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German Pages XIII, 160 [173] Year 2020
Stephan Kober
Klartext im Vertrieb Wie Sie mit entwaffnender Ehrlichkeit Vertrauen aufbauen und Kunden gewinnen
Klartext im Vertrieb
Stephan Kober
Klartext im Vertrieb Wie Sie mit entwaffnender Ehrlichkeit Vertrauen aufbauen und Kunden gewinnen
Stephan Kober Vertriebstrainer Bad Westernkotten, Deutschland
Die Online-Version des Buches enthält digitales Zusatzmaterial, das durch ein Play-Symbol gekennzeichnet ist. Die Dateien können von Lesern des gedruckten Buches mittels der kostenlosen Springer Nature „More Media“ App angesehen werden. Die App ist in den relevanten App-Stores erhältlich und ermöglicht es, das entsprechend gekennzeichnete Zusatzmaterial mit einem mobilen Endgerät zu öffnen. ISBN 978-3-658-28546-3 ISBN 978-3-658-28547-0 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-28547-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Manuela Eckstein Einbandabbildung: © theyok – stock.adobe.com Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Warum ich dieses Buch schrieb und Sie es lesen sollten
„Der Kunde steht im Mittelpunkt.“ Hält man die Server einer bekannten Suchmaschine mit dieser Phrase auf Trab, ergeben sich sage und schreibe 6.000.000 Einträge. Man könnte fast glauben, dass diese nichtssagende Verschwendung von Buchstaben inflationär genutzt wird. „Den Menschen in den Mittelpunkt stellen“ – das haben sich die Kannibalen auch schon gedacht, mit minder gutem Ausgang für den in der Mitte stehenden Protagonisten. Entspricht es tatsächlich der Wahrheit, dass der Kunde im Zentrum des Handelns steht? Oder steht im Mittelpunkt des Handelns eines Unternehmens nicht vielmehr, schlicht und ergreifend möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften – und dies mit möglichst wenig Aufwand, bestenfalls durch positiv verblüffte Kunden? Warum ist die Redewendung „verraten und verkauft“ allseits bekannt? Warum nennen sich viele Menschen, die im Vertrieb arbeiten, nicht „Verkäufer“, sondern benutzen Formulierungen wie „Gebietsverkaufsleiter“, „Key Account Manager“, „Area Sales Manager“, „Account Manager“, „Business Development Manager“ usw.? Nur wenige Vertriebsprotagonisten sind stolz auf ihre eigentliche Berufsbezeichnung „Verkäufer“ – weil dieser ehrenwerte Beruf insbesondere in Deutschland nicht die Reputation genießt, die ihm zusteht.
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Warum ich dieses Buch schrieb und Sie es lesen sollten
Verkäufern eilt in der Kundenkommunikation ein Misstrauensvorschuss voraus Psychologische Tricks, die in Tausenden Seminarräumen auf Abermillionen Flipchartblätter geschrieben werden und von Trainern vor Verkäufern und Führungskräften „vorgetanzt“ werden, um Kunden etwas zu verkaufen, was sie nicht brauchen, sorgen für Misstrauen in der Kundschaft. Der Kunde vermutet häufig, dass der Verkäufer ohnehin primär auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist – und natürlich ist er das in erster Linie. Die „ehrliche Version“ des Top-Verkäufers möchte profitablen Umsatz generieren, das steht im Mittelpunkt seines Handelns und das ist auch nicht verwerflich. Er erreicht das durch eine exzellente, ehrliche Leistung für den Kunden – auch das kann man trainieren. Anrüchig wird es jedoch, wenn Marketing und Vertrieb eines Unternehmens ihre Kunden mit den eben erwähnten Plattitüden etwas anderes glauben machen möchten. Manchmal ist die Wahrheit hart – das ist wohl auch der Grund, warum so viel gelogen, verschwiegen oder beschönigt wird. Die Lüge ist eine Droge der Gesellschaft, ähnlich akzeptiert und verbreitet wie Alkohol. Die Redewendung „Jetzt mal ganz ehrlich …“ oder „wenn ich ehrlich bin, dann …“ zeigt im üblichen Sprachgebrauch, dass die ehrlichen Passagen der Kommunikation schon explizit angekündigt werden müssen – da ansonsten offenbar verzerrend, verwässernd oder vertuschend kommuniziert wird. Ich möchte Ihr Bewusstsein schärfen, wie viel in der heutigen (Geschäfts-)Welt gelogen wird. Für den Moment macht die Lüge das Leben einfacher, aber das dicke Ende kommt meist zum Schluss. Der Blick wird klarer, das Leben wird reicher und erfüllter, wenn man darauf verzichtet. „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten.“ Es steht schon in der Bibel geschrieben, dass wir nicht lügen sollen. Damit wäre doch eigentlich alles klar, oder? Wenn es so einfach wäre und wir alle wüssten, dass wir länger, gesünder und erfüllter lebten, würden wir nicht ständig lügen (vgl. Blanton 2015). Wir sprechen also über unser Leben – dasjenige, von dem wir nur eins haben. Bei dem wir nicht in der Hand haben, wann es startet und wann es vorbei ist. Also sollte es uns doch wert sein, sich damit zu beschäftigen, wie wir eine möglichst glückliche und erfüllte Version davon leben. Das gilt gleichermaßen für das Berufsleben.
Warum ich dieses Buch schrieb und Sie es lesen sollten
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Ich schreibe dieses Buch, weil es der Befreiungsschlag für Kommunikation im Vertrieb und im ganzen Unternehmen sein soll – weg von Worthülsen, nichtssagenden Plattitüden und komatös anmutenden Umschreibungen, hin zu entwaffnender Ehrlichkeit, welche die Wirkung der eigenen Kommunikation auf ein neues Level hebt, als Vertriebschef, Verkäufer und Privatperson. Sollten Sie den Gedanken hegen, dass nicht jedes Individuum mit der Wahrheit gleichermaßen akkurat umgehen kann: Ich würde Ihnen sofort zustimmen. Für einen veritablen Anteil unserer Mitmenschen gilt das Zitat: „Denken ist eine der schwersten Aufgaben … das ist wohl auch der Grund dafür, dass sich so wenige damit beschäftigen.“ (Gutzitiert o. J.) Denn die Wahrheit in den richtigen Kontext setzen, sie adäquat bewerten und die eigene Reaktion darauf überdenken, erfordert geistige Gelenkigkeit, die leider nicht bei allen Menschen umwerfend ausgeprägt ist. Daher werden Sie lernen, Ihr Gegenüber bezüglich der Wahrheitsverträglichkeit bestmöglich einzuschätzen, um schnell zu entscheiden, wie viel Ehrlichkeit in der jeweiligen Situation angebracht ist. Erlauben Sie mir einen sehr kurzen Exkurs ins Mittelalter: Schon der Schriftsteller Sebastian Franck hat es erkannt: „Die Welt will betrogen sein, drum sei sie betrogen.“ (Aphorismen o. J.) Doch wollen wir das wirklich? Möchten wir tatsächlich jeden Tag diese Nebelkerzenwerferei in der Kommunikation erleben? Die allgemein gebräuchliche Redewendung „… jetzt sind wir mal ganz ehrlich …“ beschreibt in der Tat die Realität: Davor und danach wird gelogen, die Welt mit Euphemismus betäubt, verschwiegen oder auch maßlos übertrieben. Es ginge uns besser, wenn wir häufiger die Wahrheit sagten und damit „entwaffnend ehrlich“ wären. Lügen und konstruierte Geschichten, die uns besser dastehen lassen sollen, als die Realität es widerspiegelt, verursacht in uns enormen Stress. Lügen zu konstruieren ist sehr aufwendig, erscheint uns aber immer noch besser, als einfach die Wahrheit zu sagen (vgl. Blanton 2015). Von Berufs wegen habe ich sehr viel mit Menschen aus dem Vertrieb zu tun. Insbesondere in Deutschland hat dieser kein besonders hohes Standing, weder im eigenen Unternehmen, noch bei den Menschen, mit denen der Verkäufer viel zu tun hat: dem Kunden. Nur etwa die Hälfte der Bürger vertraut Verkäufern (vgl. Wirtschaftswoche 2018).
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Warum ich dieses Buch schrieb und Sie es lesen sollten
In der Retrospektive meiner Erfahrungen kam ich zu folgenden Schlüssen, was die Ursachen dafür sein mögen: In den Hoch-Zeiten des Strukturvertriebs war es in Versicherungskonzernen gang und gäbe, 85-jährigen Menschen sinnlose Rentenversicherungen zu verkaufen. Um es diplomatisch zu formulieren: Dieses Vorgehen war für die allgemeine Reputation des Vertriebs nicht gerade zuträglich. Wer kennt nicht dieses Bild von Drückerkolonnen oder überfüllten Callcentern, die unbedarften Menschen irgendeinen nutzlosen Mumpitz unter Zuhilfenahme von psychologischen Tricks verkauft und sich selbst dafür noch frenetisch gefeiert haben. Zudem gibt es leider auch heute noch Vertreter derjenigen Vertriebsfraktion, die folgendes Denkmuster tief verinnerlicht haben: „Nach mir die Sintflut, die Hauptsache ist, dass ich meine Provision erhalte.“ Da raus resultiert sogar ein wissenschaftlich belegter Misstrauensvorschuss gegenüber dem Verkäufer (vgl. Nasher 2012). Was soll dieses Buch verändern? Es soll für Sie als Leser beruflich und privat durch eine noch direktere Art der Kommunikation neue Möglichkeiten entfachen. Es bringt für Sie einen spürbaren Vorteil, den Wahrheitsgehalt Ihrer Aussagen zu steigern. Dies ist nicht nur eine vage Vermutung, sondern durch wissenschaftliche Arbeiten belegt – und überdies auch mit gesundem Menschenverstand nachzuvollziehen. Welche Effekte die Verfechter entwaffnender Ehrlichkeit damit erzielen können, ist an pragmatischen Beispielen aus dem Leben zu erkennen: An einem sommerlichen Sonntag im Jahr 2013 wird Gertrud Steinbrück, die Frau des ehemaligen Kanzlerkandidaten der SPD, auf dem Konvent der Partei ihres Mannes auf dem Podium interviewt. Sie spricht ehrlich, respektvoll und ohne emotionale Maskierung das aus, was die Kanzlerkandidatur mit ihrem Familienleben macht und welche negativen Folgen diese für das Leben des Ehepaars Steinbrück mit sich bringt. Der Effekt? Stehende Ovationen im Auditorium und ein Presseecho voll des Lobes! Der Inhaber des kleines Handwerkbetriebs „Glaserei Sterz“ dreht ein zweiminütiges Video. Dort bringt er klar und ehrlich auf den Punkt, dass er Azubis sucht, was sie von ihm erwarten können – und was nicht. Ein mit einfachsten Mitteln erstelltes Video über wenige Sekunden erzielt mit Ehrlichkeit bei Facebook 4,1 Mio. Abrufe und knapp 90.000 Likes.
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SodaStream – als weiteres Beispiel – erzielt mit einem selbstironischen Video über eine halbe Million Klicks auf YouTube (YouTube 2018). Demgegenüber stehen horrende Summen, die in Deutschland für Marketing und Employer Branding ausgegeben werden – um sich ausschließlich von der schönsten Seite zu präsentieren. Die allzu hübsch und hochgestochen formulierten B2B-Brunftschreie – sie verhallen nicht nur, sondern rufen Skepsis hervor. Es gibt immer zwei Seiten der Medaille, und Menschen hegen entweder bewusst oder unterbewusst Skepsis, wenn nur eine Seite gezeigt wird. Mit dem Medaillen-Prinzip stelle ich in diesem Buch klar, dass wahres Vertrauen nur aufgebaut werden kann, wenn man beide Seiten der Medaille offen zeigt – positiv wie negativ. Das gilt für den Vertrieb, das Marketing – es gilt für die gesamte Unternehmenskommunikation und weit darüber hinaus für alle Bereiche, in denen Menschen kommunizieren. Ich habe die Erfolgsmuster von angesehenen Persönlichkeiten dechif friert und praxistauglich aufbereitet. Mit Beispielen wird verdeutlicht, dass die Anwendung der im Buch dargestellten Methoden im Grunde einfach, allerdings nicht in jeder Situation leicht ist. Denn klare Worte erfordern Rückgrat und integres Verhalten – nicht jeder Kommunikationspartner ist damit gesegnet. Ich zeige, wie Sie mehr Ehrlichkeit in Ihr Leben einfließen lassen können, ohne dabei despektierlich zu wirken, und wie Sie die Wahrheit wie einen warmen Mantel umlegen können, anstatt sie jemandem wie ein nasses Handtuch um die Ohren zu schlagen. Gleichzeitig skizziere ich die Grenzen der offenen Kommunikation, die insbesondere dann sichtbar werden, wenn die Adressaten die Botschaft einer Aussage nicht in den adäquaten Kontext setzen können. Aus meiner Sicht ist der Vertrieb die entscheidende Abteilung in jedem Unternehmen, denn dort entscheidet der Kunde, ob der Umsatz in Ihrem Unternehmen generiert wird oder woanders. Mit diesem Buch möchte ich auch dazu beitragen, dass durch maximale Ehrlichkeit im Verkauf das Standing des Vertriebs in Deutschland spürbar steigt und wieder dort angesiedelt wird, wo es hingehört: an die Spitze. Der Umsatz, der durch den Vertrieb generiert wird, sorgt dafür, dass der Wirtschaftsmotor dieses Landes funktioniert. Damit werden Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert, Familien werden damit ernährt. Deswegen liegt es
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Warum ich dieses Buch schrieb und Sie es lesen sollten
mir nicht zuletzt aufgrund meiner täglichen Arbeit mit und für Vertriebsmitarbeiter sehr am Herzen, die Reputation des Vertriebs insgesamt spürbar zu steigern. Ich weiß, das sind große Versprechen und ich habe alles darangesetzt, nichts zu versprechen, was ich nicht halten kann. Begleiten Sie mich auf die Reise durch dieses Buch und überzeugen Sie sich davon, dass sich klare Worte und Ehrlichkeit auszahlen. Noch ein Hinweis zur Schreibweise: Liebe Damen: Bitte fühlen Sie sich angesprochen, obwohl ich in der männlichen Form schreibe! Der „Genderwahnsinn“ dient mitnichten dem Respekt gegenüber dem ein oder anderen Geschlecht, daher: Ich schreibe einfach lieber in der eigenen Form. Literatur Aphorismen (o. J.) Sebastian Franck. https://www.aphorismen.de/zitat/ 71060. Zugegriffen am 21.01.2020 Blanton B (2015) Radikal ehrlich. inspiriert Verlag e.K., Hannover Gutzitiert (o. J.) Henry Ford. https://www.gutzitiert.de/zitat_autor_ henry_ford_thema_denken_zitat_852.html. Zugegriffen am 21.12.2019 Nasher J (2012) Durchschaut. Heyne, München Wirtschaftswoche (2018) Diesen Berufsgruppen vertrauen die Deutschen. https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/studie-diesen-berufsgruppenvertrauen-die-deutschen/21091454.html. Zugegriffen am 05.11.2019 YouTube (2018) SodaStream’s join the revolution. https://www.youtube.com/watch?v=b5FoXLxpFPk. Zugegriffen am 14.01.2020
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1 Die Lügenartillerie: Wie oft werden Sie belogen? 1 1.1 Die akzeptierte „harte“ Droge der Gesellschaft 10 1.2 Der Blick in den moralischen Abgrund – warum lügen wir so viel? 12 1.2.1 Lügen, um anderen zu helfen 13 1.2.2 Lügen, um sich einen Vorteil zu verschaffen 13 1.2.3 Lügen aus Angst 16 1.2.4 Lügen aus Scham 17 1.2.5 Lügen aus Mangel an Courage 17 1.2.6 Lügen, um anderen zu schaden 18 1.3 Der kalte Entzug 18 1.4 Was ist eigentlich Wahrheit? 19 Literatur 21 2 Ausstrahlung und Charisma: Die entwaffnende Kraft der klaren Worte 23 2.1 Charisma lebt von Klarheit 24 2.1.1 Körpersprache 25 2.1.2 Stimme und Rhetorik 26
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2.2 Das Medaillen-Prinzip und die Auswirkung auf Ihre Ausstrahlung 31 2.2.1 Charismatische Prominente mit klarem Profil 33 2.2.2 So zeigen Sie „klare Kante“ 38 Literatur 43 3 Das TRUE-Prinzip: Target, Respect, Unconventional, Emotion 45 3.1 Target: Klarheit über Ihre Ziele 47 3.2 Respect: Holen Sie Ihren Gesprächspartner dort ab, wo er steht 55 3.3 Unconventional: Verlassen Sie den Pfad des Geplänkels 57 3.4 Emotion: Ihre Intention offen zeigen bringt Emotionen ins Spiel 65 Literatur 68 4 TRUE-Prinzip und Medaillen-Prinzip im Praxistest 69 4.1 Lernen und Kompetenzerweiterung in Stufen 70 4.2 Der Praxistest am Beispiel eines TecDAX-Unternehmens 72 4.2.1 Das V: Vorbereitung 73 4.2.2 Der Kopf: Einstimmung 76 4.2.3 Der Handschuh: Gesprächseinstieg 78 4.2.4 Fleischerhaken und Wecker: Interessewecker 80 4.2.5 Der Schlüssel: Fragen 82 4.2.6 Das Kochbuch: Lösung 84 4.2.7 Die Wand: Einwandbehandlung 91 4.2.8 Die Zielscheibe: Abschluss 98 4.2.9 Der zweite Handschuh: Eliminieren Sie Zweifel an der Entscheidung 100 4.3 Don’t shoot the messenger: Wie Sie mit schlechten Nachrichten gute Beziehungen aufbauen 103 Literatur106
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5 Entwaffnend ehrlicher Klartext in der Geschäftswelt – und die Grenzen der Wahrheit …107 5.1 Klartext im ganzen Unternehmen 108 5.1.1 Ehrlichkeit in der internen Kommunikation 108 5.1.2 Ehrlichkeit in der Außendarstellung 115 5.1.3 Ehrlichkeit in Reden und Vorträgen 124 5.1.4 Ehrlichkeit im Kampf um die besten Kräfte 128 5.1.5 Ehrlichkeit als Kunde 143 5.2 Grenzen der Wahrheit: Was ist zu viel des Guten? 145 Literatur146 6 Abteilung sinnfrei: Die Lügenanleitung – Zehn Regeln, damit Ihnen keiner mehr über den Weg traut149 Literatur160
1 Die Lügenartillerie: Wie oft werden Sie belogen?
Auf den Punkt gebracht Dieses Kapitel schärft Ihre Sinne dafür, wie weit die Lüge im B2B-Umfeld verbreitet ist, was sie mit uns macht und warum wir sie so oft nutzen. Ich gehe darauf ein, inwiefern das allzu häufige Lügen und Verwässern der Wahrheit sogar unser Leben verkürzt und warum es eine „harte Droge“ ist. Sie lesen den Ansatz, um den „kalten Entzug“ erfolgreich durchzuziehen und warum es die Wahrheit nicht gibt.
Sie kennen derartige Formulierungen: „In beiderseitigem Einvernehmen verlässt Karl Lansinger [Name frei erfunden] das Unternehmen. Unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung unseres Unternehmens führten zu der Entscheidung, das Amt niederzulegen.“ Wir nehmen sie einfach so hin, ahnen aber mindestens unterbewusst: Da müssen intern die Säbel aber kräftig gewetzt worden sein. Zusätze wie „Bis zu seinem Ausscheiden wird Herr Lansinger dem Unternehmen beratend zur Verfügung stehen“ treiben es auf die Spitze. Diese Formulierungen sind in den meisten Fällen in etwa so ehrlich, als würde
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kober, Klartext im Vertrieb, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28547-0_1
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der passionierte Rennfahrer Walter Röhrl, von dem das Zitat stammt „Die guten Fahrer haben die Fliegen auf den Seitenscheiben“ (Handelsblatt 2012), behaupten, er gäbe seinen Führerschein freiwillig ab, um Kraftstoff zu sparen. Wenn man die genannten Absätze ehrlich und bewusst salopp formulieren würde, dann liefe das auf solche oder ähnliche Passagen hinaus: „Wir haben uns bei der Besetzung der Vertriebsleiter-Position leider selbst ein Ei ins Nest gelegt und hätten nie vermutet, dass das derartig nach hinten losgeht. Er hat die gewünschten Ergebnisse bei Weitem verfehlt, durch seinen komatös anmutenden Führungsstil taumelte unser Vertrieb nur noch schlaftrunken durch die Kundschaft. Besonders töricht von uns: Wir haben ihn nicht in der Probezeit gekündigt. Daher haben wir intern einen erbitterten Machtkampf durchgestanden, um ihn loszuwerden, der zum Ende hin nur noch über Anwälte beigelegt werden konnte. Bis zum Ende der Kündigungsfrist steht er uns nicht beratend zur Seite, denn er ist in seiner Ehre gekränkt. Durch seinen Anwalt hat er erstritten, dass er noch sechs Monate länger von uns sein Gehalt fürs Nichtstun erhält. Das wurmt uns, aber die Hauptsache ist, dass er weg ist.“ Mir ist völlig klar, dass diese „entwaffnend ehrliche“ Variante in keine Pressemitteilung der Welt Einzug halten würde. Dennoch gibt es ehrliche, in den folgenden Kapiteln skizzierte Alternativen, welche die Außenwirkung von Mensch und Firma enorm positiv beeinflussen. Der ehemalige CTO von IBM, Prof. Dr. Gunter Dueck, spricht über die Verlogenheit von Unternehmen und den daraus resultierenden Vertrauensverlust beim Kunden. Er berichtet davon, dass Kunden Lieferanten nicht mehr trauen, weil sie schon zu häufig wahrgenommen haben, „übers Ohr gehauen“ worden zu sein. Sogar Mitarbeiter werden belogen, indem ihnen gesagt wird, man kümmere sich unverzüglich um drängende Probleme, um beispielsweise den Kundenservice zu verbessern (vgl. Steger 2016). Doch auch meiner Erfahrung nach erlebt der Mitarbeiter ein gänzlich anderes Szenario. Es ist vergleichbar mit dem, was Sie sehen, wenn Sie einen großen Stein in einen Teich werfen. Erst schlägt er hohe Wellen (im Meeting wird dem Mitarbeiter suggeriert: „Wichtiger Punkt, den Sie ansprechen, da werden wir uns sofort darum kümmern“) und dann passiert … nichts.
1 Die Lügenartillerie: Wie oft werden Sie belogen?
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Schauen wir auf den Diesel-Skandal und die damit einhergehenden Inhaftierungen von Top-Managern im In- und Ausland. Nun können sich einige Führungskräfte der Autobauer sehr genau anschauen, wofür man Stahl noch alles gebrauchen kann – nämlich für das Anfertigen von „schwedischen Gardinen“. Eine Studie von Ernst & Young (2017) belegt, dass 23 % der deutschen Manager für den eigenen beruflichen Vorteil unethisch handeln würden. Jeder zehnte Manager würde die eigene Unternehmensführung falsch informieren, wenn es dem eigenen Fort- und Einkommen dient. Die „Dunkelziffer“ dürfte deutlich höher sein, denn in dieser Studie sind ausschließlich die Aussagen derjenigen erfasst, die in der Studie ehrlich geantwortet haben. Es darf bezweifelt werden, dass dort alle erfasst wurden, die tatsächlich lügen würden – denn höchstwahrscheinlich beantworten die Wahrheitsverzerrer in derartigen Studien auch nicht ehrlich (Märtin 2019). Da entlocken einem doch Statements zum Thema Ethik auf Unternehmens-Websites nicht mehr als ein müdes Lächeln. Die bereits erwähnte Plattitüde „Der Mensch bzw. Kunde steht im Mittelpunkt“ ist ähnlich abgegriffen wie das Lenkrad eines Taxis mit siebenstelligem Kilometerstand. Eine Frage treibt mich da immer wieder um: Wenn der Kunde doch im Mittelpunkt steht, warum müssen Unternehmen ihre Verkäufer dann variabel nach Leistung entlohnen, um vermeintlich die Motivation zu erhöhen? Wie viele Stunden werden in Missions- und Vision-Workshops verschwendet, verfangen sich Führungskräfte in Wortklaubereien – und am Ende interessiert es weder den Kunden noch die eigene Mannschaft, was da fabriziert wurde? Die Ursache dafür liegt auf der Hand: Weil das Ergebnis mit der Unternehmensidentität und der Wahrheit durch weichgespülte und allgemeingültige Formulierungen nicht mehr viel zu tun hat. Es aktiviert in den Menschen schlichtweg nichts. Was nützen einem teure, aber leere Worte, wenn sie weder die Haltung der Führung noch der Mannschaft widerspiegeln? Ich spreche nicht gegen das Erarbeiten eines Leitbilds – im Gegenteil, das ist wichtig. Ich verwehre mich gegen die allgemeingültige Verwässerung des Ergebnisses. Menschen verwenden viel Energie, um Aussagen zu chiffrieren. Der Kommunikationspartner verbraucht wiederum Zeit und Energie für das
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Dechiffrieren, um herauszufinden, welche Wahrheit nun wirklich dahintersteckt. Es kostet also auf beiden Seiten Energie. Je mehr wir offenbaren, desto weniger müssen wir verstecken. Je weniger wir verstecken, desto weniger machen wir uns Sorgen, diesbezüglich enttarnt zu werden. In der Folge können wir diese gewonnene Aufmerksamkeit und Energie sinnvolleren Dingen widmen. Große Teile unseres negativen Stresses werden durch Lügen verursacht (vgl. Blanton 2015). Stress ist bekanntermaßen die Ursache von vielen Krankheiten (vgl. Hüther 2001). Aufrichtigkeit bewirkt wahrlich nicht stets sofort höhere Anerkennung des Gegenübers, weil die ungeschminkte Wahrheit häufig nicht so leicht zu verarbeiten ist wie die mit Euphemismus bestäubte Variante. Der Effekt der letztgenannten Option ist allerdings wie bei einer Droge: Anfangs fühlt es sich besser an, mit etwas Verzögerung kommt aber das unangenehme, dicke Ende mit meist negativen Konsequenzen. Aufrichtigkeit wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im weiteren Verlauf der „Beziehung“ mit Ihrem Gegenüber jedoch dahingehend auswirken, dass Sie mehr zurückbekommen, als Sie „investiert“ haben. Und zwar in Form von Vertrauen, Aufmerksamkeit und Verbindlichkeit – im Verkauf mündet das auch in Umsatz. Das spüren Sie im Vertrieb und im ganzen Unternehmen, es bedarf allerdings auf der einen Seite Mut, die Kommunikation anders aufzubauen. Auf der anderen Seite ist das in diesem Buch dargestellte TRUE-Prinzip ein probater Ansatz, um die Wahrheitsintensität in Abhängigkeit von der Fähigkeit des Kommunikationspartners, die Information in den adäquaten Kontext zu setzen, rezipientengerecht zu justieren. Verzeihen Sie mir, nun ist mir das passiert, was ich in der Literatur häufig bemängele: Einfache Sachverhalte möglichst kompliziert zu formulieren. Auf den Punkt meine ich damit, dass Sie die Frage beantworten müssen: „Kann mein Gegenüber mit der Wahrheit umgehen – oder nicht? Und wenn ja, bis zu welchem Grad?“ Der Begriff „Klartext“ begegnet uns häufig – ich biete Ihnen hier eine Definition an, um gleich bei der Bedeutung des Begriffs zu bleiben und für Klarheit zu sorgen. Klartext bedeutet für mich mitnichten, an jeden Menschen in jeder Situation die volle, individuell wahrgenommene Wahrheit zu kommunizieren. Weil nicht jeder mit der ganzen und zum Teil harten Wahrheit umgehen kann, möchte ich Klartext folgendermaßen definieren:
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Klartext Die eigene Sicht der Dinge in der vom Rezipienten abhängigen größtmöglichen Wahrheitsintensität prägnant kommunizieren.
Menschen, denen gegenüber Sie ehrlich sind, werden in ihrer Kommunikation zu Ihnen einen höheren Grad an Verbindlichkeit entwickeln. Dies ist unter anderem in der Theorie des sogenannten „Mutual psychological contracts“ begründet. Diese Theorie beschreibt die gegenseitigen eher impliziten Erwartungen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Ist ein Arbeitgeber in der Wahrnehmung des Mitarbeiters ehrlich und damit aufrichtig, wird es dieser in der Regel mit höherer Leistung, Loyalität und Offenheit honorieren. Ehrlichkeit mündet also in bilateralen Vorteilen. Dieses Prinzip beschränkt sich nicht auf die berufliche Perspektive, sondern erstreckt sich ebenso auf alle anderen Rollen, die Sie im Leben innehaben. Ganz gleich, ob Sie als Ehepartner, Elternteil, Freund, Verwandter, Nachbar oder Bekannter die gesellschaftlich akzeptierte Maske häufiger fallen lassen – Sie werden für sich und Ihr Gegenüber erfüllendere Momente erleben. Menschen wünschen sich in der heutigen Zeit mehr denn je ein Gefühl der Geborgenheit und eine vertraute Umgebung (Märtin 2019), für die Sie mit dieser Art der Kommunikation sorgen können. Auch wenn diese Art der Kommunikation zu Beginn etwas aufwendiger erscheinen mag, werden Sie insgesamt weniger Stress empfinden, gesünder leben, intensivere Beziehungen aufbauen und ein erfüllteres Leben führen. Die Lüge macht sich in allen Lebensbereichen bemerkbar. Krankenkassenbeiträge werden nicht nur „angepasst“, sie werden erhöht. Wenn unsere derzeitige Bundeskanzlerin einem ihrer Minister ihr „vollstes Vertrauen“ ausspricht, sollte er sich schnell nach einem neuen Job umschauen. Bei einer Firmenfusion bedeuten Synergieeffekte im Wesentlichen schlicht und ergreifend Arbeitsplatzabbau. Beim Arbeitszeugnis ist „stets bemüht“ gleichbedeutend mit „faul und dumm“ zu in etwa gleichen Teilen. Euphemistische Formulierungen, hart an der Grenze zur Lüge oder weit darüber hinaus, sind weiter verbreitet, als wir im täglichen Alltag wahrnehmen.
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Im Hotel mit der „zentralen Lage“ machen Sie nachts kein Auge zu, das Wohnhaus in „absolut ruhiger Lage“ liegt fernab jeglicher Zivi- und Kanalisation. Nahrungsmittelhersteller deklarieren Zucker auf ihren Verpackungen nicht als Zucker, sondern in verschiedenen Variationen wie Glucose, damit der unmündige Verbraucher es nicht als ungesund enttarnt. Bei Online-Webinaren gibt es für den Veranstalter bei einigen Plattformen die Möglichkeit, „Ghost-Teilnehmer“ anzeigen zu lassen, um den Zuschauern glauben zu machen, dieses Webinar würde auch viele weitere Menschen interessieren – um so den Kaufanreiz des meist später gezeigten Angebots zu erhöhen. Sie können „Fake-Views“ bei Youtube kaufen, um Ihre Videos vermeintlich angesehen dastehen zu lassen. Die Liste der Lügen und Vernebelungstaktiken im Internet könnte sich beliebig erweitern lassen. Doch damit nicht genug: Wenn die üblichen Stellenausschreibungen das hielten, was sie versprechen, dann wäre die emotionale Bindung der Arbeitnehmer an ihren Arbeitgeber doch erheblich besser, als es das Gallup Institut jedes Jahr mit Fakten erhebt. Salopp zusammengefasst haben ca. 85 % der deutschen Arbeitnehmer emotional mit ihrem Unternehmen nicht viel am Hut (Nink 2018). Vermutlich träfe bei vielen Unternehmen ein Stellenangebot in der Formulierung wie in Abb. 1.1 eher zu. Wenn das übliche Gespräch eines Standard-Verkäufers mit einem Standard-Gesprächsablauf bei einem Kunden im B2B-Segment ehrlich wäre, dann würde es in vielen Fällen in etwa so starten (in Klammern finden Sie die ehrliche Version). Beispiel Verkäufer: „Guten Tag Herr Kunde, wie geht es Ihnen?“ (Guten Tag, Herr Kunde, mir fällt kein anderer interessanter Gesprächseinstieg ein – also nehme ich den, den ich immer nehme.) Kunde: „Guten Tag, Herr Verkäufer, alles bestens, und bei Ihnen?“ (Werter Herr Verkäufer, diese Standardfrage höre ich als Entscheider jeden Tag zehnmal von meinen Lieferanten. Warum sollte ich Ihnen mein Seelenleben offen legen, wenn Sie sich schon keine Gedanken über einen positiv überraschenden Einstieg unseres Gesprächs machen? Also bekommen Sie eine Standardantwort und eine sinnbefreite Gegenfrage …).
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Abb. 1.1 Die „entsetzlich“ ehrliche Stellenanzeige
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Ich habe auf dieser Welt noch keinen Menschen erlebt, bei dem in allen Lebensbereichen wirklich alles bestens ist, es sei denn, in seinem polizeilichen Führungszeugnis stehen mannigfaltige Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Es gibt doch immer einen Punkt, bei dem es besser laufen könnte, sei es privat oder beruflich. Wir haben aber meist schlicht keine Lust, das demjenigen unter die Nase zu reiben, der uns mit sinnlosen Standardfragen unsere Zeit raubt. Mein Appell: Lassen Sie uns unsere Zeit gleich zu Beginn eines Gesprächs doch sinnvoller und tiefgründiger nutzen. Alle diejenigen, die ein Buch gründlich von Anfang an lesen (also auch dieses erste Kapitel), seien nun mit dem ersten Tipp belohnt:
Tipp: Probieren Sie zu Beginn eines Gespräches doch mal diese Frage aus: „Sagen Sie, worauf freuen Sie sich in dieser Woche am meisten?“ Ihr Gegenüber wird zunächst etwas verwundert, manches Mal auch verdutzt dreinschauen, allerdings werden Sie überrascht sein, wie schnell Sie auf einer ganz anderen Ebene der Kommunikation sind. Natürlich sollten Sie diese außergewöhnliche Frage an den Typus Ihres Gegenübers anpassen: Beim Extrovertierten können Sie tendenziell schneller mit bemerkenswerten Fragen aufwarten, bei Introvertierten sollen Sie der Person etwas Zeit geben, Sie zumindest etwas kennenzulernen. Ansonsten folgt bei Letztgenannten eine ablehnende Haltung. Versuchen Sie in diesen Fällen eine etwas bedächtigere Fragevariante wie: „Sagen Sie, was ist Ihnen in dieser Woche beruflich denn schon richtig gut gelungen?“
Lesen Sie dazu folgendes Beispiel aus meiner Erfahrung:
Beispiel Ich habe einen Termin beim Personalleiter eines meiner Kunden, einem großen Maschinenbauunternehmen. Da ich alles selbst anwende, was ich schreibe, trainiere oder auf der Bühne als Vortragsredner sage, fragte ich ihn also, worauf er sich in dieser Woche am meisten freue. Seine Antwort – nach kurzer Überraschung und kurzem Nachdenken: „Ich bin sehr stolz darauf, dass ich gerade erfahren habe, dass mein Sohn zehn Punkte in der Abiturprüfung erreicht hat. Das werden wir am Wochenende ausgiebig
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feiern – es war sehr viel Arbeit für ihn, denn …“ etc. Schon waren wir in einer tiefgründigen Diskussion über Kinder und Familie, Freude und Pro blemchen. Sie glauben sicher nicht im Ernst, dass ich mit der Frage: „Und, wie geht’s Ihnen?“ einen ähnlich persönlichen Gesprächseinstieg gehabt hätte. Dies hat gleich mehrere Vorteile, sowohl aus der Perspektive Egoismus als auch Altruismus. Egoismus: Natürlich verlaufen Gespräche, die in einer positiven Atmosphäre beginnen, tendenziell besser und für beide Seiten ergebnisreicher. Altruismus: Zum anderen geleiten Sie Ihr Gegenüber galant zu freudigen Gedanken – ohne verdeckte psychologische Tricks, sondern schlicht mit einer offenen Frage.
Erlauben Sie mir einen kurzen Exkurs ins Privatleben – denn jeder, der im Vertrieb arbeitet, hat schließlich auch noch (etwas) Freizeit. Die Lüge macht vor dem Privatleben nicht Halt. Christoph Maria Herbst und Anke Engelke führen das in einem Sketch wunderbar vor.
Beispiel Er (Christoph Maria Herbst) kommt offensichtlich als Ehemann von einer Dienstreise nach Hause, sie (Anke Engelke) wartet im Wohnzimmer als seine Frau auf ihn. Er kommt zur Haustür herein, geht ins Wohnzimmer, der Dialog startet. Für jede Lüge finden Sie ein „(L)“. Sie: „Hallo Schatz!“ Er: „Hallo!“ Sie: „Na, wie war es?“ Er: „Anstrengend!“ (L) Sie: „Das glaube ich.“ (L) Er: „Ich habe Dir etwas mitgebracht!“ Sie: „Ohh!“ Er: (macht eine kleine Schachtel auf mit einem seltsamen Kettenanhänger) „Tataaa!“
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Sie: „Das ist ja wunderschön!“ (L) Er: „War auch nicht ganz billig.“ (L) Er: „Ich habe Dich vermisst.“ (L) Sie: „Ich Dich auch.“ (L) Er: (riecht etwas) „Hast Du etwa gekocht?“ Sie: „Ja … Lasagne – selbstgemacht.“ (L) Er: „Das riecht ja fantastisch!“ (L) Sie: „Sag mal, diese Karin aus der Buchhaltung, war die eigentlich auch mit in der Schweiz?“ Er: „Karin? Nein.“ (L) (YouTube 2007)
Unsere Tage auf dieser Welt sind begrenzt, also lassen Sie sie uns nicht mit belanglosem Geplänkel oder aufgesetzten Lügengeschichten vergeuden. Erfordert das an manchen Stellen Mut? Ja! Und meine Tochter formuliert es immer treffend: „Mut ist gut.“ Lassen Sie uns zunächst etwas näher anschauen, was eine Lüge exakt ist und was sie mit uns macht.
1.1 D ie akzeptierte „harte“ Droge der Gesellschaft Die Lüge ist eine bewusst falsche Darstellung der Realität. Die „Droge“ ist umgangssprachlich ein anderes Wort für ein Betäubungsmittel. Besser könnte man die Lüge nicht beschreiben – sie betäubt, ja benebelt und „bewahrt“ uns vor der vermeintlich zu harten Realität. Wir lügen beiläufig, fast schon aus Gewohnheit und sind uns dessen teils gar nichts bewusst. Es wird als völlig normal angesehen, vieles in der Kommunikation
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so zu sagen, dass man selbst im bestmöglichen Licht erscheint. Die Lüge ist ein „sozial akzeptiertes Gift“ (Blanton 2015). Am Beispiel von Alkohol oder Nikotin kann man am besten erklären, wie die Parallelen zu erkennen sind. Nach Schätzungen sterben jedes Jahr 74.000 Menschen an den Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum, 120.000 Todesfälle stehen in direktem Zusammenhang mit Tabakkonsum. Die Droge ist also – in Abhängigkeit von der Dosis – gefährlich und mitunter tödlich, wenn man sie missbraucht. Soweit ist das auch allen mündigen Menschen bekannt, auch wenn Erkenntnisgewinn und Handlung häufig nicht im sinnvollen Einklang zueinander stehen. Es gibt meines Wissens keine Studien, wie viele Menschen früher sterben, weil sie durch tägliches – berufliches und/oder privates – Lügen mehr negativen Stress (Disstress) erleiden. Kombiniert man allerdings die Erkenntnisse von Blanton (2015) und Hüther (2001), kann man allein mit gesundem Menschenverstand davon ausgehen, dass eine Korrelation zwischen dem Wahrheitsgehalt bzw. der Lügenintensität in unserer Kommunikation und unserer Lebenserwartung besteht. Erfahrene Psychotherapeuten, die jeden Tag mit den Lügengebilden im Leben anderer Menschen konfrontiert werden, kommen zum selben Schluss (Blanton 2015). Daraus lässt sich schließen, dass Distress, neben vielen anderen stresserzeugenden Faktoren, durch den nicht an den Adressaten angepassten Wahrheitsgehalt erhöht wird und damit die Lebenserwartung verkürzt. Die Berücksichtigung des Adressatenkreises werde ich im TRUE-Prinzip in Kap. 3 erläutern. Ich werde genau darauf eingehen, inwiefern die Fähigkeit unseres Gesprächspartners bzw. unseres Publikums, Informationen differenziert zu betrachten und zu bewerten, die Intensität der Wahrheit in unserer Kommunikation bestimmen sollte. Der Mensch kann bewusst drei Dinge wahrnehmen: • Das, was in unserer unmittelbaren Umgebung geschieht • Gefühle und Emotionen innerhalb unseres Körpers • Unsere Gedanken und Vorstellungen Was glauben Sie, womit sich Menschen am meisten beschäftigen? Richtig, mit der dritten Kategorie. Dass wir uns so viel mit den eigenen
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Gedanken beschäftigen, hat vielerlei Ursachen und Auswirkungen. Eine der weitreichendsten Konsequenzen dieses Umstands ist, dass wir dadurch die Basis aller Vorstellungen und Gedanken verlieren: das Erleben (Blanton 2015). Menschen, die häufig Geschichten konstruieren und Wahrheiten „dehnen“, müssen notgedrungen sehr viel Energie in das induzierende Denken investieren, damit in der Kommunikation diese Geschichten in sich schlüssig bleiben. Das wiederum erzeugt negativen Stress und bindet viel gedankliche Kapazität, die viel besser für das Lösen von Problemen und Kreativität genutzt werden sollte. Durch lebendige, ehrliche Kommunikation vermeiden Sie das energiefressende Martyrium für Ihr Hirn, schlüssige Geschichten zu erfinden und können diese Energie nutzen, um Ihre Ziele schneller zu erreichen – und dabei auch noch länger und gesünder zu leben.
1.2 D er Blick in den moralischen Abgrund – warum lügen wir so viel? Gott sei Dank: Wir können einen Sündenbock ausfindig machen, der dafür verantwortlich ist, dass wir so viel lügen. Es ist nur leider keine einzelne Person, sondern die Evolution. Zu der Zeit, als der Homo sapiens sein Futter noch mit Speerspitze jagen musste, war es für sein Überleben absolut notwendig, in Gruppen zu interagieren. Die Gruppenzugehörigkeit ist somit ein menschliches Grundbedürfnis. Neben anderen Aspekten ist das einer der hauptsächlichen Gründe, warum soziale Medien so erfolgreich sind. Der Mensch kann sich relativ unkompliziert und schnell Gruppen zugehörig fühlen. In der Urzeit war es für den Menschen ein Todesurteil, in der Gruppe als Lügner enttarnt zu werden. Die Folge war, dass man aus dem Stamm ausgeschlossen wurde, und das führte nahezu unweigerlich zum Tod. Denn allein konnte er weder Angriffen von Feinden standhalten noch für ausreichend Essen sorgen (Ekman 2001). Das Nachrichtenmagazin US News and World Report führte eine Umfrage durch. Das Ergebnis: 94 % der Befragten gaben an, dass Ehrlichkeit innerhalb des engen Freundeskreises eine „extrem wichtige“ Eigenschaft sei. Das mag nun wenig überraschen, ist es doch allgemein
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bekannt, dass Ehrlichkeit als einer der wichtigsten Faktoren gilt, um Vertrauen aufzubauen und zu wahren (Nasher 2012). Die Wahrheit zu sagen wird stets als eine der fünf wichtigsten Attribute genannt, die wir von Partnern, Freunden und Chefs erwarten (Ekman 2001). Wie lässt sich dann die Diskrepanz zwischen dem geäußerten Wunsch der Menschen und deren Verhalten, sowohl im Privat- als auch im Berufsleben, erklären? Die Motive, die Realität bewusst falsch darzustellen, sprich zu lügen, können sein: • • • • • •
anderen helfen wollen sich selbst einen Vorteil verschaffen Angst Scham Mangel an Courage anderen schaden (Boshaftigkeit) Betrachten wir die Motive etwas genauer.
1.2.1 Lügen, um anderen zu helfen Beispiel: Der Verkäufer, der versucht, für seinen Kunden intern eine Reklamation möglichst schnell und kulant abzuwickeln. Er weiß, dass der Kunde das Produkt falsch bedient hat und der Schaden daraus entstanden ist, stellt es innerhalb der eigenen Firma allerdings so dar, dass das Produkt bereits von Beginn an fehlerhaft gewesen sei. Sein Motiv: Er möchte dem Kunden helfen, schnell und einfach ein neues Produkt zu erhalten. Natürlich ist sein Verhalten meist nicht rein altruistisch: Der Kunde soll zukünftig wieder (mehr) bei ihm kaufen.
1.2.2 Lügen, um sich einen Vorteil zu verschaffen Beispiel: Der Produktionsleiter nennt dem Vertrieb für einen großen Auftrag einen Liefertermin, der weiter in der Zukunft entfernt liegt als notwendig. Das Motiv: In vielen Fällen möchte er sich damit ein Gefühl
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der Sicherheit verschaffen, falls es in seinem Bereich unerwartet zu Verzögerungen kommt. Außerdem könnte er seine Reputation steigern, falls er vor dem Termin liefern kann. Dass deswegen vielleicht Aufträge verloren gehen, weil der Mitbewerb schneller liefern kann, ist in solchen Fällen teils sekundär. Selbstverständlich gibt es solche Situationen auch „in die andere Richtung“. Der Verkäufer nennt intern vom Kunden vermeintlich genannte, knappe Liefertermine, um internen Druck aufzubauen und um sicherzustellen, das auch wirklich passend geliefert wird. Seine Motive sind offensichtlich die Reputationssteigerung beim Kunden, das Generieren des Umsatzes und damit auch die Sicherung seiner Provision und seines Arbeitsplatzes. Opportunismus ist in der Motivkategorie „sich selbst einen Vorteil verschaffen“ stark vertreten. Auch die eigene Haltung wie das Fähnchen im Wind zu ändern, sobald man der Überzeugung ist, mit einer anderen Meinung einen Vorteil erhaschen zu können, wird jeder von uns bei anderen schon erlebt haben. Und bei selbstkritischer Betrachtung des eigenen Lebenswegs mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch zumindest teilweise bei sich selbst. Dr. Helmut Schmidt hat die Verfechter des Opportunismus „gelenkige Mitläufer“ genannt (Noack 2010), das trifft es glänzend, wie ich finde. Wolfgang Kubicki schreibt in seiner Autobiografie sehr treffend für diese Spezies, dass Menschen sehr schnell dazu neigen, über andere den Stab zu brechen, weil es das eigene Selbstwertgefühl steigere (Kubicki 2019). Das Lügenmotiv „sich selbst einen Vorteil zu verschaffen“ entsteht auch aus mangelnder Integrität. Die folgende Definition halte ich für treffend: „Integrität ist die Übereinstimmung der persönlichen Werte […] mit dem eigenen Denken und Handeln.“ (wertesysteme.de o. J.) Mangelnde Integrität und Opportunismus hängen eng miteinander zusammen. Eine mangelnde Kongruenz zwischen den persönlichen Werten und dem eigenen Handeln entsteht häufig, wenn sich der Mensch kurzfristig daraus einen Vorteil oder eine Belohnung erhofft. Die Ursache für einen stark verbreiteten Opportunismus und damit zusammenhängender mangelnder Integrität ist in der sogenannten Kurzfrist-Falle begründet. Dr. Pero Micic (Micic 2014) hat diesen Begriff geprägt. Im Kern beschreibt sie das Problem, dass Menschen sich gerne für die Option entscheiden, die ihnen eine schnellere Belohnung verspricht. Nicht
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selten werden für den Zeitvorteil allerdings höhere, erfüllendere Belohnungen ausgeschlagen (zum Beispiel das Erreichen eines persönlichen Traums oder großen Wunsches) und ein Verlust an Integrität und ein Mehr an Opportunismus in Kauf genommen. Timo Höttges (Höttges 2019) beschreibt es als derzeit Vorstandsvorsitzender der Deutsche Telekom AG durchaus treffend. Als Kunde seines Unternehmens frage ich mich häufig, ob an dem Diesel-Abgasskandal nicht auch etwas Gutes ist. Ich bin überzeugt: Ja. Denn mit den vermeintlich schwarzen Rauchwolken aus den Dieselauspuffrohren könnte die Übertragung der Information mittels Rauchzeichen sicherlich unterbrechungsfreier gestaltet werden, als über das bestehende Mobilfunknetz – verzeihen Sie mir den Exkurs. Wichtig ist, was er über die enorme Relevanz von Integrität und Aufrichtigkeit schreibt. Auf den Punkt sagt er: Ohne Integrität und Aufrichtigkeit gibt es keine Innovation, weil Menschen dann nicht offen sagen, was sie denken. Dies kann sehr gut mit dem HIPPO-Effekt – Highest Paid Person’s Opinion – beschrieben werden. Wenn der Chef seine Meinung kundgetan hat und die Unternehmenskultur nicht offen ist, dann werden Mitarbeiter ihre Meinung davon häufig abhängig machen, ob der Inhalt ihrer Idee sich in etwa mit dem deckt, was der Chef gesagt hat. Daraus resultiert, dass Unternehmen kaum außergewöhnlich erfolgreich sein können, denn ohne Integrität ist ein Unternehmen auch nicht menschlich und damit auch nicht besonders attraktiv für diejenigen Mitstreiter, die jede erfolgreiche Firma haben möchte. Dieses Thema macht auch vor dem Privatleben nicht Halt. Opportunismus und mangelnde Integrität erkennt man wachen Auges in vielen Lebenssituationen. Ein guter Indikator für wahre Freundschaften ist, wenn Sie der jeweiligen Person folgende Fragen entwaffnend ehrlich beantworten: „Würde er mich hinter meinem Rücken verteidigen – oder in dieselbe verbale Kerbe wie die anderen schlagen, die sich gerade über mich brüskieren?“ Und: „Würde er seine eigene Freiheit, vielleicht sogar sein Leben riskieren, um mir in einer Notsituation zu helfen?“ (Kubicki 2019, S. 124) Daran erkennt man wahre Freunde. Zugegeben: Mit diesem Maßstab reduziert sich die Anzahl der „Freunde“. Aber in Zeiten von Facebook und Co., in denen der Begriff des „Freunds“ inflationär benutzt und verwässert wird, erscheint es mir
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notwendig, für diesen Begriff eine belastbare Definition anzubieten. Sie ist stark angelehnt an das eben zitierte Kriterium, das Wolfgang Kubicki in seiner Autobiografie verdeutlicht. „Freund“ als Begriff und dafür eine „technische“ Definition? Ja, denn es bringt Klarheit in den Freundesbzw. Bekanntenkreis. Unsere Gesellschaft hat größtenteils verlernt, Wut oder Enttäuschung direkt zu zeigen und direkt „miteinander zu reden“. Stattdessen bedient sich der Mensch gerne des Mittels des „über andere Redens“ (Blanton 2015).
1.2.3 Lügen aus Angst Angst vor Repressalien ist die Ursache für die in vielen Unternehmen immer noch wenig ausgeprägte Fehlerkultur. Wenn intern ein Projekt mit Anlauf vor die Wand gefahren wurde, wird mit schöner Regelmäßigkeit der Fokus nicht darauf gelenkt, was man daraus lernt und zukünftig besser machen kann, sondern wer daran schuld ist. Die Verantwortung wird weitergereicht, CC-E-Mails fluten die Postfächer, frei nach dem „Cover your ass“-Prinzip, das die gesamte Organisation durch einen inflationären Rechtfertigungsdrang lähmt. Viele Führungskräfte haben schlicht und ergreifend Angst, auch intern offen und ehrlich zu kommunizieren. Der Grund liegt vielfach in mangelndem Vertrauen in die eigene Belegschaft. Jeder erfahrene Chef wird schon einmal die Erfahrung gemacht haben, dass sensible Informationen über meist nachvollziehbare, aber nicht beweisbare Wege nach außen gelangt sind. Reinhard Sprenger (Sprenger 2012) spricht von fünf Prozent „krimineller Energie“ in jedem Unternehmen, die auch nicht auszumerzen sind. Jedoch kommunizieren viele Chefs so, dass diese fünf Prozent mit den Informationen keinen Schaden anrichten können. Der Effekt ist allerdings, dass ein Großteil der verbleibenden 95 % der Belegschaft dieses Misstrauen durchschaut und auf sich bezieht – mit fatalen Effekten für die Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber. Natürlich müssen gesetzliche Kommunikationspflichten und -grenzen eingehalten werden. Jedoch hilft eine ehrlichere und offenere interne Kommunikation enorm dabei, Vertrauen in der Belegschaft aufzubauen. Ansätze und Ideen dazu finden Sie im Abschn. 5.1.1.
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1.2.4 Lügen aus Scham Ist jemandem gekündigt worden und diese Person wird im Bekanntenkreis nach den Ursachen für den Jobwechsel befragt, so lauten die Antworten selten: • „Ich habe einfach die Leistung nicht erbracht undz` war überfordert.“ • „Ich bin mit den Anforderungen im Job nicht klargekommen.“ • „Mit meiner Art habe ich einfach nicht in das Team gepasst.“ Stattdessen werden Sie viel häufiger Varianten hören wie: • „Ich brauchte einfach mal eine neue berufliche Herausforderung.“ • „Im alten Unternehmen hatte ich einfach nicht genug Freiheiten.“ • „Ich hatte einfach ein so gutes Angebot – da konnte ich nicht widerstehen.“ Natürlich können die letztgenannten Punkte auch der Wahrheit entsprechen, nur ist das sicherlich nicht so häufig der Fall, wie es suggeriert wird.
1.2.5 Lügen aus Mangel an Courage Selten passiert es, dass ein Chef nach einem missglückten Kundentermin vom Verkäufer zu hören bekommt, er habe schlicht und ergreifend weithergeholten und wortreich umschriebenen Unsinn erzählt. Die Ursache ist meist mangelndes Rückgrat und die Unkenntnis über eine Methode, wie man den Sachverhalt ehrlich und gleichermaßen respektvoll kommuniziert, ohne dass „Karriere-Porzellan“ zerschlagen wird. Für alle bisher genannten Lügenmotive werden Sie mit dem in Abschn. 3 skizzierten TRUE-Prinzip eine Möglichkeit finden, zukünftig direkter und ehrlicher zu kommunizieren. Sie können einen einfachen und pragmatischen Fahrplan erarbeiten, der Ihrem Ductus entspricht und den Sie in Ihrer täglichen Kommunikation einsetzen können.
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1.2.6 Lügen, um anderen zu schaden Dieses Motiv für eine Lüge wird zum Beispiel häufig in der Politik angewendet, wenn es darum geht, einen Krieg zu rechtfertigen. Der Öffentlichkeit werden bewusst falsche Informationen zugespielt, damit es eine subjektiv hinreichende Begründung für einen Krieg gibt. Als Beispiel kann man die Vorgehensweise der Nationalsozialisten im Dritten Reich anbringen. Die NS-Propaganda kolportierte seinerzeit, dass ein Jude einen deutschen Diplomaten ermordet haben solle. Damit rechtfertigten die Nationalsozialisten die Vorgehensweise gegen die Juden.
1.3 Der kalte Entzug Ich bezeichne die Lüge deswegen als harte Droge, weil der Entzug zu Beginn schmerzhaft ist. Lieb gewonnene Kommunikationsgewohnheiten müssen infrage gestellt und über lange Zeiten aufgebaute Lügengebilde eingerissen werden. Im Grunde kann man das sehr plakativ mit der Entfernung eines Pflasters von der Haut vergleichen. In Bezug auf das Lügen sind die meisten Menschen eher bereit, ständig und langsam einen kleinen Schmerz zu spüren (langsames Abreißen), anstatt einmal kurz einen Schmerz zu spüren, um sich danach deutlich besser zu fühlen (schnelles Abreißen). Der Psychotherapeut Dr. Blanton beschreibt in seinem Buch „Radikal Ehrlich“ (Blanton 2015), dass man, wenn man ehrlich sein wolle, zunächst einmal die Höflichkeit ablegen müsse. Ich teile diese Auffassung nicht. Das TRUE-Prinzip habe ich unter anderem aus der Überzeugung entwickelt, dass Ehrlichkeit, Respekt und ein freundlicher Umgang sich nicht ausschließen – im Gegenteil. Wie so häufig im Leben kommt es jedoch darauf an, wie Sie diese Dinge zum Ausdruck bringen und wen Sie mit welcher Wahrheitsintensität konfrontieren. Vielmehr müssen wir uns von der Angst lösen, die Wahrheit zu sagen. Mein Redner-Kollege Dieter Lange formuliert es so: „Der Weg aus der Angst heraus geht immer durch die Angst hindurch.“ (Lange 2018) So ist es auch mit dem teilweise unguten Gefühl, möglichst viele Wahrheiten rezipientengerecht aufzu-
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tischen. Der erfolgreiche „kalte Entzug“ setzt Mut und eine probate Vorgehensweise voraus, die ich Ihnen in diesem Buch präsentiere. Das TRUE-Prinzip in Kap. 3 bekräftigt den unstrittigen Umstand, dass nicht alle Menschen gleichermaßen mit der identischen Wahrheitsintensität konfrontiert werden können. In einem Land, in dem Serienformate wie das „Dschungelcamp“ oder „Frauentausch“ veritable Einschaltquoten generieren, ist völlig klar, dass das Zitat von Walter Ludin zutrifft: „Der Dialog mit Andersdenkenden ist oft schwierig, mit Nichtdenkenden ist er stets unmöglich.“ (Aphorismen o. J.) Wir weichen also aus verschiedenen Gründen von der Wahrheit ab. Das führt uns zu der Frage, was „die Wahrheit“ eigentlich ist.
1.4 Was ist eigentlich Wahrheit? Wenn das TRUE-Konzept nun schon den Namen „Wahrheit“ in sich trägt und von mehr Ehrlichkeit und weniger Lügen spricht, dann kommt man nicht umher, den Begriff der Wahrheit auch zu definieren. Was ist eigentlich wahr? Im Grunde gibt es, naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten mal außen vor gelassen, nicht die eine Wahrheit. Alles, was wir wahrnehmen, wird durch unsere innere Einstellung, die aus den gemachten Erfahrungen, deren Bewertung sowie unseren Glaubenssätzen über die Jahre geformt wird, bewertet. Um zu verdeutlichen, was ich damit meine, füge ich die folgenden Beispiele an:
Beispiele 1. Bei der Pressemitteilung, in der es um den Umstand geht, dass sich ein Unternehmen von einem Manager trennt: War die Einigung nun einvernehmlich oder nicht? Ab wann war es wirklich einvernehmlich? 2. Ist am Preis wirklich „nichts mehr zu machen“ oder ginge es schon, man möchte es nur nicht? 3. Wenn bei beruflichen sozialen Netzwerken der Jobstatus auf „suche neue Herausforderung“ geändert wird, sucht die Person dann wirklich eine neue Herausforderung oder braucht sie dringend einen neuen Job, um die Raten fürs Haus begleichen zu können?
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4. Gibt die Frage „Wie geht es Ihnen“ wirklich das Interesse am Gegenüber wieder oder spiegelt es nur die simple Einfallslosigkeit des Fragenden? 5. Bezüglich des Beispiels aus der privaten Unterhaltung zwischen Ehemann und Ehefrau mit Christoph Maria Herbst und Anke Engelke (s. Kap. 1): Hat die Frau ihren Ehemann wirklich nicht vermisst oder doch vielleicht ein bisschen? Und wenn ja, ab wann darf sie dann sagen, dass sie ihn wirklich vermisst hat – oder eben auch nicht? Oder vermisst sie ihn nur, weil nun niemand mehr den Müll herausbringt?
Sie merken, der reinen Wahrheit – und nichts als der Wahrheit – auf den möglichst objektiven Grund zu gehen, stellt uns schnell vor unlösbare und zeitraubende Rechercheraufgaben. Das ist in der Praxis nicht zu handhaben und daher wenig pragmatisch. Widmen wir uns deshalb einem Ansatz, der in der Praxis funktioniert. Aus meiner Sicht gibt es die reine, objektive Wahrheit, naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten außen vor gelassen, aus den eben beschriebenen Gründen nicht. Daher sollten wir als Maßstab für die Wahrheit einen Ansatz nehmen, der möglichst praxisgerecht eingesetzt werden kann. Im juristischen Kontext kennt man den „objektiven Empfängerhorizont“, ich nenne es den gesunden Menschenverstand. Das bedeutet: Sie schauen sich einen Sachverhalt an und stellen sich vor, wie ihn eine dritte, bestenfalls unbeteiligte Person möglichst objektiv bewerten würde. Das ist mit dem gesunden Menschenverstand aus meiner Perspektive gleichzusetzen. Was würde diese besagte Person Ihrer Meinung nach sagen, wenn sie gefragt würde: „Wie sehen Sie das?“ Bezüglich der genannten Beispiele 1 bis 5 dürfte man vermutlich mit folgenden Ergebnissen rechnen: 1. Er ist nach einer hohen Abfindung und nach Einschränkung seiner Kompetenzen gegangen „worden“. Der Prozess war nicht einvernehmlich, das „Schmerzensgeld“ und der Blick auf eine unrühmliche Zeit im Job, wenn er den Aufhebungsvertrag nicht unterschreibt, aber ausreichend, um am Ende freiwillig zu gehen. 2. Am Preis ist nahezu immer „etwas zu machen“, sprich das Unternehmen könnte in der Regel einen günstigeren Preis anbieten. Aber ab einem gewissen Punkt möchte man das einfach nicht mehr. Das ist die Wahrheit.
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3. Hängt von der Situation ab. Häufig ist die Formulierung aber ein Hilferuf nach Sicherheit in einem neuen Angestelltenverhältnis. Sollte dieser Jobstatus aus dem bestehenden Angestelltenverhältnis postuliert werden, bedeutet er nichts anderes als: „Hilfe, holt mich hier raus!“ 4. Hängt vom Gesprächspartner ab. Sehr häufig ist es nur eine Floskel, weil dem Fragesteller nichts Besseres als Gesprächseinstieg einfällt. 5. Schaut man sich das dazugehörige Video an, wird nonverbal schnell klar, dass in der Beziehung der Zug abgefahren ist. Denken Sie also bei unklaren Sachverhalten kurz darüber nach, wie die zuvor erwähnte, dritte und unbeteiligte Person die Sachlage einschätzen würde und schon kommen Sie der „objektiven“ Wahrheit möglichst nahe.
Literatur Aphorismen (o. J.) Walter Ludin. https://www.aphorismen.de/zitat/43146. Zugegriffen am 26.11.2019 Blanton B (2015) Radikal ehrlich. inspiriert Verlag e.K., Hannover Ekman P (2001) Telling lies. W. W. Norton & Company, New York Ernst & Young (2017) Fraud Survey – Ergebnisse für Deutschland. April 2017. https://acfe.de/wp-content/uploads/0073f20171006_012_Studie_2017_ EY_EMEIA-Fraud-Survey-Ergebnisse-fuer-Deutschland.pdf. Zugegriffen am 25.11.2019 Handelsblatt (2012) Walter Röhrl zum 65.: „Die guten Fahrer haben Fliegen auf den Seitenscheiben“. https://www.handelsblatt.com/auto/nachrichten/ walter-roehrl-zum-65-die-guten-fahrer-haben-fliegen-auf-den-seitenscheiben/6296956.html?ticket=ST-32920151-fOD97P4pn9Dmlg3tDYRO-ap3. Zugegriffen am 26.11.2019 Höttges T (2019) Über die Integrität im digitalen Zeitalter. https://www.linkedin.com/pulse/%C3%BCber-die-integrit%C3%A4t-im-digitalen-zeitalter-t im-h%C3%B6ttges/?trk=eml-email_feed_ecosystem_digest_01-recommended_articles-3-Unknown&midToken=AQEGk47E0lwxyQ&fromEmail=fromEmail&ut=0OpgGnxFSAI8M1. Zugegriffen am 01.11.2019 Hüther G (2001) Die neurobiologische Verankerung von Erfahrungen und ihre Auswirkung auf das spätere Verhalten. Plenarvortrag, 24.04.2001, im Rahmen der 51. Lindauer Psychotherapiewochen. https://www.lptw.de/archiv/
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2 Ausstrahlung und Charisma: Die entwaffnende Kraft der klaren Worte
Auf den Punkt gebracht Lesen Sie, welchen famosen Effekt Klartext-Kommunikation auf Ihre Ausstrahlung hat, warum Sie auf das krampfhafte Kontrollieren Ihrer Körpersprache verzichten sollten und welches die wichtigsten verbalen Elemente einer wirkungsvollen, entwaffnend ehrlichen Kommunikation sind. Anhand der Verhaltensweisen von charismatischen Persönlichkeiten dechif friere ich Muster, um mit „klarer Kante“ Ansehen bei Freund und Feind zu erlangen. Das Medaillen-Prinzip bietet dazu eine sehr schnelle und einfach anwendbare Methodik.
Denken Sie an das Beispiel von Gertrud Steinbrück aus der Einleitung. Mit Klartext und klaren Worten hat sie sämtliche langatmig vorgetragenen Redemanuskripte auf die hinteren Bänke der Aufmerksamkeit verbannt. Sie gab aus freien Stücken ihr Innerstes preis und zog damit das gesamte Auditorium in ihren Bann – ohne jegliche Regeln der Rhetorik
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kober, Klartext im Vertrieb, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28547-0_2
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oder Körpersprache bewusst zu beachten. Sie konnte sich vollumfänglich darauf konzentrieren, die richtigen Worte zu finden, da sie keine Geschichte erfinden musste, sondern einfach die Wahrheit erzählte. Viele Menschen streben doch nach der sagenumwobenen bestechenden Aura, die uns umgeben soll. Wenn wir einen Raum betreten, möchten wir mit unserem Charisma und unserer Ausstrahlung Menschen in unseren Bann ziehen – zumindest für die Extrovertierten unter uns trifft das zu. Insbesondere im Vertrieb streben wir eine möglichst hohe Anziehungskraft an, denn der Kunde soll uns vertrauen und schlicht und ergreifend ein gutes Gefühl haben, wenn er sich für uns und unser Produkt entscheidet. Denn der Entscheider im Unternehmen des Kunden muss schlussendlich intern den Kopf dafür hinhalten, die Entscheidung getroffen zu haben. Nun könnte man sicherlich ganze Regalkilometer mit Büchern füllen, wenn es um das Thema Ausstrahlung und Charisma geht. Ich werde im Folgenden die wichtigsten Punkte behandeln, die Auswirkungen auf Ausstrahlung und Charisma haben. Jedoch bitte ich dies im richtigen Kontext zu sehen: Diese Punkte sind komplementär zu der hier vorgestellten Methode zu verstehen. Der Dreh- und Angelpunkt ist, den Schneid zu haben, adressatengerecht die Wahrheit zu sagen.
2.1 Charisma lebt von Klarheit In meinen Vorträgen und Trainings stelle ich gerne die Frage, wer, nach Meinung des Publikums, in den letzten 100 Jahren der charismatischste Präsident war. Die Antwort lautet mit steter Regelmäßigkeit nahezu unisono: „John F. Kennedy“. Aus meiner Sicht ist ein entscheidender Grund für dieses wahrgenommene Charisma, dass die Menschen wussten, wofür Kennedy steht. Seine Haltung war klar. Dies wiederum hatte zwei Ursachen. Zum einen hat Kennedy in den 1960er-Jahren eine klare Vision kommuniziert – die von der bemannten Mondfahrt bis zum Ende des seinerzeitigen Jahrzehnts. Zum anderen war seine Art der Kommunikation von einigen allgemeingültigen Merkmalen geprägt, die ich im Weiteren erläutere. Der Inhalt und die Art der Kommunikation waren
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eindeutig, klar und unmissverständlich, woran es in der heutigen – häufig mit Phrasen belegten – Geschäftskommunikation mangelt.
2.1.1 Körpersprache Prinzipiell gilt bei der Körpersprache: Jedes Verhalten, das antrainiert wurde, um auf der Bühne oder beim Kunden gut anzukommen, wirkt meist vollkommen deplatziert. Das gilt insbesondere, wenn Sie für das Thema, über das Sie reden, nicht vollends brennen. Wenn Sie wirklich etwas bewegen oder erreichen möchten, dann wird Ihr Unterbewusstsein genau diese innere Haltung über den Körper ausdrücken. Insofern bin ich kein Verfechter von intensiven Trainings für Körpersprache. Wer sich vergewissern möchte, wie affektiert, offensichtlich aufgesetzt und unnatürlich die bewusste Beeinflussung der eigenen Körpersprache wirken kann, kann sich bei bekannten Videoplattformen zum Thema „Körpersprache Training“ davon überzeugen. Jedoch gibt es einige Basics, die man beachten sollte. • Ein gerader und fester Stand ist insbesondere zu Beginn und zum Ende der Präsentation durch nichts zu ersetzen. Ebenso wenig darf das Schweigen zu Beginn, bis das Publikum sich auf Sie konzentriert hat, nicht fehlen – stehen Sie anfangs wie ein Fels in der Brandung. • Halten Sie stets das Publikum im Blick und nehmen Sie mit den Augen Kontakt auf. Nur wenige Dinge langweilen mehr als das „Lesen mit Hilfestellung“ – also das Ablesen der Information, die ohnehin schon auf der PowerPoint-Präsentation zu sehen ist. • Schließen Sie Ihren Mund komplett, wenn Sie eine rhetorische Pause machen (im Sinne von: Ober- und Unterlippe berühren sich). Wenn Sie dann noch wie schon erwähnt von Ihrem Thema überzeugt sind, wenn Sie massiv etwas mit Ihrer Präsentation in Ihren Zuhörern auslösen möchten, dann lassen Sie den Rest einfach geschehen. Ihr Unterbewusstsein wird dafür sorgen, dass Sie mit Ihrem Körper mitreißend wirken. Die Rhetoriktrainerin Vera F. Birkenbihl (1997) fasste es einleuchtend zusammen. Sinngemäß lautete ihre Devise: Lerne vorher alles,
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was Du für den Vortrag benötigst. Dann geh’ auf die Bühne, vergiss alles und mach’ einfach! Wenn Sie sich dazu selbst trainieren möchten, dann lassen Sie Ihre Präsentationen auf Video aufnehmen und schauen Sie sich im Nachhinein an, wie Sie sich bewegen. Das können Sie auch zunächst ohne Publikum üben. Der gesunde Menschenverstand wird Ihnen schon sehr viel darüber verraten, welche Unarten Sie zukünftig sein lassen sollten, damit Sie intensiver auf Ihr Publikum bzw. auf Ihre Kunden wirken. Häufige Fehler sind ein unruhiger Stand und zu wenig Augenkontakt mit dem Publikum. Sagen Sie Ihrem Körper nicht, wie er sich zu verhalten hat, sondern begeistern Sie sich für das Thema und seien Sie sich im Klaren, dass Sie etwas bewegen möchten. Dann passiert schon sehr viel von allein – ganz ehrlich. Verstehen Sie die nun folgenden Hinweise als weitere Hilfsmittel, um Ihrer Botschaft noch intensiveren Ausdruck zu verleihen.
2.1.2 Stimme und Rhetorik Stimme Erfolgreiche Redner arbeiten immer auch an ihrer Stimme – ist sie doch elementarer Bestandteil davon, wie wir kommunizieren und was beim Adressaten mit welcher Wirkung ankommt. – Sprechen Sie tendenziell tiefer und lauter. Atmen Sie dazu bewusst tief in den Bauch. Sie merken sofort, dass Ihre Stimme sonorer und durchdringender klingt. Lockern Sie vor jedem Termin Ihre Mundmuskulatur durch einschlägige Übungen. Beispielsweise nehmen Sie einen Korken zwischen die Zähne und sprechen einen Zungenbrecher. Das wiederholen Sie zehn Mal. Sie werden feststellen, dass Ihre Aussprache deutlicher und präziser wird. Weitere hilfreiche Hinweise dazu finden Sie in entsprechenden Ratgebern wie zum Beispiel von Elmar Bartel (2017) oder Michael Rossié. Ausdrucksweise Ausgezeichnete Sprecher vermeiden die von Linguisten so bezeichnete vage Deixis. Damit sind unklare Bezüge gemeint. Beispiele dafür sind: „Die haben doch keine Ahnung“, „da müsste man mal“ (Märtin 2019). Diejenigen, die den elaborierten Sprachcode beherrschen und sich damit geschliffen ausdrücken können, vermeiden diese unklaren Bezüge und
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benennen Dinge direkt beim Namen – sie sprechen Klartext. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Falsch: „Jemand sollte den Müll herausbringen.“ Richtig: „Du solltest den Müll herausbringen.“ Und schon merken Sie, dass Klartext auch in der Partnerschaft einen klaren Standpunkt und, je nach Verfassung der Beziehung, auch Mut voraussetzt. Dasselbe gilt für sogenannte Tilgungen, Generalisierungen und Verzerrungen. • Tilgung: Bei der Tilgung werden relevante Informationen ausgelassen und nicht kommuniziert. Der Beweggrund für diese Vorgehensweise ist nahezu immer, dass die verschwiegenen Informationen nicht in die Argumentationskette des Kommunikators passen. Bestes Beispiel ist der umgangssprachlich so bezeichnete „Diesel-Abgasskandal“. Natürlich hat es auch juristische Gründe, warum der Konzern in der Außen darstellung Informationen vorenthält. Jedoch trägt es – beschönigend formuliert – nicht gerade zum Vertrauensaufbau bei. Lassen Sie mich zur Verdeutlichung noch ein weiteres Beispiel anführen. Nehmen wir an, ich tätigte folgende Aussage: „Ich habe den Körper eines 25-jährigen…“. Nehmen wir weiter an, ich machte danach eine lange Pause, und fügte erst dann hinzu: „… im Keller!“, so stellen wir fest, dass die Tilgung des zweiten Teils der Aussage die Gesamtinformation doch in einem etwas anderen Licht hätte dastehen lassen. Beispiele für eine Tilgung im Kundengespräch sind Formulierungen wie „das ist eindeutig zu teuer“ oder „da liegen uns bereits passendere Angebote vor“. Bezüglich des erstgenannten Beispiels empfehle ich als Reaktion die „Preisattacke“ (s. Abschn. 4.2.7). Bei der zweiten Variante könnten Sie den Kunden fragen, was ihm an dem bereits vorliegenden Angebot gut gefällt und was er noch vermisst. Sie könnten weitere Fragen stellen wie beispielsweise: „Nehmen wir an, Sie würden sich nun mit Ihrem Kollegen, der mit an der Entscheidung beteiligt ist, über das Angebot unseres Mitbewerbs und unser Angebot unterhalten. Was würde er beim Mitbewerberangebot kritisieren, was an unserem? Und was fände er jeweils gut?“ Wenn Sie nun im direkten Gespräch vermuten, dass Informationen „getilgt“ wurden, fragen Sie akribisch nach, zum Beispiel: „Wenn nun eine dritte, unbeteiligte Person Sie fragen würde, ob bezüglich dieses
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Sachverhalts wirklich alle relevanten Informationen auf dem Tisch liegen, was würden Sie ihr antworten?“ Natürlich kann es passieren, dass der Kunde auf Fragen dieser Art etwas verdutzt reagiert. Das ist mein Ziel, denn Standardfragen provozieren Standardgespräche. Geist- reiche Konversationen erhalten Sie nicht über eine ideen-arme Gesprächsführung. Klare Empfehlungen dazu erhalten Sie im Praxis test im Kap. 4. • Generalisierung: Bei der Generalisierung wird davon ausgegangen, dass man von einem Vorfall auf den Ausgang ähnlicher gelagerter Situationen extrapolieren kann. Beispiel: „Bei dieser Kundengruppe haben wir in der Vergangenheit nie Erfolg gehabt. Jeder unserer Verkäufer hat durchweg die Rückmeldung erhalten, wir seien zu teuer.“ „Klartexter“ lassen solche Generalisierungen nicht zu, denn zu häufig sind bei den Ausgangsituationen die Umgebungsvariablen nicht vollumfänglich mit einem neuen Ansatz zu vergleichen. Generali sierungen werden dennoch leider häufig und gerne genutzt, da sie die Denkbelastung reduzieren. Man glaubt, von gemachten Erfahrungen relativ einfach auf zukünftige Ergebnisse schließen zu können. Das ist in unserer heutigen komplexen Welt jedoch häufig zu einfach gedacht und beschränkt uns in unseren Möglichkeiten, Dinge auszuprobieren. Klartexter hinterfragen dann die Variablen der Ausgangssituation und stellen infrage, ob wirklich extrapoliert werden kann – oder, wie so häufig der Fall, eben nicht. Kommen im Sprachgebrauch Worte vor wie „immer“, „nie“, „alle“, „jeder“, „keiner“, „niemand“, dann sollte der scharfsinnige Gesprächspartner konkret nachfragen: „Wirklich immer/nie, sind es ganz sicher zu 100 % alle oder zu 0 % niemand?“ Das sorgt für Klarheit. • Verzerrung: Sie entsteht, wenn für die Beurteilung von neuen Ereignissen die Bewertung gemachter Erfahrungen, auch als Glau benssätze bekannt, als Grundlage dienen. Beispiel: „Eine ähnliche Neukundenaktion haben wir schon einmal versucht, das hat nicht funktioniert, weil wir bei XY einfach keine gute Leistung bringen können“, oder auch „ich kann das nicht, weil …“. Hinterfragen Sie konkret, was die Grundlage der Beurteilung ist. Je genauer Sie Erfahrungen hinterfragen, desto besser können Sie feststellen, ob der Ges prächspartner aus einigen wenigen Erfahrungen einen eigenen, möglicherweise unbewussten, Glaubenssatz abgeleitet hat, der allerdings
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mit der repräsentativen Realität wenig zu tun hat. Beispiele für passende Fragen sind: „Welche Aktion war das genau“, „was waren die Rahmenbedingungen“, „wie viele Kunden wurden von wem befragt“, „welche Rückmeldung hat die Person konkret gegeben“? Häufig ist die Faktenlage nicht belastbar und ein nicht die Realität widerspiegelnder Glaubenssatz wurde entlarvt, was im Übrigen häufig beiden Seiten weiterhilft, wenn der Gesprächspartner die Fähigkeit zur differenzierten Betrachtung und Bewertung von Informationen besitzt (dazu mehr in Abschn. 3.1). Immer wenn Tilgungen, Generalisierungen oder Verzerrungen auftauchen, schrillen bei Klartextern die Alarmglocken. Sie fragen nach und gehen der Sache auf den Grund – auch, um dem Gegenüber zu helfen, klarer zu sehen. Nicht immer ist der eigene Vorteil der Treiber für die Nutzung dieser Sprachmodelle, häufig sind es gebräuchliche Sprachmuster oder unscharf formulierte eigene Gedanken, die zu solchen Äußerungen führen. Klartexter helfen mit gezielten Nachfragen gedanklich auf den Sprung. Weitere Optionen, um Ihre Ausdrucksweise und damit auch die Wirkung Ihrer Ausstrahlung zu intensivieren, sind: • Wenn Ihnen eine Frage gestellt wird, nehmen Sie sich Zeit zum Nachdenken. • Richten Sie Ihren Körper auf, sprechen Sie tendenziell etwas langsamer. • Wenn jemand versucht, Sie zu unterbrechen, heben Sie die Hand, sagen Sie bestimmt „einen Moment noch“ und bringen Ihre Gedanken zu Ende. • Jammern, rechtfertigen und Schuldzuweisungen finden sich üblicherweise im sprachlichen Proletariat wieder. In der Bourgeoisie lässt man sich mit der Antwort Zeit, behandelt nur das Relevante und lässt Unrat vorbeiziehen. • Auch das gehört zur Ehrlichkeit und zum Klartext: Was Sie sagen, muss wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, muss gesagt werden (frei nach Voltaire). Das ist insbesondere dann wichtig, wenn Sie Gesprächspartner vor sich haben, die mit der vollen Wahrheit nicht umgehen können. • Man kann über die Arbeit unserer Bundeskanzlerin mit Sicherheit verschiedener Auffassung sein. Eine Fähigkeit allerdings beherrscht sie
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perfekt: Wenn wieder einmal einer ihrer politischen Widersacher wie ein wildgewordener Stier in der Arena auf den Torero mit dem roten Tuch zuläuft, zieht sie galant das Tuch hoch und lässt ihn ins Leere laufen, alternativ auch sehr gerne gegen die Wand. Wie häufig haben sich Widersacher in der politischen Diskussion an ihr schon die Zähne ausgebissen, weil sie gewisse Themen einfach nicht aufgegriffen hat. Sie beachtet das sprachliche „Reiz-Reaktions-Schema“ (wir neigen dazu, jedem extern über unsere Sinne wahrgenommenen Informationsreiz Aufmerksamkeit zu schenken), sprich: Sie entscheidet sehr genau, worauf sie überhaupt reagiert. Für sie sind derartige Angriffe „Unrat“, sie lässt ihn vorbeischwimmen und wirkt dadurch souveräner, als wenn sie zu jedem Thema Stellung nehmen und sich rechtfertigen würde. Wählen Sie also sorgsam aus, ob Sie dem ReizReaktions-Modell Ihres Hirns nachgeben und über jedes Stöckchen springen, was man Ihnen hinhält, oder ob Sie sich bei Ihrem Gesprächspartner nicht deutlich mehr Respekt verschaffen, wenn Sie nur auf die wirklich relevanten Punkte intensiver eingehen. Wenn wir den zuletzt erwähnten Punkt auf ein Kundengespräch projizieren, dann weiß jeder, der im Vertrieb arbeitet, dass der Kunde üblicherweise versucht, meist gegen Ende des Verkaufsprozesses den Fokus auf den Preis zu legen. Mein Vater ist Schwabe – ich weiß, wovon ich spreche. Wenn Sie im Verkaufsprozess einen guten Job gemacht und ehrlich Klartext gesprochen haben, dann wird ein veritabler Teil Ihrer Kundschaft den inneren Wunsch hegen, sich für Sie und Ihr Unternehmen zu entscheiden. Allerdings wird nahezu jeder Kunde die Frage stellen, ob am Preis noch etwas zu machen sei. Wenn Sie eine lapidare Antwort auf diese Frage geben möchten (und der Kunde einen kleinen Spaß versteht), dann können Sie diese Frage guten Gewissens bejahen. Sie sagen ihm, dass Sie zum Beispiel beim Preis die Nullen ausmalen könnten. Sollte Ihr Gesprächspartner in puncto Humor die Beweglichkeit einer Bahnschranke besitzen, dann lassen Sie das besser. Meistens erntet man bei diesen Sprüchen jedoch einen kurzen Lacher. Freilich löst sich damit der Preiseinwand nicht in Luft auf, aber es lockert das Gespräch an dieser Stelle auf. Danach geleitet man den Kunden galant in die Preiseinwandbehandlung. Auch dort gilt es, gewissen „Unrat“ an sich
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vorbeischwimmen zu lassen – dazu biete ich Ihnen in Abschn. 4.2.7 eine detaillierte Vorgehensweise an. Sprechen Sie entwaffnend ehrlich Klartext, so lösen Sie beim Gegenüber und bei sich selbst Emotionen aus. Wenn Sie dann auch noch ehrliche Antworten erhalten, wird Sie das beide innerlich bewegen. Mut brauchen Sie bei Klartext deswegen, weil Sie die Art der Resonanz, die Sie erhalten, nicht immer vorhersehen können. Sie erleichtern sich den Weg zu mehr Klartext, indem Sie Ihrer eigenen Erwartung der Resonanz nicht allzu viel Gewicht geben. Je mehr Klartext Sie verwenden, desto spannender werden Ihre Gespräche – denn Sie wissen nicht immer, wie Ihr Gegenüber reagiert. Da ich nahezu jeden Tag mit Kunden spreche, kann ich dieses Gefühl bezeugen: Sie werden es sehr wertschätzen, dem Kunden Informationen anzubieten, die Sie ihm möglicherweise früher so nicht unterbreitet hätten.
2.2 D as Medaillen-Prinzip und die Auswirkung auf Ihre Ausstrahlung Mögen Sie Standard-Werbung? Entschuldigen Sie – das war eine Suggestivfrage. Allerdings ist die gängige Werbung eine der Hauptursachen für das Misstrauen gegenüber Marketing und Vertrieb. Denn üblicherweise wird immer nur eine Seite der Medaille gezeigt. Unternehmens-Home pages berichten durchweg von Erfolgen, außergewöhnlichen Produkten, sensationellen Innovationen, spitzenmäßigen Dienstleistungen und natürlich der jahrelangen Erfahrung von Unternehmen, die in maximaler Qualität und Zuverlässigkeit produziert und verkauft werden. Und das alles mündet dann noch in der Maxime, dass der Kunde im Mittelpunkt steht. Dieses Thema hatten wir ja bereits. … Der übliche Verkäufer lobt sein Produkt in den höchsten Tönen, stellt dar, warum es besser ist als das des Mitbewerbs und preist sämtlich Vorteile in allen Formen und Farben an. Das ist auch legitim. Die propagierten positiven Eigenschaften des Produkts oder der Dienstleistung reichen allerdings bei Weitem nicht aus, um aus der großen Masse der anderen Anbieter als derjenige herauszustechen, der den Kunden wirklich
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überzeugt – und zwar maßgeblich dadurch, dass der Kunde ihm vertraut und die passende Lösung zum adäquaten Preis bietet. Es ist nun nicht so, als gäbe es keine positiven Beispiele, bei denen es auch anders funktioniert. Anders bedeutet in diesem Kontext, dass der Adressat der Botschaft dem Gegenüber insofern vertraut, als dass er die Richtigkeit der Aussage nicht anzweifelt. Bei der üblichen Werbung und dem „Standard“-Verkäufer wird nahezu immer die Absicht unterstellt, dass mit der Botschaft ausschließlich die eigenen (egoistischen) Interessen des Anbieters – der Verkaufsabschluss – im Vordergrund stehen. Nun erwartet der mündige Adressat bzw. Kunde sicherlich keine ausschließlich altruistische Gesinnung, sondern lediglich eine ausgeglichene Variante zwischen den Anbieter- und den Kundeninteressen. Das bedeutet nichts anderes, als offen und ehrlich auch die andere Seite der Medaille zu zeigen. Ich möchte Ihnen dazu einige Beispiele nennen, um zu verdeutlichen, was ich damit meine. Beispiel Sicherlich haben Sie schon von den sogenannten Fuckup Nights gehört. 2012 wurden die Fuckup Nights in Mexiko-Stadt erfunden. Nach sechs Jahren hatten sie bereits 252 Ableger in Städten auf der ganzen Welt. Menschen, die beruflich gescheitert sind, stehen auf der Bühne, erzählen ihre Geschichten und werden gefeiert wie Rockstars – weil Ehrlichkeit einfach befreiend ist. Sie zeigen offen, ehrlich und schonungslos auch die andere Seite der Medaille. Sie zeigen, wie die Lebenswirklichkeit ist, dass es nicht nur die schöne heile Welt gibt, sondern es auch mal unrund, holprig, verheerend und niederschmetternd laufen kann. Sobald die übliche Marketing- und Vertriebsmaskerade abgenommen wird, die glauben machen möchte, dass alles immer perfekt sei, kann Vertrauen entstehen. Jeder weiß, dass das Leben im wahrsten Sinne des Wortes nicht immer so einseitig schön ist. Also, warum nennen wir das Kind dann nicht beim Namen?
Bevor ich auf konkrete Beispiele aus dem Vertrieb eingehe, lassen Sie uns weitere Beispiele anschauen, die mit „entwaffnender Ehrlichkeit“ und dem Medaillen-Prinzip, welches dem Ansatz folgt, dass immer offen beide Seiten einer Handlung oder Tatsache beleuchtet werden müssen, reüssieren.
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2.2.1 Charismatische Prominente mit klarem Profil Ich möchte mich nicht über Parteiprogramme auslassen, sondern vielmehr über die Art und Weise, wie es zum Beispiel Dr. Helmut Schmidt geschafft hat, hohes Ansehen als Politiker in der Bevölkerung zu erlangen – und das in seiner Position als Bundeskanzler. Insbesondere Repräsentanten dieses Amtes stehen bekanntermaßen häufig im Kreuzfeuer der Kritik. Beispiel Die Art der Kommunikation des „raubauzigen Rechthabers“ hatte viele Namenssynonyme als Folge: Helmut der Schmied, Exorzist, Zampano. Er hat einen guten Ruf als Krisenmanager der Flut im Jahr 1962 erlangt. Aber das allein war nicht der Grund für seine bis zu seinem Tod durchweg hohe Anerkennung. „Keiner seiner Vorgänger und Nachfolger wurde so sehr von Wählern favorisiert […] wie der eigenwillige Sozi.“ So steht es geschrieben in der Biografie über den „sozialdemokratischen Ausputzer“. Dies mündete 1974 in 67 % Zustimmung innerhalb der Bevölkerung – Werte, von denen heutige Politiker nur träumen können (Noack 2010, S. 17). Er hat sich nie gescheut, auch die zweite Seite der Medaille klar zu benennen. Sei es vor dem britischen Parlament im Jahr 1974 oder vor dem Bundeskongress der Jungsozialisten. Dort musste er sich aufgrund seiner „harten“ Ehrlichkeit beim Darstellen der „zwei Seiten der Medaille“ zum Schluss des Vortrags obschon der aufbrausenden, von ihm als „hysterische Wohlstandssprösslinge“ bezeichneten Menge, mit einem Hechtsprung von der Bühne verabschieden. Hätte im Duden ein Bild von der „klaren Kante“ abgedruckt werden müssen – sein Konterfei wäre dafür bestens geeignet gewesen. Seine Kontrahenten und selbst Parteigenossen holten sich häufig genug mächtige (Karriere-)Beulen, wenn sie gegen diese verbale Kante liefen. Von ihm stammt der Spruch: „Auch Demokratie benötigt Führer“ (Noack 2010, S. 115). Zwei Dekaden nach dem Terror und dem Schrecken, den die Nazis durch und mit ihrem „Führer“ den Menschen angetan hatten, nutzte er diesen Begriff schlicht und ergreifend wieder für die richtige Sache. Er hatte nicht die Erwartung, jemandem zu gefallen, sondern mit klarer Kante das zu sagen, was er für richtig hielt – und sorgte damit für höchste Reputation und Glaubwürdigkeit. Der Freund der klaren Kante hat den Menschen auch unmissverständlich klargemacht, „dass die Kacke am Dampfen war“ (Noack 2010, S. 136). Dadurch, dass er aus politischer Korrektheit und dem üblichen Mainstream,
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also der allgemein akzeptierten Droge Vertuschung, Beschönigung und vernebelnder Umschreibung, ausgebrochen ist, hat er diesen immensen Grad an Aura und Ausstrahlung erreicht. Er zeigte es klar und deutlich nach dem Motto: Alles hat zwei Seiten, und ich zeige sie euch – ob ihr wollt oder nicht! Das zeugt von Rückgrat und Verbindlichkeit. Dr. Helmut Schmidt hat mit dieser Art das zweithöchste Amt im Staat erreicht und mit Sicherheit dasjenige Amt, in dem ein Politiker am meisten bewegen und gestalten kann. Beruflich gesehen ist das für jemanden, der derartige Positionen anstrebt, also der Jackpot. Die Art, wie er in vielen Bereichen entwaffnend ehrlich und direkt kommuniziert hat, war ein wesentlicher Bestandteil seines Erfolgs.
Wofür steht Wolfgang Kubicki? Ungeachtet seiner politischen Überzeugung vermute ich, dass mir nur wenige widersprächen, wenn ich behauptete, dass er gerne durch klare und deutliche Ansagen polarisiert. Er ist dadurch ein angesehener Politiker, gleichgültig, ob man seine Standpunkte teilt oder nicht. Um zu verdeutlichen, was ich meine, lesen Sie hier den Ausschnitt eines Interviews (Die Zeit 2018). Beispiel DIE ZEIT: Herr Kubicki, gibt es im Deutschen Bundestag Verbrecher? Wolfgang Kubicki: Nicht im juristischen Sinne, aber es gibt im Bundestag natürlich Menschen, die schon mal darüber nachgedacht haben, ein Verbrechen zu begehen. DIE ZEIT: Kennen Sie solche Abgeordnete? Wolfgang Kubicki: Wenn Sie von sich selbst behaupten, Sie hätten in Ihrem ganzen Leben noch nie darüber nachgedacht, eine Straftat zu begehen, dann können wir das Gespräch beenden. Die allermeisten Menschen in meiner Umgebung haben gelegentlich Gewaltfantasien. DIE ZEIT: Sie auch? Wolfgang Kubicki: Selten. Denn einen Teil meiner Aggressionen kann ich dank meiner Tätigkeit als Politiker und Rechtsanwalt legal ausleben.
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Was glauben Sie, wie viele Politiker sich auf derartige Fragen in Tonnen von Buchstabensalat verlieren, auf den vor allem folgende Adjektive zutreffen: langweilig, nichtssagend, ausweichend? Meine Meinung: Unzählige. Viele Reden, gleich ob von Managern oder Politikern, stellen unter Beweis, dass es eine Alternative zur medikamentösen Anästhesie gibt. Der weißhaarige Schnellsprecher hat nicht die Erwartung, anderen gefallen zu müssen. Dieses Muster ist bei vielen erfolgreichen Persönlichkeiten zu erkennen, die neben ihrem öffentlichen Amt noch eine weitere veritable Einkommensquelle haben, die sie unabhängig macht. Das sagt Kubicki in seiner Autobiografie auch ganz offen: Politiker müssen ein zweites Standbein haben, um unabhängig ihre Meinung offen sagen zu können. Denn ansonsten müssen sie Parteifunktionären gefallen, von deren Gunst die politische/berufliche Zukunft häufig abhängt. Er ist mit dieser offenen und ehrlichen, wenn auch manchmal verletzenden Art erfolgreich: Sein Landesverband hat es immer in den Landtag geschafft und lag mit den Wahlergebnissen oft deutlich über dem Bundesdurchschnitt (Kubicki 2019). Oder denken Sie an Uli Hoeneß in der Zeit vor dem Steuerskandal: Kaum jemand stand so sehr für klare Worte in der Fußballwelt wie er. Kein Wunder: Sein zweites Standbein, die Fleischverarbeitung, sorgte dafür, dass es ihm egal sein konnte, wie jemand auf sein polarisiertes Auftreten reagiert. Unter anderem dieser Umstand machte ihn erfolgreich. Bei Wolfgang Kubicki ist dieses zweite Standbein sein Beruf als Anwalt. Solche Menschen können es sich leisten, Mut zu haben und ehrlich zu sagen, was sie denken. Es gibt noch viele Beispiele dieser Art. Wer gilt in der allgemeinen Wahrnehmung als ehrlich und direkt? Natürlich kann man darüber verschiedener Auffassung sein, aber ich nehme zum Beispiel Thomas Gottschalk als jemanden wahr, der klare Worte findet. Er war einer der beliebtesten deutschen Entertainer, den Deutschland je hatte. Man nehme nur ein Beispiel aus seiner Jugend, als er sich beim Bayrischen Rundfunk als DJ bewarb. Auf seine Bewerbung erhielt er als Antwort die Anforderung, einen Fragebogen auszufüllen. Daraufhin gab er dem BR zu verstehen, dass man in deren Radiosendungen sehr gut erkennen könne, dass sie ihre DJs per Fragebogen auswählen. Klartext – er hat den Job bekommen (Gottschalk 2015).
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Redet Jürgen Klopp anderen Menschen nach dem Mund? Dass er es heute nicht tut, scheint bei seinem bisher erreichten Erfolg nicht weiter verwunderlich. Aber auch zu Beginn seiner Karriere war der hochgewachsene Fußballlederfetischist offen und ehrlich. Klopp gibt sein innerstes preis. Schauen Sie sich dazu seinen Abschied beim FSV Mainz auf offener Bühne an. Stellen Sie sich den Marktplatz in der Innenstadt von Mainz vor: Im Hintergrund sehen Sie den Mainzer Dom, Klopp steht auf einer eigens aufgebauten Bühne. Auf dem Platz haben sich Tausende Fans des FSV Mainz versammelt und skandieren „Jürgen, Jürgen“. Auf der Bühne beschreibt Klopp, was die Situation gerade mit ihm macht, wofür er dem Club und der Stadt dankbar ist und bricht dabei in Tränen aus. Das ist nicht gespielt, das ist ehrlich. Sein Erfolg als Trainer hat sicherlich viele Ursachen, auf die ich schon in meinem Buch „Feuer und Flamme für den Vertrieb“ (Kober 2019) eingegangen bin. Ich bin der festen Meinung, dass seine Art, klare Ansagen zu machen, keine rhetorisch abgedroschenen Floskeln zu verwenden, sondern auf den Punkt seine Meinung kundzutun sowie seine Fähigkeit, Menschen mitzureißen, einer der wichtigsten Säulen seines Erfolgs sind (vgl. SWR Sport 2019). Wiederum fernab von jeglicher politischen Grundsatzdiskussion: Franz Josef Strauß wurde von Egon Bahr als „Kraftwerk mit den Sicherungen eines Kuhstalls“ (ARD 2015) beschrieben. Wenn man die Worte „Politiker“ und „ehrlich“ in einem Satz verwendet, mögen sich bei einigen Lesern bereits die Nackenhaare sträuben. War Franz-Josef Strauß in seinem Leben immer ehrlich? Sicher nicht, aber wer kann das schon für sich hundertprozentig mit „ja“ beantworten? Stellt man allerdings heutige Reden von führenden Politikern den Ansprachen, die Franz-Josef Strauß früher hielt, gegenüber, so kommt man unweigerlich zu dem Punkt, dass Strauß durch Klartext deutlich mehr beim Publikum ausgelöst hat. Strauß hat polarisiert. Er hatte Gegner, die ihn (ver-)achteten, und Befürworter, die ihn liebten. Schaut man sich die politische Landschaft heute an, sucht man vergebens Charaktere von seinem Format. Hört man dem Volksmund zu, dann stößt man auf Äußerungen wie „der hat doch gesagt, was Sache ist“, „der hatte noch Schneid“, „der hatte Format“ usw. Mir geht es hier nicht (politisch) um richtig oder falsch, sondern um seine Art der Kommunikation. Ich schätze, dass selbst seine Feinde zugeben würden, dass er klar in seiner Meinungsäußerung war
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und nicht versuchte, sich mittels weichgespülter Formulierungen unangreifbar zu machen. Wenn Politiker in Menschen durch klare Ansagen etwas auslösen, dann beschäftigen sich die Menschen mit dem, was gesagt wurde. Sie sind entweder dafür oder dagegen. Wenn man das Gefühl hat, dass die Information ehrlichen Ursprungs ist, ist man viel eher bereit, sich mit dem Geäußerten auseinanderzusetzen. Bei der Recherche zu diesem Buch habe ich lange versucht, mehr politische Beispiele aus unserer aktuellen Zeit beizusteuern – vergeblich. Auch dieser Umstand lässt in Bezug auf mangelnden Klartext tief blicken. Heute herrscht mehr Gleichgültigkeit, was eindeutig an der deutlich abnehmenden Wahlbeteiligung abzulesen ist. Sie fiel von über 90 % im Jahr 1976 auf gut 75 % im Jahr 2017 (vgl. Statista 2019). Aus meiner Sicht entspringt diese Gleichgültigkeit im Kern aus Enttäuschung über nicht gehaltene Versprechen und eine Art der Kommunikation, die mit dem Adjektiv „wachsweich“ nicht annähernd ausreichend beschreibt, wie beliebig austauschbar diese Aussagen sind. Diese Tendenz lässt sich auch in der Geschäftswelt beobachten. Wenn man Ihre Mitarbeiter fragen würde, wofür Sie als Führungskraft stehen, was Ihre Haltung ist, wo Sie mit dem Unternehmen hinmöchten: Was glauben Sie, wären deren Antworten? Herrscht Klarheit? Die Realität zeigt ein eindeutiges Bild: dass den Mitarbeitern in aller Regel Klarheit fehlt. Die Ansprachen von Vorgesetzten sind üblicherweise nebulöse Phrasen, die für jedes Unternehmen gelten könnten. Sorgen Sie also mit Klartext dafür, dass Ihre Mitarbeiter wissen, wo Sie hinmöchten, was Ihre Haltung ist, wofür Sie stehen. Herrscht bei Ihren Mitstreitern darüber Klarheit, wird sich das auch bei Ihrer Kundschaft positiv bemerkbar machen. Natürlich bleibe ich auch als Buchautor ein leidenschaftlicher Verkäufer, deswegen sei mir folgender Satz gegönnt: Einen Weg, diese Klarheit für sich selbst als Unternehmer, Chef oder auch Mitarbeiter zu erlangen, habe ich in meinem Buch „Feuer und Flamme für den Vertrieb“ bereits behandelt (Kober 2019). Kaufen Sie es, ich erhalte dadurch zwar nur minimales Autorenhonorar, aber es ist gut für mein Ego und meine externe Reputation, also geben Sie sich einen Ruck. Die Aufgabe von Vorgesetzen und Verkäufern ist es, etwas auszulösen, merk-„würdig“ zu sein. Das gilt ebenso für die externe Kundenkommunikation.
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2.2.2 So zeigen Sie „klare Kante“ „Klare Kante zeigen“: Auch diese Redewendung wird sehr häufig benutzt, aber niemand grenzt die Bedeutung richtig ab. Die Personen in den eben erwähnten Beispielen formulieren ihre Meinung klar und deutlich – auch wenn sie dem Gegenüber vermutlich nicht gefallen wird – ohne Ausnahme, gemäß dem Medaillen-Prinzip. Ich möchte das Prinzip an dieser Stelle folgendermaßen definieren: Dem Rezipienten ohne explizite Aufforderung Vor- und Nachteile einer Option in größtmöglicher Klarheit auf den Punkt aufzuzeigen.
Unternehmen tun gut daran, auch in der Kundenkommunikation immer beide Seiten zu zeigen, sogar online. Werfen Sie dazu als Beispiel einen Blick auf das „Gut Thansen“ in Abschn. 5.1.2 – dort gibt es auf der Website einen Bereich, welcher mit „Unsere Schwächen“ benannt wird. Sehr ehrlich, sehr direkt und erfolgreich. Wer klare Kante zeigt, der schert sich relativ wenig um die Meinung derjenigen, die eine direkte Art der Kommunikation nicht in den richtigen Kontext setzen können oder wollen – und erreicht damit diejenigen, die die übliche Standardphrasen- Kommunikation einfach nur noch leid sind. Vermeiden Sie den Konjunktiv (hätte, könnte, müsste etc.), eliminieren Sie Wörter wie „eigentlich“, „relativ“ (außerhalb des mathematischen Kontextes), „ein bisschen“ etc. All diese Formulierungen lassen dem Redner noch ein „Hintertürchen“ offen, was sich vielfach negativ auf die Glaubwürdigkeit auswirkt. Klartexter mit „klarer Kante“ verzichten da rauf und legen sich fest, wo immer es geht. Damit kaufen Ihre Zuhörer Ihnen schlicht und ergreifend viel eher ab, was Sie sagen, denn man kann klarer erkennen, wofür Sie stehen. Klare Sprache Eine klare Sprache darf nicht mit einem einfachen Ductus verwechselt werden. Die Verwendung eines hochkarätigen Vokabulars steht im Einklang mit Klartext, wenn die bereits in Abschn. 2.1.2 erwähnten Aspekte
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der Ausdrucksweise eingehalten werden: Die Vermeidung der vagen Deixis, der Tilgung, Generalisierung und Verzerrung. Wenn Sie prüfen möchten, ob wirklich die Botschaft vom Gegenüber vernommen wurde, können Sie Ihren Gesprächspartner im direkten Gespräch ganz unverhohlen um einen Gefallen bitten – nämlich das, was Sie gerade gesagt haben, in seinen Worten zu wiederholen. Das ist auch bei Vorträgen möglich: Gerne frage ich meine Zuschauer nach dem Vortrag, welche drei wichtigsten Punkte sie aus meiner Darbietung für sich mitnehmen. Insbesondere bei neuen Konzepten führt das bei mir dazu, dass ich die Erkenntnisse sofort in die Gestaltung der Keynote mit einbringe. Demaskieren Klopp weint öffentlich auf dem Marktplatz von Mainz vor Tausenden seiner Anhänger. Kubicki sagt über sich, dass er bei einigen Politikern Gewaltfantasien hat (zum Beispiel, wenn er mit Anton Hofreiter in einem Raum ist – er sagt aber auch, dass ihm es nicht passieren wird, diese Fantasien auszuleben) (Kubicki 2019). Dr. Helmut Schmidt bezeichnete die Delegierten auf dem Bundeskongress der Jungsozialisten als hysterische Wohlstandssprösslinge und zeigte damit unmissverständlich, was er von ihnen hielt (diesen Punkt könnte man gleichermaßen auch der „klaren Kante“ zuordnen). Gertrud Steinbrück bezeugt öffentlich, dass sie ihren Mann bezüglich der Entscheidung, Kanzlerkandidat zu werden, kurzzeitig für verrückt erklärt hat. Die Liste ließe sich lange fortführen. Ein unrühmliches Gegenbeispiel, wie man sich als Unternehmen nicht demaskiert, bescheinigen uns namhafte Autokonzerne im Rahmen des bereits erwähnten Abgasskandals. Transparenz predigen und Verschleierung forcieren trifft es auf den Punkt, was dort derzeit geschieht. Das Ergebnis ist ein beispielloser Vertrauensverlust innerhalb der eigenen Kundschaft, was durch sage und schreibe nahezu 400.000 Klagen von Kunden gegen VW attestiert wird (vgl. Menzel und Votsmeier 2019). Diese Beispiele zeigen: Menschen und Institutionen, die von vornhe rein beide Seiten der Medaille zeigen, stärken damit ihre Ausstrahlung und bauen beim Gegenüber ehrliches Vertrauen auf. Wer sich hingegen nur auf die eine Seite der Medaille fokussiert, wird langfristig gesehen Schaden nehmen.
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Glaubwürdigkeit In Zeiten, in denen wir alle von Werbebotschaften nur so überflutet werden, versuchen wir möglichst schnell, die Information herauszufiltern, die uns weiterbringen und auf deren Herkunft und Wahrhaftigkeit wir vertrauen können. Der New-York-Times-Bestsellerautor Tim Ferris hat dazu treffend den Begriff der „Superglaubwürdigkeit“ ins Spiel gebracht. Ich möchte Ihnen dazu die Geschichte von Peter Diamandis erzählen. Er wird von der Zeitschrift Fortune unter den „World’s 50 Greatest Leaders“ aufgeführt und ist Gründer und Executive Chairman der X-Prize Foundation. Diese Stiftung ist dafür bekannt geworden, einen mit zehn Mio. US-Dollar dotierten Preis für private Raumfahrt ausgelobt zu haben. Peter Diamandis hatte ein zunächst abstrus wirkendes Ziel: Er wollte Teams zum Bau privater Raumfahrzeuge motivieren und so auch sich selbst ins All befördern. Er begann, darüber nachzudenken, wie er die Teams motivieren könnte. Dazu überlegte er sich, dass ein Preisgeld in Höhe von zehn Mio. US-Dollar ausreichen sollte und beschloss, den Preis „X-Prize“ zu nennen. Nun hatte er noch ein klitzekleines Hindernis zu überwinden, bevor er diesen Preis ausloben konnte: Er hatte die zehn Mio. US-Dollar nicht. Also begab er sich auf die Suche nach Investoren, und nach viel Aufwand und Überzeugungsarbeit (er nannte es „auf Knien rutschen“) hatte er 500.000 US-Dollar zusammen. Nun fällt nicht nur dem profunden Sympathisanten der Algebra auf, dass zwischen 10.000.000 US-Dollar und 500.000 US-Dollar noch eine nicht zu vernachlässigende Differenz besteht. Fortan geriet die Kampagne ins Stocken und er war recht offensichtlich von seinem Ziel sehr weit entfernt. Er drohte zu scheitern. Der von enormem Optimismus angetriebene Visionär ließ sich allerdings nicht von seinem Vorhaben abbringen. Er setzte alles auf eine Karte. Diese Karte war eine Präsentation, die unter dem „Arch von St. Louis“ stattfinden sollte. Er wusste, dass er bei dieser Präsentation überzeugen musste. Also saß mit ihm auf dem Podium nicht nur ein Astronaut, sondern gleich 20. Zudem hatte er den Chef der NASA und weitere namhafte Verantwortungsträger auf das Podium geholt, als er den zehn Mio. US-Dollar-Preis ankündigte. Er hatte weder das Geld für den Preis beisammen, noch hatte sich überhaupt ein einziges Team für den Wettbewerb um den Preis angemeldet. Dennoch machte diese Präsentation
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weltweit Schlagzeilen. Heute ist der X-Prize weltweit führend in der Entwicklung und Durchführung groß angelegter globaler Wettbewerbe für namhafte Projekte. Was ich damit sagen möchte? Das Konzept der Superglaubwürdigkeit lebte in diesem Beispiel von der entscheidenden Präsentation, bei der Peter Diamandis eben nicht nur einen Astronauten als Know-how-Träger auf die Bühne geholt hat, sondern gleich 20 inklusive des Chefs der NASA. Somit mussten die Rezipienten dieser Präsentation innerlich sofort klar erkennen: Das, was er vorhat, hat Hand und Fuß und ist belastbar, sonst hätte er nicht diese Fürsprecher für das Projekt und für diese Idee gewonnen (Ferriss 2017). Das Medaillen-Prinzip soll diese Superglaubwürdigkeit bedienen und dafür sorgen, dass ein massives Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern (auch potenziell zukünftigen), Ihren Kunden, Lieferanten, ja im Grunde allen Stakeholdern Ihres Unternehmens aufgebaut wird. Das bedeutet, dass es Ihre Aufgabe ist zu definieren, was die „Superglaubwürdigkeit“ Ihres Unternehmens bzw. Ihrer Person untermauert. Wo sind Ihre 20 Astronauten inklusive NASA Chef, was ist es, was Ihr Gegenüber innerlich dazu bewegen muss zu sagen: Ja, dann muss es stimmen! Auf meine Person bezogen sind die Faktoren der Superglaubwürdigkeit: • • • •
Meine Bücher Mein MBA-Abschluss an einer renommierten englischen Universität Meine Auszeichnungen und Awards, die ich erlangt habe Die Aussagen meiner Kunden (Geschäftsführer von TecDax-Unter nehmen, Führungskräfte von Weltmarktführern, namhafte Verbands chefs und Kongressveranstalter etc.) • Meine auf meiner Website dargestellte Story (mit Höhen und Tiefen, getreu dem Medaillen-Prinzip) • Mein Blog, in dem ich Klartext schreibe Erhöhen Sie Ihre Glaubwürdigkeit, indem Sie beide Seiten der Medaille zeigen. Das gilt für Ihre gesamte Kommunikation: das persönliche Gespräch mit Mitarbeitern, Kunden und sämtlichen Stakeholdern, Online- und Offlinekommunikation.
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Klarheit
All den beschriebenen Persönlichkeiten sind diese Aspekte in verschieden starker Ausprägung gemein. Mit Abb. 2.1 möchte ich verdeutlichen, dass Klartext zu sprechen einhergeht mit der Notwendigkeit einher, eine Haltung zu verkörpern und diese auch gegen Widerstände zu verteidigen. Wer klar kommuniziert und damit seine Meinung kundtut, wird niemals jedem gerecht werden. Daher schließen sich eine klare Kommunikation und der Anspruch „Everybody’s Darling“ zu sein, in der Regel aus. Ausschließlich zu postulieren, Sie sollten doch bitte nur die Wahrheit klar und deutlich sagen, wäre zu kurz gesprungen. Mit dem TRUE-Prinzip möchte ich dieses Problem lösen und Ihnen eine Methode a nbieten, mit der Sie adressatengerecht kommunizieren. Was nützt es uns, wenn wir mit der Wahrheit so umgehen, als ob wir das Kind mit dem Bade ausschütten, sprich: wenn wir unser Gegenüber schlicht und ergreifend
Klartexter
Randgruppen-Populist
Nicht möglich
Schwadronierkönig
Omnikompatibilität
Abb. 2.1 Der Klartext Quadrant
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mit der Wahrheit überfordern? Dies zu vermeiden und gleichzeitig die Strahlkraft der eigenen Worte mittels entwaffnender Ehrlichkeit zu forcieren – das ist mein Ziel mit dem TRUE-Prinzip.
Literatur ARD (2015) „Ein Kraftwerk mit den Sicherungen eines Kuhstalls“. https:// www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZG V v L 2 F j Z D B h Z j U 2 LW F k N 2 Q t N D Z h M y 1 i M T d i LW F l M j E x NGM0ODI1Nw/. Zugegriffen am 26.11.2019 Bartel E (2017) Einfach besser sprechen. Schott, Mainz Birkenbihl VF (1997) Rhetorik. Urania, Berlin Die Zeit (2018) Wolfgang Kubicki: „Ich höre das Gras wachsen“. https://www. zeit.de/2018/51/wolfgang-kubicki-parteivorsitzender-fdp-vizepraesident-parlament-steuerhinterziehung-gewalt-interview. Zugegriffen am 16.11.2019 Ferriss T (2017) Tools der Titanen. Finanzbuch, München Gottschalk T (2015) Herbstblond. Heyne, München Kober S (2019) Feuer und Flamme für den Vertrieb. Springer Fachmedien, Wiesbaden Kubicki W (2019) Sagen, was Sache ist. Ullstein, München Märtin D (2019) Habitus. Campus, Frankfurt am Main Menzel S, Votsmeier V (2019) Fast 400.000 Dieselkunden klagen gegen VW – Streit um Verjährungsfrist. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/musterfeststellungsklage-fast-400-000-dieselkunden-klagen-gegen-vw-streit-um-verjaehrungsfrist/23824070.html?ticket= ST-10970691-9RDiTDHS9wJibdCO9bXq-ap5. Zugegriffen am 16.11.2019 Noack H (2010) Helmut Schmidt. Die Biographie. Rowohlt, Berlin Statista (2019) Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen in Deutschland von 1949 bis 2017. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2274/umfrage/ entwicklung-der-wahlbeteiligung-bei-bundestagswahlen-seit-1949/. Zugegriffen am 16.11.2019 SWR Sport (2019) Jürgen Klopp Interview über CL, England und seine Träume. https://www.youtube.com/watch?v=H24b8ypFAtA. Zugegriffen am 16.11.2019
3 Das TRUE-Prinzip: Target, Respect, Unconventional, Emotion
Auf den Punkt gebracht Das TRUE-Prinzip ist das Kernelement entwaffnend ehrlicher Kommunikation. Die unterschiedliche Wahrheitsverträglichkeit der Menschen berücksichtigend erfahren Sie, welche wichtigen Fragen Sie sich selbst stellen sollten, bevor Sie kommunizieren. Sie lernen, wie Sie Ihre Gesprächspartner gewandt aus der üblicherweise vernebelten Kommunikationswelt locken. Musterbrechend sorgen Sie für höchste Aufmerksamkeit und erreichen dadurch, dass das, was Sie sagen und wie Sie es sagen, merk-würdig ist.
Die bereits erwähnten Ursachen, warum es uns so schwerfällt, die Wahrheit zu sagen, sorgen dafür, dass wir in vielen Situationen sprichwörtlich wie der Teufel ums Weihwasser um die Wahrheit herumtänzeln. Nun ist es schließlich nicht unser Ziel, unsere Gesprächspartner mit mehr Ehrlichkeit zu schockieren. Wir möchten sie mitnehmen auf diesen neuen Weg. Aus diesem Grund habe ich das TRUE-Prinzip so konzipiert, dass Ihr Gegenüber im ersten Schritt dezent an die ungewohnt offene Kommunikation herangeführt wird.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kober, Klartext im Vertrieb, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28547-0_3
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Distresslevel
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Stresslevel: Kommunikation der vollen Wahrheit ohne TRUE-Prinzip
Stresslevel: Kommunikation wie üblich
Zeitpunkt der Kommunikation
Stresslevel: Kommunikation „adressatengerechter, verträglicher“ Wahrheit nach dem TRUE-Prinzip Zeit
Abb. 3.1 Stresskurve
Wie bereits in Kap. 1 erwähnt, erhöht eine nicht an den Adressaten angepasste Wahrheitsintensität das beiderseitige Stresslevel. In Abb. 3.1 sind die Implikationen der Kommunikation mit und ohne TRUE- Prinzip dargestellt. Zur Erläuterung: Mit dem „Distresslevel“ ist negativer Stress gemeint, im Gegensatz zum Eustress, der positive Energie fördert. Bevor ich mit der Erläuterung des TRUE-Prinzips starte, möchte ich Sie beim Lesen der nächsten Seiten und Kapitel um eine gewisse Haltung bitten. Diese Haltung lautet: Sprengen Sie die üblichen Denkrestriktionen, wie Gespräche abzulaufen haben, und lassen Sie neue Gedanken zu! Seien Sie sich darüber im Klaren, dass man anfänglich durchaus Mut benötigt, um die üblichen ausgetretenen Gesprächspfade zu verlassen. Die Redewendung: „Die schönsten Orte erreicht man nicht über die ausgetretenen Pfade“ gilt ebenso für Gespräche. Geistreiche Konversationen erzielen Sie nicht über eine ideenarme Gesprächsführung. Im Folgenden erkläre ich das TRUE-Prinzip anhand konkreter Beispiele aus der Sicht eines Verkäufers in einem Unternehmen im B2B-
3 Das TRUE-Prinzip: Target, Respect …
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Segment bei einem Kundengespräch. Wir starten mit dem ersten Buchstaben des Akronyms TRUE.
3.1 Target: Klarheit über Ihre Ziele Stellen Sie sich vor dem Gespräch folgende Fragen: 1. Was möchten Sie erreichen, welches Ziel (Target) haben Sie vor Augen? 2. Warum möchten Sie dieses Ziel erreichen? 3. Mit welchem „Typ“ sprechen Sie und wie viel Offenheit ist angebracht? 4. Wie wird der Gesprächspartner vermutlich reagieren und steht die vermutete Reaktion im Verhältnis zu Ihren Zielen und Motiven (Antwort auf Fragen 1 + 2)? Frage 1: Was möchten Sie erreichen, welches Ziel (Target) haben Sie vor Augen? Sie kennen das Prozedere aus Verhandlungstrainings: Legen Sie sich selbst vor dem Gespräch ein Ziel fest. Nun kann man vortrefflich darüber streiten, ob es ein Maximalziel und ein Minimalziel geben muss. Ich setze mir für das Kundengespräch ein Ziel – und das reicht mir, um mich auf das Gespräch gut vorzubereiten. Für ein Kundengespräch kann das zum Beispiel sein, dass ich mindestens die mündliche Zusage für eine Zusammenarbeit erhalte oder den nächsten Termin mit weiteren Entscheidern vereinbare. Für das Gespräch mit einem Mitarbeiter kann ein Ziel sein, dass wir einen klaren Maßnahmenplan vereinbaren, den beide gesehen, verstanden und akzeptiert haben. Wichtiger Hinweis: Beim letztgenannten Punkt hilft nur die Schriftform. Nicht etwa aufgrund von zu großem Misstrauen, sondern deshalb, weil geschriebene Vereinbarungen viel mehr Klarheit bringen als mündliche. Sicherlich dauert es etwas länger, alles niederzuschreiben, die Zeit ist allerdings in der Umsetzung gut investiert, da viel weniger Missverständnisse entstehen.
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Aufgabe
Nutzen
Wert/Wunsch/Ziel
Abb. 3.2 Die Vertriebskraftkette. (Aus Kober 2019; mit freundlicher Genehmigung von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2019. All Rights Reserved)
Frage 2: Warum möchten Sie dieses Ziel erreichen? Überlegen Sie sich, was Ihre eigene Motivation ist, dieses Ziel zu erreichen. Welchen Nutzen bringt es Ihnen oder Ihrer Firma konkret, welchem Wunsch oder Ziel kommen Sie damit näher? Nehmen Sie dazu auch die Vertriebskraftkette aus Abb. 3.2 zu Hilfe. Stellen Sie sich vor, Sie hätten Ihr Gesprächsziel erreicht. Was ist anders? Wie fühlt es sich für Sie an? Welchem größeren Ziel kommen Sie damit näher? Die Vertriebskraftkette stellt diese Korrelation her. Der Effekt liegt auf der Hand: Sie gehen mit einer gestärkten Haltung in das Gespräch – nicht arrogant, aber souverän und selbstbewusst, wissend, inwiefern das nächste Gespräch ein weiteres Puzzleteilchen in Ihrem Plan ist, große Ziele zu erreichen. „Die Welt tritt zur Seite, um jemanden vorbeizulassen, der weiß, wohin er geht.“ (Spenst 2019) Sie werden erleben, dass Sie für sich selbst mehr Klarheit schaffen und wieder ein Stück souveräner auftreten, wenn Sie die Form der schriftlichen Formulierung wählen. Das Schreiben hat in dem Kontext eine hohe Bedeutung – denn Ihre Gedanken werden dann klarer formuliert. Wer eine klare Antwort auf das „Warum“ hat, also welchen tieferen Sinn die Aufgabe hat, der entwickelt in aller Regel mehr Ausdauer und Energie bei der Umsetzung (Sinek 2014). Frage 3: Mit welchem „Typ“ sprechen Sie und wie viel Offenheit ist angebracht? Gleichgültig, ob Sie nun in einem Vortrag an viele Menschen kommunizieren oder das direkte Gespräch mit einer Person führen: Es hat sich als sinnvoll erwiesen, sich zunächst Gedanken über Ihr „Publikum“ zu machen. Sie sollten sich darüber im Klaren sein, inwiefern die Empfänger Ihrer Botschaft in der Lage sind, Informationen adäquat zu bewerten
3 Das TRUE-Prinzip: Target, Respect …
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und in den von Ihnen beabsichtigten Kontext zu setzen. Sie haben dazu zwei Optionen: 1. Sie entscheiden sich für die clevere Variante, dazu biete ich Ihnen gleich einen Weg an. 2. Oder Sie wählen den Weg von Thomas de Maizière, als er während einer Pressekonferenz im Jahr 2016 versuchte, die Bevölkerung nicht zu beunruhigen – und mit der Aussage „Ein Teil meiner Antworten könnte die Bevölkerung beunruhigen“ genau das Gegenteil erreichte (Welt 2016). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Thomas de Maizière sich seinerzeit aufgrund von Terrorgefahren in einer durchaus prekären Lage befand. Allerdings erwarte ich von einem Bundesinnenminister, dass er in solchen Situationen professionell kommuniziert. Welche Alternativen möglich gewesen wären, beschreibe ich im weiteren Verlauf. Entscheiden Sie sich für die clevere Variante, sollten Sie sich bezüglich Ihres Publikums im Klaren sein, welchen Teil davon Sie wirklich überzeugen möchten. Suchen Sie sich also einen Repräsentanten vor Ihrem geistigen Auge aus: Wer repräsentiert die Personengruppe, die Sie mit entwaffnender Ehrlichkeit überzeugen möchten? Im Eins-zu-eins- Gespräch oder in kleinen Gruppen ist das noch deutlich einfacher, denn dort haben Sie häufig konkrete Personen vor dem geistigen (oder sogar echten) Auge. Alsdann prüfen Sie, welcher Kategorie im Wahrheitsverträglichkeits-Indikator (WAVI) (siehe Abb. 3.3) Sie diese Person zuordnen würden. Je nach Intensität der Wahrheitsverträglichkeit legen Sie fest, ob Sie die volle Wahrheit kommunizieren oder nicht. Um dieses Modell auch in meiner eigenen Praxis anwendbar zu gestalten, habe ich Faktoren gewählt, die ich bei meinem Kommunikationspartner schnell adäquat einschätzen kann. Die Fähigkeit und die Bereitschaft zur differenzierten Betrachtung und Bewertung von Informationen können Sie schlechterdings nicht mit einem einfachen Fragenkatalog herausfinden. Vielmehr sollten Sie auf Ihre Intuition vertrauen und sich selbst folgende Fragen stellen: • Erscheint die Person integer? • Spricht sie nicht abträglich über andere Personen?
Wahrheitsintensität
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Inadäquate Reaktion auf die Information (seitens des Rezipienten)
Unglaubwürdigkeit des Senders, da Empfänger geringen Wahrheitsgehalt durchschaut
Fähigkeit und Bereitschaft zur differenzierten Betrachtung und Bewertung von Informationen
Abb. 3.3 Wahrheitsverträglichkeits-Indikator (WAVI)
• Reagiert die Person nicht übertrieben impulsiv oder unüberlegt, sondern reflektiert neue Informationen zunächst, bevor sie reagiert? Diese Fragen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollten Ihnen eine Idee vermitteln, mit welchen Fragen an Sie selbst Sie mehr Klarheit erhalten, inwiefern Ihr Gegenüber in der Lage und willens ist, Informationen differenziert zu betrachten und zu bewerten. Auch wenn nun die ersten Bedenken auftauchen könnten, dass es nicht redlich wäre, Menschen in Kategorien zu verorten: Mein Ziel mit diesem Modell ist es, die Wahrheitsintensität an die Wahrheitsverträg-
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lichkeit der Person anzupassen. Wenn damit beide Seiten eine bessere Kommunikation wahrnehmen, ist dies aus meiner Sicht ein probates Mittel. Zudem möchte ich unterstreichen: Weder Kategorie 1 noch Kategorie 2 sagt etwas darüber aus, wie sympathisch oder unsympathisch, wie freundlich oder feindselig, wie altruistisch oder egoistisch ein Mensch ist. Der einzige, aber nicht minder wichtige Punkt ist auf der x-Achse des Diagramms beschrieben: Die Fähigkeit und die Bereitschaft, Informationen differenziert betrachten und zu bewerten. Ich betone, dass die Kombination aus Fähigkeit und Bereitschaft enorm wichtig ist, denn es gibt durchaus intelligente Menschen, die eher in der Kategorie 1 zu verorten sind, weil sie zwar fähig wären, Informationen differenziert zu betrachten und zu bewerten, ihnen jedoch die Bereitschaft dazu fehlt. Das Phänomen, dass auch in Führungspositionen ein nicht zu unterschätzender Anteil an Menschen arbeitet, die Informationen zwar differenziert betrachten und bewerten könnten, ihnen aber beispielsweise aufgrund eines ausgeprägten Narzissmus der Wille dazu fehlt, hat bereits Dr. Paul Babiak in seinem Buch „Snake in Suits“ beschrieben (Babiak und Hare 2007). Erhalten Sie bezüglich des Zielpublikums respektive der Gesprächspartner auf die zuvor genannten Fragen vermehrt ein „Nein“, so findet sich diese Person im linken Bereich des WAVI wieder (s. Abb. 3.3, Kategorie 1). Dementsprechend ist die Wahrheitsintensität nach unten anzupassen – Sie gehen weniger offen mit der Wahrheit um. Für Kategorie 2 gilt der Umkehrschluss – hier können Sie tendenziell wagemutiger und wahrheitsgemäßer kommunizieren. Die Fähigkeit zur Reflexion ist essenziell, um neue Informationen möglichst objektiv zu bewerten. Die relevante Frage dazu ist: Wie sehr ist die Person Ihrer Auffassung nach imstande, sich selbst durch Reflexion persönlich weiterzuentwickeln? Reflexion ist in meinen Augen die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu überdenken und sich selbst die Frage zu beantworten: „Würde ich in dieser Situation genauso wieder handeln? Wenn jemand von mir ein Video aufgenommen hätte, würde ich es mir gerne anschauen – und wenn nein, was sollte ich zukünftig ändern, was lerne ich daraus?“ Diese Fähigkeit ist essenziell, um Tatsachen in einen möglichst objektiven Kontext zu setzen und korrekt zu bewerten. Zu Zeiten des Kalten Krieges konnte man viel aus der Bewertung von Situationen und objektiven Wahrheiten von John F. Kennedy und Teilen
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seines Beraterstabs lernen. Auf dem Höhepunkt der Kuba-Krise mit den schwierigen Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion war es das Gebot der Stunde, objektive Tatsachen (die militärische Aufrüstung der Russen auf Kuba) zu bewerten und eine möglichst weitsichtige Handlung daraus abzuleiten. Die Welt stand einer atomaren militärischen Auseinandersetzung niemals näher als im Oktober 1962. Kennedys Berater Stevenson appellierte an den damaligen Präsidenten, die lange Sicht nicht aus den Augen zu verlieren, denn er war der Meinung: „[…] das Urteil der Geschichte stimmt selten mit der Stimmung des Augenblicks überein“ (Dallek 2013, S. 494). Eine intelligente, reflektierte, besonnene und differenzierte Bewertung der vorliegenden Informationen seitens J.F. Kennedys (und mit großer Wahrscheinlichkeit auch die seines Bruders Robert) hat die Welt vermutlich vor der größten durch Atomwaffen verursachten Katastrophe der Menschheit bewahrt. Daher ist die Fähigkeit, Informationen in den richtigen Kontext zu setzen, die Voraussetzung, um adäquat mit der schonungslosen Wahrheit umgehen zu können. Je geringer diese beiden Eigenschaften bei einer Person ausgeprägt sind, desto weniger sollte diese Person mit der schonungslosen Wahrheit konfrontiert werden – und das ist es auch, was Thomas de Maizière mit seiner Aussage versuchte. Allerdings blieb es durch diese Formulierung beim Versuch. Ein kurzer Blick auf seine Zielgruppe hätte ihm gezeigt, dass sich unter den Zuhörern ein veritabler Anteil von Menschen wiederfindet, die eher der Kategorie 1 des WAVI angehören. Der korrekte Schluss daraus wäre gewesen, weder die offene Wahrheit zu sagen noch zu lügen. Die Polizei bedient sich in solchen Situationen einer ziemlich schlauen und banal einfachen Methode: „Um den Erfolg laufender Ermittlungen (in diesem Fall ‚Terrorabwehr‘) nicht zu gefährden, können und möchten wir dazu zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage machen.“ Natürlich hätte es dann Spekulationen gegeben, jedoch hätten diese das kleinere Übel bedeutet. Nun könnte man behaupten, in diesem Fall von Thomas de Maizière hätte die Bevölkerung ein Anrecht darauf gehabt zu erfahren, was genau im Hintergrund passierte. Hätte er in diesem Fall die volle Wahrheit gesagt, wäre vermutlich nicht nur Unruhe, sondern teilweise auch Panik
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ausgebrochen. Das hätte in der Situation niemandem geholfen – im Gegenteil. Diejenigen, die die schonungslose Wahrheit reflektiert in einen möglichst objektiv korrekten Kontext setzen können, sind Mitglieder der Kategorie 2. Sie können im Übrigen auch häufig mit Vertraulichkeit im wahrsten Sinne des Wortes umgehen. Kategorie 1 ist hingegen häufig nicht in der Lage, objektive Tatsachen folgerichtig zu bewerten. Vertraut man dieser Spezies Vertrauliches an, so können Sie fast sicher sein, dass eine Kommunikation über das firmeninterne „schwarze Brett“ einen ähnlichen Effekt gehabt hätte. Wenn Sie bereits lange in ein und derselben Firma arbeiten, dann kennen Sie solche Menschen. Sollten Sie diesen Personen etwas anvertrauen, am besten noch mit dem Zusatz „das ist vertraulich und sollten Sie wirklich ausschließlich für sich behalten“, dann wissen Sie, dass es keine schnellere Möglichkeit gibt, Informationen im Unternehmen zu verbreiten. Summa summarum ist die notwendige Unterscheidung mittels des WAVI, an welches Publikum Sie sich richten, der Grund, warum Sie sich vor der Kommunikation darüber Gedanken machen sollten, zu wem Sie sprechen, welche Kategorie relevant ist und wie viel Wahrheit sinnvoll erscheint. Bevor nun die ersten Unkenrufe laut werden, ob das denn sogenanntes „Schubladendenken“ sei, füge ich hinzu: Ja, das ist es. Und das ist auch völlig in Ordnung, wenn es zu einer besseren Kommunikation und Interaktion führt. Frage 4: Wie wird der Gesprächspartner vermutlich reagieren und steht die vermutete Reaktion im Verhältnis zu meinen Zielen und Motiven (Antwort auf Frage 1 + 2)? Manchmal hat es einfach keinen Sinn, die Wahrheit zu kommunizieren. Entweder, weil die Antwort auf die bereits erwähnte Frage 3 (Kategorie im Wahrheitsverträglichkeitsindikator) bereits mit der „Ziffer 1“ beantwortet wurde. Oder weil Ihr Gegenüber aufgrund der offenen Kommunikation sehr wahrscheinlich emotional überreagieren würde. Daher sollte die vermutete Reaktion immer im Verhältnis zu dem stehen, was Sie mit der Kommunikation erreichen möchten. Betrachten wir dazu ein Beispiel.
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Beispiel Verkäufer A weiß, dass bei der Lieferung der bestellten Waren von Kunde B eine Zeitverzögerung eintreten wird. Die ehrliche Ursache für die Verzögerung ist der Fehler eines internen Sachbearbeiters. Nun schätzt A den Kunden B im Rahmen des WAVI ganz deutlich mit einer „1“ ein. Der Kunde ist aufbrausend und sehr impulsiv. A ist sich sicher: Wenn er nun die Wahrheit auftischt, eskaliert die Situation und der Kunde wird überreagieren. In diesem Fall wäre es sehr wohl zu überlegen, ob es sinnvoll ist, die volle Wahrheit zu kommunizieren.
Ist diese Art der Kommunikation berechnend? Ja, das ist sie. Hätten die Kennedys seinerzeit im Rahmen der Kuba-Krise nicht berechnend kommuniziert, wäre der Konflikt vermutlich eskaliert und die Welt wäre eine andere, als wir sie heute kennen – es wäre sicherlich keine erstrebenswertere Version unseres Planeten. Ich kann nichts Schlimmes daran erkennen, kurz darüber nachzudenken, was man in welcher (Wahrheits-) Intensität an wen kommuniziert, um am Ende für beide Seiten das bestmögliche Resultat zu erreichen. Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels erläutern. Beispiel Verkäufer Karl Lansinger hat ein Gespräch bei einem Großkunden. Bei einem Neukunden kann er sich die Frage 3 erst beim direkten Kontakt beantworten, bei einem Bestandskunden geht das bekanntlich einfacher. • Frage 1: „Was möchte ich erreichen?“ Mögliche Antwort: „Ich möchte heute die mündliche Zusage für das Projekt erhalten. Der Kunde soll dabei ein gutes Gefühl haben, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.“ • Frage 2: „Warum möchte ich das erreichen?“ Mögliche Antwort: „Der Umsatz bringt mir Provision und stärkt meine interne Position innerhalb der Firma.“ • Frage 3: „Welcher WAVI-‚Typ‘ sitzt mir gegenüber?“ Mögliche Antwort: „Typ 2.“ • Frage 4: „Steht die vermutete Reaktion des Kunden bei offener Wahrheit im Verhältnis zu meinen Zielen?“ Mögliche Antwort: „Ja. Vermutlich wird der Kunde die Offenheit honorieren.“
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Die Antworten zu den Fragen 1 und 2 nutzen wir in der Kommunikation mit dem Gesprächspartner respektive mit dem Publikum im weiteren Verlauf. Die Antwort auf die Frage 3 (mittels des WAVI) benötigen wir zur Einschätzung, welcher Grad der Offenheit angebracht ist. Die Antwort auf Frage 4 verleiht uns mehr Souveränität, da wir die vermutete Reaktion vor dem geistigen Auge kurz einmal durchspielen – das trainiert wieder unsere Fähigkeiten der Gesprächsführung. Da wir mit „entwaffnender“ Ehrlichkeit und schonungslos offener Kommunikation oft neues Terrain für unsere Gesprächspartner beschreiten, ist es ratsam, unser Gegenüber genau da abzuholen, wo es steht. Wir gehen also respektvoll mit ihm um.
3.2 R espect: Holen Sie Ihren Gesprächspartner dort ab, wo er steht „Entwaffnende“ Ehrlichkeit überfordert den ein oder anderen Mitmenschen, insbesondere diejenigen, die sich lange an die „Droge Lüge“ gewöhnt haben. Legen Sie Ihr Augenmerk darauf und holen Sie Ihre Kommunikationspartner ab. Bereiten Sie sie darauf vor, dass Sie im ganzen Gesprächsverlauf offen und ehrlich sein werden, ohne etwas zu beschönigen oder zu vertuschen. Das mag selbstverständlich klingen, aber insgeheim wissen wir alle, dass häufig „maskiert“ kommuniziert wird. Sie haben die Wahl: Schlagen Sie Ihrem Gegenüber die Wahrheit, also Ihre wahrgenommene Version der Realität, um die Ohren wie ein nasses Handtuch oder entscheiden Sie sich für den galanteren Weg und legen diese Worte Ihrem Gesprächspartner wie einen warmen Mantel um? Die Fabel „Die Sonne und der Wind“ bietet hierfür einen passenden Vergleich: Sinngemäß ist der Inhalt dieser Fabel ein Wettstreit zwischen der Sonne und dem Wind. Beide möchten herausfinden, wer der Stärkere ist. Sie vereinbaren, ihre Stärke daran zu messen, wer einem Wanderer schneller den Mantel abnehmen kann. Fortan bläst der Wind. Er wird zum Sturm, was den Wanderer aber nur veranlasst, seinen Mantel noch stärker festzuhalten. Als dann die Sonne an der Reihe ist, scheint sie so stark, dass dem Wanderer sehr warm wird und er den Mantel ablegt. Die
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Quintessenz: Wer seinen Gesprächspartner respektvoll mit dem TRUE- Prinzip in die ehrliche Kommunikation involviert, wird viel mehr erreichen als derjenige, der ungestüm seine Meinung postuliert. Wenn Sie nun einen anderen als den ausgetretenen Kommunikationspfad im Verkauf beschreiten möchten, an dessen Ende sich meist ein gelangweilter Kunde befindet, dann lassen Sie die folgenden Beispiele auf sich wirken. Beispiel Wir bleiben zur Verdeutlichung des Grundmodells bei dem Beispiel des Verkäufers im B2B-Segment. Nach der Frage, worauf sich Ihr Gesprächspartner in den nächsten Tagen am meisten freut (soweit sie, wie in Kap. 1 erwähnt, angemessen erscheint), steigen Sie folgendermaßen in das Gespräch ein: „Werter Kunde, ich sehe nun zwei Möglichkeiten für den weiteren Verlauf des Gesprächs: Entweder wir merken zeitnah, dass das Geschäft für beide Seiten sehr interessant werden kann oder wir stellen fest, dass ich gleich meinen Kaffee austrinken und gehen sollte, da wir beide festgestellt haben, dass wir kein Geschäft machen können. Um das schnell herauszufinden: Es mag Ihnen nun sehr direkt erscheinen, aber wäre es in Ordnung für Sie, wenn wir das übliche Geplänkel auf ein Minimum reduzieren und sofort ehrlich zur Sache kommen? [… Sie werden in nahezu allen Fällen ein dankbares ‚Ja‘ erhalten]. Prima.“ Eine etwas schlichtere Version finden Sie hier: „Das mag sich nun etwas ungewöhnlich anhören, aber ich möchte Ihnen sofort ganz offen sagen, was meine Ziele für dieses Gespräch sind, ok?“
Solche Einstiege wirken nur, wenn sie Ihrem Duktus entsprechen. Definieren Sie also für sich selbst, welche Formulierungen sich für Sie am besten anfühlen. Sie wählen damit einen wertschätzenden Einstieg, denn Sie respektieren, dass Ihr Gegenüber mit einem anderen Gesprächseinstieg rechnet und entführen ihn damit dezent aus den üblichen Gesprächsmustern. In dem bereits genannten Beispiel weiß der Gesprächspartner sofort, dass das Gespräch anders, ungewohnt, gar spannend und interessant werden kann. Sie werden in vielen Fällen erleben, dass der Gesprächspartner
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gleich zu Beginn dankbar oder erleichtert reagiert, wenn Sie auf das übliche anfängliche Schwadronieren verzichten. Das Motto „Es wurde schon längst alles gesagt – dummerweise noch nicht von jedem“ lähmt, verschwendet Zeit, ist uninteressant und nichtsdestotrotz offensichtlich in Ermangelung von Alternativen weit verbreitet. Meiner Erfahrung nach ist der eben beschriebene Einstieg derjenige, der am schnellsten gleich zu Beginn des Gespräches ehrliches Vertrauen bildet und zugleich hohes Interesse weckt. Der unumstößliche Vorteil der zunächst etwas aufwendigeren TRUE- Vorgehensweise ist, dass der Misstrauensvorschuss mindestens reduziert, so manches Mal sogar schon eliminiert wird. Verlassen Sie also die ausgetretenen Pfade und folgen Sie mir zum nächsten Schritt, um das Vertrauen weiter ehrlich aufzubauen.
3.3 U nconventional: Verlassen Sie den Pfad des Geplänkels Kommen wir nun zum eigentlichen Unkonventionellen, also zu der Abweichung von der Norm, nämlich offen und unverfälscht unsere wahrgenommene Realität auszudrücken. Jetzt geht es um des Pudels Kern. Die Aufgabe ist nun, in der direkten Kommunikation mit dem Gegenüber die Wahrheit so auf den Punkt zu bringen, dass Sie Ihr Gesprächsziel erreichen und gleichzeitig die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Gesprächspartner schlussendlich auf ein höheres, intensiveres Level gehoben wird. Dazu könnten Sie folgendermaßen fortfahren: Sie erwähnen beispielsweise … • Ihre Ziele, die Sie mit diesem Gespräch verfolgen, • dass Ihre Art des Gesprächseinstiegs sich anfangs etwas ungewohnt anfühlen wird, es sich aber schlussendlich für beide lohnt. Fortan fragen Sie, ob Ihr Gesprächspartner interessiert ist, sich Ihren Fahrplan für dieses Gespräch anzusehen.
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Beispiel Verkäufer: „Herr Kunde, ganz offen und ehrlich auf den Punkt gebracht: Meine Ziele für das Gespräch sind [hier erwähnen Sie nun die unter T(arget) Frage 1 und 2 für sich notierten Antworten, siehe Abschn. 3.1]. Ich möchte gleich ganz direkt fragen: Erzählen Sie mir, welches Ihre Ziele sind?“ Der Kunde wird möglicherweise über die klaren Worte und die sehr direkte Frage etwas verdutzt sein – das ist jedoch sehr hilfreich, um Muster zu brechen und sofort einen Teil des Misstrauensvorschusses, der dem Verkäufer vorauseilt, zu eliminieren. Danach legt der Verkäufer seinen Gesprächsplan offen. Verkäufer weiter: [Nachdem er sich die Antwort des Kunden auf die erste Frage notiert hat] „Ist es für Sie in Ordnung, wenn ich Ihnen nun kurz zeige, wie ich uns beide durch dieses Gespräch führen möchte?“ Daraufhin skizzieren Sie Ihrem Gesprächspartner Ihren geplanten Gesprächsablauf. Beispielsweise nehme ich eine DIN-A4-Version der Skizze in Abb. 3.4 und erläutere dem Kunden dann, durch welche Phasen ich ihn in den nächsten Minuten führen möchte. Ich erläutere kurz jeden einzelnen Punkt, damit der Kunde genau, offen und ehrlich weiß, welche Gesprächsmeilensteine ich für mich zurechtgelegt habe. Das Bild ist von unten nach oben zu lesen, beginnen Sie also bitte unten beim „V“. Nachdem Sie Ihren Gesprächsleitfaden skizziert haben – das dauert nicht länger als einige Minuten –, gehen Sie die einzelnen Punkte gemeinsam mit dem Kunden strukturiert durch. In Abschn. 4.2 erläutere ich die Bedeutung der jeweiligen Bildelemente ausführlich.
Ein konkretes Beispiel für das Gespräch eines Verkäufers im B2B- Segment sieht folgendermaßen aus: Wenn Sie für sich einen anderen Gesprächsleitfaden entwickelt haben, so lassen Sie diesen einfach durch einen Illustrator zeichnen oder suchen sich passende Fotos von etwaigen Fotodatenbanken wie Adobe Stock, Pixabay oder ähnlichen Anbietern. Wichtig ist, dass dem Gesprächspartner – in diesem Fall dem Kunden – durch die Visualisierung klar wird, wie Sie vorgehen. Dieses Foto sollte dann auch während des Gesprächs im Blickfeld des Gesprächspartners bleiben. Zwischendurch können Sie darauf verweisen, in welcher Phase Sie sich gerade befinden. Nehmen wir an, Sie hätten Ihrem Kunden den Fahrplan offengelegt und würden ihm nun, nachdem Sie die relevanten Fragen gestellt haben, Ihr Produkt oder Ihre Lösung anpreisen. Natürlich ist gegen eine ehrliche
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Zum Schluss erwähne ich, dass ich versuchen werde, ihn in seiner Entscheidung zu bestätigen, falls er sich für mich entschieden hat und auch ich der ehrlichen Auffassung bin, dass es für ihn die richtige Entscheidung ist. Die Zielscheibe steht für meinen Versuch, mit dem Kunden einen Abschluss zu erzielen, was ich natürlich auch sage. Die Wand ist metaphorisch für die Einwandbehandlung zu sehen. Ich sage dem Kunden, dass ich mit einem Preiseinwand bereits rechne und mich darauf vorbereitet habe. Das Kochbuch steht für das Rezept, die Lösung, die ich dem Kunden präsentieren möchte, wenn ich eine passende Lösung anbieten kann. Der Schlüssel steht für die entscheidenden „Schlüssel“-Fragen, um zu verstehen, was den Kunden wirklich umtreibt. Der Fleischerhaken und der Wecker stehen dafür, wie ich das Interesse gleich zu Beginn des Gespräches wecke und Spannung erzeugen möchte. Der Handschuh ist das Synonym für einen gelungenen Gesprächseinstieg – ich erwähne also, was ich tue, um auch die Stimmung des Kunden zu heben. Der Kopf steht für die richtige Einstimmung auf den Termin, ich erläutere also, was ich kurz vor dem Termin gemacht habe, damit Stimmung und Ausstrahlung stimmen. Das „V“ steht für meine Vorbereitung, ich erwähne kurz, wie ich mich auf das Gespräch vorbereitet habe.
Abb. 3.4 Das Marktführer-Vertriebsprinzip
und zugleich überzeugende Darstellung Ihrer Vorteile nicht das Geringste einzuwenden, im Gegenteil. Wenn Sie Ihr Angebot hirn- und adressatengerecht vermitteln, wird der Kunde Ihnen dankbar sein, dass Sie eben nicht den üblichen Weg gewählt haben: das Schlaflied der wenig überzeugenden „unique selling propositions“ zu singen, das zur völligen Ermüdung des Kunden führt. Aber wie immer im Leben gibt es ein Für und ein Wider – egal, wie gut Ihre Lösung ist und wie spannend Sie den echten Mehrwert für Ihren Kunden präsentiert haben. An dieser Stelle kommen wir zum nächsten unkonventionellen Vorgehen, das darin besteht, dass Sie Ihrem Kunden in aller Offenheit aufzeigen, welche Nachteile sich für ihn ergeben, wenn er mit Ihnen zusammenarbeiten würde. An dieser Stelle kommt nun das Medaillen-Prinzip zum Zug (s. Abschn. 2.2).
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Ich wende in diesem Kontext die Methode „Pro-Contra-Abschluss“ an. Damit laden Sie den Kunden ein, gemeinsam zu überlegen, welche Punkte nun gegen eine Zusammenarbeit sprechen. Sie gehen dazu an ein Flipchart, skizzieren ein simples T-Konto, schreiben über die linke Seite ein Plus-Zeichen. Hier listen Sie nun – gemeinsam mit dem Kunden – Argumente auf, die für eine Zusammenarbeit sprechen. Über der rechten Seite platzieren Sie ein Minus-Zeichen. In dieser Spalte listen Sie nun alle Argumente auf, die gegen eine Zusammenarbeit sprechen. Wenn Sie noch einen Schritt weitergehen möchten, dann quantifizieren Sie auf der einen Seite den Mehrwert über einen Zeitraum X, wenn der Kunde mit Ihnen zusammenarbeitet. Das bedeutet, dass Sie die Kostenreduktion, die Umsatzsteigerung oder die Zeitersparnis, die durch Ihre Lösung generiert wird, gemeinsam mit dem Kunden unter Zuhilfenahme seiner Kennzahlen errechnen. Auf der anderen Seite skizzieren Sie dann die Transaktionskosten, die dem Kunden entstehen, wenn er Ihre Lösung einsetzt – und zwar offen und ehrlich. Es kann sein, dass das Kundenunternehmen seine Mitarbeiter zusätzlich schulen (was natürlich in Arbeitszeitverlust mündet) oder seine Produktionsprozesse umstellen muss. Auch diese Kosten kann man unter Zuhilfenahme von gewissen Annahmen, die man gemeinsam mit dem Kunden definiert, berechnen. Meine Erfahrung mit dieser Vorgehensweise ist, dass die Transaktionskosten beispielsweise für den Bereich der Mitarbeiterweiterbildung häufig höher sind als Hotel- und Seminarkosten zusammen. Allerdings lässt sich auch sehr gut darstellen, wie schnell sich eine Weiterbildung amortisiert, wenn es die richtige ist. Der weitaus wichtigere Effekt ist allerdings, dass der Kunde nun sofort im Termin mit Ihnen seine Einwände offenlegt und bespricht, weil er weiß: Er kann Ihnen vertrauen, denn Sie haben von vornherein, ohne Aufforderung seinerseits, beide Seiten der Medaille gezeigt. Das führt auf beiden Seiten zu einem guten Gefühl. Dieses „Nutzenquantifizieren“ wird in Abschn. 4.2.6 noch genauer erläutert. Das reicht Ihnen noch nicht? Sie haben Lust, noch einen Schritt weiter zu gehen? Hervorragend! Ihr Ansinnen ist vermutlich, dass die Art und Weise, wie Sie das Gespräch führen, Ihren Kunden inspiriert. Er soll das Gefühl haben, dass ihn das Gespräch spürbar weitergebracht hat. Wenn Sie kein Monopolist sind, nehme ich an, dass es für den Entscheider auf
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Kundenseite Alternativen gibt. Auch wenn es die meisten Entwicklungsingenieure und Produktmanager nicht hören möchten: Produkte werden immer vergleichbarer. Wenn Spezifikationen und Preisgestaltung ähnlich sind, muss der Protagonist, also der Verkäufer, den Unterschied machen, wenn er zum Schluss nicht wieder auf den Preis reduziert werden möchte. Gemeinhin ist bekannt, dass es unserem Gehirn unter Zuhilfenahme von Bildern, gutem „Storytelling“ und Emotionen leichter fällt, Sachverhalte und Erlebnisse zu erinnern. Ganz gleich, ob Sie sich nun im Kundengespräch befinden oder einen mitreißenden Vortrag halten möchten: Überlegen Sie, was Sie wirklich bewegt, worüber Sie sich positiv in Rage reden können, was treibt Sie um? Wie können Sie damit ein Problem des Kunden lösen oder dem Publikum einen Nutzen stiften? Wenn Sie diese beiden Aspekte zusammenbringen (Nutzen stiften für den Kunden oder das Publikum und was Sie wirklich bewegt, was Ihnen am Herzen liegt), dann werden Sie sehen, dass Sie keine PowerPoint Folie oder andere Notizen mehr benötigen. Dann sprechen Sie aus dem Herzen – und das kommt vom Herzen und wird vom Rezipienten viel eher erinnert. Es bleibt hängen. Umso erstaunlicher ist es, wie wenig die Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft in Kundengesprächen angewendet werden. Ich rede nun nicht von etwaigen verdeckten psychologischen Manipulationsversuchen, um Kunden zu überreden. Ich meine auch nicht Methoden, die beim Kunden Angst schüren, um den Abschluss zu forcieren. Leider werden sie auch heute noch trainiert – was dem Misstrauensvorschuss gegenüber Verkäufern wieder Vorschub leistet. Was ich meine, sind Methoden, bei denen das, was Sie präsentieren, beim Kunden schlicht und ergreifend besser im Gehirn verarbeitet werden kann. Natürlich kann der Kunde sich immer noch gegen Sie entscheiden. Wenn Sie die volle Aufmerksamkeit des Kunden haben, die richtigen Fragen stellen, darauf achten, was dem Kunden wichtig ist, und das alles hirngerecht präsentieren, dann steigt die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass der Kunde Ihnen vertraut und den Zuschlag erteilt. Denken Sie dazu an das Marktführer-Vertriebsprinzip (s. Abb. 3.4), das in Abschn. 4.2 an einem Praxisbeispiel verdeutlicht wird. Beschäftigen wir uns nun mit den wichtigsten Erkenntnissen aus der Hirnforschung, die im Marktführer-Vertriebsprinzip Berücksichtigung finden.
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Brechen Sie Muster. Alles, was üblich und erwartet wird, ist nicht merk-würdig Ich breche zum Beispiel Muster in Kundengesprächen, indem ich mit einem flammenwerfenden Bunsenbrenner klarstelle, dass ein Vortrag von mir auf einer Vertriebstagung für Feuer in der Veranstaltung und ein besseres Tagungsergebnis sorgen wird. Im Marktführer-Vertriebsprinzip bin ich nun beim „Fleischerhaken“ – um volle Aufmerksamkeit zu erlangen. Kommt das bei jedem gut an? Wenn wir nun von einem introvertierten Eigenbrötler sprechen, dann wird seine erste Handlung sein, den Werkschutz zu rufen, um den vermeintlich Verrückten (mich) aus dem Besprechungsraum entfernen zu lassen. Sprechen wir allerdings vom dominanzorientierten Vertriebschef, so wird sich dieser dieses Gespräch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr gut merken können. Zum einen, weil ein übliches Muster gebrochen wurde, zum anderen aber auch, weil mehrere Sinnesorgane angesprochen worden sind, womit ich zum nächsten Punkt komme. Sprechen Sie mehrere Sinnesorgane an Die Neurowissenschaft ist sich einig, dass Informationen deutlich besser gespeichert werden, wenn mehrere Sinnesorgane angesprochen werden. Bekanntermaßen haben wir folgende Sinne zur Auswahl: • • • • •
Visuell – über das Auge Auditiv – über das Ohr Kinästhetisch – über den Tastsinn Olfaktorisch – über den Geruchssinn Gustatorisch – über den Geschmackssinn
Bringen Sie also etwas zum Gespräch mit, was Ihre Leistung, was den Vorteil Ihres Produkts verdeutlicht. In einem meiner Beispiele ist es der Bunsenbrenner, der mehrere Sinne intensiv anregt. Natürlich achte ich als freiwilliger Feuerwehrmann immer darauf, dass ich mit dem Ding nicht zu nah an die Rauchmelder gelange – wobei ich mit dem durch die automatische Brandmeldeanlage alarmierten, in wenigen Minuten anrückenden Löschzug sicher auch 100 % Aufmerksamkeit erzeugen würde …
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Für die introvertierteren Vertreter unserer Art muss es allerdings etwas sein, was nicht ganz so aufsehenerregend ist. Zum Beispiel kann eine Taschenlampe eingesparte Stromkosten verdeutlichen (mit dem eingesparten Strom unserer Lösung können Sie kostenneutral Ihr gesamtes Unternehmen beleuchten) oder ein Duftstäbchen, getunkt in Öl oder Diesel, um dem Kunden mit folgender Frage aus der „Aufmerksamkeitsreserve“ zu locken: „Nehmen wir an, wir hätten bei unserer neuen Maschine einen Ansatz gefunden, um das, was Sie hier riechen, weniger zu verbrauchen. Hätten Sie Lust, darüber zu sprechen?“. Verstehen Sie die Beispiele als Anregungen – der Wortlaut muss Ihrem Ductus entsprechen. Benutzen Sie bei der Kommunikation Ihren gesamten Körper und fangen Sie an zu zeichnen! Den meisten Menschen ist bekannt, dass nur ein sehr kleiner Teil der Information, die wir kommunizieren, über das gesprochene Wort beim Gegenüber aufgenommen wird. Der weitaus größte Teil geht über die Tonalität und die nonverbale Kommunikation. Interessant ist, dass dies gemeinhin bekannt ist, aber äußerst selten in Gesprächen Anwendung findet. Stehen Sie im Gespräch auf. Fragen Sie Ihren Gesprächspartner, ob es für ihn in Ordnung ist, wenn Sie Sachverhalte am Flipchart verdeutlichen. Hierbei geht es in etwa zu gleichen Teilen darum, was und wie Sie es veranschaulichen. Allein der Umstand, dass Sie stehen, lässt das, was Sie kommunizieren, viel stärker wirken (vorausgesetzt, Sie stehen dort mit selbstbewusster und offener Körperhaltung). Sollte kein Flipchart vorhanden sein, nehmen Sie Folien, die Sie rückstandsfrei an jede Wand kleben können (Easy Flip foils von Leitz oder Papyrus selbstklebende Folien). Zuschauer meiner Vorträge wissen genau: Es kommt nicht da rauf an, dass das, was Sie am Flipchart oder auf der Folie visualisieren, eine künstlerische Augenweide darstellt. Ich behaupte sogar selbstkritisch, dass meine Zeichnungen außergewöhnlich hässlich sind. Woher ich das so genau weiß? Nun, wenn ich meinem Illustrator meine Zeichnungsideen sende, dann muss ich zum Beispiel in Blockschrift erläutern, dass eine Krawatte eine Krawatte ist. Man erkennt es schlicht nicht. Ich kann es nicht ändern, malen und zeichnen kann ich nicht – aber das ist irrelevant. Es kommt darauf an, dass Sie mit dem Kunden gemeinsam im
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Termin die Lösung skizzieren und die wichtigen Punkte des Kunden mit einfließen lassen. Das ist durch keine noch so schön animierte PowerPoint- Präsentation zu toppen. Sie können den Kunden bei der Erstellung Ihres „Kunstwerks“ mit einbinden – in etwa so: „Herr Kunde, nun habe ich im Groben skizziert, wie ich die Lösung Ihres Problems angehen würde – zugegeben, nicht schön, aber es kommt von Herzen. Jetzt lade ich Sie ein, kommen Sie ans Flipchart und zeigen Sie nochmal auf, was Ihre wichtigsten Punkte dabei sind.“ Dabei halten Sie die Stifte in seine Richtung und machen eine einladende Geste. Sie werden staunen, in wie vielen Fällen der Kunde mit Ihnen dann interaktiv am Flipchart steht und die bestmögliche Lösung – wohlgemerkt mit Ihnen und nicht mit dem Mitbewerb – erarbeitet. Selbstredend sollten Sie den Kunden darüber informieren, warum Sie das in dieser Art und Weise machen – entwaffnend ehrlich eben: Damit Ihre Lösung bestmöglich nachvollziehbar ist, er seine Ideen mit einbringen kann und damit Sie den Zuschlag erhalten. Sie vermindern damit übrigens ganz nebenbei das „Not invented here“-Syndrom (Dobelli 2012) in Bezug auf die Gesprächsinhalte und Ergebnisse. Tendenziell findet man alles schlechter, wenn es nicht von einem selbst entwickelt wurde – so verhält es sich auch mit Gesprächsergebnissen. Dieser Effekt ist wissenschaftlich durch den Psychologen Dan Ariely belegt worden (Dobelli 2012, S. 102). Involvieren Sie den Kunden bei der Erarbeitung der Gesprächsergebnisse, damit umgehen Sie diese Falle. Sie springen jedoch meist mit Anlauf in dieses Fettnäpfchen, wenn Sie dem Kunden vorgefertigte PowerPoint-Präsentationen „vorbeten“ – schlechtestenfalls auch noch ohne ausreichende Berücksichtigung der Punkte, die dem Kunden wichtig sind. Sie kennen dieses Phänomen aus der Politik. Der Vorschlag von Partei A kann rein inhaltlich von Partei B als überwältigend gut bewertet werden – die Funktionäre von B werden das jedoch öffentlich in den seltensten Fällen anerkennen, sondern mit akribischer Genauigkeit eruieren, was an diesem Vorschlag aber wirklich völlig untragbar sein könnte. Es wurde eben nicht in Partei B erfunden. Während die „WAVI-Typen“ 2 (siehe Abschn. 3.1) es wertschätzen würden, wenn gute Ansätze parteiübergreifend möglichst objektiv bewertet würden, so glauben die meisten Parteiverantwortlichen jedoch, dass die Mehrheit der Bevölkerung es eher als Kapitulation anstatt als persönliche Größe wahrnehmen würde, einer nicht im eigenen Haus ent-
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standenen Idee Zustimmung zu zollen. So manches Mal zeigt sich dieses Phänomen auch in Unternehmen. Eliminieren Sie dieses Problem, indem Sie Ihren Gesprächspartner über den eben skizzierten Weg involvieren. Sollten Sie diese Schritte befolgen, kann ich Ihnen nahezu garantieren, dass Sie im Gedächtnis hängen bleiben. Ob positiv oder negativ hängt stark davon ab, wie gut Sie sich auf das Gespräch vorbereitet haben und wie wohl Sie sich bei der Anwendung dieser Methode fühlen. Seien Sie sich darüber im Klaren, dass es sich anfangs etwas seltsam anfühlen wird. Das überrascht nicht, denn Sie verlassen Ihre gewohnte Komfortzone. Und Sie wissen genauso gut wie ich, dass die eigene persönliche Entwicklung nur forciert werden kann, wenn man diese Komfortzone verlässt. Bei der Anwendung des TRUE-Konzepts werden Sie und Ihr Gesprächspartner bzw. Ihr Publikum mehr Emotionen spüren als es bei Standardgesprächen bzw. Präsentationen der Fall ist – darum geht es im nächsten Abschn. 3.4.
3.4 E motion: Ihre Intention offen zeigen bringt Emotionen ins Spiel Entwaffnend ehrlich zu sein wird mehrere Emotionen auslösen. Zu Beginn wird es sich für denjenigen, der es anwendet, so manches Mal anfühlen, als wäre es „zu viel des Guten“. Im weiteren Verlauf der Kommunikation wird sich allerdings ein stabiles Vertrauensverhältnis zum Kommunikationspartner aufbauen, das seinesgleichen sucht. Emotionen, die verstärkt auftauchen können, sind die folgenden: 1. Beim Zuhörer – Irritation/Angst: Anfangs kann als Emotion Ärger beim Gesprächspartner entstehen, insbesondere wenn Sie sich bezüglich der Wahrheitsintensität nicht im TRUE-Korridor befinden. Beispiel: Sie kommunizieren in zu hoher Wahrheitsintensität bei einem Mitglied der Kategorie 1. Der Rezipient kann mit der Offenheit nicht gut umgehen und wird ärgerlich, da er Ihre wahrgenommene Wahrheit nicht objektiv in den korrekten Kontext setzen kann. Daher ist Sorgfalt bei der Zuordnung in der WAVI-Kategorie gefragt. Natürlich kann auch der Inhalt der Botschaft beim „Scharfsinnigen“
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zu Ärger führen, allerdings geht es mir in diesem Kontext nicht um den Inhalt, also das, was kommuniziert wird, sondern um das, wie kommuniziert wird. 2. Bei Ihnen – Unsicherheit/Angst: Zu Beginn der Anwendung des TRUE-Konzepts könnten Sie Angst spüren, die sich in Unwohlsein äußert. Dies passiert sehr häufig, wenn man die eigene Komfortzone verlässt – Sie wissen dann nicht, was passiert, wenn Sie neue Herangehensweisen anwenden, weil Sie dazu kaum Erfahrungen haben. Wie bereits erwähnt, gilt: Der Weg aus Angst heraus geht immer durch die Angst hindurch. Daher: Machen Sie es einfach. Ich habe bei meinen Vorträgen und Trainings gelernt: „Es gibt keinen Plan ohne Fehler!“ Akzeptieren Sie, dass es nicht immer perfekt laufen wird, und Sie werden automatisch souveräner. Haben Sie den Mut zur Improvisation und sagen Sie, wie es Ihnen dabei gerade geht, dass es sich vielleicht seltsam anfühlt oder dass Sie aufgewühlt sind. In einem Großteil der Gespräche werden Sie dabei zusätzlich für eine offene und positive Atmosphäre sorgen und weiter Vertrauen aufbauen. Ein ungutes Gefühl ist nur dann angebracht, wenn Sie sich außerhalb des TRUE-Korridors befinden, also in der Kategorie 2 Nebelkerzen werfen oder Vertreter der Kategorie 1 mit zu viel Offenheit überfordern. 3 . Bei beiden – Freude: Sie und Ihr Gesprächspartner werden häufig während des Gesprächs und danach ein gesteigertes Gefühl von Freude spüren, weil man eben nicht durch Euphemismus oder Lügerei etwas kaschieren oder anders darstellen muss, als es tatsächlich ist. Ihre Verbindung zum Gegenüber wird augenblicklich interessanter und intensiver. Sie werden zusammen mehr lachen, weil die Atmosphäre angenehmer ist. Natürlich hängt das vom Inhalt der Nachricht ab. Wenn der Inhalt der Botschaft für den Adressaten negativ ist, Sie aber dennoch passend zum WAVI Offenheit gezeigt haben, wird man Ihnen dankbar sein. 4 . Bei beiden – Überraschung: Ihr Gesprächspartner wird überrascht sein, wenn Sie das Gespräch nach dem TRUE-Prinzip aufbauen. Ebenso werden Sie über neue Reaktionen Ihres Gegenübers überrascht sein. Freuen Sie sich darauf. Es ist, wie Dr. Blanton schon darlegte, ein neues, aufregendes Gefühl (Blanton 2015).
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Emotionen wirken noch intensiver, wenn man sich ihrer bewusst ist. Sie wissen nun, was mit Ihnen passieren wird. Ihren Gesprächspartner (oder Ihr Publikum) können Sie mit einer Frage aktiv darauf hinweisen, dass er sich seine Emotionen bewusst machen soll. Um im Beispiel des Verkäufers im B2B-Segment zu bleiben: Zum Schluss des Gesprächs können Sie Fragen stellen wie zum Beispiel: „Wie fühlt es sich jetzt für Sie an, dass ich gleich zu Beginn meine ‚Karten auf den Tisch‘ gelegt habe und grundlegend ehrlich war?“ Emotionen spielen in allen Lebensbereichen eine entscheidende Rolle. Unsere Emotionssysteme entscheiden unterbewusst, ob wir Menschen vertrauen, etwas kaufen, wie wir uns verhalten und wie entschlossen wir handeln, um etwas zu erreichen (Seßler 2013). In meinem Buch „Feuer und Flamme für den Vertrieb – so entwickeln Sie Ziele, für die Ihr Team brennt“ (Kober 2019) habe ich ausführlich beschrieben, wie man Erfolg mit Erfüllung verbinden kann. Ich empfehle in diesem Buch das Anfertigen der eigenen Lebensstrategie, deren Vorlage Sie hier herunterladen können: https://koberaktiviert.de/buch_feuer_flamme_downloads. Damit Ihnen die Umsetzung des TRUE-Prinzips möglichst leicht gelingt, habe ich dazu kleine Grafiken (s. Abb. 3.5) anfertigen lassen – denn unser Hirn kann sich Bilder deutlich einfacher merken als Buchstaben und Ziffern. Dass sich dieses Bild in Ihrem Unterbewusstsein verankert, ist auch deswegen wichtig, weil Sie sich zu Beginn der Anwendung des TRUE-Konzepts außerhalb Ihrer Komfortzone befinden. Das führt zu etwas mehr Stresshormonen in Ihrem Blut, was wiederum dazu führt, dass Sie kognitiv nicht mehr so leistungsfähig sind, wie Sie es sein könn-
Abb. 3.5 Das TRUE-Prinzip
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ten. Warum? Unser Hirn steuert uns auch heute noch nach vielen „Programmen“ aus der Urzeit. Wenn wir Gefahren oder Ärger wahrnehmen (Gefahr früher: Säbelzahntiger – Ärger heute: langsamer Fahrer vor uns auf der linken Autobahnspur), sorgt die Amygdala in unserem Hirn dafür, dass das Stresshormon Adrenalin ausgeschüttet wird. Adrenalin bewirkt, dass sich das Blut vermehrt in die Körperregionen verlagert, die für Flucht und Kampf verantwortlich waren – das Hirn gehört(e) nicht dazu. Das ist heute immer noch so und bedeutet konkret: Wenn Sie unter Stress geraten, sollten Sie einen Weg kennen, sich an relevante (neue) Methoden schnell und einfach zu erinnern. Auswendiglernen hat in der Schul- und Studienzeit vielleicht noch ausgereicht, um Abschlüsse zu erzielen. Um in der rauen Vertriebswelt mehr Abschlüsse zu erzielen, mehr Kunden positiv zu verblüffen als die Konkurrenz, benötigen Sie geeignete Methoden, um sich auch unter Stress effizient erinnern zu können. Wenn Sie sich beispielsweise mittels der Mnemotechnik, sprich dem Gedächtnistraining mit Bildern, Inhalte merken, verspricht dies deutlich mehr Erfolg und Sie werden sich auch in Stresssituationen viel besser an die Inhalte erinnern. Abb. 3.5 bildet das Fundament des TRUE-Prinzips und stellt die Inhalte „hirngerecht“ dar.
Literatur Babiak P, Hare RD (2007) Snakes in suits. Harper Business, New York Blanton B (2015) Radikal ehrlich. inspiriert Verlag e.K., Hannover Dallek R (2013) John F. Kennedy. Pantheon, München Dobelli R (2012) Die Kunst des klugen Handelns. Carl Hanser, München Kober S (2019) Feuer und Flamme für den Vertrieb. Springer Fachmedien, Wiesbaden Seßler H (2013) Limbic® Sales. Haufe-Lexware, München Sinek S (2014) Frag immer erst: warum. Redline, München Spenst D (2019) Das 6-Minuten-Tagebuch. Rowohlt Taschenbuch, Hamburg Welt (2016) De Maizière bereut „Ein Teil dieser Antworten …“. https://www. welt.de/politik/deutschland/article153706898/De-Maiziere-bereut-Ein-Teil-dieser-Antworten.html. Zugegriffen am 20.11.2019
4 TRUE-Prinzip und Medaillen-Prinzip im Praxistest
Dieses Kapitel enthält Videos und Dateien, die mit der kostenfreien SN More Media App aus dem IOS- und Android-Store abspielbar oder downloadbar sind. Dazu einfach die Abbildungen, die das App-Logo tragen, scannen.
Auf den Punkt gebracht Sie erfahren, wie das TRUE- und das Medaillen-Prinzip konkret im Kundengespräch angewendet werden. Mittels eines strukturierten, bebilderten Leitfadens können Sie die Methoden in Ihre Praxis einfließen lassen – für noch überzeugendere Gespräche mit dem Kunden, die gleichzeitig ehrliches Vertrauen aufbauen. Zum Schluss des Kapitels lesen Sie, wie Sie es selbst mit schlechten Nachrichten erreichen, dass der Kunde sich noch sicherer ist, sich auf Ihr Wort verlassen zu können.
Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-658-28547-0_4. Die Videos lassen sich mit Hilfe der SN More Media App abspielen, wenn Sie die gekennzeichneten Abbildungen mit der App scannen. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kober, Klartext im Vertrieb, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28547-0_4
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Nun höre ich schon die ersten Unkenrufe: „Wie soll ich mir das bloß alles merken, ich muss ja mein fachliches Know-how auf dem aktuellsten Stand halten – und jetzt noch zwei Prinzipien zusätzlich? Wie soll das funktionieren?“ In meinen Seminaren habe ich über die Jahre eine gewisse Konstante kennengelernt. In nahezu jedem Vortrag oder Seminar gibt es eine Vollzeitskeptikerquote. Die finden für jede Lösung ein passendes Problem und einen orthografisch-grammatikalisch perfekt formulierten Einwand, warum das so nicht funktionieren kann. Wenn ich mit dieser Spezies in direkten Kontakt trete, dann gratuliere ich für gewöhnlich zunächst in etwa in dieser Form: „Gratulation: So schnell hat noch niemand ein Problem für diese Lösung gefunden. Respekt!“ Wissbegierige und disziplinierte Enthusiasten, die den Hunger nicht nur im Bauch, sondern auch im Kopf haben, wissen natürlich, dass der Erfolg niemandem in den Schoß fällt. Wenn Sie die Vorteile dieser Vorgehensweise erkennen, dann werden Sie nach der Lektüre dieses Buches einen individuellen Ansatz für sich entwickeln und dabei entscheiden, welche Prinzipien Sie in welcher Form in Ihren Gesprächsablauf integrieren.
4.1 L ernen und Kompetenzerweiterung in Stufen Der Lernweg ist mit dem Ansatz der sogenannten Kompetenzstufenentwicklung am besten zu beschreiben (Wikipedia 2019). Gemeinhin beobachte ich in meinen Vorträgen und Trainings exakt die in Abb. 4.1 beschriebenen Stufen. • Die erste Stufe ist die der unbewussten Inkompetenz und ist am besten folgendermaßen zu beschreiben: Sie wissen nicht, dass Sie etwas nicht wissen; Sie kennen eine neue Methode schlichtweg nicht. • Die zweite Stufe ist die bewusste Inkompetenz: Sie haben nun in einem Vortrag, Training oder autodidaktisch von einer neuen Heran gehensweise Kenntnis erlangt, beherrschen diese aber nicht.
4 TRUE-Prinzip und Medaillen-Prinzip im Praxistest
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Unterbewusste
Unbewusste Inkompetenz
Bewusste Inkompetenz
Bewusste Kompetenz
Kompetenz
Abb. 4.1 Kompetenzstufenentwicklung
• Die dritte Stufe beschreibt die bewusste Kompetenz: Sie haben davon gehört, es bereits einmal ausprobiert, aber Sie sind noch weit entfernt davon, Meister Ihres Fachs zu sein. Das ist salopp am besten mit den Fähigkeiten unseres achtjährigen Labradors zu beschreiben: Er weiß zwar, wie er den Fasan fangen kann, er probiert es auch ab und an, aber es will nicht so recht gelingen (die einzige Gefahr für den Fasan besteht darin, dass er sich beim Beobachten des Versuchs totlacht). Das geht uns Menschen ähnlich: Wir lernen etwas Neues, bei der Anwendung fühlen wir uns in der Praxis nicht immer wohl und sind auch wahrlich nicht immer erfolgreich. • Die vierte Stufe ist die der unterbewussten Kompetenz: Sie machen es bereits „automatisch“. Die vierte Stufe kann nur durch viel Training und Ausdauer erreicht werden. Alsdann partizipieren Sie allerdings von der enormen Kraft Ihres Unterbewusstseins, Methoden und Vorgehensweisen nahezu automatisiert und ohne nennenswerte bewusste (und damit aufwendige) Denkprozesse ablaufen zu lassen. Verstehen Sie den Begriff Inkompetenz bitte im richtigen Kontext. Wenn hier von inkompetenten und kompetenten Individuen die Rede ist, ist dies nicht despektierlich gemeint, sondern es geht darum, dass es gewisse Themenbereiche oder Methoden gibt, die Sie (und ich) noch nicht kennen. In diesem Fall ist die Inkompetenz bezüglich dieser Ihnen (und mir) noch unbekannten Methode gemeint.
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Die Aussage „Performance durch Penetranz“ von Doris Märtin in ihrem Buch Habitus trifft auch hier zu (Märtin 2019): Wenn Sie für sich den Vorteil dieses Modells erkannt haben, dann hat es Sinn, über einen Zeitraum von mindestens sechs Wochen intensiv zu trainieren. Über diesen Zeitraum bilden sich „Datenautobahnen“, also stark vereinfacht formuliert Synapsenverbindungen in Ihrem Hirn. Diese ermöglichen Ihnen einen über die Zeit immer schnelleren Zugriff auf diese Methoden, Sie wenden es damit souveräner an – ohne intensiv darüber nachdenken zu müssen. Wie auch beim Erfolg gibt es hier keinen Lift, sondern man muss Treppenstufen steigen. Scharfsinnige Menschen wissen das und legen fest, was sie wann und wie anwenden und trainieren, um ihre Kompetenz zu erweitern. Die Kompetenzstufen sollen Sie schlicht und ergreifend animieren, die für Sie wichtigen Elemente des Prinzips immer und immer wieder auszuprobieren und anzuwenden. Nach ca. sechs Wochen permanenter Anwendung geht es in Ihre Gewohnheit über und Sie müssen sich kaum noch Gedanken über die korrekte Anwendung machen – es geschieht dann einfach, zu Ihrem Vorteil und zum Vorteil für Ihren Gesprächspartner. Ich bin ein pragmatischer Mensch und mag es nicht, wenn sich Theorien zwar nett anhören, aber nicht praxiserprobt sind. Daher nehme ich Sie nun mit in einen kleinen Erlebnisbericht aus meiner Praxiserfahrung. Damit werde ich untermauern, dass die Prinzipien tatsächlich praxisgerecht und erfolgversprechend sind. Im Folgenden sehen Sie die aktive Anwendung des Marktführer-, TRUE- und Medaillen-Prinzips.
4.2 D er Praxistest am Beispiel eines TecDAXUnternehmens Ich werde zu einem Termin bei einem TecDAX-Unternehmen eingeladen, das im Maschinenbau tätig ist. Teilnehmer des Gesprächs sind der Vertriebschef sowie der Personalchef.
4 TRUE-Prinzip und Medaillen-Prinzip im Praxistest
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4.2.1 Das V: Vorbereitung Starten wir also mit dem ersten Bildelement im Marktführer-Vertriebsprinzip, dem V (siehe Abb. 3.4). Einige Tage vor dem Gespräch beginne ich mit der Vorbereitung. Folgende Punkte werden dabei geprüft bzw. umgesetzt. 1. Welche Antworten ergeben sich aus den Fragen aus dem TRUE-Prinzip?
a. Was möchte ich erreichen? b. Warum möchte ich das erreichen? c. Welche WAVI-Typen erwarten mich vermutlich? d. Steht die vermutete Reaktion im Verhältnis zu meinen Zielen aus a) und b)?
2. Sollten wir dem Kunden ein kurzes Video als „Appetizer“ senden? Wenn die Entscheidung auf „Ja“ fällt, dann wird ein kurzes, individuelles und wertiges Video angefertigt und der Link zum Video wird dem Kunden vorab per Mail zugeschickt. In dem Video erwähne ich, dass es natürlich mein Ziel ist, den Kunden bereits vor dem Termin zu verblüffen. Glauben Sie mir, dass das auch häufig funktioniert. Getreu dem Medaillen-Prinzip verschweige ich Ihnen hier nicht die negative Seite des Versendens von Videolinks: Natür lich kann es sein, dass der Link zum Video von der Firewall des Unternehmens blockiert wird. Doch das „Schlimmste“, was Ihnen wiederfahren kann, ist, dass der Kunde anruft und erfragt, was sich hinter dem Link verborgen hat. Oder er erhält die E-Mail erst gar nicht, weil sie im Spamfilter gelandet ist. Beides ist nicht abträglich. Sollte die Mail allerdings korrekt durchgestellt werden, dann sind die Rezipienten der Videonachricht mehr als erstaunt. Die Dauer der Nachricht sollte nicht länger als eine Minute sein. Der Inhalt: Insbesondere bei Neukunden ist es immer gut, wenn der An sprechpartner Sie in dem Video schon einmal gesehen und gehört hat, um sich im Vorfeld „einzuschwingen“. Es ist doch nur menschlich, dass man sich vor einem Termin bewusst oder unterbewusst die
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Frage stellt, wer da nun auf einen treffen wird. Auch für den genannten Kundentermin haben wir dazu ein kleines Video erstellt. Der Originalton des Vertriebschefs war: „Herr Kober, damit sind Sie schon mal allein auf weiter Flur – im Positiven. Das hat bisher noch keiner gemacht.“ Das Original-Feedback eines Vertriebsleiters eines weiteren großen Kunden aus dem Maschinenbau lautete: „Meine Kinnlade lag auf dem Schreibtisch!“ In diesem Video habe ich kurz erläutert, warum der Termin für ihn höchstwahrscheinlich sehr interessant wird – auch das gehört zu Klartext im Vertrieb. 3. Wurde eine Bestätigungsnachricht für den Termin gesendet? Selbstredend kann in dieser Bestätigungsnachricht auch das beschriebene Video mit gesendet werden, was in diesem Beispiel auch so passiert ist. 4. Können wir den Geburtstag der Ansprechpartner herausfinden? Bei Kapitalgesellschaften ist im Handelsregister der Geburtstag von Geschäftsführern und Prokuristen vermerkt. Dieses Datum notiere ich und wenn es zum Ende des Gesprächs sinnig erscheint, dann übergebe ich ein kleines Buch mit Redewendungen, Zitaten oder Aphorismen zu jedem Tag im Jahr. Ich bitte dann den Gesprächspartner, in dem Buch an seinem Geburtsdatum (welches ich dann nenne) nachzuschauen und zu entscheiden, ob der Spruch zu ihm passt. Natürlich ist diese kleine Aufmerksamkeit kein Abschlussgrund für den Kunden – aber er merkt ein weiteres Mal, dass Sie sich gründlich vorbereitet haben und dass Ihnen der Termin und der Ansprechpartner wichtig sind. 5. Gibt es aktuelle relevante Infos zum Unternehmen oder zum An sprechpartner? Ist irgendetwas zu finden, was Anerkennung verdient? Dazu können Sie klassisch die Website des Unternehmens checken oder einen Google Alert einstellen. Damit erhalten Sie immer die aktuellsten Infos zu dieser Firma. Warum ich die Anerkennung ausdrücklich erwähne, erläutere ich im Abschn. 4.2.3. 6. Sind ausreichend selbstklebendeFolien vorhanden inkl. Stifte? Es klingt banal. Aber es bewahrheitet sich, dass Exzellenz auch durch Winzigkeiten entsteht. 7. Sind die „Schaustücke“ zwecks Muster brechen und Interesse wecken griffbereit?
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Inwiefern gedenken Sie, im Gespräch bekannte Muster zu brechen und sind die Gegenstände, die Sie benötigen, im Gesprächstermin griffbereit? 8. Sind die Referenzen, die für den Kunden relevant sind, perfekt vorbereitet? Sie wissen, um welche Branche es sich bei Ihrem Kundentermin handelt. Sie wissen auch, welche Referenzen für den Kunden relevant sind. Also sorgen Sie bitte dafür, dass Sie zu diesen relevanten Referenzen alles dabei haben, was den Kunden überzeugt. Das können Video-Testimonials, E-Mails, Schriftstücke oder bestenfalls eine kleine Erfolgsstory vom Referenzkunden sein. Erwähnen Sie auch, was nicht zu 100 % funktioniert hat, getreu dem Medaillen-Prinzip. 9. Haben wir uns selbst die wichtigsten Fragen gestellt?
e. Was treibt meinen Gesprächspartner um? Was bewegt ihn vermutlich? f. Welche „großen Ziele“ könnte der Kunde haben? Könnte ich ihm dabei helfen, diese Ziele zu erreichen, und wenn ja, wie? g. Wer sind vermutlich die Schlüsselfiguren bei der Entscheidung? Zu oft gehen Aufträge verloren, weil der Verkäufer nicht die richtigen Entscheider zu Gesicht bekommen hat. 10. Welche Einwände könnte der Kunde anführen? Ich prüfe, welche Einwände von Kunden aus dieser Branche üblicherweise erwähnt werden und bereite mich darauf vor. Ich muss schon so manches Mal schmunzeln, wenn ich B2B-Verkäufer trainiere und mal wieder einen dabei habe, der „schon 20 Jahre im Vertrieb arbeitet“ und alles weiß. Genau denen fällt als Einwandbehandlung aber häufig nichts Besseres ein als „Ja, aber Qualität hat ihren Preis!“ oder „Wo müssten wir denn preislich hin?“ oder „Da geht aber nun wirklich nichts mehr, ich müsste erst nochmal intern kalkulieren lassen.“ Das sind atemberaubend schlechte Reaktionen auf einen Preiseinwand von meist „unfassbar erfahrenen“ Verkäufern. Ein besseres, ehrliches Beispiel liefere ich Ihnen gleich in Abschnitt 4.2.7. 11. Sind meine „Tauschobjekte“ klar definiert? Für jedes Gespräch sollte Ihnen klar sein, wie Sie auf einen Preiseinwand reagieren. Nun schreibe ich hier kein Buch über
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Einwandbehandlungsmethoden, welche im Übrigen auch in ehrlicher Art und Weise eingesetzt werden können. Jedoch möchte ich Ihnen einen Punkt dazu mit auf den Weg geben: Jeder B2B-Verkäufer weiß, dass nahezu jeder Preis moniert wird. Sprich: Der Preiseinwand kommt so oder so. Sie sollten sich einer ehrlichen, aber gleichzeitig harten Fragetechnik bedienen, um den Kunden „aus der Reserve“ zu locken. Zu Beginn des Gesprächs haben Sie dem Kunden Ihren Gesprächsplan nach dem TRUE-Prinzip bereits offenbart, daher dürfte es für Ihr Gegenüber keine Überraschung sein, dass Sie vorbereitet sind. Manchmal ist es allerdings notwendig, den Preis noch minimal zu reduzieren – und sei es nur, damit Ihr Gesprächspartner sein Gesicht wahren kann. In solchen Fällen benötigen Sie Tauschobjekte. Das bedeutet: Wenn Sie Ihren Preis geringfügig reduzieren, verlangen Sie eine Gegenleistung, ein „Tauschobjekt“, von Ihrem Kunden – und zwar mit Fug und Recht. Stellen Sie sich die vom Kunden geforderte Preisreduktion in 500-Euro-Scheinen vor – schon kämpft man mehr um seinen ursprünglich angesetzten Preis. Das Tauschobjekt ist etwas, was Ihnen etwas wert ist, den Kunden aber nicht gleichermaßen viel kostet. Das könnte zum Beispiel eine Vereinbarung sein, dass der Kunde im Gegenzug zwei Empfehlungen bei Unternehmen für Sie ausspricht, die Ihre Produkte ebenso benötigen könnten – oder die Zusage, dass im Gegenzug größere Losgrößen geliefert werden, die Lieferzeit so angepasst wird, dass Ihre Produktion davon partizipiert etc. Diese elf Punkte prüfe ich vor jedem Kundentermin, so also auch vor dem Termin mit dem erwähnten Maschinenbauunternehmen. Damit war und fühlte ich mich bestens vorbereitet.
4.2.2 Der Kopf: Einstimmung Das nächste Bildelement aus dem Marktführerprinzip ist der Kopf. Er steht für das sogenannte Zustandsmanagement. Auf den Punkt gebracht
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bedeutet es, sich in die passende Stimmung zu bringen, damit Ihr Gegenüber das Gespräch gerne mit Ihnen führt. Wie bereits erwähnt, findet ein Großteil unserer Kommunikation nicht über das gesprochene Wort statt, sondern mithilfe unserer Mimik, Gestik, Stimmmodulation und Körperhaltung (Mehrabian 1972). Nun mag sich in Ihnen ein erster Widerstand formieren, ob dieses „sich in gute Stimmung bringen“ denn vereinbar ist mit dem entwaffnend ehrlichen TRUE-Prinzip. Die Frage kommt zur rechten Zeit – und zu Recht. Meines Erachtens hat der Top-Verkäufer unter anderem die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Kunde das Gespräch als gewinnbringend und ansprechend wahrnimmt. Entweder, er schafft es, sich von negativen Gedanken zu distanzieren – dann schafft er eine gute Basis für ein vertrauensvolles, nutzbringendes Gespräch. Oder er schafft es nicht, dann sollte der Termin abgesagt werden. Das gehört zum Anstand dazu, denn wir nehmen das wertvollste Gut des Kunden in Form von Zeit in Anspruch, also hat er auch ein Recht darauf, dass wir uns bestmöglich vorbereiten – und einstimmen. Was im Übrigen häufig ebenso entwaffnend ehrlich ist: Wenn Sie offen zugestehen, wie Ihre Emotionslage in dem Augenblick ist, wie im folgenden Beispiel beschrieben. Im zuvor angeführten TecDAX-Unternehmen habe ich zu Beginn des Gesprächs erwähnt, dass das für mich ein außergewöhnlich spannender Termin ist und ich etwas aufgewühlt bin und alles daran setzen werde, mein Ziel zu erreichen. Getreu dem TRUE-Prinzip habe ich, beginnend mit T(arget) und R(espect) sinngemäß Folgendes erwähnt: „Das mag sich jetzt für Sie vielleicht im ersten Schritt etwas ungewöhnlich anfühlen, aber wäre es für Sie in Ordnung, wenn ich gleich zum Start, ohne Umschweife, ganz offen und ehrlich meine Ziele für dieses Gespräch preisgebe?“ Natürlich habe ich daraufhin Zustimmung erlangt. Weiter führte ich als Ziel an, dass ich sowohl den Vertriebsleiter als auch den Prokuristen in den nächsten 60 Minuten von einer Zusammenarbeit mit mir überzeugen und bereits die mündliche Zusage erhalten möchte. Die Antwort nach dem „Warum“ ließ ich ebenso nicht im Verborgenen: Das hohe Umsatzpotenzial, die exzellente Referenz und die Tatsache, dass das, was ich anzubieten
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habe, perfekt auf diese Firma passen würde. Ich wolle unter Beweis stellen, dass mein Modell funktioniert und das Unternehmen nachhaltig voranbringt. Daran schloss sich die Frage an, ob die beiden mir auch ihr Ziel für das Gespräch verraten würden – was sie auch taten. Bezüglich der WAVI-Kategorisierung (Frage 3 aus T(arget), Abschn. 3.1) ging ich bereits im Vorfeld davon aus, dass ich hier auf Kategorie 2 treffen würde – was sich bestätigte. Die Recherche zu den Ansprechpartnern im Vorfeld ließ darauf schließen – sehr gute Ausbildung, hohe Positionen innerhalb einer angesehenen Firma, ich fasse es gerne mit einem guten „Online Leumund“ zusammen. Damit war mir auch klar, dass sich hier mit voller Ehrlichkeit arbeiten kann. Ich zeigte also meinen Gesprächsplan – das Marktführer-Vertriebsprinzip, legte ein DIN-A4-Blatt mit dem bebilderten Prinzip auf den Tisch und erläuterte den beiden, wie ich nun durch das Gespräch zu führen gedachte. Üblicherweise ist die Reaktion der Gesprächspartner am besten mit den Adjektiven wohlwollend und überrascht zu bezeichnen. Sie wissen noch nicht genau, was es damit auf sich hat, und sind zunächst einmal von der offenen Herangehensweise Ihres Gegenübers positiv überrascht. Nach der kurzen Erläuterung des Marktführer-Vertriebsprinzips ging ich auf das nächste Bildelement ein, zeigte es dem Kunden und stellte gleichzeitig die im Anschluss folgenden Fragen.
4.2.3 Der Handschuh: Gesprächseinstieg Zur Erinnerung: Der Handschuh steht für die Stimmungsverbesserung aufseiten des Kunden. Mit den richtigen Fragen können Sie dafür sorgen, dass Ihr Kunde sich auf positive Dinge fokussiert. Lässt man den Hintergrund der Technik im Verborgenen, so sehe ich es als psychologisch fragwürdigen Trick. Sagt man dem Kunden allerdings, was man da tut, ist es völlig legitim, denn es soll dafür sorgen, dass die Gesprächsatmosphäre tendenziell positiver wird. Dagegen kann man selbst als Vollzeitskeptiker nur schwer etwas einzuwenden haben, wenn es offen kommuniziert wird. Ich nutze dazu die von mir entwickelte BAW-Formel.
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Die BAW-Formel • Beobachten: Wie in Punkt 4 der Vorbereitungen bereits erwähnt, sollten Sie im Vorfeld recherchieren, was das Kundenunternehmen „anerkennungswürdig“ macht. Was hat Ihr Ansprechpartner oder die Firma aus Ihrer Sicht Nennenswertes erreicht, was Sie ehrlich wertschätzen? Sollten Sie nichts finden, lassen Sie diesen Punkt einfach weg. Loben um des Lobens Willen wird zu Recht sofort als Anbiedern entlarvt. Sollten Sie allerdings einen relevanten Aspekt gefunden haben, dann fahren Sie mit dem folgenden Punkt fort. • Anerkennen: Sie bringen schlicht und ergreifend Ihre Wertschätzung zum Ausdruck, dass Ihr Gesprächspartner bzw. die Firma diese Leistung erbracht hat. • W-Frage: Sie spielen den Ball im Gespräch wieder zurück zum Kunden und fragen ihn, wie er das geschafft hat.
Wenn die Prämisse „Ehrlichkeit“ zutrifft, auf der das gesamte Modell fußt, dann werden Sie erleben, dass sich die Gesprächsatmosphäre weiter positiv und entspannt entwickelt. Es macht einfach mehr Freude, miteinander zu sprechen, wenn die Stimmung beidseitig gut ist. Sie heben den wahrgenommenen Status des Kunden und Ihren eigenen, wenn Sie andere gut aussehen lassen und nicht mit Anerkennung sparen (Märtin 2019). Sollten Sie einen Termin bei einem für Sie wichtigen Kunden haben, so kann entwaffnende Ehrlichkeit auch zu Beginn beispielsweise durch einen Einwurf dieser Machart für eine sehr offene und lockere Atmosphäre sorgen: „Wissen Sie, auf diesen Termin habe ich regelrecht hingefiebert. Ich bin sehr gespannt, weil ich alles daran setzen möchte, Sie als Kunden/Ihr Projekt zu gewinnen. Was meinen Sie, sollen wir sofort loslegen?“ Damit legen Sie Ihre Emotionen offen und das baut weiteres Vertrauen auf. Im Beispiel des Maschinenbauunternehmens ging das in etwa folgendermaßen vonstatten: Ich habe im Vorfeld herausgefunden, dass der Vertriebsleiter bereits seit drei Dekaden im Unternehmen ist und wir haben recherchiert, dass das Unternehmen deutlich über 100 Jahre erfolgreich am Markt aktiv ist. Getreu dem TRUE-Prinzip habe ich also erwähnt,
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dass ich nun gedenke, die bereits gute Stimmung weiter zu heben. Ich erwähnte, dass die Firma offensichtlich lange Jahre erfolgreich am Markt sei und darüber hinaus auch wichtige Awards in der Branche gewonnen habe (Beobachten). Ich betonte, dass das wirklich beeindruckend und in der Branche nicht selbstverständlich sei (Anerkennen) und schloss mit der Frage, was aus der Sicht der beiden Herren ihre persönlichen Erfolgsgaranten und die ihrer Firma seien, denn sie seien ja schließlich Teil des Erfolgs (W-Frage). Beachten Sie bei diesem Punkt einfach zwei wichtige Prinzipien: Beschreiben Sie ehrlich, was Sie dort tun und bringen Sie diesen Punkt nur an, wenn Sie etwas recherchiert haben, was Sie wirklich als anerkennungswürdig erachten. Denn nur dann strahlen Sie ehrliche Achtung für das aus, was Ihr Gesprächspartner erreicht hat.
4.2.4 Fleischerhaken und Wecker: Interessewecker Somit kommen wir zu den nächsten beiden Elementen aus dem Marktführer-Vertriebsprinzip, den Fleischerhaken und den Wecker. Der Part U(nconventional) aus dem TRUE-Prinzip findet sich nun in vielen der folgenden Elementen aus dem Marktführer-Vertriebsprinzip wieder. Der Haken oder auch Aufhänger steht für etwas, was Sie zum Kunden mitbringen. Einen Gegenstand, den der Kunde anfassen, riechen, sehen, hören vielleicht sogar schmecken kann. Es geht hier um das Adressieren mehrerer Sinne, wie ich es bereits in Abschn. 2.2 beschrieben habe. Dieser Gegenstand wird verbunden mit einem sogenannten Interessewecker, also einer Formulierung, die ich benutze, um dem Kunden sofort zu verdeutlichen, welchen Mehrwert er hat, wenn er nun weiter zuhört. Bei dem erwähnten Maschinenbauunternehmen habe ich den bereits erwähnten feuerspeienden Bunsenbrenner (als Aufhänger) auf den Tisch gestellt, verbunden mit der Frage, ob die beiden Gesprächspartner Inte resse daran hätten, über eine Methode zu sprechen, mit der wir nachweislich im Markt spürbar „mehr Feuer machen“ könnten für messbar bessere Ergebnisse. Dass ein Brenner nicht bei jedem Typ gut ankommt, habe ich bereits erwähnt und Alternativen (zum Beispiel Taschenlampe) für die introvertiertere Fraktion angeboten. In diesem Fall war es wieder
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mal sehr erfolgreich. Ich setze das sehr gerne und häufig ein – natürlich mit einem Augenzwinkern und mit ausreichend Abstand zum nächsten Rauchmelder … und zum Gesprächspartner. Wenn der Interessewecker und der Aufhänger zu Ihnen (Sie müssen davon überzeugt sein, sonst springt der Funke nicht über) und zu Ihrem Kundentypus (unterscheiden Sie dort einfach zwischen Introvertierten und Extrovertierten – diese Unterteilung ist völlig ausreichend, um zu entscheiden, ob Sie beispielsweise einen Brenner oder etwas weniger Aufsehenerregendes einsetzen sollten) passt, dann können Sie davon ausgehen, dass der Kunde Ihnen nun seine volle Aufmerksamkeit schenkt. Sie können den Aufhänger auch schon in dieser Phase des Gesprächs perfekt dazu nutzen, um die Qualität Ihres Produkts unter Beweis zu stellen. Beispiel Einer meiner Kunden, ein Unternehmen im Bereich Baumaschinen, hat sich dazu entschieden, als Aufhänger gebrauchte Hohlräder (das ist ein Zahnradring mit Innenverzahnung) aus einem Planetengetriebe zum Kundentermin mitzunehmen. Im Gespräch wird das Hohlrad auf den Tisch gelegt. Sinngemäß wird dann Folgendes dazu gesagt: „Herr Kunde, was glauben Sie, wie viele Betriebsstunden dieses Hohlrad bereits im Einsatz war?“ Der Kunde schaut sich das Hohlrad in der Regel an, nimmt es in die Hand und untersucht es – damit ist er mit allen Sinnen dabei. Üblicherweise sagt der Kunde dann: „Schwer zu sagen, der gute Zustand lässt auf maximal 1000 Betriebsstunden schließen.“ Dann berichtet der Verkäufer, dass dieses Hohlrad aus einem Radlader mit über 20.000 Betriebsstunden ausgebaut wurde und unterstreicht damit die außergewöhnlich hohe Qualität des Materials, was zu weniger Ausfallund Reparaturkosten führt.
Setzen Sie dieses Medium richtig ein, dann sitzt der Kunde nun vor Ihnen und wartet gespannt, was nun folgt. Der durchschnittliche Verkäufer setzt an diesem Punkt nun mit einem Trommelfeuer an Argumenten ein – was haarsträubend falsch ist. Das wäre so, als ob Sie gerade ein kleines Pflänzchen der Neugierde hochgezogen haben, um es sofort mit einer verbrennungsmotorbetriebenen Wurzelfräse wieder zunichte zu machen. Sagen Sie dem Kunden, dass es Ihr Ziel war, mit allen Sinnen
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Neugierde zu wecken und dass Sie, bevor Sie Ihre Lösung zeigen, noch ein paar Fragen durchgehen möchten. Sie werden Zustimmung ernten.
4.2.5 Der Schlüssel: Fragen Damit kommen wir zum nächsten Element des Marktführer-Ver triebsprinzips, dem Erkundungs-Schlüssel. Meine Zuhörer und Trainingsteilnehmer wissen, dass ich neben meinem Job als Autor, Redner und Trainer auch aktiver freiwilliger Feuerwehrmann bin. Im Laufe der Ausbildung bei der Feuerwehr kommt man an einer Formel nicht vorbei. Diese lautet SE = SE. Auf gut Deutsch und etwas derb übersetzt bedeutet diese Abkürzung: Scheiß Erkundung = Scheiß Einsatz. Jeder Löschzugführer erkundet mit weiteren Kameraden zunächst einmal die Lage am Einsatzort, damit die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Nichts anderes passiert in einem Verkaufsgespräch: Wer nicht die richtigen Fragen offen und ehrlich stellt (und somit erkundet), bekommt maximal Standardantworten, die jedem Verkäufer gegeben werden. Soweit – so bekannt. Als erschreckend empfinde ich nur, wie einfallslos häufig die Fragen sind, die selbst gestandene Verkäufer mit einigen Dekaden Vertriebserfahrung mir als ihr Frageportfolio präsentieren. Aus diesem Grund habe ich den Erkundungsschlüssel entwickelt. Er besteht aus den folgenden Fragen: 1. „Nehmen wir an, Ihnen würde gefallen, was ich Ihnen nachher präsentiere. Wer aus Ihrer Firma ist in die Entscheidung involviert, wenn es darum geht, ob wir zukünftig zusammenarbeiten – oder nicht?“ 2. „Wenn es um [hier steht das Produkt oder die Dienstleistung] geht, was sind für Sie die drei wichtigsten Punkte, die erfüllt sein müssen, damit Sie von [Produkt oder Dienstleistung] restlos überzeugt sind?“ 3. Sollte der Kunde nun Punkte nennen wie Zuverlässigkeit, Preis oder Qualität, dann hinterfragen Sie diese Begriffe nochmals. Was bedeutet für den Kunden Qualität? Was versteht er konkret unter Zuver lässigkeit etc.?
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4. „Welcher der von Ihnen genannten Punkte ist Ihnen am wichtigsten?“ Bei dieser Frage ist es gut möglich, dass der Kunde sich nicht für nur einen Punkt als den wichtigsten entscheiden kann. Nehmen Sie das dann einfach hin. 5. „Warum ist Ihnen dieser Punkt/sind Ihnen diese Punkte am wichtigsten?“ 6. „Wie hoch ist Ihr Budget für diese Anschaffung?“ Mir ist völlig klar, dass sich einige Kunden zieren werden, diese Frage zu beantworten. Deshalb ergänze ich bei dieser Frage immer: „Der Preis wird für Sie weder günstiger noch teurer, wenn Sie mir das Budget nennen. Es hilft mir nur, das, was wir leisten, passgenauer für Sie anzubieten.“ 7. „Nehmen wir an, wir schrieben das Jahr 2025. Was würde für Sie an ein Wunder grenzen, wenn Sie das mit Ihrer [Abteilung/Firma] bis dahin erreicht hätten?“ Manche Kunden werden auf diese Fragestellung etwas verdutzt reagieren – das ist eines meiner Ziele. Übliche Denkrestriktionen sollen aufgebrochen werden. Ich möchte mit dieser Frage herausfinden, was die „großen Ziele“ des Gesprächspartners sind. Mit diesem Wissen kann ich meine Lösung gezielt darauf ausrichten, dem Kunden zu helfen, genau diese Ziele zu erreichen. Zum Schluss fassen Sie die Antworten des Kunden nochmals kurz zusammen. Damit erreichen Sie, dass der Kunde ein gutes Gefühl bekommt, dass ihm endlich mal jemand richtig zugehört hat. Machen wir uns nichts vor. Stellt man mittelmäßig erfolgreichen Verkäufern folgende Frage: „Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie gut hörst Du zu?“ antworten viele ganz ungeniert mit: „Ja, das können wir so machen.“ Eine gute „Erkundung“ ist die Basis für den erfolgreichen „Kundeneinsatz“. Zum einen wissen Sie ehrlich, was Ihr Gegenüber umtreibt und können dann auch sehr gut und schnell entscheiden, ob Sie mit dem, was Sie liefern und leisten, das Problem des Kunden überhaupt gut lösen können – oder auch nicht. Denn zur Ehrlichkeit und zum Medaillen-Prinzip gehört auch, dass man sich in einigen Fällen nach dem Erkundungsschlüssel gegenseitig tief in die Augen schaut und feststellt, dass man nicht der richtige Partner ist, um das Problem des Kunden zu lösen. In meinem hier dargestellten Beispiel des Kundengesprächs war das nicht der Fall. Alles, was ich in Vorträgen und Trainings von mir gebe,
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praktiziere ich selbstredend auch in meinen Begegnungen mit Kunden. Daher habe ich auch in diesem Gesprächsbeispiel die Fragen nach der hier erwähnten Methode gestellt. Nachdem ich den Auftrag erhalten hatte, fragte ich den Vertriebschef, warum er sich für mich entschieden habe – obwohl ich mit Abstand der teuerste Anbieter war, wie ich im Nachhinein erfuhr. Sein ziemlich originalgetreuer Wortlaut war: „Herr Kober, nur bei Ihnen hatten wir tatsächlich das Gefühl, dass Sie uns verstanden haben.“ Nun reicht es in so einem Gespräch bekanntermaßen nicht aus, ausschließlich Fragen zu stellen. Als Vollblutverkäufer kommen Sie nun in Ihr Element. Allerdings tappen viele ab diesem Schritt in eine fatale Falle. Im amerikanischen wird diese Falle das (verzeihen Sie mir den kräftigen Ausdruck, es heißt nun einmal so) „Feature Fucking“ genannt.
4.2.6 Das Kochbuch: Lösung Im nächsten Schritt zeige ich Ihnen, was ich damit genau meine und vor allem, wie man es besser macht. In diesem Part ist es Ihre Aufgabe, dem Kunden das richtige „Rezept“, sprich die richtige Lösung für sein Pro blem so zu präsentieren, dass er den opulenten Mehrwert versteht, den eine Zusammenarbeit mit Ihnen für ihn bringt. Dafür steht metaphorisch das Kochbuch des Marktführer-Vertriebsprinzips. Damit kommen wir zur bildungssprachlich inakzeptablen Formulierung „Feature Fuckings“. Die meisten Verkäufer im B2B-Vertrieb kennen ihr Produkt in- und auswendig. Nicht wenige könnten, wenn man sie nachts um 4:00 Uhr weckte, die Maschine oder das Produkt schlaftrunken und im Dunklen auseinander- und wieder zusammenschrauben. Die Spezifikationen sind meist bestens bekannt. Nur ist das Schwelgen in Leistungsdaten und das bloße Auflisten von geradezu umwerfenden Produktvorteilen meistens für den Kunden ähnlich interessant wie die dritte Wiederholung einer Plenartagung des Europäischen Parlaments. Das Ziel in Ihrem Gespräch muss sein, dass der Kunde auch nach eineinhalb bis zwei Stunden seinen Blick ausschließlich auf Sie und nicht auf seine Uhr richtet. Mit einer bei B2B-Verkäufern sehr beliebten Spezi-
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fikationsartillerie gelingt das eher selten. Das erreichen Sie nur, wenn Sie hirngerecht präsentieren. Ihr Kunde muss die Informationen gut aufnehmen können und positiv bewerten. Sein Unterbewusstsein muss seinem Bewusstsein signalisieren, dass es sinnvoll ist, weiter intensiv zuzuhören. Das Unterbewusstsein selektiert: „Bringt’s mich weiter – oder nicht?“ Wenn Sie in der letzteren Kategorie landen, laufen Sie Gefahr, den Ruhepuls Ihres Gegenübers bedenklich zu senken. Meine Erfahrung zeigt, dass insbesondere Menschen, die schon mehrere Dekaden im Vertrieb arbeiten, sich einen Fahrplan zurechtgelegt haben, den sie nahezu ohne Ausnahme nutzen. Häufig sehr zum Leidwesen des Kunden. Denn dieser Fahrplan gibt zwar dem Verkäufer im Gespräch eine gewisse Sicherheit, denn er weiß immer, welcher Punkt in seiner Welt der vermeintlich perfekten Gesprächsführung folgt. Doch viel zu häufig bringt es eine andere Sicherheit mit sich: Nämlich die, dass der Kunde sich maßlos langweilt. Nervtötende Unternehmenspräsentationen, Hochglanzprospekte mit geschönten Produktbildern und Beschreibungen, welch überwältigende Perfektion dieses Produkt doch bietet, abgehalfterte Werbegeschenke etc. – die Bandbreite ist immens. Sie fragen sich vermutlich, warum Sie auf dem Kochbuch das Akronym SENF finden. Das hat nun nichts mit Ihrer ersten Assoziation eines Würstchens zu tun, sondern es steht für eine strukturierte Vorgehensweise, wie Sie ehrlich und zugleich hirngerecht Ihre Lösung kommunizieren. In keinem Fall ist es meine Intention, jedes Gespräch in ein enges Leitfadenkorsett zu schnüren. Sie wissen, dass das zum Scheitern verurteilt ist. Jedes Gespräch verläuft individuell, daher geht es beim Marktführer-Vertriebsprinzip mitnichten um einen allgemeingültigen und komplett ausformulierten Gesprächsleitfaden. Mir geht es darum, Ihr Repertoire zu erweitern und passend zum Gesprächsverlauf die richtigen Register (sprich: die im Marktführer-Vertriebsprinzip dargestellten Bilder und die dazu hier dargestellten Methoden) zu ziehen, um den Kunden positiv zu verblüffen. Bevor ich mit der Erklärung des Akronyms starte: Fragen Sie den Kunden nach dem Erkundungsschlüssel, ob es für ihn in Ordnung ist, wenn Sie nun etwas am Flipchart skizzieren. Ist kein Flipchart vorhanden, dann nutzen Sie die bereits erwähnten selbsthaftenden Folien. Es ist
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ein immenser Unterschied, ob Sie im Sitzen weiter parlieren oder stehend bei der Präsentation brillieren. Denken Sie an die Kraft der nonverbalen Kommunikation. Wenn Sie stehen, kommunizieren Sie überzeugender.
Nutzen Sie SENF SENF steht für: Stärke, Erklärung, Nutzen, fundierter Beweis. Stärke Natürlich sollen Sie Vorteile, Stärken und Spezifikationen Ihres Produktes erwähnen. Nur beachten Sie bitte: so viel wie unbedingt nötig, so kundenproblemfokussiert wie möglich. Schießen Sie also nicht mit der Schrotflinte blind in den Wald, sondern nehmen Sie stattdessen ein Zielfernrohr. Beschreiben Sie die Spezifikationen, Vorteile und Stärken des Produkts bzw. der Dienstleistung, die dazu dienen, das Problem des Kunden zu lösen. Das klingt banal und selbstverständlich, genau daran hakt es jedoch in vielen Gesprächen. Fokussieren Sie das, was Ihre Lösung ausmacht, auf das, was dem Kunden besonders wichtig ist. Das ist der springende und entscheidende Punkt, der häufig vernachlässigt wird. Die Antworten des Kunden aus dem „Erkundungsschlüssel“ kommen hier wieder ins Spiel. Im Gegensatz dazu erwähnt der Standard-Verkäufer alles, was dem Verkäufer wichtig erscheint – und verliert damit stetig die Aufmerksamkeit des Kunden. Erklärung Speziell im B2B-Vertrieb geht es häufig darum, erklärungsbedürftige Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen. Sie sprechen häufig mit einer extrem fachkundigen Klientel. Daher erläutern Sie, wie Sie die Stärken und Vorteile für den Kunden erreichen. Sie erwähnen, welche Eigenschaften Ihres Produkts bzw. Ihrer Dienstleistung wirklich herausragend sind und dafür sorgen, dass sie für den Kunden nutzstiftend sind. Die Erläuterung darf nur nicht bereits in diesem Punkt völlig ausufern und in einer blinden Produktverliebtheit enden, die den Kunden ratlos im Sessel zusammensinken lässt. Nutzen Nutzenargumente müssen Ihrem Kunden vermitteln, wie er mithilfe Ihres Angebots mehr Umsatz oder Einkommen erwirtschaftet, Kosten oder Zeit spart, seine Reputation steigert oder wie sein Berufs- und Privatleben leichter bzw. sicherer wird und er mehr Freude, Freiheit etc. bei der Arbeit verspüren kann. Nur das zählt! Die Nutzenargumente können folgendermaßen eingeleitet werden: „… und das bringt Ihnen [eben erwähnte Nutzen]“. Wenn Sie mit entwaffnender Ehrlichkeit beweisen, dass Sie seinen Nutzen, seinen Vorteil, wenn er bei Ihnen kauft, direkt live vor Ort vorrechnen können, haben Sie gute Chancen, ihn zu überzeugen. Der Kunde möchte mitgerissen und unterhalten werden. Kein Spitzenverkäufer ist der beste seines Fachs, weil er gut mit Excel oder PowerPoint umgehen kann. Er ist es, weil er den Kunden mitreißt und weil er weiß, wovon er spricht.
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Also gönnen Sie ihm diese kleine Showeinlage und sagen Sie sinngemäß: „Hätten Sie Lust, dass wir den Einsatz unserer Lösung in Ihrem Unternehmen überschlägig berechnen, damit Sie sehen, wie schnell sich das amortisiert?“ Sie werden ein schnelles „Ja, klar“ ernten. An dieser Stelle lassen Sie nun vorgefertigte PowerPoint-Folien oder bereits ausgefüllte Excel-Listen dort, wo sie üblicherweise ihr unbeachtetes Dasein fristen: in den Untiefen des firmeninternen Dateisystems. Stattdessen gehen Sie ans Flipchart (bzw. Folie) und skizzieren eine Rechnung, aus welcher sofort ersichtlich wird, wie schnell sich die Zusammenarbeit amortisiert. In Klammern finden Sie die Abkürzungen, so wie ich es in meinen Kundenterminen am Flipchart skizziere. Die hervorgehobenen Werte sind Beispielwerte aus einer realen Berechnung bei einem meiner Kunden für eine Trainingsgruppe (s Abb. 4.2). Der mit Abstand wichtigste Punkt bei dieser Darstellung ist, dass Sie die relevanten Zahlen und Annahmen vom Kunden erfragen. Vorgefertigte ROI-Berechnungen können Sie getrost in der Tasche lassen: Sämtliche Zahlen, die Sie vorgefertigt und passend für Ihre Berechnung zurechtgelegt haben, wird der Kunde nicht akzeptieren – weil es nicht seine Annahmen sind. Nehmen Sie jedoch die Zahlen des Kunden an und rechnen live am Flipchart vor, ab wann der Kunde unter seinen Annahmen Geld verdient, verkauft sich der Kunde Ihre Lösung oder das Produkt gerade selbst. Das gehört zur Königsdisziplin eines ehrlichen und guten Verkäufers. Fundierter Beweis Natürlich können Sie als „fundierten Beweis“ für den Kunden, dass Sie wirklich die Wahrheit sagen, im Maschinen- und Anlagenbau beispielsweise eine Vorführung durchführen, also das Produkt live, in Farbe und im realen Einsatz demonstrieren. Das ist allerdings verhältnismäßig teuer. Die meiner Erfahrung nach wirkungsvollste und zugleich günstigste Variante ist, wenn Sie eine ehrliche Referenzstory von einem Ihrer Kunden erzählen. Anschließend bieten Sie an, dass Ihr Kunde den Kunden anrufen kann, um den Wahrheitsgehalt der Story auf den Prüfstand zu stellen. Es reicht nicht, einfach nur davon zu berichten, dass Sie das Produkt oder die Leistung bei einem Kunden erfolgreich angewendet haben. Ihr Kunde muss mit einer packenden Story gefesselt werden. Eine simple Ansammlung von Fakten ist emotional genauso aktivierend wie ein Klumpen Aluminium. Formen Sie aus Aluminium ein ansprechendes Auto, spricht es den Käufer an. Formen Sie aus der Faktensammlung eine Story, spricht es Ihren Kunden an. Es geht darum, den Kunden für wenige Minuten mit auf eine kleine gedankliche Reise bezüglich einer wahren Begebenheit einzuladen und mitzunehmen. Nutzen Sie einfach das folgende Muster, um Ihre Kundengeschichten derart zu platzieren, dass Ihr Kunde gar nicht anders kann, als Ihnen gebannt zuzuhören.
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• Situation: Wie war die Situation bei Ihrem Kunden, bevor Sie Ihre Lösung eingesetzt haben? • Verhängnis: Was wäre im Negativen passiert, wenn Ihr Kunde nichts verändert hätte? Wo hätte er Umsatz verloren, welche Kosten wären entstanden? Hätte er Zeit verschwendet? Hätte er Möglichkeiten ausgelassen, seine Reputation zu steigern? Wären seine Prozesse umständlich, zeit- und kostenintensiv geblieben? • Wendung: Welchen Nutzen haben Sie Ihren Kunden bereits mit Ihrer Lösung gebracht? Wie konnten Sie das messen? Wie konnte er das bemerken? Was lief bei der Implementierung gut, was lief schlecht (Medaillen-Prinzip) – was haben Sie daraus gelernt? • Happy End: Wie ist es heute, nachdem er Ihre Lösung bereits eingesetzt hat? Beschreiben Sie bildhaft, was Sie gesehen haben. Warum? Ich habe eingangs davon gesprochen, dass die Geschichte ehrlich und packend sein muss. Die Ehrlichkeit erreichen wir dadurch, dass Sie nur Geschichten erzählen, die tatsächlich stattgefunden haben und dem MedaillenPrinzip folgen. Ihr Gegenüber packen Sie, indem Sie es schaffen, dass vor dem geistigen Auge Ihres Gesprächspartners Bilder entstehen. Der Kunde muss sich den Einsatz Ihrer Lösung mit eigenen Bildern vorstellen. Gehen Sie also für Ihre drei wichtigsten, erzählenswerten Kundenerlebnisse die Phasen „Situation“, „Verhängnis“, „Wendung“ und „Happy End“ durch und beschreiben Sie, was Sie dort erlebt haben. Wenn Sie diesbezüglich in der Champions-League mitspielen möchten, dann schreiben Sie zu den jeweiligen Phasen auf, was Sie erlebt haben. Daraus entwerfen Sie Ihre Top-3-Kundenstorys.
Anzahl der Mitarbeiter, die im Trainingsprogramm teilnehmen werden [MA]: 10
Anzahl der Arbeitstage des Unternehmens p.a. [AT]: 220
Umsatz, der durch diese Mitarbeiter p.a. generiert wird [U]: 40.000.000 €
Deckungsbeitrag, der durch diese Mitarbeiter bisher generiert wird [DB-alt]: 12 % | 4.800.000 €
Deckungsbeitrag pro Tag für den Teilnehmerkreis [DB p.Tag.]: 4.800.000 € / 220 ~ 22.000 €
Anzahl der Arbeitstage, die die Mitarbeiter durch die Teilnahme am Programm nicht arbeiten können x DB pro Tag [DB-Ausfall]: 8 x 22.000 € = 176.000 €
Finanzielle Kosten für das Trainingsprogramm [Invest]: 50.000 €
Gesamtinvestition für das Training [Tr-Inv]: 176.000 € + 50.000 € = 226.000 €
Nach der Investition seitens des Kunden [sprich: nach dem Kauf der in diesem Beispiel dargestellten Dienstleistung]:
Angenommene Umsatzsteigerung nach Training [in %] [U-steig]: 5 %
Angenommene Steigerung des Deckungsbeitrags nach Training [in %] [DB-steig]: 1 %
Umsatz nach dem Training [absolut, p.a.] [U-neu]: 42.000.000 €
Deckungsbeitrag nach dem Training [DB-neu absolut, p.a.]: 42.000.000 € * 13 % = 5.460.000 €
Amortisation: 5.460.000 € [DB-neu] - 4.800.000 € [DB-alt] - 226.000 € [Tr-Inv] = 434.000 € [Zusätzliches Ergebnis nach 1. Jahr] [DB-neu] – [DB-alt] + [Ergebnis nach 1. Jahr] = [Zusätzliches Ergebnis nach 2. Jahr] usw.
Abb. 4.2 ROI-Berechnung am Flipchart
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Zurück zu meinem Beispiel des Maschinenbauunternehmens. Es hörte sich in etwa so an: Nachdem ich erklärt hatte, was ich mache (Stärken), dargestellt hatte wie ich das mache (Erläuterung) und ich den messbaren Nutzen für das Unternehmen verdeutlicht habe (Nutzen) kam ich also zum nächsten Punkt, dem Beweis. Das Medaillen-Prinzip hatte ich schon beim Quantifizieren des Nutzens klar dargestellt, indem ich offen darlegte, wie teuer eine Trainingsmaßnahme für ein Unternehmen insgesamt ist. Berechnet man sämtliche Kosten, wird schnell klar, dass ein essenzieller Teil der Kosten durch den Arbeitsausfall der Teilnehmer entsteht. Das wird oft verschwiegen. Nichtsdestotrotz wollte ich auch beim Beweis beide Seiten offen darlegen. Ich führte daher eine Kundenreferenzstory an, die ich erlebt habe und die genau auf den Punkt bringt, was mein Trainingsprogramm bringt. Ich leitete die Story folgendermaßen ein: „Meine Herren, ich kann mir gut vorstellen, dass Sie sich die Frage stellen, ob das denn so alles stimmt, was ich hier so von mir gebe. Möchten Sie dazu einen kurzen wahren Erfahrungsbericht hören?“ Sie erhalten auf diese Frage immer ein „Ja“. Ich fuhr fort: „Es handelt sich um ein Trainingsprojekt bei einem großen mittelständischen Stahlhersteller. Das Unternehmen befand sich in einer prekären Lage – der aktive Vertrieb wurde jahrelang vernachlässigt“. Stellen Sie sich nun Folgendes vor: Ich stehe im sogenannten ‚gelben Salon‘ der Firma. Der gelbe Salon ist ein großer Besprechungsraum des Unternehmens, in dem ich das Programm mit den Vertrieblern und Chefs durchgeführt habe. Der Name rührt von einem gelben Teppich, den Sie sich in einem ungefähr 20 × 15 m großen Raum vorstellen. Eine Seite ist mit schwarzer Eiche verkleidet, die anderen Seiten sind verglast. Der Raum ist sehr edel eingerichtet inklusive der bronzefarbenen Büste des Firmengründers vorne rechts in der Ecke. Die Teilnehmer stehen gerade im Training, wir haben eine aktive Schlussphase, in der ich mit jedem Teilnehmer noch mal die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Trainingsprogramm durchgehe. Zu guter Letzt ist der Vertriebschef des Unternehmens an der Reihe, Wieland Zürner. Er ist ungefähr zwei Meter groß, Jahrgang 1951, hat längere grauweiße Haare, ein Mann wie ein Baum. Er steht mir gegenüber, wir schauen uns in die Augen und er sagt: ‚Herr Kober, eins muss ich Ihnen mal ganz ehrlich sagen. Zwei Dinge stören mich massiv an diesem Programm. Zum einen,
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dass wir insgesamt acht Mal zusammenkommen mussten, um das Ergebnis hier zusammenzubringen – summieren Sie mal alleine den Arbeitsausfall der Mannschaft!‘ Es ist still im Raum, keiner sagt einen Ton. Ich höre ihm weiter zu und denke mir insgeheim: ‚Was soll das denn jetzt?‘ Ich wollte gerade Luft holen, um seinen Einwand zu entkräften, da legt er nach: ‚Nein, Herr Kober, warten Sie, ich bin noch nicht fertig. Der zweite Punkt, der mich wirklich am meisten stört und mich massiv ärgert, ist …‘ (es folgt eine lange Pause), ‚dass wir Sie und Ihr Programm nicht schon 20 Jahre eher kennengelernt und gebucht haben!‘“ Im Kundengespräch führe ich dann meist weiter an: „Sollten Sie jetzt immer noch Zweifel haben, dass das Programm auch für Sie massive spürbar positive Ergebnisse bringen wird, dann rufen Sie einfach direkt bei Wieland Zürner an. Er wird Ihnen berichten, dass das Programm messbare bessere Vertriebsergebnisse bringt.“ Diese Geschichte ist wahr. Ich verwende sie gerne, um bei meinen Kunden zu verdeutlichen, dass natürlich auch meine Kunden bei meinem Programm negative Aspekte sehen – nämlich häufig die Länge des Programms. Wenn man nachhaltig spürbare Effekte erleben möchte, dann reicht nun mal ein „Zwei-Tage-Motivationsseminar“ nicht aus, um die gesamte Vertriebsmannschaft grundlegend neu auszurichten und zukunftssicher zu machen. Eine überzeugende Präsentation der Lösung, die Sie für den Kunden erarbeitet haben, wird entscheidend sein für das, was in seinem Unterbewusstsein passiert. Wenn Sie von Ihrer Lösung überzeugt sind und für den Kunden wichtige Probleme lösen können, die ihn wirklich bewegen, dann haben Sie schon einen deutlichen Vorsprung vor Ihren Mitbewerbern. Bei Ihrer wirkungsvollen Präsentation fokussieren Sie sich stark da rauf, was der Kunde im Erkundungsschlüssel als wichtig deklariert hat. Das klingt banal und selbstverständlich und wird doch so selten richtig angewendet. Üblicherweise konzentrieren sich die Vertriebler auf die Fachgebiete, in denen sie sich wohl fühlen, sehr selten wird die Brücke zu dem geschlagen, was den Kunden wirklich am Herzen liegt. Achten Sie darauf! Legen Sie sich die Antworten aus dem Erkundungsschlüssel in Ihr Sichtfeld, während Sie am Flipchart, Whiteboard etc. stehen. Dadurch haben Sie immer im Blick, worauf Sie eingehen müssen, damit der
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Kunde an Ihren Lippen klebt. Wenn Sie dann noch die Nomenklatur des Kunden beachten, also exakt seine Fachbegriffe benutzen, dann erkennt er sich in dem wieder, was Sie präsentieren. Dennoch gilt: Egal, wie gut Sie präsentieren, natürlich wird der Kunde versuchen, den Preis zu reduzieren. Damit kommen wir zum nächsten Element des Marktführer-Vertriebsprinzips, der Wand.
4.2.7 Die Wand: Einwandbehandlung Mein Vater ist Schwabe, er war über 40 Jahre lang Viehhändler und hat mit Landwirten sein Geld verdient. Ich war bei vielen Verhandlungsgesprächen dabei – im Schweinestall, auf der Weide, in der „Gutsküche“ des Bauernhofs, ja selbst auf der Laderampe des Transport-Lkws. Ich habe verstanden, was er mit dem Spruch meinte: „Wer mit Bauern mal Geld verdient hat, der wird nie wieder arm.“ Ich schätze die Arbeit von Landwirten sehr. Allerdings habe ich insbesondere bei Großgrundbesitzern nie verstanden, warum der neueste Traktor in der Scheune steht, man aber beim Einkaufspreis für die Tiere derart versucht, den Preis zu drücken, als ginge es um das eigene Leben. Ich behaupte: Der Preiseinwand wurde von einem schwäbischen Landwirt erfunden. Und jeder weiß, dass bei Preisverhandlungen extrem gelogen und geblufft wird. Auch bei Preisverhandlungen helfen Klartext und die richtigen Fragen. Sowohl der Verkäufer als auch der Kunde laufen wortwörtlich zur Höchstform auf, wenn es darum geht, an den Haaren herbeigezogene Geschichten zu erzählen, um die eigene Verhandlungsposition – in den meisten Fällen vermeintlich – zu verbessern. Das ist auch der Grund, warum Verhandlungen so kräftezehrend sind. Wie bereits erwähnt, verbraucht das Ausdenken von konsistenten, aber gelogenen Geschichten enorm viel Energie, die uns an anderer Stelle wieder fehlt. Zum Beispiel, wenn es darum geht, ehrlich die beste Lösung für beide Seiten zu erarbeiten. Daher sollten wir uns keine Geschichten ausdenken, sondern auf den Preiseinwand klar und deutlich reagieren. Schauen Sie sich hier ein unrühmliches Beispiel für die Reaktion auf einen Preiseinwand an.
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Beispiel Stellen Sie sich Folgendes vor: Die Trainingsgruppe – bestehend aus zwölf gestandenen Vertrieblern – ist in einem Seminarraum eines Unternehmens, das ich schon seit Jahren vertriebsseitig begleite. Grauer Teppich, vorne steht ein schwarzes digitales Whiteboard. Es ist Dienstagmorgen, 8:30 Uhr. Ich beginne das Training und auch in diesem Fall werde ich nicht von einem Teilnehmer, der bereits alles zu wissen glaubt, verschont. Er startet die erste Wortmeldung mit: „Ich weiß gar nicht, was ich hier soll, ich mache seit über 20 Jahren Vertrieb. Was soll ich denn jetzt noch lernen? Ich würde lieber rausgehen und verkaufen!“ Ich antworte: „Das ist ja ein Glücksfall! Prima! Das finde ich erstklassig, dass wir jemanden an Bord haben, der auf so viel Vertriebserfahrung zurückgreifen kann. Dann lass‘ doch die Gruppe davon partizipieren. Wir machen nun Folgendes: Ich bin Kunde, Du bist Verkäufer. Ich sage dir gleich, dass dein Angebot deutlich zu teuer sei. Dann werden die Gruppe und ich sehr gespannt sein, wie du darauf gekonnt reagierst. Einverstanden?“ Meine Äußerung wurde von ihm mit dem „Reh-Effekt“ (große Augen machen), dicht gefolgt vom „Hamster-Effekt“ (dicke Backen machen) quittiert. Das simulierte Preiseinwand-Gespräch startet. Ich: „Vielen Dank für Ihr Angebot, es macht einen guten Eindruck, aber preislich kommen wir leider nicht zusammen, Sie sind viel zu teuer!“ Verkäufer: „Also, Herr Kunde, ich bitte Sie! Vergleichen Sie den Preis doch mal mit dem Preis eines Flugzeugträgers!“ Ich schaue ihn an und frage ihn ungläubig, was der Kunde denn üblicherweise auf diese Bitte antwortet. Daraufhin er: „Der Kunde sagt dann, dass er allerdings keinen Flugzeugträger zu kaufen gedenkt.“ Ich fahre fort mit der folgenden Frage an ihn: „Ja, und was bringt dir das dann? Wie geht das Gespräch weiter?“ Er: „Ja, üblicherweise sage ich dem Kunden dann, dass wir über den Preis dann doch nochmal reden können.“
Zur Ehrlichkeit bei der Nennung des Preises gehört auch, dass man beim ersten Angebot nicht versucht, den Kunden zu übervorteilen. Der erste Angebotspreis muss ein Wert sein, bei dem beide Seiten Freude an dem Geschäft haben. Als Vertriebstrainer nehme ich stets die Rolle ein, dass der Kunde einen angemessenen Preis für eine adäquate Leistung zu bezahlen hat. Der Verkäufer hat ihm aber auch klar zu machen, warum er bei seiner Firma einen höheren Preis bezahlen sollte als beim Mitbewerb. Der exzellente Verkäufer rechnet es dem Kunden live im Gespräch am Flipchart vor.
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Offen und ehrlich kann dieser Verkäufer dem Kunden dann zeigen, warum es sich lohnt, bei ihm zu kaufen, trotz des höheren Preises im Vergleich zum Mitbewerb. Der Verkäufer sollte es tunlichst unterlassen, das „hohe Lied des Klagens“ anzustimmen. Niemanden interessiert, dass „am Preis nun wirklich nichts mehr geht“, „auch unsere Kosten gedeckt werden müssen“, „die Preise aber nun wirklich sauber kalkuliert wären“ oder zu erwähnen, dass man nochmals in die Kalkulation gehen müsse. Die letzte Variante ist eine der schlechtesten Reaktionen auf einen Preiseinwand. Der Kunde weiß dann ganz genau, dass der Verkäufer sich anscheinend beim ersten Angebot keine große Mühe gegeben hat oder – noch schlimmer – versucht hat, ihn zu übervorteilen. Natürlich könnte der Verkäufer respektive der Anbieter den Preis in den meisten Fällen noch senken. Er ist aber meistens schlicht und ergreifend nicht bereit dazu – und das ist auch nicht verwerflich. Nur hat kaum ein Verkäufer die dazu eigentlich gar nicht notwendige Chuzpe, das auch so zu benennen: „Natürlich könnten wir den Preis noch weiter senken. Das wäre allerdings damit verbunden, dass dieses Geschäft für unser Unternehmen abträglich wäre – und ein redliches Geschäft bedeutet, dass beide Seiten – Anbieter und Kunde – davon profitieren. Ich lade Sie ein, dass wir gemeinsam noch einmal den Mehrwert quantifizieren – hier und jetzt mit Ihren Annahmen. Einverstanden?“ Das wäre eine entwaffnende und ehrliche Antwort auf die Frage, was am Preis denn noch zu machen sei. Wenn Sie im Rahmen der SENF-Formel bereits den Nutzen schlagkräftig quantifiziert haben, bewegen Sie sich bereits auf einer stabilen Basis der Überzeugung und nutzen damit ein gutes Fundament für die Preiseinwandbehandlung. Weiterhin ist es durchaus sinnvoll, zu Beginn einer Verhandlung dem Verhandlungspartner offen zu sagen, dass man nun gegenseitig in den Part der Verhandlung einsteigt und Sie ein Ergebnis erzielen möchten, mit dem beide Seiten Freude am Geschäft haben. Deswegen könnten Sie es verstehen, wenn Ihr Verhandlungspartner die „Schmerzgrenze“ nicht offen darlegt – Sie möchten das ebenso nicht. „Ich lade Sie ein, lassen Sie uns das Ergebnis finden, das uns beiden Freude bereitet!“ – Damit könnte der Part der Verhandlung starten. Das (T)arget müssen Sie nun nicht mehr in aller Offenheit zur Schau tragen – Sie haben im Vorfeld ehrlich darauf hingewiesen, dass weder Sie
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noch Ihr Verhandlungspartner das zu diesem Zeitpunkt des Gesprächs möchten, was völlig legitim, ehrlich und offensichtlich ist. Auf die eben dargestellten Formulierungen, die Sie natürlich Ihrem Duktus anpassen, folgt dann eine saubere Amortisationsberechnung in Form der Nutzenquantifizierung. Sie untermauern damit unter Zuhilfenahme der Annahmen des Kunden den Mehrwert Ihrer Leistung respektive Ihres Produkts (s. Abb. 4.2). Im Übrigen: Sie sollten zumindest innerlich vor Freude strahlen, wenn Sie einen Preiseinwand erhalten. In sehr vielen Fällen ist der Preiseinwand ein wunderbarer Indikator, dass der Kunde grundsätzlich Interesse hat. Sonst würde er sich gar nicht weiter mit Ihnen und Ihrem Produkt beschäftigen. Die meisten Verkäufer reagieren innerlich völlig falsch, indem sie brüskiert und verärgert sind. Die gegenteilige Reaktion ist die richtige. Das nächste Mal, wenn der Kunde etwas am Preis auszusetzen hat, denken Sie bitte einfach: „Klasse! Bis hierhin habe ich alles richtig gemacht!“ Es ist relativ einfach, den Preis zu verteidigen. Um einen Preiseinwand ehrlich zu behandeln, müssen wir im Grunde nichts weiter tun, als ein paar geschickte Fragen in der richtigen Reihenfolge zu stellen. Sie wissen, dass ich gerne mit Bildassoziationen arbeite – ich wende das auch bei der Preiseinwandbehandlung an. Wenn der Kunde Ihnen signalisiert, Sie seien angeblich zu teuer, können Sie mit Bildassoziationen ganz schnell und einfach auf das folgende Prinzip zurückgreifen, ich nenne es möglichst „diplomatisch“ die Preisattacke! Wenn der Kunde Ihnen signalisiert, Sie seien zu teuer, gilt folgendes Prinzip: Weich zur Person, hart in der Sache. Merken Sie sich zur Preisattacke einfach folgendes Bild: 1 . Ein Apfel liegt auf einem … 2. … Armaturenbrett im Auto. 3. Hinter der Windschutzscheibe klemmt ein rotes Nummernschild. 4. Das Auto steht auf einem großen Firmenparkplatz. 5. Links neben dem Auto steht ein Mann mit ausgebreiteten Armen. 6. Auf dem linken Arm sehen Sie eine Ladeneingangstür. 7. Auf dem rechten Arm einen Geldsack. 8. Vor dem Auto steht ein Mann mit einem Hochdruckreiniger. 9. Auf der Motorhaube finden Sie ein grünes Paragrafenzeichen.
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Dieses Bild mag Ihnen abstrus erscheinen. Das ist notwendig, wenn Sie sich ein derartiges Bild auch in Stresssituationen in Erinnerung rufen möchten. Die folgenden Fragen bzw. Hinweise stehen hinter den einzelnen Bildelementen: 1. Der Apfel steht metaphorisch für den Vergleich. Vergleicht der Kunde Äpfel mit Äpfeln oder Äpfel mit Birnen? Sie stellen also mit der folgenden Frage sicher, dass der Kunde auch wirklich Vergleichbares gegenüberstellt. Die Frage ist einfach, im Grunde banal und muss zum Standardrepertoire eines Verkäufers gehören. Sinngemäß lautet sie: „Werter Herr Kunde, dass Sie Preise vergleichen, ist Ihr gutes Recht, ich würde es ähnlich handhaben. Damit wir sicherstellen, dass wir vom Selben reden: Womit genau vergleichen Sie?“ Nun gibt es zwei Reaktionsmöglichkeiten des Kunden. Entweder wird er – wenn er ehrlich ist – zugeben, dass das Produkt und die Leistungen rund um das Produkt ähnlich sind, aber nicht hundertprozentig gleich. Sobald wir nicht von DIN-Normteilen sprechen, tauchen immer Unterschiede auf, auch wenn sie häufig nicht essenziell sind. Jedoch können bekanntermaßen bereits kleine Unterschiede in der Spezifikation eine große Wirkung auf den spezifischen Kundenmehrwert haben. Die zweite Reaktionsmöglichkeit ist, dass der Kunde natürlich darauf beharrt, dass die Produkte komplett identisch sind, sich allerdings nur im Preis unterscheiden. Das ist zwar häufig gelogen, doch wenn Sie den Kunden an dieser Stelle der Lüge bezichtigen, können Sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den Rest der Preiseinwandbehandlung sparen. Daher wählen wir eine andere Handlungsalternative, ich empfehle die folgende. 2. Das Armaturenbrett repräsentiert die Ausstattungsmerkmale des Produkts. Sie hinterfragen beim Kunden, ob die Spezifikationen des Produkts und das, was alles inkludiert ist, beim Vergleichsprodukt vom Mitbewerb auch geleistet und geliefert werden. Sie bohren im wahrsten Sinne des Wortes aktiv nach, ob das Leistungsportfolio des Vergleichsangebots die Punkte, die dem Kunden wichtig waren, gleichermaßen gut erfüllt. In diesem Punkt werfen Sie noch einmal einen Blick auf die Antworten des Kunden, die er im Erkundungsschlüssel
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genannt hat, und hinterfragen, ob der Mitbewerb diese Punkte zu 100 % gleichwertig erfüllt. 3. Das rote Nummernschild repräsentiert die „Liefer- und Service bedingungen“. Sie hinterfragen beim Kunden, ob der Mitbewerb ähnliche Lieferbedingungen anbieten kann. Ähnlich verhält es sich mit den Servicebedingungen: Sie fragen den Kunden, ob der Service beim Mitbewerb das leistet, was Ihr Service bietet. Sie hinterfragen, ob die dem Kunden elementar wichtigen Punkte erfüllt werden. 4. Der Firmenparkplatz, auf dem das Auto vor dem geistigen Auge steht, repräsentiert den Mehrwert durch Ihre Firma. Sie fragen den Kunden, was es ihm wert ist, dass das Produkt bzw. die Leistungen von Ihrer Firma erbracht werden. Hat Ihre Firma in dem angebotenen Umfeld bereits irgendwelche namhaften Auszeichnungen oder außergewöhnliche Leistungen erbracht, die dem Kunden beweisen, dass Sie in dem Umfeld eine ausgewiesene Expertise haben? Wenn Sie das verdeutlicht haben, dann hinterfragen Sie, ob der Mitbewerb eine ähnlich belastbare Expertise in diesem Umfeld aufweisen kann. 5. Der Mann mit den ausgebreiteten Armen steht für den Verkäufer. Was ist es dem Kunden wert, dass Sie beide das Geschäft miteinander umsetzen? Wie zufrieden ist der Kunde mit Ihrer Leistung als Verkäufer, bringt der Kollege/die Kollegin vom Mitbewerb dieselbe Leistung, besteht dort ein ähnliches Vertrauensverhältnis? Spätestens bei dieser Frage bemerke ich mit schöner Regelmäßigkeit im Trainingsraum ein leichtes Grummeln und spüre Skepsis, die durch den Raum wabert. Die latente Frage der Verkäufer ist dann, ob man dem Kunden eine derartige Frage wirklich stellen kann. Die klare Antwort ist: Ja. Sie können bei jeder Antwort des Kunden nur gewinnen. Ist er mit Ihnen nicht zufrieden, können Sie nachfragen, was die Ursache dafür ist. Ist er zufrieden, untermauern Sie noch einmal, dass auch Ihre Leistung nicht kostenfrei ist, sondern eine gute Beratungsleistung eben auch Geld kostet. Die dritte Variante ist, dass der Kunde mit Ihnen zufrieden ist, aber auch dem Mitbewerb eine gute Leistung bescheinigt. Dann gehen Sie einfach zum nächsten Punkt. 6. Die Ladeneingangstür auf dem linken Arm des Mannes steht für die Frage: „Unter welchen Voraussetzungen kommen wir ins Geschäft?“
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Sollte der Kunde bis zum Punkt fünf immer wieder geantwortet haben, dass der Mitbewerb dort eine ähnlich gute oder gar bessere Leistung bringt, dann gibt es eine recht hohe Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Gegenüber zumindest teilweise blufft. Natürlich können Sie das Ihrem Verhandlungspartner nicht direkt spiegeln, aber Sie können weitere Fragen stellen. Entweder geht der Kunde nun einen ersten Schritt in die Richtung des Kompromisses, oder er bleibt hart und besteht auf seiner Eingangsforderung, dass der Preis partout gesenkt werden müsse. Sollte das Letztere der Fall sein, gehen Sie zum nächsten Bildelement. 7. Dies ist bekanntermaßen der Geldsack auf dem rechten Arm des Verkäufers, dieser steht weniger für eine Frage als vielmehr für eine Erkenntnis für Sie: Wenn Sie bis zu diesem Punkt gelangt sind, dann handelt es sich hier um einen reinen Preiseinwand – oder um einen Vorwand. Den Vorwand entlarven sich schnell, indem Sie folgende Frage stellen: „Nehmen wir an, ein anderer Anbieter böte exakt dasselbe Leistungsportfolio wie wir und würde auf Ihren Preiswunsch eingehen, würden Sie dann bei dieser Firma kaufen, ist der Preis der alleinige Grund?“ Schwadroniert der Kunde nun, wissen Sie, dass der Preis nicht der eigentliche Kaufhinderungsgrund ist, denn dann würde der Kunde sofort zustimmen. In diesem Fall hinterfragen Sie, welche anderen Gründe es noch gibt, dass der Kunde zögert. Sollte der Kunde allerdings mit einem klaren „Ja“ zustimmen, dann gehen Sie zum nächsten Schritt. 8. Der Mann, der mit dem Hochdruckreiniger vor dem Auto steht, steht metaphorisch für die Zusatzdienstleistungen. Bevor Sie also den Preis reduzieren (gesetzt den Fall, Sie möchten das), bieten Sie dem Kunden eine Zusatzdienstleistung an. Das kann bei Maschinen eine Inspektion sein, das kann bei Dienstleistungen eine weitere kleine Leistung sein, die Sie kostenfrei zusätzlich hinzu geben. Eine Frage dazu könnte derart lauten: „Nehmen wir an, ich wäre bereit, Ihnen die Leistung XY kostenfrei hinzuzugeben, kämen wir dann ins Geschäft?“ Egal, was Sie anbieten, sei es eine Zusatzdienstleistung oder wenn Sie im letzten Schritt sogar noch marginal den Preis reduzieren, gilt es immer und ohne Ausnahme, den folgenden und letzten Schritt zu beachten:
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9. Das Paragrafenzeichen steht für das Gesetz in jeder Verhandlung. Sie geben niemals etwas heraus, ohne etwas dafür zu verlangen. Das bedeutet, dass Sie sowohl eine Zusatzdienstleistung als auch ein Entgegenkommen beim Preis mit etwas verbinden, was für Sie als Lieferfirma etwas wert ist. Somit gehört zu einer guten Vorbereitung für ein Kundengespräch immer, dass Sie sich über Ihre Tauschobjekte im Klaren sind. Ich nenne es auch die „Schacherliste“. Auf dieser Liste stehen Punkte, die Sie vom Kunden einfordern, die Ihrer Firma wiederum einen Mehrwert bringen. Das können höhere Losgrößen sein, kürzere oder längere Lieferzeiten, die Ihrer Produktion wieder effizienzseitig zugutekommen könnten. Es können Empfehlungen sein, bei denen Ihr Kunde Sie in seinem Firmennetzwerk bekannt macht, die Sie dann als Gegenleistung einfordern. Es können Testimonials sein, die der Kunde Ihnen gibt. Ihrem Ideenreichtum sind dort keine Grenzen gesetzt. Gute Tauschobjekte bringen Ihnen als Lieferfirma deutlich mehr, als es Ihren Kunden an Aufwand oder Geld kostet. Dann hat so ein „Tausch“ für beide Seiten Sinn. Eine gute Preiseinwandbehandlung läuft hart, offen und ehrlich ab. Der mit Abstand wichtigste Punkt ist aus meiner Sicht, dass der Verkäufer sich des Nutzens seiner Leistung respektive seines Produkts im Klaren ist. Der Verkäufer muss davon überzeugt sein, dass er mit seinem Produkt oder mit seiner Dienstleistung die wichtigen Punkte des Kunden behandelt und einen spürbaren Mehrwert bringt. Nur dann ist er auch in der Lage, den Preis authentisch zu verteidigen. Ein guter Verkäufer kann Unehrlichkeit auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches aushalten und entlarvt diese nicht etwa, indem er darauf hinweist, sondern indem er die richtigen Fragen stellt. Mit der Preisattacke biete ich Ihnen dazu einen galanten und von meinen Teilnehmern und mir hundertfach erprobten Weg an.
4.2.8 Die Zielscheibe: Abschluss Nehmen wir also an, Sie hätten den Preiseinwand derart pariert, dass Sie eine Einigung erzielen konnten. Kommen wir zum vorletzten Punkt aus dem Marktführer-Vertriebsprinzip, der allerdings nicht minder wichtig
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ist. Häufig passiert es Verkäufern, dass sie einen entscheidungswilligen Kunden zurücklassen und die Entscheidung vertagen, schlicht und ergreifend deshalb, weil sie Angst haben, sie könnten bei der direkten Frage nach dem Abschluss ein „Nein“ kassieren. Auch in diesem Fall hilft Klartext. Zum Schluss des Verkaufsprozesses bzw. des Verkaufsgesprächs, weise ich den Kunden darauf hin, dass mir nichts ferner liegt, als nun hanebüchene Abschlussmethoden aus dem Strukturvertrieb anzuwenden. Einige von Ihnen werden das Mittel der Ja-Kette kennen. Mit einer Reihe von Suggestivfragen versucht der Verkäufer mit dieser Methode, möglichst viel Zustimmung vom Kunden zu erlangen, damit der Kunde am Ende auch bei der Abschlussfrage zustimmt. Schande über die Strukturvertriebler, die sich solcher Methoden in Ermangelung ehrlicher Alternativen bedienen müssen. An dieser Stelle können Sie das Medaillen- Prinzip blendend einsetzen. Ein aus meiner Sicht ehrbarer, weil ehrlicher Weg ist hingegen der von mir sogenannte Pro-/Contra-Abschluss. Ich frage den Kunden, ob es für ihn in Ordnung sei, dass ich zum Schluss die Punkte nochmals übersichtlich zusammenfasse. Ich gehe also wieder ans Flipchart bzw. Whiteboard (oder zur selbstklebenden Folie) und zeichne ein T-Konto auf. Über der linken Seite steht ein Plus-Zeichen, dort werden alle Argumente aufgelistet, die für eine Zusammenarbeit sprechen. Über der rechten Seite ist ein Minus-Zeichen vermerkt, dort werden die Gegenargumente aufgelistet. Anschließend erwähne ich, was ich als für ihn wichtigsten Punkt verstanden habe und wie wir diesen mit meinem Ansatz lösen. Ich frage ihn, ob ihn das überzeugt. Wenn ja, dann schreibe ich den Punkt auf der Plusseite auf. Wenn nein, dann können wir an diesem Punkt noch einmal möglicherweise sogar verdeckte Bedenken des Kunden besprechen. Wenn es sinnvoll ist, dann schweife ich an dieser Stelle noch mal in die SENF- Formel ab und stelle den Nutzen für den Kunden dar. Dann fahre ich mit der „Minusseite“ fort und frage ihn, welche Punkte aus seiner Sicht gegen eine Zusammenarbeit sprechen. Es könnten Punkte angeführt werden wie beispielsweise der Preis oder die Lieferzeit oder technische Themen. Somit erhalten Sie zum Schluss nochmal alle Einwände auf dem Silbertablett präsentiert und können Sie Schritt für Schritt besprechen, bestenfalls entkräften.
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Am Ende frage ich den Kunden dann offen, welche Seite aus seiner Sicht schwerer wiegt. Wenn Sie dem Kunden während des Verkaufsprozesses sehr gut zugehört haben, dann gibt es an dieser Stelle im Grunde nur eine Möglichkeit: Dass der Kunde zumindest innerlich zu Ihrem Angebot „Ja“ sagt. Wenn seine Anforderung und Ihre Leistung nämlich nicht zusammenpassten, dann wäre das spätestens zum Ende des Erkundungsschlüssels aufgefallen, und Sie hätten als ehrlicher Anbieter bereits dort klar angezeigt, dass Sie nicht der Richtige für diese Anforderung des Kunden sind. Wenn dann noch der Preiseinwand ein Hinderungsgrund gewesen wäre, dann wäre die Preiseinwandbehandlung nicht erfolgreich gewesen. Wenn beide Punkte erfolgreich passiert wurden, dann ist der Pro-/Contra-Abschluss im Grunde nur die Folge eines gut geführten Verkaufsprozesses, an dessen Ende der Kunde und Sie als Gewinner stehen. Mit dieser Methode zeigen Sie wieder offen beide Seiten der Medaille – und bauen ehrliches Vertrauen auf. Ich wiederhole es noch einmal: Natürlich werden Sie damit nicht jede Anfrage in einen Auftrag umwandeln, aber durch die konsequent ehrliche Fragestellung und Präsentation erfahren Sie entweder früher, ob Sie prinzipiell ins Geschäft kommen können oder nicht, und wenn Sie ins Geschäft kommen können, dann steigt die Zusage-Wahrscheinlichkeit um ein Vielfaches, wenn Sie diesen Weg stringent verfolgen. Dieser Abschluss gehört zum konsequent ehrlichen Finale eines Verkaufsprozesses mit Klartext.
4.2.9 D er zweite Handschuh: Eliminieren Sie Zweifel an der Entscheidung Damit kommen wir zum letzten Bildelement, zum zweiten Handschuh. Denken Sie an Ihre letzte private Investitionsentscheidung zurück, bei der Sie einen veritablen Betrag ausgegeben haben. Welche Emotionen spürten Sie, direkt nachdem Sie die Entscheidung getroffen hatten? Üblicherweise nehmen wir zwei gegensätzliche Emotionen wahr. Auf der einen Seite Freude und Erleichterung, dass die Entscheidung getroffen wurde, denn Entscheidungen verschlingen enorme „Denkenergie“ und belasten uns. Auf der anderen Seite sind jedoch so manches Mal
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auch Zweifel vorhanden. Wir hinterfragen, ob das wirklich die richtige Entscheidung war – „hätte es nicht noch einen besseren, günstigeren Anbieter dafür gegeben?“. Die Aufgabe des herausragenden Verkäufers ist es, nicht nur Interesse zu wecken, die richtigen Fragen zu stellen, hirngerecht zu präsentieren etc. Es ist auch seine Aufgabe, ein gutes Gefühl zu erzeugen, das auf ehrlichen Annahmen beruht. Durch Klartext-Fragen finden Sie bereits im Erkundungsschlüssel heraus, ob Sie der richtige Anbieter für den Kunden sind – oder nicht. Sollten Sie diese Frage mit „nein“ beantworten, steigen Sie an dieser Stelle aus, wenn Sie konsequent sind. So erwähne ich beispielsweise in meinen Kundengesprächen gleich zu Beginn, dass ich mich wirklich auf dieses Gespräch freue, es aber durchaus sein kann, dass wir es nach 15 Minuten beenden, nämlich genau dann, wenn ich der Meinung bin, dass ich das Problem des Kunden nicht bestmöglich lösen kann. Das kommt üblicherweise dann vor, wenn es dem Kunden ausschließlich darum geht, Konflikte zwischen internen Abteilungsleitern zu lösen und es kaum Bezug zu vertrieblichen Fragestellungen gibt. Dann braucht der Kunde einen Mediator – und das kann ich nicht. Punkt. Klare Kante eben. Wenn ich das gleich zu Beginn – freundlich und bestimmt – erwähne, ernte ich meistens verblüffte Gesichter. Beispielgeschichte dazu gefällig? Beispiel Zwei Vorstandsmitglieder einer AG und ich sind im Ersttermin im verglasten Besprechungsraum. Nach der freundlichen Begrüßung und meiner Frage, worauf sich die Herren in den nächsten sieben Tagen am meisten freuen, sage ich Folgendes: „Meine Herren, ich möchte gleich zum Punkt kommen. Ich freue mich sehr auf das Gespräch mit Ihnen, möchte aber auch erwähnen, dass es bereits nach 15 Minuten vorbei sein kann und ich nicht einmal Ihren vermutlich köstlichen Kaffee leertrinken werde. Das passiert dann, wenn ich merke, dass ich nicht vollends überzeugt bin, die beste Lösung für Ihr Problem zu haben. Dazu möchte ich ein paar Fragen durchgehen, einverstanden?“ Die beiden Vorstände schauten ein wenig verdutzt. Dann antwortete einer der beiden: „Herr Kober, ich hoffe, dass Sie auch noch die zweite Tasse bei uns trinken.“ Es kam zur zweiten Tasse und zu einem für beide Seiten äußerst erfolgreichen Projekt.
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Auch hier half Klartext gleich zu Beginn, um Vertrauen aufzubauen. Dem Schema des Marktführer-Vertriebsprinzips folgend, stelle ich diese Frage nach dem Interessewecker und vor dem Erkundungsschlüssel. Das alles gehört mit dazu, wenn es darum geht, ein gutes Gefühl auf einer ehrlichen Basis zu erzeugen. Der letzte Handschuh berücksichtigt eine Erkenntnis des Nobelpreisträgers Daniel Kahneman. Kahneman hat einen Effekt erforscht und ihn die „Peak End Rule“ genannt. Diese Regel besagt, dass Menschen Ereignisse im Wesentlichen nach zwei Gesichtspunkten beurteilen: nach dem Höhepunkt und nach dem Ende (Kahneman 2012). In Bezug auf ein exzellentes Verkaufsgespräch sollte der Höhepunkt beim Erkundungsschlüssel und dem Kochbuch (SENF-Formel) liegen. Das Ende ist eben nicht der Abschluss, sondern das Gefühl nach der Entscheidung. Der zweite Handschuh repräsentiert das Eliminieren der Kaufreue. Das bedeutet, dass Sie dafür sorgen sollten, dass etwaig vorhandene Zweifel, dass die Entscheidung richtig war, ausgeräumt werden. Sie erreichen das, indem Sie den Kunden in seiner Entscheidung bestärken. Ich bedanke mich zum Beispiel nicht für einen Auftrag. Ich habe ihn nicht aus Nächstenliebe erhalten, sondern weil der Kunde der Auffassung ist, dass ich sein Problem am besten löse. Daher erinnere ich mich mithilfe des „zweiten Handschuhs“ daran zu erwähnen, dass der Kunde nach dem, was ich verstanden habe, eine richtig gute Entscheidung getroffen hat. Ich führe an, dass ich fest daran glaube, dass das für beide Seiten spürbar erfolgreich sein wird – denn auch ich möchte neben dem Umsatz eine weitere erstklassige Referenz aus dem Projekt hervorbringen. Eigentlich ist es ja traurig. Es ist traurig, dass wir so einen Aufwand treiben müssen, um diesen Misstrauensvorschuss im Verkauf zu eliminieren. Damit Ihnen der Transfer dieser Methode in die eigene Praxis noch leichter gelingt, finden Sie im Video Nr. 1 (s. Abb. 4.3) eine genaue Anleitung und Beschreibung, wie die Anwendung im rauen Vertriebsalltag gelingen wird. Mit der Anwendung der Prinzipien aus diesem Buch tragen wir zu einer offeneren, ehrlicheren und verlässlicheren Kommunikation bei. Wir tragen dazu bei, dass man sich wieder mehr aufeinander verlassen kann. Wir tragen dazu bei, dass die Reputation des Vertriebs in Deutschland sich in die Richtung entwickelt, in die sie gehört: ganz an die Spitze. Ich
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Das TRUE-, Medaillen- und Marktführer-Vertriebsprinzip in der B2B-Praxis
Abb. 4.3 TRUE-, Medaillen- und Marktführervertriebsprinzip in der Praxis (https://doi.org/10.1007/000-05q)
stelle Sie mir als Leser bildlich vor und hoffe, dass Sie dabei ein ähnlich gutes Gefühl haben wie ich. Klopfen wir uns einfach mal geistig gegenseitig auf die Schulter. Der Vertrieb ist die entscheidende Abteilung in jedem Unternehmen. Jede Abteilung mag wichtig sein und zum Unternehmenserfolg beitragen, aber entscheidend ist der Vertrieb. Denn dort entscheidet der Kunde im B2B-Umfeld, ob er bei Ihrem Unternehmen kauft – oder bei der Konkurrenz. Je ähnlicher die Produkte und Leistungen werden, desto mehr kommt es auf die „Performance“, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit mit und für den Kunden an.
4.3 D on’t shoot the messenger: Wie Sie mit schlechten Nachrichten gute Beziehungen aufbauen Zum Schluss dieses Kapitels möchte ich auch auf eine Situation eingehen, die im Verkauf nicht besonders angenehm ist. Jeder Vertriebschef und jeder Vertriebler, der in regem Kundenkontakt steht, kennt die Situation, dass dem Kunden auch manchmal unliebsame Botschaften mitgeteilt werden müssen. Dies möchte ich gerne an einem in den letzten fünf Jahren sehr präsenten Problem darstellen: dem Thema der Liefe rengpässe. Insbesondere im B2B-Umfeld hatten Verkäufer in den vergan-
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genen Jahren einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Arbeitszeit damit zu tun, dem Kunden zu erklären, warum die Ware später kommen wird. Sehen Sie dazu hier einen Ansatz, wie Sie den Kunden seiner verbalen Waffe – was ein guter Tatort-Kommissar perfekt beherrscht – mit den richtigen Worten entledigen und zumindest eine ehrliche Basis für das weitere Gespräch bilden. Dazu finden Sie hier die Anwendung des TRUE-Prinzips in Kurzform: • Target: Sie möchten, dass der Kunde Ihr Problem nachvollziehen kann und Ihnen treu bleibt. • Respect: Sie könnten sinngemäß folgendermaßen starten: „Das hört sich jetzt vermutlich etwas seltsam für Sie an und es ist mir auch nicht ganz wohl dabei, aber ich sage Ihnen nun auf den Punkt, was Sache ist, auch wenn es Sie im ersten Augenblick verärgern kann, einverstanden? • Unconventional: Hier folgt nun der wahre Grund für die Liefer verzögerung. Wenn man ehrlich ist, dann haben Lieferverzögerungen nicht viele verschiedene Ursachen. Die häufigsten Gründe sind: –– Ihr Einkauf hat nicht adäquat gearbeitet oder wurde von seinen Lieferanten im Stich gelassen. –– Die Produktion hat die Herstellungszeiten nicht richtig berechnet oder es gibt einen Maschinenausfall zu beklagen. –– Die Entwicklung hat einen Serienfehler zugelassen und damit ist das Chaos perfekt. –– Ihr Unternehmen hat die Logistik nicht im Griff. Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, gibt aber nach meiner Erfahrung die häufigsten Gründe für Kunden unzufriedenheit wieder. Lassen Sie uns das TRUE-Prinzip anhand des letzten Beispiels kurz exerzieren. Wenn Ihr Unternehmen die Logistik nicht im Griff hat, können Sie dem Kunden Folgendes sagen: „ Wir haben die Ware zwar rechtzeitig versandfertig hergestellt, kämpfen aber seit Langem mit einem Problem in unserer Logistik. Ich gehe nun nicht den einfachen Weg und schiebe die Schuld auf einen unserer Dienstleister, denn das wäre zum einen nicht vollständig wahr, zum anderen wird es Sie auch nicht sonderlich interessieren, warum die
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Ware nicht zum vereinbarten Zeitpunkt eingetroffen ist. Der Fehler liegt bei uns, und derzeit bekommen wir das nicht in den Griff – wir arbeiten daran, mir geht es selbst nicht schnell genug voran. Indem ich Ihnen dies so offen sage, mache ich mich für Sie angreifbar – es soll aber unterstreichen, wie wichtig mir die Ehrlichkeit mit Ihnen ist.“ • Emotion: Sie könnten fortfahren mit: „Wenn Sie darauf nun empört oder verärgert reagieren, dann könnte ich das nachempfinden. Mir war es wichtig, mit offenen Karten zu spielen. Sie können mir gerne ungeniert sagen, was Sie davon halten, und danach würde ich gerne gemeinsam eine Lösung finden, ist das okay für Sie?“ Es mag nun nicht wenige Leser geben, die eine solch intensive Ehrlichkeit für nicht angebracht halten. „Das kann man dem Kunden so nicht sagen“ – diese Phrase wird dem ein oder anderen Leser sicherlich nun durch den Kopf gehen. Langsam! Ich erinnere an das „T“ aus dem TRUE-Prinzip. Der dort eingeführte WAVI zeigt sehr klar, ob Ihr Gegenüber mit dieser Wahrheitsintensität umgehen kann oder eben nicht. Diese Entscheidung gilt es zuerst zu treffen. Verfallen Sie nun aber bitte nicht der Versuchung, jeden Ihrer Gesprächspartner in der WAVI-Kategorie 1 zu verorten. In der Konsequenz könnten Sie für sich selbst entscheiden, dass die meisten Personen ohnehin mit der offenen Wahrheit nicht umgehen könnten. Natürlich wäre diese Vorgehensweise im ersten Schritt etwas einfacher, bringt aber naturgemäß nicht die Effekte, die ich im TRUE-Prinzip dargestellt habe. Selbstredend würden auch Mitglieder der WAVI-Kategorie 2 im ersten Augenblick ebenso verärgert reagieren, im Nachhinein jedoch häufig dankbar sein für die offenen Worte. Das ist die Wirkung der Kommunikation im TRUE-Korridor. Diese Dankbarkeit wird Ihnen als Verkäufer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht sofort gespiegelt, unterbewusst wird sie aber wahrgenommen. „On the long run“ wird sich dieser Klartext auszahlen – auch wenn der Aufwand zu Beginn mit Sicherheit höher ist, als wenn man den Kunden schlicht und ergreifend belogen hätte. Lassen Sie uns das TRUE-Prinzip und die damit verbundene Ehrlichkeit weiter in die Geschäftswelt übertragen – es macht Freude und bringt Sie weiter!
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Literatur Kahneman D (2012) Schnelles Denken, langsames Denken. Penguin, München Märtin D (2019) Habitus. Campus, Frankfurt am Main Mehrabian A (1972) Nonverbal communication. Routledge Taylor & Francis, New York Wikipedia (2019) Kompetenzstufenentwicklung. https://de.wikipedia.org/wiki/ Kompetenzstufenentwicklung. Zugegriffen am 19.11.2019
5 Entwaffnend ehrlicher Klartext in der Geschäftswelt – und die Grenzen der Wahrheit …
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Auf den Punkt gebracht Sie lesen konkrete Beispiele, wie Sie mit Klartext das gesamte Kommunikationsklima innerhalb und außerhalb des Unternehmens bereichern. Ein Perspektivwechsel aus Sicht des Kunden macht deutlich, dass auch der Kaufende seinen Teil dazu beizutragen sollte. Gleichermaßen erfahren Sie, was zu viel des Guten ist und an welcher Stelle ehrliche Kommunikation schlicht und ergreifend nicht angebracht ist.
Das TRUE-Prinzip wirkt nicht nur im Vertrieb, sondern auch in anderen Bereichen des Unternehmens. Ich möchte Sie animieren, metaphorisch jeden Stein in Ihrem Unternehmen umzudrehen und zu entscheiden, ob Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-658-28547-0_5. Die Videos lassen sich mit Hilfe der SN More Media App abspielen, wenn Sie die gekennzeichneten Abbildungen mit der App scannen. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kober, Klartext im Vertrieb, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28547-0_5
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dieses Prinzip noch mehr Klarheit und Wahrheit in die Kommunikation bringen kann. Wie bei allen erstrebenswerten Umständen im Leben gilt auch hier: Zum Erfolg gibt es keinen Lift, sondern nur die Treppe, bei der mühsam jede einzelne Stufe erklommen werden muss. Jede Aktivität und jede Maßnahme, die für mehr Klarheit und Wahrheit sorgt, wird wieder ein Stückchen mehr dafür sorgen, dass Ihre Kommunikation positiv wahrgenommen wird. Lassen Sie uns starten.
5.1 Klartext im ganzen Unternehmen 5.1.1 Ehrlichkeit in der internen Kommunikation Viele von Ihnen werden das mittlerweile verbreitete „Bullshit Bingo“ insbesondere bei internen Besprechungen kennen. Es beschreibt den krankhaften Drang, Sachverhalte möglichst komplex und bestenfalls noch mit Anglizismen zu formulieren. Der Grund dafür ist häufig, dass man nicht ausreichendes Fachwissen durch eine möglichst hochgestochene Verbalisierung kaschieren möchte. WAVI-Vertretern der Kategorie 2 (siehe Abschn. 3.1) passiert das selten, Vertretern der Kategorie 1 hingegen mit schöner Regelmäßigkeit. Diese häufig sinnleeren Phrasen finden Sie dann nicht nur in der internen, sondern auch in der externen Kommunikation wieder. Das dient weder der Klarheit noch der Wahrheit und es ist abträglich für das Ansehen des Senders der Information (das gilt sowohl für die persönliche als auch für die Unternehmensreputation). Augen von Kunden und Mitarbeitern rollen, wenn sie mit solchen Phrasen belästigt werden, trotzdem halten sie sich hartnäckig im Berufsalltag. Alternativen zu diesen Plattitüden der internen Kommunikation erhalten Sie in diesem Kapitel. Haben auch Sie in Ihren Besprechungsräumen gut sichtbare Regeln, wie Besprechungen abzulaufen haben? Und hält sich auch bei Ihnen niemand an diesen dargestellten Ablauf? Es mag kein Trost für Sie sein, aber Sie sind damit nicht allein. Wenn Sie Floskeln wirklich nachhaltig in Besprechungen vermeiden möchten, dann wenden Sie auch dort das TRUE-Prinzip an.
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• T(arget): Sie legen Ihr Ziel für die Besprechung fest und fragen sich, warum Sie dieses Ziel erreichen möchten. Sie prüfen, welche Wahrheitsintensität die Besprechungsmitglieder vertragen (siehe WAVI, Abschn. 3.1). • R(espect): Sie informieren die Besprechungsteilnehmer, dass die nun folgende Besprechung etwas anders abläuft, als es üblicherweise der Fall ist. Sie bitten die Teilnehmer, dafür offen zu sein. • U(nconventional): Sie legen nun Ihre Ziele der Besprechung offen und fragen, ob es dazu Anmerkungen gibt – mit dem Grad an Offenheit, welches nach der WAVI-Ziffer der von Ihnen fokussiert angesprochenen Teilnehmer angemessen ist. Nun stellen Sie die Problemfrage vor, um die sich diese Besprechung dreht, zum Beispiel: „Wie schaffen wir es zukünftig, bei Terminen in der Zielgruppe XYZ, Kunden positiv zu verblüffen? Was ist der Wow-Effekt für den Kunden?“. Dann bitten Sie die Teilnehmer, auf keinen Fall sofort Wortmeldungen zu geben, sondern ihre Ideen zunächst innerhalb von zehn bis 15 Minuten aufzuschreiben. Danach trägt jeder seine Ideen vor. Diese werden zunächst nur zentral gesammelt und nicht bewertet. Erst im zweiten Schritt, wenn alle Ideen gesammelt wurden, werden die Themen bewertet, teils eliminiert, teils priorisiert und die Um setzung festgelegt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird bei der Bewertung der Vorschläge wieder folgender Effekt eintreten: „Es wurde schon längst alles gesagt, dummerweise noch nicht von jedem.“ Selbstdarstellerische Wortmeldungen, die dem eigentlichen Thema keinen Mehrwert bieten, unterbrechen Sie wie folgt: „Inwiefern bringt das von Ihnen Gesagte unseren Kunden einen mess- oder spürbaren Nutzen? Wo spart er dadurch Zeit, verringert seine Kosten, kann mehr Umsatz generieren, womit vereinfachen wir Prozesse, steigern seine Reputation oder auch die Freude in der Zusammenarbeit mit unserem Unternehmen?“ Wenn Sie noch einen Schritt weitergehen möchten, dann bitten Sie diesen Besprechungsteilnehmer, seinen Gedanken schriftlich zu formulieren, und zwar so, dass man nichts mehr weglassen kann – eben möglichst auf den Punkt und möglichst kurz. Insbesondere diejenigen, die sich gerne selbst reden hören, müssen ab und an dazu gezwungen werden, ihre Gedanken zu strukturieren.
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Über die „Einladung“, das zunächst schriftlich zu formulieren, erreichen Sie das. Wenn nötig, erklären Sie diesen Schritt damit, dass Schreiben immer klares Denken bedingt und ein Ziel der Besprechung ist, mögliche Lösungen direkt auf den Punkt zu formulieren, um die Umsetzungswahrscheinlichkeit deutlich zu steigern und das Ender gebnis zu verbessern. Sie werden feststellen, dass weniger geredet wird, dafür der Gehalt der Aussage qualitativ steigt. • E(motion): Zum Schluss fragen Sie die Teilnehmer, wie sie sich dabei fühlten. Es kann durchaus helfen, wenn Sie beim T(arget) sofort erwähnen, dass Sie die Effizienz Ihrer Besprechung erhöhen möchten. Zumindest bei den engagierten Mitarbeitern und Führungskräften rennen Sie damit offene Türen ein. Schreiben Sie das Akronym TRUE auf ein separates Flipchart, damit jeder weiß, an welchem Prinzip sich diese Besprechung orientiert und vor allen Dingen, damit klar ist, welche Ziele diese Vorgehensweise verfolgt: mehr Wahrheit und mehr Klarheit in weniger Zeit. Sollten Sie übrigens Kandidaten dabei haben, die nicht zum Punkt kommen, versuchen Sie doch einmal Folgendes: Bei jeder Besprechung lassen Sie zukünftig einen Stuhl unbesetzt. Auf diesem Stuhl sitzt der imaginäre Kunde. Sollte ein Besprechungsteilnehmer mal wieder nicht zum Punkt kommen, können Sie in einer Atempause des „Wortschwall- Fetischisten“ die Frage stellen, welchen Nutzen diese Ausführungen nun dem Kunden der Firma bringen. Ich möchte fast wetten, dass Sie den Hamster- und Reh-Effekt aus Abschn. 4.2.7 wiedererkennen werden und dass Sie den Dauerredner verblüfft zum Schweigen bringen. Im Video Nr. 2 (s. Abb. 5.1) erfahren Sie detailliert, wie Sie das TRUE-Prinzip konkret bei internen Besprechungen „effizienzsteigernd“ und „langeweileminimierend“ einsetzen können. Lassen Sie mich die unternehmensinterne Kommunikation im Allgemeinen betrachten. Im Abschn. 1.2.3 hatte ich bereits die Ursache für gelogene, vernebelnde und unklare Kommunikation angebracht – ein Treiber ist Angst. Angst, dass wichtige Informationen über die interne Kommunikation durch die bereits erwähnten fünf Prozent „krimineller Energie“ (Sprenger 2012) an den Mitbewerb gelangen. Befragt man die Belegschaft, so können Sie an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlich-
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Abb. 5.1 Klartext in Besprechungen (https://doi.org/10.1007/000-05s)
keit davon ausgehen, dass ein großer Teil behauptet, die interne Kommunikation sei nicht ausreichend. Es gibt Informationen, die zu bestimmten Zeitpunkten nicht veröffentlicht werden dürfen und vertraulich behandelt werden müssen. Punkt. Für alles andere gilt: Seien Sie so offen, wie eben möglich. Finden Sie sich mit dem Gedanken ab, dass, abgesehen von den wirklich brisanten und vertraulichen Informationen, vieles beim Mitbewerb landet. Meine Erfahrung ist allerdings: Selten hatte das wirklich spürbar negative Konsequenzen, denn selbst wenn Wettbewerber Informationen über Ihre neuen Produkte oder Preislisten erhalten, können sie oft aufgrund der eigenen internen Behäbigkeit diese Infos nicht essenziell für sich oder gegen Sie verwenden. Je verschwiegener die Führungsetage erscheint, desto negativer wird der „Flurfunk“. Wenn man glaubt, dass in der eigenen Firma derzeit aber auch nahezu alles schiefläuft, dann kann man sich auf eins verlassen: Der Flurfunk funktioniert immer dann blendend, wenn innerhalb der Mannschaft das Gefühl entsteht, „von oben“ würde nicht ausreichend kommuniziert
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werden. Je nebulöser formuliert wird, je unverständlicher Formulierungen sind und je stärker ein internes Memorandum von den Adressaten als „überkorrekt“ und auf jede Aussage intensiv geprüft wahrgenommen wird, je weniger insgesamt kommuniziert wird, desto intensiver und negativer wird das, was die Mitarbeiter untereinander über das Unternehmen spekulieren. Dann wird hinter jedem Busch ein Mörder vermutet, hinter jeder Aktion der Führungskräfte reifen bei den Mitarbeitern zumeist negative konspirative Theorien. Brechen Sie das auf. Nutzen Sie als Kommunikationsmedium zusätzlich das bereits in Abschn. 4.2.1 skizzierte Medium „Video“ und kombinieren Sie es mit dem TRUE-Prinzip. • Target: „Was möchten Sie mit der internen Veröffentlichung erreichen?“ Eine ehrliche Antwort auf diese Frage könnte sein: „Wir möchten intern das Vertrauen in die Führungsetage fördern, indem erkannt wird, dass wir offen und ehrlich und ohne übliche Marketingphrasen formulieren.“ „Warum möchten Sie das erreichen?“ Eine Antwortvariante: „Weil wir wissen, dass unsere Mannschaft mit Vertrauen in die Führung schlicht und ergreifend mehr leisten wird.“ Wenn man nun Mitarbeiter Ihres Unternehmens fragen würde, wie sehr das Unternehmen den Mitarbeitern vertraut, was glauben Sie, wie auf einer Skala 1 (gar nicht) bis -10 (voll) die Antwort wäre? Glauben Sie, dass der Motivationseffekt größer sein kann als das, was Sie durch unangebrachten externen Informationsabschluss verlieren (Sprenger 2012)? Natürlich kann man diese Frage nicht generisch und allgemeingültig beantworten und auch nicht quantifizieren, tendenziell bin ich allerdings der festen Überzeugung, dass die Handlungsenergie der Mitarbeiter durch bestehendes Vertrauen den negativen Effekt bei Weitem übertrifft. Was nicht bedeutet, dass nun jeder alles wissen sollte. Die Führung muss hier den ersten Schritt machen. Akzeptieren Sie, dass Vertreter der Kategorie 1 versuchen werden, durch „Herr schaftswissen“ ihr eigenes Antlitz leuchten zu lassen. Selten können sie damit großen Schaden anrichten. Natürlich gibt es auch in Führungspositionen Vertreter der Kategorie 1 im WAVI, in diesem
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Punkt halte ich es allerdings mit Herbert Spencer, dem Urheber des Begriffs „Survival of the fittest“ (Wikipedia 2019b): Entweder werden sie innerhalb des Unternehmens als Dampfplauderer entlarvt und intern oder extern versetzt, oder das Unternehmen spielt im Markt bald kein entscheidende Rolle mehr, denn erfolgreiche Unternehmen haben einen sehr geringen Anteil an Schlechtleistern in Führungspositionen. Überlegen Sie, welche Wahrheitsintensität maximal aus Ihrer Ein schätzung möglich ist, um ehrliches Vertrauen aufzubauen – gleichzeitig sollten Sie Ihr Publikum nicht überfordern. Nutzen Sie zur korrekten Verortung den WAVI (Abschn. 3.1). • Respect: Sie starten Ihre erste Nachricht in dieser Machart nach dem Motto (zum Beispiel, wenn der Geschäftsführer spricht): „Ich berichte Ihnen ehrlich ohne jegliche Beschönigung oder verwässernde Umschreibung. Ich zähle auf die Redlichkeit jedes Einzelnen, dass diese Information innerhalb unserer Firma bleibt. Ich glaube an Sie.“ Ich weiß sehr wohl, dass die fünf Prozent der „kriminellen Energie“ dafür sorgen werden, dass die Information das Haus verlässt. Aber machen wir uns nichts vor: Ist das bei den meisten „semi-geheimen“ Infos nicht ohnehin der Fall – egal wie Sie kommunizieren? Also ziehen Sie doch mit entwaffnender Ehrlichkeit die anderen 95 % in Ihren Bann. Das Mehr an Vertrauen wird durch höhere Arbeitsleistung und Loyalität den Schaden durch nach außen gelangte Informationen mehr als nur kompensieren. • Unconventional: Wenn Sie nicht schon zu den sehr Wenigen gehören, die es tun: Warum kommunizieren Sie intern nicht via Video oder per Podcast? Sie wissen doch sicherlich, dass ein Großteil von dem, was wir kommunizieren, über unsere Körpersprache und unsere Stimme transportiert wird. Wenn Sie also zum nächsten Punkt des TRUE- Prinzips gelangen möchten, zu den Emotionen, so bringen Sie Ihre Botschaft unkonventionell visuell und auditiv über die eben genannten Kanäle rüber. Und an all diejenigen, die nun wieder Unkenrufe von sich geben, das sei zeitlich als Führungskraft nicht möglich, jetzt intern auch noch Videos aufzunehmen, attestiere ich, nichts von ihrer Rolle verstanden zu haben. Die eigenen Mitstreiter über mehrere Kommunikationskanäle zu „gewinnen“ und aktiv im Dialog zu kom-
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munizieren – im Falle des Videos oder Podcasts bestenfalls bilateral mit der Möglichkeit für die Mitarbeiter darauf zu reagieren oder es zu kommentieren – ist eine der wichtigsten Aufgaben von wahren Galionsfiguren. Videos und Podcasts sind heutzutage mit sehr einfachen Mitteln gut zu produzieren. Hegen Sie nicht den Anspruch auf Perfektion – kleine Versprecher und ein nicht perfektes Setting zeugen von Ehrlichkeit und Authentizität. Wenden Sie auch in diesem Punkt das Medaillen-Prinzip an. –– Sagen Sie nicht nur, wofür Sie sich entschieden haben, sondern auch wogegen und warum Sie sich so entschieden haben. –– Nennen Sie die Vor- und Nachteile der Entscheidung. –– Nennen Sie die nächsten drei Schritte, die das Unternehmen umzusetzen hat, um die Ziele zu erreichen. –– Erwähnen Sie, dass Sie an Ihre Mitarbeiter glauben. Sagen Sie, dass die Firma die Ziele erreichen kann, weil es genau diese Mannschaft an Bord hat (es hilft ungemein, wenn Sie das auch wirklich so sehen – Klartext eben. Wenn nicht, sollten Sie sich das Ende von Abschn. 5.1.4 zu Gemüte führen und sich von denjenigen trennen, die Leistung verhindern.) –– Zünden Sie das Verlangen, die nächsten Schritte zu gehen, indem Sie umreißen, was es den Mitarbeitern und der Firma bringt. –– Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, ihre Erwartungen an Sie als Chef mittels einer eingebauten Antwortfunktion zu kommunizieren (beim Videohoster VIMEO ist das zum Beispiel problemlos möglich, wie auch bei vielen anderen äquivalenten Anbietern. Ihr freundlicher Ansprechpartner in der IT bzw. im Marketing muss das wissen). • Emotion: Fragen Sie auch hier am Ende der Nachricht, wie es für den Rezipienten war, in dieser Art zu kommunizieren und animieren Sie Ihre Verkäufer und Mitstreiter, das Medium zu kommentieren – wie eben beschrieben. So bringen Sie positiven Schwung in die interne Kommunikation. Das spricht sich im Positiven auch extern herum und sorgt für beste Mund-zu-Mund-Werbung sowie intern dafür, dass die Guten länger an Bord bleiben.
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Abb. 5.2 Klartext in der internen Kommunikation (https://doi.org/10.1007/000-05r)
In Video Nr. 3 (s. Abb. 5.2) biete ich Ihnen Beispiele für eine gelungene interne Kommunikation über neue Medien, die Neugierde weckt und Botschaften wirkungsvoll transportiert. Natürlich ist die persönliche Kommunikation die beste Variante, aber aus Zeitgründen schlicht und ergreifend nicht immer möglich. Das Video ist dazu eine gute Alternative – allemal besser als die Kommunikation per E-Mail – oder gar keine.
5.1.2 Ehrlichkeit in der Außendarstellung Schöne Hochglanzprospekte ohne jedweden erkennbaren Mehrwert für den Kunden nutzen wem am meisten? Richtig – demjenigen, der sie produziert. Die übliche „Feature- und Produktmerkmalartillerie“, die in solchen Unterlagen abgefeuert wird, bieten dem Kunden keinen Mehrwert. Machen Sie den Test: Nehmen Sie ein aktuelles Prospekt Ihrer Firma und prüfen es im Hinblick darauf, wie klar es dem Kunden ermöglicht … • mehr Umsatz zu generieren, • Kosten zu sparen,
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Zeit zu sparen, mehr Sicherheit zu spüren, Prozesse einfacher zu gestalten, mehr Freude bei der Arbeit zu haben oder das eigene Ansehen zu steigern.
Umsatz, Kosten und Zeit sind sogar quantifizierbar – und zwar nach der Methodik, die ich in Abschn. 4.2.6 aufgezeigt habe. Machen Sie nun den Test bevor Sie weiterlesen. Lesen Sie jetzt schon weiter, ohne den Test gemacht zu haben? Ich kenne das von mir. Die Ursache dafür ist sicher der Wissensdurst, zu erfahren, wie es weitergeht! Dann tragen Sie sich aber bitte eine Erinnerung in Ihren Kalender ein, dass Sie Ihre Broschüre(n) daraufhin tatsächlich einmal prüfen. Üblicherweise ergibt sich dadurch ein Aha-Effekt. Kaum ein Marketingbereich (weder extern noch intern) kann diese Prüfung für Sie erledigen. Das müssen Sie selbst tun, denn Sie müssen sich dazu in die Lage Ihrer Kunden versetzen und aus deren Perspektive diese Unterlagen kritisch darauf prüfen, ob der Nutzen klar dargestellt wird. Natürlich berücksichtigt es nicht die Komplexität der Customer Journey, wenn man nun behauptet, dass das gesamte Marketing sinnlos sei. Marketing ist äußerst sinnvoll, wenn es ehrlich und nutzstiftend für den Kunden ist, und kommt auch zum Tragen, wenn es darum geht, mit dem Kunden in Dialog zu treten und nicht in einen Monolog zu verfallen. Damit sind wir gleich beim Thema: Haben Sie Lust, sich mit jemanden zu unterhalten, bei dem wirklich alles, beruflich und privat, spitzenmäßig läuft und alles „blendend“ ist, frei nach dem Motto: „Es könnte nicht schöner sein!“? Jemand, der über seine Erfolge berichtet, was er alles in welch kurzer Zeit erreicht habe und was für ein „toller Hecht“ er im Übrigen sei? Üblicherweise haben Sie nun vor Ihrem geistigen Auge eine Person, die das in egozentrischster Art und Weise postuliert. Wie schnell verlieren Sie das Interesse, sich weiter mit der Person zu unterhalten? Sehen Sie! Und obwohl dieses Buch nicht das Thema Marketing im Fokus hat, packe ich das Übel gerne an der Wurzel – denn das gehört zu entwaffnend ehrlicher Kommunikation im Unternehmen dazu. Wie bereits in Abschn. 2.1 angerissen: Wenn sich Ihre Zielgruppe überwiegend in der WAVI 2 (siehe Abschn. 3.1) bewegt, dann müssen Sie Marketingphrasen folgender Machart schlicht und ergreifend eliminieren:
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„Der Kunde steht bei uns im Mittelpunkt.“ „Innovation ist unser Treiber.“ „Qualität ist unsere Leidenschaft.“ „Bei uns erhalten Sie Lösungen aus einer Hand.“
Sie wissen, dass ich Sie noch viel länger mit solchen Phrasen quälen könnte. Jeder weiß, dass sich hinter solchen Aussagen nichts Substanzielles für den Kunden verbirgt. Denn alles, was solche Phrasen beschreiben, ist für den mündigen B2B-Kunden nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit. Daher: • Auch wenn Sie diesen Punkt sicherlich schon einmal gehört haben, es ist noch nicht konsequent durchgedrungen, obwohl es so wichtig ist: Listen Sie in Ihren Verkaufsunterlagen nicht nur das auf, was Ihr Unternehmen oder Ihr Produkt kann, sondern auch das, was es dem Kunden bringt. Kosten- und Zeitersparnis sollten an einem Beispiel mit realistischen Annahmen/Einsatzbedingungen quantifiziert werden. Als Vergleichsreferenzwert nehmen Sie den Branchendurchschnitt. Und allen Perfektionisten sei gesagt: Nein, bei der Quantifizierung des Nutzens kommt es nicht auf die dritte Stelle nach dem Komma an. Es geht darum, dass der Kunde den konkreten Nutzen erkennt und nicht mit dem üblichen Marketing-Kauderwelsch gelangweilt wird. Sie wissen um die sinkende Aufmerksamkeitsspanne des Menschen – also ziehen Sie daraus Konsequenzen für Ihre Kommunikation und kommen Sie klar, ehrlich und sofort auf den Punkt. • Sie wissen es. Ich weiß es. Der Kunde weiß es auch: Alles im Leben hat seine zwei Seiten. Denken Sie an das Medaillen-Prinzip. Was spricht dagegen, in den Verkaufsunterlagen sinngemäß offen darauf hinzuweisen: „Jede Entscheidung hat zwei Seiten. In einem persönlichen Gespräch klären wir, welche Vorteile sich für Sie in Ihrem spezifischen Fall ergeben, wenn wir zusammenarbeiten. Ebenso werden wir klar und transparent die Nachteile besprechen. Freuen Sie sich auf ein ehrliches Gespräch mit ‚Für und Wider‘, sodass Sie guten Gewissens entscheiden können.“ • In jedem relevanten Verkaufsgespräch stelle ich die Transaktionskosten einer Entscheidung dar – und zwar entwaffnend ehrlich. Bei jedem
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Vertriebstraining hat der Auftraggeber mit einem Arbeitsausfall seiner Verkäufer zu rechnen. Das wissen die meisten auch, nur die Wenigsten kalkulieren die Kosten konkret. Demgegenüber stelle ich den Mehr ertrag. Die Zahlen, um die Amortisationszeit zumindest grob zu berechnen, erhalte ich im Gespräch vom Kunden. Maximal ehrlich – und sofort erkennt jeder, dass sich ein gutes Training sehr schnell amortisiert, weil dadurch mehr Ertrag erwirtschaftet wird. • In einer Präsentation oder in Prospekten kann man diese Trans aktionskosten zwar nur erwähnen und nicht kundenindividuell berechnen, aber alleine die Tatsache, dass Sie sie aufführen, wird Vertrauen aufbauen. Wenn Ihr Verkäufer dann auch noch gut trainiert ist, wird er im Kundengespräch „live vor Ort“ mit dem Entscheider die Transaktionskosten auf der Negativseite und den Mehrertrag auf der positiven Seite darstellen können. Nur wenige Argumente wirken stärker als eine ROI-Berechnung, die mit dem Kunden gemeinsam im Gespräch erarbeitet wurde, und zwar unter Annahme derjenigen Zahlen, die der Kunde als sinnvoll erachtet. Ein Beispiel, wie dieser Nutzen-Quantifizierungseffekt live beim Kunden durchgeführt wird, habe ich in Abschn. 4.2.6 beschrieben. Das Medaillen-Prinzip greift an dieser Stelle in voller Härte – im Positiven. In diesem Fall können Sie die vom Marketingbereich erstellten Verkaufshilfen (zum Beispiel Prospekte), die ich nicht per se verteufele, sehr gut mit dem Verkaufsprozess vor Ort beim Kunden kombinieren. Das Feld des entwaffnend ehrlichen Marketings ist breit – und der mündige Kunde ist schon längst dafür bereit. Warum gibt es auf so wenigen Unternehmens-Websites zum Beispiel ein Videointerview mit dem Geschäftsführer? Und wenn es Videos gibt, dann werden langatmige, selbstbeweihräuchernde Fragen gestellt wie zum Beispiel: • „Wie haben Sie es geschafft, so erfolgreich sein?“ • „Was sind die Gründe für den Erfolg Ihrer Firma?“ • Usw. Solche Interviews sind derartig langatmig, dass man denjenigen, der sie bearbeitet und häufiger ansieht, nicht beneidet. Dabei ist es völlig
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egal, ob solche Fragen in Form eines Videos oder in schriftlicher Form gestellt werden. Weitaus geeigneter sind folgende Fragen an den Firmenchef, weil sie das Interesse des Betrachters oder Lesers aktivieren: • „Was lässt Sie morgens aus dem Bett springen?“ Der Rezipient soll verstehen, wofür die Firma, wofür der Chef steht. Das Leitbild der Firma, vom Chef frei formuliert, ist deutlich authentischer als irgendein perfekt formuliertes schriftliches Statement auf der Website. • „Was war Ihr größter beruflicher Fehler und was haben Sie da raus gelernt?“ • „Worüber haben Sie sich beruflich im letzten Jahr am meisten geärgert und welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?“ • „In der Retrospektive der letzten fünf Jahre: Was hätten Sie anders gemacht und worauf sind Sie unsagbar stolz?“ Jede Frage beantworten Sie in maximal ein bis zwei Minuten. Das gesamte Interview unterteilen Sie jeweils in kleine Videosequenzen und stellen es online prominent auf Ihrer Unternehmens-Website dar. Natürlich interessieren sich die Kunden insbesondere für das, was die Firma bietet und welchen Nutzen die Dienstleistung oder die Produkte bringen. Je höher die Investitionssummen werden, desto eher interessiert sich der Kunde allerdings auch für das, wofür das Unternehmen steht und „wie es tickt“. Kunden möchten eben auch Sicherheit – und dieses Mittel ist ein Baustein dazu. Die erwähnten Fragen geben dazu einen Ansatz, solche Videostatements zu verfassen. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf, eigene, individuelle Fragen zu formulieren. Alle Welt redet von Authentizität, deshalb schlage ich vor: Dann machen wir es doch einfach mal! Befreien Sie sich von der üblichen Maskerade, und Sie werden feststellen, dass Ihre Kunden es Ihnen danken werden. Sie müssen deshalb keine saloppen Formulierungen verwenden. Es hilft allerdings, wenn Sie die Antworten „frei“ und ohne Teleprompter oder Skript geben. Wenn Sie sich bei der Aufnahme vor der Kamera vorstellen, Sie würden diese Fragen einem Ihrer besten Freunde beantworten, dann ist die Wirkung am ehrlichsten. Der Duktus kann gehoben und gleichzeitig authentisch sein. Je nachdem, mit welcher Zielgruppe Sie kommunizieren, kann entweder der elaborierte oder der restringierte linguistische Code das Mittel
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der Wahl sein. Bei der elaborierten Variante formulieren Sie bildungsbürgerlich, beim restringierten sehr direkt und auch gerne mal salopp. Gehen Sie auch hier wieder nach dem TRUE-Prinzip vor: • Target: Was möchten Sie mit Ihrem Marketing mit dem jeweiligen Kommunikationsmedium erreichen – und warum? An wen richten Sie sich und wie offen können Sie kommunizieren, sodass Sie Ihr Kommunikationsziel erreichen? • Respect: Weisen Sie sowohl im Video als auch im Prospekt darauf hin, dass die Darstellungsweise außergewöhnlich ist, sie aber der Ehrlichkeit dienen soll. Der Videoanfang könnte also etwa folgendermaßen lauten: „Das, was Sie nun sehen und hören werden, mag anders klingen als das, was Sie von üblichen Unternehmensvideos gewöhnt sind. Ich möchte nun ohne Maskerade zu Ihnen sprechen und ganz offen und ehrlich sein.“ Nun folgt zum Beispiel das Interview mit den zuvor genannten Fragen. Wenn das Video für ein neues Produkt ist und der verantwortliche Mitarbeiter dieses vorstellt, könnte er zum Beispiel darauf hinweisen, dass er nun beide Seiten der Medaille offen und ehrlich zeigen wird. • Unconventional: Nun folgt der Part, in dem Sie die beiden Seiten zeigen. Sie könnten zum Beispiel die drei besten Bewertungen/ Feedbacks Ihrer Kunden zeigen, aber auch die drei kritischsten und diese gleichzeitig kommentieren. Sie könnten eine Referenzstory kurz umschreiben und erwähnen, was bei diesem Kunden gut gelaufen ist – und was nicht. Sie könnten auch den Kunden zu Wort kommen lassen und ihn bitten, was ihm im Ablauf des Verkaufsprozesses gefallen hat – und was nicht. Und Sie könnten erwähnen, was Sie daraus gelernt haben. Sie sehen, die Möglichkeiten sind vielfältig und alles trägt zum Vertrauensaufbau bei. • Emotion: Zum Schluss könnten Sie wieder die Frage stellen, wie es nun für den Zuschauer war, dass Sie so schonungslos offen waren, und ihn zum Kommentieren des Videos einladen. Alternativ integrieren Sie ein Feedbackformular, zum Beispiel über das Tool Calendly oder andere Terminorganisationstools, und regen den Rezipienten an, direkt mit Ihnen oder Ihrer Assistenz/Ihren Mitarbeitern in Kontakt zu treten. Humor ist bekanntlich Geschmackssache. Aber ich möchte
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diesen Part nicht ohne ein leicht verdauliches Beispiel schließen, das verdeutlicht, was ich meine. Beispiel SodaStream stellt Haushaltsgeräte her, die Leitungswasser mit Kohlensäure versetzen. Neben dem bereits in Kap. 1 erwähnten Video nimmt sich die Firma mit weiteren Clips selbst und die übliche Werbung ein wenig auf die Schippe und verdeutlicht, warum es nicht nur für die Umwelt gut sei, SodaStream-Produkte zu nutzen – herrlich ehrlich gemacht, selbstironisch dargestellt und Kundennutzen auf den Punkt gebracht (YouTube 2016a). Der Erfolg der Firma attestiert die Wirksamkeit. Auch hier wurde beim Target bewusst darauf geachtet, an welche Zielgruppe überwiegend kommuniziert wird: 1er und 2er. Also wurde nicht die ganze Wahrheit zum Ausdruck gebracht, welche bei WAVI-Kategorie 2 angebracht gewesen wäre. Dann hätte nämlich im Rahmen des Medaillen-Prinzips auch erwähnt werden müssen, dass die CO2-Kartuschen sicherlich alles andere als umweltfreundlich sind.
Wer kennt Sie nicht, die überschwänglich positiv gestalteten Websites von Tagungshotelanbietern. Haben Sie schon mal ein perfektes Hotel gesehen? Das ist nahezu unmöglich, denn jeder Mensch nimmt schließlich die Realität anders wahr. Deswegen hat sich – frei nach dem Medaillen-Prinzip – zum Beispiel das „Gut Thansen“ herausgenommen, auf seiner Website eine Kategorie zu benennen, die da lautet: „Unsere Schwächen“ (https://www. gut-thansen.de/unsere-schwaechen/). Zugegeben, die Website mag (Stand August 2019) für den profunden Kenner aktueller Website-Layouts nicht das Maß aller Dinge sein, aber das spielt hier nur eine untergeordnete Rolle. Ganz unverhohlen steht in der eben benannten Rubrik, was an diesem Tagungshotel (neben der Website) nicht perfekt ist. Sehr ehrlich und sehr gut. Das Gut Thansen ist erfolgreich am Markt und zählt zu den TOP 5 von Deutschlands 250 besten Tagungshotels (Besondere Tagungshotels 2019). Auch in diesem Beispiel wird klar: Die Kunden sind in der WAVI 2 vertreten, können also nicht nur mit der Wahrheit umgehen, sondern schätzen sie besonders – und honorieren den ehrlichen Auftritt des Hotels mit Buchungen (Gut Thansen o. J.).
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Überlegen Sie, wie Sie eine derartig offene und klare Kommunikation in alle schriftlichen Kommunikationsebenen mit dem Kunden einbauen können, beispielsweise als einleitenden Text zu Angeboten. Ich habe den Kunden noch nicht gefunden, der sich vor Begeisterung die Augen rieb, als er die folgenden zwei Sätze zu Beginn des Angebots las: „Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Anfrage. Hiermit bieten wir Ihnen freibleibend an: …“. Ganz ehrlich? Warum sparen wir nicht den Toner für diese völlig überflüssige Phrase? Mich interessiert, ob der Kunde es überhaupt merken würde, wenn man in diese völlig unbeachtete Zeile Schimpfworte einbaute. Was dann in üblichen Standardangeboten folgt, ist eine simple Auflistung der gelieferten Dienstleistungen oder Produkte mit den dazugehörigen Preisen. Erinnern Sie sich an das letzte werthaltige Angebot, das Sie persönlich erhalten haben? Nehmen wir an, Sie hätten ein sechsseitiges Angebot erhalten. Auf welche Seite schauen Sie zuerst? Mit Ihrer Gewohnheit, auf die letzte Seite zuerst zu schauen, sind Sie nicht alleine – schon alleine deswegen, weil alle anderen Seiten sterbenslangweilig formuliert und gestaltet sind. Interessant gestaltete Angebote, welche den Nutzen für den Kunden sofort auf den Punkt bringen, sind absolute Mangelware. Wohlwissend, dass der Mensch nur eine geringe Aufmerksamkeitsspanne hat, wird diese wertvolle Zeit nichtsdestotrotz mit langweiligen Standard-Textbausteinen verschwendet. Die dann folgende Auflistung der Produkte und Leistungen ohne jedweden Nutzen für den Kunden sorgt garantiert nicht für eine fesselnde Lektüre des Angebots. Bemerkenswert ist, dass sich der Angebotsersteller dann noch wundert, dass man dann doch wiederum nur noch auf den Preis reduziert wird – wo dies doch meistens das einzig elementare Unterscheidungsmerkmal der jeweiligen Angebote ist. Machen wir uns nichts vor: Produkte und Dienstleistungen werden immer ähnlicher, das wissen wir alle! Wenn dann auch noch die Angebotsgestaltung als Einschlaflektüre dienen könnte, muss man sich doch nicht wundern, dass • auch der Kunde sich nur auf das für ihn relevante Unterscheidungsmerkmal fokussiert und • der Kunde das Angebot ganz lapidar zu den anderen Angeboten legt, die mit ähnlich wenig Merk-würdigem aufwarteten.
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Der vom Verkäufer in vielen Fällen verwendete Vorwand, nach ca. zwei Wochen nach Versand des Angebots nachzufragen, ob Selbiges angekommen sei, ist häufig ebenso wenig geistreich. Wie viele Verkäufer rufen beim Kunden an, um zu fragen, ob das Angebot angekommen sei? Wie viele Kunden antworten darauf sinngemäß mit „Ja, ich bin aber noch nicht dazu gekommen, es zu prüfen“? Bleiben wir doch ehrlich – getreu dem Motto dieses Buches: von 100 Sendungen per E-Mail oder per Post im B2B-Bereich erreichen doch sicherlich mindestens 99 den Empfänger problemlos – und das wissen wir auch alle. Also ist die ehrliche Intention des Verkäufers nicht die Nachfrage, ob das Angebot angekommen sei. Die ehrliche Variante der Frage wäre: „Ich möchte wissen, ob Sie sich schon für uns entschieden haben, und wenn nein, was ich außerhalb der Preisgestaltung tun kann, damit Sie sich für uns entscheiden.“ Wenn Sie nicht gleich derart direkt in das Telefonat einsteigen möchten, dann können Sie wieder im Rahmen des TRUE-Konzepts das „Respect“ in den Vordergrund stellen und folgenden Satz vorweg schicken: „Das mag sich nun etwas unkonventionell für Sie anhören, aber ich möchte ehrlich mit Ihnen umgehen. Kann ich Ihnen dazu eine sehr direkte Frage stellen?“ Alsdann folgt die vorhin formulierte Frage. Ich habe mir eindringlich Gedanken um die Angebotsgestaltung im B2B-Umfeld gemacht. Ich sehe dort ein enormes Umsatzpotenzial, was die ehrliche und „hirngerechte“ Darstellung der Leistungen des Lieferanten anbetrifft. Die ungeschönte Wahrheit der heutigen Angebotsdarstellung habe ich eben dargestellt, und wenn Sie sich Ihre eigenen Angebotstexte zu Gemüte führen, dann werden Sie höchstwahrscheinlich ein sehr ähnliches Bild sehen. Mein Anspruch mit diesem Buch ist, möglichst pragmatisch zu bleiben. Deswegen werde ich nun nicht mit Tipps aufwarten, die in die Richtung gehen, dass Sie ab sofort Ihre komplette Angebotsgestaltung ändern müssten. Mir ist bewusst, dass Sie mit bestehenden ERP- oder CRM-Systemen arbeiten und diese in der Regel nicht schnell adaptiert werden können, um elementare Änderungen bei der Angebotsgestaltung aufzunehmen. Ganz abgesehen davon, dass die internen Vollzeitskeptiker bei einer derartigen Anforderung (zum Beispiel die komplette Neugestaltung der Angebotsmaske) Sturm laufen würden. Da gäbe es intern sicherlich
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wieder 148 Probleme, die zu einer Lösung gefunden würden – verwenden Sie Ihre Kraft für wichtigere interne Kämpfe, denn es gibt in diesem Fall einen einfacheren Weg. Gehen Sie mit mir gedanklich eine andere Lösung durch, zu der Sie intern niemanden beauftragen oder fragen müssten. In meinen Vorträgen empfehle ich, vor – vom Volumen her relevanten – Angeboten einen „Einseiter“ zu platzieren. Auf dieser einen Seite wird dem Rezipienten des Angebots Folgendes kurz und klar dargestellt: • • • •
wie Sie den Kunden verstanden haben wie Sie sein Problem lösen werden was es ihn kostet was es ihm bringt, wenn er sich für Ihr Unternehmen als Anbieter entscheidet
Dieser Einseiter wird beispielsweise in Form einer PowerPoint-Folie als erste Seite dem Angebot vorangestellt. Ein Beispiel dazu finden Sie in Abb. 5.3. Warum das so wichtig ist? Bekanntlich werden Angebote insbesondere im B2B-Bereich meist nicht ausschließlich von einer Person entschieden bzw. beurteilt. Das bedeutet, dass die Angebote intern weitergereicht werden. Niemand nimmt sich die Zeit, 10-, 15- oder gar 30-seitige Angebote im Detail durchzulesen. Es muss sofort auf den Punkt klar sein, warum der Kunde bei Ihnen kaufen sollte – auch wenn Sie etwas teurer sind – und das gilt für jeden, der Ihr Angebot zu Gesicht bekommt. Es ist ja schön und gut, wenn der Top-Verkäufer diejenigen, die im Kundentermin anwesend waren, überzeugt hat. Sind aber noch weitere Entscheider im Hintergrund, die an dem Termin nicht teilgenommen haben, dann bekommen die eben nur das schriftliche Angebot zu Gesicht – und das muss ehrlich und auf den Punkt überzeugen.
5.1.3 Ehrlichkeit in Reden und Vorträgen In der Zeit von 1999 bis 2004 war ich Mitglied des Stadtrats der Stadt Erwitte als Vertreter meines Heimatorts Bad Westernkotten. Sehr schnell
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PLAN
Problemstellung: Ihre Anforderung – so haben wir Sie verstanden
[In einem Satz wird hier das Problem des Kunden dargestellt. Was ist dem Kunden wichtig? Verwenden Sie exakt die Nomenklatur resp. Wortwahl des Kunden (welche Schlüsselwörter verwendet der Kunde?).]
Lösung: Unser Ansatz um Ihr Ziel zu erreichen
[In einem Satz stellen Sie Ihre Lösung dar, wie Sie das Problem / die Anforderung des Kunden umsetzen.]
Angebot: Ihre Investition
[Sie stellen die verschiedenen Varianten der Investition dar. Bestenfalls 2-3 verschiedene Optionen, zwischen welchen der Kunde sich entscheiden kann.]
Nutzen: Das soll damit erreicht werden
[Sie führen ein oder mehrere der Nutzen an. Was bringt es dem Kunden, wenn er mit Ihnen zusammenarbeitet (Umsatzsteigerung, Kostensenkung, Zeitersparnis etc.)?]
Abb. 5.3 Der PLAN – der Einseiter vor dem Angebot
wurde mir bewusst, dass die Politik für mich kein geeignetes Pflaster ist. Ich musste mir eingestehen, dass man Wahlen nur gewinnt, wenn man sich bei der Kommunikation auf die WAVI-Kategorie 1 konzentriert. Sobald man in der Politik die schonungslose Wahrheit auftischt, wird es schon sehr schwierig, Mehrheiten für sich zu gewinnen. Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung kann komplexen Sachverhalten ähnlich gut folgen wie unser herzensguter, achtjähriger Labrador dem davonlaufenden Hasen. Er hat keine Chance. Allerdings unterscheidet er sich in dem eben erwähnten Beispiel vom besagten Teil der Bevölkerung in dem Punkt, dass er seine Geschwindigkeitsunterlegenheit schnell einsieht. Als Vortragsredner habe ich einen enormen Vorteil, den ich sehr schätze: Ich darf formulieren, wie ich möchte und wie ich es für am wirksamsten für das Publikum halte. Daher rede ich immer so, als wenn durchweg der WAVI-Typ 2 (siehe Abschn. 3.1) vor mir säße, denn Offenheit und Klartext sind enorm wichtig für einen mitreißenden und gleichermaßen authentischen Vortrag. Was bedeutet das nun für die Vorträge, die Sie vor kleinem bis großen Publikum halten? Nehmen wir an, Sie hielten eine Ansprache für eine größere Anzahl von Mitarbeitern Ihres Unternehmens. Sie stellen sich
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einen Repräsentanten derjenigen Personengruppe vor, die Sie für Ihre Sache gewinnen möchten. Das weitere Vorgehen ist dann ganz einfach: Sie möchten vermehrt Vertreter der Kategorie 1 aus dem WAVI (Abschn. 3.1) überzeugen: Dann wissen Sie, dass Sie sich bei brisanten und verhältnismäßig schwer nachvollziehbaren Sachverhalten zurückhalten müssen. Es gilt, frei nach Voltaire: Alles was man sagt, sollte wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, muss gesagt werden. Nutzen Sie bei Nachfragen aus dem Publikum eine abgewandelte Variante der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei, die ich bereits in Abschn. 3.1 erwähnt habe, beispielsweise sinngemäß: „Dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen. Aber ich kann Ihnen versprechen, Sie als erste zu informieren, sobald ich dazu klare Angaben machen kann. Der Grund, warum ich dazu jetzt nichts sagen kann, ist …“. Wichtig ist, dass Sie begründen, warum Sie dazu nichts sagen. Menschen fällt es deutlich leichter, einen Umstand zu akzeptieren, wenn sie ihn begründet wissen. Der schweizerische Autor Rolf Dobelli nennt dies die Begründungsrechtfertigung (Dobelli 2012). Formulieren Sie also einen gut nachvollziehbaren Grund, warum Sie genau dazu nun nichts weiter sagen werden. Sie werden erleben, dass dieses im Grunde nichtssagende Statement tendenziell deutlich besser angenommen wird. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn die Begründung den Rezipienten etwas nutzt, wie zum Beispiel die Arbeitsplatzsicherheit oder ein anderer Vorteil für die eigene Firma, denn das verbessert in der Regel auch die Arbeitsbedingungen der Zuhörer. Anders verhält es sich, wenn Sie zu dem Schluss gelangen, dass Sie vermehrt die Scharfsinnigen in Ihren Bann ziehen möchten. Wer versucht, beide „Fraktionen“ aus dem WAVI gleichzeitig zu überzeugen, scheitert kläglich. Ein Beispiel liefert dazu der ehemalige Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück. Beispiel Hätte Peer Steinbrück, als er ein höheres Gehalt für das Amt des Bundeskanzlers forderte, den WAVI bemüht, hätte er dieses Thema wohl besser nicht angesprochen. Er hätte festgestellt, dass er zwar inhaltlich eine richtige und wichtige Debatte anstößt, sich die Rezipienten der Botschaft aber zu deutlich in der Kategorie 1 wiederfinden. Somit konnte er mit dieser
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Aussage an dieses Publikum, in diesem Fall die Neider unter den Deutschen, nur verlieren. Seine Absicht war vermutlich, so er eine hatte, der Fraktion 1 zu zeigen, dass er auch unpopuläre Themen mutig angeht. Fraktion 2 wollte er, so meine Spekulation, inhaltlich überzeugen. Der Effekt war: 1 warf ihm Gier vor, 2 hielt das vermutlich für einen diskutablen Vorschlag (nahezu jeder Sparkassendirektor erhält mehr Gehalt als unsere Bundeskanzlerin), es fühlte sich aber aufgrund des Shitstorms keiner bewogen, ihm zu Seite zur springen. Wozu auch, die „WAVI 2er“wussten, dass man mit solchen Aussagen in der Gesamtbevölkerung aufgrund des hohen Anteils der 1er nur verlieren kann.
Sollten Sie bei Vertretern der Kategorie 2 mit zu vielen Nebelkerzen in der Kommunikation aufwarten, werden Sie diese Vertreter im Laufe des Vortrags verlieren. Sie werden Ihnen ihre Aufmerksamkeit nicht schenken, weil Sie schnell entlarvt werden und man Ihnen unterstellt, nichts Essenzielles zum Weiterkommen der Rezipienten beizutragen. Wer kennt sie nicht, die Vorträge voll mit Worthülsen und Phrasen, die wir alle nicht mehr hören können. Bestenfalls so formuliert, dass man bloß nirgendwo aneckt oder eine Angriffsfläche bietet. Aalglatte Nebelkerzenwerferei hat in Reden und Vorträgen zumindest bei Scharfsinnigen aus der Kategorie 2 nichts verloren. In dieser Klientel herrscht Klartexthunger. Wenn Sie Menschen erreichen möchten, die Informationen differenziert betrachten und bewerten können, demnach also der WAVI-Kategorie 2 zuzuordnen wären, müssen Sie akzeptieren, dass sich im Publikum intellektuelle Tiefflieger gegen Ihre Aussagen auflehnen. Sie müssen das nicht nur akzeptieren, sondern es ist sogar notwendig, diesen Umstand zu forcieren. Die Scharfsinnigen werden Ihnen nur folgen, wenn Ihre Thesen ebenso scharfsinnig sind und zum Vordenken anregen oder häufig auch polarisieren. Schonungslose Offenheit auch mittels des Medaillen-Prinzips hilft dort in vielen Fällen weiter, denn die Scharfsinnigen erfassen die Realität ohnehin und danken es dem Vortragenden, wenn er von sich aus beide Seiten beleuchtet. Ergo: Entscheiden Sie sich für ein „Lager“ und kommunizieren Sie dann in der entsprechenden, zielgruppenverträglichen Wahrheitsintensität und Offenheit. Wenn es das Lager der Scharfsinnigen aus Kategorie 2 ist, provozieren Sie mit maximaler Wahrheitsintensität auch mittels des Medaillen-Prinzips.
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5.1.4 Ehrlichkeit im Kampf um die besten Kräfte Den kleinen Handwerkbetrieb „Glaserei Sterz“ mit seinem zweiminütigen Video, in dem klar kommuniziert wird, was Azubis bei ihm erwarten können und was nicht, habe ich bereits anfangs erwähnt. Ein mit einfachsten Mitteln erstelltes Video über wenige Sekunden erzielt bei Facebook 4,1 Mio. Abrufe und knapp 90.000 Likes (Facebook 2018). Damit möchte ich nun nicht dazu animieren, möglichst amateurhafte Videos zu erstellen. Die Qualität des Videos – ob gut oder schlecht – war aus meiner Sicht von sekundärer Bedeutung für den viralen Erfolg. Ebenso sind der Unternehmensgegenstand und die Größe des Unternehmens nicht entscheidend. Ausschlaggebend für dieses Maß an positiver öffentlicher Aufmerksamkeit waren die Klarheit, Ehrlichkeit und Authentizität, die das Video und der Vortragende ausstrahlten. Deutlich professioneller geht im schon erwähnten Beispiel die Firma SodaStream ans Werk. Deren Imagevideo startet nicht wie üblich mit emotionsschwangerer Musik und einem Drohnenvideo vom Firmengebäude. Ich frage mich seit Langem, ob die üblicherweise dann sichtbaren Photovoltaikanalagen neben Sonnenstrahlen auch Bewerber oder Kunden anziehen sollen? Auch der ehemalige und sehr erfolgreiche CEO von SodaStream, Daniel Birnbaum, bezweifelte offenbar die häufig unterstellte aphrodisierende Wirkung von Firmendächern. In der Konsequenz startet das Imagevideo seiner Firma folgendermaßen: Er entspringt einem Käfig aus Plastikflaschen und bringt im ersten Satz auf den Punkt, wofür das Unternehmen steht: „Sprudelndes Mineralwasser und Reduzierung von Plastikmüll.“ Im Video selbst nimmt er die Firma humorvoll „auf die Schippe“, was wiederum mit hohen „Klick- und Like-Raten“ belohnt wird (YouTube 2018). Unternehmen werben häufig – nicht ausschließlich im Verkauf – um „WAVI 2“-Typen, wenn es um die Besetzung von Positionen geht. Seien Sie sicher, dass diese Typen in aller Regel online recherchieren, bevor sie sich beim Unternehmen melden. Stehen dann mehrere Unternehmen zur Auswahl, wird sicherlich dasjenige vom „Bewerber“ bevorzugt, welches sich online – auch mittels solcher Videos – offen zeigt und die eigene Haltung klar kommuniziert. Wie erwähnt – die Professionalität ist hilfreich, aber nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass die Haltung der Führung per Klartext kommuniziert wird.
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Die Berliner Verkehrsbetriebe sind für ihre außergewöhnlich ehrliche und nicht selten selbstironische Unternehmenskommunikation bekannt. Das Unternehmen erreicht mit Videos und Tweets, die einfach herrlich ehrlich die vom Kunden wahrgenommene Realität widerspiegeln, Millionen Klicks bei Videoplattformen (YouTube 2016b) und ebenso viele Follower in den sozialen Medien. Im Vergleich stehen demgegenüber horrende Summen, die in Deutschland für Marketing und Employer Branding ausgegeben werden – um sich ausschließlich von der schönsten Seite zu präsentieren. Die allzu hübsch und hochgestochen formulierten Business-toBusiness-Brunftschreie in der Personalrekrutierung – sie verhallen nicht nur, sondern rufen Skepsis hervor. Es gibt immer zwei Seiten der Medaille, und Menschen hegen entweder bewusst oder unterbewusst Skepsis, wenn nur eine Seite gezeigt wird. Um es noch einmal klar auszudrücken: Offene und ehrliche Kommunikation und Seriosität widersprechen sich nicht – im Gegenteil. Sicherlich variiert der Duktus von Branche zu Branche, das ist sehr einfach und ohne Weiteres beim Erstellen der jeweiligen Medien zu berücksichtigen. Ein Beispiel für eine offen und ehrliche Stellenanzeige biete ich im weiteren Verlauf dieses Kapitels an. Nehmen wir an, jemand hätte das Kofferraumvolumen Ihrer Oberklassen-Limousine ohne Ihre ausdrückliche Aufforderung schlagartig auf ein Drittel reduziert, sprich: Im Stau wäre Ihnen jemand hinten drauf gefahren. Sie lassen den Wagen reparieren, nach einem halben Jahr möchten Sie ein neues Auto. Würden Sie das Auto nun verkaufen und der Käufer würde den Mangel des Unfalls erst Wochen nach dem Kauf entdecken, so hätten Sie wegen vorsätzlicher arglistiger Täuschung ein veritables juristisches Problem. Unternehmen bleiben von dieser juristischen Verfolgung verschont, auch wenn das Fehlverhalten zugegebenermaßen nicht nachweisbar wäre, weil die Bewertung fast immer subjektiv ist. Jedoch: Ungeniert schwadronieren viele dieser Spezies von paradiesischen Zuständen im eigenen Unternehmen, ohne zumindest im auf den Bewerbungsprozess folgenden Bewerbungsgespräch zu erwähnen, mit welchen internen Problemen sie derzeit kämpfen. Insbesondere TOP-Verkäufer der Kategorie 2 werden es zu schätzen wissen, wenn das Unternehmen spätestens
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in diesem Gespräch mit offenen Karten spielt, frei nach dem Medaillen-Prinzip: • „Der Bereich (…) läuft (aus meiner Sicht) bei uns blendend, weil (…), das bringt uns und unseren Kunden den unschlagbaren Vorteil, dass (…). • In den Bereichen (…) haben wir veritable Baustellen, die sich folgendermaßen auf den Vertrieb auswirken (…).“ Im Folgenden gehe ich auf zwei verschiedene Perspektiven ein: Zum einen die Sicht des Unternehmens, wenn es darum geht, für erstklassige Mitarbeiter anziehend zu wirken, zum anderen werde ich zum Schluss des Kapitels auf die Perspektive des Bewerbers eingehen. Die Unternehmensperspektive im Kampf um die Besten Ich starte mit der Unternehmensperspektive: Lassen Sie mich gleich mein Unbehagen bezüglich des Begriffs „Personalrekrutierung“ zum Ausdruck bringen. Vielfach fängt das Übel schon bei der Nomenklatur an, auch hier ist das so. Wer sich die Definition von Rekrutierung näher anschaut, wird feststellen, dass man mit dieser Vorgehensweise heute keine Top- Mitarbeiter mehr findet. Die Definition von Wikipedia bringt es auf den Punkt: „Unter Rekrutierung (von Rekrut) oder Aushebung wird im Militär die Einberufung von vorher gemusterten Soldaten, Wehrpflichtigen und Milizionären in den Militärdienst verstanden.“ (Wikipedia 2019a) Exzellente Mitarbeiter möchten nicht rekrutiert werden. Wer will das schon? Sie möchten für sich aus einer Vielzahl von Alternativen die für sich beste Variante wählen. Wir reden hier von den Vertretern der WAVI- Kategorie 2 – die Scharfsinnigen, die im Grunde jeder für sich gewinnen möchte. Nur diejenigen Unternehmen wirken auf diese exzellenten Kräfte anziehend, die in der Selbstdarstellung überzeugen. Wenn die Umgebungsvariablen ähnlich sind, was überzeugt dann mehr als bodenständige Ehrlichkeit? Nehmen wir an, Sie möchten sich einen Neuwagen zulegen und haben zwei Händler zur Auswahl. Beide Anbieter bieten Ihnen sehr ähnliche Konditionen und vergleichbaren Service. Sie können sich allerdings bei einem von beiden sicher sein, dass er zu Ihnen ehrlich ist. Die Frage, für welchen Händler Sie sich entscheiden würden, erübrigt sich.
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Ähnlich gestaltet es sich mit Unternehmen und deren Bewerbern. Wenn es um das Anwerben von erstklassigen Mitarbeitern geht, bewirbt sich heute nicht mehr der Mitarbeiter beim Unternehmen, sondern es ist schon seit Langem umgekehrt. Das fängt bereits beim Layout und der Formulierung der Stellenanzeige an. Selbst wenn Sie über den verdeckten Personalmarkt mittels Headhunter Mitarbeiter anwerben möchten, so folgt auf das erste Gespräch mit dem Headhunter üblicherweise die Zusendung des Stellenprofils. Verlassen Sie auch dort die ausgetretenen Pfade. Es ist hier nicht anders als im Kundengespräch. Ganz gleich, ob Sie nun „klassisch“ eine Stellenanzeige online oder offline schalten, oder ob Sie im Rahmen von Employer Branding ein Video erstellen: Positive Beispiele sind selten, aber es gibt sie. Natürlich gibt es auch bezüglich der beispielhaft erwähnten Videos wieder Skeptiker, die unzählige Gründe finden, warum man das in dieser Art für die eigene Firma nicht umsetzen kann. Es werden Äußerungen folgen wie „Das ist so nicht darstellbar“. Darauf antworten Sie bitte: „Es soll ja auch kein Theaterstück werden.“ Seriosität und Humor lassen sich in Einklang bringen, achten Sie nur, wie bereits erwähnt, auf den Sprachgebrauch Ihrer Branche, achten Sie auf die bereits erwähnten Aspekte des TRUEund Medaillenprinzips, würzen Sie das Video mit ein wenig Selbstironie und Wortwitz. Das Stellenprofil bzw. die Anzeige muss nicht anrüchig, brutal oder obszön sein, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Sie sollte eine zum Schmunzeln anregende Wortwahl enthalten, herrlich ehrlich sein und zum Nach- bzw. Vordenken anregen. Sie muss zeigen: Das Unternehmen hat sich wirklich Gedanken gemacht, wie es die gewünschte Mitarbeiterzielgruppe treffend anspricht. An dieser Stelle zeige ich Ihnen nun ein Beispiel, wie Sie mittels des Medaillen-Prinzips in Kombination mit dem TRUE-Prinzip den Aufbau einer andersgearteten Stellenanzeige respektive Stellenprofils umsetzen können. Mir ist völlig bewusst, dass dieses Buch nicht ausschließlich für Personalleiter geschrieben ist. Dennoch ist es als Führungskraft außerhalb des Personalbereichs absolut ratsam, ebenso Impulse zu geben, wie das Stellenprofil formuliert sein sollte, damit es die Besten anzieht. Jeder Vertriebsleiter, jeder Geschäftsführer und natürlich jeder Inhaber bzw. Shareholder einer Firma partizipiert nachhaltig davon, wenn die besten
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Leute vom Unternehmen angeworben werden. Deswegen reicht es bei Weitem nicht, die „Stellenanforderung“ an die Personalabteilung zu senden und dann abzuwarten, bis die ersten Bewerbergespräche anberaumt werden. Fußballtrainer der Spitzenvereine geben an Ihre Sportdirektoren schließlich auch keine Stellenanforderung ab, die in etwa so lautet: Benötige einen Mitarbeiter, der • • • •
im Sturm möglichst viele Tore schießt, bei zwei von drei „Blutgrätschen“ wieder aufsteht und weiterläuft, ins Budget passt, auf dem Platz keinen Napoleon Bonaparte mimt, sondern sich in das schwierige Team von Alphatieren integriert.
Jeder angesehene Funktionär im erstrangigen Klassement weiß: Das wird so nichts. Spitzentrainer engagieren sich selbst aktiv bei der Suche nach Top-Leistern. Das bedeutet nun nicht, dass jeder Vertriebschef seine Verkäufer selbst bei LinkedIn und Xing suchen oder ständig eigenhändig mit Headhuntern kommunizieren soll. Es bedeutet aber, dass erstklassige Führungskräfte sich selbst stark in die „Anwerbekampagne“ für die besten Leute einbringen. Wenden Sie also das TRUE-Prinzip bei Stellenanzeigen und Videos an und bringen Sie sich aktiv ein, was die Inhalte dieser beiden Medien anbetrifft. Exzellente Mitarbeiter zu finden und als Unternehmen anziehend zu wirken ist mit einer der wichtigsten Aufgaben von Führungskräften (Sprenger 2012). Schließen Sie sich also intern kurz und entwickeln Sie die bestmögliche Kampagne. Folgendes Beispiel verdeutlicht meinen Ansatz. Mit einem außergewöhnlichen Stellenprofil erhöhen Sie Ihre Chancen, den „Rahm“ des Arbeitsmarktes abzuschöpfen, um ein Vielfaches. Lassen Sie uns mit einem Beispiel aus dem B2B-Vertrieb starten. • Target: Sie stellen sich die ersten Fragen aus dem TRUE-Prinzip: –– „Was möchten Sie erreichen?“ Ich vermute stark, dass Sie nicht nur auf die guten, sondern auf die besten Verkäufer anziehend wirken möchten.
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–– „Warum möchten Sie das erreichen?“ Es wird Ihre Fähigkeiten schärfen, es wird Ihre Reputation steigern und für Sie und Ihre Firma wird am Ende ein besseres Ergebnis stehen, wenn Sie sich mit den Besten umgeben. –– „Welchen WAVI-Typen möchten Sie ansprechen?“ Fallen die „2er“ in Ihr Beuteschema, bedeutet das, dass Sie mit 100 % Ehrlichkeit an die Sache herangehen sollten. Auch mit Chuzpe gewürzter Wortwitz ist angebracht. • Respect: Sie sollten den Leser sofort zu Beginn vorbereiten, dass nun etwas Außergewöhnliches folgt. • Unconventional: Das kann zum Beispiel gelingen, in dem Sie ein schlagkräftiges Foto mit einem zum Nachdenken anregenden Spruch verbinden. Auch wenn Sie die AIDA-Formel (Attention, Interest, Desire, Action) nicht mehr hören können: Das Werben um die Besten umschreibe ich hier schon mit außergewöhnlichen Methoden, da können wir zumindest beim Aufbau der Anzeige (online wie offline) auf bekannte und bewährte Methoden setzen. Zuerst erzeugen Sie Aufmerksamkeit durch ein auf den ersten Blick unpassendes Bild. Dann wecken Sie Interesse und den Wunsch nach weiteren Infos, zum Schluss laden Sie zur Handlung ein. Beispiel Wir suchen jemanden, egal welchen Geschlechts, der unser Händlernetzwerk ausbaut, unsere Kunden positiv verblüfft und uns mit grandiosen Umsatz- und Ertragszahlen regelrecht den Atem verschlägt. Ob wir zu den besten Unternehmen Deutschlands gehören? Dass wir das behaupten, scheint offensichtlich. Sie werden es ohnehin tun: Googlen Sie unseren Firmennamen und schauen Sie , was über uns geschrieben wird. Die Zeichen stehen gut: Wir zahlen pünktlich Gehälter und Rechnungen, unser Gesellschafter schläft nachts ruhig und 97 % unserer Kunden empfehlen uns weiter. Bei den drei Prozent haben wir schlicht und ergreifend schlecht geleistet – aber auch bei denen arbeiten wir daran, dass wir sie zurückgewinnen. Ob wir ein guter Arbeitgeber sind? Wir sind kein „Arbeitgeber“, sondern bereiten den Menschen, die gerne bei uns arbeiten, eine Bühne, auf der sie zeigen, was sie sehr gut können. Und ob wir darin brillieren oder nicht, das können am besten die sagen, die bei uns arbeiten – oder gearbeitet haben.
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Da Sie ohnehin danach suchen werden, lesen Sie hier den Auszug jeweils einer Kununu-Bewertung [Anmerkung: Medaillen-Prinzip]: • Kritisch: • Positiv: Unser Anspruch ist höchstmögliche Ehrlichkeit und Transparenz. Und wenn Sie diese Anzeige bisher nicht abgeschreckt hat, Sie sich und alles, was Sie interessiert, erstklassig verkaufen können, und es auch mit uns ehrlich meinen, dann können Sie auf unsere Bewerbung an Sie (ja, Sie lesen richtig) gespannt sein. Sie erhalten dann unsere Bewerbung bei Ihnen. [Hier fügen Sie Ihre Stellenbeschreibung ein und was Sie bieten.] Wie hat diese Anzeige auf Sie gewirkt? Schreiben Sie uns Ihren Ärger, Ihre Freude oder Überraschung an [E-Mail-Adresse] mit dem Betreff „Jetzt mal ganz ehrlich: Das war …“ und Sie erhalten postwendend unsere aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen.
• Emotion: Wird so eine Anzeige jedem gefallen? Sicher nicht. Schreiben Sie als Journalist einen Text, der jedem gefällt, können Sie sicher sein, dass er kaum Aufmerksamkeit erhalten wird. Schreiben Sie allerdings pointiert auf eine Zielgruppe zugeschnitten, polarisieren Sie in der Konsequenz: Die Zielgruppe honoriert es, alle anderen ignorieren oder kritisieren. Und das ist genau der Effekt, den Sie mit solch einer Stellenanzeige erreichen müssen. Wenn Sie sich genau darüber im Klaren sind, welchen „Typus“ Sie suchen, müssen Sie polarisieren, um Aufmerksamkeit und Neugierde zu wecken. Sie werben um die Besten – und die fühlen sich wahrlich nicht von Standardtexten angesprochen. Was spricht dagegen, sich von Ihren eigenen sehr guten Mitarbeitern Inspirationen zu holen: Welche provokanten Überschriften hätten diese angesprochen? Was wäre hart an der Grenze des guten Anstands (entschärfen können Sie es immer noch)? Welcher Inhalt würde vom Rezipienten im Freundeskreis geteilt, weil er bemerkenswert ist? Das Ziel einer Stellenanzeige ist selbstredend, dass Sie mehr exzellente Mitarbeiter an Bord haben wollen. Es folgt also das Bewerbungsgespräch. Bei hochkarätigen Bewerbern darf die Frage gestellt werden, wer sich eigentlich bei wem bewirbt. Immer häufiger ist es so, dass sich im Grunde
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das Unternehmen beim Bewerber bewirbt. Dieses Buch wird nun keinen starken Fokus auf das Führen eines Bewerbungsgespräches legen. Jedoch bringt das folgende Zitat es auf den Punkt, wenn es um den Start eines Bewerbungsgesprächs geht: „Lassen Sie uns schauen, ob wir zueinander passen. Wir wollen nichts verheimlichen und nichts beschönigen und gehen davon aus, dass Sie das auch nicht tun.“ (Sprenger 2012, S. 246) Damit sind die Fronten klar, und Sie werden schnell feststellen, dass sich bei Gesprächen mit Personen der WAVI-Kategorie 2 die Situation entspannt und man einfach ehrlicher miteinander umgeht. Es gibt Autoren, die behaupten, dass Small Talk wichtig sei. Die menschliche Kommunikation sei im Besonderen bezüglich der nonverbalen Aspekte darauf ausgerichtet, Freund von Feind zu unterscheiden. Dem pflichte ich bis zu diesem Punkt auch bei – allerdings bin ich bekennender Small-Talk-Hasser, wenn die Irrelevanz der Themen abstruse Züge annimmt. Dem Personalchef, der bei drei Bewerbergesprächen an einem Tag zum dritten Mal über die aktuelle Verkehrslage der naheliegenden Autobahn parliert, kann man doch nur Mitleid dafür zollen, dass seine Synapsen gerade ähnlich gefordert werden wie der Mathematik- Weltmeister beim kleinen Einmaleins. Solche Small Talks sind langweilig, und ich verweise hier auf meine Empfehlung aus Kap. 1 die Frage an Ihren Gesprächspartner, worauf er sich in den nächsten Tagen freut oder was ihm in den vergangenen Tagen gut gelungen ist. Sie haben die Small-Talk-Phase beidseitig geist-reich gestaltet? Sehr gut! Weitere Ideen, um möglichst viel Ehrlichkeit in den Auswahlprozess – und zwar für beide Seiten – einfließen zu lassen, finden Sie hier: • Der Bewerber sollte bereits in der Einladung zum Termin ermutigt werden, kritische Fragen zu stellen. Dies kann folgendermaßen lauten: „Mit welcher kritischen Frage glauben Sie, uns im negativen Sinne aus der Reserve locken zu können? Überraschen Sie uns damit. Wir haben genau wie Sie kein Interesse an einem 08/15-Interview mit beidseitiger Maskerade. Wir freuen uns sehr auf ein spannendes Gespräch mit Ihnen!“ • Während des Gesprächs führen Sie nach dem Medaillen-Prinzip Vorzüge und Nachteile der Position auf – ohne explizite Nachfrage des Bewerbers. Wenn Sie als Bewerber nun vor der Wahl stünden, ob Sie diese Position annehmen oder nicht, was würde sich bei Ihnen auf der
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Soll- und was auf der Habenseite wiederfinden? Eine sinngemäße Formulierung könnte so lauten: „Wenn ich Sie wäre, dann sprächen die Punkte […] für die Position – und die Aspekte […] dagegen. Wie denken Sie darüber?“ Sie wissen, wie enorm teuer es ist, wenn sich nach einiger Zeit herausstellt, dass Person und Position nicht zueinander passen. Wenn wir von Vertriebspositionen sprechen, dann bekommen Sie das sowohl finanziell als auch in Bezug auf die Reputation in der Kundschaft zu spüren. Lassen Sie also möglichst viel Offenheit walten und Sie werden sehen, dass die Maskerade beidseitig fällt und sowohl der potenzielle Mitarbeiter als auch Sie bessere Entscheidungen treffen. Ist der passende Mitarbeiter gefunden, dann ergibt sich hoffentlich häufig die Gelegenheit zu weiteren Gesprächen mit dem neuen Mitarbeiter. Mündigen Mitarbeitern geht es allerdings im Kern nicht darum, dass ihnen der Chef jeden Tag jovial auf die Schulter klopft, um damit seine „Lobesquote“ zu erfüllen. Bei scharfsinnigen Mitarbeitern hat das sogar einen gegenteiligen, negativen Effekt. Denn natürlich durchschauen sie, dass dieses Lob nicht ehrlich und von Herzen kommt, sondern in irgendwelchen Führungsseminaren antrainiert wurde. Viel wichtiger ist, dass man häufig ehrlich miteinander spricht. Lassen wir die bedeutungsschwangeren Begriffe wie Mitarbeiterkommunikation einfach mal außen vor und bringen wir es auf den Punkt: Häufige, ehrliche und persönliche Gespräche steigern die Loyalität um ein Vielfaches im Vergleich zu antrainiertem, künstlichen Lob. Und schon sind wir beim unsäglichen Begriff „Mitarbeitergespräch“. Es gibt sicher unzählige Bücher und mannigfaltige Literatur für Führungskräfte, wie ein Feedback aufgebaut und so ein Gespräch geführt werden sollte, worauf man achten muss etc. Ich bin der festen Überzeugung: Erst wenn die übliche Maskerade fällt, erst wenn der offensichtlich nur wegen der gezwungen positiven Atmosphäre geführte Small Talk wegfällt, wenn beide Seiten wissen, woran sie sind und jeder darauf vertrauen kann, dass es nun entwaffnend ehrlich zugeht, dann kann so ein Gespräch wirklich etwas auslösen. Dann kann es das Verlangen auslösen, gemeinsam etwas Großes zu erreichen.
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Wenn Sie mit Mitarbeitern der WAVI-Kategorie 2 sprechen: Vergessen Sie irgendwelche „Feedback-Burger“ oder was Sie auch immer in Führungsseminaren dazu gelesen und gelernt haben. Zur Erinnerung: Dort wird suggeriert, dass Sie ein Feedbackgespräch mit etwas Positivem starten, dann die Kritik anführen, um am Ende wieder mit etwas Positivem zu schließen. Herausragende Mitarbeiter durchschauen das Spiel sofort und der Effekt in Bezug auf das Vertrauen und die Offenheit ist der Gegenteilige. Tipp: Beim nächsten Gespräch mit Ihren scharfsinnigen Mitarbeitern zeichnen Sie das übliche Feedbackkonstrukt wie einen „Burger“ (Positiv – Kritik – Positiv) auf ein Flipchart und streichen ihn durch. Dabei erklären Sie, dass Sie nun nicht mit irgendwelchen Methoden um den heißen Brei he rumreden möchten, sondern sofort offen und ehrlich das aussprechen, was Ihnen auf der Seele liegt. Positiv und negativ – nach dem Medaillen-Prinzip eben. Sie holen sich die Zustimmung Ihres Gegenübers, ob es aus seiner Sicht in Ordnung sei, derart offen vorzugehen, auch wenn es anfangs vielleicht etwas ungewohnt ist. Sie werden ein „Ja, klar“ erhalten, was vielleicht aus Sicht des introvertierten Mitarbeiters noch nicht ganz von Herzen kommt, weil er nicht weiß, was folgt. Der Extrovertierte wird damit besser umgehen können, am Ende ist es für beide positiv.
Sie können auch hier dem TRUE-Prinzip folgen. • Target: Sie kennen die Fragen – Was möchten Sie mit dem Gespräch erreichen und warum? • Respect: Sie könnten sinngemäß folgendermaßen einsteigen: „Ist es in Ordnung für Sie, wenn ich nun die üblichen Mitarbeiter-Feedback- Techniken einfach mal weglasse und sofort ehrlich das ausspreche, was mich umtreibt, negativ wie positiv?“ • Unconventional: Sie könnten fortfahren mit: „Das mag sich anfangs etwas seltsam anfühlen, aber am Ende bringt es uns beide weiter. Nehmen Sie sich bitte einige Moderationskarten und schreiben die Stichpunkte auf, die Ihnen an mir negativ wie positiv auffallen. Es ist egal, wie viele Punkte auf welcher Seite stehen. Ich mache das nun auch und in zehn Minuten tauschen wir uns dazu aus, ok?“
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• Emotion: Am Ende könnten Sie das Gespräch schließen mit: „Wie war das nun für Sie, dass wir sämtliche Masken haben fallen lassen? Ungewohnt, ärgerlich, überraschend?“ WAVI-2-Vertreter werden es Ihnen danken, dass Sie diese entwaffnende Ehrlichkeit an den Tag legen und sogar zum Schluss noch die Emotionen ansprechen. Kategorie 1 wird gewisse Herausforderungen damit haben, diese Offenheit in den richtigen Kontext zu setzen. Daher sollten Sie dort eher die altbekannten Methoden anwenden. Die Perspektive der Umworbenen Wenn Sie nicht Ihr gesamtes Berufsleben selbstständig waren oder sind, dann waren Sie schon in der Situation eines Bewerbungsgesprächs oder werden es in der Zukunft möglicherweise sein. Dann sind Ihnen sicherlich auch die üblichen Floskeln und Fragen eines Bewerbungsgesprächs bekannt – und vermutlich sind Sie davon auch gelangweilt. Als Vertreter der WAVI-Kategorie 2, zu der ich Sie zähle, gehören Sie also zu den Menschen, um die sich Unternehmen bewerben. Die Crux ist nun, das Vabanquespiel zwischen freudig-spritziger sowie interesseweckender Chuzpe auf der einen Seite und Arroganz auf der anderen Seite zu beherrschen. Dies ist sicherlich eine Gratwanderung. Ich bitte das nun Folgende in den richtigen Kontext zu setzen und nicht despektierlich zu verstehen: Wir reden bei scharfsinnigen Personen in der Regel über Schlüsselpositionen, die besondere Eignungen erfordern. Das bedeutet auch, dass – salopp formuliert – die übliche Standard-Gesprächsführung niemanden vom Hocker hauen wird. Ich vermute, Sie und ich haben nicht nur bei beruflichen Gesprächen das Ziel, dass man sich noch lange an dieses Zusammentreffen erinnert. Lassen Sie uns kleine Geschichten schreiben, von denen Ihr Gegenüber abends zu Hause beeindruckt berichtet. Im Englischen: Let’s make memories! Folgen Sie mir also nun zu einem Beispiel, wie man ein derartiges Gespräch aus Sicht des Bewerbers nach dem TRUE-Prinzip gestalten kann. • Target: Was Sie erreichen möchten, sollte klar sein – Sie möchten den Job. Warum sie mit genau diesem Job einen beachtlichen Teil ihres bewusst wahrgenommenen Lebens verbringen möchten, ist den meisten Menschen allerdings keineswegs umfänglich bekannt. Was ändert
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sich dadurch zum Positiven? Was, außerhalb von Gehalt und Re putation, lässt Sie vermutlich morgens für diesen neuen Job aus dem Bett springen? Inwiefern bringt diese Aufgabe mehr Erfüllung in Ihr Arbeitsleben? Wenn Sie sich den Job „schnitzen“ könnten, wie sähe die perfekte Arbeitswoche aus? Sind Sie für das, was Sie in dieser Position hauptsächlich tun werden, beruflich „auf die Welt gekommen“? Ich weiß, dass sich das etwas seltsam anhören mag. Denjenigen, die nun beim Lesen dieser Zeilen die Stirn runzeln, empfehle ich die Lektüre von „The Big Five for Live“ von John Strelecky (2009). Er erwähnt dort den sogenannten „Zweck der Existenz“ – also den Grund, warum man auf dieser Welt ist. Ohne zu sehr in die grundsätzlichen Fragen des Lebens eintauchen zu wollen, halte ich es jedoch schon für sehr sinnvoll, sich mit den eben benannten Fragen zu beschäftigen. Um bestmögliche Antworten für sich selbst zu erhalten, empfehle ich die Methode des expressiven Schreibens (Blickhan 2015), um ein möglichst klares Bild über diesen perfekten Job zu erhalten. Natürlich wird es in jeder Position zu Tätigkeiten kommen, die Sie machen müssen und die Ihnen nicht gefallen. Das Ziel dieser Vorgehensweise ist, den Anteil der erfüllenden Tätigkeiten möglichst hoch anzusiedeln. Auf den Punkt formuliert gestaltet sich das expressive Schreiben in dieser Form: –– Nehmen Sie sich nun 20 Minuten Zeit, um sich in die Situation zu versetzen, wenn Ihr Wunsch, zum Beispiel in fünf Jahren, in Erfüllung gegangen ist. Sie haben Ihre Stärken eingesetzt, Chancen genutzt, Ziele gesetzt und verfolgt. Welche inneren Bilder sehen Sie? Vielleicht hören Sie etwas? Vielleicht riechen oder schmecken Sie etwas? Wie fühlt sich das körperlich an? –– Schreiben Sie nun Ihre Gedanken dazu auf, wie es Ihnen in der Situation geht, was Sie tun, was Ihnen wichtig ist. Schreiben Sie ca. 15 Minuten lang, intuitiv und ohne lange darüber nachzudenken. Wichtig ist, dass Sie kontinuierlich weiterschreiben, auch wenn Sie denken sollten, dass Ihnen nichts mehr einfällt. Schreiben Sie trotzdem weiter, Sie werden vom Ergebnis überrascht sein. Danach legen Sie den Text beiseite und nehmen Veränderungen in Ihrer Laune bzw. in Ihrem Befinden wahr (Kober 2019).
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–– Aus den Erkenntnissen dieses Textes leiten Sie dann wichtige Ziele und Maßnahmen ab. Sie beschreiben genau, inwiefern der Job Ihnen helfen wird, diese Wünsche und Ziele zu erreichen und inwiefern Sie in diesem Job Ihre Stärken einfließen lassen können. Daraus ergeben sich die Antworten auf die Frage nach dem „Warum möchte ich genau diesen Job?“. –– Die eigene Antwort auf die Frage nach dem Warum ist insbesondere bei Positionen im Vertriebs- und Führungsbereich von maßgeblicher Bedeutung. Nur wenn Sie selbst wissen, für was Sie in diesem Job buchstäblich morgens aus dem Bett springen, strahlen Sie auch diese Souveränität und Ausgeglichenheit aus, die in Positionen mit intensivem Menschenkontakt unentbehrlich ist. Das klingt banal, finden Sie? Dann stellen Sie sich selbst genau diese Frage und schauen Sie, wie präsent die Antworten in Ihrem Bewusstsein sind. Haben Sie darauf unverzüglich zwei bis drei stichhaltige Antworten, dann sind Sie dort gut gerüstet. Sollten Sie eher länger darüber nachdenken müssen, dann hat sich für Sie schon alleine aufgrund der höheren Klarheit für sich selbst in diesem Punkt die Lektüre des Buches gelohnt. –– Die Antwort auf die dritte Frage (nochmals zur Erinnerung: „Zu welchem „WAVI-Typen“ spreche ich?“) können Sie für sich erst final beantworten, wenn Sie mit Ihrem Ansprechpartner in Kontakt getreten sind. Da ich annehme, dass Sie sich für „höhere Weihen“ bewerben, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass Sie bei Ihrem Gesprächspartner auf die Kategorie 2 treffen. Sie und ich wissen, dass es dafür keine Garantie gibt, egal, von welcher Position wir sprechen. Seien Sie daher flexibel und machen sich vor Ort ein Bild. –– Die Antwort auf die vierte Frage („Steht die vermutete Reaktion im Verhältnis zu meinen Zielen?“) ist auch in diesem Fall äußerst interessant. Sollten Sie das Gespräch mittels des TRUE-Prinzips mit entwaffnender Ehrlichkeit gestalten und Ihr Gesprächspartner reagiert negativ, weil er die Informationen nicht in den richtigen Kontext setzen kann oder weil Sie aus Sicht des Interviewpartners zu direkt auftreten, dann können Sie auch schon ziemlich genau vermuten, dass diese Position in dieser Firma nicht die richtige Wahl für Sie ist. Denn sollten Plattitüden, Worthülsen und
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Maskeraden zur Kultur des Unternehmens gehören, dann brauche ich Ihnen nicht weiter zu erläutern, warum dieses Unternehmen die falsche Wahl für Sie wäre. • Respect: Sollte der Gesprächspartner der anwerbenden Firma das Gespräch nicht mit einer Variante des zuvor genannten Passus: „Lassen Sie uns schauen, ob wir zueinander passen. Wir wollen nichts verheimlichen und nichts beschönigen und gehen davon aus, dass Sie das auch nicht tun.“ (Sprenger 2012, S. 246) starten, so frage ich Sie: Was spricht dagegen, dass Sie das Zepter in die Hand nehmen und gleich für eine entwaffnend ehrliche Gesprächsatmosphäre sorgen? Selbstredend kommt es hier weniger darauf an, was man sagt, sondern vielmehr darauf, wie man es sagt. Ein Beispiel dafür möchte ich Ihnen hier angeben: „Sagen Sie, wären Sie damit einverstanden, wenn ich Ihnen gleich zu Beginn meine Haltung und meine Ziele für das Gespräch offenlege?“ Sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit ein „ja selbstverständlich“ ernten. Ich weiß sehr wohl, dass ich mich mit dieser Frage in das Reich der Suggestivfragen begebe. Sie dient allerdings dazu, Ihr Gegenüber abzuholen. Es geht darum, sich gegenseitig auf eine ungewöhnlich ehrliche Umgangsweise „einzuschwingen“ – ohne Maskerade und ohne Worthülsen. Sie könnten sinngemäß folgendermaßen fortfahren: „Meine Hal tung ist: Ich möchte in diesem Gespräch nichts beschönigen oder verheimlichen und bin hier, weil ich sicher davon ausgehe, dass Sie das auch nicht tun. So finden wir eine ehrliche Basis, um herauszufinden, ob wir zueinander passen – oder nicht. Mein Ziel ist: Wenn ich während des Gesprächs einen noch stärkeren Drang verspüre, diesen Job zu erhalten, dann möchte ich erreichen, dass Sie heute Abend zu Hause von diesem Gespräch begeisternd berichten. Dann habe ich es geschafft, bei Ihnen einen bleibenden positiven Eindruck zu hinterlassen. Wie möchten Sie starten?“ Sollten Sie sich nun an der ein oder anderen Formulierung stören, dann wissen Sie bereits: Diese Formulierungen sind Denkanstöße. Wählen Sie diejenigen Varianten, die Ihnen gut von der Zunge gehen, formulieren Sie eigene. Nichts wäre weniger authentisch, als wenn man Ihnen anmerkt, dass Sie etwas auswendig Gelerntes artikulieren.
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Mir geht es darum, dass Ihr Gesprächspartner merkt, dass sich hier nun ein ungewöhnliches, mit hoher Wahrscheinlichkeit spannendes Gespräch entwickeln wird. Und darum, dass sich Ihr Gegenüber da rauf einstellen kann und nicht unvorbereitet überrascht wird – was sich negativ auf den weiteren Gesprächsverlauf auswirken kann. • Unconventional: Sie erinnern sich an das Beispiel aus Abschn. 4.2? Dort habe ich „Unconventional“ bereits am Beispiel eines Kun dengesprächs im B2B-Vertrieb erwähnt. Der Unterschied zu einem Bewerbungsgespräch ist erstaunlich überschaubar. Natürlich ist in Ihrem Fall häufig das Unternehmen das sich „bei Ihnen bewerbende“, dennoch müssen Sie im Gespräch mit dem Personalentscheider auf den Punkt liefern. Identisch ist es mit dem Verkäufer im B2B-Bereich – dort geht es schnell um sechs- bis siebenstellige Summen – kein Kunde lässt in solchen Gesprächen Unzulänglichkeiten oder Nachlässigkeiten seitens des Verkäufers ungesühnt. Daher können wir auch im Gespräch mit dem Personalentscheider das Marktführer-Vertriebsprinzip anwenden. Denn auch wenn Sie rein objektiv der beste Kandidat sind, so entscheidet nun Ihr Gegenüber, ob Sie eine Runde weiter kommen – oder eben nicht. Ihn gilt es ehrlich zu überzeugen. Daher gehen wir in diesem Punkt nun analog zu Abschn. 4.2 vor. Als Gedankenstütze erwähnte ich hier nochmals das Marktführerprinzip – nun gemünzt auf die Situation im Bewerbungsgespräch. Sie müssen sich bestens verkaufen, daher gilt die Abb. 3.3 für das Bewerbungsgespräch analog. Im Grunde wenden Sie hier das gleiche Prinzip an, wie ich es in Abschn. 3.3 geschildert habe. Gehen Sie das Marktführer-Vertriebsprinzip Schritt für Schritt gedanklich vor dem Termin durch. Bereiten Sie sich genau so vor, als hätte Sie einen Kundentermin und schon werden Sie sehen, dass Sie das Gespräch weiterbringen wird. Vermutlich wird selten so viel gelogen wie beim Thema Gehalt. Sollten Sie zu der Fraktion gehören, die auf ihr tatsächliches Gehalt 30 % „hinzufantasiert“, um beim zukünftigen Arbeitgeber ein möglichst hohes Gehalt zu erzielen, empfehle ich Folgendes: Lassen Sie das doch einfach sein. Ihr Gegenüber rechnet doch schon damit, dass man diesbezüglich
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angelogen wird, sollte die Sprache auf die bisherige Entlohnung kommen. Das anwerbende Unternehmen hat sich für die Position ohnehin schon längst ein Budget gesetzt. Wenn Sie außergewöhnlich gut für diese Position geeignet erscheinen und sich auch so präsentieren, wird das Unternehmen in der Regel auch bereit sein, mehr als das gesetzte Budget zu investieren. Je verantwortungsvoller die Position ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das eben Beschriebene zutrifft. Was spricht dagegen, im Laufe des Bewerbungsgespräches Ihre Steuererklärung auf den Tisch zu legen. Schwärzen Sie die Bereiche, die den Arbeitgeber ohnehin nicht interessieren und legen damit – herrlich ehrlich – Ihr bisheriges Jahresbruttogehalt offen. Dann fügen Sie glasklar hinzu, wie viel Sie mehr verdienen möchten. Ehrlicher geht es nicht – und zudem bin ich mir sehr sicher, dass Sie der einzige Kandidat sein werden, der nicht nur diesbezüglich mit derart klarer Kante kommuniziert. Nehmen wir an, dass der Anwerbe- bzw. Bewerbeprozess beidseitig erfolgreich abgeschlossen wurde. Zu ehrlicher Personalarbeit gehört selbstverständlich auch, sich zeitnah von Mitarbeitern zu trennen, die nicht zum Unternehmen passen. Im Vertrieb erlebe ich zu häufig, dass der Bock zum Gärtner gemacht wird. Manche Menschen haben einfach nicht das „Vertriebsgen“, den Biss, Kunden zu verblüffen und gleichzeitig intern Brücken zu schlagen (oder Brände zu entfachen), um die beste Leistung für den Kunden zu erzielen. Das wird erst dann zum Problem, wenn die Führungskraft nicht die Stärke zeigt, in solchen Fällen konsequent zu handeln. In den meisten Fällen tun sich damit am Ende solch einer Entscheidung beide Seiten – Mitarbeiter und Unternehmen – einen Gefallen, denn bei derartigen Fehlbesetzungen werden beide nicht glücklich.
5.1.5 Ehrlichkeit als Kunde Sind Kunden ehrlich? Diese Frage kann sehr schnell beantwortet werden: häufig nicht. Das Misstrauen, das Verkäufern gegenüber gespiegelt wird, beruht so manches Mal durchaus auf Gegenseitigkeit. Zu häufig haben Verkäufer die Erfahrung gemacht, dass Kunden Interesse heucheln, die
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Intention der Anfrage allerdings lediglich die Möglichkeit war, intern ein weiteres Vergleichsangebot vorweisen zu können. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: • die Verbesserung der eigenen Verhandlungsbasis gegenüber dem Stammlieferanten, • eruieren, was noch so am Markt möglich ist oder • der Kunde benötigt schlicht und ergreifend für die internen Prozesse mehrere Angebote, um den Bestellprozess einzuhalten. Vielfach ist es den Kunden entweder nicht bewusst oder schlicht egal, welchen Aufwand sie damit beim potenziellen Lieferanten erzeugen. Wenn der Kunde vom Lieferanten ehrliches und vertrauensvolles Vorgehen einfordert, dann hat auch er als Kunde sich dementsprechend zu benehmen. Das bedeutet ganz konkret, dass auch hier das Medaillen- Prinzip angewendet werden sollte. Was spricht dagegen, dass der Kunde seine wahren Beweggründe über diese Anfrage sofort mitteilt? Natürlich könnte er angeben, dass dies lediglich ein Angebot ist, um den internen Bestellprozess korrekt abzubilden. Wenn ohnehin keine Bestrebung besteht, den Lieferanten zu wechseln, dann könnte der „derzeit ausschließlich potenzielle“ Lieferant hier zügig und schneller Angebote erstellen ohne veritablen internen Aufwand. Dies hat für beide Seiten immense Vorteile. Nehmen wir an, ein Kunde fragt ständig an, kaufte aber in der Vergangenheit bisher nicht. Woher soll nun der Vertriebler erkennen, dass er sich nun bei einem bestimmten Angebot besonders ins Zeug legen sollte, um ein besonders attraktives Angebot zu erstellen? Warum sollte er bei diesem Kunden, der lieferantenintern bereits das Prädikat „nur Aufwand – kein Umsatz“ besitzt, Zeit und Energie investieren? Er wird für jede Anfrage gleich wenig, bestenfalls keinen Aufwand mehr betreiben, weil er weiß, dass ohnehin kein Umsatz generiert wird. Wenn hingegen der Kunde die Angebote klar unterscheidet, zum Beispiel als „Bestellprozessangebote“ (hier wird nur ein Angebot für interne Prozesse benötigt) und Vorzugsangebote, bei denen der Lieferant wirklich eine gute Chance hat zu liefern, dann wird sich der Vertriebler bei der zweiten Kategorie sowohl bei Angebotserstellung als auch bei der Präsentation deutlich mehr Mühe geben. Zusätzlich
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erhalten auch die Bestellprozessangebote wieder einen Sinn – denn wenn ich Anfragen für Vorzugsangebote erhalten möchte, dann muss ich auch bei der ersten Kategorie zumindest „ordentlich“ abliefern. Wird diese Unterteilung nicht ehrlich kommuniziert, entgehen dem Kunden etwaige Preisvorteile bzw. sehr gut ausgearbeitete Angebote und deren überzeugende Präsentation. Aber nicht nur bei Angeboten taucht die Unehrlichkeit auf. Wer hat das als Verkäufer nicht schon einmal erlebt: Man ruft beim potenziellen Kunden an, der Assistent geht ans Telefon und man bittet, den Entscheider zu sprechen. Die Assistenz bittet um etwas Geduld … die Warteschleife dauert ein wenig länger … und der Assistent meldet sich zurück und sagt, dass der Herr XY leider gerade in einer Besprechung wäre. In manchen Fällen lässt einen das verdammte Gefühl nicht los, dass gelogen wird, bis „sich die Balken biegen“. Warum sagt man dann nicht schlicht und ergreifend, dass der Ansprechpartner derzeit keinen Kopf für das Gespräch hat? Bringen wir es auf den Punkt: Er sieht in dem Augenblick andere Sachverhalte als wichtiger an. Klingt hart, ist aber so und genauso verfahre ich, wenn ich nicht gestört werden möchte. Natürlich mag das im ersten Moment sehr direkt klingen. Wer aber diesen ehrlichen Weg immer meidet und lieber den ausgetretenen Pfad der Märchengeschichten erzählt, wird seine Ausstrahlung, sein Charisma und seine Wirkung niemals spürbar verbessern.
5.2 G renzen der Wahrheit: Was ist zu viel des Guten? Sind wir nun schlechte Menschen, wenn wir lügen? Werden wir nur erhobenen Hauptes vor den Schöpfer treten können, wenn wir stets die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit von uns geben? Werden wir nun wegen jeder bewusst nicht der Realität entsprechenden Äußerungen eine weitere Ewigkeit im Fegefeuer der Hölle landen? Aufgrund der sehr dürftigen Faktenlage bezüglich der zu erwartenden Situation nach unserem Ableben kann ich dies weder bestätigen noch dementieren. Es wäre allerdings außergewöhnlich schade, wenn wir mit diesen eben erwähnten Konsequenzen im Jenseits empfangen würden.
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Natürlich gibt es Situationen, in denen wir lügen, falsche Aussagen machen oder die Wahrheit bewusst verschweigen. Also gilt auch hier die so häufig valide Redewendung: „Es kommt darauf an.“ Wie bereits erläutert, kommt es darauf an, welcher WAVI-Typ unsere Botschaft aufnimmt. Menschen mit der schonungslosen Wahrheit zu konfrontieren, die nicht in der Lage oder Willens sind, Informationen in den richtigen Kontext zu setzen, zeugt schlicht und ergreifend nicht von besonders cleverer Vorgehensweise und bescheinigt dem Informationssender die Zugehörigkeit zur Kategorie 1. Sollten Sie mit einer Lüge anderen Menschen in Not helfen, kann ich auch nicht erkennen, inwiefern uns das in den moralischen Abgrund stürzen sollte. Ebenso gilt in Verhandlungen eine besondere Situation. Jedoch existiert auch dafür eine elegante Variante. Bei intensiven Verhandlungssituationen kann es ebenso sinnlos sein, alle Karten auf den Tisch zu legen wie beim Pokern. Sie können trotzdem Ihrer ehrlichen Linie treu bleiben und zu Beginn der Verhandlung klar kundtun, dass man seine eigenen Ziele natürlich nicht offenlegen möchte – ebenso wenig wie das Ihr Verhandlungspartner möchte, wie bereits in Abschn. 4.2.7 erläutert. Wie schaut es mit Geschichten, Witzen und Satire aus? Stellen Sie sich Satiriker wie Dieter Nuhr oder Volker Pispers vor. Ohne jedwede Übertreibung, Fokussierung oder ohne das Weglassen von langweiligen Details würde sich der Ruhepuls des Publikums im Schnitt bei 60 Schlägen pro Minute einpendeln, Gelächter würde durch Schnarchgeräusche sub stituiert werden. Wie in vielen Lebenssituationen hilft auch hier der gesunde Menschenverstand, um zu entscheiden, ob nicht das ein oder andere Abweichen von entwaffnender Ehrlichkeit schlicht und ergreifend sinnvoll ist und Freude bereitet. Der geistig gelenkige Adressat der Botschaft wird nonverbal das Augenzwinkern verstehen und mindestens schmunzeln, wenn Sie es gut rüber bringen. Wo kämen wir denn hin, wenn selbst Ironie nicht mehr möglich wäre?
Literatur Blickhan D (2015) Positive Psychologie. Junfermann, Paderborn Dobelli R (2012) Die Kunst des klugen Handelns. Carl Hanser, München
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Facebook (2018) „Ich muss verrückt sein“. https://www.facebook.com/glaserei. sterz/videos/1625119947569928/. Zugegriffen am 15.10.2019 Gut Thansen (o. J.) Unsere Schwächen. https://www.gut-thansen.de/unsere-schwaechen/. Zugegriffen am 20.11.2019 Kober S (2019) Feuer und Flamme für den Vertrieb. Springer Fachmedien, Wiesbaden Sprenger RK (2012) Radikal führen. Campus, Frankfurt am Main Strelecky JP (2009) The big five for life. dtv Verlagsgesellschaft, München YouTube (2016a) HeavyBubbles™ – Uncut. https://www.youtube.com/ watch?v=_XGd8w9RhUM. Zugegriffen am 20.11.2019 YouTube (2016b) BVG „Alles Absicht“. https://www.youtube.com/watch? v=2pic3FnvUrY. Zugegriffen am 22.11.2019 YouTube (2018) SodaStream’s join the revolution. https://www.youtube.com/ watch?v=b5FoXLxpFPk. Zugegriffen am 22.11.2019 Wikipedia (2019a) Rekrutierung. https://de.wikipedia.org/wiki/Rekrutierung. Zugegriffen am 22.11.2019 Wikipedia (2019b) Survival of the fittest. https://de.wikipedia.org/wiki/Survival_of_the_Fittest. Zugegriffen am 25.11.2019
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Auf den Punkt gebracht Vom einfallslosen Small-Talk-Geplänkel über pulssenkende Präsentationen hin zu langweiliger Selbstbeweihräucherung in der Unternehmenskommunikation: Sie lesen hier eine Auswahl äußerst verbreiteter Fehler, um die eigene Glaubwürdigkeit konsequent zu untergraben – und auf dem Fuße einen adäquaten Ansatz, wie Sie sich aus der Masse charismatisch hervorheben.
Alle Welt spricht von Veränderung, nur Wenige möchten sich wirklich verändern. Alle Welt spricht von Authentizität, wenn es jedoch um wahrhaftig ehrliche Kommunikation geht, schrecken viele zurück. Um den Umsetzungsgrad der Inhalte dieses Buches in Ihrer Praxis noch weiter zu steigern, lassen Sie mich deshalb zum Schluss in eine meiner literarischen Lieblingsabteilungen eintauchen: die Welt der Ironie! Tipp Nr. 1: „Wie geht es Ihnen?“ Antworten Sie auf die Frage, wie es Ihnen geht, in jedem Fall ausnahmslos mit: „Alles bestens, und bei Ihnen?“ Ihr Gegenüber wird Ihnen sofort © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Kober, Klartext im Vertrieb, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28547-0_6
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und unverzüglich abkaufen, dass bei Ihnen wahrhaftig in sämtlichen Lebensbereichen die Sonne nicht nur vom Himmel scheint. Sie haben keine Meinungsverschiedenheiten in der Verwandtschaft, mit der Familie läuft alles bestens, gesundheitlich könnten Sie sich keinen besseren Status vorstellen, beruflich ist es immer ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Herausforderungen und Erfolgen. Die Welt ist einfach schön. Achtung: Sinnfrei! Über den üblicherweise nutzlosen Small Talk habe ich mich bereits ausgelassen. Werfen Sie zur Vertiefung einen Blick in das Kap. 1. Tipp Nr. 2: Die Kundenpräsentation Schwelgen Sie in Kundenpräsentationen ausschließlich über die grandiosen Vorteile Ihres Produkts oder Ihrer Lösung. Verwenden unzählige Stunden darauf, in der PowerPoint jede Animation perfekt zu positionieren. Beschreiben Sie Ihre Argumente auf jeder PowerPoint-Folie mit ausreichend Fließtext, den Sie dann im Kundentermin bei der Präsentation Wort für Wort vorlesen. Loben Sie sich in den Himmel, stellen Sie dar, dass in Ihren Referenzprojekten alles fehlerfrei vonstattengegangen ist. Lassen Sie keinen Zweifel daran, dass Ihr Unternehmen fehlerfrei ist! Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil sich dann Ihr persönliches Kundengespräch mit dem deckt, was Sie auf Ihrer Website propagieren: „Fehler machen nur die anderen, wir sind perfekt!“. Dieses Bild muss um jeden Preis aufrechterhalten werden, denn das hat bisher immer gut funktioniert. Achtung: Sinnfrei! Jeder mündige Kunde weiß, dass Fehler passieren – überall. Gerade weil in der Vergangenheit Marketing und Vertrieb diesbezüglich nicht offen kommuniziert haben, ist der bereits erwähnte Grad an Misstrauen auf der Kundenseite entstanden. Wenden Sie das Medaillen-Prinzip an und sagen Sie, was gut gelaufen ist, aber auch, was unerwartet negativ passiert ist – und was Sie daraus gelernt haben. Vergessen Sie die perfekt animierte PowerPoint-Präsentation, die nur als Buchstabengrab bezeichnet werden kann, sondern trainieren Sie, Zeichnungen auf Flipcharts anzufertigen. Trainieren Sie, Amortisationsrechnungen am Flipchart ad hoc mit den Zahlen des Kunden zu skizzieren und zu
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berechnen. Es geht, man muss es nur üben! Der Effekt? In vielen Fällen fällt dem Kunden nach so einer Darbietung kein Grund mehr ein, nicht bei Ihnen zu kaufen – denn Sie überzeugen ihn mit seinen eigenen Annahmen – siehe Abschn. 4.2. Tipp Nr. 3: Schöne Prospekte! Achten Sie in Ihrer Online- und Offline-Kommunikation mit dem Kunden darauf, dass ausschließlich schöne, gut gestylte, blendend gelaunte Menschen zu sehen sind. Alle müssen in bester Pose in die Kamera strahlen, extraweiße Zähne sind von Vorteil! Geben Sie exorbitante Beträge für die Nachbearbeitung und Darstellung von Fotos aus, damit alles möglichst perfekt erscheint. Bei Produktfotos ist es besonders wichtig, 100 % darauf zu verzichten, Bilder aus dem echten Einsatz zu zeigen. Das Produkt könnte Kratzer aufweisen, verschmutzt sein oder vielleicht wurde es nicht in perfekten Lichtverhältnissen abgelichtet. So etwas kann man sich heutzutage nicht mehr leisten. Der Kunde erwartet zu 100 % einwandfreies Bildmaterial und möchte das Produkt ausschließlich von der besten Seite sehen. Achtung: Sinnfrei! Was ist Ihnen lieber: Das mit Botox vergiftete Model vom Catwalk, das sich zwei Stunden lang in der Maske befindet, um dieselbige als Make-up auf dem Gesicht zu tragen? Das wegen der langen Fingernägel nicht mehr in der Lage ist, sich selbst die falschen Wimpern anzukleben und aufgrund des „Ernährungsplans“ den Aufenthalt im Freien ab Windstärke 2 vermeidet, um aus dem Filmnamen „vom Winde verweht“ nicht schlimme Realität werden zu lassen? Oder das natürliche Mädchen, das Ihnen glücklich und nur minimal geschminkt gegenübersteht? Die Antwort desjenigen mit gesundem Menschenverstand fällt immer auf die zweite Person. In Bezug auf die Außendarstellung des Unternehmens wird jedoch ganz im Gegensatz dazu auf die erste Variante gesetzt, sowohl online und leider häufig auch im direkten Kundengespräch. Aktiver Aufbau von Glaubwürdigkeit sieht anders aus! Welche Fotos in Familienalben finden Sie interessanter: die gestellten, bei denen jeder genau so steht, wie es vorgesehen war, oder diejenigen, die „aus dem richtigen Leben“, ungestellt, natürlich, ehrlich aufgenommen wurden? Auf welchen Fotos ist ein Lächeln ansteckender? Sie kennen die Antwort.
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Das bedeutet für Sie: Verwenden Sie beispielsweise in Prospekten oder im Rahmen Ihrer Internetpräsenz Bilder von realen Einsätzen Ihres Produktes. Kratzer, Dreck, Gebrauchsspuren – all das gehört dazu, um ehrlich zu zeigen, wie das Produkt genutzt und eingesetzt wird. Einer meiner Kunden hat beispielsweise eines seiner äußerlich nahezu komplett zerstörten Produkte dargestellt – einen Industrie-PC mit Touchscreen. Gegen diesen an der Wand montierten PC war der ca. 200 Kilogramm schwere Haken eines internen Lastenkrans versehentlich geschwenkt worden. Im Prospekt befand sich ein QR-Code, hinter dem sich ein kleines Video verbarg, das verdeutlichte, dass der PC trotzdem immer noch funktionierte. Mehrere Bilder im Prospekt verdeutlichten das – sie waren nicht perfekt ausgeleuchtet, der PC sah alles andere als schön aus, aber es verschaffte dem Kunden einen Blick in die Realität unter Einsatzbedingungen. Gibt es einen besseren Beweis für die Langlebigkeit eines Produktes? Nehmen Sie Bilder aus der Einsatzpraxis Ihrer Kunden und steigern Sie damit automatisch Ihre Glaubwürdigkeit. Ebnen Sie damit weiter den Weg zur „Superglaubwürdigkeit“. Wenn Sie das noch mit einem (Video-)Testimonial Ihres Kunden untermauen können, umso besser. Sie könnten noch einen Schritt weitergehen und die Telefonnummer des Kunden mit angeben (Sie sollten ihn vorher um Erlaubnis bitten). Nahezu niemand Ihrer Interessenten wird den Kunden tatsächlich anrufen, aber allein die Geste wirkt und zahlt auf Ihre Glaubwürdigkeit ein. Tipp Nr. 4: Die „saubere“ Arbeitgebermarke Im gesamten Employer Branding ist es enorm wichtig, sich ausschließlich auf die Schokoladenseite des Unternehmens zu konzentrieren. Sämtliche Texte, stets bestens gelaunte und geschminkte Menschen auf Bildern und in Videos müssen suggerieren, dass das Paradies auf Erden nichts gegen ein Angestelltenverhältnis in Ihrem Unternehmen ist. Rekrutieren Sie mit Standard-Stellenanzeigen, das hat in der Vergangenheit zwar auch schon nicht gut funktioniert, aber man muss ja nun nicht jeden Hype mitmachen. Das Imagevideo, um als Arbeitgebermarke „sauber“ zu kommunizieren, muss mit einer fulminanten Musiknote untermalt werden und sollte mindestens zu einem Drittel aus Drohnenvideos bestehen, die das Unternehmen von oben zeigen. Schließlich wird der zukünftige Bewerber sein neues Unternehmen auch aus dem Korb einer
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Drehleiter der Feuerwehr betrachten, also sollte er wissen, wie das Unternehmen von oben aussieht. Es ist recht unwahrscheinlich, dass neue Kandidaten sich im Internet bei Plattformen wie „Kununu“ oder ähnlich über Ihre Firma informieren, also gehen Sie keinesfalls aktiv auf schlechte Online-Bewertungen ein. Auf Nachfrage tun Sie etwaig negative Bewertungen als „Einzelfall“ ab. Wichtig ist auch, dass Sie Ihre Google-Rezensionen positiv darstellen – einige selbst erstellte fallen da schon nicht auf. Bringen Sie in Ihren Stellenanzeigen unter dem Punkt: „Wir bieten Ihnen“ auf jeden Fall an, dass Sie ein offenes, erfolgreiches und freundliches Unternehmen sind, dass ein abwechslungsreiches und aufregendes Aufgabengebiet auf den Bewerber wartet, dass die Möglichkeiten zur Weiterbildung gegeben sind und vor allem, dass das Gesamtpaket in kaum vorstellbarem Maße attraktiv ist. Dies sind Formulierungen, die nahezu einzigartig sind und ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal für Ihr Unternehmen darstellt! Achtung: Sinnfrei! Das eigentlich Schlimme an der Situation ist, dass immer noch ein beträchtlicher Teil der Personalverantwortlichen glaubt, durch derartige Wolkenkuckucksheime ihre Glaubwürdigkeit zu stärken. Vor 30 Jahren wurde eine derart illusorische Darstellung nicht so intensiv hinterfragt. Die allseits inflationär mit den Endbuchstaben des Alphabets bezeichneten Generationen schauen sich derartige Imagebroschüren, Internetseiten oder Videos kurz an und legen sie als uninteressant und potenziell der Feder eines Blenders entsprungen beiseite. Zu Recht. Wenn sich ein potenzieller neuer Mitarbeiter über ein Unternehmen informiert, was macht er zuerst? Üblicherweise konsultiert er Arbeitgeber- Bewertungsportale und sucht sich dort die Negativbewertung zuerst aus. Also zeigen Sie doch gleich die Medaille von sich aus von beiden Seiten. Formulieren Sie Ihre Personalwerbung nach dem TRUE- und Medaillenprinzip wie in Abschn. 5.1.4 beschrieben. Tipp Nr. 5: Interne Meetings Bleiben Sie bei internen Meetings immer schön politisch korrekt. Beachten Sie auf jeden Fall den HIPPO-Effekt (Abschn. 1.2.2) und orientieren Sie sich an der Meinung der ranghöchsten Person im Raum. So erzeugen Sie möglichst wenig Widerstand und Reibereien, die potenziell wieder
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für Ärger und Arbeit sorgen könnten. Achten Sie bei Ihren Formulierungen darauf, dass Sie sich bezüglich Ihrer Wortwahl zu 100 % auf sprachlich kaum angreifbaren Allgemeinplätzen befinden. Wenn Sie dann noch möglichst ausschweifend formulieren, wird es kaum jemanden geben, der sich intensiv an dieser Fülle an Worten abarbeiten möchte. Sollten Sie die ranghöchste Person sein, formulieren Sie jeden Gedanken ausführlich. Bewerten Sie jede Äußerung, die von Ihren Mitarbeitern kommt, unverzüglich. Benutzen Sie dabei die bekannte Feedbackregel „Feedback-Burger“ unbedingt bei jedem Mitarbeiter. Zuckerbrot und Peitsche hat sich schon früher bewährt, warum sollte es heute nicht mehr funktionieren? In den meisten Fällen hat es Sinn, die eigene ehrliche Meinung wenn überhaupt maximal verklausuliert darzustellen, damit Sie im Nachhinein nicht für eindeutige Aussagen haftbar gemacht werden können. Das gilt sowohl für den Mitarbeiter als auch für den Chef. Achtung: Sinnfrei! „Es wurde schon längst alles gesagt, dummerweise noch nicht von jedem.“ Bereits in Abschn. 3.2 musste ich diese Redewendung anbringen, sie passt hier leider ebenso. Befreien Sie Ihre internen Meetings von den üblichen Attributen, beispielsweise die Bühne für Blender und Worthülsenakrobaten zu sein oder die teuerste Variante darzustellen, keine brauchbaren Ergebnisse hervorzubringen. So manche interne Besprechung könnte auch eine Veranstaltung des Chaos Computer Clubs sein. Wie oft sitzen sich Menschen gegenüber, deren erste Maßnahme im Meeting es ist, das Tablet bzw. Notebook aus der Tasche zu holen und die oft vertane Besprechungszeit für etwas Sinnvolles zu nutzen? Verlassen Sie diese Pfade und versuchen es mit dem TRUE-Prinzip, siehe Kapitel Abschn. 5.1.1. Nr. 6: Interne Kommunikation Achten Sie bei der internen Kommunikation bitte penibel darauf, dass der übliche interne standardisierte Wortlaut verwendet wird. Sie können sich deshalb gerne dieser folgenden Vorlagen bedienen: „Aus gegebenem Anlass möchten wir heute darauf hinweisen, dass …“, „Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können …“, „Hiermit informieren wir Sie über die neue …“. Dadurch können Sie sicherstellen, dass Sie mit dieser Kommu-
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nikation niemanden überfordern und stets ein hohes Maß an Professionalität ausstrahlen. Achtung: Sinnfrei! So manches Mal schaue ich auf „schwarze Bretter“ von Unternehmen in digitaler oder analoger Form und denke mir insgeheim: „Gut, dass der Kaffeeautomat nicht weit entfernt steht.“ Denn die dort vorhandenen Informationen bewirken aufgrund der Einfallslosigkeit in der Formulierung häufig einen deutlich gesenkten Puls bei mir, der mittels intensiver Koffeinaufnahme wieder auf ein gesundes Maß reguliert werden kann. Formulieren Sie redlich, achten Sie jedoch bitte darauf, dass die Wortwahl nicht zu hochgestochen oder abgehoben wird. Stellen Sie sich vor, Sie würden den Wortlaut Ihres internen Schreibens einer Person im direkten Gespräch mitteilen – wie würden Sie sich dabei fühlen? Wenn Ihnen das als Formulierung nicht adäquat erscheint, weil Sie Ihr Gegenüber damit vermutlich nicht erreichen würden, so können Sie sicher sein, dass Sie damit auch auf dem schriftlichen Wege niemanden erreichen werden. Versuchen Sie nicht, möglichst allen Typen von Mitarbeitern gerecht zu werden. Viele Unternehmen konzentrieren sich darauf, so zu formulieren, dass sie vor allem vom kleinkarierten Erbsenzählern oder von mir liebevoll titulierten Vollzeitskeptikern nicht missverstanden werden können. Der Effekt ist allerdings, dass alle anderen, die Spaß verstehen oder mit Wortwitz umgehen können, diese Informationen nicht verinnerlichen. Beachten Sie den Umstand, dass Informationen nur verarbeitet werden können, wenn sie zumindest ansatzweise Emotionen auslösen. Eine interne Formulierung nach der Standardvorlage ist kein probates Mittel, um das zu erreichen, werfen Sie dazu einen Blick auf Abschn. 5.1.1. Dasselbe gilt für Ansprachen bei Mitarbeiterversammlungen. Wie viele Führungskräfte versuchen, sich selbst durch eine möglichst detailliert gegliederte Folienansammlung Sicherheit bei der Präsentation zu geben? Sie glauben, damit möglichst souverän und stark zu wirken. Der Effekt ist allerdings in den meisten Fällen ein anderer: Langeweile beim Publikum – also bei ihren Mitarbeitern. Brechen Sie Muster und wenden Sie die in Abschn. 5.1.3 erwähnten Methoden an, damit die Menschen buchstäblich an Ihren Lippen kleben und Ihren Worten und Darbietungen
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interessiert folgen. Erlauben Sie mir einen kurzen Exkurs in die Eigenwerbung: In meinem Buch „Feuer und Flamme für den Vertrieb“ gehe ich ausführlich auf wichtige Aspekte ein, wie eine firmeninterne Tagung gestaltet sein sollte, damit sie bei den Rezipienten mehr auslöst als den Wunsch nach dem Ende der Veranstaltung (Kober 2019). Tipp Nr. 7: Ihre Website Von entscheidender Bedeutung ist, auf Ihrer Website alles positiv darzustellen. Erzählen Sie ausführlich von Ihrer Geschichte, wie viele Jahre Sie bereits am Markt erfolgreich präsent sind, und schwelgen Sie in Ihren Erfolgen. Versuchen Sie, den Kunden glauben zu machen, dass bei Ihnen wirklich alles perfekt läuft, und stellen Sie auf keinen Fall dar, zu welchen Kunden Sie nicht passen. Achtung: Sinnfrei! Schaut man sich so manche Website von Unternehmen an und vergleicht man das mit den tatsächlichen internen Abläufen und der gelebten Kultur, könnte man nicht selten zum Schluss kommen, dass da Sarkasmus am Werke war. Ich behaupte nun nicht, dass Sie jeden internen Konflikt als neueste Mitteilung auf Ihrer Webseite darstellen sollten – da hätte so mancher Webmaster viel zu tun. Aber ich halte es schon für absolut sinnvoll, dass auch online Kehrseiten der Medaille gezeigt werden können. Ein Beispiel habe ich mit Gut Thansen in Abschn. 5.1.2 dargestellt. Auch auf meiner Webseite habe ich klar und deutlich herausgestellt, zu welchen Kunden ich passe – und zu welchen nicht. Tipp Nr. 8: Der Kunde ist König! Der Kunde hat recht. Immer. Sie kennen die Redewendung: „Einen Krieg mit dem Kunden gewinnt man nicht.“ Also nicken Sie möglichst häufig im Kundengespräch und stimmen ihm, wann immer es geht, zu. Der Kunde hat intern genug Reibereien zu bearbeiten – das braucht er garantiert nicht auch noch mit seinem Lieferanten. Substituieren Sie also aus den eheglückbereichernden Worten „Ja, Schatz“ das zweite Wort mit „lieber Kunde“ – und schon werden Sie Ihre Reputation gegenüber dem Kunden deutlich steigern.
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Achtung: Sinnfrei! Wenn ich bei einem Neukunden eine Bestandsaufnahme zur Vertriebsleistung des Unternehmens mache, dann nutze ich, um mir ein Bild von der Situation zu machen, sehr gerne die Hospitation bei einem Kundenbesuch. Zu häufig erlebe ich eine viel zu devote Art und Weise, wie der Verkäufer sich dem Kunden gegenüber verhält. Auch hier bitte ich nun zu differenzieren: Ich rufe nicht zur Meuterei im Kundentermin auf. Jedoch entsteht bekanntermaßen durch Reibung Wärme. In vielen Fällen ist dem Kunden das eigentliche Problem respektive der Engpass, der ihn hindert, bessere Ergebnisse zu erzielen, nicht eindeutig klar. Diese Klarheit erzeugt der exzellente Verkäufer nicht durch Standardfragen wie diese hier: „Welche Anforderungen/Spezifikationen stellen Sie denn an ein Produkt XYZ?“ – oder „Wie können wir Ihnen helfen?“. Intensive Fragen, wie ich sie in Abschn. 4.2.5 angeboten habe, führen zu konstruktiven und fordernden Gesprächen. Sie sind mühevoll, weil Denkleistung gefragt ist – und zwar auf beiden Seiten. Erst, wenn das eigentliche Problem des Kunden klar definiert wurde, kann der Verkäufer ehrlich beurteilen, ob er der richtige Anbieter ist und wenn ja, dann kann er seine Lösung hirngerecht so präsentieren, als ginge es um alles. Allerdings geht dieser klaren Problemdefinition eine intensive Diskussion voraus, in der nicht der Konsens, sondern die kontroverse Diskussion mit der bestmöglichen und klarsten Problemdefinition das Ziel ist. Der Kunde ist König – ja, meistens. Ob diese Titulierung zutrifft, hängt maßgeblich mit seinem Verhalten zusammen. Aber auch ein König braucht das richtige Team. Es ist Ihre Aufgabe als Verkäufer oder Vertriebschef, sowohl die richtigen Fragen zu stellen als auch mit fundierten, klaren und floskelfreien Aussagen den Kunden zur Erkenntnis zu führen. Um das salopp auf den Punkt zu führen: Sollte es ein inniger Wunsch Ihres Kunden sein, eine neue Firmensparte mit dem Geschäftsgegenstand „Brennholzverleih“ zu etablieren, führen Sie ihn mit guten Fragen zur Selbsterkenntnis, dass diese Idee noch einmal Gegenstand intensiver Überlegungen werden muss. Der Konsens steht am Ende, nicht am Anfang.
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Tipp Nr. 9: Wenn Sie Kunde sind Als Kunde hat es sich noch immer bewährt, die wahre Intention einer Anfrage möglichst bedeckt zu halten. Der Lieferant muss ja nicht wissen, dass Sie sich eigentlich am Markt nur mal erkundigen wollen. Lassen Sie Lieferanten ruhig einmal etwas Aufwand für das Angebot betreiben. Sie müssen es ja nicht bezahlen! Sollte Ihnen das Angebot des Lieferanten nicht zusagen, verwenden Sie die allseits bekannten Floskeln wie: „Wir melden uns.“ Sollte der Verkäufer des Lieferanten versuchen, Sie zu kontaktieren, behelfen Sie sich mit einer Standardausrede wie zum Beispiel: „Herr XY befindet sich leider in einer Besprechung und ist erst nächste Woche wieder zu erreichen – der Kalender ist wirklich voll!“ Achtung: Sinnfrei! Zeigen Sie auch als Kunde klare Kante, Anstand und sprechen Sie Klartext. Sollte der Verkäufer aus Ihrer Sicht sich nicht noch nicht mit der Thematik „Klartext“ beschäftigt haben und Sie haben den Eindruck, dass er noch eine gewisse verbale Maskerade betreibt, so weisen Sie gleich zu Beginn des Verkaufsprozesses darauf hin, dass es mit Ihnen nur einen einzigen Weg der persönlichen Zusammenarbeit gibt: Klartext, klare Ansagen und entwaffnende Ehrlichkeit. Im Grunde sollte das selbstverständlich sein, die Erfahrungen im Geschäftsleben lehren uns allerdings eine andere Realität. Geben Sie bei aus Ihrer Sicht nicht passenden Angeboten so schnell wie möglich ein ehrliches, klares und knappes Feedback, dass sie nicht zusammenarbeiten werden. Sie begründen es kurz und knapp und melden sich aktiv beim Lieferanten, und zwar innerhalb des gemeinsam vereinbarten Zeitraums. Wenn Sie nicht kontaktiert werden möchten, dann lassen Sie Folgendes ausrichten (siehe Abschn. 5.1.5): „Verstehen Sie mich bitte richtig, hier geht es nicht um Sie persönlich, sondern um die Sache: Er sieht im Augenblick andere Dinge als wichtiger an.“ Sollten Sie ankündigen, dass Sie sich telefonisch zurückmelden werden, dann machen Sie das auch und halten den zugesagten Termin ein. „Wir melden uns“ muss wieder verbindlich werden und wahr sein. Wenn Sie kein Interesse haben, bekunden Sie es klar wie eben erwähnt – und dann melden Sie sich eben nicht, was dann selbstredend völlig in Ordnung ist. Sie und ich kennen die Redewendung: „Man sieht sich immer zweimal im Leben.“ Das muss nicht als Drohung verstanden werden. Die Wahr-
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scheinlichkeit ist gar nicht so gering, dass man sich nach Jahren beruflich wieder über den Weg läuft. Kunden, die diese Art von Klartext kommunizieren, steigern die Reputation bei Lieferanten und potenziellen Lieferanten um ein Vielfaches. Tipp Nr. 10: Bei allem und zu jedem zu 100 % ehrlich sein? Wenn Ihr Ziel ist, nach dem Ableben nicht im Fegefeuer der Hölle zu landen, so bleibt Ihnen keine Alternative, als jeden Tag zu 100 % und zu jeder Person die Wahrheit, nichts als die Wahrheit und nur die Wahrheit von sich zu geben. Es gibt dazu keine Alternative. Wer die Welt zu einem besseren Ort machen möchte, hält sich genau an diese Maxime. Achtung: Sinnfrei! Es gibt Autoren, die bezeichnen es geradezu als inhuman, immer und jede Person mit der schonungslosen Wahrheit zu konfrontieren (Sprenger 2012). Ein Ziel dieses Buches ist es, genau diesen Umstand zu unterstreichen und redliche Alternativen aufzuzeigen. Zum einen gibt es nicht genau die „eine Wahrheit“, weil jeder Mensch die aufgenommenen Informationen durch sein Unterbewusstsein und damit durch seine gemachten Erfahrungen und Erlebnisse individuell bewertet. Zum zweiten ist Ihnen, werter Leser, völlig klar, dass nicht jeder Mensch offen und ehrlich dargestellte Informationen immer in den richtigen Kontext setzen kann oder ihm dazu die Bereitschaft fehlt, was dann wiederum zu nicht zielführenden Handlungen führt. Seitdem ich das TRUE-Prinzip entwickelt habe, stelle ich natürlich auch meine Kommunikation immer wieder auf den Prüfstand. Erfülle ich meine selbst gesteckten Maßstäbe immer und in jeder Gelegenheit? Wenn ich diese Frage mit „Ja“ beantworten würde, könnten Sie die Glaubwürdigkeit von mir als Autor völlig zu Recht infrage stellen. Natürlich gelingt das nicht immer, in der aktiven Kommunikation flüchtet man sich doch so manches Mal allzu gerne in die Antwortmöglichkeit „Kategorie 1“ der dritten Frage aus T(arget): „Mit welchem „Typ“ spreche ich und wie viel Offenheit ist angebracht?“ Kombiniert man das mit der vierten Frage aus T(arget) „Wie wird der Gesprächspartner vermutlich reagieren und steht die vermutete Reaktion im Verhältnis zu meinen Zielen und Motiven (Antwort auf Frage 1 + 2)?“, so kann man sich das Leben schnell sehr einfach machen, verfehlt aber
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völlig die Wirkung dieses Prinzips. Passt man nicht höllisch auf, verfällt man nicht selten in die angenehme Variante, dass der Gesprächspartner mit der schonungslosen Wahrheit ohnehin nicht umgehen könne. Das ist so manches Mal auch richtig, aber eben nicht immer. Das TRUE-Prinzip lebt nicht von einer dogmatischen Anwendung. Es hilft jedoch ungemein, sich in der Kommunikation sehr häufig die Frage zu stellen, ob man diese vier Stufen des Prinzips eingehalten hat, respektive einhalten wird – oder nicht. Jetzt mal ganz ehrlich … nicht wahr? Entwaffnend ehrliche und aktivierende Erlebnisse mit Klartext wünscht Ihnen Stephan Kober
Literatur Kober S (2019) Feuer und Flamme für den Vertrieb. Springer Fachmedien, Wiesbaden Sprenger RK (2012) Radikal führen. Campus, Frankfurt am Main