Parallelen bei Terenz zeigen (Andr. 266ff.; Ad. 208ff.). 167 Man mag vermuten, dass er dies wegen der Art des Publikums tat. Zu Philoxenus’ Entschuldigung seines Bedenkens wegen der Liebschaft des Sohnes („Als ich jung war, habe ich genau das auch getan, was jetzt die Jungs betreiben, allerdings mit Maßen“: 1078) vgl. Epid. 389ff. 168 Vgl. die Parallele in v. 536f.: ebenso kurz hingeworfen wie Men. Dis Exap. 104. 169 Man muss sich vor Augen halten, „dass der Menanderpapyrus uns einen zufälligen Ausschnitt aus der Vorlage für den Abschnitt Bacch. 494–562 kenntlich gemacht hat und wir zu dem Ergebnis kommen, dass innerhalb dieser 73 Verse 31 … Verse sitzen, die auch tatsächlich keine Entsprechung im griechischen Papyrustext haben“, Zwierlein (1992) 341. 170 Die plautinischen Versmaße sind bei Crusius-Rubenbauer (1951) nachzulesen. Zu den schwierigen Anapästen S. Boldrini, Gli anapesti di Plauto, Urbino 1984. Wie Plautus griechische Szenen in Normal-Versmaßen zu Cantica machte, lehren z. B. „Poenulus“ (Maurach [1988] 76) und „Cistellaria“ ( Blänsdorf [2004] 297, 303). 171 Zum Begriff des Canticum s. Drexler (1967) 71. 172 Seit nunmehr zwei Jahrhunderten wird hieran gearbeitet, das vorläufige Endergebnis liegt in Cesare Questas monumentaler Cantica-Edition vor (Questa [1995]; eine wichtige Vorarbeit war die von Ludwig Braun, s. Literaturverzeichnis). Unklar sind auch heute noch manche trochäische und anapästische „Systeme“, das heißt eine (bislang) noch ungeschiedene Abfolge einer Fülle von Anapästen und Trochäen ohne deutliche Einschnitte. 173 Fraenkel (1922) 324. Vorgetragen muss man sich solche Szenen in der Weise denken, dass ein Sänger den Text zu Flötenbegleitung sang (und wohl auch mit mimischem Spiel begleitete), die Schauspieler dabei nur mimisch spielten, nicht sprachen oder sangen. 174 Verfehlt Drexler (1967) 67 ff., wo Fraenkels Buch seltsamerweise nicht genannt wird. 175 Albrecht (1992) 155; Maurach (1964) 80f. 176 Drexler (1967) 76; Maurach (1964) 15–17 sind die Klauseln genannt und be-

Anmerkungen

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schrieben. Über das so genannte Colon Reizianum gibt es Monographien: Maurach (1963) 227 ff.; C. Questa, Il Reiziano ritrovato, Genua 1982 (man beachte aber meine Rezension in Gnomon 56, 1984, 272f.). 177 J. B. Hofmann, Contaminare, in: Indogermanische Forschungen 53, 1935, 187 ff.; weitere Literatur bei Albrecht (1992) 141, Anm. 2; Schaaf (1972) 11, Anm. 5; Blänsdorf (1978) 161f. 178 Genaueres bei Maurach (1988) 215f.; Schaaf 22ff. 179 So besonders W.-H. Friedrich, Euripides und Diphilos, Zetemata 5, München 1953. Eine Variation bietet E. Lefèvre (2004) 14 ff. an, indem er glaubhaft zu machen sucht, dass beide Intrigen des „Poenulus“ von Plautus’ Hand stammen, allerdings beide Intrigen nach griechisch-römischem Muster (dazu unten). 180 Gaiser (1972) 1058; Albrecht (1992) 141. 181 Vgl. die genaueren Argumente bei Schaaf (1977) 97 ff.; dazu Zwierlein (1991) 60 f. 182 Man wird ihm die schicke junge „Ehefrau“ des Periplectomenus anbieten. Zu dessen Art zu sprechen W. Stockert, WS 114, 2001, 157ff. (s. oben Anm. 136). 183 Noch einmal sucht Milphio, sich in den Vordergrund zu bringen: Er und kein anderer habe doch das glückliche Ende bewirkt, wird aber 1149 ff. abgefertigt, vgl. Maurach (1988) 206. 184 Die Literaturhinweise bei Maurach (1988) 215f.; Zwierlein (1990) 138f. 185 Vgl. Zwierlein (1990) 141 f. Seltsam bleibt immerhin das Futur in 817: Der schlaue Diener will nachsehen, wie sich wohl seine Intrige entwickeln werde, wo sie doch eben glücklich abgeschlossen worden war; s. aber J. P. Enk bei Maurach (1988) 217 unten: Es ist Feiertag, verhandelt wird vor Gericht, was eben abgelaufen war, erst „morgen“. Aber will Milphio wohl „heute“ nachsehen, was „morgen“ erst geschieht? 186 Die Anstöße, dass die Frauen in der Szene 1, 2 eher als Hetären gezeichnet werden, sonst aber als ehrbare Jungfern (Fraenkel [1922] 270 ff.) dargestellt sind, und dass die Intrige so früh beginnt wie in keinem anderen der bekannten Stücke des Plautus (Maurach [1988] 186 nennt die Literatur), versucht Zwierlein (1990) 146–52 zu entkräften, allerdings mit nicht sehr großer Überzeugungskraft, wie es scheint. 187 Maurach (1988) 218. 188 Man verweist gern, um die Einarbeitung einer fremden Szene unglaubwürdig zu machen, darauf hin, wie gut Motive des für eingearbeitet gehaltenen Abschnittes in die Umgebung passen. Das aber ist kein gutes Argument, denn selbstverständlich war der Einarbeiter darauf bedacht, sein hereingenommenes Stück in die Umgebung möglichst glatt einzufügen. Aber es ist eben die Frage, ob ihm dies überall und mit jedem Detail gelungen sei. 189 Lefèvre hätte sich nicht mehrfach auf Verse der Schlusspartie berufen sollen (z. B. 17 und 19), denn dort ist wohl kaum etwas von Plautus selbst geschrieben. Dass die juristischen Kniffe, welche Milphio in Gang setzt, in der Wirklichkeit nie gefruchtet hätten, darf man dem Stückeschreiber nicht anlasten, ist hier doch „alles Spiel“, wie Lefèvre 45 richtig sagt. 190 Man nimmt heute an (Gaiser [1970] 1048f.), dass Plautus einige der originalen Prologe kürzte, andere erweiterte, manche ganz fortließ, das heißt sehr frei mit

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Anmerkungen

ihnen umging. Wohl ganz behielt er nur die bei, die zur Erhellung der Vorgeschichte einer Handlung unentbehrlich waren („Miles“ und „Captivi“). Die grundlegende Untersuchung schrieb K. Abel, Die Plautusprologe, Diss. Frankfurt a. M. 1955; zum viel besprochenen Poenulus-Prolog Maurach [1988] 181–4. 191 Lowe stützt sich hier auf Ergebnisse A. S. Gratwicks (zuletzt Cambridge Historly of Classical Literature II, Cambridge 1982, 98 ff.). Dass Plautus Personen hinzufügte und gar die Zahl der Bühnenhäuser vergrößerte, weisen Lowe und Zagagi in den „Studien zu Plautus’ Cistellaria“ 93 bzw. 181 nach. 192 Eur. Hipp. 1434; vgl. Orestes 418; näher noch Plaut. Rud. 593 und Merc. 225; Cap. 22. 193 So wird das Stück im Prolog 59 genannt, dazu J. Schmidt, Euripides’ Verhältnis zu Komik und Komödie, Grimma 1905, 16. 194 Der Witz an diesem gravitätischen Schlachtbericht (Canticum und Langversvortrag von 152–247) ist, dass Sosias gar nicht dabei war: In 428–30 muss er zugeben, dass er während der Schlacht sich im Zelt ein Räuschlein angetrunken und es dort ausgeschlafen habe. Und überhaupt tritt er als Angsthase auf, der sich vor den tres viri fürchtet (155), der Stadtpolizei (vgl. RE VII A, 518, 49ff.). 195 Die Textkritik und die Versmaße bitte ich in meinem Aufsatz „Plautus, Amph. 633–653“ in Würzburger Jahrbücher 14, 1988,139–150 nachzulesen; dort auch eine ausführliche Kommentierung, die zu benutzen dem jüngsten, enttäuschenden Kommentar von D. M. Christenson (2001) gut getan hätte; enttäuscht ist man insbesondere von den peinlichen Versuchen, in „Alcumenas würdevolle Herbheit“ (Tränkle [1983] 219) nach Vorgang anderer gleichen Geschmackes „sexual insatiability“ hineinzulesen (zu 648–53). 196 In 60 b 8 f., vgl. Philebos 48 a 9; vgl. z. B. Pindar, Olympien 2, 35 ff.; Pythien 3, 81 f.; Enk zu Plaut. Merc. 145; Corneille, Cid 3, 5, 1, usw. R. Oniga, Struttura e funzioni dei cantica nell’ Amphitruo, in: Lecturae Plautinae Sarsinates 1, Urbino 1998 nennt auf S. 41 den Ton der Arie treffend „serietà perfettamente tragica“ und weist auf Lucr. 4, 1133 ff. Befremdend, dass Oniga nicht meinen ausführlichen Aufsatz kannte. 197 Victor belli in 647, gleich, ob nun „im Kriege“ oder „siegreicher Beendiger des Krieges“ (s. Maurach a. O. 144, § 15), legt implizit den Gedanken an ein Ende des Krieges nahe. Zur virtus bei Plautus vgl. Z. Hoffmann, Virtus Romana bei Plautus, Acta Class. Debrec. 20, 1984, 11ff. 198 Diese zweite Absicht habe Plautus ihm angedichtet, meinte Tränkle (1983) 230. Den Preis der virtus vergleiche man mit Lucilius (frg. 342 ff. Krenkel), s. Maurach (1997) 22ff. 199 Er heißt „Blepharo“ (griechisch „Braue“, vgl. Christenson [2001] 301), was an das Auge denken lässt, aber er blickt nicht durch: Ein ergötzlicher Name also. Zu dem „Hafen von Theben“ Z. Stewart, HSPh 100, 2000, 293ff. 200 Eine genaue Rekonstruktion bei Tränkle (1983) 232ff., die Christenson (2001) weitgehend akzeptiert (S. 13 und genauer 298ff.) 201 Burkert (1977) 324. 202 Auf diese Angabe ist Verlass, auch wenn R. Hunter, Philemon, Plautus and Trinummus, Mus. Helv. 37,1980, 224 die Verse 18–21 für nachplautinisch hält. E. Lefèvre hat dem Trinummus sein Buch „Plautus und Philemon“ (Tübingen 1995) ge-

Anmerkungen

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widmet, allerdings in der Absicht, dem Römer eine möglichst große Unabhängigkeit von dem griechischen Stück nachzuweisen, eine Originalität, die weitgehend vom Stegreifspiel bestimmt sei; nicht alle haben ihm das geglaubt (N. Zagagi, Gnomon 73, 2001, 17ff.). 203 Diese Szene 301 ff. ist mehrfach behandelt worden, vgl. die bei Maurach (1987) 299, Anm. 1 zitierte Literatur, insbes. hat E. Fantham (1977) 406 ff. aus dem Stück des Plautus Einblicke in das Original zu gewinnen versucht. Dabei bleibt die schriftstellerische Leistung des Römers doch zu sehr im Hintergrund. 204 V. 322 ist unecht. Es ist aber kein absurdes Unterfangen, Verszahl-Entsprechungen aufzusuchen, wie es z. B. in der Erstauflage meines Poenulus-Kommentars (Heidelberg 1975) oder bei P. Kruschwitz, Philologus 145, 2001, 312 ff. (zu Terenz) geschah, denn für die alten Dramatiker war derlei eine Möglichkeit, sich der schier unerreichbaren Originale wenigstens formal zu bemächtigen. 205 Comitas in 333 meint hier wohl die Großzügigkeit sich selber gegenüber, das heißt das Nachgeben vor dem Lusttriebe; vgl. zur comitas als Grundthema der Szene Fantham (1977) 413; in 356 bedeutet das Wort die Großzügigkeit anderen gegenüber. 206 Die Kommentatoren verweisen auf Menander, Frg. 14 Körte. 207 Benevolentibus in 356 ist wichtig: Gibt man, muss man sicher sein, dass das Geben anerkannt, dass gratia geschaffen wird und dass es nicht verloren geht: Grundpfeiler des beneficium (Sen., de benef. 1, 1, 13f.; epist. 73, 9). 208 Vgl. Maurach (1987) 302, Anm. 12; ders. (1997) 11. 209 Vielleicht ist Folgendes nur Zufall: „Nach 21 Versen eines allgemein gehaltenen Meinungsaustausches wird der Wunsch des Lysiteles in 68 Versen erörtert: in 34 Versen anonym und in eben so vielen mit Namenskenntnis“, wobei das grundsätzliche Zugeständnis in 357 gliedert. In dem zweiten Teil „nimmt die Diskussion um die Person des Freundes 11 Verse ein, die um die Gabe eben so viele (369–379)“. Wenn man diese Zahlenentsprechung und die des Anfangs (313–323: 5 + 5) nicht dem Zufall zurechnet, wird man auch hieraus auf Sorgfalt schließen (vgl. ferner Anm. 204). 210 Eine vergleichbare Umkehrung des üblichen Vater-Sohn-Verhältnisses liegt im Mercator des Plautus vor (B. Dunsch in: Gymnasium am Kaiserdom Speyer, Chronik Schuljahr 2003/2004, 28). 211 Im Folgenden wird es darum gehen, dass der reiche Freund dem gebeutelten seine Hilfe geradezu aufdrängen muss; der Trinummus ist übrigens die einzige Komödie des Plautus, in der Freunde gleichsam in Opposition zueinander stehen (R. Raccanelli, L’amicitia nelle commedie di Plauto, Bari 1998, 109; auch Riemer [1996] 34 nennt dies Stück ein Freundschaftsdrama). 212 Der Abgang 583–90, den man einen „unendlichen“ zu nennen versucht, ist (zehnfaches „Nun geh schon!“) ähnelt Poe. 428 ff. Eine menandrische Parallele „Perikeiromene“ 514ff. 213 Dass ein Betrüger sich ausgerechnet an den Einzigen wendet, der sich auskennt, ist eine Spielform, die auch im Poenulus vorkommt, wo Milpio sich mit seinem Intrigenplan ausgerechnet an den Vater der beiden Mädchen wendet, um die es geht. Eine griechische Vergleichsstelle oben Anm. 101. 214 So nach D. C. Earl, Political Terminology in Plautus, Historia 9, 1960, 235ff.

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Anmerkungen

215 Die Hand des Umformers, der dem griechischen Original manches lumen aufsetzte, so womöglich die ganze Stasimus-Figur, erkennt man ja vielerorts, z. B. 609: „Eben just, so sagt man in Praeneste“ (tam modo, inquit Praenestinus). 216 Eine Auswahl: J. Marouzeau (1947) 8 ff.; H. Haffter, Terenz und seine künstlerische Eigenart (Mus. Helv. 10, 1953, 1 ff., 73 ff.), Sonderausgabe Darmstadt 1967; K. Büchner (1974) 11ff.; H. Juhnke (1978) 230ff.; J. Barsby (1999) 1ff., wo in Anm. 1 englische Literatur genannt ist; E. Lefèvre (2002) 236ff.; P. Kruschwitz (2004) 9ff. 217 Zur Sprache: Haffter (1967) 14 ff.; bes. A. Thierfelder (1960) 26 ff.; Barsby (1999) 19 ff.; Bagordo (2001) 17 ff.; Kruschwitz (2004) 181 ff.; Karakasis 21 ff. Zur Metrik Drexler (1967) 31 ff.; Haffter (1967) 14; Barsby (1999) 27 ff.; Kruschwitz (2004) 185ff. 218 Zum so genannten „Scipionenkreis“ als vermutbarer Förderergruppe vgl. jetzt Bagordo (2001) 17 mit Anm. 36, der sich skeptisch äußert; ähnlich Kruschwitz (2004) 16. Zum Leben des Terenz bes. W. Beare, The Life of Terence, Hermathena 59, 1942, 20ff. 219 Die Chronologie seiner Dramen ist durch die in den Handschriften vor jeder Komödie stehenden Didaskalien (Aufführungsnotizen aus Akten: Kruschwitz [2004] 168) festgelegt: „Andria“ 166 v. Chr.; „Hecyra“ (erster Aufführungsversuch) 165; „Heautontimoroumenos“ 163; „Eunuchus“ und „Phormio“ 161; „Adelphoe“ und „Hecyra“ (geglückte Aufführung) 160 v.Chr. 220 Schon Haffter (1967) 11 hatte davon gesprochen; J. Marouzeau (REL 36, 1958, 195 ff.) hatte Beispiele genannt, ich habe einige dazugefügt (Acta Classica 15, 1972, 55, Anm. 11 a). Wenn derlei in der „Hecyra“ noch erscheint, dann wird sie nicht „umgeschrieben“ sein, wie Kruschwitz (2004) 117 meint. 221 Haffter (1967) 42; P. Miniconi REL 36, 1958, 159ff. Zum Unterschied der plautinischen von der terenzischen Sprache auch H. N. Parker, AJPh 117, 1996, 604ff. 222 Es geht da um die so genannte „Kontamination“ (And. 16), das heißt um die Zufügung von Figuren und Handlungselementen aus anderen Originalen zum Gefüge des jeweiligen Originals (Büchner [1974] 15 ff.; Kruschwitz [2004] 179 f.),welche ein gewisser Luscius Lanuvinus (Haffter [1967] 21 ff.; Kruschwitz [2004] 72 f.) ihm verdachte. Dass Terenz derlei in seinen Prologen besprach, zeigt, dass inzwischen ein Publikumsinteresse an literarischen Fragen entstanden war, von dem man bei Plautus noch nichts hört. 223 Zu den mythologischen Kenntnissen bei Autor und Publikum zur Zeit des Plautus s. Fraenkel (1922) 31, 83, 90ff. 224 G. Maurach, Literaturwitze bei Terenz, Festschrift A. Weische, Wiesbaden 1997, 299ff. 225 G. Jachmann, Geschichte des Terenztextes im Altertum, Basel 1924; Kritik bei C. Dodwell, Anglo-Saxon Gestures and the Roman Stage, Cambridge 2000, 93. 226 P. Fehl, Die interpolierte Rezension des Terenztextes, Diss. Köln 1938. 227 Vgl. W. Beare, The Roman Stage, 3. Aufl. London 1964, 184 ff., der sich im Gegensatz z. B. zu Dziatzko-Hauler (1913) 41, Anm. 4 für die Verwendung von Masken vom Anfang der Palliata an ausspricht. Kruschwitz (20004) 170 f. hält die Frage für „letztlich unbeantwortet“, setzt sich aber nicht mit meiner Untersuchung im Gnomon 36, 1964, 578, Anm. 3 auseinander, die W.-W. Ehlers (1998) 191, Anm. 44 nicht ohne Zustimmung zitiert.

Anmerkungen

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228 Vgl. Juhnke (1978) 267 ff. (269: Die Doppelhandlung ermögliche einen „dichten, gleichsam prallen Handlungskörper“); Kruschwitz (2004) 175 ff. Terenz weist selber auf diese seine Eigenart im Prolog zum Heautontimorumenos v. 6 hin, zu welcher Stelle B. Dunsch, Class. Et Mediaeval. 50, 1999, 97 ff. zu vergleichen ist, der auf S. 128 zu einer überraschenden Übersetzung kommt: „A Latin comedy which was constructed as a double comedy in the original, following from a simple background.“ Man vergesse jedoch nicht, dass der Text verderbt überliefert ist. 229 Besprochen bei Marouzeau (1947) 49 f., gesammelt bereits von Fr. Leo, Analecta Plautina II (1898), jetzt in: Kleine Schriften, hrsg. von Ed. Fraenkel, Bd. 1, Rom 1960, 125ff. 230 KS 2, 2; 508, d. 231 Terenz liebt dieses affektanzeigende Abbrechen, vgl. allein in der „Andria“ 149, 300, 344, 469, 711, usw. 232 Der Ausdruck aus Fraenkels (1922) Überschrift des Kap. 2; zum MercatorVers dort 395. 233 Leo (1912) 2, Anm. 2 hatte echte Hiate bei Terenz gleugnet, A. Klotz, Hermes 60, 1925, 317 ff. hatte die wenigen glaubhaften zu sichern gesucht (328, 337). An den Hiaten in Phorm 525, 715, 882 z.B. wird wohl niemand zweifeln wollen. 234 Das Wort über Plautus in: Fragmenta Poetarum Latinorum, ed. W. Morel S. 32. Zu Caecilius s. das Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Bd. 1, München 2002, 23. 235 Zu Didaskalien und Periochae s. Kruschwitz (2004) 167f. 236 Terenz hat gegenüber Plautus sehr viel mehr solcher „Prósopa protatiká“, s. P. Riemer (1996) 105. 237 Zur Spielform der Selbstermutigung Fraenkel (1922) 245; Oppermann (1973) 314, Anm. 10f. 238 So versteht Büchner (1974) 48 unten die Abfolge primum (211) und ad haec mala (215). Zwischen „erstens“ in 211 und „und zudem“ in 215 herrscht keine ganz glatte Abfolge, denn dazwischen wechseln ja die Bezugspersonen. Aber immerhin versuchte Büchner eine Abmilderung der analytischen Kritik (vgl. Oppermann [1973] 315f.; Kruschwitz [2004] 30, Anm. 22). 239 Schon hier sei darauf hingewiesen, dass Davus in 401 über die Eröffnung seitens des Pamphilus, er werde das Kind annehmen, erschrocken ist: Wie kann er das, wenn er in 224 bereits derlei gehört hat? Dazu Lefèvre (1971) 25 ff., 32: Die Ungereimtheit rührt, so Lefèvre nach Oppermann, daher, dass Terenz Teile des exponierenden Prologs, den das Original hatte, ins Stück einarbeitete. 240 Terenz meint damit nicht, dass die Andrierin der Schwester den Pamphilus „zum Ehemann“ gab, was sie ja gar nicht konnte: Lefèvre (1971) 30. 241 Solches Sich-Verlassen auf den Zufall lesen wir auch in 314 (dort erhofft Charinus derartiges) und schon bei Plautus (Bacch. 638; Poen. 972). 242 Charinus ist keineswegs sicher, dass alles glatt verläuft, von einem „fröhlichen Abgang“ (Büchner [1973] 69) kann angesichts des Misstrauens in 374 keine Rede sein. Darum schickt er ja den Byrria los. 243 Veterator in 457 lässt Shipp unkommentiert; es ist dies ein Wort des älteren Lateins, füge zu OLD noch Cic. Brut. 178. 244 So „verrückt“ könne sein Pamphilus, der bisher stets gemäßigt und auf guten Ruf bedacht war (59, 444, vgl. 881), gar nicht sein (Oppermann 326).

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Anmerkungen

245 Es ist oft aufgefallen (Fraenkel [1922] 163; Oppermann [1973] 327 ff.; Büchner 77; Kruschwitz 36, Anm. 42), dass hier eine Bühnenkonvention (Zurücksprechen) gleichsam instrumentalisiert wird. 246 Das Auffangen des oc- mittels eines op-(time) verdeutlicht Terenz mit einem geschickten Hiat. 247 Solches „irgend“ findet sich auch in Plaut. Bacch. 638; Poen. 973, bei Terenz Andr. 314 und 398: Ein Verlass auf die Tyche, wie er wohl oft ausgesprochen wurde (s. Anm. 241). 248 Dies ist der Grund für sein Plappern über Markt und Preise (744 ff.), nicht „um seine Unsicherheit zu überspielen“ (Kruschwitz [2004] 40); richtig Büchner (1974) 97. 249 Die Akt-Einteilung ist in „Andria“ und „Hecyra“ undeutlich, erst in den „Adelphoe“ klarer (Büchner [1974] 42 f.; Kruschwitz (2004) 172 f., besonders Lowe (z.B. in: Studien zu Plautus’ „Cistellaria“ 89ff.). 250 Klar und deutlich hierzu H. Oppermann (1934) 276. 251 Eine erregte Szene, Simo glaubt noch immer an ein abgekartetes Spiel (925); aber Chremes wird hellhörig. Hübsch, wie da in der Erregung simultan gesprochen wird. 252 Da seine Werbung von Terenz nicht ausführlich dargestellt ward, erweiterte jemand bereits in der Antike den terenzischen Schluss nach 976 (O. Skutsch, Rhein. Mus. 100, 1957, 53ff.; Shipp [1960] 198; Kruschwitz [2004] 43, Anm. 61). 253 Zu Spuren der Umdichtung, aufgefunden aufgrund von Menander-Fragmenten, vgl. Oppermann (1973) 319, Anm. 25; 325, Anm. 32; 328, Anm. 38 und 341. Die Fragmente bei Körte 25–29. Literatur zu Sinn und Zweck der terenzischen „Andria“ bei Kruschwitz (2004) 45, Anm. 64. 254 Oppermann (1973) 313–322 glaubte nach Vorgang von T. Frank (s. Kruschwitz 30, Anm. 22), dass die Verse 215–224 Teile des menandrischen Expositionsprologs enthalten, den Terenz zu Gunsten seines literaturkritischen Vorspruches eliminiert habe. Lefèvre (1971) 22 war ihm darin (mit vielen anderen) gefolgt, K. Büchner (1974) 48 ff. hatte widersprochen, und in der Tat konnte er mehrere Argumente Oppermanns abschwächen. Doch auch seine Gegenargumente sind nicht immer stichhaltig. Die Freibürtigkeit ist kein sicheres Wissen der beiden Liebenden, sondern die Vermutung Glyceriums bedarf des Beweises, und den liefert dann Crito (so gesehen, rechnen die Formulierungen Lefèvres auf S. 26, Abs. 3 mit einem zu hohen Grad von Wissenssicherheit). Zudem hat Davus in 219 vom Beschluss der Kindesanerkennung vernommen, ist in 401 aber erstaunt darüber: Ein Widerspruch, der auf Einarbeitung dieses Beschlusses aus dem Prolog in die Szene I 3 deutet. 255 Seltsam, dass er Davus gegenüber Misstrauen hegt, obschon er in 190 von ihm „gefordert, ja wenn’s recht ist, ihn gar angefleht“ hatte, den Sohn auf den richtigen Weg zu lenken. 256 Zu Recht betont Oppermann (1973) 332 die Bedeutung dieser Worte stark. 257 Den v. 529 in diesem Sinne auszulegen (Büchner 81 unten), überfordert den Text aufs deutlichste. 258 Dazu Kruschwitz (2004) 10 mit Anm. 10. 259 Zu ihnen E. Meyer, Römischer Staat und Staatsgedanke, Darmstadt 1961, 171f.; Kruschwitz (2004) 23.

Anmerkungen

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260 Alle Fragmente bei Arnott (1996), 162 ff. Die Fetzen zeigen, dass in dieser Komödie ein großsprecherischer Offizier und ein Parasit auftraten; Genaueres später. 261 Eine ziemlich vollständige Liste der Literatur hierzu bei Maurach (1997) 299, Anm. 2; vgl. Ludwig (1973) 354, Anm. 2f. 262 Zunächst: Gleich der erste Satz Quid igitur faciam? ist als wörtliche Übersetzung aus Menanders „Eunuchos“ durch Donat bezeugt (Frg. 161 Körte). Ferner haben Cicero, Horaz und Persius die erste Szene mehr oder minder ausführlich verwendet (Büchner [1974] 232; Maurach [1981] 123 ff.). Vgl. auch F. Leo (1908) 94 ff. zum Monolog-Typus. Horaz hat den Beginn der Szene 1,1 in Sat. 2, 3, 260 ff. eingearbeitet; zur Umsetzung von Sprechversen in Hexameter vgl. auch W. Clausen zu Verg. Buc. 3, 49 (S. 104 oben); Hor. Ep. 1, 19, 41, wozu Festschrift für O. Skutsch, Vir Bonus Discendi Peritus, London 1988, 168 zu vergleichen wäre. 263 Das Folgende ist eine gekürzte Fassung meines Aufsatzes von 1981. 264 Zu dem bei Terenz beliebten isolierten non vgl. Haffter (1967) 41; HS 452. 265 In v. 50 spricht nicht der Diener Parmeno, wie die schlechtere Überlieferung nahe legt und wie manche Ausgaben drucken, sondern Phaedria; das ist in Maurach (1981) 133 nachgewiesen. 266 Die mehrfache Aposiopese gibt dem Schauspieler gute Möglichkeit, sein Können zu zeigen; zur Aposiopese allgemein Haffter (1967) 41. 267 Zu Hass und Liebe vgl. u. a. W. Krolls Kommentar zu Catull c. 51 und 85; zu prudens sciens Seneca, tranqu. 17, 6; zu vivos vidensque s. Barsbys Kommentar. 268 Mehrere Parallelen bei Maurach (1981) 134 (Epicharm, Aristoteles, Seneca). Zur Echtheit von Hor. Ep. 1, 19, 48 f. s. Maurach, Horaz, Heidelberg 2001, 375, Anm. 241. 269 Maurach (1981) 135, Anm. 39. 270 Der Diener gefällt sich in militärischen Metaphern, z. B. Barsby zu 74; bereits in v. 61 hatte er von „Krieg und Frieden“ gesprochen. Auch in v. 53 findet sich eine Kriegsmetapher, hier aber schwankt die Zuweisung an einen Sprecher: Ludwig [1973] 391, Anm. 87 und Büchner [1974] 236 geben 50 ff. dem Diener, andere, so zuletzt Barsby, dem Phaedria; vgl. Anm. 265. 271 Maurach (1981) 128–132. 272 Der hospes und der miles sind zwei verschiedene Personen, wessen man nicht immer bewusst gewesen, s. Büchner (1974) 237. 273 Man hat sich gefragt, ob dies nachgelieferte Detail und auch der Umstand, dass später eine Amme zur Identifizierung des Mädchens nötig sein wird (807), bei Menander nicht im Prolog gestanden habe (aus neuerer Zeit: Büchner 241 f.; Kruschwitz 74, Anm. 16; Barsby 100 oben). Im J. 1971 entschied auch Ludwig (1973) 404 sich in einem Nachtrag auf Anregung von W. G. Arnott wohl zu Recht für einen Götterprolog. 274 Ich weiß nicht, wem es aufgefallen ist, dass die Sektenbezeichnung „Platonikoí“ bzw. Platonici, auf welche der Namenswitz Gnathonici offensichtlich anspielt, wahrscheinlich (vgl. die Lexica) erst nach Menander aufkam, dass der Witz Gnathos also nicht menandrisch sein kann, also terenzisch sein könnte, woraus sich ergäbe, dass dieser Szenenteil von dem Römer erfunden wurde. 275 Wenn man sich erinnert, dass Terenz zugab (Prolog 30 f.), aus Menanders „Kolax“ die Figuren des Parasiten und des Soldaten in Menanders „Eunuchos“

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Anmerkungen

(Terenzens Hauptvorlage) herübergenommen zu haben, wird man geneigt sein, die „Gnathoniker“-Partie dem „Kolax“ Menanders zuzuschreiben (u. a. Büchner 245). Da auch im „Eunuchos“ Menanders die Wiedererkennung und Überbringung des geraubten Mädchens eine wesentliche Rolle spielen, wird Terenz die Rahmenhandlung des „Eunuchos“ beibehalten, den Rahmen hier aber mit einer Gestalt aus dem „Kolax“ gefüllt haben. 276 Ludwig (1973) 359, Anm. 12 nennt vergleichbare Verkleidungen aus alter und neuerer Dramatik. Im „Dyskolos“ Menanders (366 f.) geht es nicht ganz anders zu. 277 Von ruhigeren iambischen Oktonaren springt das Versmaß zu einem trochäischen Langvers, dann wieder zurück zu den Jamben – wenn man in 376 den Handschriften folgt, welche dixti überliefern; man hat zu dixisti geändert, um auch diesen Vers jambisch lesen zu können: Man vermisst eine Untersuchung des Umspringens der Metra. 278 Er will sich mit seinem Streich an den Dirnen rächen, die er allesamt für schlecht ansieht: Er wird sich belehren lassen müssen. 279 Sie ist genau untersucht von Maurach (1997) 299; Kruschwitz (2004) 79, Anm. 29 bezeichnet diese Arbeit als „geistreich“, enthält sich aber des Urteils darüber, ob sie trifft oder fehlgeht. 280 Zur Frage, ob auch bei Menander der Diener der jungen Männer beim Zwiegespräch zwischen dem Rivalen und seinem Begleiter zugegen war, s. Knoche (1936) 166 ff. Man kann sagen, dass Terenz hier geändert hat, da sich in III 1 vier sprechende Personen auf der Bühne befinden, was Menander strikt meidet. 281 Bei Ennius hieß es evomeret, was nach O. Skutsch, The Annals of Q. Ennius, Oxford 1985, 456 vermutlich weniger anstößig war, als wenn wir es mit „auskotzen“ wörtlich übersetzen würden: Gnatho kannte den Ennius-Vers, aber auch nicht ganz genau. 282 Stellennachweis bei Maurach (1997) 303, Anm. 33. Ich habe versucht, den Witz hier mittels der Hasenpastete wiederzugeben. 283 Frg. 3 bei Arnott (1996) 188f. 284 Eine scharfsinnige Erklärung bei Büchner (1974) 258 oben, wo er das Fragment nicht in Eun. 498 einordnet, wie es gemeinhin geschah. 285 Man sollte, wenn man die beiden Thraso-Figuren gegeneinander stellt (s. Büchner [1974] 260 dazu), nicht vergessen, dass der Mann in 391 sich sichtlich darüber freute, dass Thais ihm Dank wisse und froh sei über die Gabe: Vielleicht hat Terenz hier ausgeglichen. 286 Ludwig (1973) 394, Anm. 90 hält sie für eine Zutat des Terenz, eine sehr wahrscheinliche Vermutung. 287 So schrieb Büchner (1974) 262, bei Menander habe der Soldat „eine dienende Hand“ bei sich gehabt; ähnlich Ludwig (1973) 387. Die Verse 494–8 hat Terenz aus dem „Kolax“ hier „eingelegt“ in den „Eunuchus“-Kontext, dem er sonst folgte, meinte auch Ludwig (1973) 395, Anm. 92 nach Knoche (1936) 155; Büchner (1974) 258f. 288 Donat bezeugt, dass Terenz die Antipho-Figur herzuerfunden habe; Ludwig (1973) 396, Anm. 93 hatte die Gestalt Menander zugewiesen, andere widersprachen, Ludwig selbst folgt in seinem Nachtrag (S. 405) Fraenkel, Mus. Helv. 25, 1968, 35ff., der Antipho überzeugend für Menander in Anspruch nahm.

Anmerkungen

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289 Zur Geschichte des „Siebten Himmels“ als des obersten, der voller Licht, Jubel und Freude ist, vgl. die Monographie von Maurach, „Coelum Empyreum“ in der Reihe Boethius, Bd. 8, 1968. 290 Ausführlicher Kommentar bei Barsby (1999) 195. Zu Tafelbildern in der Antike s. W. Ehlich, Altertum 4, 12958, bes. 8 f.; jüngste Literatur bei I. Scheibler in: Epitymbion Gerhard Neumann, Athen 2003, 187ff. (Hinweis von M. Söldner). 291 Knoche (1938) 55 hatte das „Gold“ aus 627 falsch als Erkennungszeichen gedeutet und darauf seine Rekonstruktion des menandrischen Zusammenhanges aufgebaut; Ludwig (1973) 367 hat das berichtigt. 292 Certe extrema linea amare haud nihil est (640 f.) wird verschieden aufgefasst; Donat spricht von den fünf Graden des Liebens (vom Sehen bis zum Koitus), s. Barsbys Kommentar; Seneca in ep. 49, 4 legt nahe, an die Striche am Ende einer Laufstrecke zu denken (ultima die letzte vor dem Ziel [Hor. Ep. 1, 16, 79], extrema die am weitesten vom Zielstrich entfernte). 293 Zur Bedeutung von 727 s. Ludwig (1973) 369 mit Anm. 25, der frühere Fehlinterpretationen berichtigt. 294 Sine Cerere et Libero friget Venus, 732; zu diesem Sprichwort vgl. Cic., nat. deor. 2, 60; G. Radke, Gymnasium 58, 1951, 72, ein Thema, das im 17. Jh. in Gemälden reich aufblüht, bei N.-N. Cuypel z. B., besonders aber bei Rubens (M. Jaffé, Catalogo Completo Rubens, Mailand 1989, S. 184, Nr. 191). 295 Dass Thais später als Chremes kommt, der früher gegangen war (733), ist vielfach als Zeichen der Kontamination gewertet worden, s. Kruschwitz (2004) 84, Anm. 46. Ludwig (1973) 371 verkennt die Schwierigkeit nicht, verweist sie jedoch ins Gebiet der hinterszenischen Dinge, die in der antiken Komödie nicht exakt motiviert werden. 296 Auch dieser Vers wurde zum Hebel in der Kontaminationsdestruktion, doch hat auch hier Ludwig (1973) Klarheit geschaffen (372ff.). 297 Seltsam das frühe Auftauchen der Gnorismata (767), die dann gleich wieder für längere Zeit in Vergessenheit geraten (s. Ludwig 382, Anm. 64). Zum Charakter des Chremes, den die Kontaminationsforschung gern als rissig betrachtete, vgl. Büchner (1974) 286: In 783 war Chremes noch voller Bedenken, in 797 attackiert er den Offizier: Haben Thais’ beruhigende Worte in 786 (ne metuas) diesen Sinneswandel bewirkt oder der unachtsame Terenz beim Übergang von einer Vorlage in die andere? 298 Im „Eunuchos“ Menanders war Phaedrias Rivale wahrscheinlich ebenfalls ein Soldat, nur ohne witzigen Parasiten (s. Anm. 287). Auch dort wurde Thais wohl Gewalt angedroht (Ludwig 389), aber womöglich nur mit einem Gerichtsverfahren, was Knoche angenommen hatte und worauf die juristischen Termini deuten können, z.B. 809. 299 Auch dies eine feste Spielform der Komödie, vgl. Plaut. Men. 753 f. und Poen. 504 ff. (Maurach [1988] 192 f.; T. B. L. Webster, Studies in Menander, 2. Aufl. Manchester 1960, 112); Andria 731. 300 Die Handschriften bieten in 921 f. ein Hinein und wieder Hinaus aus dem Hause der Pythias, was Knoche (1938) 76, Anm. 4 durch Tilgung der Verse beseitigen wollte. Die neueren Editoren sind ihm nicht gefolgt, Barsby begnügt sich mit der Feststellung einer Unklarheit. Nur A. Thierfelder in der Reclam-Übersetzung beherzigte Knoches Tilgung. Die Verse scheinen zumindest verdächtig.

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Anmerkungen

301 Ein seltsamer Widerspruch zu Thais’ mittlerweile offensichtlichem Wesen, den Büchner (1974) damit erklärt, dass für den Normal-Römer „mit dem Namen der meretrix sogleich der Gedanke an das finstere lupanar gegeben“ sei (so nach Fraenkel [1922] 152). 302 Maurach [1988] 197, § 50; oben Anm. 18. 303 Vgl. Kruschwitz (2004) 91, Anm. 63, wo viel Literatur genannt, aber nicht geurteilt wird. 304 Ph. W. Harsh, AJPh 58, 1937, 285 (dazu Ludwig [1973] 402, Anm. 109). 305 The Last Scene of Terence’s Eunuchus, CW 65, 1971/2 141 ff.; Kurzreferat bei Kruschwitz (2004) 93–95. 306 Kluge Bemerkungen hierzu bei Juhnke (1978) 285–290, besonders wichtig 289 mit A. 363: „Nirgends ein Wort des Leidens oder auch bloß der Unzufriedenheit mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit.“ 307 The Theme of Planlessness in Terence’s Eunuchus, TAPhA 105, 1975, 297ff. 308 Maurach (1981) 138; in Anm. 48 wird Saylors Auffassung korrigiert. 309 Man kann gewiss mit Karl Büchner (1974, 306) meinen, der „Schlussakkord“ des Stückes sei „leider nicht ganz rein“, weil Thais „verschachert“ werde; aber vielleicht ist dies zu modern gedacht. Thais erreicht, was sie als Hetäre erreichen wollte, und die Frage, die hinter Büchners Eindruck steht, ob diese prachtvolle Gestalt nicht Besseres verdient habe, geht über die Grundgegebenheiten des Dramas hinaus und damit zu weit. 310 Die Didaskalie belehrt uns, dass diese Komödie zu Ehren des verstorbenen L. Aemilius Paullus aufgeführt wurde, des Siegers von Pydna, Vaters des Publius Cornelius, der nach seiner Adoption und seinen großen Siegen Scipio Aemilianus Africanus Numantinus hieß, s. Bengtson (1970) 129; Oxford Classical Dictionary unter Paullus (2). Sie nennt auch die Hauptvorlage: Menanders „Adelphoe“ („Brüder“); die Zeugnisse bei Körte 16 ff. Der kurze Prolog merkt an, dass Terenz in die „Brüder“ Menanders eine Szene aus Diphilos (Lesky [1993] 746f.) eingefügt hat, in der „ein junger Mann einem Kuppler eine Hetäre gleich zu Beginn des Stückes raubt“ (8 f.), eine Szene, die Plautus, als er das Diphilos-Stück bearbeitete, ausließ (die also frei verfügbar war). In v. 15 ff. verwehrt der Dichter sich gegen den Vorwurf seines literarischen Feindes (Luscius aus Lanuvium), gewisse Adlige würden ihm beim Verfassen von Komödien helfen: Allein deren Lob freue ihn – das ist alles, was Terenz erwidert. 311 Pudore et liberalitate liberos retinere satius esse credo quam metu, vgl. zu pudor außer den Kommentaren auch Sall. Jug. 100, 5; F. Lossmann, Hermes Einzelschr. 17, 1962, 69 ff., 82 ff.; E. Vaubel, Pudor, Verecundia, Reverentia, Diss. Münster 1969. Zu v. 67 s. Maurach (1985) 85, Anm. 4. 312 Zu ihr J. Klowski, Terenz und die modernen Erziehungsstile, Gymnasium 107, 2000, 109ff. 313 V. 91–3: clamant und dixere. 314 Micio wird bald sehen, wie ernst es Aeschinus damit ist (Szene IV 4 und 5). 315 Sie ist nicht ganz nahtlos eingesetzt, denn seltsam erscheint, dass Micio des Zuges nicht ansichtig wird, der doch sicherlich aus der Richtung des Markts kommt, also von rechts, wohin eben Micio abging (s. Blume [1998] 53). Ferner verwundert, dass Demea bereits von dem Raub gehört hat (88 ff.), der Räuber aber

Anmerkungen

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jetzt erst vor dem Hause Micios erscheint; vgl. Fantham (1968) 196 ff.; Lowe (1998) 473 f. 316 Seltsam nimmt sich die juristische Unmöglichkeit in 194 f. aus, das Mädchen sei gar nicht verkaufbar, da er – Aeschinus – sie freilassen werde (s. H. Lloyd-Jones, CQ 67 [N. F. 23] 1983, 280f.). 317 Sein harter Vater hätte ihm niemals erlaubt, die Hetäre zu kaufen. 318 Seltsam, dass der Kuppler – bei Terenz – die ganze Zeit wortlos dabeisteht, obschon es ihn doch überraschen müsste, dass Aeschinus gar nicht in eigenem Interesse handelte: Spuren des Einflickens der fremden Szene. 319 Schwierig zu verstehen, dass sie klagt, niemanden zu haben, den sie losschicken könnte, um die Hebamme zu holen – dabei steht Canthara neben ihr und wird in 353 f. dann auch dorthin gehen; viele, z. B. Büchner (1974) 384 und Kruschwitz (2004) 147, Anm. 25, nahmen daran Anstoß. 320 Bei Maurach a. O. 92, Anm. 24 wurde erwähnt, dass diese Einsicht einer genauen Beobachtung der Dürer’schen Graphiken, hier des Widerspiels von prahlerischem Gewand und zagender Handhaltung des Dieners, sich Dr. Claudia Echinger(-Maurach) verdankt. 321 K. Büchner (1974) 390 meinte, Syrus rede absichtlich so, dass Demea es hören könne: eine nicht zweifelsfreie Deutung. 322 Dazu Enn. scaen. 187 Joc., Soph. OT 130; Plat. Theaet. 174 a 6ff. 323 Wie er das bewerkstelligen will, wo er doch Micio die Vormundschaft über den Älteren übergeben hat, sagt er nicht; aber das sollte man nicht als Schwächezeichen auslegen. Er spricht ein energisches Wort, und man soll ihm glauben. 324 Büchner (1974) 396 (vorletzter Absatz ) spricht gut von einem sehr possessiven Vater. 325 Die Wegbeschreibung quer durch die Stadt könnte terenzisch-römische Zutat sein, s. Lefèvre bei Kruschwitz (2004) 150, Anm. 35. 326 Es handelt sich um ein „Colon Reizianum“, s. Maurach (1967) 251; Braun (1970) 194; diese „Klausel“ wird auch von Plautus nicht nur als Abschluss verwendet, sondern auch, obschon selten, als selbständiges Glied (s. Truc. 209); vgl. oben Anm. 176. 327 Auch in der populäreren Philosophie gilt das „Aufwachen“ als erster Schritt auf dem rechten Wege (Heinze zu Hor. Ep. 1, 2, 33; s. Büchner (1974) 402, Absatz 2 und meinen „Horaz“, Heidelberg 2001, 308, Anm. 39). 328 Nikomachische Ethik 4, 15; 1128 b 10 ff.; interessant F. Dirlmeier, Aristoteles, Nikomachische Ethik, Darmstadt 1956, 394ff. 329 Büchner (1974) 405, vorletzte Zeile. Donat merkt zu 706 an, auch dieser Vers stehe nicht in allen Manuskripten (dazu Büchner 405). 330 Vgl. Aesch. Prom. 88; Ennius, Hecuba frg. 171 Jocelyn. 331 Zu dieser nicht ganz einfachen Stelle s. Knoche (1936) 160 mit Anm. 2; Marouzeau in seiner Ausgabe S. 170, Anm. 1; Büchner (1974) 412: Demea kehre noch einmal zu seinem „tragischen Erlebnis“ erinnernd zurück. 332 Donat scheint zu bezeugen, dass „Micio“ bei Menander sich nicht so sträubte (anders akzentuiert Kruschwitz [2004] 157, Anm. 55). 333 Hierzu J. N. Grant, The Ending of Terence’s Adelphoe and the Menandrian Original, AJPh 96, 1975, 235.

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Anmerkungen

Frg. 91 Ribbeck; s. E. Fantham, Latomus 30, 1971, 988. Das sagt er allgemein und für immer, nicht nur, um in diesem Augenblick Ctesipho zufrieden zu stellen, wie V. Pöschl (Kleine Schriften 1, Heidelberg 1999, 19) annahm. 336 G. E. Lessing, Hamburgische Dramaturgie, 2. Band, 98. Stück vom April 1768; vgl. ferner H. Juhnke (1978) 254 ff.; P. Kruschwitz (2004) 160 ff. betrachtet die „Charakterzeichnung“ jeder Person des Dramas für sich. Die Kennzeichnung Micios und Demeas bei Kruschwitz (2004) 161 f. finde ich nicht zutreffend: Micio wirft er mehrfach Großspurigkeit und Doppelmoral vor (beides kann ich im Text nicht finden), und für Demea findet er so gut wie gar keine Worte. 337 C. Julius Caesar, Commentarii Vol. III, ed. A. Klotz, Stuttgart 1966, 192. 338 Bell. Civ. 3. 73, 4; vgl. Maurach, Caesar der Geschichtsschreiber, Münster 2003, 221. 334 335

Bibliographie Albrecht (1992) = Michael von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur, Band 1, Bern. Arnott (1972) = W. Geoffrey Arnott, From Aristophanes to Menander, Greece and Rome NS 19, 65ff. Arnott (1975) = W. Geoffrey Arnott, Menander, Plautus, Terence, in: Greece and Rome, New Surveys in the Classics 9. Arnott (1979) = W. Geoffrey Arnott, Menander, ed. with an English Translation, Bd. 1, Cambridge/Mass. und London. Arnott (1996) = Menander Vol. II, ed. and translated by W. G. Arnott, ebd. Arnott (2000) = Menander Vol. III, ed. and translated by W. G. Arnott, ebd. Arnott (1997) = W. Geoffrey Arnott, First Notes on Menander’s Sikyonioi, ZPE 116.

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