Küchenlabor: Besser kochen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen [1 ed.] 9783747104835, 3747104835

Kochen ist ein spannender chemischer Prozess. Wenn Sie verstehen, was in Ihren Töpfen passiert, verstehen Sie auch besse

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German Pages 288 Year 2021

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Table of contents :
Titel
Inhalt
Reaktionen
Maillard-Reaktionen und Karamellisierung
Oxidation von Fetten
Enzyme
Fermentation
Geschmack und Aroma
Verflüchtigung von Aroma
Öl und Wasser
Aroma und Stärke
Was die Zunge schmeckt
Textur
Schmelzen und Erstarren
Verknoten und Spalten
Verdampfen und Kondensieren
Tränken und Entziehen
Emulgieren und Gelieren
Aufschäumen und Entgasen
Suspendieren und Klären
15 Prozesse in sechs Rezepten
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Literatur
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Küchenlabor: Besser kochen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen [1 ed.]
 9783747104835, 3747104835

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EKE MARIËN

JA N G RO EN E WO LD

MEHR A L S 75 REZEPTE

KÜCHENLABOR B E S S E R KO C H E N M I T W I S S E N SCHAFTLICHEN ERKENNTNISSEN

E KE MARI Ë N & J AN G RO E N EWO LD

Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer

BESSE R KOC HE N MIT WISSENS C HAF TLIC HE N E RKE NNTNISSE N

INHALT

Vorwort 7 Die Küche als Labor

8

Der chemische Herd

10

TEIL I – REAKTIONEN

13



1. Maillard-Reaktionen und Karamellisierung 17



2. Oxidation von Fetten

33



3. Enzyme

47



4. Fermentation

63

TEIL II – GESCHMACK UND AROMA 81

5. Verflüchtigung von Aromen

87



6. Öl und Wasser

101



7. Aroma und Stärke

119



8. Was die Zunge schmeckt

131

TEIL III – TEXTUR 147

9. Schmelzen und Erstarren

153



10. Verknoten und Spalten

169



11. Verdampfen und Kondensieren

185



12. Tränken und Entziehen

199



13. Emulgieren und Gerinnen

213



14. Aufschäumen und Entgasen

229



15. Suspendieren und Klären

247

TEIL IV – 15 PROZESSE IN 6 REZEPTEN

263

Dank

276

Literatur 277 Register 278

7 VORWORT

VORWORT Was mal als Update zu einem unserer früheren Bücher anfing, mündete schließlich in dieses vollkommen neue Buch Küchenlabor. Es begann damit, dass Jan ein Periodensystem für die Küche erstellen wollte, eine systematische Übersicht, in der sich alle Aspekte des Kochens organisieren ließen. Schon bald stellte sich aber heraus, dass ein solches System viel zu abstrakt und unpraktisch würde. Doch der gedankliche Keim für eine Prozessanalyse in der Küche war gepflanzt. Statt das Kochen anhand von Rezepten, Zutaten, Kochtechniken oder Landesküchen zu erläutern, beschlossen wir, unser Buch nach den chemischen und physikalischen Prozessen einzuteilen, die dem Kochen zugrunde liegen. Kein Periodensystem also, sondern ein umfassender Ansatz: eine großartige Aufgabe, die sich als so herausfordernd wie lohnend erwies. Während des Schreibens wurde uns immer klarer, welche Stärke diese Herangehensweise in sich birgt. Wir entdeckten, dass sich jeder Schritt in einem Rezept aufgrund chemischer und physikalischer Prozesse erklären lässt. Mit diesem Buch möchten wir unsere Leserinnen und Leser in die wissenschaftliche Welt des Kochens mitnehmen. Wir sind davon überzeugt, dass jede und jeder mit dem Wissen um diese Prozesse besser und leckerer kochen kann. Eke und Jan

EINLEITUNG

8 DIE KÜCHE ALS LABOR Beim Kochen verwandeln wir unsere Küche in ein großes Laboratorium, auch wenn es uns nicht so richtig bewusst wird. Denn Kochen ist ein Zusammenspiel physikalischer und chemischer Prozesse. Ganz gleich, ob wir einfach nur ein Ei kochen oder ein Stück Fisch sous vide garen, ob wir Pommes frites mit Rosmarin als Antioxidans zubereiten oder Gemüse bei 90 °C dünsten: Es sind immer chemische und physikalische Prozesse, die das Aroma bestimmen. In unseren früheren Büchern haben wir verschiedene molekulare Prozesse beim Kochen am Beispiel von Gerichten wie Pommes frites, Eis, Fleisch, Nudeln und Saucen erläutert. In Küchenlabor gehen wir ein wenig anders vor. Hier stehen die molekularen Prozesse im Mittelpunkt. Wir unterscheiden fünfzehn Prozesse, sowohl physikalischer als auch chemischer Natur, die in der Küche eine Rolle spielen. Anhand dieser Prozesse machen wir begreiflich, was in den Töpfen – und außerhalb – geschieht, denn jedes Rezept ist eine Aneinanderreihung von Prozessen. Mithilfe dieses Buches lässt sich jede Kochtechnik verstehen und jede Zutat perfekt (oder fast perfekt) zubereiten. Dieses Buch soll in erster Linie dabei helfen, besser kochen zu lernen. Darum halten wir es praktisch und haben Reaktionsgleichungen weggelassen. Chemische Reaktionen in der Küche sind nämlich recht kompliziert und variieren in ihren Ergebnissen, weil sehr viele Zutaten daran beteiligt sind. Außerdem sind bisher etliche Prozesse der täglichen Küchenpraxis noch nicht oder kaum erforscht. Dieses Buch ist daher keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine praktische Anleitung für alle, die lernen wollen, durch mehr Wissen besser zu kochen. Daneben ist Küchenlabor auch einfach ein Kochbuch mit köstlichen Gerichten. Jedes Kapitel runden wir mit einigen Rezepten ab, die beispielhaft für den Prozess stehen, um den es jeweils geht. So kann die Theorie gleich im eigenen Küchenlabor in die Praxis umgesetzt werden. Ganz hinten im Buch finden sich zudem sechs Rezepte, in denen verschiedene Prozesse zusammentreffen. Manche Gerichte sind einfach und im Handumdrehen fertig (wie Schokosahne oder Ceviche), andere erfordern etwas mehr Können und Zeit (wie fermentiertes Rindersteak oder Orangeneis). Einige würde man am liebsten täglich auf den Tisch bringen (etwa Schwarze-Bohnen-Burger), andere bewahrt man sich lieber für eine besondere Gelegenheit auf (wie Szechuanpralinen). Allen Rezepten ist eins gemeinsam: Sie sind besonders, weil wir das Maximum aus den Zutaten herausholen. WIE LECKER! Kochen ist Chemie, das ist nicht neu. Dennoch ist Kochen nicht nur ein Zusammenspiel chemischer Reaktionen, wobei bei denen neue Stoffe entstehen. Viele Prozesse beeinflussen auch die Zusammensetzung oder die Textur des Essens. Physikalisch gesehen besteht „schmackhaftes leckeres Essen“ aus dem richtigen Verhältnis flüchtiger Aromen und wasserlöslicher Grundgeschmacksrichtungen (süß, sauer, salzig, bitter, umami) in Kombination mit einer angenehmen Textur. Worum es beim Kochen geht, ist dafür zu sorgen, dass all diese köstlichen Geschmäcker und Aromen und die feinen Texturen schlussendlich auf unserem Teller landen.

9

In Teil zwei des Buchs erläutern wir, welche Prozesse beim Binden, Lösen und Wahrnehmen von Aromen und Geschmacksrichtungen eine Rolle spielen. Dabei geht es um die Interaktion von Aromamolekülen mit anderen Zutaten in unseren Gerichten, etwa wenn Aromen beim Kochen freigesetzt werden, wenn sich Aromastoffe in Öl oder Wasser lösen oder wenn Stärke die Flüchtigkeit von Aromen beeinflusst. Das letzte Kapitel in diesem Teil widmet sich den Grundgeschmacksrichtungen, die wir mit unserer Zunge wahrnehmen, und wie diese den Geschmack eines Gerichts beeinflussen. Der dritte Teil handelt von den Prozessen, die wesentlich die Textur unseres Essens bestimmen. Das können einfache Prozesse sein wie das Mischen, Rühren oder Filtrieren. Aber auch komplexere, etwa die Kristallisation von Schokolade oder das Emulgieren von Öl und Wasser mithilfe von Eigelb zu Mayonnaise. Ziel dieser Prozesse ist es, unser Essen härter, weicher, dicker, dünner, zäher, geschmeidiger, luftiger und so weiter zu machen. Bei der Beschreibung aller Kochprozesse erklären wir, an welchen Knöpfen man drehen muss, um diese Prozesse ganz nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Die richtige Balance von Textur, Geschmack und Aroma sorgt letzten Endes dafür, ob ein Gericht schmeckt oder nicht. Was „richtig“ ist, wird zum Teil durch persönliche Vorlieben bestimmt und teils durch die kulinarischen Erfahrungen, mit denen man aufgewachsen ist. Diese sozial-emotionale Dimension des Geschmackerlebens klammern wir in diesem Buch aus. Im vierten und letzten Kapitel von Küchenlabor zeigen wir, dass alle Schritte eines Rezepts aus einer Aneinanderreihung der verschiedenen Prozesse bestehen, die wir in diesem Buch beschreiben. Wir wünschen uns, dass unsere Leserinnen und Leser spätestens nach diesem Teil die Begeisterung für den prozessorientierten Ansatz beim Kochen mit uns teilen.

DIE KÜCHE ALS LABOR

Mit diesem Ziel vor Augen haben wir die Kochprozesse analysiert. Im ersten Teil von Küchenlabor beschreiben wir Prozesse, bei denen vor allem neue, flüchtige Aromen und Grundgeschmacksrichtungen entstehen: Maillard-Reaktionen, Karamellisierung, Oxidation und Fermentation. All diese chemischen Reaktionen bringen neue Geschmacksstoffe und Aromen in unsere Gerichte.

EINLEITUNG

10 DER CHEMISCHE HERD In Küchenlabor betrachten wir das Kochen also durch eine wissenschaftliche Brille und beschreiben die Gerichte anhand chemischer und physikalischer Prozesse. Bei chemischen Prozessen verändern sich die Moleküle von Zutaten, weil sie miteinander reagieren und so neue Moleküle entstehen. Beispiele dafür sind Maillard-Reaktionen, Karamellisierung und Oxidation. Chemische Reaktionen sind interessant, weil die neu entstehenden Stoffe den Geschmack, die Farbe und den Duft eines Gerichts verändern. Bei physikalischen Prozessen bleiben die Moleküle der Zutaten unverändert, doch Textur oder Zusammensetzung verändern sich. Eine Sauce kocht durch Verdampfen von Wasser ein, Zucker löst sich beim Rühren in Wasser auf, und ein gebundenes Dressing entsteht durch das Emulgieren von Öl in Wasser. Die meisten Prozesse haben ein Pendant, das wir jeweils im selben Kapitel beschreiben. So behandeln wir zum Beispiel das Verdampfen und Kondensieren gemeinsam sowie das Emulgieren und Gerinnen. Manchmal geht ein Prozess nur in eine Richtung (und hat damit kein Gegenstück) wie das Fermentieren. Die Unterteilung eines Rezepts in einzelne Kochprozesse ist komplex. Ein gutes Beispiel ist die Zubereitung von Pommes frites. Bei diesem scheinbar einfachen Vorgang kommt nämlich eine Vielzahl von Prozessen zusammen, wie wir unten sehen können. Was bei diesen Prozessen im Einzelnen geschieht, werden wir in den folgenden Kapiteln erklären. 1. Verdampfen (Kapitel 11): Im Frittierfett verdampft Wasser aus den Kartoffelstäbchen. Das führt dazu, dass das Fett brodelt. 2. Maillard-Reaktionen (Kapitel 1): Durch die hohe Temperatur des Frittieröls werden die Pommes frites braun. Chemische Reaktionen verändern ihren Geschmack. 3. Oxidation (Kapitel 2): Das Frittierfett reagiert mit Sauerstoff und diese Reaktion beeinflusst wie die Maillard-Reaktionen Farbe und Geschmack der Pommes. 4. Tränken (Kapitel 12): In den Kartoffelzellen quellen die Stärkekörner, weil sie Wasser aus dem Zellplasma aufnehmen (sie werden vom Wasser getränkt). Die Kartoffel wird auf diese Weise „gar gekocht“. 5. Entziehen (Kapitel 12): Weil Wasser aus der Kartoffel verdampft, trocknet die Oberfläche der Pommes frites aus. Dadurch kann die Temperatur steigen, was Bräunungsreaktionen ermöglicht. Wir wollen in diesem Buch verdeutlichen, dass man diesen Prozessen (und noch dutzenden anderen) in allen Rezepten und bei allen Zubereitungsweisen ständig begegnet. Aber das Wissen um diese grundlegenden Kochprozesse allein reicht nicht. Richtig interessant wird es erst, wenn man diese Prozesse auch steuern kann. Das geht auf sieben verschiedene Arten, die wir als Regler unseres chemischen Herds bezeichnen. ZUSAMMENSETZUNG Es liegt auf der Hand, dass die Zusammensetzung eines Gerichts die Kochprozesse beeinflusst. Schon die Maßangaben in Rezepten zeigen, dass

11

TEMPERATUR Essen kann man auf viele verschiedene Arten erhitzen: im Topf, im Backofen, in einem Wasserbad wie beim Sous-vide-Garen und so weiter. Auch im Mund verändert sich die Temperatur. Wie erhitzt wird, ist jedoch für den Verlauf von Kochprozessen unwichtig, denn Zutaten verändern sich letzten Endes bei einer spezifischen Temperatur, nicht durch die Kochtechnik. Trotzdem schmecken gegrillte Kartoffeln aus dem Ofen anders als gekochte aus dem Topf. Wie das kommt, lässt sich durch andere Regler unseres chemischen Herds erklären. ZEIT Wie lange dauert es, bis ein Ei hart ist, wenn es gekocht wird? Bei der Zubereitung von Gerichten spielt Zeit eine wichtige Rolle. Entscheidend ist sie vor allem für den Verlauf eines bestimmten Prozesses beim Kochen und für seine Intensität. Zum Zeitregler gehört aber auch die Reihenfolge, in der bestimmte Handlungen ausgeführt werden. DRUCK Druck spielt bei etlichen Prozessen eine Rolle. Man kann ihn beispielsweise in einem Schnellkochtopf erhöhen und in einem Vakuumiergerät senken. OBERFLÄCHE Auch die Größe von Zutaten und Küchenutensilien ist wichtig im Verlauf der Kochprozesse. Die Oberfläche und den Umfang von Zutaten kann man selbst bestimmen, etwa wie dick die Kartoffelstäbchen für Pommes frites sind oder wie groß die Blumenkohlröschen. Aber auch der Durchmesser der Teigschüssel oder die Anzahl der Drahtschlaufen an einem Schneebesen spielen eine Rolle. ABDECKEN Manche Zubereitungen profitieren vom Abdecken. Abdecken verhindert Verdampfen, vermeidet die Zufuhr von Sauerstoff und verringert den Aromaverlust. In der einfachsten Form findet das Abdecken durch Auflegen eines Deckels auf den Topf statt, aber eine noch effektivere Form des Abdeckens ist das Vakuumieren von Gerichten vor oder nach der Zubereitung. BEWEGUNG Gemeint sind hier alle Arten, Essen buchstäblich in Bewegung zu bringen: Schlagen mit einem Schneebesen, Rühren mit einem Löffel, Mixen in einer Küchenmaschine, Kneten von Teig etc. Legen wir also los und setzen unser neues Wissen um Kochprozesse und den chemischen Herd im eigenen Küchenlabor in die Praxis um, um besser und schlauer zu kochen!

DER CHEMISCHE HERD

die Zusammensetzung wichtig für den Geschmack ist. Um sie zu ändern, kann man einfach Zutaten hinzufügen oder das Wasser aus einem Gericht verdampfen lassen. Die Stoffe, die sich nicht verflüchtigen, werden in immer höherer Konzentration zurückbleiben; was sich natürlich auf die Zusammensetzung im Ganzen auswirkt. Wir haben sogar ein Beispiel in diesem Buch, bei dem die „Zugabe“ von Licht die Zusammensetzung des Gerichts beeinflusst.

Vorwort 7

12

13 2. Oxidation von Fetten 33

TEIL I

REAKTIONEN WARUM VERÄNDERT UNSER ESSEN BEIM KOCHEN ODER BACKEN FARBE, GESCHMACK UND AROMA? UND WIESO SETZEN SICH DIESE VERÄNDERUNGEN SOGAR NACH DER ZUBEREITUNG FORT? DAS LIEGT AN DEN CHEMISCHEN REAKTIONEN, UM DIE ES IN DEN FOLGENDEN VIER KAPITELN GEHT: MAILLARD-REAKTIONEN UND KARAMELLISIERUNG, OXIDATION VON FETTEN, ENZYMATISCHE REAKTIONEN UND FERMENTATION. DIE KAPITEL SIND NACH DER GRÖSSE DER MOLEKÜLE DER REAGIERENDEN STOFFE GEORDNET, VOM KLEINEN SCHREITEN WIR ZUM GROSSEN.

Reaktionen

14 Das erste Kapitel beginnt mit der Karamellisierung. Diese Reaktion verleiht verschiedenen Zuckerarten Aroma. Zuckermoleküle gehören zu den kleineren Molekülen beim Kochen. Maillard-Reaktionen – der zweite Reaktionstyp aus diesem Kapitel – sind Reaktionen zwischen Zuckern und Aminosäuren. Diese chemischen Reaktionen können neue Grundgeschmacksrichtungen wie umami und bitter bilden, doch sie können auch zur Entstehung neuer Aromen beitragen. Das sind all die köstlichen Düfte, die sich beim Kochen ausbreiten. In diesem Teil geht es darum, wie sich Grundgeschmacksrichtungen und Aromen neu bilden. Wie sich dies beeinflussen lässt, zeigen wir im zweiten Teil des Buchs. Die Oxidation von Fetten versuchen wir in der Küche meist zu vermeiden. Trotzdem widmen wir ihr das zweite Kapitel. Warum? Wie so vieles hat auch die Fettoxidation zwei Seiten, eine negative und eine positive. Wir erklären, wie man sich die positive Seite zunutze macht. Auch wenn Fettmoleküle bereits ein gutes Stück größer sind als jene von Zucker und Aminosäuren aus Kapitel 1, sind sie im Vergleich zu Enzymen klein. Ohne Enzyme sähe die Welt ganz anders aus. Ohne sie gäbe es kein Leben, wie wir es kennen. Beim Kochen tragen Enzyme dazu bei, Gerichte lebendiger zu machen. Sie verändern die Strukturen von Eiweiß, Kohlenhydraten und Fetten und damit Geschmack und Aroma. Enzyme sind unsere wahren Geschmacks- und Aromahelden im Küchenlabor, wir behandeln sie in Kapitel 3. Zu den Enzymen gehören die langkettigen Eiweißmoleküle in Fleisch, Milch, Soja oder Eiern. Um Fermentation geht es im vierten und letzten Kapitel dieses Teils. Bei diesem Prozess schauen wir in unserem Küchenlabor nur von der Seitenlinie aus zu. Die Kunst des Fermentierens ist es, Bakterien, Schimmel- und Hefepilze ihre Arbeit möglichst gut allein machen zu lassen. Diese lebenden Mikroorganismen vervielfältigen sich nämlich während der Fermentation und produzieren Enzyme, die ihrerseits wieder für interessante Aroma- und Geschmacksveränderungen sorgen. Hefepilze und Bakterien sind viel größer als Enzyme, noch ein Stück größer als diese Einzeller sind die mehrzelligen Schimmelpilze.

15 REAKTIONEN

1 µm = 1/1000 mm 1 nm = 1/1000000 mm

SCHIMMELPILZE

x5

2-4 µm BAKTERIEN

HEFEPILZE

ENZYME

20 µm

10 nm

STÄRKE 20 nm

STÄRKEKÖRNER

3-7 nm

Glucosemolekül

GESCHMACKSMOLEKÜL AMYLOPECTIN

AMYLOSE

0,5 nm

Die Erzeugung von Geschmack durch chemische Reaktionen auf verschiedenen Ebenen - im Topf, in Bakterien oder Pilzen oder bei der Lagerung. Die Abbildung zeigt, welche Moleküle und Mikroorganismen für diese Reaktionen verantwortlich sind und wie sie sich größenmäßig zueinander verhalten.

17 Maillard-Reaktionen

KAPITEL 1

MAILLARD-REAKTIONEN UND KARAMELLISIERUNG GESCHMACK UND AROMA DURCH CHEMISCHE REAKTIONEN ERZEUGEN → DER KÖSTLICHE DUFT UND KRÄFTIGE GESCHMACK VON KAFFEE → DIE KOMPLEXEN AROMEN EINER LANGE GEZOGENEN BOUILLON → DER UNTERSCHIED ZWISCHEN EINEM GEBRATENEN UND EINEM GEKOCHTEN RINDERSTEAK

→ WAS MACHT POMMES FRITES KNUSPRIG UND GOLDBRAUN STATT MEHLIG UND SCHLAPP? → DAS UNWIDERSTEHLICHE AN DULCE DE LECHE

Reaktionen

18 Haben Sie sich je gefragt, warum man Fleisch vor dem Schmoren anbrät? Warum eine Bouillon so lange ziehen muss oder weshalb Gemüse intensiver schmeckt, wenn man es grillt? Weil das Aroma gibt! Und Farbe noch dazu. In den Töpfen finden allerlei chemische Reaktionen statt, bei denen neue Aromastoffe entstehen. Diese Reaktionen sind nicht unheimlich oder gefährlich, sondern sehr willkommen. Setzt man sie richtig ein, bereichern sie jedes Gericht. Die wichtigsten chemischen Reaktionen im Küchenlabor sind die Maillard-Reaktionen und die Karamellisierung. Sie sind gute Freunde. Manchmal sind sie sogar so eng miteinander, dass es gar nicht so leicht ist, die beiden voneinander zu unterscheiden.

WAS IST KARAMELLISIERUNG? Karamellisierung ist eine chemische Reaktion, zu der es beim Erhitzen von Zucker kommt. Jede Zuckerart hat eine bestimmte Temperatur, bei der die Zuckermoleküle zerfallen und miteinander neue Stoffe bilden. Geschmack und Aromen, die sich daraus ergeben, sind von der Temperatur abhängig. Zu Beginn der Reaktion entwickeln sich hauptsächlich angenehme Aromen wie die von Butter und Milch (der Aromastoff Diacetyl), Frucht (Aromastoffgruppen Ester und Lactone) und Karamell (der Aromastoff Maltol). Je höher die Temperatur steigt und je mehr Zuckermolkeküle zerfallen, desto saurer und bitterer wird der Geschmack und sogar ein verbranntes Aroma bildet sich heraus. Der Zucker verliert an Süße und seine Farbe wird brauner. Oder schwarz. Dann ist er verbrannt. ZUCKERARTEN UND KARAMELLISIERUNGSTEMPERATUREN KOMMT VOR IN

TEMPERATUR

Fructose (Fruchtzucker):

Früchten, Honig, Agavensirup

110 °C

Glucose (Traubenzucker):

Glucosesirup, Maissirup

160 °C

Saccharose (Kristallzucker):

Zuckerrohr, Zuckerrüben und Zuckerpalme

160 °C

Maltose (Malzzucker):

Wird durch Fermentation von Getreidezuckern

180 °C

(zum Beispiel Gerstenzucker) hergestellt.

KARAMELL KOCHEN Karamell entsteht, wenn man Kristallzucker (Saccharose) in ein wenig Wasser auflöst und anschließend einkocht, bis der Sirup braun wird. Bei etwa 160 °C zerfällt Kristallzucker in Glucose und Fructose. Von dem Moment an überstürzt sich die Reaktion, weil Fructose bei 110 °C karamellisiert und Glucose bei 160 °C. Der Sirup bekommt Farbe, und weil bei der Reaktion Wärme freigesetzt wird, steigt die Temperatur schnell. Ein guter Grund, eine Schüssel mit kaltem Wasser bereitzustellen, um den Topf abzukühlen, sobald das Karamell die richtige Farbe erreicht hat. In der Tabelle mit den verschiedenen Stadien der Karamellisierung sieht man, dass Zuckersirup bei 170 °C eine leichte Farbe bekommt. Bei 190 °C ist das Karamell schon dunkelbraun und bitter, bei 210 °C ist es schwarz und reif für den Mülleimer. Ein gutes Karamell mit einer braunen Farbe und vollem Geschmack kocht bis zu einer Temperatur zwischen 180 und 188 °C und eignet sich perfekt für eine köstliche klassische Crème Caramel (siehe Rezept auf Seite 31).

19

STADIEN DER KARAMELLISIERUNG VON SACCHAROSE (KRISTALLZUCKER) SCHRITT

TEMPERATUR

BESCHREIBUNG UND VERWENDUNG

1

Starker Bruch

168 °C

Der Zuckersirup färbt sich leicht. Nach dem Abkühlen ist der Zucker hart und wird in harten Bonbons verwendet. Kaum Karamellgeschmack.

2

Helles Karamell

180 °C

Hellbraun, geschmacksintensiv. Nach dem Abkühlen hart. Eignet sich gut zum Ziehen von Karamellfäden.

3

MediumKaramell

180-188 °C

Goldbraun bis kastanienbraun. Voller Karamellgeschmack. Ideal für Karamellsauce.

4

Dunkles Karamell

188-204 °C

Dunkelbraun, bitterer Geschmack, riecht verbrannt. Nur zum Färben alkoholischer Getränke oder Desserts geeignet.

5

Black Jack

210 °C

An diesem Punkt zerfällt Zucker in reinen Kohlenstoff. Schmeckt verbrannt. Nicht mehr verwenden!

Quelle: foodinfo.net

Maillard-Reaktionen

Noch bevor Kristallzucker bei einer Temperatur von 160 °C karamellisiert, durchläuft ein Zuckersirup verschiedene andere Stadien, die für eine Konditorei nützlich sind. Je mehr Wasser aus dem Sirup verdampft, desto fester wird der Sirup nach dem Abkühlen. Die Tabelle beschreibt verschiedene Stadien im Karamellisierungsprozess.

Reaktionen

20 BRÄUNUNGSREAKTIONEN BEIM KOCHEN Zu Bräunung und Geschmacksentwicklung kommt es nicht nur, wenn wir Zucker verwenden. Auch beim Braten und Backen zuckerreicher Gemüse und Früchte entstehen neue Aromen und Geschmacksstoffe. Ein gutes Beispiel sind angeschwitzte oder geröstete Zwiebeln. Nach einiger Zeit färben sie sich braun und Geschmack und Aroma verändern sich. Dasselbe gilt für Möhren, Süßkartoffeln und gebackene Äpfel oder Birnen. Kondensierte Milch wird beim Erhitzen ebenfalls braun und heißt dann Dulce de Leche (siehe Rezept auf Seite 25). Weil das Ergebnis dem Karamellisieren von Zucker ähnelt, sprechen wir beim Kochen oft von karamellisierten Zwiebeln und Möhren. Genau genommen handelt es sich jedoch nicht um Reaktionen, die unter die Karamellisierung fallen, sondern Beispiele für Maillard-Reaktionen. Richtiger wäre es also, von „maillardisierten“ Zwiebeln oder dem „Maillardieren“ von Möhren zu sprechen.

WAS SIND MAILLARD-REAKTIONEN? Beim Erhitzen werden außer dem reinen Zucker auch fast alle anderen Zutaten nicht nur der Karamellisierung, sondern auch anderen Bräunungsreaktionen unterzogen. Jede Zutat enthält neben Zuckern auch Aminosäuren (Eiweißbausteine) und Fette. Die Bräunungsreaktionen zwischen Aminosäuren und Zuckern heißen Maillard-Reaktionen. Mit ihnen haben wir es beim Kochen täglich zu tun. Warum wissen wir dann so wenig über sie? Maillard-Reaktionen sind unglaublich komplex, sogar Chemiker zerbrechen sich darüber den Kopf. Zum Glück sind die für uns relevanten Grundprinzipien gut verständlich. Maillard-Reaktionen sorgen dafür, dass unsere Gerichte attraktiver werden. Beim Kochen, Braten oder Backen entstehen allerlei unwiderstehliche Aromen, die bewirken, dass wir gern kosten möchten. In Fleisch und Kartoffeln zum Beispiel stecken Zucker und Aminosäuren, die beim Braten unter dem Einfluss von Wärme und Zeit miteinander zu Hunderten neuer Farb- und Aromastoffe reagieren. Ohne Zucker und Aminosäuren keine Maillard-Reaktionen. So einfach ist das. Doch es braucht mehr, und zwar in erster Linie Wärme. Je mehr Wärme, desto schneller verläuft die Reaktion. Aber nicht nur Temperatur und Zeit spielen eine Rolle, auch die Zusammensetzung eines Gerichts bestimmt den Verlauf von Maillard-Reaktionen. Im Folgenden behandeln wir die Regler, mit denen sich die Reaktionen beeinflussen lassen. ZEIT Maillard-Reaktionen können viel Zeit beanspruchen. Etwa bei traditionellem Balsamico, der auch ein Ergebnis von Maillard-Reaktionen ist. Bevor der Wein zu Balsamico-Essig wird, verstreichen einige Jahre. Ein weiteres Beispiel ist die Vanilleschote: Frisch vom Baum ist sie steinhart und bitter, doch nach einer Temperaturbehandlung und einer monatelangen Ruhephase bekommt sie das typische Vanille-Aroma. Dasselbe gilt für die dunkle Farbe im Bier, die innerhalb weniger Wochen durch Maillard-Reaktionen zwischen dem Eiweiß aus dem Getreide und dem Malzzucker ganz von selbst entsteht.

21

PRODUKT

ZEIT

TEMPERATUR

Balsamico-Essig

Jahre

10 °C

Vanille

Monate

25 °C

Dunkles Bier

Wochen

40 °C

Fond

Tage

90 °C

Bouillon

Stunden

95 °C

Risotto

20-30 Minuten

110-120 °C

Rindersteak

Minuten

120-140 °C

Maillard-Reaktionen in Abhängigkeit von Zeit und Temperatur

FONDS, BOUILLONS UND SAUCEN Bei der Zubereitung einer kräftigen Bouillon ist Zeit ein entscheidender Faktor, allerdings nicht zur Extraktion der Aromen aus den Zutaten – dazu genügte schon eine Stunde. Wichtig ist die lange Dauer vielmehr für das Zusammenspiel der an den Maillard-Reaktionen beteiligten Zutaten. Eine Rinder- oder Hühnerbouillon – reich an Eiweißen und Zuckern aus dem Bouquet garni – wird im Laufe der Zeit allmählich brauner und herzhafter im Geschmack – und das ist der Beweis für erfolgreiche Maillard-Reaktionen. TEMPERATUR Bei einer hohen Temperatur verlaufen chemische Reaktionen schneller. Der Geschmack eines Gerichts wird daher nicht nur von den Zutaten bestimmt, sondern auch von der Geschwindigkeit, mit der Maillard-Reaktionen erfolgen. Bei einem Gericht geht es auch nie nur um eine einzelne Maillard-Reaktion, es sind immer mehrere zugleich. Jede Reaktion hängt wiederum auf eine andere Weise von der Temperatur ab und entfaltet ihre eigenen charakteristischen Aromen. Daher ist es auch eine gute Idee, eine Fleischbouillon in einem Schnellkochtopf herzustellen. Unter Druck steigt die Temperatur beim Ziehen nämlich auf 120 °C, statt auf 90 oder 95 °C – ein absoluter Schub für die Maillard-Reaktionen und die Veränderung des AromaBouquets. Auch Pürierte Suppen und Eintopfgerichte bekommen in einem Schnellkochtopf viel mehr Aroma, weil man den Maillard-Regler kräftig hochdrehen kann. Neben Zeit und Temperatur ist somit auch das Aroma ein sehr wichtiges Argument für die Verwendung des Schnellkochtopfs.

Maillard-Reaktionen

In der folgenden Tabelle ist zusammengestellt, welche Zeit und Temperatur für verschiedene Produkte aus Maillard-Reaktionen nötig ist. Vereinfacht gesagt läuft es darauf hinaus, dass kurze Zubereitungen für effektive Maillard-Reaktionen eine hohe Temperatur verlangen, etwa das (An-)braten eines Rindersteaks oder Grillen eines Hamburgers. Lange Zubereitungen dagegen brauchen eine niedrige Temperatur, wie es beim Ziehen einer Bouillon der Fall ist.

Reaktionen

22 PYROLYSE: ZU INTENSIVES BRÄUNEN Braten oder Frittieren in nativem Olivenöl extra ist nicht empfehlenswert, denn die winzigen Oliventeile, die noch von der ersten Pressung darin enthalten sind, versengen schnell und werden schwarz, statt angenehm zu bräunen. Ursache für diese Schwarzfärbung ist die Pyrolyse: Ein Prozess, bei dem die Moleküle der Nahrungsteilchen gespalten werden, weil die Temperatur zu hoch wird, ohne dass es zu einer Verbrennung kommt (da der Sauerstoff fehlt). Butter hat dasselbe Problem – die enthaltenen Zucker und Eiweiße pyrolysieren bei zu hoher Temperatur. Deswegen sollte Butter beim Braten nie zu lange erhitzt werden (siehe auch die Abbildung zu Beurre noisette oder Nussbutter unten). Sie darf nur kurz aufschäumen und hellbraun werden, bevor man sie zu Kartoffeln oder Fleisch reicht. Ein Rindersteak sollte vorzugsweise in Öl gebraten werden; für den Geschmack reicht ein Stück Butter am Ende der Zubereitung. DIE ZUBEREITUNG VON BEURRE NOISETTE Anhand von Beurre noisette erläutern wir, was beim Erhitzen von Butter in der Pfanne geschieht. Geschmolzene Butter ist eine Emulsion kleiner Wassertropfen in Butterfett. In diesen Wassertropfen sind Milchzucker und Eiweiß gelöst. Erhitzt man die Butter weiter, gerinnt die Emulsion. Bei 100 °C verdampft das Wasser. Das geht mit kleinen Explosionen einher, die winzig kleine Fetttropfen in die Umgebung katapultieren. Die Zuckerkonzentration in den Wassertropfen nimmt durch die Verdampfung immer weiter zu, wodurch auch die Temperatur steigen kann (durch Siedepunkterhöhung, mehr dazu in Kapitel 5: Verflüchtigung von Aromen). Dadurch reagieren Zucker und Eiweiß miteinander und zeigen Bräunungsreaktionen. Diese Maillard-Reaktionen und die Karamellisierung bewirken die braune Farbe und den nussigen Geschmack der Butter. Wenn das letzte bisschen Wasser verdampft ist, kann die Temperatur fast unbegrenzt steigen und die Eiweiße und Zucker pyrolysieren. Das führt allerdings zu Beurre noir, und ist nicht, was wir wollten. Das Rezept für Beurre noisette findet sich auf Seite 265.

20 ºC

erstarrte Butter

40 ºC

70 ºC

100 ºC

120 ºC

160 ºC

geschmolzen mit emulgierten Wassertropfen

geronnene Butter

Wassertropfen verdampfen

MaillardReaktionen/ Karamellisierung

Pyrolyse

Der Prozess des Erhitzens von Butter in einer Pfanne bis 160 °C

ZUSAMMENSETZUNG Ob wir einem Gericht nun Zutaten wie Zucker, Aminosäuren und Fett zufügen oder sie eher weglassen – wir beeinflussen damit immer den Verlauf der Maillard-Reaktionen.

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ZUFÜGEN VON AMINOSÄUREN In einer Gemüsebouillon gibt es genügend Zucker, aber wenig Eiweiße (Proteine). Zur Beschleunigung von Maillard-Reaktionen müssen wir daher etwas zufügen. Champignons oder Pilze können hier Abhilfe schaffen, doch man kann auch Eiweiß in Pulverform zugeben, wie Milch- oder Molkeprotein, pflanzliches Erbseneiweiß (pea protein) oder Soja-Eiweiß. Im Rezept für Möhrensuppe auf Seite 29 verwenden wir Gelatine als zusätzliche Proteinquelle. Als Quelle für Aminosäuren eignet sich Eiklar (Ei-Eiweiß) nicht, denn es gerinnt sofort und bringt alles durcheinander. Aber Gelatine, Molken-, Soja-, oder Erbsenproteine lassen sich prima verwenden, sofern das Gericht lange genug kocht und die Eiweiße genügend Zeit haben, sich in Aminosäuren aufzuspalten. So zaubert man ganz leicht feine Saucen aus eingekochtem Gemüsesaft, dem während des Reduzierens ein wenig Gelatine oder pflanzliches Eiweiß zugefügt wurde. Rote Beete, Süßkartoffeln, Knollensellerie und Möhren eignen sich hierfür ausgezeichnet. Durch das Einkochen konzentrieren sich die Pflanzenzucker, die Temperatur steigt und es entsteht ein wahres Feuerwerk an Maillard-Reaktionen. Abrunden mit einem Stückchen gesalzener Butter – köstlich! WELCHE SORTE FETT? Eigentlich handelt es sich bei Maillard-Reaktionen um Reaktionen zwischen Aminosäuren und Zuckern. In der Küchenpraxis ist außer diesen Komponenten auch immer viel Fett vorhanden, etwa beim Frittieren oder Braten in der Pfanne. Mittlerweile wurde festgestellt, dass das Vorhandensein von (oxidiertem) Fett die Bräunungsreaktionen beschleunigt und die Aromabildung stark beeinflusst. Mehr dazu, welche Rolle Fette bei Bräunungsreaktionen spielen, findet sich im nächsten Kapitel. KONZENTRATION Warum gibt man bei der Zubereitung eines traditionellen Risottos nicht alle Bouillon auf einmal zum Reis? Weil eingekochte Flüssigkeit, wie Bouillon oder Gemüsesaft, durch die höhere Konzentration an Salzen, Aminosäuren und Zuckern einen höheren Siedepunkt hat. Das ist ein schöner Nebeneffekt, denn chemische Reaktionen verlaufen bei einer hohen Temperatur und einer höheren Konzentration schneller. Die Kombination aus Konzentration und Temperatur bringt daher einen doppelten Vorteil. Die Moleküle, die an der Reaktion beteiligt sind (Eiweiße und Zucker), begegnen sich öfter, weil sie sich dank der höheren Temperatur schneller bewegen und weil sie aufgrund der höheren Konzentration näher beieinanderliegen. Daher gibt man

Maillard-Reaktionen

ZUFÜGEN VON ZUCKER Zur Beschleunigung von Maillard-Reaktionen und Karamellisierung können wir Gerichte zuckern. Am besten eignen sich einfache Zucker wie Glucose, Fructose oder Lactose (Milchzucker). Mit Mehrfachzuckern wie Kristallzucker oder Stärke funktioniert das weniger gut. Verwendet man beispielsweise Fructose statt Kristallzucker, lässt sich der Karamellisierungsprozess beschleunigen, denn dieser Zucker karamellisiert bereits bei 110 °C statt bei 160 °C. Bekannte Süßungsmittel, die viel Fructose enthalten, sind Agavensirup (55 bis 90 % Fructose) und Honig (40 % Fructose). Werden Möhren mit Agavensirup „karamellisiert“, bräunen sie viel schneller und bekommen einen intensiveren Geschmack. Für Fructose in Gebäck gilt das Gleiche: Weil dieser Zucker bei einer niedrigeren Temperatur karamellisiert, bräunt das Gebäck im Ofen viel schneller.

Reaktionen

24 die Flüssigkeit portionsweise zum Reis. Ein wenig einkochen lassen, den Siedepunkt durch fast vollständiges Verdampfen der vorhandenen Flüssigkeit erhöhen, Flüssigkeit zufügen, einkochen lassen etc. So entstehen mehr Aromastoffe. VERHÄLTNIS ZUCKER-AMINOSÄUREN Nicht nur die Konzentration von Aminosäuren und Zuckern bestimmt den Verlauf der Maillard-Reaktionen – auch das Verhältnis der beiden ist für Geschmack und Aroma eines Gerichts ausschlaggebend. Ein Stück Fleisch und ein Keks enthalten beispielsweise beide Zucker und Eiweiße, jedoch in einem anderen Verhältnis. In Fleisch stecken hauptsächlich Eiweiße und relativ wenig Zucker. Bei Keksen ist es genau umgekehrt. Beim Fleischbraten und Keksbacken kommt es daher zu komplett unterschiedlichen Maillard-Reaktionen. Viel Eiweiß und wenig Zucker (wie bei Fleisch, Bouillon, Fonds, Quiches) führt zu mehr Grundgeschmack (umami) und produziert Aromen, die wir mit herzhaft assoziieren. Bei Maillard-Reaktionen, in denen Zucker vorherrscht, ist es umgekehrt, und die „süßen“ Aromen spielen die Hauptrolle. In unserem amerikanischen Gericht Chicken & Waffles (siehe Rezept auf Seite 27), treffen sich Geschmacksstoffe und Aromen dieser verschiedenen Maillard-Reaktionen auf einem Teller: Frittiertes Hähnchen (hauptsächlich Eiweiße) und gebackene Waffeln (hauptsächlich Zucker). Ein perfektes Match. ÄNDERUNG DES PH-WERTS Auch der pH-Wert beeinflusst Maillard-Reaktionen. Unter Einfluss eines leicht sauren Milieus (pH-Wert 5,0) erzeugt Hackfleisch beim Braten viel weniger Pyrazine, die für das typische Fleischaroma verantwortlich sind. In einem leicht basischen Milieu (pH-Wert 9,0) ist es genau umgekehrt. Die Maillard-Reaktionen erhalten dadurch einen Schub, und im gebratenen Hackfleisch entstehen doppelt so viele köstliche, herzhafte und sättigende Aromastoffe. Ein basisches Milieu erreicht man – nicht erschrecken - durch die Zugabe von ein wenig Natriumhydrogencarbonat („Natron“), das als Back- oder Speisesoda erhältlich ist. Achtung: Backsoda ist etwas anderes als Backpulver! Der Nachteil von Backsoda liegt in seinem typisch seifigen Geschmack, der ein basisches Milieu kennzeichnet. Der Seifengeschmack lässt sich neutralisieren, wenn man später oder nach Abschluss der Zubereitung etwas Säure (Zitrone, Essig oder Tomate) hinzufügt. Mit Backsoda lassen sich beispielsweise auch Gemüse oder Fleisch zarter machen. Durch die Zugabe einer Prise Backsoda und Salz lässt sich also das „Maillardieren“ von Obst und Gemüse beschleunigen. Salz und Soda entziehen der Oberfläche Wasser, wodurch die Temperatur schneller steigt. Außerdem erhöht Backsoda den pH-Wert, weswegen die Karamellisierung schneller verläuft. Im Rezept unserer Sauce bolognese (siehe Seite 28) verwenden wir ein wenig Backsoda und erzeugen damit beim Anbraten des Hackfleischs einen herzhafteren Geschmack. Um den pH-Wert bei der Zubereitung basisch zu halten, fügen wir die (saure) Tomatensauce erst später zu. Dieselbe Idee lässt sich bei Eintöpfen umsetzen, in denen Fleisch mit Zutaten wie Wein und Tomaten geschmort werden soll. Hält man das Fleisch während des Kochprozesses zunächst von Wein und Tomaten getrennt, gibt das den Maillard-Reaktionen einen kräftigen Schub, und das Fleisch bekommt einen herzhaften Umami-Geschmack.

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Überraschenderweise beruht der Karamellgeschmack bekannter Süßspeisen wie Butterscotch, Toffee und Dulce de Leche meist nicht auf einer Karamellisierung, sondern auf einer MaillardReaktion. Die Milchzucker in diesen Produkten karamellisieren erst über 160 °C, was um einiges höher liegt als ihre Zubereitungstemperatur. Dulce de Leche macht man aus Kondensmilch, in der jede Menge Milchproteine, Aminosäuren und Milchzucker stecken. Ein toller Cocktail also für die Maillard-Reaktion.

ZUGABE ZU DESSERTS

ZUBEREITUNGSZEIT WARTEN/KOC HZEIT

5 Minuten 1 Stunde

1 Dose Kondensmilch AUSSERDEM

Schnellkochtopf

1 Das Etikett von der Milchdose entfernen, die Konserve in den Schnellkochtopf stellen und Wasser zugießen, bis die Dose halb bedeckt ist. 2 Den Topf auf den Herd stellen, mit dem Deckel verschließen und unter Druck setzen (Hochdruckstufe). Temperatur reduzieren und die Dose 40 Minuten unter Druck kochen lassen. Den Herd abschalten und den Topf abkühlen lassen, bis er nicht mehr unter Druck steht (ca. 15 Minuten). ↑ Im Schnellkochtopf dauert die Zubereitung nur 40 Minuten, weil die Temperatur bei hohem Druck höher ist und die Maillard-Reaktionen um einiges schneller verlaufen. Ist kein Schnellkochtopf vorhanden, tut es auch ein normaler Topf – doch darin braucht die Dulce de Leche 3 Stunden auf dem Siedepunkt (100 °C). Die Temperatur im Schnellkochtopf liegt um 20 °C höher. Damit wird die süße Köstlichkeit viermal so schnell fertig. Die Reaktionsgeschwindigkeit verdoppelt sich je 10 °C Temperaturanstieg.

3 Den Schnellkochtopf öffnen, die Konserve herausnehmen und abkühlen lassen. ↑ Noch ein paar Dinge, auf die man bei einem normalen Topf achten muss: Idealerweise steht die Dose ganz unter Wasser, damit der Inhalt gleichmäßig erwärmt wird. Das Wasser im Topf darf auf keinen Fall ganz verkochen, weil die Dose sonst explodieren könnte.

Maillard-Reaktionen

DULCE DE LECHE

Reaktionen TEXTUUR

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Waffeln enthalten viel mehr Zucker als Proteine, bei Geflügel ist es umgekehrt. So entsteht bei Hähnchen Aroma vor allem durch MaillardReaktionen, bei Waffeln durch Karamellisierung. HAUPTGERICHT, 4 -6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 45 Minuten über Nacht

MARINIEREN

FÜR DIE MARINADE

400 g Hähnchenfilet 250 ml Buttermilch 1 ½ TL Salz 2 TL Sriracha (oder Tabasco)

1 Hähnchenfilets längs durchschneiden und mit Buttermilch, Salz und Sriracha in einen Zip-Beutel geben. Das Fleisch mit der Marinade im Beutel massieren und über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen. 2 Für die Hähnchenkruste alle trockenen Zutaten mischen. 3 Das Fleisch 1 Stunde vor dem Braten aus dem Kühlschrank nehmen. Öl in einem Frittiertopf auf 180 °C erhitzen. 4 Das Hähnchen mit der Marinade in eine Schüssel geben. 5 Jeweils einen Streifen Fleisch aus der Marinade nehmen und in der Mischung für die Kruste panieren. Erneut mit Marinade befeuchten und nochmals panieren. Die panierten Hähnchenstücke in zwei Portionen etwa 6 Minuten frittieren, bis sie goldbraun sind. Regelmäßig wenden. ↑ Frittieren in kleinen Portionen senkt die Temperatur im Frittierfett weni-

FÜR DIE HÄHNCHENKRUSTE

150 g Mehl (Type 405) 75 g Maismehl 1 TL Backpulver 1 TL geräuchertes Paprikapulver ½ TL Cayennepfeffer 1 TL Salz ½ TL frisch gemahlener schwarzer Pfeffer pflanzliches Frittieröl FÜR DEN WAFFELTEIG

125 g Maismehl 125 g Mehl (Type 405) 8 g Backpulver (2 TL) ½ TL Backsoda ¼ TL Salz 500 ml Buttermilch 2 Eier, verquirlt 50 ml Ahornsirup 50 g Butter, geschmolzen Zip-Beutel, Frittiertopf, Waffeleisen AUSSERDEM

ger stark ab; die Maillard-Reaktionen verlaufen dadurch schneller.

FÜR DIE WAFFELN (CA. 10 STÜCK) 6 Die trockenen Zutaten in eine Schüssel sieben. 7 Buttermilch, Eier, Ahornsirup und Butter in einer anderen Schüssel mischen. ↑ Die im Ahornsirup enthaltene Fructose karamellisiert schon bei 110 °C. Alternativ kann Agavensirup verwendet werden, der ebenfalls viel Fructose enthält.

8 Waffeleisen erhitzen und leicht mit Öl bestreichen. 9 Die trockenen und nassen Zutaten mischen und zu einem glatten Teig verrühren. 10 Eine Schöpfkelle Teig auf dem Waffeleisen verteilen. Bei geschlossenem Deckel die Waffeln 5 bis 7 Minuten backen. 11 Die Waffeln mit dem frittierten Hähnchen servieren.

TIPP: In Schritt 9 geriebenen Käse oder fein gehackte Frühlingszwiebeln unter den Teig heben.

Maillard-Reaktionen

CHICKEN & WAFFLES

Reaktionen

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SAUCE BOLOGNESE In diesem Rezept fügen wir beim Hackfleischbraten Backsoda hinzu. Es erhöht den pH-Wert, wodurch das Hackfleisch basisch wird. In einem basischen Milieu verlaufen die Maillard-Reaktionen schneller, sodass sich beim Braten mehr Aromen entwickeln.

1 Für die Tomatensauce: Die Hälfte von Zwiebel, Möhre und Sellerie und 2 Knoblauchzehen etwa 10 Minuten in 50 ml Olivenöl anbraten. Tomaten zugeben und ca. 30 Minuten bei schwacher Hitze köcheln lassen. Die Sauce mit einem Stabmixer pürieren und mit Salz und Pfeffer würzen. ↑ Die Tomatensauce wird gesondert zubereitet und erst nach dem Anbraten des Hackfleischs zugegeben, weil Tomaten viel Säure enthalten. Eine saure Umgebung bremst den Ablauf der aromatisierenden Maillard-Reaktionen.

HAUPTGERICHT, 4 -6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 40 Minuten 1 Zwiebel, grob gehackt 1 Möhre, grob gehackt 1 Stängel Staudensellerie, grob geschnitten 4 Knoblauchzehen, gehackt 100 ml Olivenöl 1 Dose geschälte Tomaten (400 ml) 1 TL Salz + 1 EL extra frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, nach Geschmack 2 EL Butter 400 g Rinderhackfleisch ½ TL Backsoda 100 ml Rotwein 2 Lorbeerblätter Muskatnuss, frisch gerieben 25 ml Balsamico-Essig 500 g Nudeln nach Wahl 2 EL Petersilie (glatt), grob gehackt Parmesan, gerieben

2 Die Butter in einer Pfanne erhitzen und darin das Hackfleisch mit dem Backsoda, etwas Pfeffer und Salz etwa 5 Minuten anbraten, bis es schön krümelig und dunkelbraun ist. Das restliche Gemüse zufügen und 5 Minuten mitbraten. Mit dem Wein ablöschen und diesen vollständig verdampfen lassen. Tomatensauce, Lorbeer und Muskatnuss zugeben und die Mischung zum Kochen bringen. 3 Nach und nach Balsamico-Essig in die Sauce träufeln, bis Ihnen der Geschmack zusagt. ↑ Der Essig soll dem Gericht seinen ursprünglichen Säuregrad zurückgeben. Bleibt die Sauce basisch, hat sie einen leicht seifigen Geschmack.

4 Die Nudeln in reichlich sprudelndem Wasser mit 1 EL Salz pro Liter gar kochen. Nudeln abgießen und die Sauce sofort unterheben. Mit Petersilie und Parmesan bestreuen und sogleich servieren.

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Bei der Zubereitung dieser Suppe geben wir unser Bestes zur Optimierung der MaillardReaktionen.

1 Blattgelatine in Wasser einweichen. Möhren schälen und in Stücke schneiden. ↑ Die Konzentration von Aminosäuren und Zuckern in einem Gericht bestimmt den Verlauf der Maillard-Reaktionen. In den Möhren befinden

VORSPEISE, 4 PORTIONEN

sich bereits freie Aminosäuren. Gelatine besteht aus Proteinen. Weil alle

ZUBEREITUNGSZEIT

Proteinmoleküle aus Aminosäuren aufgebaut sind, können diese über die

± 40 Minuten 22 Blatt Gelatine* 500 g Möhren 75 g Butter 1 EL Agavensirup 1 kleiner EL rote Currypaste ½ TL Salz ½ TL Backsoda 750 ml frischer Möhrensaft** 1-2 EL Limettensaft AUSSERDEM

Schnellkochtopf

Maillard-Reaktionen auch zum Geschmack beitragen.

2 Die Butter in einem offenen Schnellkochtopf erhitzen und die Möhren einige Minuten darin anbraten. Agavensirup und rote Currypaste zufügen und eine Minute mitbraten. Salz und Backsoda zugeben und ein paar Minuten mit den Möhren weiterbraten. Vorsicht, die Möhren nehmen jetzt schnell Farbe an. 300 ml Wasser und den Möhrensaft zufügen und zum Kochen bringen. Die Gelatine darin auflösen. ↑ Agavensirup enthält viel Fructose, eine Zuckerart, die bereits bei 110 °C karamellisiert. Die Temperatur im Schnellkochtopf reicht dafür aus. Bevor die Gelatine bei den Maillard-Reaktionen eine Rolle spielen kann, muss diese erst gespalten werden (mehr dazu steht in Kapitel 10: Verknoten

* Für eine vegetarische Version eignen

und Spalten). Dieses Spalten findet bei hoher Temperatur sowohl in einem

sich Molkenproteine, für eine vegane

basischen als auch einem sauren Milieu statt. Bei neutralem pH-Wert

Version Erbsen- oder Sojaproteine.

verläuft dieser Prozess am langsamsten. Backsoda sorgt für das ideale basische Milieu, das Gelatine schneller spaltet und zugleich die Maillard-

** Frisch gepressten Möhrensaft aus der Saftpresse verwenden. Auch in Flaschen abgefüller Möhrensaft lässt sich nehmen, sofern er nicht fermentiert ist. Ein Nachteil von Saft

Reaktionen beschleunigt verlaufen lässt.

3 Den Topf schließen und unter Druck setzen. Die Suppe 20 Minuten bei schwacher Hitze und Hochdruckstufe kochen lassen.

aus der Flasche ist jedoch, dass ihm aus Haltbarkeitsgründen Zitronensäure

↑ In einem Schnellkochtopf kann die Kochtemperatur auf 120 °C steigen.

zugesetzt wird und Säure die Maillard-

Diese höhere Kochtemperatur beschleunigt den Verlauf von Maillard-Re-

Reaktionen hemmt.

aktionen.

4 Den Herd ausschalten und den Topf abkühlen lassen, bis er nicht mehr unter Druck steht (ca. 15 Minuten). 5 Die Suppe mit einem Stab- oder Standmixer pürieren. Mit Limettensaft abschmecken.

Maillard-Reaktionen

MÖHRENSUPPE

Reaktionen

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DESSERT, 8 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 25 Minuten 2 Stunden

ABKÜHLEN

1 Vanilleschote 400 ml Milch 300 ml Sahne (30 % Fett) 225 g Zucker 1 EL Honig 4 Eier 8 Soufflé- oder Puddingförmchen à 150 ml

AUSSERDEM

1 Vanilleschote längs halbieren, das Mark mit einem Teelöffel herausschaben. Schote und Mark mit Sahne und Milch in einem Stieltopf aufkochen. Hin und wieder rühren und etwa 15 Minuten bei schwacher Hitze ziehen lassen. Die Vanilleschote entfernen. 2 150 g Zucker und den Honig mit 3 EL Wasser bei schwacher Hitze zum Kochen bringen. Anfangs kurz rühren, um den Honig gut zu verteilen. Danach nicht mehr rühren! Den Zucker kochen, bis sich die Blasen hellbraun färben und der Sirup eine Temperatur von etwa 185 °C erreicht hat. Den Topf vom Herd nehmen und den Boden jedes Förmchens mit einer dünnen Karamellschicht (etwa 3 mm) bedecken. ↑ Ab 160 °C zerfallen die Sacharose-Moleküle allmählich. Das ist der Beginn des Karamellisierungsprozesses. Beim Zerfall der Zuckermoleküle entsteht Wärme, wodurch die Temperatur ab dem Zeitpunkt der Kristallisation schneller steigt. Bei 185 °C ist eine mittlere Karamellnote erreicht; jetzt ist der Geschmack am besten. Sobald die Temperatur 190 °C überschreitet, wird das Karamell sehr braun und es entstehen bittere Aromen.

3 Den Ofen auf 150 °C vorheizen. Die warme Vanillesahne zum restlichen Karamell im Topf gießen und zum Kochen bringen. Gut rühren, damit sich aller Karamell auflöst. Eier quirlen und mit dem restlichen Zucker mischen. Die heiße Karamellsahne in einem dünnen Strahl zu den Eiern in der Schüssel gießen und gut unterrühren. Die Masse durch ein Sieb in die Förmchen füllen, oben auf das Karamell. Die Fettpfanne des Backofens mit heißem Wasser aufgießen, bis die Förmchen zu drei viertel im Wasser stehen. Die Crème Caramel 45 Minuten im Wasserbad stocken lassen. 4 Die Förmchen aus dem Wasser nehmen und 30 Minuten auf Zimmertemperatur abkühlen lassen. Anschließend in den Kühlschrank stellen, bis sie vollständig abgekühlt sind. Mit einem Messer die Puddingränder von der Form lösen, das Förmchen über einem Tellerchen umdrehen und ein Messer zwischen Pudding und Förmchenrand stecken, damit Luft hinter den Pudding gelangen kann. Die Crème löst sich jetzt und landet mit dem geschmolzenen Karamell auf dem Tellerchen. Gut austropfen lassen und servieren.

Maillard-Reaktionen

CRÈME CARAMEL

33 Oxidation von Fetten

KAPITEL 2

OXIDATION VON FETTEN ÜBER REIFE UND RANZIGKEIT → EIN PAAR TAGE IM KÜHLSCHRANK TUN JEDEM EINTOPF GUT → EINEN WOK AUS STAHL NIE MIT GESCHIRRSPÜLMITTEL SPÜLEN → BUTTER KANN AUCH RANZIG RICHTIG LECKER SEIN

→ ERDNUSSBUTTER MUSS EINE WEILE „REIFEN“ → EIN LÖFFEL ALTES FETT IN FRISCHEM FRITTIERFETT BEWIRKT WUNDER → OLIVENÖL IST LICHTSCHEU UND SOLLTE STETS DUNKEL GELAGERT WERDEN

Reaktionen

34 Das Wort ranzig wirkt in der Regel nicht gerade appetitanregend. Das ist nicht verwunderlich, weil wir Ranzigkeit mit Verdorbenem assoziieren. Ranzigkeit entsteht durch die Oxidation von Fett und Öl in unserem Essen. Aber während der Oxidation können auch angenehme Aromen entstehen, etwa bei Schmorfleisch, Erdnussbutter oder Roquefort, alles Produkte, bei denen Oxidation Aroma und Geschmack bereichert. Daher sprechen wir von „reif“, wenn Oxidation einen positiven Effekt hat und von „ranzig“, wenn das Umgekehrte der Fall ist. Oxidation von Fett verändert Aroma und Geschmack nicht nur durch Reifung. Sie spielt auch beim Kochen eine wichtige Rolle, denn sie beeinflusst die Maillard-Reaktionen, um die es im vorigen Kapitel ging.

WAS IST OXIDATION? Unter Oxidation versteht man gemeinhin eine chemische Reaktion mit Sauerstoff. Sie ist eine Kettenreaktion von Radikalen. Ein Radikal ist ein Molekül, das einem anderen Molekül sehr leicht ein Elektron abgibt. Dadurch verändert sich das Molekül, das dieses Elektron erhält, und wird seinerseits zu einem Radikal, das wiederum ein anderes Molekül verändern kann. Der erste Schritt bei der Oxidation ist also die Bildung eines Radikals. Das kann unter Einfluss des UV-Lichts der Sonne geschehen. Bei der Fettoxidation reagieren die gebildeten Radikale mit Sauerstoff und anderen Fetten zu oxidierten Fetten. Diese Stoffe sind noch geruchlos, aber später in der Reaktion entstehen auch Stoffe, die den typischen Geruch von ranzigem Fett haben. Bei manchen Gerichten, die Fett oder Öl enthalten, hat diese Geschmacksentwicklung einen positiven Effekt: Dann macht die Fettoxidation das Essen erst richtig lecker. Ein schönes Beispiel für gereiftes Fett ist das nordafrikanische Smen, das aus gesalzener und mit Oregano gewürzter Butter hergestellt wird. Es hat einen umwerfenden Geschmack und ein Aroma, das an stark gereiften Schimmelkäse erinnert. In Marokko wird es in kleinen Mengen für die Zubereitung von Couscous und Schmorgerichten verwendet. Übrigens spielt nicht ausschließlich die Oxidation bei diesem Gericht eine Rolle, sondern auch der Fermentationsprozess und die dabei gebildeten fettabbauenden Enzyme. Das Rezept für gereifte Butter (Smen) findet sich auf Seite 44. Oxidation beeinflusst nicht nur Geschmack und Aroma unseres Essens, sondern auch verschiedene Bräunungsreaktionen, etwa wenn wir Kartoffeln frittieren oder Fleisch braten. Indem wir verschiedene Regler unseres chemischen Herds bedienen, können wir darauf einwirken. Zunächst können wir bei der Zusammensetzung oder Zubereitung eines Gerichts die „Zutaten“ berücksichtigen, die den Oxidationsprozess auslösen: Sauerstoff, Licht und die Fettart. Daneben bestimmen Zeit und Temperatur den Reaktionsverlauf. ZUSAMMENSETZUNG Ohne Sauerstoff, Licht und Fett keine Oxidation. Die Zusammensetzung eines Gerichts und die Art seiner Zubereitung bestimmen den Oxidationsprozess. ZUFÜGEN VON SAUERSTOFF Wörtlich bedeutet Oxidation: eine Reaktion mit Sauerstoff. Will man Gerichte, die Fett oder Öl enthalten, reifen lassen, muss man sie dem Sauerstoff aussetzen. Das geschieht während des Kochens und anschließend bei der Lagerung. Schmorfleisch

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HELL ODER DUNKEL Die Radikale, die diese Oxidation verursachen, können durch den Kontakt von Fett mit Sonnenlicht entstehen. Deswegen werden besondere Öle meist in Flaschen aus dunklem oder folienüberzogenem Glas aufbewahrt. Öl in durchsichtigen Flaschen sollte am besten in einem dunklen Schrank aufbewahrt werden (am liebsten kühl, denn auch die Temperatur beeinflusst den Oxidationsprozess). Der Ausschluss von Licht kann den Oxidationsprozess allerdings nicht vollständig stoppen. Sobald sich Radikale im Fett gebildet haben, wird sich der Oxidationsprozess fortsetzen, auch im Dunkeln. OXIDIERTES FETT Oxidiertes Fett spielt nicht nur bei der Entwicklung von Geschmack und Aroma von Gerichten eine Rolle, sondern beeinflusst auch die Maillard-Reaktionen, also die chemischen Reaktionen zwischen Aminosäuren und Zuckern (siehe Kapitel 1). In der Praxis haben neben diesen Reaktionen selbst auch oxidierte Fette ihren Anteil daran. Schneller bräunende Pommes frites Das Vorhandensein von oxidiertem Fett beschleunigt die Maillard-Reaktionen an der Oberfläche und hat einen starken Einfluss auf Geschmack, Farbe und Aroma. Viele professionelle Pommes-Verkäufer wissen das aus Erfahrung. Deswegen bewahren sie einen kleinen Rest vom alten Frittierfett und geben es ins frische Fett. Das alte, oxidierte Fett sorgt für eine schnellere Bräunung und viel bessere Pommes! Fettsäuren Fette und Öle enthalten Fettsäuren, die man aufgrund ihrer chemischen Struktur in gesättigte und ungesättigte unterteilt. Ungesättigte Fettsäuren reagieren früher mit Sauerstoff als gesättigte, sodass das Fett schneller ranzig wird. Das liegt daran, dass ungesättigte Fettsäuren einen unregelmäßigeren Aufbau haben als gesättigte. Außerdem zerfallen ungesättigte Fette beim Erhitzen auf eine hohe Temperatur schneller als gesättigte. Dieses Zerfallen beschleunigt die Maillard-Reaktion, sofern sich auch Zucker und Aminosäuren im Essen befinden. Wird das Fett sehr hoch erhitzt, können beim Zerfall von Fetten auch ungesunde Transfette entstehen. Öl und Butter Je mehr ungesättigte Fettsäuren ein Fett oder Öl enthält, desto schneller verlaufen die Maillard-Reaktionen und umso schneller bräunen Gerichte beim Erhitzen. Ausgehend von diesem einfachen Gedanken sollte man meinen, Olivenöl – das viel ungesättigte Fettsäuren enthält und daher leichter oxidieren kann -, führe zu einer schnel-

Oxidation von Fetten

und fleischhaltige Saucen wie Sauce bolognese reifen weiter, wenn sie kühl aufbewahrt werden, und schmecken daher einen Tag nach ihrer Zubereitung noch köstlicher. Auch andere Gerichte wie Eintopf oder Lasagne können durch mehrtägiges Reifen im Kühlschrank an Geschmack und Aroma gewinnen. Fans von Sous-vide-Fleischzubereitungen, bei denen das Essen in einem Vakuumbeutel vollständig von der Luft abgeschlossen wird, weswegen keine Oxidation mehr möglich ist, können das gare Fleisch noch einige Tage außerhalb des Vakuumbeutels im Kühlschrank reifen lassen. So kann die positive Wirkung der Oxidation auf das Aroma mit dem optimalen Vakuumgaren kombiniert werden (siehe Kapitel 5: Verflüchtigung von Aromastoffen). Vakuumieren ist auch eine Methode, den Oxidationsprozess von Produkten zu verzögern. Damit kann man die Lebensdauer fettreicher Produkte wie Käse und Nüsse erheblich verlängern.

Reaktionen

36 leren Bräunungsreaktion als Butter, die zu 80 % aus gesättigtem Milchfett besteht. In der Praxis ist es genau umgekehrt: Butter bräunt besser als Olivenöl. Der wesentliche Grund liegt darin, dass Butter auch Milchzucker und Proteine enthält, die beim Braten eine Bräunungsreaktion eingehen. Die Bräunung beim Braten mit Butter entsteht daher hauptsächlich durch Maillard-Reaktionen und Karamellisierung der Butter selbst. Diese Reaktionen finden in Öl nicht statt. Würde man die Butter sehr sorgfältig klären (also Zucker und Proteine vom Butterfett trennen), verliefe ein Anbraten in der Pfanne viel weniger leicht und sogar schlechter als in Öl. Ghee Ghee (Butterschmalz) ist geklärte und gereifte Butter, die in Indien häufig zum Kochen verwendet wird. Es enthält weder Milchproteine noch Zucker, dennoch bräunt Ghee beim Anbraten sehr gut, denn es wird schon bei seiner Zubereitung länger erhitzt, sodass alles Wasser aus der Butter verdampft. Durch das lange Erhitzen oxidieren Butterfett und Cholesterin. Die oxidierten Fette beschleunigen die MaillardReaktionen beim Kochen. Im Schmortopf-Rezept auf Seite 39 verwenden wir Ghee, um Geschmack und Aroma des Gerichts zu intensivieren. Antioxidantien Antioxidantien sind Stoffe, die den Oxidationsprozess stoppen können. Sie können die freien Radikale, die den Oxidationsprozess starten, neutralisieren. Beispiele von Antioxidantien sind die Vitamine A, C und D sowie Phenole, die herben und bitteren Aromastoffe in Rotwein und Tee. Auch in Kräutern wie Salbei und Rosmarin kommen Phenole vor. Pflanzen produzieren Phenole, damit sie nicht gefressen werden. Sie verlängern damit nicht nur ihre eigene Lebensdauer, sondern auch die von Lebensmitteln, in denen sie als Kräuter verarbeitet werden. Ein Rosmarinzweig im Frittierfett verleiht zusätzlichen Geschmack, verlängert jedoch auch die Haltbarkeit des Fetts. Obwohl Kräuter die Oxidation von Fett vermindern können, lassen sie sich ganz ausgezeichnet für Gerichte verwenden, die man lang reifen lassen möchte. Letzten Endes geht es um die Ausgewogenheit von Aromen, einschließlich jener von Reifung und Kräutern. Erdnussbutter In Lebensmitteln werden Antioxidantien verwendet, um eine Oxidation zu verhindern. Weil das Fett aus Erdnüssen im Laufe der Zeit ranzig wird, fügte ein Erdnussbutterfabrikant einst seinem Produkt Antioxidantien hinzu. Ein Verkostungspanel, das die Erdnussbutter mit Antioxidantien mit reiner Erdnussbutter verglich, entschied sich jedoch einstimmig für die oxidierte Variante. Die Erdnussbutter, die wir mit dem Rezept auf Seite 45 machen, lassen wir daher eine Woche reifen. Offenkundig ist ranziges Fett nicht immer eklig, und eine milde Ausprägung können wir durchaus sehr schätzen. Wie so oft beim Kochen geht es auch hier um die Dosierung. ZEIT Wir haben es schon erwähnt: Durch Oxidation können Schmorgerichte oder Eintöpfe besser schmecken, wenn man sie ein paar Tage im Kühlschrank aufbewahrt. Fermentation (siehe Kapitel 4) kann nicht die Ursache dafür sein, weil das Essen gekocht ist und die Mikroorganismen dadurch zu einem großen Teil ausgeschaltet sind. Auch die Maillard-Reaktionen (siehe Kapitel 1) stecken nicht dahinter. Diese verlaufen im Kühlschrank zu langsam, um schon nach einem Tag einen

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ENTWICKLUNG VON GESCHMACK UND AROMA Jedes mit Fett zubereitete Gericht ist also im Laufe der Zeit einer Geschmacksentwicklung durch Oxidation unterworfen. Weil sich Fettsäuren auch in Gemüse und Kartoffeln befinden (0,1 bis 1 % des Gesamtgewichts, je nach Produkt), können theoretisch auch Kartoffelpüree oder Kartoffel-Möhren-Stampf ohne Zugabe von Fett durch Oxidation besser schmecken. In der Praxis fügt man Püree oder Eintopf meist noch Butter oder Öl hinzu, womit die Verbesserung von Geschmack und Aroma infolge von Oxidation noch mehr Chancen bekommt. Frische Kräuter verhindern eine zu schnelle Oxidation, weil sie Antioxidantien enthalten. So bringen sie den Reifungsprozess ins Gleichgewicht. Über die exakte Beziehung zwischen Oxidation, Antioxidantien und Geschmacks- und Aromaentwicklung ist noch nicht viel bekannt. Vorläufig heißt es beim Kochen noch trial and error, Versuch und Irrtum. Die Lammkeulen (siehe Rezept auf Seite 40) sind jedenfalls köstlich. EINEN WOK EINBRENNEN

Ein Wok aus Carbonstahl muss vor Gebrauch eingebrannt werden. In China gehört es sich nicht, einen Wok mit Geschirrspülmittel zu spülen. Warum nicht? Das hat mit dem Vorhandensein von oxidiertem Fett auf dem Wokboden zu tun, das die Maillard-Reaktionen beschleunigt. Erfolgt das Braten bei hoher Temperatur, oxidiert das vorhandene Fett in schnellem Tempo. Nach Gebrauch klebt das oxidierte Fett am Wokboden. Diese reaktive Patina bewirkt bei der nächsten Benutzung eine superschnelle Bräunung. Die gründliche Reinigung des Wok mit Geschirrspülmittel führt zur Entfernung dieser ranzigen Fette – damit müssen die Maillard-Reaktionen wieder ganz von vorn beginnen. Aus demselben Grund bräunt der erste Pfannkuchen weniger schnell als alle folgenden, die danach in derselben Pfanne gebacken werden. Für das Rezept der Fajitas auf Seite 45 verwenden wir eine Stahlpfanne aus demselben Material wie chinesische Woks. In dieser Pfanne bräunt das Fleisch viel schneller, wodurch es weniger lang gebraten werden muss (weswegen das Fleisch zarter bleibt).

TEMPERATUR Mit steigender Temperatur verläuft - wie bei fast allen chemischen Reaktionen – auch die Oxidation von Fett schneller. So verdirbt (oder reift) Butter im Kühlschrank bedeutend langsamer als bei Zimmertemperatur. Und wenn Frittierfett erhitzt wird, oxidiert es schneller und der Geschmack lässt nach. Außerdem entstehen bei hohen Temperaturen mehr ungesunde Stoffe im Fett. Hält man Frittierfett ständig auf hoher Temperatur, ohne etwas darin zu frittieren, wird die Oxidation beschleunigt und das Fett bleibt weniger lang gut. Gibt man Zutaten ins Öl, wird die Temperatur gesenkt und die Oxidation verläuft weniger schnell. Mit anderen Worten: Frittieren Sie, sobald das Fett heiß ist!

Oxidation von Fetten

geschmacklich-aromatischen Effekt zu haben. Theoretisch betrachtet bleibt damit die Oxidation von Fetten als wahrscheinlichste Ursache.

Reaktionen

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MIT HÄHNCHENSCHENKELN UND APRIKOSEN Einen Teil seines herzhaften Aromas verdankt dieser Schmortopf der Verwendung von Ghee, geklärter und gereifter Butter, die in der indischen Küche häufig zum Einsatz kommt. Ghee enthält viele oxidierte Fette, die die Maillard-Reaktionen bei der Zubereitung des Gerichts verändern und beschleunigen.

HAUPTGERICHT, 6-8 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 25 Minuten WARTEN/S C HMO REN

65 Minuten 1 kg Hähnchenschenkel mit Knochen 4-5 EL Ghee 2 süße Zwiebeln, in Ringen 1 Sternanis 2 Nelken 5 Kardamomkapseln 5 Knoblauchzehen, fein gehackt 200 ml Weißwein 2 Bio-Orangen 200 ml kräftiger Geflügelfond 1 Zimtstange 100 g getrocknete Aprikosen, halbiert 1 großer Knollensellerie Petersilie (glatt), fein gehackt Schmortopf mit Wasserdeckel (siehe S.90)

AUSSERDEM

1 Hähnchenschenkel trocken tupfen, salzen und pfeffern. 2 Ghee im Schmortopf erhitzen und das Fleisch rundum gut anbraten. Herausnehmen und zur Seite stellen. 3 Zwiebelringe 5 Minuten in der Bratflüssigkeit auf mäßiger Temperatur anschwitzen, bis sie weich sind. Sternanis, Nelken und Kardamom im Mörser zerstoßen. Mit dem Knoblauch unter die Zwiebeln heben und einige Minuten mitbraten. Wein zugießen und auf die Hälfte reduzieren. 4 Orangenschale abreiben und den Saft auspressen. Beides zusammen mit dem Geflügelfond, der Zimtstange und den Aprikosen in den Topf geben, die Hähnchenschenkel dazulegen und den Schmortopf mit einem Wasserdeckel schließen. 5 45 Minuten bei schwacher Hitze schmoren, bis das Fleisch so zart ist, dass es sich leicht vom Knochen löst. 6 Knollensellerie schälen und in 2 cm große Würfel schneiden. Die Hälfte der Schmorflüssigkeit des Hähnchens in einen kleinen Topf gießen. Den Knollensellerie mit dieser Flüssigkeit zum Kochen bringen, 15 Minuten mit aufgelegtem Deckel garen, dann im Mixer pürieren. Alternativ kann die Hälfte des Selleries schon mit dem Hähnchen gekocht werden. Dann ist sie in den letzten 20 Minuten der Schmorzeit zuzugegeben. 7 Das Hähnchen mit der Sauce und dem Knollenselleriepüree servieren, bestreut mit fein gehackter Petersilie (glatt).

TIPP: Dazu passen wilder Spinat aus der Pfanne oder gebratene Möhrchen.

Oxidation von Fetten

SÜSSER SCHMORTOPF

Reaktionen

40

LAMMKEULEN IN ROTWEIN

Frische Kräuter enthalten Antioxidantien und verhindern so eine zu schnelle Oxidation der Fette. Die Wirkungen von Oxidation und Antioxidantien auf das Aroma sind komplex, vorläufig heißt es beim Kochen noch trial and error. Diese Lammkeulen mit Thymian schmecken jedenfalls köstlich, wenn sie einige Tage kühl stehen und reifen können.

1 Lammkeulen pfeffern und salzen. Das Öl in einer Pfanne erhitzen, die Keulen rundum anbräunen und aus der Pfanne nehmen. ↑ Während des Bratens wird die Oxidation von Fetten durch die hohen Temperaturen, die beim Braten entstehen, in Gang gesetzt.

2 Die Wärmezufuhr nun etwas reduzieren und den Knoblauch und die Schalotten in der Bratflüssigkeit der Keulen einige Minuten braten. Den Wein und den Fond zugießen, Lorbeerblatt, Pfefferkörner und Thymian zugeben und das Ganze zum Kochen bringen. Die Keulen in die Pfanne zurücklegen.

HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 20 Minuten S C HMO REN 1 Stunde 4 Lammkeulen (ca. 1,5 kg) frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, nach Geschmack 1 EL Salz + 1 TL für den Kohlrabi 4 EL Öl 10 Knoblauchzehen, grob gehackt 500 g Schalotten, geschält 500 ml Rotwein 500 ml Rinderfond 1 Lorbeerblatt 5 Pfefferkörner, zerstoßen 2 Thymianzweige 2 Kohlrabi (ca. 700 g) 2 TL Zucker 2 EL Apfelessig 3 EL natives Olivenöl extra 3 EL Petersilie (glatt), fein gehackt Schongarer oder Pfanne mit Wasserdeckel (siehe S. 90)

AUSSERDEM

↑ Diese Kräuter enthalten Antioxidantien. Sie sorgen dafür, dass der Zugewinn an Aromen infolge der Fettoxidation ausbalanciert wird.

3 Die Pfanne mit einem Wasserdeckel schließen und die Keulen bei schwacher Hitze 3 Stunden garen lassen. Oder das Gericht in einen Schongarer umfüllen und einen Tag auf Höchsttemperatur garen lassen. Das Fleisch sollte schön durch sein, darf aber noch nicht vom Knochen fallen. 4 Die Keulen aus der Pfanne nehmen und in eine Schale legen. Locker abdecken und im Kühlschrank zwei bis drei Tage reifen lassen. Die Kochflüssigkeit durch ein Sieb geben, in die Pfanne zurückgießen und zu einer schönen Sauce reduzieren. Abkühlen lassen und im Kühlschrank aufbewahren. ↑ Reifen bedeutet hier oxidieren. Gekühlt oxidieren die Fettsäuren aus dem Fleisch mit Sauerstoff und es entstehen neue Aromen, die die Keulen zu einem noch größeren Genuss machen. Das gilt nicht nur für geschmorte Keulen, sondern für alle Schmorgerichte. Ihr Aroma verbessert sich nach einigen Tagen.

5 Den Kohlrabi schälen und über die Julienne-Klinge eines Gemüsehobels hobeln. In eine Schüssel geben, salzen und zuckern. Kohlrabi gut durchkneten und 30 Minuten stehenlassen. Anschließend möglichst viel Flüssigkeit durch ein Sieb ausdrücken. Mit Apfelessig, Olivenöl und Petersilie abschmecken.

41

Zubereitung mit dem Schnellkochtopf: Das Gericht nach Abschluss von Schritt 2 in einen Schnellkochtopf geben und den Deckel schließen. Bei höchster Druckstufe und schwacher Hitze die Keulen 45 Minuten garen. Den Topf vom Herd nehmen und abkühlen lassen, bis er nicht mehr unter Druck steht (ca. 15 Minuten). Eventuell übrig gebliebenen Dampf über das Druckventil entweichen lassen und den Topf öffnen. Wie ab Schritt 4 des Rezepts beschrieben fortfahren. Sous-vide-Garen: Das Gericht nach Abschluss von Schritt 2 in einen oder zwei Vakuumbeutel geben und vakuumieren. Im Wasserbad bei 70 °C 15 Stunden lang garen. Vakuumbeutel entfernen und wie ab Schritt 4 des Rezepts beschrieben fortfahren.

Oxidation von Fetten

6 Keulen in der Sauce erhitzen und mit dem Kohlrabi-Gemüsesalat servieren.

Reaktionen

42

43

Zartes Fleisch brät man am besten in einer glühend heißen Stahlpfanne, bei der wir für eine Antihaftschicht sorgen können, auf der unser Fleisch superschnell bräunt (siehe Seite 37). Sie entsteht, weil oxidiertes Fett am Pfannenboden kleben bleibt. Dies beschleunigt die Maillard-Reaktionen beim Braten. Die Pfanne sollte daher nicht mit Geschirrspülmittel gespült werden.

1 Die Hälfte des Öls mit den übrigen Zutaten für die Marinade mischen. Das Filet abgedeckt oder vakuumiert über Nacht im Kühlschrank marinieren. 2 Backofen auf 200 °C vorheizen. 3 Das Filet aus der Marinade nehmen und mit Küchenpapier abtupfen. In dünne Streifen schneiden und mit dem restlichen Öl in einer Schale mischen. Die Marinade aufbewahren. Die Pfanne stark erhitzen, sie muss glühend heiß sein (es darf sogar leicht rauchen über der Pfanne). Das Fleisch in die heiße Pfanne geben und in wenigen Minuten rundum bräunen. Das Fleisch soll nur angebraten werden und nicht gar sein. Aus der Pfanne nehmen und warmhalten.

HAUPTGERICHT, 4 -6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten über Nacht

WARTEN/MARINIEREN FÜR DIE MARINADE

4 EL Erdnussöl Saft ½ Limette 2 EL frischer Koriander, fein gehackt 2 Knoblauchzehen, fein gehackt 1 TL brauner Zucker 1-2 EL Sojasauce 1 TL Chiliflocken ½ TL Kreuzkümmel, gemahlen 1 TL Salz 500 g Rinderfilet von der Lende FÜR DIE FÜLLUNG

3 Paprikaschoten in verschiedenen Farben, in dünnen Streifen 1 rote Zwiebel, in Stücken 1 rote Peperoni (entkernt), in schmalen Ringen 2 EL Öl 8 kleine Tortillas 2 Avocados, in Scheiben 125 ml Crème fraîche Wok oder Pfanne aus Carbonstahl

AUSSERDEM

4 Die Tortillas im Ofen aufwärmen. 5 Paprika, Zwiebel und Peperoni in ein wenig zusätzlichem Öl in derselben Pfanne anbraten und die übrige Marinade zugeben. Braten, bis die Feuchtigkeit verdampft ist. Das Fleisch kurz zufügen, dann die Mischung auf den Tortillas verteilen. Mit Avocado und einem Tupfer Crème Fraîche servieren.

S ERVIERTIPP: Dazu passt Tomatensalsa (siehe Rezept auf Seite 61).

Oxidation von Fetten

FAJITAS

Reaktionen

44

GEREIFTE BUTTER SMEN M’LEH

Ein schönes Beispiel für gereiftes Fett ist das nordafrikanische Smen, das aus gesalzener und mit Oregano gewürzter Butter hergestellt wird. Diese Butter hat einen umwerfenden Geschmack und ein Aroma, das an gereiften Schimmelkäse erinnert. In Marokko wird es in kleinen Mengen für die Zubereitung von Couscous und Schmorgerichten verwendet. Übrigens spielt nicht ausschließlich die Oxidation bei diesem Gericht eine Rolle, sondern auch Fermentation und die dabei gebildeten fettabbauenden Enzyme.

± 30 Minuten Nacht + 8 Wochen

↑ Die in den Kräutern vorhandenen Oxidantien sorgen für eine besser ausbalancierte Reifung des Smen.

2 Die Butter in eine große Schüssel geben und mit dem Salz mischen. Einen kräftigen Schuss Wasser darüber gießen und die Butter mit dem Wasser verkneten. Die Eiweiße aus der Butter lösen sich darin auf. Das Wasser ein paarmal erneuern und mit dem Kneten fortfahren, bis das Wasser klar ist. Das Wasser abgießen. 3 Die Butter anschließend ein paar Minuten mit einem Viertel der Infusion kneten und in einen verschließbaren Behälter geben. Mit dem Rest der Infusion auffüllen und über Nacht im Kühlschrank marinieren. 4 Die Butter aus der Infusion nehmen und vier kleine Kugeln daraus formen. Gut abtropfen lassen.

ZUBEREITUNGSZEIT WARTEN/MARINIEREN

1 Aus dem Oregano (oder Za’tar) und 500 ml kochendem Wasser eine Infusion zubereiten und 10 Minuten ziehen lassen. Durch ein Sieb gießen und vollständig abkühlen lassen.

über

2 EL getrockneter Oregano (oder Za‘atar) 350 g Butter 1 EL unraffiniertes Meersalz

5 Die Butterkugeln in verschließbare Töpfchen umfüllen und an einem dunklen und trockenen Ort aufbewahren. 6 Die Töpfchen nach einer Woche öffnen und die Flüssigkeit abgießen, die aus der Butter ausgetreten ist. Wieder am selben Ort aufbewahren. 7 Das Abgießen der Flüssigkeit jede Woche wiederholen. Nach acht Wochen ist das Smen gut gereift.

T IPP: Smen als Würze in Gerichten wie Couscous und Tajines verwenden.

45

OHNE ANTIOXIDANTIEN Antioxidantien werden verwendet, um eine Oxidation zu verhindern. Als ein Lebensmittelproduzent eine Erdnussbutter auf den Markt bringen wollte, bei der Antioxidantien verhindern, dass sie ranzig schmeckt, gab er dieses Vorhaben rasch wieder auf: Es stellte sich nämlich heraus, dass eine gewisse Ranzigkeit schlicht zum charakteristischen Aroma von Erdnussbutter gehört. Bei unserer selbst gemachten Erdnussbutter können wir daher getrost auf Antioxidantien verzichten.

1 Backofen auf 180 °C vorheizen. 2 Erdnüsse auf dem mit Backpapier ausgelegten Backblech verteilen. 3 Anschließend 15 Minuten im Backofen rösten. Wer es kräftiger geröstet mag, kann sie noch 5 Minuten länger im Ofen lassen. 4 Erdnüsse abkühlen lassen und mit Kokosöl und Meersalz in der Küchenmaschine etwa 5-7 Minuten mixen, bis eine dicke Paste entsteht. 5 Die Paste in kleinen Portionen fein-sämig mörsern. 6 Erdnussbutter in ein Glas füllen und mindestens 1 Tag bis 1 Woche reifen lassen. Die Erdnussbutter ist 2 bis 3 Wochen haltbar.

FÜR 1 GROSSES GLAS

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten WARTEN/OXIDIEREN

1 Woche

400 g ungebrannte Erdnüsse 2 EL Kokosöl ½ TL Meersalz

TIPP: Wer lieber Erdnussbutter mit Stückchen isst, zerhackt die Erdnüsse in Schritt 4 mit der Küchenmaschine zunächst in kleine Stücke. Die gewünschte Menge an Erdnussstückchen herausnehmen und nach Schritt 5 mit der Erdnussbutter vermischen.

Oxidation von Fetten

SELBST GEMACHTE ERDNUSSBUTTER

47 Enzyme

KAPITEL 3

ENZYME GESCHMACKSVERSTÄRKER IM KÜCHENLABOR WAS NÜTZEN ENZYME BEIM KOCHEN? VIEL, DENN: → BEIM ESSEN EINES APFELS SORGEN SIE FÜR NEUE AROMEN, DIE ES IM APFEL SELBST NOCH NICHT GAB → SIE VERRATEN UNS, OB EINE FRUCHT IN DEN KÜHLSCHRANK GEHÖRT ODER NICHT

→ SIE BEWIRKEN, DASS KIDNEYBOHNEN NACH LÄNGEREM KAUEN SÜSS SCHMECKEN → SIE ERMÖGLICHEN ES, FLEISCH SCHNELLER MIT DER SOUS-VIDETECHNIK ZU GAREN

Reaktionen

48 Genau wie Bakterien und Schimmelpilze bei Fermentationsprozessen (siehe Kapitel 4) können Enzyme Geschmack und Aroma unseres Essens verbessern. Der größte Unterschied ist, dass Schimmelpilze und Bakterien, anders als Enzyme, lebende Organismen sind; sie können sich vermehren und sind ein Stück größer als Enzyme. Außerdem produzieren Schimmelpilze und Bakterien Enzyme, wie alle Lebewesen. Molekular betrachtet gehören Enzyme zur Familie der Eiweiße (Proteine). Man hat eine große Anzahl an Proteinen bestimmt, und jedes einzelne hat spezifische chemische Aufgaben, die Teil der viel größeren Prozesse sind, die in Lebewesen ablaufen, wie das Wachsen der Haut, der Energiestoffwechsel, die Verdauung von Nahrung und die Produktion von Proteinen und Fetten. In unserem Küchenlabor ist es für uns vor allem wichtig zu wissen, welche Enzyme wir nutzen können – und an welchen Reglern wir drehen können, um die Enzymaktivität so zu steuern, dass unser Essen besser schmeckt.

WIE ARBEITEN ENZYME? Alle Prozesse in unserem Körper sind eine Abfolge von bestimmten chemischen Reaktionen. Enzyme helfen beim Ablauf dieser Reaktionen, zum Beispiel, indem sie die Bindungen von langkettigen Molekülen wie Kohlenhydraten und Proteinen trennen. Sie können auch Bindungen zwischen Molekülen schaffen oder chemische Reaktionen auslösen, bei denen sich zwei kleinere Moleküle zu einem größeren verbinden. Die ganze Arbeit bei biologischen Prozessen erledigen eigentlich Enzyme. Die Chemie betrachtet Enzyme als Katalysatoren, das heißt, sie können chemische Reaktionen erleichtern oder beschleunigen. Praktischerweise können sie ihre spezifische Aufgabe quasi endlos wiederholen – zum Glück, denn anders als Schimmelpilze und Bakterien können sich Enzyme nicht selbst vermehren. ENZYME ALS ZUTAT In vielen frischen Zutaten kommen Enzyme vor. Fleisch enthält Enzyme, die die Eiweiße zerlegen und das Fleisch so zarter machen. Auch manche Obstsorten haben Enzyme, die Eiweiße aufspalten können. In Zwiebeln und Knoblauch gibt es Enzyme, die dafür sorgen, dass sich beim Schneiden die typische Schärfe entwickelt. Bei der Fermentation erzeugen Bakterien, Hefe- oder Schimmelpilze Enzyme, die chemische Reaktionen zwischen den schon vorhandenen Stoffen ermöglichen. So entstehen die einzigartigen Aromen, die wir mit fermentierten Nahrungsmitteln verbinden. In der Molekularküche und der Lebensmittelindustrie werden Enzyme in Pulverform eingesetzt, wie Transglutaminase, Amylase und Pektinase. Gewonnen werden solche Enzyme in reiner Form durch Fermentation.

ENZYMARTEN Da es so viele verschiedene Enzyme gibt, konzentrieren wir uns in diesem Kapitel auf die Enzyme, die den Geschmack und das Aroma von Essen beeinflussen. Enzyme, die für die Textur des Essens wichtig sind, behandeln wir ausführlicher in Teil 3. Die Enzymfamilie der Lyasen spaltet Eiweiße, Stärke und Fett in kleinere Einheiten. Dadurch wird das Essen flüssiger oder samtiger. Lyasen bewirken aber auch eine

49 Enzyme

Geschmacksveränderung. Die aufgespalteten Moleküle können wir auf der Zunge und in der Nase wahrnehmen, und sie sorgen dafür, dass unser Essen süßer oder herzhafter wird, je nachdem, welches Enzym gerade zugange ist. ENZYME BEI DER ARBEIT ENZYM

Amylase

FUNKTION

spaltet Stärke

AROMA/ GESCHMACK/ REIZ UND/ ODER TEXTUR

Geschmack

OPTIMALE TEMPERATUR

OPTIMALER PH-WERT

50-60 °C

4,0-6,0

Reiz

30-40 °C

6,5

und Textur Alliinase

erzeugt den scharfen Reiz von Zwiebeln und Knoblauch

Calpain, Cathepsin

Proteasen im Fleisch. Werden

Geschmack

Calpain 25°C

Calpain 7

(siehe Kapitel 10)

bei der Fleischreifung aktiv

und Textur

Cathepsin 50°C

Cathepsin 5

Transglutaminase

bindet Eiweiße aneinander

Textur

40 °C

5,0-8,0

Papain, Ficin, Bromelain,

Proteasen in Obst: Papaya,

Textur

Papain 50°C

Papain 6,0-7,0

Actinidain (siehe Kapitel 10)

Feigen, Ananas und Kiwi

Bromelain 40°C

Bromelain 7,0

Pektinase

baut Pektine – und damit die

Textur

50 °C

4,5

(siehe Kapitel 10)

Zellwände – ab

Pektinesterase

festigt Pflanzenzellwände

Textur

50 °C

4,8

spielt eine wichtige Rolle beim

Textur

30 °C

6,5

(siehe Kapitel 10)

(siehe Kapitel 9) Polyphenoloxidase

Braunwerden von Obst

AMYLASE Unser Speichel enthält ein Enzym namens Amylase, das Stärke aufspalten kann. Dank dieser Stärkeschere rutscht ein Bissen Kartoffel, Brot, Reis oder andere stärkehaltige Nahrung leichter über unsere Zunge. Wird Stärke in immer kleinere Stücke gespalten, entsteht Zucker. Wenn wir stärkehaltige Nahrung minutenlang kauen, schmeckt der Bissen dank der Amylase letzten Endes süß. Das Enzym kommt häufig in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz, etwa bei der Herstellung des in den Vereinigten Staaten so beliebten Corn Syrup (Maissirup). In einer Studie zum Einfluss der Amylase in unserem Speichel auf das Geschmackserleben testeten die Probanden Vanillepudding in Kombination mit einem Amylase-Hemmer. Was stellte sich heraus? Die Versuchspersonen empfanden den Geschmack eines normalen, cremigen Vanillepuddings als ausgesprochen schmierig und unangenehm. Die Stärkeschere in unserem Speichel spielt für das Geschmackserlebnis also eine wichtige Rolle. Im Rezept für Briochebrötchen auf Seite (55) verwenden wir Amylase, um den Teig süßer zu machen. ALLIINASE, EIN ENZYM ZUM WEINEN Schuld am Tränen der Augen beim Zwiebelschneiden ist die Alliinase. Wird die Zwiebel geschnitten, gerät das Enzym nämlich in Kontakt mit Stoffen im Zellplasma, und es kommt zu einer Kaskade chemischer Reaktionen, die viele scharfe Duft- und Reizstoffe freisetzen und so das Tränen der Augen verursachen. Dieser enzymatischen Reaktion kann man einen Riegel vorschieben, indem man Zwiebeln vor dem Schneiden gart, denn dadurch wird das Enzym deaktiviert.

Reaktionen

50 PROTEASEN*: CALPAIN UND CATHEPSIN Proteasen* ist eine Sammelbezeichnung für Enzyme, die Eiweiße (Proteine) in kleinere Moleküle aufspalten, die Aminosäuren. Diese Aminosäuren können einen herzhaften Umami-Geschmack abgeben, während die ursprünglichen Proteine keinen Geschmack haben. Ein gutes Beispiel für eine Geschmacksänderung durch Proteasen ist die Fleischreifung. Kurz nach der Schlachtung führt der Abbruch der Sauerstoffversorgung zu einer Veränderung des Muskelstoffwechsels und das Fleisch wird steif (Totenstarre). Nach einiger Zeit wird es wieder geschmeidiger, weicher und zarter. Das ist das Werk der Proteasen Calpain und Cathepsin, die sich im Fleisch befinden, und die Fleischproteine in kleinere und schmackhaftere Stücke spalten. Dadurch entsteht beim Abhängen oder Reifen von Fleisch ein intensiver Umami-Geschmack. Auch in Fisch können Enzyme eine angenehme Geschmacksänderung bewirken. Das holländische Beispiel schlechthin für eine solche Herzhaftigkeit ist der Salzhering. Das Salz und eine niedrige Temperatur sorgen dafür, dass der Hering während des Reifens nicht verdirbt. So bekommen die Enzyme Zeit, die Fischproteine zu spalten und den Geschmack und das Fischaroma zu verändern. Durch die enzymatische Spaltung wird auch die Textur von Fisch und Fleisch zarter. Mehr dazu findet sich in Kapitel 10: Verknoten und Spalten. NASS UND TROCKEN GEREIFTES FLEISCH

Je länger Fleisch gelagert wird, desto mehr Zeit bleibt den Proteasen-Enzymen zum Spalten der Fleischproteine. Dabei muss natürlich verhindert werden, dass das Fleisch verdirbt. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Nassreifung (wet aging) und Trockenreifung (dry aging). Im ersten Fall werden Fleischstücke vakuumiert und gekühlt gelagert. Der Ausschluss von Sauerstoff hemmt das Bakterienwachstum und es findet keine Oxidation statt (siehe Kapitel 2). Das Fleisch verliert auch kaum an Feuchtigkeit. Nach zwei bis drei Wochen ist das Fleisch gut gereift, zart und muss nur noch kurz an der Luft trocknen. Diese Methode ist um einiges preiswerter als die Trockenreifung von Fleisch, führt jedoch zu einem weniger intensiven Geschmack. Trocken gereiftes Fleisch hängt Wochen, manchmal Monate, bei 0-2 °C und einer Luftfeuchtigkeit zwischen 60 und 85 % in einer Kühlzelle. Aufgrund der großen Wasserdampfmenge in der Luft verdampft das Wasser aus dem Fleisch langsam, sodass es nicht austrocknet. Der Flüssigkeitsverlust bewirkt eine positive Geschmacksveränderung. Zucker und herzhafte (umami) Eiweiße erlangen nämlich eine höhere Konzentration und intensivieren damit den Fleischgeschmack. Während des Reifeprozesses führt zudem die Oxidation von Fett an der Fleischoberfläche zu einer positiven Entwicklung des Aromas.

*

NERD ALERT Die Proteasen sind wiederum unterteilt in Proteinasen und Peptidasen. Proteinasen (auch

Endopeptidasen genannt) spalten die Ketten an willkürlichen Stellen und beeinflussen vor allem die Textur. Peptidasen (oder Exopeptidasen) spalten die Aminosäuren, die sich am Ende der Kette befinden, und bewirken damit vor allem einen intensiven Umami-Geschmack.

51

ENZYME KOMBINIEREN Da es so viele Enzyme gibt, von denen jedes seine eigene Aufgabe hat, gibt es keine Zutat, in der nur ein einziges Enzym tätig ist. Bei der Reifung von Obst beispielsweise spielen mehrere Enzyme eine wichtige Rolle. Unreife, saure, trockene Früchte werden saftig und süß, weil Stärke durch Amylase in Zucker umgewandelt wird und die Zellwände durch die Aktivität von Pektinase-Enzymen geschwächt werden. Manchmal geht dabei etwas schief, beispielsweise, wenn man einen Pfirsich im Kühlschrank reifen lässt. Die Amylase-Enzyme, die für die Umwandlung von Stärke in Zucker sorgen, wirken dann nicht, während die Pektinasen, die die Zellwände schwächen, noch bei 4 °C auf Hochtouren arbeiten. Das Ergebnis ist ein nicht-süßer Pfirsich mit mehliger Textur. POLYPHENOLOXIDASE Nicht alle Enzyme sind in der Küchenpraxis willkommen. Sie verursachen nämlich auch dass Obst und Gemüse braun werden. Dafür ist die Gruppe der Polyphenoloxidase-Enzyme verantwortlich. Bei Pflanzen und Tieren spielen diese Enzyme eine wichtige Rolle für die Resistenz gegen mikrobiologische und virale Infektionen. In unserem Essen bewirken dieselben Enzyme die unangenehme Farbveränderung, die man von geschnittenen Äpfeln, alten Bananen und geschälten Schwarzwurzeln kennt. Wir behandeln sie in diesem Kapitel im negativen Sinn, weil diese Enzyme letzten Endes auch den Geschmack verändern. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, der Braunfärbung entgegenzuwirken. Für Gemüse ist Blanchieren oder Dämpfen eine effiziente Methode, denn durch die hohe Temperatur werden die Enzyme inaktiviert. Durch Blanchieren behält Gemüse außerdem seine Farbe. Auch ein Absenken der Temperatur schwächt die Enzymaktivität und bremst den Bräunungsprozess. Ganz gestoppt wird er aber selbst im Kühlschrank nicht, denn solange die Temperatur über dem Gefrierpunkt liegt, bleiben die Enzyme aktiv. Sauer oder basisch Für Polyphenoloxidase gibt es, wie für andere Enzyme, einen optimalen pH-Wert, bei der sie am aktivsten ist (siehe Tabelle auf Seite 52). Für die Polyphenoloxidase liegt der ideale Wert bei 6,5, bei einem fast neutralen Mileu ist die Enzymaktivität also am höchsten. Wird der pH-Wert an der Oberfläche von frisch geschnittenem Obst gesenkt, verlangsamt sich die Wirkung des Enzyms, und die Braunfärbung wird gebremst. Zitronen- oder Limettensaft auf Äpfeln oder Avocados lässt sie weniger schnell braun werden.

Enzyme

TEXTURVERÄNDERNDE ENZYME Wie erwähnt, hat jedes Enzym seine eigene spezifische Aufgabe. Proteasen in einer Marinade können die Textur von Fleisch verändern, wie Papain (aus der Papaya), Bromelin (aus Papaya und Ananas) und Ficin (aus Feigen). Diese Enzyme behandeln wir in Kapitel 10. In manchen Fällen kann man texturverändernde Enzyme auch für eine Geschmacksänderung nutzen, wie die Proteasen-Enzyme Calpain und Cathepsin. Im Kartoffelpüree-Rezept auf Seite 60, das auf einer Idee des Molekularkochs Heston Blumenthal beruht, werden während der Zubereitung Enzyme aktiviert, die zur Festigung der Zellwände beitragen. Die verfestigten Kartoffeln müssen deswegen länger kochen, um gar zu werden. Das verleiht dem Püree einen intensiveren Geschmack.

Sauerstoff Polyphenoloxidase färbt Früchte nur unter Sauerstoffeinwirkung braun. Wird geschnittenes Obst und Gemüse vakuumiert, wird die Polyphenoloxidase durch den Sauerstoffabschluss außer Kraft gesetzt, während andere enzymatische Prozesse, wie die Reifung der Frucht, trotzdem stattfinden können. Festes Gemüse und Obst lassen sich hervorragend vakuumieren. Bei weicheren Sorten erweist sich eine Oysterize als nützlich: eine zweiteilige, austernförmige Schale, die weiche Früchte davor schützt, im Vakuumbeutel zerquetscht zu werden. Das Reifen von Obst wird beschleunigt, wenn man die Temperatur erhöht, beispielsweise, indem man es vakuumiert in ein warmes Wasserbad legt.

TEMPERATUR Einer der Knöpfe, an denen man zur Steuerung der Aktivität von Enzymen drehen kann, ist die Temperatur. Erhöhen wir sie, steigert dies zunächst die Wirkung der Enzyme. Wie in der Grafik unten zu sehen ist, sind die meisten Enzyme, die für die biologischen Funktionen von Säugetieren wichtig sind, logischerweise bei Körpertemperatur am aktivsten. Wird diese Temperatur überschritten, beginnt die Enzymaktivität zu sinken, über 50 °C wird ihnen zu warm. Die Enzymproteine denaturieren und verlieren dauerhaft ihre Fähigkeit, Aufgaben auszuführen, sie sind inaktiviert. Die Temperatur, bei der dies geschieht, bezeichnen wir als Denaturierungstemperatur. Für Enzyme, die in wechselwarmen Tieren (wie Fischen) oder Pflanzen aktiv sind oder die von Bakterien ausgeschieden werden, gilt eine andere Idealtemperatur. Allen Enzymen ist gemein, dass sie bei niedrigen Temperaturen wenig aktiv sind, ein bestimmter Wert optimal ist und es eine Obergrenze gibt, ab der sie nicht mehr wirken. In der Tabelle auf Seite 49 ist die jeweilige Idealtemperatur für verschiedene Enzyme angegeben.

Enzymaktivität steigt steigt Enzymaktivität

Reaktionen

52

0 ºC

10 ºC

20 ºC

30 ºC

Temperatur

Einfluss der Temperatur auf die Enzymaktivität

40 ºC

50 ºC

60 ºC

70 ºC

53

ENZYME DEAKTIVIEREN Beim Kochen kann man sich auch die Denaturierungstemperatur zunutze machen. Erwärmt man Knoblauch oder eine Zwiebel vor dem Schneiden, werden die Enzyme, die für den scharfen Reiz verantwortlich sind, ausgeschaltet – ideal, wenn man Knoblauch in einer Mayonnaise oder Sauce verwenden möchte. Soll ein Salat mit geschnittenen Zwiebeln aufbewahrt werden, ist es am günstigsten, sie zunächst kurz zu blanchieren. In unserem Gazpacho-Rezept auf Seite 59 deaktivieren wir die Enzyme von Zwiebel und Knoblauch zunächst in der Mikrowelle. ZEIT Setzen wir nur auf die in den Zutaten bereits vorhandenen Enzyme, um Aroma und Geschmack zu beeinflussen, ohne weitere zuzufügen, braucht dies Zeit. Bei sous vide gegartem Fleisch wird den Enzymen ermöglicht, ihre Tätigkeit so oft zu wiederholen, dass es schließlich butterzart wird. Eine Garzeit von einer Stunde bringt in diesem Fall wenig, von 24 Stunden dagegen viel. Andrere Enzyme hingegen wirken blitzschnell, weswegen es gar nicht so leicht ist, sie bei ihrer Aktivität zu erwischen und sie uns in unserem Küchenlabor zunutze zu machen. So entstehen neue Geschmacksrichtungen und Aromen, wenn wir Obst kauen oder Zwiebeln oder Knoblauch schneiden. Beim Schneiden oder Kauen geraten Enzyme, die in einer intakten Zelle in Kompartimenten eingeschlossen sind, in Kontakt mit Stoffen im umgebenden Zytoplasma (Zellplasma). Sofort kommt es zu chemischen Reaktionen. Im Falle von Zwiebeln entstehen so die Reizstoffe, die uns zum Weinen bringen, während Äpfel dadurch neue Aromen verströmen. OBERFLÄCHE Wie bei Zwiebeln und Knoblauch kann auch beim Schneiden einer Tomate eine enzymatische Reaktion stattfinden. Dabei entsteht unter anderem Hexanal, ein Molekül, das nach frisch gemähtem Gras riecht. Diese Reaktion lässt sich nutzen, indem die Tomaten für eine Salsa bereits einige Stunden vor dem Verzehr geschnitten werden. Die Salsa bekommt dadurch einen frischeren Geschmack. Versuchen Sie es selbst mit der Tomatensalsa auf Seite 61!

Enzyme

ENZYME AKTIVIEREN Die Fleischreifung findet bei niedrigen Temperaturen statt, um dem Wachstum unerwünschter Mikroorganismen etwas entgegenzusetzen. Die Enzyme können dadurch nur langsam arbeiten, weshalb der Reifungsprozess viel Zeit braucht. Die Proteasen Calpain und Cathepsin sind bei einer Temperatur zwischen 25 und 50 °C am aktivsten. Wird Fleisch vakuumiert und in einem Wasserbad von höchstens 50 °C sous vide gegart, schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Das Fleisch wird auf der Kerntemperatur von medium-rare gegart, und zugleich können die Proteasen optimal wirken. Das beschleunigt den Reifungsprozess, das Fleisch wird zarter und sein UmamiGeschmack intensiver. Wie das funktioniert, zeigen wir in dem Rezept für butterzarte Bavette auf Seite 57. Über 50 °C nimmt die Aktivität von Enzymen, die das Fleisch zarter machen, schnell ab (das sieht man auch in der Grafik auf der vorigen Seite). Was die Dauer angeht, ist beim Sous-vide-Garen zu beachten: Bei einer Garzeit von bis zu 24 Stunden besteht kein Risiko. Nach mehreren Tagen vermehren sich jedoch anaerobe Bakterien im Vakuumbeutel und der Inhalt verdirbt.

Reaktionen

54 Zytoplasma Zellmembran

Enzym

Vakuole SCHNEIDEN/QUETSCHEN

VERMISCHUNG

REAKTION

Wird Obst oder Gemüse geschnitten, werden die Pflanzenzellen beschädigt. Dadurch kommt es zu einem Kontakt zwischen Molekülen aus dem Zytoplasma und Enzymen der übrigen Zelle, die normalerweise voneinander getrennt sind. Die chemischen Reaktionen, die durch diesen Kontakt entstehen, lassen neue Aromen entstehen – und führen manchmal zu tränenden Augen. Auch das Kauen von Gemüse oder Obst beschädigt die Zellen und setzt die Reaktionen in Gang.

SO WICHTIG IST EIN SCHARFES MESSER Durch den Druck des Messers werden beim Schneiden nicht nur die Pflanzenzellen unmittelbar an der Schneidefläche beschädigt, sondern auch die Zellen darunter. Je stumpfer das Messer, desto mehr Zellen werden beschädigt. Aufgrund der freigesetzten Enzyme schmecken beschädigte Zellen anders als unbeschädigte. Das kann einen schönen Geschmackskontrast zwischen der Oberfläche und dem Inneren von geschnittenem Gemüse oder Obst ergeben, vorausgesetzt, man verwendet ein sehr scharfes Messer. Nicht nur das Mundgefühl, auch die enzymatischen Reaktionen hängen also von der richtigen Schneidetechnik ab. Dieses Wissen kann auch für etwas mehr Komfort beim Kochen sorgen: Wer beim Schneiden einer Zwiebel weniger weinen möchte, sollte unbedingt ein scharfes Messer verwenden! SOFORT TRINKEN Kaum etwas beschädigt Pflanzenzellen so sehr wie das Pürieren von Obst und Gemüse, durch das entsprechend viele Enzyme freigesetzt werden. Grüne Smoothies sollten daher sofort nach der Zubereitung getrunken werden, denn hier bewirken die Enzyme schon nach kurzer Zeit eine negative Geschmacksentwicklung. In manchen Fällen kommt die Arbeit der Enzyme in püriertem Gemüse dem Geschmack aber auch zugute, etwa bei Gazpacho, der nach einigen Tagen im Kühlschrank noch besser schmeckt.

55

Diese Brioches passen hervorragend zu den SchwarzeBohnen-Burgern aus Kapitel 10, das Rezept findet sich auf Seite 177. Für unsere Brioches verwenden wir das Enzym Amylase, das Stärkemoleküle in kleinere Stücke spaltet. Spaltungsprodukt sind Zuckermoleküle, die den süßen Geschmack der Brioches intensivieren. Amylase ist online in Pulverform erhältlich.

1 In der Schüssel einer Küchenmaschine 4 Eier, Zucker, Milch, Trockenhefe und Amylase mit dem Knethaken mischen, bis sich Zucker und Hefe aufgelöst haben. 2 Mehl und Salz zugeben und langsam untermischen, bis sich alles gleichmäßig verteilt hat. Den Teig weiterkneten, bis er dicker wird und mehr Zusammenhalt hat. Dann die Butter zufügen und die Küchenmaschine 20 Minuten auf mittlerer Stufe laufen lassen. 3 Aus Aluminiumfolie Ringe legen, in denen die Brötchen gebacken werden. Dazu jeweils ca. 36 cm Folie über die Längsseite aufrollen, zu einem dünnen Streifen von 2 cm Breite zusammendrücken und zu einem Kreis legen.

FÜR CA. 10 BRÖTCHEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 45 Minuten

5 Stunden 15 Minuten

ABKÜHLEN/RUHEN BAC KZEIT

5 Eier 40 g Zucker 100 ml Milch (3,5 % Fett) 1 Päckchen Trockenhefe (7 g) 1 TL Amylase (3 g) 350 g Mehl (Type 405) (oder Brotmehl, z. B. Type 1050) 2 TL Salz 100 g weiche Butter (Zimmertemperatur) 1 EL Öl, zum Bestreichen der Backbleche 1 EL Sahne 1 EL Sesamsamen Backbleche, Backpapier

4 Eine Schüssel mit ein wenig Öl fetten und den flüssigen Teig hineingießen. Luftdicht abgedeckt 2-3 Stunden in den Kühlschrank stellen, bis der Teig fest genug ist, um ihn zu formen. ↑ Das Kühlen sorgt nicht nur dafür, dass der Teig steifer wird, sondern bremst auch die Aktivität der Amylase. Das verhindert, dass der Teig zu süß wird.

5 Die Ringe auf den beiden mit Backpapier ausgelegten Backblechen verteilen und mit ein wenig Öl bestreichen (alternativ kann Backspray verwendet werden). 6 Den Teig in Portionen von 80 g aufteilen, zu Kugeln formen und diese jeweils in die Mitte der Ringe legen. Die Backbleche locker mit Frischhaltefolie abdecken und 2 Stunden bei Zimmertemperatur (zwischen 20 und 25 °C) ruhen lassen, bis die Kugeln ihr Volumen verdoppelt haben. 7 Backofen auf 180 °C vorheizen.

AUSSERDEM

8 1 Ei mit Sahne verquirlen, die Brötchen vorsichtig damit bestreichen und mit Sesamsamen bestreuen. 9 Einen Stieltopf mit kochendem Wasser in einer Fettpfanne auf unterster Schiene in den Backofen stellen. Die Brötchen 15 Minuten auf mittlerer Schiene backen. Den Topf mit dem Wasser nach 5 Minuten aus dem Ofen entfernen.

Enzyme

BRIOCHEBRÖTCHEN

Reaktionen

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Bavette bezeichnet das Fleisch, das von der Rinderflanke geschnitten wird. Es hat einen intensiven Geschmack und kann rosa gegessen werden. Damit die Bavette besonders zart wird, optimieren wir die Wirkung der im Fleisch vorhandenen Proteasen.

1 Fleisch trocken tupfen und vakuumieren.

HAUPTGERICHT, 6-8 PORTIONEN

↑ Bei 25 °C sind die Calpaine im Fleisch am aktivsten. Diese Enzyme bauen

ZUBEREITUNGSZEIT

6–24 Stunden 1 kg Bavette 2 EL Öl frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, nach Geschmack 2 TL Salz Vakuumiergerät, Vakuumbeutel, Sous-videGarer, Grill oder Backofen mit Grillfunktion

AUSSERDEM

2 Wasser in einem großen Topf zum Kochen bringen. Den Fleischbeutel in das kochende Wasser tauchen und 5 Sekunden blanchieren. Unter kaltem Wasser aus dem Hahn oder in Eiswasser abschrecken. 3 Bavette 2 Stunden bei 25 °C im Sous-vide-Garer garen, die Temperatur auf 50 °C erhöhen und das Fleisch zwischen 4 und maximal 22 Stunden sous vide garen.

Fleischproteine ab, wodurch das Fleisch zarter wird. Bei 50 °C entfaltet das Proteasen-Enzym Cathepsin seine höchste Aktivität. Dieses Enzym spielt bei der Fleischreifung eine wichtige Rolle. In unserem Rezept erhitzen wir das Fleisch auf die für die Enzymaktivität optimalen Temperaturen.

4 Das Fleisch aus dem Vakuumbeutel nehmen, gut abtupfen und quer zur Faser in 1-2 cm dünne Scheiben schneiden. Mit ein wenig Öl bestreichen, pfeffern und salzen. 5 Die Fleischscheiben auf dem heißen Grill oder mit der Grillfunktion des Backofens bei hoher Temperatur braten, maximal 1 Minute auf beiden Seiten, je nachdem wie dick die Scheiben sind (bei 1 cm 30 Sekunden auf jeder Seite, bei 2 cm 1 Minute auf jeder Seite. 6 Mit Tomatensalsa servieren (siehe Rezept auf Seite 61).

Enzyme

BUTTERZARTE BAVETTE

Reaktionen

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Beim Pürieren der Zutaten für ein Gazpacho werden Enzyme freigesetzt. Lässt man den Gazpacho 24 Stunden stehen, erhalten die Enzyme Zeit, Geschmack und Aroma zu verbessern.

1 Zwiebel (in Stücken) und Knoblauch 30 Sekunden in der Mikrowelle auf höchster Stufe erhitzen, alternativ 15 Sekunden blanchieren. Nach kurzem Abkühlen und Zwiebel und Knoblauch grob hacken. ↑ Durch das Erhitzen in der Mikrowelle (oder das Blanchieren) werden die Enzyme in der Zwiebel und im Knoblauch inaktiv. So verhindern wir, dass sich beim Aufbewahren des Gazpachos eine Zwiebel- und Knoblauchschärfe entwickelt.

VORSPEISE, 6-8 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 15 Minuten REIFEN 24 Stunden 1 kleine Zwiebel, geschält 2 Knoblauchzehen, gepellt 1 grüne Paprika, entkernt, in Streifen 1 kg reife Strauchtomaten, in groben Stücken 2 EL Tomatenmark 1 Gurke, geschält und in Stücken 250 ml entfettete Hühneroder Gemüsebouillon (eventuell Brühwürfel) 3 EL Rotweinessig (oder Balsamico-Essig) 3 EL natives Olivenöl extra ½ TL geräuchertes Paprikapulver 1 Messerspitze gemahlener Kreuzkümmel Meersalz nach Geschmack AUSSERDEM

Mikrowelle (optional)

2 Zwiebel, Knoblauch und Paprika mit Tomaten, Tomatenmark, Gurke, Bouillon und Essig im Standmixer pürieren. Zuletzt unter Rühren das Olivenöl zugeben. Mit Paprikapulver, Kreuzkümmel und Meersalz abschmecken. 3 Vor dem Servieren 24 Stunden gut abdeckt bei Zimmertemperatur (nicht über 25 °C) stehen lassen.

TIPP: Mit Croûtons, feingeschnittenen Gurkenwürfeln, Paprika und hart gekochtem Ei servieren.

Enzyme

GAZPACHO

Reaktionen

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KARTOFFELPÜREE NACH HESTON BLUMENTHAL In diesem KartoffelpüreeRezept werden bei der Zubereitung Enzyme aktiviert, die zur Festigung der Zellwände beitragen. Die Kartoffeln müssen daher länger kochen, um gar zu werden. Das verleiht dem Püree einen intensiveren Geschmack. Diese Idee stammt vom berühmten britischen Spitzenkoch Heston Blumenthal.

1 Kartoffeln gut waschen und schälen. Die Milch zusammen mit den Kartoffelschalen zum Kochen bringen und 30 Minuten bei schwacher Hitze abgedeckt ziehen lassen. Abseihen, dabei möglichst viel Flüssigkeit aus den Schalen herausdrücken. Die Schalen können jetzt entsorgt werden. 2 Kartoffeln in 2,5 cm dicke Scheiben schneiden, vakuumieren und 30 Minuten bei 70 °C im Sous-vide-Garer vorgaren ↑ In diesem Schritt wird das Enzym Pektinesterase aktiv, das die Zellwände der Kartoffeln festigt. Seine höchste Aktivität entfaltet es zwischen 50 und 60 °C. Weshalb soll die Temperatur dann bei 70 °C liegen? Das Wasserbad hat eine Temperatur von 70 °C, aber die Kartoffeln im Vakuumbeutel haben im Durchschnitt eine niedrigere Temperatur. Denn es dauert

BEILAGE, 6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 20 Minuten KOC HZEIT 1 Stunden 1 kg festkochende Kartoffeln 250 ml Milch (3,5 % Fett) 200-250 g Butter Salz, nach Geschmack frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, nach Geschmack Vakuumierer, Vakuumbeutel, Sous-vide-Garer, Kartoffelstampfer oder Flotte Lotte (Passiergerät)

AUSSERDEM

ja eine Weile, bis die Kartoffeln die Temperatur des Wasserbads annehmen. (Bei 2,5 cm dicken Kartoffelscheiben dauert es 10 Minuten, bis sie 50 °C erreichen, nach 15 Minuten werden 60 °C erreicht. Nach 30 Minuten liegt die Temperatur der Kartoffelscheiben bei 68 °C.) Die Scheiben werden also über längere Zeit hinweg auf eine Temperatur erhitzt, bei der die Enzyme am aktivsten sind.

3 Kartoffeln aus dem Beutel nehmen, abspülen und abkühlen lassen. Mit kaltem Wasser aufsetzen und 30 Minuten bei mittlerer Hitze kochen, bis sie so weich sind, dass sie fast zerfallen. ↑ Die Kartoffeln müssen länger garen als sonst (die normale Kochzeit beträgt 20 Minuten), weil die Zellwände durch das Vorgaren verfestigt wurden. Daher bedarf es mehr Zeit, um Zellulose und Pektin in den Zellwänden aufzuweichen. Ein längerer Garprozess bei 100 °C führt zu einer Geschmacksintensivierung. Das liegt übrigens nicht an den Enzymen, denn die sind während des Kochens der Kartoffeln inaktiv geworden.

4 Kartoffeln abgießen und in einem Topf auf niedriger Stufe warm halten. 5 Butter in einem Topf schmelzen. Die Milch, in der die Kartoffelschalen gezogen haben, zugießen und zum Kochen bringen. 6 Kartoffeln mit einer Flotten Lotte passieren oder einem Kartoffelstampfer zerstampfen. Die heiße Mischung aus Milch und Butter unterrühren und das Püree mit Pfeffer und Salz abschmecken.

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Für Salsas würfeln wir die Zutaten sehr klein. Bei Tomaten werden dadurch Enzyme freigesetzt, die in den Zellen eingeschlossen sind. Sie machen sich „an die Arbeit“ und kreieren neue Aromastoffe, die wir mit frisch gemähtem Gras assoziieren.

BEILAGE, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 10 Minuten

mindestens 2 Stunden und 15 Minuten

MARINIEREN/REIFEN

4 mittlere Strauchtomaten (ca. 450 g) ½ kleine rote Zwiebel ½ rote Peperoni 2 EL Maiskeimöl Abrieb von ¼ Zitrone (unbehandelt) 10 g Koriander

1 Tomaten halbieren, Tomatensamen mit einem Löffel entfernen. Das Fruchtfleisch in kleine Würfel schneiden und 2-3 Stunden bei Zimmertemperatur stehen lassen. ↑ Erhalten die Enzyme ein paar Stunden Zeit, können sie ihre „Arbeit“ besser verrichten und der Salsa einen frischeres Aroma verleihen.

2 Zwiebel in kleine Würfel schneiden, die rote Peperoni fein hacken. Tomaten mit Zwiebeln, Pfeffer, Öl und Zitronenschale vermengen und 10 Minuten marinieren. ↑ Beim Schneiden einer Zwiebel wird das Enzym Alliinase freigesetzt. Das führt zu dem scharfen Aroma, das so manches Auge tränen lässt.

3 Koriander mit einem scharfen Messer fein hacken und unter die Salsa ziehen. Sofort servieren.

S ERVIERTIPP: Schmeckt ausgezeichnet zu butterzarter Bavette (siehe Rezept auf Seite 57) oder zu Chili con carne (Seite 126).

Enzyme

TOMATENSALSA

63 Fermentation

KAPITEL 4

FERMENTATION ZUSAMMEN MIT MIKROORGANISMEN KOCHEN → DASS SOJASAUCE SO KÖSTLICH IST, VERDANKEN WIR SCHIMMELPILZEN UND BAKTERIEN → SEIN ÜBERWÄLTIGENDES AROMA ERHÄLT FÜNFZIGJÄHRIGER BALSAMICO DURCH FERMENTATION → OHNE HEFEPILZE KEIN ALKOHOL UND KEIN PERLEN VON BIER UND CHAMPAGNER

→ FÄULE MACHT DEN UNTERSCHIED ZWISCHEN FRISCHEM WEISSKOHL UND SAUERKRAUT → BAKTERIEN GEBEN LUFTGETROCKNETER WURST IHREN CHARAKTERISTISCHEN GESCHMACK → SELBST FERMENTIERTE GURKEN SCHMECKEN AM BESTEN

Reaktionen

64 Schon früh haben unsere Vorfahren gelernt, mithilfe verschiedener Mikroorganismen Lebensmittel und Getränke länger haltbar zu machen. In China wurde die Technik der Fermentation sogar bereits vor fünftausend Jahren genutzt. Wein, Bier, Sojasauce, Tempeh, Sauerkraut, Kimchi: Ohne Fermentation gäbe es das alles nicht. Das Besondere am Fermentationsprozess ist, dass er nicht nur bei der Konservierung von Nahrungsmitteln und Getränken hilft, sondern zudem angenehme Aromen und neue Geschmacksrichtungen hinzufügt. Außerdem macht Fermentieren unser Essen leichter verdaulich, und last but not least: Fermentierte Produkte sind (in Maßen genossen) gesund, weil sie voller Mikroorganismen stecken, die unsere Darmflora fördern (Probiotika).

WAS IST FERMENTATION? Fermentation ist ein Prozess, bei dem wir in unserem Küchenlabor wirklich nicht mehr tun können, als ihn zu steuern. Die eigentliche Arbeit überlassen wir Mikroorganismen: Hefen, Schimmelpilzen und Bakterien. Sie ernähren sich von Stärke, Proteinen und Fetten und spalten diese Moleküle mithilfe von Enzymen, die sie selbst produzieren (siehe Kapitel 3). Dadurch verändern sich Geschmack, Aroma und Textur von Lebensmitteln oder Getränken während der Fermentation auf fast magische Weise. Die Kunst des Fermentierens besteht darin, den Mikroorganismen die richtige Umgebung zu bieten, damit sie nur das tun, was wir wollen. Das bedeutet, dass wir unerwünschten Bakterien, Schimmel- und Hefepilzen keine Überlebenschance geben dürfen. Viele Mikroorganismen bieten uns dabei eine helfende Hand, denn sie scheiden während des Fermentationsprozesses Stoffe aus, die ihre Konkurrenz ausschalten. Die Bakterien, mit denen Joghurt, Sauerkraut und Kimchi gemacht werden, produzieren zum Beispiel Milchsäure; dank dieser ziehen andere, unerwünschte Mikroorganismen den Kürzeren.

DIE FERMENTATION IN GANG SETZEN Manche Fermentationsprozesse starten selbsttätig, weil die richtigen Mikroorganismen bereits vorhanden sind. So befinden sich auf vielen Gemüsesorten genügend Milchsäurebakterien, und Obst kann spontan gären. Oft aber braucht es erst einen kleinen Schubs: Dem zu fermentierenden Produkt werden die richtigen Bakterien, Schimmel- und/oder Hefepilze zugesetzt. Das kann ganz einfach durch ein Löffelchen Joghurt geschehen, dessen Milchsäurebakterien 1 l Milch in 1 l Joghurt umwandeln. Aber es können auch speziell gezüchtete Kulturen sein, die in oder auf das zu fermentierende Produkt „geimpft“ wird. Diese „Starter“-Kulturen kann man online bestellen oder sich bei anderen Menschen, die gern fermentieren, „leihen“. BAKTERIEN BEI DER ARBEIT Unser Hygienebedürfnis hat uns Bakterien gegenüber ein wenig zu ängstlich werden lassen. Das ist merkwürdig, denn unser eigener Körper hat in etwa so viele Bakterien wie Körperzellen. Bei einem Erwachsenen machen Bakterien etwa 2 kg der Körpermasse aus. Sie können daher unmöglich alle schlecht sein. Tatsächlich ist der größte Teil von ihnen für uns unverzichtbar. In unserem Darm wirken sie mit Tausenden Milliarden zugleich an der Verdauung mit. Aber auch außerhalb unseres Körpers können wir Bakterien einsetzen, um unser Essen „vorzukochen“.

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Mit Milchsäurebakterien kann man allerlei Gemüse fermentieren. In den Worten des „Fermentierpapstes“ Sandor Katz ist Gemüsefermentation nichts anderes als: chop, salt, pack and wait (klein schneiden, salzen, einfüllen und warten). So einfach ist das. Dem Gemüse kann man Aromen zufügen, etwa Gewürze und Kräuter. Im Endergebnis steckt bestimmt noch etwas vom ursprünglichen Geschmack, aber das Produkt ist nun salziger und saurer. Die Textur fermentierter Gemüse ist schön knackig, weil die Säure die Zellwände festigt. Aber das Erstaunlichste sind die einzigartigen Aromen, die während des Prozesses entstehen. So kann Fermentation sogar bittere und herbe Früchte – wie frisch gepflückte Oliven – in ein angenehmes und komplexes Aromaund Geschmackserlebnis verwandeln. Die Rezepte für Kabu no Senmai Zuke sowie Salzgurken finden sich auf den Seiten 75 und 77. MARINIEREN MIT BAKTERIEN

Für Fleischmarinaden wird Säure aus Wein, Fruchtsaft oder Essig verwendet, damit das Bindegewebe zarter wird und das Muskelgewebe mehr Saft behält. Dafür eignet sich ein pH-Wert zwischen 4,5 und 5,5 am besten. Auch durch Milch- oder Essigsäurefermentation kann man den pH-Wert beeinflussen. Mariniert man Fleisch in einer Mischung aus frischem Fruchtsaft, Joghurt oder Buttermilch als Starter sowie weiteren Zutaten wie Sojasauce, Wein, Knoblauch und Kräutern, wird das Fleisch zarter und saftiger*. Während der Fermentation entstehen nämlich Milch- oder Essigsäure, der pH-Wert sinkt. Zudem werden Stoffe freigesetzt, die der Marinade ein interessantes Aroma verleihen. Die Säuren erhöhen außerdem die Haltbarkeit des Fleischs, weil sich andere Mikroorganismen in der Marinade weniger wohlfühlen. In Korea werden Bakterien aus frischen Birnen oder Äpfeln der Marinade des berühmten Kalbi-Style-Steaks zugefügt. Unser Rezept für fermentiertes Rindersteak findet sich auf Seite 76.

*

NERD ALERT Wenn Säure während des Marinierens durch Bakterien produziert wird, ist der Effekt ein

anderer, als wenn die gleiche Menge an Säure in einem Mal zugefügt würde. Das allmähliche Ansteigen des Säuregrads verhindert, dass die Außenseite des Fleisches zu hohen pH-Werten ausgesetzt wird und gart.

Fermentation

Unbestrittene Stars im Aufgebot der Mikroorganismen sind die Milchsäurebakterien. Wir kennen sie vom Joghurt, das nichts anderes als fermentierte Milch ist. Milchsäurebakterien befinden sich aber auch auf fast allen Obst- und Gemüsesorten. Wie bringt man diese Bakterien zum Arbeiten? Nehmen wir zum Beispiel Kohl. Der Kohl wird zunächst geschnitten und gesalzen. Die hohe Salzkonzentration zieht sehr viel Feuchtigkeit aus den Blättern, was bereits viele unerwünschte Bakterien ausschaltet. Anschließend füllen wir den geschnittenen Kohl zusammen mit der entzogenen Flüssigkeit in ein Gefäß. Für Kimchi (siehe Rezept auf Seite 73), geben wir Chilipulver und Fischsauce zu, die auch eine konservierende Wirkung haben. Durch die Flüssigkeitsschicht wird die Sauerstoffzufuhr stark eingeschränkt, sodass Mikroorganismen, die Sauerstoff brauchen, nicht überleben. Das kommt der Haltbarkeit zugute. Milchsäurebakterien fühlen sich in einer salzigen Umgebung ohne Sauerstoff hingegen wohl, vermehren sich und können sich bei immer weniger Konkurrenz an Pflanzenzuckern gütlich tun. Diese setzen sie in Kohlendioxid und Milchsäure um. Dadurch wird der Kohl immer saurer, wodurch auch die letzten Aufgebote unerwünschter Bakterien besiegt werden. Das Ergebnis: jahrelang haltbarer Kohl, zum Bersten voll mit Probiotika.

Reaktionen

66 Hefepilze leben von Zuckern An Hefe in unserer Nahrung sind wir eher gewöhnt als an Schimmelpilze und Bakterien. Es gibt viele verschiedene Arten von Hefepilzen, und nicht alle sind für uns nützlich. Manche machen uns sogar krank oder lassen das Essen verderben. Doch andere geben Lebensmitteln und Getränken gerade den besonderen Pfiff, indem sie während der Fermentation ausgefallene Aromen erzeugen. Am häufigsten verwenden wir Bäckerhefe, die kann man einfach im Supermarkt kaufen. Wer schon einmal Brot gebacken hat, weiß, dass Hefe unverzichtbar ist für die Luftblasen, die das Brot aufgehen lassen. Auch das ist Fermentation. Die Hefepilze leben von den Zuckern im Teig, die sie zu Kohlendioxid, Wasser und ein wenig Alkohol abbauen. Wein- und Biererzeuger verwenden dieselbe Hefe, die beim Gären von Traubensaft oder Bierwürze allerdings weniger Sauerstoff erhält als in Brotteig und daher deutlich mehr Alkohol produziert. Schimmelpilze: echte Multitalente Schimmelpilze sind Mikroorganismen, die – im Gegensatz zu vielen Hefen und Bakterien – nicht ohne Sauerstoff überleben können. Während ihres Wachstums produzieren Schimmelpilze verschiedene Enzyme, die Stärke, Proteine und Fette aufspalten. Sie fühlen sich daher besonders auf Käse sehr wohl, der im Wesentlichen aus Milchproteinen und Milch-Fetten besteht. Die von den Schimmelpilzen gebildeten Enzyme spalten die langkettigen Proteine in kürzere Aminosäuren. Fette spalten sie in Fettsäuren. Dadurch werden Geschmack, Aroma und Textur verändert, was den verschiedenen Käsesorten ihren je eigenen, teils sehr ausgeprägten Charakter verleiht. Schimmelpilzsporen kommen überall in der Luft vor. Bei der Käseherstellung hat auch der Ort, an dem der Käse reift, großen Einfluss. So gibt es in den Kalksteinhöhlen der Umgebung von Roquefort viele Blauschimmelsporen (Penicillium roqueforti), in der Normandie hingegen viele Sporen des Weißschimmels Penicilium camemberti, der für Rinde, Geschmack und Aroma von Brie und Camembert verantwortlich ist. Schimmelpilze für Käse werden auch gezüchtet und, in Wasser gelöst (Schmierwasser), auf die Käserinde aufgetragen. Blauschimmelkulturen gelangen mithilfe eines „Käseperforators“ in das Käseinnere. Die kleinen Löcher, durch die der Schimmel "pikiert" wurde – oft sind sie beim fertigen Käse noch sichtbar –, versorgen die Pilze zugleich mit Sauerstoff. Schimmel gedeiht nicht nur auf Käse. Es gibt zahllose Beispiele von Schimmelpilzen, die bei der Fermentation mithelfen. Große Bedeutung für die japanische Küche hat der zu den Gießkannenschimmeln zählende Aspergillus flavus var. oryzae. Er gehört zu den Schimmelarten, die für die Herstellung von Koji benutzt werden, jenen schimmeligen Brei aus gegarten Getreidekörnern und/oder Sojabohnen, der als Grundlage aromatischer Produkte wie Miso, Sojasauce, Tamari, Shoyu und Sake dient. Tempeh ist ebenfalls ein gutes Beispiel für die Schimmelfermentation. Man kann ihn ganz einfach selbst zubereiten, indem man gekochte Sojabohnen (oder andere Bohnen) mit dem Aspergillus-Schimmel beimpft. Das Rezept für roten Tempeh aus weißen Bohnen findet sich auf Seite 71. Nicht jeder Schimmel verändert unser Essen zum Positiven. Wir alle kennen den Anblick grüner Schimmelpilze, die einen Marmeladenrest oder altes Brot bevölkern. Der Geschmack solch unkontrollierten Schimmelwachstums ist sehr unangenehm.

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EDELFÄULE

Der Schimmelpilz Botrytis cinerea ist im Weinanbau berühmt-berüchtigt. Er kann bewirken, dass die Trauben austrocknen, wodurch eine höhere Fruchtzuckerkonzentration entsteht. Gleichzeitig produziert er interessante Aromastoffe, die zur Komplexität der Weine beitragen. Das nennt man Edelfäule oder auch Edelreife. Dieser positive Effekt kann jedoch nur bei perfekten Klimagegebenheiten erzielt werden: Auf eine Feuchtperiode, während der sich der Schimmelpilz vermehren kann, muss sofort eine Trockenperiode folgen, die den Befall eingrenzt – andernfalls geht die Ernte verloren. DER FERMENTATIONSPROZESS Bakterien, Hefen und Schimmelpilze haben selten das Alleinrecht auf ihren Nährboden. Weil sie nicht gerne teilen, haben sie ihre je eigenen Techniken entwickelt, wie sie anderen das Leben sauer machen können. Milchsäurebakterien tun das buchstäblich mit der Produktion von Milchsäure. Durch den steigenden Säuregrad haben andere Bakterien und Schimmelsporen keine Chance. Aus demselben Grund produzieren Hefepilze Alkohol: Viele Mikroorganismen können damit nicht umgehen. Es gibt jedoch auch einige Beispiele für eine gute Zusammenarbeit von Mikroorganismen, die wir im Folgenden beschreiben. Luftgetrocknete Wurst Viele Sorten luftgetrockneter Wurst verdanken ihren charakteristischen Geschmack einer bakteriellen Fermentation. Die durch den Wolf gedrehte Fleischmasse, die mit Kräutern und Salz in die Därme gepresst wird, ist voller Bakterien. Milch- und Essigsäurebakterien überleben auch ohne Sauerstoff und machen die Wurst saurer, wodurch andere unerwünschte Mikroorganismen nicht überleben. Die Bakterien produzieren nicht nur Säure, sondern auch Enzyme, die Fette und Proteine des Fleischs in kleinere Moleküle spalten und so für den herzhaften Umami-Geschmack sorgen. Die weiße Schicht, dies sich während des Trocknens an der Außenseite der Wurst bildet, besteht aus unschädlichen Hefe- und Schimmelpilzen, die zum Aroma wie zur Haltbarkeit der Wurst beitragen. Weinessig Zur Herstellung von Wein müssen die Zucker aus dem Traubensaft zu Alkohol abgebaut werden. Die meisten Mikroorganismen vertragen keinen Alkohol und sterben ab. Essigsäurebakterien sind eine Ausnahme. Sie leben von Alkohol und wandeln ihn in Essigsäure um. Das kann man schon schmecken, wenn man eine Flasche Wein ein paar Tage offen stehenlässt. Kombucha Bei der Herstellung dieses fermentierten süßen Tees (siehe Rezept auf Seite 79) arbeiten Milliarden lebender Bakterien und Hefepilze eng zusammen. Zu den Hefen zählen Saccharomyces (Zuckerhefen), die den Zucker in Alkohol umwandeln. Die Bakterien (vor allem Essigsäurebakterien) ihrerseits wandeln den Alkohol in Essigsäure um, wobei Kohlensäure freigesetzt wird. Kombucha ist daher frisch-säuerlich und prickelt leicht.

Fermentation

Außerdem scheiden die meisten spontan wachsenden Schimmelpilze giftige Stoffe ab. Es ist stark davon abzuraten, verschimmelte Nahrungsmittel zu essen, es sei denn, die verwendeten Schimmelpilze wurden für den Konsum ausgewählt.

Reaktionen

68 SOJASAUCE Sojasauce ist eines der kräftigsten pflanzlichen Würzmittel. Bei ihrer Entstehung wirken Milliarden von Mikroorganismen zusammen: Eine Mischung aus fein gemahlenen gedämpften Sojabohnen und geröstetem Weizen wird mit Kohorten von Schimmelsporen geimpft. Die keimenden Sporen bilden ein Mycel, ein Geflecht voller Enzyme, die Proteine, Stärke und Fette abbauen. Langkettige Eiweißmoleküle werden in kleinere Aminosäuremoleküle aufgespalten, Stärke- in Zuckermoleküle und Fett- in Fettsäuremoleküle. Anschließend wandert das Ganze in eine 25-prozentige Salzlösung. Die Schimmelpilze überleben im Salzwasser nicht, aber die von ihnen gebildeten Enzyme setzen ihre Arbeit fort, und Hefepilze und Milchsäurebakterien teilen sich die nahrhafte Beute. Sie verzehren die Pflanzenzucker und bilden dabei Alkohol, Kohlensäuregas, Milch- und Essigsäure sowie jede Menge anderer Geschmacks-, Reiz- und Aromastoffe. Dadurch erhält die Geschmacks- und Aromaentwicklung erst richtig Schwung: Zwischen Aminosäuren und Zucker kommt es zu Maillard-Reaktionen, wodurch weitere interessante Aromen und ein intensiver Umami-Geschmack entstehen. Nach monatelanger Fermentation kommt alles in eine große Presse. Die rohe Sojasauce wird für kurze Zeit erhitzt, was einen weiteren Schub an Maillard-Reaktionen bewirkt. Nach dem Klären hat man eine Sauce mit komplexem Aroma, die salzig, süß, sauer und unglaublich umami ist. CHEMISCHER HERD Da die Mikroorganismen während der Fermentation die eigentliche Arbeit übernehmen, brauchen wir in unserem Küchenlabor nicht mehr zu tun, als an den richtigen Reglern unseres chemischen Herds zu drehen, um diesen Prozess so gut wie möglich zu begleiten. ZUSAMMENSETZUNG Jeder Fermentationsprozess wird durch die Zusammensetzung der Zutaten bestimmt. Wir können den Prozess beeinflussen, indem wir Salz und Kräuter zufügen, aber auch, indem wir etwas weglassen, wie Sauerstoff oder Flüssigkeit. DIE ROLLE VON SALZ BEI DER FERMENTATION Salz ist bei Milchsäurefermentationen wichtig, um dem Wachstum unerwünschter Mikroorganismen entgegenzuwirken. Je salziger, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass andere Bakterien, Schimmel- oder Hefepilze überleben. Milchsäurebakterien können mit einem hohen Salzgehalt weitaus besser umgehen als viele andere Mikroorganismen, aber auch für sie gibt es eine Obergrenze. Nimmt die Salzkonzentration stark zu, bremst dies die Aktivität der Milchsäurebakterien und der Fermentationsprozess dauert länger. Kimchi und Sauerkraut Der Salzgehalt beeinflusst den Geschmack fermentierter Produkte nicht nur direkt, sondern auch indirekt, indem er Verlauf und Charakter eines Fermentationsprozesses bestimmt. Verglichen mit Kimchi enthält Sauerkraut relativ wenig Salz. Sauerkraut wird daher saurer (auch weil die Fermentationstemperatur niedriger liegt) und erhält darüber hinaus ein frischeres Aroma mit dem Duft von Blumen. Salz entzieht Gemüse, das fermentiert wird, auch Flüssigkeit. Wasser ist eine lebenswichtige Voraussetzung für Mikroorganismen – je weniger Flüssigkeit es gibt, desto schwerer tun sie sich.

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AM FLÜSSIGKEITSREGLER DREHEN Alle Bakterien, Schimmelpilze und Hefen brauchen Wasser zum Überleben. Darum ist Trocknen eine effektive Technik, um Fäule während eines Fermentationsprozesses zu vermeiden. Luftgetrocknete Wurst und roher Schinken sind gute Beispiele dafür. Während das Fleisch an der Luft trocknet, verändern Milchsäurebakterien den Geschmack (und verhindern durch die Säureproduktion das Wachstum anderer Mikroben). Die zum Überleben notwendige Flüssigkeitsmenge unterscheidet sich je nach Hefe-, Schimmel- und Bakterienart. Mit einem Dreh am Flüssigkeitsknopf können wir daher das Wachstum oder Absterben spezifischer Arten beeinflussen. ANTIBAKTERIELLE ZUTATEN Das Aroma fermentierter Produkte lässt sich auch durch die Zugabe von Kräutern, Gewürzen und anderer Zutaten beeinflussen. Viele Kräuter- und Gewürzsorten tragen zur Haltbarkeit bei, weil sie dem Bakterienwachstum entgegentreten. Bakterien beispielsweise mögen sehr scharfes Essen oder große Mengen Knoblauch nicht besonders gern. KNACKIG DURCH CALCIUM Damit die Textur von Pflanzen beim Fermentieren fest (knackig) bleibt, kann man Aluminiumhydroxid oder Calciumchlorid zufügen. Calciumchlorid wird in den USA unter dem Markennamen Pickle Crisp verkauft. Die Aluminium- oder Calciumionen binden das Pektin in den Zellwänden, die dadurch fester werden. Calciumionen befinden sich auch in unraffiniertem Meersalz, das sich ganz besonders gut zum Fermentieren eignet. ABDECKEN Ohne Sauerstoff kein Leben, sollte man denken. Aber es gibt Hefepilze und Bakterien, die vollkommen ohne Sauerstoff auskommen, sogenannte anaerobe Mikroorganismen. Schimmelpilze hingegen können ohne Sauerstoff nicht leben und wachsen daher meistens auf der Oberfläche von Lebensmitteln. Alkohol produzierenden Hefen geht es am besten mit wenig Sauerstoff. Je mehr Sauerstoff sie bekommen, desto weniger Alkohol produzieren sie – stattdessen bildet sich Wasser. Milch- und Essigsäurebakterien benötigen für die Produktion ihrer Säuren überhaupt keinen Sauerstoff. Durch die Variation der Sauerstoffmenge bestimmen wir, welche Mikroorganismen überleben können, welche (Abfall-)Stoffe sie produzieren und wie schnell sie das tun.

Fermentation

Wie viel Salz? Gemüse wird meist in einer 2- bis maximal 3-prozentigen Salzlösung fermentiert. Der Prozentsatz bezieht sich dabei auf das Gesamtgewicht von Wasser und Gemüse. Für die Herstellung von Sauerkraut aus 1 kg Weißkohl werden 20 g Salz benötigt. Aus dem Kohl und anderen weichen Gemüsesorten wird genügend Wasser zum Fermentieren freigesetzt. Bei härterem Gemüse wie (Gewürz-)Gurken, Blumenkohl oder Rüben ist das nicht der Fall. Sie müssen unter Salzwasser gesetzt werden, um sie zu fermentieren. Dazu stellt man eine Lake her (Salz in Wasser gelöst) aus etwa 50 g Salz pro Liter (5-prozentige Salzlösung). Um zum Bespiel 1 kg Gurken einzulegen, wird etwa 1 l Wasser benötigt, im Hinblick auf das Gesamtgewicht liegt die durchschnittliche Salzkonzentration im Gefäß also bei 2,5 %.

Reaktionen

70 EXPLOSIONSGEFAHR Eine praktische Methode sauerstofffreien Fermentierens ist, das Produkt zu vakuumieren. Hin und wieder sollte dabei jedoch das beim Fermentationsprozess entstehende Kohlendioxid aus dem Beutel abgelassen und dieser wieder neu vakuumiert werden. Ein explodierter Beutel hinterlässt ein Mordschaos! Gemüse setzt man unter (Salz-)Wasser, um den Luftabschluss zu erreichen. Verwendet man dazu ein Bügelglas, sollte es regelmäßig geöffnet werden, damit das Kohlendioxid entweichen kann. Ein explodierendes Glasgefäß verursacht nicht nur Chaos, sondern ist schlichtweg gefährlich. Ideal ist daher ein Gefäß mit Gärverschluss (Gärspund). Durch den Gärspund (ein Röhrchen in Form eines Schwanenhalses, in dem Wasser steht, vergleichbar mit dem U-Rohr am Spülbecken), kann zwar Kohlendioxid entweichen, doch durch die Wasserbarriere dringt kein Sauerstoff ein. Das Gefäß bleibt dadurch auch oberhalb des in Salzlösung eingelegten Gemüses frei von Sauerstoff. TEMPERATUR Je höher die Temperatur ist, desto schneller verläuft der Fermentationsprozess. Bei zu großer Hitze sterben die Mikroorganismen jedoch ab. Auf diesem Prinzip gründen Pasteurisation und Sterilisation. Jedes Bakterium, jede Hefe und jeder Schimmelpilz haben eine je eigene optimale Temperatur, bei der sie sich am besten vermehren. BLANCHIEREN Wird Gemüse in kochendem Wasser kurz erhitzt (blanchiert), bleibt es beim Fermentieren knackig. Das Blanchieren aktiviert nämlich ein Enzym, das die Zellwände festigt. Gleichzeitig stirbt ein Teil der Milchsäurebakterien durch die Hitze. Um die Fermentation in Gang zu setzen, müssen eventuell Milchsäurebakterien wieder zugegeben werden, etwa indem man etwas Flüssigkeit von Sauerkraut oder anderem fermentiertem Gemüse zugießt. ZEIT Damit sich Geschmack und Aroma während des Fermentationsprozesses gut entwickeln, ist es besser, die Mikroorganismen etwas härter (und länger) arbeiten zu lassen. Nehmen wir zum Beispiel Brot. Bäckerhefe wächst am schnellsten bei 35 °C, aber bei Zimmertemperatur oder gar im Kühlschrank dauert das Aufgehen viel länger. Zudem produzieren die Hefen dann andere Stoffe als bei höheren Temperaturen. Das sorgt für besondere Aromen. Brot vom handwerklich arbeitenden Bäcker bekommt daher viel Zeit zum Aufgehen bei einer niedrigen Temperatur. Industriebrot dagegen kommt in einen auf 35 °C temperierten AufgehAutomaten, um möglichst schnell in den Backofen zu können. DIE FERMENTATIONSVERZÖGERUNGSMASCHINE Jeder Fermentationsprozess hat einen bestimmten Zeitverlauf. Wann genau er abgeschlossen ist, ist schwer zu sagen. Die Geschwindigkeit hängt nämlich von verschiedenen Faktoren wie Temperatur und Starterkultur ab. Aber genauso wichtig ist Ihr persönlicher Geschmack und wie sauer Sie es mögen. Fermentieren ist eine Sache des Ausprobierens. Hat das Produkt den Geschmack erreicht, der Ihnen zusagt, sollte es in den Kühlschrank, um den Prozess zu verlangsamen. In seinem Buch Die Kunst des Fermentierens bezeichnet Sandor Katz einen Kühlschrank daher auch als „Fermentationsverzögerungsmaschine“.

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AUS WEISSEN BOHNEN Schimmelpilze gedeihen nicht nur auf Käse. Auch Tempeh ist ein gutes Beispiel für die Schimmelfermentation. Die Herstellung zu Hause ist ganz einfach: Man impft gekochte Sojabohnen (oder andere Bohnen) mit Sporen von Aspergillus oryzae. Vertrieben, werden die Sporen meist unter der Bezeichnung „Tempeh-Starter“. FÜR 4 PORTIONEN (CA. 500 G)

ZUBEREITUNGSZEIT

± 1 Stunde WARTEN/FERMENTIEREN

3 Tage

250 g weiße Bohnen 500 ml Rote-Bete-Saft 500 ml kalte Gemüsebouillon 2 EL Essig 3 g Tempeh-Starter (online bestellbar) AUSSERDEM

Zip-Beutel

1 Weiße Bohnen über Nacht in reichlich Wasser einweichen. 2 Bohnen abseihen und in einen Topf geben. Mit dem RoteBete-Saft und der Gemüsebouillon zum Kochen bringen und in 25-30 Minuten bissfest garen. 3 Bohnen abgießen und vollständig abkühlen lassen. Den Essig zugießen, den Tempeh-Starter zugeben und das Ganze gut vermischen. 4 Bohnen auf zwei Zip-Beutel verteilen und im Beutel flachdrücken, sodass eine 2 cm hohe Schicht entsteht. Das Ende des Beutels fest aufrollen und mit Wäscheklammern oder Klebeband verschließen. Mit einem Cocktailspieß ein kleines Loch in jeden Beutel piksen, damit Sauerstoff eindringen kann. 5 Bohnen bei 30 °C 24-30 Stunden fermentieren lassen. Auf einem Heizkessel ist es meistens warm genug. Manche Backöfen haben auch eine Auftaufunktion, die man auf 30 °C einstellen kann.

TIPP: Tempeh in dünnen Scheiben gegrillt mit einer Sauce aus eingekochtem Rote-Bete-Saft, gebratenem Pak Choi und Erdnusssplittern servieren.

Fermentation

ROTES TEMPEH

Reaktionen

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Fermentierter Kohl ist in unseren Breiten fast immer Sauerkraut. Für eine interessantere Variante des fermentierten Kohls, Kimchi, kommen rotes Chilipulver und Fischsauce hinzu, die auch eine konservierende Wirkung entfalten. Die salzige Chilisauce, mit der der Kohl durchtränkt wird, lässt nur die richtigen Bakterien zum Zuge kommen. BEILAGE, 10-15 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten IN SALZWASSER EINLEG EN

2 Stunden FERMENTIEREN

5 Tage

FÜR DAS KIMCHI

1 kg Chinakohl 30 g Zucker 25 g Salz FÜR DIE PASTE

10 g Reismehl 45 g Zucker 2 Zwiebeln, grob gehackt 50 g Knoblauch (10-15 Zehen), zerdrückt 50 ml Fischsauce 50 ml leichte Sojasauce 50 g koreanisches Chilipulver (oder 20 g Chilipulver und 30 g Paprikapulver gemischt) 40 g Frühlingszwiebeln 35 g frischer Ingwer 10 g Garnelenpaste Verschließbares Gefäß von 1,5 l Fassungsvermögen, vorzugsweise mit einem Deckel mit Gärspund.

AUSSERDEM

Fermentation

KIMCHI 1 Den unteren Teil des Kohlstrunks entfernen. Den Kohl längs halbieren und die Hälften in jeweils 5 bis 6 Stücke teilen. 2 Zucker und Salz vermischen. Gut in die Kohlblätter einkneten und das Ganze 2 Stunden abgedeckt stehenlassen. Flüssigkeit ausdrücken. Sie wird nicht gebraucht. 3 Für die Paste Reismehl und 50 ml Wasser zu einem Brei vermengen. Bei schwacher Hitze zum Kochen bringen und gut rühren, damit die Masse bindet. In ein Schüsselchen geben und abkühlen lassen. 4 Die übrigen Zutaten für die Paste zusammen mit dem Reismehlbrei in einer Küchenmaschine mixen, bis eine homogene Masse entsteht. 5 Kohl gut abspülen und mit der Chilipaste einreiben. 6 Die Kohlstücke in das Gefäß geben und gut andrücken. Es soll möglichst wenig Luft in dem Gefäß bleiben. Über dem Kohl soll eine Schicht Flüssigkeit stehen. Das gelingt vielleicht nicht sofort, aber nach einem Tag fermentieren ist bereits mehr Flüssigkeit vorhanden. Das Gemüse dann noch einmal fest andrücken, damit es gut bedeckt ist. ↑ Sauerstoff ist für viele Mikroorganismen eine Lebensvoraussetzung. Milchsäurebakterien können ohne Sauerstoff überleben. Da die Flüssigkeitsschicht bewirkt, dass das Kimchi nicht mit Sauerstoff in Kontakt kommt, haben unerwünschte Bakterien weniger Überlebenschancen.

7 Das Gefäß mit dem Deckel verschließen und in den Kühlschrank stellen. Vor dem Genuss mindestens 5 Tage fermentieren lassen. Das Gefäß jeden Tag einmal kurz öffnen.

TIPP: Vegetarisches Kimchi? Ersetzen Sie Garnelenpaste und Fischsauce zu jeweils gleichem Gewicht durch rote Misopaste!

Reaktionen

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KYOTO-PICKLES Senmai bedeutet tausend Scheiben, und senmai zuké bedeutet dünn geschnittene Pickles. Tausend ist vielleicht ein wenig übertrieben … Diese Pickles sind die Spezialität der alten kaiserlichen Hauptstadt Kyoto. Dort kennt man auch eine Variante mit Rettich. Aber nur bei der Verwendung von weißen Rüben entsteht ein schönes violettes Rändchen. Das Rezept stammt von Peter van Berckel und ist seinem Buch Tsukémono entnommen. FÜR 500 G PICKLES

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten WARTEZEIT/EINLEG EN IN DER PIC KLES -PRESSE

2 Stunden HALTBARKEIT

2 Stunden +

gekühlt 4 Wochen

FÜR DIE PICKLES

400 g weiße Rüben (alternativ Steckrüben, Kohlrabi oder Rettich) von einem Durchmesser, der in die PicklesPresse passt 8 g Meersalz (2 % des Gemüsegewichts) FÜR DIE MARINADE

10 cm Kombu (Braunalge) 2 EL Weizensirup 3 EL Reisessig (Genmai-Su) 1 EL Reiswein (Mirin) 1 EL Zitronensaft Pickles-Presse, Gemüsehobel

AUSSERDEM

1 Die Kombu 30 Minuten in etwas Wasser einweichen. 2 Weiße Rüben mit einem Bürstchen putzen und mit einem Gemüsehobel in möglichst dünne Scheiben schneiden. 3 In einer großen Schüssel den größten Teil des Salzes vorsichtig unter die Scheiben kneten. Die Scheiben schön geordnet übereinander in die Pickles-Presse legen und mit dem restlichen Salz bestreuen. Die Presse mit dem Deckel verschließen und 2 Stunden unter Druck bei Zimmertemperatur ziehen lassen. 4 Unterdessen Weizensirup, Reisessig, Reiswein und Zitronensaft in einer Schüssel vermischen. 5 Die Kombu aus der Flüssigkeit nehmen und trocken tupfen. Mit Schere oder Messer in feine Streifen schneiden und zur Marinade geben. 6 Nach 2 Stunden ist Flüssigkeit aus der Rübe ausgetreten. Mit der Hand jeweils ein paar Scheiben gleichzeitig vorsichtig ausdrücken, sodass möglichst viel Flüssigkeit ausgepresst wird, ohne dass die Rübenscheiben beschädigt werden. 7 In der Schüssel die Scheiben mit der Hand vorsichtig durch die Marinade ziehen. Die Scheiben erneut in der PicklesPresse stapeln, mit dem Deckel verschließen und wiederum 2 Stunden unter Druck bei Zimmertemperatur ziehen lassen. 

S ERVIERTIPP: Passt gut als Beilage zu gegrillten Tempeh (siehe Rezept auf Seite 71).

Fermentation

KABU NO SENMAI ZUKÉ

Reaktionen

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FERMENTIERTES RINDERSTEAK NACH KOREANISCHER ART Marinieren wir Fleisch über längere Zeit in einer Mischung aus frischem Fruchtsaft, Joghurt oder Buttermilch (darin stecken die Bakterien, die den Fermentationsprozess starten) und weiteren aromatisierenden Zutaten wie Sojasauce, Wein, Knoblauch und Kräutern, wird es zarter und saftiger.

1 100 ml Wasser mit Zucker, Sojasauce, Fischsauce und Apfelsaft vermischen, bis sich der Zucker vollständig aufgelöst hat. (Alternativ das Wasser mit dem Zucker erhitzen und mit einem Schneebesen schlagen, bis der Zucker gelöst ist, abkühlen lassen und dann mit Sojasauce, Fischsauce und Apfelsaft vermischen.) Sesamöl, Reiswein, Schalotte, Knoblauch, Reisessig und Chiliflocken zufügen und alles gut vermischen. ↑ Frischer Apfelsaft enthält Bakterien, die den Fermentationsprozess starten. Bei Saft aus der Packung wurden diese durch Pasteurisieren abgetötet.

HAUPTGERICHT, 4 -6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 20 Minuten MARINIEREN/FERMENTIEREN

5 Tage 1 bis 24 Stunden

GAREN

500 g Rindersteak von der Lende FÜR DIE MARINADE

80 g feiner Zucker 75 ml leichte Sojasauce 4 EL Fischsauce (35 ml) 3 EL frischer Apfelsaft (50 ml) (oder Sauerkrautsaft) 15 ml geröstetes Sesamöl 1 EL Mirin (Reiswein) (10 ml) 1 Schalotte, fein geschnitten 2 Knoblauchzehen, fein gehackt ½ EL Reisessig (5 ml) 1 TL Chiliflocken (2,5 g) Fleischzartmacher (siehe Seite 205), Vakuumiergerät, Vakuumbeutel, Sous-vide-Garer

AUSSERDEM

2 Mit den Dornen des Fleischzartmachers kleine Löcher in das Fleisch piksen und es mit der Marinade in einem Vakuumbeutel vakuumieren. 5 Tage im Kühlschrank marinieren. 3 Das Fleisch aus der Marinade nehmen und neu vakuumieren. 1 Stunde sous vide in einem Wasserbad von 54 °C garen. Eine längere Garzeit ergibt noch zarteres Fleisch. In Eiswasser abkühlen lassen. 4 Fleisch gut trocken tupfen und in Stücke von je 100 gaufschneiden. Die Stücke auf beiden Seiten kurz braten und in dünne Scheiben schneiden. Mit Kimchi servieren (siehe Rezept auf Seite 73).

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Mit Milchsäurebakterien lässt sich vielerlei Gemüse fermentieren. Die Textur von fermentiertem Gemüse ist schön knackig, denn die Säure festigt die Zellwände. Aber das ganz Besondere an fermentiertem Gemüse sind die einzigartigen Aromen, die während des Prozesses entstehen. FÜR 1 KG SALZGURKEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 15 Minuten WARTEN/FERMENTIEREN

1 Woche 50 g unraffiniertes Meersalz 1 kg frische Einlegegurken (oder kleine Salatgurken) 3 Knoblauchzehen, in Scheiben 2 g schwarze Pfefferkörner Senfkörner, nach Geschmack Dillsamen, nach Geschmack Fenchelsamen, nach Geschmack frischer Dill, nach Geschmack Gefäß von 2,5 l Fassungsvermögen oder mehrere kleinere Gefäße

AUSSERDEM

1 500 ml Wasser zum Kochen bringen. Das Salz darin auflösen und weitere 500 ml Wasser zugießen. Auf unter 35 °C abkühlen lassen. ↑ Für die Herstellung von Salzgurken wird häufig unraffiniertes Meersalz statt gewöhnliches Speisesalz empfohlen. In Meersalz kommen nämlich neben Kochsalz (Natriumchlorid) auch andere Salze vor, wie Kalium- und Magnesiumsalze. Calcium- und Magnesiumionen festigen die Zellwände von Pflanzen, wodurch die Gurken knackig bleiben (siehe Kapitel 9: Schmelzen und Erstarren).

2 Gurken waschen und das Krönchen (das dem Stiel gegenüberliegende Ende) abschneiden. Bei der Verwendung von Salatgurken ist der Stiel manchmal nur schwer zu erkennen; im Zweifelsfall das weniger spitze Ende abschneiden. Die Gurken zusammen mit Knoblauch, Pfefferkörnern, Senfkörnern, der Dill- und Fenchelsamen in ein großes Gefäß geben. ↑ In den Krönchen befinden sich Enzyme, die die Gurken während der Fermentation weich und pappig machen können.

3 Das Salzwasser über die Gurken gießen, bis sie ganz bedeckt sind – sie sollen nicht auftreiben, daher eventuell im Gefäß festklemmen. Über den Gurken muss sich eine Schicht Salzwasser befinden, damit es keinen Sauerstoffkontakt gibt. 4 Das Gefäß mit einem Gärspund verschließen oder einen Deckel locker aufschrauben. Wichtig ist, dass dennoch Kohlensäuregas entweichen kann, das beim Fermentationsprozess entsteht. 5 Die Gurken eine Woche bei Zimmertemperatur fermentieren lassen. Nach einer Woche dürfen Sie probieren. Sind die Gurken für Ihren Geschmack sauer genug, stellen Sie das Gefäß in den Kühlschrank, um den Fermentationsprozess zu stoppen. In sterilen Gefäßen können die Gurken ein gutes Jahr aufbewahrt werden.

TIPP: Eine andere Methode, die Gurken lange aufzubewahren, ist, sie süßsauer einzumachen. Dafür die Gurken bei Schritt 5 aus dem Salzwasser nehmen. Eine süßsaure Mischung aus 250 ml Weißweinessig, 150 ml Weißwein, 150 ml Wasser, 100 g Zucker und 10 g Salz herstellen und eventuell noch ein paar Gewürze zugeben wie 1 TL Pfefferkörner, 1 TL Koriandersamen, 1 TL Kümmelsamen und 1 TL Anissamen.

Fermentation

SALZGURKEN

Reaktionen

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Dieser fermentierte süße Tee ist auf dem besten Weg zum Trendgetränk. Kein Wunder, denn Kombucha schmeckt nicht nur gut, sondern lässt sich auch leicht selbst herstellen. Man braucht lediglich ein Glasgefäß, Tee, Zucker und eine aktive Symbiotic Culture of Bacteria and Yeast, abgekürzt SCOBY. Diese SCOBY sieht aus wie ein Schwamm, besteht aber aus Milliarden lebender Bakterien und Hefepilze, die eng zusammenarbeiten. GETRÄNK, 10 GLÄSER

ZUBEREITUNGSZEIT

10-14 Tage 200 g Zucker (oder Honig oder Agavensirup) 10 cm frischer Ingwer, geschält, in Scheiben 1 EL schwarzer Tee (2 Beutel) 2 EL grüner Tee (2 Beutel) 50 ml Kombucha (oder Apfelessig) 1 Kombucha-Pilz (SCOBY) Limonadengefäß von 2,5 l Fassungsvermögen mit Hahn, Geschirrtuch, Gummiband

AUSSERDEM

1 1 l Wasser mit Zucker und Ingwer zum Kochen bringen. Vom Herd nehmen und die Teesorten zugeben. Abkühlen lassen. ↑ Abkühlen ist wichtig. Bei Temperaturen über 40 °C nimmt die Aktivität des Kombucha-Pilzes ab.

2 Tee abseihen oder Teebeutel entnehmen, ebenso den Ingwer. 3 Den süßen Tee zusammen mit 1 l Wasser in das Gefäß gießen. Kombucha (oder Apfelessig) zugießen und den Kombucha-Pilz so auf den Tee legen, dass er treiben kann. Das Gefäß mit einem Geschirrtuch (oder einem Stück Küchenpapier) verschließen und dieses mit einem Gummiband befestigen. Der Tee muss „atmen“ können. ↑ Die Hefen im Kombucha-Pilz verrichten ihre Arbeit nur dann wie gewünscht, wenn sie Sauerstoff bekommen. Lässt man Kombucha nicht atmen, entsteht ein schwereres alkoholisches Getränk statt eines frischen, leicht alkoholischen Getränks mit 0,3-1,5 % Vol. Alkohol.

4 Den Tee 10 bis 14 Tage an einem dunklen Ort fermentieren lassen. Nach 7 Tagen können Sie probieren, indem Sie einfach ein wenig aus dem Hahn unten am Gefäß zapfen. Sie werden merken, dass der Tee frisch-säuerlich geworden ist. Sauer genug? Dann kann der Tee aus dem Gefäß in Flaschen umgefüllt und gekühlt werden. Das Getränk hält sich wochenlang, denn Zucker und Essigsäure wirken hervorragend als Konservierungsstoff. 5 Das Gefäß mit dem Kombucha-Pilz darin kann erneut mit Tee und Wasser befüllt werden. So hat man immer genügend Kombucha vorrätig. Will man eine Weile kein Kombucha mehr trinken, kann man den Pilz in einem Plastikbeutel einfrieren. ↑ Nach dem Auftauen kann der Pilz erneut verwendet werden. Er hält sich auch einige Monate unter einer Wasserschicht im Kühlschrank.

Fermentation

KOMBUCHA

Reaktionen

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81 Fermentation

TEIL II

GESCHMACK UND AROMA WIE KOMMT ES, DASS EINE ORANGE NACH ORANGE SCHMECKT UND EINE MANDARINE NACH MANDARINE? ALLEM ANSCHEIN NACH IST DAS EINE EINFACHE FRAGE, DOCH DIE DAHINTERSTECKENDE CHEMIE IST SUBTIL. IN DIESEM TEIL DES BUCHS ERLÄUTERN WIR, WIE AROMAMOLEKÜLE UND DIE GRUNDGESCHMACKSRICHTUNGEN IN UNSEREM ESSEN ZUSAMMENWIRKEN.

Geschmack und Aroma

82 WAS IST GESCHMACK? Geschmack ist, was wir mit unserer Zunge schmecken und beschränkt sich auf die Grundgeschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter umami. Ob es eine sechste Grundgeschmacksrichtung gibt, fettig, wird noch diskutiert. Weil unsere Zunge von Speichel überzogen ist, sind fünf der Grundgeschmacksrichtungen wasserlöslich (sollte sich bestätigen, dass wir auch Fett schmecken können, gilt dies in diesem Fall natürlich nicht). Aber unsere Zunge kann sehr wohl zwischen fettig und den anderen Grundgeschmacksrichtungen unterscheiden. Übrigens liegen die Rezeptoren für die Grundgeschmacksrichtungen (die Geschmackspapillen) nicht nur auf unserer Zunge. Sie befinden sich auch an anderen Stellen im Mund, wie dem Kehldeckel, der Mundschleimhaut, dem Gaumen und dem Gaumenzäpfchen. Auch in der Rachenhöhle und im oberen Teil der Speiseröhre gibt es Geschmackspapillen vor. Wir können Essen also schmecken, während wir es hinunterschlucken.

WAS IST AROMA? Aroma ist der Duft von Essen. Er wird von Tausenden verschiedener Aromamoleküle verursacht, die in unserer Nahrung stecken. Wenn man einen bestimmten Geruch wahrnimmt, beispielsweise den frisch frittierter Pommes, erreichen die flüchtigen Aromamoleküle unser Geruchsorgan und wir riechen Pommes frites. Das Aroma einer Zutat wird nicht nur von einer einzigen Art von Aromamolekülen bestimmt. Es sind Hunderte, und jedes hat einen eigenen Duft. Alle Arten von Aromamolekülen zusammen bilden das Aromaprofil oder Aromabouquet einer Zutat. Riecht man sie alle gleichzeitig, weiß man, dass es sich um Pommes frites handelt. Bemerkenswert ist, dass der Duft mancher Aromastoffe für sich genommen ausgesprochen unangenehm ist, im richtigen Gleichgewicht mit anderen jedoch den unverwechselbaren Charakter einer Erdbeere oder Tomate ausmacht. DIE SENSIBILITÄT DES GERUCHSORGANS

Unser Geruchssinn – auch olfaktorisches System genannt – ist ein unglaublich komplexes Instrument. Er kann buchstäblich die Unterschiede zwischen einzelnen Molekülen wahrnehmen. Alkohol können wir bereits wahrnehmen, wenn 0,01 % Vol. davon in Wasser gelöst ist (Wein hat einen Alkoholgehalt von 11 bis 14 % Vol., das Tausendfache!). Aber das ist noch nichts verglichen mit dem – halten Sie sich fest – p-Menth-1-en-8-thiol-Molekül, das in Zitrusfrüchten vorkommt. Die Konzentration dieses Moleküls in Wasser braucht nicht höher zu sein als 0,000000000002 % Vol., um es mit der Nase wahrnehmen zu können. Kurzum: Es genügt, Armomastoffe in sehr kleinen Mengen zuzugeben, solange sie leicht freigesetzt werden. Man hat entdeckt, dass manche Stoffe schon wahrgenommen werden können, wenn die Rezeptoren des Geruchsorgans lediglich von einigen wenigen Molekülen erreicht werden. Insgesamt besitzen wir etwa 5 000 000 dieser Rezeptoren. Ist das viel? Nicht, wenn man bedenkt, dass ein einziger Bissen Essen etwa 1 000 000 000 000 000 000 000 000 Aromamoleküle enthält.

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DIE FREISETZUNG VON AROMASTOFFEN Ausgeprägte Aromen entfaltet unser Essen nur, wenn Aromastoffe nicht nur vorhanden sind, sondern auch in ausreichendem Maße freigesetzt werden. Dass beim Aromatisieren eher sparsam umgehen sollte, illustriert dieses Beispiel: Das Gesamtgewicht aller Aromenstoffe in 100 g Pommes frites beträgt 3 mg. Bei den meisten Produkten ist der Anteil noch niedriger. Lediglich ein paar Tausendstel der Masse des Essens bilden also das Aroma. Das scheint wenig, aber sobald wir auch nur einen Bissen einer Pommes frites zu uns nehmen und darauf kauen, werden Tausende Milliarden von Aromamolekülen freigesetzt. Sie lösen sich in der Mundhöhle und finden ihren Weg über den Rachen in unser Geruchsorgan (retronasales Riechen). Sobald dieses System verstopft ist, etwa bei einer Erkältung, „schmecken“ wir deutlich weniger. Versuchen Sie einmal, mit zugehaltener Nase den Unterschied zwischen Chips natur und Paprikachips herauszufinden. Das wird Ihnen nicht gelingen. Sie nehmen nur knusprige, salzige Kartoffelscheibchen wahr! Schnelle und langsame Noten Nicht alle Aromen verflüchtigen sich gleich schnell aus unserem Essen. So gibt es „schnelle“ Noten (die innerhalb weniger Sekunden freigesetzt werden und genauso schnell abklingen) – häufig wirken sie etwas frischer – und „langsame“ Noten (Aromen, die mehrere Sekunden bis Minuten brauchen) mit einem warmen Charakter. Ob ein Gericht „Tiefe hat“ oder eher „frisch“ ist, hängt sehr von „langsamen“ und „schnellen“ Noten ab. Im Küchenlabor können wir darauf Einfluss nehmen. Das wichtigste Steuerungswerkzeug ist Öl oder Fett, wie wir in Kapitel 6 ausführlich darstellen werden. Im Mund freisetzen, nicht im Topf Aromen müssen freigesetzt werden, damit sie wahrgenommen werden können. Verflüchtigen sie sich jedoch schon beim Kochen, bleibt vom Aroma wenig übrig. Die Kunst besteht also darin, dafür zu sorgen, dass die Aromen möglichst im Mund freigesetzt werden und nicht schon im Topf. Der Schlüssel dazu ist das Kauen. Beim Kauprozess werden stets neue Oberflächen geschaffen, denen die Aromamoleküle entweichen können, sodass ihre Freisetzung beschleunigt wird. Wir helfen den Aromamolekülen also ein wenig auf den Weg. Wenn wir nicht kauen, muss sich ein Geruchsmolekül auf eigene Faust kreuz und quer durch einen Essensbissen bewegen, um zur Oberfläche zu gelangen und dort freigesetzt zu werden. Das kann endlos dauern. Die Enzyme in unserem Speichel helfen bei der Vorverdauung unserer Nahrung, was ebenfalls dazu beiträgt, dass Aromen leichter freigesetzt werden können. Leckeres Essen ist also nicht nur eine Frage der Zutaten und der Zubereitung, sondern auch des guten Kauens*. *

NERD ALERT Es geht hier nicht nur um die Bewegung von Ober- und Unterkiefer. Auch die Zunge hilft mit,

einen leckeren Gemüsebissen erst einmal durch den Mund wandern zu lassen. Ein fluffiges Omelett kann man mit der Zunge am Gaumen zerdrücken. Bei einem Schluck Wein kann man zusätzlich Luft einsaugen. Diese Bewegungen im Mund verstärken die Freisetzung von Aromen.

GESCHMACK UND AROMA

Die Grundgeschmacksrichtungen von Orangen und Mandarinen sind sauer, süß und manchmal ein wenig bitter, vor allem, wenn man ein Stück Schale isst. Unterschiede nehmen wir nur mit unserem Geruchsorgan wahr. Das Aromabouquet der beiden Früchte unterscheidet sich chemisch gesehen nur minimal, doch dies genügt bereits, um die eine als Mandarine zu erkennen und die andere als Orange.

Geschmack und Aroma

84 Aromen wahrnehmen: orthonasal und retronasal Die köstlichen Düfte in der Küche weisen zwar auf einen Aromaverlust hin, sie tragen aber auch zum Essenserlebnis bei. Sie verbreiten sich durch die Luft und erreichen über unsere Nase die Geruchsrezeptoren. Dieses „normale“ Riechen wird als orthonasale Wahrnehmung von Aroma bezeichnet. Retronasale Wahrnehmung findet statt, wenn wir ein Stück Apfel essen oder einen Schluck Wein verkosten: Die Aromen gelangen aus der Mundhöhle über den Rachen und die Nasenhöhle zu den Geruchsrezeptoren. In beiden Fällen müssen die Aromen erst freigesetzt werden, bevor sie die Nasenhöhle erreichen. Wo in diesem Buch von Aromen die Rede ist, sind damit zumeist solche gemeint, die wir retronasal wahrnehmen.

Geruchsorgan

Nasenhöhle ORTHONASAL

RETRONASAL

Die Wahrnehmung von Aromen: orthonasal und retronasal.

Kenntnisse beim Kochen Aromen werden nicht nur im Mund freigesetzt, sondern auch beim Schneiden von Gemüse, Kräutern oder Fleisch, und dieser Aromaverlust setzt sich im Kochprozess fort. Wir sollten allerdings bemühmt sein, diese Einbußen so gering wir möglich zu halten, denn alle Aromen, die sich während der Vorbereitungen oder auf dem Herd verflüchtigen, landen nicht mehr im Mund! Zum Glück gibt es verschiedene Regler, an denen wir in unserem Küchenlabor drehen können, um Aromen zu erhalten. In Kapitel 5: Verflüchtigung von Aromen erläutern wir, welche das sind.

85 GESCHMACK UND AROMA

In Kapitel 6: Öl und Wasser zeigen wir, wie sich Aromen in Öl und Wasser verhalten. Aromen können auch durch andere Zutaten gebunden werden. Vor allem Stärke ist darin sehr gut. Wie man damit in Gerichten umgeht, beschreiben wir in Kapitel 7: Aroma und Stärke. Manche Aromenstoffe schließlich setzen uns völlig auf die falsche Fährte. Stoffe in der Artischocke lassen Zutaten beispielsweise als süßer erscheinen, als sie von Natur aus sind, und Szechuanpfeffer verursacht so etwas wie ein „elektrisches“ Gefühl im Mund. Von diesen besonderen Geschmacksempfindungen berichten wir in Kapitel 8: Was die Zunge schmeckt.

87 Verflüchtigung von Aroma

KAPITEL 5

VERFLÜCHTIGUNG VON AROMA MINIMAL IN DER KÜCHE, MAXIMAL IM MUND

→ WÄREN AROMASTOFFE NICHT FLÜCHTIG, KÖNNTEN WIR SIE NICHT WAHRNEHMEN → IM HANDUMDREHEN ZU KÖSTLICHEM SAHNEEIS MIT ÄTHERISCHEN ÖLEN → VORZÜGLICHES PILZBOUILLON-AROMA UNTER EINEM BLÄTTERTEIGDECKEL

→ DIE RÖMER RIEBEN IHREN ESSTISCH GERN MIT FRISCHEN KRÄUTERN EIN → GAREN BEI 90 °C VERMEIDET AROMAVERLUST BEI SPARGEL → GERUCHSFREIES KOCHEN DANK GEKÜHLTEM TOPFDECKEL

Geschmack und Aroma

88 Natürlich nehmen wir es als ein Kompliment, wenn unsere Gäste ausrufen: „Hier riecht es aber lecker!“ Dieser köstliche Duft in der Küche ist gut für die orthonasale Wahrnehmung, von der wir in der Einleitung sprachen, und führt zur Appetitanregung. Die Kehrseite dieses Kompliments ist, dass sich die Aromen, die wir riechen, nicht mehr im Essen befinden – sie haben sich aus dem Gericht verflüchtigt! Beim Kochen müssen wir dafür sorgen, dass wir während der Zubereitung unserer Gerichte möglichst wenig Aromen verlieren. Wir wollen ja schließlich, dass möglichst viele dieser Stoffe erst im Mund freigesetzt werden, also bei der retronasalen Wahrnehmung. In diesem Kapitel erzählen wir, wie und warum Aromen sich aus unserem Essen davonmachen und, noch wichtiger: wie wir das verhindern können.

WAS IST AROMAVERFLÜCHTIGUNG? Aromen sind flüchtige Stoffe, die in der Zellflüssigkeit von Pflanzen und Tieren gelöst sind. Beim Lagern, Schneiden und Kochen werden diese Aromen freigesetzt, weil die Zellen beschädigt und der Luft ausgesetzt werden. Sobald diese Aromen das Essen verlassen, sprechen wir von Aromaverflüchtigung. Manche Aromen werden schon bei Zimmertemperatur freigesetzt, beispielsweise bei einer duftenden Orange auf der Obstschale. Andere Aromen verlassen das Gericht bei höherer Temperatur während und nach der Zubereitung. TEMPERATUR Jede Art von Aromamolekül hat ihren eigenen Siedepunkt. Dieser ist von der Größe des Moleküls abhängig: Je größer das Molekül, desto höher der Siedepunkt, und desto schwieriger ist es für das Molekül, aus unserem Essen zu entweichen. Neben der Größe des Moleküls spielt auch die Anziehungskraft von Wasser eine Rolle. Aromamoleküle, die sich in Wasser weniger heimisch fühlen, also hydrophob sind, verlassen unser Essen schneller. Daher beeinflusst es den Geschmack, wenn die Temperatur bei einer Zubereitung steigt, weil sich Aromen verflüchtigen können. Das geschieht beispielsweise, wenn Gemüse gedämpft wird. Zugleich kann man sich gerade dieses Prinzip durch die Destillation zunutze machen. DÄMPFEN Dämpfen hält man im Allgemeinen für eine gute Methode, Gemüse schonend zu garen. Aus Sicht der Textur – die wird schön knackig -, stimmt das; in Bezug auf das Aroma jedoch nicht. Dampf ist nämlich so aggressiv, dass er Pflanzenzellen beschädigt, wodurch die Aromen mit dem Dampf austreten. Genau wie beim Kochen mit Wasser verlieren wir beim Dämpfen Aromen an das Wasser. Wollen wir weniger Gemüsearomen verlieren, empfiehlt es sich, Gemüse sous vide zu garen oder in Kombination mit ein wenig Fett oder Öl zuzubereiten, wie beim Glacieren, Grillen, Rösten, Braten und im Wok (siehe Kapitel 6: Öl und Wasser). Die Dampfextraktionsmethode hingegen basiert gerade darauf, dass Aromen mit dem Dampf austreten. Diese Methode wird beispielsweise bei der Herstellung von Gelee genutzt. Der sogenannte Entsafter ist speziell dafür gemacht, Obst zu dämpfen und den austretenden Saft in einem Behälter aufzufangen. Aus diesem aromatischen Saft kann man anschließend köstliches Gelee kochen. Dampfextraktion wird auch genutzt, um pflanzlichen Produkten ätherische Öle (Aromamoleküle)zu entziehen. So wird Lavendelöl produziert.

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NICHT ZU WARM Temperatur hat noch einige andere negative Auswirkungen auf Geschmack und Aroma unserer Gerichte – nicht nur durch das Verdampfen. Chemische Veränderungen Durch Erhitzen wird die molekulare Struktur von Aromastoffen verändert. Obst und Gemüse können so ihr Aroma verlieren. Temperatur beeinflusst auch die Enzymaktivität. Bei Temperaturen über 50 °C sind Enzyme, die den Geschmack und das Aroma von Gerichten verändern können, inaktiv (siehe Kapitel 3: Enzyme). Wie wild kochen Abgesehen von diesen chemischen Veränderungen ist davon abzuraten, Gerichte wie wild auf dem Herd kochen zu lassen, denn dabei verdampft viel Wasser, und mit dem Wasser entweichen auch jede Menge Aromen in die Luft. Schmorgerichten sollten wir genügend Zeit geben, in aller Ruhe zu garen, wobei vorzugsweise ein Wasserdeckel auf dem Topf liegt. Unter dem Regler „Abdecken“ sagen wir mehr dazu. Zubereitung im Backofen unterhalb des Siedepunkts Gart man Gemüsesorten unter dem Siedepunkt von Wasser, können die meisten Aromen erhalten werden. Sobald die Temperatur über 100 °C steigt, beginnt das Wasser im Gemüse zu kochen und die Pflanzenzellen brechen auf. Dieses Wasser wird zu Dampf und will das Gemüse verlassen – und mit dem Dampf entweicht auch Aroma. Spargel wird bei 90 °C gerade so gar. Bei dieser Temperatur sous vide zubereitet, behält er ein intensives Aroma. Weil nicht jeder über einen Sous-vide-Garer verfügt, stellen wir eine Methode mit vergleichbarem Ergebnis im Backofen vor: Spargel mit ein wenig hochwertigem Öl bestreichen (um das Austrocknen zu verhindern) und 30 Minuten bei 90 °C im Backofen garen (siehe Rezept auf Seite 94). ABDECKEN Fast alle Gerichte, die wir zubereiten, enthalten Wasser. Wird die Temperatur so hoch, dass Dampf entsteht und entweicht, verteilen sich die Aromen ebenfalls in der Luft. Die simpelste Art, dies zu verhindern, ist die Gerichte während des Kochens abzudecken. Dafür gibt es unterschiedliche Methoden.

Verflüchtigung von Aroma

DESTILLIEREN Bei der Destillation nutzt man den Unterschied der Verdampfungsgeschwindigkeit von Wasser und Aromen, die von der Temperatur abhängig ist. Können Aromen schneller aus einer kochenden Flüssigkeit entweichen als das Wasser, lassen sie sich konzentrieren. In unserem Küchenlabor können wir so Elixiere (Wasser mit einem starken Aroma) mithilfe einer Destillationssäule herstellen. Zum Beispiel bringen wir eine Pilzbouillon zum Kochen und lassen die Aromamoleküle bewusst verdampfen. Kaum verdampft, landen sie in einem gekühlten Röhrchen. Dort kondensieren sie und werden aufgefangen. Damit erhalten wir ein Pilzkonzentrat, das in allerlei Gerichten verarbeitet werden kann. In der modernen Küche führt dieses Verfahren zu überraschenden Ergebnissen. So verzehrten wir einmal einen ganz besonderen Leckerbissen, hergestellt aus einem Destillat des „Terroirs“ des Restaurants. Dazu hatte der Koch dort Tannenzapfen, Blätter, Baumrinde und Ähnliches gesammelt und daraus eine Bouillon angesetzt.

Geschmack und Aroma

90 DECKEL UND TÖPFE Liegt während des Kochens ein Deckel auf dem Topf, können Aromen nicht so leicht entweichen. Der Deckel ist weniger heiß als der Topfboden, und so kondensiert die verdampfende Flüssigkeit und tropft in das Gericht zurück. Dieses System lässt sich noch optimieren. Der Doufeu des Kochgeschirrherstellers Creuset ist ein Topf, den man an der Oberseite aktiv kühlen kann. Er hat nämlich einen Deckel, den man mit Wasser oder Eiswürfeln befüllen kann. Eine viel preiswertere Möglichkeit ist jedoch, einfach eine Edelstahlschüssel mit Wasser oder Eiswürfeln auf den Topf zu stellen. Solange das Wasser nicht verdampft ist, wird kaum Aroma aus dem Topf entweichen. DER RÖMERTOPF Der Römertopf ist eine Auflaufform aus Ton mit einem Deckel, den man vor Gebrauch eine Weile in Wasser legt. Im Backofen verdampft das Wasser, das der Deckel aufgesogen hat, und sorgt für Kühlung, sodass der Dampf an der Innenseite kondensiert und in den Römertopf zurücktropft. DECKEL AUS BLÄTTERTEIG Man kann auch versuchen, flüchtige Aromen buchstäblich in einem Gericht einzufangen. So wird die aromatische Pilzbouillon, deren Rezept wir auf Seite 97 vorstellen, nicht ohne Grund mit einem Deckel aus Blätterteig bedeckt. IN PAPIER EINPACKEN Bei der En-papillote-Methode wird Fisch, Fleisch oder Gemüse mit frischen Kräutern und anderen aromatisierenden Zutaten in Backpapier oder Aluminiumfolie eingewickelt. Ist die Papillote geschickt gefaltet, kann der Dampf kaum entweichen und die Geschmacks- und Aromastoffe bleiben erhalten. UNTER LUFTABSCHLUSS Beim sogenannten Sous-vide-Garen können Aromen beim Kochen gar nicht mehr entweichen. Daher hat diese Art der Zubereitung in Restaurantküchen sehr an Beliebtheit gewonnen. Das Prinzip ist einfach: Man vakuumiert Fleisch, Fisch oder Gemüse – eventuell in einer Marinade – mit einem Vakuumiergerät in einem Spezialbeutel. Anschließend gart man es in einem Dampfofen oder einem Sous-vide-Garer (in einem temperaturkontrollierten Wasserbad). Öffnet man den Vakuumbeutel erst kurz vor dem Servieren, wird der Aromaverlust minimiert, wie man bei unserem Rezept für Lachsfilet sous vide (Seite 93) feststellen kann. DRUCK Beim Rotationsverdampfer handelt es sich um ein Destillationssystem, mit dem man bei Unterdruck Aromen aus Flüssigkeiten verdampfen lassen kann. Manche Aromen, wie die von Äpfeln und anderen Obstsorten, verlieren beim Erhitzen ihren Charakter. Der Rotationsverdampfer eignet sich hervorragend für die Destillation dieser Aromen. Aufgrund des niedrigen Drucks wird der Siedepunkt der Aromen gesenkt und die Aromamoleküle entweichen bei niedriger Temperatur aus der Flüssigkeit. Heston Blumenthal war der Erste, der mit dem Rotationsverdampfer für kulinarische Zwecke experimentierte. Er stellte eine Essenz her, mit der seine Gerichte nach frischem Rosmarin dufteten.

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ÄTHERISCHE ÖLE Um die Freisetzung von Aromastoffen so richtig anzukurbeln, kann man Aromen in konzentrierter Form zugeben. Das Angebot ätherischer Öle, auch Essenzen genannt, ist riesig. Das sind Aromen in ihrer reinsten Form. Häufig werden sie im esoterischen Umfeld für Aromatherapien oder Massagen verwendet. Auch die Lebensmittelindustrie nutzt sie fleißig. Dann steht „natürliches Aroma“ auf der Verpackung. In Restaurantküchen hingegen finden sie kaum Verwendung – vielleicht, weil ätherische Öle nicht in das Kochkonzept „pur und ehrlich“ passen. Im Buch Aroma von Mandy Aftel und Daniel Patterson finden sich jede Menge interessante Rezepte mit ätherischen Ölen. Wir bereiten damit ein köstliches Vanille-Eis zu – das Rezept findet sich auf Seite 95. ZU TISCH BEI DEN RÖMERN

Im alten Rom wurden Gerichte häufig mit Parfüms angereichert, die wohl große Ähnlichkeit mit unseren ätherischen Ölen hatten. Die Römer waren sich der Bedeutung orthonasaler Wahrnehmung ("einfach" riechen) sehr bewusst. Um ihre Gäste in die richtige Stimmung zu versetzen, rieben sie die Tische mit frischen Kräutern ein, oder sie ließen parfümierte Tauben über den speisenden Gästen herumflattern. Kaiser Nero ließ sogar perforierte Silberrohre an der Decke anbringen, damit die Gäste während der Mahlzeit mit Rosenduft besprenkelt werden konnten. Eine Art Aroma-Klimaanlage. LUFTBLÄSCHEN VOLLER AROMASTOFFE Luftbläschen in Gerichten sind ideale Sammelorte für Aromen, die aus dem Essen entweichen wollen (siehe Kapitel 14: Aufschäumen und Entgasen). Das ist genau der Grund, weshalb luftig-leichte Gerichte so viel Aroma haben. Restaurants servieren daher gern Schäume, die vor Aromen nur so bersten. Kosten wir davon, werden die Aromen aus den Bläschen freigesetzt und retronasal wahrgenommen. Der Kürbisschaum aus unserem Rezept auf Seite 99 ist darum eine wahre Geschmacksexplosion. VERFLÜCHTIGUNG AUS ÖL ODER WASSER Aromen verflüchtigen sich leichter aus Wasser als aus Öl. Nehmen wir zum Beispiel das weltweit am häufigsten gehandelte Aroma Menthol. In Wasser gelöstes Minzaroma ist flüchtig. Weil es sich nicht gern darin aufhält, verlässt es Wasser sehr leicht und entweicht in die Luft, sodass wir es riechen können. Lösen wir Menthol in Öl, ist das Minzaroma viel schwächer, weil es viel langsamer entweicht. In unserem Minzsorbet auf Seite 108 verwenden wir Minzöl, um das Minzaroma länger im Mund zu halten. In den meisten Gerichten befindet sich sowohl Öl als auch Wasser. Im nächsten Kapitel werden wir genauer erläutern, wie sich Aromen in einer Kombination aus Öl und Wasser lösen und freigesetzt werden.

Verflüchtigung von Aroma

ZUSAMMENSETZUNG Auch durch die Änderung der Zusammensetzung von Gerichten lässt beeinflussen, in welchem Maße Aromastoffe erhalten bleiben. Wir können konzentrierte Aromen zugeben, um Aromaverluste zu kompensieren. Auch Luftbläschen kann man zufügen, in denen sich Aromen sammeln, oder Öl, in denen sich Aromen lösen können.

Geschmack und Aroma

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MIT FENCHELSAMEN UND ZITRONE Vakuumieren ist die perfekte Technik, will man Aromen bei der Zubereitung eines Gerichts erhalten. Außerdem werden bei diesem Rezept die Aromen aus dem Fenchelsamen und der Zitronenschale in Butter extrahiert (gelöst), wodurch sie beim Aufschneiden des Beutels kaum an die Luft entweichen werden.

1 Butter, Fenchelsamen, Zitronenschale und Salz mischen. Die Mischung über den Lachsfilets verteilen und das Ganze in einem Beutel vakuumieren. 2 Lachs 30 Minuten auf 50 °C sous vide garen. 3 Eine kleine Ecke des Vakuumbeutels aufschneiden und die Flüssigkeit in ein Schälchen gießen (das ist die Sauce). 4 Den Beutel vollständig aufschneiden und die Lachsfilets auf einem Teller anrichten. Dabei vorsichtig vorgehen, denn das Lachsfleisch zerfällt leicht.

HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 10 Minuten SOUS -VIDE-GAREN

30 Minuten

100 g Butter 1 TL Fenchelsamen, geröstet und gemahlen Abrieb von ½ Zitrone (unbehandelt) 5 g Meersalz 500 g Lachsfilet, in 4 Stücken Vakuumiergerät, Vakuumbeutel, Sous-vide-Garer

AUSSERDEM

S ERVIERTIPP: Passt gut zu Spargel aus dem Backofen (siehe Rezept auf Seite 94). Dann nur 1 bis 2 EL Butter verwenden statt 100 g, weil der Spargel mit Orangen-Hollandaise serviert wird. Damit erübrigt sich eine weitere Sauce.

Verflüchtigung von Aroma

LACHSFILET SOUS VIDE

Geschmack und Aroma

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SPARGEL AUS DEM BACKOFEN MIT ORANGEN-HOLLANDAISE Spargel lässt sich ausgezeichnet im Ofen garen. Am besten bestreicht man ihn zuvor mit etwas hochwertigem Öl. Das Öl an der Außenseite verlangsamt das Verdampfen von Wasser aus dem Spargel und er wird schneller gar (siehe Kapitel 11: Verdampfen und Kondensieren). Das Öl absorbiert außerdem die Aromen, die sonst entweichen würden, wodurch der Spargel mehr Aroma erhält.

1 Spargel schälen (Schalen für eine Suppe aufbewahren). 2-3 cm der unteren Enden abschneiden und die Spargelstangen mit einer dünnen Schicht Öl bestreichen. Auf einem mit Backpapier ausgelegtem Backblech 30 Minuten bei 110 °C garen. ↑ Die Temperatur des Spargels soll etwa 90 °C betragen. Bei dieser Temperatur schmilzt das Pektin in den Zellwänden und Zellulose wird weich (siehe Kapitel 9: Schmelzen und Erstarren). Das Wasser im Spargel kocht jedoch noch nicht, wodurch keine Flüssigkeit in Form von Wasserdampf entweicht. Der Backofen wird auf eine höhere Temperatur eingestellt, da es sonst zu lange dauern würde, bis der Spargel die gewünschten 90 °C erreicht.

2 Orangensaft mit Wein, Essig und einem Tropfen Öl in einem Stieltopf zum Kochen bringen, auf 100 ml reduzieren. In eine Schüssel gießen und 5 Minuten abkühlen lassen.

BEILAGE, 6-8 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 15 Minuten GARZEIT IM OFEN

30 Minuten

1 kg weißer Spargel (mitteldick, maximal 2 cm) 2 EL natives Olivenöl extra Saft von 1 Orange (ca. 50 ml) 100 ml Weißwein 50 ml Weißweinessig ein paar Tropfen Öl 4 Eigelb Abrieb von ½ Orange (unbehandelt) 100 g Orangenbutter (siehe Schritt 1 und 2 des Rezepts für Orangeneis auf Seite 115), geschmolzen AUSSERDEM

↑ Den Tropfen Öl fügt man hinzu, um Aromen zu absorbieren. Sie entweichen dann weniger schnell aus der Flüssigkeit.

3 Das Gemisch aus Saft, Wein und Essig mit Eigelb und Orangenabrieb in einer Metallschüssel vermengen und unter stetigem Schlagen mit dem Schneebesen oder Handmixer im Wasserbad auf 80 °C erhitzen, bis die Sauce anfängt, dick zu werden. 4 Die Schüssel aus dem Wasserbad nehmen und die geschmolzene Orangenbutter unter stetigem Schlagen in einem dünnen Strahl zugießen. Die Sauce mit ein wenig Salz abschmecken. 5 Sauce in der Schüssel im Wasserbad warmhalten (nicht mehr erhitzen). Eine Sauce hollandaise kann auch einige Stunden in einer vorgewärmten Thermosflasche aufbewahrt werden. 6 Den Spargel mit der Sauce servieren.

Backpapier T IPP: Man kann Spargel vakuumieren und sous vide bei 90 °C garen. Nach 35 Minuten ist er bissfest, nach 45 Minuten zart. SERVIERTIPP: Passt gut zu Lachsfilet sous vide (siehe Rezept auf Seite 93).

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MIT INGWER UND ZITRONENGRAS In diesem Rezept verwenden wir ätherische Öle, um dem Eis zusätzlich Geschmack zu verleihen. Selbstverständlich kann man auch frischen Ingwer oder Zitronengras bei der Zubereitung der Eiskomposition mitziehen lassen. Ätherische Öle sind jedoch ausgesprochen stark – ein paar Tropfen reichen schon für einen kräftigen Aromaschub. NACHSPEISE, FÜR CA. 1 L EIS (10 PORTIONEN)

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten 1 Stunde EISMAS C HINE 30 Minuten bis 1 Stunde (je nach Eismaschine) ABKÜHLEN

1 Vanilleschote, längs aufgeschnitten 500 ml Milch ½ TL Salz 5 Eigelb 150 g Zucker 250 ml Sahne (30 % Fett) 5-6 Tropfen ätherisches Zitronengrasöl 2 Tropfen ätherisches Ingweröl 1 EL Zitronen – oder Limettensaft AUSSERDEM

Eismaschine

1 Das Mark mit einem Teelöffel aus der Vanilleschote schaben. 2 In einem kleinen Topf Milch, Salz und Vanilleschote sowie Mark zum Kochen bringen und 15 Minuten ziehen lassen. Den Topf vom Herd nehmen und die Vanilleschote mit einer Gabel entfernen. 3 In einer Schüssel das Eigelb und den Zucker mit einem Schneebesen zu einer sahnigen Creme schlagen, die wie ein Band vom Schneebesen läuft. 4 Unter ständigem Rühren die heiße Vanillemilch in einem dünnen Strahl in die Eigelbmasse rinnen lassen. Das Ganze durch ein Sieb in den Topf zurückseihen und die Mischung bei mittlerer Temperatur erhitzen. Dabei ständig mit einem Kochlöffel über den Topfboden rühren, bis die Mischung leicht bindet (80-82 °C). 5 Den Mix aus dem Topf in eine Schüssel gießen und die Sahne unterziehen. Auf Zimmertemperatur abkühlen lassen. Die ätherischen Öle mit einem Pürierstab in der Komposition lösen. Eine Stunde in den Kühlschrank stellen. ↑ Die ätherischen Öle werden erst nach dem Abkühlen zugegeben. Würden die Öle in der Vanillemilch mitkochen, käme es nur zu einer unnötigen Verflüchtigung von Aromen.

6 Den Mix in der Eismaschine zwischen 30 Minuten und 1 Stunde zu einem cremigen Eis rühren lassen.

TIPP: Auch ohne Thermometer lässt sich prüfen, ob die Eigelbmischung gar ist. Dazu gibt man ein wenig der Mischung auf die nach außen gewölbte Seite eines Holzlöffels und zieht mit dem Zeigefinger einen horizontalen Strich. Bleibt dieser Strich stehen, ist das Eigelb ausreichend gebunden und damit gar. Rutscht der Strich sofort zu den Seiten weg, muss man unter Rühren noch ein wenig weitererhitzen.

Verflüchtigung von Aroma

VANILLE-EIS

Geschmack und Aroma

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UNTER BLÄTTERTEIGDECKEL Mit einem Blätterteigdeckel über einer duftenden Pilzbouillon lassen sich flüchtige Aromen buchstäblich im Gericht einfangen. VORSPEISE, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten 2 Stunden BAC KZEIT 20 Minuten ABKÜHLEN

15 g getrocknete Steinpilze 200 g frische gemischte (wilde) Pilze 1 EL Butter (oder Ghee) 1 Schalotte, fein geschnitten 50 ml Madeira 500 ml Kräuterbouillon oder Pilzbouillon (eventuell aus einem Brühwürfel) 1 cm frischer Ingwer, in dünnen Scheiben 1 EL salzige Sojasauce ein paar Thymianzweige 2 EL Trüffel-Tapenade (oder „Salsa tartufata“) Salz, nach Geschmack frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, nach Geschmack 4 Scheiben Blätterteig (10 cm x 10 cm) Fleur de Sel 1 Ei ofenfeste Suppenschälchen (Ø ca. 8 cm)

AUSSERDEM

1 Getrocknete Steinpilze in eine Schüssel geben, 150 ml kochendes Wasser zugießen. Die Pilze 10 Minuten einweichen lassen. Abseihen und die Einweichflüssigkeit aufbewahren. Die eingeweichten Pilze klein schneiden. 2 Frische Pilze putzen und in Scheiben schneiden. Butter in einem Topf erhitzen und die Schalotte mit den frischen Pilzen braten, bis sie bräunen und die Flüssigkeit verdampft ist. Die eingeweichten Steinpilze unterheben und kurz miterhitzen. 3 Mit Madeira ablöschen und auf die Hälfte reduzieren. Bouillon, Ingwer, Einweichflüssigkeit der Steinpilze, Sojasauce und Thymianzweige zufügen. Die Suppe zum Kochen bringen und 10 Minuten bei schwacher Hitze mit einem (Wasser-)Deckel auf dem Topf ziehen lassen. ↑ Liegt beim Kochen ein Deckel auf dem Topf, können die Aromen nicht so leicht in die Luft entweichen. Der Deckel auf dem Topf ist nicht so heiß wie der Topfboden, und solange die Oberseite des Topfes kühl bleibt, kondensieren die verdampfende Flüssigkeit und die flüchtigen Aromen am Deckel und tropfen in das Gericht zurück.

4 Die Suppe vom Herd nehmen und in eine Schüssel gießen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und vollständig abkühlen lassen. Blätterteig auf einer warmen Suppe wird weich und rutscht in die Suppe. 5 Backofen auf 180 °C vorheizen. Die kalte Suppe in die Suppenschälchen füllen, je 1 TL Trüffeltapenade auf die Suppe geben und jedes Töpfchen mit einer Scheibe Blätterteig abdecken. Den Teig gut an den Seiten der Schälchen andrücken und mit etwas gequirltem Ei bestreichen. Mit Fleur de Sel salzen und die Suppe 20 Minuten in den Backofen stellen, bis der Teig schön goldbraun ist.

Verflüchtigung von Aroma

PILZBOUILLON

Geschmack und Aroma

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MIT KÜRBISSCHAUM VORSPEISE, 4 -6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 45 Minuten 200 g Hokkaidokürbis 100 g Mango 2 Schalotten, fein geschnitten 2 EL Öl ½ rote Peperoni, fein gehackt Saft und Abrieb von ½ Limette (unbehandelt) 1 EL Ponzu-Sauce 1 EL Fischsauce 4-6 Portionen Kürbisschaum (Rezept siehe unten) ¼ Kistchen Daikon Cress (japanische Rettichkresse) (oder Gartenkresse)

1 Kürbis und Mango in 5 mm große Würfel schneiden. 2 Schalotten im Öl anschwitzen, bis sie weich sind. Kürbis und Peperoni zufügen und einige Minuten mitbraten. Die Kürbisstücke sollen erhitzt, aber nicht weich werden. 3 Mango zufügen und miterhitzen. 4 Mit ein wenig Limettensaft, Limettenschale, Ponzu und Fischsauce abschmecken. 5 In Gläser füllen und mit einem Tupfer Kürbisschaum aus dem Sahnespender servieren. Vor dem Sprühen gut schütteln. Mit der Kresse garnieren. ↑ Der Kürbisschaum ist nicht stabil: Nach einer Weile fällt er in sich zusammen, weil die Luftbläschen platzen. Dasselbe passiert im Mund, wodurch das eingeschlossene Aroma entweicht. Ein superstabiler Schaum würde vielleicht optisch mehr hermachen, aber weniger Aroma entfalten.

KÜRBISSCHAUM FÜR CA. 30 SCHAUMPORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten 1 Stunde

ABKÜHLEN

1 kg Hokkaidokürbis 100 ml kräftiger Kalbsfond 5 cm frischer Ingwer 3 g Agar-Agar 6 mg Xanthan 1 EL Ponzu (oder Sojasauce) 1 EL Yuzusaft (oder Limettensaft) 1 TL Salz Saftzentrifuge, Sahnespender, Lachgaspatrone, Sous-vide-Garer (optional)

1 Kürbis putzen, halbieren, die Kerne mit einem Löffel entfernen. Die Kürbishälften in Stücke hacken und mithilfe der Saftzentrifuge entsaften. Ingwer schälen und grob hacken. 2 Saft durch ein feines Sieb abseihen und mit Kalbsfond und Ingwer zum Kochen bringen. Auf 300 ml reduzieren, erneut abseihen, um die Ingwerstücke zu entfernen. 3 Agar-Agar und Xanthan zufügen und das Ganze mit einem Stabmixer pürieren. Kurz zum Kochen bringen. 4 Mit Ponzu, Youzusaft und Salz abschmecken. 5 In einen Sahnespender mit Lachgaspatrone füllen.

AUSSERDEM

6 1 Stunde auf ca. 30 °C abkühlen lassen. Mit einem Sousvide-Garer kann der Schaum auf Temperatur gehalten werden.

Verflüchtigung von Aroma

KÜRBISSALSA

101 Öl und Wasser

KAPITEL 6

ÖL UND WASSER AROMEN UND GESCHMACK LÖSEN → LECKERE PÂTÉS DANK TECHNIKEN AUS DER PARFÜMINDUSTRIE → WIE MAN AUS KREBSSCHALEN MAXIMALEN GESCHMACK HERAUSHOLT UND ERHÄLT → DAS AROMA EINES GANZEN PÄCKCHEN KAFFEES IN EINEM EINZIGEN ESSLÖFFEL BUTTER

→ SCHNELLE KRÄUTERBUTTER AUS DEM SAHNESPENDER → WIE MAN DURCH KLEIN GESCHNITTENES GEMÜSE MEHR GESCHMACK IN DIE BOUILLON BRINGT

Geschmack und Aroma

102 Bevor wir die Grundgeschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami schmecken können, müssen die Geschmacksstoffe erst die Speichelschicht auf unserer Zunge durchdringen, um die Geschmacksrezeptoren erreichen. Speichel besteht vor allem aus Wasser; die Geschmacksstoffe lösen sich darin gut. Die flüchtigen Aromen, die wir mit unserer Nase wahrnehmen, fühlen sich hingegen eher in Öl* zu Hause. Wie stark diese Vorliebe ist, hängt vom jeweiligen Molekül ab. Die Vorliebe der Grundgeschmacksstoffe für Wasser – und von Aromen für Öl und Fett – kann Geschmack und Aroma eines Gerichts sehr bestimmen. Je mehr wir uns in unserem Küchenlabor dieser Tatsache bewusst sind, desto besser können wir die Geschmacksrichtungen und die Aromen eines Gerichts zum Ausdruck bringen. Mit den Reglern Zusammensetzung, Oberfläche, Temperatur, Zeit und Druck können wir die Löslichkeit und die Freisetzung von Geschmacksstoffen und Aromen beeinflussen.

DAS AROMAPARADOX In Wasser gelöste Aromen verflüchtigen sich leicht, in Öl gelöste hingegen kaum. Wir können hier also von einem Aromaparadox** reden. Öle und Fette sind sehr gute Aromaträger. Aber sie machen ihre Arbeit so gut, dass dies die Freisetzung der Aromen erschwert. Bei Wasser verhält es sich genau umgekehrt. Es ist ein eher schlechter Aromaträger, und gerade dies führt zu einer höheren Flüchtigkeit der Aromen.

AROMEN

GRUNDGESCHMACKSRICHTUNGEN

WASSER

ÖL

KOMBINATION ÖL / WASSER

Löslichkeit

--

++

-

Flüchtigkeit

++

--

-

Löslichkeit

++

--

++

Flüchtigkeit

--

--

--

Die Tabellen zeigt, wie sich Aroma- und Geschmacksmoleküle in Öl und Wasser verhalten. Die meisten Aromen bevorzugen Öl, aber es gibt ein paar Ausnahmen, die ziemlich gut oder gut in Wasser löslich sind. Dazu gehören Vanillin, Diacetyl (aus Butter und Käse) und Essigsäure. ZUSAMMENSETZUNG Ob und wie gut sich Aromen in einem Gericht lösen, liegt an dessen Zusammensetzung. Wollen wir fettlösliche Aromen lösen (extrahieren), brauchen wir Öl oder Fett, und für wasserlösliche Aromen natürlich Wasser. In den meisten Gerichten befindet sich sowohl Öl als auch Wasser, was der Löslichkeit *

NERD ALERT Wenn Aromastoffe sich so schlecht in Wasser lösen, wie kann es dann sein, dass man Tee

kochen kann? Im Gegensatz zu Geschmacks- entfalten Aromastoffe ihre Wirkung bereits bei sehr niedriger Konzentration. Es ist jedoch wichtig, ihre Vorliebe für Öl zu kennen, um beim Kochen ein intensives Aroma zu erreichen. **

NERD ALERT Das ist nur kulinarisch gesehen ein Paradox. Aus chemischer Sicht ist dies vollkommen logisch.

103

EXTRAKTION IN ÖL ODER FETT Kräuter- und Gewürzöle sind in der Küchenpraxis sehr beliebt. Man muss sie nicht möglichst bald verbrauchen, sondern kann sie lagern, weil das Aroma darin eingefangen bleibt. Im Rezept für Kräuteröl auf Seite 112 beschreiben wir drei Methoden für die Herstellung von Kräuter- und Gewürzextrakten. Beim täglichen Kochen nutzen wir, ohne dass es uns bewusst ist, ebenfalls Öl, um Aromen zu extrahieren, etwa wenn wir Zwiebeln, Knoblauch oder Gewürze anschwitzen. Und eine Bisque bereiten wir beispielsweise aus Krustentieren zu, die zunächst in Öl angebraten wurden. Beim Anschwitzen oder Anbraten von Zutaten werden die Aromen im Öl eingefangen. Bei der weiteren Zubereitung wird das aromatisierte Öl mit Flüssigkeit aus anderen Zutaten kombiniert. Das Öl kann sich in kleinen Tröpfchen verteilen, aus denen die Aromastoffe freigesetzt werden, sobald es in den Mund gelangt. Enfleurage Die Vorliebe von Aromastoffen für Fett macht sich ein Trick zunutze, der ursprünglich aus der Parfümwelt stammt: Enfleurage. Früher wurde der zarte Duft von Blütenblättern in Schweinefett extrahiert, um danach in Parfüm weiterverarbeitet werden zu können. Schweinspeck eignet sich sehr zu Extraktion von Aromen. Pâté kann man auf diese Weise über den Speck Aroma verleihen, und zwar mit einer Methode, die vom Enfleurage inspiriert ist. Wie das funktioniert, wird im Rezept für Apfelpâté auf Seite 116 beschrieben. Einem ähnlichen Prinzip folgt die Herstellung von Trüffelbutter: Dabei legt man einen frischen Trüffel in einen verschließbaren Behälter und darauf einige Butterstäbchen. Anschließend wird der Behälter hermetisch verschlossen und bleibt über Nacht stehen. So werden die flüchtigen Aromen des Trüffels in der Butter eingefangen. Das köstliche Trüffelaroma der Butter hat allerdings auch einen Preis: Durch den Enfleurage verliert der Trüffel selbst seine Magie. Aller Duft, der jetzt in der Butter steckt, ist nämlich aus ihm entschwunden. EXTRAKTION IN WASSER Bouillon, Fond, Suppe, Tee und Kaffee – in allen diesen Fällen wird Wasser zur Extraktion von Aromen genutzt. Auch unsere „feste“ Nahrung besteht zum größten Teil aus Wasser und darin gelösten Aromen. Dieses Wasser befindet sich in den pflanzlichen und tierischen Zellen, die wir essen, und wird freigesetzt, wenn wir diese zerkauen. So können die Aromen aus dem Wasser entweichen und ihren Weg in die Nase finden. Auch durch Extraktion in Wasser kann man konzentrierte Aromen herstellen, die sich aufbewahren lassen. Zum Kochen sind sie ideal. Erhitzt man beispielsweise Kräuter, besondere Teesorten, Ingwer etc. sous vide mit Wasser, lässt sich eine solche Infusion einfach zubereiten. Wird sie auch vakuumiert gelagert, entweichen die Aromen erst, wenn der Beutel geöffnet wird. Statt Wasser kann auch Fruchtsaft, Bouillon oder Milch verwendet werden. Aber Vorsicht: Milch und Bouillon enthalten ein wenig Fett, wodurch die Aromen in ein ganz anderes Licht gerückt werden. Auf dieses Zusammenspiel von Öl und Wasser und von Aromen und Grundgeschmack werden wir in diesem Kapitel noch zurückkommen.

Öl und Wasser

der Aromen zugutekommt. Um Gerichte interessanter zu machen, kann man sie mit Aromaextrakten anreichern. Extrahiert werden die Aromen in Öl oder Fett, in Wasser oder in einer Kombination aus beidem.

Geschmack und Aroma

104 EXTRAKTION IN EINER KOMBINATION AUS ÖL UND WASSER Die meisten Gerichte enthalten sowohl Öl als auch Wasser. Aromen werden daher fast nie pur in Öl oder Wasser extrahiert. Wollen wir beispielsweise eine Bouillon aus Fleisch ziehen, verwenden wir Wasser, aber darin schmilzt auch Fett aus dem Fleisch. Die Kombination der wasserlöslichen Geschmacksstoffe und der fettlöslichen Aromen ergeben den typischen Charakter einer Bouillon. Die folgenden Beispiele veranschaulichen den Einfluss von Fett auf die Entfaltung von Aroma. Öl und Fett als Maske Einer der Effekte von Fett ist, dass es Aromen in Gerichten auf Wasserbasis „dimmen“ kann. Rundet man beispielsweise eine reduzierte Rotweinsauce mit ein wenig Butter ab, fallen die Aromen weniger ausgeprägt aus. Die im Wasser befindlichen Aromen wandern in das zugefügte Fett, wodurch ihre Freisetzung verzögert wird. Dieselbe Wirkung hat Sahne in einer Tomatensauce oder in pürierten Suppen. Ein Schuss Milch (in der sich Fett befindet) in einer Tasse Kaffee führt augenblicklich zu einem erheblichen Rückgang der Duftintensität. Wir empfehlen daher, einem Gericht nur dann Öl, Butter oder Sahne zuzufügen, wenn das Aroma andernfalls zu stark oder zu ausgeprägt ist. Ein Tropfen Öl wirkt Wunder Meistens enthalten Gerichte Öl oder Fett, aber wenn dies nicht so ist, kann ein Tropfen Öl als Aromafänger wahre Wunder wirken. Das gilt zum Beispiel für das Einkochen von Gemüsesaft (Rote Bete, Knollensellerie, Möhren, Süßkartoffeln) für eine reduzierte Sauce. Wiederum wandern die Aromen vom Wasser ins Fett. Ebenso behalten geschnittene frische Kräuter durch ein wenig darüber geträufeltem Öl viel mehr Aroma. Aus demselben Grund eignet sich Öl auch, um weniger angenehme Aromen abzudämpfen. Einige Tropfen Öl ins Kochwasser von Blumen- oder Rosenkohl genügen, und der leidige Kohlgeruch verschwindet sofort und die auslösenden Stoffe werden als Aroma in den Öltröpfchen eingefangen. Der ultimative Hummergeschmack Was, wenn man nur die fettlöslichen Aromastoffe einer Zutat extrahieren möchte, aber nicht ihre wasserlöslichen Geschmackstoffe – oder umgekehrt? Auch hierzu kann man sich die Vorliebe der Aromastoffe für Öl zunutze machen. Das lässt sich gut am Beispiel einer klassischen Hummerbutter zeigen. Hierfür werden Hummerschalen mit Butter in der Küchenmaschine zerstoßen. Anschließend wird die Mischung erhitzt und mit Wasser vermischt. Die Schalen sinken zu Boden, während das geschmolzene Butterfett oben treibt. Beim Abkühlen stockt die Butter, die so problemlos abgeschöpft werden kann. Die Hummerbutter steckt nun voller Aroma, während sich die salzigen und bitteren Geschmacksstoffe zusammen mit den zerstoßenen Hummerschalen am Topfboden im Wasser ablagern. Mit aromatisierter Butter lassen sich wunderbar Saucen zubereiten und sie kann als Würzmittel verwendet werden. Verschiedene Rezepte für aromatisierte Butter finden sich auf Seite 111. Die Methode von Hervé This Nach dem französischen Physikochemiker Hervé This lässt sich das Scheiden von Aroma- und Geschmacksstoffen durch eine jeweilige Extraktion in Öl oder Fett beziehungsweise in Wasser bei fast jeder Zutat durchführen. So lassen sich gleich zwei Würzmittel auf einmal herstellen. Ein Beispiel: Man gibt Estragonblätter in eine Flasche und füllt diese zu gleichen Teilen mit Öl und Wasser auf. Gut schütteln

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Geschmacks-/Aromamoleküle

WASSER

ÖL

WASSER + ÖL

Wasser Öl

Hier sieht man, wie sich wasserlösliche Geschmacksstoffe und fettlösliche Aromen im Kontakt mit Öl, Wasser oder einer Kombination aus beidem verhalten. Gart man Gemüse in Öl, verliert man andere Geschmacks- und Aromastoffe als beim Kochen in Wasser. Das hat großen Einfluss auf das Genusserlebnis. In einem WasserÖl-Gemisch werden die wasserlöslichen Geschmacks- von den fettlöslichen Aromamolekülen geschieden.

Scheiden von Orangenaroma und Bitterstoffen Einen besonderer Effekt lässt sich erzielen, wenn man Orangenschalen in Öl oder Fett extrahiert. Das konzentrierteste Orangenaroma – Orangenöl – versteckt sich in der Schale, die auch sehr starke Bitterstoffe enthält. Einem Gericht möchten wir das Orangenaroma verleihen, würden dabei aber auf die Bitterstoffe gerne verzichten.

Öl und Wasser

und anschließend ruhen lassen, damit sich Öl und Wasser trennen. Im Öl befinden sich nun die fettlöslichen Aromastoffe des Estragons, im Wasser die wasserlöslichen Geschmacksstoffe, wodurch die beiden Infusionen einen je anderen Genuss auslösen, der sich jeweils von der Wirkung der ursprünglichen Zutat unterscheidet. Aus dem Wasseraufguss kann ein Estragonsorbet zubereitet werden, und aus dem Kräuteröl eine Estragonsauce. Serviert man das Eis nun zusammen mit der Sauce, ist der Estragongenuss wieder komplett. Diese Methode ist in der Chemie schon länger bekannt als „Ausschütteln“ oder Flüssig-Flüssig-Extraktion (solvent extraction).

Geschmack und Aroma

106 Lässt man die Schalen in Öl oder Butter ziehen, gehen die Orangenaromen über, die Bitterstoffe hingegen sind nicht fettlöslich. Aus Organgenbutter lässt sich ein köstliches Eis zubereiten (siehe Rezept auf Seite 115). Dieselbe Orangenbutter kann man hervorragend für eine Sauce hollandaise verwenden (siehe Rezept auf Seite 94). DER VERTEILUNGSKOEFFIZIENT

Aromamoleküle haben nie eine 100-prozentige Vorliebe für Öl oder Wasser. Das Verhältnis, in dem sich Moleküle eines bestimmten Stoffs auf Öl und Wasser verteilen, wird in der Chemie durch einen Verteilungskoeffizienten beschrieben. Ein Koeffizient von 1 drückt aus, dass ein Molekül eine ebenso große Vorliebe für Wasser wie für Öl hegt. Je höher der Koeffizient, desto lieber hält sich ein Molekül in Öl als in Wasser auf, bei einem Koeffizient von 1000 also tausendmal lieber. Liegt der Verteilungskoeffizient nur bei einem Bruchteil von 1, zeigt dies eine Vorliebe für Wasser an. Das „erdig-muffige“ Geosmin, ein wichtiges Molekül im Aromaprofil von Rote Bete, hat einen Verteilungskoeffizienten von 3700. Narangin schmeckt bitter und kommt in Orangenschalen vor. Es hat einen Verteilungskoeffizienten von 0,37 und hält sich damit fast dreimal lieber in Wasser als in Öl auf. Capsaicin, ein Molekül, das auf der Zunge einen scharfen bis brennenden Reiz verursacht, hat einen Verteilungskoeffizienten von 10 000. Das ist der Grund, weshalb Milch, Öl oder Sahneeis viel besser als Wasser helfen, eine von Chili brennende Zunge zu beruhigen.

OBERFLÄCHE Grundsätzlich gilt, dass Aromen besser freigesetzt werden, wenn wir unsere Zutaten sehr klein schneiden (und damit ihre Oberfläche vergrößern). Je größer die Oberfläche, desto besser können die Aromen entweichen und desto besser und schneller können sie auch eingefangen werden. Das spart Zeit, denn wir können die Kochzeit einer Bouillon verkürzen, wenn wir Gemüse und Fleisch fein würfeln. In unserer Pho Bo (vietnamesische Fleischbouillon, siehe Rezept auf Seite 109) setzen wir diese Idee in die Praxis um. Um die Vergrößerung von Oberfläche geht es auch beim Zerreiben und Zerstoßen von Kräutern und Gewürzen im Mörser, der Grundlage nahezu aller Currys, oder beim Pürieren von Suppen und Pestos. KAFFEEBUTTER Auch bei der Wasser-Öl-Extraktion spielt die Größe der Oberfläche eine Rolle. Wollen wir beispielsweise den Geschmack von Kaffee in Butter extrahieren, mischen wir heißen Kaffee mit geschmolzener, geklärter Butter, ähnlich wie bei der Hummerbutter, deren Zubereitung wir oben beschrieben haben. Werden Kaffee und Butter gut mit einem Stabmixer gemischt, verteilt sich die Butter in Tausenden winziger Tropfen im Kaffee. So vergrößern wir die Oberfläche und fördern das Übergehen von Kaffeearomen in die Butter. Nach dem Mixen lassen wir die Mischung ruhen; die geschmolzene Butter trennt sich nun vom Kaffee und steht in einer Schicht darüber. Sobald die Butter erstarrt ist, können wir sie abschöpfen und in Saucen, Eis und Gebäck verwenden. TEMPERATUR Bestimmt ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Sie das Aroma von Eis erst schmecken, wenn es im Mund schmilzt, und nicht, wenn es noch

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EXTRAKTIONSGESCHWINDIGKEIT UND TEMPERATUR Die Extraktionsgeschwindigkeit von Geschmacks- und Aromastoffen hängt von der Temperatur ab. Aromen aus Kräutern, Gemüse und Fleisch sind in den Zellen eingeschlossen. Beim Kochen werden die Zellen zerstört und die Aromen lösen sich im Wasser. Es gibt jedoch einen Höchstwert für die Extraktionstemperatur, denn zu große Hitze verändert das Aroma. Kräutern lassen sich gut in 80 °C heißem Öl extrahieren, ohne dass sich der Charakter ihrer Aromen allzu sehr verändert (Rezepte für Kräuteröl finden sich auf Seite 112). Sobald die Temperatur des Öles 100 °C übersteigt, beginnt das Wasser in den Kräutern zu kochen und es entweicht Wasserdampf. Eigentlich werden die Kräuter dann frittiert. Bei einer weiteren Temperaturerhöhung entstehen Bräunungsreaktionen. Dies wollen wir vermeiden, wenn es darum geht, das möglichst reine Aroma bestimmter Kräuter einzufangen. ZEIT Nicht nur Temperatur beeinflusst die Extraktionsgeschwindigkeit von Geschmacks- und Aromstoffen. Mit genügend Zeit lösen sich Aromen auch im Kühlschrank oder bei Zimmertemperatur, wie bei Rosmarin, der einige Wochen im Öl zieht. Die Zubereitungszeit bestimmt auch, wie die Kräuter und Gewürze beim Kochen verwendet werden. Bei einer schnellen Zubereitung, wie beim Pfannenrühren, entscheiden wir uns für fein geschnittene frische Kräuter, die kurz mitgebraten werden. Indem das Feinschneiden die Oberfläche vergrößert, landen die Aromamoleküle schneller im Essen. Bei einer langsameren Zubereitungsweise, wie bei einem Schmorgericht, haben Kräuter und Gewürze mehr Zeit, ihren Geschmack abzugeben. Für solche Zubereitungen eignen sich getrocknete Gewürze wie Pfefferkörner, Ingwer, Lorbeer, Piment und Wacholderbeeren sehr gut. Für einen frischen Geschmack im Schmorgericht fügen wir im letzten Moment noch fein gehackte Kräuter (Basilikum, Minze, Koriander, Petersilie) hinzu, deren Aromen sich schnell verflüchtigen. GETROCKNETE KRÄUTER Getrocknete Kräuter haben ihre sehr flüchtigen Aromen beim Trocknen verloren. Die weniger flüchtigen Moleküle halten sie recht gut fest. Getrocknete Kräuter müssen daher lange ziehen, um auch die letzten Aromen loszulassen. DRUCK Eine Druckerhöhung während der Extraktion von Aromen in Öl und/ oder Wasser beschleunigt die Freisetzung von Aromen. Im Sahnespender lassen sich daher blitzschnell Kräuteröle oder Essenzen herstellen (siehe Kapitel 14: Aufschäumen und Entgasen). Wird eine Gaspatrone in den Sahnespender eingelegt, steigt der Druck, nehmen die Pflanzenzellen Schaden und setzen Aromen frei. Auf Seite 113 beschreiben wir, wie man einen Kräuterbitter im Handumdrehen im Sahnespender herstellt.

Öl und Wasser

eiskalt ist. Die Geschwindigkeit, mit der Aromen aus Fett entweichen – in diesem Fall aus dem Butterfett der Sahne – nimmt nämlich mit steigender Temperatur zu. Die Aromen von Milcheis, wie Vanille, Erdbeere oder Schokolade, sind in diesem Fett gelöst. Solange das Fett erstarrt ist, wird das Aroma extrem langsam freigesetzt. Schmilzt das Fett, gibt dies der Aromaverflüchtigung einen wahren Schub.

Geschmack und Aroma

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MINZSORBET MIT MINZÖL

Dieses Sorbet wird mit ein wenig Minzaroma angereichert, das in Öl extrahiert wurde. Das Minzöl gibt sein Aroma langsam ab, wodurch der Minzgeschmack lange im Mund verbleibt. DESSERT, FÜR CA. 1,5 L EIS (10 PORTIONEN)

ZUBEREITUNGSZEIT

± 40 Minuten ± 30 Minuten EINFRIEREN ± 30-45 Minuten ABKÜHLEN

100 g Minzblätter 100 ml Sonnenblumenöl 250 g Zucker 2 Blätter Gelatine 30 ml Zitronensaft AUSSERDEM

Eismaschine

1 50 g Minzblätter mit dem Öl in die Küchenmaschine oder einen Mörser geben und zerkleinern. Die Minze mit dem Öl 15 Minuten in einem Stieltopf bei mittlerer Temperatur erhitzen, ohne sie zu heiß werden zu lassen. Abseihen, dabei mit einem Löffel das Öl aus der Minze drücken. 2 In einem Topf die restliche Minze mit 720 ml Wasser und dem Zucker zum Kochen bringen und den Minzsirup 15 Minuten bei schwacher Hitze ziehen lassen. Gelatineblätter in reichlich kaltem Wasser einweichen. 3 100 ml des heißen Minzsirups in die Küchenmaschine gießen und mit der Gelatine vermischen. Anschließend 50 ml Minzöl in einem dünnen Strahl zufügen. 4 Die Maschine auf höchster Stufe drehen lassen. Der Öl-Sirup-Mischung in der Maschine den restlichen Minzsirup und Zitronensaft zugießen. Auf Zimmertemperatur abkühlen lassen. 5 Den Mix in die Eismaschine geben und ein weiches Sorbet daraus rühren lassen.

109

VIETNAMESISCHE FLEISCHBOUILLON Pho Bo ist eine vietnamesische Suppe auf Grundlage einer kräftigen Rinderbouillon. Am schnellsten zieht die Bouillon mit möglichst fein geschnittenen Zutaten, denn damit wird die Oberfläche vergrößert und die Aromen können leichter ins Wasser abgegeben werden. EINTOPFGERICHT, 6 PORTIONEN

1 Rindfleisch fein würfeln, die Zwiebeln enthäuten und klein schneiden, den Ingwer fein raspeln. 2 Zimtstange, Sternanis, Pimentkugeln und Knoblauch im Mörser zerstoßen und mit dem Fleisch, der Zwiebel, Ingwer und Wasser zum Kochen bringen. Die Bouillon mindestens 1 Stunde mit (Wasser-)Deckel kochen lassen. Gerne auch länger, denn das intensiviert den Geschmack der Bouillon. 3 Die Bouillon durch ein feines Sieb abseihen und mit Fischsauce, Limettensaft und Zucker abschmecken. Das Schmorfleisch getrennt halten.

ZUBEREITUNGSZEIT

± 20 Minuten 2 Stunden

WARTEN

1 kg Rinderschmorfleisch 2 Zwiebeln 100 g frischer Ingwer 2 g schwarze Pfefferkörner 1 Zimtstange 1 Sternanis 2 Pimentkugeln 3 Knoblauchzehen 4-5 EL Fischsauce (nach Geschmack) Saft von 1 Limette 1 EL brauner Zucker (nach Geschmack) 250 g Reisnudeln, gekocht einige Zweige Minze 1 Bund Frühlingszwiebeln, in Ringen Minzblätter (optional)

4 Die Suppe in Schalen mit Reisnudeln, Schmorfleisch, Minze und feingehackten Frühlingszwiebeln servieren.

Öl und Wasser

PHO BO

Geschmack und Aroma

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Butterfett eignet sich hervorragend, um Kräuter oder Gewürze zu extrahieren. Oft empfiehlt sich, die Butter erst zu klären, wie bei Kaffeebutter. Bei Gewürzbutter hingegen ist wichtig, ungeklärte Butter zu verwenden, denn die Buttereiweiße werden benötigt, um Saucen zu emulgieren. Die Orangenbutter links auf dem Foto verwenden wir für Orangeneis (siehe Rezept auf Seite 115).

ESTRAGONBUTTER GRUNDLAGE FÜR SAUCEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 10 Minuten 1 Stunde

ABKÜHLEN

30 g frischer Estragon (Blättchen und Zweige) 175 g Butter

1 Butter und Estragon in einem Stieltopf bei mittlerer Temperatur erhitzen. Die Wärmezufuhr reduzieren, sobald die Butter geschmolzen ist, und den Estragon 10 Minuten in der Butter ziehen lassen. 2 Abseihen und die Butter auf Zimmertemperatur abkühlen lassen; dann in den Kühlschrank stellen, bis sie hart wird. AN W EN DUN G Estragonbutter eignet sich wunderbar zur Abrundung einer Tomatensauce oder zur Zubereitung einer Sauce béarnaise oder Sauce hollandaise.

KAFFEEBUTTER GRUNDLAGE FÜR SAUCEN UND GEBÄCK

ZUBEREITUNGSZEIT

± 10 Minuten 1 Stunde

ABKÜHLEN

200 g Butter 150 ml sehr starker Espresso

1 Die Butter erst klären. Dafür die Butter bei schwacher Hitze in einem Stieltopf schmelzen, bis eine hellgelbe Flüssigkeit (das Butterfett) mit weißem Schaum (die Buttereiweiße) entsteht. Butterfett vorsichtig durch ein feines Sieb in eine Schüssel abseihen. Die Schaumflocken dabei mit einem Löffel zurückhalten. 2 Die Butter in einem sauberen Topf erneut erhitzen und kurz aufsprudeln lassen, damit das restliche Wasser verdampft. In eine Schüssel gießen und abkühlen lassen. Geklärte Butter kann länger aufbewahrt werden als normale. 3 150 g geklärte Butter und Espresso in einen hohem Messbecher gut verquirlen. Stehen lassen, bis die flüssige Butter oben treibt. Vollständig abkühlen lassen und in den Kühlschrank stellen. Ist die Butter hart, kann sie abgeschöpft werden. Den Kaffee wegschütten, denn darin befinden sich kaum mehr Aromen. AN W EN DUN G Für ein subtiles Kaffeearoma in einer reduzierten Sauce von Rote Bete oder Knollensellerie, zum Aromatisieren von Muffins oder Rührkuchen oder als Basis einer Buttercreme.

Öl und Wasser

GEWÜRZBUTTER

Geschmack und Aroma

112

KRÄUTERÖL Öl eignet sich hervorragend zur Konservierung von Kräuteraromen. Das Verhältnis von 30 g auf 1,5 l (20 %) gilt für „zarte“ Kräuter wie Koriander, Petersilie und Kerbel. Für die etwas „kräftigeren“ Kräuter wie Thymian, Rosmarin, Salbei und Oregano reichen 15 g pro 1,5 l Öl (10 %) Das Erhitzen erhöht die Haltbarkeit und führt dazu, dass die Farbe schön grün bleibt. Nicht erhitztes Öl reagiert mit Sauerstoff und färbt sich graugrün. Zur Erhaltung der Aromen kann man Öl aus frischen Kräutern maximal 3 Tage in einer gut verschließbaren Flasche oder in einem Glas aufbewahren, um die Aromen zu erhalten. JE NACH ZUBEREITUNG WIRD BENÖTIGT:

Vakuumiergerät (optional), Vakuumbeutel (optional), Sous-vide-Garer (optional), Sahnespender (optional), Lachgaspatrone (optional)

traditionell 1 Für Basilikum-Öl 30 g frische Basilikumblättchen auf mittlerer Hitze in 50 ml Öl (4 EL) ziehen lassen, bis sich die Blättchen dunkelgrün färben (das dauert ungefähr 1 Minute). Dazu ein neutrales Öl verwenden, beispielsweise Traubenkernöl. Ein gutes Olivenöl geht auch, aber dann sollte der Geschmack des Öls die Kräuteraromen nicht übertönen. 2 Die Kräuterblättchen mit dem Öl in eine Küchenmaschine geben und zusammen mit weiteren 100 ml Öl pürieren. Das Öl über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen, auf Zimmertemperatur bringen, dann durch ein feines Sieb abseihen. ↑ Bei Kräuteröl, das länger aufbewahrt werden soll, müssen die frischen Kräuter zuvor im Backofen bei 60 bis 100 °C trocknen. Natürlich kann man auch gleich getrocknete Kräuter verwenden. Die getrockneten Kräuter anschließend einige Wochen in einer geschlossenen Flasche in Öl ziehen lassen.

kräuteröl sous vide Aromen von Kräutern und Gewürzen können auch sous vide in Öl ziehen. Ein großer Vorteil dieser Methode ist, dass die Aromen nicht in die Luft entweichen können. Dafür nehmen wir dieselben Kräuter- oder Gewürzmengen pro Ölmenge wie oben beschrieben. Zusammen in einen Vakuumbeutel geben und vakuumieren. Das Öl mit den Kräutern sous vide ungefähr 1 Stunde bei 80 °C erhitzen. Abseihen und abkühlen lassen.

kräuteröl aus dem Sahnespender Noch schneller funktioniert die Extraktion der Aromen von Kräutern und Gewürzen in einem Sahnespender. Dafür dieselben Mengen wie oben verwenden und Kräuter und Gewürze mit dem Öl in einen Sahnespender geben. Eine Lachgaspatrone einlegen und kräftig schütteln. Den Sahnespender aufrecht stellen und ein Tuch über die Spritze halten, dann vorsichtig den Druck ablassen. Dabei darauf achten, dass nur das Gas entweicht und nicht der Inhalt herausspritzt. Sahnespender öffnen und das Öl durch ein feines Sieb oder ein Käsetuch abseihen.

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AUS DEM SAHNESPENDER Der Sahnespender ist ein ideales Instrument für die Herstellung schneller Infusionen (Extraktionen). Wird der in der Flasche aufgebaute Druck abgelassen, kommt es zu einer Beschädigung der Zellwände der Kräuter, Gewürze oder anderen pflanzlichen Zutaten, die für die Infusion verwendet werden. Dadurch geben sie ihre Aromen effizient an das Medium ab, das für die Infusion benötigt wird (Öl, Wasser, Alkohol, Essig etc.). FÜR 500 ML

ZUBEREITUNGSZEIT

± 10 Minuten 500 ml Genever (Wacholderbranntwein) Abrieb von ½ Zitrone (unbehandelt) Abrieb von ½ Orange (unbehandelt) 1 Sternanis, zerstoßen 1 TL Koriandersamen, zerstoßen 4 Wacholderbeeren, zerstoßen 4 Kardamomkapseln, zerstoßen 1 Thymianzweig 2 Lorbeerblätter 1 EL Zucker Sahnespender, Lachgaspatrone

AUSSERDEM

1 Alle Zutaten in den Sahnespender geben. Eine Lachgaspatrone einlegen und gut schütteln. 2 Den Sahnespender aufrecht hinstellen und ein doppelt gefaltetes Tuch auf die Spritze legen. Langsam den Druck aus der Flasche ablassen. Dabei darauf achten, dass nur das Gas entweicht und nicht der Inhalt herausspritzt. 3 Den Spender öffnen und den Inhalt mit einem feinen Sieb oder ausgewaschenen Käsetuch abseihen.

Öl und Wasser

KRÄUTERBITTER

Geschmack und Aroma

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AUF ORANGENBUTTER-BASIS Für dieses Orangeneis aromatisieren wir zunächst Butter mit Orangenschalen. Die Orangenbutter fungiert zugleich als Emulgator, weshalb dem Mix kein weiteres Fett zufügt werden muss.

1 Die Orange mit einem Sparschäler schälen. Die Schalen grob hacken und im Mörser feinreiben, bis Flüssigkeit austritt. ↑ In vielen Rezepten mit Orangenschale steht, man solle nur den orangefarbenen Teil der Schale verwenden. Der weiße Teil ist nämlich bitter. Das stimmt, aber für dieses Rezept ist der Hinweis nicht relevant, da die Schalen in geklärter Butter extrahiert werden, aus der das Wasser verdampft ist. Die Bitterstoffe sind wasserlöslich und geben ihren Geschmack daher nicht an die geklärte Butter ab.

FÜR 1 L EIS (CA. 10 KUGELN)

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten ABKÜHLEN 1 Stunde EISMAS C HINE ± 1 Stunde 2 Orangen 150 g geklärte Butter* 500 ml Milch 200 g Zucker 2 Blätter Gelatine 5 Eigelb AUSSERDEM

Eismaschine

* Wie man Butter klärt, wird in Schritt 1 des Rezepts für Kaffeebutter (siehe Seite 111) beschrieben.

2 Die Schale mit der Butter in einen Topf geben und bei schwacher Hitze 15 Minuten ziehen lassen. Orangenbutter durch ein feines Sieb abseihen. 3 Die Milch mit dem Zucker zum Kochen bringen. Ab und zu rühren, damit sich der Zucker auflöst. Gelatine 5 Minuten in reichlich kaltem Wasser einweichen und in der süßen Milch auflösen. 4 Das Eigelb in der Küchenmaschine verquirlen und die Orangenbutter in einem dünnen Strahl zugießen, bis alle Butter aufgenommen wurde. Die Milch erneut zum Kochen bringen und möglichst heiß in einem dünnen Strahl in die Küchenmaschine gießen und mit Butter und Ei mischen. Die Milch muss kochend heiß sein, damit der Mix eine ausreichend hohe Temperatur erreicht, um Salmonellen abzutöten. 5 Den Mix zunächst auf Zimmertemperatur, dann im Kühlschrank abkühlen lassen. Anschließend in der Eismaschine in etwa 30 Minuten gefrieren.

Öl und Wasser

ORANGENEIS

Geschmack und Aroma

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APFELPÂTÉ Fett und Öl sind ideale Träger für Aromamoleküle (siehe Kapitel 6: Öl und Wasser). Darum garen wir den Speck mit Apfel, Zwiebel und Lorbeer, damit das Fett die Aromen absorbieren kann. Dieses Prinzip lässt sich bei allen fettlöslichen Aromen anwenden.

1 Schweinsbäckchen in 5 cm große Stücke schneiden. Äpfel einschließlich Schale und Gehäuse zerteilen.

VORSPEISE, 12 PORTIONEN

↑ Durch die Abdeckung des Topfes mit einem kühlen Wasserdeckel kon-

ZUBEREITUNGSZEIT

± 3 ½ Stunden 500 g Schweinebäckchen (oder durchwachsener Nackenspeck) 5 Äpfel 3 Zwiebeln, in Ringen 2 Lorbeerblätter 200 ml Weißwein 500 g sehr frische Schweineleber 500 g Hackfleisch, halb und halb 15 g Nitritpökelsalz* 5 g Pâtékräuter (z. B. Kräuter der Provence) 3 Eier 200 g Katenspeck, geschnitten Topf mit Wasserdeckel (siehe S. 90), 1,5-Liter-Pâtéform (eventuell mit Druckdeckel), Alufolie, Kernthermometer

AUSSERDEM

* Einfaches Kochsalz tut es auch, aber dann wird die Pâté grau. Pökelsalz sorgt für die vertraute rosa Farbe und verlängert die Haltbarkeit.

2 Speck mit Äpfeln, Zwiebeln, Lorbeer und Weißwein bei sehr schwacher Hitze in einem Topf erhitzen. Den Topf mit einem Wasserdeckel abdecken. Der Speck darf sich jetzt 1 ½ Stunden lang mit den Aromen von Äpfeln, Lorbeer, Zwiebeln und Wein „vollsaugen“. Die Mischung soll dabei nicht kochen. Die Speckstücke aus dem Topf nehmen, in einem Sieb abtropfen und vollständig abkühlen lassen.

densieren Wasser und die verdunstenden Aromen am Deckel und tropfen in den Topf zurück. So wird verhindert, dass sich große Mengen Aroma verflüchtigen. Als Wasserdeckel kann man eine passende Schüssel aus Edelstahl oder Glas verwenden und sie mit einer dünnen Schicht Wasser füllen.

3 Leber in eine Küchenmaschine geben und zu einer sehr feinen, dünnen Paste pürieren. Je feiner die Paste, desto besser ist die Bindung der Pâté. Speckstücke zugeben und ebenfalls fein pürieren. Die Lebermischung in eine große Schüssel umfüllen, Hackfleisch, Nitritpökelsalz, Kräuter und Eier zufügen und alles gründlich zu einer steifen, sehr klebrigen Masse vermischen. 4 Ein Stück Aluminiumfolie abmessen, das groß genug ist, um die Pâtéform ganz auszukleiden und oben zu bedecken. Die Folie flach auf die Arbeitsfläche legen und komplett mit Katenspeckscheiben belegen. Die Folie mit Katenspeck in die Form legen, den Katenspeck an der Innenseite halten und die Enden über den Rand der Form hängen lassen, um die Pâté damit abzudecken. 5 Backofen auf 150 °C erhitzen. Die Pâtémischung in die Form füllen und fest andrücken. Die Pâté mit dem überhängenden Katenspeck und der Aluminiumfolie abdecken. Die Form in einen Behälter mit etwa 60 °C heißem Wasser (aus dem Warmwasserhahn) stellen. Den Behälter füllen, bis die Form zu Dreivierteln im Wasser steht.

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↑ Eine Pâté darf nicht zu heiß werden; bei 68 °C ist das Fleisch gar, verliert aber noch nicht zu viel Flüssigkeit (siehe Kapitel 12: Tränken und Entziehen). Eine bis 100 °C erhitzte Pâté wird zu einem gummiartigen Ball, weil sie zusammenschrumpft.

7 Pâté aus dem Backofen nehmen und mit einem Deckel unter Druck setzen*, um die Flüssigkeit auszupressen. Pâté in der Form abkühlen lassen und vor dem Servieren am besten zwei Tage ruhen lassen. * Pâté lässt sich auch gut in einer Terrinen- oder Brotform zubereiten. Dann ein Gewicht statt eines Deckel verwenden, beispielsweise eine Milchpackung oder einen passenden Ziegelstein, eingepackt in Aluminium- oder Frischhaltefolie.

Öl und Wasser

6 Wasserbehälter mit Pâtéform in den Ofen stellen. Einen Gitterrost über der Pâté einschieben, das Kernthermometer einhängen und so weit hineinschieben, dass sich seine Spitze in der Mitte der Pâté befindet. Pâté in 1 ½ Stunden bis zu einer Kerntemperatur von 68 °C garen.

119 Aroma und Stärke

KAPITEL 7

AROMA UND STÄRKE EINE GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFT → BUTTERBROTE ALS GERUCHSVERNICHTER → WARUM BEI LANGEM KAUEN VON PAELLA DER GENUSS STEIGT → VORSICHT MIT SAUCENBINDERN, NUR ZU LEICHT RAUBEN SIE GERICHTEN DAS AROMA

→ KARTOFFELN UND GEMÜSE GETRENNT KOCHEN – SO SCHMECKT DER EINTOPF AM BESTEN → IN RISOTTO SOLLTE WEISSWEIN NIE FEHLEN

Geschmack und Aroma

120 Wir fallen gleich mit der Tür ins Haus: Aroma, einer der wichtigsten Faktoren für den kulinarischen Genuss, und Stärke, eine der häufigsten Zutaten überhaupt, passen nicht gut zusammen. Trotzdem gibt es eine unendliche Zahl von Gerichten, bei denen genau dies kombiniert wird, wie Chili con carne, Risotto, Paella, gebundene Saucen oder Eintopf. Die Stärke aus Bohnen, Reis, Saucenbindern und Kartoffeln bindet die flüchtigen Aromen von Kräutern, Gewürzen und anderen aromatisierenden Zutaten. Das ist schade, denn gerade sie machen ein Gericht zum Genuss. Von dieser dangerous liaison, die gefährliche Liebschaft zwischen Stärke und flüchtigen Aromen, zu wissen, hilft uns beim Kochen auf vielfältige Weise. Ganz unbekannt ist diese Stärke-Aroma-Interaktion nicht: Viele kennen von klein auf den Trick, eine Scheibe Brot ins Kochwasser von Kohl zu geben. Sofort verschwinden die unangenehmen Kochgerüche. In diesem Kapitel erklären wir, wie diese Interaktionen entstehen und wie wir ihre negativen Effekte minimieren können.

DIE STÄRKE-AROMA-INTERAKTION Saucen mit Stärke zu binden ist in den letzten Jahrzehnten nicht mehr angesagt, ganz sicher nicht in der Sterneküche. Das ist nicht so erstaunlich, denn: Je stärker das Bindemittel, desto mehr Aromen werden im Gericht „festgehalten“, statt sich beim Essen zu entfalten. Wie aber bindet Stärke flüchtige Aromen? Das hängt mit der Struktur der langkettigen Stärkemoleküle und ihrer Anziehungskraft auf Wasser zusammen. Stärkeketten bestehen aus hydrophilen (wasseranziehenden) und hydrophoben (wasserabstoßenden) Bausteinen. Die hydrophilen Teile sorgen dafür, dass Stärke wasserlöslich ist. Gleichzeitig wollen die hydrophoben Molekülbestandteile möglichst wenig mit Wasser zu tun haben. Das Stärkemolekül nimmt dadurch die Form einer Helix an – mit den wasserliebenden Stärkegruppen außen und den wasserabstoßenden innen. Aromamoleküle lösen sich gut in Öl und Fett. Die hydrophobe Innenseite der Helix bietet den Aromamolekülen also ein ideales Nest.

WIE STÄRKE DAS AROMA NICHT ERSTICKT In Fett gelöste Aromastoffe können sich leichter wieder verflüchtigen als durch Stärke gebundene – darin besteht der entscheidende Unterschied. Beim Kauen werden in Fett gelöste Aromen freigesetzt, erreichen über den Rachenraum unser Geruchsorgan und tragen so zum Genuss bei. Aromen, die in der Stärkehelix gefangen wurden, werden erst nach langem Kauen freigesetzt. Der größte Teil von ihnen verschwindet, ohne wahrgenommen worden zu sein, im Magen. Stärke hält flüchtige Aromen also zu fest, während Fett ein ideales Medium ist, das Aromen speichern und lösen kann. Mehr dazu findet sich in Kapitel 6: Öl und Wasser. DIE ERSTICKENDE UMARMUNG Warum sind Paella und Risotto trotzdem so aromatisch? Das erklärt sich so: In den Stärkekörnern von Pflanzen gibt es zwei Arten von Stärke. Amylose, bestehend aus langen kettenförmige Molekülen, und Amylopektin, dessen Moleküle stark verzweigt sind. Aufgrund dieser Strukturverschiedenheit bildet sich die aromabindende Helix bei Amylosemolkülen leichter, während das weniger flexible Amylopektin Aromen seltener in einer erstickenden Umarmung festhält. Zwar enthalten stärkereiche

121

Kartoffeln, Bohnen und Getreide enthalten relativ viel Amylose. Damit diese möglichst wenig Aromen bindet, kann man das Gemüse für einen Eintopf in einem anderen Topf als die Kartoffeln kochen (wie beim Grünkohleintopf-Rezept auf Seite 127).

AMYLOPEKTIN

AMYLOSE

eingeschlossenes Aromamolekül

Erhitzen

Verzweigte Amylopektin- und kettenförmige Amylosemoleküle: Letztere nehmen leichter die Form einer Helix an, die kleinere Aromamoleküle umschließt.

EINTOPF AUS ZWEI TÖPFEN

Jan ist aus beruflichen Gründen häufig in China. Dort wird er oft nach „typical Dutch food“ gefragt. Was er dann – mit einer gewissen Scham – nennt: Eintopf. Ein Gericht, das an Komplexität und Geschmack nicht mit der chinesischen Küche zu vergleichen ist. Chinesen sind erstaunt, wenn er erläutert, dass es sich dabei um gekochte und zerstampfte Kartoffeln handelt, gemischt mit gekochtem Gemüse. Über die chinesische Küche lässt sich bedeutend mehr erzählen. In unseren Breiten fördert ein Gespräch über Eintopf jedoch durchaus interessante Informationen zutage. Fast jeder hat zu Hause gelernt, wie man es zubereitet. Mal wird das Gemüse mit den Kartoffeln in einem Topf gekocht, mal lieber getrennt in zwei Töpfen. Für beides gibt es Gründe. Kartoffeln und Gemüse kommen gleichzeitig in den Topf, „weil die Aromen dann besser miteinander verschmelzen“ und „man weniger Abwasch hat“. Der Grund, sie getrennt zu kochen, lautet: „Weil meine Mutter das so gemacht hat“, oder: „Weil Gemüse weniger lang kochen muss als Kartoffeln“. Die Interaktion zwischen Stärke und Aromastoffen aber erklärt, warum Eintopf aus zwei Töpfen einfach besser schmeckt.

Aroma und Stärke

Lebensmittel wie Reis, Getreide, Samen und Bohnen beide Stärkearten, jedoch in unterschiedlichem Verhältnis. Weichkochender Rundkornreis etwa enthält viel Amylopektin und weniger Amylase. Bei Langkornreis ist es genau umgekehrt. Die Wahl der Reissorte bestimmt also, wie stark Aromen gebunden werden. Risotto und Paella wird mit Reis zubereitet, der weniger Amylose enthält und sich daher besser mit flüchtigen Aromen aus Kräutern, Gewürzen und anderen Zutaten kombinieren lässt. Zudem klebt er aufgrund des hochen Amylopektinanteils besser und verleiht so Paella und Risotto eine schmeichelnde Textur.

Geschmack und Aroma

122 TEMPERATUR Temperatur spielt eine wichtige Rolle bei der fatalen Umarmung, mit der wir uns in diesem Kapitel beschäftigen. In ungekochter Form (wie bei Mehl oder Kartoffeln) ist die Stärke in den pflanzlichen Stärkekörnern dicht zusammengepackt. Diese Körner können viel Feuchtigkeit aufnehmen und quellen. Bei einer Temperatur von 65 °C verläuft dieser Prozess in hoher Geschwindigkeit. Die Feuchtigkeitsaufnahme geht mit der Freisetzung von Amyloseketten einher. Sobald sie frei durch das Wasser „schweben“, bilden sie eine Helix, die Aromamoleküle einfängt. Sinkt die Temperatur unter 65 °C, kleben die Amyloseketten wieder zusammen und die Aromabindung wird geringer. Bei Chili con carne beispielsweise (siehe Rezept auf Seite 126) lässt sich dies auf folgende Weise optimal nutzen: Die Bohnen garen und die Sauce getrennt zubereiten. Die Hälfte der Sauce mit den Bohnen mischen, damit schon ein wenig Geschmack auf die Bohnen übergeht. Den Topf vom Herd nehmen. Wenn die Temperatur bei 60 °C liegt, die restliche Sauce zufügen. ZEIT Die Zeit, die Amylose benötigt, um sich zu lösen, bestimmt die Kochdauer von stärkehaltigem Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchten. Je länger die Stärkeketten sind und je dichter sie in den Stärkekörnern liegen, desto langsamer löst sich die Amylose. Deshalb müssen Bohnen länger kochen als Kartoffeln. Dass die Stärke Aromen bindet, geht in jedem Fall mit dem Garwerden einher. Stärkehaltige Zutaten sollten daher nie länger als nötig zusammen mit Gewürzen, Kräutern und anderen aromatischen Zutaten gekocht, sondern erst am Schluss zugefügt werden, wie im Rezept für Dal auf Seite 125 oder bei der traditionellen Zubereitung von Safranreis im Iran: Hier wird der Safran erst im Mörser zerstoßen und eingeweicht, bevor er kurz vor dem Servieren unter den teilweise abgekühlten Reis gerührt wird. GUT KAUEN Das letzte Mittel, doch noch ein paar Aromen aus einem stärkehaltigen Gericht zu retten, ist der eigene Speichel. Dieser enthält das Enzym Amylase, das die Amylaseketten spalten und so das darin gefangene Aroma freisetzen kann. Doch muss man recht lange kauen, um einen gewissen Effekt zu erzielen. Statt endlos zu kauen, verlassen wir uns lieber auf die in diesem Kapitel vorgestellten Tricks! ZUSAMMENSETZUNG Es gibt drei wichtige Zutaten, die die Wirkung von Stärke auf das Aroma beeinflussen: Wasser, Alkohol und Öl oder Fett. JE WENIGER FLÜSSIGKEIT, DESTO MEHR AROMA Stärke löst sich nur dann gut, wenn ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Frische stärkereiche Zutaten wie Kartoffeln, Süßkartoffeln oder Sojabohnen enthalten an sich schon genügend Flüssigkeit, um garen zu können. Schließlich kann man sie ja auch im Ofen zubereiten. Aber getrocknete Hülsenfrüchte, Reis und Getreide brauchen zusätzliches Wasser, damit sich die Stärke lösen kann. Hülsenfrüchte sollten sogar erst eingeweicht werden, damit sie Wasser resorbieren können. Dann erst steht ausreichend Wasser zum Lösen der Stärke zur Verfügung. Auch bei manchen Reissorten und Linsen empfiehlt es sich, sie vor dem Kochen kurz einzuweichen. Aber man sollte es auch nicht übertreiben. Je mehr Wasser zur Verfügung steht, desto weiter entfaltet sich – lässt man ihr genug Zeit – die Amylose. Trocken gekochter Reis ist

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ALKOHOL ALS ABLENKUNG Amylosemoleküle lassen sich durch Alkohol in die Irre führen – das ist eine weitere clevere Methode, Aromaverlusten entgegenzuwirken. Alkoholmoleküle nehmen in der Amylosehelix den Platz der Aromen ein, die wir nicht gefangen gesetzt sehen wollen. Alkohol ist selbst ein Aroma, aber weil seine Aromaschwelle (die Menge an Molekülen, die man braucht, um ein Aroma wahrnehmen zu können) hoch ist, nehmen wir eine kleine Menge davon in einer Speise kaum wahr. Zudem bleiben die Alkoholmoleküle in der Stärke „stecken“. Wie so oft beim Kochen kommt diese Theorie in der Praxis längst zur Anwendung. Nicht umsonst gehört Weißwein zu den Zutaten eines Risottos (siehe Rezept auf Seite 270). Alkohol und Stärke gehen eine Bindung ein, und die köstlichen Aromen von Safran, Oregano oder Pilzen können sich entfalten. FETT SIEGT MANCHMAL ÜBER STÄRKE Zu den Zutaten vieler stärkehaltiger Gerichte gehören Fette, etwa Olivenöl in Paella oder Butter in einem Eintopfgericht. Wie entscheiden sich die Aromamoleküle in einem solchen Fall? Für die Stärke oder für das Fett? Zwar übertrifft die Bindung durch Stärke jene durch Fett. Doch lassen sich die Aromamoleküle nicht völlig von der Stärke „einwickeln“, das Fett macht ihr durchaus Konkurrenz. Je mehr Fett oder Öl sich in einem Gericht befindet, desto mehr büßt die Stärke an Bindekraft ein. Ein guter Grund, großzügig Butter in den Eintopf zu geben oder, noch besser, Olivenöl. Mehr Aroma durch Olivenöl Olivenöl enthält viele freie Fettsäuren. Dadurch eignet es sich besser dazu, den Amyloseketten etwas entgegenzusetzten, als andere Fette. Freie Fettsäuren entstehen durch die Spaltung von Fettmolekülen in kleinere Teile. Weil Fettsäuremoleküle kleiner sind als die von Fett, aber genauso hydrophob, passen sie besser in die Amylosehelix. Dadurch können sie wie die Alkoholmoleküle den Platz der Aromen in der Amylosehelix besetzen. Die Aromabindung wird dann schwächer. Das könnte durchaus auch der Grund sein, weshalb wir so große Fans der mediterranen Küche sind. Beurre manié Ein schönes Beispiel, bei dem Fett und Stärke beim Kochen zusammenarbeiten, ist Beurre manié. Ein praktisches Rettungsmittel für Saucen oder Eintöpfe, die zu dünn geraten sind. Für Beurre manié mischt man kalte Butter und Mehl zu gleichen Teilen. Gibt man nun ein wenig Beurre manié an eine Sauce, schmilzt die Butter und das Mehl verteilt sich gleichmäßig im Gericht. Das führt zu einem glatten Resultat ohne Klümpchen (trotzdem gut rühren!), und die Butter wirkt dem Aromaverlust entgegegen, den die Stärke mit sich bringt. Dieses Ergebnis lässt sich mit einer nachträglichen Bindung der Sauce mit einem Stärkebrei nicht erzielen.

Aroma und Stärke

daher aromatischer als derselbe Reis, der in reichlich Wasser gegart wurde. Dasselbe gilt für Kartoffeln – eigentlich reicht es, wenn der Boden gerade so von Wasser bedeckt ist. Auch Paella und Risotto sind am aromatischsten, wenn sie mit der exakt ausreichenden Flüssigkeit gekocht werden und nicht in Bouillon schwimmen. Die Regel hier lautet also: Je weniger Flüssigkeit, desto mehr Aroma.

Geschmack und Aroma

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Dal ist ein stärkehaltiges Gericht, das in Indien sehr beliebt ist. Einen Teil der Gewürze fügen wir erst zum Schluss zu, um zu verhindern, dass ihre Aromen von Amyloseketten eingefangen werden. VORSPEISE ODER BEILAGE, 8 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 20 Minuten BOHNEN KOC HEN

1 ½ Stunden

350 g Mung Dal (halbierte Mungbohnen) 2 l Gemüsebouillon 1 TL Backsoda 1 EL Honig oder Agavensirup 4 Knoblauchzehen, gehackt 4 cm frischer Ingwer, gerieben 1 EL Kurkuma 2 EL Ghee oder Erdnussöl 2 Schalotten, geschnitten 1 EL Kreuzkümmelsamen 2 EL Senfsamen Frischer Koriander, gehackt 1 TL Peperoni, fein gehackt

1 Bohnen abspülen, bis das Wasser klar bleibt, abgießen und in einen großen Topf geben. Bouillon, Backsoda, Agavensirup, Knoblauch, Ingwer und Kurkuma zufügen und zum Kochen bringen. 1 ½ Stunden köcheln lassen und den Schaum an der Oberfläche mit einem Schaumlöffel entfernen. Die Bohnen sind gut, wenn sie vollständig zerfallen sind und eine cremige Textur haben. Eventuell ein wenig kochendes Wasser zugeben, wenn das Dal zu dick wird und sich am Topfboden festzusetzen droht. 2 Ghee in einem großen Topf erhitzen und die Schalotten bei mäßiger Hitze anschwitzen, bis sie bräunen. Kreuzkümmelund Senfkörner zufügen und alles einige Minuten braten, bis die Senfkörner aufspringen. ↑ Die Mischung aus gebratenen Schalotten und Gewürzen wird getrennt zubereitet, um zu verhindern, dass die freiwerdenden Aromen von den Amyloseketten aus den stärkereichen Mungbohnen gebunden werden.

3 Dal in Schalen mit der Schalottenmischung und frischem Koriander servieren. Nach Geschmack mit fein gehackter Peperoni Schärfe zufügen.

TIPP: Im Schnellkochtopf sind die Mungbohnen schneller gar und bekommen einen intensiveren Geschmack, vor allem, wenn man sie mit einen Löffel Ghee, ein wenig Zucker und einer Prise Backsoda kocht. Damit dreht man an den Knöpfen, mit denen die Maillard-Reaktionen beschleunigt werden. Außerdem macht das basische Backsoda die Bohnen weicher. Soll Ihr Dal noch besser schmecken? Dann lassen Sie es ein paar Tage im Kühlschrank „reifen“!

Aroma und Stärke

HERZHAFTES DAL

Geschmack und Aroma

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CHILI CON CARNE Über 65 °C nimmt Stärke Flüssigkeit auf und die berüchtigten Amyloseketten werden freigesetzt: Aromamoleküle werden eingefangen. Sinkt die Temperatur unter 65 °C, verkleben die Amyloseketten wieder, die Aromabindung wird geringer. Daher bereiten wir Bohnen und Sauce getrennt zu. HAUPTGERICHT, 4 -6 PORTIONEN

WARTEZEIT

über Nacht

ZUBEREITUNGSZEIT

± 25 Minuten S C HMO RZEIT ± 1 ½ Stunden 250 g schwarze Bohnen (oder 500 g abgetropfte gekochte Bohnen) 2 Lorbeerblätter 1 Prise Pfeffer 2 Zwiebeln 1 Knoblauchzehe 2 TL Koriandersamen 2 TL Kreuzkümmelsamen 1 EL getrockneter Oregano 2 TL Paprikapulver (1 TL geräuchertes, 1 TL edelsüßes) 3 getrocknete rote Chilischoten (Piri Piri) 2 EL Öl 500 g durchwachsene Rippe 1 EL Honig 1 TL Backsoda 1 rote Paprika 1 grüne Paprika 100 ml Rinderfond ½ Brühwürfel Rinderbouillon 1 Dose Tomaten, in Stücken (400 g) oder 400 g frische reife Tomaten, in Stücken AUSSERDEM

Schnellkochtopf

1 Bohnen über Nacht in reichlich Wasser einweichen. Abgießen und mit viel Wasser in einem Topf aufsetzen. Lorbeerblätter und ein wenig Pfeffer zugeben und zum Kochen bringen. Die Hitze etwas reduzieren, damit die Bohnen ruhig kochen. Den Schaum von der Oberfläche entfernen und die Bohnen in etwa 1 Stunde gar kochen. Statt der selbst gekochten Bohnen können für dieses Gericht auch 500 g abgetropfte gekochte schwarze Bohnen aus der Dose verwendet werden. 2 Zwiebel und Knoblauch häuten und fein schneiden. Paprika in Streifen, das Fleisch in 3 cm große Würfel schneiden. 3 Koriandersamen, Kreuzkümmelsamen, Oregano, Paprikapulver und rote Chili in einem Mörser (oder einer Kaffeemühle) pulverisieren. 4 Das Öl in einer Bratpfanne erhitzen und das Fleisch 5 Minuten anbraten, bis das Fleisch zu bräunen beginnt. Honig und Backsoda zufügen und eine Minute mitbraten. Zwiebeln, Knoblauch, Paprika und Gewürze zugeben und alles zusammen bei hoher Hitze 3 Minuten scharf anbraten. 5 Alles in einen Schnellkochtopf geben. Die Bratpfanne mit dem Fond ablöschen, das Angebratene damit lösen und die Flüssigkeit zuammen mit dem Brühwürfel zum Gericht in den Schnellkochtopf geben. Den Topf unter Druck setzen und 45 Minuten kochen lassen. Den Herd ausschalten und den Topf ca. 15 Minuten abkühlen lassen, bis der Druck gesunken ist und der Topf geöffnet werden kann. 6 Die Tomaten in ein wenig Öl anbraten und mit der Hälfte der gekochten Bohnen mischen. Das Gericht auf 65 °C abkühlen lassen und die restlichen Bohnen unterheben.

SERVIERTIPP: Das Chili in einer warmen Tortilla mit geriebenem Käse, Koriander, Frühlingszwiebeln und Crème fraîche servieren.

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In Kartoffeln steckt jede Menge Stärke. Um das maximale Aroma des Grünkohls zu erhalten, muss der Kohl getrennt von den Kartoffeln gekocht werden. Noch besser ist es, den Kohl in Butter zu schmoren, weil diese ein guter Aromaträger ist (siehe Kapitel 6: Öl und Wasser). Außerdem wird Butter sowieso für den Kartoffelbrei des Eintopfs benötigt. HAUPTGERICHT, 4 -6 PORTIONEN

1 Grünkohlblätter von den Nerven abstreifen. Die Blätter in reichlich Wasser waschen, in einem Sieb abtropfen lassen und in kleine Stücke schneiden. 2 Butter in einem Suppentopf schmelzen und den Grünkohl in den Topf geben. Den Deckel auf den Topf legen und den Grünkohl in etwa 30 Minuten garen, dabei hin und wieder umrühren. Der Kohl soll schön gar und weich sein. 3 Unterdessen die Kartoffeln in wenig Wasser mit Salz kochen (sie müssen nicht ganz unter Wasser stehen, aber dann bitte einen Deckel auflegen). Die Kartoffeln abgießen und kurz bei schwacher Hitze trocken kochen. Kartoffeln mit einem Kartoffelstampfer pürieren oder mit einem Kochlöffel durch ein stabiles Standsieb passieren.

ZUBEREITUNGSZEIT

± 40 Minuten 1 kg Grünkohl vom Strunk (oder 600 g gewaschener und geschnittener Kohl) 100 g Butter 1 kg mehlig kochende Kartoffeln, geschält 300 ml Milch (3,5 % Fett) ein Hauch Muskatnuss 1 Rauchwurst (oder 4 Pinkel- oder geräucherte Mettwürste) geräucherte Speckwürfel, ausgelassen Gewürzgurken, Piccalilly, Silberzwiebeln Kartoffelstampfer oder Standsieb

AUSSERDEM

4 Die Milch in einem kleinen Topf zum Kochen bringen und in das heiße Püree rühren (je heißer die Kartoffeln sind, desto mehr Flüssigkeit nehmen sie noch auf). Anschließend den Kohl zugeben und das Gericht mit Muskatnuss, Salz und eventuell etwas Pfeffer abschmecken. 5 Mit Rauchwurst, ausgelassenem Speck, Gewürzgurken, Piccalilly und Silberzwiebeln servieren.

Aroma und Stärke

GRÜNKOHLEINTOPF

Geschmack und Aroma

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MIT OLIVENÖL, SALBEI UND PILZEN Die Bindung, die Aromen mit Stärke eingehen, ist enger als die mit Fett. Theoretisch wird sich ein Aromamolekül also von der Stärke „einwickeln“ lassen. Fett macht ihr jedoch Konkurrenz. Je mehr Fett in einem Gericht ist, desto mehr Aroma wird vor dem Zugriff der Stärke gerettet. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn dazu Olivenöl verwendet wird, in dem sich freie Fettsäuren befinden. Diese können die Aromabindekraft der Stärke verringern. Ein guter Grund, großzügig Olivenöl (oder Butter) in Risotto oder Polenta zu verwenden. HAUPTGERICHT, 4 -6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 1 Stunde 1 Fenchelknolle 25 g Salbeizweige 500 ml Milch 500 ml Hühnerbouillon 150 g Maisgries 100 ml mildes natives Olivenöl extra 100 g Parmesan 500 g gemischte Pilze 50 g Butter (oder Ghee) Salz, nach Geschmack Pfeffer, nach Geschmack Muskatnuss, frisch gerieben

1 Fenchelknolle in kleine Stücke schneiden. Die Salbeiblättchen von den Zweigen zupfen. 2 In einem Topf Milch und Bouillon mit den Salbeiblättchen und Fenchelstücken zum Kochen bringen. 15 Minuten bei schwacher Hitze ziehen lassen. Bouillon abseihen und erneut zum Kochen bringen. 3 Maisgries langsam in die Bouillon rühren. Dazu am besten einen Schneebesen verwenden, denn es können sich schnell Klümpchen bilden. Weiterrühren, bis ein glatter Brei entsteht. 4 Polenta 45 Minuten bei schwacher Hitze und aufgelegtem Deckel garen. Regelmäßig umrühren, damit der Maisbrei nicht am Topfboden haften bleibt. Man kann die Polenta auch vakuumieren und 1 Stunde bei 85 °C in einem Sousvide-Garer zubereiten. 5 Unterdessen bei geringer Hitze Olivenöl mit Salbeiblättchen erhitzen und 15 Minuten ziehen lassen, dann abseihen. Das Salbei-Öl beiseitestellen, die Blättchen auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen und bei 150 °C für 15 Minuten in den Backofen schieben. 6 Die Polenta vom Herd nehmen und das warme Salbei-Öl mit dem Parmesan unterziehen. 7 Pilze in der Butter braten, bis sie Farbe annehmen. Mit ein wenig Salz und Pfeffer abschmecken und mit der Polenta servieren. 8 Ein wenig Muskatnuss frisch darüber reiben.

Aroma und Stärke

POLENTA

131 Was die Zunge schmeckt

KAPITEL 8

WAS DIE ZUNGE SCHMECKT SO VIEL MEHR ALS SALZIG, SAUER, SÜSS UND BITTER → EINE LECKERE SAUCE, DIE WEDER SÜSS NOCH SAUER, WEDER BITTER NOCH SCHARF IST? SO GEHT‘S → ORANGENSAFT IM DRESSING NIMMT CHICORÉE SEINEN BITTEREN GESCHMACK

→ SO BLEIBEN GESCHMACK UND AROMA INTENSIV BEI WENIGER SALZ IN DER SUPPE → FÜNF ZITRONEN VERSPEISEN OHNE EINE MIENE ZU VERZIEHEN – EINE WUNDERBEERE MACHT’S MÖGLICH

Geschmack und Aroma

132 Alles, was wir essen oder trinken, nimmt den Weg über die Zunge. Hätten wir dort keine Geschmackspapillen, würden wir aufhören zu essen. Ohne die wichtigen Grundgeschmacksrichtungen süß, salzig, sauer und bitter schmeckt Essen nämlich abscheulich. Außerdem triggern diese Grundgeschmacksrichtungen die Wahrnehmung von Aromen. Nicht nur deshalb ist es interessant, mehr über die Zunge in Erfahrung zu bringen. Unser Geschmacksorgan kann nämlich viel mehr, als nur diese vier Geschmacksrichtungen zu erkennen. So gibt es den mysteriösen fünften Geschmack „umami“ und vielleicht sogar eine sechste Geschmacksempfindung: oleogustus, der Geschmack von Öl und Fett. Darüber hinaus kennt die Zunge verfremdende Geschmackshalluzinationen, wie nach dem Genuss der Wunderbeere. Bereits ein wenig Grundwissen über die Wahrnehmung von Geschmacksrichtungen genügt, um Gerichte um einiges spannender zuzubereiten, als wenn man sich auf die einfache Kombination von süß, sauer, salzig und bitter beschränkt.

NEUROGASTRONOMIE Neurogastronomie erforscht die Geschmackswahrnehmung, wobei die Muster der Gehirnaktivität beobachtet werden, die entstehen, wenn wir essen. Dank dieser Forschungen wissen wir, dass k multisensorisch ist: Geruchs-, Geschmacks-, Tast-, Gehör-, Gesichtssinn sowie Temperatursinn sowie Schmerzempfinden spielen beim Essen allesamt eine Rolle. Was passiert zum Beispiel, wenn wir ein Löffelchen Zucker zu uns nehmen? Erst gibt es einen Reiz, ein Zuckermolekül. Dieses stimuliert einen von Hundertausenden Geschmacksrezeptoren, die auf der Oberfläche der Zunge liegen. Der Rezeptor reagiert auf das Vorhandensein des Zuckermoleküls mit einem Signal ans Gehirn. Die Signale dieses Rezeptors und anderer Rezeptoren erreichen unser Gehirn über die Nervenzellen (Neuronen), die mit den Rezeptoren verknüpft sind. Anschließend setzen diese Signale wiederum andere Signale in Gang, die durch unser Gehirn sausen. So entsteht ein Muster neurologischer Aktivitäten. Schließlich werden daraus ein Erkennen und Bewusstwerden des süßen Geschmacks. Am süßesten schmeckt Kristallzucker zum Beispiel nach ungefähr vier Sekunden. Diese Bewusstwerdung geht häufig mit einem Gefühl einher, bei „süß“ ist das meistens „Zufriedenheit“. Süße Speisen sind nämlich energiereich, und dies ist der Grund, weshalb wir eine angeborene Vorliebe für süß haben. Das neuronale Muster, das mit dem Erkennen eines Geschmacks und der damit einhergehenden Emotion verbunden ist, ist nicht allein genetisch bestimmt, sondern auch durch aus Erfahrung Erlerntes geprägt. Eine schöne Aufgabe also für Eltern, für ihre Kinder so zu kochen, dass möglichst viele Muster entstehen, die ihre Kinder ein Leben lang genießen können. Keineswegs gilt dies aber nur für Kinder – haben sich Ihre Gäste erst einmal an die köstlichen Geschmackskombinationen gewöhnt, die Sie kreieren, werden sie nicht genug davon bekommen!

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Auf unserer Zunge können wir mindestens fünf Grundgeschmacksrichtungen wahrnehmen. Ob wir darüberhinaus auch Fett schmecken können, wird zurzeit noch wissenschaftlich diskutiert. Für jeden Grundgeschmack verfügen wir über spezielle Rezeptoren, die in unseren Geschmackspapillen zu finden sind. Evolutionsgeschichtlich betrachtet, helfen uns die Grundgeschmacksrichtungen, die richtigen Entscheidungen bei der Wahl unserer Nahrung zu treffen. So haben wir von Natur aus Vorlieben für süß und umami, weil diese Geschmacksrichtungen einen Hinweis auf Zucker und Proteine liefern, die wir als Brenn- und Baustoffe brauchen. Bitter und sauer bedeutet, dass wir aufpassen müssen: Giftige Stoffe sind meist bitter und unreife Früchte sind sauer. SALZIG Salzig ist ein besonderer Grundgeschmack, weil er Gerichten nicht nur einen salzigen Geschmack verleiht, sondern auch andere Geschmacksrichtungen und Aromen unterstützt. Salz macht den Geschmack von Fleisch fleischiger, das Aroma von Reis reisartiger und erweckt Champignons zum Leben. Salz kann das, weil sein wichtigster Bestandteil, die Natriumionen, dabei helfen, unserem Essen Aromamoleküle zu entziehen, wodurch wir sie besser wahrnehmen. So stimuliert Salz unser Riechvermögen. Ohne Salz hat ein Gericht nicht nur weniger Geschmack, sondern auch weniger Aroma. Chemisch gesehen bestehen Salze aus einer Kombination positiv und negativ geladener Moleküle. Bei Kochsalz sind das positive Natriumionen, die den Salzgeschmack geben, und negative Chloridionen. Die Salzrezeptoren auf unserer Zunge sind nicht nur für diese Natriumionen empfänglich. Auch Kalium-, Lithium- und Magnesiumionen nehmen wir als salzig wahr. Weil Kalium den Blutdruck nicht so hoch treibt wie Natrium (Kalium wirkt dem blutdruckerhöhenden Effekt von Natrium entgegen), ist Kaliumsalz ein beliebter Kochsalzersatz. Viele Menschen nehmen bei Kalium allerdings einen bitteren Beigeschmack wahr. Das ist genetisch bedingt, genau wie so viele andere Geschmackswahrnehmungen von Menschen. Magnesium- und Lithiumsalze scheiden als Kochsalzersatz aus – Magnesium ist in hohen Konzentrationen giftig und Lithium wird etwa zur Steigerung der Wirkung von Antidepressiva eingesetzt. Gesundheitliches Kochsalz (Natriumchlorid) erhöht den Blutdruck, weshalb auf den täglichen Salzkonsum geachtet werden sollte. Damit stellt sich die Frage, wie wir beim Kochen weniger Salz verwenden können, ohne dass unser Essen dadurch an Aroma und Geschmack verliert. Die Lebensmittelindustrie beschäftigt sich intensiv mit dieser Problematik, und es wird kräftig in Forschung investiert, um die geschmackliche Wahrnehmung von Natriumchlorid zu intensivieren. Das ist zum Beispiel möglich, indem man Würste saftiger macht. Bei einem Bissen wird die salzige Flüssigkeit sozusagen in den Mund geschossen, wodurch die Wurst salziger schmeckt, ohne mehr Salz zu enthalten. Eine andere Methode hat sich das niederländische Forschungsinstitut NIZO Food Research patentieren lassen. Sie ermöglicht, Brot so zu backen, dass sich salzige und

Was die Zunge schmeckt

DIE WAHRNEHMUNG DER GRUNDGESCHMACKSRICHTUNGEN

Geschmack und Aroma

134 nicht salzige Teigteile abwechseln. Bei einem Bissen von diesem Brot sorgt der Kontrast dafür, dass man die salzigen Teigteile besser herausschmeckt. Auf diese Weise kann das ganze Brot mit 30 % weniger Salz gebacken werden. Das Rezept unserer Zweifarbensuppe auf Seite 141 basiert auf diesem Prinzip. Die Suppe setzt sich aus zwei Komponenten unterschiedlicher Geschmacksrichtung zusammen – einer salzlosen Rote-Beete-Suppe und einer gesalzenen Brunnenkressesuppe. Um bei Zubereitung eines Gerichts mit weniger Salz auszukommen, dient auch ein Trick, mit dem man das Gehirn in die Irre führt. Wie beschrieben, intensiviert Salz die Wahrnehmung von Aromen. Dasselbe geschieht aber auch umgekehrt. So assoziieren wir dem Aroma von Anchovis und Bacon mit einem salzigen Geschmack. Fügt man einem Gericht Bacon-Aroma hinzu, kommt man daher mit weniger Salz aus. Und wie aber gelangt man zu den Aromen von Bacon oder Anchovis? Ganz einfach, indem man die Aromen in Öl oder Fett extrahiert (wie in Kapitel 6 Öl und Wasser beschrieben). Fett aus ausgelassenem Bacon ist übrigens auch voller Bacon-Aroma. Versalzen! Und nun? Was tun, wenn ein Gericht zu salzig geworden ist? Wie gelingt es dann, es weniger salzig zu machen? Mit Wasser zu verdünnen hilft natürlich, aber das wollen wir meist nicht, weil sich damit auch Geschmack und Textur ändern. Ein alter Küchentrick ist, eine oder mehrere Kartoffeln zuzufügen. Faktisch ist auch das eine Form des Verdünnens. Man erhöht die Gesamtmenge des Essens und senkt damit die durchschnittliche Salzmenge. Salz mit Säure oder Süße zu kaschieren, ist auch eine Option, aber davon wird der Gesamtgeschmack meist nicht besser. Es bleibt im Grunde nur, vorsichtig mit salzigen Zutaten umzugehen, denn Gerichte auf eine kulinarisch solide Weise weniger salzig zu machen, ist sehr schwierig. SÜSS Nicht jeder Zucker schmeckt gleich süß. Die Süßkraft eines Zuckers steht in Zusammenhang mit der minimalen Konzentration, die wir benötigen, um ihn wahrnehmen zu können. Bei Kristallzucker liegt die Mindestmenge, um ihn schmecken zu können, doppelt so hoch wie bei Fructose. Anders ausgedrückt: Fructose schmeckt fast doppelt so süß wie Kristallzucker. Manche künstlichen Süßstoffe schmecken noch viel süßer. Die Süße von Aspartam zum Beispiel schmecken wir bereits heraus, wenn sein Anteil an einer Lösung nur 0,002 % beträgt. Kristallzucker nehmen wir erst bei einem Anteil von 0,4 % wahr. Aspartam süßt also etwa zweihundert Mal so stark wie Kristallzucker. Künstliche Süßstoffe wurden für eine optimale Interaktion mit den Geschmackspapillen entwickelt. In einer niedrigen Konzentration sind Süßstoffe viel süßer als Zucker, aber ihre Süßkraft übersteigt schnell ihren Höhepunkt. Die maximale Süßkraft des künstlichen Süßstoffs Sacharin ist zum Beispiel nie höher als eine Zuckerlösung von 10,1 %, selbst wenn man immer mehr davon hineinschüttet. Für die Hersteller von Erfrischungsgetränken ist das ein Problem, denn der Zuckeranteil beispielsweise einer Pepsi-Cola beträgt 11 %. Kein Wunder, dass die Light-Varianten anders schmecken (weniger süß) als die Erfrischungsgetränke mit normalem Zucker. Zu süße Gerichte weniger süß zu machen, ist ähnlich schwierig, wie versalzenes Essen weniger salzig zu machen. Man kann jedoch Saures verwenden, um vom süßen

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SAUER Chemisch betrachtet besteht das, was unserem Essen Säure verleiht, aus Molekülen, die sich aus einem Wasserstoffion (H+), das abgespalten werden kann, und einem negativ geladenen Restteilchen zusammensetzten. Dieses Restteilchen bestimmt den Namen der Säure. So gibt es Essigsäure, Weinsteinsäure, Zitronensäure, Phosphorsäure und Salzsäure. Aber es sind die Wasserstoffionen, die unsere Säurerezeptoren stimulieren. In reiner Form werden Säuren in der Regel beim Kochen selten verwendet. Das ist eigentlich schade. Es kann nämlich sehr praktisch sein, reine Zitronensäure oder Weinsteinsäure zur Hand zu haben, beispielsweise beim sauren Einmachen von Gemüse. Ein Vorteil dieser Säuren ist, dass sie nur sauer schmecken und eigentlich kein Aroma haben. Reine Säuren wie Weinsteinsäure, Zitronensäure und Apfelsäure haben keinen Geruch, sie verdunsten nicht. Essigsäure hingegen riecht, weil sie leicht verdunstet. Das Reduzieren von Essig wie bei einem Würzsud (der Grundlage einer Sauce hollandaise oder Sauce béarnaise), macht den Essig also weniger sauer.* Auch Kohlensäure** kann verdunsten. Das ist der Grund, weshalb Dampf „saurer“ ist als Wasser aus dem Hahn. Während des Dampfens verdunstet auch die Kohlensäure, die sich im Wasser befindet. Gerichte weniger sauer machen Mithilfe einer Base wie Backsoda lässt sich eine Säure neutralisieren. Chemisch gesehen reagieren die Wasserstoffionen mit dem Backsoda zu Kohlendioxid und Wasser; das leicht salzige Natriumacetat bleibt übrig. Durch die Zugabe von Backsoda wird ein Gericht also zwar weniger sauer, aber auch salziger. Selbstverständlich spielen die Mengen hier eine Rolle, ein Übermaß an Backsoda führt zu einem seifigen Geschmack. Diesen Seifengeschmack kann man wiederum verschwinden lassen, indem man das Gericht ansäuert. BITTER Die Anzahl bitter schmeckender Stoffe geht in die Hunderte. Um diese Varietät an Stoffen aufzuspüren, verfügen wir über rund dreißig verschiedene Rezeptorarten. Für süße, salzige und saure Geschmacksrichtungen verantwortliche Stoffe dagegen kommen nur in einer begrenzten Zahl vor und können mit einem einzigen Rezeptortyp wahrgenommen werden.

*

NERD ALERT Vorsicht ist jedoch geboten, wenn der Essig statt Essigsäure vor allem andere, nicht verdun-

stende Säuren enthält wie Apfelsäure und Weinsteinsäure. Dann führt das Einkochen zu einem noch saureren Ergebnis. **

NERD ALERT Man kann sich fragen, weshalb Kohlensäure keinen Geruch hat, obwohl sie doch verdun-

stet. Kohlensäure verdunstet in Form von CO2. Wenn man CO2 riechen könnte, müsste man hoffen, dass es ein angenehmer Duft ist, schließlich atmet man es ständig ein. Man würde diesen Geruch Tag und Nacht wahrnehmen. Daher ist es logisch, dass man CO2 nicht riechen kann. Genauso logisch wie die Tatsache, dass Wasserdampf, Sauerstoff und Stickstoff keinen Geruch haben.

Was die Zunge schmeckt

Geschmack abzulenken. Das geschieht auch bei Tomatenketchup. Ohne die zugefügten Säuren wäre Ketchup ekelhaft süß.

Geschmack und Aroma

136 Essen weniger bitter machen Manche Bitterstoffe kann man gut mit Säure neutralisieren. Mischt man Campari, Aperol oder Cynar (ein Likör auf Grundlage von Artischocke) mit Zitronensaft, verlieren sie durch die Säure fast alles Bittere. Chicorée wird weniger bitter, wenn wir ihn mit Orangensaft karamellisieren (siehe Rezept auf Seite 267). Salz kann die Wahrnehmung von Bitterstoffen bremsen, ohne dass die Menge der Bitterstoffe durch Salzen verändert – ein weiteres Beispiel für eine Interaktion über die Geschmacksrezeptoren. UMAMI Auf der Zunge befinden sich Rezeptoren, die für Mononatriumglutamat (MNG) empfänglich sind, ein natürliches Nebenprodukt einiger fermentierter Produkte wie rohem Schinken, Parmesan und Anchovis. In isolierter Form ist MNG auch bekannt als VE-Tsin (nach chinesisch „wei-jing“: Essenz des Geschmacks). Reines MNG führt zu einem herzhaften Geschmack ohne Tiefe auf der Zunge, gibt man jedoch eine Messerspitze davon an gebratene Champignons, wird ihr Aroma plötzlich um einiges intensiver. Das Geheimnis von MNG ist, dass es in Kombination mit den richtigen Aromen diesen einen enormen Schub gibt. Das ist die Folge neuronaler Mustern, die durch MNG verstärkt werden. Es ist also nicht so, dass durch die Zufügung von MNG mehr Aromen unser Geruchsorgan erreichen – nur die Erfahrung in unserem Gehirn verändert sich. Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie durch den multisensorischen Aspekt unseres Aroma- und Geschmackserlebens aus eins plus eins drei wird. Vorbehalte gegen die Verwendung von MNG sind weit verbreitet. Das ist zum Teil durchaus verständlich, denn die Lebensmittelindustrie setzt MNG breit ein, damit wir immer mehr von ihren Fertigprodukten essen wollen. Der Widerstand gegen eine Verwendung von MNG in der Restaurantküche oder in der Küche zu Hause lässt sich der jedoch schwieriger erklären. Wir verwenden ja auch Salz, Zucker und Säure in ihrer reinsten Form, um unser Essen schmackhafter zu machen. Warum sollten wir dann bei MNG darauf verzichten? FETT Über die Frage, ob wir Fette und Öl schmecken können, besteht noch Unsicherheit. Sicher ist zumindest, dass wir sie mithilfe unseres Tastsinns (Chemästhesie, mehr dazu auf der nächsten Seite) auf der Zunge wahrnehmen können. Es gibt jedoch immer mehr Hinweise darauf, dass wir die Fettsäuren, aus denen Fette und Öl aufgebaut sind, schmecken können. Wir haben Rezeptoren auf unseren Geschmackspapillen, die Fettsäuren erkennen und darauf reagieren, indem sie elektrische Signale an das Geschmackszentrum im Gehirn schicken, sagt Bob Holmes in seinem Buch Geschmack – Gebrauchsanleitung für einen vernachlässigten Sinn. Möglicherweise schmecken Fettsäuren ziemlich eklig, nach ranzigem Fett oder Verwesung. Oftmals kann aber gerade eine an sich unangenehme Geschmacksnote Geschmack und Aroma insgesamt entscheidend verbessern – man denke nur an die bitteren Töne in Schokolade und Kaffee oder Salz auf Karamell.

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Bei MNG sehen wir, dass die retronasale Wahrnehmung von Aromen verstärkt wird, wenn zuerst die Geschmackspapillen stimuliert werden. Neben umami und salzig haben auch süß und sauer eine solche Funktion. Die Grundgeschmacksrichtungen bereiten uns auf die Aromen vor, die wir erwarten, und dieser Erwartungshaltung verstärkt unsere Wahrnehmung. Die Assoziationen sind vermutlich erlernt, was wir erwarten, hängt mit anderen Worten damit zusammen, welche Kombinationen wir von klein auf gewöhnt sind. Aromen und Grundgeschmacksrichtungen sind in unserer sinnlichen Erfahrung also eng miteinander verwoben. Wir können über einen „süßen Duft“ reden, auch wenn süß kein Duft ist, sondern eine Grundgeschmacksrichtung, die wir mit der Zunge wahrnehmen. Als Beispiel lässt sich Vanille anführen: Sie wird mit süß assoziiert. Reichern wir ein süßes Gericht mit Vanillearoma an, wird es als süßer wahrgenommen, obwohl keine weitere Süße zuzugeben wird.

WIE MAN REZEPTOREN IN DIE IRRE FÜHRT Der Geschmacksforscher Charles Zuker hat festgestellt, dass jede Geschmackszelle auf der Zunge, die nur Rezeptoren einer einzigen Grundgeschmacksrichtung umfasst (wie bei süß und umami), ihre eigene Nervenverbindung zum Gehirn hat. Würde an dem Nervenende auf der Zunge statt des Rezeptors für Süße einer für Licht hängen, würde – so behauptet Zuker – Licht für uns süß schmecken. Mit dieser Vorstellung im Hinterkopf lässt sich die sogenannte Wunderbeere, auch Mirakelfrucht genannt, besser verstehen. Nach dem Verzehr dieser Beere schmeckt alles, was sauer ist, übersüß. Die Halluzination wird durch ein Molekül verursacht, das in der Beere vorhanden ist, Miraculin. Dieses erstaunliche Eiweißmolekül heftet sich an die Süßrezeptoren. Miraculin reagiert auf sauer und leitet ein Signal an den Rezeptor, mit dem es verbunden ist. Dadurch sind die Süßrezeptoren plötzlich für sauer empfänglich statt für süß. Weil die Nervenbahnen der Rezeptoren sich durch das Miraculin nicht verändern, werden Signale für süß statt für sauer zum Gehirn geschickt. Ein kurioses Phänomen, das diesem ähnelt, tritt auf, wenn wir eine frische Artischocke essen. Vielleicht ist es Ihnen auch schon einmal aufgefallen: Danach schmeckt normales Wasser aus dem Hahn süß. Das liegt daran, dass sich das Molekül Cynarin aus der Artischocke an die Süßrezeptoren heftet. Trinkt man danach einen Schluck Wasser, löst sich das Cynarin wieder, und das erfahren wir als süß.

CHEMÄSTHESIE Hitze, Druck, Reibung und Schmerz können wir nicht nur auf unserer Haut wahrnehmen, sondern auch auf der Zunge. Wenn wir auf einer Chilischote kauen, erhalten dadurch dieselben Nervenenden einen Reiz, wie wenn wir eine Tasse heißen Tee

Was die Zunge schmeckt

GRUNDGESCHMACKSRICHTUNGEN UND AROMA

Geschmack und Aroma

138 trinken. Das ist ein Beispiel für Chemästhesie: Chemische Stoffe reizen Sinnesorgane, die Temperatur, Schmerz oder Berührung wahrnehmen. Verantwortlich für den scharfen (oder „heißen“) Geschmack von Chili ist Capsaicin. Wenn ein Rezeptor, der herausfinden soll, ob ein Bissen Essen nicht zu scharf ist, mit Capsaicin in Berührung kommt, wird der Rezeptor genauso gereizt wie bei hoher Temperatur. Dasselbe gilt für Kälte: Die Rezeptoren, die Kälte wahrnehmen sollen, reagieren auch empfindlich auf Menthol. Deswegen verleiht Minze einem Gericht einen kühlen Akzent. DER BESONDERE REIZ VON SZECHUANPFEFFER Szechuanpfeffer – aus der chinesischen Provinz Sichuan – ist nicht scharf wie schwarzer Pfeffer, Sambal oder Chilipulver. Er hat einen merkwürdigen, angenehm betäubenden Effekt im Mund, der von dem Stoff Hydroxy-alpha-sanshool verursacht wird. Dieser Effekt wird häufig auch als prickelnd oder summend beschrieben. Interessant zu wissen: Das chinesische Zeichen für Szechuanpfeffer („ma“) bedeutet auch „Hanf“. Der Effekt erinnert etwas an das „Prickeln“ kohlesäurehaltiger Getränke, ähnelt aber noch an die Wirkung eines 9-Volt-Blocks, den man sich an die Zunge hält. Hydroxy-alpha-sanshool wirkt gleichzeitig an verschiedenen Nervenenden, die Schmerz und Druck registrieren können, aber auch Kälterezeptoren werden stimuliert. Lassen Sie sich von dieser Beschreibung nicht abschrecken! Die Sichuan-Küche ist eine der meistgeschätzten Küchen in China, und dazu trägt die Verwendung von Hydroxy-alpha-sanshool mit Sicherheit bei. Wir verwenden die frischen Blüten der Szechuanpfefferpflanze im Rezept für Szechuanpralinen auf Seite 145. ZUSAMMENSETZUNG Kombinieren wir zwei Grundgeschmacksrichtungen, wie bei einer süßsauren Sauce, so bleiben beide für uns erkennbar. Das klingt selbstverständlich. Aber bei Aromen funktioniert das doch anders. Die verschiedenen Aromamoleküle, aus denen beispielsweise das Aromabouquet von Erdbeeren aufgebaut ist, sind individuell fast nicht erkennbar. Die Sichuan-Küche hat eine Sauce hervorgebracht, bei der sich Grundgeschmacksrichtungen in Sachen Erkennbarkeit so verhalten wie Aromen. Das Verhältnis süß (Zucker), sauer (Zitronensaft oder Reisessig), salzig und umami (Sojasauce) und Schärfe (Szechuanpfeffer) ist so ausgewogen, dass keine der Grundgeschmacksrichtungen und auch nicht die Schärfe mehr auffällt. Die Sauce schmeckt weder süß noch sauer, weder salzig noch herzhaft, und wird auch nicht als scharf wahrgenommen. Das klingt, als hätte man einen neuen Grundgeschmack geschaffen, wozu der Name passt, den diese Kreation im Chinesischen hat: „GuaiWei“ oder „fremde Sauce“. Unser Rezept für diese Sauce findet sich auf Seite 143. TEMPERATUR Die Temperatur beeinflusst unsere Fähigkeit, die Grundgeschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami zu schmecken. Das hat einen physiologischen Grund: Bei niedrigen Temperaturen schicken die Geschmacksrezeptoren weniger starke Signale ans Gehirn. Kalt serviertes Essen braucht daher mehr Salz, Säure, Süße etc., um nicht fade zu schmecken. ZEIT Die Wahrnehmung von Geschmack wird nicht nur von der Anzahl der Grundgeschmacksrichtungen bestimmt, die sich auf der Zunge finden.

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Man könnte diese Idee auch für eine Lasagne anwenden, bei der sich Schichten ungesalzener Béchamelsauce mit Schichten gesalzener Tomatensauce abwechseln. Das führt zu einem anderen Effekt, als wenn man die Salzmenge aus der Tomatensauce über beide Saucen verteilen würde. Die Salzwahrnehmung verstärkt sich allein durch den Kontrast zwischen salzig und salzlos. Übrigens ist das Stapeln der Schichten keine Voraussetzung für die Wirkung. Es geht um die Abwechslung in der Salzkonzentration. Isst man beispielsweise ungesalzene Kartoffeln in einem Bissen mit gesalzenen Fleischstücken oder salziger Sauce, erzielt man die gleiche Wirkung. WEIN UND WASSER Ein Schluck aromatischen Weins während des Essens sorgt dafür, dass Zunge und Nase für den nächsten Bissen „aufgefrischt“ werden. Dasselbe gilt für perlendes Mineralwasser. Die Kohlensäure verursacht einen zusätzlichen Reiz auf der Zunge, wodurch sie gewissermaßen „resettet“ wird. Kohlensäurehaltiges Wasser führt also zu einer effektiveren Geschmacksabwechslung als stilles. ABWECHSLUNG AUF DEM TELLER Selbstverständlich gibt es auch viele Möglichkeiten, auf dem Teller selbst für Abwechslung zu sorgen. Eine Abfolge wechselnder Geschmacksreize bringt man etwa mit Kapern (sauer) oder gebratenen Speckwürfeln (salzig) zuwege. Dann ist es jedoch wichtig, dass diese zusätzlichen Zutaten ihre Individualität bewahren. Das erreicht man, indem man sie erst kurz vor dem Servieren zum Gericht gibt. Wählt man einen zu frühen Zeitpunkt, um etwa Speckwürfel zuzugeben, vermischen sich der salzige Geschmack und das Aroma mit dem restlichen Gericht, und der erzielte Effekt beibt aus. Trotz unveränderter Zusammensetzung kommt es zu einer Einbuße an Geschmack und Aroma.

Was die Zunge schmeckt

Viel wichtiger ist, welche Veränderungen der Grundgeschmacksrichtungen eintreten, während wir essen. Ein Gericht mit viel Salz schmeckt beim ersten Bissen am salzigsten. Danach tritt Gewöhnung ein, und der Salzgeschmack wird weniger stark wahrgenommen. Dasselbe gilt für Zucker. Erst nach vier Sekunden im Mund ist der süße Geschmack von Kristallzucker am stärksten, nach etwa zehn Sekunden klingt er ab. Für ein intensives Geschmackserlebnis sorgt deshalb vor allem eine ständige Abwechslung der Grundgeschmacksrichtungen. Geht man dabei geschickt vor, kann intensiver Geschmack unter Verwendung von weniger Salz und Zucker erreicht werden. Ein schönes Beispiel dafür ist das oben erwähnte Brot mit seinen abwechselnden Schichten aus gesalzenem und ungesalzenem Teig.

Geschmack und Aroma

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AUS ROTE BETE UND BRUNNENKRESSE Diese Zweifarbensuppe lässt sich mit der halben Menge an Salz zubereiten, die man normalerweise für einen intensiven Geschmack bräuchte. Dazu wird die Suppe aus Roter Bete ganz ohne Salz gekocht und auf dem Teller mit einer gesalzenen grünen Brunnenkresse-Suppe abgewechselt. Der Kontrast zwischen beiden Suppen erhöht das Salzerlebnis, wodurch insgesamt weniger Salz benötigt wird. VORSPEISE, 8-10 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten FÜR DIE ROTE-BETE-SUPPE

500 g gekochte Rote Bete 1 rote Zwiebel, geschnitten 1 EL Öl 1 TL Fenchelsamen 750 ml ungesalzene Gemüsebouillon (oder Wasser) 1 frisch-saurer Apfel (z. B. Elstar) 1 EL Zitronensaft 1 Prise Pfeffer 1 Prise Salz

1 Eine Rote-Bete-Knolle zur Seite legen, die übrigen würfeln. Die rote Zwiebel einige Minuten im Öl anschwitzen. Rote-Bete-Würfel und Fenchelsamen zufügen, einige Minuten mitbraten und die Bouillon zugießen. Zum Kochen bringen und die Suppe 15 Minuten köcheln lassen. 2 Apfel in 5 mm große Würfel schneiden, die Hälfte davon zur Suppe geben und 5 Minuten mitkochen. Dann die Suppe mit dem Stabmixer pürieren. 3 Die beiseitegelegte Rote Bete ebenfalls würfeln und mit den Apfelwürfeln vermischen. Zitronensaft zugießen und den Salat mit etwas Pfeffer und Salz würzen. 4 Für die Brunnenkresse-Suppe Kartoffeln schälen und würfeln. In einem zweiten Topf Schalotten in Butter anbraten. Bouillon und Kartoffelwürfel zugeben, zum Kochen bringen und 15 Minuten köcheln lassen. Dicke Stiele der Brunnenkresse entfernen. Crème Fraîche und Brunnenkresse (ein paar Blättchen für die Garnitur zur Seite legen) zugeben und mit dem Stabmixer pürieren. Die Suppe mit Salz, Cayennepfeffer und Muskatnuss abschmecken. 5 Den Boden eines tiefen Tellers mit der Rote-Bete-Suppe bedecken. Mit derselben Menge Brunnenkresse-Suppe einen schönen Strudel in die Suppe ziehen, einen Löffel Rote-BeteApfel-Salat hineingeben und mit ein paar Blättchen Brunnenkresse garnieren.

S ERVIERTIPP: Ein paar Tropfen natives Olivenöl extra über die Suppe träufeln

FÜR DIE BRUNNENKRESSE-SUPPE

200 g Kartoffeln 2 Schalotten, geschnitten 25 g Butter 500 ml Hühnerbouillon 100 g Brunnenkresse 2 EL Crème fraîche ½ TL Salz Cayennepfeffer Muskatnuss

Was die Zunge schmeckt

ZWEIFARBENSUPPE

Geschmack und Aroma

142

GEKOCHTE ARTISCHOCKE MIT UMAMI VINAIGRETTE Das in Artischocken enthaltene Cynarin heftet sich an unsere Süßrezeptoren und blockiert sie. Löst es sich wieder, schmeckt plötzlich sogar Wasser süß. Das sollten Sie bei Ihrer Weinauswahl beachten. Wir empfehlen einen frischen, trockenen Wein wie einen Riesling oder einen Muscadet. VORSPEISE, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 10 Minuten ± 30 Minuten

KOC HZEIT

4 Artischocken 1 EL Salz 4 EL Zitronensaft 4 Anchovis-Filets 4 EL natives Olivenöl extra 4 EL Mayonnaise 1 EL Kapern, abgetropft und feingehackt

1 Artischocken in einen großen Topf legen und mit Wasser füllen, bis das Gemüse vollständig bedeckt ist. Artischocken aus dem Topf nehmen und das Wasser zum Kochen bringen. 2 1 EL Salz, 2 EL Zitronensaft und die Artischocken zufügen und 25-30 Minuten kochen. Die Artischocken sind gar, wenn sich ein Blättchen leicht herauszupfen lässt. 3 Artischocken aus dem Topf nehmen und gut abtropfen lassen. 4 Den restlichen Zitronensaft, die Anchovis-Filets, Olivenöl, Mayonnaise und Kapern in einem Messbecher mit einem Stabmixer zu einer glatten Vinaigrette pürieren. 5 Die Artischocken warm auf einem Teller mit der Vinaigrette servieren.

WIE ISST MAN EINE ARTISCHOCKE? Die Blättchen herausziehen. Die Unterseiten der Blätter weisen eine Verdickung auf. Diesen Teil kann man zwischen den Zähnen von den Blättern ziehen. Kurz in die Vinaigrette tunken. Wenn alle Blätter herausgezogen sind, bleibt ein Boden mit sehr kleinen Blättchen und gelb-weißen „Haaren“ übrig. Die kleinen Blätter alle abziehen und mit einem Löffel die Haare vom Artischockenherz (das ist der grüne Teil unter den Haaren) schaben. Das ist die Belohnung für die ganze Arbeit. Das Herz in Stücken in die Vinaigrette tunken.

143

MIT GUAI-WEI-SAUCE In der Sichuan-Küche wurde eine Sauce entwickelt, bei der sich Grundgeschmacksrichtungen in Sachen Erkennbarkeit so verhalten wie die Aromen eines Bouquets: Sie sind individuell nicht mehr identifizierbar. Die Sauce schmeckt weder süß noch sauer, weder salzig noch herzhaft noch scharf, weshalb sie im Chinesischen den Namen „Guai-Wei“ („fremde Sauce“) trägt.

1 Frühlingswiebeln in 10 cm lange Stücke schneiden, diese zunächst längs und die Hälften dann in dünne Streifen schneiden. Die Streifen in einer Schale mit kaltem Wasser eine Stunde in den Kühlschrank stellen, bis sie sich zusammenrollen. 2 Zucker und Salz in Sojasauce und Essig auflösen. Nach und nach die Sesampaste unterrühren, bis eine feste Masse entsteht. Sesamöl, Chili-Öl und Szechuanpfeffer zugeben und das Ganze bis zum Gebrauch beiseitestellen. ↑ Dieses Rezept für die Guai-Wei-Sauce stammt aus dem Buch Sichuan Cookery von Fuchsia Dunlop. Meistens wird die Sauce in Kombination mit kaltem Hähnchen gegessen. Hier kombinieren wir die fremde Sauce mit heiß frittiertem Tofu. Weil es ein warmes Gericht ist, schmeckt man

VORSPEISE, 4 -6 PORTIONEN

WARTEN

1 Stunde

ZUM GARNIEREN

2 Frühlingszwiebeln 1 EL geröstete Sesamsamen FÜR DIE SAUCE*

2 EL Zucker ½ TL Salz 1 EL helle Sojasauce ½ EL schwarzer chinesischer Essig (Chinkiang) 3 EL chinesische Sesampaste oder Tahin 1 EL geröstetes Sesamöl 2 EL Chili-Öl 1 TL Szechuanpfeffer, geröstet

die Säuren besser. Daher haben wir die Essigmenge verringert. Zu einem kalten Gericht bitte 1 EL Essig verwenden.

3 Das Öl in einem kleinen Topf auf 180 °C erhitzen (die Ölschicht sollte etwa 5 cm betragen). 4 Den Tofu trocken tupfen und in 1,5 cm dicke Scheiben schneiden. Die Scheiben halbieren, sodass Quadrate entstehen. Diese in der Speisestärke panieren und in zwei Portionen im heißen Öl frittieren. Der Tofu ist fertig, wenn er sich hellbraun färbt (nach etwa 5 Minuten frittieren). Die Stücke gut abtropfen lassen und mit der Guai-Wei-Sauce servieren. Mit gerösteten Sesamsamen und den Frühlingszwiebelstreifen bestreuen.

FÜR DEN TOFU

1 l pflanzliches Frittierfett 400 g Tofu (am Stück) 2 EL Speisestärke * Für dieses Rezept empfehlen wir den Besuch eines chinesischen Supermarkts. Statt des chinesischen Essigs ginge auch Reisessig, aber Szechuanpfeffer kann durch keine andere Zutat ersetzt werden, sonst geht der ganze Effekt der Sauce verloren.

Was die Zunge schmeckt

FRITTIERTER TOFU

Geschmack und Aroma

144

145

In diesem Rezept gibt es verschiedenste Reize für die Zunge. Der Szechuanpfeffer vermittelt eine Art betäubendes, prickelndes Gefühl, vergleichbar mit der Wirkung eines 9-Volt-Blocks, den man sich an die Zunge hält. Diese Empfindung wird durch das Prickeln des Knisterzuckers verstärkt. Die Erdbeere bringt ein wenig Kühlung in die Sinnesexplosion. AMUSE, 20 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten 15 Minuten

ABKÜHLEN

20 große Erdbeeren 250 g weiße Schokolade 4 EL Knisterzucker 10 Sechuan Buttons* Topf mit passender Schale für Wasserbad-Zubereitung, Melonenbohrer

AUSSERDEM

* Sechuan Buttons (Blüten des Szechuanpfeffers) können Sie online bestellen oder in der Gemüseabteilung eines Gastronomiegroßhandels kaufen. Oder bitten Sie den Gemüsehändler Ihres Vertrauens, Ihnen welche aus dem Großhandel mitzubringen.

1 Die Kronen der Erdbeeren abschneiden und mit einem Melonenbohrer 1 cm tiefe Aushöhlungen in die Erdbeere bohren. Gerade genug von der Erdbeerspitze abschneiden (ca. 5 mm), dass sie aufrecht stehen bleiben kann. 2 Die weiße Schokolade temperieren wie im Rezept für Schokoladenpralinen auf Seite 167 beschrieben, und die Höhlungen der Erdbeere mit einer Schokoladenschicht bestreichen. Mit Knisterzucker füllen und eine Schicht Schokolade darüberstreichen. 3 Die Erdbeeren mit der Schokolade in den Knisterzucker drücken, sodass eine Schicht daran kleben bleibt. Die Erdbeeren auf die Spitze, mit den Schokoladenseiten nach oben, auf Amuse-Tellerchen stellen. 4 Die Szechuan Buttons halbieren und auf jede Erdbeere eine halbe Pfefferblüte legen.

Was die Zunge schmeckt

SZECHUANPRALINEN

Geschmack und Aroma

146

147 Was die Zunge schmeckt

TEIL III

TEXTUR HART, WEICH, KNUSPRIG, LUFTIG, CREMIG: DIE TEXTUR BESTIMMT, WIE WIR SPEISEN IM MUND ERLEBEN. PHYSIKALISCH BETRACHTET GIBT ES NUR DREI ZUSTÄNDE FÜR EINEN STOFF: GASFÖRMIG, FLÜSSIG UND FEST. IN UNSEREM KÜCHENLABOR KÖNNEN WIR JEDOCH VIELE VERSCHIEDENE TEXTUREN KREIEREN, DENN EIN LECKERER BISSEN IST FAST NIE ZU 100 % FEST, FLÜSSIG ODER GASFÖRMIG. MEISTENS HANDELT ES SICH UM EINE KOMBINATION VON BESTANDTEILEN UNTERSCHIEDLICHER ZUSTÄNDE. DANN SPRICHT MAN VON HALBFESTEN STOFFEN.

textur

148 GAS Gas verleiht einem Gericht buchstäblich Luftigkeit. Hefe oder Backpulver in Brot oder Gebäck sorgen für winzige CO2-Bläschen, die im Ofen wachsen, weil Wasser aus dem Teig verdampft. Man kann Gasbläschen auch zufügen, indem man Luft unter eine Flüssigkeit schlägt. Mithilfe eines mit Lachgas gefüllten Sahnespenders lässt sich ebenso für Luftigkeit sorgen. Mit Aromamolekülen gefüllte Gasbläschen in einem Schaum können im Mund eine wahre Aromaexplosion verursachen.

FLÜSSIGKEITEN Geht es beim Kochen um Flüssigkeiten, meinen wir Wasser, Öl und Alkohol. Unter „Wasser“ verstehen wir alles, was zum größten Teil aus Wasser besteht, wie Fruchtsäfte oder Essig. Öl oder geschmolzenem Fett begegnen wir beim Kochen, wenn Zutaten darin gegart und Aromen kreiert oder freigesetzt werden. Alkohol kommt in reiner Form so gut wie nie vor, sondern in der Praxis stets mit Wasser gemischt. Ein wichtiger Anknüpfungspunkt für Textur ist, dass Wasser und Öl sich nicht mischen. Wasser- und Fettmoleküle sind sehr verschieden. Lassen Sie es einmal auf einen Versuch ankommen und gießen Sie Öl und Wasser in ein Marmeladenglas. Schütteln Sie dann so fest Sie können, um beides zu vermischen – das Öl wird letzten Endes immer wieder oben auf dem Wasser treiben. FESTE STOFFE Erstarrtes Butterfett, ein Eiswürfel, Salzkristalle, Zucker: sehr verführerisch ist es nicht, in einen reinen festen Stoff zu beißen. DieseEiweißmolekül Stoffe werden erst in Kombination mit Flüssigkeit oder Gas interessant. Feste Stoffe verdanken ihre Stabilität der Menge und Stärke von Molekülbindungen. HALBFESTE STOFFE Nahezu unsere gesamte Nahrung besteht aus sogenannten halbfesten Stoffen. Das bedeutet, dass sie auf dem Teller fest zu sein scheinen (sie laufen nicht aus), aber CHEMISCHES GEL PHYSIKALISCHES GEL im Mund lassen sie sich leicht verformen. Unter dem Druck von Zähnen, Zunge und Gaumen brechen die scheinbar festen Stoffe auf und können ein sämiges Gefühl bewirken – wie beispielsweise das altbekannte Trio Kartoffeln, Gemüse und Fleisch. Gemüse Wasser Pflanzliche Zutaten sind schöne Beispiele für halbfeste Stoffe. Jede Gemüsezelle ist von festem Stoff umgeben: ÖL der Zellwand. Diese Zellwand besteht aus Zellulose (in Form kleiner unverdaulicher Fasern) und Pektin. Fadenförmiges Pektin bildet ein verknüpftes Netzwerk, das die EMULSION Zellulosefasern festhält. Unter Wärmeeinfluss können die Pektinknoten entwirrt werden, und das ganze Bauwerk zerfällt. Aus diesem Grund wird Gemüse beim Garen weich. Im Inneren der Zelle befindet sich das Zytoplasma (ZellPFLANZENZELLE Flüssigkeit plasma), das hauptsächlich aus Wasser mit darin gelösten Zuckern und Aminosäuren besteht. Beißt man ein Stück einer knackigen Möhre ab, reißen die Zellwände auf und das Zytoplasma spritzt heraus. Die Zellwand, der Zellfeste Teilchen

PÜREE

Eiweißmolekül

Zellmembran

Zellwand

Muskelzelle

Zellwand

EMULSION

149 Flüssigkeit

PFLANZENZELLE

feste Teilchen

Muskelzelle

Fleisch Fleisch besteht aus Muskelzellen, die von einer dünnen Bindegewebsschicht PÜREE umgeben sind. Die Muskelzellen selbst sind aus den Muskeleiweißen Myosin und Aktin aufgebaut, die gemeinsamEiweißmolekül Flüssigkeit binden. Roh kann Fleisch ein wenig zäh und glibberig wirken. Eine sorgfältige Temperaturkontrolle während der Zubereitung von Fleisch führt zu einem schönen Biss. Wie bei rohem Gemüse springen die Zellen auf, wenn man hineinbeißt, wodurch die Säfte austreten. Luftblase SCHAUM

Bindegewebe

MUSKELGEWEBE

Kartoffeln Im Zytoplasma der Kartoffelzelle befindet sich eine große Anzahl fester Stärkekörner, die der Kartoffelpflanze als Nahrungsspeicher dienen. Beim Kochen quellen diese Stärkekörner und die Kartoffel wird gar. Molekülketten Im zweiten Teil dieses Buches sind wir Stärke als Molekülkette begegnet, die Aromen ersticken kann. Für die Textur spielt die Kettenform von Stärke eine wichtige Rolle. Lange, dünne Molekülketten kann man aufrollen, entrollen, verknoten und spalten. Molekülketten sind einerseits „fest“, weil es sehr schwierig ist, sie zu „zerbrechen“, aber dank der Kettenform sind sie auch flexibel oder sogar flüssig. Genau diese flexiblen Moleküle, die auf dem Teller fest und im Mund flüssig sind, brauchen wir beim Kochen. Es gibt zwei große Familien langkettiger Moleküle: Eiweiße und Polysaccharide. Eiweißmoleküle sind immer kettenförmig aus Aminosäuren aufgebaut, egal, ob sie nun in Fleisch, Fisch, Ei, Käse oder Tofu stecken. Molekülketten, die aus Zuckern aufgebaut sind, nennen wir Polysaccharide. Dazu gehört beispielsweise die Stärke in Hülsenfrüchten, Reis, Kartoffeln und Getreide. Auch bei Pektin in Früchten, Agar-Agar und Carrageen in Algen handelt es sich um langkettige Moleküle, die aus Zuckern aufgebaut sind. Stärke ist ein Bindemittel und kommt beispielsweise in Kartoffeln, Mais, Hülsenfrüchten und Getreide vor. Ihre Bindekraft verdankt die Stärke der Kettenstruktur. Sind die Ketten ungeordnet und befindet sich Wasser zwischen ihnen, entsteht eine zähe Masse (die Ketten „verkleistern“). Binden sich die Ketten auch untereinander, sind sie nicht mehr zäh, sondern nehmen eine feste Form an. Es entsteht ein Gel. GELE Ein Gel ist eine Struktur, in der feste Stoffe ein Netzwerk bilden, das Flüssigkeit binden kann. Damit gehören Gele zu den halbfesten Stoffen. Beim Kochen sind es oft verknotete Molekülketten, die dieses Netzwerk bilden. Man kann ein Gel mit Brot vergleichen, das in einer Mischung aus Ei und Milch eingeweicht wird, wie bei der Zubereitung von Armen Rittern. Die Gasblasen im Brot füllen sich mit Flüssigkeit. Die Wände zwischen den Gasbläschen bilden die feste Hülle, die die Flüssigkeit binden kann. In einem Gelatine-Gel sind die Räume, in denen die Flüssigkeit gebunden wird, jedoch über zehntausendmal kleiner als die Luftblasen im Brot.

TEXTUUR

kern, Enzyme und einige andere Moleküle sind zudem durch Membranen vom Zytoplasma getrennt.

textur

150 Gele lassen sich auch mit Stoffen erzeugen, die aus nicht kettenförmigen Molekülen bestehen, beispielsweise mit erstarrtem Fett. Wird Sahne geschlagen, verkleben Kügelchen aus erstarrtem Butterfett und bilden ein festes Netzwerk, das Flüssigkeit bindet, also ein Gel. PHYSIKALISCHE UND CHEMISCHE GELE Der feste Stoff in einem Gel kann ein Netzwerk aus langkettigen Eiweißmolekülen sein wie Gluten (aus Getreide), Gelatine (aus Knochen und Bindegewebe), Kasein (aus Milch) oder ein Netzwerk aus Stärke. Die Moleküle des Netzwerks gehen untereinander Bindungen ein. Dabei besteht ein Unterschied zwischen physikalischen und chemischen Gelen. Kann man die Bindungen aufbrechen und erneut bilden, indem man die Temperatur erhöht und senkt, sprechen wir von einem physikalischen Gel. Beim Aufbrechen der Bindungen schmilzt das Gel, und wenn es Bindungen eingeht, erstarrt es. Ein Beispiel für ein physikalisches Gel ist Gelatine. Sind die Bindungen hingegen so stabil, dass man sie nicht mehr aufbrechen kann, ist die Erstarrung unumkehrbar. Dann spricht man von einem chemischen Gel. Ein Beispiel hierfür ist ein gekochtes Ei. Um anzugeben, dass eine Bindung unumkehrbar ist, sprechen wir von Knoten. Die Molekülketten sind sozusagen verknotet und lassen sich nicht mehr entknoten. Die physikalischen Gele erläutern wir in Kapitel Eiweißmolekül 9: Schmelzen und Erstarren und die chemischen Gele in Kapitel 10: Verknoten und Spalten. TEXTUREN HERSTELLEN UND AUFBRECHEN CHEMISCHES GEL PHYSIKALISCHES GEL Mit den drei Komponenten feste Stoffe, Flüssigkeiten und Gas lässt sich eine unglaubliche Anzahl von Texturen herstellen. Um eine gewünschte Textur zu erhalten, müssen verschiedene Stoffstrukturen auf bestimmte Weise behandelt werden. Wir gehen Kapitel für Kapitel die Wasser Prozesse durch, die beim Kochen der Herstellung – und dem Aufbrechen – der wichtigsten Texturen zugrunde liegen. ÖL

SCHMELZEN UND ERSTARREN (KAPITEL 9) Wir sprechen über den Wechsel von fest zu flüssig und von flüssig zu fest. Eis schmilzt und erstarrt, genau wie Butter, aber auch physikalische Gele können EMULSION schmelzen und erstarren. Der Prozess des Schmelzens und Erstarrens ist so fundamental in der Küchenpraxis, dass man über ihn kaum nachdenkt. Bei welcher Gelegenheit kommt uns das Wissen um Schmelzen und Erstarren gelegen? Etwa bei Marmelade, Sorbet und Milcheis, lockeren Croissants, Flüssigkeit Dumpling-Suppen und vielem PFLANZENZELLE anderen mehr. feste Teilchen VERKNOTEN UND SPALTEN (KAPITEL 10) Hier geht es um die Bildung chemischer Gele. Beim Kochen bedeutet das vor allem: das Denaturieren und Verknoten von Proteinmolekülen. Klingt abstrakt? Eigentlich PÜREE reden wir über die wohl älteste Form des Kochens: das Garen von Fleisch. Auch das Eier kochen, Seidentofu herstellen, Fisch zubereiten und viele weitere wichtige Kochtransformationen fallen unter die Kategorie VerknotenEiweißmolekül (von Eiweißmolekülen).

Zellmembran

Zellwand

Muskelzelle

Bindegewebe

Eiweißmolekül

151 TEXTUUR

VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN (KAPITEL 11) CHEMISCHES GEL Auch der Wechsel von flüssig in gasförmig und umgekehrt ist beim Kochen so selbstverständlich, dass wir uns kaum Gedanken darüber machen. Ging es in Kapitel 5 um die Verdampfung (Verflüchtigung) von Aromen, konzentrieren wir uns hier auf das Verdampfen von Wasser. Auf dem Verdampfen basieren nicht nur ganze KochtechEiweißmolekül niken wie Frittieren und Reduzieren – ein gutes Verständnis von Verdampfung bildet Wasser auch den Schlüssel zu einem gelungenen Soufflé.

PHYSIKALISCHES GEL

ÖL

TRÄNKEN UND ENTZIEHEN (KAPITEL 12) Wasser in halbfester Nahrung wird auf verschiede Arten gebunden, unter anderem durch Eiweißketten und Stärkemoleküle, durch erstarrte Fetttropfen in Sahneeis und in Zellwänden von Gemüse. Bei vielen Zubereitungen wird dem halbfesten Stoff FlüsEMULSION CHEMISCHES GEL sigkeit zugefügt, indem man ihn tränkt, beispielsweise beim Marinieren von Fleisch oder indem Obst unter Verwendung des VakuumierEiweißmolekül geräts mit aromatischer Flüssigkeit angereichert wird. Flüssigkeit

EMULGIEREN UND GERINNEN (KAPITEL 13) Bei einer Emulsion sind Öltröpfchen in Wasser verteilt. Sie zuzubereiten und stabil zu halten, erfordert gewisse Kenntnisse, gelingt jedoch immer, wenn man sich für die richtigen Zugaben und Verhältnisse entscheidet. Weiß man, wie Mayonnaise funktioniert, versteht man fast jede Sauce. Damit eröffnet sich eine ganze Welt von Möglichkeiten. AUFSCHÄUMEN UND ENTGASEN (KAPITEL 14) Schäume sind Strukturen, in denen Luftbläschen gefangen sind. Durch die mit Aromen gefüllten Bläschen können diese Strukturen ein ganz besonderes Genusserlebnis sein. Bekannte und weniger bekannte Schäume aus der Küchenpraxis lassen wir hier Revue passieren. Dabei wird deutlich, welche essenziellen Zutaten für einen Schaum benötigt werden: Gas, Grundflüssigkeit, Schaumbildner und Stabilisator.

PHYSIKALISCHES GEL

PFLANZENZELLE

Wasser

feste Teilchen ÖL

CHEMISCHES GEL PÜREE

PHYSIKALISCHES GEL

EMULSION

Eiweißmolekül Wasser Flüssigkeit

PFLANZENZELLE

ÖL feste Teilchen Luftblase EMULSION SCHAUM PÜREE

MUSKELGEWEBE

Eiweißmolekül Flüssigkeit

SUSPENDIEREN UND KLÄREN (KAPITEL 15) In einer Emulsion verteilt man Öltröpfchen in Flüssigfeste Teilchen keit, in einem Schaum verteilt man Gasbläschen in einer Basis, und in einer Suspension sind feste Teilchen in einer Flüssigkeit verteilt. Kaffee ist beispielsLuftblase PÜREE weise eine Suspension, bestehend aus kleinen Stücken SCHAUM gemahlener Kaffeebohne, verteilt in heißem Wasser. Wir beschreiben, wie man Suspensionen und Pürees durch feines Mahlen von Eiweißmolekül Zutaten herstellt, und betrachten, wie sich eine Flüssigkeit durch Sieben, Filtern oder Klärungsmittel klären lässt.

PFLANZENZELLE

MUSKELGEWEBE

Luftblase SCHAUM

MUSKELGEWEBE

153 Schmelzen und Erstarren

KAPITEL 9

SCHMELZEN UND ERSTARREN VON FLÜSSIG ZU FEST → WARUM MAN IN DEN TROPEN LIEBER KEINE GELATINE VERWENDEN SOLLTE → DARUM VERLIERT SCHOKOLADE IHREN GLANZ → WIE GEMÜSE UND HÜLSENFRÜCHTE „SCHMELZEN“

→ WIE DÜNNFLÜSSIGE MARMELADE DURCH ZITRONENSAFT ERSTARRT → WARUM SUPERMARKT-CROISSANTS VIEL GRÖSSER UND LUFTIGER SIND ALS CROISSANTS AUS DEM EIGENEN BACKOFEN

textur

154 Schmelzen und Erstarren sind im Kochalltag so gewöhnliche Prozesse, dass sie auf den ersten Blick vielleicht wenig interessant scheinen. Aber mehr über den Schmelzund Erstarrungsprozess von Wasser, Fett, Pektin, Stärke und Gelatine zu wissen, hilft uns beim Zubereiten von Eis, dem Arbeiten mit Schokolade, dem Backen von Blätterteig und sogar, wenn wir einfach nur Gemüse kochen – denn schmilzt Pektin in den Zellwänden, wird unser Gemüse gar. Beim Kochen können wir den Schmelz- und Erstarrungsprozess über die Regler Temperatur und Zusammensetzung beeinflussen.

WAS IST SCHMELZEN UND ERSTARREN? Wir beginnen mit der am häufigsten verwendeten Zutat beim Kochen: Wasser. Die Temperatur, bei der der Aggregatszustand von Wasser von flüssig zu fest übergeht, beträgt 0 °C. Dieser Übergang geht oft mit der Bildung von (Eis-)Kristallen einher und wird daher auch Kristallisation genannt. Feste Stoffe verdanken ihre Stabilität der Stärke der Bindungen zwischen den Atomen verschiedener Moleküle. Je stärker die Bindung, desto höher liegt die Temperatur, die nötig ist, um diese Bindung aufzubrechen. Dieses Aufbrechen der Bindungen nehmen wir als Schmelzen wahr. Bei Wasser und Alkohol ist der Übergang von fest zu flüssig bei nur minimalen Schwankungen an eine spezifische Temperatur gebunden (0 °C beziehungsweise -114 °C). Das bezeichnet man als einen „scharfen“ Schmelzpunkt. Bei Fetten und Ölen und den meisten kulinarischen Gelen ist der Schmelzpunkt hingegen „unscharf“. Sie schmelzen innerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs.

SCHMELZEN UND ERSTARREN VON GELEN Wenn wir beim Kochen von Schmelzen und Erstarren reden, geht es meist um Gele. Beispiele für Gele sind Fleisch-, Fisch- und Geflügelbouillons (sie enthalten Gelatine), Marmeladen und Gelee (sie enthalten Pektin), Béchamelsauce (sie enthält Stärke) und Desserts, die mit Agar-Agar gebunden werden. In jedem dieser Gele wird Wasser durch Molekülketten gebunden, die untereinander eine Bindung eingehen. Diese Bindung bestimmt den Schmelz- und Erstarrungspunkt des Gels. Auf dem Schmelzpunkt werden die Bindungen zwischen den kettenförmigen Molekülen und beim Abkühlen erstarrt Gel, sobald die Bindungen hergestellt werden. Ein interessantes Beispiel ist Fischgelatine. Weil Fische Wechselblüter sind, liegt der Schmelzpunkt von Gelatine, die aus Fisch gewonnen wird, niedriger als der von Gelatine warmblütiger Landtiere wie Schweine oder Rinder. In der Tabelle befindet sich eine Übersicht der typischen Schmelz- und Erstarrungspunkte diverser Gele. STOFF / GEL

Fischgelatine

ERSTARRUNGSTEMPERATUR / ERSTARRUNGSSTRECKE

~10 °C

Gelatine aus Warmblütern

10-14 °C

Stärkegel

65-70 °C

Pektin

70-85 °C

Agar-Agar

32-40 °C

Wasser Butterfett

0 °C 32-35 °C

155

MARMELADE: GEL AUS PEKTIN Pektin befindet sich in den Wänden der Pflanzenzellen. Auch dieser Stoff besteht aus langen Molekülketten. Die Stärke der Knoten, die Pektinketten untereinander anlegen, bestimmt die Festigkeit der Zellwände. Kochen wir Früchte für Marmelade, schmelzen wir das Pektin vollständig aus den Zellwänden heraus. Ihre Steife erhält Marmelade dadurch, dass die Pektinketten beim Abkühlen neue Knoten bilden. Wir helfen der Marmelade beim Steifwerden, indem wir die Früchte zusammen mit Zucker reduzieren. Je konzentrierter eine Zuckerlösung ist, desto leichter gehen Pektinketten Bindungen ein. Durch die Zugabe einer Säure, meistens Zitronensaft oder Zitronensäure, verringern wir die negative Ladung der Pektinmoleküle. Damit erhöht sich ihre gegenseitige Anziehungskraft, und das Ergebnis ist eine steifere Marmelade. Sollte eine Marmelade nach dem Abkühlen also nicht steif genug sein, kann man sie erneut zum Kochen bringen, wieder ein wenig reduzieren und mehr Säure zufügen. Anwendungen finden diese Prinzipien in unserem Rezept Seite 164 für eine köstliche und steife Aprikosenmarmelade mit Haselnüssen. GEL AUS MEERESALGEN Auch Meeresalgen besitzen Zellwandverstärkungen. Diese pektinartigen Moleküle können wie Pektin oder Gelatine Wasser in einem Gel binden. Es gibt jedoch interessante Unterschiede. Agar-Agar beispielsweise hat einen höheren Schmelzpunkt als Gelatine; es schmilzt bei über 60 °C. Bei Abkühlung erstarrt das Agar-Agar zwischen 32 und 40 °C. Ein solches Abweichen von Erstarrungs- und Schmelzpunkt bezeichnet man als Hysterese. In den Tropen, wo die Temperatur meist über 30 °C liegt, ist AgarAgar der Gelatine als Geliermittel vorzuziehen. Gele, die mit Gelatine gebunden sind, wie der bekannte Wackelpudding, verlieren ihre Festigkeit bereits bei Temperaturen ab 25 °C. Im Rezept auf Seite 163 beschreiben wir die Zubereitung eines irischen Puddings mit dem Meeresalgenextrakt Carrageen, einem Bindemittel, das in der Lebensmittelindustrie häufig zum Verdicken von Milchprodukten zum Einsatz kommt. BÉCHAMELSAUCE: GEL AUS STÄRKE Eine Béchamelsauce besteht aus Milch, die mit Mehl gebunden wird. Für die Stärke aus dem Mehl gilt dasselbe wie für Gelatine: Sie bindet Wasser in einem Netzwerk aus kettenförmigen Molekülen. Sobald eine Béchamelsauce abkühlt, wird sie dick und erstarrt. Wärmt man sie wieder auf, wird sie dünn und man kann sie beispielsweise für die Zubereitung einer Lasagne verwenden. Je mehr Stärke, desto dicker die Sauce.

Schmelzen und Erstarren

BOUILLON UND FONDS: GEL AUS GELATINE Lässt man einen aus Kalbskeule gezogenen Fond abkühlen, erstarrt er. Die Gelatine, die aus den Knochen extrahiert wird, bildet ein Netzwerk aus Molekülketten, die untereinander stabile Bindungen eingehen, in denen Wasser gebunden wird. Je mehr Gelatine man in den Fond extrahiert hat, desto steifer wird er nach dem Abkühlen. Und je mehr Gelatineketten es gibt, desto mehr Bindungen werden angelegt. Im Rezept für chinesische Dumpling-Suppe auf Seite 161 nutzen wir ein Gelatine-Gel, das schmelzen kann. Die Suppe besteht aus einer klaren Ingwerbouillon, in die Dumplings mit einem gelatinereichen Fond eingelegt werden. Der Fond schmilzt in der Suppe und die Füllung der Dumplings wird flüssig.

textur

156 FLAN UND VANILLEPUDDING: GEL AUS EIWEISSEN

Wird Flüssigkeit (Wasser, Sahne, Orangensaft etc.) durch Eiweiß von Eiern gebunden, wie bei einem Flan oder Vanillepudding, sprechen wir ebenfalls von Erstarren. Der Prozess ist nur nicht umkehrbar: den Flan können wir nicht mehr verflüssigen. Das Eiweiß aus den Eiern ist über chemische Bindungen miteinander verknotet. Dahinter steht ein anderer Prozess als das Erstarren, das wir in diesem Kapitel beschreiben – das ist physikalischer Art. Bei einem physikalischen Gel ist das Erstarren umkehrbar und geht mit dem Schmelzen Hand in Hand. Was chemische Gele zusammenhält, erklären wir in Kapitel 10: Verknoten und Spalten.

SCHMELZEN UND ERSTARREN VON FETT UND ÖL Meistens haben Zutaten keinen scharfen Schmelz- oder Erstarrungspunkt. Das gilt für die Gele, die wir besprochen haben, aber auch für Fette und Öle. Sie schmelzen und erstarren innerhalb eines Temperaturbereichs (Schmelzbereich beziehungsweise Erstarrungsintervall). Das liegt daran, dass die Fette und Öle, die wir beim Kochen verwenden, aus einer Mischung verschiedener Fette bestehen: den harten (gesättigten) und den weicheren (ungesättigten) Fettsäuren. Jede Fettsorte hat ihren eigenen Schmelzpunkt. Die Zusammensetzung der Fette in Öl oder Fett bestimmt, in welchem Temperaturbereich, sie schmelzen beziehungsweise erstarren. Butter zum Beispiel ist hart, wenn sie gerade aus dem Kühlschrank kommt, lässt sich aber bei einer Temperatur von 9-14 °C gut verstreichen. Diese verbesserte Streichfähigkeit hängt mit dem Schmelzen der Fette mit einem niedrigeren Schmelzpunkt zusammen. Bei Zimmertemperatur (20 °C) erreicht Butter die ideale Temperatur, um für einen Kuchen oder Buttercreme leicht mit Zucker geschlagen werden zu können. Zwischen 32 und 35 °C beginnt Butter zu schmelzen. CROISSANTS – BUTTER ODER MARGARINE? Auch der Schmelzbereich verschiedener Buttersorten variiert, je nachdem, welche Milchsorte verwendet wird. Stallbutter aus Wintermilch (von Kühen, die im Stall stehen und Heu fressen) hat einen höheren Schmelzpunkt als Grasbutter, hergestellt aus Sommermilch (von Kühen, die auf der Weide grasen). Handwerklich arbeitende Konditoren machen Blätterteig am liebsten aus Stallbutter, weil sie länger steif bleibt, während der Teig gefaltet (touriert) wird. Margarine, „Butter“ aus gehärteten pflanzlichen Fetten, wird industriell mit verschiedenen Schmelzbereichen hergestellt, je nach den Bedürfnissen des Kunden. Im Supermarkt kaufen Konsumenten gern weiche, streichfähige Margarine mit einem niedrigen Schmelzbereich. Bäckereien dagegen haben einen ganz anderen Anspruch. Sie wollen eine feste Margarine, weil diese leichter zu verarbeiten ist. Creme- oder Kuchenmargarine wird weniger schnell weich und hält den Teig für Gebäck stabiler. Damit Geschmack und Bräunung der Butter nahekommt, werden Butteraroma und Farbstoff zugefügt. Blätterteigmargarine ist noch härter und schmilzt erst zwischen 47 und 57 °C, ideal für das Ausrollen und Falten von Blätterteig. Mit industriellen Margarinen können Croissants aus dem Supermarkt daher viel größer und luftiger werden als die Croissants, die man zu Hause selbst macht oder bei einem französischen Bäcker kauft.

157

GEMÜSE GAREN: SCHMELZEN UND ERSTARREN VON PEKTIN Und was hat der Garprozess von Gemüse nun mit dem Schmelzen und Erstarren zu tun? Alles! In den Zellwänden von Pflanzenzellen befindet sich Pektin, das zur Stabilität der Pflanzenzellen beiträgt. Pektinmoleküle sind kettenförmig, wie Eiweißmoleküle, und negativ geladen. Während des Kochens, Grillens oder Backens von Gemüse schmilzt das Pektin in den Zellwänden und das Gemüse wird weich. Das erfahren wir als gar. Beim Abkühlen von Gemüse erstarrt das Pektin und das Gemüse wird wieder etwas straffer – es wird jedoch nicht wieder „roh“, denn die Zellen und Zellwände erhalten ihre ursprüngliche Form nicht mehr zurück. Das liegt daran, dass das Pektin nur der Zement der Zellwand ist, der die Zellulosefasern (aus denen die Zellwände bestehen) zusammenhält. Durch die Erhöhung der Temperatur schmelzen wir diesen Zement, wodurch sich die Fasern voneinander lösen und das Zytoplasma (Zellplasma) aus der Zelle austritt. Bei Abkühlung wird der Zement wieder fest (das Pektin erstarrt), aber die Fasern fügen sich nicht mehr zu einer Wand zusammen. Außerdem deaktivieren wir durch das Erhitzen Enzyme, die den Geschmack das Gemüses beeinflussen können (siehe Kapitel 3: Enzyme), wodurch sich auch das Aroma dauerhaft verändert.

ERHITZEN

Zellwand

Pektin

Zellulose

Links sieht man, wie die Pektinketten die Zellulosefasern in rohem Gemüse zusammenhalten. Durch Erhitzen des Pektins löst sich der Zusammenhalt, und die Zellwand stürzt ein.

Schmelzen und Erstarren

Ein gelungener Blätterteig zeichnet sich durch einen möglichst perfekten Wechsel zwischen Fett- und Teigschichten aus. Weil der Schmelzpunkt der Blätterteigmargarine viel höher liegt, bleibt die Schichtstruktur, die für Blätterteig gebraucht wird, viel besser intakt – sowohl beim Ausrollen als auch im Ofen.

textur

158 TEMPERATUR Der wichtigste Regler für das Schmelzen und Erstarren ist Temperatur. Steigt die sie, werden die Bewegungen aller Moleküle intensiver und die Wahrscheinlichkeit, dass die Bindungen untereinander zusammenbrechen, erhöht sich. Ein Fond schmilzt, Sahneeis wird weich und Béchamelsauce wird flüssig. Der Schmelzpunkt im Essen beeinflusst auch das Aroma- und Geschmackserlebnis. Butter, Schokolade und Gelatine schmelzen bei 37 °C. Das ist der Grund, weshalb uns Lebensmittel mit diesen Zutaten so gut schmecken: Sie schmelzen auf der Zunge und nicht auf dem Teller. Manche Fette wie Palmfett und tierische Fette haben einen Schmelzbereich, der sich bis über 37 °C erstreckt. Diese Fette verwenden wir daher nicht in Gerichten, die kalt gegessen werden. Fett, das auf der Zunge kleben bleibt, statt zu schmelzen, vermittelt ein unangenehmes Gefühl. DIE KUNST, SCHOKOLADE ZU SCHMELZEN Wer schon einmal mit geschmolzener Schokolade in der Küche gearbeitet hat, weiß, wie unterschiedlich sie sich verhalten kann. Mal wird sie hart, aber meistens bleibt sie weich. Das liegt daran, dass die Kakaobutter in Schokolade aus verschiedenen Fettkristallen besteht, jedes mit einer eigenen Schmelz- und Erstarrungstemperatur. Insgesamt enthält Schokolade sechs verschiedene Fettkristalle, von denen nur zwei stabil genug sind, um sie fest, glänzend und knackig zu machen. Kühlt geschmolzene Schokolade zu schnell ab, können die instabilen Kristalle die Oberhand gewinnen. Beim Erstarren kristallisiert das Fett dann in einem lockeren, weniger straff organisierten Netzwerk mit mehr flüssigem Fett. Die Kunst beim Schmelzen von Schokolade besteht darin, dafür zu sorgen, dass die beiden stabilen Fettkristalle vorherrschen, die in einem symmetrischen Muster erstarren. Diese Kunst verstehen die Chocolatiers, und sie heißt Temperieren. Schokolade wird temperiert für perfekte Festigkeit, einwandfreies Knacken beim Zerbrechen, einen schönen Glanz und einen Schmelzpunkt von exakt 37 °C. Im Rezept für die Schokopralinen auf Seite 167 erklären wir, wie das geht. SCHMELZWÄRME

Damit ein fester Stoff schmilzt, ist Wärme nötig. Wenn wir Schokolade essen, schmilzt das Kakaofett und dieser Schmelzprozess entzieht der Zunge Wärme. Die Zunge wird von schmelzender Schokolade also ein wenig gekühlt, was sich angenehm anfühlt. Wie viel Wärme beim Schmelzen entzogen wird, unterscheidet sich je nach Stoff. Die Schmelzwärme (die Energie, die zum Schmelzen benötigt wird) von Wasser ist viermal höher als die von Butter. Bei Gelatine hingegen ist so sie niedrig, dass sie zu vernachlässigen ist. Auch beim Schütteln eines Cocktails spielt Schmelzwärme eine große Rolle. Während des Schüttelns schmilzt das Eis und entzieht so dem Getränk, das geschüttelt wird, Wärme. Dadurch kühlt der Cocktail innerhalb von 20 Sekunden auf die gewünschte Temperatur ab.

ZUSAMMENSETZUNG Wie das Festwerden von Marmelade lässt sich auch der Garprozess von Gemüse stark beeinflussen, indem wir das Verhalten des Pektins in den Zellwänden manipulieren. Fügen wir dem Kochwasser eine Säure zu, senken die

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PEKTIN UND BASEN Gemüse „schmilzt“ schneller, wenn man es mit einer Base gart, etwa einer Prise Backsoda. In einem basischen Milieu lädt sich Pektin positiv auf, und die Moleküle stoßen sich gegenseitig ab. Darum bilden sich weniger Bindungen und die Zellwand zerfällt leichter. Mit ein wenig Backsoda werden auch Hülsenfrüchte schneller gar. Das basische Kochwasser macht die Zellwände weicher. Dadurch kann das Wasser schneller in die Zellen eindringen und die Stärkekörner können sich auflösen. CALCIUMBRÜCKEN

Wird Gemüse in Milch gekocht, verlangsamt sich der Garprozess. Milch enthält nämlich Calcium, das für die Knoten zwischen den Pektinen sorgt. Es ist doppelt (positiv) geladen und kann somit negativ geladene Pektine binden: Calcium bildet eine kleine Brücke. Eine Zugabe von Calcium stärkt also die Zellwand. Wird hingegen Salz, das die schon vorhandenen Calciumbrücken einreißt, ins kochende Wasser gegeben, beschleunigt dies den Garprozess von Gemüse. CREMIGES SORBET Zucker spielt bei der Textur von Sorbets eine wichtige Rolle. Wenn das Wasser im Mix für Sorbet zu frieren beginnt, geschieht etwas Bemerkenswertes. Die sich bildenden Eiskristalle nehmen den zugefügten Zucker nicht auf. Dadurch wird das noch ungefrorene Wasser immer süßer, und mit dem höheren Anteil gelösten Zuckers sinkt der Gefrierpunkt. Die Bildung von Eiskristallen wird daher so lange fortgeführt, bis der Gefrierpunkt des ungefrorenen Zuckerwassers der Temperatur in der Tiefkühltruhe entspricht. Das Ergebnis ist eine Paste aus Eiskristallen (siehe Seite 108) umgeben von zuckersüßem Sirup. Sorbet also. Bei etwa 25 % Zucker ist ein Sorbet cremig und lässt sich zwischen -10 und -14 °C gut schöpfen. Bei mehr als 35 % Zucker bleibt das Sorbet in der Truhe zu weich, weil ein zu großer Teil des Wassers nicht gefriert. SENKEN DES GEFRIERPUNKTS MIT ALKOHOL ODER ZUCKER Neben Zucker kann auch Alkohol gut in Eis verwendet werden, um den Gefrierpunkt zu senken. Wie Zucker verhindert er die Bildung von Eiskristallen. Diesen Effekt können wir am Beispiel hochprozentigen Alkohols erläutern. Der Gefrierpunkt von reinem Alkohol liegt bei -114 °C. Je höher der Alkoholanteil eines Getränks ist, um so näher rückt sein Gefrierpunkt an den von Alkohol heran. Bei 35 % Vol. Alkohol (Wodka) liegt der Gefrierpunkt bei -25 °C, bei 14 % Vol. (Wein) bei -8 °C. Für unser Sorbet aus Tomate und Wassermelone (siehe Seite 165) verwenden wir Wodka, um das Eis leicht schöpfbar zu machen.

Schmelzen und Erstarren

H+-Ionen die negative Ladung der Pektinmoleküle, die dadurch stärkere Bindungen untereinander eingehen können. Dadurch wird die Zellwand stabiler. Gemüsesorten werden daher kaum weich, wenn man sie in einer sauren (Tomaten-)Sauce kocht. Das Gleiche gilt für Kartoffeln, die zusammen mit Sauerkraut gekocht werden. Die Festigung von Pektin unter Einfluss von Säure kann sich auch positiv auswirken. Die Knackigkeit fermentierter Gemüsesorten verdanken wir beispielsweise der Milchsäure, die beim Fermentieren entsteht. Der Biss von gedämpftem Gemüse hat ebenfalls mit dem Säuregrad zu tun. Weil Dampf saurer ist als Wasser aus dem Hahn, zerfallen die Zellwände weniger schnell, wenn man sie dämpft.

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In dieser chinesischen Suppe servieren wir Dumplings mit einer flüssigen Füllung aus Kalbsfond. Möglich macht dies Agar-Agar, ein aus Algen gewonnenes Bindemittel. Sein Schmelzpunkt liegt so hoch, dass die Füllung in einer warmen (nicht heißen!) Suppe zusammenhält.

1 Hähnchenschenkel am Gelenk trennen. Sellerie, Zwiebel, Möhre, Lauch, Peperoni, Ingwer und Zitronengras grob hacken und mit Kaffirlimettenblättern sowie dem Hähnchen in einen Topf geben. Diesen mit etwa 1 l Wasser auffüllen, bis alle Zutaten bedeckt sind. Zum Kochen bringen, entstehenden Schaum mit einer Schaumkelle abschöpfen. Bei schwacher Hitze 1 Stunde ziehen lassen, dabei einen (Wasser-)Deckel auf den Topf legen. Getrocknete Shiitake in einer kleinen, mit lauwarmem Wasser gefüllten Schüssel einweichen.

HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN

2 Die Bouillon abseihen, die Hühnerschenkel beiseitelegen, abkühlen lassen und das Fleisch von den Knochen lösen. 50 g Huhn in sehr feine Stücke schneiden. Das restliche Fleisch für die Suppe oder eine andere Zubereitung aufbewahren.

ZUBEREITUNGSZEIT

± 1 Stunde 2 ½ Stunden

WARTEN

FÜR DIE BOUILLON

2 Hähnchenschenkel 1 Stängel Staudensellerie 1 Zwiebel 1 Möhre 1 Lauch ½ Peperoni, entkernt 15 cm frischer Ingwer 2 Stängel Zitronengras 5 Kaffirlimettenblätter 25 g getrocknete Shiitake

3 Kalbsfond in einem Stieltopf bei niedriger Temperatur schmelzen und zum Kochen bringen. Agar-Agar zufügen und mit einem Schneebesen gut einrühren. Noch 10 bis 15 Sekunden kochen lassen. Den Topf vom Herd nehmen und das feingeschnittene Huhn zugeben. Den Fond in die Eiswürfelform gießen und 15 Minuten abkühlen, dann 1 Stunde im Kühlschrank steif werden lassen. ↑ Die Gelatine im Kalbsfond wird schon bei 25 °C weich. Damit das Gelee in der Suppe nicht zu schnell schmilzt, geben wir ein wenig Agar-Agar zu, dessen Schmelzpunkt viel höher liegt als der von Gelatine. So fließt das

FÜR DIE DUMPLINGS

100 ml dicker Kalbsfond (Gelee) 1 g Agar-Agar 20 Gyoza-Teigblätter (aus dem Asia-Laden) Eiswürfelform (oder Silikonförmchen mit 5 ml Fassungsvermögen), Topf mit Wasserdeckel (siehe S. 90; optional)

AUSSERDEM

Gelee nicht aus den Dumplings, wenn sie in die Suppe kommen.

4 Je einen Würfel des Hühnergelees auf die Gyoza-Teigblätter geben und diese zu Dumplings formen. Aus der Schüssel mit den Shiitake das Wasser abgießen. 5 Die abgeseihte Bouillon wieder zum Kochen bringen und die Shiitake-Pilze zufügen. Im nicht mehr kochenden Wasser die Dumplings ein paar Minuten (nach Angabe auf der Gyoza-Verpackung) garen. Kocht das Wasser, können die Dumplings beschädigt werden und die Füllung schmilzt. 6 Die Bouillon mit Dumplings und Shiitake in Schalen servieren.

Schmelzen und Erstarren

DUMPLING-SUPPE

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Das ist ein klassisches irisches Dessert aus den gleichen Meeresalgen, aus denen auch das Bindemittel Carrageen gewonnen wird. Carrageen wird in der Lebensmittelindustrie zum Verdicken von Milchprodukten wie Joghurt oder Quark und von Pudding verwendet. DESSERT, 6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten 1 Stunde und 15 Minuten

ABKÜHLEN

7 g getrocknetes Irish Moos (aus dem Bio-Laden) 900 ml Milch 75 g feiner Zucker 1 Vanilleschote 100 ml Sahne (30 % Fett) 200 g Erdbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren Puderzucker, nach Geschmack AUSSERDEM

6 Dessertschälchen

1 Irish Moos 10 Minuten in kaltem Wasser einweichen, bis es weich ist. Moos abseihen und in 450 ml Milch zusammen mit dem Zucker in einem Topf zum Kochen bringen. Durch ein Sieb gießen. Dabei möglichst viel von der gelatineartigen Milch durch das Sieb drücken. 2 Vanilleschote der Länge nach aufschneiden und mit einem Teelöffel das Mark aus den Schotenhälften schaben. Mark und Schoten in 450 ml Milch in einem zweiten Topf zum Kochen bringen und 15 Minuten ziehen lassen. Durch ein Sieb gießen, um die Schoten zu entfernen. Die mit Moos und Zucker gekochte Milch sowie die Sahne zugießen und gut verrühren. ↑ Würde die Vanille zusammen mit dem Moos in Milch ziehen, ginge ein Teil des Aromas verloren. Carrageen kann nämlich wie Amylose Aromastoffe gefangen setzen (siehe Kapitel 7: Stärke und Aroma).

3 Auf die Schälchen verteilen und 15 Minuten abkühlen lassen. 1 Stunde im Kühlschrank steif werden lassen. 4 Den Pudding mit den Früchten und ein wenig Puderzucker servieren.

TIPP: Mit einem Ei (oder zwei) anreichern. Dazu das Eigelb mit 1 TL Zucker schlagen und nach Schritt 2 die warme Milch darüber sieben. Dann das Eiweiß steif schlagen, bis sich kleine Spitzen bilden, und unter den Pudding heben.

Schmelzen und Erstarren

PUDDING AUS IRISH MOOS

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APRIKOSENMARMELADE MIT HASELNÜSSEN UND ROSENWASSER Bei der Herstellung von Marmelade werden die Früchte gekocht, um das Pektin in den Zellwänden zu schmelzen. Damit die Marmelade gebunden wird, müssen sich die geschmolzenen PektinMolekülketten beim Abkühlen verknoten. Wir unterstützen das Erstarren der Marmelade, indem wir die Früchte mit Zucker einkochen. Je konzentrierter eine Zuckerlösung ist, desto leichter gehen die Pektinketten Bindungen ein. Durch die Zufügung einer Säure – meistens Zitronensaft oder Zitronensäure –, verringern wir die negative Ladung der Pektinmoleküle, wodurch sie sich leichter gegenseitig anziehen. FÜR CA. 1,2 L (4 GLÄSER)

ZUBEREITUNGSZEIT

± 45 Minuten WARTEN/KOC HZEIT

1 Aprikosen 15 Sekunden lang in kochendes Wasser tauchen. Unter kaltem Wasser abspülen und mit einem Schälmesser die Haut abziehen. In Hälften teilen und Steine entfernen. 2 Die Aprikosenhälften in grobe Stücke schneiden und mit einer bodenbedeckenden Schicht Wasser (5 mm) in einen hohen Topf geben. Zum Kochen bringen und 15 Minuten köcheln lassen, damit ein wenig Flüssigkeit verdunstet. Hin und wieder umrühren. 3 Zucker, Zitronensaft und Haselnüsse zufügen. Das Ganze erneut zum Kochen bringen und gut rühren. Die Marmelade weitere 30-40 Minuten köcheln lassen bis zur gewünschten Steife (Marmeladentest machen, siehe Kasten). Zuletzt Rosenwasser einrühren und die heiße Marmelade in sterilisierte Gläser füllen. Gläser sofort mit (ebenfalls sterilisierten) Deckeln verschließen und abkühlen lassen. Die Marmelade hält sich ein Jahr. DER MARMELADENTEST

Um zu testen, ob die Marmelade steif genug ist, während des Kochens einen Tropfen Marmelade auf ein kaltes Schälchen (oder ein Stück Metall) fallen lassen. 1 Minute warten und das Schälchen schräg halten. Wenn sich der Tropfen nur träge bewegt, ist die Marmelade bereit zur Abfüllung. Rutscht der Tropfen leicht weg, muss die Marmelade weiterkochen.

± 40 minuten 1,5 kg reife Aprikosen 500 g Zucker* Saft von 1 Zitrone 150 g Haselnüsse, grob gehackt 2 EL Rosenwasser (aus dem Bio- oder marokkanischen Feinkostladen) 4 Marmeladengläser mit Deckel (sterilisiert)

AUSSERDEM

* Für eine weniger süße Variante dieser Marmelade „Gelierzucker extra“ statt normalem Zucker verwenden. Davon werden nur 250 g benötigt und die Marmelade darf nur 1 Minute kochen, sonst verliert der Gelierzucker an Bindekraft. Die Zeitmessung beginnt, sobald die gesamte Oberfläche der Marmelade brodelt und durch Rühren nicht mehr geglättet werden kann.

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AUS TOMATEN UND WASSERMELONE Alkohol verhindert wie Zucker die Bildung von Eiskristallen und eignet sich daher gut, um den Gefrierpunkt von Sorbet zu senken. In diesem Rezept nutzen wir Wodka, damit sich das Eis gut schöpfen lässt. DESSERT, 10 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 10 Minuten 1 Stunde EISMAS C HINE ± 40 Minuten ABKÜHLEN

300 ml Tomatenwasser (siehe Rezept für Aromatisiertes Wasser (Infused Water) auf Seite 253) 125 g Zucker 1 Blatt Gelatine 500 g Wassermelone, ohne Schale in Stücken 100 ml Wodka AUSSERDEM

Eismaschine

1 Tomatenwasser mit dem Zucker zum Kochen bringen. Rühren, bis sich der Zucker auflöst. Gelatine in reichlich Wasser einweichen. 2 Den Topf vom Herd nehmen und die Gelatine im warmen Tomatenwasser auflösen. 15 Minuten abkühlen lassen. 3 Wassermelone mit Wodka in der Küchenmaschine pürieren. Das lauwarme Tomatenwasser zugießen, alles zusammen in eine Schüssel geben und vollständig abkühlen lassen. 4 In der Eismaschine gefrieren.

S ERVIERTIPP: Mit Wassermelonenwürfeln oder Pistazienkernen servieren oder mit Minzblättchen oder Atsina-Kresse garnieren.

Schmelzen und Erstarren

SORBET

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Wer beim Kochen schon einmal mit Schokolade gearbeitet hat, weiß, wie unterschiedlich sie sich nach dem Schmelzen verhalten kann. Um den Erstarrungsprozess zu kontrollieren, muss man wissen, wie man Schokolade temperiert. PRALINEN, CA. 25 STÜCK

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten ± 2 Stunden

1 Kondensmilch, Butter, Rohrzucker, Vanille-Extrakt und Salz in einem hohen Topf unter Rühren zum Kochen bringen. Die Mischung beginnt, Blasen zu werfen und etwas aufzusteigen. Wenn die Masse zu weit aufsteigt, die Temperatur reduzieren. 2 Die Sauce 10 Minuten köcheln lassen, dabei regelmäßig über den Topfboden rühren. Nach einiger Zeit wird die Sauce tiefbraun. Das Thermometer in der Masse 1 cm über den Topfboden halten, ohne diesen zu berühren. Sobald 116 °C erreicht sind, den Topf vom Herd nehmen. (Alternativ einen Tropfen Sauce in ein Glas mit eiskaltem Wasser geben und wieder herausnehmen. Fühlt er sich zäh an, ist die Sauce genügend karamellisiert. Ist er weich, muss die Sauce länger kochen.)

ABKÜHLEN

1 Dose Kondensmilch 100 g Butter 150 g feiner heller Rohrzucker 1 TL Vanille-Extrakt ½ TL Salz 300 g temperierte Schokolade (weiße, Zartbitter- oder Vollmilchschokolade) Zuckerthermometer, halbkugelförmige Pralinenförmchen aus Silikon (Fassungsvermögen 5 ml)

3 Das Karamell in eine feuerfeste Schüssel gießen (Achtung, heiß!) und einige Minuten leicht rühren, bis es allmählich steifer wird. Die Sauce zügig auf die Hälfte der Silikonförmchen verteilen und abkühlen lassen. Mit dieser Karamellmenge können viel mehr als 25 Förmchen à 5 ml gefüllt werden. Eventuell die Reste in eine Schale füllen, abkühlen lassen und in Würfel schneiden. 4 Schokolade temperieren (siehe unten) und in die andere Hälfte der Silikonförmchen gießen.

AUSSERDEM

5 Schokolade und Karamell 1 Stunde abkühlen lassen, bis sie fest sind. Die Halbkugeln aus den Förmchen lösen und aufeinanderdrücken.

TEMPERIEREN VON SCHOKOLADE Schokolade enthält sechs verschiedene Arten Kakaobutterkristalle, jedes mit einem eigenen Schmelzpunkt. Nur eines dieser Kristalle sorgt dafür, dass Schokolade nach dem Schmelzen schön fest wird. Damit sich beim Abkühlen die richtigen Kristalle bilden, wird die Schokolade temperiert. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten.

A Schokolade im Wasserbad auf maximal 50 °C erhitzen, um sie zu schmelzen. Zwei Drittel der Schokolade auf eine Marmorplatte gießen, mit einem Palettenmesser ausstreichen und ständig in Bewegung halten, bis sie auf unter 30 °C abgekühlt ist. Dann zur zurückgehaltenen Schokolade geben, die Masse gut rühren und sofort verarbeiten. B Zwei Drittel der Schokolade im Wasserbad auf 45 °C erhitzen, um sie zu schmelzen. Die restliche Schokolade sehr fein hacken. Die geschmolzene Schokolade vom Herd nehmen, wenn sie die richtige Temperatur erreicht hat, dann die feingeschnittene Schokolade unterziehen und darin schmelzen. Sofort verarbeiten.

Schmelzen und Erstarren

SCHOKOPRALINEN

169 Verknoten und Spalten

KAPITEL 10

VERKNOTEN UND SPALTEN ZUTATEN BISS GEBEN DURCH MOLEKULARE KNOTEN → GEKOCHTE EIER MAL ANDERS: HARTES EIGELB, WEICHES EIWEISS → HÜHNERHAUT AUF HEILBUTTFILETS FÜR KNUSPRIGE KRUSTE

→ SUPERZARTES SCHMORFLEISCH MIT BACKSODA → KÖSTLICHER FLAN AUS ZWIEBELSUPPE

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170 Das perfekt gekochte Ei, ein Steak mit exakt dem richtigen Biss, die besondere Textur von Seidentofu, die Elastizität von Brotteig und die Festigkeit von Cappuccinoschaum – all dies beruht auf der erstaunlichen Fähigkeit von Proteinmolekülketten, sich miteinander zu verknoten und ein stabiles Netzwerk zu bilden. Die Bindungen der Eiweißmoleküle untereinander sind chemischer Natur, das heißt, die Moleküle sind fast unumkehrbar miteinander verknotet (anders als bei physikalischen Gelen, die wir im vorigen Kapitel besprochen haben). Ein chemisches Gel kann nur durch Spaltung der verknoteten Molekülketten aufgebrochen werden. Diese Spaltung erfolgt mithilfe von Säuren und Enzymen. In diesem Kapitel erläutern wir, wie sich Eiweiße verknoten und wie man versuchen kann, das Proteinnetzwerk wieder zu entwirren.

VERKNOTEN UND SPALTEN VON PROTEINEN Das Weiße in einem Ei, das Eiklar, besteht zu 90 % aus Wasser und zu etwa 10 % aus Proteinen. Im ungekochten Eiklar sind die kettenförmigen Proteinmoleküle aufgerollt wie kleine Knäuel. Solange sie in diesem Zustand sind, behindern sie sich nicht gegenseitig und können sich frei bewegen. Das Eiweiß ist dann flüssig. Wird es erhitzt, strecken sich die Eiweißmoleküle, die Knäuel entwirren sich und werden zu langen Fäden. Dieser Prozess heißt Denaturieren. Sind die Eiweißmoleküle entrollt, bilden sie ein stabiles Netzwerk, indem sie sich verknoten – das Eiweiß erstarrt. Zum Verknoten kommt es, weil sich zwischen den Eiweißmolekülen sogenannte Schwefelbrücken bilden. In verknäuelter Form werden die Stellen auf den Eiweißmolekülen, die Schwefelbrücken bilden können, abgeschirmt, weil sie sich im Knäuelinneren befinden. Erst wenn sich die Eiweißketten entwirren, liegt die Knotenstelle frei. Die durch Schwefelbrücken gebildeten Knoten sind sehr fest und lassen sich nicht entknoten.

FLÜSSIGES EIWEISS

DENATURIERTES EIWEISS

Temperaturanstieg

VERKNOTETES EIWEISS

Temperaturanstieg

Vor dem Erhitzen sind die Eiweißketten aufgerollt wie ein Knäuel. Durch die Hitze strecken sich die Moleküle und können sich miteinander verknoten. Das führt zu einer weniger flüssigen oder weniger weichen Textur.

Nicht nur die Proteine in Hühnereiern können sich entrollen und verknoten. Alle tierischen und pflanzlichen Eiweiße verhalten sich bei einem Temperaturanstieg ähnlich. Fleisch, Geflügel und Fisch werden deswegen fest, wenn man sie kocht oder brät. Eiweiße denaturieren übrigens nicht nur durch Hitze. Sie entrollen sich auch unter Einfluss von pH-Wert und Bewegung.

171 Verknoten und Spalten

PROTEINNETZWERK

Zufügen von Spaltenzymen

SPALTAKTION

GESPALTENES EIWEISS

Fügt man einem Proteinnetzwerk Spaltenzyme hinzu, kann eine verknotete Struktur wieder verflüssigt werden.

Zwar kann ein Netzwerk aus Proteinen nicht mehr entknotet werden. Ein hartgekochtes Ei kann man nicht wieder weicher kochen. Möglich ist jedoch die Spaltung der verknoteten Proteinmoleküle durch eiweißspaltende Enzyme wie Proteasen oder durch Säuren. Weil die Proteinmoleküle durch das Spalten kürzer werden, verändern sich der Geschmack (er wird herzhafter) und die Textur (sie wird zarter). TEMPERATUR Haben Sie schon mal ein Ei gegessen, dass bei 65 °C „gekocht” wurde? Das ist ein besonderes Erlebnis. Das Eiklar ist noch glibberig, während das Eigelb schon hart ist. Ein umgekehrt weichgekochtes Ei also. Eiklar von einem Ei, das bei 100 °C gekocht wurde, ist dagegen fest, fast gummiartig. Diese Texturunterschiede werden von den verschiedenen Proteinarten im Ei verursacht, die sich bei jeweils unterschiedlichen Temperaturen entrollen und verknoten. Je höher die Temperatur wird, desto mehr Knoten werden geknüpft und desto fester ist das Gel. VON AUSSEN WEICH, VON INNEN HART

Temperatur ist der ausschlaggebende Faktor im Erstarrungsprozess von Eiweißmolekülen. Zeit spielt nur eine Rolle, wenn es darum geht, eine bestimmte Temperatur zu erreichen. Der Erstarrungsprozess der Eiweißmoleküle beginnt bei 63 °C. Eiklar ist bei 80 °C vollständig erstarrt. Eigelb beginnt bei 62 °C zu erstarren und ist bei 70 °C hart. Wenn wir also ein Ei auf 65 °C „kochen“, dann ist das Eiweiß noch glibberig und das Eigelb schon ein wenig hart (knetbar). Stellen Sie einmal ein Ei – ruhig mit Schachtel – bei 65 °C in einen Backofen. Nach ein paar Stunden ist das ganze Ei 65 °C warm und hat dann also ein glibberiges Eiweiß und ein hartes Eigelb. Sie können auch ein Wasserbad mit Thermometer verwenden, das auch für Sous-videZubereitungen geeignet ist, oder einfach einen kleinen Topf mit Wasser, solange Sie darauf achten, dass die Temperatur 65 °C nicht übersteigt. Wird ein Ei bei dieser niedrigen Temperatur gegart, braucht man sich übrigens vor Salmonellen nicht zu sorgen. Diese gefährlichen Bakterien werden bei einer Temperatur von 70 °C innerhalb einer Minute vernichtet – bei 60 °C dauert es fünf Minuten. Ein mehrere Minuten auf 65 °C erhitztes Ei ist also auf jeden Fall salmonellenfrei.

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172 DIE TEXTUR VON FLEISCH – EINE FRAGE DER TEMPERATUR Das Beispiel des 65-Grad-Celsius-Eis veranschaulicht, dass die Erstarrungstemperatur für jeden Eiweißmolekül-Typ unterschiedlich ist. Auch beim Fleischgaren ist die Temperatur der wichtigste Faktor für die Textur. Rare, medium rare, medium, well done: In erster Linie geht es darum, welche Temperatur das Fleisch erreicht hat, denn die bestimmt, welche Eiweißmoleküle sich miteinander verbunden haben. In den Muskelzellen von Fleisch kommen die Proteine Myosin und Aktin vor, die sich jeweils bei unterschiedlichen Temperaturen entrollen, nämlich bei 55 beziehungsweise 80 °C. Zwischen 50 und 55 °C beginnen sich die Myosin-Eiweiße im Muskelgewebe zu entfalten und unumkehrbare Bindungen miteinander einzugehen, dadurch bekommt das Fleisch „Biss“, die Textur wird rare. Zwischen 55 und 60 °C verknoten noch mehr Proteinmoleküle und das Fleisch wird medium rare. Kollagene Ein weiterer wichtiger Bestandteil von Fleisch sind die Proteine des Bindegewebes: Kollagene. Zwischen 60 und 70 °C zieht sich das Bindegewebe zusammen. Durch dieses Schrumpfen wird Wasser aus den Fleischzellen gepresst, was für das Zischen in der Pfanne beim Fleischbraten sorgt. Durch diesen Feuchtigkeitsverlusts wird die Textur noch fester und geht von medium zu well done über. Mehr zu schrumpfendem Kollagenen findet sich in Kapitel 12: Tränken und Entziehen. Über 80 °C verknotet sich das zweite Muskelprotein, Aktin. Das Fleisch verliert dann noch mehr Flüssigkeit und wird zäh. Wie Sie mit diesem Wissen ein perfektes Rindersteak zubereiten, findet sich auf Seite 273. ZUSAMMENSETZUNG Auch wenn wir die Eiweißkonzentration senken oder Säuren, Basen und Enzyme zufügen, beeinflussen wir die Art und Weise, wie sich Eiweißmoleküle miteinander verknoten. EIWEISSKONZENTRATION Je mehr Proteine sich in einem Gericht befinden, desto fester wird es beim Erhitzen. Denken Sie dabei zum Beispiel an einen mit Eiern gebundenen Flan oder einen Käsekuchen. Beide bekommen mehr Elastizität, je mehr Eier in ihnen verarbeitet wurden. Bei niedrigerer Eiweißkonzentration sinkt die Zahl der Knoten, die Eiweiße miteinander bilden. Das Gericht wird deshalb weniger fest. In unserem Rezept für einen Flan aus Zwiebelsuppe auf Seite 181 mischen wir ein klein wenig Eiweiß unter eine kalte, pürierte Zwiebelsuppe. Bei gleichmäßigem Erhitzen der Suppe im Wasserbad bilden die Eiweiße Knoten, in denen die Suppe eingeschlossen wird. Weil das Eiweiß stark verdünnt ist, reicht die Bindung gerade aus, um die Suppe gelieren zu lassen, aber die Textur bleibt angenehm weich. ZUGABE VON BASEN ODER SÄUREN Eiweißmoleküle reagieren sowohl auf ein saures als auch auf ein basisches Milieu. Bei einem neutralen pH-Wert von 7 liegen Eiweißmoleküle noch schön sortiert in Knäueln und sind negativ elektrisch geladen. Infolge dieser Ladung stoßen sich die Eiweißmoleküle gegenseitig ab und verkleben nicht: Sie können sich frei bewegen. Säuert man die Eiweißmoleküle nun an (beispielsweise, indem man Zitronensaft über Fisch oder Eiklar sprenkelt), sinkt die Ladung der einzelnen Proteinmoleküle. Dadurch

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Lutefisk und Tausendjähriges Ei Durch ein basisches Milieu wird ein anderer Erstarrungsmechanismus in Gang gesetzt. Bei einem pH-Wert über 7 werden die Proteinmoleküle stärker negativ geladen mit der Folge, dass die Eiweißknäuel instabil werden. Überall auf der Molekülkette entsteht nun eine negative Ladung. Weil sich negative Ladungen gegenseitig abstoßen, wollen die Glieder der Molekülkette so weit wie möglich voneinander entfernt sein. Und das wird erreicht, indem sich die Moleküle entrollen. Dadurch können sie Schwefelbrücken bilden, und es kommt zum Erstarren. Diese Methode bildet die Grundlage für die Zubereitung von skandinavischem Lutefisk oder von Tausendjährigem Ei aus China. Für Lutefisk wird Trockenfisch, meist Kabeljau, in einer basischen Lauge aus Buchenoder Birkenasche gewässert. Das Tausendjährige Ei oder Pidan ist traditionell ein in Asche gelegtes Gänseei. In diesem basischen Milieu erstarrt das Eiweiß zu einem durchsichtigen Gel und das Eigelb wird pechschwarz. Hydrolyse: Spalten mit Säure Vielen traditionellen Schmorgerichten wird Säure zugefügt, beispielsweise Wein zu einem Bœuf bourguignon oder Essig zum Sauerbraten. Die Säure hat nicht nur Auswirkung auf den Geschmack, sondern auch auf die Textur. Bindegewebe in Fleisch, das aus Kollagenen (oder Gelatine) besteht, kann unter Einfluss von Säure gespalten werden. Das geschieht allerdings nur bei hoher Temperatur. Einerseits hat das Zerfallen des Bindegewebes durch Säure einen positiven Effekt, das Fleisch wird zarter. Negativ wirkt es sich hingegen auf die Sauce aus: Durch die Spaltung der Gelatine-Eiweiße verliert sie ihre Sämigkeit und Bindekraft. Dafür gibt es eine Lösung: Das Fleisch schmort in einem basischen Milieu (mit ein wenig Backsoda) und die saure Sauce wird getrennt zubereitet. Dieses Prinzip nutzen wir für unseren Bœuf bourguignon (siehe Rezept auf Seite 180). SCHMOREN IM SCHNELLKOCHTOPF

Je höher die Temperatur, desto schneller setzt sich Bindegewebe in sämige Gelatine um. Warum dann nicht in einem Schnellkochtopf schmoren? Eine ausgezeichnete Idee! Auch die Maillard-Reaktionen verlaufen bei einer höheren Temperatur schneller, was dem Geschmack von Schmorgerichten zugutekommt. Aber Vorsicht, wenn Sie dem Gericht Säure zugeben! Haschee, traditionell mit einem Schuss Essig zubereitet (damit das Fleisch zarter wird), verwandelt sich im Schnellkochtopf bei Zugabe von Säure schnell in Fadenfleisch. Das Bindegewebe wird unter dem Einfluss von Säure und Hitze nämlich komplett gespalten und verschwindet vollständig aus dem Fleisch. Übrig bleiben nur die „Fäden“ übergaren Muskelgewebes. Wie man leckeres Haschee im Schnellkochtopf zubereitet, findet sich auf Seite 194.

Verknoten und Spalten

stoßen sie sich gegenseitig weniger ab und können gebunden werden. Beim Eiklar sieht man dies an der Farbe, es ist nun nicht mehr durchscheinend, sondern weiß. Außerdem stocken Ei oder Fischfleisch leicht. Diese Methode heißt Kaltgaren. Beim Kochen verwendet man diese Technik zur Zubereitung von Ceviche (siehe Rezept auf Seite 183).

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174 ENZYME Bestimmte Enzyme können bei einer hohen Temperatur die Eiweiß- und Stärkebindungen spalten. Neben diesen „Spaltenzymen“ gibt es auch „Klebeenzyme“, die Eiweiße zum Binden anregen (siehe Seite 49). Spaltenzyme Für alle Kettenmoleküle, die in unserer Nahrung vorkommen, sind Enzyme zu finden, die die Kette durch Spaltung aufbrechen können. So spaltet Amylase Stärke, Protease Proteine (Eiweiße), Pectinase Pektine und für Fette haben wir Lipasen. In unserem Speichel sind sie allesamt enthalten. Diese Enzyme sorgen dafür, dass die Oberfläche der Zunge glatt bleibt, indem sie verhindern, dass sich auf unserer Zunge eine dauerhafte Schicht aus Stärke, Eiweiß oder Fett bildet. Auf der Rückseite der Verpackung von Gelatine steht: Nicht mit frischer Kiwi, Ananas, Papaya oder Feigen verwenden. Der Grund: Diese Früchte enthalten eiweißspaltende Enzyme. Sie zerlegen die Gelatinemoleküle in kurze Stücke, wodurch die Gelatine ihre Bindekraft verliert. Diese Spaltenzyme haben klingende Namen wie Papain (Papaya), Bromelain (Papaya und Ananas), Ficin (Feigen) und Actinidain (Kiwi, Papaya, Mango, Ananas). Es ist kein Zufall, dass viele dieser Früchte in Fleischmarinaden Verwendung finden, so auch in unserem Rezept für Schweinekoteletts mit Papayasalsa auf Seite 179. Verwenden Sie nur frisch gepressten Saft dieser Obstsorten in einer Marinade. Bei Saft aus einer Packung sind die Spaltenzyme durch Pasteurisierung inaktiv geworden. Die Enzyme in frischem Ananassaft sind so stark, dass sie ein Stück rohes Fleisch nach einiger Zeit buchstäblich zerfallen lassen. Klebeenzyme Bindungen zwischen Eiweißen können mithilfe von Transglutaminasen erzeugt werden, Enzymen, die auch in unserem Körper vorkommen. Sie sind so etwas wie Zimmermänner, denn sie legen dauerhafte Bindungen zwischen Proteinmolekülen an und sind damit in der Lage, Strukturen aufzubauen. In unserem Körper spielen diese Enzyme beim Wachstum von Haut und Haaren eine Rolle, aber auch bei der Blutgerinnung. Sie kommen auch bei der Herstellung von Surimi zum Einsatz: miteinander verklebter preiswerter Weißfisch mit Krabbenaroma, sehr beliebt in Japan. Transglutaminasen werden in Pulverform verkauft und sind in verschiedenen Sorten erhältlich. Die Art der Eiweiße, die man aneinanderkleben will, bestimmt, welchen Typ man verwendet. In der Lebensmittelindustrie werden Transglutaminasen auch verwendet, um kleinere Fleischstücke zu größeren zusammenzukleben. So entsteht aus Rinderfiletspitzen wieder ein Chateaubriand, ein Doppellendensteak. Auch Köche gestalten damit interessante Kreationen, etwa Sashimi aus einem Stück Thunfisch-Lachs-Hybrid: feine Lachs und Thunfischstreifen, die in einem Würfelmuster zusammengeklebt wurden. Oder Heilbuttfilet mit aufgeklebter Hühnerhaut, die man wunderbar knusprig braten kann. Nicht nur tierische Eiweiße lassen sich mit Transglutaminasen binden. Das Enzym eignet sich ausgezeichnet zur Herstellung von Gelen (oder Puddings) aus pflanzlichen Eiweißen. Der Vorteil von Transglutaminasen ist, dass sie weniger hitzeempfindlich sind als die Proteine in Eiern. Diese verlieren Flüssigkeit, sobald ein Gel oder Pudding

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BEWEGUNG Eiweiße können auch durch Bewegung zum Entrollen gebracht werden. Gluteneiweiße in Weizen bilden zum Beispiel ein elastisches Netzwerk beim Kneten von Teig. Brot und Nudeln aus Weizenmehl verdanken dieser Tatsache ihre Festigkeit und Elastizität. STEIFE SPITZEN Auch das Aufschlagen von Eiklar ist ein Beispiel für die Denaturierung durch Bewegung. Das Schlagen hebt Luft unter das Eiweiß und produziert Luftbläschen. An der Oberfläche der Luftbläschen entrollen sich die Eiweißketten und können gebunden werden. So wird der Eischnee steif (siehe Kapitel 14: Aufschäumen und Entgasen).

Verknoten und Spalten

zu heiß wird. Im Rezept für Schwarze-Bohnen-Burger (siehe Seite 177) verwenden wir eine Transglutaminase, um eine bessere Bindung zwischen den Bohneneiweißen zu erzeugen. Der Burger erhält dadurch eine festere Struktur und zerfällt beim Braten nicht so leicht.

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Pflanzliche Burger zerfallen oft leicht. TransglutaminaseEnzyme können das ändern, weil sie Eiweiße verknoten. So lassen sich pflanzliche Burger machen, die fest bleiben und wie Schnitzel gebraten werden können.

1 Backofen auf 180 °C vorheizen. Bohnen gut abspülen und abtropfen lassen. Die Hälfte der Bohnen auf einem mit Backpapier ausgelegten Backblech verteilen und 20 Minuten im Ofen backen. Der größte Teil der Bohnen wird aufplatzen.

FÜR 8 STÜCK

3 Die Champignons mit den restlichen Bohnen, dem Salz und dem VE-Tsin in der Küchenmaschine pürieren.

± 1 Stunde ABKÜHLEN 24 Stunden VO RBEREITEN

500 g gekochte schwarze Bohnen, abgetropft 650 g Champignons, in Viertel geschnitten 50 ml Olivenöl 2 TL Salz 2 g VE-Tsin 50 g Soja- oder Molkenprotein 15 g Activa Transglutaminase EB (Ajinomoto)* 8 Briochebrötchen (siehe Rezept auf Seite 55) FÜR DEN BELAG

Mayonnaise Kopfsalat Tomate Cheddar Salzgurken AUSSERDEM

Grill (optional)

* Activa Transglutaminase EB ist ein Produkt des Unternehmens Ajinomoto.

2 Die Champignons ebenfalls auf einem mit Backpapier ausgelegten Backblech verteilen. Mit Olivenöl besprenkeln und 15-20 Minuten bei 180 °C rösten. Abkühlen lassen.

4 Soja- oder Molkenprotein mit der Transglutaminase in einem Schälchen mischen und in die Bohnenmasse in der Küchenmaschine mischen. Zügig verarbeiten, denn es bindet schnell. Die Masse in eine große Schüssel geben. ↑ Das Enzym Transglutaminase bindet Eiweiße, was den Burgern Festigkeit verleiht. Durch die Zugabe zusätzlicher Eiweiße entstehen noch mehr Bindungen durch das Enzym und die Burger werden noch fester.

5 Die im Ofen getrockneten Bohnen mit den Händen gut unter das Champignon-Bohnen-Püree kneten. Auf einem Stück Frischhaltefolie (30 cm x 30 cm) verstreichen und zu einer dicken, gleichmäßig geformten Wurst von 10 cm Durchmesser rollen. An beiden Enden abflachen. Die Folie straff um die Wurst ziehen, die überstehenden Enden wie Bonbonpapier festzwirbeln und mit einem Faden verschnüren. Mit einem Zahnstocher kleine Löcher in die Folie piksen. Abgedeckt in den Kühlschrank legen und die TransglutaminaseEnzyme 24 Stunden ihre Arbeit verrichten lassen. 6 Die Bohnenrolle aus der Folie wickeln und mit einem scharfen Messer in 1,5 cm dicke Scheiben schneiden. Die Burger in einer Pfanne oder auf dem Grill braten und auf den mit Mayonnaise bestrichenen Briochebrötchen mit Kopfsalat, Tomate, geschmolzenem Cheddar und Salzgurke servieren.

Unter dem Suchbegriff Transglutaminase finden sich auch vergleichbare Produkte anderer Hersteller, die sich online bestellen lassen.

TIPP: Auch andere Bohnensorten oder Linsen eignen sich gut.

Verknoten und Spalten

SCHWARZEBOHNEN-BURGER

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MIT PAPAYASALSA In Papayas finden sich eiweißspaltende Papain-Enzyme. In einer Marinade spalten diese die Eiweißketten von Fleisch und machen es an der Oberfläche zarter. Versehen wir das Fleisch mit kleinen Löchern, kann die Marinade besser einziehen und die PapainEnzyme gelangen auch ins Fleischinnere. HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten über Nacht

MARINIEREN

FÜR DAS FLEISCH

4 Schulterkoteletts vom Schwein (ca. 1 kg) ½ Papaya (ca. 500 g) 3 TL Salz 100 ml süße Sojasauce

1 Mit dem Fleischzartmacher oder einer Nadel Löcher in die Koteletts piksen. Die Kerne aus der einen Hälfte der Papaya entfernen und das Fruchtfleisch samt Schale in große Stücke schneiden. In der Küchenmaschine mit 250 ml Wassers, Salz und süßer Sojasauce pürieren. In eine Schüssel geben und weitere 250 ml Wasser unterrühren. Die Koteletts in die Marinade legen und abdecken oder vakuumieren. Über Nacht marinieren lassen. 2 Die andere Hälfte der Papaya schälen und die Kerne herauslöffeln. Das Fruchtfleisch in 5 mm große Würfel schneiden. Peperoni, Zwiebel, Öl, Limettensaft und -abrieb sowie Koriander untermischen. Abschmecken mit ein wenig Salz. 3 Die Koteletts aus der Marinade nehmen und gut abtupfen. Auf einem mäßig heißen Grill legen und regelmäßig wenden. Man kann sie auch kurz auf einer glühend heißen Grillplatte oder in einer Grillpfanne braten und danach noch 10 bis 15 Minuten bei 150 °C im Backofen weitergaren. 4 Die gegrillten Koteletts mit der Papayasalsa servieren.

FÜR DIE SALSA

½ Papaya (ca. 500 g) 1 Peperoni, entkernt und fein gehackt 1 kleine rote Zwiebel, geschnitten 50 ml kaltgepresstes Maisöl Saft und Abrieb von ½ Limette (unbehandelt) 15 g Koriander, fein gehackt Salz, nach Geschmack Fleischzartmacher (siehe Seite 205) oder Nadel, Vakumiergerät (optional), Grill (optional), Grillplatte (otional)

AUSSERDEM

TIPP: Die Körner der Papaya 30 Minuten bei 100 °C im Backofen trocknen. In einer Pfeffermühle mahlen oder in einem Mörser zerstoßen. Am Ende von Schritt 2 die Salsa damit abschmecken. Die gemahlenen Körner schmecken leicht nach Pfeffer.

Verknoten und Spalten

SCHWEINEKOTELETT

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BŒUF BOURGUIGNON Schmorgerichten wird häufig Säure zugefügt, wie Wein und Tomatenmark bei diesem Boeuf bourguignon. Dadurch wird das Fleisch zarter, doch die Sauce verliert an Bindekraft, denn Säure spaltet die Eiweiße der Gelatine. Gart man das Fleisch in einem basischen Milieu und bereitet die Sauce getrennt zu, lässt sich dies vermeiden. HAUPTGERICHT, 6 PORTIONEN

1 Speckwürfel 5 Minuten langsam bei schwacher Hitze in einer Pfanne auslassen. 2 Fleischwürfel salzen, pfeffern und mit Backsoda bestäuben. Die Temperatur erhöhen und das Rindfleisch 3 Minuten mit den Speckwürfeln braten. 3 Fond zufügen und zum Kochen bringen. Lorbeer und Thymian zugeben und das Fleisch bei schwacher Hitze in etwa 3 Stunden gar schmoren. Dabei einen Wasserdeckel auflegen. Oder alles in einen Schnellkochtopf geben und das Fleisch 45 Minuten auf höchster Druckstufe garen. Anschließend 15 Minuten abkühlen lassen, bis der Topf nicht mehr unter Druck steht und der Deckel geöffnet werden kann.

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten ± 3 Stunden (Schnellkochtopf 1 Stunde)

S C HMO RZEIT

FÜR DAS SCHMORFLEISCH

100 g geräucherte Speckwürfel 750 g mageres Rinderrippenstück, gewürfelt ½ TL Salz ½ TL frische geriebener Pfeffer 1 TL Backsoda 200 ml Rinderfond 2 Lorbeerblätter ein paar Thymianzweige 250 g Champignons, geviertelt 2 EL Butter

4 Staudensellerie und Möhre in Scheiben schneiden. Zusammen mit Zwiebeln und Knoblauch, 5 Minuten in 2-3 EL Öl bei schwacher Hitze anschwitzen. Tomatenmark unterrühren und 1 Minute mitbraten. Mit Rotwein ablöschen und Schalotten zufügen. 30 Minuten köcheln lassen, bis die Schalotten weich sind. 5 Das gare Fleisch mit der Sauce mischen und das Gericht abschmecken. 6 Champignons auf hoher Temperatur anbraten, bis sie keine Flüssigkeit mehr verlieren. Die Butter zugeben und die Champigons noch 1 Minute darin braten, dann unter das Schmorgericht heben.

SERVIERTIPP: Dazu passt Ratatouille und Baguette. FÜR DIE SAUCE

2 Stängel Staudensellerie 1 kleine Wintermöhre 2 Zwiebeln, geschnitten 2 Knoblauchzehen, gepresst 3 EL Öl (oder Ghee) 3 EL Tomatenmark 500 ml Rotwein 350 g Schalotten, gepellt Wasserdeckel (siehe S. 90), Schnellkochtopf (optional)

AUSSERDEM

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Mischt man eine kalte Zwiebelsuppe mit Eiern, stockt die Suppe im Backofen zu einem Flan. So lassen sich Geschmack und Aroma von Zwiebelsuppe mit der weichen Textur eines Flan kombinieren.

1 Gelatine in reichlich kaltem Wasser einweichen. Butter in einer Bratpfanne oder einem Wok erhitzen. Zwiebeln mit Thymian, Salz, Backsoda und Agavensirup etwa 20 Minuten darin braten, bis sie schön braun sind. ↑ Anfangs kann ein wässriger Brei entstehen, weil Backsoda und Salz den Zwiebeln Wasser entziehen. Wenn das meiste Wasser verdampft ist, kann die Temperatur über 100 °C steigen. Bei ca. 105 °C beginnt die Fructose

VORSPEISE, 8 PORTIONEN

aus dem Agavensirup zu karamellisieren. Zudem kommt es zwischen dem

ZUBEREITUNGSZEIT

Milchprotein aus der Butter und den Zuckern aus Zwiebeln und Agavensirup

± 30 Minuten BAC KOFEN ± 30 Minuten 1 Blatt Gelatine 50 g Butter 500 g Zwiebeln, in Ringen 1 EL frische Thymianblättchen 1 Prise Salz 2 g Backsoda ½ TL Salz 1 EL Agavensirup 500 ml Geflügelbouillon 2 Eier Schnellkochtopf (optional), 8 Cocottes (oder feuerfeste Schälchen)

AUSSERDEM

zu Maillard-Reaktionen.

2 Gebräunte Zwiebeln in einen Schnellkochtopf geben und die Bouillon zugießen. Gelatine darin auflösen, den Topf mit dem Deckel verschließen. Bei schwacher Hitze die Suppe 15 Minuten auf höchster Druckstufe kochen. Den Topf vom Herd nehmen und abkühlen lassen, bis er nicht mehr unter Druck steht (ca. 15 Minuten). Zwiebelsuppe vollständig abkühlen lassen. ↑ Wir verwenden den Schnellkochtopf für die Zubereitung der Suppe, um den Siedepunkt auf 120 °C zu erhöhen, wodurch die Maillard-Reaktionen schneller verlaufen. Die Suppe kann auch in einem normalen Topf (mit Deckel!) gekocht werden, dann dauert es etwa 30 Minuten, bevor sie püriert werden kann.

3 Die Eier über der Zwiebelsuppe aufbrechen und zufügen. Die Suppe mit einem Stabmixer oder für ein noch feineres Ergebnis in einem Standmixer pürieren. 4 Die Suppe in Cocottes füllen und diese in eine Auflaufform stellen. Die Form mit heißem Wasser füllen, bis die Cocottes zur Hälfte im Wasser stehen. ↑ Durch das Erhitzen der Zwiebelsuppe im Backofen verknoten sich die Proteine aus den Eiern. So entsteht ein Flan. Das Wasserbad dient dazu, die Hitzezufuhr besser zu kontrollieren, damit die Proteine nicht zu viele Bindungen eingehen und die Flüssigkeit verdrängen. Bilden sich kleine Tröpfchen an der Oberfläche des Flan, muss die Hitze reduziert werden, sonst wird er körnig.

5 Die Flans 25 bis 30 Minuten im vorgeheizten Backofen garen, bis sie fest sind.

Verknoten und Spalten

FLAN AUS ZWIEBELSUPPE

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AUS KABELJAU MIT PASSIONSFRUCHT Ceviche ist ein Gericht aus Fisch, der in Limettensaft mariniert wurde. Durch den stark sauren Limettensaft denaturieren die Fischeiweiße nicht ganz, aber sie kleben doch eng aneinander. Obwohl der Fisch roh bleibt, bekommt er trotzdem eine gare Textur. VORSPEISE, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten 1 Stunde

ABKÜHLEN

Saft von ½ Limette Saft von ½ Orange Fruchtbrei von 1 Passionsfrucht 2 Strauchtomaten ½ milde rote Peperoni, entkernt und fein gehackt 300 g Kabeljaufilet (oder anderer Weißfisch) 1 Prise Salz 1 Schale Daikon-Kresse

1 Limetten- mit Orangensaft und Passionsfrucht mischen. 2 Einen Topf Wasser zum Kochen bringen. Die Tomaten auf der runden, dem Stielansatz gegenüberliegenden Seite kreuzweise mit zwei flachen Einkerbungen versehen und 15 Sekunden ins kochende Wasser tauchen. Aus dem Topf nehmen und unter kaltem Wasser abschrecken. Die Haut mit einem Messer abziehen. Die Tomaten zerteilen und den wässrigen Teil mit den Tomatensamen herauslöffeln, der nicht gebraucht wird (aber köstlich in einer Tomatensauce ist). Das Fruchtfleisch in kleine Würfel schneiden und mit der Peperoni unter die Saftmischung geben. Mit etwas Salz abschmecken. 3 Den Fisch in dünne Scheiben schneiden und auf 4 Teller verteilen. Leicht salzen und die Saftmischung über den Fisch löffeln. Mit Daikon-Kresse garnieren.

TIPP: Die Saftmischung kann man auch als Schaum aus einem Sahnespender zum Fisch servieren.

Verknoten und Spalten

CEVICHE

185 Verdampfen und Kondensieren

KAPITEL 11

VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN DIE KOCHKRAFT VON WASSER VERDAMPFEN IN DER KÜCHE IST … → … DIE MACHT DER BLÄSCHEN IM ÖL BEIM FRITTIEREN VON POMMES FRITES → … WENN BUTTER UND STEAK IN DER PFANNE ZISCHEN

→ REDUZIEREN VON SAUCEN UND FONDS → EIN WENIG ÖL BESCHLEUNIGT DEN GARPROZESS VON GEMÜSE

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186 In der Küchenpraxis haben wir ständig mit Verdampfen und Kondensation zu tun: Wenn wir Wasser kochen oder Bouillon reduzieren, aber auch wenn wir Pommes frites zubereiten, Gemüse grillen oder Brotteig ruhen lassen. Einfach gesagt, ist Verdampfen der Übergang von einem flüssigen in einen gasförmigen Zustand. Beim Kochen dreht es sich dabei hauptsächlich um Wasser. Bei der Kondensation geschieht genau das Umgekehrte. Beide Prozesse beeinflussen die Textur, den Geschmack und das Aroma von Essen. Darum ist es für uns im Küchenlabor wichtig zu wissen, an welchen Knöpfen wir drehen können, um diese Prozesse zu steuern.

WAS GESCHIEHT BEIM VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN? Flüssiges Wasser besteht aus Wassermolekülen, die in alle Richtungen bewegen können und sich nah beieinander befinden. So dicht zusammen bleiben sie durch ihre gegenseitige Anziehungskraft. Gelingt es nun einzelnen Wassermoleküle, sich dieser chaotischen zusammenhängenden Masse zu entziehen, sprechen wir von Verdampfen. Treten diese entwischten Moleküle wieder in Verbund mit anderen Wassermolekülen, nennen wir es Kondensation. Das sehen wir beispielsweise bei einem Soufflé (ein Rezept für Pistaziensoufflé findet sich auf Seite 191). Aus dem Teig verdampft Wasser. Der entstehende Wasserdampf bleibt in Bläschen im Teig gefangen. Diese dehnen sich aus und verdrängen den Teig – so geht ein Soufflé auf. Weil das Wasser rasch kondensiert, wenn das Soufflé abkühlt – also ab dem Augenblick, in dem wir es aus dem Ofen nehmen –, fällt es unvermeidlich wieder zusammen. Auch beim Brotbacken verdampft ein Teil des Wassers aus dem Teig. Der Wasserdampf sammelt sich in den Luftbläschen, die von Hefe oder Milchsäurebakterien produziert wurden. Der Dampfdruck vergrößert die Luftbläschen, und das Brot geht auf. Das Verdampfen führt auch dazu, dass die Außenseite des Brots austrocknet und sich eine feste Kruste bildet. Diese verlangsamt das Aufgehen. Um die Krustenbildung zu verzögern – und das Brot stärker aufgehen zu lassen –, nutzen Bäcker Dampföfen. Denselben Effekt erreichen wir in unserer Küche mit einer Schale kochendem Wasser in der Fettpfanne des Backofens. Der Wasserdampf kondensiert an der Brotoberfläche und es bleibt feucht, wie in unserem Rezept für einfaches Vollkornbrot auf Seite 193.

TEMPERATUR Je höher die Temperatur, desto schneller bewegen sich Wassermoleküle und desto leichter können sich einige den anderen entziehen: Es kommt zum Verdampfen.

ABKÜHLEN UND ERHITZEN Jedes Wassermolekül, das in die Luft übergeht, bewirkt eine Abkühlung (wie beim Schwitzen). Um sich der zusammenhängenden Molekülmasse zu entziehen, muss ein Wassermolekül eine höhere Geschwindigkeit haben als im Durchschnitt die anderen. Nachdem es entwischt ist, sinkt die durchschnittliche Geschwindigkeit des restlichen Wassers und damit sinkt auch die Temperatur ein wenig. Wenn Wasser kondensiert, wird Wärme abgegeben. Das geschieht beispielsweise, wenn wir Gemüse dämpfen:

187

Kühle Deckel Diese Wärmeübertragung beim Verdampfen und Kondensieren lässt sich gut nutzen, wenn man eine Schale mit Wasser als Deckel bei einem Schmorgericht verwendet. Dieser Deckel bleibt relativ kühl, weil das Wasser aus der Schale langsam verdunstet. Die Wärme, die bei der Kondensation der Schmorflüssigkeit am kühlen Deckel freigesetzt wird, erwärmt das Wasser in der Schale und lässt es verdampfen. So bleibt die Schale viel kühler als ein normaler Deckel, und beim Schmoren geht viel weniger Flüssigkeit verloren, denn die kondensierte Schmorflüssigkeit tropft wieder in das Gericht zurück. Auch die in der Schmorflüssigkeit gelösten Aromen kondensieren und bleiben erhalten. Deswegen riecht es kaum in der Küche, wenn wir auf diese Weise schmoren. Mehr dazu findet sich in Kapitel 5: Verflüchtigung von Aromen. Auch ein normaler Deckel ist nützlich beim Kochen von Gemüse, Kartoffeln, Nudeln oder Wasser und spart viel Energie, denn ein Teil des verdampfenden Kochwassers kondensiert am Deckel und gibt die Wärme wieder in den Topf zurück, die sonst entweichen würde.

Durch einen mit Wasser oder Eiswürfeln gekühlten Deckel bleiben Flüssigkeit und viele Aromen im Topf. Der aufsteigende Dampf kondensiert an der Innenseite des Deckels und tropft – zusammen mit den Aromen – in den Topf zurück.

SIEDEPUNKT Die maximale Temperatur in einem Topf wird durch den Siedepunkt der Flüssigkeit im Topf bestimmt, sei es Bouillon, Fond, ein Schmorgericht oder eine Suppe. Während des Kochens verläuft das Verdampfen so schnell, dass alle zugeführte Wärme für das Verdampfen gebraucht wird; es ist keine Energie mehr da, um die Temperatur der Flüssigkeit weiter steigen zu lassen. Kocht das Wasser in einem Topf, ergibt es also keinen Sinn, den Herd auf hoher Stufe zu lassen. Das Wasser bleibt auf dem Siedepunkt hängen und wird nicht wärmer.

Verdampfen und Kondensieren

Das Wasser, das unten im Dampfgarer verdampft, kondensiert auf dem Gemüse. Die dabei freigesetzte Wärme bewirkt einen zusätzlichen Temperaturanstieg und das Gemüse wird gegart. Diese Wärmeübertragung ist effizienter, als Gemüse in Wasser zu kochen. Darum wird gedämpftes Gemüse schneller gar.

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188 DEM VERDAMPFEN ENTGEGENWIRKEN Gegen das Verdampfen beim Kochen können wir auch ohne Deckel etwas tun, zum Beispiel, indem wir Gemüse im Backofen mit Öl beträufeln. Die Ölschicht verhindert das Verdampfen bei Temperaturen unter dem Siedepunkt. Dadurch kühlt das Gemüse weniger ab und wird schneller gar – die Garzeit kann sogar bis um die Hälfte verkürzt werden. Ein weiteres Beispiel bietet Fleisch, das trocken getupft wird. Solange noch Wasser an der Oberfläche verdampft, kann die Temperatur nicht über 100 °C steigen. Zum Bräunen kommt es aber erst bei einer höheren Temperatur. Für Pommes frites gilt das Gleiche. Auch diese müssen gut abgetupft werden, bevor sie frittiert werden. Wir benutzen einen Fön, um das Trocknen zu beschleunigen. Das Rezept für perfekte Pommes frites findet sich auf Seite 174. ZEIT Neben der Temperatur spielt auch die Zeit eine wichtige Rolle beim Verdampfen. Wassermoleküle machen sich nämlich auch bei Temperaturen unter dem Siedepunkt selbständig, nur dauert es länger, und man spricht dann nicht von Verdampfen, sondern von Verdunsten. Wie schnell Wasser verdunstet, hängt mit der relativen Luftfeuchtigkeit zusammen, also damit, in welchem Grad die Luft mit Wassermolekülen gesättigt ist. Beträgt die relative Luftfeuchtigkeit 100 %, ist Verdunsten unmöglich. Liegt sie darunter, kann Wasser verdunsten, auch bei Zimmertemperatur. Neben der relativen Luftfeuchtigkeit wird das Tempo der Verdunstung davon beeinflusst, in welchem Maß feuchte Luft durch Luftströmung abgeführt wird. VERDAMPFEN UND VERDUNSTEN BEIM KOCHEN Viele Lebensmittel werden durch ein Verdunstenlassen des enthaltenen Wassers hergestellt: Stockfisch, getrocknete Früchte, Tee, Tabak, Meersalz – Produkte, die traditionell an der Luft getrocknet werden, was viel Zeit kostet. Tomaten und anderes Gemüse trocknen hervorragend im Backofen, was den Prozess beschleunigt. Auch Ananas, Äpfel und Pflaumen für einen Obstkuchen lassen sich klein geschnitten gut im Backofen trocknen. Beim Backen wird dann der Teig nicht klebrig und nass. Um die Trockenzeit von Baisers zu verkürzen, kann man den Zucker zunächst auf 150 °C im Backofen erhitzen (das geht leichter als in einem Topf), ohne dass er karamellisiert. Wird der heiße Zucker dann mit dem Eiweiß zu Eischnee geschlagen, verdampft schon hierbei ein Teil des Wassers, wodurch die Baisers weniger lang im Ofen trocken müssen. TROCKNEN VON GEMÜSE UND OBST Wird der Wasserdampf kontinuierlich abgeführt, verlieren Gemüse und Obst im Backofen durch Verdampfen deutlich rascher Wasser. In einem Heißluft- oder einem Konvektionsofen hilft dabei die Luftzirkulation. Ist der Backofen jedoch mit Wasserdampf gesättigt, müssen wir für eine Öffnung sorgen, um ihn entweichen zu lassen. Professionelle Backöfen haben daher oft eine Klappe, über die der Wasserdampf abgeführt werden kann. Den Ofen in unserem eigenen Küchenlabor können wir einfach einen Spalt offenlassen (etwa, indem wir einen Teelöffel in die Tür klemmen). Manche Backöfen schalten sich allerdings ab, wenn die Ofentür geöffnet wird – dann bleibt nichts anderes, als von Zeit zu Zeit die Tür zu öffnen. Wenn Sie regelmäßig Gemüse oder Obst trocknen wollen, können Sie auch einen speziellen Dörrautomaten kaufen. Darin kann auf mehreren Ebenen getrocknet werden, die wie Schubladen übereinandergestapelt sind, und ein Ventilator sorgt für die Luftabfuhr.

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SALZKONZENTRATION Oft liest oder hört man, dass eine hohe Salzkonzentration im Wasser den Siedepunkt erhöht. Doch für eine signifikante Erhöhung würde so viel Salz benötigt, dass die Bouillon oder Sauce ungenießbar würde. Meerwasser beispielsweise hat einen Siedepunkt, der nur ein einziges Grad Celsius höher als der von Süßwasser liegt – und ist wirklich nicht trinkbar. SIEDEPUNKTERHÖHUNG DURCH AUSTROCKNEN Beim Frittieren, Backen und bei Zubereitungen im Backofen können an den Oberflächen Temperaturen entstehen, die signifikant höher sind als der Siedepunkt von Wasser. Das geschieht vor allem dort, wo die Pommes frites mit dem Frittieröl in Kontakt kommen, das Steak die Pfanne berührt, und an der Oberseite eines Kuchens im Backofen. Weil Wasser aus den Zellen an der Oberfläche des Essens verdampft, erhöht sich die Konzentration anderer Stoffe wie Zucker und Aminosäuren in der Zelle. Dadurch steigt der Siedepunkt der Zellflüssigkeit bis weit über 100 °C. Das ist sehr wichtig für andere Prozesse als das Verdampfen, etwa die Karamellisierung und Maillard-Reaktionen (siehe Kapitel 1: Maillard-Reaktionen und Karamellisierung). DAS VERDAMPFEN VON ALKOHOL Alkohol verdampft zwar mit dem Wasser, aber es dauert sehr lange, bis alle Alkoholmoleküle verschwunden sind – obwohl Alkohol einen niedrigeren Siedepunkt hat als Wasser. Bis Alkohol vollständig aus dem Coq au Vin oder der Bisque verdampft ist, vergehen locker 3 ½ Stunden. Es stimmt also nicht, dass aller Alkohol verdampft oder verbrennt, wenn man ihn „kurz mitkocht“ oder flambiert. Aus einem Glas Wein verdunsten bei Zimmertemperatur und ausreichender Luftzirkulation pro Stunde 0,5 % Vol. Alkohol. Während dieser Zeitspanne verflüchtigen sich auch viele Aromen. Je höher die Temperatur, desto schneller verdunsten beziehungsweise verdampfen Alkohol und Aromen mit dem Wasser. VAKUUMREDUKTION

Beim Reduzieren verdampfen Aromen nicht nur, sie werden durch das Erhitzen auch verändert. Vergleichen Sie nur einmal frisch gepressten Apfelsaft mit pasteurisiertem aus der Packung. Senkt man den Druck über einer kochenden Flüssigkeit, sinkt der Siedepunkt erheblich. Möglich macht dies ein Erlenmeyerkolben mit seitlichem Auslauf, den man über einen Schlauch mit einer Vakuumpumpe verbindet. Den Kolben erhitzen wir auf einer Kochplatte. So lässt sich das Aroma von Bouillons, Frucht- und Gemüsesäften intensivieren, ohne es zu verändern. Diese Technik verwenden vor allem (Sterne-)Restaurants.

Verdampfen und Kondensieren

ZUSAMMENSETZUNG Weil viele wichtige Geschmacksstoffe wie Zucker, Bitterstoffe und die meisten Säuren nicht mit dem Wasser verdampfen, können wir sie durch Verdampfen konzentrieren. Beim Kochen heißt dieser Prozess „reduzieren“. Auch Texturgeber wie Gelatine und Stärke bleiben im Wasser. Einer Bouillon oder Sauce sollte stets genügend Zeit gegeben werden, um in aller Ruhe einzukochen. Erhitzt man beim Reduzieren zu stark, platzt die Wasseroberfläche auf und winzige Tropfen werden in die Luft geschleudert. Diese enthalten neben Milliarden von Wassermolekülen auch die Aromastoffe, die man ja gerade bewahren möchte.

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190 OBERFLÄCHE Eine Sauce oder Bouillon reduzieren wir am besten in einer breiten Bratpfanne. Weil die Pfanne die Wärmequelle vollständig abdeckt, können wir Wärme zuführen, ohne dass sie an der Pfanne entlang verschwindet (was bei einem schmaleren höheren Topf passiert). Außerdem bewirkt der niedrige Rand einer Pfanne, dass der Dampf leicht entweichen kann. Es kondensiert weniger Dampf in unser Gericht zurück, was das Verdampfen beschleunigt. Wir müssen uns jedoch darüber im Klaren sein, dass sich mit dem Dampf auch Aromen aus der Pfanne verflüchtigen. Ein Tropfen Öl hilft, diese Aromen beim Einkochen zu erhalten (mehr dazu auch in Kapitel 6: Öl und Wasser). DRUCK Druck ist ein Maß für die Menge der Moleküle, die gegen eine Oberfläche stoßen. Nehmen wir zum Beispiel den Druck, der auf die Oberfläche von in einem Topf kochendem Wasser wirkt. Bei Luftdruck (1 bar) kocht Wasser bei 100 °C. Bei höherem Druck stoßen mehr Moleküle gegen die Wasseroberfläche. Damit die Flüssigkeit trotzdem kocht, muss man also mehr Wasser entweichen lassen, um die zusätzlich einwirkenden Moleküle zu kompensieren. Dazu ist eine höhere Temperatur nötig. Schnell im Schnellkochtopf In einem Schnellkochtopf, in dem der Druck bis auf das Doppelte des Luftdrucks steigen kann, liegt der Siedepunkt bei 120 °C. Das führt nicht nur dazu, dass das Essen dreimal so schnell gar ist – es gehen auch weniger Vitamine verloren und Aromen bleiben erhalten. Die höhere Temperatur bewirkt auch eine Beschleunigung der Maillard-Reaktionen. Auch Schmorgerichte entfalten, in einem Schnellkochtopf zubereitet, mehr Aromen, wie bei unserem Rezept für Haschee auf Seite 194. Druck absenken Bei einem Druck unter 1 bar sinkt hingegen der Siedepunkt von Wasser. Dies erklärt das Phänomen, dass Wasser auf einem hohen Berg schon bei 90 °C kocht. Manche Labore und Hightech-Küchen verfügen über sogenannte Vakuumglocken, in denen man den Druck fast ganz verschwinden lassen kann. Senkt man den Druck unter einer solchen Glasglocke beispielsweise auf 0,1 bar, kocht Wasser schon bei 46 °C. Spezialgeräte Es gibt noch einige weitere besondere Gerätschaften, mit denen sich der atmosphärische Druck beim Kochen oder Backen ändern lässt, wie etwa einen Vakuumofen oder einen Rotationsverdampfer. Diese Geräte werden meist in Laboren verwendet, aber manche Küchenchefinnen und -chefs steuern damit ihre Kochprozesse. In einem Vakuumofen, in dem man ohne Druck backen kann, bekommen Brot und Gebäck mehr Volumen und Soufflés können schwindelerregende Höhen erreichen. Mithilfe eines Rotationsverdampfers lassen sich Flüssigkeiten bei niedrigeren Temperaturen unterhalb ihres normalen Siedepunkts verdampfen. Manche Restaurantküchen verwenden diese Hightech-Labormaschinen für die Herstellung aromatischer Destillate und für Flüssigkeitskonzentrate. Hitzeempfindliche Aromamoleküle bleiben bei einer niedrigeren Verdampfungstemperatur nämlich besser intakt.

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Ein Soufflé lebt vom Verdampfungsprozess. Wasser aus dem Souffléteig wird zu Wasserdampf. Der Wasserdampf lässt die Bläschen im Teig immer größer werden, wodurch der Teig aufgeht. Leider kondensiert der Wasserdampf, sobald das Soufflé den Backofen verlässt, und es ist unvermeidlich: Über kurz oder länger fällt jedes Soufflé in sich zusammen. FÜR 2 GROSSE ODER 6 KLEINE SOUFFLÉS

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten ± 20 Minuten

BAC KOFEN

1 Vanilleschote 300 ml Milch 3 Eier, getrennt 2 g Weinsteinsäure (oder ½ EL Zitronensaft) 150 g Zucker + ein wenig zum Bestreuen 20 g Speisestärke 125 g geschälte Pistazien Butter zum Einfetten Ofenstein (optional), 6 Souffléförmchen (Ø 8 cm)

AUSSERDEM

1 Vanilleschote längs aufschneiden und das Mark mit einem Löffel herausschaben. Mark und Schote mit der Milch in einen Stieltopf geben und bei schwacher Hitze zum Kochen bringen. Temperatur reduzieren und 10 Minuten ziehen lassen. 2 Backofen auf 180 °C vorheizen. Zum Backen der Soufflés am besten einen Ofenstein verwenden. 3 In einer fettfreien Schüssel mit dem Stand- oder Stabmixer das Eiweiß mit der Weinsteinsäure und 50 g Zucker steif schlagen, bis sich kleine Spitzen bilden. 4 Eigelb mit 100 g Zucker und der Speisestärke schlagen. Die Vanillemilch abseihen und unter ständigem Schlagen unter die Eigelbmischung ziehen. Alles in den Topf zurückgießen und bei schwacher Hitze zum Kochen bringen. Sorgfältig über den Topfboden rühren. Die Creme in eine Schüssel füllen. 5 Pistazien in der Küchenmaschine sehr fein mahlen und sieben. Die groben Krümel aus dem Sieb zur Seite stellen. Die fein gesiebten Pistazien unter die Creme heben. 6 Wenn kein Ofenstein verwendet wird, ein Backblech im Ofen vorheizen. Die Souffléförmchen mit Butter einfetten, und die Innenseite mit ein wenig Zucker und den groben Pistazienkrümeln bestreuen. ↑ Stellt man die Soufflés auf ein vorgewärmtes Backblech, dringt die Wärme schneller durch die Förmchen. Das hat denselben Effekt wie die Verwendung eines Ofensteins. Ein Backblech ist auch praktisch, um alle Soufflés auf einmal aus dem Backofen holen zu können.

7 Den Eischnee nach und nach unter die Vanillecreme heben. Die Souffléförmchen bis knapp unter den Rand mit dem Souffléteig füllen. Mit dem Daumen eine kleine Rinne in den Teig am Rand der Förmchen ziehen (dann geht das Soufflé etwas leichter auf). Die Soufflés auf das vorgewärmte Backblech stellen und 15 Minuten (große Form) oder 10 Minuten (kleine Form) auf der mittleren Schiene des Backofens (oder auf einem Ofenstein) backen. Sofort servieren.

Verdampfen und Kondensieren

PISTAZIENSOUFFLÉ

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Brot geht nicht nur durch Kohlensäuregas aus Hefepilzen auf, sondern zu einem wichtigen Teil auch durch den Verdampfungsprozess. Wasser im Teig verwandelt sich beim Backen (nicht beim Aufgehen) in Wasserdampf. Dieser lässt die Bläschen wachsen, die beim Aufgehen entstanden sind. FÜR 1 BROT

ZUBEREITUNGSZEIT

± 20 Minuten ± 1 ½ Stunden BAC KOFEN ± 40 Minuten ABKÜHLEN ± 1 Stunde RUHEN

7 g Trockenhefe (1 Päckchen) 10 g Ahornsirup (oder Honig) 650 g Vollkorn-Weizenmehl oder Vollkorn-Mehrkornmehl + ein wenig zum Bestäuben 1 ½ TL Salz Brot- oder Rührkuchenform (30 cm x 11 cm, eingefettet oder mit Backpapier ausgelegt), Ofenstein (optional), Pflanzensprüher

AUSSERDEM

1 Hefe und Ahornsirup in 450 ml lauwarmen Wasser (maximal 40 °C) auflösen. 2 Mehl in eine Schüssel sieben und das Hefewasser dazugeben. Mit dem Knethaken des Standmixers zu einem geschmeidigen Teig mischen. Salz zufügen und 10 Minuten zu einem elastischen Teig kneten. Der Teig ist gut, wenn er leicht zurückfedert, sobald man ihn mit einem Finger eindrückt. Oder man kann eine kleine Teigkugel zwischen Daumen und Zeigefinger auseinanderziehen: Bildet sich ein hauchdünnes, fast durchsichtiges Vlies, hat der Teig die richtige Konsistenz. 3 Den Teig gleichmäßig über den Boden der Backform verteilen. Die Oberseite mit ein wenig Vollkornmehl bestäuben und locker mit Frischhaltefolie bedecken. Den Teig eine Stunde bei Zimmertemperatur ruhen lassen, bis er sein Volumen verdoppelt hat. Er muss ein klein wenig über die Backform ragen. 4 Backofen auf 180 °C vorheizen. Am besten einen Ofenstein benutzen, um das Brot zu backen. Eine feuerfeste Form mit kochendem Wasser unten in den Backofen stellen. ↑ Im Ofen verdampft das Wasser aus der Schale. Der Wasserdampf verzögert die Krustenbildung beim Brot, wodurch der Teig im Backofen länger aufgehen kann. Eine harte Kruste macht das Brot unflexibel.

5 Die Oberseite des Brots mit dem Pflanzensprüher befeuchten und erneut mit ein wenig Vollkornmehl bestäuben. Das Brot auf der mittleren Schiene in 40 Minuten goldbraun backen. Das Brot 10 Minuten in der Form abkühlen lassen, dann herausnehmen und auf einem Gitter vollständig abkühlen lassen. ↑ Das Nasssprühen des Brots dient demselben Zweck wie die Schale mit Wasser im Ofen: Es bremst die Krustenbildung beim Backen. Bäcker verwenden deswegen Backöfen, bei denen man während des Backvorgangs Dampf zuführen kann.

Verdampfen und Kondensieren

EINFACHES VOLLKORNBROT

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HASCHEE

MIT CHINESISCHEM FÜNF-GEWÜRZE-PULVER Fleisch in einem Schnellkochtopf zu schmoren, ist eine gute Idee. Aufgrund des erhöhten Drucks im Topf kann die Temperatur auf 120 °C steigen. Dadurch wird das kollagenreiche Bindegewebe des Fleischs schneller zu sämiger Gelatine. Aber achten Sie darauf, das Fleisch nie mit einer Säure zu schmoren. Denn in Kombination mit der hohen Temperatur im Schnellkochtopf würde die Säure dazu führen, dass die Gelatine vollständig gespalten und das Fleisch trocken und faserig wird. Lassen Sie den Essig (der häufig in Haschee-Rezepten vorkommt) einfach weg. Er ist auch gar nicht nötig, wie dieses Rezept beweist. HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 25 Minuten ± 3 Stunden (Schnellkochtopf 1 Stunde)

S C HMO RZEIT

600 g durchwachsenes Rindfleisch ½ TL Salz ½ TL frisch gemahlener Pfeffer 25 g Butter 500 g Zwiebeln, in Ringen 1 TL chinesisches FünfGewürze-Pulver 100 ml Rinderbouillon 2 Lorbeerblätter 2 Gewürznelken einige Thymianzweige 2 EL Mehl 2 EL Butter

1 Rindfleisch in 4 cm große Stücke schneiden. Mit Küchenpapier gut trocken tupfen, pfeffern und salzen. Butter in einer Pfanne erhitzen und das Fleisch in 5 Minuten rundum gut anbraten. 2 Zwiebelringe zum Fleisch geben und 3 Minuten mitbraten. Das Fünf-Gewürze-Pulver zufügen und 1 Minute mitbraten. Die Bouillon in einen Topf gießen und Lorbeer, Nelken und Thymian zufügen. 3 Alles in einen Schnellkochtopf umfüllen und zum Kochen bringen. Den Topf mit dem Deckel schließen und unter Druck setzen. Nach 45 Minuten den Herd abschalten und den Topf abkühlen lassen, bis er nicht mehr unter Druck steht (ca. 15 Minuten). 4 Den Topf öffnen und das Haschee durch ein Sieb gießen. Schmorflüssigkeit auffangen und im Topf zum Kochen bringen. Mehl und Butter zu einem geschmeidigen Teig mischen (Beurre manié). Diese Mischung nach und nach unter die Sauce ziehen, damit sie bindet. 15 Minuten köcheln lassen, dann das Fleisch zufügen. Alles gut durchwärmen und servieren.

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Diese Windbeutel werden mit zwei Teigsorten zubereitet. Der Windbeutelteig dehnt sich im Backofen durch den freigesetzten Wasserdampf aus, aber in der Butterteigschicht auf den Windbeuteln geht das Verdampfen viel weniger schnell vonstatten. Der Butterteig wächst daher nicht gleichmäßig mit dem Windbeutelteig. Er bricht auf und verteilt sich in vielen kleinen Teigflöckchen auf dem Windbeutel als „Tigerhaut“. FÜR CA. 15 WINDBEUTEL

ZUBEREITUNGSZEIT

± 45 Minuten ± 25 Minuten ABKÜHLEN ± 1 Stunde BAC KOFEN

70 g Mehl (Type 405) + ein wenig zum Bestäuben 1 TL Zimt (3 g) 50 g weiche Butter 60 g weißer Farinzucker 1 x Windbeutelteig (siehe Rezept auf Seite 197) 2 x Rezept Puddingsahne (siehe Rezept auf Seite 197)

Ofenstein (optional), Spritzbeutel mit Lochtülle (Ø 1,5 cm), Backpapier, Spritzbeutel mit Sterntülle (Ø 1 cm)

AUSSERDEM

1 Mehl und Zimt in eine Schüssel sieben und mit Butter und Zucker zu einem geschmeidigen Teig kneten. Zu einer flachen Kugel formen und in Frischhaltefolie wickeln. 30 Minuten in den Kühlschrank legen. 2 Backofen auf 190 °C vorheizen. Zum Backen der Windbeutel am besten einen Ofenstein verwenden. 3 Windbeutelteig in den Spritzbeutel mit der Lochtülle füllen und 15 kleine Kugeln mit einem Mindestabstand von 5 cm voneinander auf das mit Backpapier ausgelegte Backblech spritzen. 4 Butterteig auf einer mit Mehl bestäubten Arbeitsplatte dünn ausrollen (2 mm hoch). Kreise in der Größe der Windbeutel-Kugeln ausstechen und jede Kugel mit einem Kreis belegen. 5 Die Windbeutel 25 Minuten auf der mittleren Schiene backen. Während der letzten 10 Minuten die Backofentür einen Spalt öffnen, damit der Wasserdampf entweichen kann. Die warmen Windbeutel mit dem Backpapier vom Blech ziehen und 30 Minuten auf einem Gitter abkühlen lassen. ↑ Durch das Öffnen des Backofens kann der Wasserdampf, der während des Backens entsteht, leichter entweichen. Die Kruste trocknet daher schneller und das macht die Windbeutel fester. Das Öffnen der Backofentür verringert so das Risiko, dass die Windbeutel nach dem Backen zusammenfallen.

6 Mit einem Messer ein kleines Loch in die Unterseite der Windbeutel machen. Den Spritzbeutel mit Sterntülle mit der Puddingsahne füllen und in die Höhlungen der Windbeutel spritzen.

Siehe nächste Seite.

Verdampfen und Kondensieren

TIGER-WINDBEUTEL

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197 100 g Weizenmehl (Type 405) 100 ml Milch 1 g Salz 6 g Zucker 100 g Butter 4 Eier

1 Mehl in eine Schüssel sieben. In einem Topf 100 ml Wasser mit Milch, Salz, Zucker und Butter zum Kochen bringen. Das gesamte Mehl auf einmal zugeben und alles schnell zu einer Kugel rühren. Hitze reduzieren und den Teig 5 Minuten garen. Gut rühren. 2 Den Teig in eine Schüssel geben und 5 Minuten abkühlen lassen. Ein Ei zufügen und (mit dem Schneebesen des Standmixers oder den Quirlen des Handmixers) unter den Teig ziehen. Nach und nach die restlichen Eier zufügen, aber erst, wenn das vorherige Ei vollständig aufgenommen wurde. Brandteig muss glänzen und fest genug sein, um gespritzt werden zu können.

PUDDINGSAHNE 1 Vanilleschote 500 ml Milch (3,5 % Fett) 3 Eigelb 80 g Zucker 50 g Weizenmehl (Type 405)

1 Vanilleschote der Länge nach aufschneiden, aber das Ende aneinanderhängen lassen. Die Milch mit der Vanilleschote zum Kochen bringen und 15 Minuten bei schwacher Hitze ziehen lassen. 2 Die Vanilleschote entfernen, mit einem Teelöffel das Mark aus den Schotenhälften schaben und in die Milch zurückgeben. Eigelb mit Zucker in einer Schüssel zu einer sahnigen Creme schlagen, die wie ein Band vom Schneebesen läuft. Das Mehl darüber sieben und gut unterrühren. 3 Die heiße Milch unter Rühren zur Eigelbmischung gießen und alles wieder in den Topf füllen. Die Creme bei geringer Hitze zum Kochen bringen, dabei mit einem Kochlöffel gut über den Topfboden rühren, vor allem, wenn die Creme anfängt zu binden. Die Creme vom Herd nehmen und abgedeckt abkühlen lassen.

Verdampfen und Kondensieren

WINDBEUTELTEIG

199 Tränken und Entziehen

KAPITEL 12

TRÄNKEN UND ENTZIEHEN WIE FLÜSSIGKEIT DIE TEXTUR BEEINFLUSST → FLEISCH VERLIERT BEIM ERHITZEN IMMER FLÜSSIGKEIT, AUCH WENN ES SCHARF ANGEBRATEN WIRD → HARTES BINDEGEWEBE VERWANDELT SICH NUR DURCH ERHITZEN IN SÄMIGE GELATINE

→ WELKER SALAT UND SCHLAPPE MÖHREN: DURCH REHYDRIEREN WERDEN SIE WIEDER KNACKIG → DAS PERFEKTE STEAK GART VOR DEM BRATEN ERST IM BACKOFEN → FLEISCH ENTWEDER MIT SALZ ODER SÄURE MARINIEREN – NIE MIT BEIDEM ZUSAMMEN

textur

200 Lebensmitteln lässt sich Wasser entziehen oder wir können sie tränken – darum dreht sich dieses Kapitel. Nicht nur flüssige, auch halbfeste Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch, Gemüse, Eier, Eis, Pudding oder Kuchen enthalten viel Wasser. In ihnen ist das Wasser gebunden, beispielsweise durch Eiweißketten und Stärkemoleküle, erstarrte Fetttropfen in Sahneeis und Zellwände von Gemüse. Diese Strukturen müssen sorgfältig behandelt werden, damit sie möglichst viel Flüssigkeit behalten. Fleisch, das beim Braten viel Flüssigkeit verliert, wird zäh, nicht gare Kartoffeln und Nudeln sind hart, und zu Brei zerkochtes Gemüse schmeckt nicht. Das alles sind Beispiele für zu wenig Flüssigkeit in der festen Struktur. Flüssigkeitsentzug ist jedoch nicht immer negativ. Manche Kochtechniken gründen gerade darauf, das Wasser verdampfen zu lassen wie frittieren, rösten und grillen. Das gilt auch für das Kochen eines Zuckersirup, bei dem das Verdampfen von Wasser die Zuckerkonzentration steigert und die Kristallisation beeinflusst.

TEMPERATUR Temperatur ist ein entscheidender Faktor, wenn wir einem Nahrungsmittel Flüssigkeit entziehen. Wie bei Pommes frites das heiße Öl das Wasser aus der äußersten Schicht verdampfen lässt, haben wir in Kapitel 11: Verdampfen und Kondensieren beschrieben. Dasselbe passiert, wenn wir Gemüse im Backofen rösten. Erst verdampft Flüssigkeit, wodurch die Oberflächen austrocknen und sich die Zucker im Gemüse konzentrieren. Sobald die Außenseiten trocken sind, steigt die Temperatur, und dank der Bräunungsreaktionen werden Gemüse und Kartoffeln knusprig und lecker. Die richtige Temperatur ist auch wichtig, wenn es darum geht, Flüssigkeitsverlust zu verhindern oder Wasser zuzufügen. DAS PERFEKTE STEAK Tierische Eiweiße in Fleisch, Geflügel und Fisch sind sehr temperaturempfindlich. Nur bei der richtigen Zubereitungstemperatur behalten sie ausreichend Flüssigkeit und bleiben saftig. Nehmen wir zum Beispiel ein Steak. Es besteht aus Muskelgewebe, das aus länglichen Muskelzellen aufgebaut ist. Zum Schutz ist jede Einzelne dieser Zellen von einer dünnen Schicht Kollagen umgeben, demselben Material, aus dem Bindegewebe besteht. Ab einer Temperatur von 55 °C beginnt Kollagen zu schrumpfen (siehe Abbildung auf Seite 201), mit der Folge, dass die Muskelzellen jetzt unter Druck stehen. Mit zunehmender Temperatur steigt der Druck weiter – die Muskelzellen werden sozusagen wie ein Schwamm ausgedrückt. Dadurch verlieren sie jede Menge Zellplasma. Sobald ein Steak die heiße Pfanne berührt, hört man das Zischen der Flüssigkeit, die an der Oberfläche freigesetzt wird. Das ist unvermeidlich, wenn man eine schön gebräunte Kruste haben möchte, denn für Bräunungsreaktionen sind Temperaturen weit über 100 °C notwendig. Die Kunst, ein gutes Steak zu braten, ist daher: Möglichst schnell eine braune Kruste kreieren, dabei möglichst wenig Flüssigkeit verlieren und dafür sorgen, dass die Temperatur im Inneren des Fleischstücks nicht über 55 °C steigt. Wie das geht, beschreiben wir im Rezept für das perfekte Rindersteak auf Seite 173. SCHWEINEFLEISCH, GEFLÜGEL UND FISCH Was für Rindersteak gilt, trifft auch auf jedes andere zarte Fleisch und Geflügel zu, wie Rinderfilet, Entrecote, Hähnchenfilet, Schweinefilet, Lammfilet oder Lammkeule. Es empfiehlt sich, Schweinefleisch und Geflügel etwas länger durchzugaren – nicht,

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Bindegewebe

Erhitzen

SCHRUMPFENDES GEWEBE

Schrumpfen die Bindegewebsschichten, die die Muskelzellen umgeben, verliert das Muskelgewebe viel Flüssigkeit.

HARTNÄCKIGER KOCHMYTHOS: FLEISCH SCHARF ANBRATEN

Noch immer liest man in Rezepten den Hinweis: „Das Fleisch von beiden Seiten „scharf“ anbraten, also bei hoher Hitze. Als könnte man Fleisch auf diese Weise „versiegeln“, damit die Fleischsäfte nicht mehr austreten können. Das ist der hartnäckigste Kochmythos der letzten Jahrhunderte. Als Urheber dieser Legende gilt der Chemiker Justus von Liebig (1803-1873), zu dessen Verdiensten die Erfindung des Brühwürfels sowie des Kunstdüngers gehört. Doch was das Braten von Fleisch angeht, irrte er sich. Fleisch verliert nämlich immer Flüssigkeit, sobald es mit einer heißen Pfanne in Kontakt kommt. Das zischende Geräusch liefert den Beweis. Durch die Temperaturerhöhung zieht sich das Bindegewebe um die Muskelzellen zusammen und presst Flüssigkeit aus den Zellen. In ihr steckt jedoch jede Menge Fleischgeschmack. Ideal für die Herstellung von Brühwürfeln! SCHMORFLEISCH BEI 55 °C SERVIEREN Für die Zubereitung von Schmorfleisch gelten andere Temperaturen als für zartes Fleisch wie Steak, denn es enthält viel mehr Bindegewebe. Damit es zart und saftig wird, muss das Kollagen erst zu sämiger Gelatine werden. Dazu ist ein Erhitzen auf mindestens 80 °C nötig, und da Kollagen bereits bei 55 °C schrumpft, ist es also unvermeidlich, dass Flüssigkeit austritt. Das Braten eines kompletten Hähnchens ist daher eine Herausforderung. Damit es zart wird, braucht das Bindegewebe in Schenkeln und Flügeln nämlich eine höhere Temperatur, als dem Brustfilet gut tut. Wie man das hinbekommt, zeigen wir in unserem Brathähnchen-Rezept auf Seite 269.

Tränken und Entziehen

weil sie über 55 °C keine Flüssigkeit verlieren würden, sondern aus hygienischen Gründen. Bei diesen Fleischsorten besteht ein höheres Risiko, dass sie von Salmonellen infiziert sind, die erst nach 5-minütigem Erhitzen auf mindestens 60 °C abgetötet werden. Das Kollagen von Fischfleisch ist etwas zarter als das von Landtieren. Schließlich benötigen Fische weniger Kraft, um der Schwerkraft zu trotzen. Der Flüssigkeitsverlust bei Fisch beginnt bereits bei rund 40 °C. Fisch sollte daher auf einer Kerntemperatur von maximal 50 °C gehalten werden, wie in unserem Rezept von Lachsfilet sous vide auf Seite 93.

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202 Zum Glück lässt sich das Schrumpfen von Kollagen bei Schmorfleisch meist wieder rückgängig machen. Dazu senkt man einfach die Temperatur des garen Schmorfleischs. Dann können die Muskelzellen nämlich wieder Flüssigkeit aufnehmen. Ein guter Tipp vor dem Servieren von Schmorfleisch und Schmorgerichten im Allgemeinen: Die Temperatur vor dem Servieren auf etwa 55 °C absinken lassen. Das macht die Fleischstücke zarter und die Schmorflüssigkeit oder Sauce dicker. Dasselbe Prinzip lässt sich auch anwenden, wenn man Schmorfleisch in kalten Gerichten verarbeitet, etwa in einem Rindfleischsalat. Mischt man das Schmorfleisch heiß unter den Salat, absorbiert das Muskelwebe beim Abkühlen einen Teil des Salatdressings. KOLLAGEN IN GELATINE VERWANDELN – EINE FRAGE DES TRÄNKENS

Dass Bindegewebe beim Erhitzen schrumpft, merkt man gleich, wenn man Fisch auf der Haut brät. Die besteht nämlich hauptsächlich aus Kollagen und schrumpft sofort, wodurch sich das Fischstück krümmt. Dagegen helfen schon ein paar flache Einkerbungen in der Fischhaut! Kollagen, der Hauptbestandteil des Bindegewebes, hat eine in sich verdrehte Form, gesponnen aus sehr vielen Gelatinemolekülen. Erhitzt man Kollagen länger in Flüssigkeit, entsteht Gelatine. Sobald sich die Gelatineketten entwirren, können sie Flüssigkeit aufnehmen, sofern die Temperatur hoch genug und ausreichend Flüssigkeit vorhanden ist. Eigentlich schmilzt Kollagen also nicht, sondern wird von Wasser durchtränkt, wodurch sich die Gelatineketten lösen können.

EINEN MOMENT RUHEN LASSEN Flüssigkeitsverlust ist bei der Fleischzubereitung unvermeidlich. Auch beim Anschneiden nach dem Braten läuft Flüssigkeit aus dem Fleisch. Lässt man das Fleischstück einen kurzen Moment ruhen, wird dieser Flüssigkeitsverlust geringer. Sofort nach dem Braten ist nämlich noch viel Flüssiges im Fleisch, das durch das Zusammenziehen des Kollagens aus dem Muskelfleisch gedrückt wurde. Diese freie Flüssigkeit kann erst wieder aufgenommen werden, wenn die Temperatur auf etwa 55 °C sinkt, wie beim Schmorfleisch beschrieben. Das Ruhenlassen führt dazu, dass das Fleisch die eigene Flüssigkeit besser bindet. ZUSAMMENSETZUNG Die Zusammensetzung eines Gerichts spielt eine wichtige Rolle, wenn man Nahrungsmitteln Flüssigkeit zufügen oder entziehen will. Ausreichend Flüssigkeit ist entscheidend für den Garprozess stärkehaltiger Zutaten wie Kartoffeln oder Nudeln. Gemüse kann man Salz oder Zucker zufügen und ihm damit Flüssigkeit durch Osmose entziehen. Umgekehrt kann Salz, genau wie eine Säure oder Base, dabei helfen, Flüssigkeit während der Zubereitung von Fleisch und Fisch zu binden. STÄRKEQUELLUNG Der Garprozess stärkehaltiger Zutaten wie Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Getreide fällt oder steht mit dem Prozess der Wasseraufnahme (dem Tränken). Kartoffeln beispielsweise bestehen hauptsächlich aus Wasser und Stärke, die in Form von Stärkekörnern im Zytoplasma enthalten ist. Beim Kochen brechen die Stärkekörner auf und die Stärkemoleküle in den Körnern lösen sich im Zytoplasma. Sie saugen sich mit Wasser voll und bilden ein stabiles Netzwerk aus Stärkeketten. So gart eine Kartoffel.

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Stärkegebundene Saucen Béchamelsaucen und andere stärkegebundene Saucen entstehen durch das Quellen von Stärke bei der Zubereitung. Damit keine Klümpchen entstehen – die Stärke also sehr lokal quillt –, gibt es zwei Methoden. Man kann die Stärke zunächst mit Öl oder Butter zu einer Mehlschwitze (Roux) mischen. Dann fügt man unter Rühren eine kalte Flüssigkeit hinzu (bei einer Béchamelsauce Milch ), die man dann erhitzt. Das Fett bewirkt, dass die Stärke die Flüssigkeit nach und nach aufnimmt. Über 65 °C quillt die Stärke und die Sauce verdickt. Die zweite Methode besteht darin, zunächst die Flüssigkeit zum Kochen zu bringen und dann eine Mischung aus Wasser und Speisestärke unter ständigem Rühren mit einem Schneebesen zuzugießen. NUDELN KOCHEN IST TRÄNKEN Beim Nudelkochen quellen die Stärkegranulate aus dem Nudelteig. Dazu müssen sie von reichlich Wasser umgeben sein. Bei getrockneten Nudeln gilt die Faustregel 1 l Wasser je 100 g. Nicht alles Wasser wird für die Stärkequellung benötigt. Doch die Wassermenge ist auch wichtig, um die Wassertemperatur über 65 °C zu halten, wenn die Nudeln ins kochende Wasser kommen. Frische Nudeln brauchen weniger Kochwasser, weil sich noch viel Wasser in den Nudeln selbst befindet. Die längere Kochzeit getrockneter Nudeln erklärt sich damit, dass das Wasser sie erst durchdringen muss. Bei Pasta al dente, also bissgaren Nudeln, ist die Außenseite der Nudeln gequollen (70 % Flüssigkeit), während das Innere noch nicht ganz gar ist (40 % Flüssigkeit). Diese Flüssigkeitsaufnahme führt bei einer Packung Spaghetti von 500 g nach dem Kochen zu einem Gewicht von gut 1,3 kg. OSMOSE: DEHYDRIEREN DURCH ZUFÜGEN VON SALZ UND ZUCKER Will man Gemüse lange lagern, muss man ein Milieu schaffen, in dem Bakterien und Schimmelpilze, die für ein Verderben sorgen, nicht oder kaum überleben können. Eine der effektivsten Methoden, schädliche Mikroorganismen auszuschalten, ist, sie auszutrocknen. Dazu nehmen wir ihnen einfach das Wasser, das sie zum Überleben brauchen, und trocknen Gemüse oder fügen ihm viel Zucker oder Salz hinzu. Weil die Zellwände Salz und Zucker schlecht durchlassen und Wasser leicht von innen nach außen strömt, können sich die Zellen der Salz- oder Zuckerkonzentration an der Außenseite des Gemüses anpassen. Ist diese ein wenig höher, fließt Wasser aus den Zellen, um die Konzentration innen und außen auszugleichen. Dieser Prozess heißt Osmose. In unserem Rezept für Parmigiana di melanzane auf Seite 207 dehydrieren wir Auberginenscheiben mithilfe von Salz. * NERD ALERT Bei der Quellung lösen sich Stärkeketten bei Temperaturen über 65 °C. Kühlt die Stärke dann ab, wird sie noch steifer. Das liegt daran, dass die Stärkeketten an manchen Stellen wieder zusammenkleben. Die Stärke will in ihre ursprüngliche Form zurück (kristallisieren), zum Granulat wird sie jedoch nicht mehr. Stattdessen entsteht ein Gel. Nehmen wir zum Beispiel Brot: Beim Abkühlen wird der Teig fester, was an der gelierenden Stärke liegt. Altes Brot ist hart, weil das Stärkegel immer steifer wird. Diesen Prozess bezeichnet man als das Retrogradieren von Stärke. Das Altwerden von Brot hängt also nicht unbedingt mit dem Verlust von Flüssigkeit zusammen, wie man vielleicht erwarten würde. Das Quellen des Stärkegels lässt sich übrigens leicht rückgängig machen, indem man Brot kurz im Backofen erwärmt.

Tränken und Entziehen

Dafür braucht man kein zusätzliches Wasser, in der Kartoffel steckt genug eigene Flüssigkeit. Das Kochwasser dient nur als Wärmeleiter. Der Prozess, der dafür sorgt, dass Stärkekörner Wasser aufnehmen können, heißt Quellung*.

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204 Wie schlaffes Gemüse wieder knackig wird Osmose kann jedoch auch helfen, Gemüse wieder knackig zu machen! Der Druck des Zytoplasmas auf die Zellwände bestimmt, wie knackig Gemüse ist. Ist es noch frisch und der Druck hoch, geben die Zellen – einer Möhre beispielsweise – beim Hineinbeißen nicht nach, sondern knacken. Je länger Gemüse und Obst liegen, desto mehr Wasser geht durch Verdunstung verloren. Mit dem Sinken des Druck in den Zellen verlieren sie ihre Knackigkeit. Zum Glück lässt sich dieser Prozess umkehren! Legen Sie geschälte schlappe Möhren oder welken Salat in kaltes Wasser – nach 1 Stunde sind sie wieder knackig. Warum Salat und Dressing getrennt serviert werden sollte Dressings führen dazu, dass der Salat schlapp wird, eine Folge der Osmose. Weil das Dressing viel saurer ist als das Zytoplasma der Salatblattzellen, tritt Flüssigkeit aus ihnen aus, um den pH-Wert auszugleichen. Dieser Prozess lässt sich kaum umkehren. Die Säure und das Salz aus dem Dressing greifen nämlich zudem die Zellwände an. Die Empfehlung für Salate lautet daher auch, das Dressing getrennt zu servieren. ZARTES FLEISCH DURCH SALZEN Muskelgewebe (Fleisch) hat im lebendigen Zustand einen fast neutralen pH-Wert von 6,8. Nach der Schlachtung sinkt der pH-Wert auf etwa 5,5, das Fleisch wird saurer. Dadurch sinkt die negative Ladung der Myosin-Eiweißmoleküle, die sich nun nicht mehr abstoßen, sondern anziehen. Dadurch verliert das Muskelgewebe Flüssigkeit und Volumen, das Fleisch fällt buchstäblich in sich zusammen. Mariniert man es nun in Salzlösung, wird das Muskeleiweiß negativ geladen, wodurch sich die Proteine wieder abstoßen. Das Fleisch wird ein wenig straffer und kann bei der Zubereitung die Flüssigkeit besser binden. Dazu reicht bereits eine einprozentige Salzlösung aus, die dem Fleisch zudem eine angenehme Salzigkeit verleiht. Für die Bestimmung der Salzmenge in der Lösung muss das Gewicht des Fleischstücks berücksichtigt werden. Im Rezept für gefüllte Koteletts auf Seite 209 zeigen wir, wie das geht. ZARTES FLEISCH DURCH SÄURE ODER BASEN Dass Fleisch nach dem Schlachten saurer wird, ist der Saftigkeit des Fleischs zwar abträglich. Erstaunlicherweise kann eine saure Marinade aber dem Flüssigkeitsverlust im Muskelgewebe entgegenwirken. Bei einem pH-Wert zwischen 5,1 und 5,5 haben Proteine eine zu geringe negative Ladung, um sich gegenseitig abzustoßen. Bei solchen pH-Werten wird das Fleisch daher auch Flüssigkeit verlieren. Säuert man das Fleisch jedoch bis zu einem pH-Wert unter 5, werden die Eiweiße positiv geladen und stoßen sich, wie bei einer negativen Ladung, gegenseitig ab. Das beugt dem Flüssigkeitsverlust vor, und das Fleisch kann die in der Marinade gelösten Aromen besser binden. Eine saure Marinade macht zudem das Kollagen rund um die Muskelzellen weicher und trägt auch auf diese Weise zu zarterem und saftigerem Fleisch bei. Aber übertreiben Sie es nicht mit der Säure, bleiben Sie am besten über einem pH-Wert von 4,8. Bei saureren Marinaden werden die Fleischproteine so hoch (positiv) geladen, dass sie denaturieren. Das Fleisch erhält dadurch eine gare Textur. Bei einer Ceviche ist dieses Ergebnis erwünscht, aber bei Hasenfleisch, das für einen Hasenpfeffer mariniert wird, will man dieses Vorgaren vermeiden. Nach dem Schmoren bekommt das Fleisch sonst eine sandige, lockere Textur. Denselben Trick kann man auch mit Basen anwenden. Ein klein wenig Natriumcarbonat (Soda) in der Marinade macht das Fleisch sehr zart, wie wir in unserem Rezept für Chop Suey auf Seite 208 zeigen werden.

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ZEIT Wie lange dauert es, bis alle Aroma- und Geschmacksstoffe aus der Marinade in das Fleisch gezogen sind? Diese Zeit hängt vom Diffusionsprozess ab. Dieser verläuft desto langsamer, je tiefer die Stoffe in das Fleisch eindringen. Je dicker das Fleisch, desto länger dauert es also. Ein Beispiel: Marinieren wir ein Stück Fleisch 1 Stunde lang, dringt die Marinade etwa 2 mm ins Fleisch. Nach zwei Tagen sind es 1,5 cm und nach 10 Tagen ungefähr 3 cm. Diesen Prozess können wir erheblich beschleunigen. Erstens, indem wir das Fleisch klein schneiden: Je dünner die Fleischstücke, desto schneller dringt die Marinade ganz ein. Außerdem können wir Fleisch im Vakuum marinieren. Das ist eine effiziente Methode, weil dem Fleisch beim Vakuumieren erst alle Luft entzogen wird; der freigewordene Raum kann sich anschließend mit Marinade füllen. Ein großer Vorteil des Marinierens in einem Vakuumbeutel ist, dass das Fleisch nach dem Marinieren gleich im selben Beutel mit der gewünschten Kerntemperatur gegart werden kann. Fleischzartmacher Wir können der Marinade auch helfen, in das Fleisch einzudringen, indem wir es perforieren. Dafür gibt es ein praktisches kleines Gerät, das man auch problemlos im eigenen Küchenlabor nutzen kann, den sogenannten Fleischzartmacher (meat tenderizer). Das ist eine Art Mini-Nagelrolle mit schlanken Dornen, die sich leicht ins Fleisch drücken lassen. In den USA ist dies ein beliebtes Hilfsmittel für ein beschleunigtes Salzen von Grillfleisch. BEWEGUNG Marinade kann ein Nahrungsmittel besser durchdringen, wenn es in Bewegung bleibt. Rührt man die Fleischstücke in einer Marinade regelmäßig um, bleiben Aroma- und Geschmacksstoffe besser mit dem Fleisch in Kontakt. In der Fleischindustrie arbeitet man mit sogenannten Tumblern, vor allem bei der Schinkenherstellung. Diese Geräte sind so etwas wie Betonmischer, die sich langsam drehen, damit der Pökel vom Fleisch besser aufgenommen wird. DRUCK Es gibt auch andere Methoden, Nahrungsmittel mit Flüssigkeit zu tränken, beispielsweise, indem man mit dem Druck spielt. Viele Zutaten haben kleine, mit Luft gefüllte Hohlräume, beispielsweise Melonen und Äpfel. In Blauschimmelkäse befinden sich kleine Aushöhlungen, in denen Schimmelpilze wachsen. Vakuumiert man ein Stück Blauschimmelkäse, der in Port getaucht wird, füllen sich die Hohlräume blitzschnell mit Port. Beim Vakuumieren sieht man, wie zunächst Bläschen entstehen; das ist die Luft, die den Hohlräumen entzogen wird. Sobald die Maschine mit dem Vakuumieren aufhört und der Druck in die Maschine zurückkehrt, will der Käse die entzogene Luft wieder aufsaugen. Aber statt Luft saugt er nun Port. Auf dieselbe Weise kann man Melone mit grünem Tee oder Apfelstückchen mit Zimtsirup tränken, wie in unserem Rezept für getränkte Früchte auf Seite 211.

Tränken und Entziehen

EINE MARINADE FÜR FLEISCH SOLLTE NIEMALS SAUER UND SALZIG ZUGLEICH SEIN Kombiniert man in einer Marinade Säure und Salz, arbeiten sie gegeneinander! Salz führt zu negativ geladenen Fleischproteinen und Säure zu positiv geladenen. Nettoergebnis: Die Proteine binden die Flüssigkeit immer noch schlecht und die osmotische Wirkung der Marinade wird dem Fleisch vor allem Flüssigkeit entziehen.

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DI MELANZANE HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten ± 25 Minuten

1 Auberginen der Länge nach in 5 mm breite Scheiben schneiden. Auf beiden Seiten salzen und in eine Schüssel oder auf ein Backblech legen. 15 Minuten stehen lassen.

BAC KOFEN

4 Auberginen (ca. 1 kg) 2 EL Salz + ½ TL zum Abschmecken 1 Bund Basilikum (ca. 30 g) 1 Zwiebel, geschnitten 150 ml Olivenöl 2 Knoblauchzehen, fein gehackt 1 EL getrockneter Oregano 1 Dose Tomatenmark (70 g) 800 g Tomaten, geschält und in Stücken (2 Dosen) 1-2 EL Balsamicoessig frisch gemahlener Pfeffer, nach Geschmack 75 g Mehl (Type 405) 250 g Mozzarella 100 g Parmesan, gerieben Küchenpapier, feuerfeste Form (20 cm x 30 cm)

AUSSERDEM

↑ Weil die Salzkonzentration an der Oberfläche der Auberginenscheiben höher ist als die Salzkonzentration in den Auberginenzellen, fließt Wasser aus den Zellen nach außen. So kann man Gemüse mithilfe von Salz Wasser entziehen.

2 In der Zwischenzeit die Tomatensauce zubereiten. Die Blättchen vom Basilikum zupfen und zur Seite legen. Die Stiele fein hacken. Die Zwiebel ein paar Minuten in 4 EL Öl anschwitzen. Knoblauch, Basilikumstiele und Oregano zufügen und ein paar Minuten mitbraten. Tomatenmark zugeben und alles erhitzen. Die Tomaten zufügen, die Sauce zum Kochen bringen und 15 Minuten köcheln lassen. Mit Balsamicoessig, Pfeffer und Salz abschmecken. 3 Backofen auf 180 °C vorheizen. 4 Die Auberginenscheiben mit Küchenpapier trocken tupfen und im Mehl panieren. Die Auberginenscheiben jeweils mit einigen EL Öl in einer großen Pfanne (oder in zwei Pfannen gleichzeitig) erhitzen und von beiden Seiten leicht anbräunen. Die Scheiben auf ein Backblech legen und 10 Minuten im Ofen garen. Man kann die Scheiben auch jeweils in der Pfanne durchgaren, aber das dauert länger als alle zugleich im Backofen. ↑ Durch das Trockentupfen werden die Auberginenscheiben weniger salzig und verlieren einen Teil ihrer Flüssigkeit. Deswegen kann man sie leichter bräunen und in der Pfanne garen.

5 In die feuerfeste Form abwechselnd Tomatensauce, Auberginenscheiben, Mozzarella, Parmesan und Basilikumblätter schichten. Ein wenig Parmesan und einige Basilikumblättchen zum Garnieren zurückhalten. Das Auberginengericht für 15 bis 20 Minuten in den Backofen schieben, bis alles heiß und der Käse geschmolzen ist. Vor dem Servieren mit dem beiseitegestellten Parmesan und dem Basilikum bestreuen.

Tränken und Entziehen

PARMIGIANA

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208

HÄHNCHEN-CHOP-SUEY Durch eine basische Marinade mit Backsoda wird dieses Hähnchen butterzart. Das Backsoda erhöht die elektrische Ladung der Proteine von Muskel- und Bindegewebe, deren gegenseitige Abstoßung dadurch zunimmt. So entsteht Raum für Flüssigkeit und das Fleisch bleibt saftiger. HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten 1 Stunde (besser über Nacht)

MARINIEREN

FÜR DIE MARINADE

500 g Hähnchenfilet 5 g Backsoda 2 EL Sojasauce 2 EL Speisestärke 2 EL neutrales Öl FÜR DAS CHOP SUEY

2 Möhren, in dünnen Scheiben 250 g Champignons, in Vierteln 1 rote Zwiebel, in Stücken 1 rote Paprika, in Streifen 1 rote Peperoni, entkernt und fein gehackt 1 Pak Choi, in Streifen 3 Frühlingszwiebeln, in 2 cm großen Stücken 2 EL salzige Sojasauce 2 EL Austernsauce 1 TL VE-Tsin 250 ml Hühnerbouillon 10 g Speisestärke (2-3 TL) 125 g Sojasprossen

1 Hähnchenfilet in dünne Scheiben von 5 mm schneiden. Backsoda, Sojasauce, Speisestärke und Öl in einer Schüssel mischen und das Filet dazugeben. Gut vermischen, dann abdecken oder vakuumieren und mindestens 1 Stunde, besser über Nacht stehen lassen. 2 Einen großen Topf mit Wasser zum Kochen bringen. Das Fleisch aus der Marinade nehmen und in einem Sieb abtropfen lassen. Die Hähnchenstücke einige Minuten im kochenden Wasser blanchieren. Mit einem Schaumlöffel umrühren, damit die Hähnchenstücke nicht aneinander kleben bleiben. Das Hähnchen aus dem Wasser in ein Sieb schöpfen und gut abtropfen lassen. 3 Das Öl in einem Wok erhitzen und darin die Möhren mit Champignons und Zwiebeln einige Minuten anbraten. Paprika, Peperoni, Pak Choi und Frühlingszwiebel zufügen und noch ein paar Minuten zusammen braten. Sojasauce, Austernsauce, VE-Tsin, Bouillon und Speisestärke in einem Schälchen mischen und zugießen. Fleisch und Sojasprossen zufügen und alles unter Rühren einige Minuten erhitzen, bis die Kochflüssigkeit gebunden ist.

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MIT PIMENT UND THYMIAN Vor dem Füllen werden diese Koteletts in Salzwasser mariniert. Dadurch wird das Muskeleiweiß im Fleisch negativ geladen, und die Proteine stoßen sich wieder ab, genau wie bei der Verwendung einer Base im Rezept für Chop Suey. Das Fleisch wird ein wenig straffer und kann die Flüssigkeit bei der Zubereitung besser binden. Für die Bestimmung der Salzmenge in der Lösung muss das Gewicht des Fleischstücks berücksichtigt werden. HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 25 Minuten ± 25 Minuten MARINIEREN über Nacht BAC KOFEN

4 Koteletts (je etwa 200 g) Salz (zur Menge siehe unten) 4 cm frischer Ingwer, gerieben 2 rote Peperoni, entkernt, fein gehackt 3 Knoblauchzehen, fein gehackt Saft und Abrieb von ½ Limette (unbehandelt) 5 EL Öl 2 Zwiebeln, fein geschnitten 1 EL frische Thymianblättchen (und einige zum Garnieren) 5 Pimentkugeln, gestoßen 1 Schnapsglas Genever (20 ml) 1 Limette, in Schnitzen Fleischzartmacher (siehe Seite 205) oder Nadel

AUSSERDEM

1 Mit einem Fleischzartmacher oder einer Nadel kleine Löcher in die Koteletts piksen. ↑ Durch die kleinen Löcher kann die Marinade besser ins Fleisch eindringen. Zwar geht dadurch etwas Flüssigkeit verloren. Doch das Marinieren in Salzwasser sorgt dafür, dass das Fleisch bei der Zubereitung mehr Flüssigkeit bindet.

2 Koteletts in eine Schüssel legen und Wasser zugießen, bis sie bedeckt sind. Das Wasser aus der Schüssel in einen Messbecher schütten, um sein Volumen beziehungsweise sein Gewicht zu bestimmen (1 ml Wasser wiegt 1 g). Das Gewicht des Wassers und des Fleischs wird addiert; 1 % des Gesamtgewichts entspricht der Menge an Salz, die benötigt wird. 3 Die entsprechende Menge an Salz mit einem Stabmixer oder Schneebesen im Wasser auflösen. Kottletts mit dem Salzwasser übergießen. Je die Hälfte von Ingwer, Peperoni und Knoblauch zufügen und alles gut vermischen. Die Hälfte des Limettenschalenabriebs zugeben, dann die Kottletts abgedeckt über Nacht im Kühlschrank marinieren. 4 2 EL Öl erhitzen und darin die Zwiebel mit der anderen Hälfte von Ingwer, Peperoni und Knoblauch einige Minuten rösten. Thymian und Piment zufügen und einige Minuten mitbraten. Den Saft aus der abgeriebenen Limettenhälfte und den Genever zugießen. Köcheln lassen, bis alle Flüssigkeit verdampft und die Mischung zu einer dicken Paste geworden ist. In eine Schüssel geben und abkühlen lassen, dann abgedeckt in den Kühlschrank stellen. 5 Backofen auf 180 °C vorheizen. Die Koteletts aus der Marinade nehmen und gut mit Küchenpapier trocken tupfen. Das Fleisch horizontal fast ganz durchschneiden und aufklappen. Die Hälfte der Kräuterpaste auf dem Fleisch verteilen. Die Koteletts zuklappen und von außen mit der restlichen Paste bestreichen. 3 EL Öl in einer Pfanneerhitzen und die Koteletts von beiden Seiten jeweils ca. 3 Minuten anbraten. Das Fleisch auf ein Backblech legen und 25 Minuten im Backofen garen. Nach der Hälfte der Zeit wenden. Die Koteletts mit dem frisch gehackten Thymian garnieren und mit einem Limettenschnitz servieren.

Tränken und Entziehen

GEFÜLLTE KOTELETTS

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210

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Viele Lebensmittel enthalten kleine, mit Luft gefüllte Hohlräume, beispielsweise Melonen und Äpfel. Vakuumiert man Apfel- und Melonenstücke in einer leckeren Marinade, dringt diese in die Hohlräume der Früchte. Während des Vakuumierens sieht man, wie zunächst Bläschen entstehen; das ist die Luft, die den Hohlräumen entzogen wird. Sobald das Vakuumiergerät ausgeschaltet wird und der Druck wieder etwas steigt, wollen die Früchte die entwichene Luft wieder einsaugen. Aber statt der Luft wird die Marinade eingesogen. BEILAGE, 10 STÜCK

ZUBEREITUNGSZEIT

± 20 Minuten 12 Stunden

1 Äpfel schälen und das Gehäuse mit einem Apfelbohrer entfernen, sodass ein Loch von etwa 2 cm Durchmesser entsteht. 2 Äpfel und Blue Curaçao in eine Rührkuchenform geben (oder einen anderen hohen Behälter, der in das Vakuumgerät passt). Die Äpfel vakuumieren, bis der Alkohol anfängt zu blubbern. Das Vakuumieren einmal wiederholen, damit sich die Äpfel gut mit dem Blue Curaçao vollsaugen. 3 Äpfel und Blue Curaçao in einen Topf geben und zum Kochen bringen. 10 Minuten mit einem Deckel abgedeckt köcheln lassen. Die Äpfel bis zur weiteren Verwendung im Topf lassen. 4 Wassermelone schälen und in dünne Scheiben von 5 mm schneiden. 5 100 ml Rote-Bete-Saft mit Zucker und Ingwer zum Kochen bringen. Rühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat, dann den restlichen Rote-Bete-Saft zugießen und vermischen. Ingwer herausnehmen und den Saft in eine Rührkuchenform gießen (oder einen anderen hohen Behälter, der in das Vakuumgerät passt).

TROC KNEN

FÜR DIE ÄPFEL

4 Äpfel 500 ml Blue Curaçao 100 g weiße Schokolade 100 ml Sahne (30 % Fett) 1 reife Mango

6 Die Melonenscheiben in den Saft legen und vakuumieren, bis die Flüssigkeit anfängt zu blubbern. Das Vakuumieren einmal wiederholen. Die Scheiben aus der Flüssigkeit nehmen und gut abtropfen lassen. Die Marinade für ein nächstes Mal aufbewahren. 7 Die Schokolade in der Sahne bei schwacher Hitze schmelzen und die Mango in dünne Streifen schneiden.

FÜR DIE MELONE

500 g Wassermelone 500 ml Rote-Bete-Saft 50 g Zucker 3 cm frischer Ingwer, in Scheiben Vakuumiergerät, Vakuumbeutel

AUSSERDEM

8 Die noch warmen Äpfel mit den Mangostreifen füllen und in der Schokosauce servieren. Eine Scheibe getränkte Melone dazugeben.

TIPP: Äpfel können ihr Gewicht verdoppeln, wenn sie mit einer Flüssigkeit getränkt sind. In diesem Rezept sorgt der Blue Curaçao für Farbe und Aroma. Aber dieses Rezept lässt sich unendlich variieren!

Tränken und Entziehen

GETRÄNKTE FRÜCHTE

213 Emulgieren und Gerinnen

KAPITEL 13

EMULGIEREN UND GERINNEN WASSER UND ÖL: SIE KÖNNEN NICHT MIT-, ABER AUCH NICHT OHNE EINANDER → EINE GUTE SAUCE GERINNT IM MUND, NICHT AUF DEM TELLER → WARMES MAYONNAISE-SOUFFLÉ: EIN KINDERSPIEL → WIE MAN MAYONNAISE UND BUTTERSAUCEN VOR DEM GERINNEN BEWAHRT

→ PASTIS GEHT AUCH AUS TOMATEN UND BASILIKUM → JE MEHR ÖL IN EINER MAYONNAISE, DESTO DICKER WIRD SIE

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214 Eine köstliche Buttersauce, selbstgemachte Mayonnaise, eine salzige Bisque, ein traditionelles Ragout – wissenschaftlich betrachtet handelt es sich bei all diesen Gerichten um Emulsionen, Gemische aus Öl und Wasser. Nach einiger Zeit trennen sich Emulsionen wieder, sie gerinnen, die Öltropfen sammeln sich zu einer Schicht, die auf der Wasseroberfläche treibt. Zur Stabilisierung einer Emulsion (also um zu verhindern, dass sie gerinnt) wird ein Emulgator benötigt. Das ist ein Stoff, der Öl und Wasser binden kann. Dicke, Geschmack, Aroma und Stabilität einer Emulsion werden von drei Elementen bestimmt: der Basis (die hauptsächlich aus Flüssigkeit besteht), dem Emulgator und Öl oder Fett. Die bekannteste Emulsion in der Küchenpraxis ist die Mayonnaise. Kennt man die Logik hinter ihrer Zubereitung, hat man jedes „saucige“ Gericht im Griff. Man nehme ein Ei, 1 TL Senf, etwas Salz und 2 EL Essig. Unter ständigem Schlagen mit dem Schneebesen tröpfelt man nach und nach so viel Öl zu, bis eine dicke Mayonnaise entsteht (siehe Rezept auf Seite 224). Die größtenteils flüssigen Zutaten verwandeln sich zusammen zu einer cremigen, stabilen Masse – ein durchaus erstaunliches Phänomen. In diesem Kapitel erklären wir, wie Emulsionen funktionieren und an welchen Knöpfen man drehen kann, um die Zubereitungen nach Wunsch zu gestalten.

WAS IST EMULGIEREN? Emulgieren ist das Mischen von Öl und Wasser. Genauer gesagt: Es ist das Verteilen von Öltröpfchen in Wasser (Öl-in-Wasser-Emulsionen) oder umgekehrt (Wasserin-Öl-Emulsionen). Wenn Öltröpfchen in einer Emulsion von Wasser umgeben sind, also darin „schwimmen“, wird das Wasser als äußere oder kontinuierliche Phase bezeichnet: Das Wasser ist überall in der ganzen Emulsion. Flüssigkeiten wie Wasser, Bouillon, Essig oder Zitronensaft bilden die Wasserphase in einer Emulsion. Die Öltröpfchen dagegen sind in der Emulsion voneinander getrennt und bilden die innere oder disperse Phase. Die Ölphase kann aus allerlei flüssigen Ölen und Fetten bestehen. ÖL-IN-WASSER-EMULSIONEN UND WASSER-IN-ÖL-EMULSIONEN Öl-in-Wasser-Emulsionen bestehen aus kleinen Öltröpfchen, die von Wasser umgeben sind. Die Geschmacksstoffe lösen sich in Wasser, und die Öltröpfchen tragen das Aroma. Nehmen wir eine Bisque. Für diese Suppe werden zunächst die Panzer von Krustentieren mit Gemüse in Öl gebraten, um Aromen freizusetzen. Anschließend wird die Bouillon (die vor allem aus Wasser besteht) zu den Panzern gegossen. Probiert man einen Löffel dieser Suppe, steht der Umami-Geschmack im Vordergrund, dessen Geschmacksstoffe im Wasser gelöst sind, und erst später werden die Aromastoffe aus den Fetttröpfchen freigesetzt, die im Mund zurückbleiben. Dieses Prinzip gilt für fast jede Sauce oder Suppe. Für ihre Zubereitung sind Öl-in-Wasser-Emulsionen der Schlüssel, wie die Bisque de Crevettes auf Seite 227 beweist. Wasser-in-Öl-Emulsionen kommen nicht so häufig vor. Eine Basisvinaigrette, lediglich aus Essig und Öl, ist das bekannteste und gelungenste Beispiel. Weil sich das Öl aus der Vinaigrette über den Salatblättern verteilt, werden die Essigtropfen freigelegt und kommen leichter mit der Zunge in Kontakt. Sobald ein Emulgator (wie Senf) im Spiel ist, verhindert dieser, dass sich die Essigtropfen aus dem Öl lösen. Der Essig ist dann nicht mehr zu schmecken.

215 Das Gegenteil von Emulgieren ist Trennen oder in Küchensprache: Gerinnen. Beim Gerinnen fließen die voneinander getrennten Öltröpfchen in der Wasserphase wieder zu kleinen Öllachen zusammen. Das sieht man manchmal auf einer Suppe: ein Zeichen, dass das Öl in der Suppe nicht gut emulgiert ist. Gerinnen wird häufig für etwas Negatives gehalten. Trotzdem hat dieser chemische Prozess auch eine positive Seite. Gerinnt eine Sauce im Mund, bedeutet dies, dass hier und da Öltröpfchen an Zähnen, Zunge und Gaumen kleben bleiben. So kann der Tropfen Aroma abgeben. Ist eine Emulsion zu stabil (gerinnt also nicht), und die öligen Tröpfchen bleiben im Wasser verpackt, rutschen sie einfach weiter in Richtung Kehle und wir nehmen das gelöste Aroma nicht wahr. Eine Emulsion sollte sich im Mund trennen. Beim Kochen stehen wir also vor der Herausforderung, Emulsionen zuzubereiten, die auf dem Teller stabil sind, aber im Mund gerinnen. ZUSAMMENSETZUNG Die Zusammensetzung einer Emulsion bestimmt ihre Dicke, den Geschmack und die Stabilität. Im Spiel mit den drei Elementen, aus denen eine Emulsion besteht (Flüssigkeit, Emulgator und Öl oder Fett), können wir die Zusammensetzung ändern. FLÜSSIGKEIT ALS BASIS Die Basis einer Emulsion ist die Flüssigkeit, in der Öl in Tropfen verteilt wird. Flüssigkeiten in einer Mayonnaise sind Essig (oder Zitronensaft) mit darin gelöstem Salz, Senf und Eigelb (das auch zum größten Teil aus Wasser besteht). Sobald man versteht, wie sich eine Emulsion aufbaut, lässt sich mit Geschmack und Aroma experimentieren. Statt Essig kann auch eine Bouillon, Fruchtsaft oder Weißwein verwendet werden. Die Festigkeit einer Mayonnaise ist davon abhängig, wie dickflüssig die Wasserphase ist (und von der Ölmenge, wie wir noch sehen werden). Die Mayonnaise wird desto schneller steif, je dickflüssiger die Basis ist. Um Letzteres zu erreichen, gibt es einige Tricks: Eigelb garen Wird Eigelb im Wasserbad erhitzt, stocken die Proteine im Dotter und er wird fester. Damit er nicht zu starr wird, empfiehlt es sich, ihn erst mit Salz und (der Hälfte vom) Essig zu mischen. Beide Zutaten erhöhen nämlich die Erstarrungstemperatur des Eigelbs, sie liegt dann zwischen 70 und 80 °C. Ein Thermometer zur Hand zu haben, erleichtert die Sache. Eigelb einfrieren Eine andere Methode zur Verdickung von Eigelb besteht darin, dieses ein paar Stunden vor der Verwendung in einem verschlossenen Behälter ins Eisfach zu stellen. Dieser Trick wird auch bei industriell hergestellter Mayonnaise genutzt. Eigelb, das gefroren war, ist nach dem Auftauen dickflüssiger als zuvor. EMULGATOREN Emulgatoren sind Stoffe, die verhindern, dass Öltröpfchen zusammenfließen und eine Emulsion gerinnt. Im Allgemeinen haben Emulgatoren eine öl-liebende und eine

Emulgieren und Gerinnen

WAS IST GERINNEN?

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216 wasser-liebende Seite, darum setzen sie sich vorzugsweise auf einer Wasser-ÖlOberfläche fest. So bilden sie einen molekularen Panzer*, der die Tropfen intakt hält, wenn sie einander berühren. In einer Mayonnaise zum Beispiel ist die Wasserschicht zwischen den Öltröpfchen sehr dünn. Trotzdem bleiben die Tropfen aufgrund der Emulgatoren, die im Wasser gelöst sind, getrennt. Solange sich in der Basis genügend Emulgator befindet, können wir jede denkbare Emulsion kreieren. Ein klassisches Beispiel für einen Emulgator ist Senf zum Binden eines Dressings. Andere Emulgatoren, denen wir in der Küchenpraxis begegnen, sind: • Gelatine aus Knochen, Fleisch oder Fisch. Ein Blatt Gelatine, aufgelöst in ein wenig Wasser, Bouillon, Suppe, Zuckersirup etc., ist eine perfekte Basis für eine Emulsion. • Ovalbumin aus Eiklar. Bereitet man eine Mayonnaise ausschließlich aus Eiklar zu, also ohne das Eigelb, kann man sie auch erhitzen. Die Eiweiße erstarren und schließen das Wasser und das Öl in sich ein. Wir bereiten eine warme Mayonnaise auf der Grundlage von Rote-Bete-Saft und Eiklar. Diese Mayonnaise kann man wie ein Soufflé in der Mikrowelle garen (siehe Rezept auf Seite 223). • Peptide und Gelatine aus Fischeiern. Mit pürierten Fischeiern und Öl lässt sich eine sehr stabile Emulsion herstellen. • Lecithin aus Eigelb – ein Superemulgator, der bis zu 3 l Öl pro Dotter emulgieren kann! Dazu muss die Basis allerdings genügend Flüssigkeit enthalten, um die Öltropfen zu umschließen. • Fasern aus Nudeln oder Püree. Viele Fasern neigen dazu, sich auf der Oberfläche von Öltropfen festzusetzen und damit eine Emulsion zu stabilisieren. Pürierte Suppen, wie kalte Tomatensuppe (Gazpacho), enthalten ausreichend Fasern und können ausgezeichnet mit Olivenöl emulgieren, sodass sich keine kleinen Öllache auf der Suppe bilden. ÖL ODER FETT Die dritte unverzichtbare Komponente für eine Emulsion ist Öl oder Fett. Der kulinarische Unterschied zwischen Fett und Öl ist, dass Öl bei Zimmertemperatur flüssig ist und Fett – wie Butter – erst bei 32-35 °C schmilzt. In geschmolzenem Zustand sind Öl und Fett vergleichbar. Nicht jedes Öl eignet sich für eine stabile Emulsion wie Mayonnaise. Am besten ist ein raffiniertes Pflanzenöl, das im Kühlschrank nicht dick oder starr wird. Verwenden Sie kein unraffiniertes Öl wie manche nativen Olivenöle extra, denn sie führen zu einer Mayonnaise, die nach wenigen Stunden zu gerinnen beginnt (siehe Nerd Alert unten auf dieser Seite). Natives Olivenöl extra hat meist auch einen zu starken Eigengeschmack, um es in einer Mayonnaise ausschließlich zu verwenden. Für einen guten Olivengeschmack gibt man lieber einen kleinen Schuss Olivenöl extra in ein raffiniertes Öl.

*

NERD ALERT Nicht jedes Molekül, das sich auf einer Öl-Wasser-Oberfläche festsetzt, bildet einen gleich

stabilen Panzer. Olivenöl beispielsweise enthält viele freie Fettsäuren. Die setzen sich gut an der Oberfläche fest, bilden aber einen recht schwachen Panzer. Dadurch können sie das Gerinnen nicht verhindern. Das ist der Grund, weshalb Aioli, eine Emulsionssauce aus Olivenöl, oft gerinnt. Die freien Fettsäuren aus dem Olivenöl verdrängen nach einiger Zeit die ursprünglichen Emulgatoren – Eiklar und Lecithin, die sehr wohl einen hervorragenden Panzer bilden – mit der Folge, dass unser Aioli gerinnt.

217

Mayonnaise

Öl

Emulgator (Eigelb) Wasser Öl

EMULSION

GERINNENDE EMULSION

Hier sieht man, wie die Öltröpfchen in einer Mayonnaise von Flüssigkeitsschichten umgeben sind. Bei der Zubereitung von Mayonnaise muss man dafür sorgen, dass sich die Öltropfen in der Flüssigkeit verbreiten und nicht umgekehrt. Werden die Wasserschichten zu dünn, brechen sie auf und die Öltröpfchen fließen zusammen – die Emulsion gerinnt.

Emulgieren und Gerinnen

Warme Buttersaucen Bekannte warme Buttersaucen wie Sauce hollandaise, Sauce béarnaise und Sauce mousseline sind Emulsionen wie die Mayonnaise. Ein Unterschied besteht darin, dass es sich bei den Fetttröpfchen nicht um Öl handelt, sondern um Butterfett. Die Basis besteht meist aus einer Säure wie Essig, Wein oder einer Kombination aus beidem. Das Lecithin aus dem Eigelb fungiert als Emulgator und hindert die Fetttröpfchen am Zusammenfließen. Warme Buttersaucen lassen sich nicht gut aufbewahren, weil sie gerinnen, sobald sie abkühlen. Beim Abkühlen der Butter kristallisieren die Fette in den Tropfen und beschädigen die Hülle der Emulgatormoleküle. In einer vorgewärmten Thermosflasche kann man eine Sauce hollandaise oder béarnaise ein paar Stunden aufbewahren. Weil Öl und Fett gute Aromaträger sind, lassen sie sich aromatisieren, bevor sie in eine Emulsion kommen. Das machen wir in unserem Rezept für Orangen-Hollandaise auf Seite 94.

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218 DAS VERHÄLTNIS DER ZUTATEN Die Ölmenge in einer Emulsion bestimmt deren Dicke. Eine Bisque oder Fischsuppe zum Beispiel ist eine flüssige Emulsion mit relativ wenig Öl. Die Gelatine aus dem Fisch fungiert als Emulgator und bewirkt, dass sich das Öl mit dem Fischaroma gut in der Suppe verteilen kann. Vollmilch ist ebenfalls eine flüssige Emulsion und hat einen Fettgehalt von 3,5 %. Schlagsahne ist dicker als Milch, weil sie mehr Butterfett enthält. Der Fettgehalt in Emulsionssaucen (Bearnaise, Hollandaise und Mayonnaise) bei bis zu 70-80 % liegen. Bei einem höheren Fettgehalt bleibt die Emulsion nicht stabil. Das Fett fließt dann zusammen und die Sauce gerinnt. Flüssig plus flüssig gleich fest Dass eine Emulsion dicker wird, wenn man flüssiges Öl oder geschmolzene Butter langsam zufügt, ist erstaunlich. Aus flüssig und flüssig wird fest. Das Prinzip lässt sich am Beispiel von Mayonnaise veranschaulichen: Zur ihrer Herstellung muss sich das Öl in Milliarden kleiner Öltropfen verteilen, die in der Basis aus Eigelb, Essig und Senf emulgiert werden. Je mehr Öltröpfchen sich in der Emulsion befinden und nicht zusammenfließen, desto fester und steifer wird die Mischung. Aber irgendwann erreicht die Zahl der Öltröpfchen, die sich noch unabhängig voneinander im Wasser befinden kann, ein Maximum. Dieses Maximum wird von der verfügbaren Wassermenge bestimmt. Sobald zu wenig Wasser vorhanden ist, um alle Öltröpfchen ummanteln zu können, gerinnt die Mayonnaise. Hat der Gerinnungsprozess gerade erst begonnen, lässt sich eine Mayonnaise noch leicht mit ein wenig Wasser retten. Halten Sie also immer etwas Wasser bereit, das Sie beim Schlagen zugießen können. Selbst bei einer sehr dünnen Mayonnaise, die keinerlei Bindung mehr hat, ist noch nicht alles verloren. Entfernen Sie die geronnene Mayonnaise aus der Schüssel und verwenden Sie ein paar EL Wasser als neue Basis. Fügen Sie die geronnene Mayonnaise unter ständigem Rühren hinzu. TEMPERATUR Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Mayonnaise und Buttersaucen liegt in der Verarbeitungstemperatur. Die Zubereitung einer Buttersauce beginnt mit dem Erhitzen auf maximal 80 °C von Säure und Eigelb, das dabei dicker wird. Während wir die Butter zufügen, muss die Sauce warm bleiben. Vorsicht: Eigelb ist hitzeempfindlich und klumpt bei höheren Temperaturen, weil das Eiweiß im Dotter denaturiert und ein festes Netzwerk bildet (siehe Kapitel 10: Verknoten und Spalten). Daher ist die Temperaturkontrolle bei der Zubereitung dieser Saucen so wichtig, weswegen sich in diesem Fall ein Mixer mit einstellbarer Temperatur (Thermomixer) anbietet. Stellt man die Temperatur des Mixers auf 80 °C ein, kann das Eigelb nicht zu warm werden. Die Butter wird so blitzschnell von der Saucenbasis emulgiert. Eine Buttersauce, die im Wasserbad zubereitet wird, führt zu einer allmählichen Erwärmung der Sauce, wie wir im Rezept für Sauce béarnaise auf Seite 225 zeigen. Nicht zu warm und nicht zu kalt In vielen Rezepten für Mayonnaise ist zu lesen, alle Zutaten sollten Zimmertemperatur haben. Für das Schlagen der Mayonnaise ist das nicht notwendig. Wir sollten jedoch verhindern, dass das Ganze viel zu kalt oder viel zu warm wird. Hervé This, französischer Professor für Molekularküche, hat diesen Prozess ausführlich erforscht und Folgendes festgestellt: Faktor für das Misslingen einer Emulsion ist die Temperatur nur, wenn sie unter der Erstarrungstemperatur von Fett liegt oder höher ist

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ZEIT Bei der traditionellen Zubereitung einer Mayonnaise muss das Öl langsam und unter ständigem Rühren zugefügt werden. Warum? Auf diese Weise bleibt ausreichend Zeit, das Öl mit dem Schneebesen in kleine Tropfen zu schlagen, die sich in der Wasserbasis verteilen. Fügt man zu viel Öl gleichzeitig zu, schlägt man die Wasserbasis ins Öl statt umgekehrt. Das Ergebnis ist eine Wasser-in-Öl-Emulsion, eine geronnene Form der Mayonnaise. Mithilfe eines Stabmixers oder einer Küchenmaschine lässt sich das Öl schneller in kleine Tropfen verteilen und die Mayonnaise wird fester. Übrigens muss das Öl nicht immer langsam zugegossen werden. Dazu wird die Basis einer Mayonnaise in einen schmalen, hohen Messbecher gefüllt, in dem gerade noch genügend Platz ist für den Stabmixer. Das Öl muss nun vorsichtig am Rand des Messbechers entlangfließen, um in einer Schicht auf der Basis zu stehen. Den Stabmixer auf den Boden des Messbechers stellen und erst dann einschalten; langsam nach oben bewegen, und schon ist die Mayonnaise fertig. BEWEGUNG Mixen ist ein wichtiger Bestandteil beim Emulgieren. Schließlich muss es eine Kraft geben, von der die Öltropfen in der Wasserphase verteilt werden. Die Kraft des Mixers oder Schneebesens zerschlägt die Öltropfen. Je kleiner die Tropfen sind, desto weniger Kraft kann auf sie einwirken und desto schwieriger wird es, die Öltropfen weiter zu spalten. Beim Rühren mit dem Schneebesen bleiben die Tropfen größer als beim Einsatz eines Stabmixer oder einer Küchenmaschine. Der zuvor erwähnte Thermomixer, der in Restaurantküchen häufig Verwendung findet, erzeugt noch kleinere Tropfen. Die Tropfengröße beeinflusst die Textur. Je kleiner die Tröpfchen, desto fester die Sauce.

Emulgieren und Gerinnen

als die Temperatur, bei der Eiweiße denaturieren. Solange die Temperatur innerhalb dieses Spektrums liegt, ist allein das Verhältnis von Wasser und Öl und die Art und Weise, wie das Öl zugefügt wird, für das Gelingen entscheidend.

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MIT BASILIKUM Französischer Pastis emulgiert spontan, sobald er mit Wasser gemischt wird. Er wird plötzlich trübe, der sogenannte Pastis-Effekt. Der würzige Anisgeschmack in Pastis ist als ätherisches Öl in Wasser mit 40 % Vol. Alkohol gelöst. Gelangt zusätzliches Wasser in den Pastis, trennen sich die Öltropfen im Alkohol von der Wasserphase. Wie eine Wolke verteilen sie sich im Getränk, das trübe wird. Bei unserem Tomatenpastis zeigt sich derselbe Effekt.

1 Tomaten in grobe Stücke teilen und mit 200 ml Wasser, Salz, Zucker, Thymian, Oregano, Lorbeer und Pfefferkörnern in einen großen Topf geben. 2 Zum Kochen bringen und die Temperatur reduzieren. Eine Metallschüssel auf den Topf stellen und zur Hälfte mit Eiswürfeln füllen (so kondensiert die Bouillon sofort und verdampft nicht aus dem Topf) oder einen Topf mit Wasserdeckel verwenden. Die Bouillon 1 ½ Stunden ziehen lassen und durch ein ausgespültes Geschirr- oder Käsetuch geben. Auf Zimmertemperatur abkühlen lassen und danach in den Kühlschrank stellen. 3 Gin in einen Mixer geben und unter Rühren langsam das Basilikumöl zugießen. Je schneller sich der Mixer dreht, desto besser emulgiert das Öl mit dem Alkohol. Den Basilikum-Gin in eine große Spritze füllen.

GETRÄNK, FÜR 4 -6 GLÄSER

ZUBEREITUNGSZEIT

± 30 Minuten ZIEHEN DER BOUILLON

1 ½ Stunden 2 Stunden

ABKÜHLEN

2 kg reife Tomaten 5 g Salz 3 g Zucker 3 g frischer Thymian 5 g frischer Oregano 2 Lorbeerblätter 10 schwarze Pfefferkörner, zerstoßen 100 ml starker Gin (ca. 55 % Vol. Alkohol) 20 g Basilikumöl (siehe Rezept auf Seite 112) 50 g Meersalzflocken Geschirr- oder Käsetuch, Topf mit Wasserdeckel (siehe S. 90), Eiswürfel, große Spritze, 4-6 Aperitif-Gläser

AUSSERDEM

4 Meersalzflocken in eine Schale schütten. Den Rand der Gläser jeweils befeuchten und in die Flocken drücken. Die Gläser mit kalter, klarer Tomatenbouillon füllen. Den Glasrand eventuell mit einer Gurkenscheibe oder Olive garnieren. Am Tisch einen guten Schuss Basilikum-Gin zum Glasboden hin spritzen. Warten Sie, bis sich der Gin im Glas verteilt hat, und genießen Sie Ihr Getränk.

Emulgieren und Gerinnen

TOMATENPASTIS

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Dieses Rezept beweist, dass sich auch Eiklar hervorragend als Emulgator eignet. Wir kreieren damit eine Rote-Bete-Mayonnaise, aus der sich anschließend sehr schnell in der Mikrowelle ein Soufflé zubereiten lässt. VORSPEISE, 8 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 45 Minuten über Nacht

WARTEN

500 g Rote Bete 500 ml Sonnenblumenöl 300 ml Rote-Bete-Saft (aus der Flasche oder dem Entsafter) 1 Eiklar 2 EL Trüffel-Tapenade 1 Handvoll Chips 1 Handvoll Basilikumblättchen Mikrowelle, Espressotassen (oder kleine Gläser)

AUSSERDEM

1 Rote Bete waschen und reiben. 2 Öl in einem tiefen Topf erhitzen. Geriebene Rote Bete zufügen und bis maximal 90 °C erhitzen. Die Rote Bete bei schwacher Hitze etwa 30 Minuten im Öl ziehen lassen. Die Bete hin und wieder mit einem Kartoffelstampfer andrücken. 3 Inzwischen den Rote-Bete-Saft in einem kleinen Topf reduzieren, bis nur noch 3 EL davon übrig sind. Abkühlen lassen. 4 Das Öl durch ein Sieb in einen Messbecher gießen und über Nacht stehen lassen, bis sich das klare Öl vom wässrigen Teil unten im Messbecher getrennt hat. Das klare Öl aus dem Messbecher in eine Schale abgießen und zur Seite stellen. 5 Den eingekochten Rote-Bete-Saft und das Eiklar im Messbecher mit einem Stabmixer pürieren. Anschließend unter ständigem Rühren langsam das Öl zugießen, bis eine dicke Mayonnaise entsteht. Die Mayonnaise mit einigen EL Wasser auf Joghurtdicke verdünnen. ↑ In diesem Schritt wird das Öl in der Mayonnaisebasis aus Rote-Bete-Saft emulgiert. Das Eiklar übernimmt die Rolle des Emulgators.

6 Die Mayonnaise in Espressotassen löffeln und in die Mikrowelle stellen. Bei 800 Watt erhitzen, bis die Mayonnaise in den Tassen souffliert (hochsteigt). Dann die Mikrowelle sofort ausschalten. ↑ Dieses Gericht kann nur in der Mikrowelle zubereitet werden, denn nur dann erstarrt das Eiweiß schnell genug, um die Mayonnaise zusammenzuhalten. Im Backofen stockt es zu langsam und die Mayonnaise gerinnt.

7 Die Tassen mit der warmen Mayonnaise auf ein Tellerchen stürzen. Mit 1 TL Trüffel-Tapenade, Chips und Basilikumblättchen servieren.

Emulgieren und Gerinnen

MAYONNAISE-SOUFFLÉ

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SELBST GEMACHTE MAYONNAISE Mayonnaise ist das bekannteste Beispiel einer Öl-in-Wasser-Emulsion. Sie besteht aus sehr kleinen Öltröpfchen, die von dünnen Flüssigkeitsschichten (Essig und Wasser aus dem Ei) umgeben sind. Der häufigste Grund, weshalb Mayonnaise gerinnt, ist Wassermangel. Wir verwenden daher ein ganzes Ei und nicht nur das Eigelb. Eiklar besteht nämlich zu 90 % aus Wasser.

1 Ei, Senf, Salz und die Hälfte des Zitronensafts mit einem Schneebesen in einer Schüssel gut mischen. Wasser in einem Topf zum Kochen bringen und die Schüssel so auf dem Topf platzieren, dass sie das Wasser nicht berührt. Mit dem Schneebesen schlagen, bis die Mischung anfängt zu binden. 5 Minuten bei 60 °C oder 1 Minute bei 70 °C schlagen, damit eventuelle Salmonellen unschädlich gemacht werden. ↑ Dieser erste Schritt ist nur wichtig, wenn wir Mayonnaise eine Weile aufbewahren wollen oder wenn sie für Ältere, Menschen mit einem geschwächten Immunsystem oder Schwangere zubereitet wird. In diesen Fällen wollen wir das Risiko einer Infektion mit Salmonellen unbedingt ausschließen. Ein weiterer wichtiger Vorteil des Erhitzens ist, dass die Mayonnaisebasis dicker wird, weil das Ei stockt. Eine dickere Basis als Ausgangspunkt erleichtert es uns, die Mayonnaise schön fest zu bekom-

BEILAGE, 1 GLAS, 350 ML

ZUBEREITUNGSZEIT

± 10 Minuten ± 30 Minuten

WARTEN

1 Ei 1 ½ EL Dijonsenf ½ TL Salz 1 ½ EL frischer Zitronensaft 300 ml Erdnussöl frisch gemahlener Pfeffer (optional) Topf mit passender Schüssel für ein Wasserbad

AUSSERDEM

men.

2 Die Schüssel anschließend in einen Behälter mit kaltem Wasser stellen. Die Mischung so lange schlagen, bis sie auf Zimmertemperatur abgekühlt ist (Machen Sie die Handprobe und fühlen Sie, wie warm die Schüssel ist). Unter ständigem Schlagen mit dem Schneebesen das Öl tröpfchenweise zugießen, bis die Mischung anfängt, dick zu werden. Wenn alles Öl zugegossen ist, den restlichen Zitronensaft einträufeln. Eventuell mit frisch gemahlenem Pfeffer abschmecken. ↑ Mayonnaise kann auch im Handumdrehen mit einem Stabmixer hergestellt werden. Die abgekühlte Eigelbbasis in einen schmalen Messbecher geben (in dem der Stabmixer gerade so noch Platz hat). Den Becher schräg halten und das Öl am Rand entlang vorsichtig zugießen, damit es oben auf der Basis treibt. Jetzt den Stabmixer – wiederum vorsichtig – bis zum Boden in den Messbecher eintauchen. Einschalten und leicht auf und ab bewegen. Den Stabmixer langsam hochziehen, dabei wird alles Öl blitzschnell in die Basis aufgenommen und es entsteht eine superdicke Mayonnaise.

225

Auch die Sauce béarnaise ist wie die Mayonnaise eine Emulsion. Der Unterschied besteht darin, dass die Fetttröpfchen nicht aus Öl bestehen, sondern aus Butterfett. Die Basis einer Béarnaise besteht aus einem Würzsud, einer Mischung aus Essig und Weißwein, gekocht mit Schalotten und Estragon. Der Würzsud wird mit Eigelb gemischt, und das Lecithin aus dem Eigelb fungiert als Emulgator. Sauce béarnaise lässt sich nicht gut aufbewahren, weil sie gerinnt, sobald sie abkühlt. Beim Abkühlen der Butter kristallisieren nämlich die Fette in den Tropfen und beschädigen die Hülle der Emulgatormoleküle.

1 5 g Estragon fein hacken und zur Seite stellen. Den restlichen Estragon mit Wein, Wermut, Essig und Schalotten in einen Stieltopf geben und zum Kochen bringen. 2 Den Würzsud (Basis der Sauce) 15 Minuten bei schwacher Hitze 15 Minuten auf die Hälfte reduzieren. Schalotten und Estragon abseihen und die Flüssigkeit abkühlen lassen. 3 Butter bei schwacher Hitze in einem Stieltopf schmelzen. 4 150 ml Würzsud in eine Glas- oder Edelstahlschüssel geben. Das Eigelb unterziehen und die Schüssel über einen Topf mit heißem Wasser hängen. Das Wasserbad knapp unter dem Siedepunkt halten und die Mischung mit einem Schneebesen schaumig schlagen. Unter ständigem Schlagen auf 80 °C erhitzen, das ist die Temperatur, bei der das Eigelb zu stocken beginnt und die Sauce dick wird. 5 Die Schüssel vom Topf nehmen und die geschmolzene Butter langsam unter ständigem Schlagen unterrühren. Sauce mit Pfeffer und Salz abschmecken und den feingehackten Estragon zufügen.

BEILAGE, 6-8 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 10 Minuten ± 30 Minuten

WARTEN

30 g Estragon 100 ml Weißwein 100 ml trockenen Wermut 100 ml Weißweißessig 2 Schalotten, fein geschnitten 100 g Butter 4 Eigelb

TIPP: Die Sauce kann schon ein paar Stunden vor dem Servieren zubereitet und in einer vorgewärmten Thermosflasche aufbewahrt werden. Sie kann nicht aufgewärmt werden, weil sie schon beim Abkühlen gerinnt.

Emulgieren und Gerinnen

SAUCE BÉARNAISE

textur

226

227

GARNELENSUPPE Jede Suppe von Krustentieren oder Muscheln (Bisque) beginnt mit dem Anbraten der Meeresfrüchte. Dadurch ziehen die Aromen ins Öl, über das sie sich anschließend im Gericht verteilen. Püriert man eine Bisque, sieht man nach einiger Zeit, wie sich kleine hauchdünne Öllachen auf der Oberfläche bilden. Bei unserer Bisque handelt es sich um das Garnelenöl, das sich von den wässrigen Bestandteilen in der Suppe trennt. Dieses Gerinnen ist nicht schlimm, denn das Öl schmeckt köstlich. VORSPEISE, 6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 45 Minuten 1 kg Ostseegarnelen in der Schale (oder Schalen von Nordseegarnelen) 2 EL Olivenöl 1 kleine Möhre, in Stücken 1 Zwiebel, geschnitten 1 Stängel Staudensellerie, in Scheiben 50 g Tomatenmark 200 ml Weißwein 500 ml Hühnerbouillon, aus Brühwürfel 1 l Fischbouillon, aus Brühwürfeln 1 Messerspitze Safran 1 TL Thymian, getrocknet 1 Lorbeerblatt Salz, nach Geschmack 1 EL Schnittlauch, gehackt

1 Garnelen mit Küchenpapier oder einem Geschirrtuch gut trocken tupfen. Olivenöl in einem großen Topf oder Wok erhitzen und die Garnelen bei hoher Hitze darin braten. ↑ Während des Bratens zieht der Garnelengeschmack ins Öl. Mit dem Pürieren der Bisque wird das Garnelenöl im Gericht emulgiert. Der Geschmack aus den Garnelenschalen tritt so optimal in den Vordergrund.

2 Nach 3 Minuten das Gemüse zugeben und 3 Minuten mitbraten. Tomatenmark zufügen und gut unter die Garnelen rühren. 3 Mit Wein ablöschen und diesen verdampfen lassen, bis fast nichts mehr davon übrig ist. Bouillon zugießen, dann Safran, Thymian und Lorbeer zufügen. Die Suppe zum Kochen bringen und bei schwacher Hitze 30 Minuten ziehen lassen. 4 Die Suppe vom Herd nehmen und in einer Küchenmaschine pürieren (mitsamt Garnelen). Die pürierte Suppe durch ein feines Sieb gießen und mithilfe eines Suppenlöffels durch das Sieb passieren. Die Garnelenschalen bleiben im Sieb zurück. 5 5 Die passierte Suppe erhitzen und nach Geschmack mit ein wenig Salz abschmecken. Kurz vor dem Servieren die Suppe noch einmal kurz mit dem Stabmixer pürieren und in Suppenschalen mit gehacktem Schnittlauch servieren. ↑ Mit dem Stabmixer wird das (Garnelen-)Öl kurz vor dem Servieren in der Suppe emulgiert.

SERVIERTIPP: Dazu passen Rouille und Croutons.

Emulgieren und Gerinnen

BISQUE DE CREVETTES

229 Aufschäumen und Entgasen

KAPITEL 14

AUFSCHÄUMEN UND ENTGASEN KOCHEN MIT LUFT → IN SCHAUM EINGEFANGENE AROMEN FÜR WAHRE GESCHMACKSEXPLOSIONEN → MIT DEM SAHNESPENDER ZUM NEUEN FERRAN ADRIÀ WERDEN → KOCHFLÜSSIGKEIT VON KICHERERBSEN FÜR VEGANE BAISERS VERWENDEN

→ SCHOKOLADE MIT EISWASSER ZU SAHNE SCHLAGEN → SCHAUM SOLL IM MUND PLATZEN, NICHT AUF DEM TELLER

textur

230 Luft ist eine großartige Zutat beim Kochen. Sie kostet nichts, und Gasbläschen in einem Gericht machen es luftig und leicht. Außerdem sammeln sich in den Gasbläschen Aromen, die freigesetzt werden, sobald man auf sie beißt. Dieses Kapitel handelt von bekannten Schäumen aus der Küchenpraxis, wie Schokomousse, Milchschaum und Baiser, aber auch von weniger bekannten wie Aquafaba-Baiser und solchen, an die wir beim Wort Schaum zunächst nicht denken, wie Brot und Rührkuchen. Chemisch gesehen sind die beiden Letzteren nämlich auch Schäume. Wir beschreiben die Struktur und Grundzutaten dieser Schäume und erläutern, wie wir in unserem Küchenlabor Textur, Geschmack und Aroma beeinflussen können.

WAS IST SCHAUM? Schaum besteht aus kleinen Luftbläschen, die von Zutaten umschlossen sind, die Luft binden können. In Schlagsahne und Schokomousse ist dies ein Netzwerk aus kleinen Fettkügelchen, bei Baiser sind es denaturierte Eiweiße, und in Brot und Gebäck ermöglichen Stärke und Gluteneiweiße eine luftige Struktur. Es gibt noch viele weitere Beispiele für Zutaten, die Luft binden können. Seit 2015 ergänzen Saponine (seifenartige Stoffe), die in der Kochflüssigkeit von Hülsenfrüchten (Aquafaba) und in Süßholz vorkommen, die Liste. Aquafaba ist mittlerweile eine häufig verwendete Zutat in der veganen Küche, weil man daraus pflanzliche Baisers backen kann (das Rezept dazu findet sich auf Seite 244). In Restaurantküchen wird schon seit Jahrzehnten mit Schäumen experimentiert; vor allem mit der Einführung der Molekularküche wurden sie sehr beliebt.

Aromamoleküle entweichen aus einem Schaum, sobald die Luftbläschen im Mund knistern. Dank der kettenförmigen Eiweißmoleküle bleibt der Schaum stabil.

231 Letzten Endes lassen sich alle Schäume auf vier Grundzutaten zurückführen: Gas, Basisflüssigkeit, Schaumbildner und Stabilisatoren. Sie alle spielen bei der Zubereitung eines Schaums eine wesentliche Rolle. Hat man das Prinzip Schaum verstanden, lässt sich mithilfe einer breiten Skala von Küchengerätschaften jeder erdenkliche Schaum herstellen. GAS Für einen Schaum braucht man Gas, um die Bläschen zu füllen. In vielen Fällen handelt es sich dabei um die gleiche Luft wie die, die wir einatmen, etwa bei Milchschaum, Schlagsahne, Baiser und Rührkuchen. Chemische Triebmittel (Backsoda, Backpulver), Hefe und Sauerteig produzieren Kohlendioxid, das kleine Gasbläschen in Brot und Gebäck erzeugt. Wird ein luftiger Teig gebacken, wachsen die Kohlendioxidbläschen durch die Bildung einer dritten Gassorte: Wasserdampf, der entsteht, weil das Wasser aus dem Teig im Backofen zu kochen beginnt und verdampft. Eine vierte – immer häufiger genutzte – Gassorte in der Küchenpraxis ist Lachgas. Man verwendet es in speziellen Gaspatronen zum Füllen eines Sahnespenders. ES MUSS NICHT IMMER SAHNE SEIN

Ein unverzichtbares Gerät für alle, die Schaum beim Kochen ernst nehmen, ist eine stabile Edelstahlflasche, die ursprünglich als Sahnespender gedacht war. Sie wird mit Sahne gefüllt und mit einer Lachgaspatrone unter Druck gesetzt. Der Gasdruck presst die Sahne aus der Flasche, sobald man sie öffnet und macht die Sahne dick. Die Idee, einen Sahnespender für andere Schäume als Schlagsahne zu nutzen, stammt von den Brüdern Adrià, die mit ihrem Restaurant elBulli im katalanischen Roses an der Costa Brava bekannt geworden sind. Sie entdeckten, dass man eine mit Gelatine gebundene Flüssigkeit (Fruchtsaft, Bouillon, Tee etc.) mit dem Sahnespender auch zu Schaum spritzen kann. Schon bald folgte eine wahre Explosion von Schäumen auf Grundlage der unterschiedlichsten Zusatzstoffe wie Agar-Agar, Carrageen, Methylzellulose und Xanthan. Die aus Barcelona stammenden Brüder Adrià machten ihre Espumas (spanisch für Schäume) weltweit berühmt. BASISFLÜSSIGKEIT Die Basisflüssigkeit (fast immer Wasser) für einen Schaum ist der Hauptbestandteil der Schichten zwischen den Bläschen. Diese Basisflüssigkeit verleiht dem Schaum Geschmack. Darin ist der Zucker für Baiser gelöst, der Beerengeschmack für einen Haagse bluf (Haager Bluff, Schaum aus Eiweiß und Beerensaft) und das Kaffeearoma für einen Kaffeeschaum auf der Grundlage von Gelatine. Aber eine Basisflüssigkeit und Gas allein machen noch keinen Schaum. Gasbläschen in Sodawasser bilden auch keine Schaumkrone wie bei Bier, sondern platzen, sobald sie die Oberfläche erreichen. Für einen stabil stehenden Schaum braucht es mehr. SCHAUMBILDNER Warum bildet Bier eine Schaumkrone, Sodawasser aber nicht? Im Bier befinden sich Moleküle, die dafür sorgen, dass die Gasbläschen nicht sofort platzen. Dadurch können sich die Bläschen an der Oberfläche sammeln und die Schaumkrone bilden. Beispiele für Schaumbildner beim Kochen sind Eiweiß (Eiklar, Gelatine), Saponine (in

Aufschäumen und Entgasen

ZUTATEN FÜR EINEN SCHAUM

textur

232 Aquafaba und Süßholz) und Lecithin (aus Eigelb oder Soja). Im Bier sind es Peptide, kleine Gluteneiweiß-Stücke, die während der Gärung entstanden sind. Schaumbildner bestehen aus Molekülen mit einem hydrophoben und einem hydrophilen Teil, die sich an der Oberfläche von Basisflüssigkeit und Gasbläschen niederlassen – dabei befindet sich ihr hydrophiler Teil im Wasser und der hydrophobe in der Luft. Das Schäumen von Seife und Spülmittel basiert auf genau demselben Prinzip. Wir können also mit Luft, einer Basisflüssigkeit und einem Schaumbildner Schaum machen. Das ist schon mal sicher. Aber der aufgeschlagene Schaum wird nach einiger Zeit in sich zusammenfallen; er ist nicht stabil. Dazu muss man nur einmal ein Eiklar mit ein wenig Zuckerwasser oder Beerensaft aufschäumen. Das wird schön steif, sinkt aber allmählich in sich zusammen, weil die Bläschen platzen. Dasselbe gilt für die einsinkende Schaumkrone beim Bier. Damit ein Schaum über eine einige Zeit hinweg erhalten bleibt, braucht es Stabilisatoren. STABILISATOREN Die Schaumkrone auf dem Bier fällt in sich zusammen, weil die Basisflüssigkeit langsam aus den dünnen Schichten zwischen den Glasbläschen läuft. Das nennt man Drainage. Die Schichten der Basisflüssigkeit werden immer dünner, bis sie reißen. Dieser Prozess lässt sich verlangsamen, indem man der Basisflüssigkeit einen Stabilisator zufügt, beispielsweise ein Verdickungs- oder ein Geliermittel. Stabilisatoren festigen die Basisflüssigkeit, sodass der Schaum länger stehen bleibt. Schlagsahne, Eischnee und Milchschaum werden durch die Bildung eines Gels zwischen den Gasblasen im Schaum stabilisiert. In Schlagsahne bilden die Milchfettkügelchen ein Netzwerk zwischen den Luftblasen und sorgen so für eine Gelstruktur. Bei einem Schaum aus Eiklar oder Milch können die Eiweißmoleküle untereinander Bindungen eingehen, nachdem sie durch das Schlagen entrollt wurden und so ein Gel bilden. Auch in Brot und Gebäck bringt ein Gel zusätzliche Festigkeit. Die Stärke, von der die Gasbläschen umschlossen werden, quillt und bildet ein dickes Gel, das die Luft gefangen hält. BASISFLÜSSIGKEIT

GAS

SCHAUMBILDNER

STABILISATOR

Wasser, Eiklar

untergeschlagene

Eiklar

Eiklar

Luft und Dampf

Kasein-Eiweiß

Molkenprotein

Wasser, Milchprotein

untergeschlagene

Milchprotein

Milchfett

und Milchfett

Luft

Wasser, Alkohol,

expandierendes CO2

Polypeptide aus

Begrenzt vorhanden

Zucker

durch Drucksenkung

Getreide

Aquafaba

Wasser, Eiweißmole-

untergeschlagene

Saponine,

(Kochflüssigkeit von

küle und Stärke

Luft

Eiweißmoleküle

Flüssigkeit mit

Lachgas, CO2 aus

Lecithin, Gelatine,

Gelatine, Eiklar, Carra-

Geschmack

Sahnespenderpa-

Eiklar

geen / Methylzellulose,

Eischnee (aus Eiklar)

Luft Milchschaum

Wasser, Milchprotein und Milchfett

Schlagsahne Bierschaum

Eiweißmoleküle, Stärke

Hülsenfrüchten) Espumas

tronen

Xanthan

233 Nicht vorhanden,

Süßholzextrakt in

untergeschlagene

Süßholztee)

Wasser

Luft oder Lachgas,

Schaum nicht stabil,

CO2 aus Sahnespen-

Einfrieren mit flüssigem

derpatronen

Stickstoff (LN2)

Brot

Wasser, Stärkekörner

CO2 produziert

und Gluten

durch Hefe und

Fettsäuren

Gluten und Stärke

Lecithin, Eiklar

Eiklar und Stärke

Dampf Rührkuchen Soufflé

Wasser, Milchfett,

CO2 aus Backpulver,

Eiklar, Milcheiweiß

Dampf und Luft

Wasser, Milchfett,

Luft und Dampf

Lecithin, Eiklar

Eiklar

Luft und Dampf

Lecithin, Eiklar

Eiklar

Eiklar, Milcheiweiß Sabayon (Zabaglione)

Wasser, Alkohol, Lecithin, Eiklar

Übersicht der häufig vorkommenden Schäume, aufgeteilt in ihre Grundzutaten.

BEWEGUNG Schaum entsteht nie selbsttätig. Der Schaumbasis wird durch Schlagen, Mixen oder Kneten Energie zugeführt – allerdings sollte die Bewegung maßvoll sein, denn die meisten Schäume werden durch zu viel Bewegung zerschlagen. SCHLAFFE MASSE ODER STEIFE SPITZEN Sobald man mit einem Schneebesen Luft unter Eiweiß hebt, entrollen sich die Eiweißmoleküle an der Oberfläche der Luftbläschen und fungieren als Schaumbildner. Die entrollten Eiweißmoleküle können sich jetzt auch untereinander binden (siehe Kapitel 10: Verknoten und Spalten), wodurch der Schaum beim Schlagen fester wird. Je nach Steife des Eischnees bekommt man eine schlaffe Masse oder steife Spitzen. Im Stadium der schlaffen Masse fließt der Eischnee langsam vom Schneebesen ab. Die Eiweißmoleküle sind dann zwar denaturiert, aber noch nicht verknotet. Schlägt man länger, bilden sich steife Spitzen, weil sich die Eiweißmoleküle um die Luftbläschen verknoten und ein Eiweißgel entsteht. Bei noch mehr Bewegung werden im Netzwerk so viele Knoten geknüpft, dass es keinen Platz mehr gibt, um Flüssigkeit zu binden. Das Wasser wird zwischen den verknoteten Molekülen herausgedrückt. Dadurch verliert der Schaum Luft (er entgast), wird körnig, und am Boden der Schüssel bildet sich Flüssigkeit. Aus diesem Grund darf Eiklar nie zu steifen Spitzen geschlagen werden, wenn es in Gebäck verwendet werden soll. Der Schaum bricht dann in dem Moment, in dem man ihn unter den Teig hebt, und verliert Luft. Bei einer schlaffen Eischneemasse ist die Flüssigkeit zwischen den Luftbläschen noch nicht geliert, wodurch der Schaum flüssig bleibt. VIELE FETTKÜGELCHEN MACHEN SAHNE STEIF Sahne ist sehr fette Milch und besteht aus Flüssigkeit, in der (Milch-)Fettkügelchen emulgiert sind und Milcheiweiß gelöst ist. Das Kasein-Eiweiß bewirkt unter anderem, dass das Milchfett gut im Wasser verteilt bleibt, es hat die Funktion eines Emulgators. Wird die Sahne mit einem Schneebesen oder einer Küchenmaschine geschlagen, gelangen Luftbläschen in die Sahne. Die Fettkügelchen aus der Sahne sammeln sich an der Oberfläche der Luftbläschen (vergleichbar mit den Eiweißen im Eischnee) und werden durch die Bewegung des Schneebesens aufeinander zugetrieben. So entsteht ein Netzwerk aus Fettkügelchen, in denen Luftbläschen gebunden werden.

Aufschäumen und Entgasen

Saponine

Süßholzschaum (aus

textur

234 Je größer das Netzwerk, desto fester wird die Schlagsahne. Irgendwann ist alle Flüssigkeit zwischen den Luftbläschen in einem Netzwerk verklebter Milchfettkügelchen gefangen, und die Flüssigkeit kann sich nicht mehr frei bewegen. Dann ist die Schlagsahne am dicksten. Noch längeres Schlagen zerstört die Luftbläschen und führt dazu, dass die Fettkügelchen sich noch mehr verklumpen. So entstehen immer größere Fettklumpen, die schlussendlich zu Butter verschmelzen (so macht man Butter aus Sahne, dieser Prozess heißt buttern). Will man verhindern, dass Sahne zu lange geschlagen wird, kann man, bevor sie ganz steif ist, einen Löffel (pasteurisiertes) Eigelb zufügen. Die Emulgatoren aus dem Eigelb panzern die Milchfettkügelchen, und sie können nicht noch weiter verkleben. Fügt man das Eigelb jedoch gleich zu Beginn zu, werden die Fettkügelchen sofort gepanzert. Dadurch können sie unmöglich verkleben und die Schlagsahne wird nie steif! ÜBERKNETEN Auch in Brot- und Kuchenteig haben wir es mit der Bildung eines Eiweißnetzwerks zu tun. Es besteht aus Gluten, einem Proteingemisch, das im Mehl mancher Getreide (Weizen, Dinkel, Roggen und Gerste) vorkommt. Beim Kneten von Teig aus diesen Mehlsorten verknoten die Gluteneiweiße, und das so gebildete Glutennetzwerk kann Gasbläschen (Kohlendioxid und Wasserdampf) binden. Zu langes Kneten führt zu einem so festen Glutennetzwerk, dass es beim Aufgehen und Backen reißt. Die Folge: Gasbläschen entweichen, und das Brot bekommt Risse (es entgast). ZEIT Unter dem Regler Bewegung sahen wir bereits, dass Zeit ein wesentliches Element für das Gelingen eines Schaums ist. Zu langes Schlagen oder Kneten führt dazu, dass der Schaum entgast. Richtiges Timing spielt aber auch in anderer Hinsicht eine wichtige Rolle: Der Schaum soll nämlich im Mund platzen und nicht auf dem Teller. In unserem Küchenlabor können wir mit dem Timing spielen. Es läuft darauf hinaus, dass ein Schaum nicht zu stabil sein darf. Nach dem Aufschlagen soll er so lange stehen bleiben, bis er serviert und gegessen wird. Dafür braucht man ausreichend Schaumbildner und einen Stabilisator. Ein Beispiel ist unser umami Ingwerschaum auf der Seite 245. Hier dient Sojalecithin als Schaumbildner. Das Gelatine-Eiweiß aus dem zugefügten Kalbsfond dient hauptsächlich als Stabilisator. Weil Gelatine im Mund schmilzt, platzen die Luftbläschen leicht auf, sobald man einen Bissen nimmt. So kommt das Ingweraroma des Schaums optimal zur Geltung. OBERFLÄCHE Großen Einfluss auf die Gasbildung im Schaum hat die Oberfläche des Geräts, das zum Schlagen, Mixen und Kneten verwendet wird. SCHNEEBESEN UND MIXER Bei flüssigen Schäumen wie Schlagsahne und Eiweißschaum bestimmt die Zahl der Drähte eines Schneebesens, wie lange man schlagen muss. Je mehr Drähte, desto größer die Oberfläche und desto schneller bildet sich das Netzwerk aus Fettkügelchen, das die Gasbläschen binden kann. Ein Handmixer macht das Schaumschlagen zu einer weniger ermüdenden Angelegenheit, führt aber nicht zu einem besseren Ergebnis. Das bekommt man allerdings mit dem kugeligen Quirl (dem Zubehörteil, das einem Schneebesen ähnelt) einer Küchenmaschine. Der führt zu erheblich mehr Volumen (bis hin zum Fünffachen) als sich mit einem Schneebesen oder Handmixer erreichen lässt.

235

AUCH AUF DIE SCHÜSSEL KOMMT ES AN Auch die Schüsselgröße beeinflusst den schaumigen Erfolg. Das Volumen von Eiweißschaum nimmt um einiges zu. Italienischer Schaum, bei dem Eischnee mit heißem Zuckersirup gemischt wird, verdoppelt seinen Umfang sogar. Ganz praktisch, wenn er auch dann noch in die Schüssel passt! Für Hefeteig, der aufgehen muss, ist auch die Form der Schüssel sehr wichtig. In einer flachen, breiten Schale geht der Teig nicht in die Höhe, sondern in die Breite. Das vergrößert die Oberfläche, aus der Luftbläschen entweichen können, wodurch der Teig an Luftigkeit verliert.

TEMPERATUR

Die Temperatur beeinflusst auf unterschiedliche Weise die Bildung von Schäumen. Zugrunde liegt immer eine Flüssigkeit, die hauptsächlich aus Wasser besteht. Sobald diese gefriert, ist es unmöglich, einen Schaum zu bilden. Schäume schlägt man daher immer bei Temperaturen über 0 °C. TEMPERATUR VON SCHAUMBILDNERN Die Wirkung von Schaumbildnern hängt ebenfalls von der Temperatur ab. Eiklar lässt sich am besten schlagen, wenn die Eier vor dem Trennen kurz in warmem Wasser liegen oder im Wasserbad auf 40 °C vorgewärmt werden. Eiklar wird bei dieser Temperatur geschmeidiger und denaturiert leichter, wenn man mit dem Schlagen beginnt. Milchschaum schlägt man am besten bei niedriger Temperatur. Unter 4 °C ist das Kasein-Eiweiß aus der Milch ungebunden und eignet sich daher als Schaumbildner. Die Milch sollte daher immer frisch aus dem Kühlschrank kommen und sofort aufgeschlagen werden. Wartet man zu lange damit, steht das Kasein-Eiweiß nicht mehr als Schaumbildner zur Verfügung. Das Molkenprotein in Milch ist für die Festigkeit des Schaums zuständig. Es entfaltet sich erst bei 70 °C, man muss also darauf achten, dass diese Temperatur erreicht wird, nachdem sich der Schaum gebildet hat. Über 80 °C wiederum wird das Eiweiß zu heiß, und der Schaum kann wieder zusammenfallen. TEMPERATUR VON STABILISATOREN Der Stabilisator bestimmt die Festigkeit eines Schaums. Milchfett und Kakaobutter für Schlagsahne und Schokomousse sind über 10 °C zu schlaff, um ein Netzwerk zu bilden, deshalb bereitet man diese Schäume auf Kühlschranktemperatur (4 °C) zu. Gelatine fungiert als Stabilisator in vielen kalten Espumas. Sie kann nur in einer warmen Flüssigkeit mit einer Temperatur von über 35 °C aufgelöst werden. Doch solange die Gelatine warm ist, wird der Schaum nicht stehen bleiben. Erst nach dem Abkühlen unter 14 °C beginnt die Gelatine zu erstarren (sie wird zum Gel) und kann die Luftbläschen aus dem Schaum binden. Für warme Espumas verwendet man meist Gellan oder Kombinationen von Stabilisatoren, die auch bei höherer Temperatur ein Gel bilden können. Bekannte Kombinationen sind Xanthan mit Agar-Agar (wie im Rezept für Kürbisschaum auf Seite 99) oder Xanthan mit Methylzellulose.

Aufschäumen und Entgasen

Will man Teig für ein luftiges Gebäck mischen, erhält man das beste Ergebnis mit dem Flachrührer einer Küchenmaschine. Mischen mit dem Schneebesen oder einem Handmixer führt beispielsweise bei Rührkuchenteig zu größeren, unregelmäßigen Luftbläschen. Diese fließen beim Backen leichter zusammen, und die Luft entweicht. Ein Rührkuchen wird dadurch weniger locker und reißt an der Oberseite.

textur

236 Brot und Gebäck können nur auf hoher Temperatur herstellt werden. Für die luftige Textur muss Wasser aus dem Teig verdampfen. Der Wasserdampf lässt die Gasbläschen wachsen, die beim Teigmischen oder in der Ruhezeit entstanden sind. Weil die Stärke und das Gluteneiweiß beim Backen fest werden, können sie das Volumen halten, das durch den Wasserdampf entsteht. Ohne diese Verfestigung der Stabilisatoren Stärke und Gluteneiweiß würden ein Brot oder Rührkuchen zusammenfallen, weil der Wasserdampf kondensiert, sobald das Gebäck abgekühlt ist. DRUCK Je niedriger der Druck ist, desto leichter können die Gasbläschen in einem Schaum wachsen. In unserem eigenen Küchenlabor ist es schwierig, den Druck zu senken, aber Restaurantküchen nutzen dafür das Vakuumiergerät. Wichtig ist, dass das Produkt schon vor dem Vakuumieren Luft enthält. Die Luftbläschen dehnen sich aus, sobald der Druck durch das Gerät gesenkt wird. Wird eine Sahneeiskomposition vor dem Einfrieren vakuumiert, wird Eis luftiger. In einem Vakuumiergerät kann man auch erstarrten Schokoschaum machen. Es gibt auch Laboröfen, in denen der Druck gesenkt werden kann – ideal für die Herstellung besonders lockerer Soufflés und Baisers. Diese Geräte sind jedoch so teuer, dass nur wenige Restaurantküchen sie verwenden. DEN DRUCK ERHÖHEN Statt den Druck zu senken, kann man Schaum auch durch Erhöhung des Drucks schlagen. Auf diesem Prinzip fußt der Sahnespender. In diesem Spender aus Metall wird Schlagsahne oder eine andere Flüssigkeit mit einem Stabilisator gemischt (Gelatine, Xanthan, Gellan etc.) Dazu legt man eine Lachgaspatrone in den Spender; sie erhöht den Druck. Auf den Seiten 240 / 241 stehen mehrere Rezepte für Schaum aus dem Sahnespender. ZUSAMMENSETZUNG Sobald Sie verstanden haben, wie die Grundzutaten in einem Schaum wirken, können Sie frei experimentieren. Machen Sie zum Beispiel eine Schlagsahne aus Schokolade. Außerdem können Sie mithilfe Ihres neuen Wissens begründen, wie man Eischnee optimieren kann und welche Milch sich am besten für den perfekten Cappuccinoschaum eignet. SCHOKOSAHNE Butterfett ist der Stabilisator in Schlagsahne, es führt dazu, dass die geschlagene Sahne steif bleibt. Dafür wird mindestens 30 % Butterfett benötigt, das in Milch emulgiert ist. Mit diesem Wissen können wir unsere eigene Schlagsahne zusammenstellen. Denn wenn sich in Milch gelöstes Butterfett steifschlagen lässt, können auch andere in einer Flüssigkeit gelösten Fette aufgeschlagen werden. So nehmen wir beispielsweise statt Milchfett Kakaofett, und ersetzen die Flüssigkeit durch Orangensaft. Wie das funktioniert, zeigen wir im Rezept unserer Schokosahne auf Seite 239. EISCHNEE OPTIMIEREN Wenn wir Eiklar aufschlagen, stimulieren wir die Eiweißmoleküle dazu, sich zu entrollen. Kupferionen oder Säure sorgen dafür, dass längeres Schlagen den Schaum nicht gleich wieder destabilisiert. Das Rezept für die perfekten Baisers findet sich auf Seite 243.

237

pH-Wert Säure hat eine ähnliche Wirkung wie Kupfer. Mit 1 TL Zitronensaft pro Eiklar lässt sich Schaum stabilisieren. Säure erschwert es Proteinen, untereinander starke Bindungen einzugehen. Auch die Verwendung sehr frischer Eier hilft. Eier werden mit der Zeit nämlich immer basischer. Im Idealfall sollten die Eier noch keine Woche alt sein (das ist dann etwa zwei Wochen vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum). Schaum frischer Eier ist um einiges stabiler und verliert kaum Flüssigkeit. Fett als Antischaumbildner Bei der Herstellung von Eischnee müssen alle Materialien fettfrei sein. Denn Fetttröpfchen unterminieren die Festigkeit des Schaums, weil sie Eiweißmoleküle anziehen, die dann nicht mehr als Schaumbildner zur Verfügung stehen. Das ist auch der Grund, weshalb fettarme Milch besser schäumt als Vollmilch. Deren höherer Fettanteil neutralisert einen Teil des schaumbildenden Eiweißes. Fettarme Milch schäumt zwar besser als Vollmilch, hat jedoch durch den niedrigeren Fettgehalt einen weniger vollen Geschmack.

Aufschäumen und Entgasen

Kupferschüssel Wenn Sie viel mit Eiweiß arbeiten, lohnt sich die Anschaffung einer Kupferschüssel. Das Kupfer bewirkt, dass die entrollten Proteine untereinander weniger starke Bindungen eingehen. Die Bindungen bleiben zwar stark genug für einen guten Schaum, aber sie können nicht mehr so stark werden, dass der Schaum körnig wird und Wasser auspresst. Eine Kupferschüssel ist also die Lösung, wenn Sie den Unterschied zwischen schlaffer Masse und steifen Spitzen nicht so gut erkennen können. Einen Eischnee aus einer Kupferschüssel bringt nämlich so schnell nichts zum Zusammenfallen.

textur

238

239

In diesem Rezept kreieren wir eine Schlagsahne aus Schokolade. In normaler Sahne bewirkt das Butterfett das Steifwerden der Sahne. Das Schlagen verklebt die Fettkügelchen, und sie bilden ein Netzwerk, das Luft bindet. Statt Butterfett nehmen wir hier Kakaofett (Kakaobutter), mit dem wir eine kalte Flüssigkeit herstellen, die sich steifschlagen lässt.

1 Orangensaft in einem kleinen Topf erhitzen, aber nicht kochen lassen. 2 Schokolade feinhacken und in eine Edelstahl- oder Glasschüssel geben. Mit heißem Orangensaft übergießen und rühren, bis die Schokolade geschmolzen ist. Den Likör zugießen und mischen. 3 Die Schüssel in einen Behälter mit Eiswasser stellen und die Mischung mit dem Mixer rühren, bis sie die Dicke von fluffig geschlagener Sahne hat. Nicht zu lange mixen, denn sonst wird sie steif und körnig. ↑ Wie bei richtiger Schlagsahne erfüllen Kügelchen aus erstarrtem Fett in

DESSERT, 4 -6 PORTIONEN

dieser Schokosahne die Rolle von Schaumbildnern und Stabilisatoren.

ZUBEREITUNGSZEIT

Kakaobutter (das Fett in der Schokolade) ist flüssig, wenn sie warm ist.

± 15 Minuten 175 ml Orangensaft 150 g Zartbitterschokolade (mit mindestens 35 % Kakaofett) 25 ml Orangenlikör Teigschüssel, Behälter mit Eiswasser

AUSSERDEM

Die Schokolade muss daher erst abkühlen, bevor die Kakaobutterkügelchen verkleben und ein stabiles Netzwerk bilden können. Außerdem ist es wichtig, schon während des Abkühlens mit dem Schlagen zu beginnen. Dadurch wird das geschmolzene Kakaofett zu Kügelchen geschlagen, die bei der weiteren Senkung der Temperatur erstarren.

4 Die Schokoladensahne in Schälchen füllen und bis zum Servieren bei Zimmertemperatur aufbewahren.

Aufschäumen und Entgasen

SCHOKOSAHNE

textur

240

ESPUMAS Espuma ist spanisch für Schaum. Inzwischen hat das Wort jedoch eine zweite Bedeutung erlangt und bezeichnet insbesondere Schäume, die aus einem Sahnespender gespritzt werden. Die Brüder Adrià, bekannt aus ihrem mittlerweile geschlossenen Restaurant elBulli an der spanischen Costa Brava, entdeckten als Erste, dass man auch gebundene Saucen, Rührkuchenteig und andere Flüssigkeiten in einem Sahnespender aufschäumen kann. Ihre Idee fand auf der ganzen Welt Nachahmung, und heute gibt es kaum noch Restaurantküchen, die bei der Zubereitung von Schäumen keinen Sahnespender nutzen. Er bietet schier endlose Möglichkeiten.

PARMESANSCHAUM SAUCE, 20 PORTIONEN

125 ml fettarme Milch 100 g Parmesan, gerieben 125 ml Schlagsahne Käsetuch, Sahnespender, Lachgaspatrone

AUSSERDEM

1 Milch zum Kochen bringen, den Topf vom Herd nehmen und sofort den geriebenen Parmesan zufügen. 2 Den Topf abdecken und die Infusion 30 Minuten ziehen lassen. 3 Durch ein feines Sieb gießen und die Schlagsahne unterziehen. Mit Salz abschmecken. 4 Nochmals durch ein Käsetuch abseihen und in einen Sahnespender gießen. Eine Lachgaspatrone einlegen und den Sahnespender 2 Stunden in den Kühlschrank stellen. 5 Den Sahnespender vor Gebrauch gut schütteln.

TASSENKUCHEN AUS DEM SAHNESPENDER 50 g Haselnüsse 125 g Eiklar (ca. 4 Stück) (Schaumbildner und Stabilisator) 75 g Zucker (Stabilisator) 20 g Mehl (Type 405) (Stabilisator) Sahnespender, Lachgaspatrone, Mikrowelle

AUSSERDEM

1 In einer Küchenmaschine alle Zutaten zu einem sehr feinen Teig mischen und zweimal durch ein feines Sieb passieren. 2 Einen Sahnespender mit dem Teig füllen und eine Lachgaspatrone einlegen. Gut schütteln und den Schaum in Tassen füllen. 3 Die Tassenkuchen 30 bis 45 Sekunden bei 1000 Watt in der Mikrowelle garen.

241 1 Messerspitze Safran 100 ml Weißwein 75 g Zucker (Stabilisator) 3 Blatt Gelatine (Schaumbildner und Stabilisator) Sahnespender, Lachgaspatrone

AUSSERDEM

1 Safranfäden 15 Minuten im Weißwein einweichen. 2 In einem Topf den Safranwein mit 400 ml Wasser und Zucker zum Kochen bringen und rühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat. 3 Blattgelatine in Wasser einweichen und im heißen Zuckersirup auflösen. 4 Den Topf vom Herd nehmen und alles durch ein feines Sieb passieren. Den Sahnespender damit füllen und eine Lachgaspatrone einlegen. 2 Stunden zum Abkühlen in den Kühlschrank stellen. 5 Vor Gebrauch gut schütteln.

TIPP: Anstatt Safran lassen sich auf die gleiche Weise viele andere Gewürze oder Kräuter verwenden.

Aufschäumen und Entgasen

SAFRANSCHAUM

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Bei Baisers sorgt denaturiertes Eiweiß für ein Netzwerk, das Luftbläschen umgibt. Zucker und Säure (Weinsteinsäure oder Zitronensaft) sind für die Stabilität des Schaums verantwortlich. Der Zucker macht die Basisflüssigkeit nämlich sirupartiger und hält den Schaum damit länger stabil. Die Säure ist für stärkere Bindungen zwischen den Eiweißen zuständig.

1 Backofen auf 100 °C vorheizen. 2 Mit dem Stand- oder Handmixer Eiklar und Weinsteinpulver und den feinen Kristallzucker zu steifem Eischnee schlagen. 3 Puderzucker und Maisstärke darüber sieben und rasch unterziehen. ↑ Die Maisstärke nimmt beim Backen der Baisers Wasser auf und wird fest. Die Stärke wirkt so als Stabilisator im Baiser.

4 Mit einem Löffel sechs Portionen (oder 1 große Portion) Baiser auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech geben.

GEBÄCK, 6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 15 Minuten TROC KNEN UND ABKÜHLEN

± 3 Stunden 125 g Eiklar (4 Stück, M) 3 g Weinsteinsäure (1 TL) (oder 1 EL Zitronensaft) 125 g feiner Kristallzucker 125 g Puderzucker 10 g Maisstärke 1 Gläschen Lemon Curd 500 g frische rote Früchte AUSSERDEM

Backpapier

5 Die Baisers 1 ½ Stunden auf der mittleren Schiene backen (für einen einzigen großen Baiser sind 2 Stunden zu veranschlagen). Backofen ausschalten und die Baisers ca. 2 Stunden darin abkühlen lassen. Sie müssen sich außen fest anfühlen, dürfen innen aber noch klebrig sein. 6 Baiser(s) mit Lemon Curd und frischen roten Früchten servieren.

Aufschäumen und Entgasen

PERFEKTE BAISERS

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244

AQUAFABA-BAISER Aquafaba, die Kochflüssigkeit von Hülsenfrüchten, ist eine der neuesten Zutaten beim Kochen. Es gibt sie natürlich schon viel länger, aber bisher haben die meisten Menschen sie einfach in den Abfluss gegossen. Das änderte sich 2015. Ein amerikanischer Software-Ingenieur und Veganer, so erzählt man sich, entdeckte, dass zwei französische Küchenchefs diese Kochflüssigkeit zu einem luftigen Schaum schlugen und ihn für die Herstellung einer Schokomousse verwendeten. Der Amerikaner fügte beim Schlagen Zucker hinzu, und ein glänzendes festes Schaumgebäck war geboren. Sein erstaunliches Ergebnis postete er in einer Facebookgruppe für Veganer. Von da an entdeckte die Welt das „Bohnenwasser“, Aquafaba. FÜR 6 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 15 Minuten TROC KNEN UND ABKÜHLEN

3 Stunden 125 ml Kochflüssigkeit von Kichererbsen* 200 g feinen Kristallzucker 10 g Maisstärke 2 EL Kakao 1 TL Zimt

*Verwenden Sie die Flüssigkeit aus Gläsern oder Dosen oder kochen Sie Kichererbsen unter Druck im Schnellkochtopf.

1 Backofen auf 100 °C vorheizen. 2 Mit dem Stand- oder Handmixer die Flüssigkeit der Kichererbsen mit einem Drittel des Zuckers schaumig schlagen. Langsam und unter ständigem Mixen den restlichen Zucker zufügen und den Schaum weitere fünf Minuten schlagen, bis er steif ist. ↑ Bei 120 °C werden mehr Saponine in der Kochflüssigkeit freigesetzt. Diese Saponine sind die Schaumbildner in der Flüssigkeit und verhalten sich wie Eiweiß, erstarren jedoch nicht beim Erhitzen. Ein Baiser aus Aquafaba ist daher weniger fest und insgesamt bröseliger als Baiser aus Eischnee. Aber durch die Zugabe von Maisstärke (und auch Kakao) wird der Schaum stabiler.

3 Maisstärke über den Schaum sieben und unterheben. Baiser auf zwei Schüsseln verteilen. In einer Schüssel Kakao unter den Schaum ziehen, aber nicht gleichmäßig unterrühren; er soll sich wie ein Strudel durch den Schaum ziehen. Dasselbe in der anderen Schüssel mit Zimt wiederholen. Aus jedem Baiser 3 große Ovale formen (oder die eigene Fantasie walten lassen). Noch ein wenig Kakao oder Zimt darüberstreuen und die Baisers 2 Stunden im Ofen backen. Backofen ausschalten und die Baisers darin etwa 1 Stunde abkühlen lassen. Sie sollen von außen fest sein, dürfen aber innen weich bleiben.

245

Ein guter Schaum enthält genügend Schaumbildner, um auch ein Weilchen stehenbleiben zu können. Wenn man den Schaum isst, sollen die Luftbläschen leicht im Mund platzen, damit alle leckeren Aromen freigesetzt werden. Ein sehr steifer und stabiler Schaum sieht zwar auf dem Teller schön aus, gibt seine Aromen aber nicht so leicht preis. In diesem herzhaften Schaum befinden sich keinerlei Stabilisatoren, als Schaumbildner verwenden wir Lecithin. Der Schaum bleibt deswegen nur sehr kurz stehen. Gerade lange genug zum Servieren. BEILAGE, 10 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 15 Minuten 100 ml Hühnerbouillon 2 cm frischer Ingwer, in Stücken 100 ml Sojasauce 2 g Lecithin AUSSERDEM

hoher Messbecher

1 Hühnerbouillon 10 Minuten bei niedriger Temperatur mit den Ingwerstücken erhitzen. 2 Die Bouillon durch ein Sieben in einen hohen Messbecher gießen. Sojasauce und Lecithin mit dem Stabmixer untermischen. 3 Messbecher schräg halten und den Stabmixer zur Oberfläche der Bouillon ziehen, sodass diese zu schäumen beginnt. Den Schaum absieben und als Sauce servieren.

S ERVIERTIPP: Passt gut zu Chicorée mit Orange (siehe Rezept auf Seite 267).

Aufschäumen und Entgasen

UMAMI INGWERSCHAUM

247 Suspendieren und Klären

KAPITEL 15

SUSPENDIEREN UND KLÄREN MIT FESTEN TEILCHEN IN FLÜSSIGKEITEN SPIELEN → EINE GLASKLARE BOUILLON MITHILFE VON GELATINE HERSTELLEN → WIE MAN KÖSTLICHES EIS MIT MIXER STATT MIT EINER EISMASCHINE ZUBEREITET

→ VIEL WASSER BEIM BACKEN ERGIBT LUFTIGES BROT → DURCHSICHTIGER TOMATENSAFT MIT VIEL GESCHMACK DANK AGAR-AGAR

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248 Wir haben bereits einiges darüber gelernt, wie wir in unserem Küchenlabor verschiedene Texturen kreieren: Emulsionen, in denen zwei Flüssigkeiten durch einen Emulgator miteinander verbunden sind, Schäume, in denen Luftbläschen von einer Flüssigkeit umschlossen sind, oder Gele, in denen feste Stoffe eine Flüssigkeit umschließen. In diesem Kapitel geht es um das Gegenteil eines Gels, nämlich um feste Stoffe, die von einer Flüssigkeit umgeben sind: Suspensionen. Beispiele dafür sind dicke Pürees, wie Erdnussbutter oder Tomatenmark, oder Brot- und Pfannkuchenteig. Auch dünnere Flüssigkeiten wie eine Bouillon oder eine Tasse Kaffee sind Beispiele für Suspensionen. Wir beschreiben, wie man Suspensionen durch feines Vermahlen von Zutaten herstellt und wie man die kleinen Teilchen, die dann entstehen, wieder zurückgewinnen kann, indem man die Flüssigkeit klärt.

WAS IST EINE SUSPENSION? Eine Zutat, bei der kleine Teilchen fester Stoffe von einer Flüssigkeit umgeben werden, nennen wir eine Suspension. Eine Bouillon ist flüssig, weil sie relativ wenige kleine Teilchen enthält. Dasselbe gilt für eine Tasse Kaffee, in der sehr kleine Teilchen von Kaffeebohnen treiben. In türkischem Kaffee sind diese Teilchen um einiges größer. Nach einiger Zeit sinken sie zu Boden: Sie lagern sich ab (sedimentieren). Tomatenmark und Erdnussbutter sind dicker, weil sie viel mehr Teilchen enthalten, die enger beieinander liegen. In Tomatenmark werden die Teilchen untereinander von Flüssigkeit getrennt, bei Erdnussbutter handelt es sich um (Erdnuss-)Öl. In diesen Fällen stammt die Flüssigkeit, von der die festen Teilchen in einer Suspension umgeben sind, aus der Zutat selbst. In ganzen Tomaten ist die Flüssigkeit von festen Zellwänden aus Zellulose umgeben. Püriert man sie, werden die Zellwände zerhackt und die Flüssigkeit tritt aus. Dieses Zellplasma umgibt die pürierten Tomatenstückchen. JE KLEINER, DESTO FEINER Mit Teilchen meinen wir Stückchen von (halb-)festem Stoff, die maximal 0,1 mm groß sind. In Bouillon sind das kleine Gemüsestücke oder winzige Fleischanteile, in Tomatenmark sehr fein vermahlene Tomatenstücke. Sind die Teilchen größer, ist die Textur der Suspension ein wenig grob. Wenn die festen Teilchen sehr fein vermahlen sind, erhält man eine zarte Paste wie im Rezept für Romesco-Sauce auf Seite 259. Die Größe der Teilchen wird durch die verwendete Püriertechnik bestimmt. Mit einem Stabmixer oder einer Küchenmaschine werden Erdnüsse nie zu einer cremigen Erdnussbutter und Kürbis nie zu einem salbenähnlichen Püree. Dafür braucht man komplexere Geräte wie einen „Pacojet“ oder einen Hochleistungsmixer (siehe Kasten auf Seite 251). Manche Restaurantküchen nutzen sogar Gerätschaften, die sonst nur in Laboren oder in der Lebensmittelindustrie Verwendung finden. KLÄREN: FESTE TEILCHEN AUS EINER FLÜSSIGKEIT HOLEN Mit vermahlenen Zutaten lassen sich Suspensionen fester Teilchen in einer Flüssigkeit herstellen. Und indem man die Flüssigkeit klärt, kann man diese festen Teilchen wieder aus der Flüssigkeit herausholen. Mit pürierten Tomaten ist das einfach. Die gibt man in ein feines Sieb, und die Flüssigkeit fließt ganz von allein heraus. Etwas schwieriger wird es, wenn wir die festen Teilchen aus einer trüben Bouillon fischen wollen. Dafür brauchen wir Hilfsstoffe, die die festen Teilchen in der Bouillon

249

OBERFLÄCHE Abseihen ist die naheliegendste Methode zur Entfernung fester Stoffe aus einer Flüssigkeit. So erwischt man jedoch nur die Teilchen einer Flüssigkeit, die größer sind als etwa 1 mm, je nachdem wie feinmaschig das Sieb ist. Ein Käsetuch oder Geschirrtuch holt Teilchen bis 0,1 mm aus einer Flüssigkeit, während ein Kaffeefilter noch kleinere Teilchen herausfiltert. Während des Abseihens oder Filterns können das Sieb, das Tuch oder der Filter auch verstopfen, weil sich kleine Teilchen darauf ansammeln. Man muss dann nicht sofort das Sieb oder den Filter säubern, oft reicht schon ein kurzes Rühren. Eine pürierte Suppe kann mithilfe eines Kochlöffels durch das Sieb passiert werden. Gießt man sie durch ein Tuch, ist das Ergebnis eine sehr klare Suppe. ZEIT Lässt man eine Flüssigkeit eine Weile ganz in Ruhe, sinken die festen Teilchen allmählich nach unten (Sedimentation)oder treiben oben auf (Aufrahmen). Ob die Teilchen sinken oder auftreiben hängt davon ab, ob ihre Dichte höher oder niedriger als die der umgebenden Flüssigkeit ist. Ein Beispiel für Aufrahmen ist frische Milch, bei der sich das Butterfett nach einiger Zeit oben in der Flasche sammelt. Ein anderes Beispiel ist das Klären von Butter. Schmilzt die Butter, lagert sich die relativ schwere Flüssigkeit mit dem Milchprotein allmählich unten ab. Dicht über der Flüssigkeit liegt das geschmolzene Butterfett als hellgelbe Flüssigkeit und über dem geschmolzenen Fett rahmt oft auch noch weißer Schaum auf. Er besteht aus Milcheiweiß und Luftbläschen und ist damit leichter als das Fett. Das flüssige Fett kann jetzt durch vorsichtiges Abseihen vom Schaum und der darunterliegenden Flüssigkeit getrennt werden. Je kleiner und leichter die Teilchen sind, desto langsamer verläuft der Sedimentationsprozess.* Wird die Flüssigkeit während des Ablagerns bewegt, vermischen sich die gesunkenen Teilchen wieder mit der Flüssigkeit. Daher ist es wichtig, die Flüssigkeit ruhen zu lassen.

*

NERD ALERT Warum liegt auf Milch, die frisch von der Kuh kommt, eine Schicht Butterfett, wenn man sie

einen Tag stehen lässt, während dies bei Milch aus dem Supermarkt das nicht der Fall ist ? Lässt man die Milch unter hohem Druck fließen – dieser Prozess heißt Homogenisieren –, wird das Milchfett in kleinere Fettteilchen zerschlagen. Diese treiben viel seltener oben, weil kleine Teilchen einen viel kleineren Massenunterschied zur umgebenden Flüssigkeit haben. Außerdem sind die Fettkügelchen von einer Eiweißschicht umgeben. Dieses Eiweiß ist im Verhältnis schwerer als Wasser, das Fett leichter. Sind die Fetttröpfchen klein genug, ist der Massenunterschied zur Flüssigkeit, die diese Tropfen umgibt, fast null, wodurch die Tropfen noch besser schweben und damit keine Schicht bilden.

Suspendieren und Klären

binden. Dazu können wir Eiklar verwenden und es mit der kalten Bouillon vermischen. Erhitzen wir die Bouillon jetzt langsam, treibt das gestockte Eiweiß nach oben, und zwar zusammen mit den festen Teilchen, die es gebunden hat. Leider verabschiedet sich mit dieser Methode auch ein Teil des Aromas aus der Bouillon. In der Profiküche wird daher oft Hackfleisch in Kombination mit Eiweiß verwendet, um dem Aromaverlust entgegenzuwirken. Andere Methoden, wie man feste Stoffe aus einer Flüssigkeit trennt sind Sieben, Sedimentieren und Aufrahmen, Zentrifugieren sowie die Extraktion mithilfe von Gelatine oder Agar-Agar. Wir behandeln diese Methoden unter den Reglern Oberfläche, Zeit und Temperatur.

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250 ZENTRIFUGIEREN: EXTREM SCHNELLES SEDIMENTIEREN Der Ablagerungsprozess lässt sich durch eine Zentrifuge erheblich beschleunigen, beispielsweise bei der Herstellung eines ultrareinen Walnussöls oder eines klaren Safts aus frischem Erbsenpüree. Beim Zentrifugieren wird die Flüssigkeit in Behälter gefüllt, die sich mit sehr hoher Geschwindigkeit drehen. Dadurch werden die festen Teilchen nach außen geschleudert und von der Flüssigkeit getrennt. Das Ergebnis ist ein klares Walnussöl oder eine konzentrierte hellgrüne Erbsenflüssigkeit. Während wir bei normaler Sedimentation darauf warten müssen, wie schnell die Teilchen durch die Schwerkraft in der Flüssigkeit sinken, können wir den Vorgang in einer Zentrifuge bis zum 30 000-fachen beschleunigen. TEMPERATUR Auch Gefrieren kann dabei helfen, eine Suspension herzustellen oder sie zu klären. Gefrorene Zutaten können außerdem zu einem viel feineren Püree verarbeitet werden. GELATINEFILTRATION Eine gefrorene Fleischbouillon wird glasklar, wenn man sie langsam in einem Sieb auftauen lässt. Die kleinen festen Teilchen in der Fleischbouillon und das GelatineEiweiß werden nämlich nicht in die Eiskristalle des gefrierenden Wassers aufgenommen. Damit steigt die Konzentration von Gelatine und festen Teilchen in der noch nicht gefrorenen Flüssigkeit außerhalb der Eiskristalle. Sie werden so dicht zusammengetrieben, dass sie miteinander verkleben. Stellt man die gefrorene Bouillon anschließend in einem Sieb (mit Käsetuch) in den Kühlschrank, tauen die Eiskristalle langsam auf. Sie sickern allmählich aus der Bouillon – und mit ihnen die darin gelösten Duft- und Geschmacksstoffe. Der aufgefangenen Flüssigkeit fehlt die Gelatine, der Geschmack ist jedoch stark konzentriert. Mit dem Rezept für Consommé auf Seite 261 zaubern wir in unserem Küchenlabor eine glasklare Bouillon. Die Idee des Filterns mithilfe von Gelatine wurde von Harold McGee ausgearbeitet; er nennt diesen Prozess Gelatinefiltration. Statt Fleischbouillon, die schon von Natur aus Gelatine enthält, können wir auch Gelatine in einer x-beliebigen Flüssigkeit auflösen, sie einfrieren und langsam auftauen lassen. So entstehen interessante Konzentrate aus dem Saft von Orangen, Möhren, Tomaten oder Kombinationen aus Gemüse und Obst. Ein Nachteil der Gelatinefiltration ist, dass es durchaus einige Zeit dauern kann, bis ein gefrorener Tomatensaftblock, der mit Gelatine gebunden wurde, im Kühlschrank vollständig aufgetaut ist. AGAR-AGAR-FILTRATION Filtern mit Agar-Agar braucht weniger Zeit als die Gelatinefiltration, und dazu brauchen wir auch keinen Gefrierschrank. Wir lösen etwa 2 g Agar-Agar in einer heißen Flüssigkeit auf, beispielsweise in Tomatensaft, und lassen das Ganze abkühlen, bis sich ein Gel bildet. Dieses Gel zerschlagen wir mit einem Schneebesen. Anschließend geben wir alles in einem sauberen Käsetuch in ein Sieb, und das Tröpfeln kann losgehen. Das Ergebnis ist eine klare Tomatenbouillon. Die können wir als besondere Zutat in Cocktails oder Amuses verwenden. Auf den Seiten 251-253 finden sich einige Rezepte für die Herstellung von aromatisiertem Wasser (infused waters) aus verschiedenen Gemüsesorten.

251

BEWEGUNG Für die Zubereitung einer Suspension braucht es Bewegung, um die Zutaten fein zu vermahlen. Eine einfache Suspension wie Knoblauch in Öl (Aioli), kann auch einfach mit einem Mörser zubereitet werden. Auch Erdnussbutter macht man zu Hause am besten in einem Mörser (siehe Rezept auf Seite 45). Sobald Küchenmaschinen und Stabmixer zum Einsatz kommen, gilt: Je höher die Wattzahl und je schärfer und stabiler die Schneidemesser, desto feiner der Mahlgrad. Bei Zutaten und Gerichten mit ausreichend Flüssigkeit, wie Suppen, Smoothies, Obst und gekochtem Gemüse, führt ein Standmixer zu einem feineren Ergebnis als ein Stabmixer oder eine Küchenmaschine. JE KLEINER, DESTO TEURER

Für das next level des Pürierens steht der Robot Coupe Blixer (ab 1 600 Euro). Das ist eine professionelle Küchenmaschine mit einem äußerst starken Motor, der auf sehr hohen Touren püriert. Besonders praktisch ist, dass sich im Deckel dieser Küchenmaschine ein Schaber befindet, der an den Seiten und dem Deckel entlangschrappt und so den Inhalt zusammenhält. Eine weitere Option ist ein Rotor-Stator-Rührwerk (ca. 1 000 Euro). Dieser Standmixer sieht aus wie ein großer Stabmixer und hat genau wie andere Mixer ein rotierendes Messer. Das Messer ist von einem Stahlzylinder umgeben, weswegen das Püree im Zylinder nicht wegfließen kann. Daher ist die im Inneren des Zylinders wirkende Kraft um einiges höher als bei einem normalen Stabmixer. In Kombination mit einer sehr hohen Tourenzahl führt dies zu einem sehr feinen Püree. Wenn Sie noch mehr auszugeben haben, können Sie überlegen, eine Kolloid-Mühle (für große Volumen) oder einen Ultrahochdruck-Homogenisator zu kaufen. Um hart gefrorenes Eis fein zu vermahlen, verwenden Restaurantküchen einen Pacojet oder den weniger teuren Frix Air. In beiden Geräten befindet sich das Eis in einem kleinen Behälter, der ins Gerät gestellt wird. Das rotierende Messer bewegt sich anschließend langsam durch den Behälter nach unten und pulverisiert das Eis. Diese Geräte sind praktisch für alle, die gern mit kleinen Teilchen kochen, aber sie sind auch ziemlich teuer.

Suspendieren und Klären

GEFRORENE ZUTATEN FEIN VERMAHLEN Einfrieren hilft auch bei der Herstellung einer Suspension. Wie bereits erwähnt, wird die Dicke einer Suspension durch die Größe der festen Teilchen bestimmt. Werden Zutaten zunächst eingefroren, können sie noch feiner vermahlen werden, weil die Messer eines Mixers sie besser zu fassen bekommen. Aber Vorsicht – ein normaler Mixer ist nicht stark genug, um die tiefgefrorenen Zutaten fein zu vermahlen. Dafür braucht man spezielle Hochleistungsmixer wie einen „Pacojet“ oder „Frix Air“ (siehe Kasten). Für die Herstellung von Sahneeis oder Sorbet friert man einen Eismix in Spezialbehältern ein. Sobald der Mix gefroren ist, werden die Behälter in eine Maschine gestellt. Diese pulverisiert den Mix auf die Minute genau zu sehr feinen Eiskristallen, die eine seidenweiche Textur geben. Zum Glück kann man, bei richtiger Zusammensetzung des Mix, auch in der eigenen Küche mit einem normalen Mixer ein köstliches Sahneeis zubereiten. Wie das geht, zeigen wir in unserem Rezept für Eis aus dem Mixer auf Seite 260.

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252 ZUSAMMENSETZUNG Die Zugabe von Flüssigkeit verdünnt eine Suspension, denn ihre Festigkeit wird durch den Prozentsatz fester Teilchen bestimmt. Je höher der Anteil der Teilchen, desto fester ist die Konsistenz der Suspension (Püree, Brot- oder Kuchenteig). Das Mengenverhältnis von Flüssigkeit und festen Teilchen bestimmt die Textur. Das wird anhand verschiedener Brot- und Kuchenteigsorten deutlich. Im Brotteig, bei dem das Mehl den festen Bestandteil im Teig bildet, bestimmt die Menge des zugefügten Wassers die Konsistenz. Professionelle Bäcker geben am liebsten möglichst viel Wasser zum Teig. Dann bleibt er nämlich während des Knetens schlaff, und das Gluteneiweiß kann sich leichter zu einem stabilen Netzwerk verbinden. Das Rezept für Focaccia auf Seite 256 macht sich dieses Prinzip zunutze. ZU DÜNN ZUM PÜRIEREN Manche Pürees sind zu flüssig zum Pürieren in der Küchenmaschine. Die Messer des Mixers kriegen die festen Teilchen dann einfach nicht zu fassen und können sie deswegen nicht zerkleinern. Verdickt man das Püree, bekommt man dieses Problem in den Griff, beispielsweise, indem man etwas Joghurt in einen Smoothie gibt. DRUCK Der Ultrahochdruck-Homogenisator ist ein Gerät, das weder mahlt noch püriert. Damit lässt sich lediglich ein vorhandenes Püree noch stärker verfeinern. Das Gerät spritzt einen dünnen Püreestrahl unter extrem hohem Druck gegen eine harte Wand. Die festen Stoffe, die sich noch im Püree befinden, brechen unter Einfluss dieser Kraft. Das Ergebnis ist ein ultrafeines Püree. VAKUUMFILTRATION Beim Filtrieren sorgt die Schwerkraft dafür, dass die Flüssigkeit durch den Filter gedrückt wird – so filtert man eine Tasse Kaffee. Der Prozess kann durch einen Druckunterschied oberhalb und unterhalb des Filters beschleunigt werden. Wird der Becher unter dem Filter mit einer Vakuumpumpe verbunden, läuft die Flüssigkeit durch den Druckunterschied leichter durch den Filter. Es ist nicht einfach, diese Technik im eigenen Küchenlabor anzuwenden, aber für professionelle Köchinnen und Köche ist es durchaus eine interessante Tatsache.

253 Suspendieren und Klären

AROMATISIERTES WASSER (INFUSED WATER)

In unserem Rezept für die klare Consommé auf Seite 261 verwenden wir Gelatine zum Klären der Bouillon. Das funktioniert gut, aber mit Agar-Agar verläuft die Filtration schneller und man braucht keinen Gefrierschrank. Die Idee ist ganz einfach: Agar-Agar in Bouillon oder Gemüsesaft geben, damit diese nach dem Abkühlen zu einem kräftigen Gel gebunden werden. Das Gel wird zerschlagen, und die Gelbröckchen sickern durch ein Sieb. So entsteht eine klare, durchsichtige Flüssigkeit mit einem konzentrierten Aroma. Sie kann als Suppe, Saucenbasis oder Würze verwendet werden.

TOMATENWASSER FÜR 350 ML

ZUBEREITUNGSZEIT

± 15 Minuten 1 Stunde

ABKÜHLEN

750 g kalter Tomatensaft 2 g Agar-Agar AUSSERDEM

Spitzsieb, Käsetuch

1 250 ml Tomatensaft mit Agar-Agar in einem Topf zum Kochen bringen, dabei einen Schneebesen benutzen, damit sich das Agar-Agar gut auflöst. 10 Sekunden kochen, dann in eine Schüssel gießen. 2 Den restlichen Saft langsam schlagend unterrühren. 3 Abkühlen lassen, damit sich das Agar-Agar setzt und den Tomatensaft geliert. 4 Das Gel mit dem Schneebesen zerschlagen, in ein mit einem Käsetuch ausgelegtes Sieb geben und durchsickern lassen. Das Tuch eventuell zusammendrücken, um auch den letzten Saft auszupressen.

Siehe folgende Seite.

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255 FÜR 300 ML

ZUBEREITUNGSZEIT

± 15 Minuten 1 Stunde

ABKÜHLEN

600 g Spinat 2 g Agar-Agar

1 200 ml Wasser in einem großen Topf zum Kochen bringen. Den Spinat nach und nach zufügen und vollständig zusammenfallen lassen. 2 In einen Standmixer oder eine Küchenmaschine füllen und fein pürieren. Das Püree mit einem Holzlöffel durch ein feines Sieb passieren. 3 250 ml des gesiebten Spinatpürees zum Kochen bringen. Agar-Agar darin auflösen und 10 Sekunden durchkochen lassen. Weitere 250 ml Spinatpüree unterrühren und alles in eine Schüssel geben. Im Weiteren vorgehen wie in Schritt 4 für Tomatenwasser beschrieben.

KNOLLENSELLERIEWASSER FÜR 250 ML

ZUBEREITUNGSZEIT

± 20 Minuten 1 Stunde

ABKÜHLEN

1 große Sellerieknolle 2 g Agar-Agar

1 Sellerie schälen und in Stücke schneiden. Im Entsafter zu Saft zentrifugieren. Den Saft zum Kochen bringen, um Braunfärbung zu vermeiden. 2 Den Saft durch ein feines Sieb gießen. 250 ml davon zum Kochen bringen und das Agar-Agar darin auflösen. 10 Sekunden durchkochen und weitere 250 ml des Safts untermischen. Alles in eine Schüssel gießen und im Weiteren vorgehen wie in Schritt 4 für Tomatenwasser beschrieben.

Suspendieren und Klären

SPINATWASSER

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FOCACCIA MIT ROSMARIN

Der Teig für dieses Brot ist recht schlaff, weil er viel Wasser enthält. Das erleichtert das Kneten und sorgt dafür, dass das Gluteneiweiß aus dem Weizen ein Glutennetzwerk bilden kann. FÜR 1 BROT

ZUBEREITUNGSZEIT

± 45 Minuten ± 2 Stunden und 45 Minuten BAC KOFEN ± 30 Minuten G EHZEIT

25 g frische Hefe (oder 8 g Trockenhefe) 1 EL Zucker (10 g) 500 g Mehl (T 65, besonders glutenhaltiges französisches Brotmehl, online bestellbar) 100 ml Olivenöl 5 g Salz 2 Rosmarinzweige ½ TL grobes Meersalz (2 g) Backpapier, Ofenstein (optional)

AUSSERDEM

1 In einer Schüssel Hefe und Zucker in ca. 310 ml lauwarmem Wasser auflösen. Die Mischung 5 Minuten stehen lassen, dann kurz durchrühren. Weitere 5 Minuten stehen lassen, bis die Oberfläche leicht zu schäumen beginnt. Die Hefe ist jetzt aktiv. 2 Mehl in eine große Schüssel sieben und eine Kuhle in die Mitte drücken. Die Hefemischung und 2 EL Öl in die Kuhle gießen. Mit einem hölzernen Kochlöffel (oder der runden Seite eines Teigkratzers) das Mehl in die Flüssigkeit in der Kuhle arbeiten und alles zu einem geschmeidigen Teig mischen. Salz zufügen und auf einer Arbeitsplatte von Hand weiterkneten. 3 Den Teig zu kneten erfordert Aufmerksamkeit und Zeit. Den Teig immer wieder zu einer Kugel formen und mit der Handfläche auf der Arbeitsfläche flachdrücken. So wird das Gluteneiweiß im Teig gedehnt und kann ein stabiles und elastisches Netzwerk bilden. Den auseinandergezogenen Teiglappen wieder zu einer Kugel rollen, eine Vierteldrehung machen und erneut flachdrücken. Den Teig eine Viertelstunde lang auf diese Weise kneten: flachdrücken, zusammenfalten, drehen, flachdrücken und so weiter (Kneten mit dem Teighaken im Standmixer für 5-10 Minuten ist auch möglich). Der Teig sollte elastisch sein und leicht zurückfedern, wenn man ihn mit einem Finger eindrückt. Außerdem sollte sich eine kleine Teigkugel zwischen Daumen und Zeigefingern auseinanderziehen lassen. Wird der Teig dabei zu einem hauchdünnen, fast durchsichtigen Vlies, ist er gut. 4 Den Teig zu einer Kugel formen und ein paar Mal die Seiten der Kugel fest mit den Händen unter die Kugel drücken (aufbauschen). Das ist wichtig, weil man damit die Oberseite (die auch zur Brotoberseite wird) glattzieht und alle Unebenheiten sozusagen unter den Teig schiebt. 2 EL Öl in eine Schüssel geben und die glatte Teigoberseite durch das Öl ziehen. Die Kugel mit der Oberseite nach oben in die Schüssel legen und den gesamten Teig gut mit Olivenöl fetten. Die Schüssel mit Frischhaltefolie abdecken und eine Stunde bei Zimmertemperatur ruhen lassen, bis sich das Teigvolumen verdoppelt hat.

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6 Den Teig eine Stunde bei Zimmertemperatur ruhen lassen. 7 Den Ofen nach der Hälfte der Gehzeit auf 190 °C vorheizen. Am besten einen Ofenstein zum Backen verwenden. Eine feuerfeste Form mit kochendem Wasser unten in den Backofen stellen. 8 Die Löcher durch erneutes kurzes Eindrücken noch einmal betonen. Weitere 2 EL Öl über die Focaccia träufeln und mit grobem Meersalz bestreuen. 9 Die Focaccia ungefähr 30 Minuten auf mittlerer Schiene des Backofens backen, bis sie gut gebräunt ist.

TIPP ZUR VARIATION : Dieses Brot kann man mit allerlei Kräutern, gehackten Oliven, Gorgonzola, Feigen, Peperoni etc. belegen. Das Topping immer ein wenig in den Teig drücken, damit es im Ofen nicht verbrennt.

Suspendieren und Klären

5 Den Teig behutsam aus der Schüssel auf die Mitte eines mit Backpapier ausgelegten Backblechs gleiten lassen. Mit den Händen unter die Teigkugel gehen und vorsichtig zu einem 20 cm x 30 cm großen Oval ziehen. Mit den Fingerspitzen zwanzig Löcher gleichmäßig verteilt in den Teig drücken. Diese Löcher geben einer Focaccia das typische Aussehen. 2 EL Öl über den Teig tröpfeln, die Rosmarinnadeln von den Zweigen pflücken und über die Löcher verteilen. Leicht eindrücken, denn wenn sie oben auf dem Teig liegen, verbrennen sie.

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Diese spanische RomescoSauce ist eine Suspension: Kleine feste Teilchen sind von einer Flüssigkeit umgeben. Die Textur einer Suspension wird von der Größe der Teilchen bestimmt. Je feiner die Teilchen, desto salbenartiger die Sauce. BEILAGE, 8 PORTIONEN

± 15 Minuten ± 25 Minuten ZUBEREITEN ± 3 Minuten VO RBEREITEN BAC KOFEN

3 große Fleischtomaten, in Stücken 2 rote Peperoni, halbiert und entkernt 1 rote Paprika, entkernt, in Streifen 3 Knoblauchzehen, geschält 3 EL Olivenöl 50 g Mandeln 2 TL Honig 1 Messerspitze Safranfäden

1 Backofen auf 220 °C vorheizen. Tomaten, Peperoni, Paprika und Knoblauch mit dem Öl in einer Schüssel mischen und auf ein Backblech geben. 2 Das Gemüse 25 Minuten im Backofen rösten, bis es an den Seiten schwarz wird. Während der letzten 5 Minuten die Mandeln auf dem Backblech mitrösten. 3 Das geröstete Gemüse und die Mandeln in einen Standmixer geben und Honig und Safran zufügen. Zu einer groben Sauce pürieren. 100 ml Wasser zufügen und pürieren, bis die Sauce fein ist. Die Sauce aus dem Mixer nehmen und mit einem Kochlöffel durch ein Sieb passieren. ↑ Verdünnen Sie die Sauce erst nach dem Pürieren. Eine dicke Sauce bietet mehr Widerstand, das heißt, die Messer des Standmixers können die Zutaten besser erfassen und fein hacken. Siebt man die Sauce nach dem Pürieren, werden die gröberen Stücke aus der Sauce entfernt und das Endergebnis ist glatter.

SERVIERTIPP: Schmeckt gut zu gegrillten Frühlingszwiebeln oder gegrilltem jungen Lauch.

Suspendieren und Klären

ROMESCO-SAUCE

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260

EIS AUS DEM MIXER In einem Standmixer oder einer Küchenmaschine können wir köstliches Eis zubereiten, sofern wir einige Spielregeln beachten. Zunächst einmal muss mindestens die Hälfte aller Zutaten gefroren sein. So verwenden wir beispielsweise Tiefkühlfrüchte, gefrorene Schlagsahnewürfel oder fixund-fertiges Vanille- oder Sahneeis. Bei der Verwendung von Tiefkühlfrüchten in Kombination mit einem Limonadensirup entsteht Granita, eine Art körniges Wassereis. Tiefkühlfrüchte in Kombination mit vollfettem Joghurt oder Quark ergeben ein frisches cremiges Eis. Gefrorene Erdbeeren und gefrorene gesüßte Schlagsahnewürfel oder Sahneeis werden in einer Küchenmaschine ganz einfach zu Erdbeersahneeis. Beachten Sie, dass ein Standmixer nur funktioniert, wenn gefrorene Zutaten mit flüssigen kombiniert werden. Eine Küchenmaschine kann auch mit ausschließlich gefrorenen Zutaten arbeiten. Pürieren Sie nichts, was kälter ist als -18 °C (normale Tiefkühltemperatur).

HIMBEERJOGHURTEIS 250 g tiefgekühlte Himbeeren 25 ml Agavensirup 200 ml Sahnejoghurt (10 % Fett)

1 Himbeeren mit dem Agavensirup und dem Joghurt in einem Standmixer zu einem cremigen Eis pürieren und sofort servieren.

ERDBEERSAHNEEIS 250 ml Schlagsahne 50 g Zucker 250 g tiefgekühlte Erdbeeren

1 Schlagsahne mit Zucker erhitzen und rühren, bis sich der Zucker auflöst. Den Topf vom Herd nehmen, sobald der Zucker ganz gelöst ist, und die Sahne in eine Eiswürfelform gießen. Sobald die Sahne vollständig abgekühlt ist, in den Gefrierschrank legen und mindestens 2 Stunden gefrieren. 2 Erdbeeren und Schlagsahnewürfel aus dem Tiefkühler nehmen und in der Küchenmaschine zu einem cremigen Eis pürieren. Sofort servieren.

261

In einer kräftigen Fleischbouillon befindet sich Gelatine, die man zur Klärung der Bouillon nutzen kann. Dafür muss sie jedoch zunächst gefroren werden. Während des Auftauprozesses wird aus dem Gelatine-Gel Flüssigkeit sickern, weil die Eiskristalle das Gelatinenetzwerk beschädigt haben. Die festen Teilchen aus der Bouillon bleiben in der Gelatine zurück. Die ausgetropfte Flüssigkeit hat ein sehr konzentriertes Aroma und ist glasklar. VORSPEISE, 6-8 PORTIONEN

ZUBEREITUNGSZEIT

± 1 Stunde 1 bis 2 Tage

WARTEN

1 kg durchwachsenes Rindfleisch 2 Zwiebeln 1 dünne Lauchstange 1 kleine Wintermöhre 2 Stängel Staudensellerie 6 Pfefferkörner 3 Blattpetersilienzweige 2 Thymianzweige 1 Rosmarinzweig 2 Lorbeerblättchen 2 EL Öl 500 g Suppenfleisch vom Kalb Küchenpapier, Schnellkochtopf

AUSSERDEM

1 Rindfleisch mit Küchenpapier trocken tupfen und in 1 cm große Würfel schneiden. 2 Zwiebeln schälen und klein schneiden. Den Lauch in Ringe schneiden, waschen und gut abtropfen lassen. Wintermöhre schälen und würfeln, ebenso den Staudensellerie. Pfefferkörner, Lorbeer, Petersilie, Thymian und Rosmarin im Mörser zerstoßen. 3 1 EL Öl in einer großen Pfanne erhitzen und das Fleisch bei hoher Hitze rundum bräunen. In den Schnellkochtopf legen. Einen weiteren EL Öl in die Pfanne geben und das Gemüse 3 Minuten bei hoher Hitze anbraten, bis es ein wenig Farbe annimmt. Zum Fleisch in den Schnellkochtopf geben. 4 1,5 l kaltes Wasser zu Fleisch und Gemüse gießen, die zerstoßenen Gewürze und Kräuter zufügen und die Bouillon zum Kochen bringen. Den Topf mit dem Deckel verschließen und unter Druck setzen. Die Bouillon 45 Minuten auf höchster Druckstufe kochen. Den Topf vom Herd nehmen und abkühlen lassen, bis er nicht mehr unter Druck steht (ca. 15 Minuten). Das ist wichtig, weil erzwungene Druckverminderung (durch Öffnen des Druckventils) dafür sorgt, dass die Bouillon nachträglich noch heftig im Topf kocht und trübe wird. 5 Die Bouillon erst durch ein Sieb gießen und anschließend durch ein sauberes Käse- oder Geschirrtuch. In einen flachen Tiefkühlbehälter geben und abkühlen lassen. Danach für mindestes 4 Stunden in den Tiefkühler stellen. 6 Die gefrorene Bouillon aus dem Behälter nehmen und in ein mit einem Käsetuch ausgelegtes Sieb legen. In den Kühlschrank stellen und innerhalb von 1 bis 2 Tagen vollständig auftauen lassen. Alles, was im Tuch hängen bleibt, kann weggeworfen werden. Die herausgesickerte Flüssigkeit als glasklare, sehr konzentrierte Consommé servieren.

Suspendieren und Klären

KLARE CONSOMMÉ

263 15 Prozesse in sechs Rezepten

TEIL IV

15 PROZESSE IN SECHS REZEPTEN → GEBRATENES SCHOLLENFILET → CHICORÉE MIT ORANGE → BRATHÄHNCHEN AUS DER MIKROWELLE

→ ROTE-BETE-RISOTTO → DAS PERFEKTE RINDERSTEAK → DIE PERFEKTEN POMMES FRITES

textur

264

265

MIT BEURRE NOISETTE HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN BEURRE NOISETTE, 10 PORTIONEN

250 g Butter 400 g Schollenfilet AUSSERDEM

Boden

1 Für die Beurre noisette die Butter würfeln und in einem Topf bei mittlerer Hitze schmelzen. ↑

 SCHMELZEN UND ERSTARREN Butter hat einen Schmelz bereich, keinen Schmelzpunkt. Sie geht nicht bei einer spezifischen Temperatur vom festen in den flüssigen

Topf mit hellem

Zustand über, sondern schmilzt langsam zwischen 32 und 35 °C.

2 Warten, bis die Butter zu brodeln beginnt und das Eiweiß oben treibt. Den Topf auf dem Herd regelmäßig drehen, um die Hitze gleichmäßig im ganzen Topf zu verteilen. Das Wasser verdampft jetzt langsam aus der Butter. ↑

VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN Butter besteht zu 20 % aus Wasser. Beim Erhitzen fängt die Butter an zu brodeln, da das Wasser verdampft.



VERKNOTEN UND SPALTEN Butter enthält Milcheiweiß. Es dient als Emulgator und macht es überhaupt erst möglich, dass Butter Wasser enthält. Während des Erhitzens von Butter klumpt das Milcheiweiß, weil es sich verknotet. Es sinkt auf den Topfboden oder treibt auf dem klaren Butterfett.

3 Nur mäßig weitererhitzen, bis sich die weiße Schaumschicht hellbraun färbt. Den Topf vom Herd nehmen, sobald auch die Butter goldbraun ist. Bei einem Topf mit hellem Boden lässt sich besser sehen, wie die Butter bräunt. ↑

MAILLARD-REAKTIONEN UND KARAMELLISIERUNG Die weiße Schaumschicht besteht aus Milcheiweiß, das sich bei höherer Temperatur aufgrund der Maillard-Reaktionen langsam braun färbt. Die übriggebliebenen Milchzucker und das Eiweiß in der Butter werden durch eine Kombination aus Maillard-Reaktionen und Oxidation von Fetten braun. Den Topf unbedingt vom Herd nehmen, sobald die Butter goldbraun ist, weil die Temperatur ab diesem Moment blitzartig steigt – und ehe man es sich versieht, ist die Butter unappetitlich und ungesund schwarz.

4 Die Butter durch ein feines Küchensieb passieren und warmhalten.

15 Prozesse in sechs Rezepten

SCHOLLENFILET

15 PROZESSE IN SECHS REZEPTEN

266 ↑

SUSPENDIEREN UND KLÄREN Will man die Butter ganz klar bekommen (klären), müssen die Milcheiweißflocken abgesiebt werden.

5 Die Schollenfilets mit dem Messer voneinander trennen. Gut trocken tupfen und salzen. Das Salz 15 Minuten einziehen lassen, danach noch einmal trocken tupfen. Die Filets etwas versetzt zur Mitte fast ganz durchschneiden. Die Enden umklappen, damit sie unter dem Filet liegen und das Filet überall ungefähr gleich dick wird. ↑

TRÄNKEN UND ENTZIEHEN Salz entzieht der Oberfläche Flüssigkeit. Das schadet nichts, weil die Außenseite des Fischs dadurch trockener wird und die Temperatur beim Braten schneller steigen kann. Wichtig ist jedoch, die Filets ein zweites Mal trocken zu tupfen.

6 Einige EL der Beurre noisette in einer beschichteten Pfanne erhitzen*. Die Fischfilets mit der schönen Seite (nicht der Hautseite) nach unten in die Pfanne legen und ca. 2 Minuten braten (für ein 100 g Filet). Filets wenden, den Herd ausschalten und noch 1 Minute zum Durchgaren in der Pfanne liegenlassen. Mit einige EL Beurre noisette servieren. ↑

VERKNOTEN UND SPALTEN Fischfleisch ist sehr temperatur empfindlich. Über 40 °C verliert es schon Flüssigkeit, und bei einer Kerntemperatur von 50 °C ist Fischfilet schon gar genug. Damit die Filets nicht zu heiß werden (und austrocknen), schalten wir den Herd aus, sobald die Filets gewendet wurden. Für einen gleichmäßigen Garprozess werden die Filets in Schritt 6 so portioniert, dass sie überall gleich dick sind.

SERVIERTIPP: Schmeckt sehr gut zu einem feinen Ratatouille. * Den Boden einer etwas älteren Bratpfanne kann man auch mit Backpapier auslegen und das Papier mit Beurre noisette einfetten. Die Pfanne erhitzen, bis das Backpapier mit der Butter heiß ist und den Fisch darauf braten. So haftet der Fisch ganz sicher nicht am Boden der Pfanne.

267

MIT ORANGE

Chicorée ist für seinen bitteren Geschmack berühmt-berüchtigt. Fügen wir Chicorée Zucker oder andere süße Stoffe zu, schmeckt er weniger bitter. Doch wir lenken die Bitterrezeptoren im Mund damit nur ab, denn die Menge der Bitterstoffe wird durch den Zucker nicht verringert! Die Zugabe von Säure jedoch überdeckt manche Bitterstoffe nicht nur, sondern neutralisiert sie tatsächlich vollständig. In diesem Rezept verwenden wir konzentrierten Orangensaft als saure und süße Quelle. Außerdem harmoniert das Orangenaroma sehr gut mit dem Chicorée. BEILAGE, 4 PORTIONEN

Saft und Abrieb von 1 Orange (unbehandelt) 3 EL Reiskeim- oder Erdnussöl 6 Chicorée-Rüben 100 g Shiitake, in Scheiben 1-2 EL Austernsauce AUSSERDEM

Wok

1 Orangensaft in einem kleinen Stieltopf mit ein paar Tropfen Öl zum Kochen bringen und auf die Hälfte reduzieren. ↑

VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN Um Zucker und Säuren aus dem Orangensaft zu konzentrieren, lassen wir das Wasser aus dem Saft verdampfen.



VERFLÜCHTIGUNG VON AROMEN Beim Einkochens des Orangensafts verdampfen mit der Flüssigkeit auch viele Aromen. Die Zugabe von Öl schwächt dies ab, denn das Öl bindet Aromen und hält sie im Topf.

2 1 cm von jeder Chicorée-Rübe abschneiden, damit sich die Blätter lösen. Den Kern schräg in dünne Streifen schneiden. 3 Einen Wok hoch erhitzen und das Öl zufügen. Chicorée unter Rühren einige Minuten anbraten. Die Shiitakescheiben zugeben, 1 Minute mitbraten und Orangensaft sowie abgeriebene Schale zufügen. Noch einige Minuten umrühren, bis die Flüssigkeit verdampft und die Zucker karamellisieren. Austernsauce unterheben und sofort servieren.



SCHMELZEN UND ERSTARREN Wird Gemüse in einem Wok gebraten, schmilzt das Pektin, das die Zellwände verstärkt. Das Gemüse wird dadurch weicher und verliert Wasser.



MAILLARD-REAKTIONEN UND KARAMELLISIERUNG Der Wok muss heiß genug sein, damit alles Wasser sofort verdampfen kann. Sammelt es sich unten in der Pfanne, beginnt das Gericht zu schmoren, und es erreicht nie die Temperatur, die zur Karamellisierung von Zuckern notwendig ist. Deswegen muss der Wok immer hoch erhitzt werden, und es darf nicht zu viel Gemüse gleichzeitig angebraten werden.

SERVIERTIPP: Schmeckt gut zu Lachsfilet sous vide (siehe Rezept auf Seite 93)

15 Prozesse in sechs Rezepten

CHICORÉE

textur

268

269

Ein Brathähnchen ist ein fleischgewordenes Paradox. Flügel und Schenkel enthalten viel Bindegewebe und brauchen daher eine hohe Temperatur für den Garprozess. Die Brustfilets dagegen bestehen hauptsächlich aus zartem Muskelgewebe, das über 60 °C wegen des Flüssigkeitsverlusts schnell austrocknet. In diesem Rezept lösen wir das Paradox auf, indem wir einen Temperaturunterschied im Hähnchen erzeugen, noch bevor es in den Backofen kommt. In der Mikrowelle erhitzen wir die Schenkel auf etwa 45 °C und halten die Brustfilets dabei auf Kühlschranktemperatur. Das geht ganz einfach mit einem Stück Aluminiumfolie. In der Mikrowelle? Ja, einfach in der Mikrowelle. Probieren Sie es aus!

1 Backofen auf 180 °C vorheizen. 2 Knoblauch, Zitronenschale, die Paprikapulver, Salz und Öl mit einem Stabmixer in einem Messbecher zu einer Marinade pürieren. ↑

SUSPENDIEREN UND KLÄREN Durch das Pürieren geben Knoblauch und Zitrone ihre stark aromatischen Säfte und Öle leichter an die Marinade ab, und die Aromen können besser in das Hähnchenfleisch eindringen.

3 Das Hähnchen mit Küchenpapier gut trocken tupfen und die Hähnchenbrust mit Aluminiumfolie abdecken. Die Folie gut andrücken, sie soll eng am Hähnchen anliegen. Schenkel und Flügel freihalten, denn sie sollen in der Mikrowelle warm werden. Das Hähnchen auf einem Teller in die Mikrowelle legen und mehrfach für 15 Sekunden bei 1000 Watt erhitzen. Durch diese Intervalle vermeiden wir, dass die Schenkel angesengt werden. Sobald diese sich warm anfühlen, ist das Fleisch ausreichend vorgewärmt. ↑

VERKNOTEN UND SPALTEN Diese Art des Vorwärmens bewirkt einen besseren Garprozess des gesamten Hähnchens. Die von der Aluminiumfolie abgedeckte Hähnchenbrust erwärmt sich kaum, während die nicht abgedeckten Schenkel eine Temperatur zwischen 45-50 °C erreichen. So entsteht ein

HAUPTGERICHT, 4 -6 PORTIONEN

Temperaturunterschied von etwa 40 °C zwischen Brust und Schenkeln,

ZUBEREITUNGSZEIT

ohne dass das Hähnchenfleisch schon gart.

± 45 Minuten 1 ganzes Hähnchen (ca. 1,2 kg) 2 Knoblauchzehen Abrieb von ½ Zitrone (unbehandelt) 1 TL Paprikapulver edelsüß 1 TL Paprikapulver geräuchert 1 TL Salz 4 EL Öl Küchenpapier, Aluminiumfolie, Mikrowelle, Kernthermometer

4 Das Hähnchen rasch mit der Marinade einpinseln und für 35 Minuten in den vorgeheizten Backofen stellen, bis die Brustfilets am Knochen eine Temperatur von 65 °C erreicht haben. ↑

VERKNOTEN UND SPALTEN Im Backofen bleibt der Temperaturunterschied erhalten, weswegen die Brust eine Temperatur von 65 °C erreicht und die Schenkel etwa 90 °C warm werden. Bei 65 °C wird die vorwiegend aus zartem Muskelfleisch bestehende Hähnchenbrust schön saftig gegart.

AUSSERDEM



TRÄNKEN UND ENTZIEHEN Für die Hähnchenschenkel ist eine Temperatur von 65 °C zu niedrig, weswegen wir sie in der Mikrowelle vorbehandeln. 90 °C ist eine Temperatur, bei der Bindegewebe schmilzt und Flüssigkeit aufnimmt. Das macht die Schenkel schön saftig.

15 Prozesse in sechs Rezepten

BRATHÄHNCHEN

15 PROZESSE IN SECHS REZEPTEN

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RISOTTO

MIT ROTE BETE UND RADICCHIO Für Risotto und Paella nimmt man Reissorten, die weniger Amylose enthalten und sich deswegen besser mit flüchtigen Aromen aus Kräutern, Gewürzen und anderen Zutaten kombinieren lassen. Ein zusätzlicher Vorteil dieser Reissorten ist, dass sie mehr Amylopektin enthalten und dadurch besser kleben. Das erklärt die angenehme Textur von Paella und Risotto.

1 Bouillon zum Kochen bringen. 2 In einem großen Topf Schalotten in Olivenöl anschwitzen, bis sie weich sind. Knoblauch und Thymianblättchen zufügen und kurz mitbraten. Reis zugeben und mitbraten, bis er gut heiß ist. Wein in den Topf gießen und unter Rühren verdampfen lassen. ↑

VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN Beim Anbraten verdampft Wasser aus den Zwiebeln und dem Knoblauch.



MAILLARD-REAKTIONEN UND KARAMELLISIERUNG Weil das Gemüse durch das Verdampfen an der Oberfläche austrocknet, kann die Temperatur steigen, wodurch die Zwiebeln und der Knoblauch bräunen; der Beweis gelunge-

HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN

ner Maillard-Reaktionen.

ZUBEREITUNGSZEIT

± 40 Minuten 700 ml Gemüsebouillon 2 Schalotten, fein gehackt 2 EL Olivenöl 2 Knoblauchzehen, gepresst 1 EL frische Thymianblättchen 200 g Risottoreis (Arborio) 100 ml Weißwein 500 g gekochte Rote Bete, geschält und gewürfelt (1 cm) 2 EL Blattpetersilie, fein gehackt 100 g Parmesan 1 Kopf Radicchio AUSSERDEM

Grill (optional)



OXIDATION VON FETTEN Das Öl im Topf wird erhitzt und reagiert mit Sauerstoff. Dadurch verändert sich der Geschmack des Öls.



AROMA UND STÄRKE Amylose in der Stärke im Reis bindet Aromen. Mit einer geschickten Methode lässt sich dieser Aromaverlust vermeiden: Wir führen die Amylosemoleküle mithilfe von Alkohol in die Irre. Alkoholmoleküle nehmen in der Amylosehelix die Stelle der Aromen ein, die wir erhalten wollen. Faktisch sind Alkoholmoleküle selbst auch Aromen, aber weil die Aromaschwelle (die Menge der Aromamoleküle, die nötig sind, um ein Aroma wahrnehmen zu können) von Alkohol sehr hoch ist, nehmen wir eine kleine Menge Alkohol in einem Gericht kaum wahr.

3 Immer wieder etwas Bouillon mit einer Suppenkelle zum Reis gießen und rühren, bis die Bouillon vollständig aufgenommen ist. So weiter verfahren, bis alle Bouillon aufgenommen und der Reis al dente ist. ↑

TRÄNKEN UND ENTZIEHEN Die Stärke im Risottoreis benötigt Wasser, damit sie quellen kann. Dann lösen sich die Stärkekörner, und die freigelegten Stärkemoleküle bilden ein Netzwerk, das Wasser bindet. Deswegen nimmt das Volumen der Reiskörner zu und sie werden weich.

271



SUSPENDIEREN UND KLÄREN Man könnte Risotto als eine Suspension bezeichnen, feste Teilchen (Reis) in einer Bouillon. Diese Suspension können wir jetzt um noch mehr feste Teilchen in Form von geriebenem Parmesan und Petersilie ergänzen. Weil die Menge der festen Teilchen im Verhältnis zur Flüssigkeit zunimmt, wird die Suspension dicker.

5 Den Radicchio in 8 Stücke teilen, die Schnittflächen mit ein wenig Olivenöl bestreichen und kurz auf einem sehr heißen Grill (oder in einer Grillpfanne) rösten. ↑

VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN Das Öl auf der Oberfläche des Radicchio verzögert das Verdampfen. Weil der Umgebung beim Verdampfen Hitze entzogen wird, bleibt der Radicchio heißer, wenn weniger verdampft. Das beschleunigt den Garprozess.



MAILLARD-REAKTIONEN UND KARAMELLISIERUNG Die Temperatur auf dem Grillgitter ist so hoch, dass die Oberfläche des Radicchios lokal sehr schnell austrocknet. Dadurch steigt die Temperatur schnell, wodurch die Maillard-Reaktionen und die Karamellisierung eine schöne braune Farbe und zusätzlichen Geschmack bewirken können.

6 Den Rote-Bete-Risotto mit dem gegrillten Radicchio servieren.

15 Prozesse in sechs Rezepten

4 Die Rote Bete unter den Reis heben und kurz miterhitzen. Den Topf vom Herd nehmen und Petersilie und Parmesan zufügen.

textur

272

273

Das perfekte Rindersteak ist ein Kinderspiel, sobald man versteht, welche Prozesse dabei eine Rolle spielen. Die wichtigste Zutat ist Geduld. Es dauert rund 1 Stunde, bis das Steak fertig ist.

1 Backofen auf 60 °C vorheizen. Rindersteaks salzen und pfeffern und auf einen Rost im Backofen legen. Die Steaks etwa 1 Stunde garen, bis der Fleischkern 50 °C erreicht hat. Aus dem Backofen nehmen. ↑

TRÄNKEN UND ENTZIEHEN Bei der Fleischzubereitung spielt Temperatur eine entscheidende Rolle. Rindersteak besteht im Wesentlichen aus Muskelgewebe, deswegen sollte seine

HAUPTGERICHT, 4 PORTIONEN

Kerntemperatur nicht über 55 °C steigen, um den Flüssigkeitsverlust zu minimieren.

ZUBEREITUNGSZEIT

± 5 Minuten 1 Stunde

WARTEZEIT

4 Rindersteaks à 150 g, 3 cm dick Pfeffer Salz 1 EL Öl oder Ghee 1 EL Butter (für den Geschmack) AUSSERDEM

Kernthermometer



VERKNOTEN UND SPALTEN Vorgaren im Backofen bis zu einer Kerntemperatur von 50 °C hat den Vorteil, dass das gesamte Fleischstück bereits die Temperatur eines mediumrare Rindersteaks bekommt. Jetzt fehlt nur noch die Kruste.



VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN Die Außenseite des Steaks trocknet im Backofen aus, wodurch sich Eiweiß und Zucker an der Oberfläche konzentrieren.

2 Die Rindersteaks mit Öl oder Ghee bestreichen. ↑

OXIDATION VON FETTEN Das Fett hilft den Bräunungsreaktionen beim Steakbraten. Dieser Effekt fällt mit Ghee stärker aus, weil es bereits oxidiertes Fett enthält.

3 Eine Bratpfanne sehr hoch erhitzen und die Rindersteaks von beiden Seiten braten. Achtung! Das geht superschnell, 15 Sekunden auf jeder Seite genügen. ↑

MAILLARD-REAKTIONEN UND KARAMELLISIERUNG Das Fleisch bräunt in einer Pfanne mit heißem Öl oder Ghee so schnell, weil die Außenseite des Steaks getrocknet ist, was zudem zu einer Konzentration von Zuckern und Eiweißen führt.

SERVIERTIPP: Das Rindersteak wie im klassischen italienischen Rezept Tagliata mit Rucola, Balsamico-Sirup und Parmesan servieren.

15 Prozesse in sechs Rezepten

DAS PERFEKTE RINDERSTEAK

15 PROZESSE IN SECHS REZEPTEN

274

DIE PERFEKTEN POMMES FRITES Pommes frites sind ein hervorragendes Beispiel, wenn man den Effekt des Verdampfens beim Frittieren erklären möchte. Im Grunde handelt es sich um ein beschleunigtes Austrocknen der Außenseite und einen schnellen Garprozess im Inneren des Frittierguts. Jedes Nahrungsmittel besteht zu einem großen Teil aus Wasser, das durch hoch erhitztes Frittieröl in Dampf verwandelt wird. Die Bläschen, die zu sehen sind, wenn frisch geschnittene Kartoffelstäbchen ins Öl rutschen, bestehen aus Wasserdampf, der sich blitzschnell bildet, weil die Temperatur des Öls weit über dem Siedepunkt von Wasser liegt. Der Wasserdampf entweicht aus dem Öl, und von der Außenseite unserer Kartoffelstäbchen bleibt hauptsächlich Kartoffelstärke in trockener Form übrig. Das macht unsere Pommes frites knusprig.

1 Für die Pommes frites leicht mehlige, mittelgroße Kartoffelsorten verwenden wie Agria, Santé, Bildstar oder Donald. ↑

TRÄNKEN UND ENTZIEHEN, VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN Kartoffeln, die sich für Pommes frites eignen, bewegen sich mit ihrem Stärkegehalt zwischen mehlig (relativ viel Stärke) und festkochend (relativ wenig Stärke). Für die Krustenbildung ist ein hoher Stärkegehalt wünschenswert, damit nur wenig Wasser verdampfen muss, bis die Außenseite ausreichend trocken ist. Das Kartoffelstäbchen sollte in der Mitte gar sein, aber noch Biss haben. Dafür eignet sich aber gerade die festkochende Kartoffel. Für eine knusprige Außenseite mit einem festen Biss wählen wir als Kompromiss eine Kartoffel mit mittlerem Stärkegehalt.

2 Die Kartoffeln in etwa 1,5 cm dicke Stäbchen schneiden. Ein scharfes Messer ist wichtig! Je weniger Unebenheiten die Oberfläche der Pommes frites aufweisen, desto weniger Fett nehmen sie auf. ↑

TRÄNKEN UND ENTZIEHEN Mit einem stumpfen Messer beschädigen wir die Kartoffelzellen und die Oberfläche wird unregelmäßig. Dadurch tritt mehr Flüssigkeit aus, als wenn wir ein scharfes Messer zum Schneiden benutzen.

3 Die Kartoffelstäbchen gut unter kaltem Wasser abspülen, um die überflüssige Stärke zu entfernen. ↑

SUSPENDIEREN UND KLÄREN Durch das Abspülen entfernen wir die freien Stärkekörner, die sich an der Oberfläche der Pommes frites befinden. Spült man sie nicht ab, bekommen die Stäbchen beim Frittieren eine

FÜR 4 -6 PORTIONEN

1,5 kg Frittierkartoffeln 750 ml Frittierfett oder -öl 1 Rosmarinzweig, falls erwünscht Salz, nach Geschmack Föhn (optional), Frittiertopf

AUSSERDEM

unregelmäßigere und fettere Kruste.

4 Pommes frites gut abtropfen lassen und mit einem Tuch trocknen. Je trockener die Kartoffelstäbchen, desto besser – das beste Ergebnis erreicht man mit einem Fön. ↑

VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN Alles Wasser, das bereits von der Oberfläche entfernt ist, braucht beim Frittieren nicht mehr zu verdampfen. Das fördert die schnelle Krustenbildung.

275



VERDAMPFEN UND KONDENSIEREN Beim Frittieren sinkt die Öltemperatur um die Pommes frites herum, weil das verdampfende Wasser der Umgebung Wärme entzieht. Rütteln sorgt für eine gleichmäßigere Öltemperatur, denn der Wasserdampf kann so leichter entweichen.



TRÄNKEN UND ENTZIEHEN Während des Frittierens quellen die Stärkekörner in den Kartoffelstäbchen, weil sie Flüssigkeit aus den Kartoffelzellen aufnehmen. Beim Garen werden die Stärkekörner also mit dem Zellplasma getränkt.

6 Öltemperatur auf 180 °C erhöhen und Pommes frites Portion für Portion 4-6 Minuten ein zweites Mal frittieren, bis sie goldbraun sind. Frittiert man einen Rosmarinzweig mit, verleiht dies den Pommes frites ein wunderbares Aroma. ↑

OXIDATION VON FETTEN Rosmarin verleiht den Pommes frites nicht nur Aroma, die enthaltenen Antioxidantien machen das Frittieröl, das weniger schnell oxidiert, auch haltbarer. Die Hitze des Öls bewirkt eine schöne Braunfärbung infolge von Oxidation und Maillard-Reaktionen.

7 Das Körbchen mit den Pommes frites gut schütteln, wenn sie aus dem Fett gehoben werden. In diesem Moment findet nämlich die höchste Fettaufnahme statt. Am besten also so viel wie nur möglich davon abschütteln! Die Pommes frites salzen, solange sie heiß sind. ↑

TRÄNKEN UND ENTZIEHEN Das beim Frittieren verdampfende Wasser hinterlässt in den Pommes frites Hohlräume. Aufgrund des Druck, mit dem es herausströmt, verhindert es ein Eindringen des Öls. Wird das Körbchen mit den Pommes frites aus dem Öl genommen, entfällt der Druck und die Hohlräume in der Kruste werden mit Frittieröl getränkt. Schnelles Abschütteln vermindert die Ölaufnahme beträchtlich!

15 Prozesse in sechs Rezepten

5 Pommes frites in mehreren Portionen je 5-8 Minuten in 140 °C heißem Öl frittieren, bis sie von innen gar sind. Sie müssen leicht brechen können. Zerbricht man ein Stäbchen, sieht man kleine Kristalle. Die Innenseite muss wie eine gekochte Kartoffel aussehen und darf nicht mehr glasig sein. Beim ersten Frittieren färben sich die Kartoffeln nicht, das geschieht erst beim zweiten Durchgang. Während des Frittierens die Pommes frites im Körbchen regelmäßig rütteln.

DANK

276 DANK VON EKE UND JAN Miriam Brunsveld und Sofie Langenberg vom Verlag Nijgh Cuisine – während des gesamten Schreibprozesses wart ihr sehr engagiert und schon in einem frühen Stadium konnten wir als Autoren über Gestaltung und Fotografie mitreden. Nur so kann man gemeinsam schöne und gute Bücher machen. Herzlichen Dank! Auch dem Kreativteam danken wir sehr: Tijs Koelemeijer für die wunderbaren Illustrationen und das übersichtliche Design, Saskia van Osnabrugge für die schönen Fotos und Annemieke Paarlberg für das besondere Bildstyling. VON EKE Jan, das Schöne an der Zusammenarbeit mit dir ist, dass du meinen Blick aufs Kochen unablässig veränderst. Dafür bin ich dir sehr dankbar! Mit dem Schreiben dieses Buchs hast du mir wieder eine neue Brille aufgesetzt, durch die ich all meine Handgriffe und Kreationen in der Küche betrachte. So allmählich bekomme ich das Gefühl, die Kontrolle zu haben und fast alle Gerichte in die Richtung lenken zu können, in der ich sie haben möchte. Dieses Gefühl vermittelt sich hoffentlich auch den Leserinnen und Lesern dieses Buchs. Ohne die Hilfe von Annemarie Coopman (meiner Partnerin, im Beruflichen wie im Privaten) wäre dieses Buch nie zu dem geworden, was es ist. Sie hat unsere abstrakte Sprache in zugängliche und schmackhafte Kost übertragen. Das war nicht leicht, ist aber hervorragend gelungen. Liebe An, auch in Jans Namen vielen Dank für diese gigantische Leistung! VON JAN Eke, deine bedingungslose Begeisterung fürs Kochen darf ich seit nunmehr fast fünfzehn Jahren aus der Nähe miterleben. In unserer Zusammenarbeit bleibst du immer hellwach und gibst dich nicht mit halben Antworten zufrieden. Dadurch suche auch ich weiter nach Erkenntnissen, die gerade in der Praxis ganz wesentlich sind, denn „Teig allein ist noch kein Brot“. Ich schätze deine Geduld sehr, mit der du dir meine langatmigen Geschichten darüber anhörst, was mir nachts den Schlaf rauben kann, zum Beispiel: Was passiert thermodynamisch gesehen, wenn ein Soufflé aufgeht? Unsere Zusammenarbeit war immer angenehm und konstruktiv, zweifelsohne dein Verdienst. Ein willkommener Zusatzeffekt sind die vielen Kochlektionen, die ich in all den Jahren wie nebenbei und kostenlos von dir bekommen habe. Marieke, danke schön, du bist eine wunderbare Lebensgefährtin! Du hattest auch die Idee, jedem Prozess in diesem Buch ein Etikett mitzugeben, das wir auch in Zukunft bei Rezepten und Rezeptanalysen verwenden können. Diese großartige Idee haben wir gleich in die Tat umgesetzt.

277 ALLGEMEIN

of Animal Reproduction and Food Research of the Polish

Cook & Chemist, E. Mariën, J. Groenewold und B. Husslage,

Academy of Sciences, Pol. J. Food Nutr. Sci., 2011, Vol. 61,

Karakter Uitgevers (2006)

No. 4, S. 231-237

Cookwise, Shirley O. Corriher, Harper Collins (1997)

Over Rot, Meneer Wateetons, Good Cook (2015)

Die Molekularküche, Thomas Vilgis, Tre Torri (2007).

Tempe Teil 1: traditional fermentation, fungal trials, and

Every Grain of Rice, Simple Chinese Cooking, F. Dunlop, Bloomsbury, London (2012) Food Chemistry, 4., überarbeitete Auflage, H. D. Belitz, W.

regional seeds, Bernard Guixer und Roberto Flore, Nordic Food Lab (2015) Tsukémono, Peter van Berckel, Rineke Dijkinga Books (2018)

Grosch, Springer (2009) Koken met Kennis, E. Mariën und J. Groenewold, Karakter Uitgevers (2013) Meer recepten uit de moleculaire keuken van Cook & Chemist, E. Mariën und J. Groenewold, Karakter Uitgevers (2008) Modernist Cuisine. Die Revolution der Kochkunst, Nathan Myhrvold, Chris Young, 6 Bände, Taschen (2011) Molecular Gastronomy, Exploring the Science of Flavor, Herve This, Colombia University Press (2005) Moleculaire Gastronomie, NLT module voor het VWO, Elma Schenkelaars, Ids Klompmaker, Ties van de Laar, Universität Wageningen (2010) On food and cooking. Das Standardwerk der Küchenwissenschaft, Harold McGee, übersetzt von Carla GröppelWegener, Matthaes (2013)

TEIL 2 Aroma. The magic of essential oils in food & fragrance, Mandy Aftel und Daniel Patterson, Artisan books (2004) Aroma. The cultural history of smell, Constance Classen, Routledge (1994) Around the roman table. Food and Feasting in Ancient Rome, Patrick Faas, The University of Chicago Press (1994) Geschmack. Gebrauchsanleitung für einen vernachlässigten Sinn, Bob Holmes, übersetzt von Helmut Dierlamm und Ursula Held, Riemann (2016) Making Sense of Taste. Food and Philosophy, Carolyn Korsmeyer, Cornell Universit Press (1999) Multisensory Flavor Perception, C. Spence, in: Cell, Vol. 161, Issue 1 (2015), S. 24-35

Physiologie des Geschmacks oder Betrachtungen über das

Neurogastronomy. How the brain creates flavor and why

höhere Tafelvergnügen , J. A. Brillat-Savarin, übersetzt

it matters, G. M. Shepherd, Columbia University Press

von Emil Ludwig, Druck nach der 2. Auflage von 1923, Insel-Verlag (2007) Receptenleer, Processen en technieken, J. G. van Eden, W. J. Gerritsen, T. F. Visser und A. van de Zedde, ThiemeMeulenhoff (2009)

(2012) Das Lexikon der Aromen- und Geschmackskombinationen, K. Page und A. Dornenburg, übersetzt von Ingeborg Dorsch, AT Verlag (2012) The Secret of Scent, Luca Turin, Harpin Collins (2006)

The Kitchen as Laboratory, Cesar Vega, Columbia University Press (2013) The Science of good cooking, America’s Test Kitchen (2012)

TEIL 3

The Science of good Food, David Joachim, Andrew Schloss,

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Robert Rose Inc (2008) The Science of cooking, Peter Barham, Springer Verlag (2000)

E. Gerrard, Edward W. Mills, Kendall/Hunt Publishing Company (2001) The Science of Ice Cream, C. Clarke, RSC Publishing (2004)

TEIL 1 Aged butter part 1: background and basics, Johnny Drain, Nordic Food Lab (2016) Die Kunst des Fermentierens. Eine tiefgreifende Erforschung grundlegender Konzepte und Prozesse aus aller Welt, Sandor Elix Katz, übersetzt von Linde Wiesner, Kopp (2015) Enzymes in Tenderization of Meat. The System of Calpains and Other Systems. A Review, Dariusz Nowak. Institute

LITERATUR

LITERATUR

REGISTER textur

278

REGISTER A

ätherische Öle 88, 91, 95

tionen; Geruchsorgan und

Zeit 122

abdecken 11

bewahren 93, 103, 112

Nase

Zusammensetzung

abhängen 49, 50, 53, 57

binden 85, 88, 90, 97

Adrià, Ferran und Albert

Bindung 120-123, 126, 129

231, 240

emulgieren 214

122-123

Aromabindung 120-123, 126,129 Aromalöslichkeit 85,

Artischocke 137, 142 Aspartam 134

Ätherische Öle 88, 91, 95

Entstehen neuer Aromen

101-107

Aspergillus-Schimmel 66, 71

Aftel, Mandy 90

9, 14, 18, 20, 23, 24, 28,

Druck 107, 113

aufgehen 66, 70, 186, 193,

Agar-Agar 149, 154, 155,

34, 53, 61,

Oberfläche 106, 109

erhalten 11, 85, 87-99,

Öl oder Fett 93, 102-107,

120-129

108, 111, 112, 115, 116-117,

Fermentation 64, 67

Flüchtigkeit 8, 9, 82, 88,

120, 134

Osmose 203

Agavensirup 18, 23, 27, 29

90, 97, 102, 107, 120

Öl und Wasser 104-105,

Reifung in der Kühlung

Ahornsirup 27

freisetzen 82, 83-85,

106, 107

Aktin 149, 172

102-107, 120, 133, 230

Temperatur 107

süßsauer 77

Algen 155, 161, 163, 149

Geruchlosigkeit 134

Verteilungskoeffizient

trocknen 67, 69, 203

Alkohol 148

Konzentration 82, 88-89,

106

und Antioxidantien 36, 45

Aroma 82, 122, 270

91, 102, 104, 270

Wasser 88, 102-107, 109

und Aroma 88

Aromaverflüchtigung 11,

langsame Noten 83

Zeit 107

und chemische Prozesse

89-90, 97, 116

Schäume 230, 345

Zusammensetzung

Fermentation 68, 69-70

schnelle Noten 83

102-105

Gefrierpunktsenkung

siehe auch Aromabin-

159, 165

dung;

und Mikroorganismen 66,

trennen von Aromen

67, 68, 69, 79

104-105

verdampfen 189

und abdecken 11, 89-90

161, 236 Agar-Agar-Filtration 250, 253

231 Aufbewahren

34-35, 37, 40, 50, 125

15, 20 und Enzyme 50, 51-52, 53, 59

Aromamoleküle 9, 82, 83,

und Geschmack 15, 34-35,

88, 91, 120, 123, 133,

36, 50

137-138, 143, 190, 270

und Geschmacksver-

Aromaprofil (Aromabou-

stärker 69

quet)21, 83, 138, 143

Alliinase 49

und Enzyme 44, 48-49,

Aromaschwelle 270

und Licht und Dunkel 35

Aluminiumfolie 90

50, 53, 61, 89

Aroma-Stärke-Interaktionen

und Phenole 36

Aluminiumhydroxid 69

und Fermentation 48,

85, 119-129, 163, 270

Aminosäuren

64,65-66, 68, 70, 77

Temperatur 122, 126

Fermentation 66, 68

und Geschmack 8-9,

Zeit 122

Konzentration 23, 29, 189

82-85, 132, 133, 135-136

Zusammensetzung

Maillard-Reaktionen 14,

und Karamellisierung 14,

122-123

20,23, 24, 25, 29, 35, 68

18,19

Molekülgröße 14

und kauen 83, 103, 120

267

und Eiweiße 14, 20, 23,

und Maillard-Reaktionen

abdecken 89-90, 97, 116

basisches Milieu 24, 28

24, 29, 50, 66, 68, 150

20,21, 23, 24, 28

beim Kochen 83, 85, 88

Butter 22

und Enzyme 50, 66, 68

und Oxidation 34, 35, 40

Druck 90

Edelstahltopf 37, 43

und Geschmack 50, 68

und schneiden 53, 88

Geschwindigkeit 88-89,

Geschmack und Aroma

und Zucker 14, 20, 24,

und Stärke 85, 120-123,

91

24, 28

25,29, 35, 68, 148

129

im Mund 83, 88, 91, 99,

Maillard-Reaktionen 21,

Verhältnisse 24, 25

und vakuumgaren 35

120

23, 24, 28, 37, 39

Amylase 48, 49, 51, 55, 122

und Zeit 70

Temperatur 88-89, 106,

Olivenöl 22

Amylopectin 15,

verbrannter Duft 19

189

Oxidation 34, 40

Verlust 83, 84, 85, 88, 89

und Öl 91, 94

Säuregrad 24

Wahrnehmung 49, 82,

und Wahrnehmung von

Zeit und Temperatur 21,

84,270

Aroma 83, 84

Antihaftschicht 43

zufügen 91

und Wasser 91

Backpulver 24

Antioxidantien 36, 37, 38,

siehe auch Aromabin-

Zusammensetzung 90-91

Bäckerhefe 66, 70

120-121,270 Amylose 15, 120-121, 122, 123, 125, 126, 163, 270

44, 45 Aquafaba 230, 232, 244 Aroma (Duft) 8-9, 82-85

dung; Aromalöslichkeit, Aromaverdampfung; Aroma-Stärke-Interak-

Aromaverdampfung 87-99,

Aroma-Stärke-Interaktionen 85, 119-129, 163, 270 Temperatur 122, 126

und Temperatur 37, 50 vakuumieren 35, 52, 103 Ausschütteln (Trennungstechnik) 104-105 B

backen

40

Backofen 23, 89, 94 Backsoda (Natriumbicarbonat)

279 und süß 267

135

und salzig 135

190, 193, 230, 233

und basisches Milieu

und sauer 135, 267

aufgehen 66, 70, 186,

24,28, 125, 173, 180

Bitterstoffe 18, 31, 115,

193, 231

und Grundgeschmacks-

136, 267

Teig 66, 175, 193, 234,

richtungen 134 und zarte Textur 24,125, 159, 208

Brot 66, 70, 133, 139, 186,

denaturieren(entfalten) 151,170-172, 173, 175, 219, 232, 233, 235 Denaturierungstemperatur

235, 251-252, 256

Black Jack (Karamellisierung) 19

Darmflora 64

Buttermilch 65

52,53 destillieren 89 Diacetyl 18, 102

Blätterteig 90, 97, 156 blanchieren 51, 53, 70

C

Drainage 232

Essigsäurebakterien 67,

Blumenthal, Heston 51, 60

Calcium 77, 159

Druck 11

69

Bohnen 66, 71, 121, 122

Calciumchlorid 69

Aromalöslichkeit 107

Größe 14, 15

Bouillon 21, 23, 24, 103, 104,

Calpain 49, 50, 51, 53, 57

Aromaverflüchtigung 90

Bakterien

Milchsäurebakterien

106, 109, 154, 155, 250

Capsaicin 106, 137

aufschäumen 236

64,67, 68, 69, 70, 73, 77

klären 248-249, 253-255,

Carrageen 150, 155, 163

Maillard-Reaktionen 21

und Fermentation 14, 48,

261

Cathepsin 49, 50, 51, 53, 57

Sahnespender 113

Ceviche 173, 204

suspendieren 252 tränken 205

64-65, 67, 68, 70, 73,79

Bräunungsreaktionen 10,

und Sauerstoff 50, 65, 67,

18-24

Chemästhesie 136, 137

69, 73

maillardieren 20, 24

chemische Prozesse 8-11,

und Säure 65, 67

und Edelstahl 37, 43

13-15

Dulce de leche 20, 25

unerwünschte 50, 53,

und Fett 23

Entstehen neuer Stoffe

Dunkel 35

64,65, 201, 224

und Fettarten 35-36

und Aroma/Geschmack/

Dunlop, Fuchsia 143

Balsamico-Essig 20, 21

und Oxidation 10, 34,

Farbe 8-9, 10, 14, 15, 18

Basen

verdampfen 190, 280

35, 37

Größe reagierender Stoffe

E

Neutralisieren von Säure

und Temperatur 107, 188,

14, 15

Edelfäule 67

135

200

Instabilität 89

Ei 23, 156, 170, 171, 173, 175

und Maillard-Reaktionen

und Zeit 23

Katalysatoren 48

Eischnee 232, 233, 235,

24, 28

siehe auch Karamelli-

und Enzyme 48

236-237

und Textur 24, 159, 208,

sierung; Maillard-Reak-

und Zeit 20, 21, 23, 27,

215

tionen; Oxidation

29, 48, 52-53

Béchamelsauce 139, 154, 203

Butter

Mayonnaise 214-219, 224 Eiklar 23, 156, 170, 175, 216,

unerwünschte Verände-

219, 235, 243

rungen 20, 89

aufschäumen 230,

Berckel, Peter van 75

Aroma von 18

Beurre manié 123

backen 22

Beurre noisette 22

Beurre manié 123

150, 154, 156, 170

Erbseneiweiß (Erbsenpro-

Bewegung 11

Beurre noisette 22

aufbrechen 150, 154, 158,

tein) 23

emulgieren 219

Bräunungsreaktionen

170-175, 237

erstarren 170, 171-172, 173

Schäume 233-234

22,35-36

Schmelzen und erstarren

Fermentation 66

Steak 21, 22, 43, 65, 200,

Eiweiß 22

154-156, 159

Gele 156

273

emulgieren 22, 111,

und Enzyme 48, 49, 171,

Gluteneiweiß 175, 232,

suspendieren 251

115,217, 225

173-174

234, 252, 256

tränken 205

Geschmacksbutter 104,

verknoten und spalten

Karamellisierung 22, 36

verknoten und spalten 174

105, 106, 107

170-175

klären 248-249

chemische Bindungen 48,

chemische Zustände

232-233

Maillard-Reaktionen 20,

Bier 20, 21, 66

Ghee 36, 39, 125, 273

Bierschaum 231, 232

klären 36, 39, 106, 111,

Bindegewebe (Kollagen)

249, 266

Cholesterin 36

Milcheiweiß 23, 25, 36,

149, 172, 173, 194, 200,

Oxidation 35-36, 37

Cocktail schütteln 158

66, 249, 265-266

201-202

Reifung 34, 37, 39, 44

Crème Caramel 18, 31

Molke-Eiweiß 23, 235

Schmelzen und erstarren

Croissants 156

Muskeleiweiß 50, 149,

bindung; chemische

156,158, 265

Cynarin 137, 142

172, 204, 208, 209

Bindungen

und Aromen 102, 104,

Bindungen siehe Aroma-

biologische Prozesse 48, 52, 174

D

und Temperatur 22

Dämpfen 51, 88, 159, 187

als Grundgeschmacks-

Butterfett 22, 36, 106, 150,154, 217, 225, 236

21, 22, 23, 25, 27, 36

pflanzliches Eiweiß 23,174

111, 106, 127 Zucker 22

bitter

147-151, 154, 186

Pyrolyse 22 Säuregrad 172-173

Dampfextraktionsme-

Soja-Eiweiß 23

thode 88

spalten 29, 48, 50, 170-175

Dampf

und Enzyme 14, 48-49,

richtung 8, 82, 102, 132,

Botrytis cinerea 67

und Papillote 90

50, 66, 68

133, 135

Bromelain 49, 51, 174

siehe auch dämpfen

und Mikroorganismen

register

Seifengeschmack 24, 28,

REGISTER textur

280 64,66, 67

Enfleurage 103

und Temperatur 22, 200

entgasen 233, 234

Erdnussbutter 36, 45, 248,

und Zucker 20, 21, 22, 23,

Entrollen siehe denaturieren

erhitzen siehe Temperatur

67, 68, 69, 70, 73, 77,79

24, 25, 27, 36

entziehen 10, 151, 200, 202,

erstarren 151, 154-159, 161,

gären 14, 48, 64, 66,

251

70,77 Bakterien 14, 48, 64-65,

Verhältnisse 24, 25

203-204, 205, 266

163, 165, 167

67,68, 79

verknoten 170-175

Osmose 203-204, 207

Eiweißmoleküle 170,

Geschmack 36, 48, 64,

zufügen 23, 172, 177

Temperatur 200

171-172, 173

65-66, 67, 68, 69, 70, 77

siehe auch Gelatine

Zusammensetzung 202,

Fett und Öl 156

Getreidezucker 18

203

Gele 154-156

Monosodium Glutamat

Temperatur 158

(MSG) 136

abbauende 34, 44, 48,

und Knoten 170

Säuregrad 65, 67

49, 66, 67, 68

Zusammensetzung

Schimmelpilze 14, 48, 64,

Eiskristalle 154, 159, 165,

Aktivität 48, 49, 51,52-53,

158-159

66-67, 70, 71

250, 261

55, 57, 59, 70, 89, 157

Einkochen siehe reduzieren Eintöpfe 35, 36-37, 121, 123, 127 Eis 154

Enzyme 14, 47-61

Erstarrungspunkt/Erstar-

SCOBY 79

Eis (Gericht) 106, 159

bindende 48, 49

rungsstrecke 154, 155,

spontane Prozesse 64

Eiweiß

Braunfärbung Obst und

156, 171-172

starten 64, 65, 70

Abbau 48, 66, 67, 68

Gemüse 49, 51-52

Ester 18

Starterkulturen 64

Bindung 49

Denaturierung 52, 53

Essig 24, 28, 65

Temperatur 68, 70, 79

Kasein-Eiweiß 150, 232,

im Speichel 49, 82, 83,

Balsamico- 20, 21, 28

Textur 64, 66, 69, 77, 159

233, 235

122, 174

Duft 135

und Enzyme 14, 34, 44,

Konzentration 50

klebende 174, 177

Wein- 67

64, 66, 67, 77

und Aminosäuren 14, 20,

Kombinationen 51

23, 25, 29, 50, 66, 68, 150

Molekülgröße 14, 15

Eiweißmoleküle 14, 29, 68,

Essigsäure 65, 67, 68, 102, 135-137

und Flüssigkeit 66, 69, 70, 73

Oberfläche 53-54

Essigsäurebakterien 67, 69

und Maillard-Reaktionen

137, 142, 149, 150, 151,

Produktion von 48, 64, 66

Exopeptidase 51

68

170-175

Säuregrad 50-51

Extraktion 88, 93, 103-107

und Mikroorganismen 14,

denaturieren (entrollen)

spaltende 48-49, 50, 55,

Dampfextraktionsme-

36, 64-70

151, 170-172, 173, 175,

122, 170, 173-174, 177

thode 88

und Salz 65, 68-69, 70, 73

219, 232, 233, 235

Temperatur 49, 51, 52-53,

in Öl oder Fett 103, 107,

und Sauerstoff 69-70, 79

Erstarrungspunkt 171-172

55, 57, 59, 157

108, 111, 134

Zeit 68, 70

Ladung 172-173, 204,

Typen 48-52

in Öl-Wasser-Kombina-

205, 208

und abhängen 50, 53, 57

tionen 104-105, 106, 107

Feste Stoffe 148, 150

Elektronen 34

und Aminosäuren 50,

in Wasser 103, 107

Fett als Grundgeschmack

Elixiere 89

66, 68

Zeit und Temperatur 107

emulgieren 151, 213-219

und Aroma 14, 48-49, 53,

Zusammensetzung 68-69

(oleogustus) 82, 132, 133, 136

Bewegung 219

61, 89, 122

F

Butter 22, 111, 115, 217,

und Eiweiß 14, 48-49, 50,

Farbe

225

66, 68

Braunfärbung Obst und

Aufschäumen 230, 232,

Emulgatoren 214,

und Fermentation 14, 34,

Gemüse 49, 51-52

233-234, 235, 236, 237,

215-216, 223, 225, 265

44, 64, 66, 67, 77

Kräuter 112

239

Flüssigkeit 214, 215, 218,

und Fette 14, 34, 44, 48,

unerwünschte Verände-

Butterfett 22, 36, 106,

224

66, 67, 68

rungen 20

150,154, 217, 225, 236

Öl/Fett 214, 216-217

und Geschmack 14,

und Oxidation 10, 35

emulgieren und gerinnen

Öl-in-Wasser-Emulsionen

48-49, 50, 51, 52, 53, 54,

Entstehen neuer Farben

213-219

214, 224

55, 59, 61, 89, 171

18, 20

gesättigte 35, 156

Phasen 214, 215, 219, 221

und kauen 49, 53, 54

Schwarzfärbung 18, 22

Milchfett 36, 66, 249

Stabilität 214, 215, 216,

und Kühlung 50, 51, 54,

und Maillard-Reaktionen

Molekülgröße 14

218

57

20,35

Öl vs. Fett 216

Temperatur 217, 218-219

und pürieren 54, 59

und Karamellisierung

Oxidation 10, 14, 23,

und Aroma 215

und schneiden 48, 49,

18-19, 22, 23, 29

34-45, 50, 265, 270, 273,

Wasser-in-Öl-Emulsionen

53, 61

siehe auch Bräunungsre-

275

214, 219

und Stärke 48, 49, 64,

aktionen

Ranzigkeit 34, 35, 36

Wasserphase 214

66, 68

Fasern 148, 157, 216

Reifung 34-35, 36-37, 40,

Zeit 219

und Textur 48-49, 50, 51,

Fermentation 14, 63-79

44, 50

Zusammensetzung

60, 69, 77

abdecken 68, 69

Schmelzen und Erstarren

215-218

Zeit 53

Aroma 48, 64, 65-66,

156

Fette Abbau 34, 44, 66, 67, 68

281 Nassreifung 50

Stärke 51

in Eintopf 121, 127

158

Oxidation 34, 40, 50

trocknen 188

Milchsäurebakterien 65

siehe auch Butter; Frit-

Pökeln 204, 205, 209

Vakuumieren 52

Osmose 203-204, 207

tierfett; Öl

Reifung 34-35, 50

Zellwände 49, 51, 164

Oxidation 37

Sorten 34, 35-36

Salz zufügen 204-205

Zucker 18, 20

Textur 24, 94, 148,

spalten 48

Säuregrad 24, 65, 173,

Struktur 14, 35, 48

180, 194, 204-205

 G

Transfette 35

Temperatur 172,

gären

und Aroma 103-107, 108,

200-202, 269, 273

und Luftbläschen 66, 148,

vakuumieren 52

111, 112, 116, 120, 123,

Textur 24, 50, 51, 53, 149,

186, 231

Zellwände 51, 60, 65, 77,

129, 134

172, 173, 194, 205

unerwünschte 64, 66

89, 148, 154, 157, 203,

und Enzyme 14, 34, 44,

Trockenreifung 50

und Sauerstoff 66, 69, 79

204, 267

48, 66, 67, 68

trocknen 50, 67, 69

Größe 14, 15

und Fermentation 66

und Backsoda 24, 28

und Fermentation 14, 48,

Geosmin 106

und Maillard-Reaktionen

vakuumgaren 35, 53

64, 66, 67, 68, 70, 79

Geräte siehe Materialien und

34, 35-36, 37, 39, 43

vakuumieren 50, 205

Gärspund 70

und Mikroorganismen

Zartheit 37, 48, 50, 53,57,

Gas 148, 186

64, 66

65, 76, 173, 179, 180, 204,

aufschäumen 231, 232-233

und Sauerstoff 34-35

205, 208

entgasen 233, 234

und Stärke 123, 129

Zucker 50, 273

Gazpacho 53, 54, 59, 216

und Temperatur 35

siehe auch Gelatine

Gebäck 23, 148, 156, 190,

ungesättigte 35, 156 Fettsäuren 35, 37, 40, 66, 68, 123, 129, 136

Flüchtigkeit

154,157, 158-159, 204, 267 Trocknen 188

230, 231, 232, 233, 235

224, 227 Geruch siehe Aroma; Geruchsorgan und Nase Geruchsorgan und Nase Geruchsrezeptoren 84 orthonasale Wahrneh-

97, 102, 107

Gefrierpunktsenkung 159,

mung 84, 88, 91

Filtrieren 250, 252, 253

flüchtigung; verdampfen

165

mung 84, 88, 91, 136 Wahrnehmung von Aroma

Flüssigkeit siehe Wasser

Gehirn 132, 135-137

Fischgelatine 154, 218

Flüssigkeiten (chemischer

Gelatine

Zustand) 148, 154, 186

retronasale Wahrneh-

Gefrierschrank 51, 250-251

Fisch 50, 201, 202, 266

abhängen 49, 50, 53, 57

Geräte gerinnen 22, 151, 215-219,

Gefrierpunkt 154, 159

siehe auch Aromaver-

Fleisch

Zucker 20, 23, 148

Aromen 8, 9, 82, 88, 90,

Ficin 49, 51, 174

Flan 156, 172

und Backsoda 24, 159

als Emulgator 216, 218

49, 82, 84 Geschmack 8-9, 82-85

Fond 21, 24, 103, 155

als Stabilisator 235

Entstehung neuer

frittieren 151

klären 253, 261

Geschmäcke 9, 14, 15, 18,

aufbewahren 50, 65, 67,

Maillard-Reaktionen 10,

Maillard-Reaktionen 23,

20, 24, 28, 34, 53, 61, 68

69

23, 27

29

Erkennung 132, 137-138,

Bindegewebe (Kollagen)

Olivenöl 22

Schmelzen und erstarren

143

149, 172, 173, 194, 200,

Oxidation 10, 34, 35

154, 155, 158

Grundgeschmacksrich-

spalten 29, 173, 174, 180

tungen 8, 9, 82, 102,

Textur 173, 194, 201-202

104-105, 131-139

201-202, 269

Frittierfett

braten 21, 22, 24, 28, 34,

Oxidation 35, 36, 37

188

Temperatur 27, 37

Bräunung 188, 200, 273

Fruchtzucker siehe Fructose

Eiweiß 24, 48, 50, 67, 172,

Fructose (Fruchtzucker) 134

Gelatinefiltration 250, 261

negative Geschmacksent-

Gele 150, 203

wicklung 20, 51, 54, 89

chemische 150, 151, 156

Neurogastronomie 132

204, 208, 209, 273

Karamellisierung 18, 23,

physikalische 150, 151,

Saure Töne 18

Enzyme 48, 49, 50, 57, 67

27, 29

156

siehe auch bitter; umami;

Enzyme in Marinade 51

Maillard-Reaktionen 23

Schäume 232

fett; süß; salzig; sauer

Schmelzen und erstarren

trennen von Grund-

154-156

geschmacksrichtungen

Fermentation 65, 67

Früchte

Fette 67

Aroma 18

Fettsäuren 40

Bakterien 65

Gelee 88, 154

104-105

Flüssigkeit 50, 65, 88,

Braunfärbung 49, 51-52

Gemüse

und Aroma 8-9, 82-85,

149, 200, 201-202, 204,

Bräunungsreaktionen

Braunfärbung 51-52

132, 133, 135-136

208, 209, 269

20, 23

Bräunungsreaktionen 20,

und aufbewahren 15,

Geschmack 24, 28, 50, 67

dünsten 88

23,24

34-35, 36,50

Maillard-Reaktionen 21,

Enzyme 48, 49, 51, 53, 54

Enzyme 51, 53-54, 148

und Enzyme 14, 48-49,

24, 43

Fermentation 64

Fermentation 64, 65,

50, 51, 52, 53, 54, 55, 59,

marinieren 51, 65, 76, 174,

Fruchtsaft 65, 174

68-69, 70, 73, 77

61, 89, 171

179, 204-205

Geschmack 51

Fettsäuren 37

und Fermentation 36, 48,

Muskelzellen 107, 149,

Milchsäurebakterien 65

Flüssigkeit 24, 89, 148,

64, 65-66, 67, 68, 69,

172, 200, 204, 273

Reifung 51, 52

203-204, 267

70, 77

register

Schmelzbereich 154, 156,

REGISTER textur

282 und Karamellisierung 14,

Hexanal 53

Katz, Sandor 65, 70

18-19, 31

Holmes, Bob 136

kauen 49, 53, 54, 83, 104,

und kauen 49, 53, 54, 83

homogenisieren 249

und Konzentration 50,

Honig 18, 23

189,250

Hydrolyse 173

120-121, 148, 149-150

und Maillard-Reaktionen

hydrophob vs. hydrophil 88,

Aufschäumen 230, 234

Kohlensäure 67, 135, 138

120, 122

Kohlendioxid (CO2) 65, 66, 70, 135, 231, 234 Kohlenhydrate und Enzyme 14, 48

kettenförmige Moleküle

siehe auch Stärke

20, 21, 24, 28, 29, 36

91, 120, 123, 232

und Schmelzen und

Kohlensäuregas 68, 193

und Oxidation 10, 34, 35,

siehe auch Aromaver-

Erstarren 154, 155, 157

Kohlenstoff 19

36-37, 40

flüchtigung;

und Verknoten und

Koji 66

und Reifung 35, 36-37,

Aromalöslichkeit;

Spalten 170

Kombucha 67, 79

40, 44

Löslichkeit; Wasser

und schneiden 48, 53, 54

Hydroxy-alpha-sanshool 138

und Schnellkochtopf 21

Hysterese 155

und spalten 48-49, 50,

Kimchi 64, 65, 68, 73

Kräuter Antioxidantien 36, 37,

klären 151, 249-250, 253 Bouillon 248-249, 250,

40, 45

261

Aroma und Geschmack

55, 171

I

Butter 36, 39, 106, 111,

103, 104, 107

und Temperatur 88-89,

Industrie 48, 49, 70, 91, 136,

249, 266

Extraktion in Öl 103, 107,

155, 156, 163, 174

106, 138, 158 und Verhältnisse 24

Infusionen 113

und Zeit 51, 54, 59, 60, 61, 70, 138-139, 141

J

und Zusammensetzung

Joghurt 64

137-138

108, 112

Kochprozesse 8-11

und Bakterien 69

Gegenstück 10 unerwünschte Verände-

Kristallisation 154

rungen 20

Kristallzucker siehe Saccharose

Kochtechniken 8, 11

und Bakterien 69

Kollagen siehe Bindegewebe

verbrannte Töne 18, 19

K

Vorlieben 132, 133

Käse 66, 102

188, 190, 191

Wahrnehmung 9, 49, 82,

Kaffee 103, 106, 248, 252

und abdecken 89, 97

 L

85, 131-139

Kakaobutter 158, 167

und destillieren 89

Lachgas 231, 236

Wasserlöslichkeit 8, 82,

kaltgaren 173

102, 104-105

Karamell 18-19

Geschmacksmoleküle 15, 105 Geschmacksrezeptoren

kondensieren 151, 186-187,

Aroma 18 Karamellisierung 14, 17-20,

Konzentration 10-11 und Geschmack 50 und Maillard-Reaktionen 23, 29

Kruste 186, 193, 195

Lactone 18 Lactose (Milchzucker) Bräunungsreaktionen 22, 23,25, 36 Ladung

(Geschmackspapillen) 82,

27, 31, 267, 271

132, 134, 135, 136-137,

Aroma 14, 18, 19

142, 267

Eiweiße 21, 36

kneten 175, 234, 252

205, 208, 209

Farbe 18-19, 22, 31

Knoblauch siehe Zwiebel

Wechselblüter 52, 154

Geschmacksverstärker 65, 69

Geschmack 18-19, 31

und Temperatur 23, 88-89

und Knoblauch

Eiweißmoleküle 172, 204,

lebende Organismen 14, 48, 51, 52

Gesundheit 64, 133

Stadien 19, 31

Getreide

Temperatur 18-19, 23,25,

170-175,181, 183, 265,

Lecithin 216, 217, 225, 245

Eiweiß 20

27, 29, 31

266, 269, 273

Pektinmoleküle 155, 158,

Fermentation 67, 68

und Säuregrad 24

Bewegung 175

159, 164

Stärke 121, 122

und verdampfen 189

Eiweiße 170-175

Warmblüter 154

Zucker 18

vs. Maillard-Reaktionen

kettenförmige Moleküle

siehe auch Bakterien;

Ghee 36, 39, 125, 273

18, 20, 25

149, 155, 170

giftige Stoffe 67, 133

Wasser 18-19

Kühlung

Glucose (Traubenzucker) 15

Zeit 23, 24

Pektin 155, 159, 164

Zucker 14, 18-20, 22,

Temperatur 171-172

23,25, 27, 29, 31, 36

und Enzyme 173, 174, 177

Aroma 9, 102-107

und Enzyme 50, 51, 54, 57

Grundgeschmacksrich-

Enzyme 51

und Fermentation 71, 282

tungen 8, 82, 102

Fettsäuren 37

und Reifung 35, 36, 50,

in Öl oder Fett 9,

Oxidation 35, 36-37

125

102-107, 120

Pommes Frites 10, 35, 83,

Zusammensetzung

in Wasser 8, 9, 88,

188, 274-275

172-174,177

102-107

Karamellisierung 18, 23 Maillard-Reaktionen 23 Gluten 150, 175, 231, 234, 235, 252, 256 Grundgeschmacksrichtungen siehe Geschmack Guai-Wei-Sauce 138, 143

Kartoffeln

H

Püree 37, 51, 60, 127

Halbfeste Stoffe 148-151

Stärke 10, 121, 122, 123,

Hering 50

127, 149, 274

herzhaft siehe umami

Katalysatoren 48

Knoten 150, 151,

Knusprigkeit 65, 69, 70, 77, 88, 159, 204 Kohl siehe Kimchi; Sauerkraut

Hefen; Schimmelpilze Licht 14, 35 und Oxidation 34, 35 Löslichkeit

siehe auch Aromalöslichkeit Luftbläschen 148, 150, 193 aufschäumen 230-237

283 251, 260

Milchzucker siehe Lactose

und Aromaverflüchtigung

und Aroma 91, 99

Messer 54

Miraculin 137

83

und Hefe 66, 148, 186

Mixer 235, 251

Moleküle

und Geschmack 54

und kondensieren 186

Oberfläche von 11, 190,

Elektronen 34

234-235

Größe 14, 15

Oleogustus 132 Öl 148

Lyasen 48

verdampfen 190

Römertopf 90

kettenförmige 120-121,

M

Rotationsverdampfer 90,

148, 149-150, 154,

als Grundgeschmacksrich-

Magnesium 77

190

155,157, 170, 230, 234

tung 132, 133,136

Maillard-Reaktionen 10,

Sahnespender 113, 148,

Radikale 34, 35, 36

bewahren 35

17-18, 20-24, 25, 27, 28,

231, 240

Struktur 14, 89

emulgieren und gerinnen

29, 265, 270, 271, 273, 275

Schneebesen 233, 235

und chemische Prozesse

213-219

Aminosäuren 14, 20, 23,

Schüssel 235

10, 13-15, 64

Extraktion von Aroma

24, 25, 29, 35, 68

Stabmixer 219, 251

und Enzyme 48

103, 104-105, 107, 108,

Aroma 20, 21, 23, 24, 28

Standmixer 248, 250-251,

und physikalische

112,116

Druck 21

260

Prozesse 10

Fermentation 68

Eiweiß 20, 21, 22, 23, 25,

Töpfe 37, 43, 89-90,190

siehe auch Aromamole-

Olivenöl 22, 35-36, 216

27, 36

Vakuumiergerät 90, 236

küle; Eiweißmoleküle

Oxidation 34, 35-36, 37

Farbe 20

Vakuumofen 190

Monosodium Glutamat

Schmelzen und erstarren

Geschmack 20, 21, 24, 28,

Mayonnaise 151, 214

29, 36

McGee, Harold 250

Konzentration 23, 29

Mengen 10

Aromaverflüchtigung 83,

und Aroma 85, 91, 94,

Säuregrad 24, 28, 29

Messer 54

88, 91, 99, 120

102-107, 120, 134

Temperatur 20-22, 25, 27,

Mikroorganismen

Geschmacksrezeptoren

und Sauerstoff 112

(MSG) 135-136 Mund

156 Schmelzbereich 154, 156

35, 68

anaerobe 53, 69

82, 132, 134, 135, 136-137,

und Wasser 94, 103,

und Fermentation 68

Nahrung für 64, 65, 66,

142,267

104-105, 148, 188, 190,

und Fettarten 35-36

68, 70

kauen 49, 53, 54, 83, 104,

213-219

und Oxidation von Fetten

Probiotica 64, 65

120, 122

34, 35-36, 37, 39, 43, 265

SCOBY 67, 79

und Temperatur 11

olfaktorisches System 82

und Verdampfen 189

und Alkohol 66, 67, 69, 79

siehe auch Speichel;

Orange 83, 88, 105,106,

Verhältnisse 24, 29

und Enzyme 14, 64, 66,67

Zunge

vs. Karamellisierung 18,

und Fermentation 14, 37,

Mundgefühl 54

20, 25

64-70

multisensorisch 132, 136

Zeit 20-21, 23, 25, 28, 29,

und Flüssigkeit 69

Muskeleiweiß 50, 149, 172,

35, 36, 37, 39, 43, 125

und Salz 65, 68, 68-69

Zucker 14, 20-24, 25,

und Sauerstoff 50, 65, 66,

29,35, 36, 68

67, 69-70, 73, 79

und Temperatur 107, 172,

14, 23, 33-45, 265, 270,

Zusammensetzung 20,

und Säuregrad 65, 67

200, 273

273, 275

22-24, 25

und Temperatur 70

204, 208, 209 Muskelzellen 103, 149, 204

Myosin 149, 172, 204

vs. Fett 216

115, 135 orthonasale Wahrnehmung 84, 88, 91 Osmose 203-204, 207 Ovalbumin 216 Oxidation von Fetten 10,

Aroma 34, 35, 40

Maillardieren 20, 24

unerwünschte 50, 53, 64,

Maissirup (corn syrup) 18,

65, 66, 67, 201, 224

N

Farbe 10, 35

Wachstum 50, 65, 70

Narangin 106

Fettarten 34, 35-36

Maltol 18

siehe auch Bakterien;

Nase siehe Geruchsorgan

Geschmack 10, 34, 35,

Maltose (Malzzucker) 18

Hefen; Schimmelpilze

49

Cholesterin 36

und Nase

36-37,40, 50

Malzzucker siehe Maltose

Mikrowelle 53, 59, 269

Natrium 133

Licht 34, 35

Margarine 156

Milch

Natriumacetat 135

Ranzigkeit 34, 35, 36

Natriumhydrogencarbonat

Reifung 34-35, 36-37, 40,

marinieren 51, 65, 76, 174, 179, 204-205 Marmelade 154, 155, 164 Materialien und Geräte Deckel 11, 89-90, 97, 116,

Aroma 18

siehe Backsoda

Fermentation 65 kondensierte 20 Milcheiweiß 23, 25, 36, 66, 249, 265-266

Sauerstoff 34-35

Nudeln kochen 203

stoppen/verzögern Oxidationsprozess 35, 36, 37,

187

Milchfett 35, 66, 249

O

Doufeu 89

Milchsäure 64, 65, 67, 68,

Oberfläche 11

Fleischzartmacher 205 Gärspund 70 Homogenisator 252 Küchenmaschine 219, 233,

44, 50

Neurogastronomie 132

40, 45 Temperatur 37, 40

Aromalösbarkeit 106, 109

und Antioxidantien 36, 37,

Enzyme 53-54

40, 44, 45

67, 68, 69, 70, 73, 77

Schäume 234-235

und Bräunungsreaktionen

Milchschaum 232, 235, 237

suspendieren 248

34, 35-36

69, 159 Milchsäurebakterien 64, 65,

register

schlagen 175

284 REGISTER textur

und Maillard-Reaktionen

Reaktionen siehe chemische

34,35-36, 37, 39, 43, 265 und Radikale 34, 35, 36

Prozesse

und Pektin 159-160 Salmonellenbakterien 201,

entgasen 233, 234 Fett 230, 232, 233-234,

reduzieren (einkochen) 23,

224

235, 236, 237, 239

und Seife 37, 43

104, 135, 151, 189, 190

salzen 23

Gas 231, 232-233

und vakuumieren 35, 50

Vakuumreduktion 189

und Wok einbrennen 37

Reihenfolge von Hand-

Zeit 36-37 Zusammensetzung 34-36

lungen 11 Reifung Fette 34-35, 36-37, 44

und Fermentation 65,

Oberfläche 234-235

68-69, 70, 73, 77

Säuregrad 237, 243

und Entziehen von Wasser

Schaumbildner 231-233,

24

234, 235

salzig

Stabilisatoren 232-233,

P

in Kühlung 35, 36, 40,

als Grundgeschmack 8,

234, 235, 236, 243

Papain 49, 51, 174, 179

50, 125

82, 102, 132, 133-134, 135,

Stabilität 99, 230, 232,

Papier (und Papillote) 90

Nass- und Trockenreifung

136, 138, 141

234, 237, 243

Parfüm 91, 103

von Fleisch 50

Meersalz 69, 77

Temperatur 235

Pasteurisierung 70, 174, 190

Obst 51, 52

und bitter 135

Zeit 234

Patterson, Daniel 91

Zeit und Temperatur 52,

und Calcium 159

Zusammensetzung

Pektin 49, 69, 94, 148,150,

53

und Gesundheit 133

236-237

154, 155, 157, 158-159,

Reis 121, 122, 123, 270

und Konservierung 50

164, 267

retronasale Wahrnehmung

und sauer 135

Giftigkeit 67

und süß 134

Größe 14, 15

und Wasser 24, 69, 70,

und Edelfäule 67

Pektinase 48, 49, 51 Pektinesterase 49, 60

84,88, 91, 136 Rezeptoren siehe Geruchs-

Schimmelpilze

Peptidasen 50

organ (Geruchsrezep-

189, 266

und Fermentation 14, 48,

Peptide 216

toren); Geschmacksre-

unraffiniert

64, 66-67, 70, 71

Pökel 69, 70, 204, 205, 209

zeptoren

zufügen 203, 204, 207

und Salz 69

Pflanzenzellen

Risotto 21, 23, 121, 123, 270

Saponine 244

Zellplasma (Zytoplasma

Römertopf 90

Sauce bolognese 24, 28, 35

10, 49, 51, 53, 88, 103,

Rotationsverdampfer 90,

Saucen 21, 23, 151

148, 149,

190

203-204

emulgieren und gerinnen 213-219

Zellwände 49, 51, 60,

S

65, 69, 70, 77, 94, 113,

Sacharin 134

148, 149, 154, 155, 157,

Saccharose (Kristallzu-

stärkegebunden 120, 123, 138, 154, 155, 203 Sauerkraut 64, 68-69, 73

und Sauerstoff 66, 69, 70 unerwünschte 64, 66-67 Schimmelsporen 66, 68 schlagen 148, 150, 175, 232, 233 Schlagsahne 150, 218, 230, 231, 232, 233-234, 236, 239

158-159, 164, 203-204,

cker)134

267

Karamellisierung 18-19,

Enzyme 52

164, 167, 265, 267

und pürieren 54, 59

23, 31

Oxidation 34-35

Fett und Öl 156

Reifung 34-35, 50 52

Gele 154-156

und schneiden 49, 53-54,

Säure

Sauerstoff

Schmelzen 151, 154-159,

61

als Grundgeschmack 8,

Schwarzfärbung 18, 22

Schokolade 158

und Temperatur 89, 94,

82, 102, 132, 133, 134-135,

und abdecken 11, 69-70

Temperatur 158

107

136

und Bakterien 50, 65,

Zusammensetzung

pH-Wert siehe Säuregrad

Geruchlosigkeit 134-135

67,70, 73

Physikalische Prozesse 8-11

Marinade 204-205

und Braunfärbung Früchte

Pökel 69, 70, 204, 205, 209

Neutralisieren von Seifen-

52

161

Polyphenoloxidase 49, 51-52

geschmack 24, 28

und Fermentation 69-70,

scharf 154, 156

Polysaccharide 149

Spalten mit 170, 173, 180

79

Schmelzbereich 154, 156,

Pommes frites 10, 34, 35,

und bitter 135, 267

und Fette 34-35

und Braunfärbung 52

und Hefen 66, 70, 79

Probiotika 64, 65

und Fermentation 65, 67

und Mikroorganismen 50,

Proteasen 49, 50, 51, 53,

und Herzhaftigkeit 24

65, 66, 67, 69-70, 73

180, 186, 201-202

und süß 134, 137

und Öl 112

schneiden

83, 188, 274-275

57, 171 Proteinasen 50 pürieren 54, 59, 106, 216, 248, 251, 252, 260, 269

Säuregrad (pH-Wert)

und Schimmelpilze 66, 70

158-159 Schmelzpunkt 154, 155, 158,

158, 265 Schmorgerichte 21, 24, 35, 36, 40, 89, 107, 123, 173,

Braunfärbung 51-52

aufschäumen 237, 243

Sauerteig 231

scharfes Messer 54

Eiweißmoleküle 171-172

Schäume 151, 229-245

und Aroma 49, 53, 84, 88,

Enzyme 49, 51

Aroma 230, 345

106, 107, 109

Fermentation 65, 67

Basisflüssigkeit 231,

R

und Enzyme 48, 51,

Maillard-Reaktionen 24,

232-233

53-54, 61

Radikale 34, 35, 36

28, 29

Bewegung 233-234

Ranzigkeit 34, 35, 36

Spalten 29, 49, 180

Druck 236

Pyrolyse 22

und Geschmack 48, 53 Schnellkochtopf

285 tränken 202-203, 274

Aromalöslichkeit 106-107

vakuumgaren 53, 60

und Geschmack 21, 190

und Bräunungsreaktionen

Aroma-Stärke-Interak-

verbrennen 18, 19, 22

und Textur 173, 194

23

tionen 122

verdunsten 22, 24,

und Maillard-Reaktionen

und Enzyme 48, 49,

Aromaverflüchtigung

186-188, 189, 200

21, 25, 27, 29, 173, 190

64,66, 68

88-89,106

Verknoten und spalten

und Temperatur und Zeit

und Fett 123, 129

aufschäumen 235

21, 25, 29, 190

und Mikroorganismen 64

Bräunungsreaktionen

und Wasser 122-123

18-20, 22, 107

und Zucker 49, 51, 55

Denaturierungstempe-

Schokolade schmelzen 158, 167 temperieren 167

Stärkekörner (Granulate) 15,

SCOBY 67, 79

149, 202-203

29, 171-172 Temperieren von Schokolade 167 Textur 8-9, 147-151

ratur 52, 53

dämpfen 88

emulgieren 217, 218-219

Fermentation 64, 65, 66,

Sedimentieren 249-250

Soda siehe Backsoda

entziehen 200

69, 77, 159

Seife 37, 43

Sojabohnen 66, 68, 71

Enzyme 49, 51, 52-53, 55,

spalten 50, 171

Sichuanküche 137-138, 143

Sojasauce 66, 68

57, 59, 89, 157

und Backsoda 24

Siedepunkt 187

solvent extraction 104-105

Erstarrungspunkt/Erstar-

und Enzyme 48-49, 50,

Aroma 88, 90

Soufflé 186, 191, 223, 233

rungsstrecke 154, 155,

51, 60, 70, 77

und Konzentration 23

Sous-vide siehe Vakuum-

156, 171-172

Wasser 89

garen

This, Hervé 105 Tomate/Tomatensoße 24,

Siedepunkterhöhung 22, 189

Spargel 89, 94

Fermentation 68, 70, 79

Smen 34, 44

Speichel

Fette 35

spalten 151, 169-175,

Grundgeschmacksrich-

Gefrierpunkt 154, 159

179,180

tungen 82, 102

Gefrierpunktsenkung

Eiweiß 29, 48, 50,

und Enzyme 49, 82, 83,

159,165

170-175, 177

122, 174

Gefrierschrank 51,

und Wasserlöslichkeit

Fette 48

verknoten 172

Extraktion 107

28, 53, 61, 104, 138, 159, 248 tränende Augen 49, 53, 54, 61 Tränken 10, 151, 200-205,

250-251

208, 209, 211, 269, 270,

Gelatine 29, 173

Stahl 37, 40

Karamellisierung 18-19,

275

kettenförmige Moleküle

Sterilisation 70

23, 25, 27, 29, 31

Bewegung 205

149, 170

Süß

Kühlung 35, 36, 50, 51,

Druck 205

Kohlenhydrate 48

als Grundgeschmack 8,

54, 57, 71, 125

Temperatur 200-202

mit Enzymen 48-49, 50,

82, 102, 132, 133, 134,

Maillard-Reaktionen

Zusammensetzung

122, 170, 171, 172-174

136, 138, 142

20-22, 25, 27, 35, 68

mit Säure 170, 173

künstliche Süßstoffe 134

Oxidation 37, 40

Säuregrad 29

und bitter 267

Pyrolyse 22

Stärke 48, 49, 55, 122

und Enzyme 49, 51, 55

reduzieren 23

Traubenzucker siehe Glucose

Temperatur 29, 173

und Säure 134, 137

Reifung 52, 53

Triebmittel 231

und Geschmack 48-49,

Verhältnis Zuckereiweiß

Schmelzen und erstarren

trocknen 50, 67, 69, 188

50, 55, 171

24

158

siehe auch Zucker

203-205 Transglutaminase 48, 49, 174, 177

Schmelzpunkt/Schmelz-

U

Zusammensetzung

süßsauer 77

bereich 154, 155, 156, 158,

umami (herzhaft)

172-174

suspendieren 151, 248-252,

und Textur 50, 171

161, 167

als Grundgeschmack 8,

256-257, 259, 260, 269,

Schnellkochtopf 21, 25,

24, 82, 102, 132, 133,

als Bindemittel 120, 123,

270, 274

29, 190

135-136

138, 154, 155, 203

Bewegung 251

Siedepunkt 23, 88, 89,

und Eiweiß 50, 171

Amylopektin 15, 120-121,

Druck 252

90,187

und Enzyme 49, 50, 67

270

Oberfläche 249

Siedepunkterhöhung 22,

Monosodium Glutamat

Amylose 15, 120-121, 122,

Temperatur 250

189

(MSG) 135-136

123, 125, 126, 163, 270

Zeit 249

Stahltöpfe 37, 43

Sojasauce 68

Aroma-Stärke-Interak-

Zusammensetzung 252

suspendieren 250-251

Verhältnis Zucker-Amino-

Tränken 200-202

säuren/Eiweiß 21, 24

und Geschmack 88-89,

und saure Zutaten 24

Stärke 149, 150

tionen 85, 119-129, 163

Szechuanpfeffer 137, 145

aufschäumen 230, 243 Bindekraft 120-123, 150

T

106, 138

Gele 154, 155

Tastsinn 136

und Konservierung 37, 50

V

Größe 4-15

Tee 36, 102

und Konzentration 23

vakuumieren

und Zeit 20, 21, 22, 23,

Explosionsgefahr 70

276

Tempeh 66, 71

24, 25, 27, 29, 37, 52, 70,

und Aroma 93, 103

spalten 48, 49, 55, 122

Temperatur 11

107

und Aufschäumen 236

quellen 202-203, 270,

Kombucha 67, 79

register

und Karamellisierung 29

286 kondensieren 89, 97, 151,

Schnellkochtopf 21, 25,

132, 134, 135, 136-137, 142,

und Braunfärbung 52

186-187, 188, 190, 191

29,190

267

und Druck 190

Schmelzpunkt 154

suspendieren 249-250

und kauen 83

und Fermentation 70

Siedepunkt 89

und Backsoda 24, 28

Wahrnehmung von

und Oxidation 35, 50

und Aroma 85, 91,

und Geschmack 51, 54, 59,

Geschmack 9, 49, 82, 85,

und Tränken 205, 211

102-107

60, 61, 70, 138 138-139,

Vakuumfiltration 252

und Fermentation 66, 69,

141

Vakuumgaren (Sous-vide)35,

70, 73

und Konzentration 23

29

und Grundgeschmacks-

und Temperatur 20, 21,

Aromalöslichkeit 102-105

Vakuumreduktion 189

stoffe 8, 82, 102, 104-105

22, 23, 24, 25, 27, 29, 37,

Aroma-Stärke-Interak-

Vanille 20, 21, 163

und halbfeste Stoffe

52, 70

tionen 122-123

Vanillin 102

148-150, 151

vakuumgaren 53

Aromaverflüchtigung 91

verbrennen 18, 19, 22

und Karamellisierung

verdampfen 188

Aufschäumen 236-237

verdampfen 10, 185-197,

18-19

REGISTER textur

und bewahren 35, 50

53, 60, 90

Zellen siehe Pflanzenzellen;

131-139 Zusammensetzung 8, 10-11

Emulgieren 215-218

265, 267, 270, 271, 273,

und Öl 94, 103, 104-105,

274

148, 188, 190, 213-219

Zellulose 148, 157

Maillard-Reaktionen 20,

Druck 190

und Salz 24, 69, 70, 189,

zentrifugieren 250

22-24, 29

Kohlensäure 135

266

Zitrone 24, 51, 135

Oxidation 34-36

Oberfläche 190

und Stärke 122-123

Zitrusfrucht

Schmelzen und Erstarren

Temperatur 186-188, 189,

und Temperatur 22, 24,

Aroma 82, 83, 88, 105,

156-160

200

89, 154

106, 112, 135

Suspendieren 251-252

Trockenreifung von Fleisch

verdampfen 19, 22, 36,

Zerstoßen (Mörser) 106, 251

Tränken und Entziehen

50

88-90, 94, 116, 151,

Zucker

202-205

und abdecken 11

185-197

einfache vs.

und Geschmack 137-138

und Bräunungsreaktionen

siehe auch Aromaverflüch-

Gefrierpunktsenkung 159,

Verdampfen 189

22,189

tigung; Aromalöslichkeit

165

Verknoten und Spalten

Muskelzellen

Fermentation 68

und Konzentration 23, 189

Wasserdampf 231, 234

Karamellisierung 14,

Wasser 19, 22, 36, 88-90,

Wasserstoff 134, 135

18-20, 22, 23, 25, 27, 29,

94, 116, 151, 185-197

Wein 20, 24, 36, 65, 66, 67,

31, 36

Enzyme 48, 49, 53, 59, 61

Zeit 188

138, 142, 180

Konzentration 23, 29,

schneiden 48, 49, 53,

50,189

54, 61

Zusammensetzung 189

Edelfäule 67

siehe auch Aromaverflüch-

wild kochen 89

Maillard-Reaktionen 14,

tigung

Wok einbrennen 37

20-24, 25, 29, 35, 36, 68

Würzsud 135, 225

mehrfache 23

und Fermentation 64

Wunderbeere 136-137

Molekülgröße 14

Vorverdauung 83

Wurst, trockene 67, 69

Polysaccharide 149

Verdauung

verdicken 155, 163, 252 Verhältnisse Zucker-Aminosäuren/

Pyrolyse 22 X

Sorten 14, 18, 23, 134

Xanthan 231, 232, 235

und Alkohol 67

Eiweiß 21, 24, 27

und Aminosäure 14, 20,

Quellung 202-203, 270,

Z

276

Zeit 11

23, 24, 25, 29, 35, 68, 148 und Eiweiß 20, 21, 22, 23,

Aromalöslichkeit 107

25, 27, 29, 36

Aroma-Stärke-Interak-

und Mikroorganismen 65,

Verteilungskoeffizient 106

tionen 122, 126

66, 68

VE-Tsin 136, 177

aufschäumen 234

und Stärke 49, 51, 55, 68

Vitamine 36, 190

emulgieren 219

Verhältnisse 24, 25, 27

Enzyme 53

zufügen 20, 23, 203, 125,

W

Extraktion 107

267

Wasser/Flüssigkeit 148

Fermentation 68, 70

siehe auch Fructose;

emulgieren und gerinnen

Karamellisierung 23, 24

Glucose; Lactose; Maltose;

22, 213-219

Maillard-Reaktionen

Extraktion von Aroma

20-21, 23, 24, 27, 28, 29,

Zuker, Charles 137

103-107

35, 36, 37, 39, 107, 125

Zunge

Gefrierpunkt 154, 159

Oxidation 36-37

Geschmacksrezeptoren

Kohlensäurehaltig 138

Reifung 52, 53

(Geschmackspapillen) 82,

Verderben 34, 37, 50, 53, 66, 69, 203

Sacharose

171-174 Zwiebel und Knoblauch

287

A

Apfelpaté 116-117 Aprikosenmarmelade mit

265-266

Gefüllte Koteletts mit

164

108 Möhrensuppe 29

209

Bisque de Crevettes (Garnelensuppe) 227 Bœuf Bourguignon 180 Brathähnchen aus der Mikrowelle 269 Briochebrötchen 55 Butterzartes Bavette 57

Gekochte Artischocke mit

und Aprikosen 39

Orangeneis auf Orangenbutter-Basis 115

umami Vinaigrette 142 m’leh) 44 Geschmackswasser 253-255

Ceviche 183 Chicken & Waffles 27 Chicorée mit Orange 267 Chili con carne 126 Crème Caramel 31

Dulce de Leche 25

Perfekte Pommes frites

H

Perfektes Rindersteak 273

274-275

193 Eis aus dem Mixer 260 Erdbeersahneeis 260 Espumas 240-241 Estragonbutter 111

Fajitas 43 Fermentiertes Rindersteak nach koreanischer Art 76

Focaccia mit Rosmarin 256-257

Pistaziensoufflé 191 Polenta mit Olivenöl,

butter ohne Antioxi-

163

Kabu no Senmai Zuke 75

Radicchio 270

Kaffeebutter 111

Romesco-Sauce 259

Kartoffelpüree nach

Rotes Tempeh aus weißen

Heston Blumenthal 60

Bohnen 71

Kimchi 73 Klare Consommé 261

S

Knollenselleriewasser 255

Safranschaum 241

Kräuteröl 112 Kürbissalsa mit Kürbisschaum 99

Salzgurken 77 Sauce béarnaise 225 Sauce bolognese 28 Schokopralinen 167 Schokosahne 239 Schwarze Bohnenburger

 L

Lachsfilet Sous-vide mit Fenchelsaat und Zitrone 93 Lammkeulen in Rotwein 40-41

Gazpacho 59

M

Gebratenes Schollenfilet

Mayonaisesoufflé 223 Minzsorbet mit Minzöl

likum 221 Tomatensalsa 61 Tomatenwasser 253 U

umami Ingwerschaum 245 V

Vanille-Eis mit Ingwer und Zitronengras 95 Z

Zweifarbensuppe aus

R

Risotto mit Rote Bete und

Sahnespender 113

Tomatenpastis mit Basi-

Pudding aus Irish Moos

naise 224

 G

mit Beurre noisette

Salbei und Pilzen 129

Selbst Gemachte Mayon-

Kräuterbitter aus dem

Sahnespender 240 Tiger-Windbeutel 195-197

teigdeckel 97

Selbst Gemachte Erdnuss-

Frittierter Tofu mit GuaiWei-Sauce 143

Pilzbouillon unter Blätter-

Himbeerjoghurteis 260

Flan aus Zwiebelsuppe 181

Fleischbouillon) 109

Herzhaftes Dal 125

Kombucha 79

F

Pho Bo (Vietnamesische

208

K

Einfaches Vollkornbrot

207

Grünkohleintopf 127

Dumpling-Suppe 161 E

Parmigiana di melanzane Perfekte Baiser 243

dantien 45

D

T

Parmesanschaum 240

Gewürzbutter 111

Haschee 194

Szechuanpralinen 145

Tassenkuchen aus dem

P

Getränkte Früchte 211

Hähnchen-Chop-Suey

C

Hähnchenschenkeln

O

Gereifte Butter (Smen

B

Süßer Schmortopf aus

Piment und Thymian

Haselnüssen und Rosen Aquafaba-Baiser 244

REZEPTE

REZEPTE

177 Schweinekotelett mit Papayasalsa 179 Sorbet aus Tomaten und Wassermelone 165 Spargel aus dem Backofen mit Orangen-Hollandaise 94 Spinatwasser 255

Rote Bete und Brunnenkresse 141

Die Stiftung Warentest wurde 1964 auf Beschluss des Deutschen Bundestages gegründet, um dem Verbraucher durch vergleichende Tests von Waren und Dienstleistungen eine unabhängige und objektive Unterstützung zu bieten. Titel der niederländischen Originalausgabe „Keukenlab: word een betere kok door te koken met kennis“. Der Originaltitel erschien 2019 bei Nijgh & Van Ditmar. Die Rechte wurden vermittelt durch Lizenzagentin Buch und Merchandising Anette Riedel.

© 2019 Nijgh Cuisine Nijgh Cuisine gehört zu Nijgh & Van Ditmar © 2021 Stiftung Warentest, Berlin, für die deutschsprachige Ausgabe Stiftung Warentest Lützowplatz 11–13 10785 Berlin Telefon 0 30/26 31–0 Fax 0 30/26 31–25 25 www.test.de [email protected] USt-IdNr.: DE 136725570 Vorstand: Hubertus Primus Weitere Mitglieder der Geschäftsleitung: Dr. Holger Brackemann, Julia Bönisch, Daniel Gläser Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Die Reproduktion – ganz oder in Teilen – bedarf ungeachtet des Mediums der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Alle übrigen Rechte bleiben vorbehalten. Programmleitung: Niclas Dewitz Projektleitung: Lisa Frischemeier

Text und Rezepte: © Jan Groenewold & Eke Mariën Übersetzung: Verena Kiefer, Luckenback Lektorat: Martin Zwilling, Berlin Korrektorat: Sebastian Stapf, Potsdam Mitarbeit: Merit Niemeitz Satz: FÖRM – Büro für Gestaltung, Berlin Fotografie: Saskia van Osnabruggen Styling: Annemieke Paarlberg Foodstyling: Eke Mariën Gestaltung und Grafik: Tijs Koelemijer Produktion: Christian Königsmann, Vera Göring Verlagsherstellung: Rita Brosius (Ltg.), Romy Alig, Susanne Beeh Litho: tiff.any, Berlin Druck: Westermann Druck Zwickau GmbH

ISBN: 978-3-7471-0483-5

eISBN: 978-3-7471-0509-2 (PDF-Version)

Unsere Küche ist eigentlich ein großes Laboratorium, denn was beim Kochen in unseren Töpfen geschieht, sind spannende chemische und physikalische Prozesse. Sie zu verstehen hilft uns, besser und eindrucksvoller zu kochen. Der Chemiker Jan Groenewold und der Koch Eke Mariën nehmen uns mit in die faszinierende Welt des wissenschaftlichen Kochens. Anhand von 15 grundlegenden Prozessen wie Maillard-Reaktionen, Karamellisierung, Verdampfung, Emulgierung, Oxidation oder Fermentation zeigen sie Schritt für Schritt, wie sich Geschmack, Aroma und Textur perfektionieren lassen. Wie das in der Praxis funktioniert, wird in mehr als 75 genialen Rezepten erklärt. Von luftigen Briochebrötchen über das perfekte Steak bis zu raffinierten Saucen und Schäumen – dieses Kochbuch verrät, wie in unserem Küchenlabor jedes Rezept mühelos gelingt. Freuen Sie sich auf neue Geschmackserlebnisse!

„Ein großartiges Buch voller genialer Rezepte mit Erfolgsgarantie, durch die man endlich versteht, was wirklich im Topf und im Backofen passiert!“ –delicious.

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