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German Pages 786 [788] Year 2021
Karl von Weber Zwischen Revolution und Reaktion
Quellen und Forschungen zur sächsischen und mitteldeutschen Geschichte · Band 47 Im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig herausgegeben von Enno Bünz, Armin Kohnle, Heiner Lück, Manfred Rudersdorf, Matthias Werner und Hartmut Zwahr in Verbindung mit der Historischen Kommission
Karl von Weber Zwischen Revolution und Reaktion Tagebuchaufzeichnungen eines sächsischen Ministerialbeamten und Archivars von 1828 bis 1879 Bearbeitet und herausgegeben von Reiner Groß
Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig In Kommission bei Franz Steiner Verlag Stuttgart
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Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. 2. 3. 4.
Sachsen im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biographisches zum Leben von Karl von Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Inhalt der Tagebucheintragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung und Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 19 24 31
Tagebucheintragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil I: Von den Erinnerungen an die Kindheit bis zum Ende des Jahres 1849 . . . . . . . .
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1. 2.
33
3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Erinnerungen an die Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lehrjahre in Dresden. Von den revolutionären Ereignissen in Dresden 1830 bis zum Vormärz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am Vorabend der Revolution. Als Geheimer Referendar im Gesamtministerium . Märzstürme 1848. Liberaler Umschwung in Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Wahl zur Frankfurter Nationalversammlung bis zur Ermordung Robert Blums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dezemberwahlen und Linkskurs der sächsischen Demokratie. Weiterarbeit im Gesamtministerium und Übernahme der Direktion des Hauptstaatsarchivs Dresden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Bildung des Beamtenministeriums Held bis zur Landtagsauflösung am 28. April 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Reichsverfassungskampf in Dresden. Als Zeuge beim Dresdner Maiaufstand . Beginn der Reaktion in Sachsen. Mitarbeit am Bundesschiedsgericht in Erfurt und Ausklang des Revolutionsjahres 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 59 70 91 114 123 142 158
Teil II: Vom Ende des Revolutionsjahres 1849 bis zu Webers Tod 1879 . . . . . . . . . . . . 174 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Von der Dresdner Konferenz bis zum Thronwechsel 1854 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Archivar, Landeshistoriker und „graue Eminenz“ in den ersten Jahren der Regierungszeit von König Johann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erneut Vortragender Rat im Gesamtministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am Vorabend des preußisch-österreichischen Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unter preußischer Besatzung – leitender Mitarbeiter in der Landeskommission . . Von der Auflösung der Landeskommission bis zur Reichsgründung . . . . . . . . . . . . Letzte Lebensjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachruf von Johann Paul von Falkenstein auf Karl von Weber. Juli 1879 . . . . . . .
174 279 416 430 442 511 639 681
Dokumentenanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 Nr. 1
Ahnentafel Karl von Weber. Von Kurt Wensch: Archivgeschichte und Genealogie. In: Beiträge zur Archivwissenschaft und Geschichtsforschung. Weimar 1977, S. 161 (Tafel 10)
687
6 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4
Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 9 Nr. 10 Nr. 11 Nr. 12 Nr. 13 Nr. 14 Nr. 15 Nr. 16 Nr. 17 Nr. 18 Nr. 19 Nr. 20
Inhalt
Antwort Sr. Majestät des Königs auf die von der Stadt Leipzig überreichten Adressen. In: Leipziger Zeitung vom 6. August 1845. Nr. 196. Außerordentliche Beilage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl von Weber: Eigenhändiger Auszug aus den amtlichen Untersuchungsakten gegen Johann Tyssowski. August 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl von Weber: Eigenhändige Bemerkungen zu den schriftlichen Darlegungen des sächsischen Außenministeriums über das Verhalten des sächsischen Gesandten Rudolf von Könneritz in Wien bei der Erschiessung von Robert Blum am 9. November 1848. November 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . Auszug aus der Erklärung von Kaufmann Büttner aus Lauban „An das sächsische Volk!“ In: Dresdner Anzeiger vom 8. März 1849. Zweite Beilage, S. 18 Waffenstillstandsabkommen zwischen der Provisorischen Regierung und dem Gouverneur der Stadt Dresden vom 4. Mai 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief von Finanzminister Carl Wolf von Ehrenstein an Karl von Weber. Dresden, 10. Mai 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwei Briefe von Bernhard von Cotta aus Freiberg an Karl von Weber. Freiberg, 12. Mai und 15. Mai 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erinnerung an den verstorbenen verehrungswürdigen Oberhofprediger Herrn Dr. Christoph Friedrich v. Ammon. Beilage zum Dresdner Anzeiger. 25. Mai 1850. Verfasser unbekannt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Extrablatt des Dresdner Journals vom 5. November 1850 . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief von Außenminister Fr. F. v. Beust an Karl v. Weber wegen Teilnahme an den Beratungen der Dresdner Konferenz. Dresden, 14. März 1851 . . . . . . . Karl v. Weber: Festgedicht zur Teilnahme von Weber an den Beratungen der Dresdner Konferenz. März 1851 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief von König Friedrich August II. an den österreichischen Feldmarschall Radetzky. Dresden, 26. Oktober 1851 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief von Außenminister Fr. F. v. Beust an Karl v Weber mit der Bitte um Korrekturlesen zum Zivilgesetzbuch. Dresden, 24. November 1851 . . . . . . . . . Schreiben des Staatsministers des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach C. B. v. Watzdorf an Karl v. Weber wegen Übernahme des sächsischen Zivilgesetzbuches für Sachsen-Weimar. Weimar, 24. Juni 1853 . . . . . . . . . . . . Schreiben des Staatsministers a. D. J. Tr. J. v. Könneritz an Karl v. Weber wegen Mitwirkung an der Organisation der Gerichte. Lossa, 4. Oktober 1853 . Antwortschreiben von Karl v. Weber an Staatsminister a. D. J. Tr. J. v. Könneritz. Dresden, 17. Oktober 1853 sowie der dazugehörige Briefwechsel zwischen Weber und Beust zur Kenntnisnahme durch Beust . . . . . . . . Schreiben des Gesamtministeriums an die Direktion des Hauptstaatsarchivs mit Genehmigung der Forschungen zur Kurfürstinwitwe Maria Antonia. Dresden, 10. Oktober 1856 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht des sächsischen Gesandten von Bose in München in der Ordensangelegenheit für Karl v. Weber. München, 13. Juli 1857 . . . . . . . . . . . . . . . . . Erneuter Bericht des sächsischen Gesandten von Bose in München in der Ordensangelegenheit für Karl v. Weber. München, 8. Oktober 1857 . . . . . . . . .
688 689
689 690 691 691 692 693 695 695 696 697 698 698 699 701 702 702 703
Inhalt
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Nr. 21 Brief von Hermann Orges, Redakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung, an Karl v. Weber. Augsburg, 4. November 1861 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704 Nr. 22 Gedicht von Fr. F. v. Beust über seine Gemütsverfassung. Dresden, 17. Oktober 1861 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 Nr. 23 Zeitungsbericht über das Deutsche Turnfest in Leipzig. In: Dresdner Nachrichten. Tageblatt. Nr. 216 vom 4. August 1863 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 Nr. 24 Karl v. Weber: Ausarbeitung über die Sukzessionsfrage von Schleswig-Holstein für König Johann. Dresden, März 1864 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706 Nr. 25 Karl v. Weber: Protokollnotizen über den Vortrag von Außenminister Fr. F. v. Beust am 2. März 1866 im Gesamtministerium über die politische Situation im Deutschen Bund. Dresden, 2. März 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712 Nr. 26 Bericht von Karl v. Weber an König Johann wegen Einsetzung einer Landeskommission. Dresden, 2. April 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 Nr. 27 Schreiben von Außenminister Fr. F. v. Beust an Karl v. Weber aus Plauen über die Ministerverantwortlichkeiten bei Einsetzung der Landeskommission. Plauen, 21. April 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 Nr. 28 Karl v. Weber: Entwurf einer öffentlichen Bekanntmachung bei Einsetzung der Landeskommission. Undatiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 Nr. 29 Karl v. Weber: Niederschrift über interne Verhandlungen zwischen Sachsen und Österreich im Mai/Juni 1866. Undatiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717 Nr. 30 Karl v. Weber: Entwurf eines Schreibens der Landeskommission an den Preußischen Zivilkommissar von Wurmb wegen geforderter zusätzlicher Leistungen an Preußen. Dresden, 16. Juli 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 718 Nr. 31 Karl v. Weber: Protokoll über weitere preußische Aktenabgabeforderungen in Vollzug der Hauptkonvention vom 28. August 1819. Dresden, 27. August 1866 . 719 Nr. 32 Brief von Fr. F. v. von Beust an Karl v. Weber mit Ausführungen über sein Verhältnis zu Preußen. Bad Gasteien, 11. September 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . 720 Nr. 33 Brief von Fr. F. v. Beust an Karl v. Weber mit der Bitte um Regelung seiner finanziellen Angelegenheiten in Dresden. Salzburg, 24. September 1866 . . . . . 721 Nr. 34 Brief von Fr. F. v. Beust an Karl v. Weber über seine neuen Dienstverhältnisse in Österreich-Ungarn. Wien, 4. November 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722 Nr. 35 Brief von Staatsminister J. P. v. Falkenstein an Karl v. Weber zur Verleihung des Komthurkreuzes II. Klasse des Verdienstordens. Dresden, 12. November 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723 Nr. 36 Brief von Staatsminister R. C. v. Seebach aus Sachsen-Koburg an Karl v. Weber über die Beratungen zur Verfassung des Norddeutschen Bundes. Berlin, 16. Januar 1867 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723 Nr. 37 König Johann: Bemerkungen über ein neues sächsisches Wahlgesetz. Undatiert (September 1867) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 Nr. 38 Brief von Staatsminister R. C. v. Seebach an Karl v. Weber mit der Bitte um geeignete Personalvorschläge für die Neubesetzung der Stelle des Staatsministers im Großherzogtum Sachsen-Weimar. Gotha, 5. Oktober 1870. – Karl v. Weber: Konzept zu den Charakteristiken für zwei Kandidaten. Undatiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727
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Inhalt
Nr. 39 Sophie v. Weber: Entwurf zu einer ironisch gemeinten Bekanntmachung über die Entlassung von J. P. v. Falkenstein als Kultusminister. Undatiert (September 1871) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 40 Ordnung bei Aufnahme des Herrn Direktors des Hauptstaatsarchivs Ministerialrats Dr. von Weber in den Schoß des hochwürdigen Domkapitels Meißen. Undatiert (Mai 1872) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 41 Karl v. Weber: Entgegnung auf den Toast bei seiner Einführung als Domprobst im Domstift Bautzen am 30. Juli 1872 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 42 Entwurf für die künstlerische Ausschmückung der Albrechtsburg zu Meißen. Undatiert (November 1874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 43 Karl v. Weber: Dankschreiben an König Albert für die Verleihung des Komthurkreuzes I. Klasse des Verdienstordens. Dresden, 19. Juni 1878 . . . . . . . . . . Nr. 44 Brief von Staatsminister G. Fr. A. v. Fabrice an Karl v. Weber mit weiteren Genesungswünschen und dem Wunsch zur Weiterführung der Dienstobliegenheiten im Gesamtministerium. Loschwitz, 12. Juli 1879 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
729 730 731 731 736 737
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 778 Nachwort des Bearbeiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786
Karl von Weber um 1870. Fotografie von August Kotzsch. In: August Kotzsch. 1836–1910. Photograph in Loschwitz bei Dresden. Hrsg. von Ernst Hirsch, Matthias Griebel, Volkmar Herre. Dresden 1986. S. 121.
Einleitung
1. Sachsen im 19. Jahrhundert Das 19. Jahrhundert brachte so einschneidende und bemerkenswerte Veränderungen der gesellschaftlichen Zustande in Deutschland wie wohl kein anderes Saeculum vorher. Von diesen Entwicklungen war das Kurfürstentum Sachsen, ab Dezember 1806 Königreich, in besonderem Maße betroffen.1 An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert standen Europa und die Neue Welt jenseits des Atlantischen Ozeans ganz unter dem Eindruck der Französischen Revolution von 1789. Die Auswirkungen dieser siegreichen bürgerlichen Revolution waren bald überall in den deutschen Landen spürbar – von den linksrheinischen Gebieten über die Mainzer Republik, Südwestdeutschland und Kursachsen bis in die östlichen Landesteile des preußischen Staatsgebietes. Diese Vorboten grundlegender Wandlungen, von den absoluten Monarchien auf deutschem Boden mit militärischer Gewalt noch unterdrückt, kündigten die entscheidenden Veränderungen der politischen Szene in Mitteleuropa an. Zu Beginn des Jahrhunderts überzog der große Korse als Interessenvertreter der französischen Großbourgeoisie den europäischen Kontinent mit Feuer und Schwert. Unter den Schlägen der Grande Armee brach das Heilige Römische Reich deutscher Nation nach über tausend Jahren seiner Existenz auseinander. Die politische Landkarte des deutschen Territoriums wurde in wenigen Jahren nach 1806 wesentlich verändert – neue Territorialstaaten wurden von Napoleon I. aus eigener Machtvollkommenheit geschaffen und der Rheinbund gegründet, dem zahlreiche deutsche Mittel- und Kleinstaaten nach ihrer Besetzung durch französische Truppen beitreten mussten. Diesen Schritt musste auch Sachsen vollziehen. Nach der militärischen Niederlage der preußischen Truppen im Verein mit der sächsischen Armee in der Schlacht von Jena in den ersten Oktobertagen 1806 wurde Sachsen, das zu diesem Zeitpunkt noch von Werra und Suhl im Westen bis Lauban am Queis im Osten und von der Südspitze des Vogtlandes bis Belzig vor den Toren Berlins im Norden reichte, von französischen Truppen besetzt. Die danach von Napoleon erzwungenen separaten Friedensverhandlungen führten zum Abschluss des Friedensvertrages von Posen und seiner Unterzeichnung am 11. Dezember 1806. Sachsen trat dem Rheinbund bei, nahm die Erhebung zum Königreich an, trat Gebiete im nordwestlichen Thüringen an das künftige Königreich Westfalen ab und bekam dafür im Nordosten Sachsens angrenzende preußische Gebiete nach einem Friedensschluss Frankreichs mit Preußen zugesprochen. Nach dem Diktatfrieden von Tilsit 1
Generell dazu Rudolf Kötzschke, Hellnut Kretzschmar: Sächsische Geschichte. Band 2: Hellmut Kretzschmar: Geschichte der Neuzeit seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Dresden 1935, besonders S. 285– 376. – Hartmut Zwahr: Revolutionen in Sachsen. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte. Weimar 1996. – Sachsen 1763–1832. Zwischen Retablissement und bürgerlichen Reformen. Hrsg. v. Uwe Schirmer. Beucha 1996 (= Schriften der Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft 3). – Suzanne Drehwald, Christoph Jestaedt: Sachsen als Verfassungsstaat. Leipzig 1998. – 200 Jahre Königreich Sachsen. Beiträge zur sächsischen Geschichte im napoleonischen Zeitalter. Hrsg. v. Guntram Martin, Jochen Vötsch u. Peter Wiegand. Beucha 2008 (= Saxonia. Schriften des Vereins für sächsische Landesgeschichte. Band 10). – Sachsen, Preußen und Napoleon. Europa in der Zeit von 1806–1815. Hrsg. v. Uwe Niedersen. Dresden, Torgau 2010. – Reiner Groß: Geschichte Sachsens. 4. Aufl. Leipzig 2012, S. 159–252.
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Einleitung
1807 wurden die Vereinbarungen des Posener Friedensvertrages im Sommer 1807 wirksam. So kam der Cottbuser Kreis von Preußen an Sachsen und das durch Napoleon neu errichtete Großherzogtum Warschau wurde dem sächsischen König Friedrich August I. übertragen. Die Befreiungskriege brachten die Beseitigung der napoleonischen Fremdherrschaft, die weitere Herausbildung eines bürgerlichen nationalen Selbstbewusstseins, zugleich aber auch eine Restaurationspolitik, die ihren Ausdruck im Bündnissystem der Heiligen Allianz, in der Bildung des Deutschen Bundes und in der Metternich’schen Innen-und Außenpolitik fand. Besonders gravierend wirkte sich dies auf Sachsen aus, das mit dem Friedensvertrag von Preßburg, bestätigt dann durch den Wiener Frieden, zwei Drittel seines Territoriums an Preußen verlor. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sich im November 1813 ein „Banner der freiwilligen Sachsen“ gebildet hatte, das an der Seite preußischer, russischer und österreichischer Truppen gegen Napoleon kämpfte, ja diese sächsische militärische Formation sogar als Leibgarde des russischen Zaren fungierte. Durch die Bestimmungen des Wiener Friedens wurde Sachsen 1815 endgültig in die Reihe der politisch weniger bedeutenden deutschen Mittelstaaten zurückgedrängt. Die Restaurationspolitik der folgenden drei Jahrzehnte konnte die territorial-politischen Veränderungen von vor 1815 und die begonnene soziale Umwälzung nicht mehr rückgängig machen. Es wurde aber die Weiterführung von gesellschaftlichen Entwicklungen im Sinne des bürgerlichen Fortschritts behindert und es wurden eingeleitete Reformen vielfach im Interesse des noch immer gesellschaftlich bestimmenden Adels modifiziert. Die Revolutionsereignisse in den Jahren 1830 und 1831 vor allem in einigen deutschen Mittelstaaten führten zum Übergang in die Verfassungsverhältnisse einer konstitutionellen Monarchie, so in Sachsen, Kurhessen und Hannover. Die dann einsetzende gesellschaftliche Entwicklung mit der grundsätzlichen Auseinandersetzung zwischen den restaurativen Kräften vor allem des Adels, den Vertretern der kleinbürgerlichen Demokratie sowie des im Entstehen begriffenen Proletariats brachten die Revolution von 1848/1849 hervor. Die Niederlage der bürgerlichen Revolution von 1848/1849 ließ erneut die Herstellung eines einheitlichen deutschen Nationalstaates für die danach folgenden zwanzig Jahre offen. In diesen zwei Jahrzehnten bestimmte das Ringen um eine „großdeutsche“ oder „kleindeutsche“ Lösung der deutschen Frage die Politik im Deutschen Bund. Die darüber zwischen den deutschen Großmächten Österreich und Preußen, jeweils im Bunde mit weiteren deutschen Bundesstaaten, bestehenden konträren Auffassungen wurden letztlich im militärischen Konflikt im Sommer 1866 mit Waffengewalt ausgetragen. Es setzte sich die Politik des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck der Einigung von oben mit „Blut und Eisen“ durch. Sachsen, seit 1854 unter der Regentschaft von König Johann, stand in seiner durch Friedrich Ferdinand von Beust bestimmten Außenpolitik auf der Seite Österreichs und nahm mit seiner Armee als Teil des Bundesheeres am preußisch – österreichischen Krieg im Sommer 1866 teil. Sachsen erlebte in der Schlacht von Königgrätz die militärische Niederlage gegen Preußen mit. Im Ergebnis der preußisch-sächsischen Friedensverhandlungen von Nikolsburg trat dann Sachsen notgedrungen dem Norddeutschen Bund 1867 bei. Dies war Ausdruck der veränderten Machtkonstellationen in Deutschland, in dem Preußen endgültig die Vorherrschaft gewonnen hatte. Die Bismarcksche Politik der Bildung eines deutschen Nationalstaates in föderativer Gestalt wurde schließlich mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 erfolgreich abgeschlossen. Damit war in der Mitte Europas eine Groß-
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macht entstanden, die bald mit England, Frankreich und Russland den politischen, ökonomischen und letztlich auch militärischen Wettlauf um die Vorherrschaft in Europa und in der Welt aufnehmen sollte. All diese politischen Ereignisse des 19. Jahrhunderts waren maßgeblich durch die wirtschaftliche Entwicklung mitbestimmt. Es ist dies die Entstehung kapitalistischer Wirtschaftsverhältnisse, die in den deutschen Bundesstaaten mit der Industriellen Revolution verbunden war. Sachsen bestimmte diesen Prozess der Industrialisierung von Anbeginn mit. Um 1800 wurde mit dem Entstehen von ersten Fabriken in Chemnitz die erste Phase der Industriellen Revolution in Sachsen eingeleitet.2 Bald galt das Land als größtes Industriegebiet Deutschlands. Dazu gehörte die Gründung des Mitteldeutschen Handelsvereins 1828 und der Beitritt zum Deutschen Zollverein 1834. Es folgten der Bau der Eisenbahnstrecke Leipzig–Dresden ab 1834 und ihre Inbetriebnahme 1839 als erste deutsche Ferneisenbahnverbindung, der stürmische Ausbau des Eisenbahnnetzes bis zum Ende des Jahrhunderts, der zunehmende Einsatz der Dampfmaschine anstelle der Wasserkraft als Antriebskraft im Erz- und Kohlebergbau ebenso wie in der Maschinenbauindustrie und der Textilindustrie, die Aufnahme der Dampfschifffahrt auf der Elbe, die Entwicklung einer Schwerindustrie im Plauenschen Grund und im Zwickauer Gebiet, die zunehmende Einflussnahme Leipzigs mit seinem Bankund Handelskapital auf die industrielle Entwicklung sowie die Beteiligung des sächsischen Großbürgertums an bedeutenden europäischen Wirtschafts- und Verkehrsprojekten.3 Der technisch-industrielle Aufschwung Sachsens in jenen Jahrzehnten ist mit dem Wirken verdienstvoller Wissenschaftler und Techniker an der Bergakademie Freiberg ebenso verbunden wie mit der Gründung der Technischen Bildungsanstalt in Dresden 1828 und der Forstakademie Tharandt mit seiner Landwirtschaftlichen Lehranstalt. Eine solche Persönlichkeit ist der von 1817 bis 1851 als Maschinendirektor beim Oberbergamt Freiberg tätige Christian Friedrich Brendel, der nach einem mehrjährigen Studium an der Bergakademie Freiberg und einem einjährigen Studienaufenthalt in England, wo er entscheidende Anregungen für sein weiteres Schaffen erhielt, neuartige Maschinenanlagen für den sächsischen Bergbau konstruierte. Er entwickelte seit 1809 Dampfmaschinen für den Steinkohlenbergbau und das Salinenwesen ebenso wie er 1844 die Dampfmaschine im Freiberger Erzbergbau einführte. Brendel kann als einer der größten Techniker, Erfinder und Ingenieurökonomen in einem Atemzug mit James Watt und anderen hervorragenden Technikern im Zeitalter der Industriellen Revolution in Europa betrachtet werden. Dazu gehören ebenfalls die in Sachsen tätigen Techniker und Ingenieure wie Wilhelm Gotthelf Lohrmann, Rudolf Sigismund Blochmann und Johann Andreas Schubert in Dresden wie die Brüder Bernhard und Heinrich Cotta in Tharandt und Freiberg. Nicht nur die erste deutsche Lokomotive wurde unter der Leitung von Johann Andreas Schubert in Dresden-Übigau 1837 gebaut und in Tharandt von Adolph Stöckhardt noch vor Justus von Liebig die Verwendung künstlicher Düngemittel theoretisch begründet und in Lehrveranstaltungen propagiert, sondern auch finanziell und ökonomisch weit die Grenzen Sachsens überschreitende Pläne des Großbürgertums gehör2 3
Rudolf Forberger: Die Industrielle Entwicklung in Sachsen. 2 Bände in jeweils 2 Teilbänden. Berlin 1988, Leipzig/Stuttgart 1999. – Hubert Kiesewetter: Industrialisierung und Landwirtschaft. Sachsens Stellung im regionalen Industrialisierungsprozeß Deutschlands im 19. Jahrhundert. Köln, Wien 1986. Rainer Karlsch, Michael Schäfer: Wirtschaftsgeschichte Sachsens im Industriezeitalter. Dresden, Leipzig 2006, S. 13–70.
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ten dazu. Bereits an der Projektierung und am Bau der Leipzig-Dresdner Eisenbahn, auf das engste mit dem Namen von Friedrich List verbunden, hatten Leipziger Unternehmer und Bankiers, so Gustav Harkort, Gustav Seyfferth und Albert Dufour-Feronce, entscheidenden Anteil. Als 1845 der französische Ingenieur B. P. Enfantin von Ägypten nach Paris zurückgekehrt war, begann er mit Unterstützung von Freunden aus England, Frankreich und Deutschland eine Werbung unter Großindustriellen und Bankiers zur Finanzierung eines Kanalbaues durch die Landenge von Suez. In Deutschland war es der Leipziger Großkaufmann und Bankier Albert Dufour-Feronce, der aktiv dieses Projekt unterstützte. Auf seine Anregung hin wurde am 30. November 1846 die „Societè d’Etudes du Canal de Suez“ gegründet. Er brachte eine deutsche Studiengruppe mit Gustav Harkort, Robert Georgi und Sellier zusammen und erreichte die offizielle Beteiligung des sächsischen Staates durch die Gewährung eines staatlich garantierten Vorschusses in Höhe von 25 000 Franken. Damit trug Sachsen ebenso wie Österreich ein Sechstel der von der Studiengesellschaft veranschlagten Gesamtsumme von 150 000 Franken und übernahm damit die Hälfte des von Deutschland sicherzustellenden Darlehensanteiles. Die wirtschaftliche Entwicklung brachte neue gesellschaftliche Kräfte hervor. Das Bürgertum ging bald mit den herrschenden Kreisen des Adels einen Kompromiss ein und begnügte sich auf der Grundlage ihrer zunehmenden ökonomischen Macht mit der vom Adel zugestandenen Teilnahme an der politischen Machtausübung. Zugleich entwickelte sich das Proletariat als Teil dieser neuen, bürgerlich dominierten Gesellschaft, womit ein neues soziales Konfliktpotential entstand. Dies wurde in Sachsen am Vorabend der Revolution von 1848/1849 erstmals beim Bau der Eisenbahnstrecke Chemnitz–Riesa offensichtlich, als im Sommer 1845 mehrere hundert Eisenbahnbauarbeiter in einen Lohnstreik traten und ihn auch erfolgreich beenden konnten. Das alles führte letztlich zur Herausbildung einer landesweit organisierten Arbeiterbewegung, die in Sachsen ihren Ausgang nahm, was diese vom „Bund der Kommunisten“ unter Karl Marx und Friedrich Engels im Rheinland unterschied. Die elementare Arbeiterbewegung in Gestalt der „Arbeiterverbrüderung“ fand in den Jahren 1848 bis 1850 in Sachsen Grundlage und Heimstatt ebenso wie der Einfluss des Bundes der Kommunisten mit seinem Presseorgan der „Neuen Rheinischen Zeitung“ zunahm.4 Die 17 Forderungen des Bundes der Kommunisten vom März 1848 wurden in Sachsen ebenso verbreitet wie das Kommunistische Manifest, die Ansprachen der Zentralbehörde des Bundes und die Statuten des Bundes vom Januar 1851. Als im Frühjahr 1851 Emissäre des Bundes in verschiedene Teile Deutschlands geschickt wurden, in denen Gemeinden des Bundes der Kommunisten aktiv waren, da wurde auch der aus Dresden stammende Schneider Peter Nothjung als Bundesmitglied nach Sachsen gesandt. Am 10. Mai 1851 wurde er von der sächsischen Polizei auf dem Leipziger Bahnhof kontrolliert und wegen einer Unstimmigkeit in seinen Legitimationspapieren kurzer Hand verhaftet. Bei der Durchsuchung seines Gepäcks fanden sich ein Exemplar des Kommunistischen Manifestes, die Bundesstatuten, die Ansprachen der Zentralbehörde des Bundes vom Juni und Dezember 1850 sowie Briefwechsel mit Bundesmitgliedern, Beglaubigungsschreiben und Adressen. Dies löste eine Verhaftungswelle in vielen Teilen Deutschlands aus, in deren Ergebnis zahlreiche Bundesmitglieder 4
Die Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung 1848–1850. Dokumente des Zentralkomitees für die deutschen Arbeiter in Leipzig, bearb. u. eingel. von Horst Schlechte. Weimar 1979.
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in polizeiliche Untersuchung genommen und im sogenannten Kölner Kommunistenprozess verurteilt wurden. Dadurch wurde die Entstehung einer organisierten Arbeiterbewegung für etwa ein Jahrzehnt verhindert. Das 19. Jahrhundert bildet in der deutschen Geschichte das Jahrhundert des Ringens um einen einheitlichen deutschen Nationalstaat. Auf der Tagesordnung der Geschichte hatte dies schon lange gestanden. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung drängte im ausgehenden 18. und vor allem im 19. Jahrhundert immer mehr nicht nur zur wirtschaftlichen, sondern auch zur staatlichen Einheit. Dieser Prozess verlief in Deutschland besonders langsam und teilweise schmerzvoll. Die nationale Befreiungsbewegung gegen das napoleonische Herrschaftssystem führte nicht zu einem deutschen Nationalstaat. Die deutschen Einzelstaaten blieben erhalten. Sie schlossen sich zu einem Staatenbund im Deutschen Bund zusammen. Nicht progressive Ideen und praktisches Wollen zur Herbeiführung der Nationalstaatlichkeit standen bei der Gründung des Deutschen Bundes Pate, sondern das Bestreben zur Beibehaltung der überkommenen föderalen staatlichen Strukturen. Es nimmt deshalb nicht Wunder, wenn in den Lebenserinnerungen des keineswegs liberalen sächsischen Innenministers der Jahre nach 1849, Richard Freiherr von Friesen, zu lesen ist: „… aber überall, nicht nur in Sachsen, in ganz Deutschland herrschte Unzufriedenheit, Misstrauen und Besorgnis für die Zukunft. Die staatlichen Einrichtungen Deutschlands, der Bund selbst sowohl wie die Verfassungen eines großen Teiles der einzelnen Staaten waren alt geworden., passten nicht mehr zu den veränderten Verhältnissen, nicht mehr zu den Ideen, die sich der Bevölkerung in weiten Kreisen bemächtigt hatten. Der deutsche Bund, niemals populär und niemals im Stande, nach irgend einer Seite hin kräftig zu wirken, hatte sich schon damals vollständig überlebt. Die Bundesverfassung litt an einer inneren Unwahrheit, die bei jeder Gelegenheit sich bemerklich machte und die Bundesversammlung nach und nach nicht nur um die Teilnahme, sondern auch um die Achtung der Nation brachte und bringen musste.“5 Wenige Seiten später bemerkte er zutreffend: „Ein allgemeines Misstrauen war die Signatur jener Zeit; die Regierungen waren misstrauisch unter sich und gegen die Nation; das Volk war misstrauisch gegen die Regierungen, die einzelnen Stände und Klassen waren es gegeneinander. Jedermann fühlte und wusste, dass selbst der deutsche Bund, dieses schwache und machtlose Band, welches aber allein noch die Nation, das ganze Deutschland zusammenhielt, nur so lange bestehen konnte, als Österreich und Preußen einig waren, dass er aber sofort zusammenbrechen musste, wenn diese Einigkeit einmal aufhörte.“6 1m Bestreben zur Unterdrückung von demokratischen und revolutionären Bewegungen mit dem Ziel gesellschaftlicher Veränderungen waren die Regierenden sich einig. Das war 1819 beim Abfassen und Durchsetzen der Karlsbader Beschlüsse gegen die Burschenschaftsbewegung ebenso der Fall wie 1832 und 1834 bei den Beschlüssen der Wiener Ministerkonferenzen gegen jede demokratische Bewegung im öffentlichen Leben sowie im Vorgehen gegen die aufstrebenden demokratischen Kräfte im Vormärz. Das wurde dann besonders deutlich bei der Niederschlagung der Revolution 1848/1849 mit den bewaffneten Kämpfen in Sachsen und Baden im Mai und Juni 1849 um die Anerkennung der Reichsverfassung. 5 6
Richard Freiherr von Friesen: Erinnerungen aus meinem Leben. Dresden 1880, S. 56 f. Ebda., S. 59.
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Unüberbrückbare Gegensätze entstanden im Februar und März 1849 bei der Anerkennung der Grundrechte des deutschen Volkes, die die Frankfurter Nationalversammlung verabschiedet hatte, in der deutschen Oberhauptfrage und schließlich in der Frage der Anerkennung der Reichsverfassung. Das führte zum Rücktritt des Märzministeriums, dem wenige Tage später das Beamtenministerium Held folgte. Diese Regierung stimmte zwar der Veröffentlichung der Grundrechte zu, verhielt sich aber gegenüber allen anderen Forderungen ablehnend. Schließlich löste König Friedrich August II. am 28. April, dem preußischen Beispiel folgend, den Landtag auf. Die Ereignisse insbesondere in der Landeshauptstadt überschlugen sich danach. Am Nachmittag des 3. Mai kam es zum Sturm auf das Zeughaus in Dresden. Er bedeutete den Beginn des bewaffneten Kampfes in Deutschland um die Anerkennung der von der Frankfurter Nationalversammlung angenommenen Reichsverfassung. Auf den bald errichteten Barrikaden in Dresden standen neben Kommunalgardisten, Handwerkern und Arbeitern auch Landtagsabgeordnete. Drei von ihnen, Otto Leonhard Heubner, Samuel Erdmann Tzschirner und Karl Gotthelf Todt, bildeten am Nachmittag des 4. Mai eine Provisorische Regierung, nachdem der König und die Minister aus der Stadt auf den Königstein geflohen waren. Das Schicksal des Dresdner Maiaufstandes war am 9. Mai 1849 entschieden, als preußische und sächsische Truppen die letzten Barrikaden stürmten und sich die Aufständischen in Richtung Freiberg und Chemnitz aus der Residenz zurückzogen. Die blutige Niederschlagung des Dresdner Maiaufstandes beendete in Sachsen die revolutionäre Phase des Ringens um bürgerliche Gesellschaftszustände. Die sich anschließenden Jahre werden in Sachsen als Ära Beust bezeichnet. Sie brachten die Auseinandersetzung um die Herbeiführung des deutschen Nationalstaates in dieser sich daran anschließenden Reaktionsperiode mit der nochmaligen Aktivierung des Deutschen Bundes. Auf der gleichen Ebene lag die versuchte Realisierung des von dem Berater König Friedrich Wilhelms IV. Freiherr Joseph Maria von Radowitz erarbeiteten Unionsplanes, die mit dem Abschluss des Dreikönigsbündnisses zwischen Preußen, Sachsen und Hannover vom 26. Mai 1849 begann. Damit brach aber auch der machtpolitische Gegensatz zwischen Österreich und Preußen im Ringen um die Hegemonie bei der Herstellung eines nationalen Einheitsstaates im Jahre 1850 auf, der sich an der kurhessischen Frage entzündete. Nur mit Mühe konnte eine militärische Auseinandersetzung zwischen den beiden deutschen Großmächten und den mit ihnen liierten deutschen Klein-und Mittelstaaten verhindert werden. Auf diesem Wege ging Sachsen im wesentlichen mit Österreich. In der Olmützer Punktation fanden Österreich und Preußen eine vertragliche Vereinbarung über das weitere Bestehen des Deutschen Bundes. Preußen hatte darin auf seine angestrebte Vormachtstellung im Deutschen Bund verzichten müssen. Von hier bis zur tatsächlichen militärischen Konfrontation von 1866 war aber nur ein kleiner Schritt. Daran änderten auch die Dresdner Konferenzen vom Dezember 1850 bis in das Frühjahr des Jahres 1851 nichts. Die auf diesen Konferenzen unternommenen Versuche zu einer Bundesreform blieben erfolglos. Beust, der einflussreiche Außenminister unter König Johann, verfolgte danach eine auf Österreich ausgerichtete Politik. Zunehmend strebte er einen eigenständigen dritten Weg zu deutscher Nationalstaatlichkeit an, der mehr föderalistische Elemente in einer überarbeiteten Bundesverfassung zum Tragen bringen wollte. Das wurde bei der Vorbereitung des Frankfurter Fürstentages 1863 besonders deutlich. König Johann, der 1854 die Nachfolge seines in Tirol tödlich verun-
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glückten Bruders Friedrich August angetreten hatte, und Beust versuchten, den preußischen König für die österreichischen Bundesreformpläne zu gewinnen. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck wusste das zu verhindern. Dazu trat das Ringen der in den sechziger Jahren wieder erstarkenden demokratischen Kräfte in den deutschen Landen um die Überwindung der territorialstaatlichen Zersplitterung Deutschlands auf demokratischem Wege „von unten“. Das kollidierte mit den machtpolitischen Zielen Bismarcks, militärische Gewalt nicht scheuend, eine Einigung auf dem Weg „von oben“ zu erreichen. Die Geschichte hat darüber bekanntermaßen entschieden. Daran änderte auch die Parteibildung der deutschen Arbeiterbewegung unter Lassalle sowie Bebel und Liebknecht zu Beginn der sechziger Jahre nichts. Das Königreich Sachsen war in diese Auseinandersetzungen stets einbezogen allein schon bedingt durch seine territoriale Lage und den Stand seiner industriellen Entwicklung mit der daraus resultierenden politischen und wirtschaftlichen Interessenlage. König Johann und Ministerpräsident Friedrich Ferdinand von Beust mit seiner Mittelstaatspolitik stehen in den fünfziger und sechziger Jahren dafür. „Sachsen stand zwischen beiden Nachbarn, politisch dem einen, wirtschaftlich dem anderen von beiden verbunden. Die Krise blieb ungelöst, und jede Änderung des unsichtbaren Kräfteverhältnisses musste Sachsen in Mitleidenschaft ziehen. Seine begrenzte militärische Kraft, seine empfindliche Wirtschafts- und Handelslage mussten es auf Erhaltung friedlicher Zustande in Deutschland bedacht sein lassen. … Aber bald sollte sich zeigen, dass … das Missverhältnis zwischen volksmäßiger und staatlicher Form der Nation und nicht zuletzt das politische Machtstreben Preußens … stärker waren als die Rücksicht auf das Wohlergehen eines deutschen Teilstaates.“7 Am Krieg des Deutschen Bundes gegen Dänemark beteiligte sich Sachsen mit einem ansehnlichen Truppenkontingent, wobei es im Verlauf der Truppenbewegungen zu Reibungen und Zusammenstößen Sachsens mit der preußischen Heeresleitung kam. Auf diesem Hintergrund gelang es schließlich Preußen, den Krieg gegen Österreich auszulösen. Der Einfall preußischer Truppen in Sachsen, Hannover und Kurhessen am 16. Juni 1866 eröffnete den Kampf um die Vormachtstellung im Deutschen Bund. Sachsen stand dabei als Bundesstaat an der Seite Österreichs. In der Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866 erlitten Österreich und seine Verbündeten eine entscheidende militärische Niederlage. Dem Präliminarfrieden von Nikolsburg am 26. Juli 1866 folgte der Friede von Prag am 23. August 1866. Österreich trat aus dem Deutschen Bund aus. Preußen setzte den Anschluss von weiteren deutschen Staaten an das norddeutsche Bündnissystem durch. Sachsen, dessen staatlicher Fortbestand von Österreich gegen den Willen Preußens in Nikolsburg garantiert worden war, schloss mit Preußen am 21.Oktober 1866 in Berlin den Friedensvertrag ab. Es verpflichtete sich, dem Norddeutschen Bund beizutreten, seine Armee als Teil des Bundesheeres dem Oberbefehl des preußischen Königs zu unterstellen und 10 Millionen Taler Kriegsentschädigung zu zahlen. Letzteres erfüllte Sachsen bis zum 7. Dezember 1866, obwohl dazu bis 4. April 1867 Zeit gewesen wäre. 1871 wurde schließlich das Königreich Sachsen Mitglied des Deutschen Reiches unter Kaiser Wilhelm I. Daran hatte Sachsen mit Kronprinz Albert als Führer eines Armeekorps im deutsch-französischen Krieg und als Mitstreiter Bismarcks einen Anteil. 7
Kretzschmar, Sächsische Geschichte, a. a. O., S. 349.
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Es gehört zur sächsischen Geschichte des 19. Jahrhunderts, dass hier Wurzeln der deutschen Arbeiterbewegung liegen. Auf Grund seiner wirtschaftlichen Entwicklung wurde Sachsen neben dem Rheinland zu einem Zentrum der frühen deutschen Arbeiterbewegung. Die im Frühjahr 1848 überall entstehenden Arbeitervereine und ihr organisatorischer Zusammenschluss in der Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung mit dem Sitz des Zentralkomitees ab September 1848 in Leipzig verdeutlichen dies. Mit 57 angeschlossenen Arbeitervereinen erlangte die Arbeiterverbrüderung in Sachsen auch ihre größte Organisationsdichte. Dem Verbot der Arbeitervereine 1850 folgte Anfang der 60er Jahre in Sachsen die Parteibildung der deutschen Arbeiterbewegung, verbunden mit dem Wirken von Julius Vahlteich, Ferdinand Lassalle, August Otto-Walster, August Bebel, Julius Fritzsche, Julius Motteler und Wilhelm Stolle. Bei der Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Eisenach 1869 hatten die Arbeiter Sachsens eine bestimmende Rolle. Etwa ein Viertel der Delegierten des Kongresses kam aus Sachsen bzw. hatte ein Mandat sächsischer Arbeiter. Das Industriegebiet um Glauchau, Meerane und Crimmitschau entsandte August Bebel als ersten Abgeordneten der sächsischen Arbeiter in den Reichstag des Norddeutschen Bundes. Die Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 war eine wichtiger Zäsur auch in der sächsischen Geschichte. Staatsrechtliche Veränderungen, so der Verzicht auf eine eigenständige Außenpolitik, auf die Militärhoheit sowie auf steuerliche Rechte, führten zum allmählichen Aufgehen im größeren Staatsverband des Deutschen Reiches. Das Schwergewicht der gesellschaftlichen Entwicklung lag nun im Königreich Sachsen als Bundesstaat im wilhelminischen Kaiserreich nach 1871 auf der Innenpolitik. Gesetzgebung und Staatsverwaltung wurden den neuen Anforderungen angepasst. Auf lokaler Verwaltungsebene wurde die endgültige Trennung zwischen Justiz und innerer Verwaltung vollzogen. 27 Amtshauptmannschaften entstanden und wurden zu wichtigen Verwaltungseinrichtungen des sächsischen Staates bis 1945 auf lokaler Ebene. Dazu erhielten sie beschränkte Selbstverwaltungsrechte sowie umfangreiche Aufgaben auf den Gebieten von Armenversorgung, Krankenpflege sowie Straßen- und Wegebau. Revidierte Städte – und Landgemeindeordnung, Trennung von Staat und Kirche sowie ein neues Volksschulgesetz waren weitere Bestandteile der Reformpolitik. Die nationalstaatliche Einigung brachte für Sachsen die Fortsetzung der stürmischen wirtschaftlichen Entwicklung. Das industrialisierte Sachsen wurde in den „Gründerjahren“ von Betriebs- und Bankgründungen erfasst. Allerdings blieb für das sächsische Territorium der kapitalistische Betrieb als Familienunternehmen oder als Aktiengesellschaft mittlerer Größe charakteristisch, ohne dass es zu ausgeprägten Monopolgesellschaften gekommen wäre. Am Ende des 19. Jahrhunderts war die wirtschaftliche Situation in Sachsen durch das Vorhandensein spezialisierter Produktionszweige auf Grund der hochtechnologischen Entwicklung gekennzeichnet. Energieerzeugung und Energieanwendung im Zusammenhang mit einem steigenden Energiebedarf in Wirtschaft und Haushalt ließ noch vor dem Ersten Weltkrieg hier ein Energieverbundnetz entstehen, das bald die Landesgrenzen überschritt. Die Innenpolitik, an der preußischen Politik orientiert, sah sich in Sachsen bald mit einer sich kontinuierlich ausweitenden organisierten Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung konfrontiert. Trotz des Sozialistengesetzes, das rigoros durchgesetzt wurde, behielt das Land den Charakter des „roten Königreiches“. Die aufsehenerregenden Wahlsiege der Sozialdemokraten bei den Reichstags- und Landtagswahlen wurden sprichwörtlich. Seit 1877 wa-
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ren sie im Sächsischen Landtag vertreten, Bei den Reichstagswahlen erhielten die sozialdemokratischen Kandidaten 1871 17,5 Prozent, 1893 45,7 Prozent und 1903 58,8 Prozent der abgegebenen Stimmen in den sächsischen Reichstagswahlkreisen. Das veranlasste die sächsische Regierung zur Einführung des Dreiklassenwahlrechts. Das Wahlgesetz von 1896 war dann so restriktiv, dass schließlich 1901 kein Sozialdemokrat mehr in der Zweiten Kammer des Sächsischen Landtages vertreten war. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte dies zu verschärften politischen Auseinandersetzungen. Die politischen Geschehnisse im Lande wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts letztlich in den Jahren von 1854 bis 1873 von König Johann und von 1873 bis 1902 von dessen Sohn Albert sowie von den leitenden Ministern von Fabrice bis 1891 und danach von Metzsch-Reichenbach bis 1906 verantwortet.8 An vielen Entscheidungen, die von ihnen getroffen wurden, war der Ministerialbeamte und Archivar Karl von Weber beteiligt. Das bestimmte seinen beruflichen Lebensweg. Er vertrat konsequent seine Auffassungen zu entscheidenden Ereignissen seiner Zeit, beriet und kritisierte Staatsminister und selbst den König und beeinflusste auf diese Weise manche politische Maßnahme.
2. Biographisches zum Leben von Karl von Weber Am ersten Tag des Jahres 1806 erblickte Karl von Weber in der Hauptstraße in Dresden-Neustadt das Licht der Welt. Er war das älteste Kind des Oberkonsistorial- und Kirchenrates Carl Gottlieb Weber und dessen erster Ehefrau Louise Henriette, Tochter des Leipziger Arztes Dr. med. Christian Eberhard Kapp. Webers Vater wurde 1829 als Präsident des Oberkonsistoriums und Besitzer des Rittergutes Zöschau bei Oschatz in den Adelsstand erhoben. Seitdem führte auch sein Sohn Karl das Adelsprädikat in seinem Namen. Er wuchs in dem gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltem auf, wo er bis Sommer 1819 blieb. Rückblickend beschrieb er das elterliche Zuhause mit den Worten: „Ich bin geboren … in dem Hause an der Hauptstraße in Dresden-Neustadt, welches das Eckhaus bildet von der Heinrichstraße vis a vis des jetzigen Hotels zum Kronprinzen, drei Treppen hoch. Das Haus war in alter Zeit dadurch bekannt, dass darin Parterre der Konditor Engelhardt wohnte, der einzige, der Apfelund besonders Pfannkuchen in Virtuosität zu backen verstand … Meine Erinnerungen führen mich … in das Hübel’sche Haus (Eckhaus an der Klosterstraße), in dem die Eltern die dritte Etage in Gemeinschaft mit den Großeltern bewohnten. Man war damals viel genügsamer als jetzt in Beziehung auf die Wohnung. Mein Großvater, für die damalige Zeit wohlhabend …, beschränkte sich auf eine Stube und eine Schlafkammer, die er mit der Großmutter zusammen bewohnte. Daran stieß ein Esszimmer, das mit den Eltern gemeinsam benutzt ward und des abends als Empfangszimmer diente. Die Köchin und ein Stubenmädchen waren gemeinsam, doch hatte der Vater einen besonderen Bedienten und die Großeltern auch. … Wir Kinder bekamen als Frühstück oft Eichelkaffee, abends Semmelmüßchen – Semmel in Wasser gekocht. … Die Großeltern sahen … abends zum Tee fast täglich einige Personen bei sich, häufig ward eine Partie Jakob gespielt. 1m Gedächtnis gehen an mir vorüber die Hofrätin Schindler, General Felgenhauer (mein Pate), die Appellationsräte Güntz und Kind, Graf 8
Groß, Geschichte Sachsens, a. a. O., S. 238–242.
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Hofrnannsegg, Fürst Putjatin, Hofrat Böttiger, … Bürgermeister Heyme, stets im Frack mit kurzen Hosen, seidenen Strümpfen, wenn ich nicht irre mit einem Zöpfchen, Baron Just (Gesandter in London), … Graf Einsiedel, der Kabinettsminister, dessen Besuch eine gewisse Wichtigkeit beigelegt ward.“ Webers schulische und berufliche Ausbildung verlief in ruhigen und geordneten Bahnen. Den ersten Unterricht erteilte ihm seine Großmutter. Bereits mit vier Jahren konnte er lesen. Dann hatten er und sein jüngerer Bruder Hauslehrer, über die er nicht nur Gutes in Erinnerung behielt. Im 14. Lebensjahr ging er aus dem Elternhaus. Von September 1819 bis Ostern 1824 besuchte er die Fürstenschule St. Afra in Meißen und legte dort die Hochschulreife ab. Dann nahm er im September 1824 an der Landesuniversität Leipzig das Jurastudium auf, setzte es ab September 1825 an der Universität Göttingen fort und ging im Frühjahr 1827 wieder an die Universität Leipzig zurück. Am 14. Juli 1828 legte er das Examen pro baccalaureatu mit der Note 1 ab. Damit war seine berufliche Ausbildung, so wie die von Söhnen anderer leitender sächsischer Staatsbeamten, in nichts unterschieden von der Ausbildung von Angehörigen des aristokratischen Hochadels in Sachsen und anderswo. Dazu gehörte auch eine mehrmonatige Studienreise im Frühjahr und Sommer 1828 durch Frankreich und die Schweiz, gemeinsam mit seinem engsten Freund aus der Göttinger Studienzeit Friedrich Ferdinand von Beust. Beust bezeichnete später einmal in seinen Lebenserinnerungen Karl von Weber als den zu allen Zeiten seines Lebens treuesten Freund.9 Nach dem ersten juristischen Staatsexamen begann seine erfolgreiche berufliche Entwicklung im sächsischen Staatsdienst, wenn auch vielleicht nicht so schnell und kometenhaft im politischen Geschehen wie bei anderen seiner Zeitgenossen. Zu Michaelis 1828 wurde der zweiundzwanzigjährige Weber beim Justizamt Zwickau angestellt, fand dort aber keine Möglichkeiten zu seiner weiteren juristischen Ausbildung, da er „lediglich mit Aktenlesen und Ausfertigung von Strafauflagen (meist gegen Holzdiebe) gelangweilt“ wurde. Aber er genoss das Junggesellenleben, schloss engere Bekanntschaft mit Robert Schumann und erlebte seine erste Jugendliebe. 1m Mai 1829 kam er nach Dresden zurück und erhielt den Akzeß beim Kirchenrat und Oberkonsistorium. In dieser von seinem Vater geleiteten Behörde erlebte er auch, wie sein Vater und damit die Familie unter dem 24. November 1829 in den Adelsstand erhoben wurde. In dieser Behörde wurde er mit dem Abfassen von Ausfertigungen beschäftigt und bald durfte er auch Vortrag halten. Am 6. Mai 1830 promovierte er an seiner Alma mater mit einer Dissertation zum Thema „De fiscis viduacum imprimis clericorum“ zum Doctor juris. 1m folgenden Jahr fertigte er die Advokatenprobeschriften und danach die Spezimina an und wurde schließlich nach den Monaten der revolutionären Ereignisse und mitten in den den sächsischen Staatsaufbau verändernden Reformmaßnahmen unter Bernhard von Lindenau zum 31. Dezember 1831 als Referendar beim Oberkonsistorium angestellt. Mit dem 16. April 1833 wurde Weber als Referendar in das Landesjustizkollegium übernommen, und als diese Übergangsbehörde 1835 aufgelöst wurde, wurde er Beisitzer im neu geschaffenen Appellationsgericht Dresden. 1839 wurde Weber zum Appellationsrat ernannt. Da er in dieser Anstellung eine über dem normalen Maß liegende Arbeit leistete, wurde Weber schließlich als Geheimer Referendar im Gesamtministerium angestellt. Dort 9
Friedrich Ferdinand von Beust: Aus Dreiviertel Jahrhunderten. Erinnerungen und Aufzeichnungen. Band 1: 1809–1866. Stuttgart 1887, S. 15.
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die Stelle des der katholischen Konfession angehörenden Referenten von Weissenbach für evangelische Sachen bei den in Evangelicis beauftragten Ministern. Gleichzeitig wurde er Mitglied der Prüfungskommission im Justizministerium an Stelle von v. Watzdorf. Die Tätigkeit als Ministerialrat im Gesamtministerium übte er auch dann noch aus, als er auf eigenen Wunsch ab 1. Januar 1849 die Direktion des Sächsischen Hauptstaatsarchivs übernahm, die er dann ab 10. März 1849 definitiv bis zu seinem Tod am 18. Juli 1879 ausübte. Karl von Weber war nicht nur Verwaltungsfachmann, Jurist und politischer Ratgeber, er war in der zweiten Hälfte seines Lebens auch Archivar und Landeshistoriker. Die definitive Übernahme der Leitung des Sächsischen Hauptstaatsarchivs am 10. März 1849 brachte mit dem Übergang in die ruhige Atmosphäre des Archivs und der Wahrnehmung bis dahin nicht bekannter Archivarbeit zunächst eine große Veränderung in sein Leben. Am Beginn dieser für ihn neuartigen Tätigkeit fühlte er sich bald Fehl am Platze. Er verspottet sich in seinem Tagebuch als staatlicher Aktenkassierer, betrauert seine Unwissenheit in der sächsischen Geschichte. Einmal meinte er sogar, dass er das, was er brauche, nicht wisse, und das, was er wisse, brauche er nicht in seiner neuen Tätigkeit. Er passe auf den Stuhl des Archivdirektors wie der Kamm zum Stiefelknecht. Bald wurde aber in den folgenden Jahren aus ihm ein passabler Archivar und ein anerkannter Landeshistoriker. Als solcher hat er in den Jahren zwischen 1849 und 1879 eine bemerkenswerte schriftstellerische Tätigkeit entfaltet. Seiner Feder entsprossen selbständige Monographien, darunter eine noch heute lesenswerte Darstellung des Lebens und Wirkens von Kurfürstin Anna. Biographien sächsischer Fürsten und Politiker, wissenschaftliche Aufsätze und Miszellen in Zeitschriften und Zeitungen vervollständigen dieses publizistische Schaffen. Eine besondere Leistung Webers auf landesgeschichtlichem Gebiet liegt in der Begründung der landesgeschichtlichen Zeitschrift
Gebäude des Sächsischen Hauptstaatsarchivs bis 1888 (ehemaliges Ballhaus). Foto von Otto Posse 1888. In: Die Bestände des Sächsischen Hauptstaatsarchivs. Leipzig 1994. Bd. 1 Teil 1, Bildteil.
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„Archiv für sächsische Geschichte“. Gemeinsam mit Minister Johann Paul von Falkenstein und dem Leipziger Historiker Wilhelm Wachsmuth gab er ab 1862 bis zu seinem Tod die Zeitschrift heraus, die bald nach der Vereinigung mit den Mitteilungen des Sächsischen Altertumsvereins unter dem Titel „Neues Archiv für sächsische Geschichte“ erschien. Diese Gründung hat die Jahrzehnte von Webers Leben überdauert. Kontinuierlich erschien die bald deutschlandweit renommierte Zeitschrift jährlich in zwei Heften bis 1943. Dann musste sie kriegsbedingt ihr Erscheinen einstellen. Nach einer fünfzigjährigen Unterbrechung wurde das „Neue Archiv für sächsische Geschichte“ wiederbelebt und erscheint seit 1994 wieder jährlich in einem Band. Als Karl von Weber beim Appellationsgericht Dresden eine feste Anstellung gefunden hatte. entschloss er sich zu heiraten. Am 28. April 1835 ging er die Ehe mit der elf Jahre jüngeren, 1817 geborenen Sophia Dorothea Tenge aus Osnabrück ein, die er bei deren Aufenthalt in Dresden im Sommer 1834 kennengelernt hatte. Weber blieb mit seiner jungen Frau zunächst in der Dresdner Neustadt wohnen. Als sich dann die Familie vergrößerte, wurden geräumigere Wohnungen in der Stadt angemietet, so u. a. in der Lüttichaustraße, die ihm im Sommer 1853 gekündigt wurde, und zuletzt in der Bürgerwiese. Nachdem sich seine finanziellen Verhältnisse erheblich gebessert hatten, erwarb er 1855 auf wiederholtes Drängen seiner Frau in Loschwitz ein kleines Haus als Sommerresidenz. Meistens von Mai bis Oktober, je nach Witterungslage, wohnte die Familie dann in Loschwitz in der „Villa Bagatelle“, wie seine engsten Freunde dieses Anwesen bald nannten. Täglich fuhr Weber dann mit dem Dampfschiff in die Stadt, um seinen beruflichen und gesellschaftlichen Pflichten nachzukommen.
Villa „Bagatelle“. Um 1875. Fotografie von August Kotzsch. In: August Kotzsch. 1836–1910. a. a. O., S. 259.
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Das eheliche Leben war, folgt man seinen Aufzeichnungen, die meiste Zeit recht glücklich. Aber mit fortschreitender Zeit wurde seine Frau Sophie eifersüchtig, da er sie zu mancher Einladung zum Hof und zu Ministern nicht mitnehmen konnte, er verspätet nach Hause kam und sie, allerdings grundlos, Liebesabenteuer ihres Ehegatten vermutete. Weber schreibt immer wieder von „Grillen“, die seine Frau plagen und ihr harmonisches Zusammenleben stören. Nach Stunden und Tagen ging das vorbei und man kehrte zum normalen Eheleben zurück. Der Ehe entsprossen drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. 1836 wurde der erste Sohn Gustav geboren, 1848 kam der zweite Sohn Erhard zur Welt und am 25. Dezember 1854 folgte die Tochter Oda. Gustav folgte dem beruflichen Vorbild des Vaters, studierte Jura und trat in den sächsischen Staatsdienst ein. Er brachte es bis zum Landgerichtsdirektor. Der zweite Sohn Erhard studierte Medizin, nahm als Assistenzarzt am Krieg gegen Frankreich 1870/1871 teil und fand 1873 eine Anstellung als Arzt in der Dresdner Diakonissenanstalt. Nach kurzer Erkrankung starb er plötzlich am 2. April 1874 im 26. Lebensjahr. Diesen schmerzlichen Verlust hat Weber bis an sein Lebensende nicht verwunden, immer wieder erscheint Erhard, der in Leipzig einen unehelichen Sohn gleichen Namens hatte, der aber erst nach dessen Tod das Licht der Welt erblickte, in den Tagebuchaufzeichnungen. Die Tochter gilt als Nesthäkchen, scheint keine Schönheit gewesen zu sein, findet auf den Gesellschaftveranstaltungen, zu denen sie von ihrem Vater und ihrer Mutter mitgenommen wurde, keinen Tanzpartner geschweige denn einen Liebhaber und bleibt bis zu Webers Tod ledig. Dann verliert sich ihre Spur. Die Frau Webers überlebt ihren Ehemann um vier Jahre und stirbt 1883. Mit seinen jüngeren Brüdern Ferdinand, 1807 geboren, und Adolph, 1809 geboren, verband Weber lebenslang ein gutes geschwisterliches Verhältnis. Zu allen Familienfestlichkeiten und zu Feiertagen kam man meistens bei Karl von Weber zusammen. Eine Ausnahme
Dresden-Loschwitz, Veilchenweg 22 Haus Bagatelle. Sommersitz von Karl von Weber. Foto von Reiner Groß 2017.
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bildete der Bruder Ernst, der in der weiten Welt in Amerika und Afrika umherzog und erst nach 1875 wieder nach Sachsen zurückkam. Überschaut man das Leben Webers, das im Jahr der Schlacht von Jena und Auerstedt begann und ein dreiviertel Jahr nach dem Erlass des Sozialistengesetzes endete, dann werden die bedeutsamen gesellschaftlichen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts in der Mitte Europas sehr deutlich. Weber war dabei nicht nur ein Mensch, der dieses Jahrhundert bewusst miterlebte, sondern es, wenn auch für die allgemeine Öffentlichkeit nicht erkennbar, an verantwortlicher Stelle im sächsischen Staat mitgestaltete. Er war in seinen politischen Anschauungen dabei kein konservativer Landespolitiker, der nur für das Fortbestehen der überkommenen gesellschaftlichen Verhältnisse eintrat, sondern der mit einer liberalen Grundeinstellung für den gesellschaftlichen Fortschritt in seiner Zeit wirkte. Dafür steht symptomatisch, dass er an seinem Lebensabend gleich dem 1873 verstorbenen König Johann die sozialdemokratische Bewegung in ihren Anfängen zwar miterlebte, aber ihre Motive wenigstens nicht in größerem Umfange anzuerkennen vermochte. Immerhin aber reichten die sechs Jahre von 1873 bis 1879 aus, das Wachstum der deutschen Arbeiterbewegung als Zeichen einer neuen Zeit wahrzunehmen. Als August Bebel am 26. Januar 1877 bei der Stichwahl zum Reichstag gegen einen Kandidaten der Nationalliberalen siegte und als erster Sozialdemokrat in den Reichstag einzog, da drückte auch König Albert öffentlich seine Zufriedenheit aus. So gelangten von den Reichstagswahlen des Sommer 1878 ein Wahlzettel und ein Flugblatt für Wilhelm Liebknecht in sein Tagebuch. Das kann als eine stumme Begleitung für den Ausklang von Webers reichem Leben gelten. Am 31. Juli 1879 erschien in der Zeitung „Dresdner Journal“ ein Nachruf auf Karl von Weber, den Minister Johann Paul von Falkenstein verfasst hatte. Als dieser Nachruf in der Wissenschaftlichen Beilage der „Leipziger Zeitung“ unter dem 14. August 1879 nochmals abgedruckt wurde, fügte die Redaktion der Zeitung hinzu, dass dies ein „aus sachkundigster und berufenster Feder herrührender Aufsatz“ sei. In diesem Nachruf wird der sachkundige Beamte und Mensch trefflich geschildert.10
3. Zum Inhalt der Tagebuchaufzeichnungen Aus den bewegten Jahrzehnten dieses 19. Jahrhunderts sind bisher außerordentlich viele zeitgenössische Lebenserinnerungen und Memoiren veröffentlicht worden. Neben den zeitgeschichtlichen Darstellungen eines Heinrich von Treitschke, eines Leopold von Ranke und eines Heinrich von Sybel für die deutsche und preußische Geschichte oder eines Theodor Flathe für die sächsische Geschichte haben bedeutende und unbedeutende Politiker, Künstler, Wissenschaftler, Staatsbeamte und Militärs ihre persönlichen Erinnerungen zu Papier gebracht und teilweise noch zu Lebzeiten veröffentlicht. Aus der fast unübersehbaren Fülle dieses Literaturgenres, das bei aller kritischen Einschätzung als eine wichtige Quelle für die retrospektive Sicht auf die Zeitereignisse anzusehen ist, sei nur auf die Gedanken und Erinnerungen eines Fürsten Bismarck hingewiesen. Für das sächsische Territorium reichen die persönlichen Erlebnisberichte von den Jahren der napoleonischen Herrschaft in Sachsen und der Befreiungskriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts über die vierziger und sechziger 10
Siehe hier Teil II. 8. Den Manen Karl von Weber’s.
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Jahre bis an die Schwelle des Jahrhundertendes. Pars pro toto seien die Erinnerungen des sächsischen Offiziers Ferdinand von Funck und die Memoiren der Gräfin Kielmannsegg über Napoleon 1. ebenso genannt wie die Jugenderinnerungen eines alten Mannes von Wilhelm von Kügelgen, die Lebenserinnerungen eines deutschen Malers von Ludwig Richter, die Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten von Carl Gustav Carus, die Erinnerungen und Denkwürdigkeiten von Friedrich Ferdinand von Beust, von Richard Freiherr von Friesen, von Graf Vitzthum von Eckstädt bis zu den Erinnerungen von Gustav Freytag. Dazu gehören aber auch die Erinnerungen und Erlebnisberichte von Achtundvierzigern sowie von führenden Vertretern der deutschen Arbeiterbewegung: Von dem Lebensbericht Karl Biedermanns „Mein Leben und ein Stück Zeitgeschichte“ über den Bericht von August Röckel „Sachsens Erhebung und das Zuchthaus in Waldheim“ bis zur Autobiographie August Bebels „Aus meinem Leben“. Manche der persönlichen Aufzeichnungen sind erst nach dem Ableben der Verfasser viele Jahrzehnte später veröffentlicht worden, etwa die Lebenserinnerungen von König Johann bis zum Jahr 1854, oder haben in den zurückliegenden vier Jahrzehnten Neuauflagen erlebt, wie etwa der Lebensbericht von Carl Schurz oder die Aufzeichnungen des Dresdner Schauspielers Eduard Devrient. Manches Unveröffentlichte und damit weitgehend Unbekannte an solchen persönlichen Zeugnissen schlummert noch heute in Archivregalen und Schreibtischschubladen. Das trifft vor allem auf solche persönlichen Dokumente zu, die nie für eine Veröffentlichung, anders als die Lebenserinnerungen führender Politiker, geschrieben wurden. Das sind neben Briefen vor allem Tagebuchaufzeichnungen. Sie dienten dem Festhalten der Tagesereignisse, dem Niederschreiben des unmittelbar Erlebten, dem Notieren von aktuellen Eindrücken, Meinungen und Stimmungen zur eigenen Erinnerung. Solche Aufzeichnungen tragen stets internen Charakter, so dass man mit vollem Recht sagen kann, dass der Verfasser stets offen und ehrlich auch gegen sich selbst seine Meinung zu Papier gebracht hat. Dabei wurde manches notiert, was in einem Gespräch nicht gesagt oder in einer öffentlichen Verlautbarung nicht geschrieben worden wäre. Solche Tagebuchaufzeichnungen bilden daher immer eine eigene Sicht auf die Zeitereignisse, auch wenn sie vielfach subjektiv gefärbt sind und nicht in jedem Fall den Tatbestand objektiv schildern. Aber gerade in einer solch subjektiv bestimmten Darstellung und in der intern vorgenommenen Abrechnung mit den Zeitgenossen und den Zeitereignissen liegt der besondere Reiz jener Quellen für den Historiker. Von dieser spezifischen Gattung persönlicher Dokumente liegen relativ wenige Veröffentlichungen vor. Das hängt wohl auch mit der ja nicht zu umgehenden Gestaltung der Tagebuchnotizen in ihrer strengen chronologischen Abfolge zusammen, ohne dass immer sofort eine thematische Übersicht zu erkennen ist. Die Tagebuchaufzeichnungen des sächsischen Staatsbeamten Karl von Weber gehören zu dieser besonderen Quellengattung. Sie haben auch deshalb Bedeutung, weil sie tiefere Einblicke in die geschichtliche Entwicklung, in Entscheidungen und Hintergründe sächsischer Politiker sowie des albertinisch-wettinischen Herrscherhauses gestatten. Obwohl etwa der österreichische Historiker Helmut Rumpler den Wert der Aufzeichnungen für seine Beust-Biographie geringer erachtet11 als dies Hellmut Kretzschmar für seine Forschungen 11
Helmut Rumpler: Die deutsche Politik des Freiherrn von Beust 1848 bis 1850. Zur Problematik mittelstaatlicher Reformpolitik im Zeitalter der Paulskirche. Wien 1972.
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Schriftprobe aus den Tagebuchaufzeichnungen von Karl von Weber. In: Sächsisches Hauptstaatsarchiv: 12801. Personennachlaß Carl von Weber (1806–1879). Bd. III: Anfang 1850 – Ende 1855. Eintrag Bl. 2 recto.
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zur sächsischen Geschichte des 19. Jahrhunderts getan hat,12 ist insgesamt der Quellenwert der Weberschen Tagebücher nicht hoch genug einzuschätzen. Das ergibt sich zwangsläufig aus Webers langjähriger verantwortungsvollen Tätigkeit an zentraler Stelle im sächsischen Staatsapparat. Seit 1843 stand er als Geheimer Referendar im Gesamtministerium im Zentrum der sächsischen Politik. In seinem Tagebuch schrieb Weber nicht die in den Sitzungen des Gesamtministeriums gefassten Beschlüsse nieder – die sind in den von ihm verfassten handschriftlichen Protokollen niedergelegt worden – sondern die Motive, die zu diesen Beschlüssen führten. So werden die Hintergründe mancher Entscheidungen, die Verhaltensweisen der Minister und leitender Staatsbeamten in den abendlichen Aufzeichnungen sichtbar. Das blieb auch so, als er auf eigenen Wunsch zu Beginn des Jahres 1849 die Direktion des Sächsischen Hauptstaatsarchivs in Dresden, des zentralen Archivs des sächsischen Staates als Aufbewahrungsort aller wichtigen Staatsdokumente für Staatsverwaltung und Königshaus, übernahm, da er weiterhin Referent im Gesamtministerium blieb. Darüber hinaus bildete sein größerer Bekanntenkreis in der Residenz Dresden eine ausreichende Grundlage für vielfältige und interne Informationen aus vielen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens in der Stadt und im Land. Der verantwortungsvollen Stellung als höchster Staatsbeamter der sächsischen Regierung verdankte er die intensive freundschaftliche Beziehung zu König Johann. Als sich Weber nach seiner Ernennung zum Geheimen Referendar bei König Friedrich August II. persönlich vorstellte, war auch dessen jüngerer Bruder Prinz Johann anwesend. 1m Tagebuch notierte Weber unter dem 8. Oktober 1843: „Donnerstag präsentierte ich mich auch ohne aIle Zeremonien dem Prinzen Johann und dem König. Der schien bedeutend verlegen, ein Fehler, den ich hohen Personen gegenüber Gott sei dank nicht habe.“ 1m Verlauf seiner Tätigkeit als Ministerialrat im Gesamtministerium wurde Weber mit allen sächsischen Ministern, die zwischen 1843 und 1879 amtierten, persönlich bekannt. Er trat mit ihnen in mehr oder minder engen politischen Kontakt. Mit einigen von ihnen verbanden ihn bald engere persönliche, ja freundschaftliche Beziehungen, so mit dem Justizminister Julius Traugott Jacob von Könneritz, dem Finanzminister Heinrich Anton von Zeschau und dem Innenminister Johann Paul von Falkenstein. Zu diesem Kreis gehörte natürlich sein Studienfreund Friedrich Ferdinand von Beust, der sächsische Außenminister von 1849 bis 1866. Nach 1850 gehörten dann dazu auch der Innenminister Richard Freiherr von Friesen, der Justizminister Christian Wilhelm Ludwig von Abeken und der Generalstabschef der sächsischen Armee Georg Friedrich Alfred von Fabrice, späterer Kriegsminister, Außenminister und Vorsitzender des Gesamtministeriums. Auch die im März 1848 berufenen Minister, die an Stelle des Ministeriums Könneritz das sogenannte Märzministerium bildeten, lernte er bald näher in ihren politischen Anschau12
Hellmut Kretzschnmar: Karl von Weber. Berlin 1958 (= Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse. Band 104, Heft 4). Generell zu König Johann von Sachsen: Lebenserinnerungen des Königs Johann von Sachsen. Eigene Aufzeichnungen des Königs über die Jahre 1801 bis 1854. Hrsgg. v. Hellmut Kretzschmar. Göttingen 1958. – Hellmut Kretzschmar: Die Zeit König Johanns von Sachsen 1854–1973. Mit Briefen und Dokumenten. Berlin 1960 (= Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wisssenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse. Band 105, Heft 4. – König Johann von Sachsen. Zwischen zwei Welten. Hrsgg. von der Sächsischen Schlösserverwaltung und dem Staatlichen Schloßbetrieb Schloß Weesenstein. Halle 2001 (= Ausstellungskatalog).
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ungen und Zielen kennen. Das sind der Justizminister Alexander Braun, der Finanzminister Robert Georgi, der Innenminister Martin Oberländer und der Kultus- und Außenminister Ludwig von der Pfordten. Von ihnen distanzierte er sich dann aber bald. An der personellen Zusammensetzung dieses liberalen Ministeriums hatte Weber aktiven Anteil genommen. Unter dem 10. März 1848 notierte er: „Ich sprach mich dann nun aus, dass ich allerdings bestimmt glaube, dass die Minister kein Vertrauensvotum bekommen würden. Dass es aber unumgänglich nötig sei, im Voraus eine Wahl der Minister, die durchaus nicht aus den Staatsdienern genommen werden könnten, vorzunehmen, den König zu bestimmen, dass er Personen, die ihm vielleicht persönlich nicht angenehm sind, zu erwählen, da es in kurzem auf die halbe Stunde ankommen könne, ob man ein Ministerium Braun oder Blum erhalte. Ich nannte auch als Ministerpräsident v. d. Pfordten.“ Als das Ministerium Könneritz am 13. März 1848 abends um 6 Uhr beim König seinen Rücktritt erklärte, war dann zwei Stunden später das Ministerium Braun ernannt. Nach nur einem knappen Jahr trat dann dieses Ministerium zurück, wozu Braun erklärte: „Mit Oberländer sei nicht mehr zu regieren, mit den Kammern auch nicht und sie seien daher entschlossen, abzutreten.“ In das danach von Oberappellationsrat Gustav Friedrich Held gebildete Beamtenministerium sollte nun Weber als Kultusminister eintreten. Weber notierte am 20. Februar 1849: „Soeben nach drei Uhr kam Held, referierte mir seine ganze Unterhaltung mit dem König, was mir einen ganz eigentümlichen Eindruck machte, da er wörtlich dasselbe gesagt hat, was ich heute morgen ihm als meine Ansicht eröffnete. Nur blieb er dabei, ich müsste bei künftiger definitiver Organisation das Kultusministerium übernehmen, was ich dann abermals definitiv ablehnte, obschon der König auf Held’s diesfallsigen Vorschlag gesagt hat, ich sei ein sehr geistreicher Mann.“ Karl von Weber stand als Ministerialrat im Gesamtministerium von 1843 bis 1879 im Zentrum der sächsischen Politik. Das von ihm sehr aufmerksam verfolgte und letztlich in seinen Tagebuchaufzeichnungen dokumentierte politische Geschehen setzt im Vormärz ein. In der Mitte der vierziger Jahre bewegte in Sachsen die deutsch-katholische Bewegung die Öffentlichkeit, gerade unter dem Aspekt des katholischen Herrscherhauses im Mutterland des Protestantismus. Unter dem 24. März 1845 berichtet Weber: „Die deutsch-katholischen Angelegenheiten fangen an, die Regierung sehr zu beschäftigen. Neulich hatten wir die erste Sitzung … deshalb in Gegenwart des Königs und des Prinzen Johann, der allerdings entschieden dagegen ist und ganz lebhaft und erbittert war zumal darüber, dass man der neuen Sekte hier den Saal der Stadtverordneten – … – eingeräumt hat.“ In dem Tagebucheintrag vom 13. August 1845 werden die Geschehnisse des 12. August, also ein Tag nach dem Blutvergießen auf dem Leipziger Roßplatz, geschildert: „Der Irrtum, als ob der Prinz Johann die Triebfeder der Behinderungen der Deutschkatholiken sei, denen man immer noch Kirchen einzuräumen nicht gestattet, hat recht beklagenswerte Ereignisse in Leipzig hervorgerufen. Er ist dort hingegangen, um die Kommunalgarde zu inspizieren und gestern Abend nach der Parade, wo sein Empfang sehr kühl gewesen ist, beim Zapfenstreich rolliert sich das Volk zusammen, brüllt, wirft im Hotel du Prusse, wo er mit den Chargierten der Kommunalgarde etc. soupierte, die Fenster ein. Es wird das Militär geholt, welches zweimal das Volk vertreibt, das immer wiederkehrt. Endlich wird – man weiß nicht, ob es wahr ist, dass der Prinz Johann Befehl gegeben – gefeuert und zwanzig Menschen, neun davon tot, stürzen hin! Bis den anderen Morgen hat der Lärm gedauert und als der Prinz Leipzig verlassen, ist das Volk im Galopp mit Todesdrohungen und den grässlichsten Schimpfreden nachgelaufen. Dieser
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unglückselige Wahn, als ob der Prinz ultrakatholisch wäre, was gar nicht der Fall ist, ist an allem Schuld.“ Vier Tage später notiert er noch einmal: „Unbegreiflich ist mir nur diese Unbeliebtheit des Prinzen Johann. Er ist bigott, das ist wahr, aber ultramodern. Beschützer der Jesuiten ist er doch wahrlich nicht, aber freilich hat er durch seine für den Regierungsnachfolger gewiss nicht passende ständische Tätigkeit übles Blut gemacht und es scheint, dass er nicht versteht, mit den Leuten umzugehen. Ich kann nur sagen, es scheint, denn so oft ich mit ihm gesprochen habe, habe ich die Bemerkung nicht gemacht.“ Diese Unpopularität Johanns, seit 1854 König, änderte sich im Verlauf seiner Regentschaft. Unter dem 24. Januar 1864 notierte Weber: „Eine rechte Wohltat war mir eine Ovation, die man neulich im Theater dem König brachte. Es wurde – … – der alte Student von Benedix gegeben. Es kommt darin ein Kommers vor und der Landesvater wurde mit aller Feierlichkeit besungen. Als man auf der Bühne mit gekreuzten Schlägern sang: ‚unser König lebe hoch‘ fiel das Publikum mit einem Schlage, ohne offizielle Veranlassung, ein, rief, klatschte, alles stand auf. Der König, welcher – ein seltener Fall – im Theater war, war sichtlich gerührt.“13 Die Monate der deutschen Revolution von 1848/1849 beanspruchten Weber gesteigert in seiner beruflichen Verantwortung. Manche von dem Märzministerium getroffene Entscheidung geht auf ihn zurück, aber besonders großen Einfluss hatte er bei den Ministern letztlich nicht. Sein versuchtes Wirken für die Herstellung eines bürgerlichen Nationalstaates in Deutschland, seine immer kritischer werdende Haltung gegenüber der Außenpolitik seines Freundes Beust, sein Mitwirken am Bundesschiedsgericht in Erfurt in den Jahren 1849 und 1850, die aktive Mitwirkung an der Seite von Beust in den Beratungen der Dresdner Konferenzen 1850/1851 sowie die praktische politische Beratertätigkeit für König Johann in den sechziger Jahren bilden Höhepunkte seines politischen Lebens. In den Jahren des Krimkrieges von 1853 bis 1856 zwischen Russland einerseits sowie der Türkei, Spanien, Frankreich und Sardinien andererseits um die Vorherrschaft im Nahen Osten hatte Weber eine beratende und vermittelnde Funktion im Gesamtministerium. Gleiches galt für die zunehmend wachsende Aktualität einer Reform des Deutschen Bundes. Dies hatte seinen Grund darin, dass Weber auf ausdrücklichen Wunsch des Königs Johann neben seinem Amt als Direktor des Sächsischen Hauptstaatsarchivs ab Januar 1849 noch der Ministerialrat im Gesamtministerium blieb, mit allen Folgerungen aus diesem Amt. Dieser Tatsache verdankte er auch eine intime freundschaftliche Beziehung zu König Johann. Der Höhepunkt seiner Teilnahme am großen politischen Geschehen fiel in die Jahre der Krise um Schleswig-Holstein. Es ist das Wirken in engster ratgebender Fühlungnahme mit König Johann in diesen Krisenjahren, über die Fürstentage und Ministerkonferenzen hinweg bis in den deutschen Krieg von 1866 hinein. Unter dem 9. Januar 1864 kann man in Webers Tagebuch lesen: „Wahrhaft rührend ist es, mit welcher Gewissenhaftigkeit, ja Gewissensangst der König die Schleswig-Holstein-Frage verfolgt. Einen Tag um den anderen lässt er mich rufen, um sich durch Rücksprache über neue ihm aufgestoßene Skrupel zu beruhigen, ja wer nur das immer könnte! Es liegen eben Bedenken schon deshalb in der Sache, weil man das tatsächliche und urkundliche Material nur aus Parteischriften kennt. Gestern sagte er mir beim Scheiden, indem er sich entschul13
Günter Jäckel: Das literarische Dresden in der Zeit König Johanns. – Hans John: Musikpflege im 19. Jahrhundert. In: König Johann von Sachsen. Zwischen zwei Welten. Ausstellungskatalog Schloß Weesenstein. Halle 2002, S. 501–507.
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digte, dass er mich so oft rufen lasse, Sie sind mein Gewissensrat, ich finde immer bei Ihnen ein unbefangenes Urteil! Ja das wohl, aber ob das richtige?“ Als sich die militärische Konfrontation Österreichs und der deutschen Mittelstaaten mit Preußen konkret abzeichnete und dann die preußische Armee ohne Kriegserklärung in der Nacht vom 15. zum 16. Juni 1866 bei Strehla in Sachsen einrückte, verließ König Johann mit seiner Armee Sachsen und zog mit ihr nach Böhmen. Für die Zeit seiner Abwesenheit setzte er am 16. Juni eine Landeskommission ein, die in seinem Namen die Regierungsgeschäfte zu führen hatte. Sie bestand aus den Ministern von Falkenstein, von Friesen und Dr. Schneider sowie dem Generalleutnant a. D. von Engel. In dieser neuen Behörde wurde Weber die wichtige Funktion des Protokollanten und leitenden Referenten übertragen. Diese Landeskommission stellte das Bindeglied zwischen dem sich außer Landes befindlichen sächsischen König und der preußischen Besatzungsmacht dar. Mit großer Energie vertrat Weber die Interessen seines Landes gegenüber den preußischen Besatzern. Darüber liest man im Tagebuch: „Nachdem am 18. Juni 1866 von ½ 2 Uhr vormittags ab die Preußen in Dresden eingerückt waren, begab sich der Generalleutnant a. D. von Engel namens der Landeskommission zum kommandierenden General Herwarth von Bittenfeld, welcher 5 Uhr nachmittags in Dresden eintraf, um denselben zu begrüßen. Am 20. Juni 1866 schloss die königliche Landeskommission mit dem Königlich Preußischen Zivilkommissar, damaligen Landrat in Weißenberg von Wurmb einen Vertrag, Inhalts dessen das Königreich Sachsen vom 18. Juni 1866 ab täglich – jedenfalls nur für die Dauer des Feldzugs – zehntausend Taler an Preußen abzuzahlen hatte, dagegen aber die sächsische Regierung die freie Gebahrung mit den Landeseinkünften behielt.“ Den Weberschen Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass er am gleichen Tag zu dem preußischen Zivilkommissar ging, der ihn anfänglich sehr zugeknöpft empfing. Als aber Weber darauf hinwies, dass Wurmbs Vorfahren seit 700 Jahren sächsische Edelleute gewesen seien und, da Thüringen erst seit 50 Jahren preußisch wäre und damit wohl altsächsisches Blut in seinen Adern fließen müsse, wurde jener zugänglicher. Wurmb billigte dann auch die vorher schon zwischen ihm und von Friesen mündlich besprochene Fassung des Vertrages, die daraufhin sofort ins Reine gebracht wurde. Auf Webers Verlangen zeigte Wurmb auch das ihm als Vollmacht dienende Kommissoriale, nachdem er zuvor dies abgelehnt hatte. Als dann Ende Juni 1866 der preußische Oberpräsident von Moeller mit der Bestimmung in Dresden eintraf, unter Beseitigung der sächsischen Landeskommission die Verwaltung im Königreich Sachsen zu übernehmen, da war es vor allem Weber, der in Verhandlungen mit Moeller diese für die Selbständigkeit Sachsens verhängnisvoll werdende Änderung der Verhältnisse abwenden konnte. Auch nach 1867 blieb Weber im Zentrum sächsischer Politik. Auf ausdrücklichen Wunsch von König Johann und den Ministern blieb er Vortragender Referent im Gesamtministerium. Seine vor allem nach 1873 mehrfach vorgetragene Bitte, ihn von dieser Aufgabe zu entbinden, wurde immer wieder abgelehnt, auch wenn das Gesamtministerium manchmal nur mit großen zeitlichen Lücken zusammentrat. So blieb er bis kurz vor seinem Tod in dieser politischen Verantwortung. Er war nicht nur ein Beobachter der politischen Szene, sondern er verfolgte die vielfältigen Ereignisse der Reichsgründungspolitik sowie des Deutsch-Französischen Krieges mit großem Interesse. Die siebziger Jahre bis zu seinem Tod 1879 reflektieren die bewegenden Kräfte und Tendenzen jener Jahre. Aber zunehmend kommt der Hinweis auf das Ende Sachsens, auf das finis Saxoniae. Für Weber ist dies mit dem Tod Johanns 1873
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und dem dadurch eintretenden Übergang der Regentschaft auf Johanns ältesten Sohn Albert erreicht. Zu Webers über fünfzigjähriger beruflichen Laufbahn gehören weitere, teilweise diffizile Aufgaben. So war er Mitglied der Kommission zur Entwerfung eines Zivilgesetzbuches und einer Zivilprozessordnung und er war nach 1852 aktiv beratend bei der Vorbereitung des sogenannten Organisationsgesetzes tätig, mit dem die Gerichtsorganisation 1855 neu geregelt wurde. Er vertrat Sachsen im Bundesschiedsgericht zu Erfurt. Während der Abwesenheit des für die Königlichen Sammlungen verantwortlichen Ministers von Wietersheim war er der Direktor der Sammlungen und er fungierte als Stellvertreter des Geheimen Rates Dr. Hübel bei dessen Abwesenheit von Dresden auf den Kirchenkonferenzen und in anderen kirchenrechtlichen Fragen. Dies alles spiegelt sich in seinen Tagebuchnotizen wider, die wie kaum persönliche Aufzeichnungen Anderer ein plastisches Gemälde Sachsens im 19. Jahrhundert vermitteln.
4. Überlieferung und Edition Die persönlichen Aufzeichnungen Karl von Webers liegen in sechs Foliobänden vor. Sie bilden im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden den Nachlass Karl von Weber. Die Aufzeichnungen reichen von Erinnerungen an seine Kindheit, die vermutlich nach 1868 niedergeschrieben wurden, bis wenige Tage vor seinem Ableben in der Nacht vom 17. zum 18. Juli 1879. Die sechs Foliobände umfassen unterschiedlich große Zeitabschnitte, zugleich Zeugnis ablegend von mehr oder weniger bewegten Tagen seiner Zeit. Band 1 (265 Blatt) enthält die Erinnerungen an die Kindheit und die Jahre von 1828 bis 1846, Band 2 (213 Blatt) die Zeit bis Ende 1849, Band 3 (258 Blatt) reicht bis 1855, Band 4 (243 Blatt) bis 1865, Band 5 (239 Blatt) bis 1868 und Band 6 (300 Blatt) bis Juli 1879. Die Bände waren von den Weberschen Nachkommen käuflich erworben worden. Es sind 1 520 doppelseitig beschriebene Folioblätter in der Größe von 35 × 21,5 cm, damit etwa 3 000 eng in einer kleinen regelmäßigen Kursivschrift beschriebene Seiten. Die Webersche Handschrift ist nicht ohne Schwierigkeiten zu lesen. Korrekturen, Nachträge und später hinzugefügte Randbemerkungen, vor allem beim immer wieder von Weber vorgenommenen Durchlesen der Notizen, vervollständigen die Tagebuchaufzeichnungen. Dazu kommen beigelegte Briefe, Plakate, Aufrufe und andere schriftliche Zeitzeugnisse. Nach einer ersten auszugsweisen Veröffentlichung von Weberschen Tagebuchnotizen im Märzheft des 54. Jahrganges der Zeitschrift „Allgemeine Konservative Monatsschrift für das christliche Deutschland“ aus dem Jahr 1897 soll Weber im Sommer 1816 mit regelmäßigen Tagebuchaufzeichnungen begonnen haben. Sie fehlen jedoch für die Zeit bis zum Anfang November 1828. Erst unter dem 8. November 1828 beginnen im Band 1 die fortlaufenden Eintragungen. Jahrzehntelang blieben die Tagebücher Webers von der landesgeschichtlichen Forschung weitgehend unbenutzt. Es dürfte erst Hellmut Kretzschmar gewesen sein, der bei der Abfassung des zweiten Bandes der „Sächsischen Geschichte“ die Tagebücher stärker auswertete. Als dann 1939 die Sächsische Kommission für Geschichte neu konstituiert und Kretzschmar stellvertretender Vorsitzender geworden war, wurde auch als ein neues Arbeitsvorhaben bei den Quellen zur Geschichte des 19. Jahrhunderts „zunächst ins Auge gefasst,
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die Aufzeichnungen des Geh. Rats C. v. Weber auszugsweise zu veröffentlichen. Der Band soll 10–12 Bogen nicht überschreiten.“ Ende April 1941 schloss Staatsarchivdirektor a. D. Dr. Hans Beschorner mit dem Ministerialrat a. D. Max von Seydewitz eine Vereinbarung über die Durcharbeitung der Weberschen Tagebücher mit dem Ziel einer späteren auszugsweisen Veröffentlichung. Ein Jahr später erstattete Seydewitz einen ersten Bericht, in welchem er mitteilte, dass er die ersten beiden Bände sowie den Band 3 bis zu Blatt 181 durchgearbeitet habe. Dabei hatte er Textstellen farbig markiert, wozu er berichtete: „Dabei habe ich diejenigen Stellen, die nach meiner Ansicht in erster Linie für eine Veröffentlichung im Wortlaut in Betracht kommen, in den Tagebüchern rot angestrichen …, die in zweiter Linie für eine solche Veröffentlichung in Frage kommenden Stellen habe ich durch grüne Anstreichungen und Striche hervorgehoben, und die Stellen endlich, deren Inhalt nur im Text erwähnt werden möchte, blau.“ Bei dieser Durcharbeitung ist es geblieben, da dieses Unternehmen der Sächsischen Kommission für Geschichte nach 1945 nicht weiterverfolgt wurde. Nicht alles, was Karl von Weber auf den über 3 000 Seiten seinem Tagebuch anvertraut hat, ist für eine Veröffentlichung geeignet. Dies ergibt sich schon allein aus dem Umfang der Aufzeichnungen. Es musste eine Auswahl getroffen werden, die sich an dem Aussagewert der Weberschen Notizen für die sächsische Landesgeschichtsforschung zum 19. Jahrhundert zu orientieren hatte. Unter diesen Aspekten wurden diejenigen Passagen ausgewählt, die seine Erlebnisse im politischen Leben, während seiner Tätigkeit als Ministerialrat im Gesamtministerium, als Vertreter Sachsens im Bundesschiedsgericht zu Erfurt, als politischer Berater König Johanns und als Direktor des Sächsischen Hauptstaatsarchivs schildern. Aufgenommen wurden auch seine Urteile über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und über die politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Zustände Sachsens und Dresdens. Nicht berücksichtigt wurden die recht umfangreichen Nachrichten über die Familie, über seine persönlichen Verhältnisse und Vorkommnisse privaten Charakters im Verwandten- und Bekanntenkreis. Der erste Teil der Edition enthält die Aufzeichnungen über seine Kindheit bis zum Ende des Jahres 1849 und der zweite Teil umfasst den Zeitraum von 1850 bis 1879. Vom Bearbeiter wurde zum besseren Verständnis ein Anmerkungsapparat beigefügt, in dem zusätzliche Informationen zu Sachverhalten und Personen enthalten sind. In einem Anhang wurden wesentliche, den Tagebuchnotizen von Weber beigegebene Dokumente in Auswahl aufgenommen, die die Weberschen Aufzeichnungen ergänzen. Ebenso wurde ein Personenregister und ein Ortsregister beigefügt. Auf ein Verzeichnis ausgewählter Literatur wurde bewusst verzichtet, da die notwendigen Literaturhinweise in den Fußnoten enthalten sind.
Tagebucheintragungen Teil I Von den Erinnerungen an die Kindheit bis zum Ende des Jahres 1849 1. Erinnerungen an die Kindheit Ich bin geboren am 1. Januar 1806 in dem Hause an der Hauptstraße in Neustadt-Dresden, welches das Eckhaus bildet von der Heinrichstraße vis a vis des jetzigen Hotels zum Erbprinzen, drei Treppen hoch. Das Haus war in alter Zeit dadurch sehr bekannt, dass darin Parterre der Konditor Engelhardt wohnte, der einzige, der Apfel- und besonders Pfannkuchen in Virtuosität zu backen verstand. Ein Artikel, den der selige Vater sehr liebte und den er, wenn er nicht neubacken war, auf dem Ofen wärmte. Der Geruch zog uns Kinder, die wir sehr selten Kuchen erhielten, sehr in die Nase. Meine Erinnerungen führen mich nicht in dieses mein Geburtshaus zurück, sondern in das Hübel’sche Haus (Eckhaus der Klosterstraße), in dem die Eltern die dritte Etage in Gemeinschaft mit den Großeltern bewohnten. Man war damals viel genügsamer als jetzt in Beziehung auf die Wohnung. Mein Großvater, der für die damalige Zeit wohlhabend (er hatte mit der Großmutter zusammen etwa 8 000 Taler), beschränkte sich auf eine Stube und eine Schlafkammer, die er mit der Großmutter zusammen bewohnte. Daran stieß ein Esszimmer, das mit den Eltern gemeinsam benutzt ward und des abends als Empfangszimmer diente. Die Köchin und ein Stubenmädchen waren gemeinsam, doch hatte der Vater einen besonderen Bedienten und die Großeltern auch. Der Vater hielt überdies später Equipage, damals ein viel gewöhnlicherer Luxusartikel als jetzt. Wir lebten sehr einfach und da der Vater gute Küche sehr liebte, ward für ihn häufig ein besonderes Gericht aus dem Jägerhof, oft ein gebratenes Rebhuhn, geholt. Er aß auch allein Semmel zu mittag und es galt als Begünstigung, wenn eins von uns Kindern die Krume, die er nie aß, als Dessert erhielt. Wir Kinder bekamen als Frühstück oft Eichelkaffee, abends Semmelmüßchen – Semmel in Wasser gekocht. Alle Jahre einmal an einem Bußtag mußten wir mit Wiener Traubchen, das schauderhaft schmeckte, purgieren. Die Großeltem sahen, da der Großvater seines Alters wegen wenig ausging, abends zum Tee fast täglich einige Personen bei sich, häufig ward eine Partie Jakob gespielt. 1m Gedächtnis gehen an mir vorüber die Hofrätin von Schindler, General Felgenhauer (mein Pate)1, die Appellationsräte Güntz und Kind (der berühmte Zivilist, Großvater der 1
Felgenhauer, Wolf Christoph Friedrich (1726–1809), sächsischer General der Infanterie, 1789 Präsident des Geheimen Kriegsrates, 1798 Kommandant von Dresden. Vgl Verlohren, Stammregister und Chro-
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Teil I Von den Erinnerungen an die Kindheit bis zum Ende des Jahres 1849
Bruder Kyaw)2, Graf Hofmannsegg, Fürst Putjatin3 , Hofrat Böttiger4, dessen Nachfolger der zimperliche Hofrat Hase, Mamsell Hofmann, eine reiche alte Jungfer, die einmal einem Kinde Geld gab, Bürgermeister Heyme5, stets im Frack mit kurzen Hosen, seidenen Strümpfen, wenn ich nicht irre mit einem Zöpfchen, Baron Just (Gesandter in London) der uns immer Bonbons aus einer zierlichen Bonbonniere bot, von Dohm, der ai faltor derjenige war, der bei Tisch kein Brot, sondern statt dessen getrocknetes Rindfleisch, das er mitbrachte, aß, Graf Einsiedel6, der Kabinettsminister, dessen Besuch eine gewisse Wichtigkeit beigelegt ward. Die Großmutter saß in der Regel am Fenster in einem bequemen Stuhl mit großen Ohren, auf die wir als Kinder gern kletterten, der Großvater an einem Pult. Sie lebten recht einträchtig miteinander, nur mit unserem Vater, der etwas schwierig zu behandeln sein mochte, gab es bisweilen kleine, durch die Mutter auszugleichende Differenzen, wobei der Großvater bisweilen sagte: „Ja der Weber, der Weber.“ Einmal ward bei den Eltern Komödie gespielt, wobei das Theater in der großen Eckstube (der Mutter Wohnzimmer) aufgeschlagen ward. Ich weiß nicht, welches Stück aufgeführt ward, glaube aber, dass die Mutter dabei den Schmuck trug, mit dem sie auf ihrem Porträt abgebildet ist. In ihrem Wohnzimmer stand auch der Wiener Flügel des Vaters, auf dem er ohne Noten nur aus dem Gedächtnis Ouvertüren (besonders Westelin, Cortez) und andere Sachen spielte. Ich erinnere mich noch, welches Vergnügen ich empfand, als ich noch ganz klein unwohl auf eines der beiden kleinen Sofas gebettet ward und unter den Tönen des Pianofortes einschlief. Den ersten Unterricht erteilte uns die Großmutter, die, obwohl die zweite Gattin des Großvaters, mit unendlicher Liebe an uns hing. Als ich vier Jahre alt war, konnte ich schon lesen. Ich unterrichtete dagegen ihren Spitz Aline im Apportieren und Aufwarten. Vor ihm hatte sie einen bissigen, knurrigen Mops Miks. Aline hat sie dem Dr. Hüntzschel als einziges Legat hinterlassen. Im Sommer wohnten wir in der Regel auf dem Lande, zuerst in Loschwitz auf dem Weinberge, der jetzt Frau von Selmuth gehört. Ich erinnere mich aber dieses Aufenthalts
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nik der sächsischen Armee. Leipzig 1910, S. 214. Kind, Johann Friedrich (1768–1843), Dichter der Romantik, u. a. Verfasser des Operntextes zur Oper “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber. 1793 Advokat in Dresden, ab 1816 Schriftsteller, 1818 zum Hofrat ernannt. Vgl. ADB Bd. 15, S. 742–743. – H.A.Krüger, Pseudo-Romantik. Friedrich Kind und der Dresdner Liederkreis. Leipzig 1904. – Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, Stuttgart 2006, S. 412–467. Putjatin, Nikolaus Abramowitsch Fürst (1749–1830). Seit 1797 in Dresden-Kleinzschachwitz wohnhaft. Vgl. H. v. Kyaw, Fürst Putjatin. Dresden 1883. – Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, a. a. O., S. 522. Böttiger, Karl August (1760–1835). Archäologe, Altertumswissenschaftler, seit 1804 Direktor des Kadettenhauses, Oberinspektor des Antikenkabinetts und des Meng’schen Museums, Hofrat. Heyme, Christian Gottfried (1747–1823). 1769 Adokat, Kammerprokurator und Hofrat, Mitglied des Dresdner Stadtrates ab 1774, Bürgermeister, 1814 Rücktritt vom Bürgermeisteramt. Siehe Otto Richter: Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden. Dresden 1885, S. 445 ff. – Geschichte der Stadt Dresden. Band 2. a. a. O., S. 353–355. Einsiedel, Detlev Graf von (1773–1861) auf Wolkenburg. Sächs. Geheimer Rat, Kabinettsminister und Staatssekretär des Innern 1813 bis 1830. Siehe Karl von Weber: Detlev Graf von Einsiedel. In: AfSG Bd. 1, 1863. S. 58–116, 129–193. – Gerhard Schmidt: Die Staatsreform in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Weimar 1966.
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nicht, sondern zunächst des Sommers in Briesnitz, in dem Adolf geboren ward. Ich weiß noch deutlich, wie der Vater uns mitteilte, dass ein Brüderchen angekommen, wie er die Mutter bei ihrem ersten Ausgang die Treppe herabtrug. In diesem Sommer hatten die Großeltern auch sehr vornehmen Besuch. Der Großvater, der in Leipzig eine sehr ausgebreitete Praxis gehabt, praktizierte in Dresden nicht mehr als Arzt. Die Kaiserin von Frankreich wünschte aber ihn zu konsultieren. Sie kam nun mit der Kaiserin von Österreich, wenn ich nicht irre, und der Königin von Sachsen und Prinzessin Augusta eines Nachmittags nach Briesnitz. Ferdinand und ich wurden dazu gewaschen und geputzt und mussten den Fürstinnen Blumen überreichen, wobei Ferdinand, als Prinzessin Augusta keine nahm, sie entschieden aufforderte, einige zu nehmen. Wir erhielten einen Hauslehrer Gundel oder ein ähnlicher Name, der uns gar nicht zu behandeln verstand. Er legte ein schwarzes und ein goldenes Buch an, in welchem er unsere Untaten oder Tugenden eintrug, ohne dass wir die einen oder die anderen kapierten. Dabei prügelte er uns gewaltig. Er blieb nicht lange bei uns. Dann kam ein Kandidat Wengler, später Pastor in Kesselsdorf, ein sanfter Mann, dem wir einmal in guter Meinung einen bösen Streich spielten, indem wir einen schönen Meerschaumkopf, den er mit Mühe angeraucht hatte, um ihn zu reinigen, abschabten. Auf ihn folgte dann Schmidt7, ein sehr tüchtiger gelehrter Mann. Einige Sommer, u. a. 1813, wohnten wir in Tharandt, wo wir während der Schlachten bei Dresden und Leipzig waren. Der Vater musste seiner Geschäfte halber immer in die Stadt, ging meist zu Fuß über die Berge, kletterte über Palisaden und geriet öfter in Gefahr. Während der Belagerung von Dresden durch die Österreicher drohte Tharandt auch Gefahr. Der Oberforstrat Cotta8 hatte deshalb im Walde ein Versteck angelegt, wohin wir mit den besten Sachen flüchten sollten, wenn es nötig sei. Einmal waren schon alle Bündel gepackt und jedes von uns Kindern erhielt eines zum Tragen. Es blieb aber Ruhe. Die ersten Kosaken und Baschkiren gefielen uns sehr. Sie waren gutmütige Kerle voll Ungeziefer, das sie uns mitteilten, da sie uns liebkosten und auf ihre kleinen zottigen Pferde setzten. Von Schlachtszenen bekamen wir nichts zu sehen, da die Österreicher, die von Franzosen verfolgt durch Tharandt reterierten, nicht kampflustig waren. Ich weiß noch, wie ein französischer Reiter, der an der Weißeritz hinritt, eine Anzahl österreichischer Infanteristen, die jenseits der Weißeritz auf einer Wiese hingingen, aufforderte, sich zu ergeben. Sie kamen auch ganz friedfertig über den Steg zu ihm hinüber und gaben sich gefangen. In Tharandt lebten wir sehr gesellig mit den Familien Finanzsekretär Andree, der sehr gut Violine spielte (seine Schwiegermutter war eine Frau von Senff), Vizekanzler von Nostitz, er ein kleiner buckliger Mann, der immer ein sehr großes Reitpferd ritt, sie eine sehr lange magere Dame, Frau von Heusler, die einige junge Damen im Hause hatte, u. a. Frl. von Bose, die Mutter des Schriftstellers Wickede – hauptsächlich aber mit dem herrlichen alten Cotta und seiner Familie, wir Kinder mit August und Bernhard Cotta. Der alte Herr hatte eine Passion, Wagen zu bauen, die nicht immer gelangen. Unter anderem ließ er einen machen 7 8
Schmidt, Gottlob Christian (1788–1853). 1819 Diakon, 1824 Pfarrer in Dresden-Kaditz, 1835 Pfarrer in Meißen St. Afra, 1847 Kirchen- und Schulrat in Leipzig. Cotta, Heinrich von (1763–1844). Oberforstrat. Begründer der Forstakademie Tharandt. Vgl. NDB. Band 3, Berlin 1957, S. 380 f.
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in der Form eines Kahns, weil er meinte, er werde schneller die Luft durchschneiden. Seine Lieblingsredensart war ‚es ist kurios‘. Nachtragen muss ich, dass wir Kinder an dem Tage, an welchem die Dresdner Brücke gesprengt ward, mit der Mutter nach Teplitz flüchteten.9 Früh wurden an diesem Tage einige Koffer gepackt, die der Vater mit dem Bedienten, da niemand zu bekommen war, auf einem Schiebebock über die Brücke fuhr, während wir mit kleinen Paketen beladen ihn begleiteten. Am Elbberg wohnte ein ehemaliger Kutscher des Vaters, der noch ein paar Pferde versteckt gehalten. Der Vater ließ sich, da die Brücke schon gesperrt war, auf einem Kahn nach Neustadt zurückfahren. Ich glaube, man hat ihn von der Brücke und Terrasse aus, da die Franzosen keine Passage mehr gestatten wollten, bedroht oder gar auf ihn geschossen. Wir fuhren mit der Mutter an der Elbe hin und dann ein Stück von der Stadt rechts herüber auf die Straße. Hinter der Grünen Wiese hielten uns Kosaken an, deren Führer aber deutsch oder französisch sprach und uns passieren ließ. In Böhmen bekamen wir als Extrapost auf einer Station, wo keine Pferde waren, Ochsen. 1m Jahre 1814 oder 1815 reiste ich mit den Eltern nach Karlsbad, wo ich der Mutter als Kammerjungfer diente und dazu zum Kleiderzumachen und Haarflechten dressiert ward. Ich erinnere mich noch einiger mich sehr ansprechender Frühstücke mit Kringeln, die der Oberhofprediger von Ammon gab, und einer Fahrt nach einem Ort, wo Messer gefertigt wurden, von denen ich eines geschenkt bekam. So verlebte ich bis in den Herbst 1817 eine glückliche Jugend, getragen von der Liebe unserer guten Mutter und der Großeltem. Wir wohnten auf dem jetzt Güntzischen Weinberg in Wachwitz, da starb am 13. Oktober 1817 unsere liebe Mutter, erst 33 Jahre alt, und mit ihr schied der Schutzgeist unseres Hauses. Der Vater ward immer düsterer, abgeschlossener, hypochonderer. Er zeigte uns nie Liebe. Die Großeltern trennten sich in der Wirtschaft von ihm, indem sie die zweite Etage des Hübel’schen Hauses bezogen. Der Vater hatte bis dahin seine Arbeitszimmer und Schlafzimmer in der vierten (Dach-)Etage. Wir Kinder wohnten mit dem Hauslehrer daneben. Ein Zimmer füllte die Bibliothek des Großvaters, die medizinische, naturhistorische, historische Werke, auch viele Übersetzungen römischer und griechischer Klassiker enthielt. Ferdinand, der anfänglich Medizin studieren sollte, erhielt nach des Großvaters Tode die medizinischen und naturhistorischen, ich die andern Bücher. Ich habe sie meist in Zeiten pekuniärer Bedrängnis verkauft, einige durch gelben und blauen Einband kenntlich. Einige englische und französische Bücher habe ich noch, auch die Prachtausgabe von Goethes Werken, die er von diesem selbst erhalten hat. Vom Jahre 1817 beginnt mein Tagebuch, das ich denn ziemlich regelmäßig fortgeführt habe.10 9
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Die Augustusbrücke, die einzige Brücke über die Elbe im oberen Elbtal, wurde durch französische Pioniere am 19. März 1813 gesprengt. Es wurde der mittlere Brückenbogen völlig zerstört und so der Zugang in die Altstadt von der Neustadt aus unmöglich gemacht. Siehe dazu Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, a. a. O. S. 339 ff., 586 f. Die Tagebucheintragungen von 1817 bis 1828 sind nicht in den Tagebüchern vorhanden. Ihr Verbleib ist ungewiß und nicht zu ermitteln gewesen. Aus dem Jahre 1897 liegt aber ein längerer Beitrag in der in Leipzig erschienenen Zeitschrift „Allgemeine Konservative Monatsschrift für das christliche Deutschland“ unter dem Titel „Aus dem Tagebuch weiland des Geheimrats und Direktors des Königl. Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dr. Karl von Weber in Dresden“ vor, der die nachstehend hier wieder abgedruckten sporadischen Tagebucheintragungen enthält.
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Dieser Teil der auszugsweisen Veröffentlichung aus dem Tagebuch Webers für die Jahre von 1817 bis 1828 hat folgenden Wortlaut: Es war im Jahre 1819, als der spätere Kultusminister Johann Paul von Falkenstein, damals eben inskribierter Student in Leipzig, eine Vergnügungsreise mit zwei Freunden in das nördliche Böhmen unternahm. Er war vorher bei seinem Onkel, welcher Hofmarschall an einem der thüringischen Höfe war, gewesen und hatte auch einen Abstecher nach Weimar gemacht, wo er durch den ihm bekannten Geheimen Rat Schmidt auch bei Goethe eingeführt worden war. Auf der nun nach diesem Aufenthalt in Thüringen unternommenen Reise nach Böhmen hatte Falkenstein unvorsichtiger Weise keine andere Legitimation mitgenommen als den Schein über seine Inskription in Leipzig. Glücklich und ungefährdet war er bis Eger gekommen, aber hier ereilte ihn das Verhängnis – die österreichische Polizei fragte nach seinen Papieren. Er zeigte seinen Inskriptionsschein vor, der nach damaliger Übung lateinisch abgefasst war, aber der Diener der öffentlichen Sicherheit ließ das Latein der Universität unberücksichtigt und sperrte Herrn von Falkenstein ein. Den ganzen Tag brachte derselbe bei Wasser und Brot zu, bis er spät abends noch zu dem damaligen Polizeidirektor von Eger, Grüner, dem Vater des späteren österreichischen Generalkonsuls in Leipzig, Ministerialrat von Grüner, gerufen wurde. Derselbe frug ihn, woher er komme, was er auf seiner Reise bezwecke pp. Falkenstein erzählte ihm alles der Wahrheit gemäß und erwähnte u. a. auch, dass er bei Goethe in Weimar einen Abend zugebracht habe. „Bei Goethe sind Sie gewesen?“ rief freudig erregt und hocherstaunt der Polizeidirektor. „Das müssen Sie mir erzählen.“ Er ließ sofort eine Flasche guten Wein bringen und Herr von Falkenstein, der den Tag über nur Wasser erhalten, erzählte frisch und munter seine Erlebnisse in Weimar und gewann durch sein munteres Benehmen wie durch seine interessante Erzählung in dem Maße das Herz des Polizeidirektors, dass dieser ihm nicht nur wohl traktierte und sofort freiließ, sondern auch für die weitere Legitimation des Herrn von Falkenstein sorgte.“ Zur Erklärung des immerhin etwas auffälligen Verhaltens des Herrn Grüner diene fol gendes: Derselbe war bekannter Geologe, unterhielt damals schon seit längerer Zeit einen lebhaften Briefwechsel mit Goethe, welcher auch später im Druck erschienen ist, hatte aber noch nicht die persönliche Bekanntschaft des Dichters gemacht. So mußte es ihn denn im höchsten Grade interessieren, einige Details über das Aussehen und Benehmen Goethes zu erfahren. Bei einer Fußreise, die Weber im Juni 1821 von Meißen nach Leipzig unternahm, ist für jetzt interessant, daß die Preise zu jener Zeit so auffällig billig waren, dass die Nacht zeche in Döbeln 7 alte Groschen 5 Pfennige betrug, die Mittagszeche in Grimma aber 8 alte Groschen 3 Pfennige. Für Butterbrot gab Weber einmal 8 Pfennige, das andere Mal nur 4 Pfennige. Der Wechsel zweier adeliger Studenten aus bemittelter Familie betrug damals 500 Taler – und freie Wohnung (welche meßfrei 100 Taler kostete und aus 2 Stuben und 2 Kammern bestand). Um jene Zeit kostete in Meißen eine Flasche geringer Landwein nur 4 gute Groschen. Für Leihen eines gewöhnlichen Reitpferdes auf drei Stunden gab man da mals nur 12 gute Groschen. Am 29. Juli 1821 erwähnt Weber noch das Spiel des Gänserichreitens, welches jetzt we nigstens in Sachsen nicht mehr vorkommt. Dabei wurde ein toter Gänserich aufgehängt und die Bewerber mußten in Karriere darunter hinreiten. Wer dem Gänserich den Kopf abriß, dem fiel die Gans und noch ein anderer Gewinn zu.
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Am 6. August 1821 um die Zeit des Sonnenaufgangs erlebte Weber eine ziemlich seltene Himmelserscheinung, welche den Schreiber dieses an eine ganz ähnliche Erscheinung erin nert, deren Zeuge er in den fünfziger Jahren einmal bei den sogenannten ExterSteinen bei Detmold war. „Der ganze östliche Himmel war in einen feuerroten oder goldenen Nebel gehüllt. Es sah aus, als ob ein Schleier in der Gegend der Elbe vor alles gezogen sei. Darauf drang die Sonne durch, wobei das Ganze allmählich verschwand und eine ordentliche Morgenröte sich bildete, mit der man die vorhergegangene Erscheinung gar nicht vergleichen konnte.“ Um jene Zeit spielte ein Mann öffentlich auf einer sogenannten Glasharmonika, einem aus ineinander gefügten Glasglocken bestehenden Instrument von der Größe eines Klaviers. Er vermochte daraus schöne Töne zu entlocken und darauf Choräle und andere Stücke zu spielen. Ein solches Instrument findet sich noch jetzt auf einem Rittergut bei Leipzig. Der in obige Zeit fallende Teil des Tagebuches enthält meistens Beschreibungen zu Fuße oder zu Pferde unternommener Reisen. Daraus möge nur folgender Vorgang von Anfang Oktober 1826 hier Platz finden, wo Weber die besonders gut erhaltene Ruine Hohlenfels bei Diez im vormaligen Großherzogtum Nassau aufgesucht und durchgesetzt hat, daß er in dieser, von einem Jäger und dessen Frau, welche ein Nebengebäude innehatten, bewohnten Ruine übernachten durfte. Er sagt darüber: „Nachdem wir uns bis um 9 Uhr abends bei 3 Flaschen Wein, den ich hatte holen lassen, unterhalten hatten und der Wein dem Jäger bedeutend in den Kopf gestiegen war, da er es sich nicht nehmen ließ, ihn auf meine Gesundheit fast ganz allein zu trinken, ging ich auf die nördliche Seite des Schlosses, wo ich im Turm gerade über der im Felsen befindlichen Höhle mir mein Bett hatte aufstellen lassen. In der Tat gruselte es mich ein wenig, als ich allein durch die dunklen Hallen und langen Gänge schritt, bis ich den Turm erreicht hatte, und meine Tritte weit in den öden Gemächern widerhallten. Ich verriegelte von Innen die Tür und legte mich zu Bett. Ich konnte nicht gleich einschlafen, stand nach einer Weile wieder auf und sah zum Fenster hinaus. Alles war still und ruhig und nur unten aus der Stube schallte des betrunkenen Jägers Lärm, der sich mit seiner Frau zu zanken schien. Nach einer Weile kam diese aber über den Hof mit einer Laterne und schob den Riegel vor das Tor. So, dachte ich, nun bist du gefangen wie die Maus in der Falle. Heraus kannst du nicht, es mag geschehen, was da wolle, wie, wenn nun der Wirt ein Schurke wäre! In der Tat, er hätte mich zehnmal totschlagen können, es hätte kein Hahn danach gekräht und daß ich Geld bei mir hatte, konnte er wohl bemerkt haben. Obwohl ich mir meine törichten Gedanken aus dem Sinne zu schlagen suchte, verfolgten sie mich in meinem Traume, als ich bald darauf einschlief. Auf einmal wurde ich, kaum eingeschlafen, durch ein dumpfes Geräusch erweckt. Ich fuhr auf, rieb mir die Augen und hörte, halb schlaftrunken, ein lautes Jammern. Eiskalt lief es mir über den Rücken. Ich dachte immer noch, ich träume, aber wiederholte Klagetöne überzeugten mich bald, daß ich wach sei. Auf einmal hörte ich eilende Schritte auf dem Gange, man kam die Treppe herauf, ein Lichtscehin drang durch die Türe. Sofort war ich aus dem Bett und in die Hosen gefahren, griff auch nach Pistole und Dolch. Herr Jesus, rief die Stimme eines Menschen, der an meine Tür klopfte, machen Sie auf, mein Mann ist tot. Was ist das für ein Lärm?, rief ich. Ach Gott, antwortete die Frau des Jägers weinend, machen Sie nur auf, mein Mann ist die Treppe herabgefallen und hat den Hals gebrochen. Zögernd riegelte ich die Türe auf, in der einen Hand die gespannte Pistole, in der anderen Hand den gezückten Dolch trat ich in die Türe. Ich erkannte aber sofort meine unnütze Vorsicht, als ich bloß die weinende Frau sah, die mich unter lautem Jammern in den Hof führte,
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wo ihr Mann unten lag und – schnarchte. Es stellte sich darauf heraus, daß der Förster stark betrunken war, da er außer dem Wein noch eine Flasche Branntwein genossen hatte. Er hatte nur infolge seines Sturzes auf der Treppe eine arge Brausche, zu deren Beseitigung ihm dann ein Umschlag gemacht wurde. Der übrige Teil der Nacht verlief ruhig, obwohl die Ruine im Rufe stand, daß darin Gespenster hausten.“ Von Weber’s Reise durch Frankreich, der Schweiz und Süddeutschland im Jahre 1828 möge des Unterschieds mit der Jetztzeit und der daraus hervorgehenden erfreulichen Folgen der kunstliebenden Tätigkeit der bayerischen Könige halber hier nur folgendes Erwähnung finden. Weber fand damals zu München zwar das neue königliche Schauspielhaus schon fertig, die Arkaden und die Glyptothek sowie einen Teil der königlichen Residenz eben im Werden und versagte der Schönheit dieser Baulichkeiten nicht das ihnen zukommende Lob. Im übrigen sprach er sich aber über das damalige München, dessen jetzige Beschaffenheit wir als bekannt voraussetzen dürfen, wie folgt aus: „Wir fuhren durch viele im Entstehen begriffene Gartenanlagen und winzige Gartenhäuser, dann durch sehr schmutzige Straßen pp. In der Stadt selbst aber bemerkten wir kein schönes Gebäude, alles ist voll Schmutz und überall wird gebaut. Um 9 Uhr abends (am 27. September) waren die Straßen schon ganz tot und öde. Überhaupt finde ich die Stadt unendlich tot. Auch habe ich kein einziges hübsches Gewölbe bemerkt, lauter kleine erbärmliche Handlungen, in denen ich mit Mühe einige Kleinigkeiten als Andenken für die Meinigen finden konnte.“ Bezeichnend für jene Zeit ist auch, daß damals die Eilpost von München nach Sachsen nur zweimal in der Woche ging. Sie fuhr 7 Uhr früh des ersten Tages von München ab, traf früh 7 Uhr des andern Tages in Nürnberg ein und fuhr dort erst 4 Uhr nachmittags des zweiten Tages ab. In Studentenkreisen in München wurde damals vom König Ludwig I. folgende nette Anekdote erzählt. Eines Ta ges im Winter traf der König einen Studenten, der bei arger Kälte im Schloßgarten in einem Buch studierte. Der König fragte ihn, warum er hier studiere. Der Student, welcher ihn nicht kannte, antwortete, er habe kein Holz, demnach sei es egal, wo er studiere. Der König fuhr fort, warum er sich denn nicht an den König wende? Der Student erwiderte: Das wird ja nicht helfen, denn der König sei ja der ärgste Knicker im Lande. Der König ließ sich seinen Namen sagen und den anderen Tag erhielt der Student ein Fuder Holz und einiges Geld mit einem Zettel, worauf stand: Von Ludwig dem Knicker.
2. Lehrjahre in Dresden. Von den revolutionären Ereignissen in Dresden 1830 bis in die Zeit des Vormärz 1829 Mai 4 Ich kam hier in Dresden den Sonnabend an und fand alles im gewohnten Schlendrian. Mangoldt11, den ich aufsuchte, fand ich krank. Wir hatten uns viel von Zwickau zu erzählen. 11
Mangoldt, Karl Georg Julius von (1795–1870). Präsident des Appellationsgerichts Zwickau seit 1835, bekannt mit Weber seit dessen Tätigkeit im Justizamt Zwickau in den Jahren 1828 und 1829.
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Sonntags, den 3. Mai ging ich früh in das Quartier, das ich mir gemietet, ein kleines Stübchen, und richtete mich ein. Nachmittags war ich bei Mangoldt und abends im Oberon12 Heute will ich Visiten schneiden. Mai 5 Ich habe mir ein Quartierchen auf der Pfarrgasse gemietet und hause da für mich ein eintöniges Leben. Meine Einführung im Konsistorium hat noch nicht statthaben können, weil mein Reskript noch nicht zurück ist. Ich traf Oppelln, der mit zu mir ging. Auch er klagte wie alle jungen Leute über die erbärmlichen Aussichten, die sich zur Beförderung zeigen. 10 Jahre kann man dienen, ohne einen Groschen zu bekommen. Mai 8 Heute war für mich ein merkwürdiger Tag. Der Geheime Rat Globig ließ mich nämlich gestern zu sich kommen und kündigte mir an, ich solle heute im Konsistorium eingeführt werden. Um zwölf Uhr ließ ich mich daher in der Portechaise dahin tragen und wartete hier bis gegen eineinhalb, wo ich endlich eingelassen wurde. Globig hielt eine kleine Rede an mich, worauf ich ihm den Handschlag leistete und den Verpflichtungseid schwor. Dann hörte ich sogleich bei den Vorträgen, die bis dreieinhalb dauerten, zu. Mai 9 Heute war ein schwerer Tag! Von früh 10 fing ich an, meine Staatsvisiten zu schneiden und tat auch wirklich ein halb Dutzend Exzellenzen und ebensoviel Oberkonsistorialräte ab; bei den Ministern wurde ich meistens gottlob nicht angenommen. Mai 25 Ich habe mich nun ziemlich eingerichtet. Angenehm kann ich mein Leben zwar nicht nennen, mais elle passe et c’est tot ce que je veuse. Der Vater ist mit der Mutter und Lina seit acht Tagen nach Berlin und Leipzig gereist. Die drei Tage, wo Sitzung ist, dauert es freilich von zehn bis vier Uhr, was nicht sehr angenehm ist. Dann gehe ich spazieren und abends geige ich. Die anderen drei Tage habe ich mehr Freiheit. Scheufler13, der mit seinen Advokatenspeziminibus durchgefallen, obgleich er doch wirklich ein gescheiter Kerl ist, war auch auf einen Tag hier und besuchte mich. Es geht ihm wie fast allen meinen hiesigen Freunden: es liegt eine dumpfe Schwüle auf ihnen und keiner wagt wie früher, heitern Geistes aufzutauen. Geht mir es denn besser ? August 23 Gestern kam ich von einem vierzehntägigen Aufenthalt in Leipzig zurück. Ich machte nämlich am 17. August das sogenannte examen rigorosum, bei dem aber nichts rigoros war als der Preis, 143 Taler 4 Groschen in species. Meine Examinatoren waren der Ordinarius Günther14, Einert15, Gerstäcker und Kind16. Einert, den ich schon früher kannte 12 13
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Wahrscheinlich eine Auffährung der Oper „Oberon“ von Carl Maria von Weber im Dresdner Hoftheater. Scheufler, Wilhelm (um 1806–1878). Freund Webers aus den Jahren des Studiums an der Universität Leipzig. Advokat, Gerichtsverwalter mehrerer Patrimonialgerichte im Meißen-Lommatzscher Gebiet. Teilnahme am Maiaufstand 1849 und deshalb von den Amtsgeschäften in Lommatsch suspendiert. 1850 vermutlich auf Fürsprache Webers begnadigt und ab Sommer 1851 wieder als Gerichtsdirektor in Meißen tätig. Günther, Dr. Karl Friedrich (1786–1864). 1825 Advokat, Professor an der Juristenfakultät der Universität Leipzig, 1828–1862 Ordinarius der Juristenfakultät der Universität Leipzig, 1844/1845 Rektor der Universität Leipzig. Siehe E. Friedberg, Das Collegium Juridicum. Leipzig 1882, S. 96. – Geschichte der Universität Leipzig 1409–2009. Band 2, Leipzig 2010, S. 52 ff. Einert, Dr. Karl (1777–1855). 1802 Advokat, 1807 Ratsherr in Leipzig, 1816 Mitglied der Juristenfakultät der Universität Leipzig. 1828 Präsident des Handelsgerichts Leipzig. 1843 Vizepräsident des Oberappellationsgerichtes in Dresden. Kind, Dr. Karl Theodor (1799–1868). Professor an der Universität Leipzig, Mitglied der Juristenfakultät der Universität Leipzig seit 1835. Siehe ADB Band 15, S. 744–745.
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und daher einigemal besuchte, erregte in mir den Gedanken, auch einmal in die Fakultät zu kommen. Er machte mir dazu in ein bis zwei Jahren Hoffnung. Allerdings würde mir dies höchst angenehm sein, wäre es auch nur, um aus dem ledernen Dresden zu kommen. November 27 Yesterday the father recived a private letter from Einsiedel, who annonced him that the king had given him the nobility; indeed I was more glad of it, than it appear to be: Ferdinand was out of himself of pleasure, et know it but better to hide, but intemully it am as gled as he an why shoued it con veal it to myself?
1830 Mai 8 Den Dienstag machte ich meine Visiten bei allen Incultisten, d. h. ich fuhr in einem großen Glaskasten herum und gab überall Disputationen und Karten ab. Donnerstag den 6. Mai war meine Promotion. Um zehn ging es los. Leopold Weber, Dr. Freiesleben17 und Dr. Sickel18 opponierten mir. Gegen zwei war es aus und ich gab ein Diner in Aeckerbies Restauration, wo sich die sämtlichen alten Perücken einfanden. Bis um fünf saßen wir bei Tische und dann blieb ich noch mit Dr. Günther und Dr. Einert bei einer Zigarre bis um sieben zusammen. Heute früh fuhr ich mit der Eilpost wieder zurück und will nun wieder im alten Gleise fortgehen und vor allem meine specimina machen. Juni 27 Seit Montag hatten wir abermals Ferien, weil das dreihundertjährige Jubiläum der Übergabe der Augsburgischen Konfession gefeiert ward. Donnerstag den 24. war der Johannistag. Freitag den 25. Juni war das eigentliche Fest. Ich trank meinen Brunnen, kam wie gewöhnlich halb neun todmüde zurück und ging daher erst nach elf wieder aus, um die Kirchen zu besehen, die sämtlich mit Kränzen und Girlanden ausgeschmückt waren. Große Prozessionen von Militär und Zivil hatten früh in die Kirchen stattgefunden. Abends war der Kreuzturm und die Frauenkirche mit einem Kranz von Lampen schön illuminiert und ebenso viele Privathäuser. Ich sah es bis um zehn mit an und ging zu Bette. Gestern früh erfuhr ich, dass um zwölf Uhr ein ungeheurer Tumult stattgefunden hat. Ein Kaufmann Berthold, sagt man, hatte, wahrscheinlich betrunken, vor einem Hause am Altmarkt, in dem die Bildnisse Luthers und Melanchthons von Lampen umgeben waren, diese „Seehunde“ oder dergleichen genannt. Der Pöbel wird darüber wütend und fällt über ihn und seine Begleiter her. Jener rettet sich in ein Haus, dessen Türe man verschließt. Der Pöbel will sie erbrechen und wirft, da es nicht geht, die Fenster ein. Die Menge wird größer und wächst bis auf viele tausend an. Um sie zu zerstreuen, holt man Militär. Es wird, obwohl verstärkt, zurückgeworfen. Endlich rückt die ganze Garnison aus und nach vielen Prügeln von beiden Seiten zerstreut sich die Menge gegen vier Uhr. September 6 In Leipzig sind bedeutende Unruhen ausgebrochen. Lange schon herrschte Erbitterung gegen Ende.19 Nun hat der Rat eiserne Bettstellen für ein Hospital, über 17 18 19
Freiesleben, Dr. jur. Johann Wilhelm Otto (1807–1890). Seit 1836 im sächs. Finanzministerium tätig, ab 1872 Ministerialdirektor. Sickel, Dr. Johann Conrad (1769–1837). Advokat, Bürgermeister in Leipzig, Präsident des Appellationsgerichtes Leipzig. Ende, Karl Heinrich Konstantin von (1784–1845). Oberhofrichter, Präsident des Criminal- und Polizeiamtes der Stadt Leipzig, seit 1824 Königlicher Bevollmächtigter bei der Universität Leipzig. Siehe
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welches Erkel20 die Aufsicht hat, anstatt in Leipzig in Markranstädt machen lassen. Darüber sind die Handwerker erbittert, haben bei Gelegenheit eines Polterabends, worein sich die Polizei gemischt, einen Auflauf erregt, Ende’s und des armen Erkel und einiger andern Häuser demoliert und allerhand Unfug getrieben, so dass heute Nacht drei Kompanien Schützen auf Wagen schleunigst hinbeordert worden. Doch soll bereits die Ruhe durch die Bürger und Studenten, die sich bewaffnet haben, wiederhergestellt worden sein. September 13 Wir haben merkwürdige Tage verlebt. – Schon seit geraumer Zeit hatten mehrfache Missbräuche, teils bei der Regierung unseres Landes überhaupt, teils speziell bei der Administration des hiesigen Stadtrates, vielfache Unzufriedenheit erzeugt. Es bedurfte nur eines Funkens, um diese Mine in die Luft zu sprengen. Letzten Donnerstag den 9. September war ich mit Scholzens und Rosenbergs im Großen Garten, wo Konzert war. Junge Leute verlangten die Marseillaise. Sie ward wiederholt gespielt. Gegen acht gingen wir zurück und kaum war ich zu Hause, als ein Trupp Menschen, zehn bis fünfzehn höchstens, singend und vivatschreiend die Pirnaische Gasse herab kamen, ihnen folgte ein Trupp Gassenjungen. Ich ging nach und fand die Straßen voll Menschen. Auf einmal kam ein Haufen Gesellen die Wilsdruffer Gasse herab. Gegen neun Uhr war er bis zu etwa einhundertfünfzig Personen angewachsen, welche vor der Polizei21 schrien und lärmten. Dann zogen sie vor das Polizeihaus und brachen an den Buden Stangen los.Auf einmal.begann man Fenster einzuwerfen und an die Tore zu donnern. Kein Polizeisoldat oder Militär ließ sich sehen. Einige erbrachen indes die Polizei und fingen an, alles zu zerschlagen. Die Polizei war entflohen. Auf einmal stiegen einige auf Leitern auf den Balkon des Rathauses, schlugen die Türen entzwei und fingen an, Akten zum Fenster hinauszuwerfen. Diesen folgten Tische, Stühle und alles andere, was zu erlangen war. Alles ward auf einen Haufen getragen. Müßig standen Tausende von Menschen herum und sahen zu. Indes geschah vor der Polizei ein gleiches. Gegen zehn Uhr begann man diese Haufen anzuzünden und bald loderte die Flamme himmelhoch. Man stürmte. Allein die Spritzen wurden nicht durchgelassen. Indes war doch Militär gekommen. Allein als es vordringen wollte, warf man mit Steinen, einige Offiziere wurden bedeutend verwundet und da kein Ernst gebraucht ward, schlug die Flamme durch immer neu zugeworfene Stoffe immer höher empor, vorzüglich in der Polizei, wo es bald selbst im Hause zu brennen begann. Ich ging um zwei zu Hause. Früh traf ich alles noch ebenso: in der Polizei ward am hellen Tage vor aller Augen von einem Haufen Gesindel frischweg demoliert. Indes versammelten sich einige Bürger auf dem Rathause und es ward die Bildung der Nationalgarde beschlossen.22 Nach Tische drang alles in das Zeughaus, wo ohne alle Ordnung jeder
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Geschichte der Universität Leipzig. Band 2, S. 24 f. – Geschichte der Stadt Leipzig. Band 3. Leipzig 2018, S. 113–115. Erkel, Johann Gottfried (1767–1833). 1830 Ratsherr in Leipzig, Stadthauptmann, Vorsteher des Johannishospitals und Ratsbaumeister. Siehe Geschichte der Universität Leipzig, Band 2, S. 52. – Geschichte der Stadt Leipzig. Band 3. Leipzig 2018, S. 166 f. Es handelt sich um das ehemalige Polizeigebäude in der Scheffelstraße. Siehe zu den Ereignissen von 1830 und 1831 grundsätzlich Michael Hammer, Volksbewegung und Obrigkeiten. Revolution in Sachsen 1830/1831. Weimar, Köln, Wien 1996. Gemeint ist die Bildung der Kommunalgarde. Die Nationalgarde bestand seit 1809 und wurde im Dezember 1830 aufgelöst. Siehe dazu P. Reinhardt, Sächsische Unruhen, S. 147–148. – G. Beutel, Dresdner Bürgersoldaten des 19. Jahrhunderts. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. Heft 30. Dresden 1926. – Volker Ruhland, Rolle und Formen der Bürgermilizen im Prozeß der bürgerlichen
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Flinten und Säbel nahm wie es ihm beliebte. Natürlich bekam eine Unzahl liederliches Gesindel, noch schwarz vom Brande, ebenfalls Waffen. Die Pirnaischen Vorstädter vereinigten sich indes zu einer Kompanie unter dem Advokat Axt. Wir waren ungefähr hundert Mann, worunter Nake, Spitzner, Hauschild, Beust und mehrere meiner Bekannten. Unsere Station war in der Armenkommission. Unser Trupp, der göttlich aussah, da einige Flinten, andere Säbel, andere Galanteriedegen, Pistolen etc. hatten, ward in Kohorten geteilt, die abwechselnd die Straßen auf und ab patrouillierten. Die Schlossgasse, wo alle Laternen zerschlagen waren, war brillant illuminiert. Wir fanden aber keine Rebellen und gingen um eins zu Hause. Sonnabend. den 11. September war schon früh halb acht Generalmarsch geschlagen, allein es war ein blinder Alarm gewesen. Indes waren sogleich die Bürgertruppen auf dem Markt versammelt, wo abwechselnd die Kompanien, deren in Altstadt fünfzehn sind, Wache hielten. Das Militär, die Schützen, waren von allen Wachen gestern durch den Pöbel mit Steinwürfen verjagt worden und die Hauptwache hat die Nationalgarde mit dem Bajonett genommen, worauf die Schützen scharf, jedoch in die Luft geschossen haben. Abends zogen wir wieder auf Wache, nachdem wir vor Prinz Friedrich die Revue auf dem Markt passiert hatten23. In der Nacht entstand auf der neuen Gasse gleich neben Rosenbergs Feueralarm, indes ward es gleich gedämpft. Sonntag der 12. September verging ruhig. Alles läuft bewaffnet und mit weißen Binden umher. In Chemnitz und Meißen sind auch Unruhen ausgebrochen. Abends zog ich abermals auf; um zehn entstand ein ungeheurer Lärm. Auf der neuen Gasse hatten sie in einem Garten einen mit einem Säbel bewaffneten Menschen gefangen, dem Schuld gegeben ward, er wolle Feuer anlegen. Wir stürzten hin und arretierten ihn. Er ward jedoch unschuldig befunden und entlassen. Indes war das Gerücht verbreitet worden, der Pirnaische Schlag werde gestürmt und von allen Seiten kamen Bürgergarden zusammen, meist in vollem Trabe, so dass in einer Viertelstunde an drei – bis vierhundert zusammen waren. Die Pimaische Straße war in einem Nu illuminiert. Alles war indes blinder Alarm und todmüde kam ich nach vier durchwachten Nächten zu Hause. Heute stand ich halb zwölf auf und Beust kam bald darauf zu mir. Nach Tische um fünf ward in einer Versammlung der Nationalgarde die Reihe des Aufziehens genauer geordnet, weil nicht alle Tage allen möglich ist, auf die Wache zu ziehen. Dann ging ich zu Hause und wir spielten Quartett, als auf einmal Beust mit blankem Säbel hereinstürzte und uns die Nachricht brachte, dass soeben Friedrich August zum Mitregenten proklamiert worden und Max, der Nachfolger, entsagt habe.24 Die Nachricht erfüllte die ganze Stadt mit der größten Freude, zumal da zugleich Einsiedel seinen Abschied vom König erhalten hat und Lindenau in seine Stelle getreten ist.25 Mit Grund kann man also die Abhilfe der gegründeten
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Umwälzung in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Kommunalgarden im Königreich Sachsen. In: Sächs. Heimatblätter Jg. 35 (1989), Heft 1, S. 221–231. Friedrich August, Prinz von Sachsen (1797–1854). Vorsitzender der am 10. September 1830 gebildeten „Kommission zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“, ab 13. September 1830 Mitregent, von 1836 bis 1854 König von Sachsen. Siehe R. Groß, Die Wettiner, Stuttgart 2007, S. 232–240. Maximilian, Prinz von Sachsen (1759–1838), Bruder von König Anton (1755–1836), Vater der Prinzen Friedrich August und Johann. Da König Anton keine männlichen Erben hatte, ging die Thronfolge nach dessen Tod auf die Söhne von Maximilian über. Siehe R. Groß, Wettiner, S. 231 f. – Albert Herzog zu Sachsen: Die Wettiner in Lebensbildern. Graz, Wien, Köln 1995, S. 140–149. Lindenau, Bernhard August von (1775–1854). Leitender Minister im Herzogtum Sachsen-Gotha-Alten-
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Beschwerden hoffen. Die ganze Stadt war bald darauf illuminiert. So viel Wirkung hat der kleine Umstand, dass ein Dutzend Menschen am Donnerstag die Marseillaise spielen ließen, bewirkt. Jordan, der aus Ems kommt, war vor einer Stunde hier angekommen, als er zu uns eilte und mit Staunen die Veränderungen in dem ruhigen Sachsen und die liberalen Gesinnungen seiner Freunde bemerkte. September 14 Um halb elf wurden die Nationalgarden aufgestellt trotz fürchterlichen Regens. Prinz Friedrich August fuhr unter fürchterlichem Vivatschreien herein. Auch Johann, der herumritt, erhielt ein Lebehoch.26 Nach Tische um drei bildeten wir wieder in allen Straßen Hayen, durch die der König, Max und Friedrich August in einem Wagen fuhren. Man brüllte höllenmäßig. Abends war die Stadt beleuchtet. Jordan und Beust spielten bis um zehn bei mir Whist. Ich sollte zwar die Nacht auf Wache ziehen, schickte aber meinen Bedienten statt meiner. September 21 In unserem Städtchen ist nun alles so ziemlich beruhigt. Neustadt und Altstadt haben ihre Beschwerden bei der dazu verordneten Kommission27, der jetzt, nachdem Friedrich August Mitregent geworden, Prinz Johann vorsteht, vorgebracht und die Abgeordneten der Kommunalgarde sind bei Friedrich August gewesen und allen sind schriftliche und mündliche Antworten geworden, welche alle zufrieden gestellt haben. Hoffentlich 1ösen sich daher die Kommunalgarden bald auf. Heute musste ich aber früh auf den Pimaischen Schlag als Wache ziehen, kam aber statt um fünf erst um zehn Uhr. So etwas macht aber nichts aus. In den kleineren Städten Großenhain, Meißen, Chemnitz sind auch Unruhen ausgebrochen und überall hat man Bürgergarden errichtet. Auch diese Spielerei wird bald zu Ende sein. Oktober 5 Gestern war es wieder unruhig. Eine Menge Gesellen hatten sich, auf jeden Fall bloß aus Mutwillen, zusammenrottiert, zogen schreiend durch die Gassen, wurden aber von der Kommunalgarde auseinandergetrieben. Fünfundzwanzig sind arretiert und einige verwundet. Doch haben auch einige Kommunalgardisten Prügel besehen. Ich stand mit meiner Kompanie bis um zwölf auf dem Markt. Da alles ruhig war, gingen wir denn zu Hause. Sonderbar war es, dass beständig um die Stadt herum Schüsse fielen. Auch rötete ein starkes fernes Feuer den Himmel nach Großenhain zu. Oktober 31 Das Reformationsfest war, um dem Pöbel einen Lappen hinzuwerfen, mit dem er eine Weile spiele, mit einem Fest der wiederhergestellten Ruhe, das im ganzen Lande
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burg von 1820 bis 1826, danach im Dienst des Königreiches Sachsen. 1827–1829 sächsischer Gesandter am Bundestag. 1829 Direktor der Landes-Ökonomie-, Manufaktur- und Kommerziendeputation und Mitglied des Geheimen Rates. Ab 13. September 1830 leitender Kabinettsminister. Nach der Staatsreform von 1831 Vorsitzender des Gesamtministeriums (bis 1843) und Minister des Innern (bis 1834). Siehe G. Schmidt, Staatsreform, S. 110–113. – Ingeborg Titz-Matuszak: Bernhard August von Lindenau (1779–1854). Eine politische Biographie. 2 Bände. Weimar 2000 u. 2001. Prinz Johann (1801–1873). Ab 13. September 1830 Vorsitzender der „Kommission zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“, übernahm im März 1831 das Kommando über die Kommunalgarden in Sachsen. 1854 bis 1873 König von Sachsen. Siehe Lebenserinnerungen des Königs Johann. Hrsg. von H. Kretzschmar, Göttingen 1958. – H. Kretzschmar: Die Zeit König Johanns von Sachsen 1854–1873. Berlin 1960. – Volker Ruhland: Prinz Johann als Generalkommandant der sächsischen Kommunalgarden. In: Sächs. Heimatblätter. Jg. 38 (1992), Heft 1, S. 13–20. – König Johann von Sachsen. Zwischen zwei Welten. Hrsgg. von der Sächsischen Schlösserverwaltung und dem Staatlichen Schloßbetrieb Schloss Weesenstein. Halle 2001. – Reiner Groß: Die Wettiner. Stuttgart 2007, S. 240–253. Kommission zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Siehe Reinhardt, Sächsische Unruhen, S. 152 ff. – Schmidt, Staatsreform, S. 103 ff.
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feierlich begangen werden sollte, verbunden worden. Früh versammelten sich die Kommunalgarden und zogen in die geschmückten Kirchen. Um halb elf strömte alles auf dem Markt zusammen, wo die Kommunalgarden ein Viereck bildeten, in dessen Mitte die Kommunrepräsentanten, die Kreuzschule und die Geistlichkeit standen. Unzählbare Gesichter sahen aus allen Fenstern bis ins 3. Stockwerk und sogar aus den Dächern. Es ward „Wir danken alle Gott“ gesungen, dazu mit Kanonen geschossen und nach einem fürchterlichen, den Prinzen, die an der Feierlichkeit teilnahmen, gebrachten Vivat lief alles auseinander. November 17 Wir haben zwar der Leipziger Zeitung nach schon seit vier Wochen einen Konsistorialpräsident in der Person des Herrn von Zeschau, allein derselbe hat bisher sein Amt noch nicht angetreten, und wie man sagt, wird er es gar nicht antreten, sondern Finanzminister werden. Heute sollte seine Einführung bei uns sein, allein sie ist aufgeschoben worden, und Fischer, der Obersteuerdirektor geworden ist und am Montag Abschied vom Kollegium nahm, führt das Direktorium noch ferner. Mir ist es egal, wenn er nur nicht Präsident wird. Lieber Ende’n als ihn. Dezember 6 Hier in Dresden ist am Sonnabend ein Lärm gewesen. Die Nationalgarde hatte im Gehege aufgelöst werden und ihre Waffen abgeben sollen. Allein sie haben sich des geweigert und sind unter Blasen der Marseillaise in die Stadt gezogen. Es hat jedoch keine weiteren Folgen gehabt, da die Kommunalgarde sich sehr gegen diese Dummheit ausgesprochen hat und sie haben heute und gestern ihre Waffen ruhig abgegeben. Doch soll die Geschichte untersucht und die Schuldigen streng bestraft werden. Auch sind Nachrichten von Warschau eingegangen, dass dort Revolution ausgebrochen, Konstantin verjagt und das Militär sich zum Volke geschlagen hat. Dezember 9 Früh um elf erschien unser ganzes KolIegium in kurzen Beinen, um unsern neuen Präsidenten von Zeschau zu empfangen. Um zwölf führte ihn der Minister Nostitz bei uns ein. Dieser, dann Zeschau, dann Ammon hielten Reden, kurz das Ganze war possierlich genug. Zeschau ging auch in die Zimmer der Kanzleibeamten und sprach mit jedem ein paar Worte. Als er zu dem Registrator Kell kam, fragte er diesen, wie es ihm gehe. Ach, sagte dieser, schlecht, ich leide so an Blähungen. Zeschau machte, dass er fortkam.
1831 Januar 19 Nein, ein Faultier bin ich jetzt nicht! Ich habe vielmehr seit vierzehn Tagen gearbeitet wie ein Pferd. Der neue Präsident hat mich noch mehr wie Just mit Vorträgen, Berichten etc. so überhäuft, dass ich sogar manchmal bis um zwölf gearbeitet habe. Es schadet nichts, besser zu viel als zu wenig. Die Arbeiten ließen mir nicht viel Zeit zu Vergnügungen. Ich habe daher mehrere Bälle und Soireen, zu denen ich eingeladen war, nicht besucht, zum großen Ärger des Vaters, wie ich glaube. Meine Spezimina für Advokatur sind approbiert worden und ich habe, wie ich gehofft hatte, die zweite Zensur erhalten. Auszeichnen werde ich mich schwerlich jemals, glaube ich, es fehlt mir an der Energie und dem Eifer, die Schwierigkeiten einer Arbeit zu überwinden, der dazu nötig ist. Auch bin ich dazu zu flüchtig. Indessen werde ich doch meine Stelle ausfüllen, wenn ich nicht zu lederne Arbeiten habe.
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März 6 Die Konstitution, von der man sich so viel versprach, befriedigt die Neuerungssüchtigen nicht. Ebenso wenig die Aristokraten. Alles räsonniert. Dabei bleibt es aber und ich glaube kaum, dass wir ernste Unruhen zu fürchten haben. Komme es da wie es wolle, mir ist alles gleich. Verlieren kann ich keine Stelle, weil ich keine habe und ich kann also bei all dem nur profitieren. Nehmen sie dem Adel seine bisherigen Vorrechte, meinetwegen, ich mag weder Hofrat noch Appellationsrat sein, die Leute haben mir zu viel zu tun. Just ist ein höllischer Demagoge und ich, der ich für keine Extreme Partei nehme, streite mich daher oft mit ihm. Der Landtag ist wieder versammelt und zankt sich über die Konstitution. Die Kommunalgarde zieht alle Tage auf Wache und zankt sich ebenfalls darüber, schimpft aber noch extra und wartet, was es für ein Ende nehmen soll. Denn ich stehe oben wie auf einem Turm und gucke aus meiner Sicherheit herab, denn für mich ist die ganze Geschichte Pomade! Ich wollte indes, es käme noch einmal zu Prügeln. So ein Witzchen machte ich gern noch mit, ehe die Russen mit der Cholera herkommen, da sie nach den neuesten Zeitungen mit den Polen fertig geworden sind.28 März 21 Ich arbeite übrigens jetzt wie ein Pferd, da ich nächst dem Vortrag im Protonotariate noch fast die ganze Kirchenratsregistrande expediere, da Heymann mit Ordnen des Archivs viel zu tun hat. Wenn ich nur was davon hätte! So ist es aber immer noch sehr problematisch, ob ich Referendar werden kann. Ich sprach heute Mittag mit dem Vater darüber, der viel raisonnierte und mit seinen Ideen von anno 1790 her nicht recht mehr in unsere Zeit passt. Die gute alte Zeit, wo ein junger Mensch mit fünfundzwanzig Jahren Rat wurde, wenn sein Vater Präsident war, ist vorbei. Ich schämte mich aber wahrlich vor mir selbst, wenn ich, wie der Vater denkt, jetzt Supernumerar-Oberkonsistorialrat würde. Ein närrischer Rat, der noch auf allen Bällen stromert und sich besäuft. Aber Referendar würde ich recht gern, vorzüglich wenn man mir 200 Taler dazu gäbe; die ich recht artig verdestillieren wollte. März 29 Heute Abend ist das juristische Kränzchen bei mir. Wir bekommen bisweilen recht gute Arbeiten. Nur Gutschmidt bleibt konsequent so konfus und stupid als er immer war. Was soll aus so einem albernen Holzkopf werden.29 Er vermag kaum eine Zitation zu schmieden. geschweige einmal Rat zu werden und doch wundert man sich, wenn so ein freiherrliches Rindvieh avanciert. April 19 Da Rittler immer noch krank und Zeschau noch nicht wieder da ist, habe ich eine höllische Last Arbeit zu schleppen. Indes komme ich doch durch. Am Sonntag aßen wir bei Jordan, als gegen fünf ein Attaché der Gesandtschaft, Graf Puttbus, kam und erzählte, dass wieder einmal Rebellion sei. Unter den hiesigen Bürgern hat sich ein „Bürgerverein“ gebildet, dessen Tendenz man noch nicht gewiss weiß. Seine Häupter hatte man Sonnabends, da sie sich Verbots ungeachtet auf Kreutzens Kaffeehaus versammelt, arretiert.30 28
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Am 29. November 1830 begann der Aufstand des polnischen Volkes gegen die zaristische Fremdherrschaft in Warschau. Der Aufstand wurde von russischen Truppen brutal niedergeschlagen. Mit dem Fall von Warschau im September 1831 fand der Aufstand sein Ende. Als Folge emigrierten viele Polen über Österreich und Preußen nach Sachsen und vor allem nach Frankreich. Siehe Groß, Geschichte Sachsens, S. 212 f. Gutschmidt, August Otto von (1804–1871). Studienfreund Webers, 1857 Advokat in Zwickau. Am 16. April 1831 wurden die Mitglieder des Dresdner Bürgervereins Schramm und Müller, beide Kaufleute in Dresden, verhaftet, da sie am 15. April die anonym von Bernhard Moßdorf ausgearbei-
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Sonntag Nachmittag versammeln sich eine Menge Bürger, zum Teil bewaffnet, greifen den Posten der Kommunalgarde am Rathaus an und befreien die Gefangenen. Es ward Generalmarsch geschlagen, man arretiert die Befreiten von Neuem und wir hatten das Vergnügen, wegen dieser Narrheit eine Nacht im Regen auf den Gassen zu stehen. Gestern nach Tische schon um vier Uhr rückte Militär in die Altstadt mit zwei Kanonen. Sie luden scharf und stellten sich nebst zwei Kompanien Kommunalgarde, auf die die Regierung trauen zu können glaubt, auf den Markt. Gegen neun Uhr ging ich in die Stadt und fand viele Gruppen von Bürgern, unter denen einzelne deklamierten, nach Rache wegen vergossenen Bürgerblutes brüllten und vielerlei Wahnsinn schwatzten, sobald aber einiger Lärm entstand, stracks davonliefen. Ich erfuhr, dass das Militär, nachdem sich in der Lochgasse ein Haufen Menschen versammelt, die sich nach erhaltener Aufforderung nicht zerstreut, Feuer gegeben und mehrere verwundet, auch, wie man sagt, leider einen Unschuldigen (den Schneider Ziegenbalg), der zu Hause gehen wollte, am Arme seiner Frau erschossen. April 25 Die Ruhe ist ungestört geblieben. Dennoch kampiert Kavallerie auf dem Markt und Infanterie in Hausfluren und schnell errichteten bretternen Baracken. Was man früher zu sorglos war, ist man jetzt zu ängstlich. Ich bin überzeugt, es regt sich ferner keine Fliege. April 29 Neulich sprach ich mit Oberkonsistorialrat Tittmann über meine Verhältnisse im Kollegium und erwähnte, dass ich nächstens um das Referendariat anhalten werde, bat ihn auch um seine Befürwortung, die er mir denn auch versprach. Die Untersuchungen wegen der neulichen Unruhen, die in Folge eines förmlichen Komplotts stattgefunden haben, gehen fort und es werden mehrere aufs Zuchthaus kommen. Mai 26 Zeschau ist seit vierzehn Tagen wieder aus dem Konsistorium und Präsident des Geheimen Finanzkollegiums geworden. Mit ihm ist die Weisheit wieder einmal aus unserem Kollegium gewichen. Ich gab noch in den letzten Tagen seiner Präsidentschaft mein Gesuch um das Referendariat ein und er besorgte, dass es noch fort kam. Ich war daher der besten Hoffnung, als auf einmal ein Brief vom Geheimen Referendar Schindler meine Hoffnung zerstörte. Die Geheimen Räte haben es beigelegt. Ich ging daher gleich heute zu Zeschau und sprach mit ihm darüber. Er versprach denn auch, sich meiner annehmen zu wollen. Ob er es tun wird? Juni 27 Wieder einmal haben wir einen neuen Präsidenten. Der zeitherige Hofrat Gruner, einer der Haupt- und Mund- und Magen Reformatoren, der gern die Welt auf den Kopf stellte, dass der Mond ihr in den Steiß sehen könnte, ist es.31 Er ward am Mittwoch eingeführt
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tete Flugschrift „Constitution, wie sie das sächsische Volk wünscht“ trotz Verbots des Bürgervereins verteilt hatten. Das löste die Aprilunruhen 1831 in Dresden aus, die sofort von der neuen Regierung unter Bernhard von Lindenau militärisch unterdrückt wurden. Siehe Reinhardt, Sächsische Unruhen, S. 219–227. – Reiner Groß: Ein königlich sächsischer Mordfall. In: Unzeit des Biedermeier. Historische Miniaturen zum Deutschen Vormärz 1830–1849. Hrsg. von Helmut Bock. Leipzig, Jena, Berlin 1985, S. 64–71. – Volker Ruhland: Bernhard Moßdorfs Verfassungsentwurf – einmaliges Dokument der Geistesgeschichte Dresdens. In: Dresdner Hefte 1983, Heft 1, S. 45–50. – Michael Hammer: Volksbewegung und Obrigkeiten. Weimar 1996. Gruner, Dr. Karl Gustav Adolf (1778–1831). 1826 Hof- und Justizrat der Landesregierung, ab März 1831 Präsident des Oberkonsistoriums. Gruner war als Vertreter des höheren Beamtentums einer der führenden Köpfe der Reformbestrebungen. Gleichzeitig wurde er als Leiter der im September 1830 gebildeten Kommission zur Untersuchung der Unruhen im Erzgebirgischen und Vogtländischen Kreis
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und seitdem geht alles – noch einmal so langsam als vorher. Er ist so bedächtig. Ich möchte sagen schläfrig, dass einem vor langer Weile das Wort im Munde krepiert. Ich sprach am Sonnabend mit ihm wegen meiner unangenehmen Lage, da ich von dem Geheimen Rate immer noch keine Resolution darüber, ob ich Referendar werden kann oder nicht, habe und bat ihn, da ich durchaus nicht länger mich am Narrenseile herumführen lassen mag, mir nur eine bestimmte Antwort erteilen zu lassen, was er mir denn auch versprach. Ich habe indessen durch Nostitz den Advokat Marschner fragen lassen, ob er mir wohl Arbeit geben wolle und dieser will mich nehmen. Dies ist mir, da er Kenntnisse und viel Praxis hat, sehr lieb. Ich muss also, wenn man mir nicht die Spezimina zum Referendariat gibt, mich der Praxis widmen. Juli 22 Ich habe immer noch keine Resolution auf mein Referendariat-Gesuch. Der Präsident Gruner, bei dem ich deshalb am Sonntag war, versprach mir bestimmt, sich deshalb zu verwenden und bis zum Mittwoch mir wenigstens eine bestimmte Antwort, ob man darauf eingehen wolle oder nicht, zu verschaffen. Allein der Mittwoch verging und die Antwort blieb aus. Ich ging daher zu Lindenau auf das Kabinett und trug ihm meine Angelegenheit vor. Er sagte, dass Gruner allerdings mit ihm darüber gesprochen habe, dass jedoch wegen der bevorstehenden Organisation sich jetzt das Gesuch noch nicht beantworten lasse, versprach mir jedoch, dass er mit den Geheimen Räten deshalb reden wolle. Dies wird wohl gestern geschehen sein und ich hoffe daher, heute oder morgen etwas darüber von Gruner zu hören. September 3 Vorgestern ward ich zu dem Hauptmann der 30. Kompanie, bei der ich stehe, einem Leutnant Gerring, beschieden, wo ich die sämtlichen Zugführer unserer Kompanie mit sehr verlegenen Gesichtern versammelt fand, und mir unter einigem Meckern und Husten eröffnet ward, dass man mich wegen Versäumnissen des Exerzierens am letzten Montag vernehmen wollte. Ich versicherte hierauf der Wahrheit gemäß, dass man mich nicht bestellt habe und so ward denn hierüber ein Protokoll aufgenommen und ich wieder entlassen. Mordverbrannte Dummheit! In Leipzig sind wieder unbegreifliche Dummheiten vorgegangen. Die Kommunalgarde hat schon seit mehreren Monaten ihr bisheriges Wachtlokal im Polizeihause verlassen und ein neues geräumigeres daneben beziehen sollen. Sie hat sich geweigert, weil man glaubte, sie könne durch ihre Anwesenheit im Polizeihause selbst die Polizei gewissermaßen beaufsichtigen, herauszugehen. Am 31. August hat endlich auf erhaltenen Befehl eine Kompanie die neue Wache bezogen. Bald darauf versammelt sich eine Menge Volk, mit dem sich einige der widerspenstigen Kompanien vereinigen. Die akademische Legion und die reitende Kommunalgarde sucht erst in Güte, dann mit Gewalt die Haufen zu vertreiben, wird aber mit Steinen so begrüßt, dass sehr viele verwundet worden sind, unter anderm Leopold Weber und Felß, auch Bruno Schilling sehr bedeutend. Endlich kommen die Schützen, geben Feuer und es bleiben, wie man sagt, zehn auf dem Platze. Gegen achtzig sollen verwundet sein. Jetzt ist die ganze Schützendivision und die reitende Artillerie nach Leipzig kommandiert. eingesetzt. Ab 16. April 1831 wurde er Leiter der Kommission zur Untersuchung der Aprilunruhen 1831. Im Ergebnis der polizeilichen Untersuchungen wurden mehrere Hundert Landarbeiter, Handwerksgesellen und kleinbürgerliche Kräfte in den Zuchthäusern Zwickau und Waldheim sowie auf der Festung Königstein arretiert. Siehe Schmidt, Staatsreform, S. 117 f. – Groß, Ein königlich sächsischer Mordfall, a. a. O.
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Mangoldt, Hofrat Funke, v. Langenn, v. Zeschau sind als Kommissarien hingegangen.32 und die ganze Sache soll sehr ernsthaft untersucht werden. Wahrscheinlich ist der Oberbürgermeister Schaarschmidt33 , mit dem man bereits sehr unzufrieden ist, Ursache an der dummen Geschichte. September 5 Gestern war der wichtige Tag, wo die Konstitution geboren ward. Schon früh um vier ward mit allen Glocken gelautet. Um halb neun versammelte sich die Kommunalgarde, die auf dem Markte zusammenmarschierte und eine Haye vom Landhaus bis zum Schloß bildete, durch welche der Zug, welcher die Konstitution, die der König den Landständen im Schloß unter Kanonendonner übergeben, aufs Landhaus brachte, ging. Reitende Kommunalgarde und Kavallerie kam zuerst, dann mehrere Hoflakaien zu Fuß und zu Pferde und ein sechsspänniger Wagen mit schwarzen Hengsten, endlich mehrere zweispännige Hofwagen, in denen die ständischen Deputierten saßen und wieder Kavallerie. Um zwölf kam der Zug und deshalb hatten wir seit halb neun dagestanden. Erst um eins kam ich todmüde zu Haus. Der Himmel war schon seit dem Morgen umzogen, nach Tische fing es an zu regnen. Abends waren die öffentlichen Gebäude und einige Privathäuser illuminiert. Ich holte Rosenbergs ab und ging mit ihnen trotz des heftigsten Regens aus, um das Feuerwerk zu sehen, welches auf der Wiese in Neustadt um neun Uhr abgebrannt ward. Es war ausgezeichnet schön, das größte, was ich zeither sah. So sind wir denn nun konstitutionelle Bürger – wollen sehen, ob wir uns damit besser befinden. September 30 Gruner ist seit einigen Tagen unwohl, und Dank sei dem, so kamen wir ein Stück in den Vorträgen, mit denen wir seit drei Wochen in Rest waren, vorwärts. November 15 Das war eine schwere Zeit, deren Ergebnisse ich nur summarisch bemerken will. In den ersten Tagen des Oktober erhielt ich meine Spezimina, heute habe ich sie abgegeben. Es reduzierte sich daher mein ganzes Leben während dieser sechs Wochen auf ein verworrenes Büffeln. Gruner starb, nachdem er kaum acht Tage krank gewesen war und ward unter Vortritt Lindenaus feierlich beerdigt. Bald darauf kam die Besetzung der Ministerien heraus und Müller ward Kultusminister. Just34 wird Ministerialsekretär im Kultusministerium. Ich Gott weiß was, vermutlich Referendar im Oberkonsistorium, dessen Direktorium dem Vater seit vierzehn Tagen mit dem Geheimen Ratstitel übertragen worden ist. November 26 Gestern ließ mich der neugebackene Kultusminister rufen und verkündete mir, dass er zwar darauf angetragen habe, mich als Referendar im Ministerium des Kultus anzustellen, dass aber seine Kollegen Bedenken getragen hätten, einen jungen Mann 32 33
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Über die Tätigkeit dieser Untersuchungskommission siehe Reinhardt, Sächsische Unruhen, S. 239 f. Schaarschmidt, Dr. Karl Friedrich (1788–1864). 1820 Hof- und Justizrat der Landesregierung, 1830 Geheimer Regierungsrat im Geheimen Rat. 1831 für einige Monate Oberbürgermeister von Leipzig, danach bis 1860 Ministerialrat im Ministerium des Innern. Schaarschmidt gilt als einer der Mitglieder des radikalen Flügels des reformgewillten höheren sächsischen Beamtentums in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts. Er war einer der maßgebenden Beamten bei der Vorbereitung und Durchführung der bürgerlichen Agrarreform in Sachsen. Siehe Reiner Groß: Die bürgerliche Agrarreform in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Weimar 1968, S. 96 ff. Just, Friedrich Wilhelm (1803–1881). Bis 1831 Akzessist im Oberkonsistorium, dann ab 1831 Ministerialsekretär im Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, später Geheimer Rat im Ministerium des Innern..
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als Referendar bei einem Ministerium anzustellen und dass ich daher Referendar im Konsistorium mit einem kleinen Interimsgehalt, in der Voraussetzung, dass meine Spezimina approbiert würden, angestellt werden solle. Dies ist alles, was ich wünsche.
1832 Januar 1 Eine neue Woche, ein neues Zeit-und Lebensjahr, ja eine neue Epoche in meinem Leben geht von heute an. Der Sekretär Heymann kam gestern zu mir und meldete, dass das Reskript, durch welches ich als Referendar mit 200 Taler Gehalt angestellt worden, gestern vom König gekommen ist. Just hatte mir von 400 Talern vorgeschwafelt. Indes bin ich auch mit 200 Talern zufrieden. Heute ging ich zum Minister Müller, um ihn meiner Sklaverei zu versichern. Er setzte mich von meiner Ernennung offiziell in Kenntnis und quetschte mir dabei so die Hände, dass sie braun und blau wurden. Müller, ein sehr tüchtiger und wohlgesinnter Mann, wird von seinen Kollegen eigentlich nur geduldet. Bei der Ordensverteilung sagt ihm der König Anton, als er mit dem Ritterkreuz bei ihm zum Vortrag erscheint, auf letzteres deutend: heute kriegen Sie ein großes! Bald darauf kommt ein Hofdiener und bringt Müller das Großkreuz. Der, höchst glücklich, steckt den Orden an und zeigt ihn seiner Familie. Wie diese eben noch ihn bewundert, kommt der Bote wieder, bittet sich den Orden wieder aus, „es sei ein Irrtum“, und bringt ihm statt dessen das Komthurkreuz, das er auch bis zu seinem Tode besessen. Februar 4 In der Albina35 hielt Prof. Chalybäus eine Vorlesung über die Grundsätze der St. Simonianer, der recht interessant war. Ihr Prinzip ist in der Hauptsache: die Natur ist Gott. Wir sind alle Teile der Gottheit, aber wir sind der Vervollkommnung fähig, jedoch nur durch Arbeit. Daher muss jeder hier arbeiten aus Lust zur Arbeit. Es soll ihm aber angemessener Lohn dafür werden. Daher fließt aller Gewinn der Arbeit in eine Kasse (Banken) und aus dieser erhält jeder durch den Priester, soviel er verdient. Nach seinem Tode fällt alles dem Staate anheim. Juli 1 Ehrenstein36 ist, wie mir Nostitz sagt, mit 500 Taler als Referendar bei Langenn37 angestellt. Er wird nächstens heiraten. Die Karten sind bereits seit mehreren Wochen ausgegeben. Er hat Glück – seine Anstellung aber verdient er. Er ist ein gescheiter und höchst brauchbarer Mensch. Schumann, mein ehemaliger Vertrauter von Zwickau her, ist seit einigen Tagen hier. Er hat sich ganz der Musik ergeben und soll, wie Wendler versichert, einige sehr hübsche Sachen komponiert haben. Sont miena pour lui, tant pis pour la musique. Denn ein Komponist und Virtuose muss durchaus saufen i. e. Öl auf die Phantasie lange gießen, sonst werden seine 35 36 37
Die „Albina“ war eine der in Dresden existierenden geschlossenen Gesellschaften für gesellige Zusammenkünfte und Tanz. Die Räume der Gesellschaft befanden sich in der Moritzstraße Nr. 16, erste Etage. Die Albina hatte täglich geöffnet. Siehe Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 539–543. Ehrenstein, Carl Wolf von (1805–1862), Geheimer Finanzrat. Vom 24. Februar bis 30. April 1849 Finanzminister. Er war einer der engsten Freunde von Weber. Langenn, Dr. Friedrich Albert von (1798–1868). Prinzenerzieher, u. a. des späteren Königs Albert. Präsident des Oberappellationsgerichtes, auch als dynastischer Historiker tätig. Siehe ADB Band 17, S. 671
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Produkte nach Wasser schmecken. Drum saufe ich auch manchmal, meine Urtel würden sonst viel schlechter und ich noch langweiliger werden. Schade, dass Schumann nicht hier bleibt. Er ist jedenfalls ein genialer Kerl! Raucht er doch noch Zigarren, wenn er auch nicht mehr säuft, es ist doch etwas. September 4 Zur Feier des Geburtstages unserer Konstitution wurden allerlei Witze aufgeführt. Um halb acht wanderte ich mit Oppell aufs Rathaus, wo in einem mit einem alten Bilde Heinrich des Frommen geschmückten Saale sich die hohem Staatsdiener (folglich bin ich auch einer) nebst dem Ratspersonal und den Kommunrepräsentanten einfanden. Um halb neun wurden die Namen der Anwesenden nach der Hofrangordnung verlesen und ich hatte demnach, da ich nicht gerade der erste war, volle Muse, den Zug zu beobachten. Mein moitie ward der Stadtrichter Schmalz, ein interessanter Mann. Wir wanderten zusammen ganz gemütlich durch eine Haye von Militär und Kommunalgarde zur Kirche.38 Ein Zug war es, da die Namen sehr langsam verlesen und die Paare daher in meilenweiter Entfernung einander folgten, gar nicht zu nennen. In der Hofkirche ward zuförderst das Hallelulja von Händel gesungen, dann spielte Schneider39 ein herrliches Vorspiel zum Kanzellied. Ammon hat wahrscheinlich sehr gut gepredigt. Ich schloss es aus einzelnen Lauten von Verfassung, Vaterlandsliebe, Selbstaufopferung und dergleichen, die sich sogar bis auf die unrnittelbar mit dem Gewölbe der Kirche in Verbindung stehenden Emporkirche verloren, wo ich hingeraten war. Man war wahrscheinlich der Meinung gewesen, die höhern Staatsbeamten müssten auch höher vor Gott, d. h. in der Kirche sitzen oder resp. stehen, was bei mir der Fall war. Um elf hatten wir unsere Andacht überstanden und bezahlten vier Groschen dafür in ein Becken zum Besten der Armen. Ich trieb mich hernach in der Stadt herum und versuchte vergeblich, über die Brücke zu kommen. Die Kommunalgarde hatte vor dem Schloß ein Karree formiert, worin um zwölf eine Deputation von Bauern erschien, die dem König, der auf dem Altan erschien, mit einer Apfel und Birnen (in Gedichte gewickelt) überreichenden Deputation und allerhand Gebrüll molestierten. Ich sah die eine Hälfte des ländlichen Zuges, der einen überzeugenden Beweis für die Hässlichkeit unserer Bauernmädchen gewährte. Voran ritten unter dem Schutz einiger Kommunalgardisten zwei Tippels, dann folgte ein Musikchor, welcher furchtbar lamentierte, dann einige weiße und grüne Bauerngänse und einige Lümmel mit Blumen und Heugirlanden behangen und hinterher ein Haufe Tippels. Um sieben ging ich wieder auf die Terrasse und erhielt durch mein Billett, welches alle Beamten erhalten hatten, einen guten Platz neben dem Pavillon, wo der König war, um das Feuerwerk zu sehen. Ich traf Mangoldt, der seit einigen Tagen Referendar in der Landesdirektion ist, und Kohlschütter.40 Um acht begann das Feuerwerk, welches sehr brillant war. Den Beschluss machte eine Girandole von roten Raketen, die ich aber nicht gezählt habe. Hundemüde kam ich um neun zu Hause. Leider gab es gar keinen Skandal, nicht einmal eine elende Prügelei. 38 39 40
Es handelt sich um die Sophienkirche, die im Rang der evangelischen Hofkirche stand. Schneider, Johann Gottlob (1789–1859). 1811 Universitäts-Organist in Leipzig, 1812 Organist an der Hauptkirche Peter und Paul in Görlitz. Seit 1825 Organist an der Dresdner Sophienkirche. Kohlschütter, Karl Ludwig (1803–1866). Geheimer Regierungsrat im Ministerium des Innern. Vom 14. August 1848 bis Juni 1849 sächsischer Bevollmächtigter bei der Provisorischen Zentralgewalt in Frankfurt a. M.
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Dezember 4 Jordan ist seit acht- bis vierzehn Tagen hier. Wir kommen fast alle Tage zusammen, aber Beust ist vermöge seiner Funktion als Kammerjunker, Landesdirektionsassessor und Kabinettsakzessist fast ganz unsicher, zumal er sich trotz aller Vorstellungen wieder ein Pferd gekauft, von dem er von Zeit zu Zeit herunterpurzelt.
1833 Januar 20 Außerdem komme ich fast alle Tage mit Jordan, desto weniger mit Beust zusammen, der, wenn auch nicht unsichtbar, doch ungenießbar ist, denn er hat wirklich durch die faden Gesellschaften, die er ausschließlich besucht, geistig gelitten. Wahrscheinlich wird er auch bald von Dresden in irgendeine diplomatische Stellung versetzt werden. Vor einigen Tagen suchte ich auch den Bienenvater Richter, der als Landstand hier ist, auf.41 Die „Biene“ hatte einen Aufsatz, der das Oberkonsistorium indirekt angriff, enthalten42 und ich brachte ihm eine Widerlegung, die er denn auch, wie er versicherte, dankbar annahm. So muss er sich selbst aufs Maul schlagen. Der Kerl ist übrigens nicht dumm und amüsant. Februar 1 Gestern war ich das erste Mal in der ersten Deputiertenkammer auf der der Regierung reservierten Tribüne. Krug sprach gerade, deutlich und zusammenhängend, aber etwas salbaderisch, auch Prinz Johann gab oft ein Wort drein, viele mucksten nie. Die Debatten betrafen die Niedersetzung einer Deputation zu Redaktion der zu druckenden Protokolle.43 Februar 6 Die Debatten in den Kammern fangen, da die Wahlen zu den Deputationen nunmehr beendigt sind, an, interessanter zu werden. Ich war neulich in der Zweiten Kammer, wo Eisenstuck eigentlich die Hauptperson ist. Die Tribünen waren ganz voll. Eisenstuck sprach mehrere Male ausgezeichnet, gut und kräftig. Namentlich schilderte er den Zustand unserer Rechtstheorie sehr treffend und zeigte, wie nötig ein Gesetzbuch sei. März 19 Beust ist Sonnabend nach München als Attaché der Gesandtschaft, um für Prinz Friedrich um die Prinzessin anzuhalten, abgegangen. April 11 Wir brachten einen Teil des Abends bei Minister Müller zu, dem ich alle Quartale eine Visite mache. Der Minister sprach mit mir über die künftige Organisation der Behörden und es ging aus seinen Eröffnungen hervor, dass das Oberkonsistorium künftig nur sehr wenig rein administrative Geschäfte haben wird, ich daher wohl nicht darin bleiben werde. Juni 16 Oppell sagte mir neulich, dass das Landesjustizkollegium darauf angetragen habe, er möge aus der Landesdirektion herüber versetzt werden, weil es an Arbeitern fehle. Obgleich ich mich nun nicht eben besonders nach Vermehrung meiner Arbeiten sehne, bei 41
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Richter, Karl Ernst (1795–1863). Herausgeber des Oppositionsblattes „Die Biene“ von 1827 bis 1833 in Zwickau. Verbot der Zeitschrift 1833 durch das Ministerium des Innern. 1835 Auswanderung in die USA. Seit 1848 wieder in Sachsen. Siehe Schmidt, Staatsreform, S. 100. – Reiner Groß: Bienenvater und Landtagsabgeordneter. In: Landtagskurier, 1. Jg. 1991, Nr. 5, S. 3. Die Biene. Jg. 7, 1833, Nr. 3 vom 13. Januar 1833, S. 18–20 unter der Überschrift „Olbernhau“. Es geht inhaltlich um den finanziellen Aufwand bei der Besetzung kirchlicher Ämter. Es handelt sich um die Veröffentlichung der Landtagsverhandlungen in der Ersten und Zweiten Kammer der Ständeversammlung, die ab der ersten Sitzungsperiode 1833 fortlaufend erfolgte.
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deren geringem Maße ich mich recht wohl befinde, so glaubte ich doch, dass es namentlich wegen der bevorstehenden Veränderungen meiner künftigen Karriere förderlich sein werde, wenn ich auch im Justizfache gearbeitet hätte. Ich sprach daher mit Einert darüber, ob ich nicht neben meinen Konsistorialgeschäften im Justizkollegium arbeiten könne. Er war damit so wie der Minister Müller einverstanden. Ich trabte daher bei allen Hofräten herum und reichte dann ein Gesuch ein, dessen Erfolg ich nun in Ruhe abwarte. Juli 14 Auch mein Gesuch wegen des Referendariats im Justizkollegium scheint nebst so vielen andern im Ministerium der Justiz der Auferstehungstrompete zu warten. Denn ich habe immer noch keine Resolution und bin in deren Erwartung stinkend faul. August 9 Auf mein Gesuch wegen des Referendariats beim Landesjustizkollegium habe ich gestern eine bewilligende Resolution, jedoch mit dem albernen Zusatz „ohne mir dadurch eine weitere Aussicht zu eröffnen“ erhalten. Esel von einem Justizochsen. Aussicht nicht einmal als Schaf, ich könnte ihn prügeln. Heute früh war ich beim Präsidenten Eisenstuck, den ich meine Verpflichtung noch um acht Tage zu verschieben bat, was er mir denn auch natürlich nicht abschlagen konnte. August 17 Sonnabend den 10. August fuhr ich, meine Ferien benutzend, mit Jordan in einem Mietwagen sehr bequem über Berggießhübel nach Teplitz. Ich sah Metternich, der wegen des Königs von Preußen dort war. Der Philister sah gutmütig und fidel aus, gar nicht wie man sich ihn denkt. Donnerstag, den 15. August fuhren wir sehr fidel zurück. Freitag ward ich im Landesjustizkollegium verpflichtet und habe schon manches gelernt. August 21 Im Landesjustizkollegium behagt es mir sehr gut. Es ist doch einmal ein Kollegium, welches weiß, was es will, wo man sich darauf verlassen kann, dass alles sorgfältig erwogen wird und dass das, was man hört, richtig ist. Vergleicht man das Oberkonsistorium damit, wo ich eigentlich der einzige bin, der juristische Kenntnisse, wenigstens eine Idee davon hat, so jammert es einen. Ich habe gestern die erste Ladung Akten zum Vortrag erhalten. Die Sachen sind mir, so wenig Schwierigkeiten sie auch haben mögen, doch fremd. Ich hoffe aber, Reitzenstein44, der gestern ebenfalls zum Referendar verpflichtet ward, wird es nicht besser gehen. Oktober 7 Ich habe zwar ziemlich zu tun, da mir die Sessionen im Landesjustizkollegium viel Zeit wegnehmen, indessen komme ich, da es mit meinen Arbeiten ziemlich schnell geht, leidlich durch, wiewohl mir von Zeit zu Zeit ein Pudel aus Faselei passiert, was mir namentlich im Justizkollegium sehr fatal ist und doch kann ich mich nicht dahin bringen, die Sachen ordentlich anzusehen. Kommt es auf ein Prinzip hinaus, so passiert mir es selten, dass ich dummes Zeug mache, allein aller Augenblicke übersehe ich etwas in den Akten oder lese falsch, kurz, wenn Eisenstuck mir nicht auf die Finger sähe, so hätte schon einiger Unsinn passieren können. Neulich war ich beim Justizminister Könneritz, um mich um eine Anstellung im Justizfach zu bewerben. Ich kann nicht sagen, dass er mir besondere Aussichten eröffnet hätte. Indessen habe ich heute ein Gesuch um eine Hilfsarbeiterstelle in einem Mittel-Appellationsgericht eingereicht. 44
Reitzenstein, Christoph von (1806–1857). 1833 Referendar im Landesjustizkollegium, Appellationsrat beim Appellationsgericht Dresden, zuletzt Oberappellationsgerichtsrat.
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Oktober 28 Mit meinem Gesuch beim Ministerium der Justiz um eine Mitarbeiterstelle ist es sehr falsch gegangen. Ich bekam eine Antwort, dass man zur Zeit mir keine Resolution geben könne und dass ich mich durch den getanen Vorschritt nicht abhalten lassen möge, mich um eine andere Stelle zu bemühen. Wie gütig und besorgt! Es könnte einen rühren. Hol euch der Teufel, wenn es mir nur nicht um meine 200 Taler wäre, ich ließe das Konsistorium just sitzen und suchte irgend ein Endchen Praxis zu bekommen. Dezember 17 Am Freitag feierten wir Beust’s Abschiedsfest bei Wokurka. Er geht nach Genf, Paris und London und wird erst in sechs Monaten zurückkehren. Ich werde ihn vermissen. Wir waren den Abend ganz gemütlich beisammen.
1834 Juli 17 Es ist geschehen. Ich bin Bräutigam des liebenswürdigsten Mädchens. Gestern, den 16. Juli, ging ich mit Emilien und Sophia unter die Linde bei Schwartzens. Die erstere ließ mich getroffener Verabredung gemäß allein und ich entdeckte mich Sophien45. Was ich gesprochen, weiß ich nicht mehr, ich sprach, wie mirs ums Herz war. Sophie war sehr ergriffen. August 6 Gestern war der entscheidende Tag. Ich packte früh um fünf oben meine Sachen, als ein Bote von Sickmann kam, der mich zu sprechen wünsche. Ich lief hin und fand ihn im Schlafrock. Nachdem er eine sonderbare Rede ungefähr, als ob er einen Warenballen an mich abzuliefern habe, gehalten und am Schluss mich pathetisch befragt, ob es denn wirklich mein Ernst sei, Sophie zu heiraten (der Esel!), brachte er einen Brief der Mutter Tenge hervor und teilte mir mit, dass sie an ihn geschrieben und zwei Briefe für zwei Fälle an ihn überschickt. Er zerriss ein dünnes Blättchen und gab mir einen dicken Brief. Ich lief zur Schwartz und wir fanden, als wir den Brief erbrochen, einen an mich und einen an Sophien, worin die Mama Tenge ihren Segen erteilt. Sophie musste noch ungeschnürt herunter an mein Herz. Sie war ganz glücklich. Leider musste ich um siebeneinhalb fort und zu Fuß herein laufen. Ich kam gerade zur rechten Zeit in die Session. Abends ging ich mit Jordan in den Großen Garten. Die Historie ist bereits bekannt und alle Welt attackiert mich mit Gratulationen. Ich muss wahrlich Karten bestellen, denn die Geschichte wird gleich bekannt. Heute habe ich den ganzen Morgen Briefe geschrieben, an die Mama Tenge, an Beust, an Römer usw. August 25 Am Sonnabend ging ich um vier zu Watzdorf und war kaum da, als Beust mir nachkam, der gestern Abend zu meiner großen Freude wieder eingetroffen ist. Er ist ganz der alte, nur dass er sich ein Dutzend Borsten am Kinn stehen lassen, unglücklicher Versuch eines Bartes. Ich konnte nur wenige Augenblicke mit ihm reden, da der Wagen, der mich und Watzdorf herausfuhr, gleich ankam. Heute wird Sophie hereinkommen, um sich von mir bei den Eltern, die am Freitag zurückgekehrt sind, vorstellen zu lassen. Nachdem ich eine Stunde auf der Terrasse gewartet, kam Sophie mit der Schwartz. Ich führte sie herüber und das langweilige Mittagessen, das Brummen des Vaters gab ihr einen herrlichen Vorgeschmack Weberschen Familienlebens. 45
Tenge, Sophia Dorothea (1817–1883), Tochter des Gutsbesitzers Tenge in Osnabrück.
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September 2 Heute erwarte ich Sophien mit ihrer Mutter, die wohl angekommen sein wird. Ich habe daher gearbeitet wie ein Pferd, um ein paar freie Tage gewinnen zu können. Abends um halb zehn brachte mir ein Hausknecht aus „Stadt Frankfurt“ ein Billett von Sophie, welche eben mit ihrer Mutter hier angekommen war. Ich lief hin und fand Sophiens Mutter sehr freundlich, aber ganz anders, als ich mir sie gedacht hatte. Ich glaubte, nur eine kleine runde Frau mit lebhaften Händen und Augen zu finden, und fand eine blasse magere Frau., die ich für eine Vierzigerin halten würde. September 29 Am Sonnabend ging ich zu Könneritz, um womöglich etwas über meine künftige Anstellung, von der doch meine Verheiratung abhängt, zu erfahren. Er machte schöne Redensarten, versicherte mir aber, dass sich um die Assessorenstelle sehr gewiefte Leute gemeldet hatten, dass er mir noch gar nichts sagen könne, da nichts bestimmt sei etc., kurz ich war so dumm wie zuvor. Was das unangenehmste für mich ist, ist die Ungewissheit. Ich kann doch mit meinen 800 Talern jetzt nicht heiraten, nicht meiner Sophie zumuten, wie eine Schustersfrau zu leben, ich kann hier keine Einrichtung treffen, kurz, ich bin in der Tat in der aller unangenehmsten Lage. November 1 Donnerstag löste endlich der Landtag sich auf. An demselben Tage bekam ich den Brief von meiner Schwiegermutter, der allerdings mich tief verwundert hat. Eine Frau denkt doch stets das schlimmste. Ich habe ihr heute so ruhig, als es mir möglich war, geantwortet. Sie fragt unter anderem, ob ich nur die geringste Rücksicht auf äußere Verhältnisse bei meiner Wahl genommen? Die Frage ist albern, denn es liegt in der Natur der Sache, dass man einige Rücksicht auf Verhältnisse, Erziehung, Stand, Familie nimmt, sonst könnte man ja jede Viehmagd heiraten. Ich möchte wissen, was sie antworten wolle, wenn ich sie fragte, würden sie ihre Einwilligung gegeben haben, wenn ich ein blutarmer Teufel aus niedrigem Stande gewesen wäre. Auch Sophie würde mich dann natürlich nicht lieben, weil der Gedanke, dass eine Verbindung zwischen uns nicht möglich wäre, jeden Keim einer entstehenden Neigung erstickt haben würde. Ein sonderbares Geschick hat zwei meiner Universitätsbekannten, die beiden Tittmänner46, betroffen. Ein paar geniale Menschen, aber überspannt, haben sie sich in politische Verbindungen eingelassen und sollten vermutlich in Folge neuer Anzeigen arretiert werden, haben sich aber durch die Flucht gerettet und werden nun mit Steckbriefen verfolgt. Sie waren bei dem Frankfurter Attentat beteiligt.47 Ich will wünschen, dass man sie nicht ertappt. Bei allen ihren Bekannten, z. B. auch bei Dürck, hat man Haussuchung gehalten und alle Papiere durchsucht. Weil die Tittmanns hübsche Kerls sind, ist die Damenwelt außer sich. Tittmanns sind übrigens auf eine sonderbare Weise entkommen. Neun Mann Polizeidiener waren in ihre Wohnung gedrungen. Der jüngere kommt allein abends acht Uhr zu Hause, erklärt sich bereit 46
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Tittmann, Karl Christian (1806–?), Kandidat der Rechte 1834, und Tittmann, Karl Eduard (1811–?), Kandidat der Rechte 1834. Als Angehörige der radikalen Burschenschaft sollten beide im Oktober 1834 in Dresden verhaftet werden. Sie entzogen sich am 29. Oktober 1834 der Verhaftung durch die Kriminalabteilung des Justizamtes Dresden durch eine spektakuläre Flucht. Sie emigrierten wie andere Angehörige der Burschenschaft nach dem Frankfurter Wachensturm nach Nordamerika. Der gegen sie im November 1834 erlassene Steckbrief wurde am 4. Februar 1848 aufgehoben. Nach dieser in der Presse veröffentlichten Mitteilung hielten sich beide „in Amerika“ auf. Gemeint ist der Sturm auf die Frankfurter Hauptwache am 3. April 1833 durch Burschenschafter unter Führung der zentralen Leitung des Vaterlandsvereins in Frankfurt a. M. Siehe dazu Helmut Bock: Frankfurter Wachensturm. In: Unzeit des Biedermeier, S. 95–103.
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zu folgen, bittet nur, einige Wäsche einpacken zu dürfen. Es wird verstattet und er geht von der Armee umgeben die Treppe hinab. An der Haustür macht der Kommandant Komplimente und nötigt Tittmann, zuerst hinauszutreten. Dieser weicht der Höflichkeit, tritt heraus, wirft der Polizei die Türe vor der Nase zu und verschwindet! Dezember 29 Heute bekam ich einen sehr angenehmen Brief vom Vater, worin er mir schreibt, dass der Minister Könneritz ihm gesagt, dass ich als Assessor werde angestellt werden und wenn ich es wünsche, in Dresden. Gott sei Dank, dass endlich die Sache zur Entscheidung gelangt ist.
1835 Februar 26 Am Sonntag war ich zum ersten Male auf dem Hofball. Der Glanz, die Menge Menschen, das gute Souper machten mir Spaß, zumal da ich eine Menge Bekannte dort traf, die ich lange nicht gehen hatte. Anton der „Gütige“ tanzte mit einer ungeheuer langen Dame sehr knieschüssig eine Franzaise. Um zwölf war ich wieder zu Hause. April 13 In wenig Tagen geht es fort. Je näher die Zeit bis zu meiner Abreise herankommt, um so kürzer wird sie mir. Der Pass ist da, ein Wagen gemietet, morgen könnte es fortgehen, allein ich käme der Frau Schwiegermama zu früh, die wohl noch zu scheuern hat, denn sie schrieb mir vom 23., ich komme aber, den Wink nicht verstehend, doch noch ein paar Tage früher. April 28 Da steht der Tag, an dem ich nicht nur eine neue Lebensperiode, nein, soll es gut um mich und um meine Sophie stehen, ein neues Leben beginnen muss. Das harmlose Kind ahndet noch nicht die Schattenseiten der Ehe. Es freut sich des heitern Kranzes und seiner Liebe und kennt nicht die Dornen, die hinter den Rosen verborgen sind. Mir ist bange, heiter, weh und glücklich zu Mute! In einer Stunde werde ich getraut! Werden wir beide nach Jahren noch ganz ungetrübt dieser Stunde gedenken? Mai 21 Der erste Tag unserer häuslichen Einrichtung ging ziemlich unruhig zu. Früh kam Lina und der Vater, dann machten wir Besuche bei Watzdorfs, Ehrensteins und Trendelenburgs, meine kleine Frau sprang jedesmal mordsfidel die Treppe herunter, wenn eine Visite abgetan war. Juni 25 Gestern kam der große Beust zu mir. Ich ging mit ihm und dem kleinen in den Großen Garten, wo wir Rayski, den Maler, trafen, der uns über ein Bild, das er malen will, die Schlacht von Moshaisk, 12 Ellen lang, unterhielt.48 Er fängt das große Unternehmen ohne alle Skizze an und müsste ein riesenhaftes Talent haben, wenn es etwas ordentliches werden sollte. Dem Minister49 ist bei der letzten Ordensverteilung durch unsers guten Anton Duselei eine sehr fatale Geschichte passiert. Er besucht den König und dieser, in der Meinung, Müller 48
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Rayski, Ferdinand von (1806–1890), bedeutender deutscher realistischer Maler. Siehe E. Sigismund: Ferdinand von Rayski. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. Heft 20. – Maräuschlein Walter: Ferdinand von Rayski, sein Leben und seine Werke, Bielefeld, Leipzig 1943. – Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 712–713. Müller, Dr. Christian Gottlieb (1776–1836), von 1831 bis 1836 Minister für Kultus und öffentlichen Unterricht, erster bürgerlicher Minister im Kabinett Lindenau. Siehe Schmidt, Staatsreform, S. 118 f.
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solle das Großkreuz erhalten, sagt ihm, „Nu ich sehe, Sie haben bloß das kleine Kreuz, da haben Sie ein großes“ und dabei gibt er ihm den Orden, den Müller fidel in die Tasche steckt und mit dem er sich, zu Hause angekommen, anputzt. Kaum ist dies geschehen, so erscheint ein Kammerdiener, der sich das Großkreuz wieder ausbittet und ihm das Komthurkreuz übergibt, weil Seine Majestät sich geirrt.
1836 Dezember 12 Berlin. Beust wohnt beim sächsischen Gesandten (Bärenstraße Nr. 47) im Hofe zwei Treppen hoch. Ich fand ihn, wie er behauptet, mit dem Eintragen der Registrande beschäftigt, eine eben nicht geistvolle Unterhaltung. Um zwölf suchte ich die Geheime Rätin Körner50 auf (Unter den Linden Nr. 32, 2 Treppen). Obwohl 75 Jahre alt, ist sie doch ganz munter und ich hätte sie eher für eine sechzigjährige gehalten. Sie hat mir lebhaftes Interesse eingeflößt und ich freue mich darauf, morgen bei ihr zu essen. Dezember 14 Berlin. Ich aß bei der Körner. Ihres Alters ungeachtet hat sie ganze Frische des Gedächtnisses bewahrt und nimmt Teil an allem, was noch in der Welt vorgeht. Ich brachte das Gespräch auf Schiller, der lange Jahre Hausfreund gewesen. Sie erzählte mir manches Neue. Er ist ein langer hagerer Mann gewesen. Bei Körners wohnte er im Sommer auf dem Weinberghäuschen. Großer Freund von Obst, ging er im Mondschein im Hemde unter einen vor dem Hause stehenden Kirschbaum und aß sich so satt. Seine Frau, eine Frau von Lengefeld, war sehr phlegmatisch und hatte so wenig Sorge für ihn, dass er im Hause in den letzten Jahren allerhand sonderbares Zeug anfing. So hat er sich nicht ausgekleidet und zu Bette gelegt, sondern der Bediente löste ihm, wenn er auf irgendeinem Stuhle oder Sofa eingeschlafen war, die Kniegürtel und deckte ihn mit einer Decke zu. Während eines sechswöchentlichen Aufenthaltes Körners in Jena bei Schiller, wo zugleich Goethe da war, behauptete er, er könne bloß stehend essen. Man widersprach ihm nicht. Allein es ward ihm am Ende beschwerlich und nach einigen Wochen setzte er sich von selbst und es schmeckte ihm trefflich. Die Körner bewahrt noch einen neunzehnjährigen Briefwechsel zwischen Schiller und Körner, der aber nicht gedruckt werden soll51. Ich hatte abends noch einen heftigen Kampf mit Jordan, der, Hegelianer, mich zu seinem Glauben, der das Dasein Gottes als eines selbständigen Wesens ausschließt und die Welt selbst zur Gottheit macht, bekehren wollte. So wenig ihm dies gelang, so wenig konnte ich, wie in der Regel bei solchen Meinungs- und Glaubenssachen, ihn bekehren.
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Es handelt sich um die Mutter von Theodor Körner, die mit ihrem Mann Christian Gottfried Körner, Appellationsrat, Freund von Schiller, der 1815 in den preußischen Staatsdienst eintrat, mit nach Berlin zog. Weber war mit ihr verwandt, da die Mutter seines Vaters, Florentine Elisabeth Stirner, die Schwester der Mutter von Christian Gottfried Körner, Sophia Margarethe Stirner, war. Sechzig Jahre später wurde dieser Briefwechsel dann doch veröffentlicht: Briefwechsel zwischen Schiller und Körner. Von 1784 bis zum Tode Schillers. Hrsg. von L. Geiger. 4 Bände, Stuttgart 1897.
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1837 Mai 6 Einige Geldangelegenheiten bestimmten mich, am 26. April mit der Nachteilpost nach Leipzig zu fahren. Ich stieg bei Adolf ab, regulierte Mittwochs die Zahlung und blieb noch Donnerstag in Leipzig. Alles ist anders, alles alt geworden und schrumplich, ich möchte da nicht leben. Nur die Stadt wird jung und neu, denn es wird gebaut, wo nur ein Platz sich findet und nach Schönfeld zu entsteht eine ganz neue Stadt aus Holz und Backsteinen. Das Interessanteste war mir die Eisenbahn. Ich fuhr, als das zweite Mal der Dampfwagen ging (den 24. April war die erste Fahrt geschehen), mit nach Althen, zweieinhalb Stunden von Leipzig, hin in zweiundzwanzig und zurück in siebzehn Minuten.52 Es ist eine köstliche Erfindung.
1843 Januar 8 Ein interessantes Aktenstück habe ich jetzt hier, das Testament der Frau von Recke. Es ist schon geschrieben und besonders durch den Geist der Liebe, der sich darin zeigt, rührend. Unter anderem vermacht sie ihrem Bruder vier Landschaften von Anton Graff und erzählt von diesem folgende sonderbare Geschichte: Der älteste Sohn Graffs, bei der Regierung zu Berlin angestellt, sank plötzlich vom Sonnenstich ergriffen in Berlin auf der Straße nieder. Der Vater ward so ergriffen, dass er, wenn Männer oder Frauen sich von ihm wollten malen lassen, er immer nur das Bild seines seligen Sohnes auf die Leinwand bringen konnte. Graff klagte dem Kapellmeister Naumann53, dass der schnelle Tod des Sohnes ihm nicht nur seines Lebensglücks beraubt, auch um sein Brot gebracht habe. Naumann sagte, kommen Sie zu mir nach Blasewitz, versuchen Sie, Landschaften zu malen. „Was, ich Landschaften malen? Ich weiß nicht, wie ich einen Baum malen soll!“ Malen Sie den Baum so, wie es Ihnen aus einem gewählten Standpunkt erscheint und Ihre Hand wird bald darstellen lernen, was Ihre Künstleraugen wahrgenommen haben. Graff folgte Naumanns Rat, zog nach Blasewitz und malte vier Landschaften aus der Gegend, Morgen, Mittag, Abend und Nacht. Frau von der Recke bezahlte jede mit zwanzig Dukaten. Nur sieben Landschaften hat er gemalt, indem er noch zwei jener ersten ins kleine kopierte und dann für Frau von der Recke die Szene gemalt, als Naumann im Großen Garten vom Nervenschlage getroffen mit dem Tode ringend gefunden ward. Nachdem Graff diese sieben Landschaften gemalt, ward er wieder Portraitmaler und blieb es bis zu seinem Tode.54
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Über den Bau der Dresden-Leipziger Eisenbahn siehe u. a. Hellmut Kretzschmar: Friedrich List und der sächsische Staat. In: NAfSG 54, S. 126 ff. – Michael Hörrmann: Friedrich List und die Frühgeschichte der deutschen Eisenbahn. In: Friedrich List und seine Zeit. Nationalökonom, Eisenbahnpionier, Politiker, Publizist 1789–1846. Reutlingen 1989, S. 132–168. Naumann, Johann Gottlieb (1741–1801), Kirchenmusiker, Komponist, seit 1786 Hofkapellmeister in Dresden. Siehe J. M. Nestler: Der kursächsische Kapellmeister Naumann aus Blasewitz. Eine Darstellung seiner Lebensschicksale. Dresden 1901 – R. Engländer: J. G. Naumann als Opernkomponist. Leipzig 1922. – Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 413–416. Joachim Menzhausen: Kulturgeschichte Sachsens. Leipzig 2007, S. 207 ff.
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Februar 8 Abends war ich heute auf dem Hofball, wo Beust’s auch waren und mir Beust erzählte, dass sein Bruder55 in München sich mit einem Fräulein von Jordan, die nicht mehr als 5 000 Taler hat, verlobt hat – eine unerwartete Neuigkeit, die mich aber freut, insofern sie beweist, dass Beust doch nicht ganz verdiplomatisiert ist, indem er eine Partie aus Neigung eingeht, wenn schon sie nicht glänzend ist. Ich spielte ein Whist mit dem Amtshauptmann Biedermann, Appellationsrat Stieglitz und einem Herrn von Zeschwitz, Mitglied der Zweiten Kammer. Bei Tische saß ich neben Geheimen Rat von Langenn und unterhielt mich auch nach Tische noch lange mit ihm. Februar 12 Gestern erhielt ich einen Brief von Beust, worin nichts stand als „Alter Freund, sei mir nicht bös, morgen bekommst Du einen Brief!“ Nun, ich wusste, was er meinte und erkannte in dieser lakonischen Sendung einen Beweis, dass er an mich in seinem Glück gedacht hat. Das ist mir genug. August 2 Ich habe jetzt mehrere Besprechungen mit dem Ministerialrat Watzdorf56 gehabt wegen seiner Nachfolgeschaft. Es ist allerdings die Absicht auf mich gerichtet gewesen. Allein wenn ich auch die Vorteile erkenne, die auf der einen Seite die Stelle für mich haben könnte, so war es mir doch zu bedenklich, darauf einzugehen, als er mir sagte, dass die Absicht sei, dem Geheimen Referendar den Ständen gegenüber eine selbständige Stellung einzuräumen und ihm die eigentlichen Verfassungssachen zu übertragen. Nein, da ist mir doch meine Lebensruhe wichtiger als Ehre und ein paar 100 Taler und wie oft könnte man da in Konflikt mit seiner Überzeugung kommen! Ich erklärte also, dass ich zu einer solchen ständischen Funktion weder Lust noch Fähigkeit habe und da er mich fragte, ob ich ihn autorisiere, das zu erklären, tat ich dies gestern. Wahrscheinlich ist nun dadurch die Sache für mich beseitigt und gestern wird es wohl entschieden worden sein, wer die Stelle bekommt.
3. Am Vorabend der Revolution. Als Geheimer Referendar im Gesamtministerium 1843 August 25 Gestern übernahm ich die Vikarie für Watzdorf im Gesamtministerium. Darauf teilte mir Könneritz mit, dass man bei Besetzung der Stelle des Geheimen Referendars an mich gedacht und was ich für Bedenken dagegen habe. Nachdem ich dann als solche haupt55
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Beust, Friedrich Ferdinand Freiherr von (1809–1886), engster Freund von Weber seit ihren gemeinsamen Studienjahren in Göttingen. 1830 Eintritt in den sächsischen diplomatischen Vorbereitungsdienst, 1836 Legationssekretär in Berlin, 1838 in Paris, 1841 in München, ab 1846 Ministerresident in London, 1848 wieder in Berlin. Sächsischer Außenminister seit 25. Februar 1849. 1866 Eintritt in den österreichischen Staatsdienst als Außenminister, 1. Februar 1867 Ministerpräsident Österreichs, ab 23. Juni 1867 Reichskanzler bis 6. Oktober 1871. Politischer Gegner von Otto von Bismarck. Siehe Friedrich W. Ebeling: Friedrich Ferdinand Graf von Beust. 2 Bände, Leipzig 1870/1871. – Fritz Hauptmann: Friedrich Ferdinand Graf von Beust. In: Sächsische Lebensbilder. Band 2. Leipzig 1928, S. 1–12. – Rumpler, Deutsche Politik.– Beust, Aus Dreiviertel Jahrhunderten. Watzdorf, Dr. Christian Bernhard von (1804–1870), bis 1843 Ministerialrat im Gesamtministe-
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sächlich meine Vorliebe für die Justiz angeführt, redete er mir sehr zu, indem er auf sein und Langenns Beispiel sich bezog, die sie beide eifrige Juristen gewesen, doch sich sehr wohl in der Administration befunden hätten. – Der Mensch ist ein eitles Wesen und so grundfatal mir die Stellung sein würde, so sehr ich im Innern überzeugt bin, dass ich besser zur Justiz passe, so schmeichelt es mir doch, dass sich die Minister so viele Mühe geben, mich zu bekommen, wo sie doch am Ende befehlen können. August 26 Als ich früh um neun zu Minister Könneritz in Geschäften kam, brachte er das Gespräch wieder auf die Ministerialrats-Stelle und als ich nochmals meine Bedenken äußerte, dass ich nicht für immer aus der Justiz zu treten wünsche und mich nicht für geeignet zu ständischen Verhandlungen halte, sagte er mir: „Ich kann Ihnen allerdings keine bestimmte Zusicherung geben, dass sie schon nach zwei Jahren wieder in die Justiz treten können. Ich werde Sie aber später sehr gern in mein Departement wieder aufnehmen und ich bin überzeugt, dass dies jeder Justizminister tun wird. Was die Ständischen Verhandlungen anlangt, so hatten wir zwar gewünscht, dies mit zu vereinigen, allein wenn wir nicht einen guten Referendar finden können, der dazu passt, nun, so muss das bleiben.“ Nach dieser Erklärung, die ich dankbar akzeptierte, konnte ich denn die Frage, ob ich nun die Sache in seine Hände legen wolle, nur bejahen und so werde ich denn wohl eigentlich malgre moi die Stelle erhalten, welche so viele ambieren! Es ist wirklich ein rechter Beweis, dass blindes Glück bei solchen Sachen obwaltet oder sollte man Goethes Worte hier auch passend finden: Doch was wenig dran gelegen Scheinet, ob er neigt und rührt, Der beleidigt, der verführt. August 31 Nun fängt mir wirklich an, die Sache komisch zu werden. Gestern hatte ich Sitzung bei den in Evangelicis beauftragten Staatsministern57 und nach derselben sprach ich mit Minister Könneritz, als Zeschau hinzutrat und ihn fragte, ob er mit mir gesprochen habe. Als dieser es bejahte und sagte, mein Bedenken sei hauptsächlich gegen die Stellung bei den Ständen gerichtet, sagte Zeschau, das werde sich ohnehin erledigen und es freue ihn sehr, dass ich die Stelle annehmen will, wobei beide Minister mir über meine Art des Vortrages große Elogen machten und mir sagten, sie wünschten, dass ich allemal meine Ansicht entwickeln und, wenn man eine Resolution fassen wolle, die nicht passe, mich opponieren solle. Nun, mehr kann man nicht verlangen, allein das Ende vom Lied wird sein, dass die Herren sich gewaltig getäuscht sehen werden, wenn sie glauben, dass ich alle Nüsse so spielend zu knacken verstehe. Oktober 8 Donnerstag präsentierte ich mich auch ohne alle Zeremonien dem Prinzen Johann und dem König. Der letztere schien bedeutend verlegen, ein Fehler, den ich hohen Personen gegenüber Gott sei Dank nicht habe. November 22 Gleich bei meinem Amtsantritt bekam ich eine große Arbeit, den Vortrag über die Differenzen zwischen Österreich und Sachsen über den Traditionsrezeß der Lausitz.
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rium, Vorgänger Webers in dieser Funktion, danach Staatsminister des Großherzogtums SachsenWeimar. Für die evangelisch-lutherische Landeskirche in Sachsen nahmen die dem evangelischen Glauben angehörenden Staatsminister in Vertretung der dem katholischen Glaubensbekenntnis angehörenden Landesherren die bischöflichen Rechte wahr. Siehe Schmidt, Staatsreform, S. 267 ff.
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Das waren mir früher böhmische Dörfer. Indessen ich arbeitete mich hinein und hielt dann einen fünfstündigen Vortrag, der den König so befriedigt hat, dass er sogar davon, was er sonst nie tut, bei Tafel zu reden angefangen und mich sehr gelobt hat.58
1844 Juni 10 In der Albina ward von einer Streitigkeit zwischen den Offizieren und den Akademisten zu Freiberg geredet, die ich schon beendigt glaubte.59 Ein Junker der Kavallerie, von Quandt, Sohn des hiesigen, führt ein liederliches Leben, erkrankt an einer schlechten Krankheit und sein Rittmeister von Planitz findet sich veranlasst, ihm die Annahme von Besuchen der Bergakademisten, mit denen er Umgang pflog, zu untersagen. Quandt erzählt das diesen wieder. Ein Pole Dembinski schreibt hierauf einen Brief an Planitz, ob dieses Verbot sich auch auf ihn persönlich beziehe und dergleichen. Anstatt, was natürlich war, zu antworten, es sei dies eine Disziplinarsache oder nötiger Befehl wegen des Krankheitszustandes und habe keine persönliche Beziehung auf Dembinski, gibt dieser Antwort, er könne deshalb, da es Dienstsache sei, keine Erklärung abgeben etc. Nun fordert Dembinski Planitz und dieser – denunziert beim Stadtgericht mit Einverständnis seiner Kameraden. Die Akademisten nicht faul schreiben diese Geschichte an alle Regimenter, nach Baden, Preußen usw. mit der 58
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Mit dem Prager Frieden vom 20./30. Mai 1635 wurde gleichzeitig zwischen Kaiser Ferdinand II. und Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen der Prager Rezess geschlossen. Darin wurden Kursachsen die bis dahin zur böhmischen Krone gehörenden Markgraftümer Ober- und Niederlausitz als Entschädigung für die dem Kaiser in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges geleisteten Kriegsdienste zugesprochen. Für die beiden Markgraftümer waren besondere Traditionsrezesse geschlossen worden, für die Oberlausitz auf einem Landtag zu Görlitz am 24. April 1636 und für die Niederlausitz auf dem Landtag zu Guben am 10. Mai 1636. Am 20. März 1842 hatte sich der österreichische Gesandte in Dresden, Freiherr von Binder, im Auftrage seiner Regierung mit einer Note an das sächsische Außenministerium gewandt, in der er gegen die am 10. November 1841 vollzogene Wahl des neuen Dekans des Domstift St. Petri in Bautzen Einspruch erhob. Dies wurde damit begründet, daß im Prager Rezess vom Mai 1635 der Krone Böhmen das Protektionsrecht über die katholischen Stifter und Klöster der beiden Lausitzen zugestanden worden war und daß der Kaiser von Österreich in seiner Eigenschaft als König von Böhmen in allen Fällen der Erledigung von Vorsteherstellen in diesen Stiftern und Klöstern immer Gelegenheit gehabt habe, an den Neuwahlen mitzuwirken. Da dies bei der Wahl am 10. November 1841 nicht geschehen sei, wären alle böhmischen Behörden angewiesen worden, den neuen Dechanten nicht anzuerkennen. Daran schloss sich ein reger Notenaustausch zwischen Österreich und Sachsen in den Jahren 1842 und 1843 an, wobei sich die sächsische Regierung auf den Standpunkt stellte, daß der Prager Rezess von 1635 keine Rechtskraft mehr besäße. Zur Klärung der Rechtspositionen wurde in Sachsen eine Kommission eingesetzt (u. a. gehörten der Kommission der Präsident des Oberappellationsgerichts Dr. Schumann, der Geheime Rat von Langenn und der Geheime Referendar von Watzdorf an), die auch zu dem Ergebnis kam, „daß der Rezeß 1635 Österreich gegenüber als noch geltend nicht betrachtet werden könne“. Diese Differenz über noch bestehende Rechte des Kaisers von Österreich in der Oberlausitz in Bezug auf die katholischen Stifter und Klöster wurde erst drei Jahre später, im Mai 1845, beigelegt. Siehe Schmidt, Staatsreform, S. 184 ff. – Sächs. HStA: Gesamtministerium Loc. 59 Nr. 2: Erörterung, inwieweit der Traditionsrezeß von 1635 der böhmischen Krone gegenüber noch rechtsgültig ist. 1842–1843. Siehe dazu Walter Herrmann: Freiberg im Revolutionsjahr 1848–49. In: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins. Jg. 69 (1940), S. 5 f. – C. Schiffner: Aus dem Leben alter Freiberger Bergstudenten. Band 4. Freiberg 1935, S. 324 ff.
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Erklärung, dass sie hiernach das Offizierskorps in Verruf erklären und keinem Satisfaktion geben würden. Das brachte allerdings einen unerwarteten Erfolg und die Offiziere erklärten nun auf einmal, ja, sie wollten sich nun schlagen, was nunmehr wieder die Akademisten verweigerten. Nun ward gestern von Präsident Meißner und mehreren andern erzählt, es seien zwei Duelle schon gewesen, wobei einer verwundet worden und noch sechs sollten folgen. Das war mir denn doch zu toll und ich sprach sehr energisch meine Verwunderung aus, dass man das mit ansehe und nicht eingreife. Heute früh ging ich zu Minister Zeschau und erzählte ihm die Sachen. Er ließ denn gleich den Geheimen Justizrat Baumeister kommen, damit, wenn sich die Sache so verhalte, eine Kommission hingeschickt werde. Allein es hat sich bei näherer Befragung und Erörterung ergeben, dass nur ein Duell stattgefunden hat zwischen einem aus der Mitte der Offiziere als Repräsentant des Korps und einem ebenfalls durchs Los bestimmten Akademisten. Bei diesem Duell ist letzterer Namens Klötzer beim ersten Schuss des Gegners (von Seidewitz) am Arm verwundet worden und damit ist nun die Sache abgetan, bis auf die Differenzen zwischen Dembinski und Planitz.
1845 Februar 3 Gestern, obwohl Sonntag, hatten wir um ein Uhr eine Sitzung. In Brauna bei Kamenz hat der dortige Hauskaplan des Grafen Stolberg eine Bruderschaft „Zum heiligsten Herzen Maria zur Bekehrung der Sünder“ gestiftet, der man jesuitische Tendenzen beimisst.60 Sie sollte daher pure verboten werden, was schon beschlossen war. Aber der König hat Bedenken gehabt, da die Sache noch nicht erörtert war und so wurde gestern die Sache modifiziert. März 2 Es hat sich nun hier auch nach dem Schneidemühler Vorgang ein Schisma in der katholischen Kirche, eine deutsch-katholische Gemeinde gebildet, die eigentlich noch freier ist als die protestantische, da sie keine symbolischen Bücher hat wie wir. Es sprachen daher auch schon Protestanten davon, sich ihr anzuschließen. Bei uns lässt man wie anderwärts die Sache ihren Lauf gehen, so unangenehm auch die Spaltung insbesondere bei Hofe sein mag.61 März 24 Die deutsch-katholischen Angelegenheiten fangen an, die Regierung sehr zu beschäftigen. Neulich hatten wir die erste Sitzung – nach mehreren Sitzungen der Minister ohne den König – deshalb in Gegenwart des letztern und des Prinzen Johann, der allerdings entschieden sehr dagegen ist und ganz lebhaft und erbittert war zumal darüber, dass man der neuen Sekte hier den Saal der Stadtverordneten – ein öffentliches Lokal – eingeräumt hat. Inzwischen hat man sich darauf beschrankt, öffentliche Versammlungen zu verbieten, wozu man auch vollkommen berechtigt ist. 60
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1843 hatte der Schloßkaplan des Grafen Stolberg in Brauna bei Kamenz, Jandaurek, die „Brüderschaft vom heiligsten und unbefleckten Herzen Mariä“ gegründet und in die Pariser Erzbrüderschaft aufnehmen lassen. Da man bei dieser katholischen Religionsgemeinschaft enge Verbindungen zum Jesuitenorden vermutete, der nach § 56 der sächsischen Verfassung vom 4. September 1831 verboten war, leitete die sächsische Regierung eine umfangreiche Untersuchung ein, in deren Ergebnis sich die Vermutungen nicht bestätigten. Siehe Heinrich Meier: Die katholische Kirche in Sachsen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eine rechts- und verfassungsgeschichtliche Untersuchung. Leipzig 1974, S. 96 ff. Günter Kolbe: Demokratische Opposition im religiösen Gewande und antikirchliche Bewegung im Königreich Sachsen. Diss. Leipzig 1964. Masch. schr.
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März 30 Ich arbeitete früh, als mir Könneritz sagen ließ, ich möge um zwölf Uhr zu ihm kommen. Als ich das tat, fand ich zu meinem großen Erstaunen das Finanzhaus von Wasser umgeben. Aber als ich um eins von der Konferenz bei Könneritz, an der noch Minister Wietersheim teilnahm und die sich auf die Deutschkatholiken bezog, zurückkam, war das Wasser noch mehr gewachsen und nach Tische trat es von der Meißner Gasse und durch die Gärten auf den Markt, so dass man, um auf die Brücke zu kommen, Notbrücken bauen musste. März 31 Ein Tag, der Dresden unvergesslich sein wird. Während der Nacht schwoll das Wasser zu nie gesehener Höhe. Der ganze Neustädter Markt war fast bedeckt. Man fuhr auf der Kloster- und Meißner Gasse auf Kähnen. Nach zehn Uhr löste sich auf einmal der Pfeiler, auf dem das Kruzifix stand, das letztere und mit ihm Geländer, Troittoir flog in weitem Bogen ins Wasser und eine hohe Wassersäule spritzte empor. Man überzeugte sich jedoch, dass der Bogen selbst noch halte und so ließ man, als ich gegen 11 nach vieler Mühe endlich einen Kahn gefunden, der mich ans Blockhaus fuhr, wieder Fußgänger einzeln über die Brücke. Ich ging ins Gesamtministerium, um das Nötige zu expedieren, und als ich zurück wollte, war die Brücke gesperrt. Ich sah indessen Minister Falkenstein und einige Generale in der Beratung stehen und durch erstern erhielt ich freie Passage auf mein Risiko, kam aber glücklich herüber. Jetzt lässt man wieder Fußgänger passieren, noch aber ist das Wasser nicht gefallen. Die Antonstadt steht ganz unter Wasser und auf dem Lande soll schreckliche Not sein. Dauert das einige Tage so, wird diese hier auch nicht fehlen, da nichts vom Lande herein kann. April 9 Als ich gestern bei Minister Könneritz war, kamen wir auf die katholischen Wirren zu sprechen und er erzählte mir, dass bei Bearbeitung der Gesetze von 1835 über die katholischen Ehesachen und die gemischten Ehen die katholischen Geistlichen, Bischof Mauermann62 und Pater Kunitz63 , mit denen er, um nicht bei ihnen Hindernisse der Einwilligung des Königs Anton zu finden, verhandelt, sich sehr steril gewiesen. Der König gab auch seine Einwilligung zu allem, allein wie beide Gesetze bei den Kammern bereits beraten waren, kam auf einmal Anton mit dem Ansinnen an Könneritz, er solle ihm das Gesetz zurückschaffen, es sei etwas darin gegen die katholische Religion. Er gab aber weder an, welches Gesetz noch welche Bestimmung darin er meinte; zu verständigen war der gute, aber schwache Mann nicht. Er produzierte einen ganz allgemein gehaltenen Brief des Papstes, worin dieser schrieb, er möge nichts gegen die katholische Kirche genehmigen, und blieb dabei, er könne das Gesetz nicht unterschreiben. Alle Bemühungen waren vergebens und am Ende traf man das Auskunftsmittel, dass man ihm sagte, die Bestimmung, dass der protestantisch geschiedene Teil wieder heiraten könne, sei allerdings der katholischen Kirche nachteilig. Man nahm daher diesen Satz aus dem Gesetz und publizierte ihn durch die in Evangelicis beauftragten Staatsminister besonders.64 Nun war Anton ruhig. Ronge65, der zweite Luther, hat vor einigen Tagen hier gepredigt und eine Taufe vollzogen. 62 63 64 65
Mauermann, Ignaz Bernhard (1787–1841). Katholischer Titularbischof. Sächsischer Hofprediger. Apostolischer Vikar in Dresden. Siehe Erhard Hartstock: Als Geistlicher im Parlament. In: Landtagskurier. Jg. 2. 1992. Nr. 11, S. 7. Kuhnitz, Ignaz (1770– nach 1835). Pater, Hofprediger in Dresden, Beichtvater von König Anton. Gesetzsammlung für das Königreich Sachsen 1835, S. 98. Ronge, Johannes (1813–1887). Kaplan, Hauptbegründer des Deutschkatholizismus. Siehe Kolbe, Demokratische Opposition, S. 43 ff.
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Juli 23 Vor einigen Tagen haben die in Evangelicis beauftragten Staatsminister eine Verordnung gegen die religiösen Bestrebungen in der protestantischen Kirche erlassen, die sich unter dem Namen der Lichtfreunde von Köthen aus nach Sachsen verbreitet haben66 Wird das etwas helfen? Nein. höchstens einige Geistliche werden Manschetten bekommen, wie hier ein Diakonus Pfeilschmidt67, der in den Vaterlandsblättern einen Aufsatz einrücken lassen, worin er über das Dogma der protestantischen Kirche raisonniert und das Resultat zieht, die Protestanten würden noch Deutschkatholiken werden.68 August 13 Der Irrtum, als ob der Prinz Johann die Triebfeder der Behinderungen der Deutschkatholiken sei, denen man immer noch Kirchen einzuräumen nicht gestattet, hat recht beklagenswerte Ereignisse in Leipzig hervorgerufen. Er ist dort hingegangen, um die Kommunalgarde zu inspizieren und gestern Abend nach der Parade, wo sein Empfang sehr kühl gewesen ist, beim Zapfenstreich rolliert sich das Volk zusammen, brüllt, wirft im Hotel de Prusse, wo er mit den Chargierten der Kommunalgarde etc. soupierte, die Fenster ein. Es wird das Militär geholt, welches zweimal das Volk vertreibt, das immer wiederkehrt. Endlich wird – man weiß nicht, ob es wahr ist, dass der Prinz Johann Befehl gegeben – gefeuert und zwanzig Menschen, neun davon tot, stürzen hin! Bis den andern Morgen hat der Lärm dann gedauert und als der Prinz Leipzig verlassen, ist das Volk im Galopp mit Todesdrohungen und den grässlichsten Schimpfreden nachgelaufen. Dieser unglückselige Wahn, als ob der Prinz ultrakatholisch wäre, was gar nicht der Fall ist, ist an allem Schuld. Seitdem diese Nachricht ankam, habe ich fast immer im Gesamtministerium gesessen, da fast kontinuierlich Session war. Heute kommt eine Bekanntmachung in die Leipziger Zeitung, die ich, kann ich wohl sagen, mit großer Mühe so bewerkstelligt habe, da der Entwurf des Ministers Könneritz viel bedenklicher war. Ich habe nämlich den Ministern die Notwendigkeit, dass in den kirchlichen Angelegenheiten ein Schritt geschehen, den Wünschen etwas nachgegeben werden müsse, recht deutlich zu machen gesucht und Minister Könneritz und Wietersheim waren dazu auch geneigt, aber Zeschau schien gegen jede Konzession zu sein. Einige Stunden gingen in Geund Zerreden vorbei. August 17 Gestern hat die Bekanntmachung in der Leipziger Zeitung gestanden. Ob sie was helfen wird? Neuer Spektakel hat nicht stattgefunden, aber die Behörden scheinen ganz die Autorität verloren zu haben und Robert Blum69 führt das Volk an – der Nase. Die gute Leipziger Zeitung brachte am Mittwoch, dem Tag nach dem Sturm, einen offiziellen Artikel, worin sie bloß erwähnte, dass der Prinz die Kommunalgarde inspiziert und große Zufriedenheit bezeugt habe. Nur in der Beilage stand ein kurzer Artikel über die Unruhen, 66
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Ähnlich wie die deutschkatholischen Gemeinden für den Katholizismus strebten die protestantischen „Lichtfreunde“ eine religiöse Erneuerung des Protestantismus an. Ihre Hauptvertreter waren Pastor Leberecht Uhlich (1799–1872) in Magedeburg und Gustav Adolf Wislicenus (1803–1879) in Halle. Siehe Kolbe, Demokratische Opposition, S. 24 ff. Pfeilschmidt, Ernst Heinrich (1809–1894), Diakon an der Annenkirche in Dresden. Siehe Grünberg: Sächsisches Pfarrerbuch. Band 2, S. 683. – Kolbe, Demokratische Opposition, S. 32. Vaterlandsblätter 1845. Nr. 47 und 48 vom 23. und 25. März, S. 211–213: „Offenes Bekenntniß in offener Zuschrift an Herrn Diac. Fischer in Frohburg“. Blum, Robert (1807–1848). Theatersekretär in Leipzig, Vizepräsident des Frankfurter Vorparlaments 1848 und Führer der Linken in der Frankfurter Nationalversammlung, erschossen in Wien am 9. November 1848. Siehe Siegfried Schmidt: Robert Blum. Vom Leipziger Liberalen zum Märtyrer der deutschen Demokratie. Weimar 1971.
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den der Allgemeine70 als ein Gewebe von Lügen darstellte. 1m Lande sieht es überall unruhig aus und man wird daher die Beurlaubten einberufen. Was ist nur der Grund alles dieses Tobens. lrrtum, Verleumdung, Leichtgläubigkeit benutzt von Unruhestiftern, das wird mir immer klarer. Ich war abends bei General Benkendorf, ward aber ins Gesamtministerium gerufen, wo wieder von acht bis neuneinhalb Sitzung war. Langenn ist gestern früh nach Leipzig gegangen. Heute hatte ich abends wieder wie gewöhnlich Session. Ich hatte einen langen Artikel für die Allgemeine Deutsche Zeitung geschrieben, der aber wahrscheinlich zu liberal schien, indem ich namentlich die Notwendigkeit des Schießens – die wirklich nicht vorhanden war – nicht zu rechtfertigen unternommen. Da kam denn die Beilage an mich, die freilich anders klingt. Einige Briefe von Adolf mögen hier aufbewahrt bleiben, weil sie den Vorgang richtig schildern.71 Des Königs wunderschöne Antwort auf die Petition der Leipziger, die heute mit Langenns Rede abends gedruckt ankam (morgen wird sie in der Leipziger Zeitung stehen), hat gewiss einen sehr guten Eindruck gemacht.72 Unbegreiflich ist mir nur diese Unbeliebtheit des Prinzen Johann. Er ist bigott, das ist wahr, aber ultramodern. Beschützer der Jesuiten ist er doch wahrlich nicht, aber freilich hat er durch seine für den Regierungsnachfolger gewiss nicht passende ständische Tätigkeit übles Blut gemacht und es scheint, dass er nicht versteht, mit den Leuten umzugehen. Ich kann nur sagen, es scheint, denn so oft ich mit ihm gesprochen habe, habe ich die Bemerkung nicht gemacht. August 20 Die Minister haben eine besondere Kommission zur Erörterung der Vorfälle in Leipzig und ihrer Ursachen ernannt. Langenn, Regierungsrat Reiche-Eisenstuck und Appellationsrat von Reitzenstein, das ist eine schlechte Kommission für die Kommission! Sie werden auch schwerlich große Entdeckungen machen. August 27 Am Sonnabend hatten wir bei den in Evangelicis beauftragten Staatsministern Sitzung über die vielen Petitionen in Kirchensachen. Als vor einigen Jahren Wietersheim einen Entwurf wegen Vertretung der Kirche und mehrere Rechte der Gemeinde brachte, da wollte keiner etwas davon wissen. Jetzt waren sie alle bereit und in drei Stunden war man über die Hauptpunkte einig.73 September 2 Ich wollte zum Konstitutionsfest an dem Kommunalgardendiner teilnehmen und suchte daher noch andere Beamte dazu zu veranlassen, da ich es für einen rechten Unsinn halte, wenn die Staatsdiener sich in einer andern Atmosphäre halten wollen und dem Volke so ganz fremd bleiben. Allein ich kann niemand dazu bringen, so indolent und bequem 70 71 72 73
Es handelt sich um die Allgemeine Deutsche Zeitung. Siehe dazu Hartmut Zwahr: Im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft. In: Geschichte der Universität Leipzig. Band 2.Leipzig 2010, S.296–298. Die Briefe Adolf von Webers, jüngerer Bruder von Karl von Weber, befinden sich nicht mehr in den Tagebuchaufzeichnungen. Siehe Dokumentenanhang Nr. 2. Das Grundanliegen war die Trennung von Kirche und Staat, die vor allem von den „Sächsischen Vaterlandsblättern“ seit 1840 immer wieder gefordert wurde. 1845 standen die Forderungen nach einer Kirchenvorstands- und Synodalverfassung im Vordergrund. Im August 1845 lagen dazu 40 Petitionen mit etwa 15 000 Unterschriften beim Gesamtministerium vor. Trotz der von Weber dazu bezeugten Einigung im Gesamtministerium trat erst 1868 die neue Kirchenvorstands- und Synodalordnung in Kraft und erst nach 1873/1874 begann die allmähliche Trennung von Kirchenverwaltung und Staatsverwaltung. Siehe dazu Schmidt, Staatsreform, S. 276. – Gerhard Graf, Markus Hein: Kleine Kirchengeschichte Sachsens. 4. Aufl. Leipzig 2009, S. 41.
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sind alle. Nur Könneritz, mit dem ich dann sprach, billigte das Prinzip, dass die Beamten doch mehr mit dem Volke sich bekannt machen sollten, ganz. Allein kann ich aber nicht hingehen, sie hielten mich am Ende für einen Spion. September 20 Am 14. September war die Landtagseröffnung und dabei ich nun zum ersten Male bei dieser Gelegenheit bei der königlichen Tafel. Der Landtag hat nun begonnen und es äußert sich in der Zweiten Kammer ein Ton der Rohheit und Grobheit, der wirklich recht unangenehme Folgen besorgen lässt. Oktober 12 Heute früh um zehn Uhr wurden die beiden Präsidenten Carlowitz74 und Braun75 verpflichtet. Die Prozedur war sehr kurz und sie antworteten auf des Königs Ermahnung, ihr Amt mit Kraft und Treue zu verwalten, kein Wort. Oktober 20 Die Verhandlungen über den Entwurf der Adressen76 in der Zweiten Kammer am Freitag und Sonnabend sind sehr unangenehm für das Ministerium gewesen und von Seiten der ultraliberalen Partei mit einer Bitterkeit, Anmaßung und Grobheit geführt worden, die seither unerhört war. Zeschau soll sich so geärgert haben, dass er gar nicht mehr in die Kammer gehen will. Oktober 21 Als ich heute zu Zeschau ging, der nicht wohl ist und daher nicht ausgeht, um mit ihm etwas zu reden, sagte er im höchsten Grade erbittert: man kann als ehrlicher Mann gar nicht mehr in die Kammer gehen, entweder es muss anders werden oder wir erleben einen solchen Landtag nicht mehr. Ich glaube allerdings, dass Zeschau derjenige Minister ist, dem am wenigsten geboten werden darf, um ihn zu bestimmen, sein Amt niederzulegen! Nachdem neulich Minister Zeschau eine Rede Schaffraths77 als revolutionär bezeichnet, Braun aber nicht darauf eingegangen ist, in dieser Weise Schaffrath zur Ordnung zu verweisen, und Zeschau sein Bedauern darüber ausgedrückt hat, ist Braun zu Minister Könneritz gegangen und hat erklärt, er scheine das Vertrauen verloren zu haben und sei zu jeder Zeit bereit, sein Amt niederzulegen und in seine bescheidene Stellung zurückzutreten, da er niemals danach gestrebt, etwa eine Stelle zu erhaschen. Könneritz hat ihn dann natürlich aber gebeten, zu bleiben.
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Carlowitz, Albert von (1802–1874), sächsischer Politiker, 1846 bis 1848 Minister der Justiz. 1848 Berufung zu den Potsdamer Verhandlungen über eine neue preußische Verfassung. 1866 Mitglied des konstituierenden Norddeutschen Reichstages. Siehe O. E. Schmidt: Drei Brüder Carlowitz. Dresden 1933, S. 58. – Schmidt, Staatsreform, S. 100 ff. – NDB Band 3, S. 144 f. Braun, Dr. Alexander Karl Hermann (1807–1868). Gerichtsdirektor in Plauen i.V. Sächsischer Justizminister und Vorsitzender des Gesamtministeriums von März 1848 bis Februar 1849. Amtshauptmann in Plauen von 1850 bis 1868. Siehe Mathilde Klemm: Sachsen und das deutsche Problem 1848, Meißen 1914, S. 31. – ADB Band 3, S. 269. Adressen des Königs und des Gesamtministeriums an die Erste und Zweite Kammer der Ständeversammlung bei der Landtagseröffnung. Sie enthielten die in den Grundzügen zu beratenden Gegenstände im Sinne einer Regierungserklärung. Schaffrath, Dr. Wilhelm (1814–1893), bedeutender Jurist und einer der Führer der republikanischen Bewegung in Sachsen. 1845–1849 Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung, 1848/1849 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. 1849 bis 1857 Emigrant in der Schweiz, ab 1857 Anwaltsbüro in Dresden, später Oberjustizrat und Mitglied des Staatsgerichtshofes in Dresden. 1871 bis 1875 Vizepräsident der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. Siehe Reiner Groß: Die kleinbürgerlich-demokratische Bewegung in Sebnitz 1848–1852. In: Jahrbuch für Regionalgeschichte Band 1 (1965), S. 137–147.
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1846 April 8 Gestern zitierte mich Minister Wietersheim zum großen creve coeur seiner Räte wieder ins Kultusministerium, um mit zu beraten über die Verpflichtung des neuen Apostolischen Vikars Dittrich, wobei man nach den früheren Vorgängen gern von der Eidesformel, wie sie das Gesetz vorschreibt, abgehen mochte. Er hatte dabei die künstlichsten Argumentationen sich ausgedacht, aber ich konnte freilich nicht anders, da er mich einmal dazu haben wollte, als sie ihm übern Haufen zu blasen. Dazu hatte er mich aber sichtlich nicht herbeigeholt! Ich werde aber niemals meine juristische Ehrlichkeit verleugnen. Recht lächerlich ist doch aber ein solches Bestreben, sich selbst blauen Dunst vorzumachen. Warum sagt er nicht gleich, ich weiß wohl, es ist nicht recht, aber es geht nicht anders! Bliebe unser Minister nur sonst auf dem Boden des Gesetzes, ich wollte doch sehen, was der Herr Dekan Dittrich anfinge! Juni 18 Gestern ward denn endlich der Landtag geschlossen. Zuletzt hatte die Opposition ganz das Terrain verloren und die Regierung hatte machen können, was sie wollte. Die Ultraradikalen Joseph78 und Schaffrath suchten sich daher nur noch durch Ungezogenheiten geltend zu machen. So bei einem Diner, was die Stände den Ministern und Regierungskommissaren gaben im Hotel de Pologne, blieb Joseph, als Minister Könneritz eine Gesundheit auf die Stände selbst ausbrachte, sitzen, und als ihn sein Nachbar aufforderte, doch aufzustehen, brummte er bloß etwas wie ‚wenn er redet, stehe ich nicht auf‘. Nach dem Essen aber setzt er mitten im Zimmer den Hut auf, nimmt ihn aber, als er nun an seine Ungezogenheit erinnert wird, doch demütig wieder ab. Gestern bei Hofe aber blieben Joseph und Konsorten, als der König die Gesundheit ausbringt, ebenfalls sitzen und ließen sich durch die Hoflakaien zum Aufstehen erinnern. August 15 Wietersheim hat mir – es kommt mir selbst kurios vor – die Direktion der Königlichen Sammlungen und Kunstakademien, die er über hat, übertragen und da bin ich denn in eine Funktion getreten, von der ich allerdings soviel verstehe als – und von so manchen andern Geschäften, die ich zu verrichten habe. November 5 Ich habe positiv gar nichts zu tun, was ich denn zur Abwechslung mir ganz wohl gefallen lasse. Schon seit drei Wochen bringe ich Könneritz, mit dem ich alle Dienstage den Vortragszettel mache, dieselben Sachen aufgeschrieben, die immer noch wie ein Scheugericht ausgesetzt bleiben, weil sie noch nicht durchzirkuliert haben. Beust aus London war avec famile einige Wochen hier und einige Male bei uns. Gestern kam auch Prinz Woldemar von Holstein79, der eben aus Schleswig kommt und von der Aufgeregtheit der dortigen Stimmung sprach, die nur einer geringen Veranlassung zum Losschlagen bedürfe. Unter anderem erzählte er eine Anekdote von Alexander von Humboldt, der beim König den Minister Eichhorn erwähnte als Minister der Volksaufklärung – des 78
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Joseph, Dr. Hermann (1811–1869), Rechtsanwalt und Gutsbesitzer in Lindenau bei Leipzig. Einer der Führer der Linken, Mitglied des Vaterlandsvereins. 1847/1848 Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. 1848/1849 Abgeordneter im Frankfurter Vorparlament und in der Frankfurter Nationalversammlung. 1849 und 1850 Präsident der Ersten Kammer der Ständeversammlung. Nach dem Maiaufstand 1849 in der Emigration. Ab 1856 Advokat in Leipzig. Schleswig – Holstein, Heinrich Karl Woldemar Prinz zu (1813–1871). Preußischer General der Kavallerie, Generaladjutant, ab 1866 Gouverneur der Festung Mainz.
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öffentlichen Unterrichts, berichtigt der König – also gerade das Gegenteil, fährt Humboldt fort, des öffentlichen Unterrichts. November 8 Der Winter scheint sehr still zu werden. Würde ich nicht in der Regel ein- bis zweimal die Woche zum Oberhofmarschall zur Partie gebeten, so wäre garnichts los. Diese Partien sind aber recht angenehm. Schöne Räume, gute Beleuchtung, leichtes Souper, gute Gesellschaft, ein angenehmes Spiel. Ich spiele in der Regel mit Reitzenstein, Wietersheim, Benkendorf und dem russischen Gesandten von Schröder, der u. a. die Eigentümlichkeit hat, dass er als Souper bloß drei Bonbons genießt nebst drei Gläsern Wasser. Seine Spuren verraten daher stets die drei Papierchen, die unter seinem Stuhle liegen. Am Donnerstag sagte mir Könneritz, der jetzt den Plan für die Entwerfung eines Zivilgesetzbuches gemacht und dem König vorgelegt hat, dass er noch zweifelhaft sei, ob er den Präsident Beck oder den Oberappellationsgerichtsrat Held80, den ich ihm, als er mich fragte, empfohlen, nehmen wolle. Ich blieb bei letzterem stehen. Könneritz, Langenn und ich sollen die beratende Kommission ausmachen. Es wird eine interessante Arbeit, mir in jeder Beziehung sehr willkommen, zumal ich jetzt gar nichts zu tun habe. November 15 Am Donnerstag war eine interessante Sitzung im Gesamtministerium. Die Beratung dessen, was an den Bund wegen der Presse zu bringen sei.81 Prinz Johann, Könneritz und Carlowitz waren für Pressefreiheit. Es kam aber zu keinem Resultat, weil man sich nicht einigen konnte.
1847 Januar 23 Seit Montag ist die Außerordentliche Ständeversammlung hier. Am Dienstag war mittags Sitzung im Gesamtministerium, um die Präsidentenwahl gleich resolvieren zu können und als um zwei Uhr noch nicht aus der Zweiten Kammer Nachricht da war, ging ich ins Hotel de Pologne zu Braun und holte privatim mir die Notiz, auf deren Grund denn er zum Präsident und Thielau zum Vizepräsident ernannt ward. Letzterer tat, als er es in der Ressource erfuhr, anfänglich, als ob er darüber verwundert sei, und qualmte Könneritz, der hinkam, aus einer langen Pfeife so an, dass der hätte des Teufels werden mögen, zum großen Gaudium der unbefangenen Zuschauer! Thielau bemerkte es aber nicht, bis die Pfeife alle war. Gestern war die Eröffnung, wobei ich mit Minister Könneritz in einem königlichen Galawagen ins Landhaus fuhr. Wohl das erste und letzte Mal, dass ich darin sitzen und mir das Militär die honneurs machen wird. Sonderbar, dass Minister Könneritz förmlich die Stimme versagte, als er zu den Ständen sprach, so beherrschte ihn doch der Augenblick, ihn, der so oft zu den Ständen gesprochen hat. Nachher war großes Diner im Hotel de Pologne, welches die Minister gaben. Februar 2 Vor einigen Tagen ist eine lächerliche Geschichte in der Ressource passiert, die man bezeichnen kann „Wie Zeschwitz die Ressource in üblen Geruch bringt“. Der 80 81
Held, Dr. Gustav Friedrich (1804–1857), Oberappellationsgerichtsrat. Vom 25. Februar bis 2. Mai 1849 sächsicher Justizminister und Vorsitzender des Gesamtministeriums. Siehe ADB Band 50, S. 161 Sitzung des Gesamtministeriums am 1. November 1846. Die Unterlagen sind vollständig überliefert in: Sächs. HStA, Gesamtministerium Loc. 31 Nr. 5 Band 5, Bl. 277–287.
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Kreishauptmann dieses Namens kommt etwas betrunken hin, ein Engländer Dorm bemerkt es, treibt allerhand Scherz mit ihm und fängt am Ende an zu buchstabieren „besof-fen“. Zeschwitz steht auf, buchstabiert das Wort Lümmel und lässt einen ungeheuren Forz. Die daneben Spielenden fahren vor Lachen in die Höhe und der Rittmeister Gablenz ruft: „Kellner, bringen Sie das Fremdenbuch, ich will zwei Fremde eintragen, Lümmel und Forz“. Juni 29 Mittagessen bei Ehrenstein mit den zu Prüfung des Planes der Überbrückung des Göltzschtales hierher berufenen Technikern, dem Österreicher Negrelli82 und dem Bayern Pauli83. Ersterer hat sich vor kurzem zum zweiten Male mit einem hübschen Weibchen verheiratet, das er nun mit in der Welt herumschleppt, da er fast stets auf Reisen ist. Zu Michaelis geht er nach Ägypten, wo man jetzt den Durchstich der Landenge von Suez vorbereitet.84 Oktober 14 Um neun war ich zu Könneritz bestellt, wo ich Held, Hänel, die Minister Zeschau, Carlowitz und außerdem den Kanzler Wächter aus Erlangen85 und den Ministerialrat Breidenbach aus Darmstadt fand, welche letztere von ihren Regierungen zur Verhandlung über gemeinschaftliche Gesetzgebung abgesendet sind. Unbegreiflicherweise fand der Antrag bei Minister Könneritz nicht nur keinen Anklang, sondern Widerspruch und zwar, wie ex post zu Tage kam, aus einem – sehr unpolitischen – politischen Grunde, weil man durch dergleichen Maßregeln den Gedanken der Einheit Deutschlands befördern und zur praktischen Realisierung auffordern würde. Anstatt dass wir kleinen Staaten zusammenhalten und eben dadurch deren Existenz sich sichern sollten, will man sie auseinanderhalten, damit sie um so sicherere Beute des nächsten Sturmes werden. Ich konnte natürlich, während die Fremden dabei waren, meine Ansicht nur andeuten. Allein als sie fort waren und nur noch Carlowitz und ich bei Könneritz waren, da fand ich denn doch Gelegenheit, mich frei auszusprechen. Das Resultat war, dass, als ich nach einer Stunde wegging, Könneritz mir nachkam und mir lächelnd auf die Achseln klopfte, sagte etwa „Geben Sie nur nicht zu viel auf die Einheit Deutschlands oder dergleichen“. Also diese großartige Idee des Königs von Württemberg wird von Sachsen zurückgewiesen.
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Negrelli, Alois (1799–1858). Technischer Inspektor der Österreichischen Staatsbahn in Wien, 1856 Generalinspekteur, verhandelte u. a. mit Sachsen über den Bau der Eisenbahnlinie Prag – sächsische Grenze, war Gutachter der Göltzschtal- und Elstertalbrücke und maßgeblich beteiligt für die deutsche Seite an den vorbereitenden Maßnahmen zum Bau des Suezkanals. Siehe A. Birk: Alois von Negrelli. 2 Bände, Hamburg 1915, 1925. – Arthur Weichold: Johann Andreas Schubert. Dresden, Jena, Leipzig 1968, S. 268–294. Pauli, Friedrich August von (1802–1883), Vorsitzender der bayerischen Eisenbahnbaukommission. Maßgeblich beteiligt an der Weiterführung der sächsisch-bayerischen Eisenbahn von Hof nach München. Siehe ADB Band 27. – L. Neumann: Vorbereitung und Bau der sächsisch-bayerischen Eisenbahn. Dresden 1901.– Weichold, Schubert, S. 291. Max von Seydewitz: Sachsen und der Suezkanal. In: NAfSG Band 63 (1943), S. 81–129. Wächter, Carl Georg von (1797–1880), Jurist, Professor, Kanzler der Universität Tübingen. Präsident der württembergischen Ständeversammlung. 1833 an die Universität Leipzig als Professor für Strafrecht berufen. Siehe Geschichte der Universität Leipzig. Band 2, S. 227–230.
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1848 Januar 20 Alle Tage Routs, Bälle, immer spät zu Hause gekommen, bis um zehn geschlafen. Ein etwas wüstes Leben, nur möglich, weil ich nicht viel zu tun habe. Sonnabend gab Minister Carlowitz seine erste große Gesellschaft, einen Rout. Montag war bei Minister Zeschau der erste große Ball, zu dem der König und der ganze Hof kam. Sonntag war Partie bei Schröder, Dienstag bei Reitzenstein, gestern auf dem Hofball ein l’hombre gespielt mit Kammerherr von Planitz, General von Buttlar86 und Graf Einsiedel von Wolkenburg. Februar 15 Beust aus London war acht Tage auf seiner Rückreise nach seinem Posten hier und vieI mit uns zusammen. Vielerlei politische Gespräche. Er meinte, wenn Österreich einmal einen Umschwung nehme und nach Metternichs Tode Reformen zugänglicher werde, ihm der größere Teil von Deutschland, insbesondere der Süden, der Preußen sehr feindlich sei, zufallen und der Zollverein sofort auseinander fallen müsste. Darin mag er nicht so unrecht haben, denn auch bei uns würde man lieber zu Österreich als zu Preußen.
4. Märzstürme 1848. Liberaler Umschwung in Sachsen 1848 März 1 Welche Zeit, welche Ereignisse! Am Montag ging ich wie gewöhnlich um sechs zu Minister Könneritz, als mir Reinhard87 die Nachricht aus Paris, dass der König88 abgedankt, Mole’89 das Ministerium übernommen hat, mitteilte, die ich denn zuerst Könneritz und dann dem Kultusminister mitteilte, wo ich etwas vorzutragen hatte. Nun aber vollends die gestrigen Nachrichten, nach welchen die ganzen Greuel der früheren Revolution sich zu erneuern scheinen! Alle Welt lief zusammen. Man sprach von nichts und unsere Sitzung in der Zivilgesetzgebung, die wir um zehn halten wollten, lief auseinander und ich ging zu Seebach90, der von der Sache auch noch nichts wusste. Mittags kamen die Minister zusammen, als ob sie was an der Sache ändern könnten! Die Rückwirkung dieses Ereignisses werden wir spüren bis in die geringste Dorfgemeinde. Und ob wir nicht in wenigen Jahren in Deutschland 86 87
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Buttlar, Karl Friedrich August Treusch von (1790–1856), sächsischer Generalmajor. Vom 6. August 1848 bis 8. März 1849 sächsischer Kriegsminister. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 514. Reinhard, Karl Friedrich Graf von, der Jüngere (1802–1873), französischer Gesandter in Dresden von August 1848 bis Juni 1849. Siehe Wilhelm Lang: Graf Reinhard. Bamberg 1896. – Hellmut Kretzschmar, Horst Schlechte: Französische und Sächsische Gesandtschaftsberichte aus Dresden und Paris 1848–1849. Berlin 1956. Louis Philippe (1773–1850), König von Frankreich 1830 bis 24. Februar 1848. Abdankung im Ergebnis der Februarrevolution in Paris zu Gunsten von Louis Philippe, Graf von Paris (1838–1894). Molé, Louis – Mathieu, Graf von (1781–1855), Minister unter Napoleon I., Ludwig XVIII. und Louis Philippe. 1837–1839 französischer Ministerpräsident und Außenminister. Anhänger der konstitutionellen Monarchie. Seebach, Albin Leo von (1811–1884), von 1852 bis 1867 sächsischer Gesandter in Paris. Schwiegersohn des russischen Kanzlers Nesselrode. Siehe ADB Band 33, S. 554.
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ebenfalls erneute Revolution haben, von welchen Zufälligkeiten hängt das ab! Ich sagte es Könneritz, der mich auslachte, ich sähe zu schwarz! Gott gebe es. Mittags aß ich beim Minister Falkenstein, recht gut und auf einem schönen Geschirr, bei dem mir unwillkürlich einfiel, wie schade es wäre, wenn man es einmal zum Fenster hinausstürzte März 2 Die Zeitungen werden verschlungen. Die Leipziger Zeitung gelangt plötzlich zu großem Ansehen, da sie täglich zu verschiedenen Zeiten kleine Extrabeilagen ausgibt, so dass man mit jeder Post immer das Neueste erfährt. Gestern kam die Nachricht von einer Konterrevolution zu Gunsten des Großbürgertums von Paris. Heute wird es widerrufen. Es ist eine merkwürdige Zeit! Bereits kam aus Leipzig eine Petition von Robert Blum und Konsorten in höchst imperatorischen Stil wegen Pressefreiheit, deren Schluss alle Folgen der Verweigerung auf die Regierung wälzte, an das Gesamtministerium, das übrigens die Sache gar nichts angeht. Außerdem ist gestern eine Stadtverordnetensitzung in Leipzig gehalten worden, worin diese verschiedene Petitionen verlesen haben, die sie anbringen wollen und heute ist bereits eine Deputation der Stadtverordneten mit Biedermann und des Stadtrats eingetroffen, um die Petition dem König zu übergeben, der sie morgen um zwölf Uhr empfangen wird. März 7 Früh. Eine traurige Fastnacht! Am Sonntag, den 5. März ward ich schon früh neun Uhr ins Gesamtministerium geholt. Die Minister kamen zusammen, gingen zum König, kamen wieder. Ich wusste nicht was los war, bis mich nach halb zwei Könneritz, nachdem die anderen weg waren, ins Sessionszimmer rief und mir mitteilte, Falkenstein habe den Abschied genommen.91 Er fragte mich zugleich, ob ich glaube, dass er auch hätte abtreten sollen? Ich benutzte denn diese Gelegenheit wie schon früher so manche andere, um ihm mein Herz auszuschütten und darauf aufmerksam zu machen, was man geben muss, um nicht das Schrecklichste zu besorgen: Pressefreiheit, Geschworene und eine andere Bundesverfassung. Ich sagte ihm, dass mit der Verfassungsurkunde eine andere Generation herangewachsen, die über diese politischen Fragen ganz anders dächten als er. Dass ich und eine große Zahl seiner Beamten, die wir doch wahrlich keine Umstürzler sind, dieser entschiedenen Ansicht seien. Dass es sich jetzt aber nicht um einen einzelnen Minister, sondern darum handelte, was die Regierung in diesen Lebensfragen tun wolle. Ich bat ihn aufs dringendste, die Regierung möge sich offen darüber dem Volke gegenüber aussprechen. Tue man hier, was doch getan werden musste, so könne er noch lange mit Segen dem Ministerium vorstehen. Geschehe aber nichts, so sei er unhaltbar. Könneritz nahm meine Rede, bei der ich allerdings sehr lebhaft wurde, ganz gut auf, obwohl freilich manches eben nicht zierlich gesagt war. Ich expedierte schnell Falkensteins Entlassung, aß dann einige Bissen in der Stadt Frankfurt, ging einen Gang zu Hause und abends um sechs wieder ins Gesamtministerium, da Könneritz in die Bekanntmachung noch eine Anerkennung der vorzüglichen Wirksamkeit Falkensteins gebracht hatte und dass er in Wartegeld gesetzt sei, was ich unter diesen Umständen ganz unpassend hielt. Nach längerem Disput brachte ich wenigstens das erste heraus und die Sache, die schon auf der Post war und geholt wurde, ging so ab. 91
Späterer Nachtrag: Am 3. März haben alle Minister dem König ihre Entlassung angeboten, der sie nicht angenommen hat. Am 5. März trat Falkenstein zurück.
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Gestern, den 6. März früh um halb neun zu Könneritz. Abermals langes Gespräch. Mitteilung, dass Zschinsky92 provisorisch die Leitung des Ministeriums des Innern erhalten soll, worüber ich denn nicht umhin konnte, meine bestimmte Überzeugung auszusprechen, dass er, dem Volke ganz unbekannt, es unmöglich durchführen könne. Es war zu spät. Ich nannte ihm wiederholt Beust und Ehrenstein. Könneritz forderte mich auf, ich sollte ihm einen Aufsatz, Proklamation, nach meinen Ansichten machen. Ich setzte mich gleich ins Gesamtministerium und arbeitete eine Art Proklamation aus, was die Regierung nach meinen Ideen jetzt annehmen sollte. Freilich war das etwas Anderes als die zeitherigen! Währenddem ich da schrieb, waren die Minister zusammen und setzten eine Ansprache des Königs an seine Sachsen auf, die mir Könneritz vorlas, nachdem sie der König genehmigt hatte und jede Änderung unmöglich war. Ich bemerkte ihm wieder, dass darin ja die Hauptpunkte fehlten, dass solche allgemeine Reden gar nichts wirken würden – es war zu spät.93 Ich diktierte drei Kopisten die Sachen, halb zwei begann der Druck und um drei brachte mir Meinhold94 den Korrekturbogen ins Haus, den ich korrigierte. Als ich um sechs ins Gesamtministerium kam, war schon der größte Teil der Exemplare, wie wir erfuhren, vom Ministerium des Innern versendet. Auf einmal um halb acht kommen Könneritz und Zeschau außer sich in mein Kabinett und überhäufen mich mit Vorwürfen, es sei ein schrecklicher Druckfehler in der Proklamation, indem statt „verband“ an einer Stelle, wo es einen schrecklichen Sinn gebe, „verbannt“ gedruckt worden sei. (Diese Stelle lautet im zweiten Abschnitt: „Als Ich Sachsen im Einverständnisse mit den Vertretern des Landes die Verfassung verlieh, that ich es in der Zuversicht, sie werden die Treue, welche Jahrhunderte lang Sachsens Fürsten und Volk eng verband, neu beleben und befestigen“) Ich blieb ganz ruhig, denn ich wusste, was ich gelesen hatte, war richtig. Nun lief ich zu Meinhold, und da ergab sich denn, dass der Esel die Sache der Beschleunigung halber viermal hatte setzen lassen und dass der Fehler, da er mir bloß einen Korrekturbogen geschickt, die drei andern aber selbst korrigiert hatte, mir allerdings nicht zur Last fiel. Ein Viertel der ganzen Auflage hatte diesen Fehler. Nun galt es, die Verbreitung zu hindern. Eine ganze Armee Portechaisenträger setzte sich in Bewegung, um die Beamten des Ministeriums des Innern, die mit der Sache zu tun hatten, zu erlangen. Es gelang, einen Teil der Abdrucke, die noch nicht verteilt oder auf der Post waren, zurückzubekommen. Nur nach Leipzig musste eine Stafette. Ich aber kam erst spät zu Hause, todmüde, bekümmert über das, was ich nicht hindern kann und doch kommen sehe! Abends. Was ich niederschrieb, ehe ich ausging, dass die Proklamation des Königs ganz wirkungslos, eher schädlich sein werde, bestätigte sich durch die Versicherung jedes, dem 92 93
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Zschinsky, Dr. Ferdinand von (1797–1858). Vizepräsident des Appellationsgerichts Dresden. Vom 2. Mai 1849 bis 28. Oktober 1858 Vorsitzender des Gesamtministeriums und sächsischer Justizminister. Siehe Nachruf im Dresdner Journal Nr. 254 (1858). Zusatz vom 14. März 1848: Carlowitz hatte den Entwurf geschrieben. Aber der erste ist von Könneritz, dessen Entwurf bloß korrigiert und dann von Carlowitz nochmals abgeschrieben wurde. Könneritz selbst gab ihn mir am 14. März im Gesamtministerium, um ihn in den Ofen zu stecken, was er auch selbst hätte tun können. – Zu den Märzereignissen siehe auch: Annette Zwahr: Sachsen im März 1848. Die Kommunen im Ringen um den Sturz der Regierung von Könneritz. In: Jahrbuch für Regionalgeschichte. 7. 1979, S. 35–50. – Andreas Schneider: Leipzig in der Revolution 1848/49. In: Geschichte der Stadt Leipzig. Band 3. Leipzig 2018, S. 156–185. Meinhold, Christian Immanuel, Mitinhaber der Hofbuchdruckerei C. C. Meinhold und Söhne in Dresden.
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ich begegnete, Reiche-Eisenstuck, der alte Merbach usw. Ich bat Anton Gablenz, Mitglied der Zweiten Kammer, zu mir um zehn ins Gesamtministerium zu kommen, um meine Versicherungen den Ministern zu bestätigen und ging nun zu Wietersheim, bei dem ich noch am ersten bereitwilliges Gehör hoffte, und stellte ihm die Lage der Sache auseinander. Ich sagte, das Volk – nicht bloß die Tedikulen – wir alle müssten doch endlich klar und bestimmt erfahren, was die Regierung tun wolle. Dies besagten auf Schrauben gestellte Phrasen nicht. Man soll aufrichtig und ehrlich mit der Sprache herausgehen und insbesondere bestimmt zusagen: Pressefreiheit, Schwurgerichte und Änderung der deutschen Bundesverhältnisse, ich wollte nicht sagen Vertretung der Völker beim Bunde. Ich legte ihm dies dringend ans Herz und er war auch nach diesen Einwendungen, dass es ja schon in der Proklamation stehe usw. einverstanden. Nun begann aber der Hauptkampf. Im Gesamtministerium traf ich bereits versammelt Zeschau, Carlowitz und Oppell95. Auch an diese und zunächst an Zeschau richtete ich nun die dringendsten Vorstellungen. Ich schilderte ihnen die Gefahr, das wachsende Misstrauen im Volke gegen die Regierung, das der Mangel bestimmter Erklärungen errege, hob die Notwendigkeit hervor, über jene drei Sachen sofort eine feste Entschließung zu fassen und diese auch noch heute, denn periculum in mora, zu veröffentlichen. Zeschau ward, als ich immer lebhafter und dringender ward, dies in seiner Verweigerung ebenfalls unter der Behauptung, dass das Nötige wegen der Presse ja schon in der Proklamation gesagt sei und man wegen der anderen Sachen sich nicht übereilen dürfe, über die deutschen Bundesverhältnisse ja gar nichts bestimmen könne. Es wogte ein sehr lebhaftes Gespräch eine halbe Stunde auf und ab. Zeschau, der mich ad monierte – ich sprach allerdings sehr deutlich – nicht so laut zu reden, sagte endlich, es ist allerdings traurig, dass die Regierung in der jetzigen Zeit nicht einmal auf ihre Beamten rechnen könne. Das fand ich denn doch etwas zu stark und erwiderte ihm, dass leider Gottes so wenige den Mut hätten, den Herren Ministern die Wahrheit zu sagen. Ich wisse wohl, dass ich nach meiner Stellung weder berechtigt sei, ihnen Rat zu geben, noch erwarten könne, man werde die einmal feststehende Überzeugung sich durch mich eines andern überzeugen lassen. Allein ich hätte es für meine Pflicht gehalten, ganz unbekümmert um die Folgen, die ich bereit sei zu tragen, einmal reine Wahrheit über Tatsachen zu sagen und damit glaube ich eine Pflicht erfüllt zu haben. Traurig sei es, dass, wenn einmal ein Beamter eine selbständige Ansicht äußere, die in etwas abweiche von denen der Regierung, er dann gleich als ein Radikaler betrachtet und die Missbilligung der Regierung erfahre. Dadurch habe man eben die Beamten dem Volke entfremdet, das die gar nicht kenne und nun auch kein Zutrauen zu den Einzelnen habe. Ich habe nicht schweigen können, das sei mir zu viel gewesen und ich überließe ihnen, was sie auf meine Vorstellungen geben könnten. Es sei nötig, nach meiner Überzeugung unvermeidlich, noch heute eine Bekanntmachung zu erlassen mit dem bestimmten Anspruch, dass man Pressefreiheit, Geschworene dafür geben wolle und bereit sei, alles für Herbeiführung wahrer Einheit Deutschlands zu tun oder einen ähnlichen Satz. Inzwischen war auch Gablenz gekommen und bestätigte Könneritz und Wietersheim gegenüber, was ich wegen der Proklamation gesagt hatte. Nun blieben die Minister zusammen. Wietersheim kam in mein Zimmer und entwarf da einen Artikel, der wenigstens im wesentlichen das enthielt, was ich in mein gestriges Programm aufgenommen hatte. Um 95
Oppell, Carl Friedrich Gustav von (1795–1870). Generalmajor. Von 1846 bis 13. März 1848 und vom 14. April bis 4. August 1848 sächsischer Kriegsminister. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 391.
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viertel elf war die Ministerberatung alle und wir gingen zum König, wo ich im Vorzimmer wartete. Um dreiviertel zwölf kam Zeschau heraus und las mir einen mit Bleistift von ihm geschriebenen, vielfach korrigierten Artikel vor, worin die von mir beantragten Sachen enthalten waren. Ich sagte zwar, dass ein solcher halboffizieller Artikel nicht die Wirkung haben werde wie eine ordentliche Bekanntmachung. Allein da jeder Moment kostbar war, konnte ich weiter nicht insistieren, ließ den Artikel gleich diktieren, von drei Kanzleiboten schreiben und schickte den Kanzleiboten Naß damit um zwölf auf die Eisenbahn, damit er, gleich nach Leipzig reisend, ihn der Redaktion der Leipziger Zeitung zum noch heute zu bewerkstelligenden Abdruck übergebe. Ein anderes Exemplar gab ich in die Druckerei Teubner zum Abdruck in das Tageblatt. Abends, als der Artikel bereits in diesem gedruckt war, schickte ich ihn allen Amtshauptleuten, damit er in den Lokalblättern abgedruckt werde. Nach einem schweren Tagewerk legte ich mich abends mit der Beruhigung zu Bette, hoffentlich meinem Vaterlande einen Dienst geleistet zu haben. Übrigens muss ich sagen, dass nachmittags, als die Sache abgemacht war, sowohl Könneritz wie Zeschau, letzterer trotz unseres Zusammenstoßens, so freundlich waren wie man nur sein kann und dass letzterer sonderbarer Weise sich so aussprach, als ob der Artikel von Anfang an in seiner Absicht gelegen habe. März 8 Friih um acht kam Ehrenstein, mit dem ich die Angelegenheit besprach, aber unterbrochen wurde, weil Nachrichten aus Zwickau, wo es auch unruhig aussieht, und von einer hier zu haltenden Biirgerversammlung kamen, welche schon um neun Uhr Session veranlassten. Ich drang wiederholt aber vergeblich darauf, dass der halboffizielle Artikel, der als solcher von sehr vielen ganz übersehen oder nicht für erheblich erachtet wird, in eine offizielle Bekanntmachung verwandelt werden möge. Diese Masse kleiner Missgriffe und Ungeschicklichkeiten stiften rechtes Unheil. Um zwölf ging ich, da die Sitzung aus war, zu Falkenstein, um ihm meine Kondolenz abzustatten. Unterwegs begegnete ich Schmalz96 und Opitz97, Advokaten, besonnene Männer, die ich dringendst aufforderte, in die um zwei Uhr im Hotel de Pologne zu haltende, von den Ultras veranstaltete Biirgerversammlung zu gehen, damit dort auch das ruhige Wort gehört werde und insbesondere den Artikel, den sie gar noch nicht kannten, ins Auge zu fassen. Ich hatte Könneritz vorgeschlagen, es solle doch Minister Carlowitz m die Biirgerversammlung gehen und dort zeitgemäß sprechen. Stattdessen hat Wietersheim Köchly98 schriftlich aufgefordert, den Artikel als einen offiziellen vorzutragen, was der auch ohne allen Erfolg getan hat. Die Versammlung ist denn auch ohne großen Lärm gehalten worden, aber von 1 800 Erschienenen haben bloß 150 die Petition unterzeichnet. 96 97 98
Schmalz, Carl Gottlieb Emminghard (1811–1893), Gerichtsdirektor der Gerichte zu Wachau und Hausdorf. Advokat und Stadtverordneter in Dresden. Ab Juni 1849 Regierungsrat im Ministerium des Innern. Siehe Rackwitz, Stadtverordnete, S. 71. Opitz, Ferdinand Adolph (1800–1871), Advokat. Finanzprokurator beim Bauzahlamt Dresden. Stadtverordneter in Dresden. Siehe Rackwitz, Stadtverordnete, S. 163. Köchly, Dr. Hermann (1815–1876), Philologe, Lehrer an der Kreuzschule Dresden ab 1840. März 1848 Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. Nach dem Maiaufstand 1849 Emigration in die Schweiz. Siehe E. Boeckel: Hermann Köchly. Heidelberg 1904. – ADB Band 16, S. 410. – Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 731.
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Um vier war wieder Sitzung im Gesamtministerium bis nach sechs. Es hieß, es sollte abends Krawall sein und Minister Könneritz schickte mich zum Polizeidirektor von Oppell, damit in Zeiten Kommunalgarde bestellt werde, ehe sich Haufen sammelten. Ich hielt die Besorgnis für ganz unbegründet, ging aber mit Oppell durch die Schlossgasse, und der stärkste Haufen, dem wir begegneten – waren wir beide. Außerdem war an ein Eckhaus soeben ein Anschlag gemacht, um den sich eine Menge Menschen sich drängend versammelt hatte – die Nachricht, dass hier die dritte Etage möbliert zu vermieten sei. 1m Theater, wo Konzert war, hat man dem König ein Vivat gebracht. März 9 Früh vor neun ins Gesamtministerium. Gegen zehn kam Zeschau und brachte mir das Konzept einer Bekanntmachung der Minister wegen eines außerordentlichen Landtages. Die Nachrichten aus Leipzig, wo man die Republik zu proklamieren droht, haben dies motiviert. Kaum war das fertig, so kamen eine Menge Leute, u. a. Dr. Crusius99, Aug. Stockmann100 aus Leipzig, förmlich kopflos vor Schrecken. Dann mehrere hiesige Advokaten, Küttner101, Herrmann102 usw., die eine Versammlung der Besonnenen halten wollten. Ich ging nun noch einmal ins Gesamtministerium herein und wollte eben noch einmal die Herren auf die Notwendigkeit der Aufhebung der Zensur aufmerksam machen, als mir Zeschau sagte, dass man dies eben beschlossen habe. Mit dieser Nachricht wurden nun jene Herren beruhigt und Crusius wollte durchaus damit als Öltaube mit der Verordnung des Ministeriums des Innern nach Leipzig abgehen. Er hätte sich gar gern dort einen Triumph bereitet und den Wahn genährt, als ob er die Konzession bewirkt habe. Die Freude verdarb ich ihm aber, indem ich Zschinsky, der ganz den Kopf verloren hatte, doch bemerklich machte, dass er oder ein Mitglied des Ministeriums hinreisen möge. Während ich nun die Verordnung wegen Aufhebung der Zensur drucken ließ, ward ein Extrazug bestellt und Geheimer Rat Lucius zum Abgesandten gewählt. Crusius und Stockmann sollten als Schildhalter mitfahren. Um drei ging der Zug ab und Gott gebe, dass die Nachricht, die er bringt, nicht zu spät kommt. Man zieht nun das Militär bei Leipzig zusammen und es wird wohl noch zum blutigen Ernst kommen, da ich nicht glaube, dass Leipzig so leicht sich beruhigen wird, als es aufgeregt worden. Ich arbeitete nach Tische wieder von vier bis acht im Gesamtministerium und wenn auch mit schwerem Herzen, so doch mit Besonnenheit. Dass ich diese und den Kopf heute nicht verlor, wo so viel durcheinander drängte, war ein wahres Glück, denn selbst Zeschau war sehr zerstreut und nur Könneritz bewahrte eine wahrhaft antike Ruhe. Das Ministerium des Innern hat aber geradezu so gut wie aufgehört und ich musste heute die Leute kommandieren, als ob ich der Minister wäre, damit nur das fortgeschafft ward, was fort musste! 99 Crusius, Dr. Wilhelm (1790–1858). Rittergutsbesitzer. Vorsitzender des Landeskulturrates. Siehe Schöne: Wilhelm Crusius. In: Sächsische Lebensbilder. Band 1. Dresden 1930, S. 25–32. 100 Stockmann, August Ferdinand. Rittergutsbesitzer auf Zöpen. Vorstandsmitglied des Alterbländischen Ritterschaftlichen Kreditvereins 1847. 101 Küttner, Karl Julius (1801–1883), Advokat in Dresden. Finanzprokurator, Stadtverordneter 1837–1843 und 1846–1848. Mitglied des Deutschen Vereins und Mitbegründer des Dresdener Anwaltsvereins. 1848 Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. 1874 Hofrat. Siehe Rackwitz, Stadtverordnete, S. 19. 102 Herrmann, Dr. Carl Friedrich Theophil. Advokat in Dresden. Gerichtsdirektor des Patrimonialgerichts zu Schmorkau.
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Anekdote von heute: Dem Geheimen Sekretär Winter sagte ein Handwerker, das sei doch ein rechtes Glück, die Pressefreiheit, nun brauche man die Annoncen und Anzeigen nicht mehr zu bezahlen --März 10 Früh um acht kam Ehrenstein, mit dem ich täglich die Angelegenheiten bespreche. Dann in der Stadt gesucht nach dem Leipziger Tageblatt, was Könneritz haben wollte. Um halb zehn kamen die Minister. Ich hob nun jedem einzelnen das, was ich gestern Zschinsky schon gesagt hatte, hervor, dass zu der Aufhebung der Zensur eine bloße Verordnung nicht genüge, sondern eine vom König und allen Ministern unterschriebene, nach § 88 der Verfassungsurkunde, nötig sei. Heute sei der beste Termin, ja die Stunde sei die beste, weil es jetzt nur noch möglich sei, diese Verordnung mit der gestrigen in Einklang zu bringen. Endlich siegten meine Gründe und mit fliegender Eile entwarf ich nun die Verordnung, ließ sie signieren, schickte sie zum König, diktierte sie drei Kanzlisten und sendete sie dann in die Druckereien, um heute gleich versendet, und in die Zeitungen, und da war Gottlob zwölf Uhr wieder ein wohltätiges Werk mir gelungen. Noch passierte ein glücklicherweise zu redrassierendes kleines Unglück. Da nämlich die Konzepte zum Druck zu schreiben waren, ehe die Urkunde vollzogen war und ich glaubte, bloß die Minister wollten sie unterschreiben, so hatte ich Zschinsky weggelassen. Noch zur rechten Zeit fiel mir ein, doch vorher Bestimmung einzuholen. Ich eilte daher zum König, wo die Minister waren, ließ Zeschau herausrufen und als er sagte, ja, der Name solle darunter, lief ich auf die Post, öffnete dort das Schreiben an die Redaktion der Leipziger Zeitung und setzte den Namen hinzu, versiegelte wieder mit dem Postsiegel und schrieb auch dieses besonders an Gretschel103. Dann hatte ich mit Zeschau und Könneritz, mit jedem besonders, eine lange, mir recht erfreuliche Unterredung. Zeschau fing zuerst an, indem er sagte, wir würden nun nicht mehr lange zusammenarbeiten. Ich sprach mich dann nun aus, dass ich allerdings bestimmt glaube, dass die Minister kein Vertrauensvotum bekommen würden. Dass es daher unumgänglich nötig sei, im voraus eine Wahl der Minister, die durchaus nicht aus den Staatsdienern genommen werden könnten, vorzunehmen, den König zu bestimmen, dass er Personen, die ihm vielleicht persönlich nicht angenehm seien, zu erwählen, da es in kurzem auf die halbe Stunde ankommen könne, ob man ein Ministerium Braun oder Blum erhalte. Ich nannte auch als Ministerpräsident v. d. Pfordten104 in Leipzig. Könneritz schlug vor, man sollte Minister Lindenau disponieren, hierher zu kommen, damit im Augenblick der Notwendigkeit erklärt werden kann, Minister Lindenau sei beauftragt, ein Ministerium zu bilden, wonach er in seine Einsamkeit zurückkehren könne. Ganz in derselben offenen Weise sprachen auch Zeschau und Könneritz mit mir und ich freute mich, dass sie es doch erkannt, dass ich, wenn ich in der letzten Zeit oft energische Vorstellungen machte in Angelegenheiten, die über meine Stellung hinausgehen, ich es ehrlich meinte und ihnen die Wahrheit gesagt habe. 103 Gretschel, Dr. Carl Christian Carus (1803–1848), 1847 Redakteur der Zeitungsexpedition bei der Oberpostdirektion Leipzig. Zensor in Leipzig. Publizist und Historiker. 104 Pfordten, Ludwig Freiherr von der (1811–1880). Professor des römischen Rechts an der Universität Leipzig, Rektor. Ab 25. März 1848 sächsischer Minister der Auswärtigen Angelegenheiten und Kultusminister. Ab April 1849 bis 1866 u. a. bayerischer Staatsminister des Auswärtigen. Siehe Eugen Franz: Ludwig Freiherr von der Pfordten. München 1938. – ADB Band 25, S. 695. – Bayern und Sachsen in der Geschichte. Ausstellungskatalog. München 1994, S. 279–285. – Siehe auch Geschichte der Universität Leipzig. Band 2. Leipzig 2010, S. 318–388.
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Nach Mittag kamen eine Menge Bekannte, u. a. Appellationsrat Könneritz105, Seebach, denen wie mir das Wohl des Vaterlandes am Herzen liegt, zu Besprechungen. Ich hatte wieder ein langes Gespräch mit Minister Könneritz wegen Leipzig, wohin morgen Carlowitz geht. Ich drang namentlich darauf, man möge ein neues Wahlgesetz dem Landtage vorlegen, damit der nächste ordentliche Landtag ein solcher sei, welcher das Vertrauen des Landes in jeder Beziehung verdiene. März 11 Früh mit Ehrenstein Besprechung, ob wir Staatsbeamte uns einem Aufruf gemäßigter Liberaler zur Aufrechterhaltung der Ordnung anschließen wollen. Beschlossen: Ja. Gegen neun ins Gesamtministerium, Artikel gefertigt, dass hier ein deutscher Kongress zusammen kommen werde und in die Zeitungen abgesendet. Eine Übersicht des Inhalts der Petitionen für den König gemacht mit meinen Bemerkungen über das, was darauf in der Thronrede zum Landtag zu sagen sei, insbesondere die deutschen Verhältnisse hervorgehoben, die ja den Grund unserer ganzen Wirren bilden. Es war ein hartes Stück Arbeit, die Masse Material durchzulesen, zu sichten, logisch zu ordnen und zu begutachten und dabei noch viele Unterbrechungen von Leuten, die zu mir kamen, durch Besprechungen mit den Ministern. Von halb zwölf bis halb zwei Sitzung ohne König und Prinz Johann über den Entwurf des Pressegesetzes, den gestern Schaarschmidt gemacht. Er ist im liberalsten Sinne gefasst. Welche Veränderung! Ich verhandelte bei der kleinen Zahl der Beratenden lebhaft mit und brachte namentlich den Wegfall der Kautionen bei Zeitschriften durch, eine Bestimmung, die, da man sie bloß auf die neu erscheinenden hatte anwenden können, ohnehin gar keinen Wert gehabt, da bloß die Zahl der Existierenden eine perannirende geworden sein würde. Ich aß bloß zu Hause, dann wieder ins Gesamtministerium bis um acht. Dann zu Hause und von da auf den Bahnhof, wo ich den Zug abwartete. Und nachdem ich die Nachricht, dass Leipzig ruhig sei, erhalten, ins Gesamtministerium, wo ich dies erzählte und noch bis gegen zehn blieb. März 12 Urn zehn ins Gesamtministerium. Könneritz disponiert, mit der Vereidung des Militärs auf die Verfassungsurkunde sofort den Ständen entgegenzugehen, womit er auch einverstanden war. Jede Stunde bringt aber jetzt neue Fragen und ich hatte daher vielerlei anderes mit ihm zu besprechen, drang namentlich auf ein Wahlgesetz, wovon er aber nichts wissen wollte. Früh um acht war die Kommunalgarde zusammengerufen worden, ursprünglich, weil man heute den Zug aus Leipzig erwartet hatte, den Blum eingeleitet, den man aber jedenfalls zu hindern entschlossen war, der aber gestern abgesagt ward. Die Kommunalgarde war zahlreich, brachte dem König ein Hoch, was man auch gestern (eine ganz präparierte Geschichte) im Theater getan hat und es ist bei dem nur zu besorgen, dass der König, der jetzt durchaus nicht populär ist, am Ende glaubt, er sei nun überm Berge, was ein schrecklicher Irrtum wäre, denn alles das ist erst der Anfang und nicht eher kann Ruhe eintreten, bis erst Deutschland, nicht bloß Sachsen, einig und geeinigt ist. Dazu kann der Kongress106, der des nächs105 Könneritz, Otto von (1811–1866). Jurist. Oberappellationsgerichtsrat. Ab 1863 Generaldirektor der Hofkapelle und des Dresdner Hoftheaters. – Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 663. 106 Preußen hatte die Durchführung eines Fürstenkongresses und als Tagungort dafür Dresden vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde jedoch von Friedrich August II. abgelehnt. Siehe F. Rachfahl: Österreich und Preußen im März 1848. In: Historische Vierteljahrsschrift Band 6 (1903) und Band 7 (1904).
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ten beabsichtigt wird, mithelfen, wenn da eine Volksrepräsentation erlangt wird. Ich schrieb Artikel für die Zeitungen über diesen und kündigte ihn an, dann über die Kommunalgarde auf Könneritz Anweisung, obwohl ich sie gar nicht gesehen. Nach Tische um eins wieder ins Gesamtministerium, wo es immer etwas zu tun, zu schreiben, zu besprechen gibt. Um sechs einen Gang in die Ressource und dann bis neun Uhr zu Hause. Ich musste aber um neun wieder herüber und blieb bis gegen halb elf da und ging dann mit Zschinsky zu Hause. Er und Zeschau sehen die Sache ganz schwarz und träumen schon von Guillotine etc., was bei mir gar nicht der Fall ist. Carlowitz hat allerdings bis jetzt in Leipzig gar nichts ausgerichtet. Man hat ihn nicht hören wollen, wenn man nicht antworten könne und er wird daher schließlich mit dem Rat und Stadtverordneten verhandelt haben. Daneben werden auf dem Schützenhause alle Tage Versammlungen gehalten, wo die Republik gepredigt wird und man droht, gegen das Militär, das gegen sieben- bis achttausend Mann Leipzig umlagert, Gewalt zu brauchen, wenn es einrücken sollte. Preußen sollen in Schkeuditz stehen und zum Einrücken bereit sein. März 13 Ein Tag, der in Sachsens Geschichte einen ganz neuen Zeitabschnitt begründet. Heute um sechs Uhr traten alle Minister ab und um acht Uhr waren die neuen ernannt! Es musste so kommen und so viel ich für meine Person dabei verliere, erkenne ich es doch als Wohltat an für das ganze Land. Früh um neun ins Gesamtministerium, mancherlei expediert und um elf eine stundenlange Unterredung mit Zeschau. Er sagte, Könneritz wolle gleich abgehen. Die anderen warten bis zum Landtag, indem man wenigstens ein Ministerium Carlowitz noch vielleicht halten könne. Ich versicherte, es werde kaum möglich sein, weil Carlowitz einmal unter Könneritz Minister gewesen. Zeschau ging nun die Ministerkandidaten mit mir durch, wobei er auch auf mich deutete, was ich aber – mit Entsetzen – dies mit dem Satz, dass höchstens ein Staatsbeamter werde ins Ministerium aufgenommen werden, zurückwies. Ich kam vielmehr wieder auf Ehrenstein zurück und insbesondere für das Auswärtige auf Beust, die ich beide dringend und mit Erfolg, wie es schien, empfahl. Beide waren heute noch mögliche Minister, in acht Tagen gewiss nicht. Da treten vielleicht Joseph und Blum an ihre Stelle. Vor allem wünschte ich Beust, damit doch wieder ein staatsmännisches und adeliges Element ins Ministerium kommt. Er bei seiner großen Befähigung und Gewandtheit muss dann das Haupt des Ministeriums werden. Um zwölf kam Seebach und als um eins Könneritz in meine Stube kam und ersterer sagte, er habe mich zum Spazierengehen abholen wollen, fragte Könneritz, ob wir den Mut hätten, ihn mitzunehmen. Wir gingen daher eine Stunde mit ihm und sprachen dadurch nichts als Politik, machten ihn auf die dem Ministerium keineswegs günstige Stimmung in Dresden aufmerksam und das Bedenkliche, in Leipzig Gewalt zu brauchen. „Nein, sagte er, Blutvergießen nehme ich jetzt nicht auf meine Verantwortung.“ Um zwei Uhr zu Hause. Gegen vier kam an mich eine detaillierte Nachricht, wie es in Leipzig aussieht und dass die Saiten so gespannt sind, dass der geringste Umstand das Schrecklichste herbeiführen kann. Nun glaubte ich auch ganz entschieden handeln und den doch einmal beschlossenen Schritt des Abtretens der Minister beschleunigen zu müssen. Ich ging daher zugleich zu Zschinsky, schilderte ihm die Sachlage, teilte ihm mein Gespräch mit Zeschau von heute morgen mit, wonach die Minister selbst die Unmöglichkeit, sich ferner zu halten, erkannt. Ich versicherte, dass ein sofortiger Rücktritt nach meiner Überzeugung
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unumgänglich nötig sei im Interesse des Landes und der Minister selbst, die doch in eine ganz unwürdige Stellung kämen, wenn beim Landtag über sie abgestimmt, ihnen eine Zensur von Schaffrath und Genossen ausgestellt werden sollte. Er sei, sagte ich, vielleicht bei der Bildung des Ministeriums heute noch ein möglicher Justizminister, übermorgen nicht mehr. Er solle also in Gemeinschaft mit mir alles daran setzen, die Minister zu bestimmen. Noch schwankte gegen fünf Uhr die Waagschale, vielleicht weil man meine Meinung doch noch für nicht begründet hielte. Da kam Carlowitz aus Leipzig zurück, mit mir völlig übereinstimmend. Um sechs gingen die Minister zum König. Dort hat Carlowitz mit der größten Offenheit und Entschiedenheit dem König die Sachlage auseinandergesetzt. Er hat gesagt: „Wenn Eure Majestät Gewalt gegen Leipzig wollen brauchen lassen, so schicken Sie einen andern Kommissar, ich tue es nicht.“ Er hat ferner auf seine Entlassung insistiert mit der Bemerkung, es sei vielleicht noch möglich gewesen, dass er im Ministerium bliebe, aber seine Freunde hätten es ihm abgeraten, weil er einmal doch unter Könneritz darin gewesen.107 Um sieben kam Zschinsky allein zurück. Die anderen Minister schlugen dem König, der keine Worte, nur Tranen gehabt, die neue Organisation vor. Ich verbrachte die Zeit im Gespräch mit Zschinsky, der sich bestimmte Hoffnung auf ein Ministerium machte. Halb neun kam Könneritz zu mir in mein Kabinett, so ruhig wie stets und sagte mir mit der freundlichsten und ruhigsten Stimme: „Seien Sie so gut und fertigen Sie mir meine Pensionierung aus. Ich bin im Jahre 1814 eingetreten.“ Ich habe nicht mit Könneritz’ Politik harmoniert, aber dieser Moment, der für Sachsen so entscheidend war, erschütterte mich so, dass es mir – der ich den Kopf doch bis jetzt nicht verloren hatte – kaum möglich war, die kleine Bekanntmachung für die Zeitung, die noch den Abend fort sollte, zu entwerfen. Könneritz sah dies und machte sie selbst. Die Minister gingen nochmals zum König und um dreiviertel zehn expedierte ich die Stafette an Braun und den Brief an Pfordten, der beide ins Ministerium berief. Jedenfalls haben die Minister die Sache satt und das mag einen wesentlichen Ausschlag gegeben haben, dreitausend Taler Pension in Ruhe ist freilich bequemer. Carlowitz ist, wie er mir sagte, hergekommen, weil der König gestern Siegmann an ihn abgeschickt hat, um sein Staunen zu erkennen zu geben, dass nichts Ernstliches geschehen. Da diese Anweisung mit seiner Instruktion und Ansicht nicht harmoniert habe, sei er hergekommen. Aus seinem Briefe ging hervor, dass man sich auf das Militär, namentlich das zweite Reiterregiment, nicht verlassen könne und dass sehr viel Preußen an der Grenze zusammengezogen sind, die auf Requisition einrücken würden. Dass dies den König ganz in der öffentlichen Meinung herabgesetzt haben würde, ist gewiss. März 14 Früh zu Ehrenstein. Ich glaubte, er sei mit zum Minister bestimmt. Er wusste aber nichts und Zschinsky, den ich um zehn sprach, sagte mir, der König habe sich wegen der anderen noch nicht entschließen können. 107 Nachtrag von 1852: Über Carlowitzens Benehmen sind jetzt vielfach ungünstige Urteile gefällt worden. Beust erzählte, er habe nach Aussage des Generals Heintz diesen befragt, ob er auf die Truppen rechnen könne, dieser es unbedingt bejaht. Darauf habe er nach Blum geschickt. Dieser ihm aber antworten lassen, er habe jetzt keine Zeit, sei aber um fünf Uhr zu Hause. Carlowitz sei dann zu Blum gegangen und als er zurückgekehrt, habe er Heintz gesagt, er sei im Irrtum, er könne nicht auf die Truppen rechnen, habe ganz die Courage verloren.
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Dann mit Zeschau wieder gesprochen, den ich wieder auf Beust aufmerksam machte. Da sagte er mir zu meiner großen Beruhigung, dass er dem König ihn zum Minister der Auswärtigen Angelegenheiten vorgeschlagen und gestern bereits an ihn geschrieben. Das Ministerium, das jetzt gebildet würde, kann sich nicht halten, das ist gewiss und insofern könnte es für Beust gefährlich sein, einzutreten. Allein eine Repräsentation muss doch da sein und das erkennen auch die Radikalsten, indem man in Württemberg ja auch den Minister des Auswärtigen in seiner Stellung belassen hat. Also kann auch Beust künftig in ein anderes Ministerium eintreten. Indessen will das mit ihm erwogen sein, wenn er herkommt. Ich sagte zugleich den Ministern, ich wollte lieber in die Justiz zurück. Zeschau sagte mir es zu, Könneritz redete mir ab. Sehr viele, die mich aufsuchten, waren mit dem Rücktritt der Minister nicht einverstanden, weil es vielen eine im Widerspruch mit dem schon Gesagten abgepresste Demission sei. Sie konnten nicht hinter die Karten sehen, sonst würden sie denken wie ich. Könneritz brachte mir einen Aufsatz, den er dem König mitteilen wollte als Material zur Thronrede. Ich schrieb ihn ab, stieß aber dabei auf so1che passis, die, wenn der König sie aufnahm, ihn vom Throne stürzen konnten. Mit größter Mühe gelang es mir, die Verklausulierungen, die Könneritz bei jedem Punkte hineingesetzt hatte, selbst bei der Pressefreiheit, wenigstens teilweise herauszubringen. Allein auch so klingt das Ding noch ganz miserabel. Ich sprach bei der Wichtigkeit der Sache auch mit Zeschau davon. Die Rede des Königs muss ein Programm der neuen Minister in ihrem Sinne sein, nicht ein Programm des Ministeriums Könneritz. Mein Gott, auch jetzt sieht Könneritz noch nicht ein, um was es sich handelt! Phrasen, sächsischer Kanzleistil, vom König mit dem Hut auf dem Kopfe vorgetragen, die machen es nicht. Wahrheit, volle Wahrheit und ehrlicher Anspruch, Erkennen der deutschen Wünsche, das ist es, was jetzt den Thron noch halten kann. Deutschland muss erst einig sein, durch ein kräftiges Band zusammengehalten, dann wird Ruhe im Lande und alle Lokalministerien, möchte ich sagen, die bloß die paar Meilen Land vor Augen haben, die sie regieren, müssen erst fort. März 15 Man hat doch Ehrenstein das Finanzministerium zugedacht, wartet aber wahrscheinlich, bis Braun da ist, um zu hören, was der verlangt, ehe man es Ehrenstein sagt. Er will aber mit Recht nicht. Früh ins Gesamtministerium, wo mir Zeschau als eine von ihm ausgegangene Idee mitteilt, das er an Lindenau geschrieben, dass er herkomme, und dass der auch kommen werde. Zeschau ist darin originell, dass er die ihm von anderen vorgeschlagenen Maßregeln sofort mit sich selbst identifiziert und noch dazu gegen den, der sie vorgeschlagen, mit der glücklichen Idee renommiert. Pfordten ist heute gekommen. Er soll das Innere übernehmen, wovon er nun geradezu gar keine Ideen hat. Hübel108 sollte Kultusminister werden, wogegen ich ganz entschieden auftrat bei Wietersheim, Könneritz, Zschinsky. Drei Staatsdiener ins Ministerium ist jetzt undenkbar und Zschinsky will auch ein Ministerium haben oder wenigstens, das wird mir klar – Geld. Nach Tische ging ich wieder herüber und gegen Abend zu Könneritz, mit dem ich ein sehr langes Gespräch hatte, worin ich die von ihm nicht offen geteilte, wohl aber durch ironisches Lächeln bestätigte Ansicht aussprach, dass das neue Ministerium sich nicht halten 108 Hübel, Dr. Gustav Ludwig (um 1803–1881). Ab 1846 Geheimer Kirchenrat. Ministerialrat im Kultusministerium. 1853–1874 Präsident des Landeskonsistoriums.
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werden könne, das es beim König kein Vertrauen, in sich kaum Zusammenhang und keine Sachkenntnis habe. Daher sei es nicht gut, Männer wie Ehrenstein dabei zu konsumieren, die man künftig besser berufen könne. Der Minister des Auswärtigen stehe da in einem ganz anderen Verhältnis. Er wird jetzt von großem Nutzen sein und in jedes andere Ministerium übertreten können, da man in den radikalsten Ländern das ja auch so gehalten hätte, weil eben der Minister des Äußeren eine Art aristokratische Haltung haben muss. Wunderbarer Weise versicherte mir Könneritz, dass die Vermutung, als könne man aufs Militär bei Leipzig nicht rechnen, unbegründet sei. Carlowitz habe sich durch Broizem bestimmen lassen, so milde zu verfahren. Das ist mir doch sehr unklar. Es mag am Ende doch bloß Überdruss an der Sache, Besorgnis für ihre Pension den Rücktritt der Minister motiviert haben. Dann wäre aber um so weniger an ihnen verloren. Abends urn acht kam nochmals Ehrenstein zu mir und wir besprachen, dass er das Ministerium ablehnen und Georgi109 vorschlagen solle. Nur wenn dieser es nicht nähme, will er es übernehmen. Um neun hatte mich Wietersheim ins Gesamtministerium bestellt. Als ich aber hinkam, war niemand da. Es war ziemlich unruhig auf den Straßen, wie denn schon gestern ein Haufen brüllend herumgezogen war. Man hatte ein Bataillon Kommunalgarde bestellt. Ich ging mit Hübel, dem ich offen sagte, dass ich gegen die Übertragung eines Ministeriums an ihn sei, durch die Straßen, sah aber eigentlich nichts Bedenkliches. Nach zehn war ich zu Hause, als auf einmal Alarm geschlagen ward. Ich hatte mich auf einen Aufruf, wonach Freiwillige zur Kommunalgarde aufgefordert wurden, beim Finanzprokurator Opitz mit unterschrieben und eilte daher mit einem Säbel bewaffnet auf die Allee, wo die Kommunalgarde sehr zahlreich eintraf. Manche bloß mit einem Stock. Wir standen da bis gegen zwölf Uhr, marschierten in einer Doppelreihe, die so lang wie die ganze Allee war, einige Male herum und da nichts Anderes vorkam, ging ich gegen zwölf zu Hause. Ein Pöbelhaufen hat einige Fenster eingeschlagen in Altstadt. Wuttke110 und Ruge111 aus Leipzig sind heute in die Bürgerversammlung ins Odeon gekommen und haben da Reden gehalten, um eine Vereinigung beider Städte zu bewirken, um eine große Volksversammlung, woran noch Deputierte einer Menge anderer Städte teilnehmen wollte, herbeizuführen. Das kann einen guten Krawall hervorbringen. Mein armes Vaterland! Sachsen zu regieren gehört ebensoviel Intelligenz dazu als um Frankreich zu leiten, und wo soll bei uns die Intelligenz in solcher Fülle herkommen, um gleich ein Ministerium herzustellen, wie es jetzt nötig ist: liberal, unparteiisch und fest! Die kleinen Länder haben sich überlebt, soviel wird mir immer klarer. Es muss jetzt eine Kraft in der Regierung sein, die eine kleine Regierung nicht haben kann. Was bleibt uns also übrig? 109 Georgi, Robert (1802–1869), Fabrikbesitzer und Bankier in Mylau/Vogtland. Vom 16. März 1848 bis 23. Februar 1849 sächsischer Finanzminister. Siehe Sächsische Lebensbilder. Band 1, S 79 f. – Jörg Ludwig, Andreas Neemann: Revolution in Sachsen 1848/49. Darstellung und Dokumente. Dresden 1999, S. 51–76 110 Wuttke, Dr. Heinrich (1818–1876), Prtivatdozent in Leipzig. Professor für Geschichte. Kleinbürgerlicher Demokrat. Siehe J. Müller: Das politische Wirken Heinrich Wuttkes 1818–1876. Phil.Diss. Leipzig 1960. Ungedruckt. 111 Ruge, Arnold (1802–1880), Philosoph und Politiker. Herausgeber der „Deutschen Jahrbücher“ 1841– 1843, 1844 gemeinsam mit Karl Marx die Deutsch-Französischen Jahrbücher. Siehe W. Neher: Arnold Ruge als Politiker und politischer Schriftsteller. Heidelberg 1933. – ADB Band 29, S. 594. – Biographien zur deutschen Geschichte, Berlin 1991, S. 433–434.
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Das werden die Fürsten, fürchte ich, erst erkennen, wenn es zu spät ist, wenn sie es nicht mehr in der Hand haben zu bestimmen, wie weit sie die Souveränität aufzugeben haben. März 16 Als ich früh nach zehn ins Gesamtministerium kam, kam Minister Zeschau zu mir in meine Stube und sagte mir, dass Braun, von der Pfordten, Georgi angekommen und diese den Bestand des Ministeriums bilden sollten. Er versicherte zugleich, er habe mit Braun ernste Kämpfe gehabt, ihm gesagt, es sei nicht genug, ein Ministerium zu stürzen, er müsste nun auch wieder aufbauen. Allein man sei doch jetzt nicht in der Lage, Bedingungen zu stellen. Ich solle alles vorbereiten, der Herr Buttlar sei Kriegsminister. Georgi wolle nicht Minister werden, nur das Ministerium verwalten. Braun habe sagt, das Auswärtige könne wohl Watzdorf112 oder Trützschler113 – also doch notwendig ein Adliger? – übernehmen. Ich schrieb denn eiligst die Bekanntmachung, die heute noch fort musste, entwarf eine Verordnung wegen Sistierung des Außerordentlichen Landtages, die ich nach meinem Gutdünken etwas motivierte und erwartete nun die Dinge, die kommen sollten. Nach zwölf kamen die neuen Minister. Ich sah Pfordten zuerst im Vorzimmer des Königs, eine kräftige Gestalt, ein Mann voll Feuer und anscheinend von Energie. Während Georgi und Braun gebeugt und niedergedrückt von der übernommenen Verantwortlichkeit waren, sagte er, er sei entschlossen. Er wüsste, dass er vielleicht mit seiner Person werde zahlen müssen. Allein er gehe dem Sturm mit vollem Bewusstsein entgegen. Die drei gingen erst allein und zum König. 1m Vorzimmer versammelten sich nun Zeschau, Carlowitz, Oppell. Vorher fand noch eine kleine charakteristische Szene statt. Als nämlich beiläufig erwähnt ward, dass Buttlar Kriegsminister werde, dass er aber zur Verpflichtung nicht zu erlangen gewesen, sagte Braun, es sei doch bedenklich, ihn zu nehmen wegen der Leipziger Sache114 und so ward in einer halben Minute ausgemacht, da Oppell dabei blieb, er wolle das Ministerium nicht behalten, Holtzendorf115 solle das Ministerium übernehmen. Der König ward gar nicht gefragt und erfuhr es vielleicht erst aus meiner Bekanntmachung, die ich nun schnell ändern musste. Bei der Verpflichtung sprach Zeschau einige Worte, der König nichts. Als ich die Eidesformel vorlas und die Schlussworte ausgesprochen waren, trat Pfordten einen Schritt vor und 112 Watzdorf, Otto Heinrich von (1801–1860), Rittergutsbesitzer auf Leichnam, Klix und Salga bei Bautzen, ein Wortführer oppositioneller Kräfte in Sachsen seit 1830. 1848/1849 Vertreter Sachsens im Frankfurter Vorparlament und in der Frankfurter Nationalversammlung. 1849/1850 Abgeordnter der Ersten Kammer der Ständeversammlung. Siehe Mathilde Klemm: Sachsen und das deutsche Problem. Meißen 1914. – W. v. Bötticher: Geschichte des oberlausitzischen Adels und seiner Güter. Band 3, S. 105. 113 Trützschler, Wilhelm Adolf von (1818–1849), Vizeaktuar und Hilfsassessor am Appellationsgericht Dresden. 1848/1849 Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, Führer des radikalen Flügels der äußersten Linken. 1849 Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. Mai bis Juni 1849 Zivilkommissar von Mannheim. Wegen Teilnahme am Badischen Aufstand am 14. August 1849 standrechtlich erschossen. Siehe Neuer Nekrolog der Deutschen, Band 27. 1849, S. 640 ff. – ADB Band 38, S. 691. – Biographien zur deutschen Geschichte, S 516–517. 114 Es handelt sich um die Ereignisse des 12. August 1845 in Leipzig. General von Buttlar war zu jener Zeit Kommandeur der in Leipzig stationierten Schützenbrigade. Siehe König Johann: Lebenserinnerungen, S. 173–176. – Ingo Zimmermann: Zwischen Pflicht und Neigung. Der bedeutendste sächsische König des 19. Jahrhunderts. In: König Johann von Sachsen. Zwischen zwei Welten, Ausstellungskatalog. Halle 2001, S. 25–31, bes. S. 28. 115 Holtzendorf, Albrecht Ernst Graf von (1792–1882), Generalmajor. Vom 17. März bis 14. April 1848 sächsischer Kriegsminister. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 286.
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wiederholte in wahrer Begeisterung die Eidesformel „So wahr mir Gott helfe usw.“ noch einmal allein, was mir einen wahrhaft erhebenden Eindruck machte und ebenso dem König, wie mir schien. Schon vor der Verpflichtung hatte mir Zeschau das Programm der neuen Minister mitgeteilt, das ganz mit meinen Aufsätzen vom 7. und 11. März übereinstimmte. Hätte man das vor acht Tagen gegeben, wie anders sähe es in Sachsen um den König aus. Eine Menge Arbeiten bis um halb drei Uhr, dann gegessen. Nach Tische ms Gesamtministerium, wohin Braun nach fünf kam, mit dem ich ein längeres Gespräch hatte, auch über meine Stellung, in der ich nur bleiben werde, wenn ich zu den neuen Ministern und sie zu mir Vertrauen schöpfen. Um sieben zu Minister Zeschau, mit dem ich auch vieI besprach. Er hat auch die Überzeugung, dass das neue Ministerium sich nicht lange halten wird. In Wien Aufruhr, Pressefreiheit nach den Depeschen, die er mir vorlas, die aber die Breslauer Zeitungen schon detaillierter brachten. Heute Abend ist die ganze Kommunalgarde bestellt, weil man wieder Radau besorgt. Während ich noch bei Zeschau war, kam auch Pfordten hin und ich zog daher ab. Letzterer hat mir einen äußerst günstigen Eindruck gemacht. Zeschau hat Ehrenstein gar nichts gesagt. Wie er sich ausdrückte, weil er gehört, er hätte es auch nicht angenommen, was ich erst Könneritz gesagt hatte, auf Ehrensteins Wunsch. Zeschau – das fällt mir noch ein, sagte mir, als er mir heute das Programm der neuen Minister gab, er würde gegen dessen Inhalt gar nichts zu erinnern gehabt und kein Bedenken getragen haben, in einem Ministerium mitzuarbeiten, was dieses Programm befolgt. Das sagt mir der Mann, der die Proklamation des Königs mit unterschrieben hat und billigte. Es muss doch höllisch schwer sein, so ein Ministerium abzugeben. Gottlob, dass mir nie danach gelüstet hat. März 17 Früh um neun zu Zeschau, um mehrere Sachen noch mit ihm zu besprechen, die er noch zu regulieren hat. Dann zu Pfordten ins Hotel de France, mit dem ich sehr offen meine Ansichten tauschte. Ich sprach zunächst mit ihm über Deutschland. Dies Verhältnis muss erst reguliert sein und das baldigstens, ehe Ruhe werden kann. Gottlob, wir stimmen da ganz überein und das Ideal, welches mir seit meinen Jünglingsjahren vorgeschwebt, tritt hoffentlich doch nun noch ins Leben. Dann sprach ich mit ihm von Beust, wusste beizufügen, dass er eigentlich Pfordten nach Sachsen gebracht, da ich wusste, dass er damals, als seine Berufung hierher in Frage kam, sich äußerst günstig für ihn ausgesprochen hatte und empfahl ihn aufs Dringendste als einen, der Deutschlands Verhältnisse und Bedürfnisse ganz genau kenne. Pfordten sagte mir: „Wenn wir Beust haben wollen, so müssen wir jetzt nicht von ihm reden, ihn nicht sehr loben.“ Das war sehr deutlich. Braun hat nämlich jedenfalls Watzdorf auf Leichnam in petto, der, so faul er ist, doch wahrscheinlich gern eine Rolle spielte. Ich blieb lange bei Pfordten und schied von ihm mit Vertrauen, das seine ganze Persönlichkeit einflößt. Nun ins Kriegsministerium, wo alles reguliert ward dafür, dass Graf Holtzendorf provisorisch das Kriegsministerium übernehme, wie gestern beschlossen und bekannt gemacht ward. Um zwölf Uhr sollte die Verpflichtung sein und ich hatte die Eidesformel und alles dazu vorbereitet, als Braun und Pfordten beim Eintritt Oppells und Holtzendortfs sagten, es sei doch besser, er werde definitiv angestellt. Holtzendorf wollte durchaus nicht und Oppell, der, wie wir gestern noch mit ihm besprochen, noch einige Zeit recht gut das Ministerium hätte übernehmen können, machte ein höchst saueres Gesicht, als ihm sein Schwager nun dazwischen trat. In fünf Minuten waren seine Einwendungen beseitigt. An den König dachte gar niemand, vielmehr wurde, nachdem Braun Holtzendorf zum
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Minister ernannt hatte, Oppell selbst mit Holtzendorf zum König geschickt, um es ihm auch mit zu sagen und wir gingen dann bald nach, um Holtzendorf zu verpflichten. Braun, der Georgi, an den man hier gar nicht gedacht hat, gleich zum Minister mitgebracht hat (wodurch sich meine sogleich den alten Ministern gemachte Bemerkung, dass Braun sich Bedingungen stellen werde und man, ehe diese bekannt seien, nicht Minister machen möge, bestätigt hat), sagte, dass er und Georgi gar nicht hätten Staatsminister werden wollen, dass man es aber für nötig erachtet und Holtzendorf daher auch Minister werden müsse, damit man nicht glaube, er habe kein Zutrauen zum Bestehen des Ministeriums. Als wir zum König kamen, wohin Braun ohne Hut und Handschuhe gelangte, mit vielen Dienern gegen die Kammerdiener, vergaß er, dass er der war, der Holtzendorf zu verpflichten hatte. So standen wir eine Weile dem König, der auch nicht wusste, was er mit uns anfangen sollte, stumm gegenüber, bis ich denn sagte, dass Holtzendorf dem König den Handschlag geben möge usw. und so die Sache in den Gang brachte. Braun entschuldigte sich nachher, dass er noch ganz konfus sei, was sich auch dadurch bestätigte, dass er nachher in allen Zimmern des Königs seinen Hut vergeblich suchte und anscheinend den Argwohn fasste, dass derselbe ihm gestohlen sein möge. Er glaubte wahrscheinlich, im Kasino zu Plauen zu sein und fegte dann hut- und (kopf) los mit fliegendem Frack wieder durch die Gänge ins Gesamtministerium. Da ist Pfordten ein anderer Mann, der nicht gleich taumelt, wenn er einmal aufs Parkett des Hofes kommt. Holtzendorf zerfloss fast in Tranen und drückte mich, da er niemand anders hatte, an sein Herz, dass mir die Rippen knackten. Der alte Mann dauert mich. Er ist der stürmischen Zeit nicht gewachsen und wird sich konsumieren. Ich hatte bis gegen zwei Uhr im Gesamtministerium zu tun und ging um fünf wieder hin, wo ich Braun und Pfordten, Georgi ist verreist, einen Vortrag im Gesamtministerium hielt, der allerdings minder solenn war, indem beide sich nicht an den Sessionstisch zu setzen wagten, sondern sich zu mir an mein kleines Tischchen ins Fenster setzten. Das Nächste muss die Besetzung des Kultusministeriums sein und ich hörte, man wolle es Oberländer116 übertragen, eine gute, aber stockfaule, konfuse Haut. Abends traf ich noch Falkenstein, der mir versicherte, er habe Pfordten vorgeschlagen. Er sei ganz mit dem Programm der neuen Minister einverstanden, gerade wie Zeschau. Man begreift nur nicht, warum sie da auf meinen Vorschlag vom 7. dieses Monats nicht eingegangen sind – und mir wollen die Leute das weiß machen, der ich dies gesehen und gehört habe! Pfordten ist noch sehr jung. Er ist 1811 geboren, wie ich heute, da ich das Bestallungsdekret ausfertigen wollte, erfuhr. Er wünschte auch, dass ihm seine Dienstzeit in Bayern mit angerechnet werde, was ich ihm freilich nicht zusichern konnte. März 18 Nun kommt man allmählich wieder etwas zur Ruhe. Ich ging um zehn nach Altstadt, wollte Oppell en passant einen Besuch machen, fand aber bloß die Ministerin, die mir in famoser Toilette die Türe öffnete. Um zwölf sollte eine Sitzung im Gesamtministerium sein über das neue Pressegesetz. Es kam aber bloß Braun und ich setzte mich daher mit ihm und Schaarschmidt zusammen 116 Oberländer, Martin Gotthard (1801–1868), Burschenschafter. Advokat, Vorsitzender des Stadtverordnetenkollegiums in Zwickau. Ab 1842 Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung.Vom 23. April 1848 bis 24. Februar 1849 sächsischer Innenminister. 1849 Geheimer Regierungsrat. Vorsitzender der Brandversicherungskommission. Siehe A. Lindner: M. Oberländer. In: Crimmitschauer Anzeiger 1930. Nr. 19–22.
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und – tres faciunt consilium. Es schien mir, als ob ich fast noch mehr von der Sache verstehe als Braun, der mit einer gewissen langweiligen Salbung einige höchst triviale Gemeinplätze und konfuse Ansichten vortrug, in deren Folge wir denn alle drei beschlossen, dass wir in das neue Gesetz – gar nichts aufnehmen wollten. Es soll nämlich abermals eine Verordnung nach § 88 erlassen werden, weil die Frist, bis zu welcher die Zensur aufgehoben ist, zum 15. April zu Ende geht und da noch eine Bestimmung bis zum nächsten Landtage nötig ist. Es war ein merkwürdiger Kontrast, diese Beratung und die letztere im Gesamtministerium hierüber! März 20 Der gestrige Tag verging ruhig. Doch kamen die Nachrichten von Berlin über den dort ausgebrochenen Kampf an. Das vergossene Blut wird in Preußen und Deutschland sobald nicht vergessen. In mehreren Städten sind Plakate mit der Inschrift: „Es lebe Friedrich August (unser König), Kaiser von Deutschland“ angeschlagen worden. Um halb zwölf kamen die Minister zusammen, um den Kultusminister zu machen. Sie schienen aber Schwierigkeiten dabei zu finden. Wenigstens war es um zwei, wo ich zu Hause ging, noch nicht fertig. Sie schienen zwischen Oberländer und Biedermann117 zu schwanken. Mir scheint, das ist ganz gleich. Sie müssen einen aus der Partei haben, ob er Hinze heißt oder Kunze, einerlei. Jetzt hört nun meine Arbeit auf, da alles beim Gesamtministerium liegen bleibt, bis auf bessere Zeiten. März 21 Die Minister saßen fast den ganzen Tag beisammen, wahrscheinlich wegen der deutschen Angelegenheiten, wegen der aus den süddeutschen Ländern Abgesandte deshalb von den Regierungen gesendet worden sind.118 Auch der König kam heute zum ersten Male wieder bei den neuen Ministern ins Gesamtministerium. Ich habe zwar zu tun, kann aber seit Wochen nicht zum Vortrag kommen und so schwillt die Arbeit wie eine Lawine an. Man lebt jetzt nur von Tag zu Tag und da ist es gleich, wie groß der Aktenhaufen ist, der doch vielleicht einmal in den Kot geschleift wird. März 22 Heute ward das Militär auf die Verfassungsurkunde beeidet und darum ungeheuerer Spektakel wegen einer Sache, die ganz gleichgültig, denn mit Gewalt wird kein Fürst eine Verfassung aufheben, vollends jetzt! Das Militär zog früh neun Uhr auf den Palaisplatz, wo eine große schwarz-rot-goldene Flagge wehte – wie die alten Burschenschafter sich freuen mögen – und die Kommunalgarde mit aufmarschiert war. Vivat auf den König, aufs Militär. Volksmassen um zehn defiliert vor den König mit obligatem Vivat. Mittags laut Beilage chinesisch-sächsische Höflichkeitsprozedur vom Gewandhaus ans Schloss: die Zügler machten dem König ein Kompliment! Abends Illumination. Heil dir mein Vaterland, du hast nun verpflichtetes Militär, was wahrscheinlich schussfest ist, wenn der biedere Franzmann oder Kosake des nächsten auf dasselbe schießt. 117 Biedermann, Dr. Karl (1812–1901), seit 1838 Professor der Rechte an der Universität Leipzig. 1842 bis 1847 Herausgeber der „Deutschen Monatsschrift für Literatur und öffentliches Leben“. Abgeordneter des Frankfurter Vorparlaments und der Frankfurter Nationalversammlung. Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. 1853 Verlust der Professur und Übersiedlung nach Weimar, 1863 Rückkehr nach Leipzig. 1866 Gründer der Nationalliberalen Partei in Sachsen. Siehe Karl Biedermann: 1840–1870. 30 Jahre deutscher Geschichte. 2 Bände, Breslau o. J. – Biographien zur deutschen Geschichte, S. 54–55. 118 Nach M. Klemm, Sachsen und das deutsche Problem 1848, S. 43 ff. weilten Max von Gagern, Graf Lehrbach (Großherzoglich Hessischer Bevollmächtiger) und Karl von Sternenfels (Württembergischer Geheimrat) am 20. und 21. März 1848 in Dresden.
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Die nächste Illumination wird, wenn man die deutsche Sache so forttreibt oder vielmehr versäumt, wohl zu Ehren der deutschen Republik sein. Denn an Widerstand ist, wenn einmal jetzt irgendwo eine Masse brüllt, nicht zu denken. Wenn meine Nachkommen einmal diese Zeilen lesen sollten, so werden sie hoffentlich die Früchte dieser beispiellosen Gärung ernten, denn etwas Gutes muss doch am Ende herauskommen, nach Ausscheidung aller der vielen faulen Stoffe. Aber trotz Heldenmuts bei den Einzelnen im wirklichen Kampfe, durch beispiellose Feigheit im Kampfe mit der sogenannten öffentlichen Meinung – es fehlt an allem politischen Mute. Den muss uns die Freiheit auch erst bringen. Wie ist aber der Popanz, den man sich unter der Pressefreiheit gedacht hatte, verschwunden. Bis jetzt habe ich nichts gelesen, was schlimmer gewesen wäre als das mit Zensur Gedruckte, und doch leben wir in den Zeiten der größten Aufregung. Die neuen Minister bekomme ich gar nicht zu sehen. Sie beraten öfters wohl über die deutsche Sache, aber eigentlicher Vortrag ist nicht. März 23 Beust ist immer noch nicht angekommen und ich vermute nun fast, er hat Konterorder bekommen. Ich habe nicht viel zu tun, da die Minister zwar fast den ganzen Tag beraten, aber nichts vorgetragen wird. Nur heute Abend, wo ich zufällig noch ins Gesamtministerium um sechs Uhr ging, fand eine Besprechung statt über den Religionseid, den die evangelischen Minister leisten müssten. Dabei erfuhr ich beiläufig, dass Pfordten das Kultusministerium übernimmt, also wahrscheinlich Oberländer das Innere. Denn dieser, der schon einige Zeit hier ist, war heute Abend in die Kanzlei gekommen – ein ganz Unbekannter – und hatte sich an einen Kanzlisten mit den Worten gewandt: „Ich bin Oberländer. Ich bin hierher bestellt.“ Der Kanzlist verwies ihn brummend an den Boten und erschrak nicht wenig, als ich ihm eröffnete, er habe seinen Minister angebrummt! Es waren zwei Kanzlisten, ein sehr langer und ein ganz kleiner, krummbeiniger, trotz seiner hohen Jahre noch ganz schwarzköpfig – Giraffe und Dachshund – der kleine war sehr borstig und grob und an ihn kam der arme Oberländer. So introduzierte sich der neue Minister! Bei der Besprechung über den Religionseid ward Pfordten sehr lebhaft. Er erklärte, dass er alles zum Opfer bringen wolle, seine ruhige Stellung, sein Familienleben, seinen guten Namen, aber den Eid könne er nicht leisten. Wir formulierten nun einen anderen Eid und ich erhielt, nachdem ich abgeraten, das Landeskonsistorium deshalb zu befragen, den Auftrag, mit Ammon darüber zu reden. Ich ging dann noch um acht zu dem achtzigjährigen Greise, der in seinem stillen Hause, unberührt vom Alter wie von den Zeitstürmen, bei dreißig Grad Hitze bei einem Lichte seine morgende Predigt studierte. Ich teilte ihm bloß das Nötigste mit, um ihn nicht zu stören. März 24 Früh um zehn herüber ins Gesamtministerium, wo die Minister schon versammelt waren. Ich fragte Pfordten bloß, ob er nichts von Beust wisse, was er verneinte. Dann ging ich zu Zeschau, der sagte, er habe Beust vor einigen Tagen geschrieben, nicht zu kommen, und er hoffe, der Brief habe ihn noch in London getroffen. Das wäre auch das Beste, da Pfordten, wie ich mir gleich anfangs gedacht, Geschmack am Auswärtigen gefunden und es definitiv übernehmen will! Um zwölf ging ich zum Oberhofprediger Ammon, mit dem ich nochmals über den Religionseid sprach. Er war ganz einverstanden mit der vorgeschlagenen Formel und so wird sich die Sache denn machen. Als ich bei der Suppe nach zwei Uhr saß, kam ein Bote, ich möchte in einer Stunde zu Braun kommen. Als ich hinkam, sagte er mir, dass in den Weberdörfern bei Zittau Unru-
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hen ausgebrochen und man den Kommissionsrat Spitzner dort als Kommissar hinschicken wolle.119 Ich fertigte daher ein Kommissoriale für ihn aus und mundierte es sogleich, da kein Kanzlist zu erlangen war, selbst. Der Kreisdirektor von Könneritz aus Bautzen120, dem ich begegnete, war sehr erzürnt darüber, dass man ihn und die Kreisdirektion übergangen habe. Es herrscht allerdings einige Konfusion, denn aus dem Ministerium des Innern ist wieder an Könneritz eine Verordnung ergangen. März 25 Um elf herüber. Der neue Minister Oberländer kam zu mir und gegen zwölf ging ich mit ihm, Braun und Pfordten, der das Kultusministerium und Auswärtige übernimmt, zum König zur Verpflichtung. Als wir über die Gänge schritten, gesellte sich noch ein Herr zu uns, den ich gar nicht kannte und von dem Pfordten sagte, er solle auch verpflichtet werden. Ich denke, es ist noch ein mir unbekannter Minister für ein mir unbekanntes Ministerium und frage daher rasch, wer der Herr sei. Da erfuhr ich, es sei Prof. Biedermann, der nach Berlin abgesendet werde zur Verhandlung der deutschen Angelegenheiten – auch ein Zeichen der Zeit: Biedermann außerordentlicher Gesandter!121 Nach der Verpflichtung kam Polizeidirektor von Oppell zu mir und sagte mir, es sei heute ein Mann mit einer Legitimation auf den Namen Meyer aus Teplitz hier angekommen, den der Postillon für Fürst Metternich erkannt.122 Das Individuum sei auch zu Graf Kuefstein123 gefahren und ein Hofbedienter habe ihn in der Stadt Wien aufgesucht. Ich riet Oppell, das Individuum als einen nicht genügend legitimierten Meyer, da wir der letzteren schon zu viele hier haben, schleunigst fortzuspedieren. Denn sollte seine Anwesenheit bekannt werden, so gibt es einen Mordskrawall. Oppell bezweifelte die Identität gar nicht, obwohl gleichzeitig heute in den Zeitungen steht, dass Metternich in Steiermark auf einem Schloß sei. Abends kam Berghauptmann Beust124. Wir gingen nochmals vergeblich an die Eisenbahn, um Ferdinand Beust zu erwarten. Welche traurige Reise für den armen Freund! Es bleibt ihm nichts übrig, als sobald als möglich wieder abzureisen. Mit Braun hatte ich heute Nachmittag auch ein langes Gespräch. Auch er betrachtet die Zukunft mit großer Besorgnis. Die republikanischen Gärungen nehmen immer mehr zu und organisieren sich. Man bildet bewaffnete Scharen angeblich zum Schutz des Eigentums, aber eigentlich zum Sturze der Monarchie. Wird nicht in wenig Wochen ein Deutschland unter 119 Spitzner, Gustav Friedrich (gest. 1871), Kommissionsrat bei der Generalkommission für Ablösungen und Gemeinheitsteilungen, Geheimer Regierungsrat. Siehe Erhard Hartstock: Die sorbische nationale Bewegung in der sächsischen Oberlausitz 1830–1848/49. Bautzen 1977. 120 Könneritz, Eduard von (1802–1875), Kreisdirektor in Bautzen. Bruder von Minister Julius Traugott Jacob von Könneritz und von dem sächsischen Gesandten in Paris Hans Heinrich von Könneritz. 121 Biedermann wurde als Vertreter der sächsischen Regierung zu den Verhandlungen über den Fürstenkongreß am 25. März 1848 nach Berlin gesandt. Siehe, Klemm, a. a. O., S. 52 ff. 122 Metternich-Winneburg, Klemens Wenzel Lothar Fürst von (1773–1859). österreichischer Staatskanzler bis März 1848. Nach seinem Sturz Flucht von Wien über Dresden und Leipzig nach Holland und England. Siehe E. Stern-Hubarth: Sturz und Flucht Metternichs. In: Deutsche Rundschau. Band 199. Jg. 50. 1924, S. 286–295. 123 Kuefstein, Franz Graf von (1794–1871), von 1845 bis 1854 österreichischer Gesandter in Dresden. Siehe Wurzbach Band 13, S. 314. 124 Beust, Friedrich Konstantin Freiherr von (1806–1891), Direktor des Oberbergamtes Freiberg, älterer Bruder von Friedrich Ferdinand von Beust. Siehe Schiffner, Freiberger Bergstudenten, Band 1, S. 129– 131. – Guntram Martin: Das sächsische Montanwesen im 19. Jahrhundert. In: Landesgeschichte in Sachsen. Hrsgg. v. R. Aurig, St. Herzog u. S. Lässig. Bielefeld 1997, S. 145–161.
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eine kräftige Hand gestellt, so bricht alles zusammen. Alle Regierungen haben den Kopf und mit ihm die Macht verloren. März 26 Nach Tische gelesen, gelebt, als ob es gar keine Revolution in der Welt gäbe. Abends Beust bei uns, Um acht ging ich mit Beust an die Eisenbahn. Ferdinand Beust kam. Er soll bei mir wohnen und bleibt nur die Nacht bei seiner Mutter, um mit seinem Bruder noch zusammen sein zu können, der morgen früh abreist. März 27 Nichts Neues als Aufruhr überall!. Beust jun. aß bei uns zu Mittag. Um sechs im Gesamtministerium, dann Partie bei Oberhofmarschall von Reitzenstein, wo man lauter lange, eingeschlafene Gesichter sah, u. a. Graf Schönburg von Glauchau, der förmlich geflüchtet ist, weil es Unruhen in Rochsburg und Penig gibt.125 März 28 Braun ist verreist. Sitzungen sind nicht und der Eingang ist null. Früh kam Beust zu mir. Er will meinem und nicht dem Zeschau’schen Rat folgen und temporisieren, da wir doch in acht Tagen wissen müssen, woran wir sind. Um sechs ging ich zu Zeschau, der mich zu sich bestellt hatte. Der Mann ist stumpf geworden, wie mir scheint. Er bildet sich ein, dass er wohl gar bald wieder Minister sein könnte, und weshalb? Weil man ihm nicht die Fenster eingeworfen hat. Abends Beust und Ehrenstein bei mir zu Grog und Zigarre. Viel politisiert bis nach elf. In Baden sind Franzosen auf ihre eigene Faust eingefallen. Es ist doch hübsch, so eine Republik zur Nachbarin. März 29 Früh um halb elf zu Beust. Es ist ihm übrigens jetzt die Aussicht eröffnet, nach Berlin zu kommen als Gesandter. Morgen ist die große Zusammenkunft Liberaler in Frankfurt wegen der deutschen Frage. Von hier hat die Regierung Todt126 offiziell und manchen anderen halboffiziell hingeschickt, z. B. Hensel aus Zittau127. Außerdem sind aber auch noch eine Menge von einzelnen Gemeinden gewählt worden. Es wird ein polnischer Reichstag werden, der nichts Gutes bringen wird, wenn die Besorgnis, dass eine Menge Bewaffneter aus der Umgegend hinziehen wollen, sich realisiert. Mittag war Beust bei mir. Abends ging ich ins Quartett und dann in die Ressource, wo ich mit Minister Carlowitz lange über die deutsche Angelegenheit sprach. Es ist wenigstens wahr, wenn er sagt, dass er immer für die Einheit Deutschlands gewesen. März 30 Beust reiste heute Mittag ab und ich ging daher noch einen Gang zu ihm, um Abschied zu nehmen. Er hatte Besorgnisse, dass Pfordten von hier nach Bayern gehen 125 Roland Zeise: Die antifeudale Bewegung der Volksmassen auf dem Lande in der Revolution von 1848/49 in Sachsen. Päd. Diss. Potsdam 1965. 126 Todt, Karl Gotthelf (1803–1852), seit 1832 Bürgermeister in Adorf/Vogtland. 1836–1849 Vertreter der linksradikalen Opposition in der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. Vom 28. März bis 21.Juli 1848 Vertreter Sachsens am Bundestag und bei der Provisorischen Zentralgewalt. Im September 1848 Kommissar der sächsischen Regierung bei den Unruhen in Chemnitz. Mitglied der Provisorischen Regierung während des Maiaufstandes 1849. Am 8. Mai 1849 Flucht in die Schweiz. Siehe Neuer Nekrolog der Deutschen. Band 30. 1852, S. 866 f. – ADB Band 38, S. 408. – Reiner Groß, Bärbel Förster: Politische Emigration aus Sachsen in die Schweiz 1848–1862. In: Das Asyl in der Schweiz nach den Revolutionen von 1848. Bern 1999, S. 111–146. 127 Hensel, Adolf Ernst (1810–1862), Stadtrichter in Bernstadt, Stadtrat in Zittau. 1848/1849 Abgeordneter im Frankfurter Vorparlament und in der Frankfurter Nationalversammlung. 1849 Präsident der Zweiten Kammer der Ständeversammlung.
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möchte, wohin er angeblich einen Ruf als Minister habe. Ich benutzte daher die Gelegenheit, heute mit Pfordten deshalb zu sprechen. Allein er sagte, dass er nicht so gewissenlos sein würde, nachdem er erst vor wenig Wochen den Eid geschworen, jetzt schon Sachsen zu verlassen. Es hagelt jetzt Adressen und Petitionen ans Gesamtministerium wegen aller möglichen Gegenstande, da alles sich ans Gesamtministerium wendet, und ich habe daher nichts zu tun als zu verteilen. April 5 Die Versammlung in Frankfurt geht viel ruhiger vor sich, als man besorgt hatte und so scheint das Gespenst der Republik, das so viele schon vor der Türe sahen, vor der Hand noch nicht einzutreten. Mit meinen neuen Ministern komme ich sehr gut aus. Ich stehe ihnen natürlich der Stellung nach viel näher als den alten. Zu Arbeiten ist für mich sehr wenig, da gar keine regelmäßigen Vorträge gehalten werden. April 6 Heute, als ich um zehn ins Gesamtministerium kam, erfuhr ich durch Oberländer, dass die Unruhen im Schönburgischen bis zur Zerstörung des Schlosses Waldenburg am gestrigen Tage geführt haben.128 Ich nahm denn nun Gelegenheit, auch den neuen Ministern einmal die Wahrheit zu sagen und zur größten Energie aufzufordern. Denn sollen solche Sachen hingehen, so hört der Staat auf! Das Resultat war denn nun ein Beschluss, mobile Kolonnen zu bilden. Leider ist der Kriegsminister Graf Holtzendorf so krank, dass er sein Amt nicht versehen kann und Oppell wird daher wohl wieder eintreten. April 7 Der Horizont wird immer schwärzer. Man regt überall die Massen auf, spiegelt ihnen Utopien vor. Die ersten Bankierhäuser, Hammer & Schmidt129, Frege130 liquidieren. Dadurch werden wieder die Fabriken behindert zu arbeiten und so wird das Elend immer größer, dass doch noch mit Republik, mit Anarchie und allen ihren Greueln endigen wird. Ändern kann der Einzelne es nicht, er muss also geduldig tragen. Es ward im Gesamtministerium heute das Wahlgesetz wegen der Nationalvertreter beim deutschen Parlament beraten oder vielmehr über’s Knie gebrochen. Welch konfuses Zeug war in dem Entwurf, den Oberländer anscheinend ganz allein gemacht hatte! Als ich ihm sagte, es passe eine Bestimmung nicht, sagte er, gut, lassen wir die ganze Schmiere weg! April 8 Allerhand Gerüchte von Zerstörung von Fabriken bei Chemnitz, von Feuern des Militärs bei Crimmitschau, die früh sich verbreiteten, haben sich bis jetzt nicht bestätigt. Appellationsrat Petschke in Leipzig schrieb mir über die Stimmung in Leipzig, die sehr besorgniserregend klingen. Man befürchtet einen Versuch der republikanischen Partei – und Leipzig hat, wie die Welt überhaupt, den Kopf verloren. Nichts ist jetzt sicher in der Welt, nicht einmal die Kenntnisse, die man sich erworben. Eine Revolution, die nicht bloß kommen kann, nein, in der wir jetzt schon leben, kann ja alles unbrauchbar machen, was wir jetzt gelernt haben. Ich gebe mir alle Mühe, nicht wieder gedrückt zu sein und zu scheinen, allein die Aufgabe ist zu schwer. Mit den Ministern habe 128 Roland Zeise: Die antifeudalen Aktionen der Landbevölkerung in Sachsen im Frühjahr 1848. In: Geschichtsunterricht und Staatsbürgerkunde. 1965, Heft 8 129 Über das Bankhaus Hammer und Schmidt siehe E. Kroker: Handelsgeschichte der Stadt Leipzig. Die Entwicklung des Leipziger Handels und der Leipziger Messen von der Gründung der Stadt bis auf die Gegenwart. Leipzig 1925, S. 226. 130 Über das Bankhaus Frege und Co. Siehe ebenda, S. 184 f. – Wustmann: Die Vertraute Gesellschaft in Leipzig. Leipzig 1880.
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ich schon manches ernste Wort geredet. Braun fing einige Male davon an, dass er nicht länger bleiben könne, worauf ich denn ihm sehr dringlich replizierte. Ebenso forderte ich Braun und Pfordten dringend zu mehr Energie auf, da, wenn die Regierungskommissare mehr Kraft gezeigt hätten, die Greuel in Waldenburg, wo eine Rotte von 160 bis 180 Menschen in Gegenwart von 15 000 bis 16 000 Zuschauern das Schloß geplündert und niedergebrannt hat, verhindert hätten werden können. Ich schlug vor, sie sollten den Appellationsrat Reitzenstein als Kommissar hinschicken. Bezeichnend war die Erzählung Brauns, dass der Rädelsführer aus Waldenburg ein gewisser Gräfe sei131 und dass dieser heute bei ihm und Oberländer gewesen. Er habe ihn aber – nicht ExzeIlenz genannt. Ich fragte, warum er ihn nicht habe arretieren lassen. Nein, sagte er, als Justizminister konnte ich das nicht. Heute ward unter großen Geburtswehen eine sehr breite Proklamation wegen der Unruhen entworfen, in die ich mit Mühe einen Satz darüber hineinbrachte, dass die Gemeinde den durch Zerstörung verursachten Schaden vertreten müsse. Echt sächsisch wollte Braun durchaus, es sollte gesagt werden, „sichern Vernehmen nach“ habe das Oberappellationsgericht so erkannt. April 10 Pfordten war in Leipzig. Um eins kamen die anderen drei Minister zusammen und da wurden nun die allerwichtigsten Sachen in wenig Minuten über’s Knie gebrochen, Finanzmaßregeln, Unterstützungen von vielen Tausenden für’s Gebirge und ein Volksbewaffnunsgesetz. Ich hatte von letzterem noch gar nichts gehört, fand aber gleich bei der Vorlesung, dass es so nicht bleiben könne. Es nahm daher Oberländer es zurück, um es heute Nachmittag (!) umzuarbeiten. So ohne alle Beratung und Zuziehung sachverständiger Leute werden die wichtigsten Sachen über’s Knie gebrochen. Ich trat wieder sehr stark auf und verlangte, sie sollten einen Kommissar hinschicken ins Gebirge, aber einen Mann, keinen Regierungsrat à la Heintz. Nachdem ich halb vier zu Hause gekommen, musste ich um sechs wieder hinüber, aber Oberländer war mit seinem Gesetz doch nicht fertig geworden. April 13 Das Wahlgesetz für die Nationalvertreter war schon ganz fertig und gedruckt, da kam ein Bundesbeschluss, den der Frankfurter Ausschuss resolviert und der Bundestag sofort akzeptiert hatte und wir mussten unser Gesetz gleich ändern. Oberländer war außer sich über die ungesetzliche Macht, die jetzt Deutschland regiert. 1m Gebirge wird es täglich schlimmer, weil die Arbeit immer mehr aufhört und was dann werden soll, wenn 100 000 Menschen brotlos sind? Diese Frage weiß niemand zu beantworten. April 14 Als ich früh nach elf ins Gesamtministerium kam, kam mir Oberländer entgegen und erzählte mir mit Tränen im Auge, dass die Holsteiner eine Niederlage seitens der Dänen erlitten und dass dabei die akademische Legion aus Kiel fast ganz geblieben.132 Auch das Elend im Gebirge, wo bald alle Fabriken stocken, schilderte er gräß3lich. Was soll aber daraus werden, fragt man mit Recht! Alle Bande der Ordnung und des Staates sind schon jetzt gelöst. Was wird, wenn nun noch der Hunger über hunderttausend Menschen kommt. Ich kam um eins aus dem Gesamtministerium zurück, wo Braun so ganz en passant bei mir einen Plan wegen Trennung der Justiz von der Verwaltung bestellte. Ebenso gut könnte 131 Gräfe, Alexander. Bürger von Crimmitschau. Kleinbürgerlicher Demokrat und Anführer der Volksbewegung in den Schönburgischen Herrschaften im Frühjahr1848. Siehe Zeise, Antifeudale Bewegung, S. 154 ff. 132 W. Heyn: Der deutsche Krieg gegen Dänemark im Jahre 1848. Diss. Hamburg. – H. v. Moltke: Geschichte des Krieges gegen Dänemark 1848–1849. Berlin 1893.
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ich ihm ein Paar Hosen machen, da mir alle spezielle Kenntnis der Frage abgeht. Aber so werden jetzt die Sachen behandelt! Nun, ich will sehen, was ich ihm werde zusammenschreiben können. Viel besonderes wird es nicht werden! April 24 Ostern ist diesmal das Frühlingsfest, da es so spät fällt als möglich. Alles grünt und blüht. Leider waren die Feiertage selbst nicht so schön, so dass wir eine heute beabsichtigte Promenade nicht machen konnten. Dagegen hatten wir von dreiviertel elf bis halb drei Session wegen der gegen die immer mehr zunehmende Finanznot zu ergreifenden Maßregeln. Unsere Finanzen galten unter Zeschau als vortrefflich und nicht einmal diese wenigen Wochen, deren Bedürfnisse nicht einmal so enorm waren, können sie überstehen. Wir gehen sichtlich dem Staatsbankrott entgegen! Von Adolf bekam ich einen Brief. Der steht in Wechselburg, welches er zu decken hat, da man immer noch Unruhen dort zu besorgen scheint. Prof. Cotta aus Freiberg war auch bei mir.133 Er kam von einem Generalkonvent des Vaterlandsvereins in Leipzig und schilderte mir das Treiben der dortigen Mitglieder als ganz auf Republik gerichtet. Wir entgehen ihr nicht, das weiß ich wohl,. Doch hätte ich gern vorher noch meine Augen zugedrückt. Indessen wer weiß, vielleicht geht es wie mit der Pressefreiheit, vor der man sich auch viel mehr gefürchtet hat als nötig war. Dass Frankreich rüstet und uns bald seine Proletariermassen in Armeen formiert nach Deutschland schleudern wird, wir dem Andrange nicht werden widerstehen können, ist gewiss. Wir werden dann eine Fremdherrschaft bekommen wie vor dreißig Jahren.
5. Von der Wahl zur Frankfurter Nationalversammlung bis zur Ermordung Robert Blums 1848 April 25 Heute ist erster Tag zur Wahl unserer Nationalvertreter. Es gilt zunächst, Wahlmänner zu wählen, wozu jeder selbständige Mann berechtigt ist. Ich ging daher heute auch aufs Rathaus, meinen Wahlzettel zu holen, fand aber keinen großen Andrang. Das erste Mal, dass ich, obwohl so lange Staatsdiener, eine Handlung, welche Ausübung eines politischen Befugnisses ist, wahrnehmen konnte! April 28 Die Wahlen für die Nationalversammlung beschäftigen hier doch die Leute. Das Militär hat kompanieweise sich eingestellt. Der Vaterlandsverein (Radikale) und der Deutsche Verein (Konservative), nämlich in dem Sinne, was man jetzt so nennt, wo Radikaler mit Republikaner identisch ist, haben jetzt ihre Wahlliste entworfen und werben. In dem letztern Verein sind viele Beamte und Adelige. Der Kammerherr von Budberg134 hatte einen 133 Cotta, Dr. Bernhard (1808–1879), Professor der Geognosie und Versteinerungskunde an der Bergakademie Freiberg. Über seine Stellung in den Jahren 1848/49 siehe Walter Herrmann: Freiberg im Revolutionsjahr 1848-49. In: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins. Band 69. 1940, S. 5–25. 134 Budberg, Alexander Ferdinand von, genannt Bennigshausen, sächsischer Kammerherr seit 1826. Der Aufsatz ist veröffentlicht in: Dresdner Anzeiger. Nr. 135 vom 20. April 1848. Erste Beilage, S. 15.
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Aufsatz in den Anzeiger setzen lassen, worin er sich beklagte, dass man in den Ausschuss des Deutschen Vereins nicht alle Stände, u. a. den Ade1, habe vertreten lassen. Dieser Unsinn, vom Ade1 als Stand zu reden, hat denn auch gerechten Widerspruch gefunden und Seebach in Gemeinschaft mit vielen anderen haben dagegen eine Protestation aufgesetzt. Wenn man nur, ohne lächerlich zu werden, das miserable „Von“ von sich tun könnte. Ich schrieb heute in diesem Sinne und zugleich über die Stellung der Staatsdiener bei den jetzigen öffentlichen Bewegungen einen Artikel für das hiesige Dresdner Journal, wie ich denn überhaupt jetzt wie schon früher öfters Artikel schmiede. Um zwölf ging ich ins Gesamtministerium, wo ich denn endlich Gelegenheit fand, verschiedene lange liegende Sachen vorzutragen. April 29 Todt ist zum Bundestagsgesandten ernannt! Allein leider trüben sich die Aussichten für Deutschlands Einheit immer mehr. Wir werden vielmehr allem Anscheine nach zerfallen! Österreich trennt sich immer mehr, Preußen wird den nördlichen Teil an sich nehmen, Bayern den südlichen und wir werden mehr als jemals zerfallen! Ich ging gegen elf herüber und ins Ministerium des Auswärtigen, um Pfordten zu sprechen. Hier traf ich den neuen Geheimen Legationsrat Todt, den ich heute zum ersten Male sprach. Um zwölf war Session, Beratung wegen der immer mehr sich verschlechternden Finanzen. Wir stehen ganz nahe am Bankrott und werden uns nur durch Verpfändung des Grünen Gewölbes, ein Darlehen von einigen Millionen, die uns fehlen, helfen k6nnen, trotz der doppelten und dreifachen Steuer und der zu erwartenden Einkommenssteuer. 1m Anzeiger war zu einer Besprechung über die Wahlmänner im Saale des Reußischen Gartens aufgefordert. Ich ging nach sieben Uhr hin, fand nur wenige Leute, die Zigarren rauchten, Bier tranken, einige Soldaten etc. Von Bekannten kam bloß Hofrat Schulz.135 Gegen acht trat auf eine von zwei Inseltlichtern beleuchteten Erhöhung ein Mann und trug auf Ernennung eines Präsidenten an, den er aber sogleich in der Person eines Kalkulators Peter ernannte und der durch Aklamation – wie er sagte –, kein Mensch rührte sich, akzeptiert ward. Peter versicherte seine Unfähigkeit zu dem wichtigen Amt, übernahm es aber, setzte sich zwischen die Inseltlichter und adjungierte sich einen Protokollanten. Nun trat ein gewisser Richter auf und improvisierte eine wohldurchdachte Rede mit ungeheuerem Pathos und mehrfacher Verwechslung des a und o. Substanz war „Vaterland“ Ende, „Vaterland“ keene Republik! Dann produzierte das Präsidium eine Liste von Wahlmännern, ein anderer eine Liste von lauter Antonstädtern, die die Mehrzahl der Versammlung (zirka 40 Personen) bildeten. Es scheint, dass auf dem Sande die Intelligenz besonders wuchert. Einem anderen Redner, Dindorf, waren zu viel Juristen darunter, von denen er nichts wissen wollte. Er wendete sich an die Arbeiter, wollte von diesen Mitglieder gewählt haben, was natürlich mit großem Applaus aufgenommen ward, mahnte daran, man sollte die Stimmen nicht zersplittern, lieber die Vorschlage des Vaterlandsvereins annehmen. Darauf kam wieder Richter, welcher mit wunderbarer Logik versicherte, eine Zersplitterung der Stimmen könne nicht eintreten, wenn jeder Einzelne sich eine Liste entwerfe und mit einem zweiten und dritten sich darüber verständige. Schließlich kam man auf die von denen, welche die Versammlung berufen hatten, entworfene Liste zurück und beschloss, dass, wer dafür sei, die Hand aufheben solle. 135 Schulz, Dr. Heinrich Wilhelm (gest. 1855), Hofrat. Sekretär bei den Königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft Dresden. Ministerialrat im Ministerium des Königl. Hauses.
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Da die Namen zum großen Teil wohl den Leuten unbekannt sein mochten, so hob bei den ersten Namen niemand die Hand auf. Da drehte man den Spieß um und sagte, wer dagegen sei, solle Hand aufheben. Da nun schon die natürliche Faulheit dafür spricht, die Hand nicht aufzuheben, so gingen nun alle Namen fast ohne Widerspruch durch. Nur wenn ein Beamtentitel dabei war, befanden sich einige Tatzen in der Luft. Diese kleine Versammlung charakterisiert auch die großen. Einige Phrasenmacher, die der Masse schmeicheln, finden Beifall, die Masse folgt ihnen blind nach und das ist dann der Ausspruch des souveränen Volkes! Um halb zehn ging ich mit Schulz zu Hause. Ich will nun sehen, wie großartig morgen die Sache in den Zeitungen geschildert sein wird. Aus Darmstadt ward durch die Post heute ans Gesamtministerium der beiliegende Entwurf zu einer Bundesverfassung eingesendet.136 Mai 1 Früh gearbeitet. Um zwölf hinüber zum Minister Braun ins Justizministerium und Geheimen Archivar Tittmann ins Hauptstaatsarchiv. Ich habe gar nicht übel Lust, einmal eine Stelle dort zu suchen, so still und gemütlich ist es unter den alten, friedlichen Akten. Mai 7 Mittag ging ich zum Grafen Holtzendorf, der mich gestern besucht hatte und nun ganz wieder hergestellt in seine Stelle wieder eintritt. Wir waren zu Tische zu Jordan gebeten, wo noch Minister Wietersheim und Geheimer Rat Langenn waren. Wir sprachen viel über die deutsche Verfassungsangelegenheit, indem heute die Liste der erwählten Wahlmänner veröffentlicht worden ist, die allerdings der Mehrzahl nach radikal und republikanisch ist. Wir waren nur insofern einig, als die gehoffte deutsche Einheit mehr als je vereitelt scheint. Mai 12 Früh um elf ins Gesamtministerium, wo wie gewöhnlich Kleinigkeiten zu expedieren waren. Da erst um eins Sitzung angesagt war, ging ich noch zum Minister Zeschau, dem ich schon lange einen Besuch schuldig war. Er sieht alles sehr trübe und entwickelte mir eine etwas unklare Idee, wie man die deutschen Verhältnisse hätte verbessern können – ohne etwas zu ändern. Es war ein durch Vertrauensmänner verstärkter und kontrollierter Bundestag, der allerdings aber ebensowenig etwas würde haben wirken können als der jetzige, mit einer Art infamia facti behaftet. Um eins ging ich ins Gesamtministerium, wo die Minister ohne mich und ohne Günther, der die Sache im Ministerium des Innern hat und genau kennt, das Wahlgesetz berieten. Mai 20 Am Donnerstag ist der Landtag zusammengetreten. Gestern ward der Präsident der Zweiten Kammer gewählt, Rewitzer aus Chemnitz.137 Auch ein Zeichen der Zeit, ein Deutschkatholik und Strumpfwirker – aber ein tüchtiger Mann. Heute um halb elf ward er beim König verpflichtet. Oberländer will abgehen. Er sagt, er könne den Sturm, den ewigen Wechsel nicht mehr ertragen! Kurios ging es neulich mit dem Wahlgesetz zu. Ich hatte wie gewöhnlich den Entwurf gar nicht zu sehen bekommen und zufällig ward neulich in der Session erwähnt, dass er fertig sei. Es ward ein § vorgelesen, aus dem ich entnahm, dass man in den Städten das Wahlrecht der Bürger beibehalten habe, also alle Schutzgenossen, z. B. alle Staatsdiener, die 136 Dieser Entwurf der Bundesverfassung befindet sich nicht mehr bei den Tagebuchaufzeichnungen. Siehe dazu Sächs. HStA. Gesamtministerium Loc. 60 Nr. 13. 137 Rewitzer, Franz Xaver (1798–1869), Webermeister und Stadtrat in Chemnitz . Vorstand der Deutschkatholischen Gemeinde und führendes Mitglied des Handwerker- und Bürgervereins. Präsident der Zweiten Kammer der Ständeversammlung 1848.
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nicht Bürger sind, ausgeschlossen habe. Dass das nicht durchzubringen ist, ist klar und ich machte denn das geltend und – bautz, fiel das Ding zusammen! Jetzt wollte jeder schon die Bemerkung gemacht haben, Braun, Pfordten, Oberländer. Es war wie mit dem Ei des Kolumbus. So geht es jetzt mit der Gesetzgebung! Ohne festes Prinzip, ohne Überlegung wird etwas zusammengeschmiert und ebenso schnell wieder abgeändert. Mai 22 Ich verschlief es etwas, ging dann ins Gesamtministerium und zum alten Jordan, den ich sehr außer sich fand, da die Dresdner Tapezierer und Schneider die Preußischen, die zum Jahrmarkt hierher gekommen sind, nicht zulassen wollen und die Polizei sich diesem mit der deutschen Einheit in direktem Zusammenhang stehenden Ansinnen bereitwillig rekomodiert. Ich ging dann aber in die Kammer, wo Prinz Johann mit einer großen Rede debütiert hat, worin er über die alten Minister hergezogen ist und sich zu liberalen Grundsätzen bekannt hat.138 – Populär wird er nie werden und da ist solches Beginnen nur dazu geeignet, ihn noch mehr in der Meinung herabzusetzen. Man wird sagen, er ist sich nicht einmal konsequent. Dagegen gefällt mir von Rewitzer, dass er seine Frau zum hiesigen Jahrmarkt ruhig in ihrer Bude sitzen lässt, als ob er jetzt nicht einer der ersten im Lande wäre. Abends besorgte man einigen Krawall wegen der Schneider und eine Demonstration gegen den Stadtrat Axt139, der in einer Versammlung Aussprüche gebraucht haben soll, die die Menge missliebig aufgenommen hat. Es scheint aber die Sache nicht so schlimm zu sein. Gestern ward der Landtag eröfnet. Der König fuhr im sechsspännigen Galawagen ins Landhaus. Wir waren ohne Uniform. Weiß nicht warum, mir fiel immer Ludwig XVI. ein, wie der König in dem altmodischen Wagen und mit der altmodischen Gala da ankam! Jedenfalls wird es wohl der letzter Landtag dieser Art sein. Wenn sich Österreich nun immer mehr von Deutschland abwendet, so tritt Preußen der Hegemonie immer näher und die Mediatisierung wird nicht ausbleiben. Mai 23 Abends im Gesamtministerium ward der Entwurf der Adresse der Ersten Kammer, der morgen in der Kammer vorgelegt wird, beraten, in dem ein Satz vorkommt, der – indirekt und ziemlich versteckt – einen Vorwurf wegen Mangel an Energie bei der Waldenburger Sache enthält. Braun war sehr verbittert deshalb, während die anderen die Sache nicht so schwer genommen wissen wollten. Er will aber direkt darauf losgehen und die Deputation deshalb interpellieren. Mai 26 Die Zweite Kammer verhandelte über die Adresse140, welche ihr zum ersten Mal nicht streitig gemacht ward. Referent Advokat Tzschirner141 aus Bautzen schwatzte viel, 138 Mitteilungen über die Verhandlungen des außerordentlichen Landtages im Jahre 1848. Erste Kammer Nr. 1 1848. Erste öffentliche Sitzung am 22. Mai 1848, S. 1–11. 139 Axt, Carl Wilhelm (1786–1863). Advokat. Stadtrat in Dresden. Stellvertreter des Bürgermeisters und des Polizeidirektors. Siehe Rackwitz, Stadtverordnete, S. 299. 140 Mitteilungen über die Verhandlungen des außerordentlichen Landtages im Jahre 1848. Zweite Kammer. Zweite öffenmtlöiche Sitzung vom 23. Mai 1848, S. 7–14. 141 Tzschirner, Samuel Erdmann (1814–1870), Rechtsanwalt in Bautzen. Führer der äußersten Linken in der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. Während des Maiaufstandes 1849 Bildung der Provisorischen Regierung gemeinsam mit Heubner und Todt. Am 8. Mai 1849 Flucht aus Dresden, Teilnahme am Badischen Aufstand, danach Emigration in die Schweiz. Von 1854 bis 1863 in den USA, danach Rückkehr nach Sachsen. Siehe ADB Band 39, S. 66. – Erhard Hartstock: Tzschirner – seine Bedeutung für die sächsische Oberlausitz. In: Letopis. Reine B. 1971, S. 176–185. – Rolf Weber: Samuel Erdmann
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konnte aber bisweilen die rechten Worte nicht finden. So war eine Stelle darin wegen Verminderung „des zahlreichen Beamtenheeres“. Diese Stelle sollte nach dem Kammerbeschluss wegfallen. Er sagte, nachdem dieser erfolgte: „Das zahlreiche Beamtenheer wird also nach dem Kammerbeschluss hinausgeschafft.“ Nachdem die Adresse einzeln beraten und genehmigt worden, ward sie bei der Abstimmung über das Ganze – verworfen! Ein kurioses Schicksal, was über ihr waltet. Das erste Mal, dass der Kammer keine Schwierigkeiten gemacht wurden, wirft sie sie selbst weg Mai 28 Früh in die Stadt nach einem langen Besuch des Hofrat Schulz, der mir von seinen demagogischen Fahrten erzählte. Er ist im Jahre 1830 Mitglied des revolutionären Klubs in Paris und Belgien gewesen. Drüben erzählte mir Minister Georgi, den ich traf, dass, wie gestern mir Braun schon vorher sagte, Unruhen in Leipzig republikanischer Tendenz gewesen sind, bei denen man auf der Katharinenstraße aus Messebuden eine Barrikade errichtet hat und sich gegenseitig, ohne Schaden zu tun, beschossen hat. Während wir in aller Ruhe unseren Tee tranken, hat es in Altstadt in Folge der Arretur eines bettelnden Vagabunden, dessen das gerechte Publikum sich angenommen, einen Krawall gegeben. Man hat wie gewöhnlich die Polizei insistiert, gebrüllt, und es ist erst Ruhe geworden, als die Kommunalgarde auf Alarmschlagen versammelt, eine Partie Unruhestifter arretiert und – tüchtig geknufft hat. Beust geht morgen auf seinen neuen Posten nach Berlin ab. Juni 9 Gestern habe ich die erste Sitzung gehabt seit Abtritt der alten Minister, um Beschwerden vor dem König vorzutragen und habe da ein Stück abgeeist. Ich habe dagegen allerhand Zeitungsartikel und gestern einen Aufsatz geschrieben, um nachzuweisen, dass meine Stelle und überhaupt von acht Staatsdienern bei der Kanzlei des Gesamtministeriums vier ganz überflüssig sind, der Ministerialrat, Geheimer Registrator, ein Kanzlist, ein Aufwärter. So mag es aber in gar vielen Branchen der Fall sein und da wird denn unnötige Arbeit geschaffen, um nur den Leuten zu tun zu geben. Juni 12 Die republikanische Partei hat in den Vaterlandsvereinen jetzt einige Proben gemacht und die Frage wegen der Republik zum Gegenstand der Erörterung gemacht. Das hat denn den Deutschen Verein veranlasst, diese Tendenzen durch Anschläge und Aufsätze zu bekämpfen. Es scheint auch, dass die Gegner sich getroffen gefühlt, denn die Anschläge wurden überall abgerissen.142 Der Horizont wird eben immer trüber und die Slawen regen sich in Böhmen so ernstlich, dass wir gar wieder Hussitenzüge erwarten können.143 Gottlob, dass ich meine Ruhe und guten Mut nicht verliere wie so viele, die vor Angst keine ruhige Stunde haben. Ob wir es wohl Tzschirner. Größe und Grenzen des Führers der Revolution 1848/49 in Sachsen. In: Ebd., S. 158–175. – Groß, Förster, Politische Emigration, a. a. O., S. 135. 142 Weber notiert dazu folgende Anekdote: Ein Advokat Frenzel hatte den Antrag gestellt und dabei gesagt, man solle die Maske abnehmen. Als nun die Sache aber eben Widerstand fand, hat er in einer Versammlung am 11. d. M. die Redensart verneint, wobei eine Stimme gerufen hat: Jetzt setzt er die Maske wieder auf! 143 Weber spielt hier auf die panslawistische Bewegung und den Prager Aufstand vom Juni 1848 an. Siehe dazu Kretzschmar/Schlechte, Gesandtschaftsberichte, S. 22 und S. 119 f. – Rolf Weber, Revolution, S. 151–157.
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noch erleben, dass Ruhe, Sicherheit wiederkehrt, dass es was Bestehendes geben wird, dem man Weiteres versprechen kann? In der Zweiten Kammer wird wahrscheinlich morgen der Antrag, die alten Minister in Anklagestand zu setzen, von dem radikalen Abgeordneten Tzschirner auf die Tagesordnung gebracht werden. Ich weiß aber nicht, wie er ihn begründen will und Könneritz wird vor der Hand keine große Angst haben. Juni 14 Seit vorgestern soll der Kampf in Prag wüten und sehr viel Blut vergossen worden sein. Die Zeitungen meldeten schon zeither das an manchen Orten verbreitete Gerücht, es werde in diesen Tagen losbrechen und das mag denn bei dem Zusammenhang, der jetzt bei allen diesen durch eine Partei herbeigeführten Ereignissen stattfindet, auch in Prag Erfolg gehabt haben. Bis jetzt soll das Militär die Oberhand behalten haben. Da aber weder Post noch Dampfschiffe kommen, fehlt es an bestimmter Nachricht. Appellationsrat Seebach sieht insbesondere sehr schwarz in die Zukunft wie so viele. Die Prager Ereignisse, die in Altenburg nächstens bevorstehende Proklamation der Republik144, die trostlosen Zustande in Berlin, wo völlige Anarchie ist und die Minister neulich nach einer dem Volke nicht beliebigen Abstimmung in den Kammern körperlichen Misshandlungen nicht haben entgehen können, vermehren allerdings diese Besorgnisse. Juni 15 Früh in die Kammer, wo ich aber vergeblich auf Tzschirners Antrag, die alten Minister in Anklagestand zu versetzen, wartete, der nicht dran kam. Heute versetzten die Zeitungen die Leute durch die Nachricht, die Russen kämen, in großen Schrecken.145 Juni 17 Gestern stand im Anzeiger eine förmliche Aufforderung, sich zu einer Katzenmusik, eine Mode, mit deren Nachäfferei wir bis jetzt verschont gewesen, um neun auf dem Pirnaischen Platz zu versammeln und obwohl das abends für den nächsten Tag ausgegebene Dresdner Journal eine Abmahnung erhielt, so hat sich doch ein Haufen Menschen versammelt, die erst zum Advokat Küttner, der sich die Unlust der Radikalen durch einen Antrag gegen die republikanischen Vereine zugezogen, gezogen und da zu spektakeln angefangen. Als er aber heruntergekommen und zu ihnen gesprochen, ihm – ein Vivat gebracht. Dann hat die Masse zu Schröder, dem russischen Gesandten, gewollt, hat sich aber da abreden lassen, Dummheiten zu begehen, die dort ernsterer Art hätten werden können. Der Kampf in Prag scheint noch nicht zu Ende, doch für das Militär günstig zu stehen, was man daraus abnehmen kann, dass eine Menge Polen in diesen Tagen aus Prag angekommen sind.146 Ich ließ mir heute im Auswärtigen Ministerium die Akten über die Wiener Konferenzbeschlüsse von 1834147, auf die eine Anklage der alten Minister begründet werden soll, vorlegen und fand da, dass der einzige Verantwortliche den Ständen gegenüber der Minister Lindenau 144 Fritz Hauptmann: Sachsen und Thüringen 1848/1849. In: NAfSG. Band 51 (1930) , S. 215 ff. 145 Siehe z. B. die Presseveröffentlichung in der Leipziger Zeitung 1848. Nr. 167 vom 15. Juni, S. 3863 f. 146 Über die panslawistische Bewegung siehe J. Pfitzner: Bakuninstudien. Prag 1932. – Weber, Revolution, 1970, S. 151–157. 147 Es handelt sich um die geheimen, nur teilweise veröffentlichten Beschlüsse der Wiener Ministerkonferenz vom Juni 1834. Diese Beschlüsse, maßgeblich initiiert von Metternich, vervollständigten das Instrumentarium zur Handhabung der Zensur und zur Überwachung der Universitäten. Die Beschränkung der konstitutionellen Organe wurde bis in die Einzelheiten festgelegt. Siehe Handbuch der deutschen Geschichte, Band III, S. 113.
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sein konnte, der damals das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten verwaltete und die Schriften allein signierte, zum großen Teil auch konzipiert hat. Juni 19 Ich saß heute früh noch beim Frühstück, als der Kanzleibote mit einer Broschüre ankam, um mich abzuholen zur Verpflichtung des Obersten Aster als interimistischen Kriegsminister, da Oppell noch immer krank in Schandau ist. 1m Vorzimmer des Königs traf ich ihn und Braun und erfuhr da, dass gestern in Altenburg, als man den Advokat Erbe148, der dort Republik proklamiert, arretiert, Aufstand ausgebrochen ist. Das Volk hat Barrikaden errichtet und zwei Kanonen darauf gesetzt, die man fidel an der Hauptwache hat stehen lassen. Schützen aus Leipzig, Kavallerie von hier mit vier Kanonen sind gestern und heute dahin gegangen. Viele Stimmen sollen sich in Altenburg für Anschluss an das Königreich aussprechen und als ich das Braun sagte, sagte er mit schlauer Miene: „Dahin ist auch gewirkt worden.“149 Tayllerand second! Abends. Ja prosit. Der Herzog hat die ganzen schönen Braun’schen Illusionen zu Wasser gemacht, indem er sich mit seinen getreuen Untertanen ausgesöhnt und einen der Hauptrepublikaner zum Minister gemacht hat, den Advokat Cruziger150. Arm in Arm mit diesem fordert er nun sein Jahrhundert in die Schranken! Gestern haben die Bauern der Umgegend zu Pillnitz dem König unter den Waffen eine Huldigung gebracht, indem sie in den Schlosshof einmarschiert, Spenden gehalten, vivatisiert und gefrühstückt. Juni 20 Der Abgeordnete Tzschirner stellte heute in der Zweiten Kammer den Antrag, den alten Ministern ihre Pensionen oder Wartegeld nicht zu gewähren, wusste es aber nicht anders zu begründen als auf die bekannten Wiener Beschlüsse von 1834 und darauf, dass sie das Vertrauen des Volkes verloren hatten. Das Staatsdienergesetz ignorierte er dabei. Die Sache ward an eine besondere Deputation gegeben.151 Pfordten ist heute nach Altenburg gereist, um dort Frieden zu stiften. Von Regierung ist dort gar nicht mehr die Rede. Gerade die reichsten Bauern schreien am meisten: nur fort mit dem Geldfresser (i. e. dem Herzog). Wenn aber irgend eine Zeit den Unsinn der Existenz solcher kleiner Staaten beweist, so ist es die unsrige. Sie können sich daher auf keine Weise halten. In Berlin scheint man nach den Prager Ereignissen, bei denen die Regierung die Oberhand behalten hat, wieder einige Courage zu fassen und man zieht, wie man sagt, das Militär 148 Erbe, Dr. Hans Alfred (1822–1895), Rechtsanwalt in Altenburg. Gemeinsam mit Dr. theol. Adolph Douai (1819–1888) und Rechtsanwalt Dr. Arthur Dölitzsch (1819–1900) Anführer der Volksbewegung in Altenburg 1848. Nach 1849 Auswanderung von Erbe in die USA. Siehe zu den Vorgängen im Herzogtum Altenburg K. Schneider: Altenburg in der revolutionären Bewegung 1848 bis 1849. Altenburg 1913. 149 Über die revolutionäre Bewegung im Herzogtum Altenburg und die Bestrebungen für einen Anschluß an Sachsen siehe Hauptmann, Sachsen und Thüringen, a. a. O. 150 Cruziger, Dr. Christian Albert (1819–1877), Justizassessor. Vorsitzender des republikanischen Vaterlandsvereins in Altenburg. Ernennung zum Justizminister von Sachsen- Altenburg am 19. Juni 1848. Ab 1. Dezember 1848 Vertreter Sachsen-Altenburgs als Bevollmächtigter bei der Provisorischen Zentralgewalt in Frankfurt a. M. Später Geheimer Finanzrat in Altenburg. Siehe Schneider, Altenburg. 151 Der Antrag lautete: Antrag des Abgeordneten Tzschirner: 1) auf Erörterung darüber, ob denjenigen Staatsbeamten, welche bei den geheimen Wiener Konferenzbeschlüssen beteiligt gewesen sind, sowie den seitdem abgegangenen Staatsministern ein Anspruch auf Wartegeld oder Pension zustehe, oder ob deren Wegfall zu beantragen? Siehe dazu Akten des Außerordentlichen Landtages vom Jahre 1848. Dritte Abteilung, S. 94 ff. – Mitteilungen über die Verhandlungen des Außerordentlichen Landtages im Königreich Sachsen während des Jahres 1848. Zweite Kammer. 1. Band, S. 174–177.
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außerhalb Berlins zusammen. Auf der anderen Seite bringen aber die Zeitungen wiederholte Nachrichten vom Einrücken der Russen oder deren gewaltige Rüstungen. Wir tun aber gar nichts dagegen. Sollte wirklich Preußen ein verstecktes Spiel spielen? Einen solchen Hochverrat am eigenen Volk kann ich doch nicht glauben! Juni 24 Die Minister bekomme ich fast gar nicht zu sehen. Nur gestern Abend um sechs ging ich, da sie zusammen waren, herein, konnte aber Braun, der, warum weiß ich nicht, entsetzlich agitierend im Zimmer herumlief, kaum dazu bewegen, einige Worte anzuhören. Er machte nichts, hatte aber eben deshalb gar keine Zeit. Es ist ein braver Mann – aber das Ende vom Lied war, dass ich, da die Sachen pressant waren und es ganz unmöglich war, die Herren zum Sitzen zu bringen, ich wieder herausging, die Sachen expedierte und – nun signierten sie fidel. Am unglücklichsten ist der Geheime Sekretär Winter. Er gehört zu den ganz uralten Kanzleigeistern, deren größtes Unglück ist, wenn eine Nummer in der Registrande offen ist. Wenn heute das sächsische Volk in einem gemeinsamen Beschluss die Republik einführte, er würde ganz beruhigt sein, wenn in der Registrande stünde: Kommunikat an sämtliche Ministerien wegen Einführung der Republik – aber er wäre der unglücklichste Mann von der Welt, wenn das Schreiben offen bliebe. So quält er mich oft damit, ob er die oder jene ganz nutzlose Petition zu den oder jenen Akten nehmen sollte, während es auch vollkommen genügte, wenn er sie zu gar keinen Akten nähme. Juni 27 Beust hatte mir geschrieben, dass er heute auf einen Tag herkommen werde und ich erwartete ihn daher um zwölf auf der Eisenbahn und begleitete ihn herüber, wo auch der Berghauptmann ankam. Er brachte die Nachricht mit, dass in Paris seit zwei Tagen wieder Kampf mit den Arbeitern stattfindet, gegen die Militär und Nationalgarden zusammenhalten. In Frankfurt soll man gestern den Erzherzog Johann zum Reichsverweser oder dergleichen gewählt haben.152 Beust hat mir ein Stück des Berliner Krakeeler als eine Probe der dortigen Zeitungsliteratur mitgebracht. Seebach aus Petersburg, der auch von Altenburg dort akkreditiert ist, hat jetzt den Auftrag, Verhandlungen einzuleiten wegen Abtretung der Regierung und nächsten Donnerstag soll darüber in Leipzig eine Konferenz, wohl auch mit den anderen Herzogtümern, eingeleitet werden. Hoffentlich führt die Sache zu einer vernünftigen Verständigung, was dann auch die Einverleibung der Reußischen und Schwarzburgischen nach sich ziehen würde. Wenn man jetzt einmal denkt, nun wird es doch am Ende noch in Ordnung kommen, putsch schmeißt die Geschichte wieder um. So in Paris jetzt, wo seit zwei Tagen die Arbeiter mit der Nationalgarde und dem Militär sich schlagen und schon achtzehn Kanonen erobert haben. Siegen sie, so wird die Guillotine und Plünderung eintreten und welche Wirkung wird das wieder auf Deutschland haben. Juli 8 Minister Braun sieht wieder einmal Gespenster. Er kam am Donnerstag zu mir, sagte, man besorge Unruhen für Sonntag und ich möge doch einen Artikel deshalb für den Anzeiger schreiben, worin Wachsamkeit gepredigt werde. Ich habe das getan, es mich noch einen Taler kosten lassen und stifte damit mehr Schaden als Nutzen.153 152 Johann, Erzherzog von Österreich (1782–1859). Von der Frankfurter Nationalversammliung am 29. Juni 1848 zum vorläufigen deutschen Reichsverweser gewählt. Niederlegung dieses Amtes am 20. Dezember 1849. Siehe Wurzbach, Band VI, S. 280. – Richard Reifenscheid: Die Habsburger. Graz, Wien Köln 1982, S. 302 ff.: 153 Nachtrag vom 9. Juli 1848: Glücklicher Weise ist die Redaktion klüger gewesen, hat den Taler behalten
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Heute Nachmittag war großer Trubel im Gesamtministerium. Es kam die Nachricht, dass der Erzherzog Johann, der Reichsverweser, den Montag hierher kommt. Da gab es nun eine Menge Arrangements zu treffen und Besprechungen zu halten, die teils dadurch erschwert wurden, dass die Minister sie immer wieder teilweise verließen, teils durch eine Art Wolkenbruch, der gerade in die Missionen hineinfiel. Ich schrieb daher bis spät noch Notifikationen an die Beamten in Löbau etc., wo der König ihn empfangen will. Während da im Gesamtministerium beraten ward, kam eine Deputation vom Vaterlandsverein, die darauf antrug, das Gesamtministerium möge doch gleich eine Sitzung halten und über das Ein- oder Zweikammersystem Beschluss fassen. Morgen halten nämlich die Vaterlandsvereine hier einen Kongress und dem sollte dann das Resultat mitgeteilt werden.154 Mitunter gehen denn doch die Prätensionen etwas ins Aschgraue. Mir fällt dabei eine Geschichte ein, die ein schlesischer Gutsbesitzer Buddenbrock Jordan erzählt hat. Auf einem Dorfe wird der Schmied gewählt zum Wahlmann und dieser fragt Buddenbrock, was er denn eigentlich nun zu tun habe. Dieser erklärt ihm, er müsse einen Mann wählen, der in petitiones mit ihm harmoniere und dabei kommt er aufs Zweikammersystem und spricht sich dafür aus. Ja, sagt der Mann, dafür bin ich auch. Ich möchte lieber fünf bis sechs Kammern, denn jetzt geht’s auf den Sommer und wenn bei der Hitze soviel Leute zusammengesperrt werden, wird einem ganz dämlich. Juli 10 Da ist er, der neue unverantwortliche Reichsverweser. Eben fuhr er, rechts vom König sitzend, in die Stadt durch Haye von Kommunalgarde und Militär, begleitet vom Vivat des Volkes, 101 Kanonenschüssen, die aber, da die Kanonen weit vor der Stadt standen,wie Türenzuschlagen klangen, von Glockengeläute etc. Es ist ein alter Herr mit starker Platte. Kurios, dass die Linke in Frankfurt so gegen die Unverantwortlichkeit ist. Sie stellt den Antrag, dass alle Abgeordneten „heilig und unverantwortlich“ sein sollen, will also einen „heiligen“ Joseph, Blum, einen „unverantwortlichen“ Schaffrath und der Reichsverweser soll nicht einmal gleiches Beneficium haben. Die Teilnahme war zwar etwas brüllend, aber im Ganzen nicht sehr groß, wie die ziemlich leeren Straßen beweisen. Er bleibt eine Stunde hier und reist dann weiter. Sehr angemessen war es, dass gerade heute Vormittag ein großer Anschlag von Advokat Frenzel und Genossen erschien, worin zu einer Versammlung zu Bildung eines republikanischen Klubs aufgefordert ward. Die Zettel wurden aber sofort am hellen Tage abgerissen. Am Sonntag Abend sind auf Braun’s Veranlassung, der nun einmal überall Revolution wittert, die Truppen konsigniert gewesen und brav wird nun Tzschirner Gelegenheit nehmen zu einer Interpellation, die morgen stattfinden soll. Es gehört wirklich eine fabelhafte Geduld oder sehr viel Passion für die fünftausend Taler dazu, um jetzt Minister zu sein. Es zirkuliert jetzt ein Gedicht, welches jemand auf dem Großen Winterberg eingeschrieben hat und folgendermaßen lautet: und den Aufsatz nicht gedruckt. 154 Die außerordentliche Generalversammlung der sächsischen Vaterlandsvereine fand am 9. und 10. Juli 1848 in Dresden statt. Sie war von der Führung des Dresdner Vaterlandsvereins einberufen worden, um das weitere Vorgehen in der Wahlrechtsfrage zu beraten. Siehe Weber, Revolution, S. 159 ff. – Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 549 f.
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Hier ist es schön, nicht gräßlig möde Hier ist der Freiheit Vaterland. Hier weilt kein Klette und kein Blöde Auch kein Verein für’s Vaterland. Hier hat man nicht das lange Balgen Um Freiheit und Errungenschaft. Hier wächst nur Holz für tausend Galgen Für jene deutsche Schwindlerschaft. Juli 15 Früh um 11 ins Amt (Justizamt Dresden), um den Appellationsrat Pietzsch zu interpellieren wegen des Medinger Konkurses, bei dem ich noch mit einigen tausend Talern beteiligt bin und der anscheinend ganz gut ruht. Dann ins Gesamtministerium, wo nicht viel Arbeit war. Da ich gar keinen mündlichen Vortrag jetzt halte, so mache ich zu jeder Sache einen Aufsatz und wenn mein Votum, wie die Regel ist, Beifall findet, expediere ich die Sache gleich. Nach Tische sollte um drei Uhr Session sein. Nachdem ich aber eine Stunde gewartet, ward sie abgesagt, da Pfordten krank war. Ich ging daher zu Braun, um einiges mit ihm zu besprechen. Er kam auf das neue Wahlgesetz, durch das aber zugleich unsere Verfassung wesentlich geändert werden muss und meinte, die norwegische Verfassung solle als Grundlage dienen. In Norwegen haben sie freilich keine Proletarier! Sonderbar, während wir hier die Erste Kammer wegschaffen wollen, erheben sich in Frankreich sehr viele Stimmen für deren Wiedereinführung. Da wir alles nachmachen, so kann dies auch für uns von Einfluss sein. Juli 16 Session im Gesamtministerium, zu der ich seit langer Zeit zum ersten Male wieder gezogen ward. Es war mir nicht uninteressant. Es handelte sich darum, an den Ausschuss des Parlaments Abgeordnete zur Auskunftserteilung bei Entwerfung eines Zollgesetzes zu schicken und es traten da Pfordten und Georgi als Freihandelsvertreter, die anderen als Schutzzöllner auf. Pfordten machte eine richtige Bemerkung. Sachsen sei durch die Teilung155 in seinem Gleichgewicht gestört, indem das Land zu klein sei und bei Störungen der Industrie die arbeitende Bevölkerung im Erzgebirge zu übersteuert. Es müsse deshalb die Herzogtümer hinzufügen zu seinem Steuerbezirke. Juli 28 Als ich früh ins Gesamtministerium kam, erfuhr ich, dass gestern noch spät großes Hallo gewesen, die Nachricht von einer Revolution in den Reußischen Landen, namentlich in Greiz ausgebrochen und militärische Hilfe von dort erbeten worden.156 Die Minister sind deshalb nach Pillnitz, heute früh, glaube ich, gefahren und Oberländer und Buttlar sind dann mit Extralokomotive abgereist. Dass sie nur nicht über Reuß hinausfahren, ohne es zu bemerken! Ich sprach mit Braun über diese Geschichte. Seine Staatsweisheit geht aber nicht sehr weit. Für Sachsen kann das Davonjagen solcher Mannequins von Fürsten nur vorteilhaft sein. Es ist das einzige Mittel, wie es ohne Raub auf dem Wege der occupatio rei 155 Gemeint ist die Verkleinerung Sachsens um zwei Drittel seines Territoriums im Ergebnis des Preßburger Friedens vom 19. Mai 1815. Siehe W. Kohlschmidt: Die sächsische Frage auf dem Wiener Kongreß und die sächsische Diplomatie dieser Zeit. 1930. – Uwe Niedersen (Hrsg.): Sachsen, Preußen und Napoleon. Europa in der Zeit von 1806–1815. Dresden/Torgau 2013. 156 J. v. Strauch: Die Schicksale und die Politik des Fürstentums Reuß ä. L. in den Jahren 1848 bis 1850. Greiz 1924.
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derelectae wieder seine naturgemäße Gestalt erlangen kann. Als solche soll denn das Ländchen vor der Hand besetzt werden. An den Reichsverweser hatte Braun ein Schreiben aus dem Gesamtministerium entworfen, was mir seinem Inhalte nach manches Bedenken, dem Geheimen Sekretär Winter aber deshalb große Skrupel machte, weil in dem reinen Konzept die Unterschrift Gesamtministerium mit Kanzleibuchstaben geschrieben war und er nun sich den Kopf zerbrach, ob das einen speziellen Grund habe. Ich überließ es zu seiner Verzweiflung seiner eigenen Entschließung. August 4 Die Nachricht, die am Mittwoch hier eintraf, dass sechstausend Mann Sachsen nach Holstein marschieren sollen, hat beim Militär große Freude verursacht. Adolf muss auch mit. Große Besorgnisse treten nicht ein, da ich nicht glaube, dass sie einen Schuss abfeuern werden.157 Inmittelst haben die Österreicher die Italiener tüchtig zusammengehauen und das Schwert Italiens, der König von Sardinien, zieht nun seine Pfeife ein.158 Wenn wir nur erst die kleinen Kriege los wären, damit wir zu Hause in Deutschland uns einrichten könnten. Heute früh ward Buttlar als Kriegsminister verpflichtet. Ein sehr braver, liebenswürdiger Mann, mir befreundet. Als ich Nachmittag zur Sitzung für das Zivilgesetzbuch ging, begegnete ich Oberländer. Es ist jetzt ein Reskript vom Reichsverweser gekommen, worin Oberländer mit Bezug auf die Ereignisse in Gera, wohin er als Friedensstifter bei ausgebrochenen Unruhen mit Buttlar gesandt worden war, wo ihm die Herstellung der Ruhe gelang und er sogar gebeten ward, er möchte gleich dableiben und die ganze Geschichte übernehmen, als Reichspacificator gleichsam angestellt und ihm aufgetragen wird, wenn in den Nachbarländern Spektakel entstehen, mit Güte oder Gewalt die Sache beizulegen. Das Kommissoriale verpflichtet alle Zivil- und Militärbehörden, ihm unbedingt zu gehorchen. Ich sprach mit Oberländer hierüber und erwähnte dabei, man sage, Kohlschütter komme nach Frankfurt, wie ich annahm zur Deputation des Parlaments für die gewerblichen Angelegenheiten. Da erfuhr ich aber vielmehr, dass Kohlschütter, da Todt jetzt zurückkommt, sich um die Stelle eines Gesandten beim Reichsverweser beworben hat, wozu er gar nicht passt und Oberländer erwähnte zugleich, dass Ehrenstein und ich dabei in Frage gekommen. Ich dankte schönstens! Und Ehrenstein wird ebenfalls keine Lust haben. Warum man nur nicht an Beust denkt. Ich schrieb ihm deshalb neulich, weil ich glaube, er sei dazu vorzugsweise geeignet, was ich auch hervorhob. Wer das gedacht hatte vor sechs Monaten. Heute wurden mir sächsische 4-ProzentStaatspapiere zu 82 Prozent angeboten! Die neue Anleihe zu 5 Prozent scheint nur sehr langsam vorwärts zu gehen und man denkt nun neben der Einkommensteuer noch an eine Zwangsanleihe, worüber jetzt schon ein Gesetz vorgelegt werden soll. Was das für Zustände sind! Mitten im Frieden erschöpfen wir die äußersten Hilfsmittel, Einkommensteuer, Zwangsanleihen, sonstige Anleihen, Mittel, zu denen Sachsen kaum im letzten Kriege hat greifen müssen! August 5 Früh ging ich zu Ehrenstein ins Finanzministerium, um ihm zu sagen, dass er nach Frankfurt in Frage sei, was ihn sehr erfreute! Kurios. Er scheint sich gar nicht ungern einmal von seiner Frau zu emanzipieren. Wir sprachen davon, dass die Huldigung an den 157 V. Weimar: Der Malmöer Waffenstillstand von 1848. 1959. – G. Scheel: Schleswig-Holstein in der europäischen und deutschen Geschichte. Neumünster 1933. 158 Über die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Österreich und Italien siehe Die Revolution im Kaisertum Östgerreich 1848/49. Hrsg. R. Kiszling. 2 Bände, 1948.
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Reichsverweser, die morgen stattfinden soll, kurioser Weise eine Stunde vor der Stadt am Heller stattfinden soll, was hier in der Stadt allerhand Deutungen veranlasst hat. Ehrenstein munterte mich auf, ich solle doch die Abänderung bewirken. Ich ging daher zum Minister Buttlar in die Kammer, wo er gerade war, fand aber erst dann geneigtes Gehör, wie ich ihm vorstellte, wie er durch die erste Handlung gleich wohlfeil Popularität erlangen könne. Das schlug durch und so bewirkte diese einzige Phrase, das vorher durchaus Unmögliche möglich zu machen. August 6 Um elf Uhr auf dem Infanterieexerzierplatz große Parade des Militärs zur Huldigung des Reichsverwesers bei furchtbarem Sturm und Staub ohne Gleichen. Dann ging ich zu Beust, dem ich einen soeben empfangenen Brief seines Bruders mitteilte, dem ich wegen des Frankfurter Postens geschrieben hatte, der ihm, wenn man den Fähigsten nehmen wollte, unbestritten zukäme und der auch darauf sich Hoffnung machte. Prinz Johann hat auch bei diesem Landtag mit einem faux pas debütiert. Er sprach gleich in der ersten Sitzung einige für ihn nicht passende Worte, worin er das neue Ministerium im Gegensatz zum alten hervorhob, was jeder Andere tun mochte, nur er nicht. Darüber mögen sich einzelne sich ausgesprochen und er dies erfahren haben. Er schreibt dann nun einen vier Seiten langen Brief an die Erste Kammer, worin er sein Bedauern ausspricht und bittet, das gute Vernehmen fortbestehen zu lassen. Die Kammer beratet in geheimer Sitzung darüber und beschließt denn, nichts zu tun, auf den Brief aber beim Prinzen um eine Cour zu bitten, die jedenfalls stattgefunden hat. August 9 Da Gera eine sächsische Besetzung wünscht und man besorgt, dass, wenn wir nicht einrücken, Preußen es tun möge, so sollen morgen sächsische Truppen, Oberländer an der Spitze, diese Eroberung vollziehen. Ehrenstein harrt immer noch der Entscheidung, ob er oder Kohlschlütter nach Frankfurt soll. Die Waagschale scheint sich mir für letztern zu entscheiden, was eine ganz unglückliche Wahl ist. Nicht vier Wochen wird er dort sein, um sich mit aller Welt zu verfeinden. August 10 Als ich heute in aller Gemütsruhe meinen Kaffee konsumierte, ward ich durch die Kommunalgardentrommler, welche Appell schlugen, überrascht. Es entstand bald große Lebendigkeit in den Straßen und ich folgte als Flaneur dem Strom der Menschen, der sich auf den Exerzierplatz wälzte. Hier war Militär und die ganze Kommunalgarde aufgestellt und der Zweck war Übergabe einer Fahne, die aber selbst offenbar keinen Zweck hat. Der König kam selbst und ließ die Kommunalgarde defilieren. Mittag um vier war ich zu Tische beim russischen Gesandten. Was der Mann immer gut unterrichtet ist. Ich glaubte wie alle Welt, dass heute sächsischen Truppen in Gera einrücken sollten und dass deshalb ein Herr von Einsiedel noch gestern Abend abgereist sei, um den Befehl zu überbringen. Schröder wusste es besser, dass dieser nämlich den Befehl widerrufen habe und das war das Richtige, wie dann jemand aus des Kriegsministers Munde bestätigte. Woher nimmt er nur seine Notizen! Das weiß der Teufel. August 12 Kohlschlüter hat nun das Ziel seines Strebens erreicht. Er wird Gesandter in Frankfurt beim Reichsverweser. In unserem Ministerium scheint wahrscheinlich wegen des Wahlgesetzes, was Oberländer auf so breiten Grundlagen bauen möchte, dass kein Mensch es übersehen kann, eine ernste Spaltung zu entstehen, die wohl mit Oberländers Austritt und Todt’s Eintritt endigen wird. Oberländer ist gewiss ein ganz ehrlicher Mann. Aber es geht ihm die Zurückhaltung ab, die nötig ist bei einem Minister, wenn er nicht einer Ansicht mit seinen
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Kollegen ist. So erzählte mir Gablenz, Tzschirner hat ihm gesagt, wie Oberländer sich darüber beklagt, er bringe das Wahlgesetz nicht durch bei den anderen Ministern und beim König. Wenn nun aber wenigstens die Leute alle ehrlich wären wie Oberländer. Das ist es aber, was einem solchen Ekel erregt bei dem Treiben der meisten, dass unter dem Deckmantel der Freiheit und Freisinnigkeit überall der Fuchs, die Hyäne vorguckt. Große edle Menschen sind zu allen Zeiten selten gewesen. Jetzt fangen aber auch die ehrlichen an, sehr rar zu werden und es wird wohl auch so weit kommen, dass, wer nur noch kein Schnupftuch gemaust hat, als Modell in den Schulen aufgestellt werden wird. August 17 Mittag zwölf Uhr kam Beust aus Berlin, den ich mit Beust sen., der auf vier Wochen hier, an der Eisenbahn erwartete, aber verfehlte. Er wohnt bei uns. Abends besprachen wir dann die deutschen Zustände. Er sagte mir, dass der Plan, neben dem Parlament eine Art Staatskammer zu errichten, in der Preußen und Österreich jede drei Stimmen, die anderen kleinen Staaten sich zu den übrigen Stimmen vereinigen sollten, von ihm ausgegangen und Sachsen diesem Plan, der aber inmittelst gescheitert, beigetreten, was Pfordten, als gestern in der Kammer deshalb angefragt ward, wohlweislich unerwähnt gelassen. Die deutsche Einheit scheint nach seinen Ansichten noch sehr im weiten Felde zu sein. Er geht morgen nach München, um seine Familie flott zu machen. Pfordten hat ihm die Fortdauer seiner Stellung in Berlin zugesichert, wobei er etwas sanguinische Hoffnungen auf die Geneigtheit der künftigen Stände, zehntausend Taler zu bewilligen, zu setzen scheint. August 20 Braun ist acht Tage in Schleiz und Greiz gewesen, um die reußischen Despoten zur Submission zu veranlassen. Oberländer ist zu demselben Zwecke in Altenburg. Dort ist es soweit, dass, wenn die Herzogin und ihre Tochter auf dem Altane des Schlosses erscheint, man ihnen unten aus der Stadt mit dem Sprachrohre Grobheiten und Zoten zuruft, dass man vor dem Herzog ausspuckt, wenn er sich zeigt. Ich war heute zum Minister Buttlar gebeten, dem ersten Minister, der etwas gibt! Es waren lauter Militärs da, aber das Diner ganz gut. Er sagte mir, dass allerdings der Befehl des Reichsverwesers da sei, das Militär auf zwei Prozent der Bevölkerung zu vermehren, dass man das aber dagegen sächsischerseits als unmöglich charakterisiert habe. Nach Tische kam Jordan zu uns immer uxore und abends waren Römer und Müllers incl. des radikalen Gardeoberleutnants159 bei uns, der als Demagoge, wiewohl zum Teil mit Unrecht, bei Hofe verschrieen ist, weil seine Eitelkeit gegen den Hochmut revoltiert und diesen beseitigt haben will, worin ich, obwohl aus anderen Motiven, vollständig mit ihm übereinstimme. August 22 Heute interpellierte Küttner ins Ministerium wegen der Aufhebung der Gesandtschaften, beruhigte sich aber nach kurzer Plänkelei bei allgemeinen Redensarten. Appellationsrat Ertel, der die Untersuchung gegen Tyssowski hier geführt hat160, teilte mir 159 Müller, Hermann (1817–1879), Oberleutnant der sächs. Gardedivision, Sohn des sächsischen Kultusministers Johann Christian Gottlieb Müller (1776–1836). 1849 Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung, gehörte dem linken Flügel der Abgeordneten an. Mitbeteiligt an der Vorbereitung des bewaffneten Kampfes um die Anerkennung der Reichsverfassung. Mitherausgeber der „Deutschen Kriegerzeitung“. 1851 Emigration in die USA, ab 1854 (?) in der Schweiz, dort zuletzt Eisenbahndirektor in Zürich. Siehe Weber, Revolution, S. 270 f. – H.v. Schubert, Lebenserinnerungen von Gustav von Schubert. 1909, S. 61 u. 64. 160 Tyssowski. Dr. jur. Johann (1811–1847). Polnischer Revolutionär. Führend am Krakauer Aufstand 1846 beteiligt, „Diktator“ des Freistaates Krakau, Am 8. März 1846 in Dresden verhaftet und während der polizeilichen Untersuchung Staatsgefangener auf der Festung Königstein. Abschiebung durch Österreich
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heute einige Auszüge aus anderen Akten, die ihm der österreichische Kommissar gegeben hatte, mit, aus denen sich ergibt, dass Blum seit langer Zeit in diesen Geschichten mit beteiligt gewesen ist. Ich extrahierte mir das Wesentliche.161 August 23 Der Abgeordnete Helbig aus Borna162, einer der Hauptverschwörer der Zweiten Kammer, schickte heute aus der Ständeversammlung einen ständischen Aufwärter mit einem Schreiben ins Gesamtministerium mit dem Hinzufügen, „es sei aus der Zweiten Kammer und sollte gleich vorgenommen werden“. Auch eine hübsche Manier, da das Schreiben von ihm als Advokat in einer Beschwerdesache gefertigt war. Indessen pressant war es und ich trug daher die Sache abends vor. Pfordten kam vor der Sitzung zu mir und sagte, sie konnten sich über das Wahlgesetz nicht einigen. Oberländer wolle eigentlich Einkammersystem und was er als Erste Kammer noch hinstellen wolle, sei gar nichts. Sie, die anderen, würden aber nicht nachgeben und so stehe das Ministerium ganz auf der Kippe, indem, wenn Oberländer nicht noch nachgebe, sie abtreten würden und ihm überlassen müssten, ein neues Ministerium zu bilden. Er schien sehr piquiert darüber, dass die Vaterlandsund Deutschen Vereine immer Oberländer und nicht die anderen Minister erwähnen. Soviel ist richtig, die Sache steht wacklig. Gibt Oberländer nach, so ist sein Kredit beim Volke – was man jetzt so nennt, geschwächt – gibt er nicht nach, so treten die anderen Minister ab, oder er, welches jetzt, da er der einzige populäre Name ist, sehr bedenklich wäre. August 28 Um halb drei Uhr Diner der Anwaltschaftsversammlung auf der Terrasse, zu dessen Teilnahme ich auch veranlasst worden war. Da ich viele Bekannte unter den Advokaten hier habe, amüsierte ich mich recht gut. Das Diner dauerte bis sieben und dann ins Gesamtministerium, wo jetzt das Wahlgesetz beraten wird, wovon ich aber nichts erfahre, da keine Protokolle über die Beratungen aufgenommen werden. Nur Buttlar erzählt mir oft und ich sehe daraus, dass Pfordten und Oberländer sich dabei sehr in den Haaren liegen. Ersterer zum Teil mit aus verletzter Eitelkeit, die es nicht verträgt, dass Oberländer jetzt von den Vereinen und den von diesen influenzierten Zeitschriften angefleht wird, er möge nur ja um Gottes willen bleiben. Pfordten, der den Radikalen ein Dorn im Auge ist und den sie gar gern weg haben möchten, weil sie ihn fürchten, wird freilich nicht darum gebeten. Bei dem Diner ward ein eigentümliches Mittel gebraucht, um einen Redner, Metzler, einen Radikalen vom reinsten Wasser, zum Schweigen zu bringen. nach New York. Siehe Reiner Groß: Dresden und die polnischen Emigranten zwischen 1830 und 1864. In: Dresdner Hefte 6 (1985), S. 27 ff., als überarbeitete Fassung auch in: Dresdner Hefte 50 (1997), S. 64–72. – Ders.:Festung Königstein. Monument und Mythos sächsischer Geschichte. Beucha 2014, S. 41. 161 Webers Auszug aus den amtlichen Untersuchungsakten siehe Dokumentenanhang Nr. 3. Über die Rolle der sächsischen kleinbürgerlichen Demokratie im Vormärz bei der Unterstützung der polnischen revolutionären Bewegung siehe W. Schröder: C. A. Martin – ein revolutionärer deutscher Postler. In: Wiss. Zeitschrift der Hochschule für Verkehrswesen Dresden. Jg. 3. 1955, S. 71 ff. – Rolf Weber: Das Verhältnis der kleinbürgerlichen Demokratie in Sachsen zur polnischen Frage 1848. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 1968. Heft 7, S. 855–873. – Groß, Dresden und die polnischen Emigranten, a. a. O. – Ders.: Ludwig Wittig und sein literarisch-publizistisches Wirken in Dresden. In: Dresdner Hefte 43 (1995), S. 84–90.. 162 Helbig, Johann Amadeus. Rechtsanwalt, seit 1846 Bürgermeister in Borna. Abgeordneter der äußersten Linken in der Zweiten Kammer der Ständeversammlung 1848/1849. Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. Nach dem Maiaufstand 1849 steckbrieflich verfolgt und Flucht in die Schweiz. Siehe Groß, Förster, Politische Emigration, a. a. O.
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Er zeichnet sich wie alle richtigen Radikalen durch heftiges Brüllen aus. Sowie er nun anfing loszulegen, schrie die Gesellschaft „lauter“ und zwar so, dass es ihm geradehin unmöglich ward, sich verständlich zu machen. Nicht gerade höf1ich, aber praktisch! September 4 Auf Reisewitzens ward heute von den hier versammelten Vaterlandsvereinen eine Volksversammlung gehalten, die aber sehr wenig Anklang gefunden hat. Hier ist kein Feld für dergleichen. September 7 Diese ganze Woche habe ich keinen der Minister gesehen. Daher auch keine einzige Sache vortragen können. Sie scheinen übrigens jetzt wieder etwas Mut zu schöpfen, da die Kammermajorität ihnen jetzt sicher ist. Die Radikalen in der Kammer haben sich durch ihr stürmisches, unkluges Benehmen selbst die Grube gegraben. Sie haben alle vor den Kopf gestoßen und bringen nun gar nichts mehr durch. Der Beschluss der Vaterlandsvereinsversammlung vom Montag, die Minister zum Abtreten aufzufordern, hat als Gegenstoß nun eine Vertrauensadresse des Deutschen Vereins hervorgerufen und so paralysiert eine Partei die andere. Wenn man einmal einen Blick in die Zukunft Deutschlands werfen könnte! Ob was aus der Sache wird? Beust kam heute Abend aus München, wo er seine Familie zur Abreise nach Berlin vorbereitet hat, hier an und war mit seinem Bruder, dessen Frau und der Houwald den Abend bei uns. Am letzten Sonntag war wieder eine Konferenz in Leipzig mit Altenburg, Reuß etc. Pfordten wünschte mich dazu mitzunehmen, allein die anderen Minister hatten erklärt, sie könnten mich nicht auf drei Tage entbehren – obwohl sie mich während der Zeit, wie gedacht, gar nicht gesehen haben und das einzige pressante, was vorkam, ein Schreiben an den Präsidenten der Zweiten Kammer war, womit am Montag das Wahlgesetz übersendet ward, ein Schreiben, das jeder Kanzlist machen konnte. September 12 Hier bei uns geht wieder einmal überall in Folge der Wühlereien der Vaterlandsvereine gegen das Ministerium und das Wahlgesetz der Spektakel los. So in Zwickau, Chemnitz, wohin heute Militär marschiert ist.163 September 20 Gestern Abend kam die Nachricht an, dass in Berlin ein ganz reaktionäres Ministerium errichtet und eine Masse Militär eingerückt ist. Man scheint dort einen Schlag zu beabsichtigen164. September 23 Seit der Herstellung der Ruhe in Frankfurt fängt an die Reaktion – um eine Lieblingsphrase der Neuzeit zu gebrauchen – gewaltig ihr Haupt zu erheben. Man sieht in Berlin die Revolution bereits ebenfalls besiegt und hofft nun für Sachsen auch eine Herstellung des Alten, und was für Kerls das sind, die darüber schwatzen! Ich war gestern beim Oberhofmarschall Reitzenstein, da konnte man sich erbauen! Am schwächlichsten sieht es aus mit der Einheit Deutschlands. Bei Reitzenstein war auch der neue französische Gesandte 163 Über die Vorgänge in der Zwickauer Garnison der sächsischen Armee siehe Martin Michel, Revolution und Reaktion von 1848 bis 1850 in Zwickau und Umgebung. Zwickau 1937. 164 Am 21. September 1848 trat das preußische Ministerium Auerswald/Hansemann zurück. An die Stelle dieses liberalen Märzministeriums trat das konservative Ministerium unter General Ernst von Pfuel (1779–1866). Siehe dazu Fritz Hartung: Verantwortliche Regierung, Ka binette und Nebenregierungen im konstitutionellen Preußen 1848–1918. In: Forschungen zur Brandenburg-Preußischen Geschichte. Band 44. 1932. H. J. Schoeps: Das andere Preußen. Konservative Gestalten und Probleme im Zeitalter Friedrich Wilhelms IV. 1957.
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Reinhardt, ich weiß nicht, ob er seinen Grafen noch führt oder abgelegt hat. Es verbreitete sich die Nachricht, dass Blum’s und Schaffrath’s Arretur in Frankfurt beantragt worden sei. Eine große Proklamation des Reichsverwesers ward heute Abend an allen Straßenecken angeschlagen. Mittags aßen wir mit Nostitzens auf dem Waldschlößchen: er geht in den nächsten Tagen nach Frankfurt als Kommissar in Zollsachen ab. Die Ermordung Lichnowsky’s und Auerswald’s in Frankfurt ist nach den näheren Details wahrhaftig scheußlich.165 Turner von siebzehn und achtzehn Jahren aus Hanau haben die deutsche Nation damit geschändet. Ich bedauere mehr diese unglücklichen Knaben, die der Fanatismus verblendet, als die Opfer. Vielleicht ist jetzt das Gewissen schon erwacht in ihnen und zeitlebens werden sie nun den nagenden Wurm nicht los. Ein gutes Gewissen ist es doch allein, was das Leben ertragen lässt! September 25 Ich bekam heute den Entwurf des neuen Militärgesetzes, wonach unter Aufbebung der Stellvertretung alle Tüchtigen ohne Unterschied als Soldaten auf drei Jahre eintreten müssen. Eine Härte, zu der keine andere Gesetzgebung ein Beispiel bietet, da man doch in Preußen für die Freiwilligen die einjährige Dienstzeit hat. Ich sprach deshalb auch mit Buttlar. Aber er bildete sich noch etwas ein auf die Konsequenz seines Entwurfes. Als ob so ein Gesetz den Unterschied der Bildung des Menschen gleich rasieren könnte! Es wird nicht zehn Jahre bestehen, weil es unvernünftig ist. Ich ging früh zu Zeschau, bei dem ich eine Stunde war. Er sagte mir u. a., was mich überraschte, dass Villers, den ich für recht fähig gehalten, ein ganz unbrauchbarer Mensch sei, träge und ohne Kenntnisse und Geschick. In Baden ist Struve mit dreitausend Freischärlern eingefallen.166 In Thüringen erwartet man auch Spektakel und es wird dort ein Truppenkontingent konzentriert, wozu wir sechstausend Mann geben müssen. Oktober 1 Es scheint, man will nun ernstere Maßregeln ergreifen. Hier ist gestern ein Musikdirektor Röckel167 und Buchdrucker Gärtner wegen eines Aufsatzes an das Militär arretiert worden und in Oelsnitz hat man einen Studenten Schanz168 , der aufrührerische Reden gehalten, arretiert. Das Volk hat ihn aber befreit und man hat zwei Bataillone, die zu dem Armeekorps, das in Altenburg zusammengezogen wird, stoßen sollten, dorthin geschickt und Braun ist hingegangen. Er wird nicht viel f1ott machen. Oktober 2 Anton kam heute von seiner Reise an den Rhein zurück und erzählte manches aus Frankfurt, wo er durch Trützschler, den er von früher kennt, mit den Mitgliedern 165 Lichnowsky, Felix Fürst von (1814–1848). Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung und Mitglied des rechten Flügels. Am 18. September 1848 in Frankfurt a. M. gemeinsam ermordet mit Auerswald, Hans Adolf Erdmann von (1792–1848), preußischer General. Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung und Mitglied des rechten Zentrums. Siehe Veit Valentin: Geschichte der deutschen Revolution 1848/49. Band 2, S. 164 f. 166 Struve, Gustav von (1805–1870), Rechtsanwalt in Baden. Republikaner und Führer der radikalen Opposition in Süddeutschland.. Siehe ADB Band XXXVI, S. 681. – K. Ackermann: Gustav von Struve. Heidelberg 1915. – Biographien zur deutschen Geschichte, S. 498. 167 Röckel, Karl August (1814–1876). 1843 Musikdirektor der Hofkapelle in Dresden. Mitglied des Demokratischen Vaterlandsvereins,1849 Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. Enger Freund von Richard Wagner, Ludwig Wittig und Michael Bakunin. Siehe seine Lebenserinnerungen August Röckel: Zu lebenslänglich begnadigt. Hrsg.von Rolf Weber. Berlin 1963. 168 Schanz, Julius. Jurastudent in Leipzig. Kleinbürgerlicher Sozialist. Über sein Wirken vor allem im sächsischen Vogland siehe Weber, Revolution, S. 184 ff.
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der äußersten Linken bekannt worden. Sie haben freilich ihm gegenüber nicht so wild getan und versichert, sie wollten nur für Deutschland selbst eine republikanische Regierungsform. Allein die Einzelstaaten sollten behalten, welche Form sie wollten. Von Blum und Genossen wollen sie nichts wissen. Er ist ihnen zu lau und unentschlossen. Siemens hat Anton auch aufgesucht. Er hat eine Affäre mit Wesendonck169 von der äußersten Linken gehabt. Wesendonck hat sich nämlich anfänglich auf die Linke gesetzt, aber nicht immer mit ihr gestimmt. Eines Tages spricht er mit einigen anderen über eine Abstimmung, als Wesendonck, der vor ihm sitzt, sich umdreht und ihm sagt: Was sitzen Sie denn hier, wenn Sie nicht mit uns stimmen. S.: Was geht Sie das an, wie ich stimme. Bekümmern Sie sich um ihre Abstimmung. W.: Ich mag aber nicht Spione neben mir haben. S.: Sie sind ein Schuft. W.: Wieso. Sie wissen ja gar nicht, ob ich Sie meine. S.: Aber ich meine Sie. Die Folge dieses Zwiegesprächs ist nicht ein Duell, sondern eine Ehrenerklärung und Widerruf seitens Wesendonck gewesen! Unter anderen zahllosen Petitionen kam jetzt auch eine vom Arbeiter- und Vaterlandsverein zu Chemnitz, worin gesagt ward, sie verlangten, dass zur Aburteilung der Chemnitzer Barrikadenhelden eine besondere Kommission aus Todt, Schaffrath und Joseph niedergesetzt würde, zu denen sie allein Vertrauen hätten. Am bequemsten ist es freilich, wenn der, welcher in Untersuchung kommt, sich seine Richter selbst wählt. Was das für eine Konfusion jetzt in den Köpfen ist! Gewissenhaft referierte ich die Vorstellung ans Justizministerium zur Erwägung. Denn es muss doch alles in der Welt seine Registrandennummer und Resolution bekommen. Die Vorstellung ward noch dazu von Todt selbst dem Gesamtministerium übergeben. Was der edle Volksfreund wohl dabei gedacht hat. Der Zustand der Welt ist ungefähr so gemütlich als die Situation eines Staatsbürgers, der sich zum Ruhesitz eine offene Pulvertonne gezwungen wählen muss, um welche ein Dutzend Kinder oder Wahnsinnige mit brennenden Kienspänen gokeln. Und nirgend Mut, bei keiner Partei ein Mann, große Peter die Menge, aber kein Peter der Große. Oktober 8 Wieder gehen dumpfe Gerüchte von einem großen Blutbade in Wien herum, bei denen der Kriegsminister Latour gehängt worden sei.170 In Zwickau ist eine kleine Militärenrute gewesen. Das könnte der Anfang des Endes werden. Sobald das Militär nicht mehr verlässlich ist, hat die rote Republik gewonnenes Spiel.171 Oktober 9 In Wien der Kriegsminister Latour ermordet, der Kaiser geflohen, das Zeughaus geplündert – Folgen der niederträchtigen Perfidie, mit der die Regierung in Ungarn gehandelt, wo sie mit Jellacic172 unter einer Decke spielend eine Lüge auf die andere gehäuft 169 Wesendonck, Hugo Maximilian (1817–1878). Anwalt in Düsseldorf. Ab geordneter der Frankfurter Nationalversammlung. Siehe Hugo Wesendock: Vom ersten Deutschen Parlament. In: Gegenwart. 54. 170 Latour, Theodor Graf Baillet von (1780–1848). Österreichischer Kriegsminister. Am 6. Oktober 1848 von Aufständischen in Wien erhängt. 171 Michel, Revolution und Reaktion in Zwickau, Leipzig 1938, S. 52–57 172 Jelacic, Josef Graf von (1801–1859), österreichischer General und Feldzeugmeister. Besiegte im September 1848 die ungarische Revolutionsarmee. Mitwirkung an der Seite von Windischgrätz bei der Einnahme von Wien im Oktober 1848. Siehe Wurzbach Band 10, S. 140.
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hat. Diese Nachrichten, der Sieg des Volkes wird hier sich sehr bald geltend machen. Es ist der Plan der Linken, sich mit den verschiedenen konstituierenden Versammlungen zu vernehmen und ein neues Nationalparlament zu konstituieren, da sie mit dem in Frankfurt nicht zufrieden sind. Tzschirner und Helbig aus der Zweiten Kammer, die Führer der Linken, sind deshalb jetzt nach Berlin und Frankfurt gereist und den 27. Oktober wollen diese Abgeordneten insgesamt in Berlin zusammenkommen.173 Adolf schrieb mir gestern aus Jena, wo er mit den sächsischen Reichstruppen steht. Zezschwitz war gestern dort gewesen bei einer Volksversammlung, die die Regierung zugleich als Mausefalle benutzt hatte, um verschiedene durch Steckbriefe verfolgte Wühler, die bei dieser Gelegenheit ans Tageslicht kamen, wegzufangen, was ohne allen Widerstand der Volksmassen erfolgt ist. Oktober 10 Ich hatte mit Braun zu sprechen und suchte ihn daher im Justizministerium auf. Er beklagte sehr, dass seiten des Obersten Roßhausen in Zwickau nichts wegen der Widersetzlichkeit einzelner Soldaten geschehen sei, die am Donnerstag in Gemeinschaft mit Zivilisten einen gefangenen Soldaten befreit und dann auf Generalmarsch nicht erschienen sind. Oberländer ist heute hin und Braun sagte, er würde den Oberst arretieren lassen. Oktober 15 Oberländer ist noch immer im Gebirge, wo er die Zustände, wie er schreibt, sehr verwildert gefunden hat. In Zwickau hat man die sieben Soldaten, welche in Gemeinschaft mit einer Menge Zivilisten einen gefangenen Soldaten Fraaß befreit hatten, arretiert, nachdem man anderes Militär hinzugezogen hat und das Militär hat sich dabei ganz ruhig verhalten. Allein eine Menge Volk ist zusammengelaufen und es ist sehr nahe daran gewesen, Gewalt brauchen zu müssen. Die Arretierten haben sogleich geäußert, sie seien unschuldig, sie seien gewählt worden, was also auf einen förmlichen Plan schließen lässt, der von den Wühlern ausgegangen ist. Der Landtag schleppt sich nun immer noch hin. Neulich ward schon ein Dekret abgefasst, wonach der Schluss den 5. November stattfinden sollte. Es ist aber wieder zurückgelegt worden. Die Zweite Kammer hat mehrere Tage keine Sitzung gehalten – weil Tzschirner und Helbig, die in Revolution machen, dieser Geschäfte halber nach Berlin und Frankfurt gereist sind. Auch nicht übel! Was soll nur aus diesen Zuständen werden, fragt man sich immer besorgter. Oktober 18 Braun ist krank. Vielleicht dass nun die Geschäfte etwas besser gehen, wenn Pfordten die Direktion übernimmt. Seit drei Monaten habe ich gar nichts vortragen können und alle Geschäfte, die ich fortgebracht habe, nur dadurch flott gemacht, dass ich die Sachen ohne Vortrag gleich expediert habe. Gestern stand in der Augsburger Allgemeinen Zeitung ein Artikel, der den Operationsplan unserer Linken enthält. Er besagt, Tzschirner, Evans174 und Helbig waren nach Berlin 173 Es handelt sich um den Zweiten demokratischen Kongreß, der vom 26. bis 30. Oktober 1848 in Berlin stattfand. 174 Evans, Eli. (1765–1844), 1801 Übersiedlung von Manchester nach Sachsen. Werkmeister der Baumwollspinnerei von C. F. Bernhard in Harthau bei Chemnitz. 1807 eigene Maschinenbauwerkstatt in Dittersdorf bei Zschopau und Spinnereibesitzer in Siebenhöfen bei Geyer. 1845/1846 stellvertretender Abgeordneter in der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. März 1848 Abgeordneter im Frankfurter Vorparlament. Siehe Rudolf Forberger: Industrielle Revolution in Sachsen 1800–1861. Band 1/1. Berlin 1982, S. 227.
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gegangen, um in Verein mit der dortigen Frankfurter Linken in Berlin ein Gegenparlament zu bilden. Sie wollten, wenn sie sich stark genug fänden, sich zur konstituierenden Versammlung sowie einen Vollziehungsausschuss bestellen, alle Regierungen und Ständeversammlungen, die sich ihnen nicht submittierten, für Vaterlandesverräter erklären, die Republik proklamieren und durch den Terrorismus sie gewaltsam einführen. Je toller etwas ist, je eher ist es jetzt zu glauben, wo alle Vernunft aus Deutschland verschwunden zu sein scheint. Als ich heute im Gesamtministerium war, kam Oberländer zu mir, dem ich jenen Artikel zeigte. Er sagte, es möchte wohl nicht ganz so schlimm sein, aber für Hochverrat halte er dergleichen Bestrebungen doch, wirklich! Er hat überhaupt seine rosigen Ideen über die Menschheit, seine Ideale etwas schwinden lassen und fängt an, die Sachen nüchterner zu besehen. Heute gehen ein paar Kanonen ins Vogtland ab, wo es immer gärt, ohne zum Ausbruch zu kommen. Als Oberländer fort war, kam Buttlar, der mir sagte, es sollten in Altenburg einige Wühler arretiert werden, wobei es wohl Spektakel geben kann. Oberländer erzählte, dass das Reichsministerium eine Übersicht über alle politischen Vereine haben wolle, ihre Tendenzen, Statuten, Zahl der Mitglieder und dass er deshalb eine Bekanntmachung entworfen habe. Ich redete ihm das aus, da eine so1che Inquisition sich doch offenbar mit dem ganz freien Vereinsrecht nicht vereinigen lässt und großen Spektakel machen wird. Es sieht aus, als ob das Reichsministerium Präventivmaßregeln beabsichtigte und auf das frühere Verbot der politischen Vereine hinauskäme. Oktober 19 Ich suchte Pfordten in der Zweiten Kammer auf, wo die deutsche Verfassungsfrage gerade vor war. Er bat mich, dem König zu melden, dass er jetzt nicht abkommen könne und daher später kommen werde. Ich ließ mich beim König melden und kam dann, nachdem ich mich meines Auftrages entledigt, mit ihm ins Gespräch, wobei er denn sehr offen sich aussprach und insbesondere anerkannte, dass Oberländer ein ganz braver Mann sei, der nur eben noch Ideale vor Augen habe, die nicht existieren. Auch Pfordtens Talente erkannte er sehr an und nannte seine Wahl einen sehr glücklichen Griff. An Braun rühmte er einen staatsmännischen Blick, den ich noch nicht wahrgenommen habe. Wenn der König so unter vier Augen spricht, wo er gar nicht verlegen ist, ist seine Unterhaltung lebhaft und angenehm. Ich habe keine Idee von Verlegenheit, wie denn überhaupt der Nimbus der Krone nur wenigen noch imponiert und so blieb ich wohl eine Stunde dort und wir rekapitulierten die ganzen sechs Monate, die so viel verändert haben, zusammen. Übrigens schien der König die Zustände viel weniger schwarz zu sehen, als sie mir doch scheinen. Er hatte, da Braun unwohl ist, diesen besuchen wollen. Es war aber beim Wollen geblieben, da Braun sich zu ihm hatte tragen lassen. Oktober 25 Gestern Abend sollte Sitzung sein, viel aber weg, weil Braun wieder unwohl ist. In Wien ist es immer noch nicht zur Entscheidung gekommen, obwohl sie den Abgeordneten der Linken, welche eine Adresse hingebracht, in der Aula einen Calabreserhut aufgesetzt und einen Säbel umgeschnallt haben.175 Oppell, der Polizeidirektor, der beim Gesamtministerium eine Vorstellung wegen seiner Besoldung eingebracht hat, die ich seit Monaten zum Vortrag vorbereitet daliegen habe, aber 175 Als Vertreter der Frankfurter Nationalversammlung wurden Robert Blum, Julius Fröbel, Moritz Hartmann und Albert Trampusch gewählt. Zur Unterstützung der Aufständischen in Wien wurden sie am 12. Oktober 1848 mit einer Adresse nach Wien gesandt. Sie trafen am 17. Oktober in Wien ein und beteiligten sich am Kampf gegen die österreichische Armee. Siehe Schmidt, Blum, S. 235 ff.
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nicht flott machen kann, lamentiert mir immer die Ohren voll, ohne dass ich es ändern kann. Oberländer macht ihm allerdings bisweilen sonderbare Streiche. So sind vor einigen Tagen drei Polen aus dem Orte, wohin sie von Preußen konsigniert worden, Langensalza, entflohen und es kommt die Requisition von dort an die Polizei, man solle sie, wenn sie hier einträfen präsumtiv auf dem Wege nach Wien – zurücksenden. Als Oppell dies seinen Beamten bekannt macht, erfährt er, dass sie denselben Tag auf Anordnung des Ministers Oberländer durch den Postsekretär Martin176 unentgeltlich, d. h. auf Staatskosten, bereits weiter nach Wien mit der Post oder Eisenbahn spediert worden sind. Von hier sind gegen vierzig Leute, ohne Waffen meist, mit zwei Taler Reisegeld vom Vaterlandsverein versehen, nach Wien abgegangen. Da aber niemand hinein nach Wien kann, so werden sie wieder umkehren müssen. Oktober 29 Am Freitag früh kam der alte Geheime Sekretär Winter zu mir und sagte mir, er wolle nun um seinen Abschied einkommen. Um elf kam der Geheime Archivar Tittmann ins Gesamtministerium und brachte ein gleiches Gesuch. Jeder, wer kann, geht jetzt ab, um noch dem alten Pensionsgesetz unterworfen zu bleiben, da man die Pensionen herabzusetzen beabsichtigt. Mein Entschluss war längst gefasst. Ich ging sogleich gestern zum Minister Braun und Pfordten und bewarb mich um Tittmanns Stelle, wobei ich mich in Gehalt und Rang nicht verbessere, auch Geschäfte übernehme, die mir weniger vertraut und angenehm sind – aber aus dem Strome komme und aus einer Stellung, die bei einer abermaligen etwaigen Veränderung der Minister mir unerträglich werden könnte. Beide Minister wollten nichts davon wissen, weil ich unentbehrlich sei, worauf ich denn ihnen zu exponieren hatte, dass dies gar nicht der Fall sei. Pfordten sagte: „Nun, da können wir gleich das Gesamtministerium ganz zumachen!“ Sehr schmeichelhaft alles das Gerede, aber ebenso unangenehm. Beim Herausgehen traf ich Buttlar, den ich denn für mein Gesuch viel besser gestimmt fand. Er fand es besonders verletzend für mich, dass ich nicht bei allen Beratungen der Minister gegenwärtig sei. Das finde ich nun gar nicht, da es für mich so viel bequemer ist. Aber sehr unsinnig ist es, wenn ich von einer Menge Sachen gar nichts erfahre, die ich doch notwendig wissen sollte. Heute morgen ging nun ich Oberländer zu bearbeiten, bei dem ich auf den meisten Widerstand zu treffen fürchtete, was aber gar nicht der Fall war, indem ich bei ihm mit der Argumentation zu reussieren schien, dass der Ministerialrat ex populo genommen werden müsse, aus der Partei des Ministeriums. Nach Tische ging ich zum Zollrat Nostitz, der seit einiger Zeit in Zollmission in Frankfurt ist. Die Verhandlungen dort haben zur Zeit noch kein Resultat gehabt, wie denn überhaupt die deutsche Sache nicht vom Fleck kommt. Das wird uns nächstes Jahr eine neue Revolution bringen und – die Republik. Der Demokratenkongress, der von Mitgliedern der Linken sich in Berlin jetzt versammelt hat, hat die Republik beschlossen, besteht aber freilich nur aus circa hundert Personen. Sehr naiv ist dabei das Bekenntnis des Rechnungsführers des demokratischen Vereins. Er beklagt, dass die Sammlungen so spärlich eingingen. Einen Monat seien nur sechzehn Taler eingegangen und davon sollten fünf Menschen (das Komitee) leben und noch revolutionieren! 176 Martin, Karl August (1806–1882/83), Hofpostamtssekretär in Dresden. Während des Maiaufstandes Adjutant von Heubner. Er war eine Schlüsselfigur für die Verbindungen zu der polnischen demokratischen Emigration in Frankreich. Siehe hier Anm. 161.
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Oktober 31 Nach Wien, was nach telegraphischen Nachrichten gestern nach hartem Kampfe sich an Windischgrätz177 übergeben hat, ziehen gleichwohl noch immer Freischärler. Ich begegnete heute einem, im Gesichte so haarig wie eine Muse, sonst ganz wohl gekleidet, mit Federhut, einem großen Mantel. Als ich näher kam, fiel mir auf, dass sein Tritt ganz geräuschlos war. Er ging nämlich in Babuschen, offenbar eine Kriegslist, vermöge welcher er Windischgrätz unbemerkt überfallen wollte. Unter dem Mantel barg er eine geheimnisvolle und deshalb um so besorglichere Waffe, von der nur zu Zeiten eine metallene Spitze sich zeigte. Neugierig beobachtete ich diese Spitze und fand mich nicht wenig befriedigt, als nur ein Zufall den Mantel öffnete und ich in der Hand des jungen Helden einen – Regenschirm erblickte, jedenfalls gegen den Kugelregen! Die andere Hand führte einen Nachtsack, wahrscheinlich mit Zahn-, Haar- und anderen Bürsten, denn der Held sah ganz zierlich aus. Der österreichische Gesandte visiert diesen Leuten die Pässe, eröffnet ihnen aber, sie würden in Wien gehangen werden, und in dieser gemütlichen Aussicht wandem sie hin. November 2 Kurios! Die Nachricht, dass Wien sich übergeben – obwohl, wie sich heute zeigte, voreilig, da die innere Stadt sich am 31. noch verteidigte – hat hier ein unerwartetes Resultat gehabt. Nämlich dieses, dass die Erste Kammer in ihrer großen Mehrzahl übereingekommen ist, das Wahlgesetz anzunehmen. indem sie sagen, man könnte glauben, dass ihre Weigerung sich auf den Sieg der Reaktion in Wien stütze – eigentlich aber wohl, weil sie froh sind, irgend einen Vorwand zu finden, ihrer Furcht nachzugeben. Ich teilte dieses Resultat, das mir Erdmannsdorf mitteilte, Pfordten und Braun mit, die es wahrscheinlich schon durch Oberländer wussten und daher mit philosophischer Ruhe diese für sie doch sehr wichtige Nachricht in Empfang nahmen. November 4 Gestern Abend, als ich von Oberappellationsrat Held kam, wo wir Sitzung über das Zivilgesetzbuch gehabt, traf ich auf dem Postplatz eine Masse Menschen, indem einigen Parlamentsmitgliedern der Linken, Trützschler und dem bekannten Zitz aus Mainz178, ein Fackelzug vom republikanischen und vom Vaterlandsverein gebracht ward. Es waren circa zwei- bis dreihundert Fackeln, die lauter sehr junge Menschen trugen. Die Erste Kammer hat heute Mittag halb zwölf das neue Wahlgesetz gegen zehn Stimmen angenommen. Somit tritt Sachsen also wiederum in eine neue Phase seiner Verfassung. Nur achtzehn Jahre dauerte die damalige. Wie lange wird die nächste genügen? November 8 Der Schluss des Landtages ist verschoben bis zum 15., damit noch einige Interpellationen angebracht werden können. Pfordten hatte mir mitgeteilt, dass er alle Mittwoche Gesellschaft bei sich habe und mich mit meiner Frau zu erscheinen gebeten. Heute ward das ins Werk gesetzt, aber welche Gesellschaft! Da waren die Zeschau’schen Soireen golden. Es war niemand da als das diplomatische Korps und die Räte der Ministerien des Auswärtigen und Kultus. Diese dünne Gesellschaft verteilte sich in drei Zimmern und ich war höchst glücklich, als ich mit dem russischen, französischen und englischen Gesandten am Spieltische saß und diesen drei hohen Mächten glücklicherweise das Geld abnahm. 177 Windischgrätz, Alfred Fürst von (1787–1862), österreichischer Feldmarschallleutnant. 1840 bis 1848 kommandierender General in Böhmen. Im Oktober 1848 schlug er die Volkserhebung in Wien blutig nieder. Siehe ADB Band 43, S. 390. 178 Zitz, Franz Heinrich (1803–1877), Anwalt in Mainz. Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. Linker Demokrat. Bürgerwehroberst in Mainz.
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Robert Blum ist in Wien arretiert und heute bereits eine Deputation an Pfordten gekommen vom hiesigen Vaterlandsverein, um die Interzession der Regierung für ihn in Anspruch zu nehmen. November 12 Mittag in der Session des Gesamtministeriums sagte mir Pfordten, dass Robert Blum am 9. in Wien standrechtlich erschossen worden ist! Eine Nachricht, die ungeheures Aufsehen machen wird. Er soll gestanden haben, dass er vom demokratischen Zentralkomitee nach Wien geschickt worden, um die rote Republik zu organisieren und dass, wenn es gelungen, drei Guillotinen dort hätten aufgestellt werden sollen.179 Er hat nicht geglaubt, dass man sich an ihm vergreifen werde und erst, als er in den Kreis geführt worden, hat er den Ernst erkannt und soll dann knieend um sein Leben gebeten haben. Nach anderen Nachrichten ist er mutig gestorben, was ich jetzt, wo das Leben so wenig darbietet, eben nicht für schwer halte. Sehr Schade um die großen Talente dieses Mannes, der jedenfalls der geschickteste der Emmissäre der Propaganda war. Jetzt wird er wohl zur Erkenntnis gekommen sein, dass er den richtigen Weg nicht gewählt hat, um Deutschland zur Freiheit zu führen. Dass wir, die wir dies ernstlich wollen, uns mit jener Partei, der er angehörte, nicht vereinigen können! Es ist schon gewiss so mancher unter ihr, der es wie ich ernstlich meint, der für sich nichts will, nur das Wohl des Vaterlandes. Aber freilich die ungeheuere Mehrzahl will eben bloß ihren Vorteil, Anarchie, um dabei im Trüben fischen zu können. November 14 Die Nachricht von Blum’s Tode hat ungeheueres Aufsehen gemacht. Interpellationen in der Kammer. Heute Nachmittag eine Sturmpetition vom republikanischen Verein, sechs- bis achthundert Menschen, die Pfordten durch eine Deputation angegangen, der Gesandte von Könneritz in Wien solle sofort abgesetzt und Blum’s Leiche hierher gebracht werden. In Leipzig haben sie dem österreichischen Konsul das Wappen heruntergerissen und verbrannt. Kurz, es fehlt nur noch, dass sie diesem seit Jahren im ausländischen Solde stehenden Wühler ein Monument errichten. November 15 Heute wurden die Sitzungen des Landtages geschlossen! Ein verhängnisvoller Tag, mit dem unsere zeitherige Verfassung abschließt und die neue beginnt, die, wenn sie einige Jahre bleibt und die Zeiten sich nicht ändern, das bin ich überzeugt, die Vorhalle der Republik ist. Die Adressen wegen Blum’s Hinrichtung mehren sich immer mehr. Heute kam eine von einer Volksversammlung in Leipzig, man solle dem österreichischen Gesandten sofort seine Pässe zuschicken und Österreich den Krieg erklären und den sächsischen Gesandten verhaften und unter sicherer Eskorte anher bringen lassen.180 Ich hatte viel Arbeit mit dem Landtagsabschied, dessen Materialien bei den einzelnen Ministerien mit der zeitgemäßen Liederlichkeit und Flüchtigkeit bearbeitet werden, die man früher nicht kannte und alle Arbeit doppelt zu machen nötigt.
179 Randbemerkung vom 6. März 1848: Tageslügen! 180 Siehe Dokumentenanhang Nr. 4: Auszüge aus den Darlegungen des sächsischen Außenministeriums über das Verhalten des sächsischen Gesandten Rudolf von Könneritz in Wien bei der Erschiessung von Robert Blum auf der Brigittenau am 9. November 1848. Siehe auch Ludwig, Neemann, Revolution in Sachsen, S. 122, 129. – Manfred Hettling, Revolution als kognitive Struktur? Der Totenkult für Robert Blum und der Maiaufstand in Dresden. In: Dresdner Maiaufstand und Reichsverfassung 1849. Leipzig 2000, S. 81–105.
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November 16 Ein turbulenter Tag! Früh halb zehn ward ich ins Gesamtministerium gerufen, wo die sämtlichen Minister mit dem Kopfe gegen die Wand rennen wollten. Der Vaterlandsverein hatte nämlich eine Kirche zu einer Versammlung über Robert Blum’s Tod haben wollen. Pfordten hatte das abgeschlagen, aber die Reitbahn im Kadettenhause vorgeschlagen und sie deshalb an Butttlar verwiesen. Dieser gestattete es, sagte es aber heute dem König. Der springt vom Stuhl in die Höhe, wird dunkelrot und sagt, nie werde er das zugeben, es möchte das Äußerste geschehen. Buttlar kam leichenblass ins Gesamtministerium zurück. Braun ließ nun den Geheimen Hofrat Zenker kommen. Der sollte dem König auseinandersetzen, dass ihm das nichts anginge, weil die Reitbahn nicht zur Zivilliste gehöre, d. h. Zenker sollte sich die Pfoten verbrennen, was denn auch geschah – der König hatte nicht darauf gehört und war davongelaufen. Ich beruhigte nun die Minister, sie sollten nur das Feuer erst auslodern lassen. Nach ein paar Stunden werde der König zu all dem Ja sagen und so geschah es. Als um zwölf Braun nochmals die Sache vorbrachte, hatte er sich beruhigt. Nun sollte inzwischen der Landtagsabschied gemacht werden. Das war eine Konfusion. Statt dass die einzelnen Sätze bei den Ministerien entworfen und mitgeteilt werden sollten, musste ich das meiste machen, weil die Minister die Lage der einzelnen Sachen und ob noch ständische Anträge kommen würden – denn die Schriften waren natürlich noch nicht alle da – gar nicht wussten und bloß ein von mir gehaltenes Verzeichnis das Anhalten gab. Manche Sätze kamen dagegen doppelt – kurz, es gehörte recht kaltes Blut dazu, um nicht etwas in dem Trubel zu vergessen und die Ordnung zu behalten. Nach Tische ging es wieder los und erst abends halb neun war ich soweit, dass ich nun mit Ruhe den Kanzlisten die Abschrift überlassen konnte. Pfordten klagte sehr über Braun, der gar keine Ordnung kenne und auch gegen den König und die Prinzen die gewöhnlichsten Rücksichten nicht beachte, und dann über die Petitionen wegen Blum. Sie bewiesen so deutlich, dass auch gar kein Mut vorhanden, dass auch er den Mut. die Freudigkeit verliere. Kurios, wenn er so wenig mit diesen Tendenzen einverstanden ist, warum hat er dann da nicht den Mut, dessen Mangel er so bitter rügt? November 17 Feierlicher Schluss des Landtages. Ich hatte noch den ganzen Vormittag Arbeit und konnte daher mich nicht weiter um das Arrangement im Landhaus kümmern, das dem Ministerium des Innern überlassen war. Als ich um halb eins ins Landhaus kam, ging ich jedoch in den Saal und bemerkte da, dass es unter dem Thronhimmel pechfinster sei, so dass der König gar nichts würde haben sehen können und ferner, dass nur vier Stühle für die Minister da seien. Der Hofsekretär, der das Arrangement gemacht, ward also zitiert und als ich ihn darüber konstituierte, dass doch fünf Minister und nur vier Stühle da seien, sagte er naiv: einer steht! Als ich mich dabei nicht beruhigte, berief er sich auf den Vorgang bei der Eröffnung, wo auch nur vier Stühle gewesen, was ich aber auch dadurch, dass Oppell damals krank gewesen, restituieren musste. Endlich gelang es, diesen Mängeln abzuhelfen, Lichter herbeizuschaffen und ich suchte nun die Minister auf, die sich im Ministerium des Innern versammeln wollten. Braun fehlte aber und kam auch richtig so spät, dass es noch gerade Zeit war, in den Saal zu treten, ehe der König kam. Der König las dann die Thronrede. Als er aber an den Abschied von den Kammern am Schluss kam, brach ihm vor Tränen die Stimme. Armer Mann. Er ahnt wohl das, was die neue Zusammensetzung bringen wird. – Ich brüllte meinen Landtagsabschied ab und gegen zwei Uhr war die Sache alle und mit ihr ein wichtiger Zeitabschnitt in der sächsischen Geschichte.
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November 19 Ungeheures Totenfest in der Frauenkirche zum Andenken Robert Blum’s! In dem Zuge ist Oberländer und Pfordten mitgegangen, derselbe Pfordten, der mir vor wenig Tagen sagte, dass Blum ein Mann sei, den er aufs tiefste verachte! Ich halte dieses Urteil nicht einmal für richtig. Wenigstens hat Blum sich bei seinem Tode doch mutig gezeigt und seine feste Konsequenz und Überzeugungstreue ist mir bei ihm immer achtungswert gewesen. Er wenigstens war nicht käuflich, glaube ich, und von wie vielen kann man das sagen? November 20 Ich hatte mit Pfordten heute zu sprechen und da sagte er mir, dass der österreichische Gesandte Graf von Kuefstein sich bitter über einen Passus im Landtagsabschied beschwert hat, worin gesagt wird, Sachsen werde energisch auf Interzession zu Gunsten der Ehre etc. Deutschlands in Österreich dringen. Er hat das auf Blum’s Erschießung bezogen und sich darüber sehr beschwert, dass ich diesen Punkt mit erhobener Stimme vorgelesen. Ich werde deshalb wohl nicht erschossen werden, zumal ich jetzt nicht nach Wien zu reisen gedenke. Bei dem gestrigen Festzug hat Oberländer eine Partie Soldaten, die müßig daneben gestanden, ausdrücklich aufgefordert, sich dem Zuge anzuschließen, was sie dann auch getan haben.
6. Dezemberwahlen und Linkskurs der sächsischen Demokratie. Weiterarbeit im Gesamtministerium und Übernahme der Direktion des Hauptstaatsarchivs Dresden 1848 Dezember 2 Der Leutnant Müller als Landtagskandidat hat eine phrasenreiche Ansprache erlassen. Er ist Kandidat des Vaterlandsvereins. Der des Deutschen Vereins ist der Advokat Schmalz und der Kampf wird daher sich diesen beiden zuwenden. Dass ein seiner Stellung nach unbedeutender Mann wie Müller in seinem Programm das Ministerium unter Bedingungen zu unterstützen zusagt, erregt allerdings bedeutendes Achselzucken und Perückenschütteln bei den Gliedern des ancien regime. Als ob die Zeiten sich nicht geändert haben. Hat Blum ein ganzes Ministerium gestürzt, warum soll das ein anderer nicht auch können. Darin finde ich keine Gefahr für das Land, wohl aber in der Unehrlichkeit und die muss ich darin finden, wenn man innerlich ganz anders denkt und doch mit der öffentlichen Meinung buhlt, um sein Portefeuille um jeden Preis zu erhalten – à la Pfordten. Schade um die großen Fähigkeiten dieses Mannes, seine glänzenden Talente, dass sie mit soviel Eitelkeit gepaart sind. Was ich überhaupt an dem Ministerium vermisse ist Selbständigkeit nach oben und unten und Humanität. An letztere waren wir neben der Gerechtigkeit zeither in Sachsen gewöhnt. Man folgte nicht bloß dem formalen Recht. Man ließ auch Billigkeit obwalten. Davon jetzt keine Spur. Dabei eine Übereilung in allen Dingen, wo man durch Überlegung, die allerdings etwas Zeit kostet, anzustoßen fürchtet. Daher miserable Gesetze, die man kaum versteht und zehnmal erläutern muss. Gestern machte so der Stadtrat bekannt, was das Ministerium des Innern unter „selbständig“ im Wahlgesetz verstehe, dass darunter Gesellen bloß dann gehören, wenn
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sie eine Wirtschaft haben. Heute kommt der Republikanische Verein und sagt Gottbewahre, der Minister des Innern hat uns gesagt, dass die Gesellen alle darunter gehören, wenn sie nur nicht beim Meister im Brote stehen. Das bringt geduldig der Anzeiger. Wem glaubt nun das Publikum? Natürlich dem Republikanischen Verein. Ähnliche Geschichten sind schon vielfach vorgekommen. Dezember 6 Als ich um sechs aus dem Gesamtministerium zu Hause ging, begegnete ich Gablenz, dem Direktor der Schlesischen Eisenbahn, der mir sagte, eben sei die telegraphische Depesche angekommen, dass der König von Preußen die Nationalversammlung aufgelöst und eine Verfassung oktroyiert habe.181 Carlowitz ist, nachdem Zeschau das preußische Finanzministerium abgelehnt, von diesem vorgeschlagen worden182. Hat zwar ein Ministerium abgelehnt, allein er soll vom König bei der Verfassung zu Rate gezogen worden sein und namentlich bewirkt haben, dass den Abgeordneten keine Diäten gezahlt werden. Die preußischen Zustände sind für uns von der größten Wichtigkeit, denn alles deutet darauf hin, dass unsere Wahlen alle radikal sein werden. Das bestätigte mir auch der Appellationsgerichtssekretär Fritsche, der im Deutschen Verein ist und mir sagte, dass etwa sechzehn bis zwanzig Mitglieder desselben alle Wahlversammlungen besuchten, sich aber dabei den größten Insulten aussetzten. Die Mitglieder des Vaterlandsvereins scheuten sich nicht, ihnen das Wort im Munde zu verdrehen, geradezu vorzuwerfen, dass sie Sachen gesagt, die sie nicht gesagt und die Versammlung bestätige der Wahrheit zum Hohn dann doch die Sache. Er glaubte, es werde hier bei den Wahlen, wenn nicht lauter Mitglieder des Vaterlandsvereins gewählt würden, zu großen Exzessen kommen. Dezember 8 Um zwölf Uhr war Sitzung der Minister, worin sie erstens den Beschluss fassten, dass die Deutsche Allgemeine Zeitung nicht mehr für die Kanzlei gehalten werden solle, um Gleichgewicht in der Einnahme und Ausgabe des Staates herzustellen, zweitens eine Proklamation zu erlassen, worin sie das Volk nochmals aufklären über ihre Gesinnungen und auffordern, ja nicht Leute zu wählen, die sie um die Portefeuilles bringen könnten. Beides wird von ungeheurer Wirkung sein! Wichtig ist die Proklamation nur insoweit, als sich Oberländer dadurch von den Vaterlandsvereinen lossagt. Das Programm sollte nun gleich gedruckt werden und machte, da Braun es sehr schlecht geschrieben hatte und vieles sinnlos war und erst berichtigt werden musste, viel Arbeit, so dass ich erst nach drei Uhr zu Hause kam. Ich sprach heute mit Braun wegen der Wahlkommissare, die Oberländer zum Teil aus der äußersten Linken genommen hat. Braun versicherte, er habe sich sehr dagegen gesträubt warum hat er es dann aber nicht durchgesetzt? Von einem, dem Bürgermeister Schmidt in Wurzen, meinte Braun, er müsse nicht recht im Kopfe sein. Auch eine geeignete Empfehlung zu so einer Funktion. Ich lege hier das Wahlmanifest des Vaterlandsvereins bei.183 Wenn Müller dem beistimmt, wie nach der Einleitung anzunehmen wäre – dann freilich! 181 Am 5. Dezember 1848 löste König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die nach Brandenburg verlegte konstituierende Versammlung endgültig auf und oktroyierte eine neue Verfassung für Preußen. Siehe E. R. Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band II. Stuttgart 1960, S. 762–766. 182 Über die mehrmaligen Angebote an Zeschau siehe Cäsar Dietrich von Witzleben: Heinrich Anton von Zeschau. Sein Leben und öffentliches Wirken. Leipzig 1874. 183 Das Wahlmanifest datiert vom 3. Dezember 1848. Es wurde von der Generalversammlung sämtlicher Vaterlandsvereine Sachsens in Leipzig verabschiedet. Siehe Weber, Revolution, S. 231–235. – Ludwig, Neemann, Revolution in Sachsen, S. 123, 132–134.
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Die gegenseitigen Anfeindungen der Parteien werden immer lebhafter und namentlich kommen seitens der Radikalen viele Gemeinheiten vor. Wenn einer nur unter dem früheren Ministerium z. B. angestellt worden ist, so genügt das, um ihn als Reaktionär zu bezeichnen, was mir etwa so vorkommt, als wenn einer sagen wollte als Vorwurf für mich, der ich 1806 geboren bin: Er scheute sich nicht, in den Tagen der tiefsten Erniedrigung Deutschlands ans Licht der Welt zu treten und sich der französischen Knechtschaft zu unterwerfen! Dezember 15 Als ich am Mittwoch Abend in der Ressource war, trat auf einmal Beust herein, der mit seiner Frau hergekommen ist, um einmal nachzusehen. Er wird freilich, so klug als er kann, wieder fortgehen, denn es lässt sich hier nicht viel ausmachen, da kein Mensch weiß, wer im nächsten Monat Koch oder Kellner sein wird. Pfordten, der mir vorkommt wie Manteuffel, wenn er sich besoffen hatte und dann zu mir kam, wo er denn in dem tiefsten moralischen Katzenjammer ausrief: Ich Sauhund etc., Pfordten hat denn auch Beust, wie mir mehrmals, bekannt, wie ihm die Blum’sche Angelegenheit allen inneren Halt genommen etc. Braun ist körperlich ganz herunter und hat in der gestrigen Sitzung wieder erklärt, er könne nicht bleiben. In Leipzig sind die Wahlen konservativ ausgefallen. Einen, den Archidiakonus Fischer, hat die Leipziger konservative Partei wie einen Kanarienvogel dadurch gezähmt, dass sie ihm, der vom Beichtgeld leben muss, die Alimente vorenthalten, solange er radikale Sprüche machte. Wie er aber sanfter worden, ist der Beichtstuhl wiedergekommen und so ist der Mann schließ1ich kultiviert worden. Gestern Abend war ich mit Minister Buttlar und Oberhofmarschall Reitzenstein bei Minister Wietersheim zur Partie. Er wollte meiner Versicherung, dass wir binnen hier und zwei Jahren preußisch sein würden, nicht glauben. Oberländer, der bestimmt erwartet hat, in Zwickau in die Kammer gewählt zu werden, ist dort durchgefallen, was ihn, wie Buttlar mir sagte, sehr frappiert hat. Da die Weintrauben zu hoch hängen, haben die Minister nun gestern unter sich besprochen, dass sie keine Wahl annehmen würden. Überhaupt haben auch jetzt in Folge des Verhaltens Oberländers bei den Wahlen einige ernste Kämpfe im Ministerium stattgefunden. Georgi hat Oberländer es direkt vorgehalten, dass er die Vaterlandsvereinstendenzen begünstige und dieser ist da aus der Session fortgelaufen, hat den Hut aufgestülpt, den Rock bis an den Hals zugeknöpft und ist zum Schrecken der Kanzleiboten ohne „Gute Nacht“ fortgegangen. Uckermann erzählte mir auch ein eigenes Stückchen von Oberländer bei seiner Expedition nach Zwickau. Er hat da eine Kompanie Soldaten angeredet, er sei Demokrat, sie möchten Vertrauen zu ihm haben, Deputierte wählen, die ihre Beschwerden ihm mitteilen sollten. Die Leute wählen – ihren Hauptmann, einen Leutnant und einen Gemeinen – darüber ist Oberländer so erstaunt, dass er die Sache ganz fallen lässt. Der Hauptmann hat zwar einige Sätze, die die Leute als Wünsche bezeichnet, zu Protokoll gegeben. Allein weiter ist nichts geschehen. Dezember 19 Die Wahlen sind nun ziemlich vollendet und wenigstens zu zwei Drittel auf die von den Vaterlandsvereinen Vorgeschlagenen gefallen. Wenn es nur tüchtige Männer wären. Es sind aber zum Teil bloß radikale Nullen. Wohin das führen soll, ist nicht abzusehen. Oberleutnant Müller ist mit sehr großer Majorität gewählt. Es wird sich nun zeigen, wie er sich in der Kammer nimmt, ob so, wie er mir sagt, oder … Seit acht Tagen quäle ich Braun, um nur einmal zum Vortrag zu kommen. Es ist nicht möglich. Mit Lamentieren, Politisieren töten sie alle Tage mehrere Stunden in den Sitzungen. Fertig wird nichts.
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Abends waren wir beim Oberhofmarschall und als ich mit Minister Buttlar zu Hause ging, sagte er mir, dass die Minister in Folge des Ausfalls der Wahlen insgesamt – nur ihn ausgenommen – abtreten wollten und deshalb den König bereits um Entlassung gebeten. Hierbei scheint aber Pfordten ausgenommen zu sein, von dem Buttlar sagte, er werde gegen Braun und Georgi sehr unangenehm. Ich glaube, er geht zur ganz extremen Linken über, um sich nur das Ministerium zu erhalten. Dezember 27 Gestern war um elf Uhr Session und als Resultat einer langen Beratung ward mir eröffnet, dass mir die Direktion des Hauptstaatsarchivs neben meiner Funktion als Geheimer Referendar übertragen werden solle, wobei ich freilich nichts als Arbeit profitiere. Indessen habe ich doch nun einen festen Fuß außerhalb des Gesamtministeriums und das ist das Wichtigste jetzt, wo das Ministerium in der nächsten Zeit zum Abtreten gezwungen sein kann. Dezember 31 Die letzten Tage des Jahres waren sehr beschwerlich. Dazu sehr viel Arbeit, da zwei Abgeordnete der Fürsten Reuß, der Kanzler Otto aus Greiz184 und der Kanzler Bretschneider aus Gera185, da waren, um wegen des Anschlusses der Reußen Lande an Sachsen zu verhandeln. Da gab es denn Sitzungen und Protokolle von früh bis abends, jedoch auch ein Diner bei Pfordten, welches recht gut war. Gestern kam denn nun auch endlich das Protokoll in meine Hände, wonach Braun Urlaub nimmt und Treitschke186 das Justizministerium provisorisch erhält. Eine glückliche Wahl – ich habe vorgeschlagen, ihn als Gesamtministerialbeischläfer zu bezeichnen, da er in jeder Sitzung einschlafen wird. Es wurden da neulich eine Menge Wahlgeschichten erzählt. So hat einer in Plauen den Namen Windischgrätz aufgeschrieben. Hier einer den Wahlzettel ohne Namen abgegeben. Ein anderer ist wiedergekommen und hat gesagt, er hätte eine Rechnung hineingesteckt in der Duselei. Ein Gemeindevorstand aus der Umgegend hier kommt zu seinem Gerichtshalter. Der fragt ihn, wie sie es machten. – Ei nun, Claus schreibe die Namen. – Aber welchen Namen denn? Ja das wisse er nicht. – Der Gerichtsdirektor sagt, nun, sie möchten den Kandidaten des Deutschen Vereins, den er nennt, aufschreiben. Gemeindevorstand sagt das zu. Nach einiger Zeit kommt er wieder und teilt dem Gerichtsdirektor den Namen mit, den „Claus“ ausgesucht habe. Dieser findet, dass es der Kandidat des Vaterlandsvereins sei und als er das dem Gemeindevorstand sagt, bricht dieser in die Worte aus: Ih, das ist doch verflucht, da haben wir doch einen Falschen d’arwischt!
184 Otto, Franz Eduard (1793–1865), Kanzler und Regierungspräsident des Fürstentums Reuß ä. L. Siehe J. v. Strauch: Die Schicksale und die Politik des Fürstentums Reuß ä. L. in den Jahren 1848–50. Greiz 1924. 185 Bretschneider, Hermann Robert von (1786–1870), Kanzler und Regierungspräsident des Fürstentums Reuß j. L. Siehe W. Wucher: Reuß jüngere Linie in der Bewegung der Jahre 1848/49. Weida 1926. 186 Treitschke, Dr. Georg Karl (1783–1855). Geheimer Justizrat, vom Dezember 1848 bis Januar 1849 interemistischer Vorstand des Justizministeriums.
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1849 Januar 6 Am 2. Januar 1849 habe ich provisorisch das Hauptstaatsarchiv übernommen. Diese Woche wurden die Grundrechte, die man in Frankfurt beschlossen hat, im Gesamtministerium beraten. Zum ersten Male wieder seit langer Zeit in meiner Gegenwart eine Sitzung mit Protokoll. Was da aber für konfuses Zeug drin ist und welcher Reichtum von Hintertüren. Man sieht recht, dass das Werk von Professoren ist! Treitschke schlief sanft dabei ein. Ich bekam auch heute eine Sache aus dem Ministerium des Innern, die recht charakteristisch für den Geschäftsgang bei demselben ist. Jedes Ministerium teilt nämlich, vom Gesamtministerium dazu aufgefordert, mit, welche Vorlagen es an den Landtag bringen will. Das Ministerium des Innern kam mit einem vier Zeilen langen Kommunikat, in welchem es sich auf sechs Beilagen bezog. Diese waren Exposees der einzelnen Räte, ohne alle Bezugnahme aufeinander. Daher kam es denn, dass derselbe Gegenstand drei- oder viermal vorkam und jedesmal anders. Der eine Minister A wollte einen Antrag berücksichtigen, während der B-Minister ihn als ganz töricht abwies, der C-Minister wollte eine Gesetzesvorlage bringen, die der D-Minister als unnötig bezeichnete. Kurz, es war ein Chaos sondergleichen. Januar 8 Um zwölf ins Gesamtministerium, gearbeitet und um eins kam Pfordten. Er meinte, Braun werde gewiss sehr bald wiederkommen. Er könne das Regieren nicht mehr lassen. Zudem hatten die anderen Minister zu ihm, Pfordten, kein Zutrauen. Nicht einmal die Thronrede hatten sie ihm überlassen wollen. Braun habe sie noch vor seiner Abreise gemacht. Pfordten glaubt übrigens, dass das Ministerium sich nicht lange mehr halten werde und behauptete, er ginge am liebsten in ein Appellationsgericht. Oberländer werde von selbst als Minister sich erledigen, sobald die Zeit der Redensarten vorüber sei. u. a. habe er einmal demselben beim Wahlgesetz eingewendet, dass er ja jeden Lump mit wählen lassen wolle, worauf Oberländer lakonisch geantwortet: „Ich kenne keine Lumpen.“ Dafür kennen aber leider die Lumpen ihn und benutzen den Sorg- und Harmlosen, eben weil er sie nicht kennt. Pfordten räsonnierte übrigens ungeheuer über den hiesigen Adel, der sich allerdings sehr gegen seine Frau mit dem gewöhnlichen sächsischen Hochmute benommen hat, der um so lächerlicher ist, weil sich hinter ihm nur Geistes- und sonstige Armut birgt. Januar 9 Um halb sechs ins Archiv auf eine halbe Stunde, dann Zivilgesetzbuchkommission bis halb acht, dann Gesamtministerium bis nach neun. Pfordten sagte mir dabei: „Ach, gehen Sie doch morgen früh um neun in die Stadt Gotha zu Watzdorf. Er will einen Staatsvertrag wegen des Anschlusses Weimars an das Königreich abschließen. Machen Sie da doch mit ihm einen Entwurf. Seien Sie nicht diffizil – ich möchte den anderen (i. e. Ministern) jetzt noch nichts davon sagen.“ Eine eigentümliche Instruktion war dies. Also einen Staatsvertrag werde ich morgen früh um neun schließen. Ich bin doch sehr neugierig, was ich hineinsehen werde. Diffizil will ich gar nicht sein, da das einmal meine einzige Instruktion ist. Januar 10 Gedacht – getan. Um neun ging ich zu Watzdorf187, bei dem ich noch einen Präsident von Schwenke oder wie er hieß, antraf. Er legte mir den Entwurf vor, den sie in 187 Watzdorf, Dr. Christian Bernhard von (1804–1870), ab 1843 Staatsminister im Großherzogtum Sachsen – Weimar. Siehe zu diesem Problemkreis Paul Wentzcke: Die thüringisch-sächsische Einigungsfrage und die politische Lage in Dresden im Januar/Februar 1849. In: NAfSG Band 39. 1918, S. 84 ff. – Ullrich Heß: Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens. Weimar 1962.
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Gotha wegen Vereinigung der Thüringer Staaten gemacht, der mir aber über alle Begriffe konfus schien. Wir besprachen uns denn deshalb und ich ging dann meinen jetzt gerade zahlreichen Geschäften im Gesamtministerium und Hauptstaatsarchiv nach. Nach Tische machte ich mich über den mitgeteilten Entwurf, notierte mir seinen Inhalt und seine Schwierigkeiten und fand, dass allerdings fast nichts stehen bleiben konnte. Januar 11 Früh von neun bis zwölf mit Watzdorf verhandelt in Gegenwart eines von ihm mitgebrachten Regierungsrates von Schwendler. Meine Ansicht war: Bildung eines Fürstenrates, worin Sachsen 10–12 Stimmen, die anderen zusammen 13 Stimmen haben sollten und Sachsen den Vorsitz, vermöge dessen es die Geschäftsleitung, Vertretung der Sachen, Exekution der Beschlüsse durch seine Ministerien haben sollte. Gemeinschaftlicher Landtag für möglichst viele Gegenstände. Speziallandtage, in welche der allgemeine zerfallen würde, nur für Finanzspezialfragen der einzelnen Länder. Zwei Kammern beim vereinigten Landtag, gemeinschaftliches Grundgesetz usw. Mit allem diesem war Watzdorf einverstanden und hierdurch erledigte sich eigentlich der Entwurf, den er mir mitgeteilt harte, fast ganz. Ich sagte das Pfordten am Mittag. Abends war Sitzung und gerade ehe ich hereingerufen wurde, kam Herr von Schwendler und brachte mir den neuen Entwurf, der unserer Besprechung gemäß von ihm aufgesetzt sei. Ich konnte die Sache erst nach der Sitzung lesen und was fand ich – fast ganz die alte Schmiere, die er bloß abgeschmiert hat, von unseren Verabredungen fast gar nichts. Eigene Art, kurioses Resultat! Meine erste diplomatische Verhandlung war also eben nicht sehr günstig. Man redet also zwei Tage, ist mündlich einig und schriftlich dann auf demselben Fleck als vorher. Werde es mir ad notam nehmen. Ich teilte denn Pfordten und Watzdorf noch abends spät meine Spezialverwunderung mit und erklärte meine Konkurrenz für beendigt, da Pfordten nun die Sache in die Hand nehmen wollte. Der Landtag ist gestern zusammengetreten und beschäftigt sich nach der neuen Landtagsordnung mit Prüfung der Legitimationen. Januar 12 Gespräch mit Pfordten. Er meinte, Watzdorf meinte es gar nicht ernstlich. Er wolle nur eine Zurückweisung haben, um den anderen Staaten zu sagen, seht, mit Sachsen geht es gar nicht. Mir schien das gar nicht der Fall und er würde da sich zu einer solchen Komödie doch lieber einen ihm ganz Fremden als mich ausgebeten haben. Übrigens hatte Pfordten gesagt, er sei bereit, auf die Grundzüge hin Verhandlungen einzuleiten. Pfordten sagte ferner, Braun sei jedenfalls aus Klugheit fortgegangen. Er habe kommen sehen, dass das Ministerium sehr bald zerfallen werde, wenn Oberländer in der Ersten Kammer Opposition mache. Der König wolle das Ministerium los sein, um ein mehr seinem Sinne entsprechendes zu nehmen, wozu Preußen und Österreich immer rate. Da wolle nun Braun, der namentlich ihm nicht freundlich, ja neidisch auf ihn sei, sagen: „Seht, wie ich nicht da war, ging es gar nicht“, um womöglich wieder ins neue Ministerium zu kommen. Pfordten hält das nicht für wahrscheinlich, sondern sagte, es werde sein Carlowitz (Vorsitz und Justiz), Beust (Äußeres), Ehrenstein (Finanzen), Weinlig (Inneres) und Kultus – ich! Prosit die Mahlzeit, auf diese Leimrute setze ich mich nicht. Ich arbeitete nach langem Gespräch mit Pfordten bis vier Uhr im Gesamtministerium, aß dann bei Schröder, der mir – auch ein Zeichen der Zeit – eröffnete, dass heute zum Präsident der Zweiten Kammer Hensel, zu Vizepräsidenten Schaffrath und Tzschirner gewählt worden seien, wovon ich bis abends nichts offiziell erfuhr.
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Januar 14 Um zwölf ins Gesamtministerium, wo ich endlich die Resolution des Königs erfahren sollte wegen der Landtagseröffnung, der sich nicht entschließen konnte, ob die Kommunalgarde und das Militär Haye bilden oder, wie Gesamtministerium wegen des schlechten Wetters vorgeschlagen, bloß einen Posten im Landhaus aufstellen sollte. Ich wusste vorher, dass er tun würde, was ihm vorgeschlagen war, konnte es aber doch nicht eher expedieren, als bis der Form Genüge geschehen. Pfordten kam um eins mit den Resolutionen, dass morgen früh dreiviertel neun die Verpflichtung der Präsidenten und erst übermorgen die Kammereröffnung sein soll. Alles, weil der König morgen jagen will und da freilich keine Zeit hat, den Aufsatz der Minister zu lesen, den er heute allerdings erst bekam. Als ihn Pfordten darauf aufmerksam gemacht, dass dreiviertel neun früh doch etwas zeitig sei, hat er gesagt, das geht nicht anders, um neun Uhr muss ich fort, sonst verderbe ich mir die Jagd. Oh ihr Fürsten! Da denkt er an Hasenschießen, jetzt, wo die Ruhe des Landes auf dem Spiele steht. Er läuft da draußen herum und bedenkt nicht, dass dieser Tag dem Lande 375 Taler an Diäten der Deputierten kostet, die erspart würden, wenn der Landtag einen Tag früher eröffnet würde. Januar 15 Früh die Verpflichtung der Präsidenten. Keiner von ihnen hatte Pfordten vorher einen Besuch gemacht, so dass, als sie (Dr. Joseph und Stadtrat Hensel) im Vorzimmer des Königs erschienen, Pfordten sich ihnen selbst vorstellen musste und sich dann mit ihnen bekannt gemacht. Es kann diese Vernachlässigung der Form nicht Unwissenheit, sondern nur Absicht sein. So betrachtete es auch Pfordten. Januar 17 Um ein Uhr Eröffnung der Kammern. Eigentümliches Gefühl, das mich überkam, als ich alle die Bärte, die fremden Physionomien sah, die sich da versammelt hatten. Jäkel188 – Sekretär der Zweiten Kammer, hatte es für angemessen erachtet, in einem alten Oberrocke zu erscheinen. Es beschlich ihn aber doch, da er in der vordersten Reihe stehend aller Augen ausgesetzt war, das Gefühl seiner Unschicklichkeit und in seines Nichts durchbohrenden Gefühls vereinigte er beide Hände auf dem – Endpunkt des Rückens und bildete durch Umschlagung der Rockschöße einen improvisierenden Frack. Der andere Sekretär der Zweiten Kammer, Fritsche, setzte sich gleichzeitig mit dem König, fuhr aber schnell empor, als er sah, dass alles stehen blieb. Januar 19 Als ich gestern Abend mit Buttlar zu Hause ging vom russischen Gesandten, wo wir eine Partie Whist gespielt hatten, sagte er mir seine Besorgnisse, dass das Ministerium sich wohl in den nächsten Tagen auflösen würde. Heute stehen aber die Aktien wieder besser, da der liberale Klub, der bis jetzt alles dominiert hat, sich heute gespalten und in äußerste Linke (26 aus beiden Kammem) und ein Zentrum (40) zerfallen ist.189 Freilich ist noch nicht viel damit gewonnen, da auch das Zentrum das Ministerium deshalb noch nicht stützen wird, wenn es auch nicht gerade rote Republik proklamiert. Januar 21 Heute hatte ich von elf bis zwei und abends von halb sieben bis halb zehn Sitzung über die Landtagsordnung. Was ich über die schon für Protokolle geschrieben habe. 188 Jäkel, Dr. Eduard Theodor (1817–1874), Publizist, radikaler Republikaner und Deutschkatholik. Vorsitzender der Leipziger Sektion des Vaterlandsvereins. 1849 Abgeordneter der äußersten Linken in der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. Nach dem Maiaufstand Emigration in die Schweiz. Wirkte dort als Lehrer an der thurgauischen Kantonsschule in Frauenfeld. Siehe Groß, Förster, Politische Emigration, a. a. O., S. 139. 189 Über diesen Vorgang siehe Weber, Revolution, S. 231 ff.
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Eigentümlich ist es, dass jetzt Todt die Regierungsansichten vertritt, er, dessen Bericht auf dem Landtage 1845/46 der Regierung soviel Not machte. Er hat nun seine Ansichten jetzt im Entwurfe niedergelegt und nun sind sie wieder Schaffrath, der Referent ist, nicht Recht. Januar 26 Die Minister klagten schon seit einigen Tagen, dass der König die Grundrechte nicht anerkennen wolle und Pfordten sagte, dass diese Frage zu einem Bruche führen wird. Gestern kam Braun. Heute früh um neun war noch eine Sitzung, deren einziges schriftliches Resultat ein noch dazu nicht richtig gefasstes Protokoll Braun’s war, dass Treitschke 200 Taler bekommen sollte und um zehn erklärte Pfordten in der Zweiten Kammer, dass die Minister den König um ihre Entlassung gebeten, dieser die Entschliessung sich vorbehalten habe. Die Demonstration führt bestimmt dahin, dass der König nachgibt und unsere Gesetzgebung ist um einen Unsinn reicher. Denn das ist der größte Teil der Grundrechte. Eine rechte Professorenarbeit, die bloß ihren Studiertisch, von der Welt kein jota kennen! Ich ging um zwölf in die Erste Kammer, wo nach dem Registrandenvortrag Pfordten dieselbe Erklärung wiederholte, auf die Heubner mit einer langen, mit vielen Bravos bei jeder laut gebrüllten Stelle begleiteten Rede sich über die Grundrechte verbreitete. Die Sache macht viel Aufsehen. Die Leute stehen auf der Straße zusammen, stecken die Köpfe zusammen. Januar 27 Heute morgen sprach ich mit Pfordten und merkte nun, wo der Hase im Pfeffer liegt. Die Minister haben beim König wegen der Grundrechte und die den Ständen nach ihrer Ansicht einzuräumenden Initiativen Widerstand gefunden. Anstatt nun entweder dem König Zeit zu lassen oder kategorisch zu erklären, dass sie abträten, haben sie nun gestern vielleicht im ersten Ärger nach einer Unterredung Pfordtens mit dem König die Erklärung in den Kammern abgegeben, die es eben zweifelhaft ließ, ob sie aus Mutlosigkeit den Kammern gegenüber oder wegen Differenzen mit dem König abgehen wollten. Um nun nicht den König bloßzustellen, haben sie heute, wie Pfordten sagte, wiederum erklärt, es sei nicht Differenz mit dem König wegen der Grundrechte – da hat der König nachgegeben. Er wird es, das weiß ich, ebenso wegen der Initiative! So ist und bleibt das Ganze nur ein neuer Stoß für die Autorität des Königs und des Ministeriums. Ich komme immer entschiedener zu der Überzeugung, die Deutschen sind das dümmste Volk, unter ihnen die Sachsen die dümmsten und in Sachsen das dümmste Haus das Landhaus, wenn Stände und Gesamtministerium drinnen sind. Spaßhaft war mir das Entsetzen, mit dem Fürst Schönburg, Graf Hohenthal u. a., die ich heute in der Ressource sprach, die Grundrechte ansehen, da diese die Aufhebung des Adels als Stand sowie der Familienfideikommisse aussprachen, als ob von diesen Geschichten das Heil der Welt abhinge. Und gerade im Interesse des Adels selbst läge es doch jetzt so wesentlich, dass er seine Aufhebung selbst beförderte. Wer hat denn diesen Vorteil von der Farce, sich Baron, Graf zu nennen? Bloß die dümmste Eitelkeit kann darin eine Befriedigung finden. Während dagegen die Nachteile, Anfeindung, Erbitterung, Zurücksetzung bei den Beamten die augenscheinlichen Nachteile sind, die der Adel empfindet. Aber eher Mohren weiß waschen, als einem Adligen dies deutlich zu machen. Die Klügsten unter meinen adligen Freunden sind da wie blind. Januar 29 Pfordten hat am Sonnabend in der Kammer etwas gelogen, indem er gesagt, das Zurücktreten der Minister beruhe nicht auf einem Konflikt mit der Krone – er hat aber hoffentlich hinzugesetzt wegen der Grundrechte, denn die hat der König nun genehmigt. Nun sind aber die Leute vollends dumm und dämlich und wissen sich die Sache gar nicht zu
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erklären und es bleibt soviel gewiss, dass es eine ungeheuere Dummheit gewesen, dass sie die Kanonen vor der Schlacht abgefeuert haben. Die Feindschaft, mit der man den Oberleutnant Müller verfolgt, wird nun auch auf seine Schwestern übertragen, die man zu verleumden anfängt. Das ist das Traurige solcher politischer Kämpfe, dass sie so ins Innere der Familien eindringen. Da sind die Mädchen neulich bei einem Kaffee bei der Frau des Advokaten Blöde gewesen und da wird nun in der ganzen Stadt erzählte, was sie dort für demagogische Gespräche geführt, dass die Blöde sie zu den Waffen gerufen für den Fall eines Barrikadenkampfes, den Dolch gezückt etc. Februar 1 Abends hatten wir Session, wo wieder die Grundrechte190 verarbeitet wurden, die nun den Sonnabend an die Kammern kommen sollen. Pfordten, der wieder in den Zeitungen sehr angegriffen worden und darüber entsetzlich empfindlich ist, sagte dabei, es werde doch dies Frühjahr bei uns zum Köpfen und Hängen kommen und er mache sich schon darauf gefasst, dass ihm das passiere und er einmal in den Straßen herumgeschleift werde, denn ein Opfer müssten sie haben und das werde er sein. Er überlebe dies Jahr nicht, Obgleich ich diese Besorgnisse nicht teile, so habe ich diese Rede doch notiert, weil er anscheinend eine sehr feste Überzeugung aussprach. Februar 11 Kohlschütter und Beust sind hierher berufen, um ihre Ansichten wegen der deutschen Verfassung abzugeben. Man hat sich gegen einen erblichen Kaiser ausgesprochen und dies in einer heute abgegangenen Note gegen Preußen gesagt. Wird nicht viel helfen! Februar 14 Montag und Dienstag hatten wir bis spät abends Sitzung in Gegenwart des Königs – zum ersten Male wieder im Gesamtministerium – und mit Beust und Kohlschütter. Es wurde ohne alle Vorbereitung seitens der Minister der deutsche Verfassungsentwurf durchgegangen, nachdem wir (Beust, Kohlschütter, Ehrenstein und ich) die Frühstunden in Konferenzen dasselbe vorbereitend getan, monita ganz im partikularistischen Sinne gezogen. Es waren diese Beratungen eigentlich ein rechtes Zeigen impotentiae ministerii, denn außer Pfordten sprach nur bisweilen Georgi ein Wort. Braun war nicht da und sein Stellvertreter Treitschke schlief. Am Schluss der Beratung aber kam das Merkwürdigste. Nachdem das Ministerium zeither Hals und Kragen darangesetzt, das Vereinbarungsprinzip aufrecht zu halten, nachdem zwei Tage in diesem Sinne die Beratungen gepflogen worden und Oberländer kein Wort dagegen gesagt, sagte er am Schluss: Er bitte ad protokollum zu bemerken, dass er mit dem Vereinbarungsprinzip überhaupt nicht einverstanden und daher die aufgestellten monita nicht als Bedingungen betrachtet wissen wollte. Februar 15 Wieder hieß es, als ich heute ausging, Ministerkrisis! Es sollte in der Zweiten Kammer wegen der Grundrechte zum Bruch gekommen sein. Als ich ins Gesamtministerium kam, hörte ich, Braun sei da. Ich ging zu ihm und natürlich kam das Gespräch auf die Kammern. Ich sagte, es sei unmöglich, mit diesem Wahlgesetz eine andere Kammer zu bekommen. Oh doch, meinte er, es müssten nur ordentliche Wahlkommissare bestellt und die Beschreibung beim Selbständig durchgeführt werden. Aber mein Gott, sagte ich, warum hat man das denn da nicht getan, wenn Sie es selbst einsehen? Da kam der hinkende Bote – 190 Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. Dezember 1848, in Sachsen veröffentlicht durch Verordnung am 2. März 1849 . Siehe Sächs. HStA: Gesamtministerium Loc. 61 Nr. 8 Bl. 53. – Josef Matzerath, Der sächsische König und der Dresdner Maiaufstand. Köln, Weimar, Wien 1999, S. 46
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Oberländer will das nicht. Er will auch nichts von Kammerauflösung wissen. Die anderen möchten ihn sonach gern los sein, wagen es aber nicht, wie sie überhaupt keine Courage haben.
7. Von der Bildung des Beamtenministeriums Held bis zur Landtagsauflösung am 28. April 1849 1849 Februar 20 Da kam Held zu mir früh gegen neun und sagte mir, dass Braun gestern zu ihm gekommen, um ihn zu veranlassen, ein Ministerium zu bilden. Mit Oberländer sei nicht mehr zu regieren, mit den Kammern auch nicht und sie seien daher entschlossen abzutreten. Er tat nun, als ob er nicht wolle, aber sich doch drein ergeben müsse und sagte, er sei nun gleich zu mir gekommen, um meinen Rat zu hören und dass er keinen Schritt tun werde ohne mich. Wir sprachen denn nun bis elf Uhr, wo er zum König bestellt war, über die Sachlage und die zu stellenden Bedingungen. Vor allem lehnte ich das mir zugedachte Kultusministerium ab und schlug die Kombination Held – Justiz und Kultus, Ehrenstein – Finanzen, Beust – Auswärtiges, Weinlig – Inneres vor. Dann möchten sie nur provisorisch die Direktion der Ministerien übernehmen, ohne Ministertitel und mit nur etwa dreitausend Taler und nun sehen, ob mit den Kammern durchzukommen, wo nicht, sie vertagen, eventuell auflösen. Held ging auf diese Vorschläge bereitwillig ein und nach einigen Zigarren war die Sache so vorläufig in Ordnung. Als wir aber ins Gesamtministerium kamen, hatte der König die Stunde auf zwölf verlegt und ich brachte denn Held ins Vorzimmer. Er bat mich, ich möchte auf ihn warten. Allein da er bis gegen zwei Uhr nicht kam, ging ich zu Hause, aß ein paar Bissen und erwarte nun weitere Nachrichten von ihm. Wahrscheinlich werde ich nun das Zivilgesetzbuch übernehmen sollen. Ich werde es mir einige Wochen überlegen und dann – wenn Held sein Ministerium niederlegt, ihm unversehrt restituieren und mich ganz ins Hauptstaatsarchiv zurückziehen. Das scheint mir doch das beste. Soeben nach drei Uhr kam Held, referierte mir seine ganze Unterhaltung mit dem König, was mir einen ganz eigentümlichen Eindruck machte, da er wörtlich dasselbe gesagt hat, was ich heute morgen ihm als meine Ansicht eröffnete. Nur blieb er dabei, ich müsste bei künftiger definitiver Organisation das Kultusministerium übernehmen, was ich denn abermals definitiv ablehnte, obschon der König auf Held’s diesfallsigen Vorschlag gesagt hat, ich sei ein sehr geistreicher Mann – was ich catre nous gerade nicht bin, da ich wohl Kenntnisse und am Ende gesunden Menschenverstand, aber was man Geist nennt am wenigsten habe, da ich gar nicht produktiv bin. Also einig waren der König, Held und ich. Was aber die andern sagen werden? Ehrenstein war nicht zu Hause. An Beust schreibe ich heute abend. Februar 21 Früh kam Ehrenstein zu mir, um mit mir mehrere Punkte, die er sich notiert, durchzusprechen, die insgesamt unbedenklich waren. Ich riet ihm namentlich doch, zu Zeschau zu gehen, um diesen wenigstens nicht gegen sich zu haben und in seiner Erfahrung in Finanzsachen schöpfen zu können, denn wir brauchen das Jahr wieder vier Millionen
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extra und werden nächstens nichts mehr haben. Dann zu Held, der mir denn erzählte, wie das Ministerium jetzt ganz in sich zerfallen. Braun glaubt, dass Pfordten jetzt nur deshalb gleich fort wolle, weil er sein Portefeuille in Bayern gewiss habe.191 Pfordten traut wieder den andern nicht und so ist beim Mangel alles Vertrauens auch eine Fortdauer des Ministeriums nicht möglich. Diese Überzeugung hat auch der König ausgesprochen. Nun fehlte noch der neue Kriegsminister. Ein Major Rabenhorst192 war vom König genannt. Ehrenstein und ich gingen das Staatshandbuch durch, fanden aber keinen, der einen noch schrecklicheren Namen gehabt und es kam daher darauf an, nur einige Notizen über jenen Mann einzuziehen, wozu ich beauftragt ward. Witzleben, den ich darüber sprach, erteilte ihm auch das vorzüglichste Zeugnis rücksichtlich der Intelligenz und was die Hauptsache ist – der Courage, woran es unserm wackern Buttlar ganz gebricht. So mag er denn sehen, wie er durchkommt. Abends ging ich ins Konzert im Theater und dann in die Ressource, um zu hören, ob etwas von der Ministerkrisis verlautet – bis jetzt nicht. Nur sollte Pfordten zu Schönfeld gesagt haben, Tzschirner müsse nun ein Ministerium bilden. Außerdem hörte ich natürlich die glücklichsten Raisonements über einen vorzunehmenden Staatsstreich, der mir aber aller Bemühungen ungeachtet nicht klar ward. Es ist ganz prächtig, wie die Leute einen Gaul zu tummeln verstehen, der ganz unsichtbar und ungreifbar ist. Eine ganze Menge Leute, die Zigarre im Munde, waren einig, es müsse ein Staatsstreich, einige sagten auch coup d’etat, geschehen. Aber welcher ? Februar 22 Früh gearbeitet. Dann kam Ehrenstein zu mir ins Gesamtministerium, dem ich denn das über Rabenhorst Erfahrene mitteilte. Georgi hat noch gar nicht mit Ehrenstein gesprochen. Eine famose Rücksichtslosigkeit, da es doch keine Kleinigkeit ist, ohne weiteres so ein Ministerium zu übernehmen. Zeschau, bei dem er gestern gewesen, hat sich auch mit einem provisorium ganz einverstanden erklärt. Aber ich merke schon, dass diese Idee Weinlig und Held eigentlich nicht mehr recht gefällt. Es sieht ihnen doch zu bescheiden aus und fünftausend Taler sind mehr wie dreitausend Taler. Pfordten hat gestern an Beust Mangoldt, ohne diesem etwas zu sagen, mit einem Brief abgesendet. Er hätte dazu ebenso gut einen Portechaisenträger schicken können. Beust will das Ministerium übernehmen, der großen Klippe ungeachtet, die ihm die Frage wegen Könneritzens Abberufung bereitet. Ich schlug ihm als einziges Auskunftsmittel die Abberufung der sämtlichen Gesandten nach dem ständischen Antrage vor. Abends war ich einen Augenblick in der Ressource, als ein Bote kam, dass Held bei mir gewesen und mich dringend gebeten, zu ihm zu kommen. Bei ihm fand ich denn das neue Ministerconseil schon darüber einig, die Grundrechte ohne weiteres zu publizieren. Also der erste Sprung ins kalte Wasser! Weinlig erzählte, bei der ersten Ministerkrisis hätte Braun durchblicken lassen, dass er gedächte, nach einigen Monaten, wenn das Zwischenministerium gefallen, wieder einzutreten. Er hätte also warten wollen bis man rief: Heiliger Braun, 191 Tatsächlich hatte Pfordten nach geheimen Verhandlungen mit Abgesandten des bayerischen Königs Maximilian II. die feste Zusage für eine Anstellung in Bayern erhalten. Am 17. April 1849 wurde er zum Minister des Königlichen Hauses und des Äußeren ernannt. Siehe Franz, Pfordten, S. 113. 192 Rabenhorst, Bernhard von (1801–1873). 1846 bis 1848 sächsischer Militärbevollmächtigter am Bundestag in Frankfurt a. M. Vom 5. März 1849 bis 1866 sächsischer Kriegsminister. 1856 in den Adelsstand erhoben. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 422.
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hilf uns! Dies gab Weinlig als Hauptgrund an gegen ein provisorium, damit man nicht glaube, es solle eine solche Komödie gespielt werden. Die anderen ließen sich auch, wie ich richtig vorhergesehen, bereden und so wollen sie definitiv eintreten – um sobald als möglich für immer abzutreten, das ist meine Ansicht. Mit richtiger Erkenntnis hat übrigens Braun gesagt, durch die Art unseres Abtrittts machen wir ihnen die Stellung leicht! Oberländer hat versichert, er, Todt und Klinger würden dem Ministerium die Majorität in der Ersten Kammer sichern. So ward denn das erste Conseil gehalten, worin Held noch eine große Rede an mich hielt, worin er das Ministerium meiner Protektion empfahl. Es klang wirklich so, worauf ich denn wieder passende Worte fand. Dabei wieder die Hoffnung, ich werde mich doch noch erweichen lassen und das Kultusministerium übernehmen. Weinlig scheint sehr frischen Muts und versicherte, er werde den Lebensmut unter keinen Verhältnissen verlieren, was allerdings etwas wert ist. Einer ganz interessanten Zeit gehe ich entgegen. Februar 23 Früh um zehn Uhr Konferenz bei Held, um Einigung über die Hauptfragen zu erzielen: die deutsche Verfassungsfrage, die Angelegenheit wegen des Gesandten Könneritz in Wien etc. Es gelang. Mein Vorschlag war, alle Gesandten abzuberufen, was doch geschehen muss. Dadurch wird die Klippe in Wien umschifft. Beust wollte erst nicht, aber gab nach. Er erzählte, dass Brandenburg193 in Berlin neulich ganz unbefangen damit herausgeplatzt, dass seiten der Zentralgewalt nach Berlin die Anfrage gelangt, ob man wohl Truppen disponibel habe, um in Sachsen einzurücken. Die Zustände seien so, dass es jeden Tag nötig werden könne, da die Regierung gar keine Kraft habe. Der Reichsbevollmächtigte von Mühlenfels194 ist auch hier mit der Vollmacht in der Tasche gewesen, um preußisches Militär aus Halle und Görlitz sofort zu requirieren, hat aber gesehen, dass es doch nicht nötig sei. Beust, der jene Erzählung Brandenburgs wieder erfahren, hat zum größten Erstaunen des Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten Bülow diesem gesagt, dass man das hier recht gut wisse und dass dies auf die Fassung der diesseitigen Note nach Berlin in der deutschen Sache wesentlich inluiert habe – die allerdings Pfordten ziemlich barsch gefasst hat.195 Beust machte noch folgendes schöne Wortspiel auf das neue Ministerium: Es tritt auf als Held, Beist nur wenig, stützt sich auf einen Ehrenstein, wird dann Weinlig und endet in einem Rabenhorst. Georgi hat Ehrenstein gesagt, er habe die Stelle eines Finanzsekretärs, die jetzt vakant ist, schon vorläufig zugesagt an – Klinger, Bürgermeister von Leipzig196. 193 Brandenburg, Friedrich Wilhelm Graf von (1792–1850). Sohn König Friedrich Wilhelms II. von Preußen und der Gräfin Dönhoff. Preußischer General. Ab 8. November 1848 preußischer Ministerpräsident, vom 3. Mai bis 29. Juli 1849 preußischer Minister des Auswärtigen. Siehe ADB Band 3, S. 238.. 194 Mühlenfels, Ludwig von (1793–1861), preußischer Oberappellationsgerichtsrat in Greifswald. Vom 28. September 1848 bis 10. Februar 1849 Reichskommissar für Thüringen und Sachsen-Altenburg. Siehe Wentzke, Einigungsbestrebungen. 195 Es handelt sich um die Note der sächsischen Regierung vom 10. Februar 1849 als Antwort auf die preußische Zirkularnote vom 23. Januar 1849, in der Preußen die Errichtung eines deutschen Bundesstaates ohne Österreich vorgeschlagen hatte. Siehe Protokoll der Sitzung des Gesamtministeriums in Gegenwart des Königs unter Hinzuziehung von Beust, Kohlschütter und von Ehrenstein am 12./13. Februar 1849 mit den „Bemerkungen der königlich sächsischen Regierung zu den von der deutschen Nationalversammlung in erster Lesung angenommenen Abschnitten des Verfassungsentwurfs“. In: Sächs. HStA, Gesamtministerium, Loc. 60 Nr. 13, Bl. 111 ff – Rumpler, Deutsche Politik, S. 94 ff. 196 Klinger, Hermann Adolf (1806–1874), seit 1834 Advokat in Dippoldiswalde. 1841 bis 1846 und 1848 Abgeordneter der radikalen Linken in der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. Ab 1846 Stadtrat
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Um fünf Uhr war Sitzung im Gesamtministerium, während um sechs Uhr die neuen Minister zum König bestellt waren. Braun sagte mir, sie sollten nur die Fragen wegen ihres Abgangs besprechen. Ich hatte schon das Protokoll gemacht und u. a. aufgenommen, dass sie auf ihren ausdrücklichen Wunsch des Titels und Ranges enthoben werden. Das fand bei Braun. Oberländer, Georgi entschiedenen Anklang, aber umso weniger bei Pfordten und Buttlar. Ersterer brach in eine vehemente Tirade aus gegen den Undank, mit dem ihm Sachsen gelehrt, dass er von seinen Rechten nicht ein Titelchen aufgebe, nötigenfalls einen Prozess anfangen würde, während er in demselben Moment sagte, er werde gar nichts nehmen und brauchen. Sollte er wirklich, wie Braun heute zu Held gesagt hat, ein Ministerium in Bayern sich gesichert und den ganzen Spektakel bloß gemacht haben, um hier loszukommen? Das wäre wahre Infamie. Ende vom Lied war, dass der Passus wegblieb und den Einzelnen überlassen ward, den Titel fallen zu lassen. Nun kam ein anderer kritischer Punkt, den ich erwähnen musste, die Pensionsfrage. Als ich nun nach § 4 und 9 meine Zweifel aufstellte197, war es, als ob eine Bombe platzte. Das kam allen unerwartet. Sie wollten alle die dreitausend Taler. Mir erklärten gleich Oberländer und Georgi, dass sie die Absicht gehabt, eintausendfünfhundert Taler fallen zu lassen und Oberländer sagte, er möchte doch gern etwas haben, denn er habe Schulden gemacht, die wolle er doch gern bezahlen. Ehrlicher Martin! Der Mann ist doch ein wahres Labsal unter der Bagage! Rein und klar von Charakter wie Kristall, aber freilich nicht von Kopfe, wo es gar konfus aussieht. Nun entstand denn ein langes Gerede, infolge dessen ein Protokoll aufgenommen ward, worin die Abtretenden den Neuen es überließen, ihre Rechte festzustellen.198 Nun kam es denn darauf an, das Nötige wegen der Entlassung und der Anstellung der Neuen zu regulieren und Pfordten war hier wieder wütend, dass der König ihnen gar keine schriftliche Antwort auf ihr Gesuch gegeben, die sie doch erwarten könnten. Wahr ist es, aber der König und – Rücksichten! Durchaus wollten sie morgen abtreten. Da ich nun erklärte, ich könne doch nichts ausfertigen lassen, ehe der König signiert habe, so wurde ich denn mit dem Protokolle abgesendet, um es durch Held dem König vorzulegen. Nach langem Zaudern, ich hatte ihn vom König herausrufen lassen, brachte er es wieder und sagte, der König sei mit ihnen noch nicht einig, werde die Minister keinesfalls morgen entlassen, wolle daher nicht signieren! Das war die zweite Bombe, über die Braun vor Allen toll ward. Er raisonnierte furchtbar, man behandele ja keinen Bedienten so, morgen kämen die wichtigsten Fragen vor, da sollten sie als Strohmänner dastehen usw. Nun beruhigte wieder Pfordten und ich. Ich ging endlich meiner Wege, ohne dass ein anderes Resultat erlangt, als dass man morgen um halb neun Uhr wieder zusammenkommen wolle. Ich war noch beim Amtshauptmann von Oppell zur Partie und auf dem Rückweg ging ich in Leipzig und am 6. April 1848 zum Bürgermeister gewählt. Nach 1849 Rechtsanwalt in Dresden. Über die von Braun ihm angebotene Übernahme des Innenministeriums im März 1848 siehe Klemm, Sachsen 1848, S. 32. 197 Gesetz, die Verhältnisse der Civilstaatsdiener betr. vom 7. März 1835. In: Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 169–201. 198 Die darüber im Gesamtministerium gepflogenen Verhandlungen seit dem 23. Februar 1849 einschließlich der von Weber, v. Langenn, Dr. Günther und dem Oberappellationsgericht erstatteten Gutachten liegen vor in: Sächs. HStA, Gesamtministerium Loc . 23 Nr. 1, Rücktritt der Staatsminister Dr. Braun, Dr. v. d. Pfordten, Georgi, Oberländer und v. Buttlar und die ihnen zustehenden Gerechtsame. 1849. Letztlich erfolgte die Entlassung der Staatsminister aus dem sächsischen Staatsdienst unter Beibehaltung ihres Titels und Ranges ohne Anspruch auf Pension.
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mit Buttlar, dem ich nun meine Meinung über diesen schmählichen Rückzug sagte. Dabei kam es denn heraus, dass er allerdings mit nebenbei gelaufen ist, weil er nun eben mit dabei gewesen, dass er sich aber geschmeichelt hat, der König werde ihn bitten zu bleiben und dass er ganz wütend ist, dass der König kein Wort deshalb gesagt. Braver guter Mann, aber miserabler Kriegsminister! Februar 24 Früh um acht zu Ehrenstein, der mir sagte, dass sie gestern mit dem König wegen der Grundrechte zwar einig geworden, aber der Eintritt des Ministeriums erst Montag erfolgen soll, was ich geradehin für unmöglich erklärte, da heute die Grundrechte und mehrere andere wichtige Fragen auf der Tagesordnung stehen, die das alte Ministerium doch nicht mehr mit durchmachen kann. Um halb neun Uhr ins Gesamtministerium. Unterwegs traf ich den Geheimen Finanzrat Behr, der mir erzählte, dass vor einigen Tagen wieder die Rede von einer Ministerkrisis gewesen, aber dass – nichts dran sei. Im Gesamtministerium fand ich die alten Minister und Held und Weinlig. Ich überließ sie sich einander. Da kam nach einer halben Stunde Braun und bat mich, ich sollte meinen Einfluss geltend machen, die Herren zu bestimmen. noch heute einzutreten. Das war bald gemacht, zumal Ehrenstein noch hinzukam, der meiner Meinung war. Nun ward nach Beust – natürlich vergeblich – geschickt. Dann zum König, zu dem Braun und Held gehen wollten. Um zehn Uhr sollte die Sache in der Kammer vor sich gehen, dreiviertel zehn war es. Es wurde zum König geschickt. Ja, kam die Antwort, er ist noch nicht herunter, er liegt im Bett und schwitzt. Das taten wir auch in corpore. Braun schrieb nun an ihn. Da kam ein Bote von der Königin nach Braun. Nach einer halben Stunde kam er wieder und sagte, der König habe alles genehmigt im Bette liegend, schwitzend. Er übernahm alle Verantwortung. Ich solle die Schreiben an die Präsidenten abgehen lassen. Es wurden nun alle Kanzlisten, auch aus dem Hauptstaatsarchiv, requiriert und die verschiedenen Schriften mundiert. Braun ging in die Kammern und erklärte den Austritt des alten Ministeriums, während gleichzeitig ein Schreiben des Gesamtministeriums, welches aber gegen meine Ansicht Held unterzeichnet hatte, das neue Ministerium benannte. Gegen halb elf Uhr platzte diese Bombe, fast allen ganz unerwartet. Um drei Uhr war wieder Sitzung im Gesamtministerium, wo sie ihr Programm machten. Ich konnte nicht immer dabei sein. Um sechs Uhr Verpflichtung beim König und dann sogleich als Evangelicis durch Braun. In der Ressource, freilich keine Fundgrube politischer Weisheit, ward dem neuen Ministerium eine Existenz von acht Tagen bis fünf Wochen prophezeit. Februar 25 Früh halb neun kam Ehrenstein zu mir, um mir die Beschlüsse der Linken, die gestern im Stadtverordnetensaale getagt hat,199 die er durch Klinger erfahren, mitzuteilen. Der erste war, die Präsidenten zu autorisieren, den Ministern den Zutritt in den Kammern zu verweigern, wenn sie nicht ein von einem der alten Minister unterzeichnetes Dekret produzie199 In der Sitzung der Zweiten Kammer der Ständeversammlung am Vormittag des 24. Februar 1849 gab Minister Braun den Rücktritt des Märzministeriums bekannt und gleichzeitig wurde das Beamtenministerium Held ernannt. Nach der Kammersitzung traten die Abgeordneten der Linken und der äußersten Linken zu einer gemeinschaftlichen Fraktionssitzung zusammen. Sie faßten den Beschluß, gegen das neue Ministerium ein Mißtrauensvotum einzubringen, wenn das Ministerium in der Regierungserklärung kein klares Programm vorlegen und die „Grundrechte des deutschen Volkes“ nicht sofort anerkennen würde. Das bedeutete eine offene Kampfansage der radikalen sächsischen Demokratie an Ministerium und König. Siehe dazu Geyer, Politische Parteien, S. 169.
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ren könnten. Wir kamen überein, eine Bekanntmachung in die Gesetzsammlung aufnehmen zu lassen und sie von Braun unterschreiben zu lassen. Nun gingen wir ins Gesamtministerium und ich suchte die anderen Minister zusammenzutrommeln. War vergeblich. Bloß Beust war zu erlangen. Nun zu Braun, der aber nicht zu Hause war und um zwölf abreisen wollte. Inzwischen ward die Verordnung geschrieben und als um zwölf die neuen Minister zusammen waren, trug sie Held zum König, der sie den alten Ministern, die um halb eins zu ihm bestellt waren, vorlegen wollte. Es verging die Zeit und die Verordnung kam nicht zurück. Beust ging dann zum König und da erfuhr man, Pfordten habe sie mitgenommen. Nun zu dem geschickt. Er wolle mich selbst sprechen. Als ich hinkam, wollte er nicht unterzeichnen, erbot sich aber, Brauns Namen darunter zu setzen, weil er doch das Konzept signiert habe, aus welchem jene Bekanntmachung entnommen ist. Dagegen protestierte ich und schlug vor, Buttlar solle sie zeichnen. Nun wieder zu Held und Buttlar und endlich um zwei war die Sache in Ordnung und um fünf die Bekanntmachung in der Gesetzsammlung gedruckt. Nach Tisch um fünf war wieder Sitzung, in der wir das Programm für morgen nochmals durchgingen und dann ging ich zu Oberländer, wo ich aber bloß sie, eine ganz einfache, recht verständige Frau fand, die so besonnen über ihre Lage und Verhältnisse sprach, dass ich wohl eine Stunde bei ihr blieb. Februar 27 Höllisch gearbeitet die Tage, da ich namentlich die Frage wegen der Pensionen der abtretenden Minister zu prüfen habe. Buttlar will nicht abgehen, hofft, sich halten zu können, während die anderen ihn, wegen seiner Schwäche, nicht behalten und Rabenhorst haben wollen. Der König ist zu schwach, um zu entscheiden und so bleibt die Sache in suspenso. Beust will Könneritz in Wien nicht abberufen und die Gründe, die er mir angibt, sind allerdings anscheinend erheblich. Er sagt, Österreich hat kategorisch erklärt, dass es, wenn Könneritz abberufen werde, darin einen neuen Tadel seines Verfahrens und den Beweis, dass in Sachsen bloß die Kammern regierten, erblicken werde. Wir müssten uns, wenn wir größer werden oder auch nur uns erhalten wollten, notwendigerweise an Österreich anlehnen, welches ein Interesse habe, die Mittelstaaten zu erhalten, während Preußen dagegen manövriert. Es kommt nun allerdings also darauf an, auf die Kammern einzuwirken, dass sie in dieser Sache die Regierung nicht mehr drängen. Dass das neue Ministerium, wenn Beust austreten sollte, ganz rat- und kopflos sein würde, ist klar, denn die andern sind höchstens Kannegießer, keine Politiker, gerade wie ich. Beust muss also den politischen Ton angeben. Geht er, so wird auch das Ministerium sich soweit links drängen lassen, bis es an der Kippe steht, wohin die Radikalen, denen es ja bloß darum geht, Spektakel zu machen, es haben wollen. Ich bleibe aber doch dabei, am besten alle Gesandten abberufen, die doch gar nichts nützen. März 2 Im Gesamtministerium ist meine Stellung jetzt ganz eigentümlich. Ich bin faktisch der vorsitzende Staatsminister und die anderen betrachten mich als den magnus Apollo! Dabei habe ich aber die Verantwortlichkeit nicht und das Bewusstsein derselben lastet nicht auf mir. Deshalb kann ich denn auch unbefangener über manche Sachen urteilen. So will ich denn in guten Gottes Namen also einmal ein Stück mitregieren. Man macht’s, so gut man’s kann und geht’s schief – nun, so weiß wenigstens niemand, wer’s gewesen ist. Held und Genossen dachten, weil die Sache mit dem König im Anfang so nett ging, das sei eine Geschichte wie Butter. Heute bekamen sie einen Vorgeschmack, wie es sein kann. Alles war in Ordnung. Da wird er wieder stutzig, fährt Held entsetzlich an, schmeißt die Papiere hin und will nicht unterschreiben. Held kam ganz verdutzt ins Gesamtministerium
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zurück. Ich betrachtete die Sache, wie sie war, lachte ihn aus, schickte alles wieder zum König und versicherte Held, er werde morgen unterschreiben. Beust kam gerade von Berlin zurück. Er soll denn morgen mit dem König reden. März 3 Früh kam Müller zu mir, mit dem ich sub sigillo ein Zwiegespräch über die jetzigen Verhältnisse hatte. Ich fand ihn ganz vernünftig. Er sagte, die äußerste Linke hatte gleich ein Misstrauensvotum geben wollen, was aber das Zentrum, das sich jetzt konsolidiere, nicht tun werde. Dann kamen wir denn auf die Wiener Gesandtenfrage, wo ich denn ihm die Verhältnisse, wie sie liegen, auseinandersetzte. Er sah auch gleich ein, um was es sich handelte und sicherte zu, dass, wenn eine Interpellation kommen sollte, auf geheime Sitzung angetragen werden würde. Dann kam er auf seine Militärverhältnisse zu sprechen und was er da sagte, klang freilich nun ganz anders, als man es in der Ressource hört. Ich verstehe aber diese Sachen nicht und sagte ihm offen, dass ich da mein Urteil suspendiere. Wir schieden ganz zufrieden voneinander, weil wir beide, wie ich es allemal bleibe, ganz ehrlich gewesen waren. Von da zu Ehrenstein und dann zu Beust, dem ich, soweit es mir Müller gestattet, ohne Nennung des Namens das Nötige mitteilte. Beust hat, wie ich gestern sagte, heute den König ganz weich gefunden und ohne Schwierigkeit hat er unterschrieben. So sind denn die Grundrechte nun vom Stapel gelaufen. Wollen hoffen, zum Heil. Denn ich habe allerdings sehr wesentlich zur Publikation mit beigetragen, die aber auch ganz unabweisliche Notwendigkeit war. Beust sagte mir, dass er morgen ein Rendezvous mit Könneritz in Görlitz hat, wo er die Frage, was zu tun ist, mit ihm besprechen und ihn disponieren will, selbst zurückzutreten, um der Regierung aus der Verlegenheit zu helfen. Von der Zurückziehung der Gesandten überhaupt hat aber der König gar nichts hören wollen. Nachdem ich im Gesamtministerium das Nötige gearbeitet, ging ich zu Zeschau, dem ich sein Pensionierungsreskript überbrachte. Wir kamen da auch in die Politik und er sagte – kurios, wenn ich bedenke, wie er früher sprach – das, was ich zehnmal gesagt habe. Wir sollten uns nicht an das unzuverlässige Österreich, das uns seit Jahrhunderten immer in die Patsche gebracht, sondern an Preußen anschließen, wie die anderen kleinen Staaten in der Form einer Mediatisierung und die Zivilliste auf die Hälfte herabsetzen. Deshalb eben, weil das meine Überzeugung ist, kann ich kein Ministerium annehmen, bei dem ich als ehrlicher Mann, und das will ich bleiben, notwendig in eine Kollision der Pflichten kommen müsste. Abends sollte keine Sitzung sein. Aber um sechs Uhr kam ein Bote angesprengt, ich möchte doch gleich herüberkommen. Die Minister waren da und berieten wegen einer Interpellation über das Veto. Das wird nun auch so ein Panier werden, was die Radikalen dem dummen Volke vorhalten, obwohl die ganze Geschichte ein ganz unpraktischer Streit in einem kleinen Lande wie Sachsen ist, wo, wenn wirklich das Bedürfnis im Volke ist, das absolute Veto doch nicht angewendet werden wird. Da man wohl einem Putsch, nicht einer Revolution widerstehen kann, wenn solche droht. Allein die Regierung kann eben nicht nachgeben, weil es diese Kammer verlangt und man nur ein Zeichen der Schwäche darin befinden würde. Eine Stunde ward gelatscht, dann ging ich in die Ressource. Da erzählten sie, dass man Braun in Plauen einen Fackelzug gebracht. Als er gesprochen, hat sich, wohl weil man mit dem Inhalt nicht ganz einverstanden gewesen, einiger Spektakel erhoben und er etwas diktatorisch Ruhe geboten. Darauf warfen sie ihm die Fenster ein. März 4 Abends wie gewöhnlich unseren kleinen Zirkel. Beust kam auch, um zu referieren über seine heutige Konferenz mit dem Gesandten von Wien Könneritz in Görlitz.
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Dieser ist zu allem bereit gewesen, auch dazu, sofort um seine Abberufung zu bitten. Allein er hat versichert, dass dies in effectum für Österreich, das sich nicht täuschen lassen werde, ganz gleich sei. Wir müssen nun also sehen, ob wir in geheimer Sitzung den Kammern die Sache deutlich machen können, was aber seine Schwierigkeiten haben wird. März 6 Abends Sitzung im Gesamtministerium. Es war vom Reichsminister des Innern eine Note eingegangen, dass zum 18. dieses Monats in ganz Deutschland Revolution, Fürstenmord mit vergifteten Schroten-Windbüchsen beabsichtigt werde. Zugleich sollten von Frankreich und der Schweiz Polen etc. hereinbrechen. Die Eisenbahnen würden mit Entminantes, mit Pulver oder Knallsilber gefüllten Blechbüchsen, gesprengt werden etc. Machte mir nicht sehr bange. Nur Held schienen die vergifteten Schrote etc. unangenehm zu berühren. Außerdem kam der Befehl, dass wir viertausend Mann nach Schleswig parat halten sollen. Übrigens besprach ich nun meine Angelegenheit mit den Ministern und sie versprachen mir meine Entlassung. Und da nichts anderes gerade da ist das Geheime Archiv mit dem Vorbehalt, mich bei den Sitzungen nach wie vor beratend hinzuzuziehen, wogegen ich nichts habe, vorausgesetzt nur, dass keine rechtliche Verpflichtung daraus entsteht. Kohlschütter hat durch eine unbegreiflich Dummheit die Regierung in rechte Verlegenheit gebracht. Er bekam hier seine Instruktion in der Verfassungsfrage, um mündliche Verhandlungen darnach mit anderen Bevollmächtigten zu pflegen. Statt das zu tun, übergibt er die ganze Geschichte wörtlich abgeschrieben dem Reichsministerium und den anderen Tag steht sie in der Oberpostamtszeitung. Nur passt natürlich vieles nicht in den Kram der hiesigen Radikalen und Tzschirner hat denn schon eine große Interpellation mit „Verrat des Vaterlandes“ ausgeschmückt deshalb an das Ministerium gerichtet. März 8 Als ich im Gesamtministerium arbeitete, kam Held und sagte mir, der König habe meine von ihm befürwortete Anstellung im Archiv genehmigt, habe aber dabei unter großen Lobeserhebungen die Bedingung gestellt, dass ich ferner zu den Beratungen im Gesamtministerium zugezogen werde. Ich hatte nun auch nichts gegen diesen Vorbehalt, wünschte aber nur, dass er nicht in die Zeitungen komme. Überdies war Rabenhorst angekommen und ich drang nun darauf, dass er gleich verpflichtet werden möge. Um zwei geschah dies und als die Sache vorüber war, bat ich den König, nachdem Held und Rabenhorst fortgegangen, noch um einen Augenblick, dankte ihm für die Erfüllung meines Wunsches und entwickelte ihm kürzlich die Gründe. Buttlar ist nun also gegen seinen Willen auch abgetreten von der Schaubühne. Er hat nicht viel Ehre mit seiner Ministerrolle eingelegt, es keinem Teile recht gemacht. Rabenhorst macht den Eindruck eines entschlossenen Mannes. Ich benutzte gleich die erste Gelegenheit, um mit ihm über Müller zu reden und schilderte ihm denn von meinem ganz unbefangenen Standpunkte, wie man ihn durch hämische Anfeindungen und Verleumdungen den Radikalen in die Arme getrieben habe, wie insbesondere die Demonstration der Offiziere gegen ihn durch die Bekanntmachung in den Zeitungen ein ganz verkehrter Schritt gewesen und ich freute mich, dass er ebenso die Sache von Anfang an betrachtet habe. Gleichwohl hielt er Müllers Stellung, wie sie jetzt sei, für unhaltbar. Er scheint also mit seinen militärischen Reformideen nicht einverstanden. Das ist nun allerdings ein Punkt, wo ich mein Urteil, wie ich auch Müller wiederholt gesagt, suspendiere. Ich verstehe das nicht. März 9 Georgi suchte ich, da er auf zwei Monate verreisen will, nach Tische auf und fand ihn in seiner Familie und sogleich seinen Bruder, den Hauptmann, dem bei Wien eine
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Kanonenkugel die Schulter verletzt hat, wovon er Genesung in Teplitz hofft. Von Georgi eine Stunde in die Ressource, wo die Zeitungen die Nachricht von der für Österreich oktroyierten Verfassung brachten.200 Hiermit scheint Österreich mit Deutschland nun ganz gebrochen zu haben. Um acht zu Reitzenstein. Ich traf Buttlar da. Er war sehr indigniert, dass der König jetzt bei seiner Entlassung Schirnding201 das Armeekommando übertragen, nicht ihm. Buttlar sieht nicht ein, woran es ihm fehlt, an Energie. Diese geht dem König auch gänzlich ab und daher beurteilt er diesen Fehler an anderen am strengsten. Kurios, dass man vom Prinz Johann auch seit einem Jahr kein Wort hört. Gut und nicht gut. Zum König halte ich ihn doch nicht für möglich. Er ist zu unpopulär. Aber freilich kennt auch kein Mensch den Prinz Albert. März 10 Früh bekam ich von Held das Protokoll meiner Anstellung im Hauptstaatsarchiv.202 Er hatte den Vorbehalt, dass ich den Sitzungen des Gesamtministeriums ferner beiwohnen möge, dass die Fortdauer dieses Verhältnisses ganz in mein Ermessen gestellt ward. Allerdings eine ganz eigentümliche Stellung, die ich mir wohl gefallen lassen kann. Um zwölf war Sitzung. Die Anzeichen mehren sich von allen Seiten, dass die anarchische Partei einen Putsch beabsichtigt, der hauptsächlich mit auf die Personen der Fürsten gerichtet sein soll. So lautet das Zirkular des Reichsministers, so Aussagen, die beim Amtshauptmann Brückner zu Chemnitz erstattet worden sind über angeblich behorchte Gespräche. Es wurden nun die eventuellen Maßregeln besprochen. Man kam überein, dass vor allem Dresden und Leipzig gehalten werden müssten, dass man das Militär nicht zersplittern dürfe. Die Hofbeamten hatten ein großes Protokoll aufgenommen, wie das Schloß mit seinen siebzehn Eingängen zu verteidigen, worin viel von Barrikaden die Rede war. Es ward aber dieses Defensionswerk an den General Schulz203 verwiesen. Held schien sehr ängstlich. Ich habe gar keine Besorgnis. So dumm werden die Radikalen jetzt noch nicht sein, in Sachsen ein kleines Spektakelchen zu machen, das jetzt ausgepustet werden würde. Das wird später kommen! Abends war wieder Sitzung, zu der Langenn, Günther und Marschner204 zugezogen wurden, über die Frage, ob die abgetretenen Minister Pension bekommen sollten. Majore waren gegen alle Entscheidung, nur Günther glaubte Wartegeld rechtfertigen zu können. Man beschloss daher, das Gutachten des Oberappellationsgerichts zu erfordern, um ganz sicher zu gehen. März 11 Heute sollte der Putsch, eine Sturmpetition an den König erfolgen – ja prosit! Präsident Joseph hat der Reihe nach alle Minister aufgesucht, ohne sie zu finden. Was muss er bei ihnen gewollt haben? 200 Am 4. März 1849 hatte der österreichische Kaiser Franz Joseph I. die Auflösung des Reichstages in Kremsier (Kromeriz) verfügt, die ungarische Verfassung außer Kraft gesetzt und durch eine neue Verfassung Österreich zu einer unteilbaren Monarchie erklärt. Die Verfassungsoktroyierung erfolgte mit einem Gesamtparlament und einheitlicher österreichischer Staatsbürgerschaft auch für Ungarn. Siehe E. Bernartzik: Die östereichischen Verfassungsgesetze. 1911. 201 Schirnding, Ernst Karl Georg Wilhelm von (1790–1860), sächsischer Generalleutnant. Kommandant der 1. Division. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 453 202 Bekanntmachung vom 8. März 1849. In: Dresdner Anzeiger. 1849. Nr. 71 vom 12. März, S. 1.. 203 Schulz, Adolf Heinrich Ludwig von (1791–1857), sächsischer Generalmajor, 1848/49 Gouverneur von Dresden. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 477. . 204 Marschner, Dr. Gustav (1796–1882) von 1820 bis 1843 Advokat in Dresden, Stadtverordneter, Oberappellationsrat. Geheimer Rat im Justizministerium, hat maßgeblichen Anteil an der sächsischen Gesetzgebung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Siehe auch Racknitz, Stadtverordnete, S. 56.
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Rabenhorst hat heute einen Armeebefehl erlassen, der mir doch zu kategorisch erscheint. Da wird denn der Spektakel morgen wohl gleich losgehen. März 14 Die Nachrichten über einen zum 18. dieses Monats beabsichtigten anarchischen allgemeinen Aufstand, der mit der Ermordung einzelner bestimmter Personen beginnen soll, mehren sich. Von Wien, Frankfurt, Posen usw. gehen gleichlautende Nachrichten ein, wonach der Zentralpunkt der Verschwörung Genf und eine Zahl von zweitausendzweihundert Personen bestimmt sein soll, gleichzeitig aller Orten loszuschlagen. Ich glaube nun dergleichen nicht. Indessen schien es doch dem Gesamtministerium nötig, alle Vorkehrungen zu treffen, um nicht überrascht zu werden. Es soll daher noch mehr Militär hierher gezogen werden. Wollen sehen, ob sie mich auch totschlagen. Ich habe am Ende nicht viel einzuwenden. Beust wollte sich aber doch eine Waffe anschaffen, zumal in Stadt Rom sich ein Pole neben ihm einquartiert hat, dem er nicht zu trauen scheint. März 18 Sitzung. Gestern ebenso. Zu letzterer gab Veranlassung eine sehr unangenehme Sache. Oberst Süßmilch205, dessen Regiment in diesen Tagen nach Schleswig marschiert, hat Müller einen Schuft oder dergleichen geschimpft. Dieser lässt ihn auf Pistolen fordern. Hermann Müller kommt, jedenfalls wie aus seinen Äußerungen hervorgeht, gestern früh in Tränen zerfließend zu Ehrenstein, um Hilfe zu suchen – auch kurios. Während nun Ehrenstein den Kriegsminister aufsucht in der Absicht, die Sache so zu vermitteln, dass der König das Duell, das natürlich einen ganz politischen Charakter gehabt hätte, zu untersagen, macht Süßmilch die unbegreifliche Erklärung, er werde sich nur über der Grenze schlagen und das Offizierskorps sagt, erst müsste Müller beweisen, dass er satisfaktionsfähig sei. Kann man sich was Tolleres denken! Diese Offiziere sind doch auf der einen Seite ganz, was Tzschirner auf der anderen, und ihren gegenseitigen, wenn auch nicht gemeinsamen Bestrebungen werden wir es verdanken, wenn Sachsen binnen Kurzem aufgehört hat, ein Staat zu sein. Wir waren nun bald darüber einig, dass das Duell nicht stattfinden dürfe und dass jeder Schritt des Offizierskorps gegen Müller womöglich hintertrieben werden müsse. Wir setzten daher eine Schrift auf, worin der König bei seiner Ungnade das Duell, von dessen Beabsichtigung er durch Gerücht vernommen, untersagte, in dem nicht als Motive aber als Beisatz angedeutet war, dass Süßmilch jetzt ins Feld müsse, Müller Abgeordneter sei. Trotzdem, dass der revolutionäre Zentralklub in Genf laut der Steckbriefe jene berühmten drei206 abgesendet hat, hat sich doch keine Maus gerührt. In Leipzig soll gestern ein unbedeutender Lärm gewesen sein. Dagegen haben sie in einem Hotel eine großartige Demonstration ausgeführt, indem, als Schaffrath und Joseph dort an die Wirtschaftstafel sich gesetzt, alle anderen Gäste sich sofort entfernt haben. März 19 Vielerlei Lauferei den ganzen morgen, aus einem Ministerium in das andere. Im Auswärtigen traf ich den Herrn Gesandten in Paris Könneritz, allerdings ein großer Windbeutel und Lügensack. Der erzählte mit Bestimmtheit, es sei ein großer republikanischer Putsch in der Gegend von Zschopau, Mittweida usw. für diese Tage vorbereitet. Er sei des205 Süßmilch genannt Hörnig, Moritz Bernhard von (1792–1858), Oberstleutnant der sächsischen Armee. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 503. 206 Nach der in der Beilage Nr. 76 der Leipziger Zeitung vom 18. März 1849 veröffentlichten Bekanntmachung des Ministers Weinlig vom 17. März 1849 handelte es sich um zwölf Personen. Siehe Kretzschmar, Schlechte, Gesandtschaftsberichte, S. 334.
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halb von seinem Gute weggegangen. Etwas ist an der Sache, denn Weinligs Nachrichten stimmen damit überein. Der Landtagsabgeordnete Böttcher207 und ein gewisser Blankmeister aus Chemnitz stehen angeblich an der Spitze. März 20 Um halb elf kam ein Bote, dass Beust schon mehrmals nach mir gefragt und ich ging daher zu ihm. Wir besprachen die Frage wegen der Abberufung Könneritzens, da nun in geheimer Sitzung mit den Kammern beraten werden muss. Er las mir seine Rede vor und wir änderten mehreres. Um sechs Gesamtministerium. Müller hat nämlich, nachdem ihm der Befehl des Königs durch Schirnding eröffnet worden, einen Brief an den König geschrieben, worin er ihn um Genehmigung des Duells bittet. Der König hat den Brief Rabenhorst gegeben, um die Sache zu erledigen. Es scheint nun allerdings, dass es gar kein Mittel gibt, in dieser Sache ein Duell zu vermeiden und dass wenigstens in Müllers Interesse, das ich dabei zunächst wahrzunehmen mich für verpflichtet hielt, kein gewaltsames Verhindern des Duells eintreten kann. Ich habe aber bei der Gelegenheit nochmals Rabenhorst reinen Wein eingeschenkt über das Benehmen der Offiziere gegen Müller – zu spät aber ist jetzt alles. Wäre Rabenhorst ein Jahr früher eingetreten, so wären die ganzen Geschichten nicht vorgekommen. Die Nachrichten über einen beabsichtigten Putsch im Gebirge scheinen ganz unbegründet. Wenigstens versichert Weinlig, nach seinen Nachrichten sei alles ganz ruhig. März 23 Als ich früh ins Auswärtige zu Beust kam, erfuhr ich, dass früh eine Stafette eingetroffen, dass gestern ohne alle Anmeldung tausend Mann Bayern in Sachsen eingerückt seien und Nachtquartier verlangt, mit der Meldung, dass noch siebentausend Mann nachkommen würden. Auch eine hübsche Einrichtung, so ohne weiteres ins Land zu fallen. Beust ließ sich den bayerischen Gesandten Gise rufen, um ihn über diesen Hausfriedensbruch zu befragen. März 26 Die Sachen verwickeln sich etwas mehr noch. Schon am Sonnabend erfuhren wir, dass heute von Tzschirner ein Misstrauensvotum gegen das Ministerium solle ausgesprochen werden. Es ward daher beraten, was zu tun sei und die Vorhersagung traf ein. Heute hat er es beantragt. Morgen ist geheime Sitzung wegen der Angelegenheit des Gesandten Könneritz in Wien, dessen Abberufung die Kammern beantragt haben, die Regierung (d. h. Beust) aber nicht zugeben will. Beust’s Rede musste da auch sorgfältig besprochen werden. Er reiste am Sonnabend nach Berlin und kam heute zurück und gleich zu mir gefahren, um einige pretiosa zu deponieren und Rücksprache zu nehmen. Ich ließ noch Ehrenstein dazu zitieren. Ich selbst habe nun auch dem Abgeordneten Jahn in der Ersten Kammer Gelegenheit gegeben zu einer Interpellation darüber: nämlich dass man mir gegen § 7 der Grundrechte das Staatsarchivariat übertragen habe unter Belassung „meiner Titel“. Ich werde also auch eine Rolle in der sächsischen Geschichte spielen und der casus Weberianus wird vielleicht Veranlassung zum Sturz des Ministeriums oder zu einer lex Jahniana. Kuriose Zeit! März 28 Äußerste Linke stellte Antrag auf Misstrauensvotum. Die Linke trug auf Vertagung an, um zunächst die unglückselige Blum’sche Sache, die Abberufung des Gesandten 207 Böttcher, Carl Feodor (1817–1849), Rechtsanwalt in Chemnitz. Maßgebendes Mitglied des Vaterlandsvereins und des Arbeitervereins in Chemnitz. Einer der Anführer des Chemnitzer Aufstandes vom September 1848. Seit Dezember 1848 Abgeordneter der äußersten Linken in der Zweiten Kammer der Ständeversammlung. Fiel in den Kämpfen am 6. Mai 1849 in Dresden. Siehe Geyer, Politische Parteien, S. 104 ff.
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Könneritz, die jetzt wieder in geheimer Sitzung vorgekommen ist, abzuwarten. Es entstand ein mit großer Erbitterung geführter Kampf. Während der Sitzung waren die Minister im Ministerium des Innern versammelt und ich referierte ihnen von Zeit zu Zeit. Der Antrag auf Vertagung ging schließlich mit 131 zu 30 Stimmen durch. Recht schade ist es, dass Beust als Redner so wenig Eindruck macht, was hauptsächlich an seinem Organ liegt. Ich war gestern bei Müllers, die denn erzählten, dass die beiden Kammern von dem beabsichtigten Duell zwischen Müller und Süßmilch unterrichtet gewesen. Ebenso hatte Müller ihnen ohne weiteres den Inhalt der gestrigen geheimen Sitzung über die Blum’sche Sache mitgeteilt – sehr naiv! Bei der heutigen Debatte hat Tzschirner in der Wut Enthüllungen gemacht, die die durch alle Zeitungen gegangene Erklärung des Kaufmanns Büttner aus Lauban208 über die erste Verhandlung im Klub, um das Ministerium Braun zu stürzen, allerdings wesentlich bestätigen209. Abends soll es zwischen der Äußersten Linken und der Linken zu Prügeln gekommen sein. März 30 Wir kommen der Krisis immer näher. Die Kammern fassen die Könneritz’sche Frage ganz energisch an und sie ist und bleibt ein fauler Fleck, dabei bleibe ich trotz aller Remonstrationen Beusts. Heute nach der Deputationssitzung ward deshalb beraten und ich schlug wiederholt vor, alle Gesandten abzuberufen oder Könneritz auf ein von ihm anzubringendes Gesuch, zu dem er bereit ist, abzuberufen. Beust wollte nicht und die Energie, die er dabei zeigte, macht ihm, obwohl ich anderer Ansicht bin, alle Ehre. Er will auf dem zeitherigen Wege fortgehen. Er führt zum Misstrauensvotum, dieses zur Kammerauflösung, diese – wohin? Nach meiner Ansicht ist es der erste Schritt, der die Beseitigung der Existenz Sachsens anbahnt, Putsch, Okkupation von Preußen usw. Beust täuscht sich in der Stimmung in Sachsen über die Könneritz’sche Frage. Es stehen da nicht bloß die Vaterlandsvereine gegen die Regierung, sondern sehr viele Besonnene, die ihr darin Unrecht getan. Wie ich denken Tausende, dass die Gesandten ein ganz unnützer Luxus für uns sind! Wir kamen nicht vom Fleck, da Held bei solchen Fragen ganz unfähig ist. Ehrenstein ist ängstlich, Rabenhorst ein Husare. Beust, der von der Sitzung zu mir kam, war sehr überrascht, wie ich gegen ihn auftrat. Ich erfüllte meine Pflicht und stellte alle Konsequenzen dar. Dann ging ich meiner Wege. März 31 Früh um halb acht kam Ehrenstein schon zu mir, um nochmals die Sache zu besprechen. Wir waren auch wiederholt einig, dass Könneritz veranlasst werden solle, um seine Entlassung nachzusuchen. Um halb zehn wollten die Minister nochmals im Innern zusammenkommen. Das ist auch geschehen. Allein Beust ist aus Versehen erst gegen elf gekommen. Held hat ein Brechmittel einnehmen wollen. Die Kammersitzung hatte begonnen. Man hat keine Zeit gehabt, die Sache nochmals durchzusprechen und so ist es dabei geblieben, keine Beschlüsse zu fassen. Von diesen Kleinigkeiten kann Sachsens Schicksal wesentlich abhängen. Ich sprach noch mit Römer heute, der ganz meiner Ansicht war. Heute kam die Nachricht der Wahl Friedrich Wilhelms zum deutschen Kaiser. Mir ganz recht, wenn er es annimmt. Auch darin bin ich ganz anderer Ansicht als Beust. 208 Die Erklärung von Kaufmann Büttner aus Lauban siehe Dokumentenanhang Nr 5. 209 Siehe die Rede von Tzschirner in der 42. Sitzung der Zweiten Kammer vom 28. März 1849 über den Antrag der Äußersten Linken gegen das Ministerium Held in: Mitteilungen über die Verhandlungen des ordentlichen Landtages im Kgr. Sachsen während des Jahres 1849. Zweite Kammer. Dresden 1849, S. 805–808.
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April 1 Der Kampf wegen der Könneritz’schen Frage begann heute in der Sitzung um zwölf zwischen mir und Beust von neuem, während die anderen Minister unschlüssig bald herüber und hinüber wankten und sich nur durch die Besorgnis, dass Beust aus dem Ministerium zurücktreten werde, bestimmen ließen, ihm nicht entschieden zu opponieren. Wir aßen mit Beust bei Jordan und nach Tische nahmen wir die Frage wieder auf und schließlich war selbst Jordan meiner Ansicht, dass man Könneritz auf ein von ihm zu stellendes Gesuch abberufen oder versetzen solle. Beust ward denn auch schwankend. Da aber sagte er, dass Köchly gestern in der Deputation bereits gesagt, man werde im Bericht das Mißtrauensvotum zugleich beantragen. Wenigstens hat es Beust so verstanden. Dann ist es nunmehr allerdings zu spät! Ich habe wenigstens ehrlich meine Pflicht getan. April 6 Trotz aller Bemühungen konnte ich dieser Tage nicht eine Sitzung im Gesamtministerium zusammenbringen, die ich doch sehr wünsche, da man sich in der deutschen Frage sich doch erst klar werden muss, ehe das Bedürfnis der Entscheidung herannaht. Held ist aber darin so saumselig, dass man nicht vom Flecke kommt. April 9 Um halb elf hatten wir Sitzung, hauptsächlich wegen der deutschen Frage. Beust war in Berlin und nach seinen Ansichten stehen die Sachen dort so. Eine mächtige Partei, Vincke an der Spitze, will, der König soll unbedingt annehmen, obwohl sie überzeugt ist, dass mit der Verfassung und dem Wahlgesetz nicht zu regieren ist. Sie beabsichtigt, wenn die Sache nicht geht und eine durchaus demokratische Versammlung das Kind mit dem Bade ausgeschüttet haben würde, dann Oktroyierung einer neuen Verfassung. Das Resultat wäre dann natürlich Aufgehen des beitretenden Deutschlands in Preußen. Das Ministerium und der König wollen das nicht, aber sie wollen auch das Wahlgesetz und das suspentive Veto nicht. Sie möchten das utile nehmen ohne das bittere und daher entsteht das Schwanken und Unklare in den preußischen Erlassen. Es sollen neue Konferenzen in Frankfurt stattfinden, zu denen Beust hingehen wird.210 Klinger, der Ehrenstein die Kammernachrichten immer zuträgt – ein gesprächiger Mensch, dem ich schon deshalb nicht trauen würde – hat referiert, dass die Blum’sche Sache schon Mittwoch in der Ersten Kammer vorkommen und zu einem Misstrauensvotum führen wird. Beust erzählte noch ein paar Geschichten, die er in Berlin erfahren. Der König von Preußen hat zum österreichischen Gesandten v. Prokesch211 gesagt: Wenn ich der Kaiser von Österreich wäre und der König von Preußen nähme diese Schweinekrone an, so würde ich ihm den Krieg erklären. Das wird der Kaiser von Österreich nicht tun, sagt Prokesch. Er würde warten, bis diese Schweinekrone. wie Euer Königliche Majestät sich auszudrücken belieben, dem König von Preußen die Stirn verbrannt und dann würde er ihm die Hand reichen. So reden nun diese Leute von unserer deutschen Krone. Was wird aus meinem schönen Ideal eines einigen Deutschlands! Oben im Norden haben die Nassauer bei Eckernförde ein dänisches Linienschiff und eine Fregatte erobert und hier unten sind wir nahe daran, einander in die Haare zu fallen. 210 Es handelt sich um geplante Verhandlungen zwischen den Vertretern der deutschen Einzelstaaten im Bundesrat, die im Zusammenhang mit der Antragung der erblichen Kaiserkrone an König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen auf Beschluß der Frankfurter Nationalversammlung vom 28.März 1849 stehen. 211 Prokesch-Osten, Anton Freiherr von (1795–1876), 1849 bis 1852 österreichischer Gesandter in Berlin. Siehe Wurzbach Band 23, S. 349.
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Wäre unsere radikale Partei ehrlich, bei Gott, man könnte in Versuchung (kommen), mit ihr gemeinschaftliche Sache zu machen, um nur ein Resultat zu erzielen, während wir so direkt auf den alten Bundestag zurücksteuern. April 12 Abends Sitzung im Gesamtministerium über die deutsche Frage. Ich trat da einmal recht derb und tüchtig auf, insbesondere gegen Rabenhorst, der, ein ziemlich unhistorisch und unpolitisch gebildeter Kopf, uns einen Anschluss an Österreich preissen wollte. Ich verlangte, dass Sachsen sich ganz offen und ehrlich deutsch bekennen sollte und zugleich auf das Dringlichste der sofortigen Verständigung der Regierungen mit der Nationalversammlung hinweisen sollte. Stattdessen ward nur eine recht gut geschriebene, aber ganz inhaltsleere Note an Preußen genehmigt. Wir wollen immer weise, vorsichtig sein, abwarten und kommen eben deshalb immer zu spät. April 14 Früh um halb neun kamen wir abermals zusammen, da in der deutschen Frage in der Zweiten Kammer eine Erklärung abgegeben werden musste. Beust sollte sie entwerfen und damit sie mehr in meinem, d. h. deutschen Sinne ausfalle, hatte ich Held und Ehrenstein disponiert, dass sie jeder auch einen Entwurf machen sollten. Es war drei viertel neun, als Held schwitzend kam, aber ohne Entwurf – er sei den ganzen morgen abgehalten worden – göttlich! Ehrenstein hatte einen, der recht gut war. Beust ging zum König, dem er originell genug seinen Entwurf mitteilte zur Approbation, ehe er ihn ins Gesamtministerium gebracht hatte. So war es fast zehn, als wir dazu kamen, diese wichtige Sache, die eine halbe Stunde später den Kammern mitgeteilt werden soll, vorzunehmen! Ich verlor fast die Geduld! Groschenweise gab Beust nach und es gelang mir und Ehrenstein, wenigstens noch einige Grundstriche in sein sehr verwaschenes diplomatisches Gemälde hineinzubringen. Ich fange an, immer mehr Oberländers Ansichten über die Diplomaten zu teilen. Sie sind wie die Wettermännchen, die bloß die Nase am Fenster zeigen, nie ganz offen und ehrlich hervortreten. Das ist nun den Leuten einmal zur anderen Natur geworden. Sie müssen immer beschleichen, fünfzig Hinterlisten in petto haben. Ei, so hol euch der Teufel! Ich schrieb heute in diesem Sinne einen Aufsatz, den ich nun zirkulieren lasse bei den Ministern. Wollen sehen, ob es was hilft. Ehrlich und grob habe ich meine Ansicht gesagt. Diplomat werde ich nun einmal gar nicht! April 16 Mein Aufsatz wirkt! Beust, mit dem ich heute lange darüber sprach, ist zwar noch nicht entschieden, hat seine diplomatischen Bedenken, indessen war er doch schon halb einverstanden, zumal gerade heute Kohlschütter schrieb, dass Württemberg auch die Verfassung anerkennen werde. So habe ich doch vielleicht ein Körnlein beigetragen. Beust ist mir aber eben nicht deutsch genug. Ich schlug schon früher vor, er solle das Kultusministerium mit übernehmen, das Held gern los sein will. Freilich ein kurioser Kultusminister, indessen jetzt muss alles gehen. Dann wird Beust nicht nach Frankfurt gehen und man könnte Carlowitz hinschicken, der ganz deutsch ist. Ich werde in diesem Punkt nie mit Beust einig werden, da ich zu guter Deutscher bin, um guter Sachse zu sein. Mir steht das Land und sein Wohl höher als die Interessen einer Dynastie, für die dereinst nach dem Tode des Königs gar keine Sympathien herrschen werden. Abends hatten wir deshalb Sitzung. Beust hatte ein recht hübsch klingendes diplomatisches Expose gemacht, dessen Resultat eben dahin ging – nichts zu tun. Ehrenstein war krank, Held versicherte uns, er sei ganz klar in der Sache. Wir erfuhren aber nichts von dem Lichte, was ihm aufgegangen. Beust und Rabenhorst waren einig und obwohl ich und Wein-
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lig dies auch waren, so ward doch eben nichts beschlossen! Heute kam auch die Nachricht, dass unsere Truppen in Schleswig im Gefecht gewesen und in dem heillosen Kriege doch mancher brave Sachse geblieben. April 21 Die Nichtbefolgung meines Rates, die Gesandten abzuberufen und meiner neuesten Aufforderung, die Verfassung anzuerkennen, zeigt ihre Folgen. Heute hat die Erste Kammer dem Ministerium ein Misstrauensvotum gegeben und die Zweite Kammer die Anklage Ehrensteins wegen des Steuerdekrets beschlossen. Letzterer war über die ganzen Verhältnisse sehr niedergebeugt. Müller hat in der Zweiten Kammer, was er doch hätte bleiben lassen können, auch für die Anklage gesprochen. Ganz unrecht hat die Kammer nicht. Das Dekret wegen der Steuern ist nicht ganz in der Ordnung, da § 103 nicht passt. Aber eine Analogie gibt es allerdings und die Anklage wird daher kein Resultat haben. Beust hat Carlowitz (den Legationsrat) nach Berlin geschickt und von dort die Antwort bekommen, dass man in diesen Tagen nun mit bestimmten Vorschlägen hervortreten wolle. Man ist sehr bestürzt gewesen, dass Beust in dem Brief auf mein Drängen gesagt, man werde außerdem zur Anerkennung sich bewogen finden oder so etwas hat er geschrieben. Ich habe die Beruhigung, dass ich bei den ganzen Angelegenheiten immer mit Ehrenstein übereingestimmt und dass eben die Nichtbefolgung unserer Ansichten die ganzen Differenzen herbeigeführt hat. April 22 Ehrenstein teilte mir einen Aufsatz mit, den er über die deutsche Frage geschrieben und der dann um zehn Uhr zur Beratung kommen sollte. Es war bloß Erneuerung des Prinzipienstreites, der in dieser Sache obwaltet zwischen mir, Ehrenstein und Weinlig für und Beust und Rabenhorst kontra. Held weiß gar nichts, er hat keine Ansicht. Ehrenstein machte ihm ziemlich bittere Vorwürfe, dass er gestern an den Verhandlungen keinen Teil genommen, worauf Held sagte, er werde den Vorsitz niederlegen, was ihm gar nicht einfällt. Er will, das ist klar, nur bei keiner der epineusen Fragen heraustreten, damit er heimlich sagen kann, ja, ich war auch gar nicht der Ansicht. Er ist, wofür ich ihn immer gehalten habe, habund selbstsüchtig, eitel und unzuverlässig. Er merkt wohl, dass das Ministerium sich nicht halten kann und möchte nun für das nächste, ob rechts oder links gleichviel, sich möglich machen! Ehrenstein sprach auch vom Abgehen. Er hat es allerdings mit den Finanzsachen am Schlimmsten. Rabenhorst ist nichts als eben ein Offizier. Er sieht politisch nicht weiter als ein Pistolenschuss weit. Sein drittes Wort ist Bajonett, Standrecht. Ich habe bei jeder Gelegenheit mit ihm bitteren Streit. Gewiss ist, dass, wenn ich Minister geworden, ich es nicht mehr wäre, da ich in der Könneritz’schen und deutschen Sache zu sehr in Opposition mit dem Ministerium bin. Natürlich war auch heute, als ich nach mehrstündigen Verhandlungen das Resultat resumierte, da Held es nicht tat – dieses eben nichts, zumal da die Nachricht einging, dass das preußische Ministerium in der Kammer erklärte, dass es die Verfassung nicht anerkenne. Dieselbe Nachricht ging auch aus Bayern und Württemberg ein. Abends waren Beust, Ehrenstein, Weißenbach und der Demagoge Veronika Müller212 bei uns – kuriose Zusammenstellung. April 23 Held benimmt sich sehr zweifelnd und zweideutig. Er will weder beißen gegen uns noch bellen in der Kammer in Übereinstimmung mit Beust und Rabenhorst. Dabei 212 Veronika Müller, Tochter des Kultusministers J. C. G. Müller und Schwester des Oberleutnants der Gardedivision Hermann Müller. Siehe hier Anm. Teil II 159.
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mangelt ihm alles Direktorialtalent, so dass, was die Geschäftsleitung anbelangt, ich nach wie vor das Direktorium übernehmen muss, weil sonst keine einzige Sache fertig würde. Abends Whist bei Reitzenstein. Eigentlich kommt mir der Kreis da jetzt mit seinen Diplomaten und reaktionären Philistern sehr ledern vor und wenn nicht die Partie Whist angenehm wäre, kein Teufel sollte mich dahin bringen. Heute ist nun mit ungeheurer Majorität das Misstrauensvotum, so entschieden als ein solches möglich, wegen der Blum’schen Sache in der Zweiten Kammer unter dem Triumphgeschrei der mit den Abgeordneten der Vaterlandsvereine, die gestern und heute hier getagt haben213 und heute vor der Sitzung sehr stark gefrühstückt haben sollen, gegen das Ministerium ausgesprochen worden. Eine himmlische Situation für letzteres, die es sich selbst eingebrockt hat. Ehrenstein und Weinlig sehen zu spät ein, dass man nicht zu nachgiebig gegen die Diplomaten sein muss! April 28 Gestern abend bei Graf Holtzendorf. Spät zu Hause gekommen. Früh aus dem Bette geholt von Ehrenstein zu einer Sitzung bei Held wegen der Frage, ob Kammern heute aufzulösen, da es in Berlin und Hannover gestern geschehen und Nationalversammlung in Frankfurt beschließen will, dass jetzt keine Kammer aufzulösen sei. Lange Rederei, die alte Differenz über die deutsche Frage, kein Resultat, als dass Montag Auflösung erfolgen soll. Die Revolution kommt immer näher und die Blinden wollen es nicht sehen! Um zehn ging ich wieder zu Hause, um noch einiges zu besorgen. Um eins bekam ich eine zweite Aufforderung zu einer Sitzung. Im Gesamtministerium war nämlich die Nachricht eingegangen, dass die Kammern, wenn sie sich hier weigern auseinanderzugehen, beschlossen haben, die Kammern aufzulösen. Als ich zurückkam, war das Dekret fertig. Allein als es übergeben werden sollte, war niemand in der Kanzlei der Kammern. Die Präsidenten verreist, kein Registrator zu finden. Wir berieten inzwischen eine Proklamation der Minister und der Geheime Finanzsekretär Roßberg fuhr in der Stadt mit seinem Dekret herum, ohne es los werden zu können. Über die deutsche Sache ward abermals geschwätzt ohne Resultat. April 29 Früh kam Ehrenstein zu mir, um das Definitivum in der deutschen Sache festzustellen. Das meine war Anerkennung noch heute, nur mit der Bemerkung, dass die Oberhauptfrage noch als offen betrachtet werden müsste. Ehrenstein trat auch bei und erklärte, dass er nun heute seinen Austritt aus dem Ministerium erklären werde, wenn man nicht darauf eingehe. Um zwölf Sitzung im Gesamtministerium. Die anderen waren schon gefasst auf etwas besonderes. Rabenhorst sah aus wie ein Bulldogg, dem man die Wurst aus dem Rachen ziehen will. Weinlig lief zappelnd und lächelnd hin und her. Held zupfte am Kinnbart. Weinlig zog mich in ein Fenster und sagte mir, dass er gestern den König um seine Entlassung gebeten, worauf ich ihm eröffnete, dass er in Ehrenstein einen Sozius finde. Nachdem noch verschiedene Hindernisse, u. a. der Gesandte, den Beust um ein Uhr bestellt, beseitigt worden, kam es denn um eins zur Erklärung unter den Ministern, die von Beust und Rabenhorst sehr frostig empfangen ward. Beide sagten, da Weinlig mit dem König gesprochen, wollten sie es nun 213 Generalversammlung der sächsischen Vaterlandsvereine am 22. und 23. April 1849 in Dresden, auf der sich die bis dahin geeinte Vaterlandsvereinsbewegung in zwei politische Lager spaltete. Siehe Weber, Revolution, S. 275 f.
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auch tun. Damit wusste ich, wie die Sache ablaufen werde. Ich sprach denn nun zum letzten Male über diese Sache und warnte namentlich, dass sie sich nicht darauf verlassen möchten, dass der König fest bleiben werde. Vergeblich. Held spielte eine ganz erbärmliche Rolle. Er latschte etwas von Zeit und Prinzipienfragen, was Weinlig ein sehr vernehmliches Gelächter ablockte. So stand die Sache, als Beust und Rabenhorst um zwei zum König gingen. Nach Mittag ist Held den anderen beiden noch beigetreten und der König hat ihr gemeinschaftliches Entlassungsgesuch genehmigt, wiewohl unter Tränen beklagend, dass sie jetzt ihn verlassen und den anderen Ministern die Sache durch ihren Austritt wesentlich erschweren wollten. Das erzählte mir Ehrenstein, der abends acht Uhr mir, sehr angegriffen, diese Nachricht brachte Weinlig ist kalt wie Eis gewesen, indem er gesagt, er habe kein Herz! Er ist überhaupt eine ziemlich rätselhafte Persönlichkeit, die aber mir kein Vertrauen erweckt. Die Proklamation, die die Minister erlassen, ist von Weinlig. Held wollte, wie allemals, eine machen, tat es aber nicht. April 30 Früh um sieben schon Brief von Beust, ich möge doch mit Ehrenstein reden, in welche schlimme Lage sie durch ihren Austritt das Ministerium und den König versetzten. Nun ja, das ist schon wahr. Aber in welche Lage versetzt Beust denn die Austretenden? Ich ging denn sogleich zu Ehrenstein, der aber fest blieb. Um acht ins Gesamtministerium, wo die drei ihr Entlassungsgesuch aufsetzten und zum König gingen, der es genehmigt. Beust bat mich dann, mit zu ihm zu gehen. Nun gilt es denn, ein Ministerium zu bilden. Beust wollte Carlowitz. Dieser hat weder ja noch nein gesagt, ist zum König gegangen, hat gesagt nein, es ginge doch nicht. Es sei durch die Grundrechte, das Wahlgesetz schon alles verdorben. Ich bin sehr froh darüber, wie ich auch Beust sagte. Carlowitz würde viel zu sehr rechts drängen, als Beust selbst will. Nun ward Behr aufgesucht. Der will – aber ein Finanzminister. Ein Königreich für ein solches – Pferd, sagt Shakespeare. Der ganze Vormittag verging in Besprechungen. Mittag war ich zu Schröder geladen, wo man wenigstens vor allen politischen Gesprächen Ruhe hat. Als ich zurückkam, fand ich Weinlig bei Beust. Aus dem Manne klug zu werden ist etwas schwierig. Er ist ein Fuchs und ebenso demokratisch wie eiskalt. Das sind nach Befinden ganz gefährliche Leute. Er hat eigentlich Lust zu bleiben, wenn es nur ginge, ohne sich unbeliebt zu machen . Dabei will er Held los sein. Es ward denn das so unter uns angedeutet, wozu er wohlgefällig schmunzelte. Nun ging ich in die Ressource, wo mich Beust gegen acht aufsuchte und mir erzählte, dass ihn, als er im Auswärtigen gewesen, Held ins Gesamtministerium habe bitten lassen. Dort habe er ihn zitternd, bebend und schwitzend gefunden: „Er habe nur seine Person, die auf’s Schrecklichste bedroht sei, retten wollen. Beust solle ihn nicht verlassen“ usw. Dabei hat er einen Brief herausgezogen, worin man gewarnt vor Angriffen auf sein Haus und seine Person. Dieser Held! Beust konnte vor Lachen mir es kaum erzählen. Ich ging nun mit hin und wir fanden ihn im Sessionszimmer, das so hell als möglich erleuchtet war, auf- und abrennend, und etwas zur Besinnung gekommen, sich doch wohl etwas schämend. Er will nun sobald als möglich allein abgehen. Das sind Leute! Ich musste nun noch zu Ehrenstein. Beust hat allerhand Leipziger Depeschen bekommen, die ihn immer mehr in seiner Ansicht bestätigen, den Weg der Weigerung der Anerkennung entschieden fortzugehen. Bei Ehrenstein wieder langes Gespräch. Dann kam Behr,
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der seine Ansicht dahin gab, man solle sofort wieder die Kammern berufen und der König erklären, er werde mit diesen gehen. Mai 1 Wieder eine neue Phase. Früh um acht ins Gesamtministerium auf Held’s Einladung. Er hatte sichtlich schon „stark gefrühstückt“ und sah ganz aus wie ein besoffener Gastwirt. Ganz aus dem Häuschen brachte ihn die Nachricht, dass um zwölf Uhr der Vaterlandsverein in corpore ihm eine Petition überreichen werde. Er verlangte nun, dass in der nächsten Viertelstunde ihm sein Abschied erteilt werde. Ich sagte ihm nun zwar, er brauche ja weiter gar nichts zu sagen, um sein Leben zu retten, als dass er nicht mehr Minister sei. Allein das beruhigte ihn keineswegs. Er sah sich genötigt, um neun Uhr nach einem zweiten Frühstück – Wein und Knoblauchwurst – zu schicken. Inmittelst ward nun im Konferenzzimmer von mir und Beust, Weinlig, Ehrenstein und Behr verhandelt. Letzterer ging zum König, der aber nach einer Stunde erklärt hat, er könne auf Behr’s Vorschlag in der Fassung, „wie ich sie vorgeschlagen, dass der König mit den Kammern gehen werde“, nicht annehmen. Carlowitz, der bei ihm gewesen, hatte ihn jedenfalls wieder montiert. Beust hatte unterlassen, Rabenhorst von dem Gang der Dinge in Kenntnis zu setzen und dieser, durch das viele Gelaufe, Gerede, das ihm nicht klar war, aufmerksam gemacht, dachte nun, wir hätten uns mit Beust geeinigt gegen ihn. Sein Gesicht ward immer finsterer. Seine Schritte, mit denen er das Sessionszimmer durchmaß, wurden rascher und länger. Dabei der „Held“, der sich am Kinnbart zupfend auf seinem Stuhle wand, immer ausrufend nach jeder Viertelstunde „nun, nun gehe ich zum König“ – es war eine ganz drastische Szene. Gegen zehn Uhr kam Beust und sagte, Watzdorf (der Minister aus Weimar) sei angekommen mit einer Mission vom Reichsverweser. Er rief nun sonderbarer Weise Rabenhorst allein zu dem Gespräch. Weinlig verschnupfte das sehr und nach einer Weile ging er herüber ins Auswärtige und verlangte von Beust, dass er Watzdorf ebenfalls sprechen könne, was denn auch gestattet ward. Da ergab sich denn, dass Watzdorf, von dem Beust geglaubt, er werde die Hand bieten zur Vereinbarung, mit uns übereinstimmend die unbedingte Anerkennung zu fordern beauftragt ist und das er daneben Vollmachten hat, die er, wie er diplomatisch versicherte, noch nicht gelesen hat. Gegen halb zwölf riss endlich Held die Geduld. Verzweiflungsvoll den Strick, mit dem er gehängt werden solle, schon vor Augen, wein- und knoblauchduftend rannte er zum König, zu Ehrenstein und Weinlig sagend „Machen Sie, was Sie wollen!“ So endete das Ministerium „Held“. Bei Held ist es bloß Feigheit. Ehrenstein halb Angst, halb Überzeugung. Bei Weinlig? Er ist nach meiner Überzeugung tief in die demokratischen Pläne und Verbindungen eingeweiht. Eine der gescheitesten politischen Jesuiten, die wir haben, und vielleicht zeigt es sich einmal, dass er nach einem wohl berechneten Plan handelte, indem er meine Vorschläge wegen Abberufung der Gesandten und in der deutschen Verfassung nicht kräftig genug unterstützend das Ministerium, das Land absichtlich bis an den Strudel führte, gewiss, dass er sich durch einen kühnen Sprung retten könne. Bekannte er doch wenigstens soviel, dass er absichtlich seine betrügerische Erklärung wegen der deutschen Frage erst nach der Kammerauflösung abgegeben. Vorher trat er allerdings nicht so bestimmt auf, wo die Sache noch nicht so schroff stand. Ich habe nie die Idee gehabt, ein großer Staatsmann zu sein. Aber die Beruhigung habe ich, dass ich in den wichtigsten Fragen, die während des kurzen Held’schen Ministeriums vorkamen, wie die Erfahrung gelehrt, richtig gesehen habe.
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Abends kam noch Beust, der den Tag über vergeblich nach Ministern gesucht hat. Seebach will auch nicht. Am besten eine Anzeige: Ein reinlicher Mann, der gute Zeugnisse beibringen kann, wird als Minister gesucht. Gute Behandlung kann aber nicht versprochen werden! Die Sache wird am Ende sich dadurch lösen, dass wie in Griechenland kein Henker, so hier sich kein Minister findet. Rabenhorst kann dazu wenigstens nicht kommandieren. Die unkluge Idee, den König „in Sicherheit“ zu bringen, d. h. wohl in eine Art Staatsgefangenschaft, damit er die unsichtige Rabenhorstpolitik nicht störe, hat Beust allerdings energisch bekämpft. Das hieße geradezu die Republik proklamieren. Beust ist in seiner Ansicht nun heute auch unsicher geworden. Er wäre sehr froh, wenn er mit guter Manier zurück könnte. Allein er ist nobel genug, den König jetzt nicht verlassen zu wollen. Trotzdem, dass wir immer verschiedener Ansicht waren, muss ich doch ständig anerkennen, dass er sich brav benommen hat. Heute borgte er sich aber doch meine Pistolen. Die Übergabe der Adresse ist ganz ruhig vor sich gegangen.214 Mai 2 Wieder ein sturmvoller Tag. Früh um neun ins Gesamtministerium, wo ich an der Treppe Seebach und Zschinsky fand. Ersterer hat das Ministerium abgelehnt, letzterer – angenommen. Es ist doch fabelhaft, was für Leute es gibt! Jetzt einzutreten doch mit dem Bewusstsein, dass er handeln muss gegen 99/100 der Bevölkerung! Beust war in allen zufrieden, um ein Ministerium zusammenzuleimen. Ich nannte ihm Marschner. Als ich aber auf sein Bitten diesen aufsuchte, war er bis Ende des Monats verreist. Ich ging dann ins Archiv, wo mich der Minister Watzdorf aufsuchte und mit dem ich ein langes Gespräch hielt. Er ist ganz deutsch und so wie ich überzeugt, dass die kleinen Staaten inklusive Sachsen nicht mehr lebensfähig sind. Sein Versuch, hier eine bestimmte Erklärung zu erlangen, ist ganz fehlgeschlagen und so reist er heute wieder ab. Er wäre eine Mann für ein neues Ministerium gewesen. Bald kam auch Prof. Bernhard Cotta aus Freiberg, der mit einer Deputation hier ist, um die Freilassung von neun ungarischen Husaren zu erlangen, die aus Böhmen desertiert sind – mit Sattel und Zeug – um nach Ungarn zu reiten.215 In Freiberg hat man sie angehalten. Die Bevölkerung, statt die Sache möglichst zu verschweigen, um der Regierung möglich zu machen, im Stillen dem allgemeinen Wunsch zu entsprechen, hat ungeheuern Lärm gemacht. Ein Mann hat den Leuten Pulver zugesteckt zu ihrer Verteidigung, das sie vernünftigerweise abgeliefert. Mein Plan war schnell fertig. Ich fragte Cotta, der die Sache trotz allen Winkens Watzdorf explizierte, nachdem dieser fort war, ob er wohl neun Leute mit Schnurbärten habe, die abends die Ungarn besuchen würden. Dann würden neun herausgehen, die Schildwache sähe nichts und früh säßen neun Bergstudenten im Zimmer, die eben – nicht hingerichtet würden. Cotta, sehr diplomatisch, wünschte das mit den Ministern zu besprechen – wahrscheinlich sollte es in die Registrande kommen. Ich besprach es denn mit Beust und morgen werden wohl die Vögel ausgeflogen sein. Österreich wird sich allerdings wundern, wenn 214 Am 30. April 1849 kam die Dresdner Sektion des Vaterlandsvereins zu einer erneuten Versammlung zusammen, auf der eine Adresse an das Ministerium angenommen wurde, in der die unverzügliche Anerkennung der Reichsverfassung gefordert wurde. 215 Siehe den Bericht Cotta’s über das weitere Schicksal der Ungarn im Dokumentenanhang Nr. 8.
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neun Pferde, Säbel, Uniform ankommen, ihnen aber erklärt wird, es hätte niemand darin gesteckt als Bergstudenten. Nach Mittag hat die Kommunalgarde auch eine Adresse entworfen, worin u. a. gesagt wird, sie werden einem Aufstand zu Gunsten der Verfassung nicht entgegentreten. Ich ärgere mich nur über eines dabei, dass alle diese Demonstrationen ausgehen von Leuten, die positiv gar nicht wissen, um was es sich handelt. Von hundertachtzig hat kaum einer die Verfassung gesehen. Die Gefahr liegt also darin, dass die Stimmung ebenso schnell in den Gegensatz umschlagen kann, eben weil nicht eigene Überzeugung, sondern blindes Nachbeten der Grund der Volksstimmung ist. Aus Fanatismus für die Ruhe, die das Volk von der Verfassung erwartet, bekommen wir die Revolution diesmal. Nach Tische machte ich noch einen Versuch, Zschinsky und Rabenhorst zu bekehren, der aber letzterem gegenüber mit Grobheiten und mit dem Entschluss endigte, dass ich das Gesamtministerium nicht mehr betreten werde. Ich will zwar gern die Kanzleigeschäfte mit regeln, wenn der Geheime Finanzsekretär Roßberg, der eigentlich an meine Stelle getreten ist, nicht fortkann. Aber an den gewöhnlichen Beratungen nehme ich nicht mehr teil. Ich könnte doch nichts tun als immer zu opponieren. Und das wünschen ja Rabenhorst und Genossen, denen das unbequem ist, nicht. Für Beust kaufte ich auf seine Bitten ein Paar Doppelterzerole. Will hoffen, dass er sie nicht braucht. Abends nahm ich von Oberleutnant Müller Abschied, der nach Holstein morgen abgeht. Gott weiß, ob, wann, wie ich ihn wiedersehe!
8. Der Reichsverfassungskampf in Dresden. Als Zeuge beim Dresdner Maiaufstand 1849 Mai 3 Alle Welt ist über das Ministerium, den König erbittert. Selbst die Reaktionäre fangen an, aus Angst wenigstens, die Anerkennung der Verfassung zu verlangen. Ich ging zeitig ins Hauptstaatsarchiv und bestimmte eventuell die Maßregeln, die man zu ergreifen hätte, wenn in der Nähe des Hauptstaatsarchivs Feuer ausbräche. Man muss doch vorsichtig sein! Noch ahndete ich dabei nicht, wie nahe die Möglichkeit lag, dass diese Besorgnis ins Leben treten könne. Soweit hatte ich heute Morgen im Archiv geschrieben. Ein blutiger Tag in der sächsischen Geschichte, dessen Folgen grässlich sein werden! Man sagte allgemein, dass heute, nachdem gestern die Kommunalgarde sich auf Beschluss des Ausschusses gegen den Willen des Kommandanten Lenz216 versammelt und Beschlüsse gefasst, dadurch aber sehr aufgeregt worden war, dass es heute nun losgehen werde.217 Ich 216 Lenz, Napoleon. Kaufmann, Inhaber der Firma Lenz u. Co.. Kommandant der Kommunalgarde Dresden. Am 3. Mai um 17.15 Uhr Abdankung als Kommunalgardenkommandant. Sein Nachfolger wurde zunächst Advokat Heintz, wenige Stunden später Oberstleutnant Heinze. 217 Seit dem 2. Mai tagte der leitende Ausschuß der Demokrartisachen Vaterlandsvereine in Permanenz, forderte am 3. Mai zur allgemeinen Volksbewaffnung auf und konstituierte sich als „Landesverteidigungsausschuß gegen fremde Truppen“. Über den zeitlichen Ablauf am 3. Mai siehe zuverlässig Rudolf Franz: Für die einige deutsche Republik. Die Rolle der Arbeiter im Dresdner Maiaufstand (3.– 9. Mai
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ging um Neun herüber. Das Volk wogte bloß auf und ab. Man sah keinerlei äußere Anzeichen eines ernsten Aufruhrs. Auf der Königstraße wurden, da der Jahrmarkt beginnt, ruhig die wohlbekannten zahllosen Bettstellen verkauft. Dann ging ich ins Gesamtministerium, wo ich Zschinsky als Minister fand, indem er gestern verpflichtet worden. Ich erklärte ihm, dass ich nun aus dem Gesamtministerium ganz austräte, da mir Rabenhorst, als ich gestern nach der ausdrücklich von mir angegebenen Mitteilung Rabenhorsts, Holtzendorf bemerkte, es werde auf die Artillerie nicht zu rechnen sein, gesagt, ich solle dergleichen Überzeugungen nicht äußern. Ich hatte ihm darauf natürlich geantwortet, dass ich dergleichen Überzeugungen nicht aussprechen werde an Orten, wo sie nachteilig sein könnten. Es aber jederzeit tun werde, wenn ich glaube, es könne nützlich sein. Zschinsky wollte mir zwar versichern, das sei von Rabenhorst nicht so böse gemeint. Ich blieb aber dabei, jedoch mit der Versicherung, ich werde der Kanzleigeschäfte mich annehmen, wenn es nötig sei. Ich sprach dann mit Beust, der versicherte, der König sei entschlossener denn je, jedenfalls steckt die katholische Geistlichkeit dahinter. Ich machte ihn nun nochmals auf das immer mehr heraufziehende furchtbare Gewitter aufmerksam und bat ihn nur dringend, wenigstens zu bewirken, dass der König hier bleibe, nicht, wie Rabenhorst wollte, auf den Königstein gehe. Dass ferner wenn er – wie ich bestimmt glaube – abdiciren will, er dies, da Prinz Albert nicht da ist, zu Gunsten Johann’s tut. Dieser muss dann als einzige Regierungshandlung die Verfassung anerkennen in Übereinstimmung mit Prinz Albert und diesem sofort die Regierung wieder abtreten. Beust hatte zwar nicht den Kopf verloren, aber ein krampfhaftes Zucken der Augenlider zeigte deutlich seine heftige innerliche Bewegung. Ich ging dann zu seiner Frau, die ich besonnener fand, als ich von ihr erwartete. Sie fuhr eben mit den wertvollsten Sachen und den Kindern an einen sicheren Ort zum Oberhofmarschall von Gersdorf. Im Quartier war alles zum Fenstereinwerfen geordnet, alle Vorhänge abgenommen, die Möbel zurückgerückt, alles Zerbrechliche entfernt. Ich beruhigte sie so gut ich konnte und konnte dies durch die Versicherung, dass wenigstens Beust’s Person im Schloß in Sicherheit und auch sonst Vorkehrung getroffen sei. So fuhr ich, indem ich mir meine Pistolen, die ich Beust früher geliehen, mitnahm, um Eins zu Hause, auf einem Umwege, da die Schlossgasse dichtgedrängt voll Menschen war. Um vier Uhr ging ich wieder hinüber. Es war die Stille vor dem Sturm. Alle Zugänge des Schlosses verschlossen, kein Soldat zu sehen, obwohl alles Militär (Regiment Albert und einige Kompanien Artillerie) hinüber gegangen waren. Ich ließ das Archiv schließen und ging an das Palais, wo ich sah, dass Leute einzeln eingelassen wurden. Ich zeigte meine Karte und ging nun durch die ganz mit Soldaten angefüllten Korridore ins Schloss, wo ich Beust im Vorzimmer des Königs fand, den Stadtrat Meisel218 anhörend, der eben referierte, dass der 1849). Dresden 1969. – Zum Verlauf des Maiaufstandes siehe: Der Dresdner Maiaufstand von 1849. Dresdner Hefte 43 (1995). – Ludwig, Neemann, Revolution in Sachsen, S. 139–148. – Der sächsische König und der Dresdner Maiaufstand. Tagebücher und Aufzeichnungen aus der Revolutionszeit 1848/49. Hrsg. v. Josef Matzerath.Köln 1999. – Dresdner Maiaufstand und Reichsverfassung 1849. Hrsg. v. Martina Schattkowsky. Leipzig 2000. 218 Meisel, Carl Ludwig (1789–1853), Stadtrat in Dresden von 1835 bis 1853. Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung von 1833 bis 1849. Über seine Rolle während des Maiaufstandes siehe seine Selbstdarstellung: Die Ereignisse in Dresden vom 2. Mai bis 9. Mai 1849 von Stadtrath Meisel. Dresden 1849.
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Stadtrat eben Alarm für die Kommunalgarde schlagen lassen, um sie – einen neuen Kommandanten wählen zu lassen, da Lenz abgedankt. Ich ging nun, nachdem ich mich überzeugt, dass ich nichts tun konnte, da der König wiederholte Deputationen entschieden abgewiesen, zurück. Es war nach fünf Uhr. Da fielen die ersten Schüsse am Zeughause gegen das stürmende Volk. Ein Greis, der erschossen worden, ward herumgefahren und dann die blutige Leiche vor’s Georgentor gefahren, die Fenster im Schloß eingeworfen. Nun wuchs der Aufruhr von Stunde zu Stunde, vermehrt dadurch, dass bei weiterem Schießen vom Zeughause die Rampische Gasse herab einige Kommunalgardisten, die auf dem Markte gestanden, verwundet worden sein sollten.219 Die Kommunalgarde war auf Alarmschlagen wenig zahlreich erschienen, indem die konservativen und feigen – zu Hause geblieben. Ich begegnete dem Neustädter Bataillon, Zychlinski220 an der Spitze, dem die Kampflust aus den Augen leuchtete. Die Führer der äußersten Linken, Tzschirner, Gruner221 haben die Kommunalgarde angeredet, sie aufgefordert, mit dem Volke zu gehen. Da schlägt ein Gardist Lederhuse sein Gewehr auf Tzschirner an. Es versagte. Ein Turner schoss Lederhuse durch den Arm und der letztere wird arretiert. Vom Rathause wird dann durch Dr. Minkwitz222, Obmann des Vaterlandsvereins, erklärt, der Ausschuss habe beschlossen, die Kommunalgarde gehe mit dem Volke. Es solle Munition verteilt werden. Darauf sind die meisten zu Hause gegangen, wenn sie nicht gezwungen mit an den Barrikaden arbeiten mussten, die nun überall errichtet wurden. Von sieben Uhr ward unausgesetzt von dem Volke Sturm gelauten. Dazwischen hörte man die Schüsse fallen. Doch scheint noch nicht mit Kanonen geschossen worden zu sein. Die Brücke war durch Kavallerie gesperrt, die alles herüber, niemand aber nach Altstadt ließ. In Neustadt selbst herrschte tiefe Ruhe. Der Oberappellationsrat Siebdrat, Zugführer bei der Kommunalgarde, dem ich begegnete und sagte, seine Kompanie sei schon nach Altstadt, erklärte mit großem Heldenmute, nun dann gehe er zu Hause, allein könne er nicht hinüber. Da dies gegen fünf Uhr war, wo der Tumult noch im Entstehen, so versicherte ich ihm, er riskiere sein Leben gar nicht. Er ist denn auch hinüber gegangen und mit einer Deputation beim König gewesen, aber wieder erfolglos. Ich ging gegen Zwölf zu Bette, konnte aber natürlich nicht einschlafen, da all das Unheil, das dieser Tag über Sachsen bringt, sich vor meinen Augen drängte. 219 Über die ersten bewaffneten Auseinandersetzungen am Zeughaus siehe Franz, Rolle der Arbeiter, S. 18 ff. 220 Zychlinski, Richard von, Leutnant des sächsischen Leibinfanterie-Regiments. Am 31. Mai 1849 wegen Beteiligung am Maiaufstand aus dem Militärdienst entlassen. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 583. Er ist der Bruder des am Maiaufstand maßgeblich beteiligten cand. jur. Leo von Zychlinski (1822– 1879). Teilnahme am Badischen Aufstand, Flucht in die Schweiz, später in Paris, dann in Manchester Maler und Sprachlehrer. Siehe Groß, Förster, Politische Emigration a. a. O., S. 136 – Matzerath, Der sächsische König. 221 Vermutlich Carl Bernhard Gruner (1814–1887), Advokat. Gerichtsdirektor in Rochlitz. Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung Nach einer Notiz in der Leipziger Zeitung vom 25. Juni 1849 Teilnehmer am Badischen Aufstand und aufhältlich in Kaiserslautern. 222 Minkwitz, Dr. jur. Heinrich Eduard (1819–1886). Advokat in Dresden. Stadtverordneter, seit Mai 1849 unbesoldeter Stadtrat. 1867 bis 1879 Abgeordneter des Reichstages des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches. Siehe Racknitz, Stadtverordnete, II. S. 59.
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Dieses Blut, das heute vergossen worden, ist ein Strom, der Volk und König für immer trennt. Der Sieg, wenn er dem König bleibt, einer furchtbaren Niederlage gleich. Durch das ganze Verfahren haben wir die Entfernung, die uns von der Republik trennt, um die Hälfte gekürzt! Die ersten Stunden der Nacht vergingen anscheinend ruhig. Um drei Uhr begann wieder das Stürmen mit den Glocken und gegen vier Uhr fielen vier Schüsse, die ich nach dem Schalle für Kanonenschüsse halten musste. Die Wohnung des Kaufmann Lenz ist ganz verwüstet. Die Kommunalgarde hat nur ganz schwache Versuche gemacht, das eindringende Volk zurückzuhalten. Um neun Uhr abends sind die Schützen von Leipzig eingetroffen. Die Eisenbahnen sind also nicht, wie man sagte, ganz zerstört. Wahrscheinlich weil man wegen der von auswärts zum Kampfe Herbeikommenden die Eisenbahn nicht verlieren will. Bis jetzt scheint aber nicht viel Zuzug angekommen zu sein. Mai 4 Ein wundervoller Tag beleuchtet die Schreckensszenen! Ich komme eben aus dem Hauptstaatsarchiv zurück, das verschlossen und finster war. Die Brücke war mit reitender Artillerie besetzt. Auf dem Schlossplatz Kavallerie, Artillerie. Der Platz war frei, auf der Terrasse einige Wachen. Der Kampf ruht. Im Klinikum vierzehn Leichen, die bei dem Versuche, das Zeughaus zu stürmen, erschossen worden. Ich sah bloß zwei Barrikaden am Opernhause, die bloß aus umgestürzten Düngerwagen und Gerölle bestanden und die Passage kaum hinderten. Einer oder zwei Leute standen darauf, zwei junge Menschen mit Flinten standen in der Nähe der Wache. Aus der Ferne ertönte Geschrei, das Fallen schwerer Balken, mit denen man Barrikaden baute. Der König soll um drei Uhr mit dem Dampfschiff und hundertfünfzig Mann nach dem Königstein abgereist sein, aber in Pirna gefangen genommen. Bei seiner Abreise sind drei Raketen gestiegen (die Schüsse, die ich heute Nacht hörte). Wahrscheinlich Signal aufs Land, dass er fortgehe. Tzschirner soll sich als Diktator gewählt und soeben verkündet haben, das Militär, welches sich übrigens sehr kampflustig zeigt, werde abziehen. Ist der König fort, so endet es, wie ich gesagt, mit der Republik. Um zwölf Uhr. So war es. Der König fort mit allen drei Ministern. Die Stadt, das Land in offenem Aufruhr und Kampf und keine Instruktion für irgend einen Beamten, auch nicht eine Zeile! Das erfuhr ich, als ich um zehn Uhr auf einmal durch Ehrenstein aufgefordert ward, ins Blockhaus zu kommen. Der General von Schultz, ein alter, anscheinend ganz resoluter Herr, saß da, vor Angst und Bestürzung kaum der Rede fähig. Er sprach etwas von einer Konvention, die er mit den Stadtverordneten geschlossen und die einen Waffenstillstand herbeiführen sollte. Nachdem eine lange Weile darüber zwischen ihm, Ehrenstein, Geheimen Rat Behr, den ich auf der Straße begegnet und aufgefordert hatte mitzugehen, gesprochen war, kam die Konvention gedruckt und nun sagte Schultz erst, dass die ganze Sache schon ausgemacht sei.223 Lächerlich war, dass ein Rangstreit negativer Art zwischen Schultz und Schirnding entstand, indem jeder behauptete, der andere müsse alles machen und bestimmen, was zu tun sei. Da nun aber die Unterzeichner seitens des Volkes nur zum Teil Stadtverordnete waren und es noch nötig schien, dass das Ministerium des Innern als Polizeibehörde eine Teilnahme 223 Es handelt sich um den von den Stadträten Pfotenhauer und Meisel, dem Stadtverordneten Dr. Seidenschnur und dem Kommunalgardenkommandanten Oberstleutnant Heinze mit seinem Adjutanten Leo von Zychlinski einerseits und dem Gouverneur der Stadt Dresden General Schultz andererseits ausgehandelten Waffenstillstand für die Dauer von 24 Stunden unter gemeinsamer Besetzung des Zeughauses. Siehe Dokumentenanhang Nr. 6.
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bei der Beruhigung der erhitzten Leidenschaften eingeräumt ward, gingen nun Ehrenstein, Zschinsky und ich hinüber nach Altstadt, zunächst ins Schloss, wo wir nur den Oberst von Friederici fanden, der sich beklagte, dass seine Leute nur Brot und Wasser hätten und dringend bat, ihm Bier zu schicken. Als ich nachher dem General Schultz sagte, die Leute hätten nichts zu trinken, meinte er, das Wasser aus dem Schlossbrunnen sei sehr gut. Originell! Da verlangen diese Menschen, die Soldaten sollen sich schlagen für eine Sache, die ihnen mindestens völlig gleichgültig ist, sie sollen ihre Brüder erschießen und erstechen und dafür geben sie klares Wasser zu trinken. Diesen Soldaten, die das Schloß des Königs, der jetzt nun allerdings, wie sich ergab, in Sicherheit auf dem Königstein ist,, bewachen, gibt er nicht einmal ein Glas Wein! Im Auswärtigen suchten Ehrenstein und Behr ängstlich nach einem Aufruhrgesetz, das von dem früheren Ministerium unter anderen Voraussetzungen durch Behr bearbeitet worden war und das nirgends zu finden war. Sie wollten den Schreibtisch Beust’s in seiner Stube öffnen und ich glaube, Behr hat es in Gemeinschaft mit Lemaistre mittels eines einfachen Dittrichs, einem Beile bewerkstelligt.224 Wir begannen nun unseren Barrikadenzug, zu dem ich Ehrenstein, der sich kurioser Weise einbildete, großen Gefahren ausgesetzt zu sein, nur mit Mühe bestimmen konnte. Die Sache amüsierte mich unendlich. Die Barrikade auf der Schlossgasse war zum Teil aus den Granitplatten der Trottoirs und Pflastersteine, umgestürzten Düngerwagen usw. gebildet, nur eine schien sehr fest. Am Hotel de Pologne war eine, an welcher ein ganz zerlumpter Proletarier mit einer Sense auf einem Stock stand, der uns sehr höflich, gleich dem Portier eines Hotels ersuchte, durch das Hotel de Pologne zu gehen. Auf dem Markt trafen wir Klette225, ein liberales Mitglied der Stadtverordneten und Zweiten Kammer, mit dem wir ein Zwiegespräch hatten, bei dem er auf meine Frage, ob er denn seiner Leute gewiss sei, die der Konvention entgegen immerfort an den Barrikaden bauten, – sagte, o ja, soweit man ihrer gewiss sein kann. Nun ging’s über eine Menge Barrikaden ins Landhaus, das verschlossen und von Turnern besetzt war, die uns aber ebenfalls, wie alle Barrikadenleute, die wir trafen, sehr höflich öffneten und berichteten, dass niemand im Ministerium sei, was sich denn auch bestätigte. Beim Roßweg wollten wir durch’s Schustergässchen, das aber ebenfalls durch eine Barrikade geschlossen war, die nicht zu passieren war, wie uns ein Mann, der dabei gemütlich seine Flinte lud, eröffnete. Inmittelst hörten wir immer Schüsse und glaubten, es sei der Kampf losgebrochen. Allein es war Mutwille oder Freudenschüsse, da inmittelst eine Provisorische Regierung aus Todt, Tzschirner und Heubner226 bestehend sich gebildet hatte, die sofort Plakate und Befehle erließ.227 224 Randnotiz: Nein. Lemaistre ist dazugekommen und hat Behr gefragt, was er da mache und so ist das Aufbrechen unterblieben. 225 Klette, Karl August (1810–1857), Kürschnermeister. 1842 bis 1848 Stadtverordneter. 1847 bis 1849 unbesoldeter Stadtrat. 1849 Abgeordneter der Zweiten Kammer der Ständeversammlung, wegen Teilnahme am Maiaufstand zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt, dann zu 1 Jahr Gefängnis begnadigt. Siehe Racknitz, Stadtverordnete, V, S. 440. 226 Heubner, Otto Leonhard (18112–1893), Kreisamtmann in Freiberg. Während des Maiaufstandes in Dresden Mitglied der Provisorischen Regierung. Abgeordneter der Ersten Kammer der Ständeversammlung 1849. Siehe ADB Band 550, S. 287. – Kurt Meinel: Otto Leonhard Heubner. Dresden 1928. 227 Nach dem Bekanntwerden der Flucht von König Friedrich August II. und der Minister aus Dresden in den frühen Morgenstunden des 4. Mai versammelten sich am frühen Nachmittag des 4. Mai etwa 20 Abgeordnete des aufgelösten sächsischen Landtages auf dem Rathaus und wählten eine Provisori-
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Ich trieb mich nun noch unter dem Volke herum. Überall ganz verschiedene Ansichten, nirgends Begeisterung findend. Alles schwatzte, schimpfte, drohte den Ministern. Niemand wollte für oder kontra handeln. Die gegen die Regierung waren sprachen von Verrat, der gegen sie durch ihre Führer geübt worden, ohne aber bezeichnen zu können, worin er bestanden, verlangten Polen zur Führung usw. Als ich sehr ermüdet Nachmittags nach fünf Uhr zu Hause war, kam auf einmal Beust mit dem Legationsrat Carlowitz, der in Berlin gewesen war. Johann228, Gustav229 und Ehrenstein’s Sohn Otto sahen Beust eintreten. Es kam nun vor allem darauf an, Beust, den das Volk sogleich ermordet hätte, wenn er in ihre Hände fiel, sicherzustellen. Es war zweifelhaft, ob ihn nicht die Hausleute beim Aussteigen erkannt. Ich verlor auch hier nicht den Kopf. Er ward gänzlich metamorphosiert. Die Haare, die er sehr lang trägt, wurden ihm von Ehrenstein, der als Friseur mit der Papierschere fungierte, ebenso wie der Bart abgeschnitten. Er zog einen alten Rock von mir an, setzte eine alte Mütze auf, ich steckte ihm eine Zigarre ins Maul und nun gingen wir, er immer einige Schritte hinter mir, ich, um ihm den Weg zu zeigen, voraus, die Hand am Terzerol, das scharf geladen ich immer bei mir trage, fest entschlossen, wenn ihn jemand erkannte und angriff, sofort Feuer zu geben. Tumult und dadurch das Herbeikommen des Militärs hervorzurufen, das uns durch Arretur retten musste. Unglücklicher Weise begegneten mich mehrere Bekannte, die Beust ganz genau kennen, so die Frau von Reitzenstein, Geheimer Finanzrat Berlepsch, die mich aufhielten und Beust fast veranlasst hätten, einen falschen Weg einzuschlagen. Ich machte allerhand Flausen, um mich frei zu machen, was auch gelang. Niemand würdigte den grauen Kerl, der neben uns ging, eines Blickes. So kam ich ans Tor an der Elbe, wo Adolf stand. Ich bat ihn, er solle den mich begleitenden „Mann“, der neben mir stand, einlassen, da er eine Meldung im Blockhaus zu machen habe. Adolf fragte, wer der Kerl sei. Ich begnügte mich mit einigem Nicken, die er zwar nicht verstand, aber doch den „Kerl“ passieren ließ. So war er gerettet und ich ging merklich beruhigt nach Hause, wo ich nun blieb, mich sehr über den gelungenen Witz, der mir nun als solcher erschien, amüsierend. Um Neun ließ mich Ehrenstein bitten, zu ihm zu kommen. Bei ihm fand ich den Oberst Siegmann. Er bestätigte, was schon Beust gesagt, dass Preußen eine sofortige bedeutende Unterstützung nicht leisten zu können erklärte. Erst in fünf bis sechs Tagen sollten zwanzigtausend Mann einrücken. Das Militär werde daher die Stadt morgen verlassen, Beust als gemeiner Reiter verkleidet mitgehen und sich dem Militär anschließen. Dann werde man, wenn preußische Unterstützung komme, die Stadt angreifen und nötigenfalls bombardieren. Als ich denn ihm doch, die Kaltblütigkeit, die ich bisher bewahrt, etwas verlassend, fragte, wie man denn die Stadt einem solchen Schicksal, die ihr, wenn man sie den immer mehr sich aus dem Lande zusammenrottierenden Proletariern Preis geben werde, drohte, verlassen könne, versicherte er, man könne sich nicht auf die Truppen verlassen.230 Mein Beschluss sche Regierung mit Heubner, Todt und Tzschirner. Damit existierte für die Weiterführung des.bewaffneten Kampfes eine zentrale politische Leitung für ganz Sachsen. Die Wahl der Provisorischen Regierung wurde von Hermann Köchly vom Balkon des Dresdner Rathauses verkündet und mit großem Jubel von den Aufständischen begrüßt. 228 Diener Webers. 229 Ältester Sohn Webers. 230 Randnotiz: Spiegel, Gustav Wilhelm von (1805–1873), sächsischer Generalmajor, erzählte mir, daß,
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stand sogleich fest, die Meinigen zu retten sobald als möglich und namentlich ehe die Nachricht bekannt werde, indem vorherzusehen war, dass dann alles fort werde wollen. Ehrenstein beschloss dasselbe, zumal Siegmann ausdrücklich sagte, dass die Finanzkassen mit einigen Millionen baaren Geldes jedenfalls morgen früh zeitig von der Provisorischen Regierung würden mit Beschlag belegt werden – nicht einmal die sollten gerettet werden! Siegmann verlangte nur hundertzwanzigtausend Taler sofort, um den Sold der Truppen zu bezahlen, indem sie außerdem gar nicht zu halten sein würden. Ehrenstein glaubte, es werde nicht möglich sein, das noch zu arrangieren, machte Schwierigkeiten, die mir sehr unerheblich schienen, da es nur darauf ankam, den Finanzkassierer zu erlangen. Ich sah nun immer mehr, wie die Sache stand, ging sogleich zum Vater, ihn zu bitten, damit er morgen auch abreise und ließ Sophie alle Anstalten treffen. Um Elf ward ich noch zu Beust ins Blockhaus gerufen, der mir auch den Abmarsch der Truppen für morgen ankündigte und von dem ich mir denn noch, um allen Formen zu genügen, Urlaub erbat, um vor der Hand nach # zu gehen. Er wollte namentlich gern noch fünfhundert Taler haben, die er im Ministerium hatte, um seiner Frau, die kein Geld habe, sie zu schicken. Das konnte ich nun freilich nicht machen. Er wollte auf einem Pferd von Rabenhorst mit fortgehen. Rabenhorst, der auch da war, wagte doch nicht, mich anzusehen, wohl eingedenk, was ich ihm gesagt, was er geantwortet. Beust war in einer Gemütslage, in welcher er die Kugel gesegnet haben würde, die seinem Leben ein Ende gemacht hätte. Die Offiziere, die man nach Görlitz und Berlin gesendet, sind der erstere (v. Zeschau) in Bautzen, der andere in Preußen vom Volke angehalten worden. Harmlos hat auch Schultz einen Chausseeträger in seiner Livree mit Depeschen nach Königstein geschickt und als ich ihn auf die Dummheit aufmerksam machte, war es zu spät. Einen Mann! Nur einen auf einer oder der anderen Seite! Davon hängt das Schicksal Sachsens ab. Ich wollte Beust schonen. Ich sprach nicht über das Geschehene. Ich ging aber in der Überzeugung in der Nacht zu Hause, dass der Tag herannahe, an dem ich Dresden vielleicht zum letzten Male sehe.231 Mai 5 Die ganze Nacht ward mit Packen, Briefe schreiben, Vorkehrungen zugebracht, um das, was zu retten war, zu retten. Wusste ich doch nicht, ob ich nicht direkt nach Amerika würde gehen müssen, um dem Terrorismus einer ganz Deutschland verschlingenden Anarchie zu entgehen. So stehen die Sachen. Denn Deutschlands Geschick wird, wie nun einmal jetzt die Sachen stehen, in Dresden wesentlich entschieden. Die rote Republik hat sich hier konzentriert und an die Spitze gestellt. Früh sechs Uhr brachte ich die Meinigen auf den Dampfwagen und war ruhig, als ich sie abfahren sah. Ich ging zuerst zu Müllers, ihnen die Botschaft zu bringen, dann zu Jordans und zum alten Reitzenstein, dann ins Archiv, um einiges daselbst Niedergelegte zu holen. Die Stadt war ruhig. Das Militär hatte als abends im Kriegsrat, dem er beigewohnt, der Beschluß, die Stadt zu verlassen, gefaßt worden, er darauf aufmerksam gemacht habe, daß man doch dazu die Genehmigung des Königs einholen müsse. Dies ward genehmigt. Man konnte aber keinen Lohnkutscher finden, der die Fahrt nach dem Königstein übernehmen wollte. Erst um 1 Uhr in der Nacht, wo der Abmarsch geschehen sollte, ging ein Offizier ab. Spiegel lag die Nacht auf einer Schütte Stroh auf dem Markt / Neustädter Markt /. Der Morgen brachte die Nachricht, daß ein Bataillon Preußen kommen solle und so unterblieb das Unglück. Siehe dazu Montbe, Maiaufstand in Dresden. – v. Waldersee, Kampf in Dresden. 231 Randnotiz: Minister Friesen erzählte mir später, daß er den Regierungsrat Just aus Zwickau getroffen – was er in Dresden zu suchen hatte?, – der ihm gesagt, wenn die Kreisdirektion Befehle von der Provisorischen Regierung erhalte, werde sie sie befolgen.
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schon den Schlossplatz verlassen, obwohl nunmehr, nachdem noch außer den Schützen ein Regiment Infanterie sowie Kavallerie angekommen, eine viel größere Macht zu Gebote stand. Ich fand keine Schwierigkeiten, durch die Truppen, die die Brücke fast ganz bedeckten und die daselbst eine für sie nicht beschwerliche Nacht, da es nicht kalt war, zugebracht, hindurchzukommen. Nur war es fatal, dass am Archiv ein ganzer Haufen stand, der Anstalten machte, mit hineinzudringen. Ich war wie in der Mausefalle gefangen. Inzwischen ging alles gut ab, da ich durch die Hintertür entkam. Um halb neun war ich wieder zu Hause, nachdem mir unterwegs Gablenz, den ich traf und mitteilte, was überall nun bekannt war, dass die Truppen abziehen würden, versicherte, die Ansicht, die Soldaten seien unzuverlässig, sei ganz unbegründet. Einzelne sind allerdings, wie ich selbst gesehen, unter dem Volke, wo sie fetirt werden und haben sich ihm angeschlossen. Allein die Zahl ist gering. Um Neun ging ich auf den Bahnhof, frühstückte, fuhr um Zehn Uhr mit Jordans, die nach Leipzig gehen, in einem Coupè nach Niederau und von da mit dem Omnibus nach Meißen. Unterwegs traf ich ein altes Männchen, der von Musik und Politik ziemlich übereinstimmend mit mir sprach. Ich gab ihm meine Karte und er entdeckte sich mir als der Tanzmeister der Landschule Berger. Als wir nach Meißen kamen, fand ich die Meinigen wohl im Hirsch, aber die Stadt in großer Aufregung, indem der Stadtrat die Provisorische Regierung anerkannt und die Absendung von dreihundert Mann der Kommunalgarde zur Unterstützung derselben nach Dresden beschlossen hat. Man sprach sehr begeistert davon. Nur die Frauen der bereits Abmarschierten liefen händeringend herum. Wir machten Abends einen herrlichen Spaziergang nach Siebeneichen. Der Abend war wundervoll. Die Natur so friedlich und hinten – lag Dresden, voll Kampf, Blut und Greuel aller Art. Nachtrag vom 2. September 1850: Oberländer ist mit einem Extrazug nach dem Königstein den 5. Mai gefahren, hat den König sprechen wollen, der aber als krank angegeben worden und er hat bloß Zschinsky gesprochen. Natürlich ohne allen Erfolg. Georgi, der nach Teplitz reiste, trifft ihn in Pirna. Oberländer sagt, er könne nicht begreifen, was Todt denke, wütend über die Barrikaden. Da wird er von einer Deputation des Stadtrats als Reaktionär mit harten Worten angefahren! Georgi hat es selbst mir erzählt. Mai 6 Die Nachrichten aus Dresden lauten sehr traurig. Der Kampf ist von neuem entbrannt. Die Barrikaden sind nunmehr von Sachverständigen gebaut. Eine Menge Polen, Wiener erschienen. Zuzüge aus allen Teilen des Landes füllen die Stadt. Das Opernhaus ist niedergebrannt, eine Menge Häuser zerstört, sehr viele Opfer gefallen. Gestern sind achthundert Preußen angekommen. Allein die Truppen scheinen wenig ausrichten zu können. In Meißen hat der Obmann des Vaterlandsvereins, Lehrer Tzschucke, den Auszug veranlasst durch das Vorgeben, das Militär sei übergetreten, ein Kampf fände nicht statt, die Provisorische Regierung wünsche den Zuzug bloß, um Ordnung aufrecht zu erhalten und dazu dreihundert Mann bewogen. Als nun einige Stunden später das Gegenteil bekannt ward ungeheure Reaktion, grenzenlose Wut gegen jenen Lehrer. Dieser kam nun noch dazu heute zuerst zurück, während die anderen auf den Barrikaden standen. Das Volk drang in der größten Wut auf ihn ein und würde ihn erschlagen haben, wenn man ihn nicht arretiert hätte. Nachmittags fuhr ich bis Zitzschewig, drehte aber da um, als mir Steiger aus Löthain, Römers Pächter, der von Dresden kam, die dasigen grässlichen Zustände und die Unmöglichkeit, etwas zu helfen, schilderte.
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Massen bewaffneter Zuzüge aus dem ganzen Lande zogen durch Meißen. Noch um neun Uhr kamen fünfhundert Mann aus Werdau. Ich beschloss, unter diesen Umständen Sophie nach Osnabrück zu bringen und schrieb daher sogleich an meine Schwiegermutter, an Theodor nach Wertheim, an Luise nach Köln, um sie zu beruhigen. Mai 8 Gestern früh, als wir in Meißen frühstückten, kam wieder eine Freischar an, die Dresden zu Hilfe zog. Ein Teil anscheinend Bürger der wohlhabenderen Art mit Büchsen, hinterher aber Sensenmänner und den Schluss bildete eine Anzahl, die bloß Knittel und leere Säcke trugen. Da von allen Seiten, wie man hört, dergleichen Zuzüge jetzt noch geordnet einrücken, es sich aber vorhersehen lässt, dass der Rückzug minder geordnet erfolgen und für die Ortschaften, durch die er geht, mit den kleinen Unannehmlichkeiten des Plünderns verbunden sein wird, da diese Freischaren es mit dem Eigentum eben nicht sehr genau nehmen werden, so blieben wir bei unserem gestern schon gefassten Beschluss, nach Osnabrück zu gehen, stehn. Um Zehn kam Loth aus Dresden zurück, wo er zwei Tage auf den Barrikaden gestanden. Die Beschreibung, die er leistete, war schauderhaft. Es herrscht vollständige Anarchie im Inneren der Stadt, welche das Volk noch immer hat. Die Provisorische Regierung hat weder Energie noch Intelligenz. Die Vorteile, die sich ihr darboten, als sie das Zeughaus schon halb inne hatten, hat sie gar nicht zu benutzen verstanden. Vier kleine eiserne Kanonen, die man dem Baron Burgk genommen oder er gegeben hat, sind die ganze Artillerie. Lebensmittel werden in Massen requiriert und vom Stadtrat Bons dafür gegeben. Schaurig ist der Moment gewesen, wo die kleine Brüdergasse von ihrer Bewehrung verlassen werden musste, aus irgend einer strategischen Ansicht der Provisorischen Regierung. Die armen Leute, von denen sie meist bewohnt wird, haben nur die Kinder fortgetragen, alles zurücklassen müssen. Auf der Schlossgasse sind die Zwischenwände aller Häuser durchgeschlagen, um beim Sturm der Barrikaden den Kämpfern zur Flucht Gelegenheit zu geben. Menschen sind bis jetzt sehr wenig geblieben, wenigstens im Verhältnis zu dem vielen Schießen. General Homilius ist durch einen Schuss aus einer Kanone mit einem Stück Eisen in den Unterleib getroffen worden und gestorben. Ein Fürst Schwarzburg232 ist im Hotel de Saxe von den Preußen erstochen worden, da er so unvorsichtig gewesen, sich mit einem Säbel zu bewaffnen. Bloß das große Opernhaus ist niedergebrannt, jedoch von Bergleuten unter dem Schloß vom Taschenberg herein eine Mine angelegt worden, zu der nur noch das Pulver fehlte, indem man angeblich zwanzig Zentner hineintun wollen. Pulver liefern zwei Fabriken bei Freiberg, je zehn Zentner auf einmal. Diese Tatsachen erzählte Loth. Man hatte ihn ohne Schwierigkeiten entlassen. Andere waren mit Lebensgefahr geflüchtet. Eine ganze Patroille, die die Schläge begehen sollen, war auseinandergelaufen und kam einzeln in Meißen an. Um Zwölf fuhren wir gestern von Meißen nach Niederau und meine Frau mit den Kindern und der Kinderfrau, einer sehr zuverlässigen Person, nach Leipzig. Ich wollte erst nach Dresden und musste deshalb einige Stunden auf den Leipziger Zug warten. Auf dem Bahnhof war eine große Masse Menschen versammelt, Bauern und Städter der Nachbarschaft. Ein bärtiger Mann, Palm aus Zadel, sprach zu den Leuten und stellte den König insbesondere ihnen in einem ganz falschen Lichte dar, indem er behauptete, der Aufstand sei absichtlich 232 Schwarzburg-Rudolstadt, Prinz Wilhelm von (1806–1849), Oberst in österreichischen Diensten. Am 6. Mai beim Sturm des Hotel „Stadt Rom“ von preußischen Soldaten getötet.
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angestiftet, um eine blutige Reaktion herbeizuführen. Er nannte dabei den König wiederholt einen Schuft. Ich dachte, ich müsste mir doch auch einmal den Spaß machen, als Volksredner aufzutreten, trat daher hinzu und fing sehr laut – ich habe eine ziemlich gute Lunge – an zu opponieren. Es entstand zuerst ein Heidenlärm und ich dachte, es würde gar zu Tätlichkeiten kommen, wo ich denn abermals in den Fall hätte kommen können, meine Notwaffe zu gebrauchen. Ich trug daher, wo nur etwas Ruhe ward, darauf an, einen Präsidenten zu wählen und schlug auch gleich ein leidlich anständig aussehendes Männchen vor, das auch, da niemand gegen ihn etwas einwendete, das Präsidium übernahm. Ich provozierte zuerst auf die Rede- und Meinungsfreiheit, sagte dem Publikum einiges Angenehme und blieb trotz der anfänglichen stürmischen Entgegnungen in den Grenzen des Anstandes. Nachdem die Sache eine halbe Stunde gedauert, wurde mein Gegner Herr Palm sichtlich ruhiger und ich nötigte ihn, sich selbst innerhalb der Schranken des Anstands zu halten, die ihm nicht ganz fremd zu sein schienen. Ich sprach ziemlich lange, die Verhältnisse entwickelnd, meine Überzeugung von der Notwendigkeit der Anerkennung der Verfassung entschieden aussprechend, aber den König entschuldigend, der, einer festgefaßten Überzeugung nachgehend, wenn auch irrend, doch nicht absichtlich sein Land in das Elend gestoßen habe. Nach einer Stunde war mein Publikum wenigstens zum großen Teil denn doch viel minder streng in seinem Urteil, merklich beruhigt. Ich ward von einer großen Zahl mit Dank überhäuft, dringend um Nennung meines Namens gebeten, den ich aber nur meinem Präsidenten, der sich als Kommissionsrat Kühne aus Meißen auswies, nannte. Ich habe wenigstens gesehen, dass Ruhe und eine gewisse Courage, verbunden mit starkem Brüllen, doch nicht ganz ohne Einfluss auf eine Menge, die noch nicht betrunken ist, ist. Um Zwei fuhren wir nach Dresden, wo ich zuerst ins Quartier ging und alles in Ordnung fand. Die Hausleute hatten in der Furcht vor Plünderung ihre Sachen in den Keller geschafft und diesen zugemauert. Johann hatte denn auch ein Kistchen mit einigem Silberzeug, das wir ihm gegeben, richtig mit eingemauert. Ich ging nun auf’s Blockhaus, wo Beust sein Ministerium aufgeschlagen. Das Militär hat allerdings große Fortschritte gemacht. Allein es ist alle Aussicht, dass ein großer Teil der Stadt ein Trümmerhaufen wird. Kommt nicht noch mehr Militär, so werden jedenfalls noch mehrere Tage vergehen, ehe der Kern der Stadt, wo die Provisorische Regierung sitzt, umzingelt ist und letztere wird darauf nicht warten, sondern, wie in Riesa ein Mann dem Volke erzählte, sich nach Freiberg und eventuell wohl noch weiter – wahrscheinlich ins Ausland – begeben. Beust war ganz guten Muts und schien die furchtbare Verantwortung, die doch auf ihm lastet, noch nicht zu erkennen. Ich ließ mir einen Kabinettspaß nach Frankreich und England ausstellen und ging dann, ungewiss, ob und wann ich Dresden wiedersehen werde, auf die Eisenbahn, nachdem ich vorher noch Ehrenstein gesprochen, der wie ich durch die Nachricht, dass das Militär die Stadt preisgeben werde – der Beschluss ist, wie mir Beust wiederholte, schon defintiv auf Anraten aller Oberoffiziere gefasst gewesen – bewogen, nach Berlin gereist und heute – aus unnötiger Besorgnis verkleidet – wieder hier eingetroffen ist, sehr froh, dass sein an das Ministerium und den König gerichtetes Urlaubsgesuch nicht abgegeben worden, weil keine Briefe befördert werden konnten. Die Neustadt war ziemlich ruhig, aber anscheinend bloß von Soldaten gefüllt. Der Bahnhof war mit sächsischer Infanterie besetzt. Vor ihm standen Kavallerievedetten. Als wir ausstiegen, ward uns befohlen, die Coupees einzeln zu öffnen. Es stand eine Reihe Soldaten aufgestellt und ein junges Offizierchen eröffnete uns ganz gemütlich lächelnd, dass, wer
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Waffen führe und nicht anzeige – erschossen werde. Ich rechnete meinen Stockdolch nicht dazu, hatte auch keine Angst vor dem Erschießen, zumal da keine Untersuchung stattfand, vielmehr man zu erwarten schien, dass diejenigen, welche Lust hätten, erschossen zu werden, sich beim Herrn Leutnant melden würden. Adolph ist gottlob wohl. Überhaupt sind außer Homilius nur drei Offiziere, mit einem preußischen, geblieben. Die Zahl der toten und verwundeten Soldaten weiß man noch nicht. Das Ministerium hat ein Aufruhrgesetz, welches für alle Fälle entworfen worden war, publizieren wollen. Aber wie es immer zu spät kommt und Unglück hat, ist das Dampfschiff, welches dem König die Verordnung zur Unterschrift bringen sollen, abgefangen worden und daher die Schrift gestern anderweit nach Königstein gegangen. An’s Grüne Gewölbe und dessen Sicherung hatte niemand gedacht. Das Historische Museum, auf das ich so oft aufmerksam gemacht, ist gar nicht gedeckt worden und Hofrat Schulz hat es gegen einen andringenden Haufen nur mit den Arbeitern am Museumsbau verteidigt, die ihre Äxte und Stangen schwingend imponiert und so lange Stand gehalten haben, bis Kommunalgarde den Zwinger besetzt. Jetzt hat ihn das Militär, das gestern auch die Post auf der einen Seite, das Gewandhaus an der anderen erobert hat. Die Preußen haben den Befehl mitgebracht, jeden Bewaffneten niederzumachen – was man wohl in Berlin anzubefehlen Anstand genommen haben würde – und erst, nachdem sie diesem Befehl nachgegangen, ist er auf Interzession in Berlin zurückgenommen worden. Während ich im Blockhaus war, wurden einige leichenblasse Gefangene, Leute niederen Standes, eingebracht. Im Dampfwagen traf ich einen ältlichen Herren, der sich sehr bald unaufgefordert als eine Art stehender Lanzenknecht zu erkennen gab, Herr von Bruins (belgischen Ursprungs) nennt, mir eine Partie Zeugnisse über seine militärischen Leistungen vorlegt und erzählt, dass er eigentlich von Dresden nach Leipzig, wo er seit fünfzehn Jahren verheiratet. anscheinend in schlechten Verhältnissen lebt, gegangen, um der Provisorischen Regierung seine Dienste anzubieten, wenn sie eine Armee organisieren wolle. Er war aber angesichts der Persönlichkeiten, die er keineswegs günstig schilderte, ihrer gänzlichen Kopf- und Ratlosigkeit anderen Sinnes geworden. Behauptete aber, und in seinem Munde schien es glaublich, Oberländer habe die Provisorische Regierung eingesetzt. Deshalb hatte er, was am Ende herauskam, diesen sprechen und sich mit seinem Kriegs- und Organisationsplan an ihn wenden wollen. Ich war inzwischen in großer Besorgnis für die Meinigen. Da, je näher wir Leipzig kamen, die Erzählungen von bedeutenden Unruhen, die am Sonntag Abend ausgebrochen, sich wiederholten. Bei Borsdorf hielt der Zug an und es ward uns eröffnet, dass wir zu Fuß hinein gehen müssten (zwei Stunden), weil die Eisenbahn zerstört sei. Inzwischen war die Nachricht unbegründet und wir kamen um halb Neun glücklich nach Leipzig, wo mir mein neuer Freund seinen Schutz anbot, den ich, da ich selbst mir mit meinen Pistolen sicher genug erschien, dankbar entbehrte. Der Pöbel hat sich am Sonntag mit dem Verlangen um Waffen zusammenrottiert. Der Stadtrat hat Mehreren Waffen und Freischeine zur Reise nach Dresden gegeben. Allein sie haben beides verkauft. Abends hat nun der Pöbel die Kommunalgarde angegriffen, einige Buden angezündet und es sind drei Kommunalgardisten und vierzehn oder mehr vom Volke erschossen worden. Man hat in allen Straßen blind aufeinander gefeuert, und Ferdinand, den Sophie gesprochen, ist selbst in Gefahr gekommen. Gestern Nacht sollte nun der Spektakel losgehen. Charmant für uns, da ich keine Zündhütchen für meine Pistolen
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fand. Indessen kamen Abends einige Kompanien Schützen aus Dresden zurück und diese in Verbindung mit heftigem Regen mussten das Blut und den Eifer, selbst die Plünderungslust der Tumultuanten gedämpft haben, denn außer einigen Schüssen, die gegen Zehn Uhr in der Entfernung fielen, hörten wir nichts. Eine hübsche Gesellschaft mit in Stroh gewickelten Büchsen kam aber mit dem Dampfwagen mit mir an, die auch nicht gerade die Herstellung der Ordnung zu beabsichtigen schienen. In Leipzig ist diese Bewegung rein kommunistisch, deshalb auch die Kommunalgarde energisch eingeschritten. Die Messe ist aber sogleich aufgehoben und alle Buden sind entfernt worden. Die ganze Geschichte war eben doch sehr wenig lockend für uns und wir beschlossen denn, gleich heute früh abzureisen. Als wir aber hier in Braunschweig unser Gepäck übernehmen sollten, fand sich, dass vier Stück unterwegs liegen geblieben, was uns denn veranlasste, hier zu bleiben und mir eigentlich ganz recht war, da ich mich bedeutend nach Ruhe sehnte. Auf allen Stationen ward man ausgefragt und ich fand mehrfach Gelegenheit, Lügen zu widerlegen. Hat man doch bis hierher Aufforderungen geschickt, bewaffnet nach Leipzig zu kommen, um das Volk zu unterstützen. Ruge stehe an der Spitze, soll es darin heißen. Es gelte der Verfassung! Mai 9 Früh um halb Sieben per Dampf durch Hannover bis Minden, wohin wir um halb Zwölf kamen. Hier ward auf dem Bahnhof sogleich ein großer, unser zahlreiches Gepäck aufzunehmen geeigneter Wagen gemietet, der uns in acht Stunden Abends nach Zehn Uhr nach Osnabrück brachte. Mai 10 Ruhe und Frieden, ihr Himmelstöchter, wie lerne ich euch schätzen, wenn ich hier beim Nachtigallenschlagen unter den Blütenbäumen spaziere oder wie heute Nachmittag nach einer Flasche Rheinwein mich, meine Frau und meinen Jungen im Pistolenschießen übe und eben keinen anderen Lärm, keinen andern Pulverdampf höre und sehe als den, den unser friedliches Kriegsspiel hervorruft. Mai 12 Nach Tische um Vier zum Kanzleidirektor Meyer, der uns früher einmal in Dresden besuchte, einem großen Musikfreund, der die schönste Sammlung trefflicher Geigen hat, die ich gesehen, Amati, besonders auch eine Stradivari, auf der ich mit wahrer Wonne eine Sonate von Beethoven mit Piano spielte. Briefe aus Dresden von Anton und Ehrenstein meldeten die am Neunten erfolgte Übergabe des Restes der Stadt.233 Wie werde ich das arme Dresden wiederfinden? Am Rheine gärt es furchtbar und der Bürgerkrieg wird in wenig Wochen ausbrechen. Das ist das Resultat der preußischen Politik, der Sachsen sich nun in die Arme geworfen hat! Mai 17 Am Montag, den Vierzehnten bekam ich einen Brief vom Sekretär Roßberg, worin mir derselbe schrieb, dass der Archivar Erbstein närrisch geworden ist, allerhand verrücktes Zeug getrieben, mit den Archivschlüsseln in der Hand im Lande herumgerannt, sich dann als Arrestant gemeldet, da er Staatsgeheimnisse verraten etc. Man wünscht daher meine Rückkehr. Ich wollte ohnehin bald abreisen und ließ mich daher nur bestimmen, es etwas früher zu tun. Ich reiste Montag Abend mit Gustav mit der Post bis Minden, setzte mich dort früh nach Sechs auf den Dampfwagen und fuhr ohne weiteres Abenteuer bis Leipzig, wo ich Adolf einen Moment aufsuchte. Mittwoch früh halb Zehn war ich in Dresden. 233 Brief des mit Weber eng befreundeten Finanzministers Carl Wolf von Ehrenstein vom 10. Mai 1849 siehe Dokumentenanhang Nr. 7.
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Ich ging zuerst zu Ehrenstein, den ich noch als Minister zu finden glaubte, der aber sehr gegen seinen Willen in Behr einen Nachfolger erhalten hat. Er hat leider sich ziemlich lächerlich gemacht, indem er maskiert mit rotem Halstuch, grüner Brille von Berlin hierher zurückgekehrt und bei dieser Hanswurstiade von Bekannten ertappt worden ist. Er hat geglaubt – so sagt Beust – dass er nun nach überstandener Gefahr ganz ruhig wieder eintreten könne. Wie doch Eitelkeit selbst kluge Männer verblendet Im Gesamtministerium war das neue Ministerium ziemlich ratlos versammelt. Sie steckten die Köpfe zusammen über den Entwurf der deutschen Verfassung, den Beust aus Berlin, woher er eben zurückgekehrt war, mitgebracht hatte.234 Beust trägt in Folge unserer neuerlichen Frisur – falsche Locken, auch originell. Ich ging nachher zur Erbstein, den ich noch sehr konfus fand und nur mit Mühe disponieren konnte, Urlaub zu nehmen. Einige Kartätschenkugeln, die in seiner Dachrinne lagen (er wohnt vier Treppen), mochten durch ihr Erscheinen ihn in die Flucht und Verrücktheit getrieben haben. Er behauptete, er habe sieben Tage und sieben Nächte am Fenster gestanden! Dann ging ich durch die Stadt, wo die Verwüstungen allerdings noch schrecklich sind. Fast alle Häuser haben Kugelschäden. Das Pflaster ist noch nicht hergestellt, der Zwinger, einige Häuser auf der kleinen Brüdergasse, auf der Zwingerstraße niedergebrannt usw. Im Archiv, wohin ich ging, fand ich bloß zerbrochene Fensterscheiben und einige Kugeln als Zeuge des Kampfes. Beim alten Reitzenstein dasselbe. Einer seiner Bedienten ist erschossen worden. Ich aß am Mittwoch mit Anton in Stadt Frankfurt und war Abends schon zur Partie bei Reitzenstein. Die ganze Stadt wimmelt von preußischen Soldaten, meist Landwehr, gut aussehende kräftige Kerle, ferner rote Husaren. Cotta aus Freiberg schrieb mir wegen der Ungarn235, die hier fidel mitgefochten und wollte kurioser Weise jetzt noch – Passkarten für sie. Er ist hier in Dresden gewesen, versichert aber bloß zufällig.Von E. bekam ich einen anscheinend reuigen Brief. Er ist, wie ich dachte, hier auch während des Kampfes gewesen. Da er aber entsetzlich lügt und renommiert, so ist mir es doch sehr zweifelhaft, ob er nicht statt auf der Barrikade im Bierkeller gewesen und jetzt nun ex post den Helden spielt. Viele Besuche kamen, Jordans, Römer, der in Schandau gewesen. Jeder hatte Abenteuer erlebt, deren Austausch amüsierte. Bei Beust, dessen Frau ich aufsuchte, ist im Quartier wenig zerstört, nur eine samtene Portiere hatte gelitten, indem ein Gast sich ein Stück zu einer Weste mitgenommen. Mai 18 Heute eröffnete ich das Hauptstaatsarchiv wieder. Vielfache Gespräche mit bekannten, wohlunterrichteten Offizieren bestätigen es immer mehr, dass die Minister nicht ihrer Weisheit, ihren Maßregeln den Sieg verdanken, sondern lediglich dem Glück. Sie und besonders Rabenhorst hatten tollkühn einen Kampf begonnen, der drei zu eins das Verderben des Heeres, des Königs, des Landes nach sich ziehen musste, da gar keine Vorkehrungen getroffen waren, den Kampf mit Nachdruck führen zu können und was sind denn die Resultate dieses Sieges? Eine zerstörte Stadt, ein erbittertes Volk, 234 Beust war am 14. Mai 1849 nach Berlin zu Verhandlungen mit Preußen, Bayern und Hannover gereist. Im Ergebnis dieser Besprechungen über die deutsche Frage wurde am 26. Mai das Dreikönigsbündnis geschlossen. Siehe Konferenzen und Verträge. Vertrags-Ploetz Teil II, Band 3: Neuere Zeit. 2. Aufl. Würzburg 1958, S. 297–298. 235 Die Briefe von Bernhard von Cotta an Weber vom 12. und 15. Mai 1849 siehe Dokumentenanhang Nr. 8. – Siehe auch Geschichte der Bergstadt Freiberg. Weimar 1986, S. 212.
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preußische Okkupation und die Mediatisierung im Hintergrund. Dieses Resultat hätte ich den Herrn ohne Blutvergießen verschaffen wollen. Leider habe ich also in diesen Angelegenheiten von Anfang an richtig gesehen. Ob meine Besorgnisse, dass Deutschland mit Sachsen erst am Vorabend noch viel schrecklicherer Ereignisse steht und dass es am Geratensten sei, wenigstens auf einige Jahre es zu verlassen, auch begründet sind, oder ob ich hier zu schwarz sehe, darüber bin ich eben selbst ungewiss. Wäre das nicht, so wäre ich nicht mehr hier. Der Militärjubel, der Übermut, mit dem sich die Offiziere aussprechen, ist allerdings für den Besonnenen, den diese Ereignisse nur mit Wehmut erfüllen, sehr unerträglich und ich habe wenigstens durch einige sarkastische Pillen, die ich auf der Terrasse, wo ich gegen Abend war, dem Herrn Ackermann und Genossen hinwarf, etwas Wermut in den Becher ihrer Freude zu werfen gesucht. Ein großes Militärfest hatte stattgefunden, zu welchem die Hofkellerei zweiundvierzig Eimer Wein geliefert hatte. Jetzt war er da. Während des Kampfes hatten die Truppen im Schlosse bloß Wasser – und da kamen denn die Herren Leutnants voll des Weins und der Toaste, die man ausgebracht hatte, hin. Ich war Nachmittags bei Müller’s und fand zu meinem Erstauen, dass sie ihr Quartier zum Vermieten angeschlagen und Marie, die ich zu Hause fand, sagte mir, sie wollten in die Schweiz auswandern, um das Schicksal ihres Bruders zu teilen, der nun seinen Abschied nehmen muss. Ich machte ihr dann deutlich, dass drei Schwestern für einen dienstsuchenden Leutnant eben keine große Bequemlichkeit sei und redete ihnen den ganzen, jetzt sehr tollköpfigen Plan aus. Mai 19 Früh ins Archiv, nachdem mich Ehrenstein noch eine Stunde abgehalten, der einen Brief von einem Beamten in Weimar wegen der Frau des Musikdirektors Röckel erhalten hat, die dort im größten Elend mit fünf Kindern angekommen ist. Wie viele solche Fälle mögen hier jetzt vorkommen! Ich besah mir heute nochmals die Stadt, die Brandstätten an der Zwingerstraße. Noch fehlen in unzähligen Fenstern, selbst im Schloss, die Scheiben. Dann ging ich zu Nostitz ins Posthaus. Er ist mit seiner Familie vor einigen Tagen zurückgekommen. Obwohl im Posthaus selbst ein heftiger Kampf gewütet, so ist doch anscheinend das Volk nicht in Nostitzen’s Quartier eingedrungen. Allein das Militär hat dann alle Türen eingeschlagen und wenigstens den Versuch einer Plünderung unternommen, denn das Schlüsselschränkchen von Mahagoni ist zerhauen und mit den darin gefundenen Schlüsseln, der Schreibtisch usw. eröffnet und durchsucht worden. Es fehlt aber nichts. Wahrscheinlich ist ein Offizier dazugekommen. Überhaupt zeigt es sich immer mehr, dass das Volk trotzdem, dass die reichsten Quartiere von ihm tagelang durchzogen worden, doch eigentlich nur wenig geplündert hat. Das meiste haben die Soldaten bei Erstürmung der Häuser mitgenommen und zerstört. Ich suchte an den Barrikaden vor vierzehn Tagen einen Mann. Hätte ich auch dort allein nach der Ehrlichkeit suchen sollen? Es liegen gewiss viel edle Elemente in der niederen Klasse. Gäbe es nur Mittel, sie auch intelligenter zu machen, dass sie nicht blind jedem Betrüger, jedem Phrasenmacher nachtaumelt und glaubt. Mittag gegen Drei saß ich mit Anton und Gustav gerade beim Essen, als mein Bedienter mir die Ankunft von fünf Kürassieren als Einquartierung für mich meldete. Es stand auch richtig die ganze Kompanie schon da. Das war mir des Guten doch zuviel. Ich schickte daher auf’s Einquartierungsamt, wo die Konfusion entstanden war und es ward mein Kontingent auf drei Mann reduziert, die denn nun bei mir in meiner Studierstube, die ich glücklicher Weise ausgeräumt hatte, weil ich dergleichen kommen sah, kampieren.
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Abends besuchte ich den Vater und ging dann in die Ressource, wo ich ein langes Gespräch mit Thielau über das Wahlgesetz hatte. Er meinte, man solle bloß die Familienväter wählen lassen. Theoretisch hat dies den Satz für sich, dass der Staat auf der Familie beruht. Aber praktisch ist es doch nicht, wenn man alle Hagestolze ausschließen wollte. Übrigens war die Ressource mit Soldaten aller Art gefüllt, die denn natürlich gehörig renommierten. Uckermann erzählte u. a., wie Röckel gefangen worden. Er hat sich, in einer Regennacht einer Patrouille begegnend, bis an den Hals in einen Wassergraben gesteckt und ist in diesem bemerkt worden. Uckermann hat ihn erkannt, seinen Leuten gesagt, wer es sei und ihn nun – den Misshandlungen derselben Preis gegeben – einen Gefangenen! Und damit renommieren diese Leute noch! Mai 22 Die Stadt gewinnt immer mehr das Ansehen eines preußischen Feldlagers. Alle Straßen voll Soldaten, alle öffentlichen Orte voll Offiziere. Die Leute sind aber, sie mögen wohl strenge Instruktionen haben, sich nicht unangenehm zu machen, sehr bescheiden und ruhig. Ich, der ich meine Studierstube und ein Vorzimmer den drei Leuten eingeräumt habe, die bei mir einquartiert sind, merke, obwohl sie neben meinem Wohnzimmer sind, in dem ich doch die Morgenstunden zubringe, gar nichts von ihnen. Allerdings opfere ich reichlich Zigarren, davon ich gleich das Tausend zu drei Talern ein Quantum holen ließ. Meine Tätigkeit reduziert sich jetzt bloß aufs Hauptstaatsarchiv und ich komme mir da eigentlich recht ledern vor mit meinem Aktenkassieren in jetziger Zeit. Indessen ich habe es so gewollt und verdanke diesem Willen und der Entsagung, auf dem er beruht, allerdings die ruhigste und selbständigste Stellung, die man haben kann. Niemand kümmert sich, ob ich komme, ob ich gehe, was ich mache. Mit meinen Beamten komme ich sehr gut aus, obwohl sie insgesamt mit Ausnahme Erbstein’s Republikaner, jedoch keine roten – kämpfen ist nicht ihre Sache – sind. Wäre ich ein Historiker – ich weiß nur gar nichts von Geschichte und habe das, was dazu gehört, Gedächtnis, gerade gar nicht – so wäre ich der glücklichste Kerl der Welt. So habe ich allrerdings das Bewusstsein eines Kamms, der als Stiefelknecht verwendet werden soll. Was ich weiß, kann ich nicht brauchen. Und das, wozu ich gebraucht werde, kann ich nicht. Ich wollte, ich wäre der Brockenwirt. Zum Kneipier habe ich immer Lust und Talent gespürt, kanns nur nicht kultivieren. Mai 26 Als ich vorgestern Abend zu Hause kam, hörte ich, dass Beust bei seiner Ankunft von Berlin zu mir gefahren war. Ich ging daher gestern früh zu ihm und fand ihn im Begriff, seine Toilette zu machen und zu frühstücken. Seine Frau erschien einen Augenblick an der Tür, verschwand aber sofort, um statt mit blassen Wangen mit ziegelrot geschminkten wieder zu erscheinen. Beust hatte sehr gute Hoffnungen und versicherte, die Verfassung werde in wenig Tagen erscheinen. Er machte sich kurioser Weise ein Verdienst daraus, dass er nicht aus dynastischen Interessen den Abschluss verzögert habe. Dass doch die Diplomaten niemals sehen können! Dass die einzige Möglichkeit, dem König oder den Königen ihre Krone zu erhalten, eben Schnelligkeit des Abschlusses ist, das sehen die Herren nicht. Beust musste denn auch mir gegenüber das zugestehen, was er wohl niemand anderen zugestehen wird, dass Sachsen mediatisiert wird. Also was ich gewollt, führt er nun aus und freut sich noch, nur das wir nebenbei eine zerstörte Stadt, einen ruinierten König und Militärherrschaft in den Kauf bekommen haben, was ich vermieden hätte. Originell. Die Kerls sind wie die Stehaufchen. Stellen sich auf den Kopf und sagen, das wäre eigentlich doch die naturgemäße Stellung.
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Mai 31 Der Revolutionsmonat geht also zu Ende und die oktroyierte Verfassung ist gestern Abend erschienen. Sie enthält aber garnichts darüber, dass die Landeswahlgesetze im Einklang stehen müssen mit dem Reichswahlgesetz. Da sie das nicht bestimmt, so sehe ich gar nicht ab, wie es bei uns werden soll, da es, wenn wir die Erfahrungen des letzten Landtags berücksichtigen, unmöglich scheint, mit unserem Wahlgesetz zu regieren und nur eine Bestimmung in der Reichsverfassung hier helfen kann, bis wir ganz mediatisiert sind. Ich habe Beust auf diesen ehrlichen Weg, dem Übel abzuhelfen, noch zuletzt aufmerksam gemacht. Es scheint aber, wie gewöhnlich, nicht beachtet worden zu sein. Ich arbeitete zu Hause, da im Archiv gescheuert wird und Cotta aus Freiberg kam zu mir. Er hat den Ungarn noch teilweise fortgeholfen und fürchtet nun Unannehmlichkeiten, worüber ich jedoch ihn beruhigen zu können glaubte. Eine Bekanntmachung von WindischgrätzSchirnding, dass, wenn Generalmarsch geschlagen werde, alle Häuser zu schließen seien, die der Anzeiger brachte, hat die Leute sehr stutzig gemacht. Sie wittern schon wieder Revolution und tragen sich mit den lächerlichsten Gerüchten, z. B. Tzschirner solle mit sechstausend Mann in der Nähe stehen. Abends spielten Seebach und Goldacker bei mir eine Partie. Hofrat Wolf erzählte nun noch von seinen Schicksalen während der Revolution. Semper hat vor seinem Hause eine ganz nutzlose Barrikade gebaut, dazu des Hofrats Wagen haben wollen, sich aber mit Kisten begnügt. Er ist anfangs wie toll gewesen, hat gesagt, wenn achtzehntausend Preußen kämen, was mache das, es dauere bloß ein paar Tage länger. Nach zwei Tagen ist er aber kleinlauter, höflicher geworden und hat sich davongemacht.236 Gegen dreißig Fremde sind in des Hofrats Quartier als Barrikadenverteidiger drei Tage geblieben, haben sich aber mit Wein und Zigarren begnügt. Beim Kammerherrn Jordan sind die Fremden ebenfalls ins Haus gedrungen, haben alle Schränke usw. geöffnet, insbesondere das Silber betrachtet, aber nichts genommen, jedoch dem Portier gesagt, er solle kein Schloß zumachen, denn wenn geplündert werde, würden sie das Haus sich vorbehalten. Beim Scheiden hat der, welcher das Kommando geführt und die anderen mehrmals vom Plündern abgehalten, dem Portier seine Adresse gegeben. Es ist ein Handlungsdiener aus Leipzig gewesen, an den Jordan einen Danksagungsbrief geschrieben, jedoch ohne Antwort zu bekommen. Seebach erzählte mir, dass Zschinsky die Ministerialratsstelle wieder besetzen will und zwar neben der Sekretärstelle. Was die beiden zu tun haben sollen, ist nicht abzusehen.
236 Reiner Groß: Gottfried Sempers Beteiligung an der bürgerlich-demokratischen Revolution 1848/49 in Dresden und seine Beziehungen zu Sachsen bis 1863. In: Sächsische Heimatblätter 1979. Heft 3, S. 123–130.
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9. Beginn der Reaktion in Sachsen. Mitarbeit am Bundesschiedsgericht in Erfurt und Ausklang des Revolutionsjahres 1849 Juni 4 Früh kam Beust zeitig zu mir, um politica zu besprechen. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass es doch besser sei, den Landtag jetzt zusammenzurufen, zumal die Wahlen für das Staatenhaus doch vorzunehmen seien. Darüber, warum die Verfassung keine Norm für die Landeswahlgesetze enthält, wusste er eigentlich nichts anzugeben. Er fragte mich, ob ich die Stelle als Mitglied des Reichsgerichtes, welches den 1. Juli zusammentreten soll, annehmen würde. Ich sagte vorläufig ja, da das eine Funktion ist, zu der ich mich, soviel ich glaube, qualifiziere und die nicht uninteressant ist. Denn Staatsaktenkassierer kann ich doch nicht zeitlebens bleiben, das fühle ich wohl, obgleich es mir für den Moment ganz recht ist, nichts mit den politicis zu tun zu haben. Ich arbeitete den ganzen Morgen im Archiv, aß dann bei Jordan, ging dann wieder ins Archiv und fuhr später auf’s Feldschlösschen in ein Konzert zum Besten der Hinterlassenen der aus dem Volk Gebliebenen, um doch meinen Beitrag auch zu geben. Es waren aber gar keine aus den sogenannten höheren Ständen da. Das Publikum war sehr zahlreich, aber nicht sehr duldsam. Ein Gastwirt ward nach einigen Prügeln hinausgeschmissen, weil er sich angeblich unangemessen über Barrrikaden geäußert. Man sah viel Bärte und deutsche Hüte. Gruppen wurden lebhaft von Einzelnen unterhalten, die eben nicht die freundlichsten Gesinnungen gegen den König und Regierung aussprachen. Die Stimmung ist hier überhaupt wie natürlich keineswegs beruhigt. Held verlangte übrigens, wie mir Beust sagte und ich vorhergesagt, richtig seine dreitausend Taler Wartegeld unter dem Vorwand, man habe ihn „auf schnöde Weise aus dem Ministerium gedrängt“, wie er Zschinsky geschrieben hat. Gemeiner Kerl! Juni 5 Beust erzählte mir, dass Pfordten über den Abschluss der Verhandlungen in Berlin in eine wahre Berserkerwut ausgebrochen ist237 – das glaube ich! Juni 10 Ich ging um sechs Uhr zu Beust, der mir denn sagte, dass meine Wahl zum Reichsrichter nunmehr definitiv feststeht und ich demnach den 1. Juli in Erfurt einzutreffen habe. Beust erzählte mir noch aus der Revolution her einige spaßhafte Geschichten. Am Sonnabend, den 5. Mai, lässt sich abends auf dem Blockhause ein Aktuarius Bauer bei ihm und Rabenhorst melden mit der Bitte um eine Unterredung unter vier Augen. Nachdem er abgewiesen worden, insistiert er und wird nun, nachdem beide sich in der Besorgnis eines Attentates auf ihr Leben bewaffnet, eingelassen. Er tritt ein, die rechte Hand unter der Weste, macht eine Verbeugung, und in dem Augenblick, wo er sich erhebt, hält ihm Rabenhorst ein Pistol unter die Nase mit den Worten: „Herr, bleiben Sie mir vom Leibe oder ich schiesse Sie nieder.“ Bauer, der die Handbewegung sich angewöhnt, springt entsetzt zurück und sagt: „Mein Gott, hätten Sie mir doch die Hände binden lassen, ehe Sie mir einen solchen Schreck gemacht – wenn Sie mir nicht trauen, geben Sie mir einen Stiefelknecht.“ Beust denkt, der 237 Es handelt sich um das am 26. Mai 1849 zwischen Preußen, Hannover und Sachsen abgeschlossene Dreikönigsbündnis, nachdem sich der Unionsplan gegen den zunehmenden Widerstand Österreichs und der süddeutschen Staaten, unter denen besonders Bayern herausragte, in dem v.d. Pfordten seit dem 18. April 1849 Minister des Königlichen Hauses und des Äußeren war, nicht verwirklichen ließ. Siehe M. Doeberl: Bayern und das preußische Unionsprojekt. München, Berlin 1926.
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Mann ist närrisch. Indessen wird die Erfrischung eines Stiefelknechts ihm gereicht und er produziert nun nach ausgezogenem Stiefel einen Brief von Zschinsky, den er vom Königstein gebracht, wohin er später noch einige Mal gesendet worden, namentlich um Held hinzubringen, an welchem es dort gänzlich gefehlt. Auch eine Deputation aus Leipzig, die sich gemeldet und von denen einige, die Hände auf dem Rücken, eintreten, hat Rabenhorst aufgefordert, die Hände vorzunehmen: „Es schicke sich nicht, so hinzutreten.“ Juni 13 Es ist nun gewiss, dass ich den 1. Juli nach Erfurt gehe, um in das zu organisierende Reichsgericht einzutreten. Ich sprach deshalb gestern mit Zschinsky, der tat, als ob er die Sache angeregt, während es doch von Beust ausgegangen ist, der überhaupt doch der Kopf des Ministeriums ist, wenn auch ein etwas zerstreuter. Behr ist bloße Null. Zschinsky kein Staatsmann. Beust ist übrigens so herunter, dass ich ihm ernstlich anriet, sich auf einige Zeit frei zu machen, um körperlich und geistig gerüstet dem Landtag entgegen zu gehen, der sehr ernste Kämpfe bringen wird, denen dieses Ministerium nicht gewachsen ist. Unmöglich kann aber doch der Schutz der preußischen Bajonette, mittelst dessen es sich hält, ewig dauern. Es muss doch einmal der Normalzustand wieder eintreten und wo soll dann ein verständiges Ministerium herkommen. Das frage ich mich oft. Ich werde nun wohl Ende dieser Woche hier abreisen, um in Berlin und Hannover vor dem Zusammentritt des Gerichts noch die Besprechungen zu haben, die Beust mit meinen künftigen Kollegen für wichtig hält. Juli 2 Erfurt. Heute ward das provisorische Schiedsgericht, dessen provisorisches Mitglied ich provisorisch bin, provisorisch eröffnet! Ein kleiner Grundstein zu hoffentlich großem Baue. Ich fuhr dann nach Braunschweig238, wo ich an der Wirtstafel abends den Oberappellationsrat von Pape aus Celle, meinen Kollegen im Reichsgericht, der mich schon in Hannover aufgesucht hatte, fand. Sonnabend, den 30. Juni fuhren wir nun zusammen früh weiter, trafen unterwegs auf der Thüringischen Eisenbahn den alten Geheimen Rat Günther, den man als zweites sächsisches Mitglied mir – anscheinend als Gegengewicht, wenn ich zu sehr links gehen sollte – zugefügt hat. Unterwegs retteten wir die Krone Weimar vor dem Verderben. Es war nämlich nur ein Coupe 1. Klasse im Zuge, welches wir zur Hälfte inne hatten. Nun wollte der Großherzog mit anteiliger Familie von einer Zwischenstation nach Weimar zurückfahren und es drohte nun das Schreckliche, dass er mit uns das Coupe teilen und sein Gefolge anders repartiert werden sollte. Ich ließ die Sache bis zum äußersten kommen und trat dann als rettender Engel auf, meinen Platz dem unglücklichen Hofschranzen, der verzweifelnd auf und ab lief, zur Disposition stellend, ein Beispiel, dem Günther und Pape folgten. In Erfurt, wohin wir abends sechs Uhr kamen und wo zu unserer geringen Erquickung die Cholera herrscht239, führte uns der Wirt des „Kaiser“, wo wir insgesamt wohnen, noch in der Stadt herum. Doch übles Wetter nötigte uns zur baldigen Rückkehr. Sonntag, den 1. Juli 238 Weber hatte in den Wochen vorher eine ausgedehnte Reise nach Berlin und Hannover unternommen und sich anschließend bis 28. Juni in Osnabrück bei den Verwandten seiner Frau aufgehalten, um dort seinen Jahresurlaub zu verbringen. 239 Die 1849 in ganz Europa herrschende Choleraepidemie griff im Sommer jenes Jahres auch auf Deutschland über. In Sachsen waren besonders die Städte Leipzig, Zittau und Dresden betroffen. In Leipzig verstarben an der Cholera von 712 erkrankten Personen allein 301 Menschen.
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sollte das Reichsgericht zwar zusammentreten. Doch kamen heute nur der preußische Minister v. Duesberg (Vorsitzender)240, ein altes kleines freundliches Männchen, der für einen tüchtigen Mann gehalten wird, der Geheime Justizrat Prof. Dirksen aus Berlin241, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, gelehrter Jurist, alter Herr mit Glatze und Brille, trotz der er nichts sieht, der aber Spuren von Berliner Witz zeigt, endlich der hannoversche Abgeordnete Franke aus Harburg, ein getrockneter Stadtrichter. Ich fuhr früh gegen acht Uhr nach Weimar, wo ich Watzdorf aufsuchte. Wir verhandelten denn nun allerhand politica, insbesondere besprach ich, Beust’s Wunsche gemäß, Watzdorf’s letzte Reise als Reichskommissar nach Dresden, die dort sehr übel aufgenommen worden ist.242 Er erzählte mir, dass er, nachdem er in der Woche, wo der Aufruhr ausbrach, von seiner ersten Reise nach Dresden zurückgekehrt, eine Aufforderung vom Reichsministerium erhalten, zur Stillung des inmittelst ausgebrochenen Aufruhrs nochmals nach Dresden zu gehen. Er lehnte es „nach Rücksprache mit seiner Frau“ ab. Tags darauf kommt aber Wydenbrugk und bringt ihm die Vollmacht, welche insbesondere auf Nichtanerkennung der Provisorischen Regierung gerichtet ist. Wydenbrugk und Könneritz, der inzwischen nach Weimar geflüchtet, reden ihm sehr zu, gerade wegen jenes passus, der doch nützlich wirken könne, nach Dresden zu gehen. Er tut es, kommt aber erst am Mittwoch hin, wo der Kampf bereits beendet ist und reist daher gleich wieder ab. In Leipzig erst erfährt er, dass Briegleb243, auf seine Weigerung, das Kommissoriale anzunehmen, nachträglich zum Reichskommissar ernannt ist und bereits dort angekommen ist. Er redet nun mit ihm und dieser geht nach Dresden. Beust aber vermutete, Watzdorf habe gewusst, das Briegleb in Leipzig sei und ihm dies verschwiegen. Noch manches Interessante besprachen wir, insbesondere die Aufnahme der Verhandlungen über den Anschluss der thüringischen Staaten an das Königreich. Er gab mir den Entwurf zum Vertrage, der mir aber nicht genügt. Jedenfalls müssten die kleinen Ständeversammlungen ganz beseitigt und in eine vereinigt werden. Heute früh um elf Uhr gingen wir denn, nachdem wir den Morgen damit zugebracht, uns aus einer Stube in die andere – wir wohnen alle nebeneinander – Visiten zu machen, zusammen in das Regierungsgebäude, den alten erzbischöflichen Palast, wo wir in einem Zimmer im Hintergebäude ohne alle Feierlichkeit uns konstituierten. Duesberg ließ uns das Bündnis der Staaten Preußen, Sachsen, Hannover vom 26. Mai d. J.244, auf welchem das provisorische 240 Duesberg, Franz von (1793–1872), preußischer Finanzminister von 1846 bis 1848. Oberpräsident der preußisehen Provinz Westfalen ab 1850. Siehe ADB Band 5, S. 450 f. 241 Dirksen, Dr. jur. Heinrich Eduard (1790–1868), Professor an der Universität Königsberg. Ab 1829 in Berlin. 1841 zum Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Siehe ADB Band 5, S. 253 f. 242 Watzdorf war als Reichskommissar am 1. Mai 1849 in Dresden eingetroffen. Er versuchte, allerdings vergeblich, König Friedrich August II. und die sächsische Regierung zur Annahme der Reichsverfassung zu bewegen. Deshalb war er am 2. Mai wieder abgereist. Der Ankunfts- und Abreisetag der zweiten, weniger bekannten Mission Watzdorfs in Dresden war der 9. Mai. 243 Briegleb, Moritz Adolf (1809–1872), Advokat in Koburg. Seit 1842 Landtagsabgeordneter und Führer der liberalen Opposition im Herzogtum Sachsen-Koburg. 1848 Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, Angehöriger der Gagern’schen Gruppierung. 244 In diesem Vertrag war darüber u. a. vereinbart worden: „Artikel V. § 1. Nicht minder verpflichten sich dieselben, spätestens am 1. Juli ein provisorisches Bundes-Schiedsgericht ins Leben treten zu lassen, dessen schiedsrichterlicher Entscheidung sie sich nach Maßgabe der im § 4 dieses Artikels enthaltenen Kompetenz-Bestimmungen unterwerfen.“ Siehe Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte.
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Schiedsgericht beruht, vorlesen. Ich erfuhr allerdings hier zuerst seinen Inhalt, da Beust, obwohl dieser Vertrag die Basis des Gerichts bildet, seine Kompetenz feststellt, doch uns noch gar nichts davon mitgeteilt hatte. Dann ward von Duesberg eine kurze Rede gehalten und nun erklärte sich das Kollegium für konstituiert, das denn dem Verwaltungsrate in Berlin sofort berichtlich angezeigt ward. Zugleich hatte der Verwaltungsrat in einem Schreiben an Duesberg uns aufgegeben, eine Geschäfts- und Prozessordnung sofort zu entwerfen. Das sollte nun gleich losgehen, obgleich gar keine Vorlage, nicht einmal ein Leitfaden vorlag. Natürlich entstand bloß ein konfuses Gelatsche ohne alles Resultat, das damit endigte, dass wir uns auf morgen vertrösteten. Juli 4 Erfurt. Unser siebenter Kollege, Graf Rittberg245, lässt uns sitzen, was indessen unsere Arbeit nicht stört. Heute haben wir Rasttag, das heißt wir machen gar nichts. Duesberg hat den Entwurf übernommen. Ich habe den Teil für Anklage der Minister erhalten und heute abgeliefert. Pape soll die Reichsexekutionsordnung machen. Da wir aber den Morgen eine Deputation des Stadtrates und der Stadtverordneten empfingen, deren Vorsitzender eine schöne Rede an uns hielt, die Duesberg sehr summarisch beantwortete – Cicero ist er nicht – dann Visiten machten beim Präsidenten der Regierung, du Vigneau246, und General von Voß247, dann aßen, dann spazieren gingen, so wird die Sache nicht übereilt. Juli 6 Erfurt. Abends kam Graf Rittberg, Präsident des Appellationsgerichts zu Glogau, an, so dass wir nun vollständig sind. Morgen soll nun die spezielle Beratung angehen. Juli 11 Erfurt. Wir sind diese Tage in Vormittag- und Nachmittagsessionen ziemlich fleißig gewesen. Doch wird unsere Arbeit nur Stückwerk, das sehe ich wohl. Juli 12 Erfurt. Heute vollendeten wir die Beratungen des Entwurfs unserer Prozeßordnung! Alle wohl zufrieden, dass die Sache alle ist. Gestern um dreiviertel vier Uhr fuhren wir, jedoch ohne Duesberg und Franke, die noch zu arbeiten hatten, nach Weimar und gingen in das kleine Schillerhaus, was der Stadtrat gekauft hat. Im zweiten Stock hat er ein Dachstübchen bewohnt. Im ersten Zimmer überraschten uns eine Unzahl Pantoffeln von allen Größen in Reih und Glied aufgestellt. Es waren aber keine historischen Denkmäler, sondern nur dazu, Schmutzpartel abzuhalten, den Fußboden bei schmutzigem Wetter zu besudeln. Der Salon daneben war höchst elegant dekoriert, mit gesticktem Teppich, prächtigen Tapeten etc., wahrscheinlich, um die Einfachheit des Wohnund Sterbezimmer Schiller’s recht hervorzuheben. Einige Autographen von Schiller, Goethe, Wieland lagen auf dem Schreibtisch. Die Bettstelle, die noch so steht, wie sie stand, als er darin 1805 starb, mag das einzige Echte sein. Goethe’s und Wieland’s Haus ward von außen besehen. Juli 13 Erfurt. Wir reisen insgesamt wieder von Erfurt ab, sehr froh, dass die Sache ein Ende hat. Hrsg. von E. L. Huber. Band 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850. Stuttgart 1961, Dok.-Nr. 172 und 173. 245 Rittberg, Dr. jur. Ludwig Graf von (1797–1881), Präsident des Appellationsgerichts Glogau. Mitglied des preußischen Herrenhauses 1854–1881. Mitglied des Reichstages 1871–1874. 246 Vigneau, Justus Wilhelm du (1793–1866). Vor 1845 Vizepräsident der Regierung zu Münster, ab Juli 1845 Regierungspräsident in Erfurt. 247 Voß, August Hans Ferdinand Graf von (1788–1871), preußischer General. 1848–1850 Kommandeur der 8. Division und erster Kommandant der Festung Erfurt.
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Juli 17 Beust sagte mir, dass Villers jetzt auch noch nebenbei im Reichsministerium angestellt ist. Dort maust er nun alle möglichen Sachen und schickt sie hierher. Wahrscheinlich macht er es aber auch umgekehrt so. Er schreibt deshalb neben den offiziellen Berichten Privatbriefe an Beust, die er mit besonderen Kouverts und Patentsiegeln gegen das Erbrechen verwahrt, welche letztere aber die Eigentümlichkeit haben, dass man das Siegel öffnen und wieder zumachen kann, ohne dass man es bemerkt. Es ist nämlich eine Art Schlößchen im Siegel, was gewaltsam geöffnet, doch wieder zuschnappt. Vortreffliche Einrichtung. Juli 22 Zeschau hatte mir geschrieben, ich möge doch Beust fragen, ob er etwas gegen die vom Schiedsgericht beantragte Publikation des Bündnisses vom 26. Mai und der Schiedsgerichtsprozeßordnung einzuwenden habe.248 Wahrscheinlich ist es Zeschau fatal, in dergleichen Fragen direkt bei Beust sich Instruktion zu erbitten. Ich ging daher zu Beust, der natürlich nichts dagegen einzuwenden hatte und ich schrieb es daher Zeschau heute wieder. Dabei kam ich mit Beust auf den Schluss des Vertrages selbst zu sprechen. Er erzählte mir, dass er am Tage vorher noch beim König gewesen und diesen veranlasst, an den König von Preußen zu schreiben, dass doch noch ein Vorbehalt, das es Österreich möglich mache beizutreten, aufgenommen werden möge. Der König von Preußen möge bedenken, dass er seine Ehre in seine Hände gelegt habe. Diesen Brief schickt Beust durch Könneritz (in Berlin charge d’affaires) nach Potsdam und reist selbst, nachdem er noch die Sache im Gesamtministerium besprochen, nach Berlin. Dort wird die Nacht konferiert. Stüve249 drängt durchaus auf die Unterschrift des Vertrages, während Beust immer noch hofft, dass eine Modifikation werde eintreten. Vergeblich. Und so wird um dreiviertel vier Uhr morgens der Vertrag vollzogen, gegen den nun jetzt Stüve seine Denkschrift publiziert250, während Stüve dem Vorbehalt, den Beust für Sachsen gemacht, nicht selbständig gestellt, sondern jenem nur beigetreten ist. Juli 30 Veronika Müller kam abends zu uns. Wir freuten uns gegenseitig, uns wiederzusehen, da wir zu den wenigen gehören, die sich nicht von Müller’s abgewendet. Sollte man denken, wie weit die Dummheit und Gemeinheit der Leute geht, es den Mädchen entgelten zu lassen durch Flegeleien, dass ihr Bruder sich zur Linken hält! Es ist ein rechter Beweis, wie politisch unreif wir doch sind, dass wir Verschiedenheit politischer Ansichten nicht tragen können, die Person anfeinden, wo es bloß der Ansicht gelten sollte. Müller’s haben sich jetzt mit dem Oberleutnant, der seinen Abschied genommen oder erhalten – alles beides zusammen – in der Hoflößnitz in dem Häuschen eingemietet, wo sonst der alte Rat Hundeiker wohnte. Dort wollen sie bessere Tage abwarten. Müller will wieder als Wahlkandidat auftreten. Gereizt wie er ist, wird er sich in der Kammer wieder überstürzen und wird noch ein Ende nehmen wie die meisten seiner Gesinnungsgenossen, denen das gerade fehlt, was bei einem politischen Charakter nötig ist vor allem: Ruhe! Schade um den Mann, den ich noch immer für ehrenhaft halte, soviel auch gegen ihn vorgebracht wird. 248 Die Schiedsgerichtsprozeßordnung wurde im Gesetz- und Verordnungsblatt des Kgr. Sachsen 1849, S. 227–236 veröffentlicht: Verordnung, die Bestimmungen über das Verfahren bei dem provisorischen Bundesschiedsgericht zu Erfurt, vom 13. September 1849. 249 Stüve, Carl Bertram (1798–1872), Minister des Kgr. Hannover. Siehe W. Vogel: Macht und Recht in der Politik C. B.v. Stüves. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. Band 21. 1949. 250 B. Mühlhau: Hannover und sein Ministerium Stüve im preußisch-österreichischen Spiel um das Dritte Deutschland 1848/50. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. Band 22. 1950.
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Einen charakteristischen Zug unserer Zeit erzählte mir Beust noch heute. Während der ersten Zeit nach der Revolution in Dresden, wo Zschinsky noch auf dem Königstein ist, gehen noch Briefe an Tzschirner ein. Das Untersuchungsgericht fragt an, was damit werden solle, ob sie zum Behuf der Untersuchung eröffnet werden könnten. Darauf kommt eine von Treitschke unterzeichnete Verordnung des Justizministeriums, worin nach einem zwischen Held und der Zweiten Kammer bei Gelegenheit der Grundrechte getroffenen Abkommen die Eröffnung der Briefe genehmigt wird – wenn der Adressat damit einverstanden sei. So sind diese Briefe bis jetzt uneröffnet geblieben. Das nenne ich doch das Briefgeheimnis achten! August 11 Ich lebe nun wieder in tiefster Ruhe und Zurückgezogenheit. Der große Beust war gestern im Archiv einige Stunden bei mir, um mir großartige Pläne zu entwickeln, die er in Spanien, wohin er heute reist, hat. Er will dort nämlich ein Goldbergwerk anlegen, wozu ihm ein Spanier aufgesungen hat. Wenn er nur nicht in einen Leimtiegel fällt! August 12 Um halb ein Uhr mit Dampf nach Kötzschenbroda, wo wir in der Restauration ganz leidlich aßen. Dann um zwei zu Müller’s, die im Hause, welches sonst die alten Hundeiker’s hatten, wohnen. Der Oberleutnant hat ebenso wie seine Genossen Wilutzki251 und Zychlinski den Abschied erhalten. Letzteren fanden wir dort. Er ist im Gegensatz seines Bruders, eines feurigen, enthusiastischen Jünglings voll sprudelnden Lebens, ein steifer, philosophisch gebildeter Mann, nichts weniger als Freiheitsschwindler. Die Entlassung dieser drei Offiziere ist ebenso töricht als ungerecht und ich hoffe, es wird bald die Zeit kommen, wo man dies anerkennt. Müller’n fand ich ganz vernünftig, ohne Groll, erkennend, dass er selbst mehrfach gefehlt und den Verhältnissen, nicht den Personen beimessend, was ihn betroffen. Er will mit den andern drei nach Holstein gehen, wozu ich ihm auch riet. Insbesondere fügte ich bei, solle er nicht in die nächste Ständeversammlung zu kommen suchen, wo er wieder in die Parteiclique gezogen werden würde. Er mag ein paar Jahre außer Landes sein, vergessen lassen und vergessen machen, und dann, wenn es geht, einmal ins Parlament zu kommen suchen. Dort wird er einen ganz anderen Maßstab der Intelligenz finden und die kleinen Irrwische, die ihn hier geblendet, werden ihm durch die Vergleichung mit wahren Gestirnen in ihrer natürlichen Gestalt erscheinen. Denn so dumm ist er nicht, dass er nicht am Ende ein richtiges Urteil gewinnen sollte. Er erzählte von Holstein mancherlei, von dem zähen Phlegma der dortigen Bevölkerung, die aber vom Rechte nicht lassen werde. August 29 Welche Ruhe, welcher Frieden jetzt in meinem Leben, wenn ich die Zeit vor sechs Monaten oder einem Jahr dagegen halte. Ich arbeite in meinem Archive, das heißt ich werfe eine Unmasse unnützes Papier weg, höre und sehe sonst nichts, als wenn ich einmal mit Beust, den ich öfters sehe, zusammenkomme. Da wird denn politisiert. Er geht mir aber viel zu weit rechts und fängt namentlich auch an, die Kirche, die Religion als Mittel zu Staatszwecken auszubeuten, kirchlichen Sinn zu heucheln, den er gar nicht hat und ihr, worunter ich nämlich Kirchengehen und Anhören langweiliger Predigten verstehe, als Erfordernis eines loyalen Untertans zu betrachten. Sonst ist er ein herzlich schlechter Kultusminister, 251 Wilutzki, Karl Ferdinand von (geb. 1815), Oberleutnant der sächsischen Armee. Herausgeber der „Demokratischen Kriegerzeitung“. 1849 Abschied aus dem Militärdienst und Auswanderung nach den USA. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 551.
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da auch er gar nichts von seinem Fach versteht. Wie denn das ganze Ministerium, das der Zufall zusammengeleimt, keinen inneren Halt hat. Freilich immer noch mehr, als wenn man Oberländers Idee gefolgt wäre, der im Mai gesagt hat: „Ich weiß gar nicht, was der König sich die Sache so schwer macht. Er sollte Heubner und Todt ins Ministerium nehmen, da könnte er immer seinen Beust und Rabenhorst behalten.“ Jetzt feiert man hier seit ein paar Tagen Goethes hundertjährigen Geburtstag, das heißt die Leute feiern sich bei dieser Gelegenheit. Carus und seine Genossen halten Reden, bleiben wie Regierungsrat Schulz dabei stecken usw. Ich habe vorgeschlagen, man möchte Goethe das neuerrichtete Komthurkreuz mit dem Stern zum Zivilorden verleihen. Das ist ein Genuss für Carus und Genossen. Ersterer hat eine Rede gehalten über sein Verhältnis zu Goethe, weil der ihm einmal gesagt: „Nehmen Sie Platz“.252 September 6 Beust erzählte vom Montag, wo großes Diner in Pillnitz zu Ehren des Königs von Preußen gewesen.253 Der König von Preußen hat Rabenhorst die zweite Klasse des roten Adlers verleihen wollen. Hier findet man das zu wenig, schickt ihn zurück mit höflicher Bemerkung, es werde wohl ein Irrtum sein, das douceur sei zu klein und darauf hat ihm denn der König am Montag eigenhändig die erste Klasse mit einigen Redensarten übergeben. Beust gab mir heute auch seine Instruktion zu lesen, die er für Zeschau in der deutschen Frage entworfen hat.254 Das Exposè ist recht gut, aber hat freilich die Richtung, die ich nach meiner Ansicht nur als Mangel betrachten kann, da es das Aufgehen in Preußen als Kalamität bezeichnet. Und doch wird dies, wenn wir nicht größer werden, unausbleiblich unser Schicksal. Der König hat diesen Aufsatz dem König von Preußen, der gerade hier ist, zu lesen gegeben, wie er Beust schrieb. Oktober 1 Beust junior ist nach Wien, um dort mit zu verhandeln.255 Wenn man jetzt sieht, in welchen Händen jetzt Deutschlands Geschick liegt, so wird einem Angst und Bang. Beust, talentvoll, aber ohne Kenntnis der inneren Zustände, selbst der Verfassung, leichtsinnig, zerstreut – er soll nun jetzt das mit verhandeln! Über seine Häuslichkeit hat seine eigene Frau leider die traurigsten Mitteilungen ihrer Schwägerin gemacht, die denn, wie die Weiber sind, alles brühwarm Sophie erzählt hat. Sie hat Liaisons mit Hohenthal in München und Könneritz in Berlin, die, wenn das wahr ist, was sie selbst erzählt hat, allerdings die Grenzen des Erlaubten über alle Maßen überschreiten. Beust selbst aber mag Gleiches mit Gleichem vergelten. Allerdings ist sie eine ganz flache, nur auf Äußeres berechnende Frau, während er den Sinn für Häuslichkeit wohl längst 252 Carl Gustav Carus: Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten. Band 2. Weimar 1966, S. 189. 253 Im Zusammenhang mit den Bemühungen, nach der Niederschlagung der Revolution für den Zusammenschluß der deutschen Einzelstaaten zu wirken, fand am 8. und 9. September 1849 in Pillnitz eine Zusammenkunft von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen statt. Dieses Treffen führte lediglich zur Vereinbarung darüber, eine interemistische Zentralgewalt einzurichten, die aus zwei preußischen und zwei österreichischen Bevollmächtigten bestehen sollte. 254 Die Instruktion von Beust für den Bevollmächtigten Staatsminister von Zeschau in Berlin datiert vom 30. August 1849. Siehe Sächs. HStA, Außenministerium Nr. 913, Bl.4–24. 255 Am 30. September 1849 schlossen Österreich und Preußen die Wiener Vereinbarung über die interemistische Zentralgewalt ab. Über den Beitritt Sachsens fanden in Wien weitere Verhandlungen statt. Aber bereits am 20. Oktober 1849 schieden Sachsen und Hannover aus diesem Bündnis aus, nachdem Bayern endgültig seinen Beitritt abgelehnt hatte. Siehe Preußische Jahrbücher. Band 227, S. 249.
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verloren hat. Eine der traurigsten Erfahrungen im Leben ist es, wenn man sieht, wie bei einem der Jugendfreunde nach dem anderen das Edle, Reine verschwindet und das Gemeine, Unedle durchdringt. Wahr ist der Satz nicht, dass der Mensch sich veredelt im Leben, wenigstens nicht bei der ungeheueren Mehrzahl und seltene Ausnahmen vermögen jene Behauptung doch nicht zu begründen. Inzwischen gehen die Wahlbewegungen ihren Gang. Hier in Neustadt hat man den Oberst Friederici wählen wollen.256 Einige Leute gehen deshalb zu ihm und fragen ihn, ob er denn für ein Volkshaus sei. Er antwortet, da Seine Königliche Majestät jetzt dafür wären, würde er dafür stimmen. Aber wenn der König seine Ansicht ändere, werde er natürlich dagegen sein! Darauf haben denn die Leute gesagt, nun, da wollen sie doch lieber den König selbst wählen, der sei doch selbständig. Oktober 14 Heute vormittag war Prinz Woldemar von Holstein bei mir, viele Stunden erzählend von den Holstein-Schleswiger Angelegenheiten, die mir deshalb immer nicht klarer wurden. Er meinte, auch in Berlin meinte man es gar nicht ehrlich mit der Reichsverfassung und werde mit Vergnügen den Spieß wieder umdrehen. Das also wäre doch des Pudels Kern? Dann wehe allerdings Deutschland, aber auch denen, die solche Perfidie begehen, wenn das Zeitenrad sich wieder gedreht haben wird. Beust ist wieder aus Wien da. Ich habe ihn noch nicht gesehen. Hätte er ein gutes Gewissen, er wäre wie sonst zu mir zuerst gekommen. Oktober 19 Ich sprach heute erst Beust nach seiner Rückkehr von Wien. Er behauptete, dass er wesentlich beigetragen habe zum Abschluss des Abkommens über die neue Zentralgewalt und dass hierdurch die Realisierung eines von Österreich proponierten großartigen Planes zur Reorganisierung Deutschlands angebahnt werden solle, der dahin geht, Österreich mit allen seinen Staaten, Preußen mit den mediatisierten Mecklenburgen und Anhalt, Holstein und Hamburg, das übrige Deutschland zusammen, diese drei Körper bilden einen Bundesstaat mit gemeinschaftlichem Direktorium und einem Staatenhaus für alle gemeinsamen Angelegenheiten. Die drei Körper haben jedes in sich ihre Verfassung und das westliche Deutschland zusammen sein Volkshaus, seine Reichsverfassung. Österreich tritt in Zollverband, nimmt eine Münze an, gemeinsame Handelsgesetzgebung. Kurz, das goldene Zeitalter geht los, wenn die Idee, die von Schwarzenberg ausgeht257, realisiert ist. Ich bin von je ein schlechter Politiker gewesen und lasse mich gern bereden, wenn ich nur statt 34 Deutschländern 33 sehe, weil das doch meinem Ideale schon etwas näher steht. So imponierte mir auch der Gedanke, der großartig genug ist. Das Deutschland zusammen aus jenen drei Körpern wäre allerdings fast das alte Römische Deutsche Reich und weder Russen noch Franzosen brauchte es zu fürchten, nur sich selbst. Jener Plan böte auch die Möglichkeit, endlich das auszuführen, was man versprochen hat und damit für Sachsen wieder die Größe zu bekommen, die es braucht, um lebensfähig zu bleiben. Ich drang nur besonders darauf, dass man dem Landtag mit einer unumwunden ehrlichen Erklärung entgegengehen möge und dass man diesen Plan offen mitteilen solle. Natürlich wollte mein diplomatischer Freund, dem 256 Es handelt sich um die Wahlen zum sächsischen Landtag Mitte Oktober 1849, die in beiden Kammern der Ständeversammlung schwache Mehrheiten für die demokratischen Kräfte brachten. Die beiden Kammern traten Mitte November zu ihren konstituierenden Sitzungen zusammen. 257 Diese Politik scheiterte mit dem Austritt Sachsens gemeinsam mit Hannover am 20. Oktober 1849. Siehe hier Anm. 255.
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es doch nicht gut möglich ist, so ganz ohne Hintertürchen und diplomatische Vorbehalte zu handeln, erst nicht dran. Sprach von Indiskretion gegen Österreich etc., worauf ich denn erwiderte, dass entweder Österreich es ehrlich meine und dann nichts dagegen haben könne, wenn man seine Ehrlichkeit anerkenne, oder unehrlich sei und dann wenigstens Sachsen seine Ehrlichkeit betätige. Er entschloss sich auch, wenigstens wie er sagte. Mein alter Universitätsfreund Scheufler ist richtig auch im Mai auf der Reichsverfassung einhergeritten und der Teufel hat ihn geplagt, tolles Zeug zu treiben. Der arme Kerl ist nun suspendiert. Ich hörte es und schrieb deshalb an Loth, der mir nun Details gab. Ich habe auch denn mich für ihn verwendet, fürchte aber sehr, dass jetzt nichts zu tun ist. Wie viele mögen in gleicher Lage sein, die wirklich wie Scheufler nicht Eigennutz, sondern Überzeugung trieb, nach Dresden zu gehen und als Lohn – Elend, Untersuchung, vielleicht Zuchthaus! Oktober 21 Früh, als ich gerade zu Jordan gehen wollte, kam mir Seebach258 etwas affaire entgegen und erzählte mir, dass soeben Carlowitz bei ihm gewesen und ihm das Koburger dirigierende Ministerium angeboten habe mit dreihundert Taler Gehalt und freier Wohnung. Er war nun sehr zweifelhaft und wünschte meinen Rat. Der konnte nun allerdings nicht anders sein als ablehnend, vorausgesetzt, dass man Seebach irgend einige Vorteile hier gewähre, die er in computum bringen könne – denn er hat bis jetzt nur 1 500 Taler. Oktober 25 Heute verkünden die Zeitungen mit einer Art Triumph über die Weisheit der Regierung, dass Zeschau Berlin verlassen und die Verhandlungen mit dem Verwaltungsrat dem chargé d’affaires Könneritz übertragen hat. Soweit sind wir also glücklich gelangt, dass wir uns nun statt vor einem sechstel Jahr Preußen jetzt Österreich in die Arme werfen. Ich habe Beust jetzt wenig gesehen, da er präsumtiv viel zu tun hat und ich es vermeide, lästig zu werden. Er schickte mir dagegen gestern Abend auf einmal den Entwurf der Verordnung mit der Bitte, ich möchte ihn doch, da er keine Zeit habe, ihn zu lesen, denselben Abend studieren und den anderen Morgen mit meinen Bemerkungen wiederschicken. Ich konnte dies um so leichter, da ich von der ganzen Sache gar nichts verstehe und da ist man mit seinem Urteil am schnellsten fertig Gleichzeitig ging auch ein Schreiben von Duesberg ein, worin dieser uns zum dreißigsten zum Schiedsgericht einberuft, was mir natürlich äußerst fatal ist, da ich wenigstens nicht vor Mitte November das lederne Nest wiederzusehen erwartet hatte, auch gern den Anfang des Landtags hier mir angesehen hätte. Abends Partie beim Oberhofmarschall Reitzenstein. Polizei-Oppell brachte die Nachricht mit, dass nach einer telegraphischen Depesche eine neue Revolution in Paris ausgebrochen und der Präsident verjagt sei. Ob rot, ob monarchisch? Natürlich war die ganze Whistgesellschaft der letzteren Ansicht und die meisten fingen gleich an, die Nasen bedeutend höher zu tragen.259 Das wäre allerdings dem Gesindel ganz recht, wenn eine Monarchie in Frankreich hier nun die Möglichkeit gäbe einer restitutio in pessimum statum d. a. 1815. 258 Seebach, Richard Camillo von (1808–1894), seit 1842 Appellationsgerichtsrat in Dresden. Freund von Karl von Weber. 1848 Mitglied der Kommission zur Ausarbeitung einer neuen Strafprozeßordnung für Sachsen. Ab 1. Dezember 1849 bis 1888 Staatsminister des Herzogtums Sachsen-Koburg-Gotha. Siehe ADB Band 54, S. 295. 259 Es handelte sich um Gerüchte über einen Staatsstreich Louis Napoleons, wie sie auch in den Berichten des sächsischen Gesandten in Paris immer wieder enthalten waren. Siehe Kretzschmar, Schlechte, Gesandtschaftsberichte, S. 486 f.
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Oktober 26 Früh ging ich zu Jordan, um über einige prozessrechtliche preußische Bestimmungen mit ihm zu sprechen, die wir bei unserer nächsten schiedsgerichtlichen Entscheidung brauchen werden und von da zum Minister Zeschau, der seit einigen Tagen aus dem Verwaltungsrate getreten ist. Er war von der Richtigkeit der sächsischen Politik, wie sie jetzt hervortritt, mehr überzeugt als ich – wozu nicht viel gehört – und sprach viel von preußischer Perfidie, klagte über Radowitz, rühmte seine eigene Ruhe und Besonnenheit, die ich gern anerkenne. Als ich ihm meine Überzeugung aussprach, dass das jetzige Ministerium sich in seiner Zusammensetzung selbst einer konservativen Kammer gegenüber nicht werde halten können, sprach er mehrmals noch beim Fortgehen zwischen der Türe in der ihm eigentümlichen Art ironisch lächelnd: „Was Sie mir über das Ministerium sagen tut mir wirklich leid.“ Ja, wer’s glaubt! Er versicherte übrigens auf sein Ehrenwort, er werde nicht wieder ins Ministerium treten. Er könne es nicht, teils körperlich, teils wegen der Stellung, „die man ihm in Berlin angewiesen habe“.260 Er war beschäftigt, ein Exposé über die Berliner Sache zu schreiben für den König. Doch wolle er es so einrichten, dass man es auch anderwärts gebrauchen könne. Schade um Zeschau. Ich kenne seine Fehler, aber auch seine vorzüglichen Eigenschaften. Käme er an die Spitze, aber mit Männern von wirklich freisinnigen Prinzipien, wie ich sie haben will, sie aber leider eben nicht zu finden sind – nämlich Talent und Gesinnung – so könnte er das arme Sachsen doch noch durch die Klippen steuern. Aber freilich nach Wien dürfte der Kiel nicht gerichtet sein, woher uns noch nichts Gutes gekommen ist. Ich sprach dann einen Augenblick mit Beust im Ministerium, der mir sagte, er lasse für seine Ideen durch Seebach in Koburg wirken. Mir wolle er einen Auftrag für Watzdorf in Weimar geben – wollen sehen, welcher Art. Lügen tue ich nicht, auch Beust zu Liebe nicht. Zschinsky, mit dem ich dann sprach, tat wieder herrlich ministeriell. Er war doch nicht unbedenklich darüber, dass ich nach Erfurt gehen möge, beruhigte sich aber etwas, als ich ihm bemerklich machte, dass doch das Bündnis vom Mai d. J., auf dem das Schiedsgericht beruhe, noch bestehe, und versprach wohlwollend, heute abend im Gesamtministerium die Sache zur Sprache zu bringen. Großer Mann, wie klein bist Du. Ich hatte doch wohl nicht unrecht, als ich neulich sagte, man habe ihm das breite Band (das Großkreuz, das er jetzt erhalten) umlegen müssen, wie man einen Reifen um ein Fass legt, aus Besorgnis, er möge platzen. Dabei sieht er aus, als ob er aus dem Kleidermagazin sich kleidete und da in die Kindersachen geraten wäre. So klein er ist sind doch die Hosen etc. ihm noch viel zu kurz. Ein Minister in unserer Zeit sollte wenigstens sechs Fuß hoch sein. Die Knirpse imponieren nicht den Radikalen. Oktober 27 Um fünf ging ich zu Beust, mit dem ich die ganze deutsche Frage nochmals durchsprach. Er folgt, wenn er jetzt nicht mit Preußen gehen will, in der Tat seiner vollen Überzeugung, nicht dynastischen Interessen. Er ist überzeugt, dass das Fortgehen auf dem Wege der Dreikönigsverfassung zu einem europäischen Kriege führen müsse und 260 Heinrich Anton von Zeschau war der Vertreter Sachsens im Berliner Verwaltungsrat entsprechend den Bestimmungen des Dreikönigsbündnisses vom 26. Mai 1849. Auf Anweisung von Außenminister Beust mußte Zeschau aus Protest gegen die Einberufung einer Nationalversammlung durch Preußen ohne Österreich und die süddeutschen Staaten nach Dresden zurückkehren.
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dass Preußen, obwohl ein großer Teil vorhersehe, dass es so nicht durchkomme, doch durch das Ministerium auf dem Wege der Revolution fortgetrieben werde. Deshalb habe man den Reichstag erst im Januar 1850 berufen, um inmittelst die Gärung in den Völkern recht so maitieren zu lassen und diese dann benutzen zu können. Der Reichstag werde aber entweder nicht die Attraktionskraft äußern, welche Preußen jetzt voraussehe und es sei dann an der Zeit, mit der österreichischen Idee hervorzutreten. Oder die Revolution, von Preußen heraufbeschworen, werde ihm selbst über den Kopf wachsen. Was Sachsen anlangt, so insistierte ich nur immer wieder, Beust solle einmal den Diplomaten ausziehen und nur offen hervortreten, damit das Misstrauen besiegt werde. Er behauptete zwar, es könne durch vorzeitiges Eröffnen des österreichischen Plan’s leicht die ganze große Idee scheitern. Woraus aber eine solche Besorgnis, die ich nicht verstehe, begründet sei, wusste er doch nicht anzugeben und es scheint mir dies eben nichts als Rest diplomatischer Geheimnistuerei. Beust bat mich, mit Watzdorf in Weimar zu reden, ihm sub sigillo die österreichischen Ideen mitzuteilen und zu disponieren, dass, wenn er auch nicht gegen Preußen jetzt auftrete, doch wenigstens nicht die Tendenzen dort durch Anträge befördere und keine Separatverträge abschließen möge, die das Zustandekommen jener österreichischen Pläne behindern könnten, namentlich keine Militärverträge. Ich solle ihm dabei entwickeln, dass der Anschluss an Preußen eine völlige Mediatisierung zu Gunsten einer fremden Krone sei, während Sachsen beim künftigen Abschluss günstigere Bedingungen gewähren werde. Auch sei das Verhältnis hier offenbar sinnvoller, indem die sächsischen Herzöge dann immer Prinzen des regierenden Hauses bleiben würden, auch die gegenseitigen Sukzessionsrechte gewahrt blieben. Ich bin ein zu schlichter Jurist, um übersehen zu können, ob wirklich eine Teilung Deutschlands in drei Teile, was doch Österreichs Plan mit sich führt, die einzige Möglichkeit sei, der Kleinstaaterei, unserem größten Unglück, ein Ende zu machen. Dass aber drei nicht eins sind, das ist mir klar und diese deutsche Dreieinigkeit, die da hergestellt werden soll, wird wohl den meisten ebenso unklar erscheinen als das Rätsel der Dreifaltigkeit. Oktober 28 Früh um elf Uhr kam Seebach, von seiner Reise nach Koburg zurückgekehrt, zu mir. Der Herzog hat sich die größte Mühe gegeben, ihn zur Annahme zu bestimmen, ihn mit größter Offenheit seine traurige Lage auseinandergesetzt und ihm gesagt, dass, wenn er nicht annehme, ihm nichts übrig bliebe als nach Berlin zu schreiben, man möge ihm einen Minister schicken. Aus Seebachs Erzählung ergab sich, dass Carlowitz auch mich dem Herzog genannt, aber mit der Bemerkung, dass ich es wohl nicht annehmen wolle. Seebach schlug mir daher vor, ich möge die Stelle nehmen, wo dann die Sache gleich reguliert sei. Ich danke schönstens. Das fehlte mir! Mit Rücksicht nun auf die letzte Äußerung des Herzogs riet ich allerdings Seebach, die Stelle zu übernehmen, da, wenn Preußen einen Sequestrator hinschickt, allerdings eine für Sachsen sehr bedenkliche Wendung eintreten würde. Halb entschlossen ging Seebach um ein Uhr fort. Oktober 30 Weimar. Beust hatte mich gebeten, mit Watzdorf, dem hiesigen Kalifen, obersten Landschaden und Tyrannen, wegen der deutschen Angelegenheiten Rücksprache zu nehmen, wozu ich mich um so lieber bereit erklärte, als ich nicht bezweifle, dass, wenn Dresden und Weimar einig sind, Österreich und Preußen zu allem Ja sagen müssen. So fuhr ich, ungeheuerer Entwürfe schwanger, gestern nachmittag hierher. Heute ging ich um neun Uhr zu Watzdorf, den ich ganz mit mir, also nicht mit Beust über die deutsche Frage harmonierend fand. Solle einmal mediatisiert werden, sagte er, so wäre es
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offenbar günstiger, sich Preußen als dem kleinen Sachsen unterzuordnen. Mit Preußen werde man daher gehen und übrigens natürlich sich dem fügen, was nicht zu ändern sei. November 6 Erfurt. Früh Brief von Beust, worin er mir wieder einige diplomatische Aufträge tertii vel secundi generis an Watzdorf erteilt, die mich veranlassten, heute nach Weimar zu reisen. Ich bin offenbar ein bedeutendes diplomatisches Talent. Dieses in mir schlummernde Talent in schönste Blüte zu treiben muss daher mein eifriges Bestreben sein. November 7 Erfurt. Als ich mittag zu Hause kam, fand ich einen Brief von Watzdorf mit Einladung für heute Abend. Ich fuhr daher herüber, machte meine höchst einfachen Mitteilungen, die hauptsächlich darin bestanden, dass Sachsen eventuell dem herzoglich sächsischen Bevollmächtigten in Berlin beim Verwaltungsrate mit Auftrag erteilen wolle, was als Beweis des Annäherns, Vertrauens et homilia dankbar erkannt ward. November 14 Erfurt. Abends Theater. Dann im „Kaiser“ soupiert, wo mir der Leutnant von Wolfradt viel von dem Berliner Kampfe erzählte, der, wie er glaubhaft versicherte, in wenig Stunden beendigt gewesen wäre, hätte der König die Truppen nicht zurückgezogen.261 Interessant war mir die Mitteilung, dass nach dem Auszug der Truppen aus Berlin der König von Hannover einen Brief an sie gerichtet, worin er „als alter preußischer Offizier“ geschrieben, er wisse wohl, was sie tun würden. Die Offiziere würden unter der revolutionären Regierung nicht dienen, den Abschied nehmen wollen. Sie möchten es aber um der Armee willen nicht tun. Sie werde Unteroffizieren, die man zu Offizieren machen werde, nicht gehorchen usw. November 21 Erfurt. Seebach schrieb mir vorgestern, dass er Dienstag nach Weimar kommen werde. Ich fuhr daher Abends dahin, wo er bald nach mir im „Erbprinzen“ ankam. Wir hatten uns natürlich viel mitzuteilen. Er hat noch keine rechte Courage zu seiner Stelle und ich machte ihm daher Mut, da ich allerdings die Funktion eines Ministers in einem kleinen Staate, wenn nur der Regent nicht selbst regieren will, nicht nur für leichter, sondern auch für viel angenehmer halte als in einem großen. Er steht allem näher und kann viel mehr durch seine Persönlichkeit wirken. Nach Seebachs Mitteilung steht in Dresden die Linke in der deutschen Frage mit dem Ministerium, also Beust mit Joseph, Arm in Arm und wenn Tzschirner wiederkehrt, mit diesem. Rabenhorst hat Seebach erzählt, dass er von Generalauditeur Petzsch wegen der zum Tode verurteilten Kriegsreservisten einen ganz dummen Bericht erhalten habe, den er ihm zurückgegeben. Er habe nämlich darin behauptet, es sei doch bei der Bestrafung ein Unterschied zwischen dem aktiven Militär und den Kriegsreservisten zu machen und es möchte so harte Strafe als diesen auferlegt doch nur vollzogen werden, wenn auch die Zivilisten gleiche Strafe treffe. Das hat nun Rabenhorst durchaus nicht kapiert, dass hier die Begnadigungsgründe – nicht Rechtsgründe – hervorgehoben seien, sondern behauptet, er müsse sich eine Erläuterung vom Oberappellationsgericht geben lassen. Ich wollte, ich wäre der Generalauditeur, dem er den Bericht zurückgegeben, ich wollte Seine Exzellenz bedienen! Seebach geht nach Koburg. Ich wünsche ihm das Beste. Er ist ein durchaus ehrenwerter Mann. 261 Es handelt sich um die Berliner Märzkämpfe vom 18. bis 21. März 1848, die zur Einsetzung des liberalen Märzministeriums unter Ludolf Camphausen und David Hansemann im Königreich Preußen geführt hatten.
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Sophie schreibt mir, dass Beust sich möglichst populär zu machen sucht. Er geht in die Albina, Harmonie. auf den Schützenball cum et sine uxore. Damit macht man das Kraut nicht fett! November 29 Gestern reiste ich mit Rittberg und Günther ab und traf heute endlich hier wieder ein. Wir hatten noch in den letzten Tagen die eigentümliche Überraschung, dass von Hannover und Sachsen an das Schiedsgericht Schreiben eingingen, worin sie bemerkten, dass sie die Beschlüsse des Verwaltungsrates, die ohne ihre Konkurrenz gefasst seien, nicht anerkennen würden. Sachsen ging speziell auf den Umstand, dass neuerdings einige neue, aber noch nicht einberufene Mitglieder für ein Schiedsgericht ernannt worden sind, ein und bemerkte, dass es diese „Ansichtsnahme“ dem Schiedsgericht nicht vorenthalten wolle. Uns war diese Geschichte sehr fatal. Antworten konnten wir offenbar nicht. Wir wünschten also eine unfruchtbare Diskussion zu vermeiden und ich besprach mich daher vorher mit Günther, den Hannoveranern und Duesberg. Demnach ward die Sache bloß erwähnt und ohne Diskussion, die Rittberg und Dirksen beabsichtigten, ad acta resolviert. Dezember 2 Was ich hier höre, klingt wenig erfreulich. In der Kammer dominiert bei der Majorität ganz einfach Feigheit und Liebedienerei nach links und ebenso nach rechts. Sie werden stimmen, wie gerade der Wind weht. Joseph hat in der Ersten Kammer die Majorität für sich und dadurch, dass er vorgeschlagen, den Prinz Johann in eine Deputation zu wählen, auch manchen Konservativen Sand in die Augen gestreut und dem Prinzen eine Grube gegraben, die nur so ein unpraktischer Mann, als dieser ist, nicht sehen kann. Das Beste, was ihm passieren konnte, war, dass niemand von ihm sprach. Joseph enthielt ihm dies und strebt natürlich bloß dahin, ihn wieder recht augenfällig unpopulär zu machen. Beust erzählte nichts politisch Wichtiges, meint aber, es werde nicht zum Kriege kommen zwischen Preußen und Österreich. Dezember 3 Abends bei Reitzenstein traf ich viele Bekannte, u. a. Zeschau, mit dem ich ein längeres Gespräch hatte.Er sieht nicht schwarz in die Zukunft, das kann man nicht sagen, er sieht vielmehr gar nichts. Nostitz erzählte gestern, dass, als der König im Mai von hier mit dem Dampfschiff nach Königstein fliehen wollen, das Direktorium der Aktiengesellschaft Bedenken getragen, ihm ein Schiff zu geben, weil es zu gefährlich sei, dass aber ein Kaufmann Leonhard sich mit seinem ganzen Vermögen dafür verbürgt und nun auch, da man die Bemannung verweigert, für diese gesorgt habe. Eine entweder unwahre oder zeither unbekannt gebliebene Geschichte, die ich aber daher Witzleben262, der jetzt ein faiseur im Kriegsministerium ist, mitteilte. Dezember 8 Als ich heute die Leipziger Zeitung ergreife, was finde ich – Müller ist der Offizierscharakter entzogen, weil er in seiner Broschüre über das Duell mit Süßmilch, welches dieser ihm jetzt verweigert, das königliche Handbillett falsch referiert, als ob darin das Duell bloß auf Zeit untersagt sei. Kein Mensch wird es aber anders verstehen, wie es auch gar nicht anders die Absicht war. Denn ich weiß ganz genau, dass man eben zwischen den Zeilen lesen sollte. Aber etwas Ehrloses, dass jene Maßregel rechtfertigen könnte, liegt nicht darin. Darum ist sie ungerecht – bloße Rache. Das empört aber mein Rechtsgefühl, das ich als ehrlicher 262 Witzleben, Wolf Dietrich Benno von (1808–1872). 1849 Major der sächsischen Armee. Militärbevollmächtigter Sachsens in Frankfurrt a. M. 1850 königlicher Flügeladjutant. Später zum Generalleutnant befördert. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 556.
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Mann mir gottlob noch bewahrt habe, auf’s Äußerste und wenn ich wüsste, wie ich Müller zu seinem Recht verhalfen könnte, so würde ich es gern tun. Ehrenstein, der doch den Sachverhalt ebenso gut kennt wie ich, sprach freilich anders. Er, der das Handbillett des Königs damals aufsetzte! Ungeheuere Sensation macht die Interpellation Carlowitz’ens über die deutsche Frage, mit der es ihm ganz Ernst ist. Macht man es doch ihm zum Vorwurfe, dass er gegen seine Familie aufträte, i. e. gegen seinen Vetter Beust! Ein schöner Volksvertreter, der sich bei einer solchen Frage erst erkundigt, ob er vielleicht irgend eine Base, Muhme, einem Paten seines Vetters unbequem sei! Dezember 14 An demselben Tage ging auch ein Schreiben Duesbergs ein, wodurch wir zum 17. nach Erfurt berufen wurden. Ich machte sofort eine Anzeige ans Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten und wenige Stunden darauf an demselben Tage kam schon eine Antwort. Wir möchten die Reise beanstanden, da mit Hannover eine Verständigung wegen des Verfahrens eingeleitet sei. Also auch von dem Bündnis vom 26. Mai 1849, worauf das Schiedsgericht beruht und das ganz neben der Dreikönigsverfassung besteht, will sich unsere Regierung lossagen. Ich fürchte sehr, dass Beust seinen Namen auf eine Weise in der sächsischen Geschichte verewigen wird, die das Volk ihm wenig Dank wissen wird. Ehrlich ist seine Politik wenigstens nicht. Gestern kam der arme Scheufler aus Lommatzsch zu mir, der in die Maiuntersuchung verwickelt und deshalb suspendiert ist. Er ist ganz grau geworden und versichert, ganz geheilt zu sein. Er aß bei mir und ich suchte dann seine zum Teil sehr konfusen Begriffe etwas zu klären. Ihm namentlich das deutlich zu machen, dass keine Regierung bestehen kann, wenn neben ihr noch eine andere, durchs ganze Land verzweigte Macht in einem allgemeinen politischen Verein besteht. Dann regiert dieser und diktiert der Regierung die Feder! Gestern Abend war eine ganz interessante Gesellschaft bei Ehrenstein. Mehrere Kammermitglieder, u. a. Cuno, jetzt Präsident der Zweiten Kammer, dann Georgi, den ich seit seinem Abtritt zuerst wiedersah – der einzige, der seinen Ministertitel beibehalten hat – Biedermann, den ich einmal sah gerade als er von Pfordten nach Berlin gesendet wurde, um dort darüber zu verhandeln, dass die Verhandlungen über die deutsche Frage nicht dort stattfinden sollten. – Es wurde viel politisiert. Aber nicht einer war, der mit dem Ministerium übereinstimmte. Ich ging heute Nachmittag zu Könneritz, um ihm, da die gesamten Akten über die Maiuntersuchungen jetzt an die Appellationsgerichte gesendet worden, um wegen der Begnadigungen Vortrag zu erstatten, Scheuflers Angelegenheit zu empfehlen. Könneritz wie Zschinsky, den ich abends bei Reitzenstein fand, sagte mir, dass die Begnadigungen massenweise erfolgen. Sonderbarer Weise tut man aber das Gute ganz im Stillen, während die Veröffentlichung tausende von Familien Ruhe wiedergeben würde. Dezember 15 Ich ging heute einen Augenblick zu Beust auf’s Ministerium. Er sagte mir, Hannover habe gegen die Personen der beiden neuen Mitglieder des Schiedsgerichts Bedenken, um deren Mitteilung er gebeten und die die Veranlassung wären, dass wir nicht reisen sollten. Neulich, als ich mit Beust sprach, wusste er, der Minister des Auswärtigen, nicht, dass die Bewilligung zur Ernennung vom Verwaltungsrate unter Konkurrenz Zeschau’s den betreffenden Staaten bei ihrem Eintritt bewilligt war. Heute hatte er sich nun auf einen neuen Winkelzug besonnen! O wie erbärmlich ist doch die Staatsweisheit, wenn sie nicht ehrlich ist.
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Dezember 17 Heute hätte ich in Erfurt eintreffen sollen. Ich schrieb an Beust, dass ich nunmehr es nicht länger anstehen lassen könne, unser Nichterscheinen zu melden, da wir doch weiß Gott das Kollegium nicht vergeblich warten lassen konnten. Er antwortete mir, er habe immer noch keine Antwort von Hannover. Ich möge nur von einer Verzögerung der Abreise, nicht von einem Aufgeben schreiben. Ich schrieb denn nun den Brief an Duesberg wieder um und nur davon, dass ich besorge, Hindernisse werden unserem rechtzeitigen Erscheinen entgegentreten. Dass man einen so wichtigen Staatsvertrag wie der vom 26. Mai d. J. dadurch auflöst, dass man die Abgeordneten ohne irgend eine offizielle Notiz nicht abgehen lässt, ist mir auch noch nicht vorgekommen. Folgte ich bloß meinem ersten Impulse, so würde ich jetzt ein Schreiben ans Ministerium mit dem Gesuch um Enthebung von dem Auftrage richten und darin allerdings ein etwas rauhes Spiegelbild ihm entgegen halten. Ja, aber es hilft doch nichts. Beust’s Politik hat gar niemand für sich als einige Leute von der Hofpartei. Ich sprach Abends Carlowitz, den gefährlichsten Gegner des Ministeriums. Auch er, der Mann des Rechts und der äußersten Rechten, nannte die Politik des Ministeriums unrechtlich. Dezember 18 Ich ging um sechs Uhr zu Beust. Auf der Treppe traf ich ein ganz vermummtes Individuum, welches sich mir als Villers zu erkennen gab. Er ist in geheimer Mission in Wien gewesen, hier aber krank angekommen und seit zehn Tagen hier geblieben. Beust sagt, er habe sich ganz geschickt benommen. Ich disponierte letzterem, dass er doch nun endlich an Duesberg schreiben möge, damit er doch nun offiziell erfährt, dass und weshalb wir nicht kommen. Er will jetzt Schimpff, den er für dazu qualifiziert hält, eine Rundreise nach den verschiedenen königlichen Residenzen machen lassen, um dort dahin zu wirken, dass diese Regierungen mit gemeinschaftlichen Vorschlägen gegen Preußen und Österreich vortreten. Während diese gekrönten Weisheiten beraten, wird wohl das Haus in Brand geraten. Dass diese Leute nicht einsehen, welche Gefahr im Verzuge ist. Dezember 19 Um elf Uhr suchte ich Villers in seinem petit maison Margarethenstraße Nr. 3 parterre auf. Eine Zigarre ward geraucht und nun ließ ich mir von Villers erzählen. Er ist ganz Österreicher und scheint seine Hoffnungen auch lediglich nach Wien zu richten, wobei ein wesentliches compelle ist, dass er dreihundert Taler monatlich neben seinen sächsischen fünfundsiebzig Taler als Mitglied der Kanzlei des Reichsministeriums bezogen hat und dieser Bezug ihm während des Interims gesichert ist. Er scheint mir eine Karriere a la Gentz machen zu wollen, wozu ihm allerdings bis jetzt alles fehlt als die Lust an Spiel und Huren.263 Dezember 20 Um zwölf bekam ich ein Billett von Beust, ich möchte ihn doch auf dem Landhause aufsuchen. Eben hatte Watzdorf das Ministerium wegen des Aufruhrgesetzes in Anklagestand versetzt und Behr wegen der Steuererhebung. Das war’s aber nicht wohl. Aber dass heute ein ganz gemütliches Schreiben von Stüve aus Hannover eingegangen, wonach die hannoverschen Abgeordneten nach Erfurt gegangen sind! Nun ärgert sich Beust, dem ich am Mittwoch dies als gar nicht unwahrscheinlich bezeichnete, fürchterlich. Glücklicherweise hatte ich gestern noch vertraulich an Duesberg geschrieben und soviel es ging ihm angedeu263 Gentz, Friedrich (1764–1832), Jurist und Publizist, zunächst im preußischen Staatsdienst, dann ab 1802 im österreichischen Staatsdienst. Siehe Biographien zur deutschen Geschichte, S. 177.
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tet, dass wir, das heißt Beust, bloß eine Dummheit gemacht, die man wieder gut zu machen suchen werde. Das war Beust nun sehr willkommen, der nun zu einem vollständigen pater peccave sich bekennen muss. Eine angenehme Rolle! Dabei fürchtet er nun auch Interpellationen in der Kammer und will nun auch in den Zeitungen verleugnen. Ob nun aber Duesberg sich eine Kategorie von Richtern gefallen lassen wird, die weder am Orte wohnen noch auf Auffordern erscheinen – während wir im Entwurf des Reichsgesetzes nur solche haben, die nicht am Orte wohnen, aber doch wenigstens kommen, wenn man sie braucht – weiß ich freilich nicht. Wäre ich Duesberg, das sächsische Ministerium sollte die Suppe, die es sich eingebrockt, auch ausessen. Und ich würde mich insbesondere der Presse auf eine Weise bedienen, die die Leichtfertigkeit, mit welcher man sich über geschlossene Verträge hinwegsetzt, gehörig aufdeckte. Ich schrieb nun Duesberg nochmals in halboffizieller Form, um ihn zu veranlassen, uns wenigstens den Bericht an den Verwaltungsrat über den Gesetzentwurf mitzuteilen, damit wir ihn unterschreiben können. Dezember 23 Seebach kam heute morgen zu mir und erzählte mir von den koburggothaischen Zuständen. Man muss so etwas wie er selbst gesehen und gehört haben, um es zu glauben. Wer es aber erfahren, der muss denn doch zu der Überzeugung kommen, dass eine solche Wirtschaft, wie sie in diesen kleinen Staaten herrscht, nicht fortdauern kann. Dezember 31 Beust schickte mir neulich den Entwurf zu einem Dekret über das Schiedsgericht an die Stände, zu dem er sich das hannoversche Dekret über diesen Gegenstand ausgebeten hat. So wenig selbständig ist er jetzt. Jenes hannoversche opus war gar nicht zu brauchen und ich schickte ihm daher die Sache mit meinen Bemerkungen wieder, ihm schreibend, dass ich ihm überließe, ob und wann ich ihn sprechen solle. Er hat aber nichts getan, wie er überhaupt es offenbar vermeidet, mich zu sehen. Ist es böses Gewissen, dass ich ihn besser durchblicke als andere? Er ist freilich da in einer üblen Lage mir gegenüber. Täte mir leid, wenn ich ihn als Freund auch aufgeben müsste, wie ich es als Minister es längst getan.
Tagebucheintragungen Teil II Vom Ende des Revolutionsjahres 1849 bis zu Webers Tod 1879 1. Von der Dresdner Konferenz bis zum Thronwechsel 1854 1850 Januar 5 Das Neue Jahr ganz gemütlich begonnen. Alles guter Dinge! Ich arbeite mit mehrer Lust in meinen alten bestaubten Papieren im Archive. Beust war vorgestern bei mir und natürlich kamen wir doch, obgleich ich es vermeiden wollte, auf die Politik. Ich überzeuge mich immer mehr, dass er kein Staatsmann, ein bloßer Diplomat ist. Er weiß nur, was er nicht wünscht – ein kräftiges einiges Deutschland, deshalb will er, wie ganz klar durchblickte, Erhaltung der kleinen Staaten: alle Thrönchen, alle Souverainetätchen mögen bleiben, allenfalls könnte Sachsen einige an sich ziehn. Was aber aus Deutschland werden soll – ja da standen die Ochsen am Berge. Erst sagte er, der Entwurf der Reichsverfassung müsste wo möglich erhalten werden, dann kamen aber ganz andere Ideen hinterher: Herstellung eines Staatenhauses nach Maßgabe des alten Bundestages, nur dass die Kleinen durch die Größern mit vertreten werden sollten. Dann daneben ein Volkshaus, aus den Landeskammern gewählt. Das war ungefähr der Kern einer mir sonst nicht ganz klar gewordenen Entwicklung. Dabei ward dann auf dem Rechtsboden, die alte Bundesverfassung, Bezug genommen.1 Ei, ich bin doch auch ein Mann des Rechtes, aber wenn man, nachdem alle Parteien sich von den alten vermorschten Verträgen losgesagt, jetzt wieder darauf zurücktreten will, so kann ich darin eben nur ein neues Unrecht finden, und der nächste Sturm in Frankreich wird hier dafür die Rache bringen. Gott bessers! Am 1. Januar bei Hofe die alten chinesischen Prozeduren. Ich ging bloß früh hin. Am 3. fuhr ich mit Sophie, da das Wetter und die Schlittenbahn gut war, heraus zu Müllers: unglücklicher Weise war aber Verona gerade herein gefahren. In einem engen, schlecht gegen die Kälte verwahrten Zimmerchen, dessen Fußboden mit allerhand Teppichfragmenten bedeckt war, an 1
E. R. Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band 1: Reform und Restauration 1789 – 1830. 1957, S. 583 ff. – Helmut Rumpler: Die deutsche Politik des Freiherrn von Beust 1848 bis 1850. Wien, Köln, Graz 1972. – Jonas Flöter: Staatenbund oder Bundesstaat. In: Die Dresdner Konferenz 1850/51. Leipzig 2002, S. 83–118.
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der Türe ein Strohkissen, den Zug abzuhalten, das allemal erst weggenommen werden musste, ehe die Türe aufging, saßen die beiden alten Mädchen Marie und Jettchen. Es war mir ein trauriger Anblick, die beginnende Armut! Doch hatten sie die Feiertage noch ganz fidel zugebracht. Hermann hat ihnen geschenkt ein Paket Nüsse – die ihm das Ministerium zu knacken gegeben – desgleichen Kastanien, die er für Andere aus dem Feuer geholt, endlich große Rosinen – die er im Kopfe gehabt. Er ist nun ganz zur äußersten Linken übergegangen, hat mich auch nicht wieder besucht. Was wird noch das Ende seiner Laufbahn sein? Januar 7 Gott weiß, was das Ministerium befürchtet. Adolf schreibt mir von gestern aus Oschatz, dass er keinen Urlaub bekommen, weil sein Major ihm gesagt, sie würden gestern wohl ausrücken; sein Brigadier ist schnell nach Leipzig gereist. Man muss doch also irgendwo einen Putsch besorgt haben; dabei faselt man von Abdication des Königs, Kammerauflösung etc., offenbar lauter Unsinn, aber ein recht gemütlicher Zustand muss es für die Minister sein. Ich kassiere Akten und erörtere jetzt, wie das preußisch gewordene Haynsburg bei Zeitz Staatsgut geworden, auch sehr interessant. Preußen wünscht es aus dem Hauptstaatsarchiv zu erfahren und ich bin schon bis ca. 1210 hinauf und weiß es doch auch noch nicht.2 Dr. Loth aus Meißen, Stadtrat, Vorsteher einer angemessenen Anzahl von Vereinen, ein wohlhabender Mann, der schon lange in Meißen auf einem hübschen Grundstücke wohnt, besuchte mich heute: ich lud ihn zu Tische und wir tranken wieder einmal ein Fläschchen 1783. Er war auch in die Maiuntersuchung verwickelt, ist aber, wie er heute erfahren, begnadigt worden. Abends beim Oberhofmarschall Whistpartie: Geld verloren! Die Aristokratie machte heute eine Schlittenpartie, bei der sie aber am Bade3 von wahrscheinlich bestellten Gassenjungen mit Schneebällen begrüßt ward. Januar 10 Gestern fuhr der König mit allerhand Hofgesinde zu Schlitten auf seinen Weinberg, ein harmloses Vergnügen, was man ihm doch wohl hätte unvergällt lassen können. Als er bei der Terrassentreppe vorbeifährt, schreit ein Mann Vivat, aber sehr viele Stimmen rufen Ruhe! Und eine: Schlagt den Kerl tot! Charakteristisch für die Stimmung hier. Am Neujahrsabend, wo die chinesische Zeremonie stattfindet, dass man an die Spieltische der Mitglieder des königlichen Hauses tritt und wartet, bis König dir die Augen aufschlägt, um dann ein Kompliment zu applicieren, hat nur das Offizierskorps diese Pflicht erfüllt und die Königin ist darüber so erbittert worden, dass sie mitten im Spiel aufsteht und fortgeht. Beust hat nun seine Missiven zu einem großen Rout nächsten Sonnabend erlassen, Wie gewöhnlich mit großer Konfusion: er hat z. B. pensionierte Offiziere, die er wahrscheinlich für noch aktiv gehalten und die ihn nie gesehen und in keine Gesellschaft gehen, mit eingeladen, dagegen z. B. für Marie uns keine Einladung geschickt, die ich erst erpressen musste, obwohl Marie mit Sophie Visite gemacht hat. Sophie war darüber sehr böse., während ich auf solche Kleinigkeiten keinen Wert legen kann. Ich war heute zum ersten Male in der Ersten Kammer: das Tumultgesetz lag vor und die Beratung war sehr ruhig. Joseph blieb meist in der Minorität. 2 3
Haynsburg, Kreis Zeitz. Urkundliche Ersterwähnung 1185, nach 1238 im Besitz der Bischöfe von Naumburg, im 15. Jahrhundert bis 1792 Amt Haynsburg. Siehe Walter Schlesinger: Kirchengeschichte von Sachsen im Mittelalter. Band 1, S. 178, 324 f.; Band 2, S. 143 f. Gemeint ist das Linkesche Bad, vor den Toren Dresdens auf dem rechten Elbufer in Höhe der heutigen Drachenschänke gelegen. Von 1726 bis 1858 Ort eines Sommertheaters für etwa 500 Personen, das sich bei den Dresdnern großer Beliebtheit erfreute. Siehe Geschichte der Stadt Dresden, Band 2. Stuttgart 2006, S. 669 ff.
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Januar 12 Eben spazierte ich um 4 Uhr ins Archiv, da sah ich zum ersten Male etwas, das den Belagerungszustand vergegenwärtigt. Die Wache trat ins Gewehr zur Ablösung und die zu Schildwachen Bestimmten setzten die Zündhütchen auf. Sonst merkt man allerdings nichts davon. Heute Abend ist nun der große Beust’sche Rout, über den die Stadt schon seit 8 Tagen … raisonniert: dem hat er zu wenige, dem zu viele eingeladen. Ein Graf Luckner hat ihm die Einladung mit den Worten zurückgeschickt, da er keine Ansprüche auf persönliche Bekanntschaft mit Herrn v. Beust mache, so müsse die Einladung auf einem Missverständnis beruhen. Beust hatte die Kammern vollständig eingeladen, Carlowitz und Müller haben ausdrücklich abgelehnt. Januar 17 Im Dresdner Journal stand gestern ein Aufsatz über die letzte Konferenz des Schiedsgerichts in Erfurt, worin meine Korrespondenz mit Minister Duesberg, wenn auch nicht ganz richtig, doch im Wesentlichen referiert war, offenbar von Jemand, der sie gelesen hatte, wohl von einem der neu eingetretenen Mitglieder.4 Ehrenstein kam gestern zu mir und bat mich, für die neue Ausgabe des Staatshandbuchs den staatsrechtlichen Teil zu bearbeiten, worüber ich mich denn nun machen will. Januar 21 Nil novi in der Welt. Ich hatte heute ein großes Vehmegericht im Archive zu halten. Es fehlt nämlich an einer Übersicht für die einzelnen Abteilungen, wie die Hilfsmittel zum Nachsuchen zu gebrauchen sind. Dieses sollte nun gemacht werden. Dabei kam zu Tage, dass Erbstein verschiedene Notizen sich gemacht hat, die er vor den andern geheim hält. Damit musste er nun herausrücken zum großen Gaudium der andern und zu seinem creve couer, da er dadurch den Nimbus des Geheimnisses und der Unersetzlichkeit verliert. Gestern Abend waren Ehrenstein und Römer, die etatmäßigen Sonntagsgäste, und außerdem Witzleben, Nostitz, die Houwald, ferner Isidore und Agnes bei uns, welche beide den ganzen Abend Brezeln fraßen und kein Wort redeten. Auch Ferdinand erschien, fror, schwieg und verschwand. Von Wietersheim ward eine neue Geschichte erzählt. Er erscheint bei der Gräfin Harrach mit neuen Glacehandschuhen. Ökonomisch, wie er ist, will er sie, nachdem er sie gezeigt, in Sicherheit bringen, geht ins Vorzimmer und steckt sie, wie er überzeugt ist, in seinen Mantel. Beim Fortgehen, wo er das längst vergessen, macht er großen Lärm, als er seine Handschuhe vermisst, sucht sogar im Papierkorbe, schickt den andern Morgen mit Tagesanbruch wieder hin, ob sie nicht gefunden worden – vergeblich. Nach einigen Tagen kommt Oberforstmeister von Leipziger in die Ressource und erzählt, es habe ihm jemand ein Paar Handschuhe in seinen Pelz gesteckt – da fanden die Flüchtigen sich wieder. Ich bekam heute einen Brief von Dr. Loth, der wegen seiner Teilnahme an den Maiereignissen begnadigt worden ist, aber große Skrupel über die Formel hat, die dahin geht, dass mit weiteren Verfahren gegen ihn „Anstand genommen werden solle“, indem er befürchtet, man wolle die Sache bloß sistieren, um sie bei Gelegenheit wieder aufzunehmen. Der Kanzleistil hätte allerdings besser gewählt werden können! Der Hauptmann von Carlowitz, Maxen, hat den Abschied genommen und arbeitet jetzt wieder im Archive, das er seit Jahren nach Carlowitzens durchstöbert. Er, einer der hochmütigsten Aristokraten, hat wegen Verdachts demagogischer Grundsätze nicht Major werden sollen. Ein unzuverlässiger, grundsatzloser Mensch, hat er vorm Jahre von Eitelkeit gestachelt einige liberale Phrasen herausgestoßen. Außerdem wirft man ihm aber eine Sache vor, die ich ihm zum größten Lobe anrechne. Er 4
Artikel im Dresdner Journal vom 16 Januar 1850 über das Schiedsgericht in Erfurt.
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war in Zschopau nach den Maiereignissen auf Kommando. Es entsteht Abends ein Auflauf, der sich nicht gleich zerstreut. Er tritt unter das Volk und sagt, er sei müde und wolle zu Bette, die Leute jedenfalls auch, sie sollten daher allerseits zu Hause gehen. Das Volk lacht und geht. Man wirft ihm nun vor, dass er die Militärmacht kompromittiert, er hätte laden lassen sollen etc. Kein übles prognosticon, was man zu erwarten hätte, wenn Rabenhorst und Konsorten einmal das Szepter ganz in den Händen hätten.5 Januar 30 Montag ein ungeheueres Diner bei Schröder zu Ehren des neuen preußischen Gesandten Graf Galen.6 Hannover hat jetzt auch einen charge d’affaires hier gesendet, den Grundrechten zum Hohn und der Reichsverfassung. Oft bei Reitzenstein gespielt, Jordan bisweilen besucht, der vor Hypochondrie sich nicht mehr zu fassen weiß. Beust, bei dem ich neulich war, erklärte mir mit großer Naivität, es sei kein Zweifel, dass uns nur durch ein allgemein für Deutschland gültiges Wahlgesetz geholfen werden könne. Wenn er das jetzt erst einsieht, da muss er allerdings sehr kurzsichtig sein. Das Wahlgesetz aber, was man jetzt in seinem Sinne etwa für Deutschland oktroyieren möchte, wird freilich weder mir noch einem großen Teil, wozu ich die besonnenen Liberalen rechne, gefallen. Ich danke alle Tage meinen Schöpfern, dass ich nichts mit der Politik mehr zu tun habe. Februar 4 Beust gibt Mittwoch einen großen Ball, zu dem er auch den Hof eingeladen hat. Er schickte auch eine auf mich und Sophie lautende Einladung, hat aber Marie nicht eingeladen, was Sophie insbesondere sehr verletzt hat und sich auch um so weniger rechtfertigen lässt, als sie ihm Staatsvisite gemacht hat und ich, als Beust sie auf seinen Rout nicht eingeladen hatte, ihm deshalb noch besonders ein Billett schrieb. Vergessen kann er sie also nicht haben und es ist das ein Mangel an Rücksicht, den wir wenigstens nicht verdient haben. Traurig überhaupt die Bemerkung, wie die Menschen mit den Jahren immer kälter, selbstsüchtiger, eitler werden. Beust war in seiner Jugend ein lebensfrischer, für das Gute und Edle, die Freundschaft tief empfänglicher Mensch – was ist er jetzt? Oft stimmt mich das recht wehmütig. Ich bin von Natur anhänglich, alle Bande haben für mich schon ihres Alters wegen etwas Heiliges. Ich löse sie nicht leicht. Eines nach dem andern aber löst sich ohne meine Schuld. Die Freundschaft, die Anhänglichkeit gebe ich nicht auf, ehe ich nicht sehe, dass der Andere sie nicht mehr empfindet. Aber wie oft habe ich es schon tun müssen. Sic Jordan! In schmutzigem Geize, in Trägheit, in Hypochondrie geht er, seitdem er reich geworden, ganz unter, plagt sich und seine Umgebungen, geht geistig wie körperlich und moralisch zurück. Gestern hatte ich eine unverhoffte Freude, indem Mittag auf einmal Seebach eintrat, der nur auf einen Tag hierher kam und mir einige Würste mitbrachte. Er klagt über unsägliche Arbeit und zweifelt, dass das Werk der Einigung der beiden Großstaaten Coburg und Gotha zu Stande zu bringen sei.7 Gott, wie lächerlich diese deutsche Krähwinkelei ist, wenn es nur nicht so traurig wäre. 5 6 7
Carlowitz – Maxen, Victor Karl (1809–1856), 1846 Hauptmann, Kammerherr, Legationsrat. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 172. Galen, Ferdinand Karl Hubert Graf von (1803–1881), preußischer Gesandter in Dresden ab 1850. Nach dem Tod von Herzog Friedrich IV. von Sachsen-Gotha und Altenburg am 11. Februar 1825 konstituierten sich die ernestinischen Herzogtümer in ihrer staatlichen Zusammensetzung neu. Der unter albertinisch-sächsischer Vermittlung zustande gekommene Teilungsvertrag, am 12. November 1826 in Hildburghausen geschlossen, führte zur Bildung der dann bis 1918 existierenden ernestinischen Staaten. Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Saalfeld vertauschte seine Landesportion Saalfeld mit dem
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Ehrenstein hatte mich gebeten, heute in die Generalversammlung der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahngesellschaft, in welcher über die Abtretung der Bahn an den Staat abgestimmt werden sollte, zu gehen und mir deshalb einige Aktien gegeben. Ich gab danach wieder eine Zahl an Geringemuth, um die Stimmenzahl zu vermehren, ein verunglücktes Unternehmen, da dieser Schlaukopf beim Anmelden in der Versammlung nur vergessen hatte, sich einen Stimmzettel geben zu lassen. War eine Menge Volk im Sitzungssaale der Stadtverordneten. Thielau, der in der Regel selbst nicht weiß, was er will, war, nachdem er den Antrag der Abtretung früher selbst befürwortet und angeregt, heute dagegen. Er hatte mit den Aktien der Lausitzer Stände eine ganze Kohorte Rindlederbestiefelter Kerle ausgerüstet, die bei jedem Laute, den er von hinten oder vorn von sich gab, sogleich in ein ungeheueres Geklatsche und Bravo ausbrachen. Es wurden fabelhafte Reden gehalten, insbesondere von einem Dr. Meinert, der behauptete, er müsste gegen die Abtretung stimmen, weil der Zeitgeist sich dieses nationalökonomischen Unternehmens annehmen müsste. Ob er selbst der Zeitgeist sei oder der Hoffnung, der Letztere werde alle Tage in der Ersten Klasse zwischen Dresden und Löbau hin und her fahren, blieb ungewiß. Er teilte ferner die Gegner in Spekulanten, worunter er allerhand Wucherer und Scheusale verstand, und in Rabenväter, die sich 4 % sichern wollten, während sie ihren Kindern oder Urenkeln (wenn diese nicht inzwischen etwa die 72 Aktien vermöbeln sollten) eine ungeheuere Dividende durch Behaltung der Aktien sichern könnte. Ich hatte ungeheuere Lust, den Jüngling etwas zu verarbeiten! Das Resultat war, dass alle Reden gar keins hatten, sondern dass die Versammlung die Abtretung unter den von der Regierung vorgeschlagenen Bedingungen beschloss. Allerdings kam die Majorität nur dadurch heraus, dass Ehrenstein, der die Regierungsstimmen (113 der vertretenen Aktienzahl) hatte, dafür stimmte. Februar 7 Die Prinzess Charlotte von Holstein hat neulich ein angenehmes Ereignis gehabt. Sie sitzt in einer Soiree bei Frau von Birth oder wie die heißt neben der alten Gräfin Dohna. Diese frißt und besäuft sich in Champagner und speit ihr auf einmal die ganze Geschichte in den Schoß und fällt dann ab. Carus, der von einigen Damen, die glauben, der Schlag habe die Alte gerührt, um Hilfe angegangen wird, sagt verächtlich: „Geben Sie ihr schwarzen Kaffee“, und dann zur Gesellschaft gewendet belehrend: „Das sind die Folgen der Unmäßigkeit in gewissen Jahren.“ Welche er damit gemeint, ist mir nicht klar. In den ungewissen Jahren waren in meiner Jugend die Folgen ganz dieselben. Februar 10 Gestern Abend war ich bei Beust zu Ehren des Berghauptmanns, der hierher gekommen, um das große Familienereignis, den Ball, mit zu feiern. Er hatte uns eingeladen um 7 ½. Sophie lehnte ab und ich ging daher nach 8 hin. Ganz charakteristisch war niemand zu Hause. Herrschaft sei im Theater, sagte ein Bedienter. Ich ging in die Ressource und um 9 Uhr wieder hin. Da waren bloß die Damen, Konstantin kam nach einer Viertelstunde mit Herrn von Bredow und der Minister halb 10. Es war so ledern, dass ich, um mich zu amusieren, anfing, Anekdoten so schmutzig als möglich, d. h. ganz in dem Genre, wie die beiden Beust’schen Ehefrauen sie allein lieben, zu erzählen und ich brachte es soweit, dass die Frau Ministerin ganz entzückt war und mir die angenehmsten Sachen von der Welt Herzogtum Gotha. So entstand neu das ernestinische Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. Beide ernestinischen Herzogtümer waren in Personalunion verbunden. Alle Bemühungen um die Herstellung einer staatlichen Einheit blieben letztlich ohne Erfolg.
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sagte. Pfui Teufel! Das nennt sich nun vornehm und manche Wäscherin hat mehr Anstand und Takt. Februar 15 Vor einigen Tagen bekamen wir eine Aufforderung nach Erfurt von Duesberg zum 20. Der alte Günther hat abermals um seine Enthebung gebeten, hat sich aber abermals, wie ich vorher wusste, erbitten lassen, es noch zu behalten. Zschinsky, mit dem ich neulich darüber sprach, war der Ansicht, wir sollten nicht hingehen: „Was sulls denn helfen“, meinte der große Staatsmann. Gestern haben sie im Gesamtministerium darüber reden wollen. Ich bekam auch gestern wieder einen Brief von Scheufler, dessen Sache nunmehr ans Appellationsgericht wegen der Begnadigung gelangt ist. Ich ging deshalb zum sogenannten Hasen-Müller, dem Vizepräsidenten des Appellationsgerichts, um ihm meinen armen Freund zu empfehlen. Heute Morgen kam der Kirchenrat Schmidt aus Leipzig. Er hat sich recht gut gehalten. Nannte mich heute zuerst Sie – wohl weil ich anfange, graue Haare zu bekommen – und schmatzte mich mit großer Passion. Er ist hier zu den Konferenzen über das Schulgesetz.8 Er sagte, Just zeichne sich sehr aus, er verstehe die Sache am besten. Es wäre mir recht lieb, wenn er sich wieder in besseren Kredit setzen könnte. Er ist auch anno 48 und 49 aus Eitelkeit mit durchgegangen .. Februar 18 Am Sonnabend begann die Beratung der deutschen Frage in der Ersten Kammer. Die Deputation bestand aus 5 Mitgliedern und 5 verschiedene Meinungen traten hervor. Dank der echt deutschen Eitelkeit und Selbstüberschätzung jedes Einzelnen war keine Vereinigung selbst in der Deputation zu Stande zu bringen! Carlowitz hat vortrefflich gesprochen. Wie aber zwei Leute verschieden hören und referieren können, obwohl sie wie die beiden Referenten der Leipziger Zeitung und des Dresdner Journals nebeneinander sitzen, davon geben diese beiden Blätter vom gestrigen Tage so auffallenden Beleg, dass ich ihn doch mir aufbewahren will.9 Die Leipziger Zeitung hatte überhaupt, weil Carlowitz heiser gewesen, fast gar nichts verstanden, während das Journal bemerkte, der Geist habe über den Körper und die Heiserkeit gesiegt. Letztere referierte, Carlowitz habe u. a. gesagt: „Nicht Preußens Vergrößerungsgelüste seien es, welche die Selbständigkeit der kleinen Staaten bedrohte. Nein, sei es irgend Etwas, so seien es die kleinlichen Verhältnisse, die kleinliche Politik, das immer steigende Ausgabenbudget und eine Heeresmacht, zu schwach, um uns zu verteidigen, und zu stark, um von den überlasteten Staatsangehörigen erhalten zu werden.“ Die Leipziger Zeitung referiert denselben Satz so: „Nicht Preußens Vergrößerungsgelüste aber gefährde die Existenz der kleinen Staaten, sondern die Missgunst, mit der das Volk die sich steigernden Abgaben betrachte.“ Die erste Version ist natürlich, im Gegensatz zu der Letzteren, die offenbar Unsinn enthält, die richtige, wie auch Römer gestern Abend bestätigte. Ich schrieb aber an Beust, ihn bittend, mir doch eine Notiz zu geben, ob wir noch nach Erfurt gehen sollen – keine Antwort. Es ist wahr, seine Rücksichtslosigkeit überschreitet alle Grenzen. – Transeat cum ceteris! In Eitelkeit, Vornehmtuerei, Selbstüberschätzung geht auch er zu Grunde und die edlen Elemente, die den Jüngling mir wahrhaft lieb machten, 8 9
Sächs. HStA: Gesamtminisertiums Loc. 37 Nr. 11, Verhandlungen über das Volksschulgesetz. Über die Verhandlungen der Ersten Kammer der Ständeversammlung zur deutschen Frage berichteten die Leipziger Zeitung und das Dresdner Journal ausführlich am 17. Februar 1850.
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überwucherten längst das Unkraut. Er kennt keine Freundschaft, keine Anhänglichkeit mehr und das erkaltet dann natürlich. Redensarten immer die Fülle, diplomatische Kniffe, darin besteht seine Politik wie seine Freundschaft. Um 11 bekam ich ins Archiv von Beust einen Brief, wonach wir nach Erfurt gehen, aber eine Protestation in Gemeinschaft mit den Hannoveranern einreichen sollten, zugleich schrieb er, dass er in der deutschen Frage in der Kammer sprechen werde. Ich ging daher hin und hörte mir an, wie er – sehr unkluger Weise – gegen Carlowitz mit sehr spitzigen Persönlichkeiten loszog, die dieser denn ex post sehr energisch erwidert hat. Um 5 Nachmittag ging ich zu Beust, den ich denn auch bald überzeugte, dass eine Protestation von unserer Seite mit unserer Stellung als Richter im Kollegium ganz unvereinbar sei. Er erwartete immer noch Nachricht aus Hannover, war aber damit einverstanden, dass wir, sie möchten lauten wie sie wollten, nach Erfurt gehen sollten, da er einmal unser Erscheinen in seinem Schreiben an Duesberg bei der letzten Sitzung ausdrücklich zugesagt hatte. So ging ich um 6 fort. Abends 8 Uhr, als wir unseren Tee trinken, kommt auf einmal Beust, bringt ein Konzept seines letzten Schreibens nach Hannover vom 16. d. M., dessen Inhalt er bei unserer Besprechung um 5 vergessen hatte. Es war ein curioses opus: Darin stand, das Gesamtministerium in seiner Majorität sei der Ansicht, dass wir nicht hingehen sollten. – Das schreibt er selbst nach Hannover und schlägt sich also selbst aufs Maul – man wolle aber mit Hannover gehen und werde daher die Abgeordneten hinschicken, wenn Hannover nicht die seinigen zurückhalte. Nun meinte er, sollten wir doch warten bis morgen um 12 ½, wo er Antwort aus Hannover haben werde. Er habe das Günther geschrieben. Käme früh nichts aus Hannover, so sollten wir reisen. Beust war übrigens, warum weiß ich nicht, sehr glorios über das Resultat der Abstimmung in der Ersten Kammer, wonach von dieser eben „Nichts“ beschlossen worden ist. Seine Mutter war, als ich hinkam, dort, ihm zu gratulieren und vermutete, ich habe denselben Zweck, wozu ich, da ich gar keine Idee hatte, zu was ich gratulieren solle, ein etwas albernes Gesicht machte. Wie stets versicherte er, die Proposition wegen der deutschen Sache werde nun in der kürzesten Zeit – das sagt er seit 6 Monaten – kommen. Es ist die alte Geschichte mit einem 7köpfigen Direktorium und einem Volkshause aus den Ständeversammlungen, das bloß Nein sagen, nichts weiter machen kann. Februar 19 Erfurt. Um 10, als ich mit Packen fertig war, kam ein Briefchen von Beust, es komme nichts von Hannover, wir sollten reisen, was allerdings rücksichtlich Günthers gar nicht zu hindern war, da er bereits gestern, ehe er Beusts Warnung erhielt, abgereist war. Um 12, als ich eben in die Droschke steigen will, kommt Beust Karriere an. Er hatte noch ein Schreiben aus Hannover erhalten, wonach dieses seine Abgeordneten nicht schickt, aber curioser Weise sich entschuldigen lässt, – als einfach Lüge. Beust war nun sehr in schwalibus, sah aber doch ein, dass jetzt nichts weiter zu tun sei, da der alte Günther bereits unaufhaltsam nach Erfurt rollte. So ging ich denn hin und kam Abends um 9 ½ im Kaiser an. Ich fand Rouville und andere bekannte Offiziere, die mich recht freundlich aufnahmen, Dirksen, den Ministerialrat Eigenbrodt aus Darmstadt. Der alte Duesberg laboriert an Podagra, was er als Rheumatismus bezeichnet. Februar 20 Erfurt. Zeitig aufgestanden, an Sophie geschrieben. Duesberg besucht, der mir die Briefe der Hannoveraner gab. Franke hatte sich schon am 15. d. M., also jedenfalls ultro entschuldigt, mit ständischen Geschäften, erbot sich aber zum sofortigen Erscheinen. Pape schrieb am 18. von Braunschweig, er habe hier eine Nachricht erhalten, die ihn zur
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Rückkehr veranlasste. Es war ziemlich durchsichtig, dass das Ministerium aus Hannover ihm einen Kurier nachgejagt hatte. Um 9 ging ich mit Rittberg und Dirksen in die Augustinerkirche, um mir die Sache anzusehen. Die Kirche ist in der Mitte geteilt, so dass zwei ziemlich große Säle daraus werden. Es war eigentlich bloß eine Lappalie da, eine Klage eines Kerls in Braunschweig gegen das Ministerium, weil er von dem Bürgerwehrdisziplinarrat zu 12 Stunden Arrest verurteilt worden war. Er behauptete, das Gesetz, worauf das Verfahren beruht, verstoße materiell gegen die Verfassung und verklagte das Ministerium, weil es das Gesetz aufrecht erhalte. Deshalb sprengt uns Duesberg nach Erfurt und diese Resolution kostet gegen 300 Taler! Echt deutsch! Um 12 war alles fertig und Duesberg eröffnete uns noch, dass wir künftig unsere Diäten aus einer Vereinskasse in Erfurt erhalten sollten. Die Hessen waren sehr froh, da sie für Weihnachten noch nichts erhalten. Es fehlte nur an etwas Wesentlichem. Es war kein Geld da, wir also außer aller Verlegenheit, ob wir es annehmen sollten. Wir aßen nun kollegialisch zusammen. Der alte Jordan, engbrüstig und krank, ist ein richtiger deutscher Professor, mit dem Bierkrug und gründlicher deutscher Selbstüberschätzung. Er hatte alles mögliche in Frankfurt gemacht, war immer sehr weise gewesen etc. Eigenbrodt ist etwas feiner. Ich fuhr um 5 ½ nach Gotha, wo ich Seebach in dem großen wüsten Schlosse, dem Friedenstein, wo er einige Zimmer inne hat, vergeblich aufsuchte. Ich geriet da zu einem Herrn ins Zimmer, der eben Toilette machte, es war, wie mir Seebach nachher sagte, der General von Rehden, dessen Memoiren10 ich kürzlich mit Vergnügen gelesen habe, der hier eine Art Gnadenbrot genießt. Nach vielerlei Irrfahrten erfuhr ich, Seebach sei ausgegangen, und ich begab mich denn in den Deutschen Hof, wo er mich bald aufsuchte. Wir waren nun den Abend zusammen und es gereichte ihm zur offenbaren Erleichterung, einmal sein Herz ausschütten zu können. Seine Existenz ist eine ebenso arbeitsvolle als unerfreuliche, da das Bewusstsein, leeres Stroh zu dreschen, eben nicht sehr ermutigt, die Kleinlichkeiten und doch sehr schwierigen Geschäfte anzugreifen. Der Herzog ist ziemlich roh, hat aber unbegrenztes Vertrauen zu Seebach. Er ist jetzt in England, um wo möglich eine Protestation, die Prinz Albert gegen die Coburger und Gothaer Verfassung eingelegt, zu beseitigen. Seebach befürchtete übrigens nach eingegangenen geheimen Nachrichten des Herzogs, dass Österreich den Erfurter Reichstag als casus belli betrachten und den 20. k. M. vorrücken werde, wo wir denn die Bande Henrods (?) in Dresden haben würden. Ich glaubs nicht! Februar 21 Seebach suchte mich noch früh auf. Um 7 ging es fort, von Erfurt mit Rittberg und Dirksen bis Halle. In Leipzig, wo ich mehrere Stunden bleiben musste, aß ich mit Pflugk. In Priestewitz stieg ein Offiziere ein. Wir unterhielten uns bis Dresden, ohne uns zu erkennnen und es war daher sehr lächerlich, als wir uns im Bahnhof als gute Bekannte erkannten, es war v. Fräntzel11, der inmittelst Oberst geworden und sich einen Backenbart hat wachsen lassen. Zu Hause große Freude und gegenseitige Fidelität. Februar 22 Nachmittag zu Beust, der sehr verwundert war, mich schon wiederzusehen. Er meinte, die Österreicher würden wegen Erfurt keinen Krieg anfangen, wir also den 20. künftigen Monats sie noch nicht hier haben. Wollen sehen, wer besser instruiert ist. 10 11
Memoiren des Generals von Rehden. Fräntzel, Friedrich Ludwig von (1797–1861), Oberst, königl. Leibwundarzt. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 218.
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Krieg wirds wohl geben, vielleicht entladet sich so das Unwetter, das über uns noch immer liegt. Februar 28 Scheufler war auch wieder bei mir. Der Arme wartet immer noch auf Resolution über sein Begnadigungsgesuch. Bei dieser Sache bin ich bekümmert, dass ich jetzt so ganz ohne Einfluss im Staate bin – vorm Jahre wars anders – womit ich sonst so ganz zufrieden bin. Müllers Verona und Marie aßen gestern Mittag bei uns und taten sich tüchtig Gutes besonders im Reden. Wir haben jetzt – Günther und ich – ans Ministerium Vortrag wegen des Schiedsgerichts erstattet und darin auf das ganz Unhaltbare der unentschiedenen Stellung hingewiesen, entweder ordentlich oder gar nicht! Heute bekamen wir darauf die Resolution – dass Anweisung wegen Zahlung unserer Reisekosten und Diäten erteilt sei. Das war Alles.12 März 5 Curios komme ich mir vor, wenn ich, wie jetzt, ehe ich ins Archiv ging, mein Tagebuch der vergangenen Jahre durchlese, meine damalige Wirksamkeit mit meiner jetzigen, die bloß darin besteht, alte Wische durchzusehen und sie rechts oder links von meinem Stuhl zu werfen, je nach dem sie zum Verkauf oder zum Einstampfen bestimmt werden. Am Ende ist es aber doch eins, was man in einem Staatchen wie Sachsen tut, am nützlichsten vielleicht der Schuster etc., der doch etwas produziert. Das Regieren ist dagegen das Nutzlosere und Unehrlichere, wie es wenigstens jetzt geschieht. Das soll nun eine constitutionelle Regierung sein: ohne Budgetbewilligung, ohne ständische Einwilligung pumpt man durch Handdarlehn, deren Betrag längst über die gesetzte Summe hinausgeht, darauf los, während hier die Kammern über die deutsche Frage verhandeln, schließt man ein Separatbündnis in München13, während der Landtag über den Belagerungszustand und den hohen Militärbestand sich beschwert, lässt man beides fortbestehen, während die Grundrechte, die doch nun einmal Bundesgesetz sind, die Todesstrafe aufhebt, lässt man frischweg dergleichen sprechen – kurz, das Ministerium tut, als ob es gar keine Kammern in der Welt gäbe und raisonniert nur furchtbar, wenn ihm ein Kammermitglied einmal unbequem wird! Ich bin doch weiß Gott kein Demagoge, aber wenn man diese Zustände sieht und Rechtsgefühl hat, so kann man doch nicht umhin, der radikalen Partei in Vielem Recht zu geben und zu der Überzeugung gelangen, dass die konstitutionellen Formen eben nur solche sind, und am wenigsten in einem kleinen Staate nutzen. Sie hindern nicht das Böse, sondern oft das Gute. Ja, wäre Amerika nicht gar so weit und das Leben dort minder unangenehm, wie ich eben jetzt wieder aus Blog, Beschreibung seiner Reise dahin entnehme14, wüsste ich, dass ich dort auch Staatsarchivar mit 2 000 Dollars werden könnte. Ich hockte Erhard, Sophie und Gustav auf und fort gings auf das brausende Meer! Vor einigen Tagen kam in der Zweiten Kammer Beusts Goldbergwerksspekulation in Spanien zur Beratung15. Er hatte auf Anregung eines spanischen Spekulanten der Regierung angeraten, Aktien zu einem dortigen Goldbergwerke zu nehmen, reiste selbst im vorigen 12 13 14 15
Bericht von Weber und Günther über ihre Tätigkeit am Schiedsgericht Erfurt vom Februar 1850 siehe: Sächs. HStA, Gesamtministerium, Loc.60 Nr. 13. Bl. 250 ff. Übereinkunft zwischen Sachsen, Bayern und Württemberg vom 27. Februar 1850 über die Hauptgrundsätze für eine Revision der Bundesverfassung. Siehe E R Huber, Dokumente, Band 1. Nr. 214. Die Reise Sophies Blog nach Amerika. Über die Goldspekulationen von Beust siehe Mitteilungen über die Verhandlungen des Landtags im Königreich Sachsen 1849 und 1850. Zweite Kammer. Zweiter Band. S. 1081 ff.
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Jahre dahin und brachte eine ganze Kiste Stufen mit. Mir war die ganze Geschichte, über welche die Brüder Beust sich fast gezankt hätten, da der Berghauptmann dem Minister einige Aktien zugesichert hatte, die er, als er merkte, dass die Regierung ihm die Reisekosten nicht zahlen wolle, wieder versagte, von Anfang an sehr wenig plausibel und ich war der Ansicht, dass Beust jun., wenn er sich nicht beteilige, ein sehr gutes Geschäft mache. Behr hat nun wohl aus Höflichkeit die Sache an die Kammern gebracht. Der Bericht war abfällig, kein Mensch hat ein Wort gesprochen und die Geschichte ist einstimmig abgelehnt worden. Vor einiger Zeit verbreitete sich hier das Gerücht, es seien ich weiß nicht wie viele dutzende Dolche in Glashütte bestellt und das Ministerium glaubte schon die Spitzen alle in seinem Busen zu fühlen. Es wurden Erörterungen angestellt und es ergab sich, dass dieselben von einem Stockdegenfabrikanten in Meißen bestellt waren. Auch kurios, dass dergleichen zu verfertigen, aber nicht zu tragen gestattet ist. März 11 Eben erfahre ich, dass Carlowitz aus der Kammer tritt und als preußischer. Kommissar nach Erfurt geht. Ein sonderbarer Wechsel! Also wird Preußen doch treu bleiben seinem Werke und die neue Münchner Bierkönigsverfassung, wie man sie heißt, welche die Zeitungen gestern brachten, nicht akzeptieren!16 Spaßhaft ist die Art, wie diese Nachricht hier bekannt ward. Graf Hohenthal-Püchau gab gestern ein Diner, wobei Beust und Graf Galen, der neue preußische Gesandte, war. Beim Kaffee bekommt Hohenthal einen Brief aus Berlin, worin die Sache steht und teilt es nun den beiden sehr verblüfften Diplomaten mit. März 24 Ich machte früh einen Besuch beim Minister Zeschau, um ihm ein Buch zu bringen über die Holsteinschen Verhältnisse, welches mir Prinz Woldemar aus Berlin geschickt hatte. Er war sehr wütend auf Carlowitz, der jetzt in Erfurt als Bevollmächtigter des Verwaltungsrats fungiert, behauptete, er habe keine Ausdauer, sei mit sich selbst zerfallen usw. Dabei ließ der gute Zeschau Ansichten heraus, die mir allerdings höchst sonderbar vorkamen, wenn ich mich daran erinnere, was er mir in demselben Zimmer auf demselben Stuhle vor etwa einem Jahre sagte. Jetzt saß er ganz auf dem allen wohlbekannten hohen Gaule, sprach von Oktroyierung eines Wahlgesetzes etc. a la Zschinsky und Konsorten! Von da ging ich zu Wietersheim, der mich gestern Abend eingeladen hatte. Ehrlich ist der, das ist wahr, und solche Veränderung der Ansichten, wie ich sie sonst so vielfach wahrnehme, bei ihm nicht vorhanden. März 29 Weiße Ostern! Alles mit Schnee bedeckt! Sonst nil novi: Die Kammern treten dem Ministerium immer schroffer entgegen, fast wie vorm Jahre um diese Zeit, und es kann leicht dieselbe Geschichte werden, nur dass man nicht auf den Straßenkampf als ultima ratio provozieren wird. Ehrenstein sagte mir, dass Behr, was ich gern glaube, das Finanzministerium sehr satt habe, Beust es offeriert habe, er wolle dagegen das Kultusministerium übernehmen. Beust ist verblendet genug, auf so eine Proposition einzugehen, wenn es eine Bedingung der Fortdauer des Ministeriums wäre. Ehrenstein war gestern bei mir, um Abschied zu nehmen, da er mit Sack und Pack zu seinem Schwager, dem Pastor von Löben nach Rüsseina geht, wo sein zweiter Sohn konfirmiert werden soll. Charakteristisch war noch, dass er mir erzählte, er habe an Siegel, den Redakteur des Dresdner Journals, der zu Ostern davon abtritt und ein neues Journal gründet, geschrie16
Siehe zu den Verfassungsverhältnissen im Königreich Bayern Hermann Rumschöttel: Ludwig II. von Bayern. München 2011, S. 27–32.
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ben, dass er auf letzteres abonnieren wolle. Er will es also mit der Siegelschen (preußischen) Partei ja nicht verderben. Er sollte es wenigstens nicht sagen, dass er so ängstlich bemüht ist, sich nach allen Seiten hin populär zu machen. Seebach war heute mehrere Stunden bei mir, viel erzählend aus seinen kleinen Gothaer Verhältnissen. Es bewahrheitet aber wieder meinen alten Satz, dass die Ehrlichkeit in der Politik die größte Klugheit ist. Der Gothaer Landtag hat einschließlich der Linken ihm bereits ein Vertrauensvotum gegeben. In Coburg hat allerdings eine Anklage gegen ihn erhoben werden sollen. Der Führer der Linken aber sitzt und er setzt im Gefängnis ein Expose mit vielen „in Erwägung“ auf, welches ein deus minorum gentium in der Kammer erbringen soll. Der fängt auch an, hat aber die Sache nicht ordentlich gelernt, fängt an zu lesen. Das wird ihm untersagt – er stottert noch etwas, liest weiter, es wird ihm wieder untersagt – da sagt er in Todesangst, er wolle den Antrag, der ihm im Halse stecken blieb, fallen lassen! Über unsere Politik bricht man auch in den Herzogtümern den Stab, ohne sich gleichwohl ganz an Preußen anschließen zu wollen. So hat Seebach das ziemlich plump vorgebrachte Ansinnen, eine Militärkonvention abzuschließen, abgelehnt. Er hatte nämlich sich an den Obersten Verloren in Erfurt gewendet, um zur Organisation des Kontingentes einen Offizier zu erlangen. Das ward ihm abgeschlagen, aber wenn Gotha eine Konvention eingehen wolle – dann solle alles geschehen. März 30 Ich hatte Seebach früh zu besuchen versprochen und daher gegen 10 Uhr die Mühe fast zu ihm. Wir schwatzten dann eine Stunde bei einer Zigarre. Sein Herzog ist wie die meisten dieser Herren ein Sektier, der eben nur an Suiten Amüsement findet, für nichts Besseres, nicht einmal anständige Gesellschaft Sinn hat. Er sieht niemand als seine Hofkavaliere. Der eine, Herr von Schek, hat seine Wohnung im Palais aufgegeben und eine Privatwohnung (zur beliebigen Benutzung) nehmen müssen. Solches Volk soll nun das arme Volk mit hohen Zivillasten füttern! Damit liederliche Bagage mit davon leben kann! Dann ging ich zu Römer, wo wir auch politisierten und darin überein kamen, dass das Ministerium durch eine Menge Unklugheiten und diplomatische Finessen sich den Kammern und dem Lande gegenüber in einen sehr üblen Stand gebracht hat, dass das Ministerium immer allgemeiner wird und die Konservativen immer mehr den Linken zugedrängt werden. Nach Tische erschien auf einmal Otto de Rohteberg, officier en entraite, wie er sich auf der Karte nennt, bei mir, den ich seit Jahren nicht gesehen, mit einem kuriosen Anliegen: er bat mich nämlich, ich sollte mich dafür verwenden, dass ein gewisser, dem Namen nach nicht bekannter Unternehmer eines Volkstheaters, welches in der Schuhmacherherberge seinen Sitz aufgeschlagen, ein öffentliches Gebäude überwiesen erhalte: als Unterstützungsgrund führte er mit an, der Mann habe gewisse kleine Ansprüche an den König– ich dachte, der wäre ins Volkstheater gegangen und habe nicht bezahlt – er sei nämlich der Sohn eines der Leute „mit Schnüren an den Beinen“, wie er sich sehr deutlich ausdrückte: eines Heiducken. Ich konnte nicht mehr versprechen, dass, wenn ich Beust sehen sollte, ich die Sache in Anregung bringen wolle. Die Prämisse wird aber wohl sobald nicht eintreten. Abends Partie beim Oberhofmarschall. April 1 2. Osterfeiertag! Gestern Abend waren Seebach, Reitzenstein und Reinhardt zu einem L’hombre bei mir, zu dem sich auch die Frauen bei meiner Frau versammelten. Heute fuhr ich um 12 ½ zu Müllers heraus, wo auch Frau von Zychlinski mit ihrem Sohne, der evident Leutnant war, beide im Begriff, nach Amerika auszuwandern, wo sie eine Farm bei Saratoga gekauft haben. Mit Müller sprach ich längere Zeit: er meinte, diesmal
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habe die Linke doch gut manövriert. Das kann ich nun nicht gerade zugestehen, es liegt vielmehr daran, dass die Regierung schlecht manövriert hat. Sehr naiv war das Geständnis, dass er zwar gegen das Dreikönigsbündnis habe sprechen müssen, aber sehr froh gewesen sein würde, wenn es Sachsen angenommen hätte! In diesem Konflikte befindet sich aber gewiss der größere Teil der einigermaßen verständigen Radikalen, die nun aber einmal in den Händen der Partei poings lies sich befinden. Müllers gaben ein Diner mit Lössnitzer Champagner etc., scheinen sich also doch finanziell nicht schlecht zu befinden. Ich teilte es nicht, sondern fuhr mit dem nächsten Zug zurück. Nachmitttag kam der Kreisdirektor Watzdorf aus Zwickau, der denn auch bestätigte, dass in seinem ganzen Bezirke wohl nur Arnim auf Planitz, der nur dem Satz folgt „Was mein König tut, tue ich auch“, mit dem Ministerium einverstanden sei, die Konservativen alle für das Dreikönigsbündnis. Beust ist nach Weimar, er will wohl die dortigen Kaiser zum Abfall persuadieren. Prinzess Charlotte von Holstein war den ganzen Nachmittag bei uns, dann waren wir den Abend gemütlich allein. April 3 Als ich Abends aus dem Archiv zurückkehrte, erfuhr ich, dass Wackerbarth dagewesen und Sophie erzählt hatte, dass er Zschillichau für 25 000, also mit einigem Gewinn, verkauft hat und im Mai mit Mathilde nach Amerika zu gehen gedenkt. Ich halte ihn zwar für einen ehrlichen Mann, traue aber sonst seiner Übersicht nicht viel zu und bei der Wichtigkeit der Sache wollte ich doch selbst mit ihm reden. Er kam denn auf meine Bitte noch Abends nach 10 Uhr zu mir. Er hat da einer Gesellschaft sich angeschlossen, die aus mir gänzlich unbekannten Subjekten besteht und dies schien mir insbesondere bedenklich. Inzwischen hat er, wie er versichert, keine Verpflichtungen eingegangen: man kann also nichts weiter jetzt tun als hoffen, dass das Unternehmen zu ihrem Glücke führt. Hier – das ist gewiss – würden sie alle Jahre ärmer, trotzdem dass sie beide fleißig und tätig sind. Ich schrieb nach Leipzig an Erkel und an Klugkist nach Bremen um Erkundigung, wie sie am besten das Geld nach Amerika bringen. April 10 Ich hatte vor Jahren mit Ehrenstein eine Wette gemacht, deren Gewinnung ich im Voraus gewiss war, dass er eher 5 000 Taler Besoldung haben i. e. Minister werden würde als ich. Ich gewann die Wette vorm Jahr, allein er hatte gar keine Lust, sie zu zahlen. Am Sonntag aber geschah es und 12 Flaschen Champagner kamen an. Ein paar wurden denn gleich des Abends mit Ehrenstein und Römer geleert! Gestern waren wir in der Harmonie, wo eine Akademie zum Besten des Lessingdenkmals stattfand. Die Beger und Ed. Devrient trugen einzelne Szenen aus Stücken Lessings vor. April 15 Heute tat sich Sophie einmal eine Güte, indem sie einen Rout von 60 Personen gab, der natürlich so langweilig als möglich war. Gewiss wäre es den meisten viel lieber gewesen, wenn sie die 15 Neugroschen, die der Kopf kostete, bar erhalten und zu Hause hätten bleiben können. Seelmann spielte etwas, die Weltheim sang. Minister Behr war zum ersten Male bei uns, infolge einer Visite, die er cum uxore gemacht hatte. Beust ließ erst absagen, kam aber schließlich noch. Der arme Zolldirektor Nostitz ist an einer Unterleibs- und Brustentzündung sehr ernstlich erkrankt. Ich besuche ihn oft, um ihm Mut einzusprechen, den er ganz verloren hat. April 18 Mittags war große Cour wegen der Prinzessin Elise, die den Herzog von Genua heiratet. Eine Gesandtschaft ist deshalb angekommen und es fand eine Gratulation, eine chinesische Prozedur statt, welche darin bestand, dass man der Königin, Prinzessin Elise und Prinz
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Johann die Hand küsste und dem König und Prinzen Johann ein Kompliment applizierte. Es waren auch Damen dabei in großer Toilette mit Schleppen. Höchst zeitgemäße Sache! Graf Hohenthal, der ein Großkreuz für Abschließung des Heiratskontraktes von Sardinien erhalten, trug zur Anerkennung der Grundrechte offenbar dasselbe zur Schau – vor dem König, der die Grundrechte publiziert hat – eine eigentümliche Operation! Abends war ich in der Jungfrau von Orleans, die schönen Reden über die Treue gegen den König etc. haben sich etwas überholt, obgleich Rabenhorst sich gewiss ebensoviel dünkt als der tapfere Bastard etc. Bei Hofe erzählte Wurm, dass ein Antrag an das Direktorium der Ressource gelangt sei, Watzdorf auszustoßen. Ich begreife ihn allerdings nicht, dass er nach wie vor in eine Gesellschaft kommt, deren Mehrzahl er ein Greuel ist, fand mich aber doch veranlasst, Wurm, der den Antrag höchst vortrefflich fand, meine Ansicht etwas energisch zu entwickeln, was ihn sehr verdutzte. Man möchte allerdings jetzt manchmal die Geduld verlieren, wenn man die dümmste Reaktion sich gerade am breitesten machen sieht. April 23 Die Hochzeitsfeierlichkeiten der Prinzessin Elise zu beschreiben, möge mir meine Nachkommenschaft erlassen: ich will zu ihrer Instruktion die Programme des Oberhofmarschallamtes in Natur beilegen, zumal sie zugleich ein Spezimen des königlich sächsischen Hofstils abgeben. Als ich gestern von einem Billett zur Trauung Gebrauch machte, erzählte ein junger mit der neuen Hofuniform geschmückter Referendarius, v. Witzleben heißt das mir sonst unbekannte Individuum, dass der Reichstag in Erfurt in perpetuum vertagt sei und am 2. Juni ein Plenum des alten Bundestages zur Beratung der neuen Verfassung zusammentrete. Hätte man vor zwei Jahren das getan, so hätte man Dank geerntet, während man jetzt die Saat zu einer neuen Revolution legt. Die Völker sind seitdem etwas vorsichtiger gegen beruhigende Zusicherungen der Fürsten, bei denen man, wie Beust sich in der Kammer ausgedrückt hat, die Worte nicht auf Wagschale gelegt, geworden. Ganz charakteristisch ist es auch für unsere Art zu regieren und zu handeln, dass die Empfänger der sardinischen Orden Graf Hohenthal und Genossen mit denselben vor dem König, der die Annahme nach den Grundrechten nicht genehmigen kann, herumstolzieren. Wenn man ein bestehendes Gesetz auf diese Weise umgehen lässt, so zeigt das doch gewiss die miserabelste Schwäche nach oben und unten und nun gerade bei den Orden!!! und bei Orden, die durch solche Verdienste erlangt worden. Pfui Teufel! Mittags ein Diner bei Beust, bei dem ich Harleß kennenlernte, der nach einem Mucker gar nicht aussieht. Ich saß neben Falkenstein, der mir inter scala eine sonderbare Eröffnung machte: er sagte nämlich, nach seiner Überzeugung hätte Könneritz mit ihm zugleich abtreten sollen, aber nach 14 Tagen hätten sie wieder eintreten müssen! Das hätte er geglaubt, als er abgetreten sei. Er, der in einem 3 Bogen langen Brief, der noch bei den Akten ist, dem Könige sich als ein Opfer der ZeitverhäItnisse hinstellte und die Gründe entwickelte, weshalb er als Minister (also auf 14 Tage bloß) unmöglich sei! Im Theater war um 7 Uhr ein Festspiel. Alles in Uniform: der Anblick war ganz hübsch, aber das Festspiel schauderhaft, ohne allen Zusammenhang, eine Conputation aus Schiller, aus Opern etc. Ich war sehr froh, wie es alle war. Da bloß Damen, die bei Hofe präsentiert sind, im 1. und 2. Range Plätze erhalten hatten, konnte Sophie nicht teilnehmen. Natürlich, dass die wenigsten Leute mit den angewiesenen Plätzen zufrieden waren. Der Hochmut machte sich hier auch geltend. Jeder wollte mindestens im 1. Rang sitzen, insbesondere aber jede.
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April 26 Gestern war ein großer Hofball, zu dem alles, was hoffähig ist, gehen konnte. Natürlich ungeheure Cohue. Der König hatte auf Beusts Vorschlag genehmigt, dass alle Frauen der Beamten bis zu den Ministerialräten einschließlich sich bei Hofe präsentieren lassen könnten: statt das rechtzeitig bekannt zu machen, hat der Oberhofmarschall nichts getan und gar gestern erst ist die Sache im Gesamtministerium vorgekommen. Gestern Mittag hat man nun die Neuigkeit verkündet und richtig, es waren eine Partie Närrinnen gleich auch hingelaufen: sie spielten die Rolle eines Hundes in Kegelschule. Mai 1 Gestern starb Nachmittags 4 Uhr mein guter Nostitz, für die arme Frau mit dem kleinen Monatskinde ein unersetzlicher Verlust, da sie von der Welt fast ganz abgeschieden nur sich selbst gelebt haben. Ihm ist wohl! Vorgestern war zum Schluss der Festivitäten ein großer Ball beim sardinischen Gesandten, der das ehemalige Marcolinische Palais gemietet hat. Als in der Nacht einige Polizeidiener eine Runde machten, hören sie aus dem Park ohnweit des Palais einen Hilferuf und finden im Wasser bis an die Knie mit gebundenen Händen einen Schneider Pott stehen, der erzählt, es hätten 3 Leute da gestanden und auf die beleuchteten Fenster gesehen und der eine hätte gesagt, wenn er nur seine Büchse hätte, da wollte er unter die Aristokraten feuern. Der Schneider will dagegen höchst unnötiger Weise Einspruch getan haben und da hätten sie ihm die Hände gebunden und am Strick in das Loch hinab gelassen. Eine etwas unwahrscheinliche Geschichte. Zschinsky hat gestern in der Kammer eine Erklärung wegen der Grundrechte abgegeben, dass die Regierung die Ausführungsgesetze nur soweit erlassen werde, als sie es für ratsam halte, worüber denn ein großer Sturm ausgebrochen ist. Das Hauptmotiv zu dieser Kriegserklärung sind – die sardinischen Orden, denn es ist dem hohen Ministerium unerträglich, sie nicht offen tragen zu dürfen. Freund Beust hat, obwohl er mir sagte, er würde den Orden nicht tragen, doch denselben bei seinem Balle eben wie Prinz Johann und Albert angesteckt! Beust hat nun, wie mir der Berghauptmann erzählt, in der letzten Sitzung des Gesamtministeriums Zschinsky damit gestachelt, dass, wenn die Grundrechte nicht existierten, er auch das Sardinische Großkreuz bekäme, und Zschinsky hat sofort geantwortet, ja der dumme § muss fort und nun hat der denn mit Heldenmut den Stier vor Augen den Angriff begonnen. Mai 4 Ich bekam früh ein Schreiben von Duesberg, der mich zu einer Sitzung den 10. d. M. nach Erfurt einlud, indem wegen der von Preußen gegen Hannover angestellten Klage wegen des Bündnisses, deren Annahme Hannover verweigert habe, Beschluss zu fassen sei. Ich ging sogleich zu Beust, der mir sagte, es sei eine Ladung des Schiedsgerichts an Zschinsky ans Appellationsgericht gelangt, die dieser aber zurückgesandt, weil die Staatsregierung als solche bei ihm kein Forum habe. Günther hat sein Mandat niedergelegt und dies dem Schiedsgericht angezeigt und es ist nun die Aufforderung an Sachsen gelangt, einen neuen Richter zu ernennen. Beust sagte, dass man dies ablehnen werde und trug mir auf, Duesberg sogleich vorläufig zu schreiben, dass ich nicht kommen würde, was ich denn auch sogleich tat. Mai 6 Am Sonnabend gingen wir mit den Brüdern trotz schändlichen Wetters aufs Elysium, um dort zu essen, trafen aber einen eben erst angezogenen Wirt, der uns nun ein Mittagessen übel und böse zusammenbrachte, das wesentlich in Kalbsbraten mit – Schinken bestand. Doch amüsierten wir uns ganz gut.
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Gestern war zum ersten Male auf der Königsstraße eine Revue oder Parade, bei welcher der König erschien, wohl zur Erinnerung an die Zeit vorm Jahre? Ich ging dann zur Nostitz, die ich sehr gefasst fand. Sophie war währenddem zu einer Konferenz bei der Frau v. Mangoldt, um auf Veranlassung der Gräfin Schönburg über einen zu gründenden Verein, um Armen Arbeit zu verschaffen, zu beraten. Statt dazu einige sachverständige Kaufleute zuzuziehen, war als einziger Mann General Heintze dagewesen. Es war davon geschwatzt worden, Abzugswege nach Australien zu eröffnen. Niemand hatte aber gewusst, wie das anzufangen. Die Ministerinnen Zschinsky und Rabenhorst hatten aber kategorisch erklärt, ihre Männer würden ihre Teilnahme nicht gestatten, wenn durch den Verein die Interessen der Kaufleute verletzt würden, deren Hass sie dann verfolgen würde. Wahre Helden, biedere Freunde der Armen!! Abends kam gestern bloß Römer zu uns, da Ehrenstein in Post-und Eisenbahnangelegenheiten nach Berlin gegangen ist. Wir lasen mein Tagebuch von vorm Jahre! Auffallend war es mir, dass mir Römer ebenso wie neulich Müller Argwohn gegen Behr aussprach, den ich immer für einen redlichen, offenen, milden aber schwachen Mann gehalten habe, während jene ihn für falsch hielten, was mir gerade seinem Charakter ganz zuwider erscheint. Diner bei Jordan, der den Geburtstag seiner Frau damit beging, Beusts, Witzleben, Wietersheim, Langenn und eine junge Witwe Frau von Hamm, die nicht abgeneigt sein würde, einen meiner Brüder zu beglücken, waren da. Witzleben hatte seinen sardinischen Orden zwar nicht an der Brust, aber in der Tasche: ich hatte einen Disput über Müller mit ihm, dem er Schuld gab, dass er durch Briefe die Soldaten aufgehetzt und sogar nach Schleswig geschrieben habe, was ich freilich nicht weiß. Langenn, Falkenstein, Einert, also lauter Reaktionäre, ebenso wie Witzleben, mit denen ich in diesen Tagen sprach, waren alle darin mit mir einverstanden, dass unser Ministerium sich durch den Mangel an Ehrlichkeit und Offenheit den größten Schaden getan. Mai 8 Da ich immer noch keine Antwort auf meine Frage wegen Erfurt hatte, so ging ich heute früh zu Beust, um ihm die Daumenschrauben anzulegen. Ich fand denn auch Gelegenheit, mich einmal offen über seine halben Maßregeln auszusprechen. Er sagte, ich möchte nur direkt um Enthebung von dem Auftrage bitten, was ich bis jetzt formell nicht so direkt ausgesprochen hatte, da mir die Bestimmung des Staatsdienergesetzes, wonach man dergleichen Aufträge übernehmen müsse, entgegenzustehen schien. Ich hatte daher die Form gebraucht, das Ministerium möge mir erklären, dass mein Auftrag sich erledigt habe. Nun den Gefallen, das noch einmal zu sagen, was ich schon 10 mal mündlich und 2 mal schriftlich getan, konnte ich schon ihm tun. Ich schrieb also gleich noch ein offizielles Entlassungsgesuch und er will nun heute nach Erfurt schreiben, dass wir entlassen seien auf Ansuchen. Auch eine kuriose Art, sich dem Schiedsgericht zu entziehen, dass man die Richter veranlasst, um ihre Enthebung zum dritten Male zu bitten und keine andern ernannte. Beust schickt den Minister Könneritz nach Frankfurt. Eine Wahl, die zwar Spektakel machen wird, aber nach der Befähigung Könneritz nur gelungen ist, in dem Sinne der dermaligen Regierungspolitik nämlich. Mai 17 Scheuerfest im Archiv, also freie Zeit. Da das Wetter leidlich war, resolvierten wir uns gestern um 10 und fuhren mit Dampf nach Kötzschenbroda. Wir besuchten die Pilgrim, die sehr matt und elend ist, auch er ist unwohl und sehr alt geworden. Bald wird auch dieser letzte Rest der ehemaligen Kolonie, wo ich so viele frohe Stunden verlebt habe, ganz
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spurlos verschwunden sein. Ohne Kinder, ohne weitere Familienverbindungen wird nach wenig Jahren niemand mehr ihre Namen kennen! Müllers schlossen sich uns denn an auf dem Gange nach dem Paradies, wo die beiden älteren umdrehten und uns Verona überließen. Sie erzählte denn mancherlei von dem demokratischen Treiben, dem ihr Bruder jetzt sehr nahe steht. Held hat neulich sich gerühmt, er habe das fragliche Billett des Königs aufgesetzt, was eine unverschämte Lüge ist. Aus solchen Kleinigkeiten kann man doch gleich den Lump erkennen. Die Linke hat übrigens große Besorgnisse vor der Reaktion, die Russen würden bei einem Ausbruch in Frankreich einrücken, alle liberalen Wahlgesetze und Institutionen aufgehoben werden usw. Gespenster, die ich nicht sehe! Wir gingen dann nach Tische zu Fuß herein. Wir wollten auch heute und überhaupt die Feiertage einige Landpartien machen, allein das Wetter ist heute so stürmisch und regnerisch, dass keine Hoffnung ist, es werde dies möglich sein. Ich ging früh zu Jordan, der wieder ein Bläschen im Munde hat und deshalb nicht auszugehen wagt, dann zu Römer. Scheufler kam heute her und aß bei mir. Der Arme ist vom Appellationsgericht nicht zur Begnadigung vorgeschlagen und wenn es zum Urteil kommt, so hat er eine sehr harte Strafe zu erwarten. Er war daher sehr niedergebeugt. Ich habe mir alle Mühe gegeben für ihn, allein ich bin eben nicht in der Stellung, dass meine Verwendung jetzt von Gewicht sein könnte. Ich glaube sogar, dass man mich teilweise für ein gefährliches radikales Subjekt hält. Abends war ich bei Wietersheim zur Partie mit Schröder und Arnim. Reitzenstein hat jetzt viel Pech und will sich da eine Weile des Spiels enthalten. Da es aber sein einziger Spaß ist, wird es wohl nicht lange anhalten. Mai 20 Pfingstmontag. Endlich scheint die Sonne wieder einmal, die sich es ganz abgewöhnt zu haben schien! Ich fuhr, da aber der Regen jede Exkursion behinderte, am Sonnabend Mittag kurz resolviert nach Leipzig, besuchte dort die sehr reiche und interessante Gewerbeausstellung.17 Ging dann gestern früh einen Gang zu Dr. Petschke, der mir eine unendlich lange Geschichte erzählte, wie er mit unbeschreiblicher Weisheit das Leipziger Theater aus arger Klemme gerettet. Es hat für mich immer etwas besonders Erfreuliches, wenn ich sehe und höre, wie jemand so ganz fest überzeugt ist, dass er doch der klügste Kerl der Welt sei, so recht der Hahn auf dem Misthaufen. Inzwischen setzte er mir ein Frühstück vor und da ließ sichs noch eher ertragen. Dann noch einmal in der Gewerbeausstellung und Mittags 12 ½ Uhr nach Dresden zurück. Anton, der auch in Leipzig war, fuhr nach Zwickau. Auf der Hinreise hatte ich noch ein angenehmes Zusammentreffen. Es setzten sich ein Herr und eine Dame in mein Coupe, die damit debutierten, dass der Herr seinen Rock in der Droschke hatte liegen lassen. Hieraus sowie aus einer etwas verwegenen Mütze und langem Zottelhaar entnahm ich, dass der Herr ein Künstler, Maler dergleichen sein müsste. Ich betrachtete ihn mir genauer und allmählig erwachten alte Erinnerungen, die dann in Riesa so weit aufgefrischt waren, dass ich Robert Schumann, den ich seit 10–12 Jahren nicht gesehen, erkannte. Wir tauschten nun alte Erinnerungen aus Zwickau, wo ich ihn zuerst 1828 kennen lernte, aus und versprachen uns, nun 17
Die Gewerbeausstellung vom Mai 1850 in Leipzig unter Beteiligung von Österreich und einigen Zollvereinsstaaten hatte antipreußischen Charakter und war die Antwort auf die Gewerbeausstellung vom 15. August bis 24. Oktober 1844 im Berliner Zeughaus. Siehe Hubert Kiesewetter: Industrialisierung und Landwirtschaft. Köln, Wien 1988, S. 666–672. – Karlsch, Schäfer, Wirtschaftsgeschichte Sachsens, S. 53–55.
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nicht so lange Pausen des Wiedersehens eintreten zu lassen. Er geht jetzt nach Leipzig, um seine Oper Genoveva zur Aufführung zu bringen. Gestern Abend waren Beust (bloß 1 Stunde) , Ehrenstein und Römer bei uns, um wieder eine Flasche der Champagnerwette, die ersterer verloren, zu trinken. Wir besprachen da eine Partie für heute, von der sich aber Ehrenstein heute früh wieder lossagte. Um 10 begaben wir uns mit Isidore auf den Böhmischen Bahnhof, wo es aber ungeheueres Gedränge gab. Ich konnte durchaus nicht zum Billettkauf gelangen, gab daher einem langen Korporal 10 Neugroschen und erhielt durch ihn statt 4 Billetts nach Königstein 5 nach Pirna! Indessen war es doch besser als nichts. Wir fuhren nun bis Pötzschau, die erste Station hinter Pirna, Wehlen gegenüber, ließen uns übersetzen und gingen durch den Grund auf die Bastei. Hier war es aber unerträglich, ebenso in Rathen, bis wir endlich uns nach dem Dörfchen gegenüber übersetzen ließen und hier auf einer Wiese neben dem Bahnwärterhäuschen gelagert, dessen Bewohner uns mit Kaffee versorgten, den Zug von Königstein abwarteten, der dort nach 5 Uhr abgeht. Römer war in schwitzend elegischer Stimmung, mit gedrückten Nerven, wie er behauptete, und daher das direkte Gegenteil von amüsant, Isidore in ihrer natürlichen Gestalt, also gerade so, dazu nichts zu Essen, weniger noch zu trinken, überall tausende von Menschen. Es war daher nicht gerade die spaßhafteste Partie, vielmehr war ich sehr froh, wie ich nach 7 wieder zu Hause war. Auffallend war es mir, als Beust gestern Abend bei uns war, wie er sich Ehrenstein und sogar vielleicht mir gegenüber sichtlich geniert fühlte. Ich weiß nicht, ob in Erinnerung spezieller Vorgänge vorm Jahre oder weil er überhaupt dieses Gefühl jetzt ehrlichen Leuten gegenüber empfindet? Mai 21 Das Archiv bekümmert sich nicht um irreligiöse Neuerungen! Es feiert, ich glaube im ganzen Lande nur mit den Handwerksburschen gemeinschaftlich, noch den dritten Feiertag.18 Da es schönes Wetter war, beschlossen wir, noch eine Landpartie zu machen und gingen mit Ehrenstein nach 1 Uhr aufs Waldschlößchen, dort zu essen und nachher durch den fast ganz unbekannten Grund aufs Fischhaus. Mai 25 Heute Morgen ward der alte Ammon begraben. Mit ihm starb wohl der größte Geist in Dresden. Ihn, Jordan und Tieck hielt ich immer für die 3 geistreichesten Leute in Dresden und alle 3 sind nun geschieden und der letztere wenigstens für Dresden verloren.19 Beust schickte mir um 8 den Entwurf einer Note, worin er sich nunmehr definitiv von dem Bündnis vom 26. Mai 1849 mit Preußen und Hannover lossagt und schrieb dabei, dass, wenn wir auch auf verschiedenem politischen Standpunkt stünden, er doch auch in seinen dienstlichen Angelegenheiten einen Appell an meine Freundschaft mache und meine Ansicht wünsche. Es war eine Deduktion darin, warum Sachsen überhaupt nicht mehr an das Bündnis gehalten sei. Damit beschäftigte ich mich nicht, weil ich da viel zu desiderieren hätte und das ganze Ding umgeschmissen hätte. Ich machte hier nur eine Deduktion darüber, dass, jener Satz vorausgesetzt, das Schiedsgericht sich erledige, indem dieser Teil seiner Note sehr 18
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Mit der Verordnung über die Fest- und Feiertage vom 13. Januar 1831 erfolgte eine völlige Neuregelung der kirchlichen Feiertage, indem die dritten Feiertage zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten sowie drei weitere kirchliche Feiertage aufgehoben und dafür Neujahr, Mariä Verkündigung, Karfreitag, Himmelfahrt und der 31. Oktober Reformationstag als ganztägige Feiertage sowie der Gründonnerstag als halbtägiger Feiertag bestimmt wurden. Ammon starb am 21. Mai 1850. Siehe die Erinnerung an Ammon Dokumentenanhang Nr. 9.
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schwachbeinig war, ich aber den Satz für richtig halte, wenn einmal das Bündnis nicht verbindlich ist, das Schiedsgericht auch sich erledigte. Ich ging um 1 zu Beust ins Ministerium, der mir erzählte, dass Franke heute morgen bei Ammons Begräbnis eine nach seiner Ansicht sehr fulminante Rede gehalten, worin u. a. ein Passus ihm sehr auffällig erschien, dass jedes ehrlich gemeinte Streben auch ein berechtigtes sei. Der Satz schien mir auch ein ganz richtiger, wenn man unter „berechtigt“ versteht, auf Achtung Anspruch machend, damit bin ich ganz einverstanden. Beust hatte gewünscht, Harleß möge am Grabe reden, was aber der Geheime Ministerialrat Ammon mit Entrüstung zurückgewiesen hatte. Mai 30 Heute erhielt ich denn endlich meine Entlassung aus dem Schiedsgericht zu Erfurt, indem die von mir auch bei der Teilnahme an den Geschäften des gedachten Gerichts an den Tag gelegte Einsicht, Treue und Geschicklichkeit dankbar anzuerkennen „das Ministerium zugleich nicht umhin konnte“. Da das Ministerium von der Entwicklung dieser Einsicht aber offenbar gar nichts wissen kann, so wäre es entschieden wichtiger gewesen, wenn sie statt dessen meinen Eifer bei Erhebung der Diäten und Zuverlässlichkeit bei deren Berechnung dankbar anerkannt hätten. Mai 31 Um 6 ging ich zu Beust, mit dem ich ein ganz interessantes Gespräch hatte. Er erzählte, dass ihn vor einigen Tagen der Ausschuss der Zweiten Kammer für die deutsche Frage zur Konferenz eingeladen. Hier legt ihm der Abgeordnete Raschig – der in diesen Tagen von Beust des Amtes entsetzt werden soll – eine Reihe von Fragen über die Politik in der deutschen Frage vor. Beust hielt es für nötig, wie er sagte, der Katze die Schelle anzuhängen und erklärt, man arbeite jetzt in Frankfurt eine Verfassung aus – wird was Schönes werden! und wenn diese nicht angenommen werde, müsse man zum alten Bundestag zurückkehren. Die Regierung betrachte nach der Verfassungsurkunde § 89 es nicht für nötig, die Kammer darüber zu fragen. Hierauf tritt nun Biedermann (bekanntlich Beusts unehelicher Halbbruder)20 auf und Klug aus Leipzig, und beide verbreiten die Erklärung in der Kammer. Diese, die gerade die Finanzfrage vorhat, wird denn nun doch tätig und will nicht bewilligen. Nun legte ich denn doch auch los, sagte ihm, dass ich ihm in der deutschen Sache nie getraut, immer geglaubt, er werde, sobald es gehe, auf die Alte zurückkommen – habe ich doch das in meinem Aufsatz von vorm Jahre, der im Archiv verschwunden ist, auch schon gesagt – ich sei ihm deshalb auch im Gesamtministerium sehr unbequem und niemand als er sei froh gewesen, als ich ausgetreten. Das wollte er nun nicht direkt zugestehen, sagte aber, ich hätte die andern nur bestimmen sollen vorm Jahre, noch acht Tage auszuhalten, dann wäre es ganz anders gekommen – wieso? – am besten wäre es gewesen, er wäre im März ins Braunsche Ministerium anstatt Oberländer eingetreten, dann würde er dem Ministerium eine andere Richtung gegeben haben – kuriose Idee! – Als am Sonntag im Mai v. J. der Brand ausgebrochen, wäre ein schreckliches Gefühl über ihn gekommen. Er sei ganz hin gewesen, da hat Rabenhorst Portwein bringen lassen, der ihn denn auch augenblicklich etwas wieder gekräftigt. Ein großer Fehler sei es gewesen, das er im Mai selbst nach Berlin gegangen. Er sei 20
Friedrich Karl Biedermann (1812–1901) war der uneheliche Sohn einer alleinstehenden Haushälterin in Leipzig. Sein Vater, der Oberhofgerichtsrat und Kammerherr Friedrich Karl Leopold von Beust (1779– 1845) war zugleich der Vater von Friedrich Ferdinand von Beust. Siehe Harald Lönnecker: Friedrich Karl Biedermann (1812–1901). In: Sächsische Lebensbilder. Band 7. Leipzig 2015, S. 43–62.
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in Folge der ungeheuren Aufregung noch ganz abgespannt, nicht im Stande gewesen, seine geistigen Kräfte zusammen zu nehmen, er habe oft halbschlafend, wie von einem Schlaftrunk befangen, dagesessen. Deshalb habe er beim Berliner Vertrag viel zu viel nachgegeben. Als er dann zurückgekommen und hier auf dem Königstein und in Pillnitz so viel Erinnerungen an die alte Größe Sachsens gefunden, habe er das erst recht erkannt, was er aufgegeben. Er habe nun im Juni bei der Konferenz mit Pfordten in Leipzig diesem sehr zum Beitritt zugeredet und ihn zu bestimmen gesucht, Vorschläge zu machen, auf die Preußen eingehen könne, die aber doch einen Teil des Aufgegebenen zurückbringen könnten, allein vergeblich. Nun bleibe eben nichts übrig als vabanque zu sagen, es auf einen Krieg ankommen zu lassen, der Sachsen seine alten Provinzen und die Herzogtümer dazu erhalten könne, oder von Preußen erlöst werde. Preußen müsste kleiner werden. Auf solche Explikationen konnte ich freilich nichts tun als beklagen, dass das Schicksal unseres Vaterlandes in solchen Händen ruht! Als ob wir 1750 schrieben! Klingt es nicht so? – Dabei teilte mir Beust ein Fragment aus der Lebensgeschichte seines Großvaters, des Ministers Carlowitz, die seine Mutter niedergeschrieben, mit, worin diese bemerkte, die freisinnige Partei in Sachsen sei zu jener Zeit, da sie die großartigen Reformen Friedrich des Großen zur Nachahmung empfohlen, die preußische Partei geheißen im Gegensatz zu der Österreichischen. Zur ersteren hat Carlowitz gehört. Da ist nun freilich fast der Apfel weit vom Stamme gefallen. Beust zeigte mir auch die Dose, die er vom Herzog von Genua erhalten. Ihr Wert ist ihm mit 15 000 Franc bezeichnet. Allein bei der Taxation ist sie jetzt nur 1 400 Taler geschätzt worden. Immer, dachte ich, Geld genug für Beusts Bemühungen. Wie schade um Beusts Fähigkeiten, dachte ich, als ich fortging. Wir machten übrigens unseren Ideenaustausch, bei dem ich wie stets Beust gegenüber ihm tüchtig die Wahrheit sagte, in aller Freundschaft ab. Man braucht nicht grob zu sein, wenn man auch himmelweit verschiedener Ansicht ist! Juni 1 Eben kommt Römer zu mir und sagt mir, dass soeben – die Kammern aufgelöst worden. Davon sagte Beust nichts, als ich ihn gestern fragte, was er machen würde, um den Wagen, den er in Schuß gebracht, aufzuhalten – ob Auflösung der Kammern, aber was dann. Er sagte ja nun! Jetzt wird also das osterieren wohl losgehen! Der Grund dieser plötzlichen Maßregel ist wahrscheinlich die Besorgnis gewesen, dass das Aufruhrgesetz nicht in der von der Regierung vorgeschlagenen Fassung werde angenommen werden. Sonst kann ich es mir nur durch persönliche Gereiztheit Beusts erklären, denn der Zeitpunkt ist der ungünstigste, der sich denken lässt.. Juni 4 Von gestern beginnt die dritte Periode der Geschichte unserer Verfassung, die – der Verfassungslosigkeit. Das Ministerium hat das provisorische Wahlgesetz, die ihm entsprechenden Bestimmungen der Verfassung aufgehoben, beruft den Landtag von 1848 in seiner damaligen Zusammensetzung auf dem Grund – aufgehobener Bestimmungen der Verfassungsurkunde wieder ein und das hat der König genehmigt. Behr und Friesen, von denen man bestimmt glaubte, sie würden bei einer solchen Anmutung austreten, unterschrieben! Jetzt rufe ich aus, was ich glaubte der Zukunft vorbehalten zu müssen: Finis Saxoniae! Mein erster Gedanke war natürlich, ob ich nicht meine Stelle niederlegen müsste. Ich kann es aber mit meinem Gewissen vollständig vereinigen, sie beizubehalten, so lange ich nicht in den Fall komme, etwas tun zu sollen, was mit der bestehenden Verfassung in Widerspruch tritt und ich wüsste nicht, wie jetzt eine solche Kollision eintreten könnte. Angesichts meiner Lage aber allerdings eine große Beruhigung für mich. Mit dieser Handlung
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des Ministeriums hat also die Revolution von oben begonnen und wo wird sie enden? Das ahnet wahrscheinlich Zschinsky und Beust selbst nicht. Eines wird das Andere in untrennbarer Kette nach sich ziehen, bis der verhaltene Grimm sich eine, fürchte ich, fürchterliche Rache bereiten wird! Armes Land, armes Volk, armer König! Gestern Abend, als ich bei Reitzenstein zur Partie war, erfuhr ich das Erste von der Sache durch das alte Dresdner Journal, welches die Verordnungen enthielt. Ich war natürlich so osterniert, dass ich das Spiel so bald als möglich schloss. Es entstand aber eine Verschiedenheit der Ansicht über den Sinn der Worte der Kammern „in ihrer Zusammensetzung von 1848“ und der russische Gesandte von Schröder, sonst die Vorsicht und Zurückhaltung selbst, bemerkte dabei, „als man mir vorgestern die Sache mitteilte oder gestern, das weiß ich nicht bestimmt mehr“, oder er hatte es am Sonnabend erfahren, seinen Rat hatte man wohl eingeholt! Herschel erzählte mir noch ein curiosum. Der Abgeordnete Heubner, ein Gutsbesitzer, will seinen Bruder auf dem Königstein besuchen und bekommt dazu einen Erlaubnisschein, der auf den „Abgeordneten“ lautet. Als er am Sonntag hinkommt, sagt ihm General Birnbaum21, er könne ihn nicht einlassen, da sein Schein ihn als Abgeordneten bezeichne und die Kammern aufgelöst seien. Heubner reist zurück, geht zu Zeschau, der zum Kriegsminister und kommt mit dem Bescheid zurück, es müsse erst Birnbaums Gutachten eingeholt werden, ob er noch besondere Bedenken hege – Heubner hat nun die Sache aufgeben müssen. Juni 6 Ich bekam früh einen Brief von Prof. Bernhard Cotta, worin er mir schreibt unter Beifügung eines Urteils des Appellationsgerichts, dass er wegen aller Teilnahme am Maiaufruhr absolviert, aber wegen Teilnahme an der Befreiung der Ungarn (siehe 2. Mai) 1849) mit vier Wochen Gefängnis bestraft worden ist. Er wollte nun guten Rat. Ich sprach mit Beust, dem die Sache auch fatal sein wird, weil Cotta beabsichtigt, den Kriegsrat von Abendroth22 als Zeugen abhören zu lassen darüber, dass die Ungarn mit Genehmigung der Regierung hätten entfliehen sollen, womit Beust selbst damals ganz einverstanden war. Wir kamen dabei denn auf die neuesten Vorgänge, die ich nicht berührte, sondern Beust, indem er mich fragte, ob ich auch wie Mangoldt, der im Ministerium des Auswärtigen als Assessor mit 300 Talern angestellt ist, seinen Abschied nehmen wolle. Ich sagte ihm denn ganz ehrlich, dass ich die Verordnungen nur als Bruch der Verfassung betrachten könne, vergeblich in meinem Gewissen nach einem Scheingrund gesucht habe, dass ich daher auch nichts tun könne, was mit der Verfassung in Widerspruch gerate. Ich prophezeite ihm, der die Sache höchst leicht nahm, dass er gewiss namentlich bei dem Richterstande Widerstand finden werde. Nous verons. Er versicherte übrigens, Behr, den er für einen ganz gewissenhaften Mann erklärte, sei ebenso wie Friesen, der keineswegs das liberale Prinzip verträte, ganz einverstanden gewesen. Juni 7 Beust schrieb mir heute, Cotta möge nur um Begnadigung bitten, die er erhalten solle, nur die Kosten müsse er tragen. Ich schrieb dies denn Cotta als meinen Rat, den er auch befolgen wird. Hätte Cotta nicht mit Abendroth gedroht, so würde er wohl nicht sich solcher Gunst zu erfreuen gehabt haben, denn man ist ihm in den hohen Regionen eben nicht sehr 21 22
Birnbaum, Heinrich Moritz (1784–1852), Generalleutnant, Kommandant der Festung Königstein von 1845 bis 1852. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 131–132. Abendroth, Alexander von (1808–1872), 1849 Kriegsrat im Kriegsministerium, 1850 Geheimer Kriegsrat, Abschied 1853. Siehe Verlohren, Stammregister, S. 107.
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grün. Von dem armen Scheufler höre ich auch nichts. Ich ging deshalb zu Hänel heute, der mir Notiz geben will, ob die Sache vorgekommen, was er natürlich nicht wusste. Seebach schrieb mir heute auch über die Maßregeln der Regierung, die er ebenso wie ich betrachtet und er ist doch gewiss ganz unbefangen. Juli 8 Ganz andere Szenerie! Ich sitze in Kösen in einem Stübchen von 7 Ellen im Geviert, vor meiner Nase an der entgegengesetzten Zimmerwand das Handtuch etc. – kurz eine richtige Badeexistenz! Die Geschichte war seit den letzten Niederschriften folgende. Zum Sonnabend den 6. war mein Urlaub erteilt, sollte es hierher gehen, da ich einige mich inkommodierende Schwinden wegen das Solbad gebrauchen sollte. Anna, eine ehemalige Köchin von uns, jetzt Wächterin, eine arme aber zuverlässige Person, die ebenfalls ein solches Bad zu brauchen wünschte, und die Just, Erhards Wärterin, begleiteten uns, als es am Sonnabend fortging. Tags zuvor hatte der Oberhofmarschall Reitzenstein noch eine Abschieds-WhistLandpartie veranstaltet, auf dem Hegereuter, wo wir den Nachmittag zum Abschied noch 15 Reobne spielten. Die Reise ging ohne Abenteuer vor sich. Sophie aber kam mit Migräne an. Unser Quartier ist bei Akad. Rost, und obwohl ich 10 Taler wöchentlich zahle, doch nicht gerade sehr elegant oder geräumig. Einen Vorteil hat die hiesige Existenz, dass man weder Veranlassung noch auch Gelegenheit hat, mit andern Badegästen zusammenzukommen oder Bekanntschaft zu machen. Ein wahres Glück für uns, die wir uns in der besten Gesellschaft dann befinden, wenn wir nur in unserer eignen sind. Man badet, ohne jemand weiter zu treffen, man isst zu Hause, geht spazieren und wenn man nicht gewisse Kuren oder dergleichen Gäste aufsucht, wo die salzbadende schöne Welt sich zentral-und kristallisiert, so sieht man keinen Menschen. August 12 Hier sitze ich endlich einmal in Ruhe in Köln, in Disch Hotel Nr. 2 – es ist ein herrlicher entschiedener Regentag, ich brauche keine Merkwürdigkeiten zu sehen, keine Landpartie zu machen. Ich bin höchst zufrieden. Das war ein Vergnügen, diese letzten acht Tage! Wir reisten am Sonnabend (3. huj.) Mittags von Kösen ab, nachdem uns die ganze Badegesellschaft noch auf den Bahnhof begleitet. In Gotha empfing uns Seebach, der uns im Schloß ein Diner arrangiert hatte. Sophie ging natürlich in die Sammlungen, während ich mit Seebach allerhand Deutsches und Gothaisches besprach. Er sagte mir u. a., dass er die Militärkonvention mit Preußen, für die der Herzog sich eingenommen, noch zurückgehalten habe. Von Gotha fuhren wir noch denselben Abend nach Eisenach, gingen am Sonntag mit Seebach, der uns früh nachkam, auf die Wartburg etc. und fuhren um 11 ½ nach Kassel. Die Wasser hatten in Wilhelmshöhe schon um 3 gesprungen. Wir fuhren indessen doch hinaus und trafen dort ganz unerwartet Gülichs an. Am folgenden Tage nahm diese die Kinder mit nach Wertheim (bis Karlshofen Eisenbahn, von dort Dampfschiff). Wir fuhren nach Frankfurt, bekamen dort schlechtes Quartier. Dienstag sagten wir Besuch der Merkwürdigkeiten vermittelst Lohndieners und Droschke (Ariadne, Römer etc.) ab und fuhren nach Heidelberg. Herrlicher Abend auf dem Schloss. Mittwoch nach Baden. Da es schrecklich regnete, blieben wir bloß einige Stunden da, zumal kein Quartier zu bekommen war. Ich musste auf Sophies Geheiß an der Bank spielen, um die Kosten eines in Frankfurt gekauften überflüssigen Schals zu gewinnen. Es blieb aber bei einem Louisdor Gewinn, den ich, da die andern gewannen, wieder verloren ging, referierte. Nacht in Karlsruhe. Donnerstag nach Mainz. Herrliche Aussicht aus dem Hotel, wo wir am Rhein wohnten.
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Abermals Merkwürdigkeiten citissime abgesehen. Freitag mit dem Dampfschiff nach Bingen. Dort ein Kahn nach Rheinstein, ein von einem Prinz von Preußen ausgebautes altes Schloß – als Ruine gefiel es mir viel besser. In Hainbach warteten wir aufs Dampfschiff, mit dem wir dann bis Kapellen fuhren, unterhalb des Stolzenfels, den der König von Preußen ausgebaut hat. Das Schönste ist die Aussicht und ein kleiner, wahrhaft zauberischer Garten im Hofe des Schlosses. Sonst macht mir das Ding mehr den Eindruck einer Theaterdekoration als einer alten Burg. Wir brachten den herrlichen Abend dort zu und fanden im Gasthaus zum Stolzenfels eine gute Aufnahme und eine interessante Gesellschaft in einem holländischen Ehepaare, de Molinari, das die Hälfte des Jahres im Haag, die Hälfte am Rhein lebt. Der Mann hatte die halbe Welt gesehen, sie war eine geborene Javaneserin. Am Sonnabend machten wir früh eine Waldpartie nach dem Kuglkopf, eine schöne Aussicht ins Moseltal nach Koblenz etc. Das Besteigen der Maigburg mussten wir aufgeben, da das Wetter schlecht, die Zeit zu kurz ward. Wir fuhren mit dem um 11 ½ ankommenden Dampfschiff nach Köln und suchten Pistorius (Neue Poststraße Nr. 35) auf, die für uns Quartier arrangiert hatten, das wir nach heftigem Kampf ablehnten. Er ist ein blonder Mann, hoher Vierziger, lebhaft, interessant, fidel, mir ganz renomierend. Luise ist abermals (mit dem dritten Kind) guter Hoffnung. Gestern ward früh der herrliche Dom besehen, dann einige Bilderausstellungen, den Gürzenich (ungeheurer Saal), den Kunstverein. Mittags bei Pistorius, Abends ins Venaville-Theater – sehr schlecht. In Gotha traf ich im Coupe den ehemaligen Minister Georgi, natürlich führte uns das Gespräch auf die neuesten Vorgänge in Sachsen. Georgi sagte mir, er sei bekanntlich mit dem preußischen Wahlgesetze nicht einverstanden gewesen (?) und als er deshalb mit Prinz Johann gesprochen, habe dieser das Gesetz verteidigt und gesagt, er mißbillige nur, dass das Gesetz als ein provisorisches bezeichnet worden sei. Jetzt wird er also wohl seine Ansicht geändert haben. August 23 Hier bin ich wieder in meinem stillen Archiv, ruhe aus von den Beschwerdevergnügungen der Reise, und will nun in nuce nachtragen, was ich inmittelst erlebte. In Köln blieben wir 3 Tage stets zusammen mit Pistorius und seiner Frau. Den letzten Tag, wo das Wetter besser ward, machten wir eine Exkursion nach dem Siebengebirge und einer am Fuße desselben liegenden Klosterruine. Den Drachenfels zu erklettern fehlte uns die Zeit. Mittwoch den 14. verließen wir Köln, das mir in freundlicher Erinnerung bleibt. Das Leben ist dort freier, gemütlicher als bei uns, Standesunterschiede beachtet man nicht. Wir kamen Mittwoch Abend nach Wertheim. Montag den 19. trafen wir hier wieder ein. Hier trotz der langen Abwesenheit nichts verändert. Unter den novis, die ich bei Reitzenstein, den ich aufsuchte, erfuhr, nur, dass der König einen protestantischen Geistlichen in Pillnitz engagiert hat, der dem Hofgesinde tägliche Betstunden halten muss. Dieses Gesinde ist ein arges Gesindel, das ist wahr, allein durch Betstunden wird man doch nichts erziehen als Heuchler. Der König macht jetzt eine Reise durch die loyale Oberlausitz, wobei es denn nicht an Äußerungen der trefflichsten Gesinnungen seiten derselben Schufte fehlt, die vorm Jahre die Wasser trugen. Eine gute Anekdote ist beim Diner zum Beginn des Landtages passiert. Prinz Albert sitzt neben Präsident von Schönfeld und fragt diesen – sehr passender Weise – ob er mit dem Schönfeld verwandt sei, der beim Prinzenraub beteiligt
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gewesen.23 Als Schönfeld dies etwas verlegen bejaht, nimmt Prinz Johann das Wort und sagt, dergleichen kommt in allen Familien vor, haben wir doch auch unseren Albert – den Unartigen! Hier fand ich eine unangenehme Sache vor, die mir Roßberg schon vorläufig nach Köln gemeldet hatte. Archivar Herschel ist ein, wie ich glaube, ehrlicher, aber politisch exzentrischer Mann, der Mitglied des Vaterlandsvereins und der Freien Gemeinde gewesen, und hat sich dadurch den Ruf eines höchst staatsgefährlichen Menschen zugezogen, während das ganze Hauptstaatsarchiv als ein Nest demokratischer Gesinnungen, ich wahrscheinlich mit eingeschlossen, gilt. Daher dann während meiner Abwesenheit Einleitung einer Disziplinaruntersuchung. Was bis jetzt ans Licht gekommen ist nun freilich – nichts. Will man alle die in Untersuchung nehmen, die in den letzten zwei Jahren mißfällige Äußerungen über Regierung und Staatseinrichtungen getan, da wird allerdings wohl kein männliches Wesen über 14 Jahren unbestraft bleiben. Gott bessers – mich ekelt dieses inquisitorische Reaktionsgetriebe, dieser niederträchtige Denunziationsunfug so an, dass ich mich in irgend ein Bauernhaus zurückziehen möchte – wenn ich nur nicht wieder den Durchfall hätte, der mich nötigt, in der Stadt zu bleiben. Ich sah bis jetzt von unsern Bekannten nur Ehrenstein, der inmittelst zum Eisenbahnkongress nach Aachen auf Staatskosten und von da nach Paris gegangen ist, Römer, der lamentiert und raisonniert, aber weder spricht noch handelt, die Prinzessinnen, die in Folge der Holsteinischen Kalamitäten sehr gedrückt sind. Heute lese ich in den Zeitungen, dass der alte Bundestag nun glücklich wiederhergestellt werden soll! Dass man dahin wollte seiten der Wohlgesinnten – wie man jetzt diese Partei hier nennt – das habe ich vor länger als Jahresfrist gesagt und geschrieben und wie widersprach da Beust – und jetzt! August 25 Am Freitag, als ich Nachmittag ins Archiv gehen wollte, kam mir Seebach entgegen, mit dem ich daher wieder umdrehte. Er reist aber morgen wieder ab, um nun seine Residenz in Koburg aufzuschlagen. Er erzählte mir, dass er vermöge einer Deduktion, die ich ihm geschickt über die Frage, ob das Privatvermögen des Herzogs der Steuer unterworfen werden könne, schließlich den Sieg davongetragen hat. Der Herzog will auch den Frieden mit Dänemark nicht ratifizieren. Einer hat also doch wenigstens Courage. Allerdings läuft aber Koburg-Gotha nicht Gefahr, durch dänische Schiffe blockiert zu werden. Abends kamen Ehrenstein, Römer, Biedermann Vater und Sohn und Beust zu uns. Nachdem die andern fortgegangen, blieb Beust noch bei einer Zigarre sitzen und wir politisierten dann noch etwas. Sophie ward dabei so grob, dass ich einige Mühe hatte, die Sache wieder ins Gleise zu bringen. Beust bleibt dabei, es sei politisch gewesen, eine wenn auch zweifelhafte Rechtsansicht an die Spitze zu stellen, um eben ähnliche Vorfälle zu vermeiden. Das ist nun eben das, was ich nicht kapieren kann. Eine Rechtsansicht, die sich aber auf kein Recht stützt und von deren Unrichtigkeit man doch im Innern selbst überzeugt ist, aufzustellen und zu verteidigen, das halte ich eben nicht für politisch, und moralisch läßt es sich doch noch weniger rechtfertigen, wenn man dadurch das Volk zur Heuchelei nötigt. Über dergleichen Punkte werde ich mit Beust stets verschiedener Ansicht sein und bleiben. Seine Frau ist in 23
Siehe dazu: Der Altenburger Prinzenraub 1455. Strukturen und Mentalitäten eines spätmittelalterlichen Konflikts. Hrsg. v. J. Ehmig. Beucha 2007.
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Folge einer sausse canale, die sie sich durch Reitstunden zugezogen, krank gewesen und jetzt, wahrscheinlich zu seiner großen Erquickung, in Helgoland. September 1 Beust war gestern unwohl und ich besuchte ihn da einige Stunden, wobei er mir denn wieder vorpolitisierte. Wenn man ihn so reden hört, klingt das Alles ganz gut. Aber die Handlungen – mit denen kann ich weder seine Reden noch meine Überzeugung in Einklang bringen. September 2 Beust aß heute Mittag bei uns. Er hat sich nun auch eine elegante Equipage angeschafft. Nach Tische erzählte er dann u. a., dass Behr dann doch nur mit bedeutenden Schwierigkeiten zu überreden gewesen ist, auf den neueren Staatsstreich einzugehen und dass er nur (unter) Auffahrung des schwersten Geschützes zu bestimmen gewesen. Hauptsächlich hat aber die Rücksicht auf seine Familie (Behr hat vier ganz geistesschwache Kinder) und der Wunsch, für sie zurücklegen zu können, Behr bestimmt, im Ministerium zu bleiben. Beust sagte auch, dass er im Mai (am Mittwoch, als der Kampf hier zu Ende ging) eigentlich Behr nicht hätte nehmen wollen. Dieser sei nämlich am Mittwoch früh 7 Uhr zu ihm gekommen und habe geraten, mit den Insurgenten zu verhandeln. Ihm, Beust, sei es zu auffallend gewesen, dass Behr, der präsumtiv den Zustand der Insurgenten, die eben im Begriff gewesen, zu fliehen, ihm diesen Vorschlag gemacht und er habe daher Behr gesagt, da er sich Bedingungen gestellt, auf die nicht eingegangen werden könne, so sei es nun am besten, die Sache ruhen zu lassen. Dagegen hat aber Behr protestiert und das ihm zugesicherte Portefeuille entschieden verlangt. Der Kreisdirektor Watzdorf hat aber allerdings am Sonntag während des Maikampfes das ihm von Beust angebotene Ministerium des Innern abgelehnt und nun ist vom Kriegsrat Abendroth Friesen vorgeschlagen worden, welcher aber sich für die Reichsverfassung erklärt und gesagt, er werde nach acht Tagen, wenn die Gefahr vorüber sei, wieder abtreten. Ja prosit, jetzt ist er gerade einer der am meisten Rechtsstehenden! September 9 Verona Müller war vor ein paar Tagen bei uns und erzählte dann u. a. von dem verunglückten Versuch ihres Bruders, in Holstein in Dienste zu treten. Das dortige Generalkommando hat sich erst beim hiesigen Kriegsministerium nach ihm erkundigt und da dieses ihm natürlich eben kein günstiges Zeugnis gab, die bereits erteilte Zusage seiner Anstellung zurückgenommen. Dagegen hat nun Müller die Schlacht bei Justädt freiwillig mitgemacht, d. h. als Zuschauer in sicherer Entfernung und nur als es zum Äußersten gekommen, hat er sich den Truppen angeschlossen. Allerdings ein Zeichen eigentümlicher Bravour! Durch Herrn von Langecke erfuhr ich gestern, dass Wackerbarth sich in der Nähe von New York angekauft hat – ich will hoffen, dass er sich nicht übereilt hat. Sonst nil novi. Heute war ein Advokat Scheufler aus Meißen, ein Vetter des armen Scheufler aus Lommatzsch, bei mir. Sein Bruder ist geflohen und nun hat man ihn wieder ins Gefängnis gesetzt. Da sitzt er nun seit dem Juni wieder – mit der Aussicht auf eine langjährige Zuchthausstrafe. Die Nachricht hat mich wahrhaft bekümmert und doch kann ich gar nichts tun für ihn. Heute Nachmittag kam dann ein Brief von Mathilde, worin sie ihre Ende Juli erfolgte Niederkunft sowie dass sie am Delaware im Staate New York sich eine Farm für zwölftausend Dollars gekauft haben, meldet. Das ganze amerikanische Leben scheint ihr aber nicht zu behagen. Glaubs wohl! Ich wollte Briefe an sie durch den Schwiegervater der beiden Tittmänner, die in St. Louis am Mississippi leben, einen ehemaligen Appellationsrat Hilgard,
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der seine dritte Tochter hier an den dritten Tittmann verheiratet hat, schicken. Der Kerl hat aber sie nicht mitnehmen wollen. Ich war den Tag über im Archiv, wo ich die auswärtigen Sachen im Geheimen Kabinett vom Anfang vorigen Jahrhunderts ordne und revidiere, dabei manches kuriose Papier in die Hände bekomme, das Nutzlose wegwerfe, die Siegel herausnehme etc., kurz eine mir angenehme, aber den Geist ebensowenig als den Körper konsumierende Arbeit vornehme. September 19 Beust war den ganzen Abend bei uns und soupierte mit uns Kartoffeln und bayerisches Bier. Er war sehr zufrieden mit seinem Empfang in Grimma, wo er zur Feier des 300jährigen Jubiläums der Landschule war und Rede gehalten, einen Fackelzug und Vivat hat erleben müssen.24 Sophie war heute, als wir ins Politisieren kamen, wenigstens nicht so grob als das letzte Mal. September 20 Heute Morgen kam eine längst verwitterte Größe zu mir ins Archiv, der ehemalige Kabinettsminister Graf Einsiedel. Vor 20 Jahren stand ich bebend vor ihm in dem Geheimen Kabinett, musste sehr froh sein, dass ich vorgelassen ward, erhielt kaum ein Kopfnicken, als ich mich bei ihm präsentierte, um den Akzess im Oberkonsistorium zu erlangen. Heute war der alte Suitier ganz charmant, erkundigte sich nach der Familie etc. Jetzt kann er sehr höflich sein. Schladitz, der jetzt Vorstand des Stenographischen Instituts an Wigards Stelle, den man als Demagogen quittiert hat, geworden, war auch in Grimma zur Säkularfeier gewesen und heute noch ganz voll aller genossenen Freuden. Er erzählte, dass bei der Illumination ein Prof. Dietsch eine Inschrift des Inhalts angebracht hat: (es folgt Text mit griechischen Buchstaben) etc., was großen Beifall bei Prinz Johann, der auch mit dort gewesen, gefunden. September 22 Eine sehr schöne Partie haben wir heute gemacht. Wir fuhren mit den Prinzessinnen von Holstein, Prinz Woldemar, der seit einigen Tagen hier ist, der Gräfin Lynar und Ferdinand um 10 ½ per Dampf nach Königstein, frühstückten auf dem Schießhaus, gingen dann etwa 1 ½ Stunden nach dem Pabststein, genossen da bis 4 Uhr die herrliche Aussicht, dinierten dann um 5 ½ auf dem Schießhaus sehr gut und kehrten mit dem um 7 ½ rückgehenden Zug nach Dresden heim. Alles war gelungen, die Gesellschaft sehr fidel. September 30 Am Freitag waren wir, da ich im Hauptstaatsarchiv Scheuerfest hatte, mit den Prinzessinnen, Woldemar und Ferdinand in Stolpen, eine ganz interessante Partie. Anton kam am Donnerstag Abend zurück von seiner Reise nach Oberitalien, Wien etc. Sonst nil novi. Heute gab uns Anton ein Diner auf der Terrasse zu Ehren einer Familie aus Stuttgart, die er auf der Reise kennen gelernt, v. Wischer. Außer uns fand noch ein Diner statt, welches Schröder dem russischen Minister Nesselrode25 gab, den ich bei dieser Gelegenheit sah, ein kleines Männchen, das in seinem Behaben sehr viel Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Minister Jordan hat. Oktober 2 Gestern früh kam Held zu mir ins Archiv, um mit mir wegen der Beratung des Zivilgesetzbuches zu sprechen, welche nun wieder beginnen sollen. Er ist sehr fleißig 24 25
M. Chr. G. Lorenz, Bericht über die Gründung und Eröffnung der Landesschule zu Grimma im Jahre 1550, ihre äußeren Verhältnisse und Schicksale während ihres Bestehens und über die Jubelfeier derselben in den Jahren 1650, 1750 und 1850. Grimma 1850, S. 74–132, Beilagen S. 1–150. Nesselrode, Karl Robert Reichsgraf von (1780–1862), russischer Staatskanzler und Minister des Auswärtigen, Schwiegervater des sächsischen Gesandten in Paris von 1852 bis 1867 Albin Leo von Seebach (1811–1884)
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gewesen und fast fertig. Er sagte mir, dass vor einigen Tagen Zschinsky bei ihm gewesen, anscheinend etwas auf dem Herzen gehabt, aber nicht losgedrückt habe. Wahrscheinlich habe er ihm die Bearbeitung der Zivilprozessordnung, mit der Treitschke nicht zu Stande kommt, übertragen wollen. Held renommierte dabei natürlich more consulto gewaltig, hat aber anscheinend alle Lust zu der Sache, wie er denn auch dazu ganz befähigt ist. Heute kam nun wieder Zschinsky zu mir und fing von der Sache an, ob man sie wohl Held übertragen und ob man ihm nicht noch jemand beigeben möchte, er habe schon darüber etwas fallen lassen. Ich riet ihm denn auch, es Held zu übertragen, aber sehr davon ab, ihm noch einen Mitarbeiter zu geben, da er entweder alles oder gar nichts würde machen lassen, wohl aber zur Beratung eine besondere Kommission. Oktober 7 Am Freitag begannen endlich nach jahrelanger Unterbrechung die Beratungen über das inmittelst von Held fast ganz vollendete Zivilgesetzbuch. Es hat sich noch ein stummes Mitglied der Kommission eingefunden, Geheimer Rat Glöckner, der bloß zuhören, nicht mitreden darf.26 Oktober 13 Gestern ließ mich Zschinsky bitten, zu ihm zu kommen. Es fand sich, dass die Deputation der Zweiten Kammer den Antrag beim Budget auf Verminderung des Personals beim Hauptstaatsarchiv oder dessen Vereinigung mit dem Finanzarchiv stellen wollte. Ich machte ihm nun den Entwurf dazu, was die Regierung erwidern soll und der Referent v. d. Benda wird das wohl feliciter aufnehmen. Heute waren wir mit Beust bei Jordan zu Tische. Ersterer war auf Jordans sehr direkte politische Fragen diesem gegenüber sehr zugeknöpft und beschränkte sich auf höchst gewöhnliche allgemeine Redensarten, aus denen gar hervorging, dass er nicht an Krieg glaubte. Jordans Diner war übrigens schauderhaft und eigentlich nichts genießbar als der Machela, den ich ihm abgelassen und den ich durch den Konsul Wedekind in Palermo nach zweijährigem Warten jetzt erhalten habe. Ein Weinchen, dass sich sehen und noch besser schmecken lässt. Oktober 17 Es meldete sich ein Graf Schulenburg, für welchen ohne nähere Bezeichnung seiner Stellung der Minister Einsiedel bei mir um Gestattung der Benutzung des Hauptstaatsarchivs nachgesucht hatte. Es trat ein langer magerer alter Herr herein mit sehr langer, unten windschiefer Nasse. Er war, wie sich bald ergab, sehr taub und die Unterhaltung daher sehr einseitig, da er mich gar nicht verstand. Sehr höflich suchte er seine Bekanntschaft mit mir vom seligen Großvater Kapp abzuleiten, den er ebenso wie den seligen Vater gut gekannt habe. Ich wusste immer noch nicht, wer der Mann war. Endlich ergab es sich, dass es der Schwager des Ministers Einsiedel war, den dieser damals zum Wiener Kongress schickte, wo Schulenburg eben nicht große Lorbeeren errungen hat. Ich gab ihm denn einen Brief an Erbstein mit, der ihm die gewünschten Akten über den Graf Königsmark, mit dessen Geschichte er sich beschäftigt, vorlegen sollte.27 26 27
Christian Ahain: Zur Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen von 1863/65. Berlin 1993. – Bayern und Sachsen in der Geschichte. Ausstellungskatalog 1994/1995, S. 289– 291 Schulenburg, Friedrich Albrecht Graf von (1772–1853). Siehe dazu: Sachsen, Preußen und Napoleon. Dresden, Torgau 2013, S. 497–516. – Auch: Böttiger, Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. 2. Band. Hamburg 1831, S. 565–574. – Königsmark, Hans Christoph Graf von (1600–1663), schwedischer Heerführer und Feldmarschall
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Oktober 31 Früh 9 Uhr ging ich in die Hofkirche, um einmal Harleß28 zu hören. Alles voll, nicht möglich, auf meinen Platz zu kommen. Ich wollte schon wieder umdrehen, als ich Reitzensteins und Appellationsrat Pietsch traf, die auch suchten. Wir beschlossen, eine Attacke auf das Betstübchen des Finanzministeriums zu machen. Ein Cerberus, der die Tür hütete, wollte uns anfänglich, weil niemand darin war, nicht einlassen. Endlich wich er meiner erhabenen Stellung und die kleine Weissenbach, die einzige aus dem Finanzdepartement, welche erschien, machte uns nicht quaestionem hiatus oder vielmehr sessionis. Mir gefiel Harleß recht gut, obwohl er mir allerdings zu viel vom apostolischen Amte, dessen Begründung durch Gott, a la Papst, redete . November 5 Am Sonnabend früh erstarrte ganz Dresden beim Kaffee, denn der Anzeiger enthielt, nachdem die letzten Zeitungen uns lauter friedliche Nachrichten gebracht, den Erlass, dass unsere Armee mobil gemacht werde. Pferde (2 700 Stück) sollten gekauft, alle Beurlaubten und Reservisten wurden einberufen. Alle Welt fragte wozu und alle Welt raisonnierte, nur Rabenhorst wird glücklich gewesen sein, der kleine Gernegroß. Gestern Abend brachte Seebach (der Gesandte in Petersburg), den Beust als Kurier benutzte, indem er ihn erst nach Warschau und vorgestern früh nach Berlin geschickt, die Nachricht, dass vorgestern Abend 10 Uhr Radowitz seine Entlassung erhalten hat. So tritt nun also Preußen zurück, mit ihm schwindet auch die Hoffnung einer vernünftigen freien Gestaltung der deutschen Verhältnisse, da nunmehr Rußland allein organisieren wird. Ich bin mehr als je froh, dass ich, fern von aller Politik, jetzt mit dem Aktenkassieren fertig, eine Masse Urkunden einzuordnen habe, wobei ich alte geographische Studien treibe. Gestern hat man schon eine Anzahl Pferde gekauft, die Rabenhorst heute nun wohl wieder vermöbeln wird.29 November 8 Nachdem die letzten Tage beruhigende Nachrichten gebracht, nachdem Beust gestern in der Kammer eine große Rede gehalten, worin er das Treffliche seiner Politik in der deutschen Frage auseinandergesetzt, worauf ihm Friesen den Dank der Kammer brachte, kam gestern Abend die Nachricht in den Zeitungen, dass Preußen nun, nachdem Österreich auf die letzten Vorschläge nicht eingegangen, seine Armee mobil macht und es nun doch zum Kriege – zum Bruderkriege zwischen Deutschen kommt. Darüber wird wohl Rabenhorst sich freuen, der, wie ich höre, das Kommando der sächsischen Armee, die der Bundesgewalt zur Disposition gestellt wird, übernimmt! Dagegen ist die Stimmung unter dem größten Teile der Offiziere eine höchst niedergedrückte. Soeben sagte mir ein durch und durch reaktionärer Major, altadlig, höchst loyal sächsisch: Es geht um die Schädel der hohen Herren, denn Köpfe haben sie nicht. November 11 Die ersten Schüsse in dem europäischen Kriege, der uns bevorsteht, sind gefallen, das erste Blut, dem Ströme folgen werden, ist vergossen. Gestern sind im Hessischen nach einer heute über Wien eingegangenen telegraphischen Depesche die Österreicher und Preußen aneinander geraten. 5 Österreicher sind verwundet.30 Ich erfuhr dies, als ich abends in die Ressource ging. Da saß denn eine Anzahl Offiziere und fragt die Preußen. Dann 28 29 30
Harleß, Adolph (1806–1871), 1845 Professor der Theologie an der Universität Leipzig. 1850 Berufung zum Oberhofprediger nach Dresden. Extrablatt vom 5. November 1850 siehe Dokumentenanhang Nr.10. Siehe Walter Heinemeyer: Das Werden Hessens. Marburg 1986, S. 497. – Frank-Lothar Kroll: Geschichte Hessens. München 2006, S. 58–66. – W. Schüssler, Hessen-Darmstadt und die deutschen Großmächte 1850. Darmstadt 1919.
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kam der pensionierte Hauptmann v. Schleinitz, der im Preußischen gewesen und versicherte, dass man sich ganz täusche über die Stimmung in Preußen. Es herrsche eine Begeisterung ohne Gleichen. Das ist wie bei uns? In Leipzig hat Jubel ohne Ende geherrscht bei der Nachricht, dass Preußen rüste. Man wird dort die Preußen mit offenen Armen empfangen, wie in den meisten Städten, Dresden nicht ausgenommen. Abends waren Ehrenstein und Römer bei uns, denen sich Frau v. Houwald beigesellte. Wir tranken Champagner noch von der von Ehrenstein verlorenen Wette her. Es ist besser, man trinkt ihn selbst, als dass irgendein Secessaner ihn aussäuft. November 14 Im Archiv fand ich oben auf dem Boden eine Masse großer Kisten, die ehemals dazu gedient hatten, das Archiv aufzunehmen, um es auf den Königstein zu schaffen. Als ich hörte, dass man das Grüne Gewölbe. die königliche Silberkammer, die Kassen bereits dahin geschafft, dass man die Einpackung der Bildergalerie, des Historischen Museums, des Kupferstichkabinetts, der Münzsammlung vorbereite, so teilte ich meinen Fund Zschinsky mit, damit doch nicht noch mehr unnötige Kisten gemacht werden. Da kamen nun früh sämtliche Direktoren und haben alle die alten Kisten fortgeschleppt. Es wundert mich, dass man nicht auch den Goldenen Reiter in Neustadt oder das Denkmal im Zwinger in Sicherheit bringt. Gerade als ob Lips Tullian die Preußen kommandierte, vor denen man sich doch wohl der Kriegsheere nicht sicher zu dünken scheint. Der arme Adolf hat auch sein warmes Nestchen in Leipzig verlassen müssen und liegt in einem elenden Dorfe bei Riesa, im Schmutz und von aller Welt abgeschnitten. Dezember 6 Der politische Horizont hat sich gottlob etwas geklärt. Desto finsterer ist der wirkliche Himmel. Ein solcher Nebel deckt eben das Land, dass ich im Archiv Licht anbrennen musste. Gestern hatte ich eine rechte Freude. Scheufler, der zeither immer noch im Arrest saß wegen seiner unseligen Beteiligung beim Maiaufruhr, ist bei Gelegenheit des 50jährigen Jubiläums seines Vaters als Gerichtshalter begnadigt worden. Seine Sache stand sehr schlimm, da er zwar nicht mitgefochten, aber sich doch auf oder an eine Barrikade gestellt und so am Ende gar ein Todesurteil, oder eventuell eine Begnadigung zu 10 Jahren Zuchthaus zu erwarten gehabt hätte! Dezember 9 Beust ist der schönsten Hoffnung für Deutschlands Zukunft, vielmehr seine eigene Zukunft, indem er die letztere mit der erstern zu identifizieren scheint. Dazu ist nun das neue Dresdner Journal auch verboten, welches ihn immer auf dem Rohr hatte und er kann demnach nun ruhig schlafen. Ich machte ihn doch eben darauf aufmerksam, wohin denn das führen soll, wenn man jede Oppositionspresse unterdrücken will. Doch gewiss nicht dahin, dass die Leute nur die Regierungsprodukte lesen, sondern dahin, das man im Ausland das druckt, was hier verboten wird. Er erzählte mir einen guten Witz, den die Schlesische Zeitung über Pfordten bringt. Es ist in Breslau ein Totenfest für Blum gehalten worden und es wird referiert, es habe die schönste Weihe allerdings gefehlt: der Mann, der sich vor zwei Jahren so lebhaft dafür interessiert. Pfordten sei trotz der Einladung nicht erschienen, habe aber sehr freundlich geantwortet, dass nur die dermalige Verstimmung mit Preußen ihn abhalte. Beust erzählte auch, dass ein Dr. Lewitha, der in Baden mit beteiligt gewesen und in Leipzig als Privatdozent sich aufgehalten, auf die Weisung, sich von dort zu entfernen, eines Tages hierher gekommen und bei seiner Abwesenheit sich gewaltsam eingedrängt, dem Bedienten, dem Angst geworden, den Weg vertreten und so bis 12 Uhr auf ihn gewartet. Als er zufällig spät zu Hause gekommen, hat ihn der Portier gewarnt und Beust hat nun Polizei geholt. Aber
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den Mann, der sich inmittelst entfernt, nicht mehr gefunden. Am andern Tage hat ihn denn die Polizei entfernt. Dezember 12 Gestern war eine große Parade, bei der 17 000 Mann vor dem König, der auf dem Markte vor der Frauenkirche hielt, defilierten. Zwei Drittel unserer ganzen Armee. Ich stand mit Sophie, Isidore und Agnes auf der Moritzstraße, die Geschichte mit anzusehen, als ein Bedienter des Fürsten Schönburg mich aufforderte, doch herauf in das Palais zu kommen, da der Fürst ihn beauftragt, Bekannte dazu einzuladen. Wir folgten denn und hatten oben ein geheiztes Zimmer ganz für uns, bekamen auch noch ein Frühstück serviert. In der Tat recht fürstlich. Wir sahen denn die Sache da in aller Ruhe mit an. Am Ende der Parade hat der König eine Rede gehalten – was man nicht erlebt – und Rabenhorst, dem er den ganzen Spaß verdankt, (der dem Lande aber eine Million kostet) zum Generalleutnant ernannt und ihn, wie man sagt, Herr von Rabenhorst genannt Dezember 19 Im Ministerium ist, wie mir Ehrenstein erzählte, ein heftiger Kampf mit Rabenhorst gewesen, der die Masse Soldaten (24 000 Mann), die wir jetzt bezahlen, gern beisammen behalten wollte, um noch ein bisschen damit zu spielen. Indessen ist die Majorität dagegen gewesen und nun verkauft man 1 300 Pferde, die man noch vor 14 Tagen gekauft, wahrscheinlich mit 50 % Verlust. Das Dresdner Journal ist nun wirklich definitiv verboten und in der Beilage verkündet Siegel dies. Gleichzeitig kündigt aber derselbe Buchhändler Türk, bei dem dasselbe erschien, eine andere Zeitung, die Konstitutionelle an, also bloß die Sirene wird geändert. Was hat nun das Ministerium davon? Dezember 23 Am 14. d. M. erklärte Zschinsky in der Kammer, dass nunmehr demobilisiert werden solle. Bis heute ist noch kein Mann entlassen. Das war denn doch selbst der jetzigen Zweiten Kammer zu toll und in der letzten Sitzung interpellierte ein quidem Lehmann deshalb und einer der Führer der Rechten – wenn man in dieser Kammer von etwas anderm überhaupt reden kann – Rittner forderte die Kammer auf, ihre Beistimmung zu dieser Interpellation zu erkennen zu geben, was denn auch durch einhellige Erhebung geschah. Friesen antwortete darauf, wenn ohne große Opfer für den Staat die Demobilisierung erfolgen soll, könne sie bloß allmählich geschehen! Eine originelle Ansicht, die er auch nicht zu motivieren wusste. Wie ich höre, hat Rabenhorst gern noch eine Weile Soldaten spielen wollen, um dem Kongress noch Mätzchen vorzumachen, und dabei den Vorwand gebraucht, dass Preußen noch ein starkes Corps in der Nähe der sächsischen Grenzen habe. Erst als man auf Anfrage deshalb aus Berlin beruhigende Nachricht erhalten – wie Zschinsky in der Ersten Kammer eröffnete – und als man Rabenhorst überzeugt, dass überhaupt Preußen einige Soldaten mehr als Sachsen zu halten berechtigt und im Stande sei, hat der edle Krieger sich entschlossen, Ende dieses Monats zu demobilisieren. Zugleich hat er eine Order an die Handwerker und Gewerbsleute, bei denen er große Bestellungen gemacht, erlassen, durch welche die letztern zurückgenommen worden. Die Beteiligten scheinen aber nicht ganz damit einverstanden und ein Gürtler hat eine Entschädigungsforderung von 10 000 Taler gestellt, wie mir Ehrenstein sagte. Auf dem Königstein lagern 80 000 Pfund steinharter Brotzwieback, bestimmt, in die Feldkessel geworfen zu werden, da der Mist ungekocht ganz ungenießbar ist. Das sollen die Soldaten nun essen – wahrscheinlich will er sie so lange behalten, bis alles aufgefressen ist. Adolf muss von Großenhain nach Leipzig einen viertägigen Marsch machen und morgen be-
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ginnen, während die ganze Gesellschaft in drei Stunden in Leipzig sein könnte, was natürlich dem Lande viel weniger kosten würde. Und zu allem sagt kein Mensch ein Wort, sondern alles huldigt dem umsichtigen kräftigen Ministerium!! Heute ist nun der Ministerkongress zu den freien Konferenzen zusammengetreten.31 Ich glaube, es sind 37 Stück da. Um 10 Uhr fiel es noch irgend jemand bei, dass die Herren in ihren Debatten, die im Brühlschen Palais stattfinden, durch das Wagengerassel gestört werden möchten und da wurde eine Masse Militär requiriert, welche die Straße schleunigst hoch mit Sand überschütten mussten, den der Kongress wahrscheinlich den Leuten in die Augen schütten will. Ich begegnete Seebach, der in einer Droschke herumfuhr und, da er Beust nicht getroffen, nicht wusste, wohin er sich wenden sollte. Um 2 ist die Konferenz zusammengetreten und ist halb 3 wieder auseinander gegangen. Dann haben sie um 4 beim König gegessen. Das ist ihr heutiges Tagewerk, welches die schönsten Ausspizien für die Beschleunigung eröffnet. Zschinsky, den ich Abends in der Ressource traf, war ebenso wie Beust der Ansicht oder Hoffnung, dass die Sache sehr lange dauern werde. Natürlich! Jetzt wollen die kleinen Krebse auch mitreden, ehe sie gesotten werden in dem großen Kessel. Für jemand, der wie ich es wirklich ehrlich meint mit Deutschland, dem das große Ganze wichtiger ist als der kleine Fetzen. sind alle diese Verschleppungen, Halbheiten wahrhaft trostlos. Daneben tröstet einen aber doch die ungewisse Hoffnung, dass Deutschland noch eine bessere Zukunft bevorstehe, wenig über das Miserable unserer sächsischen Zustände, wo Finanznot, Militärarroganz, Mangel an Intelligenz im Ministerium, Lahmheit und Lauheit überall einen Zustand herbeiführt, gegen den unsere vormärzlichen Zustände golden waren. Wäre es möglich, das Ministerium Könneritz, wie es war, wieder herzustellen, selbst die äußerste Linke würde es jetzt mit Freuden begrüßen. Von Mathilde sind die Nachrichten so wie ich sie erwartet habe. Wackerbarth, ungebildet aber praktisch, findet sich in die Zustände, ist zufrieden. Mathilde, eigensinnig und hochmütig, ist sehr missmutig, will kein englisch lernen, alles haben wie in Deutschland und mag ihrem Mann die Hölle ziemlich heiß machen. Sie wohnen in einem entstehenden Städtchen Narrowsborough im Staate New York am Delaware und an einer Eisenbahn. Schwarzenberg32 hat zuerst heute Morgen die Besuche der andern Gesandten entgegengenommen, dabei aber sehr vornehm und kühl getan, gesagt, es komme vor allem darauf an, die Ruhe überall wo sie gestört sei, mit größter Energie herzustellen. Die Verhandlungen selbst hat um 2 Schwarzenberg mit einer Rede eröffnet, die gar keinen Anklang gefunden und wenig Hoffnungen gemacht hat. Es ist darin das Bestreben, Österreichs Direktorium festzuhalten, sehr klar enthalten gewesen ebenso wie es sich dabei ergeben, dass Preußen und Österreich noch gar nicht einig sind. Er hat gesagt, es komme darauf an, die Bündnisakte zu revidieren und deshalb wolle man in der nächsten – nach den Feiertagen zu haltenden Sitzung – Sektionen wählen, um die Bundesakte in ihren einzelnen Bestandteilen zu revidieren – also nicht zunächst die Hauptsätze! – Beust hat dann recht gut gesprochen und Pfordten auch das 31 32
Insgesamt dazu Jonas Flöter, Günter Wartenberg (Hrsg.): Die Dresdner Konferenz 1850/51. Föderalisierung des Deutschen Bundes versus Machtinteressen der Einzelstaaten. Leipzig 2002. Schwarzenberg, Felix Fürst zu (1800–1852), Feldmarschallleutnant. Ministerpräsident Österreichs ab November 1848. Siehe Biographien zur deutschen Geschichte, S. 463–464.
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Maul nicht halten können. Beust hat übrigens mit Manteuffel Bemerkungen getauscht, die Schwarzenbergs Benehmen nicht sehr günstig gewesen. Wir sind also noch weit, sehr weit vom Ziele! Hoffentlich einigen sich Manteuffel und Schwarzenberg während der Feiertage noch über die Hauptsätze! Dezember 24 Seebach kam heute früh zu mir. Ich hatte ihn lange nicht gesehen und daher viel mit ihm zu sprechen. Wenn man seine Schilderungen über die Zustände in den kleinen Ländern, die er regiert, hört, so kann man doch keinen Augenblick zweifeln, dass deren Fortbestand unmöglich ist. Er hat auch allerhand Ungezogenheiten in Koburg dulden müssen, weil er einen Liberalen, der sich Pressvergehen zu Schulden kommen lassen, polizeilich nachgestellt hat. Sie haben ihm Kanonenschläge vor den Fenstern losgelassen, ein paar Fenster eingeschlagen, seine Kinder mit Steinen geworfen, in den Straßen geschimpft und spektakelt, bis die Bürgerwehr der Sache kräftig entgegengetreten, als er in öffentlichem Geheimnis einen Offizier nach Erfurt geschickt. Er erzählte mir, dass er mit Bayern eine unangenehme Differenz gehabt. Der dortige Koburger Geschäftsträger hat sich nämlich durch einen Kanzlisten des hannoverschen Gesandten, einen geborenen Koburger, Abschrift der Münchner Verhandlungen und der Instruktion des gedachten Gesandten heimlich zu verschaffen gewusst und dann· ist die Geschichte in der Kölner Zeitung abgedruckt worden. Pfordten hat Feuer und Flammen geschrien und der arme Koburger Diplomat hat müssen abberufen werden. Beust hat Seebach sehr offenkundig angedeutet, dass doch die Herzogtümer sich vom Königreich Sachsen möchten mediatisieren lassen – anschließen, wie er es euphemisch ausgedrückt hat. Seebach hat ihm aber erklärt, dass man für das Königreich dort gar keine Sympathien hege, das Budget hier auch kaum solche Wünsche werde entstehen lassen und – dass man auch Beust selbst nicht traut. Dies Letztere ist nun freilich etwas wenig diplomatisch und Beust hat es auch nicht gerade sehr angenehm gefunden. Ich besuchte nachher den Minister Könneritz, mit dem ich ein langes Gespräch über die deutsche Frage hielt, wo er ganz liberale Ansichten aussprach. Er meinte, nur Preußen werde einer Volksvertretung beim Bunde entgegen sein, weil die preußischen Kammern sich dem deutschen Parlament nicht würden unterordnen wollen. Dezember 27 Um 1 ist heute die zweite Sitzung der Konferenz gewesen, worin die Verteilung der Sektionen zur Bearbeitung oder Revision der Bundesverfassung erfolgen soll. Schwarzenberg und Manteuffel haben Vorschläge gemacht, denen wohl kein Widerspruch entgegengetreten sein wird. Seebach erzählte mir, dass, als er Zschinsky gefragt, ob er denn nicht selbst an den Verhandlungen werde teilnehmen, geantwortet: „Nein, ich habe Beust damit beauftragt.“ Letzterer würde ihn nicht übel ausgelacht haben, wenn er sich selbst hätte beauftragen wollen. Ich bekam heute einen Brief von meinem alten Siemens aus Hannover, der seine politische Tätigkeit auch beschlossen hat und wenig Lorbeeren und wenig Freude daran gehabt haben mag. Er war im Vorparlament in Frankfurt, in Gotha – was ist von alle dem das Resultat – beschriebene und gedruckte Makulatur! Albert kam heute zu mir, um mir zu erzählen, dass Ernst ihm geschrieben, er möge doch Zöschau verkaufen. Er wolle das Bergstudium ganz aufgeben, jetzt bei Albrecht Weber – dem Professor der orientalischen Sprachen in Berlin –33 orientalische Sprachen treiben, um 33
Weber, Albrecht (1825–1901), 1842–1845 Studium der Sprachwissenschaftten in Breslau, Bonn und
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nächsten Sommer „zur Erfrischung seines geistigen Lebens“ nach dem Orient zu gehen, wo er einige Jahre bleiben und dann Literat werden wolle. Jedes Wort ist ein Unsinn und nur das klar, dass er, was er immer war, geblieben ist, ein fauler eitler phantastischer Mann. Er wird seine paar tausend Taler vertun, um dann als literarischer Zigeuner, ohne was gelernt zu haben, über die Welt, Verkennung zu lamentieren und in irgend einer elenden Zeitschrift a ½ Neugroschen pro Zeile zu schmieren. Albert hatte Lust, den Anteil Ernst’s an Zöschau, natürlich höchst billig, zu kaufen. Das sind nun die Folgen der Erziehung, die diese Knaben bekommen haben! Zu raten ist Ernst auch gar nicht, denn er ist die personifizierte Weisheit, hat überdem sich uns auch stets ganz fern gehalten. Lief er doch am Begräbnistage des seligen Vaters von Zöschau fort, um in Oschatz Billard zu spielen! Dezember 29 Heute endlich einmal ein ordentlicher Schneetag. Ich erkenne eigentlich den Winter nicht eher an, als bis der Schnee liegt. Wir hatten gestern Abend ein Zauberfest bei Ferdinand, d. h. zwei Whistpartien und dann gutes Souper, wobei er immer etwas Besonderes, d. h. Kostspieliges, Ausländisches hat. Diesmal waren es Schnepfen mit Trüffeln, die er in einer Blechbüchse eingesetzt aus Hamburg mitgebracht hatte. Sperlinge wären wahrscheinlich ebenso wohlschmeckend gewesen als das gewärmte Zeug. Den Vormittag plagten mich Besuche, ein Advokat Gutbier, ein höchst klebriger Mann, dann Albert, der heute gottlob wieder abreist, dann ein neuangestellter Bote aus dem Hauptstaatsarchiv. In den Pausen ward an meiner Wappensammlung gearbeitet, die ich jetzt wieder vorsuche. Heraldik eine sanfte Wissenschaft! Ich finde selbst, dass ich zurücksehe, war Schlafmütze. Ich fange vielleicht auch bald wieder an, mit Bauhölzern und kleineren bleiernen Soldaten zu spielen. Bis zu erstem ist Erhard bereits avanciert. Mittags ging ich mit Sophie ins Hauptstaatsarchiv, um etwas Vergessenes zu holen. Es ist an den Tagen, wo es geschlossen ist, finster wie in einem Sack drinnen und Sophie lässt mich da nicht allein hinein. Es könnte mich was beißen. Das Wetter war schaurig und ich blieb daher den Nachmittag gemütlich zu Hause. Abends erwartete ich Watzdorf und Seebach, allein Ersterer ließ es absagen, Letzterer blieb weg – eine Partie mochte er nicht hoffen und Konversation fürchten. Dagegen kam Kohlschütter und um 9 noch Römer, der, wie er behauptete, die Feiertage und bis jetzt am Budget des Ministeriums des Inneren gearbeitet hatte – auch eine nützliche Arbeit, da die Finanzperiode fast abgelaufen ist. Unter andern quält sich eine Zulage, die der Vorstand der Kunstsammlungen erhalten soll, damit herum, die schon mehrmals vorgekommen und von der Zweiten Kammer abgelehnt worden ist. Höchst lächerlich, wenn man weiß, dass Schulz sie schon seit zwei Jahren bezieht und da sie ihm zugesichert ist, fortbeziehen wird, die Bewilligung der Kammer mag erfolgen oder nicht. Zu diesen Budgetgesprächen ward eine Gänseleberpastete, die Seebach mitgebracht hatte, vollends vertilgt und eine Flasche Bronte Madeira. Wenn Römer so bei mir ein Glas guten Wein bekommen kann, ist er ganz glücklich. Zu Hause säuft er Landwein, den sein Winzer mit Himbeeren verschneidet, ein Gesöff, dessen Geruch schon mir den Magen hebt. Der arme Kerl hat auch bloß 10 000 Taler Revenuen und ist deshalb fast so geizig wie Jordan. Berlin, Promotion und Habilitation 1848 an der Universität Berlin, 1867 o. Professor der orientalischen Sprachen an der Humboldt-Universität Berlin, 1857 Ordentliches Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften.
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1851 Januar 2 Sophie hatte ebenso wenig Lust als ich, den Silvester, wie wir zeither in der Regel getan, in einem größerem Kreise, den wir notwendig hätten bei uns versammeln müssen, zu begehen. Wir blieben daher ganz traulich allein zusammen auf, nahmen, als Gustav zu Bette war, meine Tagebücher vor und rekapitulierten nach ihnen die vergangenen Silvester. Wie viele, die sie froh mit uns begangen, hat schon der Tod dahingerafft: Türk, Wendelenburg, die Ministerin Müller, der arme Gehe, Thieriot. Januar 8 Am Montag gab Beust einen großen Rout von 600 Personen, den wir auf Sophiens Wunsch besuchten. Ich sah dabei Fürst Schwarzenberg, ein langer, aristokratisch magerer Mann mit großer Nase, grauem Haar. Die Abgeordneten der kleinen Staaten liefen auch alle mit Starnickelchen herum. Sie sind hier wie der Hund im Kegelschule: Sie erfahren nichts von den Verhandlungen und möchten doch gern was nach Hause an den Allergnädigsten (nicht Allerwertesten) berichten. Da läuft nun einer zum andern und horcht, ob Schwarzenberg oder Manteuffel etwas gegen ihn fallen lassen hat. Die sagen aber nichts, weil eben nichts ausgemacht worden! Auch Pfordten traf ich bei Beust, so satt und rot wie sonst. Eigentümlich ist es doch, ihn jetzt wieder in diesen Zimmern zu sehen. Was man übrigens von Schwarzenberg zu erwarten hat: bezeichnend nichts. Charakteristisch eine Äußerung, die er gegen Seebach getan. Er hat bei Gelegenheit eines Gesprächs über die Grundrechte, die in Koburg Bestandteil der Verfassung und noch erweitert sind, geäußert: Es gibt keinen größern Unsinn als unabsetzbare Richter, unverantwortliche Landstände auf der einen und immer verantwortliche Minister auf der andern Seite. Das sagt der Minister, von dem die neue Ordnung Deutschlands ausgehen soll. Beust hat rechtes Malheur mit seiner Frau, einer hochnäsigen koketten Person, die eine Liebschaft mit dem hannöverschen Charge d’affaires von Steinberg so öffentlich betreibt, dass es unter der vornehmen Gesellschaft – wir gemeinen Leute kümmern uns nicht darum – Indignation zu erregen anfängt und das will doch etwas sagen. Selbst bei dem Diner, welches Beust den fremden Ministern hier gegeben, hat sie mit dem – natürlich am Ende der Tafel sitzenden Steinberg unausgesetzt geliebäugelt etc. Januar 19 Gestern Abend gab Ehrenstein eine Herrengesellschaft mit Souper. Ich muss gestehen, dass mein Widerwille gegen die menschliche Gesellschaft durch solche Gesellschaften immer neue Nahrung erhält. Ich saß bei Tische neben Nostitz aus Paulsdorf, jetzt in der Zweiten Kammer, und Major von Stieglitz. Was die Leute für reaktionären Unsinn schwatzten und welche Verketzerung, welche Wut gegen alle Andersdenkenden! Es ist auch ein ruhiges Gespräch mit dergleichen Leuten gar nicht zu führen, weil sie, sobald man nur ihre politischen Konfusionen berührt, sogleich Feuer speien. Heute Morgen kam Feilitzsch, ein alter Universitätsfreund, ins Archiv. Gott, ist der Mann alt geworden. Ein ganz grauer Kopf. Abends bei Reitzenstein erzählte mir der ehemalige Gesandte in Paris Könneritz folgende fürs Archiv wichtige Notiz. Der Prinz Xaver hat, als er nach der Regierungsabgabe nach Frankreich ging, eine Masse Briefschaften aus der Familienkorrespondenz, u. a. der Maria Theresia, Friedrich des Großen, der Königsmark etc. ebenso wie Staatsschriften, z. B. die Schrift oder Instruktion, die er Friedrich August übergeben, worin er ihn besonders vor dem Adel warnt, mitgenommen – d. h. eigentlich gestohlen. Er brachte sie auf ein Gut bei Troyes. Während der Revolution ward dieses verkauft und die Papiere kaufte als Makulatur
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ein Kaufmann in Troyes. Da sie aber in Maroquinbänden sich befanden, mag er sie doch für etwas Besseres gehalten haben und stellt sie auf den Boden. Im Jahre 1833 kommt ein internierter polnischer Flüchtling dahin, findet, als der Käufer stirbt, diese Schriften und kauft sie. Durch Fürst Czartoryski erfahrt es Könneritz und kauft für 9 000 France die Saxonica, indem der Pole die auf Polen bezüglichen zahlreichen Schriften nicht hergeben will. Der König hat nun die Summe Könneritz restituiert und die Gesamtmasse, wie Könneritz sagt, mehrere 1 000, selbst aufbewahrt, zeigt sie auch niemand. Schade, dass die Schriften nicht ins Archiv gelangen.34 Januar 27 Seebach kam in Begleitung seines Herzogs, der sich mit dem hiesigen Hofe wieder auszusöhnen beabsichtigt, nachdem er als eifriger Anhänger der Union hier gewaltig ins Fettnäpfchen getreten, vor einigen Tagen hier an und besuchte mich mehrmals, teils um einige seiner Gothaer Angelegenheiten mit mir zu besprechen, teils um seine Not mit den hiesigen Konferenzen zu beklagen, die eben gar nicht vorwärts kommen. Beust war auch vorgestern Abend bei uns. Seine Frau trat mit der brennenden Zigarre bei uns ins Zimmer – wie sie denn überhaupt auf eine nahezu sehr absurde Weise die Emanzipierte spielt. Ihr Verhältnis mit dem hannoverschen Charge d’affaires von Steinberg ist mehr als stadtkundig und von einer Art, dass die Duldung allerdings Beust’s Ehre beeinträchtigt. Dass er alles das, was alle Welt weiß, nicht wissen sollte, ist kaum glaublich, wie kann man sich aber sein Benehmen erklären. Mir tut es wahrhaft wehe, wenn ich den Beust meiner Jugend mit dem jetzigen vergleiche! Sophie ist immer noch nicht ganz hergestellt, liegt alle Tage bis Mittag im Schweiß und schläft die Nächte nicht. Wir lehnten daher auch gestern einen Rout bei Graf Holtzendorf ab und tranken tete a tete mit Römer unsern Tee. Februar 4 Ich hatte gestern, nach längerer durch Helds Krankheit verursachter Pause, wieder Gesetzgebungssitzung. Dann ging ich wie gewöhnlich zu Hause und der Abend ward, da Sophie gottlob jetzt keine Grillen hat, gemütlich lesend, rauchend etc. zugebracht. Februar 10 Gestern Abend waren wie gewöhnlich Römer und Ehrenstein und extraordinarie Jordan cum uxore bei uns. Eine Geschichte macht hier jetzt viel Redens. Der Appellationsrat Höpfner, demagogischen Andenkens, ist seinem Glaubensbekenntnis sehr untreu worden, indem er sich mit einer neuen Hofuniform dekoriert, bei jeder Gelegenheit bei Hofe produziert hat, so auch auf dem ersten angesagten Hofballe. Das erscheint einigen jungen Offizieren als crinon lathae majestatio. Sie stellen sich um ihn herum und führen höchst anzügliche Reden von Hinauswerfen etc. Hierauf verschwindet er, reicht aber eine Beschwerde beim König, beim Kriegsminister und zugleich eine Injurienklage ein. Erstere haben nichts darauf getan. Allein der Hofmarschall hat ihn privatim ausforschen lassen, ob er zum nächsten Balle wieder erscheinen werde, um dann Maßregeln gegen eine Wiederholung solcher hyperloyalen Demonstrationen zu ergreifen – welche, darüber mag sich der Herr von Gersdorf wohl selbst nicht recht klar gewesen sein, da er doch Höpfnern nicht von Kammerherrn hätte umzingeln lassen können. Höpfner hat ihn aber durch die Erklärung, dass er seine Hofuniform verkauft habe, aller Beschwerde enthoben. Der hätte freilich viel besser getan, wenn er sie sich gar nicht hätte machen lassen. 34
Siehe Bestandsübersicht des Sächs. Hauptstaatsarchivs. Teil II. Leipzig 1994, S. 652: Fürstennachlaß Xaver. VIII.2.1.06.
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Februar 18 Die Prof. Cotta aus Freiberg, welche unser Haus gern als ein Hotel garni, wo man nichts bezahlt, betrachtet, ist wieder einmal seit einigen Tagen bei uns. Was sie eigentlich will ist mir nicht klar. Sie ist schon einige Wochen von Haus weg, jammert nach ihrem Mann und ihren Kindern und – bleibt ganz ruhig hier. Eben war Held bei mir im Archiv, der nun auch die Bearbeitung des Prozessgesetzes übernehmen wird. Ein tüchtiger Arbeiter ist er, ein klarer Kopf, aber – ein Lump. Habsucht und grenzenlose Eitelkeit regieren ihn abwechselnd. Februar 23 Die Prof. Cotta kam, ging, kam zur großen Belästigung Sophiens, der die Sache doch am Ende zu viel ward, zumal sie noch ein achtjähriges sehr ungezogenes Mädchen mitbrachte und in Folge ihrer Konfusion und vielfachen Bedürfnissen immer die gesamte Dienerschaft in Tätigkeit setzte. Am Sonnabend war sie (gestern) denn glücklich abgesegelt und Sophie eben erst zum Bewusstsein der Ruhe gelangt, da klingelt es wieder und herein tritt mit einem Empfehlungsschreiben von der Schwester der Cotta eine uns ganz fremde Weibsperson, Agathe Carstens aus Hamburg – einfach, um bei uns zu wohnen. Sie wollte hier für den Sohn des Prof. Breithaupt, der in die Maiereignisse verwickelt ist, bei der Ministerin Zschinsky intercedieren. Die Absicht war ganz gut, allein ich sagte ihr vorher, dass es ganz vergeblich sein wird. Sie trat inzwischen ihre Expedition an und kam nach einer Stunde sehr verweint, aber sehr zufrieden über den Empfang wieder an. Nachdem sie dann bei uns gegessen und uns durch ihr ganzes Wesen eben keineswegs gefallen, ward ihr eröffnet, dass wir den Abend nicht zu Hause seien und so deutlich als möglich gemacht, sie möge sich auf die Rückreise begeben. Das hatte dann endlich das Resultat, dass sie abzog, aber doch nicht nach Freiberg, sondern zu einer Schauspielerin Mad. Kriete, der wir sie gern gönnen. Abends war großer Ball bei Beust, wo Königs, Prinzen, alle Kongresskerls etc. erschienen. Der Ball war wie andere dergleichen, hochmütiges Volk kroch doch um die Fremden herum. Pfordten stolzierte in den Sälen herum, als wollte er sagen „Petz ist wieder da“, warf sich auf ein Sofa neben die klapperdürre Lemaistre , dass sie aussahen wie Frosch und Sardelle. Vor einiger Zeit ist hier eine sonderbare Geschichte passiert. Ein Russe, natürlich ein Graf, weniger kann ein Russe nie sein, erkundigt sich hier bei einem Arzt, ob er nicht ein Mädchen wisse, welches unrettbar dem Tode verfallen sei. Es wird ihm als eine solche Unrettbare ein armes unbescholtenes Bürgermädchen bezeichnet, die in der Diakonissenanstalt an der Schwindsucht unheilbar liegt. Er redet mit den Eltern und proponiert ihnen, die Tochter zu heiraten. Das geschieht auch und er reist sofort ab. Man sagt, er habe dadurch einem unehelichen Kinde, das er von einer andern Frau gehabt, die Legitimation verschaffen, wie ist mir freilich nicht klar. Wahr ist die Sache, denn der russische Gesandte von Schröder bestätigte sie mir selbst. Der alte Reitzenstein erzählte mir neulich auch ein Kuriosum. Die Herzogin Sidonie von Braunschweig, eine Tochter Heinrich des Frommen, Schwester des Kurfürsten Moritz, die von ihrem Manne fälschlich der Zauberei angeklagt ward, worüber ich neulich ganz interessante Akten im Hauptstaatsarchiv fand, liegt in Freiberg im Dom begraben, unmittelbar unter dem Pfeiler, an welchem der Harnisch des Kurfürsten Moritz, den er bei Sievershausen trug, befestigt ist.35 Das Grab hatte sich vor mehreren Jahren gesenkt und Reitzenstein – die 35
Über Sidonie siehe Helga-Maria Kühn: Eine „unverstorbene Witwe“. Sidonie Herzogin von Braun-
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Denkmäler in Freiberg stehen unter dem Hofmarschallamt – beschließt, es öffnen zu lassen, wozu der König Anton erst nach langem Zaudern die Genehmigung erteilt. Die Gruft wird geöffnet und Reitzenstein ist der Erste, der hinabsteigt. In dem Moment, wo er den ersten Schritt tut, klirrt die Rüstung, welche eine angeblich nach Moritzens Bild gefertigte Holzfigur birgt, und das Visier fällt rasselnd herab, so dass das Gesicht sichtbar wird – als ob der Geist Moritzens über die Störung des Grabes gezürnt. Reitzenstein lässt sich aber nicht irren, steigt hinein, findet den Sarg ganz defekt und am Gerippe einen sehr kostbaren Saphirring, den er vergeblich dem Moder hat entziehen wollen. Der König hat verlangt, dass er wieder in den Sarg getan wird, was auch geschehen ist. Das Wunder mit der Rüstung hat sich übrigens nachträglich aufgeklärt. Eine Brechstange, die an den Pfeiler gelehnt gewesen, ist an den Harnisch gerutscht und hat ihn erschüttert. Februar 27 Am Dienstag ein großes Diner bei Beust, wo einige Konferenzherrn, der belgische Minister Nothomb, der neue sardinische Gesandte Marquis Rieci etc. waren. Die Zeitung meldete, dass vor einigen Tagen die Papiere Hermann Müllers und seiner Schwestern wegen des Verdachts, dass sie mit den Schweizer Flüchtlingen korrespondierten, mit Beschlag belegt worden sind. Ich hoffe, dass sie nicht solchen Unsinn getrieben haben. Müller will in der Schweiz gern eine Anstellung erhalten und mag dorthin korrespondiert haben, was vielleicht aufgefallen ist. Heute Abend bin ich bei Schröder zur Partie, morgen zum Diner beim Kammerherrn von Lüttichau. Es ist diese Woche, als ob ich noch wirklich in der großen Welt leben wollte. Februar 28 Dann ging ich mit Sophie in das Gutschmidtsche Haus am Elbberg, wo uns Gutschmidt selbst herumführte. Er ist ein kurioser Kauz, der sein Leben darauf verwendet, Dresdens Verschönerungen auszuhadern und pro viribus auszuführen. Er wünscht, das jetzt erbaute Haus mit 10 000 Talern Schulden zu verkaufen, um das nebenstehende Eckhaus ebenso neu zu bauen. Meinen Einwendungen, dass man das Haus, wenn es wie jetzt mit lauter Türen bestehe, nicht werde erheizen können, begegnete er damit: „Ich heize den ganzen Winter nicht.“ Verona Müller schrieb heute einen Brief an Sophie, dessen Inhalt beweist, wie sie die neuliche Haussuchung als eine ungeheuere Kränkung betrachten, sich gleichsam als mit Schmach bedeckt ansehen. lch hoffe, dass der Leutnant, der das ganze traurige Schicksal über die Familie gebracht, sich nicht mit der Revolutionspartei eingelassen hat, muss aber sagen, dass meine Hoffnung etwas schwach ist. Eine Geschichte, die viel Aufsehen macht, ist ein Schabernack, den die Wachwitzer dem König gespielt. Sie haben in seinem Weinberg eine Hasenjagd veranstaltet. Es ist allerdings um so unverantwortlicher, je wohltätiger der König und die Königin gegen die Armen sich beweisen. So ist es ebenso dumm als boshaft. Solche Geschichten, wo die Rohheit der Menschen so recht krass hervortritt, können mich entsetzlich indignieren. Der Betroffene mag nun ein König oder ein Bettelmann sein. März 2 Beust ließ mich gestern bitten, zu ihm zu kommen und als ich ihn um 1 auf dem Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten sprach, teilte er mir mit, dass er in Gemeinschaft mit den Vertretern einiger anderer Staaten nach der Einführung einer Volksvertretung beim Bunde insistiere, dass dieselbe aber nicht die Natur eines Parlaments mit Bewilligungsschweig-Lüneborg, geborene Herzogin zu Sachsen 1518–1575. Hannover 2009.
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recht etc. haben soll, welche Befugnisse derselben aber beizulegen, dies zu präzisieren sei das Schwierigste. Wir sprachen nun die Sache durch und ich übernahm es, ihm auf seine Ansichten hin, die freilich sanguinischen Hoffnungen nicht entsprechen werden, einen Entwurf zu machen, was ich denn auch heute morgen machte, indem ich mich teils an die bestehenden Bundesbestimmungen hielt wegen der Fälle, die ad plenum zu nehmen, teils die andern Fälle der Gesetzgebung, die mir unumgänglich schienen, aufnahm. So schickte ich ihm die Pastete, worauf er mir den Kommissionsbericht der Konferenz, der die Gründe pro et contra enthält und sich dann für die Volksvertretung ausspricht, „vertraulichst“ zusendete. Wir fuhren heute um halb 1 per Dampfschiff zu Müllers. Die Mädchen waren in einer höchst niedergeschlagenen Stimmung über die bei ihnen vorgenommene Haussuchung, bei der man, obwohl Regierungsrat Thimig36, der die Expedition geleitet, alle Rücksichten hat obwalten lassen, doch alles, selbst die Betten der Mädchen, ihre Kleider, Wäsche durchsuchte, alle Briefe mitgenommen, die man ihnen aber wieder zugestellt. Dass es dabei an lächerlichen Ereignissen nicht gefehlt, ist natürlich. So hat der eine Beamte, ein Ministerialassistent Weiß, einen Brief mit besonderer Sorgfalt weggenommen, der an Verona adressiert, mit einem Amtssiegel versehen, die Bezeichnung Gendarmeriesachen trägt. Was war darin? Ein lächerliches Gedicht von Watzdorf, das sich auf unsere Sonntage bezog und eine poetische Antwort an Verona, die, sehr bezüglich, ihre Schrecken beim Erscheinen des Gendarmen, durch den damals Watzdorf (Amtshauptmann) den Brief zum Spaß bestellen ließ, schildert, und bei der Besorgnis einer Haussuchung. Auch ein Brief von Gustav, worin er ein Paar Handschuhe reklamiert, ist mit Beschlag belegt gewesen. Die Korrespondenzen sind übrigens alle der Art, dass sie vielmehr entschieden zu Gunsten von Müllers sprechen und auch der Bruder, der ehemalige Leutnant, versicherte hoch und teuer, dass er nicht die mindeste Verbindung mit der Demokratie habe. Der Verdacht gegen ihn mag dadurch entstanden sein, dass er wegen seiner Absicht, in der Schweiz eine Anstellung zu suchen, mit einigen dortigen Bekannten korrespondiert, und die Mädchen wegen eines Legats, das eine Dame in Warschau ihnen hinterlassen, mehrfach dorthin Korrespondenzen geführt haben. Wir gaben uns alle Mühe, die armen ganz vernichteten Mädchen, die so miserabel aussehen, dass es mich tief schmerzte, etwas aufzurichten. Allein sie betrachten sich wie an den Pranger gestellt und wollen durchaus fort. Dass ihre Anhänglichkeit an den Bruder, der doch durch seine Eitelkeit, denn diese ist der eigentliche Grund seiner großen angeblich demokratischen Richtung, ihnen alle dieses Ungemach zugezogen, alle diese Feuerproben bestehen. Das macht ihnen Ehre und beweist, dass sie besser sind als alle das Pack, das krummbuckelt und seine Freunde verleugnet, wenn der Wind ihnen ungünstig ist. Abends kam Ehrenstein, Römer, Regierungsrat Schmalz zu uns. Ersterer, dem wir unseren Besuch bei Müllers erzählten und Veronas wahrhaft ergreifenden Brief mitteilten, mag doch dem Gefühl der Scham sich nicht entziehen können, wenn er bedenkt, wie er früher mit den Mädchen war und wie schmählich er sie verleugnet hat. Und hat er denn Vorteil davon. Er wird ebenso gut von der reaktionären Partei angefeindet, seine Frau über die Achsel ange36
Thimmig, Alexander Julius (1803–1852), Regierungsrat in der Kreisdirektion Zwickau. Nach dem Mai 1849 als erster Rat von der Kreisdirektion Zwickau an die Kreisdirektion Dresden versetzt. Als Schwager von Gottfried Semper hatte er diesem vom Zwickauer Stadtrat bei seiner Flucht nach dem Maiaufstand einen Reisepass ausstellen lassen. In Dresden war es nun seine Aufgabe, Untersuchungen gegen die am Maiaufstand beteiligten Personen zu führen.
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sehen – weshalb sie auch nicht mehr die Gesellschaft – was man hier so nennt – besucht – als ob er ehrlich sich seines früheren freundschaftlichen Verhältnisses nicht schämte. März 8 Beust bat mich Anfang dieser Woche, ihm einen Entwurf für die Organisation des Bundesgerichts zu machen, da er Chef der 4. Sektion der hiesigen Konferenz ist, welcher dieser Gegenstand zur Beratung überwiesen ist. Ich machte mich denn gleich über die mir interessante Arbeit und habe sie in wenigen Tagen vollendet. Gestern hielt ich mit Beust noch eine Besprechung über einige Prinzipien, wobei ich freilich seinen diplomatischen Ansichten einige Rechtspunkte opfern musste. Als klarer Kopf bewies er sich dabei aber wieder. Wir waren sehr schnell über die Differenzen einig, da ich hier nur die Absicht haben kann, in seinem Sinne zu arbeiten. Er behauptete übrigens, Müller sei doch sehr kompromittiert. Er habe insbesondere mit einem Sozialdemokraten Wiesner in Paris, der eine Zeitschrift zur Demoralisierung des Militärs herausgebe oder herausgeben wolle, genaue Verbindung und demselben seine Unterstützung zugesagt, auch den Verdacht gegen sich, dass er einem preußischen Offizier, der in Posen sich aus dem Gefängnis befreit, behilflich gewesen. Aber alles das, wenn es Müller selbst auch in den Augen der Polizei verdächtig macht, beweist doch nichts gegen die armen Mädchen, die man nun anfeindet und verleumdet. Kohlschütter, der gestern bei uns war, hat sämtliche in Beschlag genommenen Papiere gelesen und gestand auch zu, dass eigentlich gar nichts erhebliches darin sei, als ein Konzept eines französischen Briefes, worin erwähnt ward, dass jener Preuße Müller besucht und glücklich weitergekommen sei. Am Dienstag war zur Feier des Namenstages des Königs ein großes Zauberfest bei Hofe, wobei junge Damen mit allerhand symbolischen Blumenzeichen dekoriert den König belangten. Auch ward ein Menuett von 16 Paaren im Kostüm von 1730 aufgeführt. Die Herren in der Uniform der ehemaligen Leibgarde sehen insbesondere sehr gut aus. Der König sprach zum ersten Male seit meinem Austritt aus dem Gesamtministerium einige Worte mit mir, indem er mir auf meine durch seine Frage, wie mir es gehe, hervorgerufene Antwort, dass „man sich im Archiv sehr gut konserviere“, entgegnete, es sei eine sehr konservative Stellung – ob ich das ad actum nehmen soll, nescis. Gewiss ist aber, dass ich als ein Radikaler von vielen betrachtet und wohl auch gemieden werde, weil ich mir die Freiheit nehme, von der Leber weg zu reden und achtungswerte Leute, die man bloß wegen abweichender politischer Gesinnungen anfeindet, verteidige. Dies trifft namentlich oft den zwar konfusen, aber grundehrlichen Oberländer, den die Reaktion nun stets als Schuft auch am gelindesten – bezeichnet. Da trete ich denn allemal sehr entschieden dagegen auf, wodurch ich mir, was ich sehr gut weiß, viel bittere Gegner gemacht habe – was mich aber sehr ruhig schlafen lässt. März 10 Heute habe ich meine Deduktion über das Bundesgericht vollendet und das dicke opus Beust übersendet. Um 11 ¾ ging ich mit Erbstein zum Hofrat Winkler, der heute sein 50jähriges Jubiläum feiert, indem er zu der bezeichneten Stunde ins Hauptstaatsarchiv – ich weiß nicht als was, verpflichtet worden ist. Geringemuth hatte auf meine Bitte ein Gedicht dazu gemacht, für dessen Einband ich zu meiner geringen Erquickung fast 2 Taler bezahlen musste. Erbstein übergab es mit einer himmlischen Rede. Die Hofrätin Winkler hielt mich übrigens für den Amtsnachfolger ihres Mannes, der damals Kanzlist geworden war, was mir allerdings einen geringen Begriff meiner äußeren Würde beibrachte.
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Mittags aß ich bei Beust mit dem Petersburger Seebach, dem Hannoverschen Geschäftsträger von Steinberg, dem Civislere der Frau von Beust, und mit dem hannoverschen Konferenzabgeordneten Geheimer Kammerrat von Schele, dessen Bekanntschaft ich machen sollte, weil er einer der wenigen Vertreter des Reichsgerichts bei den Konferenzen ist. Wir sprachen über den Gegenstand und ich ersah, dass er mit meinen Vorschlägen allerdings ganz einverstanden sein wird, dass aber zugleich die Sache noch in sehr weitem Felde ist, da Schwarzenberg wie natürlich dagegen ist. Wir rauchten nach Tische eine Zigarre, wobei aber Frau von Beust heute nicht Gesellschaft leisten konnte, da sie so heiser war, dass sie nicht sprechen konnte, woran die Unterhaltung nicht viel verlor. März 17 Seit einigen Tagen kommen täglich hier österreichische Truppen an, die aus Holstein zurückkehren. Statt sie gleich von Magdeburg nach Prag mit der Eisenbahn zu spedieren, machen sie in Leipzig und Dresden Nachtquartier, wohl nur, um eine Verbrüderung dieser Truppen mit den sächsischen herbeizuführen. Was man sich für Resultate davon erwartet, ist schwer einzusehen, soviel aber gewiss, dass die Einquartierung sehr übel vermerkt wird. Das erste Mal kam ich zufällig dazu, als die Österreicher ankamen und sah dann auch den berühmten Hund, der auf einem Wägelchen die Große Trommel zieht. Nicht genug, dass man die Truppen hier feierlich empfing, lässt der König jedesmal die paar Kompanien Revue passieren, die Königin tritt auf den Altan, der König ladet die Offiziere zur Tafel. Abends gibt ihnen das Offizierskorps eine Fete. Sie erhalten freies Theater, die Gemeinen erhalten eine Anzahl Freibilletts, kurz man tut, als ob man die Erretter Deutschlands zu begrüßen hätte! Die schwarzbraunen Italiener, denn aus solchen bestehen die Truppen, mögen sich selbst am meisten darüber wundem. Am Sonnabend gab Zschinsky einen großen Rout, der denn der Aristokratie, die ihn doch nur ungern duldet, Stoff zu vielen Moquarien Anlass gegeben hat. Wenn er wüsste, wie diese Leute über ihn reden! Ich blieb bloß ¼ Stunde da und nahm dann Ehrenstein und Römer mit, dessen Geburtstag zufällig war und mit einigen Flaschen Wein zelebriert wurde, die er sonst selbst nicht an sich gewendet hätte. Abends waren Römer, Ehrenstein und Kohlschütter bei uns. Letztern hat, wie mir Beust neulich sagte, der neue Zentralpolizeispion Eberhardt,37 der beim Ministerium des Innern angestellt ist, nicht als zuverlässig bezeichnet – oder wie der Ausdruck war, der auf alle jetzt angewendet wird, die sich unterstehen, eine eigene Meinung zu bewahren und nicht zu verhehlen. Wie mag ich nur erst von jenen Biedermännern bezeichnet werden? März 21 Bußtag. Am Dienstag schrieb mir Beust, ich möge ihn doch in der Sitzung der 4. Kommission der hiesigen Konferenzen begleiten, für welche ich den Aufsatz über das Bundesgericht gearbeitet hatte.38 Dies geschah denn und ich betrat denn den Saal im Brühlschen Palais mit rotseidenen Tapeten, wo denn ein schwarzbraunes Stück noch von Brühl 37
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Eberhardt, Georg Christian Friedrich (1795–1852) seit 1806 im Dienst der Stadt Coburg, 1815 Polizeiinspektor in Coburg, 1829–1841 Vortragender Rat in Coburg, seit Mai 1850 Regierungsrat in der II. Abteilung des sächsischen Innenministeriums und Leiter der politischen Polizei. 1851 Mitbegründer der Polizeikonferenzen. Herausgeber des „Allgemeinen Polizeianzeigers“ ab 1835. Siehe Dokumente aus geheimen Archiven.Band 5: Die Polizeikonferenzen deutscher Staaten 1851–1866. Präliminarkonferenzen, Protokolle und Anlagen. Eingeleiet und bearb. von Friedrich Beck und Walter Schmidt. Weimar 1993 (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarehivs Potsdam Band 27). Brief von Beust an Weber vom 17. März 1851 siehe Dokumentenanhang Nr. 11.
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herrühren mochte, während das übrige neueren Ursprungs war – der Stoff mochte nicht ganz gereicht haben. Es war ein treues Sinnbild unserer deutschen Zustände, wo man auch nur ausflickt, wie was blaues Entsprechendes herhalten will. In der Kommission war noch der Abgeordnete von Hannover, Geheimer Kabinettsrat v. Schele, ein tüchtiger Jurist, gescheiter Mann, Legationsrat Liebe aus Braunschweig, bekannt als Zivilist, minder berühmt als Diplomat, anscheinend etwas malitieuser Natur, ein Minister a. D. aus Nassau Freiherr von Dungen, ein taubes Subjekt, was auch nicht spricht, ein Geheimer Kabinettsrat Strauß aus Lippe – Detmold, so klein wie sein Staat, aber großmauliger, übertrieben reaktionärer Schwätzer, der sich aber wie weiland der selige Quatsch Friesen – auf Gründe nicht einlässt, endlich der alte Bürgermeister Schmidt, am Whisttisch nützlicher als an unserem Grünen. Die Verhandlungen waren sehr ruhiger Art. Schele brachte Einiges ganz Interessante und war offenbar der Liberalste. Beust ist nicht so weit Rechts als man oft glaubt, z. B. für Vertretung beim Bund, für allgemeinen Rechtsschutz der Verfassungen beim Bundesgericht, d. h. nach vorgängiger Revision. Allein seine diplomatischen Bedenken, dass man dergleichen nicht durchbringen könne, überwiegen. Freilich, wenn man aus dieser Besorgnis immer das Halbrichtige nur vorzuschlagen wagt, wenn keiner das Maul aufmacht, so kann eben nichts werden als leeres Stroh zu dreschen. Doch gelang es Schele, doch wenigstens den einen Punkt, das auch die nicht garantierten Verfassungen unter den Schutz des Bundes zu stellen seien, als ratsam nochmals der 2. Kommission, welche diese Frage mit behandeln soll, zur Empfehlung zu stellen. Ich konnte natürlich nicht in allen Sachen frisch von der Leber weg sprechen, da ich auf den Entwurf, der nach Beusts Ansichten bearbeitet ist, festhalten musste. Die Bestimmung, dass nur die vom Bunde garantierten Verfassungen unter den Schutz des Bundesgerichts zu stellen, hat Pfordten sehr richtig als eine Mausefalle bezeichnet, denn der Garantie soll natürlich Spezialprüfung seiten der Bundesversammlung vorhergehen und da würde freilich von manchen Verfassungen nicht viel übrig bleiben. Selbst Preußen besorgt dies und will daher von einer solchen Revision und Garantie nichts wissen. Am Mittwoch hatten wir wieder Sitzung und die Beratung wird wohl noch einige Sessionen erfordern.39 Sonderbarerweise brachten das Dresdner Journal und die Leipziger Zeitung das große Ereignis, dass ich an den Beratungen der Kommission teilnehme, unter den halboffiziellen Nachrichten. Deutschland wird nun also vollkommen beruhigt sein, die Kurse werden enorm in die Höhe gehen, wenn die Welt weiß, dass nicht Schwarzenberg und Manteuffel allein die Verfassung Deutschlands machen, nein, dass „Weber“ mit dran hilft. Wenn man nur eben nicht vorher wüsste, dass nichts aus der ganzen Sache wird! Da soll man mit Lust arbeiten und lange Protokolle machen! Gestern hatte uns Ehrenstein zu Tische gebeten mit Kohlschütters und dem TelegraphenDirektor v. Weber, Sohn des Kapellmeisters, einen sehr netten Mann, mit dem ich mich viel unterhielt. Heute habe ich den ganzen Morgen gearbeitet und Sophie ist mit Erhard zu Müllers gefahren, von denen der Exleutnant und Jettchen wieder vor Gericht gestanden haben, um über ein Briefkonzept Antwort zu geben, was Jette angeblich für einen Roman konzipiert hat, worin man aber Andeutungen staatsgefährlicher Art befinden zu müssen glaubt. Dieses 39
Ausführlich dazu D. Wyduckel: Die Diskussion um die Errichtung eines Bündnisgerichtes beim Deutschen Bund. In: Die Dresdner Konferenz, S. 193–217.
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Spionieren und Eindringen in das Privatleben ist doch wirklich schauderhaft – mag es auch der Kriminalrichter und Polizeimann für nötig halten. März 23 Gestern hatten wir die dritte Sitzung in der 4. Kommission über das Bundesgericht. Viel Geschrei und wenig Wolle. Es wird alles davon abhängen, was die 2. Kommission, die die Hauptfragen erledigen soll, tun wird, wahrscheinlich nichts und dann ist die ganze Geschichte verfehlt. Will man insbesondere da aber keine feste Bestimmung darüber treffen, wer bei aufgelöster Ständeversammlung wegen Verfassungsverletzungen klagen kann, so bleibt die Einrichtung eines Bundesgerichts für die Völker eine Glocke ohne Klöppel. Die Glocke ist da, allein wenn der Klöppel – das Volk – an die große Glocke schlagen will, tritt die mangelnde Legitimation ein – und die Glocke klingt nicht! Soviel ich auch darüber mit Beust und in der Deputation vorwiegend von Schele deshalb gesprochen ward, die 2. Kommission soll die Sache entscheiden, man will nur die Ansichten Seiten der 4. Kommission – wahrscheinlich erfolglos – ihr mitteilen. Gestern hatte ich Abends wieder einmal Quartett – da war doch mehr Harmonie als in der Konferenz. Da übrigens die Zeitungen sogar meinen Eintritt in die Konferenzen als ein merkwürdiges, Deutschland beruhigendes Ereignis wahrscheinlich, verkündet, so habe ich, da kein anderer Dichter es zeither besungen hat, selbst getan, wie Beilage zeigt.40 Ich komme mir übrigens bei der Konferenzgeschichte vor wie ein Arzt, der zwar an der Kur eines Kranken nicht hat Teil nehmen können und wollen, weil der Patient die Mittel, die der Arzt als die allein anwendbaren erkennt, nicht nehmen will, der aber nach dem Tode desselben aus wissenschaftlichem Interesse die Sektion übernimmt. März 27 Nach Tische hatte ich Gesetzgebungskommission und spielte nach deren Beendigung eine Sonate mit Anton, als unerwartet der Prinz Woldemar von Holstein, jetzt Kommandant von Küstrin, erschien, weshalb ich denn den Fidelbogen mit dem Weinglas vertauschte. Wir tranken fast sehr – erst Pronte Madeira und dann eine Flasche Ungarwein. Er erzählte uns viel über die preußischen Zustände und Stimmungen. Überall dieselbe Mißstimmung. dasselbe lethargische Wesen im Volke, mit dumpfem Groll! März 30 Der April meldet sich an mit Orkan und Regen, gleichwohl schlug heute der erste Fink im Garten. Abends war Römer und Referendar Süßmilch bei uns. Letzterer oder wer es war erzählte, als wir von Oberstleutnant von Stieglitz sprachen, der eine beispiellose schnelle Karriere gemacht hat, dass derselbe zwar ein Mann von Geist, aber ohne alle Kenntnisse sei, so könne er nicht einmal orthographisch schreiben. Dies ist neulich beim König zur Sprache gekommen, da hat dieser gesagt, auf die Orthographie lege man viel zu viel Wert, wenn man es nur verstehe – diese Geschichte werde ich meinen Jungens wenigstens nicht vor dem 16. Jahre erzählen, sie könnten sonst denken, es sei nichts nötig zum Oberstleutnant, als dass er eben nicht orthographisch schreiben könne. Meine Arbeit bei der Konferenz schloss jetzt damit, dass ich noch ein Expose machte, um nachzuweisen, dass, wie der Beschluss jetzt wegen der Klagen bei Verfassungsverletzungen gefasst ist, dies eine Feuerglocke ist, die man in einem Turm aufhängt, dessen Türe zugemauert ist. Nach der Zusammenhaltung mit der sächsischen Verfassung würden darnach in solchen Fällen bloß klagen können die Stifter, die Universität und die 5 Standesherren! 40
Festgedicht von Weber zu seiner Mitwirkung in der Dresdner Konferenz siehe Dokumentenanhang Nr. 12.
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Das sah auch Beust ein, er sagt mir aber, dass Schele, von dem er den Vorschlag wegen Erläuterung des Wortes „Beteiligte“ in Artikel 30 der Wiener Schlussakte ausgegangen, gegen meine Einwendungen Gegenbemerkungen ihm übergeben, die ich noch nicht gesehen habe. Animam salvavi meam! April 9 Gestern unvergessen: große Feierlichkeiten zur Eröffnung der sächsisch-böhmischen Eisenbahn. Am Sonntag fuhr man von hier aus nach Prag. Ich hatte aber von Graf Kuefstein, der mir persönlich seit dem Landtagsschluss 1848, wo ich eine auf das Verhältnis zu Österreich bezügliche Stelle des Landtagsabschieds nach seiner Ansicht gehässig betont, aufsässig ist, keine Einladung erhalten, wohl aber eine für gestern von der sächsischen Regierung. Wir fuhren um 11 nach Bodenbach, Tetschen gegenüber, wo Villers als maitre de plaisir fungierte. Wir frühstückten in aller Ruhe, bis die Prager Gesellschaft etwa um 2 ankam, wo ein ungeheurer Trubel entstand. Höchst spaßhaft war die Rückfahrt, wo wir mit Italienern und allerlei Volk zurückfuhren, wo denn in allerlei Sprachen, zum Teil in der Sprache der Besoffenen konversiert ward. Ein junger Mann aus Prag, candidatus juris, explodierte sich unterwegs aus dem Wagen. Es ergab sich denn, dass einige unserer Begleiter Bediente waren, woran Ehrenstein, der sich zu mir gesetzt hatte, großen Anstoß nahm. Ich ging nach der Rückkehr noch ½ Stunde auf die Ressource, um die Abenteuer mit anzuhören, die jeder zu erzählen hatte. Ich bekam noch um 1 Uhr eine Einladung zur königlichen Festtafel um 3 Uhr. Es war eine sehr große Versammlung, die in 3 Sälen speiste. Die Masse Uniformen machte die Sache aber glänzend. Vor allem sahen die ungarischen Generale, an der Spitze der alte Graf Schlick,41 sehr ritterlich aus. Rote Uniform, dergleichen enge Hosen mit Goldstickerei, dazu einen weißen Dollmann mit Pelz besetzt und Goldstickerei, Kaiserstutz – es ist die schönste Uniform, die ich gesehen habe. Bei Tische saß ich neben einem badischen Ministerialrat, der als Sachverständiger hier zu den Konferenzen ist. Nach Tische besprach ich noch einmal unser Bundesgericht mit dem Geheimen Kabinettsrat von Schele. Wir wollen das leere Stroh wenigstens bis zu Ende durchdreschen. Abends Partie beim Oberhofmarschall. April 11 Beust ließ mich heute auffordern, an der Sitzung der vereinigten zweiten und vierten Kommission über einige Punkte, wegen deren letztere mit ersterer durch meine Feder kommuniziert hatte, (teilzunehmen). Dabei lernte ich denn den Grafen Alvensleben42, preußischer Minister, und Buol Schauenstein43, österreichischen dito kennen. Ersterer verstand die Debatte gar nicht zu leiten, die sich in allerhand Untiefen verlor. Letzterer war bloß immer der Ansicht, dass nichts zu beschließen sei, was dann auch das Resultat war. Mir machte die ganze Verhandlung einen höchst trostlosen Eindruck, da ich an die gegenseitige Verständigung erzielenden Beratungen eines Kollegiums, bei denen Gründe wirken können, gewöhnt bin, während hier jeder seinen Satz mitbringt und den Teufel nach Gründen fragt. Doch dauerte die Geschichte bis gegen 3 ½ Uhr und ich hatte keine Zeit, zu Hause ein paar Bissen zu essen, um dann wieder in eine Sitzung des Gitterseer Ausschusses zu eilen, dem ich jetzt als Stellvertreter angehöre, wo denn Verhandlungen weniger diplomatischer Natur waren. 41 42 43
Schlick, Franz Heinrich Graf von (1789–1862), österreichischer General. Alvensleben, Albrecht Graf von (1794–1858), preußischer Finanzminister ab 1835. Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand Graf von (1797–1863), österreichischer Außenminister ab 1852.
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April 14 Beusts Frau hat es nun durch ihr rücksichtsloses Benehmen und ihre ziemlich schamlose Courmacherei mit dem hannoverschen Geschäftsträger von Steinberg glücklich so weit gebracht, dass dieses Verhalten im Anzeiger gerügt worden ist. Es wurde beiden unter Anfangsbuchstaben die Orangerie als Rendevousplatz vorgeschlagen. Sehr angenehm für den Ehemann, der offenbar blind sein will! Spaßhaft war – wenn nicht die Sache so traurig wäre – das Resultat auch der zweiten gemeinschaftlichen Sitzung der 2. und 4. Kommission, das sich fast bei allen Punkten darauf reduzierte – nichts zu beschließen. Eigentümlich war, dass der Graf Buol, der Österreicher, sich bei der Frage, wer die Verfassungsverletzungen als Kläger – Beteiligte wie die Wiener Schlussakte sagt – zu betrachten sei, sich äußerte, es müsse da jeder klagen können. So liberal war selbst meine Ansicht nicht, – der Graf Buol aber dachte wohl bloß daran, dass er Standesherr ist und meinte diese! April 16 Die gestrige Konferenz war recht feierlich. Abends hatten wir die letzte Sitzung in der 4. Kommission und ich soll nun das Ganze nach den Beschlüssen be- und verarbeiten. Manches ist besser geworden als mein erster Entwurf, aber alles, was eine liberale Seite bot, ist weggeschnipselt worden. Da doch aus der ganzen Sache nichts wird – egal. April 17 Gründonnerstag. Den Morgen gearbeitet. Mittags war ich fertig und trug das opus zu Beust, den ich nicht fand. Hoffentlich ist nun meine Tätigkeit geschlossen und ich will nur eines hoffen, dass man nicht etwa mich mit einem Orden dafür injurieren wolle, am wenigsten mit dem neu kreierten Albertus-Orden, der sich noch keinen Cours hat brechen können. April 18 Karfreitag. Schon heute bekam ich meine Bundesgerichtsarbeit von Beust zurück. Die 2. Kommission hat ihre Vorschläge modifiziert und nun muss ich von neuem arbeiten. Zudem sind die Vorschläge, auf welche hin ich nun abändern soll, ganz unvollständig. Ich habe die Geschichte nun satt! Nachmittag kam ein stundenlanges Gewitter mit Hagel. Ich war während dem bei Ehrenstein. Er erzählte mir, dass die reaktionäre Partei Fischer und Genossen ein Schreiben an den König gerichtet, worin sie auf Entlassung von Zschinsky, Friesen und Behr angetragen, weil diese hochverräterische Tendenzen verfolgten. (Randbemerkung: Das Schreiben ist nur von Advokat Ebert, dem Herausgeber der Sachsenzeitung, unterschrieben.) Der König hat das Schreiben an das Gesamtministerium zur allfälligen Bescheidung abgegeben, dieses aber die Herren aufgefordert, ihre Anklagen zu beweisen. Ob das nicht ganz das praktisch von Tzschirner und Genossen ist? Ja, es kann noch weit kommen im guten Lande Sachsen. Einen kuriosen Besuch hatte ich heute. Ich studierte mit einem Herrn Gutschmidt, der schon in Leipzig durch ein exzentrisches Wesen, unverschämtes Lügen sich bemerklich machte. Nachdem er ein kleines Erbteil erlangt, gab er das eigentliche Studieren ganz auf, schlug seine Wohnung in der Konditorei von Kinsky auf, wo er den ganzen Tag verweilte, seine Briefe schrieb etc. Sein Vater war im Kriege in Pulowy in Polen geblieben. Dorthin reiste er wiederholt, machte sich, wie er behauptete, mit dem Fürst Czartoriski und der Fürstin, der dermaligen Besitzerin, bekannt, ließ seinem Vater ein Denkmal setzen. Einmal reiste er nach Spanien in Kunstabsichten. Er lud seine Bekannten, Beust, Jordan, Witzleben, Ponickau etc. ein zu einem Souper in Auerbachs Keller. Er eröffnete aber zugleich, dass er selbst erst später nachkomme, da er noch eine besondere Schachpartie ausspielen müsse, ehe er abreise. Das ward bekannt und es fanden sich dann da nun in Auerbachs Keller eine Menge
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Studenten ein, die zwar Gutschmidt gar nicht kannten, wohl aber die Annehmlichkeit, dort umsonst zu soupieren, benutzen wollten. Als Gutschmidt nun nach 11 hinkam, fand er seine Freunde entweder schon fort oder betrunken, mit Ausnahme meiner, der ich eben den ganz besoffenen Witzleben fortschaffen wollte, und statt dessen lauter fremde Gesichter, welches Vergnügen er mit 80 Talern bezahlt hat. Er hat nun allerhand fate gehabt, war eine zeitlang bernburgischer Leutnant und hat jetzt mit den Trümmern seines Vermögens und sehr vielem fremden Gelde ein Haus am Elbberg im venetianischen Stil erbaut, welches eine allerdings reizende Lage, aber gar keine Fenster, sondern bloß Balkontüren hat. Wir sahen es uns neulich an und ich machte ihn dabei auf allerhand Vorkehrungen aufmerksam, die nötig sein würden, um das Haus im Winter bewohnbar zu machen und die Zimmer erheizen zu können. Da sah er mich ganz erstaunt an und sagte. Heizen? Ich heize den ganzen Winter nicht. Heute kam er denn wieder und erklärte, dass er gern die Veränderungen vornehmen wolle, aber gar kein Geld, wohl aber auf dem Hause. das ihm 2 000 Taler koste, 20 000 Taler Schulden habe. Ich möchte doch den Mietzins auf ein Jahr vorauszahlen. Er will übrigens nach Triest gehen, d. h. anscheinend durchbrennen, um dort Sprachstunden zu geben. Er hat hier sich um eine HofsekretärsteIle beworben. Man hat ihm auch Hoffnung gemacht, allein zugleich eröffnet, dass er eine Uniform blau mit Silber erhalten werde und bei Gala – mit zu servieren habe. Das Pulver war ihm doch zu stark gewesen. April 20 Ostersonntag. Ich suchte gestern Beust im Brühlschen Palais auf, wo die 2. Kommission große Tätigkeit entwickelt, um ihre Arbeit zu vollenden. Wir konnten uns nicht einigen, allein Beust erkannte doch, dass es nötig sein werde, ehe er bedeutende Abänderungen des schon beschlossenen Entwurfes vornimmt, die andern Herren auch zu hören und so soll dann noch eine Sitzung der 4. Kommission stattfinden. Nach Tische hatte ich Zivilgesetzgebungssitzung. Abends Partie bei Reitzenstein. Ich traf da zufallig Zeschau zuerst allein. Er hat sich einige Male gegen mich so unhöflich benommen, z. B. meinen Gruß nicht erwidert, so auch heute. Auf einmal kam er auf mich los und war wie ein Ohrwürmchen, verwickelte mich in ein langes Gespräch. Ist nun so ein Benehmen nicht über alle Begriffe lächerlich? Ich bin einer von den sehr Wenigen gewesen, die Zeschau, weil ich ihn wirklich achtete, während der Zeit seiner Erniedrigung mit der größten Aufmerksamkeit behandelt habe. Ich bin, was ich nicht tat, als er Minister war, in dem Jahre 1848 wiederholt zu ihm gegangen, während Andere ihn flohen. Ich habe z. B. bei seiner Pensionierung damals ihm mich so gefällig und zuvorkommend erwiesen, wie ich es nur getan hätte, wenn er Minister geblieben wäre – und jetzt kennt mich der Mann nicht mehr – wie ich aber grob werde, wird er höflich! Pfui Teufel muss man doch immer und immer wieder rufen! Dabei tut er, als ob er etwas die Hand im Spiele und die leitenden Fäden in der Hand habe, beschmeichelt Beust usw., während ich doch aus des letztern eignen Mund weiß, dass Zeschau auch ganz und gar nichts bei der Sache zu tun hat, dass sein hoffärtiges Wesen, seine Herrschsucht ihn in Berlin ebenso lästig und unangenehm gemacht, dass er sich dort gar nicht länger halten konnte und dass Beust sich wohl hütet, ihm irgend einen Einfluss zuzugestehen. Oranitas sanitatum! Gestern bekam ich einen Brief von Minister Könneritz, der Akten aus dem Archiv haben wollte. Der Mann, der Braun als Kammerpräsidenten „Seine Hochedelgeboren“ graduiert, der mich, wenn er an mich schrieb, „Sr. Wohlgebornen Herrn Ministerialrat Dr. Weber“ bezeichnete, weil er den neuen Adel nicht anerkannte – er nennt mich jetzt „Herr Geheimer
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Rat“. Was er sich nur dabei gedacht haben mag – ob er nicht fühlt, dass, wenn ich übel wäre, darin gerade eine Verletzung liegen müsste. So haben ich und Sophie herzlich lachen müssen. Ich saß halb 12 ganz fidel zu Hause, als auf einmal Beust aus dem Brühlschen Palais schickte und mir sagen ließ, sie warteten schon seit 11 Uhr, was ich allerdings nicht ahnen konnte, da er mir gesagt, er wolle mir Nachricht geben, wenn die Sitzung stattfinden solle, was nicht geschah. Ich fand denn die Kommission meiner wartend. Um 1 war die Sitzung zu Ende und um 2 schickte ich schon einen Portechaisenträger mit dem neuen Entwurf zu Beust. Über Saumseligkeit kann er also nicht klagen. Nach Tische fuhr ich nach Kötzschenbroda, ging einen Augenblick zu Müllers, wo ich aber eine Masse Menschen fand, eine Generalin v. Gutschmidt mit verschiedenen Kindern oder Enkeln, und Dr. Vehse,44 dann aber den Prof. Wigard,45 den Mann ohne Hinterkopf, nach dessen Bekanntschaft ich eben nicht begierig war. Ich ging daher mit Verona zu Pilgrims und bemühte mich, sie zu überreden, den unsinnigen Entschluss, von Sachsen fortzugehen, aufzugeben. Die Haussuchung hat aber Verona förmlich konfus gemacht. Ihr Hochmut hat zu sehr darunter gelitten, wie sie dann auf eine gar nicht demokratische Weise sich über die niederen Stände, denen man sich dadurch für gleichgestellt erachtet, ausspricht. Ich warnte sie auch aufs Dringendste, sich nicht etwa mit Politik zu befassen. was sie denn jetzt, wenn der Hermann in der Schweiz bleibt, wohin er morgen abreisen will – ich dachte nach einem Abschiedsbillett, was er mir mit vielem Dank für unsere Teilnahme an seinen Schwestern schrieb, er sei schon abgereist – recht gut tun könne. Ich riet ihnen, sie sollten nach Meißen gehen, wo sie still, wohlfeil und angenehm leben können. Alles wird freilich davon abhängen, ob sie ihre jetzt zu erneuernde Pension wieder erhalten. Beust versicherte mir, er werde sich dafür verwenden. Zschinsky hat dem Assessor Müller, der deshalb bei ihm war, allerdings vielfache monita gegen die politischen Tendenzen der Schwestern gemacht, allein doch erklärt, er werde nicht gegen die Bewilligung sein. – Müllers sehen übrigens natürlich sehr schwarz in die Zukunft, Revolution etc., ebenso die Pilgrim. Es kommt da auf die Brille an, durch die man sieht. Ich sehe überall bloßen dumpfen Groll, keine Fähigkeit und keinen ernsten Willen zu handeln. Beust aber meinte auch, es werde jetzt eine große Tätigkeit seitens der demokratischen Partei entwickelt, darauf die Absicht, von Neuem Spektakel anzufangen, deute. April 23 Gestern Mittag aßen wir auf dem Paradiese, wo auch die Familien v. Craushaar und v. Teubern waren. Als ich zu Hause kam, hörte ich, Seebach sei bei mir gewesen und werde Abends in der Ressource sein. Ich ging daher hin und wir besprachen denn die deutschen und seine Spezialverhältnisse, die das Gemeinschaftliche haben, dass sie so konfus und traurig als möglich sind. Auch er drischt leeres Stroh und macht nun den dritten Verfassungsentwurf. Ein lächerliches Malheur ist dem Geheimen Kirchenrat Hübel passiert. Es hat sich in seinem Hause an der EIbe ein Bordellchen etabliert. Er hat, von der Polizei aufmerksam gemacht, wahrscheinlich weil der Mietzins pünktlich einging, nichts getan und nun hat die 44
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Vehse, Karl Eduard (1802–1870), Archivar und Historiker. Siehe Manfred Kobuch: Eduard Vehse (1802–1870). Aspekte seines Wirkens als Demokrat, Historiker und Archivar. In: Archivmitteilungen. Jg. 35. 1985. Heft 1, S. 31–36. – Ders.: Geschichte und Geschichtsschreibung Sachsens im Urteil Eduard Vehses. In: Jahrbuch für Regionalgeschichte. Band 13. 1986, S. 188–219. Wigard, Franz Jakob (1807–1885), Professor an der Stenographischen Lehranstalt Dresden.
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Polizei auf einmal das ganze Nest ausgenommen. Auch nicht übel für einen Geheimen Kirchenrat! Mai 2 Gestern musste auf einmal über Hals und Kopf der Bericht der 4. Kommission über das Schiedsgericht gedruckt werden, wahrscheinlich damit die Herren ihn in der Walpurgisnacht fertig finden sollten. Da das erste Mal eine Menge Druckfehler darin waren, ließ ich mir die Korrekturbogen selbst vorlegen, was dann bis spät Abends einen Kurierwechsel nach sich zog. Mai 3 Als ich früh im Archiv alte Akten, die einmal in Merseburg im Wasser gelegen haben und einen schwindsuchterregenden Staub erregen, ordnete, kam der Geheime Kabinettsrat v. Schele, der hannoversche Konferenzabgeordnete, angefahren und übergab mir ein dickes Paket, mit dem Eröffnen, dass es ein Komthurkreuz des Guolphen – Ordens enthalte, für meine Arbeit für die Konferenz. Es war gut, dass er das hinzusetzte, fast hätte ich gar nicht gewusst, weshalb ich einen hannoverschen Orden bekomme. Er schien etwas erstaunt, dass ich nicht sehr viel Freude bezeugte. Es war aber wirklich mir mehr unangenehm, da ich nun einmal solchen Alstergereien keinen Geschmack abgewinnen, keinen Wert beilegen kann. Ich war nun doch neugierig, aus dem Schreiben, dessen Eröffnung ich Sophie vorbehielt, zu ersehen, was der alte Herr Ernst August für Verdienste an mir gefunden habe – aber prosit die Mahlzeit, pfiffig, wie er ist, hatte er sich damit aus der Affaire gezogen, dass er mir den Orden bloß „aus Wohlwollen“ und als Beweis „seiner Achtung“ gegeben – wie ich diese Artikel verdient weiß ich allerdings noch weniger, indessen war er seinerseits wenigstens gedeckt. Lieber Gott, wenn der selige Vater den Orden bekommen hätte, welche Freude es ihm gemacht hätte! Ja selbst wenn ich ihn vor 10 Jahren bekommen hätte, hätte ich mich wahrscheinlich daran ergötzt. Ich sprach übrigens noch viel mit Schele, der ein tüchtiger und ehrlicher Mann zu sein scheint. Er beklagte insbesondere die gänzliche Unfähigkeit des österreichischen Abgeordneten Graf Buol, der wesentlich ein Hindernis gewesen, erkannte Beust dagegen als sehr befähigt an – ja lieber Gott, wenn er nur ehrlicher wäre, nicht immer Nebenwege und Hintertürchen liebte, wenn er grade drauf ging auf das, was er einmal für richtig hält. Mai 4 Abends kam Beust zu mir, mit dem ich einen Brief an den König von Hannover Ernst August aufsetzte, um mich doch für den verliehenen Schimmel zu bedanken, dessen Schluss mit diplomatischer Feinheit dahin ging, dass ich in der Anerkennung meiner schwachen Bestrebungen bei den Ministerialkonferenzen einen neuen und unschätzbaren Beweis Sr. Majestät Sympathien für die Herstellung eines geordneten und auf sicheren Grundlagen gebauten Rechtszustandes in Deutschland erblicke – eine Beustsche Redensart, die mir sehr ironisch dünkt einem Fürsten gegenüber, der seine Regierung damit begann, die Landesverfassung umzuschmeißen und die zu verfolgen, die den Rechtszustand aufrecht erhalten wollten. Jetzt gilt der Ernst August aber schon für den Ehrlichsten! Mai 8 Als ich heute Morgen im Archiv arbeitete, schickte mir Beust eine Lebensbeschreibung an sich, die für das Brockhausische Konversationslexikon bestimmt ist, damit ich meine Zensur darin üben sollte. Kurios, dass er sein eigenes testimonium morum sich ausstellt. Er hatte es übrigens ganz gut gehalten und sich nicht sehr gelobt. Ich schrieb ihm remittendo, ob ich die Charakteristik mit Spezialnotizen etwa beifügen solle? Daran würde ihm sehr wenig liegen. Von Mathilden bekamen wir einen Brief, wonach sie sich jetzt besser einzurichten anfängt, indem sie, wie sie schreibt, die liederliche amerikanische Wirtschaft beseitigt, d. h.
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wahrscheinlich, einen Kehrstein gesetzt hat. Doch haben sie von ihrem Grundstück, welches viel zu groß ist, immer noch nichts verkaufen können, was schlimm ist, da sie 7 Prozent Zinsen vom rückständigen Kaufgeld geben müssen. Zschinsky, mit dem ich Abends zu Hause ging, erzählte mir, dass sein Vater Ordonanz beim Prinz Xaver, unter dessen Jägern er gestanden, gewesen und nach Beendigung des Krieges durch dessen Verwendung eine sehr gute Fürstenstelle erhalten habe. Er scheint also von ziemlich untergeordneter Stellung und Herkunft gewesen zu sein, was denn der Herr Minister trotz seiner sehr ungelenken Versuche, sich ein gentlemanlikes Benehmen anzueignen, nicht verleugnen kann. Insbesondere wenn er eintritt, macht er allemal ein paar Sätze, als ob er die ersten Versuche zu einem Pas de Cogaque machen wolle. Mai 11 Der Bruder (Oberleutnant a. D. Müller) ist jetzt in Zürich, will sich aber von den dortigen sächsischen Demokraten, Tzschirner und Kons., ganz fern halten. Verona aber hofft immer noch auf Sieg der Demokratie und auf einen im Triumphe heimkehrenden Hermann. Lieber Gott, mag sie bei diesen Illusionen bleiben. Sie findet darin ein Labsal gegen die Kränkungen der Gegenwart, die sie teilweise ganz mit Unrecht betroffen haben. Sie hofft doch noch etwas von und für Deutschland – ich gar nichts mehr! Mai 15 Wir hatten die Prinzess Charlotte zu Tisch gebeten, da ihre Schwestern in Karlsbad sind und ich traf daher gerade um 1 noch einige Vorkehrungen, als ich noch eine Einladung zur königlichen Tafel erhielt. Die Konferenzen sind heute – ohne Schluss, wenigstens ohne Resultat geschlossen worden. Um 5 begab ich mich daher ins Schloss, hing sogar den hannoverschen Schimmel um und sah nun die Herren ankommen. Schwarzenberg und Manteuffel kamen zusammen, um die entente cordiale zu bezeichnen, dann die anderen, unter denen Prokesch, der frühere Gesandte in Konstantinopel, den ein markiertes Zigeunergesicht auszeichnete. Endlich gegen 5 ½ ging es zur Tafel. Das Essen war grundschlecht. Ich saß aber glücklicher Weise neben Weinlig, dieser neben dem Sondershauser P. von Kopp oder wie er heißt, mit dem ich bekannt ward. Nach der Tafel wieder eine lange Cour, die dadurch interessant ward, dass der Hofmarschall keine Lichter hatte anbrennen lassen, so dass man zuletzt König und Konferenzherren nicht mehr unterscheiden konnte. Ich konnte mich dem Prinz Georg vorstellen, der mich in ein Gespräch über Telegraphen verwickelte, worüber er bei mir, zu seinem großen Erstaunen, große Unwissenheit befand. Er hielt mich nämlich für den Telegraphendirektor von Weber, den Sohn des Kapellmeisters. Mai 24 Kälte, Regen, Hundewetter seit Wochen. Gestern besuchten uns Müllers, die ihre Pension „Noch auf 3 Jahre“ bewilligt erhalten haben. Wahrscheinlich will das Ministerium sehen, ob sie artig sind. Sie erzählten uns von Hermann, der in Zürich ist. Sehr charakteristisch für ihre demokratischen Gleichheitsideen war es, dass alles sich darauf reduzierte, dass ihm die Polizei, als er seinen Pass produziert, ihm einen Stuhl offeriert, während die Handwerksburschen, die vor ihm schon gewartet, stehend hatten warten müssen, dass ihn die Leute ehrerbietig grüßten, weil er gut angezogen sei – das sind also die Gleichheitsleute! Da bin ich weiß Gott demokratischer als sie, trotz meines Komthurkreuzes. Mai 25 Früh gelesen, geraucht, gearbeitet. Um 12 mit Sophie zum Prof. Vogel von Vogelstein, um das Bild zu sehen, was er von der Konferenz entworfen hat. Die Mitglieder sind meist sehr ähnlich, insbesondere Präsident Schwarzenberg, Beust. Es ist dies Bild also das Einzige, was fertig geworden ist. Die Konferenz wird immer einen großen historischen Wert durch das Gegenteil behalten.
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Juni 12 Schon werden die Einleitungen zu unserem Umzug nach der Lüttichaustraße Nr. 8 – eine wahre Reise bei der großen Entfernung – getroffen. Beust aß – obwohl der Kochofen defekt ist – Mittags bei uns. Er erzählte mir, dass die Konferenz 4 800 Taler für Douceurs hier gezahlt hat. Davon hat Beust 2 000 Taler für das Ministerium des Auswärtigen genommen – weil die Sache doch eigentlich für dasselbe gehört habe – obwohl keiner was dabei gemacht hat – was er, als ich dies bemerkte, ganz naiv dadurch motivierte, dass eben diejenigen, die gar nichts getan, allemal das Meiste erhielten. Daraus folgt denn natürlich, dass diejenigen, welche arbeiten – nichts erhalten. Drum habe ich auch – ganz richtig – nichts bekommen. Über Seebach war er sehr unwillig, weil er die Frage einer Restauration des Landtages seinen Ständen vorgelegt habe. Großes Verbrechen. Beust blieb bis 7 Uhr, dann gingen wir noch etwas spazieren und Abends war ich beim Oberhofmarschall zur Partie. Juni 20 Herüber ist nun nach einigen beschwerlichen Tagen alles in das neue Quartier. Dennoch herrscht ein chaotischer Zustand, obwohl wir von früh bis Abends arbeiten und arbeiten lassen. Am Mittwoch, dem eigentlichen Auszugstage, wo alles in (Trubel) war, erkundigte sich der alte Oberhofmarschall, wo wir essen wollten und als das wie und wo sehr problematisch erschien, lud der alte gute Herr uns zu Tische, was ich, da es Sophie nicht annehmen konnte, für mich annahm, und so aß ich denn um 4 Uhr dort und er hatte noch eine Whistpartie dazu gebeten. Juni 24 Am Sonntag fuhren wir Mittags mit der Eisenbahn zu Müllers, die nun ihren tollen Entschluss, sich nach Baden, zunächst nach Heidelberg zu wenden, Ende dieser Woche noch ausführen werden. Wenn die Leute einmal entschlossen sind, eine Dummheit zu machen, so hilft weiter nichts. Das habe ich ihnen vielfach gesagt. Als wir zurückkamen, fanden wir den russischen Legationssekretär – ich weiß nicht gleich, wie er heißt – in Uniform auf dem Bahnhof, wo er einen ältlichen, einfach gekleideten Herrn empfing, der, wie ich später hörte, der Fürst Paskiewitsch war. Müllers erzählten das Zusammentreffen Oberländers mit Pfordten, nach des Erstem eigener Relation. Oberländer geht auf der Terrasse und Pfordten kommt ihm mit zwei andern Ministern entgegen. In einiger Entfernung schlägt Pfordten die Augen zu Boden und nimmt die Miene an, die man annimmt, wenn man eben jemand nicht sehen will. Gut, denkt Oberländer. In eine Linie gekommen tritt aber Pfordten an ihn heran und sagt: Können wir uns bei Ihnen versichern lassen. Nein, antwortet Oberländer, es gibt zu viele Brandstifter. (Randbemerkung: Oberländer war damals Direktor der Brandversicherungskommission.) Damit trennen sich die ehemaligen Kollegen! Ich war heute bei Beust, dessen Frau in München ist, wohin er morgen auch geht, um von dort Gastein zu brauchen. Er sagte mir, dass Preußen dahin strebe, eine Zentralpolizei für ganz Deutschland zu organisieren – als eine Art Zentralkommission wie früher für die Demagogen – wogegen er sich aber sehr dagegen stemmen werde. Als ich ins Archiv kam, passierte mir eine lächerliche Geschichte. Es ist da ein Advokat Gutbier, der seit 20 oder mehr Jahren den Access im Archiv hat, aber nichts macht, als sich damit beschäftigt, allen Gutbieren in den Akten nachzustöbem. Heute erschien er mit einer großen Bitte: er wolle nämlich Recherchen über den Deutschen Orden anstellen. Als ich ihm sagte, er werde, wenn er eine literarische Arbeit beabsichtige, dazu der Genehmigung des Gesamtministeriums bedürfen, antwortete er, im Gegenteil, es sei gar nichts Wissenschaftliches.
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Schladitz – auch ein Arbeiter im Archiv – habe ihm gesagt, er habe in einem Buche, dessen Titel er nicht mehr wisse, gefunden, dass ein Gutbier einmal im Deutschen Orden gewesen. Er, Gutbier, habe nun schon alle Schriften über diesen Gegenstand nachgelesen und in einem Buche von Böhmen gefunden, dass zwei – Halbbiere im Deutschen Orden gewesen. Dieser Umstand habe ihm die Hoffnung erregt, dass er doch auch noch einen Gutbier finden werde. Meine Versicherung, dass zwei Halbbiere doch so gut seien wie ein Gutbier, wollte er noch nicht gelten lassen und so arbeitet und büffelt der Büffel vielleicht jahrelang, um zu der Gewissheit zu gelangen, ob im 13. Jahrhundert ein Gutbier im Deutschen Orden gewesen. Es gibt doch keine Eselei in der Welt, die nicht jemand interessiert! Abends nach 9 kam noch Beust, um Abschied zu nehmen, da er morgen nach Gastein geht. Juli 9 Seebach schrieb mir vor einigen Tagen u. a., dass er auch mit wiederholten Anträgen auf Haussuchungen bei Demokraten bombardiert werde, die doch ohne Erfolg bleiben, schon weil die Leute nicht so dumm sind, bedenkliche Sachen hinzulegen. Das Spioniersystem steht in vollster Blüte! Juli 16 Montag fuhr ich auf erhaltene Einladung mit Weissenbach nach Leipzig, zu der auf gestern anberaumten Eröffnung der Eisenbahn nach Bayern über die Göltzsch- und Elstertalbrücke. Dienstag früh ging der Festzug von Leipzig ab. In Werdau empfing uns und den Prinzen Albert, der die Sache leitete, ein Pastor mit einer Rede, während Präsident von Mangoldt aus Zwickau eine Treppe herab in den besten Dreck fiel. Auf den Brücken selbst fanden allerhand Reden und Ordensverleihungen statt. Man konnte aber, eben weil man oben dicht umdrängt von Menschen stand, nichts sehen. In Plauen ward gut gefrühstückt. Ich fand viele Bekannte, u. a. Feilitzsch, dessen Frau ich kennenlernte, eine sehr hübsche Frau. In Reichenbach, wohin der Zug um 12 zurückging, stieg ich aus und blieb zurück. Der Oberingenieur Wilke erbot sich mir, Regierungsrat Schmalz, dem Altenburgischen Obersten Diedrich, Major Graf Holtzendorf und einigen anderen altenburgischen Beamten, die ich da kennenlernte, den Bau zu zeigen. Wir fuhren auf einem Lory, der sich von selbst auf der sich senkenden Bahn bewegte, nach der Göltzsch und bewunderten hier mit Muse den Wunderbau, dem ich kein zweites Werk an die Seite zu setzen weiß. Der Exminister Georgi und dessen Bruder, der österreichische Oberstleutnant, waren auch mit und so verging in Gesprächen und Besuchen sehr angenehm der Nachmittag, bis um 7 Uhr ein Zug uns nach Leipzig zurückbrachte. Unterwegs erzählte der Bankdirektor Frege uns mancherlei von Carlowitzens Mission nach Leipzig anno 1848. Er behauptete, Carlowitz habe keinen Mut gezeigt, Blum und Biedermann hätten ihn aufs Gröbste behandelt und geradezu gesagt, er möge machen, dass er fortkomme. Carlowitz habe das Alles eingesteckt – sonderbar, ich hätte mich da in ihm getäuscht. Heute fuhr ich früh mit dem ersten Zug zurück. Juli 29 Vorige Woche war ich einige Tage mit einem staatsrechtlichen (Problem) für Seebach beschäftigt, über eine Rente, die dem Herzog von Sachsen-Gotha früher stipuliert, jetzt aber von den Ständen verweigert worden. Ich schickte nach Seebachs Wunsch meine Deduktion mit zahlreichen Zitaten, als Pflasterkörner, die in Gotha mehr Wert zu haben scheinen als anderwärts. Mittags schickten die Prinzessinnen zu uns mit der Einladung, den Abend zu ihnen zu kommen, da Prinz Woldemar nur auf einen Tag hier sei. Inzwischen hatte uns aber Naumann jun. (der übrigens Adjutant und Oberleutnant beim 2. Garderegiment ist) geschrieben, dass
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sie den heutigen Abend bei uns zubringen würden. Sophie droschkete daher zu den Prinzessinnen, um sie einzuladen, zu uns zu kommen, was sich aber durch Mangelhaftigkeit der Toilette des Prinzen nicht realisieren ließ. Abends kam denn der alte General und besagter Adjutant, während die Generalin durch Unwohlsein abgehalten ward. August 1 Mittag ließ sich ein Musikdirektor Jähns bei mir melden, mit einem eigentümlichen Antrag. Ich hätte eine alte schlechte Geige, die früher einmal Theodor Körner besessen hatte und die Körners Eltern dem seligen Vater geschenkt, vor einiger Zeit bei Erkauf einer guten Violine dem Kammermusikus Peschel dran gegeben und beiläufig gesagt, dass sie Körner gehabt. Der bat mich nun um ein Zeugnis darüber, was ich ihm auch mit den nötigen Kautelen gab. Peschel hat sie an den Konsul Kaskel verkauft und dieser sie für Autographen an Jähns geschenkt. Letzterer wünschte nun, dass ich durch mein Siegel jener Geige einen Stempel der Authentizität aufdrücken möchte, was denn auch unter den nötigen Solemnitäten geschah. August 14 Wietersheim aus London zurückgekehrt, ließ mich neulich bitten, ihn zu besuchen. Ich fand ihn an einer Augenentzündung leidend und sein Wunsch, dass ich zu ihm kommen möchte, beruhte bloß auf langer Weile, die ich ihm vertreiben sollte. Da nun das beste Mittel dabei ist, wenn man Leute, die gern reden, dazu Gelegenheit gibt, so sprach ich fast kein Wort, sondern ließ mir von ihm von England erzählen, von woher er ganz als Angloman zurückgekehrt ist. Er hat mich daher jedenfalls sehr unterhaltend gefunden. Ich war Mittags mit Reitzenstein und andern Akademikern im Fischhaus zu Mittag und Whist. Es wurden dabei von Oppell aus seiner Polizeierfahrung einige Geschichten erzählt, die als konfus dienen können, dass, wenn man viel von der Unmoralität der niedern Stände spricht, die höhern eben nicht „höher“ stehn. So hat der ehemalige Kriegsminister NostitzWallwitz ein Verhältnis mit einem Mädchen gehabt, bei der sein Reitknecht sein Nebenbuhler war. Durch einen andern Diener ließ er nun dem Mädchen die Stunde, wo er kommen werde, bezeichnen und dieser instruierte nun den Reitknecht, damit Herr und Diener sich nicht etwa in demselben Loche antrafen. Nostitz schenkte nun einmal dem Mädchen ein Staatspapier, allein später nahm er es ihr wieder weg. Es entstand nun hierüber ein skandalöser Streit, in welchem ihn das Mädchen beschuldigte, Unzucht auf widernatürliche Weise mit ihr getrieben zu haben, was jedoch natürlich nicht konstatiert werden konnte. Außerdem hat er sich in der Regel eines Ölfläschchens bei ihr bedient, um gewisse Partien geschmeidiger zu machen, mit der Bemerkung „alte Rekrutenmanier“. August 26 Ganz unerwartet kam Seebach am Sonntag früh zu uns auf der Durchreise nach Swinemünde, wo seine Familie ist. Er erzählte mir, dass er vermittelst meines neulichen Exposees über die Rente des Herzogs von Coburg, die dieser nebst dem Prinz Albert (in London) von Gotha zu fordern hat, richtig die Kammer umgestimmt und zum Vergleich, der beabsichtigt wird, disponiert hat. In Gotha habe ich allerdings Glück mit meiner Gelehrsamkeit. Drei- oder viermal habe ich Seebach nun die Pfeile geschnitzt, die die Leute dort jedesmal ins Schwarze getroffen haben. Ich kann am Ende doch noch berühmt werden, wenn der Schleier des Geheimnisses gelüftet werden sollte, was aber nach unserm Abkommen nicht geschehen wird, da mir dergleichen Arbeiten nur zum Amüsement gereichen und zur angenehmen Abwechslung, wenn ich im Archiv den ganzen Tag Akten revidiert und Aktentitel geschrieben habe, was jetzt, wo ich das Geheime Consilium in Ordnung bringe, meine tägliche Beschäftigung ist.
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September 10 Der Oberberghauptmann Beust ist jetzt hier, um Brunnen zu trinken. Er kehrt jetzt, nachdem er längere Zeit alles vortrefflich gefunden, wieder in seine natürliche Gestalt zurück und fängt an zu raisonieren. Am lebhaftesten fühlbar ist der Mangel einer leitenden Hand im Gesamtministerium. Jedes Ministerium kehrt nur vor seiner Türe, und am liebsten den Schmutz den andern zu. Es ist keine Einheit in der ganzen Verwaltung. So hat jetzt das Justizministerium nach langen Verhandlungen die Gerichtsbarkeit in Dresden von der Stadt übernommen, ohne sich wegen der doch sehr naheliegenden Polizei mit dem Inneren zu vernehmen. Jetzt, wie die Sache fertig ist, wundern sich nun die Gehirnchen, dass man nicht daran gedacht habe! Eine Geschichte, die viel Sensation macht, ist das Verbot der Assoziation für Verschaffung von Lebensmitteln in Chemnitz. Es mag sein, dass man dort die Sache zu weit getrieben und aus der materiellen Verbindung vielleicht eine politische zu machen gesucht hat. Immerhin ist die Sache selbst doch sehr zweckmäßig und für die Armen, die dadurch dem Wucher der kleinen Krämer entgingen, eine große Wohltat. Statt aber wenigstens eine vernünftige Belehrung darüber an das Volk ergehen zu lassen, motiviert die offizielle Zeitung die Maßregel damit, dass der achtbare Mittelstand, d. h. einige Dutzend Krämer dabei zu Grunde gehen würde. Als ob man z. B. bei Anlegung der Eisenbahnen danach gefragt, ob der achtbare Stand der Gastwirte dabei leide! Beust zu Ehren ward vorgestern bei mir ein Whistabend gespielt mit dem Polizeidirektor Oppell und General Holtzendorf. Ersterer klagte auch sehr über die politische Riecherei, die insbesondere der Regierungsrat Eberhardt, den man seit einiger Zeit aus Gotha hierher geholt hat, dirigiert. Man scheint nicht einzusehen, dass eine Überwachung der Demokraten geradehin unmöglich wird. Ist man in den 20er Jahren mit den paar hundert Menschen, die damals Demokraten hießen, nicht zu Rande gekommen, trotz aller Untersuchungen und Zentralkommission, wie soll man jetzt die hunderttausende, die an die Stelle getreten sind, kontrollieren! Gott bessere es – wir können es doch nicht trotz allem Lamento. Beust, der Minister, verspricht alles mögliche, wenn man ihn auf einzelne Sachen aufmerksam macht, tut aber gar nichts aus Nachlässigkeit oder Vergesslichkeit! Ich war gestern Abend wieder bei Jordan, der so wunderbar war, als ob nichts geschehen sei! Ist das nun wirklich Herzenskälte oder Fassung? Im Ministerium des Innern, das Friesen anscheinend nicht übersehen kann, sind jetzt eine Menge junger Referendarien, die ohne Kontrolle famos wirtschaften sollen. U. a. ist ein Herr von Witzleben darin, der für das Dresdner Journal schreibt und überhaupt mit der Presse sich beschäftigt. Dieser kommt eines Tages in die Kreisdirektion und überbringt eine mündliche Anordnung seitens des Ministers, die Kreisdirektion möge eine Druckschrift – weiß nicht mehr, was es war – mit Beschlag belegen. Es geschieht, allein der Beteiligte ergreift Rekurs, und das Ministerium hebt die Maßregel der Kreisdirektion als gänzlich unbegründet auf. Die Kreisdirektion etwas befremdet zieht denn Erkundigung ein und es ergibt sich, dass der mündliche Befehl allerdings in facto begründet war, allein Friesen seine Ansicht geändert oder von der schriftlichen Verordnung gar nichts erfahren hatte. In einem anderen Falle wird eine Verordnung der Kreisdirektion vom Ministerium geändert. Im nächsten Falle entscheidet die Kreisdirektion nach dem Prinzip des Ministeriums, dieses indes aber entscheidet so, wie die Kreisdirektion früher entschieden hatte. Die Kreisdirektion erstattet nun Vortrag und bittet um Anweisung, wie sie es denn eigentlich machen solle und das Ministerium sagt nun,
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seine erste Verordnung enthalte das richtige Prinzip. Die Sache sei im zweiten Falle nicht gehörig präpariert gewesen! Vom Registrator hängt also eine Entscheidung des Ministeriums ab! September 16 Gestern war ich Mittags bei Beust mit dem Oberberghauptmann und Jordan. Ersterer hatte eine Depesche von Villers aus Paris bekommen, wonach der Präsident einen Staatsstreich ausfuhren und eine constituante berufen wolle. Auf der einen Seite kann man einem credo via adsurdum, auf der anderen Seite ist mir die Quelle nicht zuverlässig. Da ich doch nicht president de la republique werde, mag er machen was er will. Beust erzählte u. a., dass Rabenhorst in den Maitagen die Generale, die sich durch negativen Heldenmut ausgezeichnet, Schirnding und Mangoldt, sehr tüchtig geschüttelt habe. Ersterer, der bei der Verwundung des Generals Homilius in der Nähe gewesen, habe sich verwundet gestellt und Rabenhorst ihm die Hosen aufgerissen, wo sich denn keine Wunde gefunden. September 24 Gestern schien einmal die Sonne, sonst wieder ein vollständiger Novembertag – und dabei steht noch im Gebirge die ganze Ernte auf dem Felde. Hungersnot steht bevor und dazu noch die drohende Wolke in Frankreich. Ich sprach eben Schaarschmidt, der aus dem Gebirge und Vogtlande kam und eine höchst trübe Schilderung der dortigen Zustände und Stimmung lieferte. Neulich hat der Fürst Reuß einem sächsischen Fuhrmann, dem er auf einer Brücke begegnet und nicht schnell genug ausgewichen ist, auch sich schlecht benommen, ohne Weiteres durchprügeln lassen. Auch ein freundnachbarliches Benehmen, das seine Früchte tragen würde, wenn nicht allgemeine Apathie jetzt die Zeitstimmung wäre, nur dass dergleichen Geschichten vor der Hand notiert werden! Beust wollte mich gestern zu einer Landpartie auffordern, die ich aber deprecieren musste. Abends begegneten wir ihm in einem gelben Hemde, blauem Halstuch, einen bis an die Knöchel gehenden Paletot, so dass ich nicht unterlassen konnte, ihn zu fragen, ob er incognito bleiben wolle. September 29 Michaelis – also wieder ein Zeitabschnitt des Jahres, das weder Frühling noch Sommer hatte, bloß Herbst und Winter. Regen und Sturm das tägliche Deputat. Die Früchte wässrig und sauer, wie aus Petersburgs Gewächshäusern. Die Ernten auf dem Felde, die Kartoffeln in der Erde faulend. Blindheit oben, dumpfer Groll unten im Volk. Traurige Aussichten da überall! Von Mathilde kam endlich ein Brief, den Thieriots, die ein Jahr in New York bei ihrem Bruder Ferdinand waren, mitgebracht, aber wochenlang in Hamburg, wo sie noch sind, zurückbehalten haben. Sie klagt über die Arbeit, hat wochenlang ganz allein, während einer Krankheit ihres Mannes, das Haus beschicken, die Kinder warten, waschen, kochen müssen. Ist eine solche Existenz wohl der Mühe wert, nach Amerika zu gehen, oder überhaupt zu leben. Das älteste Kind (über ein Jahr alt) ist noch nicht getauft, wie denn überhaupt von Gottesdienst und Feier der Feste (Pfingsten etc.) gar keine Rede ist. Nur Geld erwerben, arbeiten einen Tag wie alle Tage von früh bis Abend, das ist amerikanisches Streben, amerikanisches Leben! Oktober 5 Wir ließen noch Noel einladen, die absagten, und Kohlschütters, von denen bloß er erschien, desgleichen die Sonntags getreue Römer. Kohlschütter erzählte, dass nur durch Zufall ein Befreiungsversuch der politischen Gefangenen in Waldheim vereitelt worden ist. Ein Dr. Schulze hat fünf Soldaten, die dort beim Kommando stehen, bestochen.
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Man hat Nachschlüssel gemacht. Einer der Beteiligten schreibt an einen Soldaten in Leipzig. Dieser ist schon beurlaubt und der Brief kommt daher nach Waldheim zurück, wo ihn der Postenführer öffnet, um den Schreiber zu ermitteln. Im Brief steht von Schlüsseln, Geld das ausbleibt etc. Der Adressat wird nun arretiert und bekennt die ganze Geschichte. Oktober 22 Das herrliche Wetter veranlasste uns, abermals außerhalb zu essen. Wir fuhren um 1 mit Römer, Anton und Erhard aufs Paradies, aßen da recht gut, freuten uns der schönen Aussicht und fuhren um 3 zurück. Als ich zu Hause kam, hörte ich, Erbstein sei bei mir gewesen, um sehr dringend mit mir zu sprechen. Er war in der Nähe bei seinem Onkel, dem alten Schütz, und ich schickte daher hin. Wie gewöhnlich trat er katzbuckelnd ein, nahm dann eine Leichenbittermiene an, während er innerlich triumphierte, und erzählte, dass nach 1 Uhr Referendar Roßberg nebst einigen Polizeidienern oder Beamten ins Archiv gekommen ist und in den von Archivar Herschel benutzten Lokalien nachgesucht. Gleichzeitig ist eine Haussuchung bei ihm gewesen. Man hat auch im Beiarchive eine Partie Briefe von einem Demokraten Wittig. Schriften über oder von Blum und dergleichen gefunden, wahrscheinlich Sachen aus älterer Zeit, die er törichter Weise aufgehoben. Erbstein, Herschels persönlicher Feind, eben so furchtsamer als hämischer, ebenso eitler als kriechender Mensch, war nun innerlich voller Freude, die er sehr schlecht zu maskieren wusste. Solche Kanaillen kann ich durchaus nicht leiden! Er behauptete auch, Pabst, ein Diätist mit 200 Talern, der auf Kündigung steht, sei impliziert. Mit dem wird das Gesamtministerium kein langes procedere machen. Dr. Loth aus Meißen ist in die Zweite Kammer gewählt, zum Stellvertreter. Bin neugierig, wie sie sich machen werden. Oktober 23 Ich war schon vor 9 Uhr im Archiv, um der Fortsetzung des Verfahrens gegen Herschel beizuwohnen. Er war sehr ruhig, sagte, er habe nichts weiter getan als eine Aktie von 20 Taler Geld für eine freisinnige Zeitung genommen, die Dulon in Bremen46 herausgegeben, die aber eingegangen sei. Mit einem flüchtigen Demokraten Wittig47, einem alten Freund, habe er bloß geschäftlich korrespondiert und außerdem früher Zeitungsartikel geschrieben für die Vaterlandsblätter. Während ich mit ihm sprach, trat ein anständiger Kopf mit großem Bart herein, der sich mir als Polizeimeister Schilling produzierte, um mir eine Verordnung des Ministeriums des Innern vorlegte, worin gesagt war, dass nach Nachrichten aus Hannover den Papieren des dort arretierten deutschkatholischen Pfarrers Dulon eben jene Aktienzeichnung befunden – es lag also eigentlich gar nichts vor, das ein Verbrechen vermuten ließ. Schilling ist ein sehr anständiger Mann und ging bereitwillig darauf ein, Herschel noch einmal zu befragen. Er versicherte aber, er habe keine Papiere verborgen. Die Recherchen wurden nun fortgesetzt und es fanden sich noch Konzepte von Aufsätzen für die Vaterlandsblätter, die Herschel allerdings während der Archivstunden geschrieben haben mag und die er dort in die Makulatur geworfen und vergessen haben mag. Sie enthielten übrigens nichts direkt Strafbares. Da mir aber Schilling sagte, Herschel habe, als er ihm seine Passkarte abnehmen wollen, diese ungern hergegeben und er habe ihn eigentlich nach den Ergeb46 47
Dulon, Rudolph (1807–1870), Pastor, führender kleinbürgerlicher Demokrat in Bremen. Siehe Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung, Dokumente Nr. 36, 39, 224. Wittig, Ernst Ludwig (1815– nach 1874), Redakteur der „Dresdner Zeitung“. Nach dem Maiaufstand Flucht über Baden, die Schweiz und Paris in die USA. Siehe Reiner Groß: Ludwig Wittig und sein literarisch-publizistisches Wirken in Dresden. In: Dresdner Hefte 1995, Heft 43, S. 84–90.
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nissen der Haussuchung, bei der sich noch viele verbotene Bücher und radikale Zeitungen gefunden, arretieren wollen. So glaubte ich doch zur Vermeidung eigener Verantwortung, ihm die Archivkasse abnehmen zu müssen. Das geschah und es fand sich noch mehr Geld darin, als hingehörte. Erbstein ging herum wie ein Pfau, über seinen Feind triumphierend und brachte mir sogar das Kanzleisiegel herein, was er anscheinend in dem Arbeitszimmer nicht mehr für sicher hielt. Die Konstitutionelle Zeitung brachte heute einen Artikel, worin der Entwurf der Strafprozessordnung, den Appellationsrat Schwarze48 gemacht, sehr gelobt ward – Siegel scheint denselben nicht gesehen zu haben, sonst würde er wissen, dass es ein ganz erbärmliches Machwerk gewesen, wie es von seinem Verfasser, einem bloßen Kompilator, nicht anders zu erwarten war. Der Entwurf war von Zschinsky Held mitgeteilt worden, der ihn aber für ganz unbrauchbar erklärte. Jetzt geht nun die ganze Geschichte von neuem los. Dasselbe ist mit dem Kriminalgesetzbuch der Fall. Unsere gesetzgeberischen Versuche sind also nicht alle glücklich. Das einzige wahre Talent dazu ist Held. Leute wie Langenn – das gelehrte Rindvieh, wie ihn Nostitz-Wallwitz zu bezeichnen pflegte – sind aber nur geeignet, Dreck und Ballast zusammenzutragen, nicht aber wegzuräumen. Oktober 26 Vor einigen Tagen war ich bei Beust nach Tische, sie gab mir – ein Zeichen großer Gunst – von ihren eigenen Zigarren und als wir dann uns in Beusts Stube setzten, kam sie mit, um sich wenigstens am Rauche zu laben, da sie wegen Halsschmerzen nicht selbst rauchen durfte. Dazu hatte sie das Gesicht sich mit Puder eingesalbt, dass sie aussah wie Pierrot. Beust sagte mir, es werde schleunigst von mir ein Gutachten über die Differenz der Hannöverischen Provinzialstände mit der Regierung wegen Verletzung ihrer Gerechtsame, die beim Bundestage anhängig ist, erfordert werden. Da ich nun aber mehre Tage gar nichts von der Sache hörte, so erkundigte ich mich im Gesamtministerium und erfuhr zu meinem großen Erstaunen, dass Zschinsky eine Kommission – natürlich den unvermeidlichen Langenn an der Spitze – niedergesetzt hat, worin noch Oberappellationsrat Siegmann, Adolph Schneider etc. sind, um diese Frage zu prüfen. Wahrscheinlich werden diese dabei zum ersten Male die Bundesakte und Bundesprotokolle zu sehen bekommen und jedenfalls ein ebenso unbefangenes Gutachten abgeben, als Jener, der eine Oper kritisierte, ohne sie gehört zu haben. Ich ärgerte mich erst darüber, da ich gern wieder einmal eine größere theoretische Arbeit gemacht hätte und weil ich eine Verletzung darin gefunden, für die ich gänzlich unempfindlich geworden. Beust muss also more consulto halb oder gar nicht gehört haben, was im Gesamtministerium beschlossen worden ist. November 2 Früh um 7 ½ aufgestanden, Rechnung gemacht, Wappensammlung geordnet, die jetzt wie alle archivarische Wissenschaften, also auch Heraldik, kultiviert wird, wieder seit dem Kirchenjahr wieder herausgesucht worden ist. Dann geraucht, Zeitung gelesen bis 12 Uhr. Da ging ich zu einem neu angekommenen russischen Legationssekretär von Müller, der, als ich neulich bei Herrn von Schröder beim Diner ihn kennenlernte – nicht ein Wort sprach, obwohl nur vier Tischgenossen überhaupt waren, dann aber den nächsten Tag mir eine Visite machte. Ich fand einen recht angenehmen, vielgereisten jungen Mann. Von ihm ging ich zur alten Kammerherrin Beust, die trotz ihrer 77 Jahre, die sie vollendet, 48
Schwarze, Dr, Ludwig Friedrich (1816–1886), ab 1848 im Oberappellationsgericht, Appellationsrat 1851, 1856 Oberstaatsanwalt. Siehe ADB Band 33, S. 253–256.
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noch voller Munterkeit und menschlicher Eitelkeit steckt. Ist das nun Glück oder Unglück, wenn man in so hohem Alter statt sich Ruhe zu gönnen, noch für Audienzen bei der Königin schwärmt etc. Dann trotz Sturm und Unwetter hinüber zum Appellationsrat Könneritz, dessen kleines Weibchen schon seit acht Wochen an Lungenentzündung und deren Folgen krank ist – es scheint eine Abzehrung daraus hervorzugehen. November 7 Dann ward bei Römer, wo Ehrensteins inmitte1st eingetroffen waren, Kaffee getrunken und vergeblich versucht, den ungenießbaren Most zu trinken. Nach 5 fuhren wir zurück. Ehrenstein erzählte ex valatione des Kaufmann Gehe49 folgende gute Geschichte. Dieser reist mit der Eisenbahn in einem Coupe allein mit einem Herrn, den er nach Dialekt und Benehmen für einen Professor aus Süddeutschland hält. Der Herr ist sehr munter, macht allerhand närrisches Zeug, sie kommen auf Politik, der Fremde ist sehr liberal und Gehe packt dann sein politisches Glaubensbekenntnis – er ist sehr liberal – enthüllt sich, das Wahlen, weil er das Verfahren des Ministeriums bei Reaktivierung des alten Landtages für verfassungswidrig hält – vollständig aus und findet bei dem Fremden vollständige Beistimmung. Beim Scheiden voneinander bittet der Fremde Gehen um seinen Namen, als er hört „Gehe aus Dresden“wird er verlegen und erwidert Gehes Frage nach seinem Namen, sichtlich unter dem Drucke dieses Gefühls, ich bin – der Oberhofprediger Harleß50! Welches ist nun die Maske? muss man mit Recht fragen! November 9 Im Archiv habe ich jetzt eine eigentümliche Entdeckung gemacht. Es fand sich im östlichen Teile, der noch ans Schloß grenzt, auf dem obersten Boden eine Senkung, die wir dem Gewicht einiger schwerbelasteter Lokate, welche die Oberrechnungskammer mit großen Aktenbänden belegt hatte, zuschrieben. Es ward der Fußboden aufgebrochen – und es ergab sich, dass unter demselben das ganze Gebäude entlang zwischen der 1. und 2. Etage über dem Gewölbe ein 2 Ellen hoher Raum ist. Erbstein durchkroch das Ganze und kam daraus zwar ganzbeinig aber so schmutzig wie ein Schlottenfeger heraus. Es ist heute Robert Blums Todestag. Da hat denn irgendein geheimer Anhänger eine Menge gedruckte Zettel mit den Worten „Robert Blum lebt noch“ in allen Ecken angeschlagen, die denn nun große Besorgnisse erregen. Auch hat die Polizei eine Gesellschaft aufgehoben, die in einer Schankwirtschaft eine Totenfeier begangen, wobei Blums, Trützschlers und – Wigards, der noch lebt, Büste aufgestellt gewesen. November 16 Von der Fürstin Metternich kursiert eine vollständig beurkundete Geschichte. Als der Fürst bei seiner Rückkehr durch Bayern reist, schickt der König Pfordten an ihn, ihn zu begrüßen. Metternich empfängt ihn sehr höflich und stellt ihn seiner Frau vor, die ihn mit den Worten empfängt: „Ich freue mich sehr, sie kennen zu lernen. Sie sind doch der, welcher mit zu Blums Totenfeier in die Kirche ging.“ Pfordten hat gar nichts geantwortet. Heute war ein turbulenter Tag. Kaum hatte ich gefrühstückt und ordnete etwas in memer Wappensammlung, die ich jetzt, da Heraldik doch von mir etwas betrieben werden musste, wieder hervorsuchte, als Beust kam und einige Stunden bei mir blieb. Er entwickelte mir sehr ausfiihrlich seine Theorie über das Kultusministerium, versicherte, es sei Gewissenssache von ihm, es jetzt beizubehalten, da er jetzt eine feste Richtung und Disziplin hineingebracht 49 50
Gehe, Franz Ludwig (1810–1882), Fabrikant in Dresden. Siehe Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 603. Harleß, Adolf siehe hier Anm. 28
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und dieser Geist erst Wurzel fassen müsse. Er könne alles machen was er wolle, da die evangelischen Minister sich um gar nichts bekümmerten. Wietersheim habe alles auseinander gehen lassen, Ammon sei von dem Grundsatze ausgegangen, jedes Streben, wenn es nur ehrlich gemeint sei, sei berechtigt. Daher sei die protestantische Kirche so untergraben, dass sie verloren sei, wenn man ihr nicht einen festen Halt wiedergeben und die Geistlichen und Lehrer zwinge, sich ans Dogma zu halten. Da nun diese Tendenz, der nichts zu Grunde liegt als die Absicht, die Kirche zu einem Polizeiinstitut zu machen, die Leute nicht sowohl fromm, sondern untertänig zu erhalten, nach meiner Ansicht nicht nur eine grundfalsche, sondern auch eine in ihren Wirkungen ganz verfehlte ist, so hatten wir einen langen Streit darüber. Ich fragte ihn, was er denn unter dem Dogma verstehe, ob die symbolischen Bücher, ob er sie gelesen, ob er wirklich an den Teufel, die Erbsünde, an das, was Harleß lehre, glaube? Alle diese Fragen konnte er nicht mit ja beantworten, ebenso wenig konnte er leugnen, dass, wenn er die Geistlichen zwinge, Lehren vorzutragen, die sie selbst für unrichtig hielten, er sie zu Heuchlern mache, was er aber für kein Unglück erklärte, wenn nur der Zweck – der doch rein politisch – erreicht werde. Ich sagte ihm direkt, ich wünschte, er möchte das Kultusministerium, das er erst auf meine Veranlassung übernommen hat, abgeben. Quod non! Zu einem Resultat kommt man nie mit ihm. Er ist wie Bambus, leistet keinen Widerstand, bricht aber auch nicht. Kaum war Beust fort, kam der Regierungsrat Süßmuth, im Ministerium des Innern angestellt, gelecktes Männchen, Schmeichler, aber gescheiter Achselträger, der mir wenig Vertrauen einflößt. November 18 Fideles Diner bei Beusts, mit Jordan, Ferdinand, Fr. v. Houwald. Merkwürdiger Brief des Königs an Radetzky, den ich aus der Zeitung aufhebe, aus welchem hervorgeht, dass der König seinen Hausorden selbst nicht sehr hochschätzt – was mag da der Albrecht erst wert sein, und dass Friderici sein tapferster Krieger ist.51 November 21 Gestern Mittags begann ein hier unerhörter Schneesturm, so dass schon gegen Abend ellentiefer Schnee alles bedeckte. Ich war abends bei Anton zu einem l’hombre mit Walt, der aus dem Staatsdienst nach seines Vaters Tode ausgeschieden, sich ein Gut Limbach gekauft hat, und hierher auf einige Tage gekommen ist, weil sein Bruder am Nervenfieber krank liegt. Der Wind sauste die ganze Nacht hindurch und heute früh waren die Fenster unseres Wintergartens mit einer dicken Schneelage ganz verdeckt. Ich ging Mittag in die Stadt, um einige Besuche zu machen und fand nur mit Mühe einen Weg, da die Kommunaktion noch nicht hergestellt war. Für Fuhrwerk waren nur wenige Straßen passierbar, da Windwehen die engen Straßen 4 bis 5 Ellen hoch angefüllt hatten. Traurige Aussichten für den Winter. Alle Eisenbahnen sind verschneit, der Leipziger Zug ist gestern bloß bis Neudorf gekommen. Da haben die Passagiere aussteigen müssen und der Zug steckt noch draußen fest. November 24 Der Winter, der am Donnerstag einzog, ist geblieben. Noch ist die Stadt nicht von der Schneelast befreit und man kann nur mit Mühe auf schmalen Fußwegen gehen. Gestern ein ganz Beustscher Zug. Um 11 ½ kommt ein Paket an mich aus dem Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten. Es war gerade jemand bei mir und ich konnte das Paket daher erst 10 Minuten später öffnen. Es enthielt den ersten Teil des Zivilgesetzbuches und den beiliegenden Zettel, wonach ich Beust monita bis um 11 ¾ ins Ministerium schicken sollte! 51
Brief von König Friedrich August II. an Radetzky siehe Dokumentenanhang Nr. 13
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Acht Tage hatte er die Sache liegen lassen und nun sollte ich in fünf Minuten das Zivilgesetzbuch nochmals prüfen und monita gegen die Arbeit ziehen, die ich selbst mitgemacht habe.52 Der König hat den Oberappellationsgerichtspräsidenten von Langenn als Ambassadeur nach Hannover geschickt, um dem neuen König zu kondolieren und gratulieren.53 Ich bin neugierig, ob der König von Hannover nun als Revanche den Oberappellationsgerichtspräsidenten aus Celle herschicken wird. Was für kuriose Geschichten passieren! Der Schneesturm neulich hat doch gegen 40 Menschen in Sachsen das Leben gekostet. Alle Zeitungen sind voller Unglücksfalle. Ernst schreibt aus Tanger, in Marokko. Er will nach Tetuan, dann den Winter nach Madeira gehen. November 28 Ich aß heute bei Schröder. Er war gegen seine Gewohnheit heute gesprächig und erzählte allerhand, so von Hormayer54, der bekanntlich das österreichische Staatsarchiv unter sich hatte, aber allerhand Missbrauch getrieben und sich veranlasst sah, sich zu acligsieren (?). Er ward später bayerischer charge d’affaires in Hannover, wo ihn aber der Hof ganz ignorierte. Er wusste sich aber bei dem der Schmeichelei leicht zugänglichen Graf Münster Zutritt zu verschaffen und diesen zu disponieren, ihm seine Korrespondenzen unter der Bedingung, keine Abschrift zu entnehmen, vorzulegen, die er auf seinem Gute geordnet hatte. Hormayer kam nun auf 14 Tage hin, brachte einen als Bedienten verkleideten Schreiber mit, der die Nächte durch abschreiben musste, und als Graf Münster tot war, gab er die Korrespondenzen sofort heraus. Schröder versicherte auch, dass Braun, als er das Ministerium übernommen, Watzdorf zum auswärtigen Minister verlangt habe. Über die Sachsenzeitung sprach sich Schröder mir unerwartet sehr ungünstig aus. Sie stifte mehr Schaden als Nutzen. Dezember 7 Wieder einmal eine Revolution in Frankreich. Diesmal von Oben. Quidam: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Am Tage, wo die telegraphische Nachricht hier ankam, es war wohl am Donnerstag, sollte gerade der neue französische Gesandte seine Kreditive übergeben. Er war zweifelhaft, ob er das könne, bei der Ungewissheit, wen er jetzt repräsentiere. Die anderen Gesandten bemerkten ihm aber, dass la France, die er vertrete, doch jedenfalls fortexistiere und hat er denn auch seine Vorstellung vor sich gehen lassen. Dezember 14 Früh zu Hause geschrieben, gelesen, geraucht. Um 12 zum Oberhofmarschall, der noch immer unwohl ist und bei dem sich der Spruch, den er mir heute mitteilte: Halte Füße und Kopf warm, Überlade nicht den Darm, Halte vorn und hinten offen, und dann lass den Doktor hoffen nicht mehr recht bewähren will. So sehr ich ihn seiner wahren Gutmütigkeit und aus dem Herzen kommenden Höflichkeit wegen achte, so ist ein tete a tete mit ihm, wenn man die Hofgeschichten einige Male gehört hat, minder amüsant. 52 53 54
Brief von Beust an Weber vom 14. November 1851 siehe Dokumentenanhang Nr. 14 Im November 1851 war König Ernst August von Hannover gestorben. Nachfolger wurde sein Sohn Georg V., bis 1866 das Königreich Hannover von Preußen annektiert wurde. Hormayer zu Hortenburg, Joseph Freiherr von (1782–1848), Jurist, österreichischer Historiker und Publizist. Direktor des Geheimen Haus- Hof- und Staatsarchivs Wien, ab 1828 in bayerischem Staatsdienst, zuletzt Direktor des Allgemeinen bayerischen Reichsachivs in München.
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Dezember 19 Oberappellationsrat Sickel, mit dem wir seit Jahren keinen weiteren Umgang gehabt, verheiratet eine seiner drei Töchter an einen jungen Kaufmann aus Magdeburg, Schneider. Gestern ward der Polterabend gefeiert, wozu er eine große Gesellschaft in die Stadt Wien eingeladen hatte. Es waren fast lauter uns ganz fremde Leute, nur Einerts, Ehrensteins, Hübels uns bekannt. Natürlich wurden eine Menge ernste und angeblich komische Sachen aufgeführt. Zuerst Bilder, gestellte Liebespaare aus verschiedenen Ländern mit Gedicht, worin die verschiedenen Nationalitäten in ihren Landesverhältnissen geschildert wurden, dann allerhand, was ich schon wieder vergessen habe. Gut war ein Schlossergeselle, der verschiedene Schlüssel brachte, ein Slowake mit Mausefalle etc., die auch zu Grillen fangen etc. mit verschiedener Ladung gebraucht werden konnten, ein Brillenhändler, der in allerhand Anspielungen auf schwarze, rosafarbene etc Brillen sich erging! Nach 10 Uhr ward sehr einfach soupiert und dann getanzt. Wir gingen nach 11 Uhr fort. Dezember 25 Doch erst zurück in die jüngste Vergangenheit. Der alte Oberhofmarschall hat sich wieder etwas erholt und so spielten wir denn am Sonnabend zuerst wieder einmal bei ihm. Er hat die Tage seiner Genesung benutzt, um allerhand Tagebücher, Korrespondenzen und Notizen, die er über seine Beobachtungen während seiner langen Hofkarriere gesammelt, zu ordnen und will sie mir fürs Archiv geben. Am Montag kam auch ganz unerwartet Seebach aus Gotha nur auf einen Tag her. Er war sehr niedergedrückt über seine misslichen Verhältnisse in Gotha. Es ist sonderbar, dass er trotz seiner wirklichen persönlichen Liebenswürdigkeit, seinem noblen Wesen sich doch in Gotha weder gesellig noch geschäftlich wohl befindet. Angefeindet von der revolutionären und zwar geachtet aber doch auch bekriegt von der nicht reaktionären Partei, kam er mit dem Plane der Vereinigung der beiden kleinen Länderfetzen nicht vorwärts, da die Gothaer Kammer ihm bei jedem Schritte die größten Schwierigkeiten machte. Und da er sich zu den rettenden Taten, d. h. offener Verfassungsbruch, nicht entschließen will, wird er wohl über lang oder kurz abtreten und dann nichts geerntet haben als Undank und eine bedeutende Vermögensminderung. Nach Seebach kam der Prinz Woldemar, jetzt Kommandant von Neiße, auch sehr verstimmt und unzufrieden mit dem zwar ehrenvollen, aber sehr langweiligen Posten, den er, wie er meinte, bloß erhalten, weil er ein Holsteiner und daher den Augen der Welt möglichst entzogen werden solle. Dezember 31 Zschinsky kam zu mir, um einen Aufsatz über das Hauptstaatsarchiv von mir zu verlangen, für den Fall, dass die Stände wieder eine Attacke machen sollten. Ich schrieb ihm denn alsbald einige Bogen voll. Er kam bei dieser Gelegenheit – sonst bekomme ich ihn gar nicht zu sehen – auch auf Seebach zu reden und sagte, er habe ihm entschieden geraten, die Gothaer Kammer so oft aufzulösen, bis sie in die Vereinigung willige. Das nennt man doch einen echt konstitutionellen Vorschlag! Heute soll das neue Jahr in einem neuen Kreise begonnen werden. Wir gehen zu Goldackers, wo Berlepschens noch sind, die einen Tanz aufführen, während wir eine Lotterie, wie gewöhnlich, machen. Adolf, der heute zur morgendlichen Cour bei uns ankam, muss auch mit hin. Wir waren ganz fidel zusammen.
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1852 Januar 11 Am Donnerstag war ich bei Reitzenstein (dem Oberappellationsrat) zur Partie, die erste Akademie, die er gab. Der Oberhofmarschall hatte mich aufgefordert, mit ihm hinzufahren und als ich deshalb etwas früher zu ihm ging, erzählte er mir auf meine Fragen, ob Prinzessin Auguste den Erbprinz von Spanien habe heiraten sollen und dass die deshalb zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts bereits vorgerückten Verhandlungen sich daran zerschlagen, dass Marcolini ein grand d’ Espagne werden wollen, was man verweigert, er habe nun die Sache hintertrieben. Mit dem Politzeipräsident Oppell ging ich bei herrlichem Mondschein zurück. Er war gerade mitteilsam und erzählte eine so famose Geschichte von der Prinzessin Luise (Gemahlin des Prinzen Maximilian). Sie war sehr verliebter Komplexion und ihr heißes italienisches Blut suchte anderweit Befriedigung, die ihr der arme alte Herr nicht gewähren konnte. Bei Probst, einem bekannten Hurenhaus, gibt sie sich ein Rendezvous. Ein junger Mann schafft deshalb zu jenem Silbergang Delikatessen zu einem Souper und die Prinzess erscheint verschleiert zur festgestellten Stunde ganz allein. Der Jüngling ist noch etwas blöde, da fordert sie ihn selbst auf, sich zu entkleiden und als das nicht schnell genug geht, knöpft sie ihm selbst die Hosen auf, was Probst, der durchs Schlüsselloch die Sache mit angesehen, Oppelln selbst erzählt hat. Zufall hat nun verhütet, dass jene Stunde nicht Sachsen mit einem Thronerben versehen hat. Januar 19 Eine Sache, die mir sehr unangenehm ist, betrifft den Archivar Herschel. Da bekomme ich vor einigen Tagen eine zwei Bogen lange Verordnung des Gesamtministeriums, worin denn in extenso alle Verdachtsgründe gegen Herschel zusammengestellt sind, die sich alle zusammen aber doch darauf reduzieren, dass er seiner Gesinnung und seinem Umgange nach zur demokratischen Partei gehört und auf eine demokratische Zeitung abonniert hat. Deshalb sagt das Gesamtministerium, es sei der Ansicht, dass Herschel – noch nicht 50 Jahre alt, bei vollster Arbeitskraft – in den Ruhestand zu versetzen sei. Ehe es aber das Verfahren nach dem Staatsdienergesetz einleite, wolle es noch mein Gutachten vernehmen, ob ich in der fraglichen Beziehung noch da etwas zu bemerken habe. Ich war nun nach der Fassung der Verordnung zweifelhaft, was ich eigentlich für ein Gutachten abgeben sollte. Ich hätte doch unmöglich bestätigen können, dass eine solche Maßregel, wodurch ein vollkommen arbeitsfähiger Mann mit 7/10 seines Gehalts zum Lasten des Staates faulenzen soll, dem Staatsdienergesetz entspreche, oder dass es gefährlich für den Staat sei, Herscheln, weil er demokratische Ideen hat, das Archiv der Landesregierung ordnen zu lassen. Ich sprach daher mit Marschner und Zschinsky. Beide sagten, ja, sie teilten meine Bedenken auch, namentlich wollte Zschinsky das alles im Gesamtministerium auch gesagt haben – credat indalus sagten aber beide Herrschaften, die Maßregel stehe fest und ich sollte nur noch gutachtlich anzeigen, was ich bemerkt habe. In dieser Beziehung konnte mein Bericht natürlich sehr kurz sein, da ich keine Bemerkungen gemacht und zu machen gewünscht habe. Ich habe aber doch wenigstens das Gesamtministerium auf die Nachteile der Maßregel für das Archiv aufmerksam gemacht. Herschel wird wahrscheinlich ins Fäustchen lachen, dass man ihn wegen seiner staatsgefährlichen Tendenzen auf Staatskosten faulenzen lässt! Wäre die Maßregel dem Gesetz entsprechend, nun dann fiat justitia placet mundos. Es ist aber eine ganz willkürliche Auslegung des Gesetzes, da Herschel mit allen seinen zum Teil allerdings sehr exzentrischen Ideen weder das Archiv anstecken noch irgendwie schaden kann!
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Januar 22 Johann ist neulich vor ein paar Tagen Abends gefallen und hat sich dabei beschädigt, so dass er noch bei seiner Frau liegt und wir ohne Bedienten sind. Ich war heute bei Reitzenstein zur Partie. Er erzählte uns von einem gewissen Piani des Planes, dessen Namen ich oft in den Akten gefunden. Er war Sohn des Kaisers Karl – und einer hübschen Kammerfrau. Er kam hierher mit einer lebenslänglichen Pension von 1 500 Talern und ward von der verw. Kurfürstin Maria Antonia als Sekretär angestellt und bei ihren Geldaffairen zugezogen. Da er aber ein sehr hübscher und angenehmer Mann war, soll sie ihn auch zu andern privatissima zugelassen haben und diese veranlasst, dass er plötzlich genötigt ward zu heiraten, eine hübsche Kammerfrau, die ihn denn auch von jenen alleten (?) abzog. Er war dann mit dem Herzog von Kurland viel bekannt und in dessen Geistergesellschaften und Goldmachern, mit Spröpster (?), Cagliari etc. verwickelt. Er gab sehr gute Diners, zu denen er eine Köchin dressiert hatte, und starb kinderlos in den 20er Jahren in sehr hohem Alter. Die Prinzessin Mally von Holstein hat jetzt einen Roman gelesen, Ephantine – Gott wie schade, bloßes Geschwätz, kein Charakter, keine Menschenschilderung, bloß Salonfadaisen und einige Tiraden über den Adel. Es hat etwas unendlich komisches, wenn man jemand, den man genau kennt, auf einmal als Propheten auftreten sieht, während man doch recht gut gar weiß, dass er eben – ein ganz gutes Luder ist. Das Sprichwort, der Prophet ist nichts in seinem Vaterlande wird durch solche Beispiele jetzt lebhaft erläutert. Dagegen lese ich jetzt ein anderes Buch mit dem höchsten Interesse, Gutzkows Ritter vom Geiste. Der lässt einem wie in einem Spiegel die ganzen Verwirrungen der letzten Jahre vorübergehen und kennt die Menschen, während die gute Mally höchstens einige Leutnants kennt. Januar 26 Sonnabend ein großes Diner bei Beust. Nach Tische renommierte Frau von Beust mit ihrem Rauchen und hatte kurioser Weise eine lange türkische Pfeife mit schwarzrot-goldenem Überzug auf dem Kaffeetisch exponiert, die ihr der alte Spötter Fürst Pückler geschenkt, mit der Behauptung, sie sei aus Konstantinopel, während sie mir entschieden den Eindruck machte, als sei sie von der Schlossgasse. Das Diner war übrigens sehr gut, wie denn überhaupt Beust ein so glänzendes Haus macht und soviel Gastfreiheit übt wie vor ihm keiner der Minister. Das möchte recht gut sein, wenn er nur nicht, wie es scheint, jetzt was anderes braute, was wir ausessen werden müssen, nämlich eine Auflösung des Zollvereins. Er ist nun einmal so preußenfeindlich – es scheint, als wäre dort etwas vorgekommen, was ihn tief verletzt hat – dass er gewiss eine kindische Freude hätte, wenn er da was neues anrichten könnte und dazu scheint er mir nicht schöpferisch genug. Gebaut hat er noch nichts – er hat bloß überall den neuen Firnis vom alten Haus abgekratzt oder den von ihm selbst begonnenen Neubau selbst untergraben, beides noch keine entschiedenen Kennzeichen eines großen Bautalents. Februar 4 Vor einigen Tagen bekam ich eine Verordnung des Gesarntministeriums wegen Herschel, worin mir gesagt ward – im Widerspruch mit dem, was mir Marschner über den Sinn der ersten Verordnung mitgeteilt hatte – ich hätte die erste Verordnung missverstanden, ich sollte mich über Herschels Quieszierung als dessen Dienstbehörde gutachtlich aussprechen. Nun ist das allerdings ein sonderbares Verfahren, wenn das Gesamtministerium sagt, er ist zu quieszieren und ex post ein Gutachten von mir über seine Ansicht erfordert – mir ist es wenigstens noch nie vorgekommen, dass die Unterbehörde die Ansicht der oberen ihr begutachten soll. Den Mantel kann und werde ich nun aber niemals nach dem Winde hängen und ich bin zu lange – möglich zu lange Richter gewesen, um nicht bei jeder Sache zuerst
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und ausschließlich nach dem Rechtspunkte zu suchen. Ich kann nun Herschels Quieszierung nach dem Staatsdienergesetz § 19 b nicht begründet finden, zumal wenn man die Verhandlungen, die das Gesetz hinzunimmt, und das habe ich dann nun in meinem Vortrag entwickelt. Da es aber mir nicht auf die Form ankommt und ich diese nicht zu verletzen wünsche, so sprach ich heute mit Beust über die Sache und gab ihm mein Konzept, um zu sehen, ob ich in der Form noch etwas zu ändern habe. Er sprach sich nun allerdings sehr kategorisch über die Sache aus, ein Beamter, der mit Dulon – ich weiß nicht, wer der Kerl ist, es kann doch nicht jener blinde Flötenbläser aus dem Anfang dieses Jahrhunderts sein – korrespondiere und demokratische Bestrebungen begünstige, könne nicht Archivar bleiben. Es schade nichts, wenn da ein § des Gesetzes auf die Spitze gestellt werde. Er wünsche, dass die Sache an die Stände käme und wolle schon nachweisen, dass mit einem solchen Staatsdienergesetz nicht zu regieren sei. Hier zeigte sich recht die Verschiedenheit unserer Grundideen: mir ist das Gesetz als solches alles, ihm nur Mittel zum Zwecke, das er eben, wenn es ihm nicht passt, auch unbenutzt lässt oder umgeht. Es mag diplomatisch sein, aber Recht ist es eben nicht. Er hat gestern eine Rede über die Grundrechte in der Ersten Kammer gehalten, die ihm ein Teil derselben übel genommen hat. Die Herren möchten nun lieber, dass auch Beust an seine Brust schlage und sagte mea culpa, mea maxima culpa! Er sagte, man habe gesagt, Beust sei wohl gouvernemental, jetzt aber wisse man nicht, woran man mit ihm sei und ob er wohl die Ritter der Ersten Kammer in ihren Ansichten überall unterstützen, die Jagd wiederherstellen etc. wolle – nun sagte Beust, ich bin eben bloß gouvernemental! Wie froh bin ich meiner Stellung, die mich vor allen diesen Konflikten bewahrt und mich nicht nötigt, entweder ewigen Hader zu bekämpfen oder meine Überzeugung zu opfern. Es ist wahr, ich habe manche Idee mir in den letzten Jahren berichtigt, ich bin von manchem zurückgekommen, was ich seit 1848 für ausführbar hielt und warum es nicht, weil meine Hoffnungen chimairisch waren, sondern weil Eigensinn und Partikularismus sie jetzt nicht ausführen lassen. So die Vertretung beim Deutschen Bunde. Wie oft habe ich mit Beust davon gesprochen, wie schien er durchdrungen von der Notwendigkeit, schien er oder war ers? Was tut er nun jetzt dafür? Drum will ich denn ruhig meine Akten ordnen. Ich würde mehr Geschichte studieren, wenn ich mich nicht immer mehr überzeugte, dass auch dadurch wenig Wahrheit zu finden ist. Zu der Massenhaftigkeit und den augenscheinlichen Resultaten hat die geschriebene Geschichte wohl meist Recht, aber in den Einzelheiten, den kleinen Bezügen und Motiven, was ist sie da meist als eine belogene Lügnerin? Montag war großer Ball bei Beust. Sophie hatte sich wahrscheinlich erkältet und musste nun gestern das Bett hüten. Ich war abends bei Reitzenstein. Heute sollte Hofball sein, zu dem ich, da ich dazu komme, nescio, schon zum dritten Mal gebeten wurde, allein er ward abgesagt. Morgen Rout bei Holtzendorf, den ich zu umgehen hoffe. Freitag ist Kränzchen bei uns, Sonnabend Hofball – kurz es geht zu wie im goldenen Zeitalter, wenn man mehrmals solche Routs gehabt hat und solche die Leute mehr als mich amüsiert haben sollten. Februar 15 Merkwürdig ist die Milde des Winters. Nach jenem ersten Schneesturm im November haben wir gar keinen Frost mehr gehabt, so schwellen alle Knospen und wir werden bei 6–8 Grad Wärme bald alles grünen sehen. Vor einigen Tagen war ich beim Oberhofmarschall Reitzenstein, der durch Ernennung eines zweiten mit diesem Titel, dem er, der alte Herr, jetzt nachstehen muss, Gersdorfs sehr dispustirt ist und dies Zeschau, dessen erste Handlung als Hausminister es gewesen, nicht
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vergessen kann. Nichtsdestoweniger kommt neulich, als der König von Hannover hier war, der Geheime Hofrat Zenker zu ihm mit dem Bemerken, er komme mit einer Bitte vom Minister v. Zeschau – eben keine große Empfehlung nach Lage der Sache – der König von Hannover habe dem König seinen Orden verliehen, man müsse dies erwidern, habe aber keine Dekoration!! Reitzenstein möge doch sein Ordenszeichen der Raute herausgeben. Ungern aber gefällig, wie Reitzenstein ist, ist er bereit, bemerkt aber, dass der König von Hannover den Orden auch tragen müsse, tragen könne, dass dies aber nicht möglich sei, da der Stern in der Regel nur in Pappe gestickt gegeben werde. Er offeriert dafür, für mich unfassbar, seinen sehr schönen silbernen Stern, den er sich selbst hat machen lassen, und dieser Pump wird denn auch dem König von Hannover überreicht, der sich darüber, wenn er es wüsste, etwas wundem würde. (Randbemerkung vom 12. März: Als jetzt die russischen Großfürsten hier waren, die auch die Raute bekamen, hat man abermals Reitzensteins Orden requiriert!!) Reitzenstein erzählte auch, dass einst unter Friedrich August ein Franzose hier bei Hofe mit Empfehlungsbriefen und Namen erschien, sogar zur Tafel geladen worden, der dann von einem Pariser als dessen Schneider erkannt worden, der jene Briefe gefälscht und hier den Hof mystifiziert habe. Einert feierte am Freitag sein 50jähriges Advokatenjubiläum. Ich erfuhr es erst Abends, fuhr daher, nachdem ich von einem schlechten Diner bei Minister Falkenstein zurückgekommen und ehe ich zu Reitzenstein zur Partie ging, hinüber, um zu gratulieren und kam zum Beginn einer Oberappellationsrats-Soiree, der ich ganz gewandt entging. Ich erfuhr aber eine Faktenanekdote dabei, die sich vor Kurzem ereignet. Einert bekommt vor einiger Zeit einen Brief vom Ordinarius Günther, womit dieser ihm ein Ehrendiplom auf Pergament in Samt etc. überschickt für den Vizepräsident Baumgarten-Crusius, dessen 50jähriges Doktorjubiläum bevorstehe. Es wird eine feierliche Sitzung im Oberappellationsgericht anberaumt, weiße Halstücher etc. Einert empfängt den Jubilar mit einer 10pfündigen Rede, die dieser wiederholt knurrend – s’ ist ja gar nischt – nu aber etc. unterbricht, so dass man ihm fast das Maul zuhalten muss. Als ihm nun das Diplom nach überstandener Rede übergeben wird, weigert er die Annahme und erklärt sehr verdrießlich, er wisse gar nicht recht, was sie wollten, sein Doktorjubiläum sei erst in ein paar Jahren. Der gute Vetter Leopold, Aktuar der Juristenfakultät, hatte, als ihn Günther beauftragt nachzusehen, die Schedeldisputation für die Doktordisputation angesehen. Er musste nun Diplom, Samt etc. bezahlen. Vorgestern war Seebach früh im Archiv und Nachmittag bei mir, da er mehreres mit mir zu besprechen wünschte, u. a. Leiden, die er in Gotha mit seinen Ständen zu bestehen hat. Erzählte er, dass der Mandator des Prinzen Albert in London, Briegleb55, zwei nuaites gegen den ihm für Prinz Albert als Agnaten vorgelegten Entwurf der Verfassung gezogen habe. Einmal, dass man die Domainen zum Staatsgut erklärt und dagegen eine Zivilliste festgestellt – und dass den Ständen nicht das unbedingte Steuerverweigerungsrecht ausdrücklich zugesprochen sei! Eine wunderbare Zusammenstellung ganz für einen Agnaten! Lemaistre hatte Seebach, als er hier im Ministerium war, einige Depeschen vorgelegt, u. a. auch von seinem Bruder in Petersburg, in welchen Lemaistre mit seltenem Takt zuvor einige orthographische Fehler der französisch geschriebenen Depesche mit dicken Bleistiftstrichen notiert und korrigiert hatte! 55
Briegleb, Moritz Adolf (1809–1872), Advokat aus Coburg, seit 1842 Landtagsabgeordneter in SachsenCoburg, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung.
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Seebach bat mich, ich möchte ihm doch einen Gesetzentwurf über die Folgen der außerehelichen Schwängerung machen und gab mir dazu seine Koburger Akten. Mein Gesetzentwurf, bei dem ich unsern Entwurf benutzte, war denn sehr schnell fertig und soll morgen abgehen. Februar 24 Fastnacht. Um 4 Uhr ein Diner bei meinem Nachbar, dem Kammerherr von Lüttichau. Im Vorzimmer sechs galonierte Lakaien in seidenen Strümpfen, eine Reihe Salons mit der größten Pracht geschmückt, u. a. ein englischer Teppich, der in London den Preis bei der Ausstellung erlangt, prächtige Tafelaufsätze etc. – kurz ein Luxus, den man hier sonst nicht kennt und den er wenigstens vom Ertrag seiner Spekulation mit der Lüttichaustraße nicht bestreiten kann. Kaum mit dem Essen fertig musste ich in der Hofuniform zum. Hofball um 7 Uhr fahren. Februar 29 Ein Advokat Eckardt, Redakteur der Sachsenzeitung, hat u. a. eine besondere Malier gegen die Freimaurer und ein dickes Buch gegen sie geschrieben, auch die Regierung und Stände mit Petitionen bombardiert, diesen Orden zu verbieten. Ich bekam neulich deshalb vom Gesamtministerium die Anweisung, die deshalb im Hauptstaatsarchiv vorhandenen Akten einzuschicken. Dabei erzählte mir Erbstein, Wirsing – ein Archivar, der sich vor mehreren Jahren ersäufte – habe ihm einst einen Aufsatz des Generals von Zeschau, der Maurer gewesen, aus den 90er Jahren gezeigt, in welchem dieser dem König Friedrich August ausführlich die Tendenzen des Ordens entwickelt. Dieser Aufsatz ist aber nirgends eingetragen und anscheinend ganz verschwunden. Wirsing war Maurer. Ein Aktenstück der Landesregierung mit Berichten der Unterbehörden über die Maurerei und Logen hat der Sekretär Moßdorf56 – auch Maurer – an sich genommen. Kurz man sieht, dass die Mitglieder doch ihre amtliche Stellung zu benutzen wussten, um ihnen unangenehme Sachen zu beseitigen. März 6 Ich stellte heute philosophische Betrachtungen über die Toilette an. Da ist es jetzt Mode, dass Mädchen und junge Frauen – bei alten Schachteln habe ich’s noch nicht gesehen – Westen tragen. Sie schließen sich also der Amerikanerin Bloomer, die Hosen einführt, an, wenn sie da anfangen, wo jene aufhört. Ich halte das für eine sehr bedenkliche Neuerung. Ich finde, dass ohnehin die Menschen sich in Folge der Eisenbahn und anderer allgemeiner Vermischung der Geschlechter entwirrender Umstände immer ähnlicher werden und so schwer voneinander zu unterscheiden sind wie ein Maikäfer oder eine Knackwurst von der anderen. Ich bin daher immer heilfroh, wenn meine Bekannten eine Warze an der Nase, eine Hasenscharte, einen wo immer wunden offenen Schaden im Gesicht oder ein anderes sichtbares Kennzeichen haben, dass ich doch meine Busenfreunde wieder erkenne und ich würde es als eine wahre Verlachung der allgemeinen Menschenrasse betrachten, wenn Einer ein solches, Einzelindividuum charakterisierendes Merkmal dummer Weise sich operieren lassen wollte. Jetzt konnte man doch noch, wenn man ins Zimmer trat, im Frack und Rock den Geheimen Rat von der Geheimen Rätin unterscheiden. Wie soll es aber werden, wenn letztere Hosen und Weste trägt. Da muss man also allemal erst fragen, ich habe doch 56
Moßdorf, Friedrich (erwähnt um 1825), Regierungssekretär. Vater von Bernhard Moßdorf. Freimaurer. Siehe Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 535. – Kurt Kranke: Marginalien zur Freimaurerbewegung in Sachsen. In: Sachsen und die Wettiner. Dresdner Hefte. Sonderheft 1990, S. 174–180. – Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 470–471.
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die Ehre, mit dem Herrn zu sprechen oder sind sie die Frau? Und auf Bällen riskiert ja dann jeder Referendar, sich mit einem Leutnant zu engagieren, statt mit der Tochter des Kapitäns! Man kann sich die Folgen nicht schrecklich genug denken und ich schreibe auch diese Zeilen daher für meine Enkel, die darunter leiden werden, damit sie doch sehen, wie richtig ihr Großvater alle jene Schrecknisse prophezeit hat. April 4 Sophie ging gestern Abend in die Probe des heutigen Palmsonntagskonzerts, in dem diesmal ein Oratorium von Reissiger57 aufgeführt wird, als ob es noch keine andern gäbe! – und ich ging da ein Stündchen zum alten Reitzenstein, dem ich sehr gelegen kam, da er den Tag über unwohl gewesen, sich keine Partie gesichert hatte und nun gar nicht wusste, was anfangen. Er erzählte u. a. folgenden casum. Vor einigen Wochen kommt der cidevant Minister EinsiedeI zu ihm, spricht sein Bedauern aus, dass das Kreuz auf der Brücke nicht wiederhergestellt worden und seine Überzeugung des Heilsamen der Wiederaufstellung und bittet, Reitzenstein möge einem Komitee beitreten, das deshalb gebildet werden solle. Dies geschieht und es wird nun in Abwesenheit Einsiedels, Langenns, Gerbers und der Baumeister der Brücke einberufen. Dieser erklärt, der Bau werde 3 000 Taler kosten, das Kruzifix etwa 2 000 Taler. Reitzenstein erklärt sich nun gegen eine öffentliche Sammlung, die hier an sich unpassend sei und einen Vorwurf gegen den König enthalte, der eigentlich es hätte wieder machen lassen sollen. Er schlägt vielmehr vor, die Baukosten durch Privatsubskription zu decken, und Einsiedel die Herstellung des Kruzifix zu überlassen. Der letztere Vorschlag wird gleich einstimmig adaptiert und Reitzenstein eröffnet ihn denn auch Einsiedel, indem er ihm sagt, er könne hier seines Namens Gedächtnis stiften und indem er zugleich ungerechte Vorwürfe, als ob er seine Eisengießerei zum Nachteil der anderen (als Minister) begünstigt, eine edle Rache nehmen. Einsiedel ist ganz gerührt, weint ein Gesetzchen, erklärt sich vorläufig bereit, bittet aber um einige Tage Bedenkzeit. Mit Ablauf derselben kommt er ganz umgewandelt wieder, spricht von einer Zumutung, zu der man kein Recht habe etc., und veranlasst dann Reitzenstein zu der Erklärung, dass davon gar keine Rede sei und dass, da er die Sache ablehne, sie auf sich beruhen werde. Zeschau ist sehr wenig in Reitzensteins Gunst. Er fand sich sehr beleidigt durch eine Dummheit, die dieser allerdings gemacht. Er macht eine Visite bei der Herzogin von Glücksburg, schmückt sich mit seinen Sternen, geht darauf zu Reitzenstein zur Partie und nimmt, kaum eingetreten, vor dessen Augen den Stern ab und steckt ihn in die Tasche! April 18 Am Freitag gab ich eine Whist-Akademie (sit venia verba) in großem Stile, mit fünf Tischen, wozu denn die Glieder der Reitzensteinschen Gesellschaft, bei denen ich diesen Winter gespielt hatte, erschienen und u. a. auch Beust, natürlich eine Stunde zu spät und ohne einen Groschen Geld, so dass ich ihn mit 3 Talern auslösen musste. Als die Anderen gegen 11 fortgingen, blieb er noch, um eine Zigarre zu rauchen, da. Wir kamen auf den jetzt alle Gemüter beschäftigenden Zollverein und er behauptete, er sei die Ursache, wenn derselbe jetzt zerfalle. In Berlin, wo man sehr schlecht unterrichtet sei, glaube man das Gegenteil und Manteuffel habe noch vor kurzem gesagt, Herr von Beust ist ein sehr gescheiter Mann, aber, aber – Er habe aber jetzt überall vermittelnd gewirkt, um den Süden, der so preu57
Reißiger, Carl Gottlieb (1798–1859), Komponist und Hofkapellmeister. 1826 Musikdirektor des Dresdner Hoftheaters, dann zweiter Hofkapellmeister, 1851 Erster Hofkapellmeister. Siehe Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 652.
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ßenfeindlich sei, dass man selbst die materiellen Interessen aufgebe, um nur dem Hass gegen Preußen zu genügen. Herrliche Garantie der deutschen Einheit und Einigkeit! April 29 Vor einigen Tagen bekam ich die Einladung von Advokat Gutbier, einem Advokaten ohne Praxis aber mit viel Vermögen, der seit 20–30 Jahren den Access im Hauptstaatsarchiv hat, zu einer Abendgesellschaft. Es waren da der Bankier Bassenge58, Dr. Vehse, der sein Werk über die Höfe nun vollendet hat, wie er sagt, einige namenlose Individuen und, wie es in Gutbiers Schreiben hieß, „andere in Dresden lebende Herren“. Es ward sehr gut soupiert und getrunken, so dass ich etwas unsicher auf den Beinen zu Hause kam. April 30 Der Oberst Seebach war in meiner Abwesenheit früh dagewesen und hatte einen Brief von Camillo aus Gotha zurückgelassen, worin dieser nur mit wenig Worten schrieb, dass die neue Gothaer Verfassung, mit welcher Seebach stehen oder fallen muss, mit 23 gegen 3 Stimmen angenommen worden ist. Ich freue mich herzlich, dass er nun eine feste Stellung gewonnen hat. Abends ging ich seit langer, langer Zeit wieder einmal ins Theater, wo eine Truppe Italiener, die aus Petersburg kommt, den Barbier von Sevilla gab. Es waren lauter berühmt gewesene Namen, unter anderem die Sängerin Perhiarie und der Bassist Tamburini, die immer noch resoliter (?) ließen. Mai 10 Beust hatte uns zu Tische geladen, auch seinen Bruder, der von Sulza, wo sie ein 100jähriges Jubiläum des Bestehens des Salzwerks gefeiert haben, herkommen sollte. Wir kamen denn pünktlich 4 Uhr an, eine Viertelstunde später kam Beust und wir warteten nun bis 5 Uhr auf die andern Gäste. Niemand kam, wir setzten uns also zu Tische und um 5 ¼ kam Frau von Houwald nebst Freifrau von Britzko. Beusts waren nicht gekommen, jene hatten sie mit dem Zug aus Leipzig, der um 4 Uhr kommt, erwartet und waren denn noch ein Stündchen ruhig zu Hause geblieben, auf eine Droschke wartend! Originell und angenehm für die Wirte! Wir sprachen von Louis Napoleon. Beust meinte, er sei sehr verschlossen, hat dabei einen türkischen Fatumglauben und folgt, ohne irgend auf Rat zu hören, seinen Inspirationen. In der Regel habe er das Gegenteil von dem getan, was ihm erfahrene Staatsmänner geraten und stets sei es ihm geglückt. Er sei gar nicht der Sohn des Vaters, dessen Namen er trage, sondern die Herkuhle habe ihn von einem Admiral, ein dritter Sohn sei der Herr von Morny, den aber der Mann nie agnosciert hat. Mai 17 Heute Mittag kam die Verordnung des Gesamtministeriums, durch welche Herschel wegen seiner demokratischen Tendenzen mit 7/10 quiesciert ward. Er geht spazieren, bekommt mehr, als wenn er wegen Krankheit pensioniert worden wäre und der Staat begehrt, wenn seine Arbeit gemacht werden soll, einen Andern? Zur Vorfeier des morgenden Geburtstages des Königs war Nachmittag Konzert in der Frauenkirche von vielen Gesangvereinen, recht gut. Dann gingen wir mit Frau von Houwald und Marie Beust und Anton in den Großen Garten und brachten den Abend bei uns recht gemütlich bei einer Flasche Lössnitzer Champagner zu. Beust hat Marie erzählt, dass der Kaiser von Rußland ihm gesagt: Je Vous est beaucoup, asseyez Vous angers de moi! Sehr wichtig. Juni 17 Am Dienstag war die ganze Whist-Akademie mit dem Senior Reitzenstein in Pirna, wo wie gewöhnlich gegessen und gespielt, gespielt und gegessen ward. Früh war General von Naumann aus Berlin bei Sophie gewesen und ich suchte ihn daher Abends noch 58
Bassenge, Bankier in Dresden 1852.
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auf. Heute traf ich mit ihm, seiner Frau, einem Leutnant, seinem Sohn aus Potsdam nebst Frau, früh halb 10 im Großen Garten zusammen, wo der alte Herr uns alle die Stellen bezeichnete, wo er am 26. August 1813 im Kugelregen gestanden, gekämpft und retiriert hatte. Dann frühstückten sie alle bei uns und fuhren um 1 ¼ nach Teplitz ab. Juni 26 Archivar Herschel, der nun mit 7/10 seines Gehaltes pensioniert ist, hatte sich erbeten, umsonst einige Arbeiten fürs Archiv zu machen, z. B. die sogenannten Zeitungen, alte historische Schriften vom Jahre 1 500 circa zu extrahieren – das Gesamtministerium trägt Bedenken. das zu genehmigen! Er soll wahrscheinlich durch Langeweile gebessert werden. Juli 13 Wir machen spät Abends in der Regel wieder Promenaden, wenn nach Sonnenuntergang Kühle eintritt, denn es ist eine dauernde, jetzt nicht wie vor einigen Wochen durch Gewitter abgekühlte Hitze, wie sie man hier selten hat. Es ist, als ob die Hitze alle Menschen lähmte – alles apathisch. Die drohende Spaltung Deutschlands durch Zerreißung des Zollvereins, die größten materiellen Verluste vermögen nicht, die Leute aus ihrer Ruhe aufzuregen und inwendig mögen sie raisonieren, es sagt aber niemand ein Wort. Wer Unrecht hat, ob Preußen, ob Österreich, ob Manteuffel, Pfordten oder Beust, ich weiß es nicht. Ich muss sagen, ich nehme nicht einmal mehr Interesse daran, es zu untersuchen. Soviel weiß ich nur – es ist etwas faul im Staate Dänemark und die Zeit ist vorüber, die mich für Deutschland hoffen lässt und mich begeistern könnte. Ist es nicht wie ein Traum, was geschehen? Deutsche Einheit, deutsche Flotte, deutsches Parlament, ihr Seifenblasen! Habe ich den bunten Schaum doch für was Consistentes gehalten – Esel! Man wird des Lebens recht müde und matt, wenn man die Gegenwart so als – gemütlicher Deutscher mit der Tonpfeife, die ich gerade rauche – betrachtet. August 22 Prinz Johann hatte in Gemeinschaft mit mehreren Altertumsvereinen Deutschlands eine Generalversammlung der verschiedenen Altertumsvereine und Freunde ausgeschrieben, die vom 16.–19. hier abgehalten ward. Ich bekam auch eine Einladung, die mich veranlasste, zugleich Mitglied des hiesigen Vereins zu werden, aus dem ich vor vielen Jahren ausgetreten war. Es sind denn demzufolge viele Leute hier zusammengekommen. Ich habe viele Bekanntschaften gemacht und bereits wieder vergessen. Viele Reden sind gehalten, viele Toasts gesprochen worden. Ich habe mir die meisten Versammlungen geschenkt, da ich im Archiv mich besser zu beschäftigen wusste, während Erbstein die ganzen Tage unsichtbar, (d. h. im Archiv) war, in einem Meer von Wonne schwamm und in der Tat durch das Gefühl der Wichtigkeit, welches er sich beilegte, fast verrückt ward. Mittwoch war eine musikalische Feier im Großen Garten, wobei uralte Gesänge aufgeführt wurden – Donnerstag fuhr die ganze Gesellschaft nach Meißen. Ich sah bei dieser Gelegenheit zuerst die Albrechtsburg recht vollständig, da sonst manche Räume nicht gezeigt werden, z. B. die Souterains und die im Innern vorhandenen Gefängnisse. Göttlich waren die Antiquare, die bei jedem Stein gleich wussten, in welchem Jahre er behauen, bei jedem Fenster, in welchem Jahre es eingesetzt war. Sie machten denn auch die Entdeckung, dass ein Anbau am Dom, der jetzt als Zugang zu einer Kapelle, die der Staatsbeamte v. Witzleben benutzt, dann eigentlich der älteste und schönste Teil des Doms ist. Dieser soll denn nun wiederhergestellt werden. Das Mittagessen im Hirsch war gut, amüsant und nicht zu lang, die ganze Partie sehr angenehm. Einige der Herren kamen denn in diesen Tagen auch ins Archiv, u. a. einer, mit dem ich öfter zusammen war, ein Generallandschaftsdirektor von Hodenberg aus Celle, der eine unnatürliche Passion für alte Urkunden hat. Ein Prof. Höfler aus Prag kam auch eines Morgens
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und sprach den Wunsch aus, einige Akten einzusehen. Als ich ihm eröffnete, dass es dazu der Genehmigung des Gesamtministeriums bedürfe, wollte er seine Bitte zurückziehen, da er nur einige Tage hierbleibe und aus eigener Erfahrung wisse, dass die Einholung einer solchen Genehmigung viel Zeit erfordere. Er war höchst erstaunt, als ich ihm sagte, dass, wenn er in zwei Stunden wiederkommen wolle, er die Genehmigung finden solle. Während er nun an meinem Schreibtisch sein Gesuch schrieb, schrieb ich meinen Vortrag, schickte ihn an Roßberg mit der Bitte darauf, das an sich ganz unbedenkliche Gesuch sogleich zu appedieren und richtig in zwei Stunden war die Sache in Ordnung und Höfler bereits bei den Akten beschäftigt. Sonst nichts vorgekommen. Beust, der nach allen Gegenden der Windrose reist, um den Zollverein auseinander zu bringen oder zusammen zu halten – was, weiß ich selbst nicht, habe ich seit Wochen nicht gesehen. August 26 Gestern hatte mich Beust zu Tisch gebeten. Wir fuhren um 2 Uhr mit dem Dampfschiff auf den Weinberg in Wachwitz, wo wir im Jahre 1817 wohnten und die selige Mutter nach Antons Geburt starb. Seine Frau fuhr mit. Draußen war seine Schwiegermutter und deren Schwester, die beide so undeutlich sprachen, dass ich kein Wort verstand. Nach Tische expedierte mir Beust seine Zollpolitik, deren kurzes Resultat das ist: wir dürfen uns Preußen nicht unterordnen, sondern müssen ihm zeigen, das es nicht machen kann, was es will, sonst geht es uns künftig noch schlechter. Die preußische Regierung gibt keine Garantie, wir müssen uns daher ganz festhalten, damit wir nicht unter ihren Schwankungen auch leiden. Wenn wir jetzt Preußen nachgeben, so kommt es zu keinem Zollvertrag mit Österreich. Bricht der Zollverein, so wird allerdings unsere Industrie zum Teil zu Grunde gehen, allein die künftigen Generationen werden den Vorteil der Verbindung mit Österreich haben. Preußen wird auch auf die Dauer nicht allein stehen können. Er weiß einem das alles recht plausibel zu machen und da die Zigarren gut waren, so waren wir beide vor der Hand einig. Auf dem Rückweg wollte ich noch Einert besuchen, allein ich traf einen alten Bekannten, den Dr. Hänschel, den ich lange nicht gesehen, da er ein ganz stilles kleinbürgerliches Leben führt – und da ging ich mit ihm heim, ließ mir von seinem Stilleben erzählen und erzählte ihm wieder von meiner Glanzperiode im Jahre 1849, wo ich oft mancherlei erlebte. August 28 Da Beust auch in den nächsten Tagen nach Leipzig will, um seine Frau, die nach Schwenningen soll, zu begleiten und nebenbei Schele, der von Berlin kommt, in Magdeburg zu sprechen, so beschlossen wir, die Reise bis Leipzig zusammen zu machen. Das geschah denn auch. Ich schickte deshalb früh zu Beust und ließ fragen, ob ich ein Coupee bestellen solle. Er ließ sagen, es sei nicht nötig, es sei geschehen. Als ich aber um 12 hinkam, war nichts bestellt und da bloß zwei Coupees 1. Klasse da waren, beide aber schon halb besetzt, so musste er sich gefallen lassen, sehr eng zu sitzen. Zu uns setzte sich noch der Landschaftsdirektor v. Hodenberg, der sich bis dahin noch vom Altertumsvereinstreffen in Dresden herumgetrieben hatte. Beust politisierte wieder. Ich sagte ihm schließlich, dass ich allerdings in Folge seiner neulichen Deduktionen von ihm einige Tage konfus gemacht worden, schließlich aber doch zu der Überzeugung gekommen sei, dass seine Politik am Ende bloß darin beruhe, dass sich Sachsen nicht von Preußen, sondern von Österreich mediatisieren lassen müsse. Das er daneben aber allerhand Recuperationspläne und Vergrößerungsgelüste trägt, bezweifle ich nicht.
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September 16 Interlaken. Reisebeschreibung (der Schweiz-Reise) wird geschenkt, aber kurze Notizen zum ewigen Gedächtnis. Sonnabend den 28. August abgereist, bei Adolf soupiert. Sonntag mit Anton nach Bamberg: Hitze, schöne und schlechte Gegend. Bamberg sehr interessant. Abends noch nach dem Jesuitenstift über der Stadt auf hoher Terrasse. Montag früh nach der Babenburg spaziert. Herrliche Aussicht. Dann nach Augsburg in die 3 Mohren: ältester Gasthof in Deutschland, von den Fuggem gegründet, seit jener Zeit der berühmte Weinkeller mit orientalischen und italienischen Weinen. Bei der Abendtafel Bekanntschaft mit dem Kanzler des Königs von Griechenland, der von seinem schon zehnjährigen Aufenthalt in Athen manches Interessante erzählte. Von Augsburg mit der Eisenbahn bis Kempten, im Wagen nach Immenstadt im baierischen Hochland, wohin wir schon um 4 Uhr kamen. Beabsichtigter Spaziergang in dem herrlichen Felsental ward durch Gewitter und Orkan verhindert. Knödelsuppe und Schmarren mussten uns entschädigen. In Lindau, das wir tags darauf erreichten, traf ich meinen guten Sophel, den das Unwetter tags zuvor auf dem Bodensee betroffen und in Gefahr und Seekrankheit gestürzt hatte. Pfarrius hatte leider noch eine Familie v. Ammon, Mann, Frau, Tochter, und eine alte Schachtel, Rätin Schwachten, aufgesungen, die wir aber erst unterwegs trafen. In Lindau hat Pfarrius einen Vetter, den dasigen Oberinspektor Dürr, mit dem wir eine schöne Wasserfahrt des Abends bei herrlichem Wetter im Amtskahne machten. Von Lindau mit dem Dampfschiff bis Rohrschach und dann zu Wagen über St. Gallen nach Rapperswyl – herrlicher Abend, wundervoller Blick in die am Züricher See liegenden Berge. Andern Tags Spaziergang nach der alten, sehr gut erhaltenen und mir daher auch im Innern interessanten alten Burg über der Stadt, jetzt von armen Leuten bewohnt. Von da nach Zürich, wo wir mit Anton blieben, um Müllers aufzusuchen. Sie kamen erst Abends von einer Exkursion und gingen zu uns zum Tee. Verona hat, was mich recht schmerzte, anscheinend eine große Torheit begangen und sich mit einem jetzt in New York etablierten Kaufmann Wiechel verlobt, der Anton von sehr unvorteilhafter Seite bekannt ist. Sie kennt ihn fast gar nicht persönlich! Marie will nach Amerika übersiedeln, wohin sie wahrscheinlich schon bald abgehen werden. Wir werden sie wohl nie wiedersehen. Die alten Freunde gehen immer mehr ab, neue kann und will man nicht erwerben – am Ende bleibt man eben einsam! Hermann Müller ist Bürger zu Bubicon im Kanton Zürich geworden, wird in die Schweizer Armee eintreten und hat sich sehr zu seinem Vorteil verändert. Am Sonnabend den 4. September früh Spaziergang mit Müllers nach dem Botanischen Garten etc, Nachmittags bis Herpen mit Müllers auf dem Dampfschiff, dann nach Zug zu Wagen. Montags den 5. September auf den Rigi – Sophies Pferd legte sich, sie fiel herab, ich purzelte, als ich ihr helfen wollte, im Steigbügel hängen bleibend auch hin, doch ging es ohne Schaden ab. Oben Nebel, nichts gesehen. Durch Missverständnis in eine Studentenkneipe gekommen, statt ins große Hotel. Dienstag den 6. September bei Regenguss herab, Sophie getragen nach Küstnacht, von da mit Dampfschiff nach Luzern, wo wir die andern trafen. Frau von Ammon war gefallen und hatte das Steisbein gebrochen; der bekannte Dr. Steiger hatte sie in Kur genommen. Das Denkmal der in Paris gebliebenen Schweizer, den Löwen in den Felsen gehauen, gesehen. Den 7. nach Brunn am Vierwaldstädter See – den schönsten Ort der ganzen Schweiz: im Adler beim Oberst Auf der Mauer, einem jungen netten Mann, der mit alternden Schwestern da wirtschaftet, sehr gutes Unterkommen. Nach Tische nach dem berühmten Rütli oder Grütli,
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da Sophie auf dem Kahn gefahren, wo uns ein wunderhübsches Schweizer Kind die drei Quellen kredenzte, die seit dem Bunde der Sage nach dort sprießen. Gern länger geblieben, aber Luise und die Schwester trieben uns fort. Den 8. nach Fluelen die Gotthardstraße hinauf, Teufelsbrücke nach Andermatt. Den 9. früh Regen. Pfarrius obstinat nach der Full und Grimmsei, zweite Trennung. Wir mit zwei Pferden über den Sussen, einem 70 000 Fuß hohen Bergpass. Ein paar Stunden Regen, endlich am Stein ein kleines Gasthaus erreicht, gerade am großen Steinengletscher. Kleider getrocknet, Feuer gemacht, zu Bette. Den 10. weiter geritten bis Maiingen. Sophie zwei Tage im Sattel, allerhand Schäden. Den Reichenbachfall und einen anderen Wasserfall gegenüber gesehen. Den 11. wieder Regen. Mittags trafen Pfarrius wieder zusammen, wollten gleich weiter über die Scheidende – dritte Trennung, die diesmal sehr verletzend war, da sie doch den Nachmittag abwarten konnten! Wir fuhren nach Brienz und Abends, da der Regen nachließ, noch Spaziergang nach der Kirche – schöne Aussicht auf den See. Den 12. mit einem Kahn nach dem Gießbach – herrlich. Von hier stammt die Wittwe des Buchhändlers Fleischer, die er vom Fischermädchen zu seiner Frau machte. Ihre Verwandten, die oben am Gießbach einen Gasthof hatten, waren sehr erfreut, von ihr, die Sophie einige Male bei der Hofmannsegg gesehen, zu hören. Weiter nach Interlaken, von da zu Wagen nach Lauterbrunn und dort die Wengernalp hinauf – Teufelsweg – aber schön. Oben der Jungfrau gerade gegenüber Gasthof – Lawinen eine Menge. Zufälliges Zusammentreffen mit Ammons, die inmittelst nach Interlaken gegangen. Sie noch immer leidend ward getragen. Den 13. bei schönem Wetter herab nach Grindelwald – Ammons zurück – wir dageblieben. Wollten nach dem Eismeer – Esel von Führer schleppte uns einen falschen Berg hinan. Den 14. zwar Nebel, aber doch nach dem Eismeer am Gletscher hin. Der ward mir aber zu schwindlig – ich blieb an einem Trümmerhaufen zurück, der von einem durch eine Lawine zerstörten Hause noch übrig war, machte mir ein Feuer an, Zigarre – bald aber Angst für Sophie – wollte noch konnte nicht weiter, musste zurück. Nach ein paar Stunden kam sie endlich. Ich war so froh, dass ich dem Führer all mein Silbergeld schenkte. Sophie war wirklich bis ans Eismeer gegangen, über Bretter über die Eisspalten. Abends nach Interlaken, wo wir Pfarrius trafen: Geben uns für 5 Groschen täglich in Pension im Hotel Jungfrau. Interlaken bloß Gasthöfe – wie ein Badeort. Den 15. ich sehr schnupfig – Spaziergang nach einer Kirchenruine am Brienzer See – schöne Aussicht. Abends zu Ammons, die im Jungfernblick, eine höher gelegene Pension, wohnen. Dort freundliche Erinnerung an meines Sophels heutigen Geburtstag mit kleinen Andenken. Heute gießt’s – ich konnte Sopheln bloß einen Blumenstrauß geben – gemütlich zu Hause. Oktober 3 Osnabrück. Nach drei Regentagen in Interlaken mit Pfarrius der Rätin Schwestern und Anton nach Thun – dort herrlicher Tag und Alpenaussicht von der Jakobshöhe. Andern Tags über Bern nach Solothurn – viele schöne Burgruinen auf dem Weg nach Basel, wo die zweite Nacht geblieben ward im Storch. Abends noch die Stadt besehen, Dom, große Rheinüberschwemmung. In Basel Trennung von Pfarrius, wir nach Baden-Baden. Schöne Tage. An der Bank Geld verspielt. Wir trafen General Tarzynski mit Frau und Flügeladjutant v. Zeschwitz. Einen Tag nach dem alten Schloss, den andem nach Ebersteinschloß – unbedeutend – und der sehr interessanten, ganz im Frescostil erhalten, in der Rhein(aue)
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gelegenen Schloss Favorite. Anton wartete in Baden noch auf seinen Pass, den er in Bern zurückgelassen, um das Visum nach Paris zu erlangen – er kam nicht. Wir gingen nach Heidelberg, wo wir Jettchen Müller aufsuchten, die bei einer alten reichen, sehr bekannten Engländerin Mac Mitchel als Gesellschafterin lebt. Marie Müller ist plötzlich krank geworden, wird Verona kaum begleiten können nach New York. Von Heidelberg abends nach Mannheim, wohin Anton noch nachkam, um nach der Pfalz (Haardtgebirge) zu gehen. Wir mit Dampfschiff von 7 ½ – 8 ½ nach Köln. Sonntag in Köln – Dom, Partie nach Brühl, ehemaliges Kurfürstenschloss, nicht viel zu sehen. Montag hierher. Fast immer Regen und Orkan. Den Dienstag Partie nach der Tecklenburg. Sie nicht bedeutend, Aussicht schön. Früh stolz zu Ross Einkehr beim Oncle Buch, Familie Klein, eine Familie Engel, angenehme Leute, gute Musik – Äpfel gelesen, die der Sturm herabgeworfen, Zigarre geraucht, die Tage hier einfach verbummelt. Oktober 6 Dresden. Endlich heute Abend nach kurzem Aufenthalt in Hannover, wo wir die Nacht blieben, um Simons und Finanzrat Weber zu besuchen, hier angekommen. Gustav wohl. Inzwischen Ministerkrisis, (Späterer Zusatz): Friesen abgegangen wegen Zollvereins. Er hatte mit Behr verabredet, dass sie beide den Abschied einreichen wollten, wenn Beust’s Ansicht, den Zollvereinstag nicht zu besuchen, vom König genehmigt werde. Dies geschah. Friesen fasst also das gemeinschaftliche Schreiben ab und schickt es Behr zur Mitvollziehung. Da tritt der auf die Hinterfüße und – bleibt Minister. So erzählte mir Beust am 30. März 1866. Oktober 12 Seebach war einige Tage hier wegen tödlicher Krankheit seiner Mutter. Wir sprachen viel über den traurigen Bruch in der Zollsache und ich riet ihm, da doch jetzt jedes Mittel ergriffen werden muss, um Preußen zum Einlenken zu veranlassen, doch gemeinsame Schritte der Herzogtümer zu veranlassen, um Preußen bemerklich zu machen, dass der letzte Schritt, die einseitige Aufhebung der Konferenzen, sehr übel vermerkt worden sei. Seebach sagte mir auch, dass Nesselrode nach Fürst Schwarzenbergs Tod Beust als dessen geeignetsten Nachfolger bezeichnet hat. Ich glaube auch, er wäre dort besser an seinem Platz als bei uns. Beust, der jetzt drei Ministerien verwest oder richtiger verwesen lässt, ist, wie ich höre, guten Muts. Er kommt mir vor, wie einer, der seine Kinder verhungern lässt in der Hoffnung, seinen Kranken Brot zu verschaffen. Auf die gegenwärtige Generation nimmt er keine Rücksicht – als ob es ohne solche eine künftige geben könne. Schimpff ist noch mehr preußenfeindlich als Beust und sichert sich dadurch ein künftiges Ministerium. Gottlob, dass ich mit allen diesen Geschichten nichts zu tun habe. Ich hätte weder Tag noch Nacht Ruhe, hätte ich alle Not, die uns droht, mit zu verantworten. Wer eigentlich die Schuld trägt – ich vermag es nicht zu beurteilen. Könneritz, der frühere Gesandte, jetzt Obersthofmeister, behauptet, Beust wäre mit zu großem Leichtsinn in der Sache verfahren, habe bloß darauf gerechnet, dass Preußen nachgeben werde, während er ihm von Anfang an das Gegenteil nach guter Orientierung versichert habe – er ist aber allerdings eben nicht sehr zuverlässig und Beust nicht grün. Klenge in Hannover soll von Preußen 20 000 Taler bekommen haben, gezählt habe ich sie nicht. Oktober 24 Jetzt sind wir nun wieder im alten guten gewohnten Gleise. Ich habe im Archiv gerade einige größere Arbeiten, welche mir die Monotonie des Aktenordnens etwas unterbrechen.
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Beust traf ich gestern zuerst auf der Straße. Er sagte mir, dass er das Ministerium des Innern solange behalten wolle, bis die Organisationsangelegenheit gelöst sei. Friesen habe dabei immer geschwankt. Er will nichts von der Trennung der Justiz und Verwaltung wissen und deshalb ein Gutachten von einer Kommission, die er aus Leuten dieser Ansicht zusammensetzen will, einholen, um eine Grundlage bei den Ständen zu haben. Auch sei ihm das Ministerium des Innem viel bequemer, weil es in seinem Hause (Seegasse 11) ist. Was mir bei Beust jetzt so schmerzlich ist, das ist der unverkennbare Mangel an strenger Ehrlichkeit und an Eifer für das wahre Wohl des Volkes. Alles richtet sich bei ihm nach Interessen politischer, dynastischer Natur. Preußen soll gedemütigt werden, gleichwohl, ob Sachsen zu Grunde geht. Ist eine Maßregel auch nicht streng rechtlich, gleichwohl wenn sie nur politisch brauchbar und mit Scheingründen zu rechtfertigen ist! Auch in Kleinigkeiten macht er ohne Grund selbst mir gegenüber Flausen. So fuhren wir, als ich in die Schweiz reiste, zusammen bis Leipzig. Seine Frau mit der Bahn wollte nach Schwenningen. Ich sah auf dem Bahnhofe einen Bedienten von Beust und fragte, ob er mit nach Schwenningen reise. Beust bejahte es. Gleichwohl war der Kerl, als wir nach Leipzig kamen, nicht da. Natürlich fragte ich ihn, als es galt, das Gepäck aus dem Wagen zu nehmen und er ließ nach dem Menschen suchen, tat auch selbst, als ob er ihn suche. Als ich ihn nun gestern fragte, was aus ihm geworden, ergab sich, dass er gar nicht habe mitreisen sollen. Wozu nun mir, dem es ganz egal sein kann, ob Frau von Beust einen Bedienten mitnimmt oder nicht, diese kleinliche Geschichte? Die mich eben, weil sie mir so erscheint, recht bedenklich macht, ob er in andern Sachen und namentlich bei ihm doch nicht so nahe stehenden Personen nicht die Wahrheit noch viel mehr ins Gesicht schlägt! Ich hätte mir so gern von ihm das Bild unserer Jugend bewahrt, allein ich muss mich immer mehr überzeugen, dass er ganz anders geworden. Meine Frau hatte den Wunsch, Gutzkow, den Verfasser der Ritter vom Geiste, die uns sehr gefallen, kennenzulernen, gegen Noel geäußert. Sie luden uns gestern auf ihn ein, ein kleiner, unansehnlicher Mann mit übel stehendem blondem Ziegenbart – er soll in Gesellschaft maussade sein. Das war er nicht. Er sprach aber nichts, was in der Weltgeschichte Epoche machen wird. Seine Frau ist recht hübsch. Die Bekanntschaft wird aber keine weiteren Folgen haben, als dass Sophie sagen kann: ich kenne Gutzkow. November 8 Mally, unser lahmer Nachbar, der aber sonst sich niemals zeigt, führte uns vor einiger Zeit einen Mister Lothorp Motby aus Boston zu, der bei der Amerikanischen Gesellschaft in Petersburg angestellt gewesen, jetzt seit einiger Zeit hier lebt und sich mit der Geschichte Wilhelm von Oranien beschäftigt – der erste Amerikaner, der mir vorkommt, der für etwas Anderes als Dollars Sinn hat. Es ist ein sehr netter Mann, mit dem ich jetzt, da er im Archiv arbeitet, viel verkehre. Berlepsch hat jetzt eine Exekution in seiner Familie vorgenommen. Ein 26jähriger Sohn, Oberleutnant, hat schon vor einigen Jahren 5 000 Taler Schulden gemacht und jetzt abermals 7 000 Taler. Er hat den Abschied nehmen müssen und soll mit nur 300 Taler nach Amerika. Sonderbarer Weise soll er nicht einmal Empfehlungsbriefe, die ich ihm verschaffen sollte, mitbekommen. Es ist offensichtlich, als ob die Familie wünschte, dass er ganz verderbe. Wir waren gestern Abend wieder einmal bei den Prinzessinnen, die wir seit unserer Reise noch nicht wieder gesehen und trafen dort den Herrn von Kiesewetter, den berühmten Käfersammler, der dieses Jahr in Griechenland war, bloß um Maikäfer und dessen Vettern zu spießen und sammeln.
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November 10 Im Leipziger Tageblatt stand vor einiger Zeit ein Brief, den Friedrich August am 20. Januar 1815 aus Friedrichsfelde an den König von Preußen geschrieben haben sollte und der aus den sogenannten Sächsischen Aktenstücken abgedruckt war, die im Jahre 1815 erschienen, lediglich falsch sind. Der Minister Graf Einsiedei schrieb deshalb, nachdem der Brief in andere Zeitungen übergegangen, aber auch die Unwahrheit schon bemerkt worden war, an den Oberhofmarschall, um eine Widerlegung zu erlangen und es kam in dem Briefe (d. d. Muldenberg, den 8. November 1852) folgende charakteristische Stelle vor: „Obschon die Echtheit des Briefes von der Redaktion (der Sachsenzeitung) verbürgt worden zu sein geschienen, so wird doch jeder unbefangene Leser die Unechtheit sofort erkennen: dem edelsten der Könige ist die Äußerung in den Mund gelegt worden, dass an den Fehlern der Fürsten deren Diener die meiste Schuld trügen.“ Reitzenstein war denn auch, durchdrungen von der Überzeugung. dass der edelste der Könige eine so scheußliche Äußerung nicht habe tun können, dass er mich dringend bat, Beust aufzufordern, mit der fürchterlichsten Strenge einzuschreiten. Nun. Ich habe es Beust gesagt und es werden einige Redakteurs notwendig gehangen werden müssen, um die alten Herren zu beruhigen. Den Tag über ward wie gewöhnlich vor und nach Tische im Archiv gearbeitet. Um 1 holte mich Sophie ab, um ein Bild von Vogel von Vogelstein „Faust“ zu besehen, das ganz gut ist. Abends wollte ich einmal lesen, wozu ich mehrere Abende nicht gekommen, da ich z. B. gestern Quartett hatte. Allein es karn Ehrenstein um 7 und um 9 noch Beust und da ward Porter getrunken und Zigarre geraucht. November 21 Ich suchte Seebach auf, der bei mir gewesen und mir von Berlin kommend mir allerhand erzählte, was dahin deutet, dass durch direkte Verhandlungen Österreichs mit Preußen, die im Geheimen eingeleitet sind, doch noch der Zollverein erhalten wird werden. Es scheint, dass Österreich sich überzeugt, dass es den Ansprüchen der „Kombition“ doch ohne zu große Opfer nicht genügen kann. Die Herzogtümer Sachsen haben wahrscheinlich heute schon den Vertrag mit Preußen abgeschlossen und nun kann Preußen auch, da es doch einen Zollverein hat, ohne von seinem Programm abzugehen, mit Österreich verhandeln. Dezember 9 Hätte man keinen Kalender, so glaubte man, dass man dem Frühjahr, nicht dem Winter entgegengehe, denn noch haben wir keinen Frost, keinen Schnee gehabt und die Luft ist so mild, dass man im Sommerpaletot spazieren gehen kann. Sonst dreht sich alles im gewohnten Kreise und wir mit, unberührt dadurch, dass Louis Napoleon sich die Kaiserkrone aufsetzt und Prinz Albert auf Freiersfüßen geht, um Ersteren seine Braut, die Prinzessin Wasa, wegzuschnappen. Dezember 26 Es ist jetzt eine Zeit, wie sie vor 1848 war. Es vergehen Wochen, Monate, Jahre so regelmäßig und gewöhnlich, dass man nichts ins Tagebuch zu schreiben hat und Weihnachtsfest ward wie gewöhnlich bei uns begangen Eine halbe Stunde war ich auch heute bei Beust, der sehr erfreut war, dass ihm der Kaiser den Stephansorden gegeben, der, wie er sagte, außer Österreich nur etwa in 5–6 Exemplaren vorhanden sei. Nun, meinte er aber, hätte er alles, was er von Österreich bekommen könnte, nun müssten sie mit Gelde herausrücken. Gersdorf, der Oberhofmarschall, hat nämlich eine Dose für 2000 Taler bei der gegenwärtigen Anwesenheit des Kaisers von Österreich erhalten. Ich sah den jungen Herrn durch Zufall bei der Ankunft. Dezember 31 Abermals ein Jahr zu Ende, das uns an sich nichts Unerfreuliches gebracht und das ich doch ohne Kummer zu Ende gehen sehe. Man sagt oft, die süße Gewohn-
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heit des Daseins gewinne, je mehr man sie übt, an Wert – ich weiß nicht, bei mir ist das nicht der Fall. Das vorherrschende Gefühl bei mir ist nicht Unzufriedenheit mit meinem Los, wozu ich auch keine Veranlassung hätte, aber eine lebhafte Sehnsucht nach – Ruhe, wie ich und der Mensch überhaupt sie auf der Erde misse, sondern nur unter derselben findet. Glück auf neues Jahr!
1853 Januar 4 Am 1. Januar ging ich früh zur Cour. Mittags waren sämtliche Geschwister bei uns und abends ließ ich mich von Adolf persuadieren, nochmals an den Hof zu gehen, um dort mir von der fürchterlichen Hitze Kopfschmerzen zu holen, ohne sonst irgend einen Spaß oder Genuss zu haben – das letzte Mal, dass ich hingekommen. Nach dem Diner gingen wir wieder zur Houwald, wo wir den Landesältesten von Thielau fanden, der sich denn in ungemessenem Raisonieren insbesondere über Behr erging, da er bekanntlich selbst gern Finanzminister würde. Geistreich ist der Mann aber und so hört es eine Weile sich ihm ganz gut zu. Dann sang Frau von Beust, die einen famosen Alt hat, aber unter drei Tönen vier falsch singt. Januar 20 Um 5, als Gutbier zum Kaffee einen großen Leierkasten, der durch ein Kunstwerk in Bewegung gesetzt wird, losließ, entfernte ich mich und ging zu Beust, wo ich mit der Frau Ministerin eine Zigarre rauchte. Er erzählte u. a. eine Geschichte von Wietersheim. Da wird, als er gerade in die Session will, ein Pastor gemeldet. Er lässt ihn in sein Arbeitszimmer führen, spricht noch mit seiner Frau, vergisst Pastorem, schließt seiner Gewohnheit nach beim Fortgehen die Türe seines Zimmers ab und geht mit dem Schlüssel in der Tasche fort. Nachmittag erst wird der arme Pastor, der geduldig wartet, aus seinem Kerker erlöst. Ein Pedant passierte dem Minister Carlowitz. Ein Schullehrer erzählt ihm seine Leiden. Er schläft ein, erwacht nach einer vollen Stunde und der Schulmeister, über die Geduld des Zuhörenden höchst erfreut, ist gerade beim vierten Leiden angelangt! Eine Geschichte, die viel Aufsehen hier macht, ist dem Grafen Schönburg passiert. Einer jungen Schauspielerin Michalesi, Schwägerin des Kapellmeisters Krebs, wird von einem Portechaisenträger ein Brief übergeben, den er nur in eigene Hände niederlegen soll. Der Brief, von einem Graf Schönburg unterzeichnet, enthält auf frühere Schreiben Bezug nehmend die wiederholte Bitte um ein Rendevouz und ist in einem die junge Dame um so mehr verletzenden Stil gehalten, als daraus auf eine durch ihre Antworten unterhaltene frühere Korrespondenz hingedeutet wird. Höchst erzürnt gibt sie den Brief ihrem Schwager, der damit sonderbarer Weise auf die Polizei geht. Es wird nun erörtert und ergibt sich, dass Graf Schönburg sich, um ein Verhältnis anzuknüpfen, an das Stubenmädchen gewendet, ihr Geld gegeben, einen Brief zu bestellen. Diese findet das ganz angenehm, schreibt selbst die Antwort und empfängt andere Briefe und Geschenke im Betrag bis zu l00 Taler, immer den Herrn Grafen an der Nase herumführend. Gestern ist der Herr von Gutschmid, der Erbauer des Brunnens an der Post und eines italienischen unbewohnbaren Hauses am Elbberg, wahrscheinlich in Verrücktheit in die EIbe gelaufen. Man hat ihn aber wieder herausgezogen. Er hat durch seine Baulust sein ganzes, nicht sehr bedeutendes Vermögen zugesetzt und lebt in Indolenz, keinen Erwerb suchend,
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schon lange im Elend. Das Wetter bleibt sich gleich – noch haben wir keinen Schnee gehabt. Es ist mild wie in Italien und die Zeitungen melden, dass in Süddeutschland die Schoten reifen, Erdbeeren und andere Früchte in den Gärten reifen. Beust erzählte mir auch noch folgenden casus, den ich der Nachwelt nicht vorenthalten will. Im Ministerium des Auswärtigen ist ein Bote, Fourier betitelt, namens Barthel, ein kleines und selbstgefälliges Männchen. Als vor einiger Zeit Graf Kuefstein Beust den Stephansorden mit einer immensen Rede übergeben, fügt er, nachdem er sich erholt, noch bei, dass er auch Barthel eine Auszeichnung zu erteilen habe. Fürst Schwarzenberg und der Kaiser seien der Verdienste immer eingedenk geblieben, die sich Barthel bei den Konferenzen (durch Türaufmachen) erworben habe, und er solle daher ihm das Kleinkreuz, ich weiss nicht welches österreichischen Ordens, übergeben. Beust freut sich offiziell darüber, mit der Bemerkung, dass Barthel sich auch während der Maitage gut benommen habe, was Kuefstein zu der Bemerkung veranlasste, dass er sich deshalb um so mehr freue, den „würdigen Mann“ empfohlen zu haben. Der würdige Mann wird dann durch die Klingel zitiert und stellt sich, neuro habito eines Auftrags gewärtig, mit über den seligen Bauch gefalteten Händen arglos in leise gebückter Haltung an der Türe auf. Kuefstein richtet nun zum grenzenlosen Erstaunen Barthels an ihn das Wort. Je länger er redet, je kleiner wird Barthel, bis er zuletzt, als er erahnt, worum es sich handelt, ganz versteinert nur noch in Gestalt einer ~ Ellen hohen Kugel in Tränen zerfließt. Er kann kein Wort hervorbringen, heult nur entsetzlich. Kuefstein ergreift dies so, dass er plötzlich schließt, das Taschentuch hervorzieht und die quellenden Tränen aufhält, während Beust allerdings sich die größte Gewalt antut, um nicht herauszuplatzen. Nachmittag ist Barthel vor Alteration krank, trägt aber das weißrote Bändchen bereits. Januar 30 Die Obristin von Seebach ist gestorben und Seebach daher hergekommen. Ich war am Sonntag Nachmittag bei ihm. Abends ging ich zur Nostitz auf einen Ball. Wie ich durch die Moritzstraße ging, war die erste Etage des Hauses, worin Seebach wohnt, festlich erleuchtet, die Gaskandelaber vor dem Tore brannten, die Treppe war mit Blumen geschmückt, galonierte Diener trieben sich an der Türe herum, der Herr von Schwanenfeld gab einen Ball – über dem Salon eine Treppe höher standen die Fenster des Leichenzimmers offen. Eine Diele trennte den Ball von der Leiche! Gestern Abend war Seebach bei uns. Er führt ein sehr abgeschlossenes, Arbeits-, aber nicht freudenvolles Leben in seiner kleinen Residenz. Februar 15 Vorige Woche waren allerhand Bälle, Hofball etc., zu denen Beusts aus Freiberg hergekommen waren. Am Montag (den 7. hujus) war ich zum ersten Male in der Versammlung des Altertumsvereins, dem ich schon seit einiger Zeit angehöre, aber noch nie besucht hatte. In einer Art halb unterirdischen Kellergewölbe oder Holzstall versammeln sich im Prinzenpalais die Altertümler bei matter Beleuchtung. Prinz Johann dirigiert. Es wurden allerhand eingegangene, höchst unerhebliche Schreiben vorgelesen. Dann hielt Organist Kaden, ein talentvoller junger Mann, einen recht interessanten Vortrag über die Ausbildung des Notensystems, dann Prinz Johann ein Resume über eine Abhandlung in irgend einer mir unbekannten Zeitschrift über die alte Geographie Deutschlands und um 8 schlich ich davon, um noch eine Gesellschaft bei Kohlschütter zu genießen, die ziemlich ledern war. Gestern war Ausschussversammlung von Gittersee, wobei denn allerhand unangenehme Geschichten vorkamen, die dartun, dass der Gerichtsdirektor Fischer, der jetzt factotum ist,
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die Geschichte zu seinem Nutzen auszubeuten sucht und weiß, so dass ich mich von jeder Verbindung mit der Sache loszumachen suchen werde. Ich ging auch heute deshalb zum Oberkammerherrn von Könneritz, der mich neulich über die Sache fragte und neue Aktien aufnehmen wollte. Ich hatte ihm damals, ehe ich jene Geschichte kannte, die Sache empfohlen. Ich achtete mich aber verpflichtet, diese jetzt zurückzunehmen. März 9 Falkenstein hat nun das Kultusministerium übernommen und sagte mir, dass er ganz tolles Zeug vorgefunden habe. Bei Beusts Leichtsinn, der nur eine politische Tendenz verfolgend alles übrige seinen Räten überließ, kein Wunder. März 13 Gestern Abend waren die Prinzessinnen und Prinz Woldemar, der einige Tage hier war, bei uns nebst Ehrensteins und Ferdinand. Die Geschichte war aber trotz vielen Champagners sehr ledern. Heute aß die Prinzess Pia (hier), bat mich um meine Interzession für einen Professor Ritterich59 in Leipzig, der lange ohne Entschädigung das Blindeninstitut administriert habe und nicht einmal eine Anerkennung erlangt. Ich schrieb es Beust und schloss mit den Worten: Bist zwar Du ihn losgeworden, So gib ihm umso mehr den Orden O Albrecht, süßer Albrecht Du, Du bringst den Kerl gewiss zur Ruh. Beust schrieb mir, ich möchte zu ihm um 11 aufs Ministerium kommen, er wolle mir Veronikas Briefe vorlegen. Ich mochte sie nicht lesen, da ich darin Indiskretion befand, sondern bat ihn bloß, mir die Hauptstellen zu bezeichnen. Ich ging von Beust zu Römer, wo wir eine Zigarre rauchten und mit dem Präsidenten von Schönfeld über ein Geschenk sprachen, welches die Kreisstände dem Prinz Albert zu seiner Verheiratung machen wollen, ein Silberstück für 10 000 Taler, an dem die Wappen der einzelnen Kreise angebracht werden sollen, über deren Ausfindigmachung aber bedeutende Schwierigkeiten sich zeigen. Abends bei Ferdinand großes Berlepsch-Webersches Zauberfest mit großem Souper. Hier ,Anekdote erzählt, das Publikum von Meißner, die den Mann sehr bezeichnet. Das Oberappellationsgericht hat auf Veranlassung Langenns dem Prinz Albert eine Gratulationsadresse zu seiner Verlobung überreicht. Das Appellationsgericht folgt diesem Beispiel und Meißner entwirft ebenfalls eine, die post varias eintrifft als auch akzeptiert wird. Und schöner. Der Vizepräsident Müller und einige Räte überreichen sie und der Prinz fragt sodann Müller, ob er verheiratet sei. Antwort: Leider nein, aber ich teile ganz die Gesinnungen Euer Königlichen Hoheit. Der tut dann dieselbe Frage an Meißner. Antwort: Leider schon zum dritten Male!60 März 23 Ein schauderhafter Nachwinter. Ellentiefer Schnee deckt die Frühlingsblumen, über die wir uns schon vor Wochen freuten. Seebach kam gestern zu mir. Er holt hier seinen ältesten Sohn, der konfirmiert worden ist, ab. Er ist jetzt mit seiner Stellung zum Herzog und seinen beiden Duodezländchen ganz 59 60
Ritterich, Friedrich Philipp (1782–1866), 1820 Professor für Augenheilkunde in Leipzig, Gründer und des Direktor des Blindeninstituts in Leipzig. Siehe ADB Band 28, S. 698. Meißner, Ferdinand August (1778–1855), Hof- und Justitzrat in der Landesregierung, 1833–1836 Direktor des Hauptstaatsarchivs, danach Oberappellationsgerichtsrat, zuletzt Appellationsgerichts-Präsident.
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zufrieden. Ich fürchte nur, dass er Ursache hat, mit seinen Privatfinanzen es nicht zu sein. Obwohl sein Bruder, der Gesandte in Paris, die Kosten für Erziehung seines ältesten Sohnes übernommen – auch kurios – so braucht er doch alle Jahre mehr als er einnimmt – gerade wie wir, hätte ich bald hinzugefügt, nur dass bei mir das Defizit bedeutend kleiner ist. Heute gingen wir zum Abendmahl. Ich kann sagen, dass ich es mit Andacht feierte. Ich dankte dem lieben Gott dafür, dass er mir die Liebe meiner guten Sophie geschenkt, bat ihn, dass er sie mir erhalten möge, wusste aber weiter für mich nichts zu bitten, als um einen sanften Tod. Hier bin ich fertig und für die Kinder kann Sophie besser sorgen als ich. Ich fühle das! Unser Quartier ist uns gekündigt. Es ist jedenfalls auf eine Steigerung des Preises abgesehen. Die Unmasse wohlhabender Fremden, die sich immer mehr nach Dresden ziehen, macht uns das Leben hier sehr teuer. April 17 Da die Welt sich jetzt nicht mit Politik und Religion zu beschäftigen weiß, so hat sie sich einmal wieder zum Magnetismus gewendet und das table newing ist aus Amerika zu uns gekommen. Es setzen sich eine Partie Leute um einen Tisch, legen, ohne sich zu berühren, die kleinen Finger aufeinander und bilden so eine magnetische Kette, deren Einfluss oft nach stundenlangem Harren einen Tisch zum Laufen bringen soll. Gesehen habe ich es noch nicht und eher glaube ich es auch nicht. Sonst nil novi. Anton scheint sich immer besser mit seiner Braut zu stellen. Doch muss ich sagen, dass ich so wenig Poesie oder Interessantes in der Sache finde, dass ich vergeblich nach irgend einer Idee für den Polterabend gesucht habe. Ich fand auch nicht den kleinsten Witz und habe daher an Biedermann geschrieben, der auch bereit ist, ein wahrscheinlich sehr breites Opus zu liefern. April 23 Am Dienstag aßen wir bei Beust mit der Freiberg und Frau von Houwald. Die feindlichen Mächte haben sich wieder ausgesöhnt, ob auf lange scheint mir sehr zweifelhaft. Jordan und Ferdinand waren auch da. Beust erzählte, dass er, wie er überhaupt sich bemüht, seinen Beamten fremde Orden (die diesen Vergnügen machen und ihm nichts kosten) zu verschaffen, so er auch neulich, als Seebach hier war, diesen darauf aufmerksam gemacht habe, dass der Geheime Regierungsrat Schaarschmidt, der Kommissar bei dem letzten Erbteilungsfall der Ernestinischen Linie war, den Ernestinischen Orden nicht habe. Seebach verspricht, sofort die Sache einzuleiten, trägt es, nach Gotha zurückgekehrt, dem Herzog vor. Es wird expediert und soll abgehen, als ein alter Sekretär doch eine Bemerkung machen zu dürfen bittet. Etwas unwillig fragt Seebach, was denn noch sei. Ich wollte nur, sagt der Secretarius, gehorsamst bemerken, dass der Geheime Regierungsrat Schaarschmidt den Orden bereits im Jahre 1836 erhalten hat. April 29 Ein ewig langer Nachwinter. Es stürmt und regnet und nur in unserm Wintergarten ist es grün. Gestern war unser Hochzeitstag. Gottlob, dass ich auf diese 18 Jahre mit dem Bewusstsein zurückblicken kann, dass wir uns jetzt viel treuer und fester lieben als damals. Am 25. ist, wie mir sein Sohn schrieb, unser alter Schmidt, früher Hauslehrer, dann Kirchen- und Schulrat in Leipzig, sanft gestorben, nur unerwartet, da er noch nicht sehr alt war. Wir laufen jetzt nach Häusern herum, da ich mich einzukaufen gedenke. Sophie ist aber so diffizil, dass sie schwerlich etwas finden werde, was zu kaufen meine Mittel ausreichen.
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Mai 8 Statt Frühjahr und Sonnenschein Nebel und Kälte – kein Winter, kein Frühjahr, das scheint zu korrespondieren. Gestern ward ich um 12 Uhr ins Justizministerium bestellt. Es waren die Mitglieder der Zivilgesetzgebungskommission, der Minister Zschinsky und Marschner versammelt. Wächter in Leipzig hat nämlich eine Broschüre über das Zivilgesetzbuch geschrieben, worin er an diesem kein gutes Haar lässt. Das Buch hat die Absicht zu tadeln, das sieht man. Es ist vieles ganz Unrichtige darin, allein auch vieles ganz Richtige. Es ward nun beratschlagt, was zu tun. Meine Meinung ging dahin, eine Broschüre zu schreiben, worin das Unrichtige widerlegt wird, übrigens das Richtige dankbar zu akzeptieren. Man hat vor der Hand das Erste beschlossen und wird jedenfalls bei den Verhandlungen mit den ständischen Korporationen, wo jene monita vorkommen werden, das letztere auch tun. Wenn ich übrigens bedenke, wie die Arbeit in der Kommission war, so wundert es mich, dass nicht viel Unsinn stehen geblieben, viel Wichtiges weggelassen worden ist. Wir haben vier – fünf Jahre gearbeitet. Held brachte uns stets bloß Fragmente einzelner Lehren ohne allen inneren Zusammenhang, heute ein Stück Vertrag, in 14 Tagen ein Stück Erbrecht, oft ohne Motiven. Wie wäre es möglich gewesen, den inneren Zusammenhang aufzufassen und festzuhalten, da wir niemals ein Ganzes vor Augen hatten. Wer konnte sich nach Jahren noch besinnen, ob nicht ein Satz schon aufgenommen sei, der sich mit einem andern stoße. Held also hatte die Sache fast allein in der Hand. Wir konnten nur einzelne monita ziehen, was ich insbesondere vielfältig getan, aber Lücken, Widersprüche mussten uns natürlich entgehen. Erst gedruckt habe ich das Gesetzbuch im Ganzen gesehen. Unser Entwurf ist aber teils von Held, teils von Marschner vielfältig abgeändert, ohne dass die Kommission etwas erfuhr. Die Motiven, die sehr mangelhaft sind, haben wir gar nicht zu sehen bekommen. denn Held behielt die von ihm bearbeiteten, die er der Kommission vorlegte, ganz in petto, um sie als Kommentar für einige 1 000 Taler herausgeben zu können und ließ von einem Aktuar, der ihm dazu beigegeben ward, besondere, sehr dürftige Motiven bearbeiten, in denen bei der Ruschelei Helds viel Falsches und Vergessenes steht. Meine Beruhigung war von Anfang, dass wir fast bloß Österreichisches Gesetzbuch annehmen, was doch wie bekannt als gut gilt, was aber Wächter, der viel von Fortschritten der Wissenschaft spricht, eben auch nicht gelten lassen will. Ich habe mich denn nun heute über Wächters Schrift hergemacht und Held einige Gegenbemerkungen mitgeteilt. Sonderbar ist es übrigens, dass die Kommission, die doch Arbeit genug gehabt hat, vom Ministerium auch nicht einmal einen – Dank erhalten hat – bloß a Person fünf Exemplare des Entwurfs – ohne Motiven!!, so dass ich denjenigen, denen ich Exemplare gesendet, die Sache nicht einmal vollständig geben konnte. Mai 17 Heute gingen wir früh auf die Terrasse, um Pallaits Bild „Die Schützengilde von Antwerpen bringt den Leichen Egenwils und Hans ihre Ehrerbietuug dar“ zu sehen, Gemalt mag es gut sein, aber schön ist der Anblick der blutigen Leichen nicht. Wir trafen dort den Landesältesten von Thielau, der sich zum Kaffee bei uns einlud. Er kam dann auch und schwatzte dann auch wie gewöhnlich das Blaue vom Himmel. Er hat jetzt eine Broschüre geschrieben, worin er sich gegen die Trennung der Justiz von der Verwaltung ausspricht. Er will die französische Einrichtung nachmachen. Zschinsky wird sich nicht viel darum kümmern, fortfahren zu organisieren und sehen, was Beust macht oder nichts. Dann werden die Ochsen am Berge stehen.
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Mai 29 Am Donnerstag veranstaltete der Oberhofmarschall ein Diner in dem neuen Hotel Bellevue, welches in den Calberlaschen Häusern jetzt aufgetan wird. Das Essen war gut, aber die Geschichte kostete mit dem Wein vier Taler – mir zu viel und wird daher nicht wiederholt. Am Freitag war eine Konferenz im Justizministerium – wegen einiger Artikel in der Sachsenzeitung über die neuen Gesetzbücher, in spezie das Zivilgesetzbuch. Es ist wahrhaft lächerlich, wie empfindlich Zschinsky gegen jeden Tadel ist – hat er es doch nicht einmal selbst gemacht. Kurioser Weise hatte er außer Langenn, Marschner, Held auch den Geheimen Justizrat Krug, Appellationsrat Schwarze und – Präsident Meißner zugezogen. Es ward insbesondere von letzterem das fadeste Geschwätz von der Welt geführt. Ich hatte mir schon vorgenommen, einmal mein Herz auszuschütten und tat es denn auch. Wir müssen doch offenbar Allen danken, die sich mit dem Gesetzbuch beschäftigen. Tadeln sie, so kommt es bloß darauf an, ob der Tadel begründet ist oder nicht. Ersten Falls muss man, gleichviel wer der Tadelnde ist, verbessern, letzten Falls widerlegen. Vor allem scheint es mir wichtig, das Gesetzbuch so einzurichten, dass es auch andere Staaten annehmen können und wollen. Meine frühere Idee wegen eines deutschen Gesetzbuchs, die anno 1849 ausführbar erschien, ist es jetzt nicht. Das schließt aber nicht aus, dass wir uns besonders mit den staatsverwandten sechs Häusern in Vernehmung setzen. Leitet man deshalb Verhandlungen ein, so gibt sich von selbst erwünschte Gelegenheit, ohne Aufsehen wesentliche Änderungen, wenn sie sonst zweckmäßig sind, vorzunehmen. Ich sprach längere Zeit und nicht ganz in den Wind. Denn wo die Zöpfe Meißner und Langenn fort waren, ohne dass ein Resultat sich ergeben, fassten Marschner und Held die Sache wieder auf. Letzteren gewann ich durch die Versicherung, dass er selbst sich am meisten im Lichte stehe, wenn die Herzogtümer das Zivilgesetzbuch es nicht annehmen. Gestern ward nun noch eine Besprechung en petit comite bloß mit Held, Marschner ohne Zschinsky gehalten. Spasshafter Weise kam zufällig Krug dazu, der nun wie der Hund im Kegelstuhle sich herumdrehte und als er gar nicht ging, endlich von Held aufmerksam gemacht ward, dass er überflüssig sei. Es ward nun mir der Auftrag erteilt, ich solle mit Seebach und Watzdort erfreuliche Rücksprache nehmen, veranlassen, dass die Herzogtümer von selbst kommen mit dem Antrag, man sei bereit, das Gesetzbuch anzunehmen, und wünsche deshalb, über von dort zu bringende monita zu verhandeln. Sie sollen denn einen Mandator herschicken, der allerdings aber nicht bloß persönlich, sondern womöglich definitiv sich würde erklären müssen, wünschenswert, wenn Watzdorf vielleicht selbst Anteil nehmen könnte, was dann auch von Zschinsky geschehen würde. Nur müsste die Sache im Laufe dieses Jahres geschehen, damit man noch den Ständen das Resultat vorlegen könnte. Diesseits würde man sich offerieren, den herzoglichen Entwurf des Zivilprozesses zur Grundlage ebensolcher Verhandlungen zu machen – eine Hand wäscht die andere! Ich schrieb nun sofort an Seebach, der jetzt nach England gehen wird, er solle mir seine Rückkehr melden, damit ich zu ihm, mit dem ich zuerst reden soll, kommen könne. Eventuell soll ich auch nach Jena gehen, da man herzoglicherseits ein Gutachten von einem Oberappellationsgericht in Jena erfordert hat, um zu hören, wie dort die Zäume hängen. Juni 6 Am Donnerstag den 2 Juni fuhr ich mit Sophie, Erhard, Adolf und Rosa mit dem Dampfschiff trotz trüben Wetters nach Meißen. Prinzeß Charlotte hatte sich durch die Regenwolken abhalten lassen. Sie verzogen sich aber und wir konnten in Meißen einen schönen Spaziergang nach Proschwitz machen, aßen dann und fuhren mit dem Schiff durchs schöne
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Elbtal nach Riesa, wo wir die Dampfwagen abwarteten, die mich nach Leipzig, Sophie und Erhard nach Dresden führten. Ich ging nach einer in Leipzig in Stadt Rom mit Wanzenkämpfen zugebrachten Nacht nach Gotha, wohin ich um 1 Uhr kam. Seebach, von meiner Ankunft benachrichtigt, erwartete mich im Bahnhof und nahm mich in sein Palais, das ihm der Herzog eingeräumt, auf. Nach Tische fuhren wir nach Reinhardtsbrunn und besprachen nun meine Mission. Er war ganz einverstanden. Regen nötigte uns zur Rückkehr. Ich schrieb am Abend an Sophie und Sonnabend war nach Weimar unsere Ankunft telegraphiert. Halb 10 setzte ich (mich) mit einem Geheimen Referendar Munnich zusammen, um eine Arbeit zu besprechen, die ich mit Beusts Zustimmung für die Coburger Regierung gemacht habe, ein Expose wegen eines Morgengabe-Kapitals der Witwe des verstorbenen Herzog August von Gotha-Altenburg, das zwischen den Erben (Coburg, Meiningen, Altenburg) streitig ist. Dann ging ich ins Archiv auf dem Schloss, wo mir der Archivrat Bach die Einrichtung zeigte, die eben nicht sehr übersichtlich ist. Ein Paket Briefe von Voltaire schienen das Einzige aus der großen Masse Handschreiben geordnet zu sein. Regesten über die vorhandenen 5–6 000 Urkunden (viel Klosterurkunden) existieren nicht. Nach Tische um 3 fuhren wir nach Weimar, besuchten Harzer61 in seinem Atelier, der dort Büsten und Kleinigkeiten macht und die verkannte Größe spielt, elend sein Leben fristend halb Kavalier, halb Künstler. Watzdorf ward zum Spaziergang abgeholt und da die Mission besprochen. Er ging sofort darauf ein und versicherte, man werde, um Gemeinschaftlichkeit zu erzielen, auf Alles eingehen, gar nicht difizil sein. Es soll nun zunächst von Weimar und Coburg ein Schreiben nach Dresden kommen, mit dem Vorschlag der Konferenzen. Inmittelst soll das Jenaer Gutachten existieren und ein Mann beauftragt werden, die monita und das Gesetzbuch selbst zu offerieren. Diesen und vielleicht den zweiten wird man dann nach Dresden schicken. Ebenso soll es mit der Prozessordnung gemacht werden. Wir gingen nachher, da Watzdorf noch Geschäfte hatte, in einen Garten (Erholung) zu Bier, tranken Abends mit verschiedenen hässlichen Hofdamen bei Watzdorf Tee. Gestern fuhr ich heim, Seebach nach Gotha zurück. Bei heftigem Gewitter kehrte ich zu meinem Bären zurück und nach 1 Stunde kam auch Sophie und Erhard. Herzlich froh bin ich, wieder da zu sein. Heute will ich nun das Resultat an Zschinsky referieren. Juni 7 Ich hatte von Watzdorf noch einige kleine Aufträge an Beust erhalten und ging daher zu ihm, wo ich zu meiner Verwunderung erfuhr, dass Zschinsky ihm kein Wort von dem Auftrag an mich gesagt hatte. Es ist überhaupt von dem Gesamtministerium, wie es früher war, keine Spur. Jedes Ministerium wirtschaftet für sich und freut sich fast, wenn das Andere in die Tinte gerät. Als wir Abends spazieren und zu Kohlschütters gingen, die im Großen Garten wohnen, traf ich Weinlig, der dasselbe auch bestätigte und zugleich den großen Leichtsinn beklagte, mit dem Beust zu Werke gehe. Er glaube, mit Polizei und ein bisschen Religion (oder vielmehr Heuchelei der Pastoren) sei Alles getan und die Sorge um die Beförderung der materiellen Interessen des Volkes, um Vermeidung unnützer Ausgaben, wohlfeile Regierung liege ihm ganz fern. Er hat auch in der Tat immer nur von Tag zu Tag gelebt und Schwierigkeiten und Übelstände nie definitiv zu beseitigen, immer nur diplomatisch zu umgehen verstanden. Ein eigentümlicher Charakterzug ist auch, dass er bei allen 61
Harzer, Bildhauer in Weimar.
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Gegenständen, von denen er glaubt, sie könnten einem Dritten nicht ganz recht sein, niemals direkt gegen diesen mit seiner Ansicht hervortritt, sondern sich dazu eines Andern bedient, so mehrfach meinen, wie bei den Verhandlungen mit dem Polizeipräsidenten von Oppell über seine jetzige Stellung, mit dem Kreisdirektor Watzdorf, an dessen Stelle in Zwickau jetzt der ehemalige Minister von Friesen gekommen und heute wieder mit – Oberländer. Dieser hatte ihn nämlich gefragt, ob er wohl bei den bevorstehenden Feierlichkeiten bei Hofe erscheinen solle. Beust war nun sogleich entschieden der Ansicht gewesen, er solle es lassen. Aber statt es ihm zu sagen, bat er mich, es ihm zu sagen. Ich suchte denn den ehemaligen Minister auf und teilte es ihm mit. Er sagte in seiner gewöhnlichen Einfachheit, er möge Niemand zum Ärgernis gereichen, habe nur geglaubt, anfragen zu müssen. Beust, der immer arriere pensels ungewohnt, hatte geglaubt, die Frage sei durch Oberländers Frau veranlasst, die Lust habe, sich auch bei Hofe zu zeigen. Kurios wäre es, wenn sie jetzt dazu incliniren sollte, da sie als Ministerin es nicht getan hat. Aber Beust ist viel zu sehr Kammerherr, deren Uniform er auch oft trägt, als dass er nicht glauben könnte, alle Welt strebe nach Hofe. Unfaßlich ist es ihm gewiss auch, dass Sophie nicht von dem von Beust eingeführten lex novo, wonach die Frauen der Ministerialräte, auch wenn sie nicht persönlich qualifiziert sind, sich bei Hofe vorstellen lassen können, Gebrauch macht. Juni 15 Gestern ward wieder eine unserer Whistpartien abgehalten unter Leitung des Oberhofmarschalls und Teilnahme Zschinskys, der bloß mit isst, aber in Folge vielen Pechs nicht mehr spielt, wobei mich nur wundert, dass er, der sich sonst nicht viel versagen kann, sich dies versagen kann. Wir hatten kaum abgegessen und ich spielte mit General Graf Holtzendorf, Buttlar, Graf Charzynski, als ein fürchterliches Regenwetter losbrach, so dass Sophie, die mich abholen wollte, nicht kam und ich viel Mühe hatte, schließlich eine Droschke aufzutreiben. Sonderbar, dass Watzdorf den besprochenen Antrag aus Weimar noch nicht ans Ministerium hat abgehen lassen. Beust riet mir neulich, ich möge doch Löbau-Zittauer Eisenbahnaktien kaufen, die in Folge eines dem Publikum noch nicht bekannten Vertrags mit Österreich wegen einer Eisenbahn nach Reichenberg sehr steigen würden. Ich kaufte demnach auch 25 Stück a 35 ½ und seit jenem Tage – sind sie unausgesetzt gefallen. Es scheint also, als ob diese Spekulation nicht sehr günstig werden sollte. Ich muss mich aber damit trösten, dass alle Aktien in Folge der kriegerischen Nachrichten aus der Türkei gefallen sind. Zu der Arbeit, die ich für Seebach gemacht (siehe 6. Juni), bedarf derselbe nun noch gewisser Abschriften aus den Kommissionsakten der Gotha-Altenburgischen Sukzession de anno 1826. Ich sagte dies Beust und fragte, ob er deshalb einen besonderen Antrag für nötig halte. Nein, ich solle ihm nur das Verzeichnis der Seiten geben. Das geschah. Heute kam aber Grunlas (?), der sehr ärgerlich ist, dass er nicht von der Sache Kenntnis erlangt und ich seine Neugier neulich deshalb ablaufen ließ, und sagte, das ginge nicht und es müsse ein besonderer Antrag vorliegen. Ich antwortete ihm, nicht leichter als das, ich schreibe an Seebach. Beust hat zwar die Sache genehmigt, Grunlas aber macht Schwierigkeiten etc. Dies kam ihm doch sehr unerwartet, zumal ich ihm versicherte, dass er Beust gern gefällig sein wolle, aber sich nicht verbanden werde. Solche Zöpfe und Tröpfe! Juni 17 Die Hoftrompeter, die Portechaisenträger fliegen wie die Brieftauben in der Stadt herum, Billetts und Einladungskarten zu den Hoffesten tragend, hunderte von alten Weibern sitzen mit Kränzen und Laubgewinden in den Straßen, Gerüste wie Schnellgalgen
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aussehend erheben sich auf dem Markt, vor den Toren, im Großen Garten und morgen – geht’s los. Morgen verheiratet sich der Prinz Albert mit der Prinzessin Wasa. Die Heirat hat im Lande sehr wenig Anklang gefunden, weniger weil die Prinzess arm und der Ruf der Eltern in spezie des Vaters nicht besonders ist, als weil sie erst kurz vor der Verlobung von der protestantischen Konfession zur katholischen übergetreten ist.. Hätte sie dies nicht getan, wie ganz anders würde man die Sache hier betrachten. So geschieht das, was geschieht, aus Liebedienerei, Eitelkeit, kurz es sind alle die erbärmlichen Schwächen einmal aktiviert aufgetreten, die 1848 ebenfalls da waren, nur dass der Gegenstand sich geändert hat. Die Stadt, d. h. der Bürgermeister Pfotenhauer, der auch einige fatale Autocentention zu verwischen hat, geben 8 000 Taler dazu und verwenden sie in einem hölzernen und papiernen Triumphbogen vor dem Rathaus etc., die denn doch immer eine eigentümliche Art Huldigung ist. Der Prinz Albert soll sehr verliebt sein und, um einiger alter Verpflichtungen sich zu entschulden, 50 000 Taler beim Grafen Schönburg geborgt haben, die fabula vesa. Gewisser ist es, dass der König von Sachsen den Schmuck der Braut, der sehr wertvoll sein soll, erst aus der Juden Hände, in welche der Herr Schwiegervater ihn aufzuheben gegeben, hat auslösen müssen. Eine Menge anderer Gerüchte, die die große Menge der Übelwollenden verbreitet, sind wahrscheinlich ebenso falsch als das, das Prinz Albert alle seine Möbeln habe in Berlin machen lassen, was die Tischler hier empört hat, was aber ganz falsch ist. Ich hatte es schon neulich Minister Zschinsky gesagt, damit eine widerlegende Notiz in die Zeitung sehr käme, aber es geschah nichts und so schrieb ich es denn noch an Beust, der es beachten wird. Juni 20 Der alte General Naumann kam hier vor einigen Tagen durch, suchte uns aber so spät auf, dass bloß meine Frau ihn, da ich zu ermüdet war, noch aufsuchen konnte. Seine Frau ist sehr leidend. Am 18. erfolgte nun der feierliche Einzug der Braut des Prinzen Albert, die in der Tat sehr anmutig ist. Die Straßen, durch die der Zug ging, waren recht reich mit Girlanden und Flaggen geziert. Wir sahen es von Beust’s Wohnung mit an, gingen dann in die Kirche, die Trauung zu sehen, von der ich lediglich die Worte verstand, was Gott vereinigt soll der Mensch nicht scheiden. Nach der Trauung bei grässlicher Hitze Cour mit obligatem Handküssen. Gestern Abend Theater pate bei 40 Grad Wärme. Ich konnte nur den 1. Akt des Titus von Mogen mit ansehen, ging dann ins Buffet und um 9 Uhr zu Hause. Sophie hätte sich vor einigen Tagen großen Schaden tun können. Erhitzt zu Hause angekommen, trinkt sie sogleich kaltes Wasser und ward bald danach sehr Unwohl. Durch Aronit brachte ich sie aber in der Nacht zum Schwitzen und so ist es gottlob ohne schlimme Folgen vorübergegangen. Juni 22 Sonderbarer Weise ist der Antrag der Weimarischen Regierung wegen der Gesetzbücher, den Watzdorf zu beschleunigen versprach, bis vor einigen Tagen noch nicht eingegangen gewesen, was mir sehr unangenehm ist, da ich nach dem Resultat der Besprechung Zschinsky den baldigsten Eingang zugesagt hatte. Dieser hält mir wahrscheinlich deshalb auch jure intentionis meine Reisekosten zurück, wenigstens habe ich auf meine nach seiner Anordnung ihm übergebenen Liquidation noch nichts erhalten. Ich schrieb daher gestern an Watzdorf, um die Sache zu (beschleunigen). Vorgestern war Illumination, d. h. soweit die Lampen nicht durch den Gewitterwind, der sich Abends erhob, ausgelöscht wurden, was bei uns der Fall war. Unser vis a vis, der bayerische Gesandte, hatte sich sehr in Unkosten gestürzt, ein Gerüst mit bunten Lampen errichtet,
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aber auch er teilte mit uns gleiches Schicksal. Ich drängte mich mit Sophie, da sie an solchen Sachen mehr Interesse hat als ich, eine Stunde Abends herum, den Markt, das Palais des Prinzen Johann auf der Langen Gasse, wo das junge Paar wohnt und was er sonderbarer Weise auch illuminiert hatte, zu sehen. Gestern kam der Hofmarschall Graf Beust aus Weimar zu mir ins Archiv und teilte mir den Wunsch des jetzt hier anwesenden Erbgroßherzogs mit, einige Nachrichten über die Wartburg zu erhalten. Ich gab ihm heute eine kurze Notiz, was etwa von Urkunden darüber da ist und erbot mich, wenn es der Erbherzog wünsche, mich ihm vorstellen zu lassen, was aber bei der Kürze der Zeit wohl nicht geschehen wird. Heute kam noch ein Kollege aus Nordhausen, ein Professor Friedemann, der sich das Archiv ansehen wollte, was ich mit der mir eigentümlichen Höflichkeit verrichtete – Kollega wird allerdings nicht viel klüger herausgegangen sein, als er hereinkam, da unsere Besichtigung nur ½ Stunde höchstens dauerte. Heute regnet es gerade herunter, sehr ungünstig für das Feuerwerk. – Mit diesem nahm es ein kladriges Ende. Wir waren gegen 8 ½ oben, um August, Isidore und Agnes abzuholen, als die Nachricht kam, das Feuerwerk werde nicht abgebrannt, da der Regen alles verdorben habe. Auch gut. Wir blieben gemütlich zu Hause und waren nach 10 Uhr in unserem Wintergarten, als auf einmal Kanonenschüsse erschallten. Raketen stiegen! Wir gingen auf den Balkon und siehe da, man brannte ein Feuerwerk ab. Der Kriegsminister hat ex post noch die Abbrennung des vorigen, was nicht ruiniert war, angeordnet, aber die Revokation der früheren Abbestellung ist nicht gehörig bekannt worden. Was denn natürlich fürchterliches Raisonnieren veranlasst, da viele Tausende, die bloß des Feuerwerks wegen hergekommen und teure Plätze auf Schiffen und Gerüsten, gemietete Wagen genommen hatten, nun resigniert zu Hause gegangen, aber sehr indigniert geraten sind, als doch nun ein Feuerwerk stattfand. Bei der Illumination hat u. a. ein Gemüsehändler transparent illuminiert: Ich handle mit Erbsen und Linsen, Übers Jahr haben wir einen Prinzen. Juni 27 Ein schauriges Wetter, immer Regen, Regen, Regen, Wind, Wind, Wind und eine Kälte, dass man einheizen möchte, wenn man wie ich jetzt früh badet. Von Watzdorf bekam ich auf meinen Brief (cf. 22. Juni) die beiliegende Antwort,62 wonach denn nun die mir so sehr am Herzen liegende gemeinsame Gesetzgebung hoffentlich in der nächsten Zeit festgestellt werden wird, nach meiner Überzeugung ein großer und wichtiger Fortschritt für einen großen Teil von Deutschland, der sich gewiss anschließen wird. Meine Tätigkeit ist nun wieder hierbei geschlossen, denn ich hüte mich wohl, auch bei irgend etwas vorzudrängen und zu offerieren, wenn es irgend zu vermeiden ist. Ich will vergessen werden. Hier bei dieser Sache aber habe ich mir ein Verdienst erworben, denn von mir allein ging der Gedanke aus. Ich ebnete die Schwierigkeiten, die den andern unübersteigbar waren und – Zschinsky wird sich des Resultats rühmen und freuen. Es ist gerade wie bei einer gewonnenen Schlacht, nur dass ich – auf einen Orden keinen Anspruch mache. Juni 30 Eben war Zschinsky bei mir im Archiv. Er hat bereits dem König und den Deputationen die Mitteilung gemacht und alle sehr erfreut. Ich möchte wohl wissen, ob er 62
Schreiben des Weimarischen Staatsministers C. B. von Watzdorf an Weber vom 24. Juni 1853 wegen der Übernahme des sächsischen Zivilrechtsbuches und des Zivilprozesses. Siehe Dokumentenanhang Nr. 15.
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gesagt hat, dass ich die Sache gemacht? Nun wird alles glattweg gehen. Nächste Woche kommt er mit Watzdorf zusammen, um die Formalia zu besprechen. Zschinsky schien lieber nach Weimar gehen zu wollen. Ich schrieb heute an Watzdorf, um ihm dies anzudeuten, zugleich aber, um ihm bemerkbar zu machen, dass meine Tätigkeit in der Sache jetzt geschlossen ist und ich mich zu keinen weiteren Diensten dabei offerieren kann. Ich möchte nämlich auch, dass Watzdorf, auf den ich viel gebe, glaubt, es sei Faulheit von mir, dass ich eben nichts tue als – Akten zu kassieren. Juli 7 Einige Schulgenossen hatten einen Aufruf an die alten Afraner erlassen, sich zum 6. Juli – 10 Jahre nach dem Jubiläum 1843 – wieder in Meißen zusammenzufinden. Ich fuhr denn gestern mit dem Dampfschiff hin und fand auf demselben Ehrenstein, Kohlschütter, Gruber und einige andere Bekannte. Angekommen in Meißen ward in der Sonne etwas gefrühstückt und dann wurden wir von den Schülern, die mit Musik und Fahnen anrückten, abgeholt nach der Schule. Unterwegs ward einem 92jährigen Afraner, der in der Nachtmütze zum Fenster heraus sah, ein Vivat gebracht. Oben in der Schule etwas an Reden gehalten und gesungen, dann sich umgesehen und hierauf um 2 auf dem Burschland gegessen. Es waren aber höchstens 4–50 zusammengekommen, von meinen Zeitgenossen nur zwei, Scheufler und Gladewitz. Pastor Thieme, Reden, Gesänge, schlechtes Essen wie immer. Sehr müde suchte ich um 10 Uhr mein Bette. Ich wohnte mit Ehrenstein zusammen. Heute früh bei herrlichem Wetter eine köstliche Fahrt zurück. Ich fand einen Brief von Beust, worin er mich bat, um 9 Uhr mit Held zu ihm zu kommen, da Minister von Larisch aus Altenburg sich wegen der Gesetzgebungsfragen zu besprechen wünsche. Zschinsky ist bereits in Weimar. Es ward bloß allgemein besprochen, der Stand der Sache und Altenburgs Geneigtheit erklärt, sich anzuschließen. Juli 16 Es ist gerade 4 Uhr! Um diese Stunde im Jahre 1834, also vor 19 Jahren, saß ich mit Sophie unter der Linde und erklärte ihr meine Liebe! Heute ist es leider anders! Meine Liebe ist ein anderes Gefühl geworden. Der Sturm der Leidenschaft ist verflogen, aber ein edleres, festeres, treueres Gefühl ist an ihre Stelle getreten. Sophie ist mir Alles geworden. Ich lebe eigentlich nur noch für sie, ohne sie wäre mir das Leben gar nichts und doch warum sind wir nicht glücklich? Warum kommen solche trüben Momente wie heute vor. Ich ging gestern Abend mit ihr ins Theater, obwohl ich mir es schon öfters vorgenommen hatte, es nicht wieder zu tun. Was nun da ihr wieder in den Kopf gefahren, ich weiß es nicht und sie will es auch nicht sagen. Kurz, ihr altes an Verrücktheit grenzendes Übel überfiel sie wieder, die blinde Eifersucht!! Ich sagte ihr gestern nichts, allein als ich heute morgen sie beim Spaziergang begleiten wollte, den sie während des Brunnentrinkens macht, und sie es, wie ich glaubte, sehr kühl und entschieden ablehnte, mich also in die Überzeugung versetzte, sie sei noch nicht zur Besinnung gekommen, so ließ ich sie gehen und zeigte ihr durch mein Benehmen, dass ich allerdings gekränkt sei. Heute leugnete sie nun zwar – aber – aber. Die Wunde schmerzt nichtsdestoweniger und Spannung herrscht, wo nur Liebe und Eintracht herrschen sollte. Das Leben ist schwer! Gustav reiste heute um 2 ½ mit dem Dampfschiff ab, um einige Wochen seiner Ferien in Osnabrück zuzubringen. Abends ward Sophie wieder gut, wie es sonst immer ist und wir brachten einen sehr gemütlichen Abend auf dem Bergkeller zu, wo Hünerfürst, ein hiesiger Musikdirektor, der mit geringen Mitteln wirklich viel leistet, spielte.
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Juli 24 Gestern Abend, als ich eben zum Oberhofmarschall zur Partie gehen wollte, kam unerwartet Adolf, der nach Schandau zu seiner Frau will und heute früh dahin abging. Mittags waren wir bei Anton mit Graf Schulenburg aus Lieberose und Kammerherr von Lettdorf aus Klicken, einen recht angenehmen Mann, Berlepsch sen. und jun. abends gingen wir zu den Prinzessinnen. Hier kamen wir auf Tischklopfen und Drehen. Ich trat selbst mit in die Kette und muss sagen, ich ward überzeugt. Ein schwerer Teetisch, der sich von mir nur mit Anwendung voller Kraft langsam schieben ließ, geriet sehr bald in schnellste Rotation. Noch auffallender war mir aber eine Probe, die Melly und Pia an mir selbst machten. Sie legten mir die Hände in der bekannten Weise auf den Leib und Rücken. Bald fühlte ich in der Herzgegend eine auffallende Wärme und empfand den entschiedendsten Drang, mich links, oder je nachdem sie die Lage der Finger wechselten, rechts zu drehen, so dass ich fast auf den Füßen stehen musste, um diesem Drang nicht nachzugeben und doch wendete sich, mir selbst unbewusst, nach einiger Zeit der Oberkörper rechts. Kurios ist die Geschichte, durch deren weitere wissenschaftliche Verfolgung man am Ende das Rätsel der Rotation der Erde, Planeten etc. lösen könnte. Der Oberhofmarschall erzählte mir neulich, dass bei der Vermählung der Herzogin von Genua der Wert der gegenseitig den Ministern zu machenden Präsente im Voraus festgesetzt worden ist. Der Oberhofmeister von Minkwitz, der von Diamanten nichts versteht, schickt denn auch eine Dose mit Steinen, soviel ich mich erinnere für 3 000 Taler, an den sardinischen Minister Azeglio, bekommt sie aber zurück mit dem Bemerken, sie habe nicht den festgestellten Wert. Die Sache war natürlich sehr unangenehm und Reitzenstein schlägt vor, Minkwitz solle die Dose, welche Beust von Sardinien erhalten, kaufen, das Porträt des Königs einsetzen lassen und nun die Dose nach Turin schicken, offenbar ein ganz feines Auskunftsmittel, das, glaube ich, auch eingeschlagen worden ist. Wietersheim ist von einer Reise nach Spanien zurück. Seine Beschreibung von den Mühseligkeiten der Reise erwecken da nicht gerade Lust, ihm nachzureisen. August 1 Der neuerwählte Direktor des Gitterseer Aktienvereins Gerichtsdirektor Fischer wollte sich bei dem Ausschuss insinuieren und lud die ganze ziemlich gemischte Gesellschaft ein. Wir fuhren an 14–15 Mann mit einer vierspännigen Extrapost um 9 ½ nach Gittersee, wo wir das ganze Grubenpersonal im schönsten Schmuck aufgestellt fanden, die uns mit einem Glückauf empfingen. Fischer trat auf eine Steinkohlentribüne und hielt hier, von heftigem Regen begleitet, eine Rede, worin er sonderbarer Weise uns einzeln dem versammelten Publikum vorstellte. Als Revanche ward uns dann das ganze circa 250 Mann starke Personal einzeln vorgestellt, so dass wir etwa 1 ½ Stunden lang das besondere Vergügen hatten. sämtliche Doppelhauer etc. bis zum Kohlenjungen herab persönlich kennenzulernen. Von Gittersee ging es wieder über Dresden auf Fischers Weinberg, ein sehr schönes Grundstück in der Lössnitz „Hinter dem Russen“. Hier ward sehr gut diniert, viel Champagner getrunken und, obwohl einzelne Glieder der Gesellschaft nicht gerade zur creme de la creme gehörten, ging die Sache doch ganz gut und fidel ab. Nach Tische Spaziergang, bei dem in einer Einsiedelei eine hübsche Tochter Fischers abermals Champagner kredenzte. Dann ging es heim. Ich fand am Teetisch Ferdinand, der eben aus Helgoland zurückgekehrt war. August 16 Beust ist heute Mittag bei uns. Wir tranken unser Fläschchen und er war denn wie immer sehr interessant und liebenswürdig. Gestern am Geburtstag Napoleons hat der französische Gesandte Mercier natürlich ein großes Diner gegeben, wobei alle Minister
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und Gesandten eingeladen waren, allein Falkenstein nicht. Zschinsky hatte es Beust bereits gesagt und dieser versprochen, er wolle Mercier auf dieses … aufmerksam machen, allein – er hat es vergessen. Heute fand ich auch folgende Notiz im Archiv: Leo X. ließ Raphaels Kartons zu Anfang des 16. Jahrhunderts zu 7 Stück Tapeten en haute lisse, welche Gegenstände aus der Geschichte der Apostel darstellten, entwerfen, die Tapeten in den Niederlanden fertigen und noch zweimal wirken, und schenkte solche dem Kaiser und dem Kurfürsten von Sachsen. Die Kartons blieben in den Niederlanden und Cromwell kaufte sie und sie waren 1790 in einem königlichen Schlosse in England. Die Tapeten kosteten 7 Stück 70 000 römische Taler. Sie wurden 1790 zur Ausschmückung des Portikus auf dem Petersplatz am Fronleichnamsfeste ausgehangen, die Hälfte des einen Stücks aber, welches die Geschichte des Ananias enthält, ist gestohlen worden. Oberhofmarschall v. Racknitz suchte 1790 nach den an den sächsischen Hof gelangten Tapeten, fand vier Stück in den Zimmern der Prinzessin Augusta, die durch Staub, Sonne und Heizung sehr unscheinbar geworden, zwei Stück sehr gut erhalten im grande meuble. Das 7. aber gerade, das war die Hälfte, die in Rom fehlte, war 1790 nicht zu finden. Racknitz vermutete, es möge mit nach Polen gekommen oder als Fußteppich benutzt und ruiniert worden sein. Racknitz ließ sie aus den Zimmern der Prinzessin Augusta abnehmen, reinigen und trug darauf an, sie sollten als Kunstwerke an die Generaldirektion der Königlichen Sammlungen abgegeben werden. Auch erwähnt er sechs Tapeten aus der Passionsgeschichte nach Zeichnungen von Lukas Cranach. Vgl. die Anzeige von Racknitz vom 7. November 1790, deshalb besonderes Faszikel im Geheimen Kabinett. September 4 Beust hatte uns für heute eingeladen nach Lockwitz, wo er seine Sommerresidenz hat. Sophie konnte und wollte die Einladung nicht annehmen, weil die Ministerin sich gegen die Berghauptmann über uns mißbilligend ausgesprochen, was mich gar nicht, Sophie aber sehr inkommodiert. Ich fuhr daher allein um 2 Uhr nach Niedersedlitz, wo mich Beust, da es regnete, mit dem Wagen erwartete. Wir dinierten, rauchten unsere Zigarren, sprachen dann von alten Zeiten und neuen. Er bemerkte eigentlich sehr richtig, dass er bloß durch Preußen bedeutend geworden, ohne des letztern Torheiten aber ein ganz unbedeutender Mann geblieben wäre. Er behauptete, er habe Preußen immer das Richtige geraten, und man habe ihn ganz in falschem Verdacht, preußenfeindlich zu sein. Vor dem Dreikönigsbündnisse habe er darauf gedrungen, man solle sich erst mit Bayern einigen, dann bedürfe es seinerseits keines Vorbehalts. Er habe denn den Erfurter Reichstag widerraten und endlich in der Zollsache ganz den Weg, den man später habe einschlagen müssen. Der König hat vor dem Erfurter Reichstag einen langen eigenhändigen Brief an den König von Preußen schreiben müssen.63 Auch wegen des Bundestages habe er Preußen von Anfang geraten, die Sache in die Hand zu nehmen, aber man sei in Berlin immer blind gewesen. Über seine Kollegen Behr und Rabenhorst klagte er sehr, dass sie so misstrauisch gegen ihn seien, ebenso hat Friesen sich sehr sonderbar benommen und er ist über den eigentlichen Grund des Austritts dessel63
Brief von König Friedrich August II. von Sachsen an König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen vom 12. April 1849 ist zuletzt veröffentlicht in: Der sächsische König und der Dresdner Maiaufstand. Tagebücher und Aufzeichnungen aus der Revolutionszeit 1848/49. Hrsg. v. Josef Matzerat. Köln Weimar, Wien 1999, S. 57–62.– Antwortbrief von König Friedrich Wilhelm IV. vom 14. Juni 1849. Siehe Hellmut Kretzschmar, König Friedrich Wilhelms IV. Briefe an König Friedrich August II. von Sachsen, In: Preußische Jahrbücher Band 227, 1932, S. 247–249.
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ben nicht klar, glaubte, dass er vielleicht Verpflichtungen eingegangen sei, die er nicht habe erfüllen können. Der Nachmittag verging sehr interessant. September 10 Im Archiv habe ich jetzt vielerlei Bauereien, da ich das Beiarchiv im Schloß räumen soll und nun im Hauptstaatsarchiv Platz machen muss. Erbstein sollte die Sache leiten, aber durch sein albernes garstiges Wesen machte er die Leute so verdrossen, dass mir der Tischler wegblieb. Jetzt ist er verreist und es geht alles in trefflicher Ruhe ab. September 13 Eben verließ mich der Minister Falkenstein, der unter einem Vorwande zu mir ins Archiv kam, um mit mir über die Organisationsfrage zu sprechen, d. h. mit Beust durch mich. Er klagte sehr über Beusts Unschlüssigkeit und Energiemangel, wünschte den Staatsrat berufen und wollte denn die Sache selbst in die Hand nehmen.. Ich machte ihm nun freilich nach dem Staatshandbuch darauf aufmerksam, dass er in den Personalien, die jetzt dazu gehören, keinen großen Freund besitze, da außer den jetzigen Ministern nur noch Friesen, Merbach und Langenn dabei sind, und kam auf das zurück, was ich schon mehrfach vorgeschlagen, Minister Könneritz zu beauftragen und ihm Falkenstein und noch eine beliebige Null – allenfalls Langenn in einer Kommission zu vereinigen – und den Plan zu entwerfen. Zschinsky bietet, wie er auch bestätigte, gar keinen Widerstand und wenn Beust heute verlangte, dass alle Beamten des Justizministeriums mit einer bestimmten Farbe sich lackieren lassen müssten, so wäre er der erste, der sich in der ersten Färberei changierd anstreichen ließ. September 19 Am Sonnabend sprach ich mit Beust über Falkensteins Organisationspläne. Er sagte, was ihm dieser bis jetzt gegeben, sei sehr ungenügend, enthalte bloß Negatives, aber gar nichts bestimmt Formuliertes. Meine Idee wegen einer Kommission mit Könneritz an der Spitze billigte er nunmehr und will nach Lossa gehen, um mit Könneritz zu sprechen. Marschner, mit dem ich auch vor einigen Tagen sprach, akkomodierte sich auch in der Hoffnung, dass er die Arbeit in die Hände bekommen werde. Kurios, dass sich so viele Leute für befähigt erachten, die schwierigen Fragen zu lösen und sich förmlich danach drängen. Meine Passion ist das nicht und ich reponierte sehr fleißig, als Falkenstein mich neulich dazu aufforderte. Es ist das nicht Trägheit, denn ich bin eigentlich fleißig, aber das entschiedene Bewusstsein, dass ich dazu nicht befähigt bin und die Furcht vor der Verantwortlichkeit, die einen materiell doch trifft, wenn die Sache fehlschlägt. Heute ward ich zu einer Direktorial- und Ausschusssitzung des Gitterseer Aktienvereins berufen, da ich Stellvertreter beim Ausschuss bin. Ich war da ganz überflüssig, da das Mitglied, welches ich in extensum zu vertreten gehabt hätte, Major von Woydt, selbst da war. Fischer, der Vorsitzende des Direktoriums, wollte eine neue Dampfmaschine für 8 000 Taler anschaffen und dazu Handdarlehen aufnehmen. Ich opponierte auch, musste aber, da ich im Archiv zu tun hatte, fort, ehe die Sache zum Beschluss kam. September 23 Beust kam gestern Abend, als wir gerade Trio spielten – Anton und Burkhard – in einiger Schwulität zu mir. Seinem Auftrag gemäß hatte ich Falkenstein gesagt, dass er auf die Kommission wegen der Organisationsfrage eingehe, und ihn bitte, sich der Arbeit zu unterziehen. Hinterher aber besinnt sich Beust anders, findet eine förmliche Kommission doch bedenklich, weil dann die anderen Minister, insbesondere Behr, auch würden hinein wollen – auch eine kuriose Besorgnis! – und fährt zum König, ihm vorzuschlagen, bloß Könneritz zu beauftragen. Der geht darauf ein und nun sagt es Beust erst Zschinsky, der auch zum König fährt, diesem noch einmal es vorträgt, und dann durch die Mitteilung, dass
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der König Könneritzens Wahl billige, Beust aber nicht, sehr in Verwunderung setzt. Gestern erzählt es Beust nun en passant Falkenstein, der aber die Sache höllisch krumm nimmt. Nun sollte ich die Sache ausgleichen. Ich riet ihm, doch nur einmal offen mit Falkenstein zu reden. Er hatte aber keine Lust und so war ich im Begriff, heute Morgen den nicht sehr angenehmen Weg zu Falkenstein zu machen, als Beust schon um 8 ½ zu mir kam und nun es doch selbst übernehmen wollte. Mir sehr angenehm. Heute hatten wir ein Diner bei Ehrensteins, die wir, wenn wir sie nicht einladen, sonst gar nicht mehr zu sehen bekommen. Es war noch mein Namensvetter der Eisenbahndirektor Freiherr von Weber cum uxore und der Finanzrat von Tschirski cum uxore da. Oktober 1 Ich hatte diese Tage vielerlei Verhandlungen mit Beust wegen der Könneritzschen Kommission. Falkenstein kam auch wieder deshalb zu mir. Zschinsky ist auf einmal sehr stutzig geworden und eilig zu Beust gekommen, um die Sache wieder zu hintertreiben, der ihn aber durch die Bemerkung, das er ja selbst es dem König vorgelegt habe und dass es nun zu spät sei, da er mich bereits beauftragt, zu Könneritz zu reisen, zurückgewiesen hat. Der tat es dann ex post und nachdem ich Könneritz deshalb geschrieben und eine freundliche Einladung, nach Lossa zu kommen, erhalten, fuhr ich gestern früh hier fort bis Wurzen, nahm mir dort einen Wagen und kam nach ¾ stündiger Fahrt nach Lossa, einem ganz freundlich gelegenen Gut. Die ganze Familie Könneritz war dort versammelt, die Ministerin und Hofdame aus Weimar inklusive. Nachdem der Kammerherr Wuthenau, der etwas zur Unzeit mit Besuch machte, sich entfernt, begann dann meine Unterredung mit Könneritz, die den Vormittag und einige Stunden des Nachmittags in Anspruch nahmen. Das Resultat war in der Hauptsache: er müsste vor allem die Entwürfe, die ich ihm mitbrachte, prüfen, um sich zu überlegen, ob er auf dieser Grundlage irgend Vorschläge zu machen wüsste. Sollte er sich dazu befähigt finden, so möchte er Beratung im Staatsrat, nicht nur bloß mit Beust und Zschinsky. Er will mir in den nächsten Tagen schreiben. Der Tag verging übrigens sehr interessant im Austausch der Ansichten, Mitteilungen über frühere Verhältnisse und Persönlichkeiten. Könneritz kann, wenn er will, sehr liebenswürdig sein und die ganze Familie, die vielleicht hinter meinem Besuch auch ganz Anderes witterte, bemühte sich, liebenswürdig zu sein. Ich ließ mich daher auch gegen meine ursprüngliche Absicht bereden, zu Mittag in Lossa zu bleiben und kam erst Abends mit dem letzten Zug, nachdem mich Könneritz nach Wurzen fahren lassen, zurück. Heute Morgen ging ich denn zuerst zu Beust, ihm zu referieren. Er war mit dem Resultat zufrieden, auch nicht ganz abgeneigt gegen den Staatsrat. Erzählte mir, dass er Zschinsky mit vieler Mühe den russischen Annenorden verschafft, indem der Kaiser auf den Vorschlag des Gesandten von Schröder, den Beust veranlasst, erst es abzuschlagen, „da er Zschinsky nie habe nennen hören“. Inmittelst habe Schröder geltend gemacht, dass er doch Bakunin habe festhalten lassen und darauf ist denn die Dekoration erfolgt. Von Beust ging ich zu Zschinsky, der allerdings etwas sauer aussah und erst etwas mitteilender ward, als ich ihm den Standpunkt, den ich Könneritz gegenüber bezeichnet, so angab: Das Justizministerium ist seinerseits bei der Frage nur indirekt beteiligt, sein Plan ist fertig, es handelt sich nur darum, wie weit es etwa, um Beust aus der Verlegenheit zu ziehen, diesem Konzessionen machen kann. Ich stellte ihm also natürlich die Sache so dar, dass es bloß Beust wünschen könne, dass Könneritz ihm einen Entwurf machen könne, er, Zschinsky, damit einverstanden sei. Nach einiger Zeit schmolz denn auch die Kruste etwas, zumal ich ihn über die Besorgnis, als ob Könneritz
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etwa Alles umwerfen möchte, beruhigen konnte und er verbreitete sich sehr wohlgefällig über den außerordentlichen Beifall, den seine Gesetzentwürfe bei den Ständen und auch im Ausland gefunden, kurz er schlug ein herrliches Rad! Könneritz erkannte übrigens auch an, dass der Entwurf über das Kriminalverfahren sehr wesentliche Verbesserungen gegen andere Gesetze enthalte, war nur mit der komplizierten Behördenorganisation nicht einverstanden. Wollen nun also sehen, was daraus wird. Oktober 5 Gestern Abend bekam ich den beiliegenden Brief von Minister Könneritz,64 über den ich zuerst heute Morgen mit Beust sprach. Er scheint nun entschlossen, Zschinsky gegenüber ernsthaft aufzutreten und wollte zunächst eine Beratung der Kriminalprozessordnung bei den ständischen Deputationen herbeiführen, die, wie er behauptete, überhaupt nur vorbehaltlich der Organisationsfrage hat an die Kammern gegeben werden sollen. Beust war übrigens sehr wenig günstig für Zschinsky bestimmt, der, wie er meint, wenig arbeitet und sehr von seinen Räten beherrscht wird. Ich ging von Beust zu Zschinsky, mit dem ich über einen Brief Seebachs, der mir seine Bemerkungen über das Zivilgesetzbuch zugeschickt hat, zu sprechen hatte. Zschinsky kam aber dann auf die Organisationsfrage, behauptete, Könneritz werde nichts machen, „er kenne diesen ja als ob er ihn gemacht hätte“ und meinte, die ganze Frage werde sich sehr leicht lösen, wenn man sie nur ernstlich in Angriff nehme. Beust solle nur mit ihm und einigen Anderen zusammentreten, in 14 Tagen solle Alles fertig sein. Er bat mich, ich möge nur in diesem Sinne mit Beust reden. Auf meine Bemerkung, dass er ja als Vorsitzender Staatsminister die Sache jeden Augenblick in die Hände nehmen könne und am geeignetsten dies mit Beust im Gesamtministerium regeln könne, wollte er gar nicht eingehen. Er scheint mir gegenüber allerdings bedeutend mehr Courage zu haben als Beust gegenüber. Ich habe diese diplomatischen Zwischenträgereien herzlich satt und wünschte, die Herren mögen sich nur an die Quelle direkt wenden. Warum Zschinsky und Falkenstein es nicht tun, warum sie allemal erst mich aufsuchen? Ich kann es nicht begreifen. Beust, zu dem ich dann nochmals ging, hoffte wenig von diesem Vorschlag, der sich auch jetzt nicht weiter verfolgen ließ, da Könneritz doch in diesen Tagen herkommt. Beust wiederholte, das er gar keine Schande darin sehe, offen zu bekennen, dass er der Frage nicht mächtig sei und sich von Erfahreneren belehren lassen will. Oktober 6 Antons Geburtstag ward durch ein Diner bei ihm begangen, bei dem außer mir und Sophie nur noch Ferdinand war. Als ich zurückgekehrt, kam Minister Könneritz zu mir, mit dem die Sache nochmals besprochen ward. Er wollte die Beratung durch eine Sektion des Staatsrates, in welcher er den Vorsitz übernehmen wollte, während Marschner, ich und der Oberappellationsrat von Criegem treten sollte, was ich für meine Person deponierte, da ich eben der Sache gar nicht mächtig bin und auch bei der Beratung des Zivilgesetzbuches die Überzeugung gewonnen habe, dass ich während der 10 Jahre, die ich aus der Justiz heraus bin, zu viel vergessen habe, um mit Nutzen bei einer solchen Sache noch mitwirken zu können. Überhaupt bei allen den Sachen – lass man Pfoten von, sagt der alte Gülisch – wenn man es nicht versteht. Oktober 13 Ich bekam Briefe von Könneritz und Watzdorf. Letzterer schreibt wegen des Zivilgesetzbuches, ersterer wegen der Organisation. Zschinsky hat sich ihm gegenüber 64
Brief von Minister Könneritz an Weber vom 4. Oktober 1853 wegen der Beratertätigkeit in der Organisationsfrage siehe Dokumentenanhang Nr. 16.
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ebenso ausgesprochen wie gegen mich. Er ist der Ansicht, er sei fertig mit seinen Justizgesetzen, dabei bleibe er und es könne nur hin und wieder eine kleine Umdislokation eintreten zu Gunsten der Verwaltung. Beust hat aber den Deputationsgliedern bereits privatim gesagt, der Entwurf des Gesetzes über das Kriminalverfahren werde jetzt nicht beraten werden können, da es mit der Organisationsfrage zusammenhänge. Zschinsky dagegen treibt zur Beratung an – die Leute werden ganz konfus und die Sache muss nun bald zum Bruche kommen. Mir ist es zwar nicht wahrscheinlich, dass Zschinsky zum Märtyrer seiner Überzeugung zu werden wünscht – aber ob er sich wird halten können? Beust scheint jetzt sehr geneigt, ihn zu entlassen, denn so kann man das Verhältnis wohl bezeichnen, dass, wenn der König in den Fall kommen sollte, zwischen Beust und Zschinsky zu wählen, die Waagschale wohl keinen Augenblick schwanken würde. Oktober 17 Könneritzens Anwesenheit und Brief schien Beust etwas gestählt und zu entschiedenerem Auftreten gekräftigt zu haben. Aber er ist sich auch jetzt wieder treu geblieben. Lavieren ist ihm lieber als gegen den Sturm segeln. Ich habe daher heute den beiliegenden Brief nach seinen Bleistiftänderungen an Könneritz abgehen lassen65 und sehe nun, wie die Sache kommen wird. Man wird im Gesamtministerium, wenn Falkenstein tunlichst die Sache in die Hände nehmen wird, einen Vermittlungsvorschlag irgend einer Art machen und ein quatsches Resultat erzielen. Nun wasche ich meine Hände in Unschuld und kassiere wieder Akten. Ich habe das Meinige getan und das ganze Ergebnis ist, dass Zschinsky höchst wütend auf mich ist, von dem er glaubt, ich unterhöhle ihm den Boden. Oktober 28 Beust seine Notiz über die Lage der Deputationsverhandlungen, wie er sie mir für Könneritz mitteilte, und mein Brief sie enthielt, hat sich als unzuverlässig erwiesen, da nur zwei Mitglieder der Zwischendeputation der Ersten Kammer einen Antrag auf alsbaldige Verlagerung der Organisationsgesetze gestellt haben, Welck und Zehmen – also die äußerste Rechte, und die Erste Kammer nun doch das Gesetz über das Kriminalverfahren sofort beraten will. Beust kommt dadurch offenbar in eine immer schiefere Stellung und auch Zschinsky bricht hinter sich alle Brücken ab. Ich sprach daher nochmals gestern mit Beust – ja, aber Stahl fehlt ihm, immer lavieren, niemals gerade durch! Ich nannte ihm als kompetenten Richter über die Organisationsfrage auch Oberappellationsrat von Reitzenstein, der vormittags – ehe er zu Biere gegangen und Grog darauf gesetzt – sehr klar sieht, lange Amtmann gewesen ist, also die Bedürfnisse kennt. Er nimmt alles an, aber es wird nichts daraus! Er verlässt sich auf den Zufall der Zeit, aber nicht auf entschiedenes Handeln! November 17 Am Dienstag hatten wir eine Konferenz im Ministerium des Innern: Beust, Kohlschütter, die beiden Oberappellationsräte von Reitzenstein und von Criegern und ich. Es ergab sich aber gar kein Resultat, da ohne eigentliche Grundlage nur ins Blaue gelatscht ward. Die beiden Oberappellationsräte meinten, der Kriminalprozessentwurf Zschinskys sei nicht ausführbar. Ich bin überzeugt, dass letzterer nicht mit ihm steht und fällt, sondern dass er trotz des Entwurfs – stehen, d. h. sitzen bleibt auf dem Ministerstuhle. Es wird noch eine Weile hinüber und herüber geschrieben und dann ein Mittelweg, d. h. einer, der nicht zum Ziele führt, eingeschlagen werden. 65
Brief von Weber an Minister Könneritz vom 17. Oktober 1853 in Beantwortung des Briefes von Könneritz vom 4. Oktober 1853 siehe Dokumentenanhang Nr. 17.
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November 21 Gestern früh besuchte ich Minister Könneritz, der mich vor einigen Tagen aufgesucht hatte, ging nach Tische mit Sophie in ein Konzert, was für Erbauung eines Turmes an der Neustädter Kirche daselbst gegeben ward, und dann nach einem Besuch bei Isidore zu Hause, wo sich Beust einfand, der den Abend bei uns blieb, den wir hauptsächlich mit Gesprächen über den Organisationsplan zubrachten. Heute Morgen ging ich nochmals zu Könneritzen, um ihn zu bestimmen, seine Bemerkungen zu den vorliegenden Entwürfen Beust und beziehentlich Zschinsky mitzuteilen, was er auch versprach. Dezember 7 Ich war eben bei Beust, der von einer Reise nach München mit tüchtigem Katarrh zurückgekommen ist. Er lamentierte über das Gesamtministerium. Bei der Beratung über die Örganisationsfrage ist außer Prinz Johann auch Prinz Albert gewesen, der aber kein Wort gesprochen hat. Das Protokoll hatte Marschner machen sollen, aber erst nach 14 Tagen ein ganz kurzes ohne nähere Motivierung, hauptsächlich das, was er gesagt hatte, enthaltendes, noch dazu mit einer Menge Unrichtigkeiten geliefert, worüber Beust natürlich sehr unwillig war. Das wäre allerdings mir nicht passiert, während ich Geheimer Referendar war. Wir kamen zufällig auf die Verschönerung Dresdens zu reden und er sagte mir, dass er dem König einen umfassenden Plan vorlegen wolle. Es soll darnach a) auf dem alten Markt unter Entfernung der Buden und des Portechaisenhauses eine Reiterstatue des Kurfürsten Moritz kommen, b) das Archiv weg nebst den Anhängseln des Schlosses und der Haupteingang des Schlosses dahin c) italienisches Dörfchen weg und Kolonnaden und Garten dahin, d) Wache in die Brühlsche Terrassentreppe hinein, die verbreitert und mit zwei Freitreppen um die Wache herum gelegt wird, e) Hauptstaatsarchiv in das Preußische Haus am Ende der Kreuzgasse, dessen Garten noch Baustellen bietet, f) auf den Jüdenteich großes Schauhaus und Portechaisenträger. Der Plan ist sehr gut, wie mir scheint, kostet aber Geld. Den König spricht nur die Idee des Moritzdenkmals nicht an, doch hat er auch nicht definitiv abgelehnt. Mit Zeit kommt Rat – d. h.Stadtrat doch wohl auch darauf. Dezember 21 Eine lächerliche Geschichte gibt jetzt der Damenwelt erwünschten Spaß. Beim Frauenverein, der die Kinderbewahranstalten unter sich hat, hat die Tochter des Generalkonsuls Hesse, dessen Frau Mitglied ist, sich auch beteiligt, ohne selbst Mitglied zu sein, und unter anderem mit Genehmigung der Untervorsteherinnen die Fröbelschen Kinderspiele eingeführt. Das erfährt die Prinzessin Johann, welche die oberste Leitung hat, und da man unter dem Namen Fröbel nur demokratische Tendenzen ahnet, so glaubt sie wahrscheinlich, dass die vier-und fünfjährigen Kinder dadurch bloß zu Demokraten herangebildet werden können und beschließt, dies zu untersagen. Das mag alles gut sein, aber die Hofdame Freiherrin von Friesen schreibt nun einen höchst groben Brief, worin der Freiherrin von Hesse untersagt wird, sich um die Kinderbewahransstalten zu bekümmern und hat noch das Malheur, in diesem Brief einen tüchtigen orthographischen Schnitzer anzubringen. Madame Hesse nimmt das natürlich höchst übel und erklärt in einem, sämtlichen Mitgliedern zugesendeten lithographierten Schreiben, darin sie die betreffende Stelle mit dem orthographischen Pudel aufnimmt, sie trete aus. Mehrere andere Damen, die die Teilnahme des Fräuleins als Vorsteherinnen genehmigten, sind denn natürlich auch sehr verletzt und es fehlt nicht viel, dass der
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ganze Verein darüber aus dem Leime geht. Gestern bei der Bescherung, bei der die Prinzess Johann allemal erscheint, ist dann auch von den bürgerlichen Damen niemand erschienen, als Demonstration. Adolf schreibt mir heute, dass der Konsul Scheller, Onkel seiner Frau, angeblich der reichste Mann in Leipzig, am Blutschlage in der Nacht vom Sonntag zum Montag in Paris gestorben ist. Er ist auf telegraphische Nachricht heute Morgen nach Paris gereist. Wahrscheinlich wird Adolfs Frau nun sehr reich und ich will nur wünschen, dass sie nicht zu viel erhält. Viel Geld verändert die Menschen oft wunderbar und macht sehr selten glücklich. Ich schrieb’s ihm auch. Dezember 27 Als ich heute bei Beust war, kam er wieder auf die Organisationsfrage und begann das Gespräch mit der ebenso aufrichtigen als wahren Bemerkung: Höre, es wird doch noch eine Schweinerei. Das sieht er – aber er hat nicht Energie genug, der Sache entgegen zu treten. Ich wollte, nur eine Sitzung sollte er einmal meine Individualität haben, dass etwas mehr Eisen als Fischlein in ihm wäre.
1854 Januar 1 Wieder einmal ein neues Jahr! Fidel angetreten haben wir es, das ist wahr. Es war eine ziemlich große Gesellschaft gestern bei uns, fast alle unsere hiesigen Bekannten. Um 8 Uhr kam man zusammen, gegen 9 Uhr ward eine Chorade aufgeführt, „Hünerfürst“, ein hiesiger Musikdirektor. Die erste Sylbe hatte der Forstkondukteur v. Berlepsch übernommen – die andern Brüder waren auf einem Ball beim preußischen Gesandten – führte es aber sehr matt auf. Besser war Antons zweite Sylbe, der den Nordhauser Buchhändler Fürst graduierte, in Gemeinschaft mit Ferdinand und Elise Berlepsch, die als die Store, Verfasserin des Oncles Tom, erschien. Das Ganze führte ich ein mit Amalie Berlepsch und daran schloss sich die Kindersymphonie. Hierauf kam noch eine Aufführung von (Obermarschall) Ehrenstein, Gustav und Peter, auch einem Kreuzschüler: ein Streit des alten und des neuen Jahres, den der Nachtwächter schlichtete. Beim Souper Lotterie mit Witzen, wobei sehr gute waren. Ich gewann zufällig die Gabe des Ministers Beust, eine Brieftasche, worin eine Lorgnette lag, mit dem beiliegenden Gedicht, welches ich, da dieselben jedenfalls selten sind, hier aufhebe. Auch der Oberberghauptmann Beust war da, außerdem Ehrensteins, Kohlschütters, Craushaars, Reitzensteins, Watzdorfs, Jordan, Nostitzens, circa 40 Personen. Die Prinzessinnen und Römer hatten abgesagt wegen Unwohlseins. Adolf ist Major geworden, was mich herzlich freut. – Es ist nicht wahr, vielmehr ist er übergangen worden mit vielen andern, während einige Günstlinge sehr schnell avancieren. Uckermann, der viel gefeierte, mit drei Orden geschmückte Rittmeister nimmt deshalb sofort seinen Abschied, was bei Hofe große Sensation macht. Januar 6 Adolf schreibt mir heute, dass er allerdings wegen des Avancements zum Major befragt worden ist, aber wegen seines Fußes, der ihm das Reiten nicht gestattet, selbst darauf hat resignieren müssen, nur beklagt er sich, dass dieser Umstand, Mangel der körperlichen Tüchtigkeit, nicht beim Avancement der andern, wie früher, erwähnt worden ist. Das Erbteil seiner Frau von dem großen Nachlass ihres Onkels Schletter ist sehr unbedeutend, nur 20 000 Taler etwa, während derselbe im Übrigen große Summen zu Legaten u. a. der Stadt Leipzig
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hinterlassen hat. Es ist hauptsächlich Eitelkeit, die ihn veranlasst hat, seine nächsten Verwandten so gering zu bedenken. Indessen hat Adolf immer genug, um zu leben, wenn er einmal abgehen sollte, woran er jetzt noch nicht zu denken scheint, was mir sehr lieb ist. Januar 8 Gestern aßen wir mit Berlepschens, der Brückner, Goldackers und Minister Falkensteins auf dem Linkeschen Bade. Des letztern Tochter hatte einen Hut auf, der aus zwei alten Samtwesten des Papas gemacht war und letzterer selbst hielt es für angemessen, statt vier Tassen Kaffee, die er und die Seinigen konsumiert hatten, nur eine zu bezahlen. Solche Schwierigkeit findet man doch nur bei reichen Leuten! Auf dem Rückweg fing Falkenstein an, mit mir über die Organisationsfrage zu reden, die wieder in ein Stadium getreten ist, wonach Zschinsky ganz den alten Streit von vorn anfängt, trotz aller Beschlüsse und Protokolle des Gesamtministeriums. Mir wollte Falkenstein weiß machen, der König habe ihm bei seinem neuen Eintritt ins Ministerium – das Präsidium angeboten, er es aber abgelehnt. Beust würde ein kurioses Gesicht über eine solche Veränderung gemacht haben. Übrigens versicherte F.(alkenstein), er werde nun mit größter Energie auf definitive Feststellung antragen und er habe in einem Aufsatz gestern bemerkt, es scheine, die Protokolle und Beschlüsse des Gesamtministeriums würden bloß zum Spaße gefasst. Mit dieser energischen Äußerung glaubt er, Alles getan zu haben! Wackerbarth schreibt wieder um Geld. Er hat den 1. März 300 Dollar auf Wechsel zu zahlen. Was hilfts, wir müssen es ihm doch wieder senden. Er hat nun, wenn wir diese 400 Taler dazurechnen, im Laufe von wenig über ein Jahr 1 000 Taler von uns erhalten. 18 000 Taler nahm Mathilde mit. Dafür hätten sie hier gegen ihre jetzige Existenz brillant leben können und haben neben einer grässlichen Existenz durch Wackerbarths Dummheit anscheinend ihr ganzes Vermögen zugesetzt und nichts vermehrt als ihre – Kinder. Januar 28 Am Sonntag hatten wir nach manchen langweiligen Gesellschaften einen sehr genussreichen Abend. Wir hatten uns bei Ehrensteins anmelden lassen, die wir ganz allein fanden. Ehrenstein las uns aus seines blinden Sohnes Briefen vor: höchst interessant war die ins größte Detail eingehende Schilderung seines Aufenthaltes in Weimar, wohin ihn Liszt66, der sich seiner und seiner Kompositionen sehr lebhaft und uneigennützig annimmt, eingeladen hatte. Er ist dort beim Großherzog, der den Kunstmäzen macht, gewesen. Liszt hat dem Großherzog Ehrensteinsche Klavierkompositionen vorgespielt und ihm viel gute Ratschläge gegeben. Februar 3 Zwei Feste ungleicher Art haben wir gehabt. Am Mittwoch großer Ball beim preußischen Gesandten. Wir setzten uns um 8 ¾ in eine Droschke und kamen, so groß war die Masse der Wagen, um 9 ½ an, obgleich die Distanz nur einige 100 Schritt beträgt. Dort eingedrungen empfing uns eine furchtbare Hitze und ein solches Gedränge, dass ich nur bis in das zweite Zimmer kam, ohne von den Wirten etwas zu sehen. Der König und die Prinzen standen da in dichtem Gedränge, das wir nach ½ Stunde wieder verließen, um zu Hause zurückzukehren. Das nennt man Vergnügen! Gestern war dagegen eine recht hübsche Feier bei unserm Nachbar Melly. Er hatte allerdings eine Gesellschaft zusammengebeten, die sich gar nicht untereinander kannten. Doch waren die Prinzessinnen und einige andere da, die wir kannten. Ein Taschenspieler Löbel 66
Liszt, Franz (1811–1896), Komponist und Pianist. Ab 1842 Hofkapellmeister in Weimar. Zu seinem Mäzenatentum siehe C. Rueger: Franz Liszt. Des Lebens Widerspruch. Eine Biographie. München 1997.
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machte ganz nette Sachen und ein brillantes Souper schloss das Fest. Er gab sich alle Mühe, trotz seiner Gebrechlichkeit einen angenehmen Wirt zu machen. Er ist der Sohn des Melly, bei dem wir oft in Genf waren, dessen Schwester die verstorbene Thieriot war: Ich kannte ihn schon in Leipzig, wo er die Handlung lernte. Dann ging er nach New York, scheint dort selbst nicht gerade brillante Geschäfte gemacht zu haben, hat aber eine Frau gewonnen, die jetzt durch Erbschaft Vermögen erlangt hat. Er ist ein sehr angenehmer und lieber Mann, der an den Füßen ganz gelähmt, so daß er sich stets eines Rollstuhls bedienen muss. Seine Frau ist eine echte Yankee, bloß Dame für dress und vornehme Bekanntschaften: so dreht sie sich bei Hofe und in den vornehmen Lokalen herum und die H ist glücklich über jede Einladung, die ich ihr zu Beust verschaffe. Mellys wollten zu Ostern wieder nach New York, er anscheinend sehr ungern, wahrscheinlich aber entschied ihr Wille. Die drohenden Kriegsschürer aber haben ihn bestimmt, hier zu bleiben und er hat nun die 1. Etage des Hauses gemietet, das wir zu Ostern beziehen. Heute will ich mit Anton bei uns etwas musizieren. Es geht aber immer rückwärts mit meiner Geige. Ich verliere die Fertigkeit und kann selbst mit der Brille die Noten nicht mehr gut bei Licht erkennen – die ersten monita herannahenden Alters. Über unsere Organisationspläne fängt doch jetzt an, alle Welt den Kopf zu schütteln. Vor einigen Tagen brachte endlich das Dresdner Journal (Dresdner Journal vom 28.1.1854 S. 89) die leitenden Grundsätze, worüber die Regierung sich geeinigt habe. Da war denn u. a. gesagt, es sollten lauter Einzelrichter beibehalten werden (wie jetzt die Ämter). Man werde daher die weiteren Erläuterungen, die auf Kollegialgerichte berechnet gewesen, sistieren, auch keine Patrimonialgerichte mehr abtreten lassen und heute wird in Pirna ein neues großes Kollegialgericht eingeführt und des nächstens auch in Freiberg – also wenn es bei dem jetzigen Plan, den das Journal enthält, bleibt, bloß um sie alsbald wieder aufzuheben! Difficult est satyrem non heribere! Zschinsky, den ich neulich bei Graf Redern traf – wir vermeiden uns anscheinend beide mit gleich großem Vergnügen – sagte mir, als ich ihn nach seiner Gesundheit fragte, es gehe ihm gut, obwohl er diesen Winter vieles durchgemacht habe – gesetzt konnte er freilich nicht sagen. Februar 6 Gestern kam wieder ein Brief von Wackerbarth, wie er nur mit seiner wohlbekannten Zuversicht zu der Unerschöpflichkeit unserer Geldbeutel circa 3 500 Taler von uns verlangt. Die Herren Brüder Ernst und Albert haben schon bei der letzten Geldsendung ihre Teilnahme degradirt – auch nicht übel, da sie vom seligen Vater gegenüber Mathilde offenbar begünstigt worden sind und verhältnismäßig am reichsten von uns sind – und so wird die ganze Sache uns zur Last fallen, was denn bei den gegenwärtigen kriegerischen Aussichten, wo man kein Papier ohne den größten Verlust verkaufen kann, keine Kleinigkeit ist, zumal die Sicherheit, die uns Wackerbarth offeriert, Hypothek auf 100 Acker Wald etwa, nicht gerade sehr befriedigend ist. Indessen habe ich meine Teilnahme nicht abgelehnt, wenn alle Geschwister sich beteiligen wollen. Gestern Abend waren Ehrensteins und Römer bei uns. Erstere lasen uns wieder aus Wolfs Briefen vor, seinen Besuch bei Berlioz usw. Römer schwieg sich, den Kopf auf der Seite hängend, vollständig aus, trank ein Glas Champagner nach dem anderen, ward immer röter, blieb aber stumm wie ein Fisch. Vorgestern, ehe ich zur Partie zum russischen Gesandten gehen wollte, erschien der lederne Assessor Müller aus Leipzig, der hier um eine Appellationsratsstelle anhören will, ob mit Erfolg, ist mir sehr zweifelhaft, da er ein Esel und
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noch dazu beim Ministerium wegen politischer Umtriebe verdächtig ist, ein Verdacht, der, wenn er auch ganz ungegründet sein mag, doch jetzt allein genügt, selbst den Befähigsten in seiner Karriere zu behindern. Februar 7 Ich war seit langer Zeit wieder einmal bei Beust, der mir seinen neuangelegten Saal zeigte, eine Zigarre offerierte und mir dann seine Ansichten über die politischen Zustände mitteilte. Er sagte: England war vor zwei Jahren in der lebhaftesten Besorgnis, ein Bündnis des ganzen Kontinents gegen sich errichtet zu sehen. Dahin ging Schwarzenbergs Absicht, der schon die Einleitung mit Frankreich begonnen hatte. England erkannte die Gefahr und der erste Schritt war die Anerkennung des Kaiserreichs, wodurch es sich, während die anderen Staaten durch Englands Vorspiegelung einer beabsichtigten gemeinschaftlichen Nichtanerkennung getäuscht, zauderten. Hiermit war der erste Schritt zur Einigung mit Frankreich getan. Jetzt konnte nun Englands längst gefasster Plan, Rußlands ihm lästige Machtstellung zu brechen, zur Ausführung kommen. Es wird zum Krieg mit Rußland kommen und derselbe wird wie alle russischen Kriege wahrscheinlich anfänglich ungünstig für Rußland werden, bis sich die Widerstandsfähigkeit allmählich entwickelt. Ob der Kaiser, selbst wenn er wollte, jetzt Frieden schließen könnte, lässt sich nicht beurteilen, da man denn die andern Zustände und Stimmungen in Rußland, die uns fast unbekannt sind, genau kennen müsste. Preußen und besonders Österreich haben aber einen ungeheuern Fehler begangen. Sie konnten vor 6–8 Monaten noch den Frieden bewirken, wenn sie entschieden dabei stehen blieben, nicht weiter zu verhandeln, so lange die Flotten nicht zurückgegangen. Österreichs Politik haust der billigen, der Polen wiederhergestellte Demokratie den Sieg wünscht. Österreich wird, wenn es so fortgeht, alle nachteiligen Folgen des Krieges mittragen und wird Rußland besiegt oder entkräftet, so werden wir in einem Jahre eine ganz andere Politik haben. Frankreich wird dann auf eine Weise auftreten, der dann niemand entgegentreten kann, denn Rußland als Hinterhalt fehlt dann. Die Demokratie wirkt jetzt im Stillen aufs Eifrigste, aber sie benutzt die Presse nicht. Die Ereignisse aber, die kommen werden, wird sie schon zu benützen wissen. Das waren ungefähr seine Worte. Wir wollen nun sehen, ob seine Prophezeiungen sich bewahrheiten.67 Er ist wenigstens so durchdrungen von der Richtigkeit, dass er jetzt keine Nacht schlafen kann. Ich ging fort, wie der Geheime Finanzrat von Polenz kam, einer der langweiligsten Sybiphanden, die die Welt trägt. Beust benutzte auch mein Fortgehen, um unter dem Vorwande, mich zu begleiten, sich ihm zu entziehen. Die Ministerin ist sehr gealtert, scheint aber jetzt ganz gut mit ihrem Mann zu stehen. Februar 12 Gestern war ich seit Jahren wieder einmal zum König zur Tafel geladen. Eine große Einladungskarte und der beiliegende – in seinem Stile sehr charakteristische Zettel, enthaltend eine lex Gersdorfiana de interpretatione Fracci, verkündete mir diese Ehre. Es waren ziemlich viel Leute da und ich hatte den Ehrenplatz, d. h. von unten auf. An einer Ecke der Tafel genoss ich ein gutes Diner und die Gesellschaft des Suppe vorlegenden Kam67
Die militärische Auseinandersetzung zwischen Rußland einerseits und England, Frankreich und dem Osmanischen Reich andererseits um den freien Zugang für die russische Flotte aus dem Schwarzen Meer in das Mittelmeer begann im Januar 1854, dauerte bis 1856. Höhepunkt war die Einnahme der Festung Sewastopol am 9. September 1855 durch die verbündeten englischen, französiscshen und türkischen Truppen. Der Krimkrieg endete nach Verhandlungen seit Februar 1856 mit dem am 30. März 1856 in Paris unterzeichneten Friedensvertrag. Siehe Theodor Schieder: Staatensystem als Vormacht der Welt 1848–1918. Frankfurt a. M., Berlin 1992. S. 86–88 (= Propyläen-Geschichte Europa. Band 5).
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merherrn von Könneritz. Etatmäßig musste König und Königin sich mit jedem Gaste einmal vor Tische, einmal nach Tische unterhalten, was für beide Teile gleich angenehm ist, da man natürlich in einigen Minuten nicht gerade ein geistreiches Gespräch führen kann. Den König überraschte ich durch die ihm neue Idee, dass man bei Schnee nicht jagen könne, während er mir versicherte, dass gerade der Schnee gut sei. Ich habe mir dadurch wohl die Aussicht auf die Oberjägermeisterstelle verscherzt. Nach Tische machte ich es aber wieder gut, indem ich ihn auf seine Tätigkeit im Geheimen Rat brachte, wo er sich besonders für die Kriminalsachen interessierte und manch recht scharfsinnige Seperatvota abgegeben hat, die ich neulich fand.68 Ich versicherte ihm, er könne alle Tage Oberappellationsrat werden und sich mit seinen votis ein schweres Geld verdienen, wenn er sie in der Zeitschrift für Rechtspflege geben wolle, eine Aussicht, die ihm sehr erfreulich schien, wenigstens lachte er bedeutend, was, da es bei diesen Couren etwas Ungewöhnliches ist, da bloß der Angeredete hold lächelt, vieles Erstaunen erregte. Mit der Königin führte ich ein sinniges Gespräch über die alte Beust und die Mängel der Erziehung unserer Zeit. Sie versicherte mir, sie nähme dies wahr, wenn sie zum Fenster hinaussehe und da dies offenbar ein hoher Standpunkt ist und man einer Königin nie Unrecht geben kann, so glaubte ich dies. Februar 22 Ein großes Diner bei Kammerherr Lüttichau, das ich alle Jahre einmal mitmache. Der Mann hat eine eigentümliche Passion, großbrockige Diners zu geben. Vier Kerls in weißen Unterkleidern, ein Jäger etc. servieren. Das Geschirr Silber oder, wie Nostitz Wallwitz behauptet, plattiertes Blech. Es sieht alles ganz vornehm aus mit Ausnahme des Wirts und der Wirtin. Es waren circa 20 Personen, lauter Fremde ohne allen Benehmen. Ich ging dann zu Beust, in dessen Vorzimmer ich Schimpff fand. Beim Eintreten nahm mich Beust, der aus einem Nebenzimmer kam, unter den Arm, ließ Schimpff stehen und fragte mich, ob ich mit ihm besonders zu reden hätte. Das hatte ich schon. Gestern ist nämlich abermals ein Kollegialgericht in Freiberg errichtet worden, was denn doch, nachdem die Regierung erklärt, es sollten überhaupt gar keine gebildet werden, den Leuten außerm Spaß ist. Ich stellte das Beust nochmals vor. Er wurde wild und sagte, das sollte noch Alles schon werden, je lebhafter aber er selbst wohl einsieht, dass es eine heillose Konfusion ist. Je fataler schien ihm mein Widerspruch und meine Versicherung, dass wir in zwei Jahren die Kollegialgerichte, ein wahrer Unsinn für die Unterinstanz, überall wie jetzt schon in ¾ des Landes haben würden, denn Zschinsky organisiert immer drauf los und es ist nachher doch unmöglich, die ganz fertige Sache gleich wieder umzuschmeißen. Ich wiederholte Beust mehrmals, dass ich aus alter Freundschaft mich für verpflichtet halte, ihm die reine Wahrheit insbesondere auch über die Beurteilung seiner Handlungsweise im Publikum zu sagen, dass ich aber, sobald ich merke, dass ich ihm lästig damit werde, auch ebenso gern oder vielmehr noch lieber gar nichts mehr sagen werde. Kein Mensch kann doch die Wahrheit ertragen, wenn sie ihm nicht in seinen Kram passt. Das merkte ich Beust, so sehr er auch Diplomat ist, auch heute recht deutlich an und es ist am Ende doch wahr, was einmal Zeschau sagte, daß ein Minister keine Freunde haben kann. Ich habe von Natur eine große Anhänglichkeit an die Menschen, die ich einmal liebe und einzelne Schrullen derselben immer mich nicht davon 68
Prinz Friedrich August war ab 1. Mai 1819 Mitglied des Geheimen Rates, der obersten zentralen Behörde des Königreichs Sachsen, ab 16. November 1821 mit Sitz und Stimme. Siehe Groß, Wettiner, S. 232 ff.
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abbringen. Beust hat sich seit unserer Jugend, wo wir Leid und Freud, ja sogar das Pferd und einmal den Mantel teilten, gewaltig geändert, seine Unzuverlässigkeit, seine Neigung, Hintertüren zu suchen, diplomatische Kniffe und Pfiffe anzuwenden auch in gewöhnlichen Lebensverhältnissen hat mich oft wahrhaft geschmerzt, da ich allerdings vielmehr den entgegengesetzten Fehler habe und eher mit der Türe ins Haus falle. Aber ich hänge mit wahrer Zuneigung und, wie ich glaube, mit wahrer, wenigstens ganz uneigennütziger Freundschaft an ihm und das, sollte ich denken, müsste er erkennen und eben der Seltenheit wegen wenigstens schätzen. Um seine Exzellenz, seine Stellung, seine Orden etc. schere ich mich allerdings den Teufel, da ich kaum eben gar keinen Sinn für diesen Schnickschnack habe. Wahrscheinlich ist ihm aber, vital ist er doch – dieses Gefühl unbehaglich sein und das wird uns doch noch einmal trennen. bis er – wer kann das wissen – einmal wieder ins Pech kommt, wo er den alten Weber bei mir suchen und finden wird. Der Oberberghauptmann war neulich hier, er raisonierte und wie!! über alles, wußte Alles, die Organisationspläne aufs furchtbarste zu tadeln, aber was Besseres hatte er nicht und seinem Bruder sagt er kein Wort! Ist das nun Veneration? Nein, denn die hat er nicht, da er sich für viel klüger hält. Es ist Mangel an Courage und nicht deutsches Maulheldenkannengießerphilistertum. Und so ist all das Volk, Kohlschütter, Weinlig. Wenn sie mit mir reden, klingt das ganz anders, als wenn sie mit dem Minister reden. Da können sie vor Submisssion nicht das Maul auftun und am allerwenigsten energisch auftreten, wenn sie Exzellenz aufs Bärtelchen gehen. Vor einigen Tagen war im Stadtverordnetensaale eine Versammlung der Aktionäre zu Begründung eines Vereins zu Erbauung von kleinen Häusern, um Unbemittelten gute und wohlfeilere Quartiere zu verschaffen. Der Entwurf der Statuten enthielt so kurioses Zeug, daß ich dem Antrag auf Annahme en bloc entschieden widersprach, verschiedene herrliche Reden hielt und natürlich, als mein Antrag auf Niedersetzung eines Komitee zur Prüfung und definitiven Feststellung der Statuten angenommen ward, in dieses gewählt ward. Morgen Nachmittag soll die Sitzung sein. Dabei ist dann auch Klinger videvant, ein demokratischer Parteiführer, jetzt ein kahlköpfig gewordener unbedeutender Advokat. Tempi passati: der ehemalige Oberbürgermeister von Leipzig konnte sich aber das Vergnügen nicht entgehen lassen, in der neulichen Versammlung eine Rede zu – lassen, worin das Proletariat an die Tür klopfte etc. Und dergleichen Redensarten de anno 1848 mehr! Februar 28 Ferdinands Geburtstags zu ehren haben wir ihn und Anton zu Tisch gebeten. Nach Tische kam der Appellationsrat von Könneritz, der als Kommissar jetzt die drei kollegialen Untergerichte in Dresden, Pirna und Freiberg, ersteres organisiert, letztere eingeführt hat. Er sagte, er habe allerdings angesichts der Erklärung der Regierung, dass man keine kollegialen Untergerichte haben wolle, sich vorsichtig gehalten und in seinen Reden durchklingen lassen, man wisse nicht, wie die Sache sich bewähren werde. Ich begegnete heute Kohlschütter, der in Altenburg gewesen und Lindenau besucht hatte. Dieser hätte sich sehr lebhaft nach mir erkundigt, mich aber getadelt, dass ich mich ins Archiv vergraben habe, und sendete mir, wie Kohlschütter sagte, die herzlichsten Grüße. Das ist mir ein wahrer Orden!, den ich im Herzen trage und mich daran freue. Lindenau ist, wenn auch kein großer Staatsmann, doch einer der edelsten Männer, die ich gesehen habe, und wenn er die Menschen besser kennte und häufiger in ihrer Lumpigkeit erkennte, wäre er auch ein großer Staatsmann gewesen. Allein er ward von allen Seiten getäuscht, da er eben jedem
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das Beste zutraute. Er und Könneritz konnten sich nur nicht vertragen, sonst wäre Lindenau wohl geblieben und vielleicht manches anders geworden in Sachsen. Jetzt fängt man in den Zeitungen wieder an, von der deutschen Frage zu lesen. Ob den Fürsten da bange wird, angesichts der Kriegsfrage, dass sie das Schieberloth, womit man vieles beschwören könnte, schon oft aus der Rumpelkammer, was seit den Dresdner Konferenzen liegt, wieder hervorholen? Ich kann an dem Kannegießern, was jetzt überall die Ohren füllt, kein Interesse finden. Ich habe bis jetzt noch nicht einmal eine feste Ansicht darüber erlangen können, warum man auf einmal jetzt den anscheinend unmöglichen Krieg führte, weniger kann ich mir eine Überzeugung bilden, was das Ende sein wird. Nur Eines ist mir klar geworden, daß die Einigkeit wie Einheit Deutschlands ins Reich der Träume gehört. Die Spaltung liegt nicht nur in den Regierungen, nein, sie steckt tief und unverzichtbar in den Völkern selbst. Hätten wir das Dreikönigsbündnis festgehalten, wäre darnach Deutschland mit Anschluss Österreichs in Preußen aufgegangen, wie lange hätte es gedauert und der innere Zwiespalt wäre wieder ausgebrochen und die Kleinen hätten wieder die Köpfchen gehoben, sich an Österreich, vielleicht selbst wieder an Frankreich als an Preußen gehalten, und es wäre der ganze Bund gewiß seit lange schon wieder eingefallen. Eben diese Verzweiflung an der Möglichkeit der Herstellung eines besseren Zustandes, oder die Resignation bewirkt mir alles Haderns an der Politik und den kommenden Ereignissen und da ich selbst ein reponiertes Aktenstück bin, so mag ich auch nur noch mit abgetanen Akten zu tun haben, keine neuen mehr anlegen. Ich glaube auch nicht, dass ich je wieder dazu werde Veranlassung erhalten, tätig einzugreifen. Bedeutend, schöpferisch bin ich nie gewesen, es mangelt mir die Produktionskraft. Ich bin ein tüchtiger und fleißiger Arbeiter gewesen, geeignet, fremde Ideen schnell aufzufassen und zu verarbeiten, wenn ich ihren Gang und ihre Folgerungen einmal gefaßt und mit ihnen einverstanden war, allein solche Leute sind nicht selten und da ich noch dazu eine Eigenschaft habe, die den meisten Leuten unangenehm ist, nämlich die, jeder Sache direkt auf den Pelz zu gehen und die Wahrheit aus der umhüllenden Täuschung herauszuschälen, wo sie denn oft gar nicht hübsch aussieht, so wundert es mich auch gar nicht im Geringsten, dass man mich nicht wieder braucht und brauchen kann. Wer weiß, ob ich, wenn ich Minister wäre, mich, wenn ich mich in duplo fände, mich auch ganz ruhig ad acta legte. Widerspruch können Wenige vertragen, Ehrlichkeit fast Niemand! Auf dem Bade war ein Konzert von Hünerfürst69 mit sehr interessantem Programm angekündigt. Ich fuhr mit Sophie und Erhard heraus. Der Saal war ganz voll Menschen, aber noch viel mehr voll Tabaksqualm. Mit Mühe fanden wir einen Platz in einem Seitenzimmer, wo wir uns mit Herrn von Schönberg und dem Leutnant von Hausen, (Sohn des Generals, mit dem wir an der Kirche in Neustadt zusammen wohnten)70 ein kleines unbedeutendes Männchen, das, wie er mir mitteilte, die Flöte bläst, zusammensetzten. Die Rauchwolken wurden aber immer dichter, die Hitze größer und, nachdem wir eine Symphonie von Spuler gehört, brachen wir wieder auf und das war gut, denn kaum waren wir zu Hause, so brach ein Orkan 69 70
Hünerfürst, Raban Hugo (1827–1867), Musikdirektor der durch Umwandlung des Musikkorps der Dresdener Kommunalgarde entstandenen Zivilkapelle von 1854 bis 1858. Siehe Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 669–670. Hausen, Karl Ferdinand Freiher von (1811–1881), Major, siehe Verlohren, Stammregister, S. 267.
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mit Donner und Blitz los, ein furchtbares Unwetter, so daß Gustav, der draußen geblieben war, erst spät heimkehren konnte. März 5 Des Königs Namenstag ist durch eine eigentümliche Feier begangen worden. Man hat ein Stück der Prinzessin „Die Braut aus der Residenz“ ins Französische „La Finance de la residence“ übersetzen lassen und Beust, seine Frau, Fräulein von Zeschau und andere haben es heute bei Hofe gespielt. Beust hat dabei, wie mir scheint, in seinem wohlbewährten Leichtsinn Stoff zu vielem Klatsch gegeben. Dass ein Minister wie Beust so sich öffentlich produziert, einen höhern Hanswurst macht, ist allerdings immer nicht ganz unbedenklich und zumal nun, da er noch seine Frau dazunimmt, die kein Mensch leiden kann, da diese, schon durch ihr Brüskieren der öffentlichen Meinung durch ihr früheres Verhältnis mit dem hannoverschen Legationssekretär, ich weiß nicht mehr, wie er hieß, diese gegen sich hat und persönlich fast alle Leute durch Grobheiten beleidigt hat, so wird es an Witzeleien und Versuchen, ihn lächerlich zu machen, nicht fehlen. Mir sagen die Leute nur dergleichen nichts, da sie mir doch rücksichtlich Beust’s nicht trauen und ich mich allerdings einige Male insbesondere gegen Pöbel, der über alle Welt raisoniert, ziemlich energisch über solchen Klatsch ausgesprochen habe, aber für die große Masse ist das wieder ein Fressen! März 18 Eine Anekdote von Beust, die mir eben einfällt, schalte ich hier ein. Vor einiger Zeit hat ein Gesandter, ich weiß nicht welcher, seine Abschiedsaudienz, ein anderer, ein Graf Görtz, seine Antrittsaudienz beim König. Beust muß dabeisein, die Abschiedsaudienz geht auch glücklich vorüber und der Kammerherr Lindenau geht, Beust mit Graf Görtz im Gespräch verlassend, herein zum König, um letztere anzumelden. Als er herauskommt, ist aber Beust fort. Beim Fragen ergibt sich, dass er Graf Görtz ein Kompliment gemacht und den Zweck seiner Anwesenheit vergessend davongegangen ist. Lindenau sendet nun nach allen Seiten Boten aus, bittet Görtz, einen Augenblick zu warten, meldet dem König das rätselhafte Verschwinden Beust’s und empfängt von ihm den Rat, ihn wo möglich „einfangen“ zu lassen. Nach ½ Stunde wird er aufgetrieben und erscheint höchst vergnügt über seine Vergesslichkeit. Eine andere Geschichte, die den Geschäftsgang beim Ministerium des Innern charakterisiert, erzählte Ferdinand. Am Donnerstag geht eine Verordnung des Ministeriums des Innern ein, worin die Anweisung steht, es solle ein Feuerverein, der sich in Neustadt gebildet, wegen seiner rühmlichen Tätigkeit eine Belohnung erhalten. Heute kommt die Verordnung, dieser gefährliche Verein solle sofort aufgelöst werden, weil er politisch demokratische Tendenzen verfolge. März 23 Heute morgen um 1 ½ entschlief sanft eine alte Freundin unserer Familie, die alte Beust. Ich hatte eine wahre Anhänglichkeit an sie und besuchte sie gern von Zeit zu Zeit, um von alten Zeiten zu schwatzen. Sie ist 80 Jahre oder 81 geworden. März 26 Beust aus Freiberg war infolge des Todesfalls hergekommen und Frau von Houwald bat uns deshalb gestern zu Tische. Wir hatten eben die Suppe gegessen, als die Tür sich öffnete und eine lange schwarze Gestalt eintrat, die sich bei näherer Betrachtung als Beust’s Frau auswies, die ihm nachgekommen war. Diese verspätete Ankunft war aber sehr nachteilig für unser Diner, denn es musste nun erst noch Toilette gemacht werden und wir bekamen die Gerichte selbst in einem originellen, aber jedenfalls ungenießbaren Zustande. Abends ging ich, während Professor von Cotta aus Freiberg meine Frau oder diese jenen unterhielt, zum Minister Beust, der wirklich sehr angegriffen ist. Heute ging ich, von ihm veranlaßt, früh vor 7 nach einer fast schlaflosen Nacht – so heulte der Sturm an unsere Fens-
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ter – in das Quartier der Verstorbenen, wo sich bloß die Familie und und einige Verwandte Beust’s aus Berlin befanden. Die Leiche ganz unverändert, stillen Frieden in den verstorbenen Zügen, lag schon im Sarge mit Palmen und Blumen umgeben. Ein Geistlicher aus Polenz, den sie während ihres Sommeraufenthaltes schätzen gelernt, ein hochbejahrter Mann, hielt hier am Sarge eine Rede. Dann fuhren wir auf den Kirchhof, wo der Geistliche wieder sprach, sehr einfach und ausdrücklich ohne große Phrasen, das ich am Grabe gar nicht leiden mag. Dann ward sie eingesenkt und eben fing eine Lerche, der Bote eines ewigen Frühlings, ihr fröhliches Lied an, während am Grabe ein Chor „Wie sie so sanft ruhen“ sang. Ich habe die Verstorbene aufrichtig verehrt und so war mir die Stunde erlebend und erhabend. Ferdinand Beust war sehr erschüttert, kniete an der offenen Gruft nieder und wollte von der Leiche sich gar nicht trennen. Das Herz ist bei ihm doch noch das alte liebevolle, wenn auch eine Kruste drüber liegt, die weniger leicht schmelzt als vor 35 Jahren, wo wir uns kennenlernten und die nur bei solchen Ereignissen sich lichtet und den Blick ins Innere gestattet. Außer andern, die geglaubt, sie erzeigten Beust eine Höflichkeit, wenn sie den Leichnam sich ansehen, war auch der Geheime Legationsrat Lemaistre, ein großer würdiger Herr, erschienen, dem Packhof „des Geistes redlicher Güter“ den Körper mit einer Art Explotation vorgezeigt, mit Recht zum Skandal von Ministerin Beust, dort gerade allein gewesen. Lemaistre hatte als nächsten Grund seines Besuches angegeben, daß er vor 40 Jahren in Zöpen gewesen. Dies führte im Gespräch auf eine Anekdote aus dessen Kriegerleben, er war nämlich Ladenschwengel und als er ins Militär in Folge der Aushebung eintreten mußte, weil er Französisch verstand, als Sekretär in einem Büreau angestellt worden. Hier tritt einmal ein Offizier herein, der mit dem Chef zu reden hat. Lemaistre, gerade allein, wirft sich in die Brust und fragt barsch, was wollen Sie, worauf die Antwort erfolgt: Wenn Sie der Sekretär sind, so halten Sie das Maul, und wenn Sie der Lakai sind, so melden Sie mich. Beust sagte, daß er neulich Scrable gespielt, weil er sich über die orientalischen Wirren so geärgert, daß er das Bedürfnis gefühlt, sich einmal zu amusieren. Zwischen den Proben aber habe er ein zweites Memoire, das er den Höfen mitgeteilt, über jene Frage diktiert. Viel geholfen scheint dieses Komödienmemoires aber auch nicht. April 5 Am Sonnabend, dem 1. April, haben wir unser zeitheriges Quartier verlassen und eines vis avis (statt Nr. 8 der Lüttichaustraße Nr. 27) bezogen. Hat das frühere durch große Räume, einen Wintergarten, elegante Einrichtung manches Angenehme, so war dagegen die Weitläufigkeit und die allen Winden ausgesetzte Lage sehr lästig und ich bin sehr zufrieden, jetzt in bescheidenerer bequemerer Lokalität existieren zu können, zumal der Mietpreis 100 Taler billiger ist. Die politischen Stürme, die Kriegsaussichten und Nachrichten, die so Viele beunruhigen, kümmern mich nicht. Bin ich zu dumm, bin ich zu gleichgültig gegen das Leben und seine Verhältnisse, ich weiß es nicht. Selbst der Gedanke, daß man sein Vermögen verlieren, in Bedrängnis kommen könnte, haben für mich, der ich mit sehr wenigem zufrieden sein kann und es ja früher war, keine Schrecken. Heute gehen wir zum Abendmahl bei Franke, der aber immer schwächer wird. April 17 Wundervoll warmen Tagen ist heute ein regnerischer kalter Tag nach dem zu erwartenden Aprilwechsel gefolgt. Wir haben immer sehr still gelebt. Goldacker ist Anfang dieses Monats nach Görlitz übergesiedelt, warum, weiß er wohl selbst nicht. Er hat sich dort ein Haus gekauft und so ist wieder eine Familie hinweg, mit der wir doch zuweilen Umgang
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hatten. Vorige Woche hatte ich das erste Quartett im neuen Quartiere. Seelmann und Schlick aus der Kapelle, Paul, der dicke kleine Musikalienhändler, und der lange Schumann als Bratschisten, Hofrat Wolf als Auditorium. Wie es mit der Musik werden wird, wenn Gustav fort ist, weiß ich noch nicht. Bezahlen kann ich die Herren nicht, ob sie es ferner bloß aus Gefälligkeit tun werden? Wahrscheinlich wird mich Seelmann und Schlick zuweilen anpumpen, wie es Ersterer mehrfach getan. Ich hatte Lipinski neulich durch Gustav mit einladen lassen, aber er erschien nicht, ob, weil ihm Gustav die Wohnung nicht gesagt oder weil ich ihm keine Visite gemacht, weiß ich nicht. Beust habe ich seit dem Begräbnis seiner Mutter nicht wieder gesehen. Ich fürchte, wir werden einander immer fremder werden, denn während ich täglich der Welt mehr absterbe und, mit dem Leben fertig, immer weniger empfänglich für das Treiben derselben, scheint er immer mehr daran Geschmack zu finden. Verschiedenheit der Stellung und Lebensverhältnisse kommen hinzu und, obwohl es mir leid tut, werde ich auch zurückhaltend werden müssen, damit er nicht mir Zudringlichkeit, einen Fehler, den ich vor allem hasse, vorwerfen oder denken könnte, es sei seine Stellung, die mich zu ihm führt. April 22 Am Freitag traf ich unerwartet Seebach aus Gotha. Wir waren den Nachmitttag auf dem Bade, wo ich mit den Meinigen aß, und den andern Morgen zusammen, manches besprechend, zukünftiger Möglichkeiten gedenkend. Er ist einer von den durch und durch ehrenhaften ehrlichen Leuten, die Einen erquicken wie den Verdürstenden der Trunk frischen Wassers. Auch Prinz Woldemar von Holstein kam zu mir, sehr düster in die Zukunft, besonders Preußens blickend. Mai 7 Am Donnerstag ein Diner bei Beust mit Zschinsy, Falkenstein, einigen Räten und Zwischendeputationsmitgliedern, kuriose Visagen! Nach dem Diner blieb ich auf Beust’s Aufforderung noch da. Falkenstein, der auch bleiben sollte, hatte keine Zeit oder keine Lust, lief fort. Wir besprachen dann nun bei einer Zigarre wieder einmal die Verhältnisse. Beust beklagte sich lebhaft über Zschinsky, der in den Händen einiger seiner Räte ihm überall die größten Schwierigkeiten mache, dito Rabenhorst, mit dem er sehr ernste Tänze gehabt, und Behrs Unzuverlässigkeit. Mit einer gewissen Gutmütigkeit verbinde er eine große Schlauheit und ein ebenso großes Mißtrauen, wisse, sich dem König durch kleine Gefälligkeiten bei der Zivilliste etc. angenehm zu machen und suche sich nach allen Seiten zu decken. Der fürstliche Gleistens, der Wölfe im Schafskleide, wie ihn Joseph einmal bezeichnete, sei nicht so umsichtig. Ich hatte denn wie stets auch diesmal kein Hehl, daß ich überzeugt bin, mit Zschinsky sei nicht durchzukommen, er werde sich ohnehin nicht halten können. Rabenhorst ist nicht zu entfernen, Beust muss mit ihm auskommen. Behr ist nach meiner Überzeugung ein ehrlicher Mann, der im Interesse seiner Kinder am Ministerium festhalte, zwar seines Fachs sehr wenig mächtig, indessen doch gescheit genug ist, vom Glück unterstützt durchzukommen. Zschinsky halten bloß seine Schulden, insbesondere der Präsident Müller, der ihm Geld geborgt und als Zinsen Avancement, Orden etc. herausgepresst, jetzt aber wahrscheinlich allmähliche Rückzahlungen verlangt und Zschinsky nicht abgehen lässt. Das war auch Seebachs Ansicht, als er neulich hier war und mit Zschinsky gesprochen hatte. Heute Nacht bekam ich einen Cholarinenanfall, wie ich ihn so zu Zeiten habe, und stand daher, in der Nacht gestört, spät auf. Kaum war ich aus dem Bette, kam Beust. Es waren drei Gegenstände, die er mit mir besprach und wobei ich ihm wieder einmal helfen sollte. 1) Entfernung Zschinskys, wo möglich in Güte auf dessen eignen Antrag, da ich das Haupthinder-
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nis, den Geldmangel, kenne. So schlug ich vor, man solle ihn mit 4 000 etwa zum Präsidenten des Obergerichts in Bautzen machen, Criegern hierher als Vizepräsidenten ins Oberappellationsgericht nehmen. Falkenstein möge es versuchen, mit ihm die Sache zu verhandeln. Diesen zu befragen, ob er es wolle, erhielt ich Auftrag. 2) Eventuell Besetzung der Stelle. Daß Beust Könneritz nicht nimmt, wußte ich und Seebach wird vorläufig als geeignet anerkannt. 3) Kohlschütter scheint Lust zu haben, Kreisdirektor zu werden. Ich soll ihn darüber sprechen. Will er durchaus, nun so soll er es werden, außerdem soll er eine Zulage bekommen. Nun will ich heute diese diplomatischen Missionen unternehmen, aber ohne allen Rückhalt direkt darauf losgehen. Ich kann einmal nicht durch Hintertüren und geheime Entrees herein. Seebach zum Justizminister zu nehmen scheint Beust auf mein wiederholtes Anregen ganz geneigt, wenn Seebach nur will? Viel war nicht zu machen heute. Falkenstein war verreist, Kohlschütter aber, zudem ich nach Tische ging, reist heute. Er wolle gar nicht Kreisdirektor werden und hörte auf meine Andeutung einer Gehaltsvermehrung zu meinem Erstaunen sehr kühl an, welches Erstaunen aber sich minderte, als ich hörte – daß er dieses Jahr schon 400 Taler Gratifikation erhalten habe. Diese höheren Beamten wissen doch alle, neben ihren Besoldungen noch so etwas herauszuquetschen. So hat Weißenbach jetzt über 3 000 Taler durch verschiedene kleine Zuschläge. Natürlich, daß ein Minister die Beamten, die er notwendig braucht, nicht gern unzufrieden sieht und da weiß man es trotz Konstitution und Rechenschaftsbericht immer zu ermöglichen, daß noch einige Späne abfallen und wäre es nur Schreibmaterialienentschädigung. Ich glaube, wenn ich mich an den Laden legte, selbst für meine Verdienste wäre noch eine außerordentliche Gratifikation herauszuquetschen! Vor einigen Tagen besuchte ich den Archivar Erbstein, der schon seit einigen Wochen arbeitsunfähig ist. Ich bin erschrocken, welche Veränderung mit ihm vorgegangen war. Er ist der vollständigen Stupidität ganz nahe. Vor sich hinstierend war er allem Zureden ganz unzugänglich, murmelte bloß einzelne Worte, z. B. er bekomme keine Postkarte pp. und war dabei so abgefallen und heruntergekommen, daß ich überzeugt bin, es geht schnell mit ihm zu Ende. Ich sprach deshalb mit seinem Oncle, dem alten reichen Kaufmann Schütz, damit er sobald als möglich in eine Heilanstalt gebracht wird, was mir das Einzige scheint, das noch geschehen kann. Mai 10 Gestern früh sprach ich Falkenstein. Ich setzte ihm, ohne Beust’s Auftrag zu erwähnen, die Lage Zschinsky’s auseinander, daß er der Ständeversammlung gegenüber entweder in die Lage komme, seine zeitherigen Organisationseinrichtungen geradezu für Dummheiten zu erklären oder sie zu rechtfertigen, letzternfalls aber Beust derart nötigen werde, den Konflikt durch Zschinsky’s Entlassung zu lösen. Dies sind die Folgen, wenn man seine Überzeugungen verleugnet. Außerdem kommt hinzu, daß Zschinsky, obwohl er im Gesamtministerium zu Allem ja sagt, doch indirekt immer wieder auf das Frühere zurückkommt und dem Ministerium des Innern allerhand Schabernack zu spielen sucht, in Kommunsorten von den „beklagenswerten Beschlüssen des Gesamtministeriums“ spricht, kurz einen solchen Zwiespalt hervorruft, daß er sich selbst in die Alternative gebracht, er oder Beust muß gehen. Es liegt daher nach meiner Überzeugung wirklich im wahren Interesse Zschinsky’s, dem ich persönlich wohl will, da er ein gutmütiger Mann ist, und der Regierung, daß er jetzt geht, wo man ihm und er sich selbst noch eine goldene Brücke (Möglichkeit, Müller etwas vom Geborgten zurückzuzahlen) bauen kann. Falkenstein ist offenbar etwas erstaunt,
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er möchte gern bei allem seine etwas leppischen Hände im Spiel haben, aber sich auch nicht die Finger verbrennen. Er hatte keine rechte Lust, ehrlich und offen, was ich tun würde, mit Zschinsky zu sprechen, schlug vor, Langenn!!! möge es tun, der dann natürlich sich als Justizminister gesehen haben würde. Am Ende schien er aber doch geneigt, die Verhandlungen zu opponieren. Nachdem ich ihm nun wiederholt gesagt, es dürfe nicht so gemacht werden, als ob man Zschinsky einen Handel proponierte, sondern er müsse selbst einsehen, daß er unhaltbar sei und selbst seine Entlassung beantragen, sowie ferner, daß Minister Könneritz nicht der Nachfolger sein könne, was ich an sich herzlich wünschte, aber allerdings an Beust’s Interesse nicht tunlich ist – ging ich zu Beust, der dann meinte, wenn Falkenstein nicht wolle, werde er ein Expose an den König machen (und auf Zschinsky’s Entlassung also antragen!) und im Scherz hinzufügte, der König solle Zschinsky den Albrecht in Brillanten, 6 000 Taler wert, oder gleich Müllern übersenden, der die Steine herausbrechen könne. Er erzählte übrigens, daß Kohlschütter wirklich geglaubt, er wolle ihn los sein und habe deshalb mich abgeschickt. Ein rechter Beweis, daß die Leute doch niemals glauben können, daß man ehrlich und offen ist. lch hatte neulich mit Kohlschütter auch über Watzdorf, den Kreisdirektor, gesprochen und in Folge dessen hatte Kohlschütter dessen künftige Stellung wieder in Anregung gebracht und kurioser Weise Beust gesagt, er habe ihn vor Kurzem in der Sache bei der gemeinschaftlichen Kommunion getroffen und Watzdorf habe dabei einen Beweis seiner Herstellung gegeben, indem er – keine schlechten Witze gemacht!! Ich denke, ich werde nun bei der Ministerkrise nicht weiter gebraucht werden. Mir ist, obwohl ich die Notwendigkeit einsehe, nur das fatal, daß Beust ebenso viel um den Brei herumgeht. Ich hätte direkt selbst mit Zschinsky gesprochen. Der gerade Weg ist der Beste! Abends war ich gestern beim Oberhofmarschall. Ich ging mit Boblick fort, der mir allerhand Geschichten erzählte, u. a. daß der frühere Kriegsminister von Zeschwitz aus dem Zeughaus eine Menge Sachen, u. a. die Trophäe aus der Schlacht von Kolin, silberne Pauken und Trompeten verkauft, das Geld aber nicht verrechnet habe. Der Kammerherr von Jordan habe für Preußen allein für 1 000 Taler gekauft. Posern habe Zeschwitz denn einmal darüber zur Rede gestellt und dieser da angefangen – zu weinen. Mai 12 Ich habe noch nichts gehört vom Erfolg meines Gesprächs mit Falkenstein, was mir die Vermutung erweckt, daß er den Auftrag übernommen und das Resultat Beust direkt mitgeteilt hat. Seebach scheint also entweder nicht in Frage zu kommen oder Zschinsky nicht gehen zu wollen, denn ersten Falls würde Beust wohl meine Hilfe wieder beansprucht haben. Kohlschütter war gestern bei mir, wo ich ihm denn dann den Kopf wusch über sein Mißtrauen, als ob ich mich zu einer so hinterlistigen Mission würde haben gebrauchen lassen, um ihn aus dem Sattel zu heben und wider seinen Willen zu Kreidirektorisieren.. Er wünschte, ich sollte nun bei Watzdorf wieder fragen, ob er wohl jetzt noch geneigt sei, Amtshauptmann zu werden. Ich deparierte das. Ich habe es einmal getan, wo es gut war, wenn die Eröffnung nur eine vertrauliche war und wo Beust mich darum bat. Allein jetzt sehe ich gar keinen Grund, warum Kohlschütter es nicht selbst tun kann. Ich schickte ihn daher zu Watzdorf. Die Organisation hat nun Kohlschütter mit Marschner fertig gemacht. Letzterer hat nun leider bösen Willen, würde sich herzlich freuen, wenn der Plan, dem er abhold ist, recht glänzend durchfiele. Solchen Leuten muß man aber eine Arbeit von der Wichtigkeit nicht anvertrauen! Im Publikum scheint noch nichts von Zschinsky’s Abtritt zu verlauten, obwohl niemand recht einsieht, wie er sich ohne tiefste Erniedrigung auf dem Ministersessel erhalten will.
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Juni 3 Beust ist von seiner Bamberger politisch orientalischen Konferenz zurück. Er hatte mich gestern vergeblich aufgesucht und ich ging daher zu ihm und fand ihn sehr zufrieden, insbesondere damit, daß man im Gesamtministerium seine Mitteilungen, wobei er Widerspruch erwartet – gar nichts erwidert. Behr hatte ihm eben ein Billett geschrieben, worin er den Zwiespalt im Ministerium lebhaft beklagte und ich riet ihm nun auch, doch hieran anzuknüpfen und zu versuchen, ob Behr nicht die delikate Kommission der Verhandlung mit Zschinsky, bei der Falkenstein nichts getan, übernehmen wolle. Falkenstein, den ich seit unserer Besprechung nicht gesehen, traf ich heute Abend beim Spazierengehen und er fing sogleich von der Sache an und sagte, er habe einen Versuch mit Zschinsky gemacht und einige Andeutungen – anscheinend sehr entfernte – gemacht, die dieser aber nicht verstanden habe oder nicht habe verstehen wollen. Er will offenbar die Pfötchen sich nicht verbrennen, was ich ihm am Ende auch nicht verdenken kann. Er gehört zu den Leuten, die allemal denken, wenn ich nur was davon hätte. Juni 12 Mit Minister Falkenstein hatte ich neulich auf sein Bitten hin eine lange Beratung wegen der Organisation, da er sich durch einige höchst konfuse Einwendungen, welche das Justizministerium gemacht hatte, gar nicht durchbeißen konnte und wünschte, ich sollte ihm – dem Minister – mit meinen Verfassungskenntnissen beistehen. Es ist unglaublich, hat jener gesagt, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird!! So ein klägliches, unter sich zerfallendes Ministerium hat aber die Welt doch selten gesehen. Difficile est satyram aut scribere. Heute ging ich seit Jahren wieder einmal in den Altertumsverein, dem Prinz Johann präsidiert. Es ist so ledern als möglich, Registrandenvortrag, der darin besteht, daß einige Schreiben von verschiedenen Vereinen eingesendet werden, Gelatsche ohne Gleichen dazu, worin besonders Langenn glänzt – kurz, die ganze Geschichte so leblos als wie der ganze Verein, eben auch schon seit 1 000 Jahren tot. Dann ging ich zu einem Zauberfeste, das Advokat Gutbier in seinem Garten gab. Es war u. a. ein holsteinischer General Graf Baudissin dort, ein ganz interessanter Mann, der in dem Kriege gegen Dänemark eine Menge Wunden erhalten hat und nun sein Vaterland wie viele andere Unglückliche meiden muß. Gestern war ich einen Augenblick bei Beust. Er fing wieder von Zschinsky an und weiß sich trotz seiner Diplomatie oder vielnehr in Folge deren gar nicht aus dem Hause zu fitzen. Er erwähnte die Bamberger Konferenzen und sagte, daß er jetzt sehr mit der Angelegenheit beschäftigt sei, daß er hoffen müßte, daß alle Stränge gehörig angezogen werden, daß ihn der König nicht sitzen lassen werde, die Sache aber, in der er fast ganz Europa gegen sich habe, allerdings nicht leicht durchzuführen sei. Gelinge die Sache, so werde er nun bald eine Stellung haben, die auch hier alle Schwierigkeiten beseitigen werde. Mißlinge sie, so stehe allerdings auch seine Stellung auf dem Spiel. Ich fürchte sehr, daß eben der Gedanke, daß er eine Stellung haben muß, das Hauptmotiv für ihn ist. Er kann das nicht vertragen, daß er jetzt keine Rolle in der Politik spielt, daß man seinen Rat in Wien nicht beachtet und da muß er in Gemeinschaft mit Pfordten, der auch bei Allem sein muß und Großmächtchen spielen will, irgend was einrühren, das Deutschland ausessen muß. Die andern Minister hier und in den meisten Mittelstaaten sind Nullen und ein Mann wie Beust ist da ganz geeignet, sie am Seil zu führen, wäre es auch in die Tinte. Gott bessers, ich kanns doch nicht! Juni 18 Beust teilte mir gestern einen Aufsatz mit, den er von Kohlschütter über die Organisationsangelegenheit für den König hatte schreiben lassen. Ich gab ihm noch einige
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Zusätze an, bin aber überzeugt, daß dies Werk gar kein Resultat haben wird, als den König in Verlegenheit zu setzen. Zschinsky hat nun einmal keine Erkenntnis seiner schiefen Position oder will sie nicht haben. Beust wird nicht energisch vorgehen und so wird die Sache fortgehen, bis der Karren im Dreck sitzt. Juni 29 Die Organisationsfrage kommt nicht vom Fleck. Ich dachte mir, man könnte etwa so die Lage der Sache darstellen: Es steckt im Ofen im Gesamtministerium eine Katze. Das Gesamtministerium möchte sie gern heraus und in den Sack haben und beratet darüber nach der Melodie „Es sitzt eine Katz im Ofenloch etc.“. Zschinsky sagt, die Katze ist einmal drin. Vertagen wir die Beratung auf die nächste Sitzung. Ich möchte erst mit meinen Herren im Justizministerium darüber sprechen. Behr: Ich bekenne unumwunden, daß ich kein Sachverständiger bin. Ich übernehme daher keine Vertretung, zumal wenn ich an meine Kinder denke etc. Rabenhorst: Eine Kanone her, mit Kartätschen geladen. Die feuern wir auf den Ofen ab! Oder eine congransche Rakete. Falkenstein: Ich bin der Ansicht meiner Herren Kollegen, schließe mich der Majorität an. Beust sollte inzwischen Zschinsky’s Hut und Rabenhorst’s Degen nehmen und damit hinten an den Ofenkasten schlagen, wo dann die Katze herausfahren würde – aber er tut’s eben nicht! Sonst könnte er sie gleich im Sacke haben, die Katze und seine Kollegen! Juli 13 Sophie war Gott weiß warum wieder einmal unglücklich! Beim Bilderaufmachen in ihrem kleinen Salon hatte ich gesagt, mir sei es egal, wie sie hängen, das sei ihre Sache – daraus folgerte sie, ich liebe sie nicht!!! Ich gab mir alle Mühe, sie zu beruhigen, aber diese Gewitter verziehen sich bei ihr nicht so schnell. Nach 24 Stunden aber klärt sich gewöhnlich, Gottlob, der Himmel wieder in der Regel. Wenn man aber so wie ich nur ein Wesen hat, an dem man mit voller Seele hängt, ist es um so schmerzlicher, wenn man sieht, wie der Mißverstand oder Unverstand die guten Stunden verdirbt. Ich meinerseits kann es gar nicht fassen, wie man ein vielleicht in verdrießlicher Laune gesprochenes Wort gleich so düster auffassen kann. Ich platze dann, wenn mich etwas ärgert, wohl tüchtig einmal los, aber in 10 Minuten ist die Geschichte vorbei und alles vergessen. Bei Sophie schleppt sich das tagelang herum. Juli 22 Endlich Sommer, d. h. gutes Wetter. Am Mittwoch aßen wir bei Beust’s in Loschwitz. Sie hatte ihren guten Tag und von daher menschlich, entdeckte uns auch, daß sie anscheinend seit einigen Tagen oder Stunden schwanger ist. Gestern besuchten wir die Generalin Benkendorf auf ihrem aquirierten Grundstück in Pillnitz, einem Hause, so schlecht als möglich, ohne alle Aussicht, den Garten voll Unkraut. Dafür hat sie aber zwei Auszügler, einen ganz alten und einen jungen im Hause. Juli 27 Mein Tagebuch nimmt jetzt wieder und hoffentlich bis zum Schluß den Charakter an, den es vor dem Jahre 1848 hatte. Da ich jetzt gar keine politische Bedeutung mehr habe, zu keiner andern Tätigkeit als meiner archivarischen gelange, so habe ich bloß meine Existenz, nicht aber Besonderes zu notieren. Als ich heute um 8 ½ ins Bad ging – ich habe wieder meine jährliche Solbädercour begonnen – begegnete mich Schröders Haushofmeister mit einer Einladung zum Diner. Sophie fuhr nun, da es gestern verunglückt war, heute mit Amalie Berlepsch und Erhard nach Loschwitz zur Quartiersuche. Ich fand bei Schröder einen Russen, Staatsrat Grimm, einen Mann, der mit Recht oder Unrecht, weiß ich nicht, sich eine ziemliche Wichtigkeit gab, jedenfalls manches er- und viel gelebt hatte, wie auf der kahlen Stirn stand. Er erzählte, daß der
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junge Graf Hofmannsegg, der seit einigen Jahren in Rußland ist, um die Fortpflanzung des Seidenschwanzes auszuforschen, von dem man noch nie ein Nest, ein Ei fand, jetzt einer russischen Expedition nach dem Norden sich angeschlossen hat. Ein eigentümliches Lebensziel hat er sich gesteckt, das ist wahr – den Seidenschwanz. Indessen weiß er also doch, was er will, was die Mehrzahl der Menschen nicht weiß. Um 6 war unser Diner zu Ende und ich begab mich mit Anton auch nach Loschwitz, wo wir auf der neu angelegten Kneipe, dem Burgberge, die Quartierexpedition antrafen, die aber, wie ich vorhergesagt, nichts gefunden hatte. Wir kehrten also mit dem Dampfschiffe zurück. Juli 30 Wir leben jetzt ganz still und zufrieden. Alle Abende machen wir einen Spaziergang nach irgend einer Kneipe, wo wir uns ein frugales Soupee suchen. Den Tag über sitze ich im Archive, mich selbst darüber wundernd, wie mir es möglich ist, so geistlose Arbeiten zu machen, die der schafsköpfigste Registrator ebenso gut machen würde, und das gefiel. Man kann durch Wechsel im Langweiligen doch die Langweiligkeit etwas mindern, darin besteht mein Prinzip. Ob es freilich zeitlang aushalten wird? Es muß. Das Wort wird schon helfen. August 9 Kein Wunder, daß ich früh nach 7 Uhr noch schlief, als der Lose mit einem Briefe, den eben ein Portechaisenträger gebracht, in die Schlafstube trat. Schlaftrunken las ich nur die Bitte des Geheimen Registrators Fischer aus dem Gesamtministerium, sobald als möglich die Akten über König Antons Thronbesteigung anno 1827 zu senden. Aber bald entdeckte ich einen Zusatz, der die Nachricht des Todes unseres guten Königs enthielt. Die Druckbeilage enthält, was man bis jetzt weiß. Ich war tief erschüttert, denn ich habe vor Friedrich August wahre Achtung und ich kann sagen – viel bei mir – Liebe empfunden. Er ist wahrscheinlich der einzige König, mit dem ich je in nähere Verbindung kommen werde und so wenig ich eigentlich empfänglich bin für den Eindruck, den eine hohe Stellung hervorbringt, so hat doch sein einfaches Wesen und die Freundlichkeit und Offenheit, mit der er sich immer gegen mich benahm, als ich in schwierigen Zeiten öfters mit ihm verkehrte und auch später immer sehr unbefangen und ohne hofmännische Manieren mit ihm sprach, einen lebhaften Eindruck auf mich gemacht, und ich beklage seinen Tod lebhaft.71 Prinz, jetzt König Johann hat nicht, wie Viele, selbst Beamte, glaubten, zu Gunsten des Prinzen Albert resigniert, sondern die Regierung nach der Proklamation vom August 10 bereits angetreten. Er ignorierte mich, seitdem ich aus dem Gesamtministerium getreten, vollständig. Wahrscheinlich hat mein Verhalten nicht seinen Beifall oder hat man ihm sonst etwa Lügen über mich erzählt. Früher war er mir ganz wohl gewogen. Meine obskure Stellung bringt mich nicht in den Fall, in seine Nähe zu kommen und so, wie ich bemerkte, daß er mich nicht mehr kennte, habe ich vermieden, mich vorzudrängen. Beust ist noch in München oder am Bodensee und wird wohl nun seine Rückkehr beschleunigen. Seine Stellung kann sich auch sehr ändern, sein Einfluß wird sich mindern, da Johann viel mehr Interesse am Regieren nehmen wird und weit weniger dem Einfluß des jedesmaligen Ministers, der am meisten regieren will, zugänglich sein wird. Zschinsky’s 71
Auf seiner zehnten Tirolreise ab 1. August 1854 verunglückte König Friedrich August II. am 9. August 1854 auf der Fahrt in das Pitztal bei Brennbichl so schwer, daß er am gleichen Tag vormittags im Gasthof Neuner verstarb. Siehe Groß, Wettiner, S. 239–240.
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Aktien sind bedeutend gestiegen, denn Johann, der Referent der ständischen Deputation für das Kriminalgesetzbuch war, ist sehr für die neuen Entwürfe eingenommen. Sehen, wie was kommen wird!
2. Archivar, Landeshistoriker und „graue Eminenz“ in den ersten Jahren der Regierungszeit von König Johann August 13 Freitag Nachmittag kam Seebach zu mir, der zur Kondolenz von seinem Herzog hergesendet worden. Mit ihm war Beust gekommen, zu dem ich daher nach 4 ging. Er war sehr angegriffen und durch die 26stündige Eisenbahnreise sehr ermüdet. Ohne ihn mit naheliegenden Besorgnissen zu erfüllen, riet ich ihm, sich bald zu Bett zu legen, da der König, ohne ihn vorher zu sprechen, nach Weesenstein gefahren war. Gestern früh sprach ich Beust. Seine künftige Stellung wird eine wesentlich andere werden. Mit dem kleinen Brühl, wie man ihn oft nannte, ist es jetzt aus und es wird sich sehr bald zeigen, ob er oder Zschinsky jetzt obtinieren wird, denn die Spaltung im Gesamtministerium ist noch immer da und es fragt sich nur, wem der König beitreten wird. Zschinsky hat allein den großen Vorteil im voraus, daß König Johann als Referent für die Kriminalgesetze für diese und was damit zusammenhängt sehr eingenommen ist und Zschinsky, der in dieser Sache ausgezeichnet ist, von der besten Seite kennengelernt, während er Beust, der sich um den Prinz Johann wie viele andere gar nicht gekümmert hat, ihm ziemlich unbekannt in seiner Befähigung sein wird. Mit Seebach hat weder Zschinsky noch Beust über diese Verhältnisse und die Zukunft gesprochen. Freitag waren Abends Seebach, Pflug aus Leipzig, Ferdinand, Könneritz und Kyaws bei uns. Gestern sprach ich Beust, der aber noch nicht beim König gewesen war und sich sehr unsicher fühlte, und Abends gingen wir mit Seebach, Anton, Kyaws und Berlepsch auf den Bergkeller. Letzterer geht heute nach Bautzen ab, wo er als Referendar und Sekretär bei der Kreisdirektion antritt, eine Stelle, die er allerdings wohl mehr meiner Vermittlung bei Beust und Kohlschütter als seinen Leistungen verdankt. Er hat aber Geschick und Gewandtheit und wird, denke ich, einen guten Amtshauptmann in ruhigen Zeiten abgeben. August 14 Seebach war noch gestern lange den Vormittag bei mir. Wir besprachen allerhand, u. a. seine ökonomischen Verhältnisse, die an sich, da seine Frau ein bedeutendes Vermögen hatte, nicht ungünstig, doch durch Mangel an Ordnung und zahlreiche Familie sich ungünstig gestalten, da er immer mehr ausgegeben als eingenommen hatte, worüber ich aus eigner Erfahrung gewitzigt, ihm dann sehr ernstliche Vorstellungen machte, die er dann wohlgemeint, wie sie waren, auch recht gut aufnahm. Der König ist, wie mir Kohlschütter sagte, sehr freundlich gegen Beust bei dessen Empfang gestern gewesen. Natürlich, das wusste ich vorher, ob aber in 6 Monaten die Sachen noch so stehen oder Beust etwa österreichischer Bundestagsgesandter oder russischer Minister ist? Der König Johann ist nicht Friedrich August. Er hat eine eigene Meinung und wird sie nicht immer leicht aufgeben. Er geht bei allen Sachen sehr ins Detail und hat sehr umfassende Kenntnisse. Er wird daher bei Beust oft berichtigen und es fragt sich nur, wie weit Beust mit ihm harmoniert oder – nachgibt. August 15 Abends kam die Leiche des hochseligen Königs an, die im Leipziger Bahnhofe feierlich empfangen wurde. Es war alles nach dem beiliegenden Programm. Die Zahl
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der freiwilligen Fackelträger war höchstens einige 100, was bei 100 000 Einwohnern allerdings wenige Prozent der Bürgerschaft ergibt. Kann man überhaupt sagen, der König sei bei seinem Volk beliebt gewesen? Nein – er stand ihm viel zu ferne, sie wußten ja kaum, daß er existierte. Daher im Allgemeinen eine beklagenswerte Gleichgültigkeit. Das ist die herrschende Stimmung. Gleichwohl war Friedrich August von Charakter ein sehr wohlwollender Mann, der wissentlich gewiß nie eine harte, eine ungerechte Tat verübt. Die Königin, überhaupt eine Dame von viel Charakterstärke, soll den Verlust mit größtem Heldenmut tragen. Das Oschatzer Wochenblatt hat das Ableben des Königs mit den Worten verkündet, er sei „in Tyrol auf eine harmlose Weise verunglückt“ – Auf eine Frage des Amtshauptmanns von Welck in der Druckerei, was denn dieser Unsinn bedeuten solle, erfolgte die Antwort, der Superintendent habe den Artikel verfasst. Es sei ein Druckfehler und solle heißen „auf einer harmlosen Reise“ – was allerdings auch nicht viel passender ausgedrückt ist. Manches bleibt Einem doch unbegreiflich. Als der Sarg ankam und auf die Estrade gestellt ward, spielte das Militärmusikkorps einen Marsch in Dur nach der Melodie „So leben wir, so leben wir alle Tage in der allerschönsten Saufkompanie“, einem bekannten Studentenlied. Es soll der Parademarsch sein. Gleichwohl kann das doch keine Entschuldigung sein. August 25 Eben komme ich wieder von einem Begräbnis. Der Archivsekretär Dr. Geringemuth war nach kurzem Krankenlager gestorben und ward heute in strömendem Regen begraben. Ich war mit Ehrenstein hinausgefahren. Ein Advokat Stange hielt eine matte trockene Rede. Geringemuth war ein poetisches Gemüt, ein gelehrter Mann, aber ein schrecklicher Archivar, und trotzdem, daß ich jetzt nur einen Kanzlisten und 1 Diätisten (habe) und 2 Archivare und 1 Sekretär fehlen, werde ich den Mangel wenig bemerken. September 10 Vor einigen Tagen kam der Oberberghauptmann Beust zu mir. Er war von einer Reise nach der Schweiz eben cum uxore zurückgekehrt und wollte sich nun, allerdings etwas spät, dem König vorstellen. Man hat es ihm vielfach verargt, daß er nicht auf die Todesbotschaft hin seine allerdings fast Vergnügen beabsichtigte Reise unterbrochen hat. Die Frau Gemahlin wird aber nicht gewollt haben, at que femme vent, Dieu vent. Beust raisonnierte wie gewöhnlich das Blaue vom Himrnel herab. Ich möchte nur wissen, ob er, wenn er einmal auf dem von ihm lebhaft ersehnten Ministersessel käme, was besseres machen würde? Das Maul allein macht es nicht und in seinem Spezialfach soll er zwar ganz gut sein, aber was Großes hat er noch nicht geleistet. Gestern Mittag hatten wir Berlepsch pater, Phina und Amalie Berlepsch bei uns, dem noch Beust beigefügt ward. Er erzählte, daß Prinz Albert zwar den Sitzungen des Gesamtministeriums künftig beiwohnen soll, aber noch nicht erschienen ist. Auch soll ihm Beust die Depeschen der Gesandten mitteilen. Alles ganz verständig vom König. Allein der Kronprinz soll gar keine Neigung zur Arbeit irgend einer Art haben, am liebsten Romane lesen. Resultat der Langenn’schen Education, der, ohne den Geist zu bilden, allerhand unnützen Kram hineingepackt hat, so daß der Kopfinhaber wie in einem übelgepackten Kasten nun nichts finden kann. Selbst das Militär, woran Prinz Albert noch am meisten Interesse nehmen soll, ist nicht mit ihm zufrieden. So erzählt der eine Teil. Ferdinand, der den Prinzen kennt, sagt dagegen, er sei recht angenehm. Die Wahrheit mag wohl in der Mitte liegen. Beust erzählte auch einen Witz, den der Landesälteste Thielau gegen den Graf Hohenthal, Königsbrück, ein gutes aber dummes Subjekt, ausgeübt: Er hat ihn auf der Adresse eines Briefes als „Großkreuz der Dessauer Bären“ (a la goldner Bär!) bezeichnet und dieses sehr übel genommen und kurioser Weise in einer Art Beschwerde
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zur Kenntnis Beust’s gebracht hat, der natürlich nichts anders machen kann als darüber lachen. Abends, als die Gesellschaft fort war und wir noch einen kleinen Spaziergang gemacht, nahm ich mein Tagebuch einmal wieder vor. Es ist circa 12 Jahre, daß ich ins Gesamtministerium kam – was hat sich seitdem da alles geändert, in meinen amtlichen Verhältnissen, in unserem Umgang! Beust, der oft vorkommt, hat sich, wie mir scheint, zu seinem Besten geändert, oder ist er bloß vorsichtiger geworden? Er ist weniger hochmütig, worüber ich in meinem Tagebuch von früher Klagen finde, oder kaschiert es wenigstens besser, aber immer noch so lauernd und nicht zum aktiven entscheidenden Handeln geneigt als sonst. Ein geborener Diplomat, der das Abwarten als alleiniges Prinzip annimmt, bis die ganze Geschichte auf einmal zusammenbricht, weil man nicht zur rechten Zeit eingerissen oder gebaut hat. Die fünf Jahre, welche Beust am Ruder ist, sind für die inneren Angelegenheiten des Landes ohne alle erhebliche Ergebnisse geblieben, und man hat eine Zeit vorübergehen lassen, so günstig, wie sie nie wiederkehrt. Jetzt wird man nun, wie wir gestern besprachen, wahrscheinlich an eine Einführung der Zivilliste gehen, was allerdings unter den jetzigen Konjunkturen gerade sehr viel Widerstand finden wird. Indessen wenn es überhaupt geschehen soll, so muß es allerdings jetzt geschehen, mit jedem Monat wird es schwieriger. Gestern habe ich auch meinen Vortrag wegen Wiederbesetzung der Stelle Geringemuths ablaufen lassen. Es sollen sich eine Menge Kompetenten gemeldet aus allen Fakultäten und Lebensstellungen, denn es schien, man betrachtete die Stelle etwa so wie die eines Aktenträgers oder Lampenputzers, zu der jedes verdorbene Subjekt befähigt sei. Wäre Erbstein nicht verrückt geworden, so würde ich gar nicht auf Wiederbesetzung der Stelle angetragen haben, da ein Archivar jetzt vollkommen genügt. September 22 Heute Abend hatten wir einen seltenen musikalischen Genuss, wobei ein Violinspieler, Louis Eller aus Graz gebürtig, der seit mehreren Jahren in Paris wohnte, den die Konzertmusiker Seelmann und Schlick, mit denen ich gewöhnlich spiele, mitgebracht hatten. Er hat einen herrlichen Ton und ist ganz frei von Effekthascherei. Es waren noch als Zuhörer da Ehrenstein mit dem Wolf, der Hofrat Wolf und Witzlebens, die zufällig dazukamen. September 24 Gestern gab ich Beust einen Artikel über den Geiger Eller zur Aufnahme in das Dresdner Journal, dessen musikalischer Referent, von Lipinski eingenommen, gar keinen andern neben diesen aufkommen läßt. Lipinski selbst aber, statt als Künstler, dem niemand seinen Rang streitig machen kann, anderer Talent anzuerkennen, soll so ein erbärmlicher pfennigfuchsreifer, neidischer Kerl sein, daß er einem andern weder Ehre noch einen Taler gönnt. Ich nahm mich daher Ellern an und Beust hat den Artikel auch richtig oktroyiert, wie er es nannte. Er klagte zugleich über das Militärbudget und daß im Gesamtministerium niemand wage, dagegen aufzutreten, weil man Rabenhorst’s Grobheit scheue. Ein origineller Grund, der aber dem Lande viel Geld kostet. Mag auch der König, wenn die Herren Minister keine Courage haben und das Sprichwort „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“ nicht kennen, einigen Militärs privatim das Budget vorlegen und ihre Monita hören. Das schlug ich vor, umso mehr, als allerdings zur Prüfung des Militärbudgets technische Kenntnisse gehören, indem die Ansätze, wenn die jetzige Krise bleibt, wohl nicht zu hoch sein mögen, aber es sich eben fragt, ob die Krisis z. B. vier Regimenter Kavallerie etc. statt drei früher, richtig ist. Wahr ist es, was neulich die Zeitungen brachten, daß der König persönlich
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sich des Budgets sehr annimmt, aber es fehlt eben an dem Unparteiischen, der sein Gutachten abgebe, denn jeder Minister vertritt nur sein Departement und möchte für dieses so viel als möglich. September 28 Als ich früh nach 9 Uhr über den Markt ging, um mich ins Archiv zu begeben, begegnete ich Beust, der mir noch im vollen Unwillen erzählte, daß er eben über die Schloßgasse gehend bemerkte, daß man dort einen Düngerwagen aufgestellt, um die Kloake zu räumen. Er sei aber gleich aufs Rathaus gegangen, habe einen Stadtrat geholt, ihn riechen lassen und angeordnet, daß der Wagen der Bestimmung gemäß entfernt und das Ausräumungsgeschäft den Nachtstunden vorbehalten werde. Erfreut über die Schärfe der Nase Seiner Exzellenz ging ich durch die Schloßgasse. Dort natürlich die größte Tätigkeit, um den Wagen einige Wohlfahrtsdiener in Position pp. erwartend. Nein, ganz gemütlich stand ein stinkender grauer Wagen, hinter ihm wie sein Junges ein kleineres Instrument auf zwei Rädern da. Kein Mensch war zu sehen. Ich kassierte nun mein Deputat Akten im Archiv, wo mich Jordan aufsuchte, der gestern aus Pillnitz hereingezogen, aber die Generalin noch auf acht Tage draußen gelassen, weil sie noch für einige Taler Pflaumen abzunehmen hat! Als ich nun nach 1 Uhr wieder über die Schloßgasse ging stand der graue Wagen noch eben so ruhig da, aber statt des Jungen war ein großer rotbrauner Wagen, der, ein herrliches Parfum de mille formages verbreitete, da. Ich aß, schlief, trank Kaffee, ging, da es herrliches Wetter war, mit Sophie in den Großen Garten und nach 4 ins Archiv und siehe, der graue Wagen war zwar seinem Jungen gefolgt, aber der rotbraune stand noch da, aber zwei Pferde davor mit losgemachten Strängen. Also trotz aller Nasen war das Zeug nicht wegzubringen! Oktober 3 Nachmittag kamen die Professorin Cotta nebst ihrer Schwester zum Kaffee und Spaziergang, der aber durch schlechtes Wetter unterbrochen ward. Abends ein Quartett, wobei Eller nochmals wundervoll spielte. Jordan und Antons waren auch dabei. Die Nachrichten vom Kriege, die Eroberung von Sewastopol machen viel Aufsehen. Ich weiß nicht, warum mich die ganze Sache so wenig interessiert, vielleicht bloß, weil facile proximus noch nicht endet. Vor einiger Zeit habe ich an den Grafen von Thun in Tetschen geschrieben. Ich habe hier im Archiv viel interessante Details über die Geschichte des Schlosses im 30jährigen Krieg gefunden und diese wie manche andere historische Anekdote, die ich beim Durchgehen der Masse Akten gefunden, etwas zusammengestellt, um künftig vielleicht einmal es drucken zu lassen. Ich fragte nun bei Graf Thun an, ob ich nicht im Archiv zu Tetschen etwas finden könnte, um noch einige Lücken auszufüllen. Allein er hat mir noch nicht geantwortet. November 5 Gestern traf ich Beust, der mit Pfordten in Berlin war. Er ist natürlich glücklich, wieder einmal große Politik treiben zu können. In Berlin ist er jetzt Vertrauensmann wegen seiner russischen Sympathien. Pfordten, erzählte er, schimpft auf Österreich und die Westmächte, gerade wie er hier auf die Demagogen schimpfte, geht aber dennoch gerade wie früher mit diesen durch dick und dünn. Er ist nun, wie Beust in Berlin, so in Wien Vertrauensmann, wogegen Beust jetzt dort übel angesehen ist. Beide haben sich aber über gemeinsame Vorschläge verständigt und Seebach aus Paris kommen lassen, um durch ihn auf Nesselrode und den Kaiser zu influiren, bei dem Beust Akzeptation seiner Vorschläge hofft. So steht jetzt die Sache. Ich glaube, Beust irrt sich, und glaubt dies ohne alle Kenntnis der politischen Verhältnisse und Zustände, bloß auf seinen Charakter hin. Er kann keine Frage lösen, sondern immer nur verschieben. Dazu ist aber jetzt nicht mehr Zeit! Diplomat ist er,
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aber kein Staatsmann, wenn er auch über die Lilliputer, die in Berlin und Wien im Ministerium sind, immer noch Kopfeslänge hervorragt. Wie mir neulich Ehrenstein erzählte, hat ein hiesiger Spediteur, der für Sachsen aus England hat Zement kommen lassen sollen und mit Ehrenstein deshalb vielfach zu tun gehabt, ihm im Vertrauen mitgeteilt, er habe aus Rußland wiederholte Sendungen in Geld zur Weiterbeförderung erhalten, u. a. an Personen, denen es durch die Russische Gesandtschaft in Stuttgart ausgezahlt werden sollen. Von dieser hat er nun die Anfrage erhalten, woher er das Geld habe, ob die Zahlung auf Befehl der Regierung erfolge. Es sind Summen von über 300 Dukaten dabei gewesen. Der Mann hat nun Ehrenstein um Rat gefragt, ob er der Gesandtschaft weitere Auskunft geben solle, was Ehrenstein seinem eigenen Ermessen überlassen hat. Jedenfalls sind es Zahlungen an russische Spione und Agenten, an denen es auch bei uns wohl nicht fehlen mag. Schröder ist dazu schlau genug, seine Leute zu wählen. Um den Landtag, der hier versammelt ist, um die wichtigsten Gesetze zu beraten, bekümmert sich eigentlich kein Mensch. Es herrscht noch eine vollständige Apathie unter den Leuten. Ich gab neulich das Organisationsgesetz dem Minister Könneritz, der behauptete, er habe es noch gar nicht gesehen. Es ist ihm aber doch jetzt sehr ärgerlich, daß er vorm Jahre nicht auf meinen Vorschlag einging. Möglich, daß er dann doch jetzt, wo Beust seinen Widerstand nicht mehr so bei König Johann entwickeln könnte, Minister würde, wenn Zschinsky sich nicht sollte halten können oder er ihn verdrängen wolle. Seebach schrieb mir heute und schickte mir den Entwurf des Vertrags über die Gothaer Domänenfrage. Er hat meinen Vorschlag, an Stelle der Zivilliste, die beim Fallen des Geldwertes sich immer mehr reduziert, eine Tantieme des Staatseinkommens aus den Domänen nun benutzt, was in Gotha allerdings um so leichter ging, als der Hauptbestand der Domänen Forsten sind. Überhaupt habe ich dem Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha in dieser Angelegenheit wahrscheinlich, ohne daß er es weiß, denn ich strebe nicht nach dem Ernestinischen Hausorden, nicht unerhebliche Dienste geleistet, da mehrere gelehrte Deduktionen, die ich Seebach zu meinem Amusement gefertigt, den Gothaer Ständen bedeutend imponiert haben, wie mir Seebach selbst sagte. Mittags wollte ich gerade zu Ehrenstein gehen, dessen Frau mich wegen ihres Testaments um Rat befragt hatte, als er zu mir kam. Wir luden ihn zum Abend ein, den wir mit Ehrensteins, die ihren jüngsten Sohn, der zu Ostern in die Kavallerie eintreten soll und sich ftir seine Person schändlich langweilen müsse, bei einer Flasche Ale ganz gut von alten Zeiten unterhalten. November 6 Heute schließt die Landestrauer um den seligen König, was auch für Sophie gut ist, da ihr Trauerkleid allerdings traurig aussieht und sie doch nicht viele Kleider sich jetzt erweitern mag, wo das Ereignis, welches die Erweiterung nötig macht, täglich eintreten kann. Leider plagte die arme Sophie sich heute wieder einmal mit Grillen, wofür ich allerdings keinen Grund weiß, als daß ich – in den Altertumsverein ging, der seine monatliche Versammlung hielt, wobei nicht viel von Interesse vorkam. November 19 Der Morgen ist Sonntags lang und kurz bei mir. Kurz, weil ich in der Regel länger schlafe, obwohl nicht so lange als Sophie, bei der es heute erst um 9 ¾ Tag ward. Lang, weil ich in der Regel bis Mittag zu Hause bleibe, um allerhand kleine Geschäfte nachzuholen, zu der mir an Wochentagen, die ich fast ganz im Archiv zubringe, kaum Zeit bleibt, abends bei Licht nur mit Unterbrechungen vertragen kann. Gut daher, daß ich keine
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Stelle habe, die mich zum Abendarbeiten nötigt. Ich wollte gestern, als ich aus dem Archiv zu Hause ging, Beust, den ich lange nicht gesehen, besuchen. Allein das Ehepaar war beim englischen Gesandten zu Tisch. Dezember 10 Wir warten immer noch vergeblich auf den Ankömmling. Jedenfalls ist es ein Mädchen, weil es so wenig pünktlich ist. Vor einigen Tagen waren alle Anzeichen da, daß die Stunde nahe, Hofrat Wolf war der Ansicht. Gegen Abend ward, da die Indizien sich vermehrten, nach der Hebamme geschickt – sie war nicht zu Hause. Ich ward schon besorgt, allein als sie gegen 11 Uhr kam, verlor sich die Sache wieder. Es war ein Glück, denn Johann hatte, ohne etwas zu sagen, den Ofen in der Schlafstube ebenso wie in der künftigen Kinderstube mit einer teuflischen Substanz verschmiert und als nun geheizt wurde, entstand ein solcher Gestank, daß alle Fenster geöffnet werden mußten und ich bei dem Gedanken, daß Sophiens Niederkunft noch die Nacht erfolgen werde, schon die Einrichtungen treffen wollte, daß sie in einer andern Stube liegen könne. Beust habe ich sehr lange nicht gesehen. Ich war gestern dort, traf aber nur die Familie und fasste mich daher kurz, zumal ich schon seit einiger Zeit Sophie Abends nicht gern mehr verlasse, da sie nicht mehr ausgeht oder Gesellschaft sucht. Bei Berlepschens trafen wir Mittags Jordan, der fragte, ob er bei uns den Tee trinken könne. Ich nahm dies cum clausula an und er erschien auch, brachte aber sonderbarer Weise unangemeldet auch die Generalin Benkendorf mit, die dann möglicher Weise meine Frau sehr hätte genieren können. Indessen war es nicht der Fall und wir brachten den Abend mit Vorlesen von alten Unheilgeschichten, die ich etwas zusammengestellt habe, zu, worunter manches Interessante ist. Jetzt bin ich auf Antrag der Baierischen Regierung beschäftigt, eine Lebensbeschreibung der Kurfürstin Maria Antonia zusammenzustellen, was mir, da ich fast immer nur den Aktentitel zu lesen bekomme, jetzt wie eine Erholung vorkommt. Dezember 17 Der König war vor einigen Tagen im Plauenschen Grunde, um die Eisenbahn zu besehen. Er kommt da auch in eine Mühle und der Müller nennt ihn wiederholt „Excellenz“. Als das Gefolge darüber sich mokiert, sagt der König: nun, es ist doch auch nicht geschimpft. Der König besucht öfters öffentliche Anstalten, die Kasernen. Sehr löblich, nur sollte er es ohne vorherige Anmeldung tun. Er hat wirklich, wie es scheint, ernsten guten Willen – aber wer sollte ihm eigentlich reinen Wein einschenken über Personen und Verhältnisse, die ein König, so selbst ein Prinz, nur durch ein gefärbtes Glas zu sehen bekommt. Ein Minister, selbst der ehrlichste, wird immer doch eine Ansicht über eine Sache mitbringen und diese wird eben das Glas färben, das er in seiner Relation dem König vorhält. Die Presse ist stumm oder dumm, aus der läßt sich jetzt auch nichts entnehmen. Mit eignem ungetrübten Auge kann also ein König nur sehen, wenn er nicht als solcher auftritt und da ist freilich Dresden und Sachsen doch zu klein, um den Saladin in Bagdad spielen zu können. Am wenigsten ist man im Staatsorganismus jetzt auf Ersparnis bedacht, die gerade nach der Persönlichkeit des sehr sparsamen Königs sein Hauptaugenmerk auf sich ziehen könnte, aber kennt er das Detail – die Orte, wo ohne Schwierigkeit bedeutend erspart werden könnte? Das Ministerium Braun, so wenig es sonst taugte, hatte – als einziges von Allen – gemeinsam die Absicht, sparsam zu sein, während jetzt jeder Minister bloß dem andern etwas abknöpfen, für sein Departement, seine Leute und wohl auch für sich soviel als möglich haben möchte! Es ist auch ganz menschlich, daß man die, mit denen man arbeitet, zufrieden sehen will, und da nicht immer bedenkt, daß viele kleine Summen eben schließlich große machen. Freue
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ich mich doch auch, wenn ich meinen Archivbeamten etwas aus der Staatskasse verschaffen kann! Dezember 19 Der Tonkünstlerverein, der heute ein Konzert gab, verlockte mich doch, heute einmal, Sophien Abends einige Stunden zu verlassen und mit Anton hinzugehen. Ich traf den Minister Falkenstein, der mit unverhehlter Befriedigung meine Vermutung, daß das Organisationsgesetz und mit ihm die ganze den Kammern vorliegende Gesetzgebung in der Ersten Kammer Schiffbruch leiden werde, entgegennahm. Er ging aber doch noch in die Abendsitzung, da die Sache sehr interessant sei. Die Verhandlungen sind es nun wirklich nicht, in denen das blinde Junkertum sich bläht und lieber das jus primae noctis wieder einführte. Also kann es bloß der Gang der Verhandlungen sein, der Falkenstein erquickt. Auch nicht übel, wenn der eine Minister sich freut, wenn die wichtigsten Angelegenheiten, die der andere vorlegte, zusammengehackt werden. Sonst nil novi, wenigstens nicht für mich. da ich jetzt lebe wie Klosterfrau im Schneckenhäuschen. Dezember 25 Soeben läuten die Glocken zur Kirche. Ich bin aber nicht in der richtigen Weihnachtsstimmung, denn die Verzögerung von Sophiens Niederkunft ist ihr so beschwerlich, daß sie wieder die Nacht nicht hat schlafen können und sich natürlich sehr unbehaglich befindet. Eine gute Geschichte erzählte eben Hofrat Wolf, der bei uns war. Es war bis jetzt ein französischer Gesandter Mercier, ein ziemlich obscures Subjekt, das sich damit beschäftigte, mit dem bekanntlich nicht im besten Rufe stehenden Haubold Whist zu spielen. Er ist jetzt abberufen worden und Beust hat ihm zum großen Erstaunen sämtlicher Maulaffen das Großkreuz des Albrechtsordens verschafft. Bei dem Abschiedsdiner, das der König ihm gab, erscheint Mercier ohne den Orden. Gersdorf bemerkt es noch in Zeiten, macht ihn darauf aufmerksam, daß dies eine Verletzung der Sitte sei – auch nicht übel, daß das ein Gesandter nicht weiß – und schickt gleich nach einem Band und Ordensstern, um dem Mangel abzuhelfen. Beides ist schnell zur Stelle und Gersdorf führt nun Mercier in ein Vorzimmer, um ihn da Toilette machen, das Band und Stern anlegen zu lassen. Dazu muß der Diplomat natürlich den Frack ausziehen. Dies geschieht. In dem Augenblick aber, wo er in Hemdsärmeln – hoffentlich hat er wenigstens ein weißes Hemd angehabt – dasteht, öffnet sich die Türe und die Königin mit ihren Damen und Töchtern tritt ein, prallt aber entsetzt zurück, als sie einen im Ausziehen begriffenen Mann vor sich sieht – die Herren hatten nicht bedacht, daß die Königin dieses Zimmer passieren müsse, um in den Festsaal zu gelangen. Gersdorf stürzt der Majestät nach, erläuternd, so gut es ging, den anscheinenden Frevel. Inmittelst kauert der Herr Gesandte in einer Fensterecke. Es wird, da der Frack sich zur Befestigung des Stern dem Garderobier übergeben und noch nicht zurück ist, ein Mantel über das kauernde Häufchen Diplomatie gedeckt, den auch Gersdorf mit seinem dicken Hintern schützt und so geht die Majestät mit ihren Augen niederschlagenden Damen an dem versteckten Ungeheuer gesichert vorüber. Jordan kam den Morgen zu mir und wir forderten ihn auf, den Tee Abends bei uns zu trinken. Wir tranken eine Flasche Wein und ich las ihm aus meinem Tagebuch d. a. 1848 vor. Dezember 26 Als ich in der Nacht einmal erwachte, fand ich Sophie leider schlaflos und gegen 7 teilte sie mir mit, daß endlich zu ihrer Freude die ersehnte Stunde zu nahen scheine. Inzwischen waren die Wehen noch unbedeutend, wiederholten sich nur langsam und sie wünschte nicht, die nötigen Anstalten schon da zu treffen, da sie glaubte, die Entbindung
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werde wohl erst Mittags erfolgen. Inzwischen habe ich doch jetzt um 8 ¾ nach der Hebamme geschickt und wir wollen nun das Kommende ruhig erwarten. Um 11 nahmen die Schmerzen zu und Sophie legte sich zu Bette und um 12 ½ Uhr war ein kleines Mädchen geboren. Trotz aller üblen Ahnungen Sophiens hatte es kein Untätchen, kein über das ganze Gesicht gehendes Mal, kein sonstiges Gebrechen, aber den ganzen Kopf voll dunkler Haare. Es brüllte sofort wie ein Lämmchen. Ich schrieb Briefe, während Gustav und Erhard bei Anton essen. Ich empfing mehrere Besuche, u. a. Beust, der denn allerhand vom König erzählte. Er erkannte seinen großen Eifer an, der ihm nur zu sehr ins Detail führt, da er über jedes an ihn gerichtete Schreiben sofort Vortrag von dem betreffenden Minister erfordert, was dieser natürlich oft beschwerlich erfüllte. Er bestelle fast täglich einen oder den andern Minister, Beust bisweilen früh 8 Uhr, was diesen, der gern bis 9 Uhr schläft, natürlich sehr inkommodiert. Sitzungen im Gesamtministerium die Woche wohl ein paar mal, gestern am 1. Feiertag sogar nach Tische um 3 Uhr, wo Beust erst verdauen will. Kurz, der König macht sich – gottlob – den Herren Ministern etwas lästig und ihnen bemerklich, daß eben ein König da ist, was sie bis jetzt allerdings geflissentlich ignorieren konnten. Dabei kennt der König die Gesetze besser als die Minister. So war vor einiger Zeit ein Pensionsgesuch für Töchter von den unteren Beamten an das Ministerium des Innern gelangt und von diesem alsbald dem König vorgelegt worden – natürlich ohne die Akten und Gesetze anzusehen. Der König aber liest erstere, kennt letztere und findet denn ganz richtig, daß das Pensionsgesuch nach dem Gesetz unzulässig ist, weil die schon erwachsenen Mädchen nicht erwerbsunfähig sind, sondern dienen. Er macht dies Beust, der hierin seine Kenntnisse zu erweitern beginnt, bemerklich, übernimmt aber die Pension auf die Zivilliste. Brav!! Prinz Albert muß wirklich jetzt ins Gesamtministerium und Beust meinte, er lese anscheinend auch die Sachen, wenigstens spräche er bisweilen ganz vernünftig mit hinein. Sonst scheint der junge Herr vorzüglich nur Geschmack am Whistspielen a lage den point zu haben, wozu er sich junge Offiziere einladet, denen er beim Eintreten sofort die Zigarre selbst in den Mund steckt, wie er es in Pillnitz mit den wachhabenden Offizieren tut. Zeschau ist auch mit den Individualitäten nicht zufrieden, wahrscheinblich wird ihm nicht genug Ehre angetan. Er hat Beust neulich gesagt, es gibt drei Arten von Menschen, schwarze, weiße und – Fürsten. Dagegen sagte Beust, der selige König habe ihm schon einmal etwas Schmeichelhaftes gesagt, was ihm zwar fast von allen Regenten Europas, aber niemals vom verstorbenen König geschehen, für den er doch manches getan habe – der jetzige König hat ihm nämlich gesagt, er könne Beust einmal nach Wien oder Berlin verborgen – der Teufel aber weiß, ob er ihn nachher zurückfordern würde. Silvesternacht So lange ich denken kann, habe ich den heutigen Abend in mehr oder minder froher Gesellschaft zugebracht, nie so einsam als heute und doch schwerlich so glücklich. Alles ist bis jetzt – Sophie würde hinzufügen „unberufen (dreimal)“ – so gut mit meiner liebsten Sophie gegangen, als ich es mir wünschen kann. Ich bin allerdings nur alle Tage, an den Tagen, wo das Archiv geöffnet war, eine Stunde hingegangen, um den groben Mist abzufahren, arbeite sonst, da ich mir Akten und Papiere zu Hause bringen lasse, in der Wohnstube neben Sophiens Wohnzimmer. Die letzte Nacht habe ich bei ihr gewacht.
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1855 Januar 2 Ich war sehr froh, daß ich jetzt 2 Tage ganz zu Hause bleiben und Sophie pflegen konnte. Mein Geburtstag konnte allerdings nicht besonders gefeiert werden, doch ließ Sophie es sich nicht nehmen, mir wie gewöhnlich ein Lebenslicht, das aber diesmal viel größer und stärker als früher eine wahre Lebensfackel ist – weil sie jetzt außergewöhnliche Besorgnisse für mich hegt – in meinen Lebensjahren entsprechende Anzahl Schokoladenplätzchen und verschiedene Blumenstöcke, welche mir, da ich sie nicht zu plazieren weiß, natürlich sehr lästig sind, zu schenken, sowie einige Flaschen Wein, davon Gustav und Anton jeder auch eine, beifügte. Januar 6 Meine Sophie ist nun am Donnerstag wieder einige Stunden aufgestanden und verschreitet damit progressiv vorwärts. Soeben ist sie (um 10 Uhr früh) aufgestanden, nachdem Gustav vor ¼ Stunde sich auf die Eisenbahn begeben, um noch heute einen Gewandhausball in Leipzig, seinen ersten großen Ball, mitzumachen, wozu ihn ein ehemaliger Universitätsfreund, den ich aber seit circa 26 Jahren nicht wiedergesehen, der kleine Platzmann, eingeladen hat. Januar 13 Sophie schlief noch wie jetzt gewöhnlich, als ich um 9 Uhr ins Archiv, vorher aber ins Palais zum Prinzen Albert ging, der an einem verstauchten Fuße leidet, weshalb bei ihm aufgeschrieben wird. Um 1 ging ich, da das Wetter gut, etwas spazieren und um 1 ½ in die Kreuzkirche zur Motette, wo ich lange nicht war. Nach dem Essen ward geraucht, gelesen und um 5 ich ging zu Beust, dessen Geburtstag heute ist. Er war bei der Prinzessin Auguste zur Tafel, kam daher erst etwas später. Wir sprachen u. a. davon, daß er im Leben viel Glück gehabt, während Frau von Carlowitz, Maxen, die Gattin des in diesen Tagen zum Legationsrat avancierten, ehemals – eigentlich weltoffenen – Hauptmanns natürlich das Glück in Abrede stellte und Verdienst in pyramidalischem Maßstabe substituierte. Beust rühmte sich dabei, daß er doch nie eine Eisenbahn versäumte, erzählte dabei, daß, als er zuletzt mit Pfordten in Berlin gewesen, sie nach Potsdam zum König geladen worden. Sie mußten dabei den Zug um 2 Uhr auf der Eisenbahn benutzen. Beust kommt erst nach 1 ½ ins Hotel zurück und ist noch in dem Anfang der Toilette, als Pfordten hereinstürmt und außer sich ist, als er Beust noch nicht reisefertig findet. Dieser beeilt sich, so gut er kann und ist gegen 1 ¾ – allerdings die höchste Zeit – so ziemlich zu Stande, als Seebach aus Paris hereintritt, gleichzeitig aber Beust’s Hosenträger unheilbar platzt. Beust ruft alsbald Seebach zu: „Ziehen Sie sich aus, schnell“ und dieser gehorcht, worauf ihm Beust schnell den Hosenträger entreißt, ihm die Trümmer des seinigen überlassend und nun halb fertig in den Wagen steigt, der sie dann auch noch im letzten Moment auf die Eisenbahn bringt, wo Beust mit Pfordten’s Beistand seine Toilette im Coupe vollendet. Nun, sagte ich, das ist doch, denke ich, eben ein Beweis, daß das Glück mit Dir ist, das Verdienst nicht ausreicht – alle Verdienste hätten keinen Hosenträger herbeigeschafft und zu einem Andern wäre eben der dienstfertige Seebach mit seinen Hosenträgern nicht gekommen. Januar 24 Heute um 4 war die Taufe unserer Kleinen. Kaufer hielt die Rede. Paten waren Prinzessin Charlotte von Holstein mit General von Buttlar, Generalin Benkendorf mit Appellationsrat von Könneritz, Isidore für meine Schwiegermutter, Agnes für Luise Pfarrius. Die Kleine ward Johanna Oda Luise getauft. Über die christliche Qualität des Namens Oda konnte ich Kaufer damit beruhigen, daß der Name im alten wettinischen Hause vielfach vor-
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kommt. Sophie hatte die Stube mit gemieteten Blumen dekoriert, alle Vasen mit blühendem Holunder pp. gefüllt und eine solche Menge Torten pp. angeschafft, daß ⅔ übrig blieben und sogar eine Sendung nach Leipzig an Gustav zum Vertilgen des Ungeziefers abgehen mußte. Um 6 verschwanden die letzten Gäste, welche außer den Paten noch aus Ferdinand, Antons, eingen Berlepschens bestanden und wir blieben den Abend ganz gemütlich allein. Januar 29 Großes Diner bei Beust, wohl über 30 Personen, meist Stände. Große Gala, wozu er einige Lohnbediente mit in seine Livree gesteckt – wozu ist mir nicht klar, da die Kerls im Frack auch wohl hätten die Teller wechseln können. Ich saß neben Schimpff und dem Bürgermeister und Hassler und amüsierte mich ganz gut, nachdem ich den Schlingen des Geheimen Finanzrats von Polenz, eines mir unausstehlichen zudringlichen Patrons, der sich durchaus neben mich setzen wollte, entgangen. Nach Tische mußte die Gesellschaft sich schleunigst entfernen, weil um 6 das Gesamtministerium Sitzung hatte. Ich ging noch ein Stück mit dem Amtshauptmann von Oppel aus Borna, meinem ehemaligen Schulkameraden, der etwas besoffen schien und englisch sprach. Er hat jetzt Krebs geerbt, ist ein reicher Mann geworden, da er viel einnimmt und wenig ausgibt, und unverheiratet, weshalb denn der Rittmeister Nostitz ihm seine beiden Töchter, die in diesen Tagen eintreffen, ihm zur Disposition stellte. Februar 11 Ich arbeite fleißig an der Lebensbeschreibung der Kurfürstin Maria Antonia, die ich für die baierische Regierung zusammenstellen soll, muß dabei eine ungeheuere Menge zum Teil sehr unleserlicher Briefe – vielleicht 2 000 – durchgehen und große Aktenmassen lesen, aber die Arbeit ist mir ganz interessant und überzeugt mich, daß ins Detail eingehende historische Arbeiten sehr fesselnd sind. Man freut sich wirklich, wenn man eine Tatsache erst nur angedeutet findet, dann durch spätere Notizen an Orten, wo man es kaum sucht, erläutert findet, so daß allmählich das erst Unklare sich aufhellt und zuletzt ein vollständiges neuentdecktes Bild sich herausstellt. So ist es mir namentlich in der Agdolloschen Geschichte gelungen, ganz neue Entdeckungen zu machen. Sobald werde ich aber nicht fertig werden und es mir daher lieb, daß die kurrenten Arbeiten nur sehr unbedeutend sind und bloß in Aufsuchung einzelner Aktenstücke und dergleichen besteht. Am Donnerstag war eine Fete bei Kyaws, ging a la Zwickau mit großem Puffer, zwischen jedem Gerichte eine Stunde, das Gemüse ½ Stunde nach dem Fleische pp. Mit einem Anlauf zur Großartigkeit, der aber doch den Mangel der Bedienung (obgleich Kerls genug da waren) und der ohne Leitung gleich wieder ins Stocken kam. Auch bei unserm Hausgenossen war neulich eine solche Fete mit Musik, wobei Kummer jeden zu seinem großen Kummer eine schöne Sonate von Beethoven bei 25 Grad Hitze abschwitzen mußte. Darauf sang ein Herr Eilers u. a. ein Lied, was sehr humoristisch die Worte enthält, wie kühl sind hier die Lüfte pp. und allerdings uns lebhaft daran so erinnerte, wie erfrischend Kühle gewesen sein würde. – Heute braucht man allerdings sich draußen nicht über Hitze zu beklagen, denn es ist wie gestern 18 Grad Kälte. Heute geht die Hoftrauer, die seit des Königs Tode dauert, an dem sich an die für ihn andere anschlossen, zu Ende und da geht die Nachricht ein, daß der Herzog von Genua gestorben ist, wirklich viel Unglück in der königlichen Familie. Auch Prinz Georg soll an einer Krankheit des Blutes leiden und Prinz Albert bekommt keine Kinder. Möglich, daß es bei ihm ist wie bei seinem Vater, der propter membrium manis magnum, wie man sagt, nicht ohne Nachkommenschaft erzielte, bis sich seine Frau einer Operation unterzogen.
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Februar 18 Vor einigen Tagen brachte mir der Bediente, als ich nach 6 Uhr zu Hause gekommen, eine Karte mit dem Namen Auguste Neuwerk und sagte, die Abgeberin wünsche mich zu sprechen. Der Name weckte alte Erinnerungen in mir von mehr denn 30 Jahren. Damals lebte ein Konsistorialrat Neuwerk hier, dessen Frau eine Tochter des berühmten Philosophen Plattner in Leipzig, eine geistreiche Frau war. Mit den Kindern waren wir viel zusammen und besuchten auch wohl ihren Weinberg in Loschwitz, wo unsere Freunde arkadisch barfuß liefen. Als ich im Jahre 1830 nach Dresden zurückkam, musizierte ich bisweilen mit der Witwe, verlor aber später die Familie ganz aus den Augen und hörte nur, daß der Älteste, Ernst, im Jahre 1830 oder 1831 sich bei den Unruhen dummer Weise beteiligt hatte und drei Tage auf dem Königstein – aber auch nicht länger – zugebracht hatte. Die Tochter hat sich zeither mit Unterricht im Singen ernährt und wohnt mit einem Bruder neben uns, ohne daß wir, wie dies in großen Städten so leicht ist, irgend von ihnen eine Notiz erhielten. Sie kam nun zu mir in der Hoffnung, daß im Archiv sich eine Stelle für ihren wahrscheinlich sehr verkommenen Bruder finde, nachdem er Jura studiert, dreimal angesetzt die Spezimina zu machen, aber angeblich wegen Krankheit den Aktenberg nicht hat ersteigen können. Er gehört wahrscheinlich zu den Leuten, die, wenn ihnen eine gebratene Taube ins Maul fliegt, zu faul sind, auch nur zuzuschnappen oder wohl gar noch raisonnieren, daß sie nicht schon tranchiert und nicht auch Zugemüse und eine Flasche Wein dabei ist. Ich konnte ihr nun keine Hoffnung machen, sagte ihr aber, sie möge ihn zu mir schicken, damit ich wenigstens mit ihm reden könne – er ist aber bis jetzt nicht gekommen. Wir hatten uns Billetts in die neue Oper von Meyerbeer „Der Nordstern“ genommen. Es ist aber kein großer Stern, wird aber mit großer Pracht gegeben, enthält einzelne hübsche Sachen und ein sonderbares Terzett von zwei Flöten und Gesang. Die Ney sang wundervoll, eine Stimme in einer Fülle, wie ich wenige gehört habe. Tüchtige Kälte. Schnee. Februar 28 Am Sonntag ging ich Abends in die Harmonie, wo zum Besten der Armen vom Liederkranz ein komisches Singspiel vom Kantor Otto, „Der verschmähte Pfannkuchen“ aufgeführt ward, worin die weiblichen Rollen von Männern, die durch die Fistel sangen, gegeben wurde. Das Ding war toll genug. Sophie konnte mich nicht begleiten, da sie ebenso wie Erhard, Oda und das ganze weibliche Personal an Erkältung laborierte. März 4 Am Donnerstag gingen wir in Seelmann’s Konzert und wir da auf Sophiens, von mir gar nicht geteilten Wunsch, zu Eisendecher in eine gräßlich lederne Gesellschaft, wie er deren jetzt alle Wochen zu geben beabsichtigt. Das Schlimmste war, daß ich da mit Graf Kuefstein, den österreichischen Gesandten, zusammentraf, der, nachdem ich Jahre lang außer Connex gewesen, jetzt auf einmal mich wieder kennt. Er hat es mir nämlich sehr übel genommen, daß ich im Jahre 1848 unter Minister Braun eine Stelle des Landtagsabschiedes, die sich gegen Österreich richtete, laut gelesen habe, während ich sie nach seiner Ansicht bloß hätte flüstern sollen.72 Jetzt scheint er das vergessen oder mir bessere österreichische Gedanken und Gesinnungen beizumessen, kurz er lud mich, als ich (ihn) neulich traf, zu seinen Montagssoireen ein, was ich mit gebührendem Danke aber der festen Absicht, nicht hinzugehen, empfing. Am Donnerstag aber, nachdem wir, um ihm an Höflichkeit nicht nach72
Landtagsabschied vom 17. November 1848. Siehe Mitteilungen über die Verhandlungen des außerordentlichen Landtages im Jahre 1848. Zweite Kammer. Zweiter Band, S. 19–24.
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zustehen, Karten bei ihm abgegeben, wiederholte er seine Auffoderung so angelegentlich, daß wir doch wirklich werden einmal hingehen müssen. Schauderhaft! Am Freitag hatten wir Könneritz zu uns geladen, wahrlich ganz allein, aber unerwartet kam der Prinz Woldemar von Holstein, der nun auch den Abend bei uns blieb. Gestern kam die Nachricht vom Tode des Kaisers von Rußland73, der nun alle politischen Kannegießer in Bewegung setzt, sogar die EIbe, deren Eis gestern fortging, ohne die gefürchtete große Wasserflut mitzubringen. Ich hatte schon eventuell, wenn das Wasser, wie 1845, ins Archiv käme, Militär requiriert. März 5 Früh und Nachmittag im Archiv, Brühls Briefe an Maria Antonia, die meist mit chemischer Tinte zwischen den Zeilen eines öffentlichen Schreibens geschrieben sind, buchstabiert, da fast alles verblasst ist. Es ist aber manches Interessante darin. Um 6 in den Altertumsverein, wo mit wahrhaft Krähwinkler Art das Jahresbudget belatscht ward. Die Sache ward mir dadurch spaßhaft, daß der Geheime Hofrat, Ministerialrat pp Schütz, Ritter vieler hoher Orden, der den Vortrag übernommen, sich regelmäßig versprach und z. B. dem Hausmann im Großen Garten eine Monatsration von 300 Talern gewähren wollte, die sich schließlich auf 3 Taler verdürrte, während der Amtshauptmann von Oppen wegen der Reinigung des Kreuzganges in Freiberg ins Budget mit 26 Taler 6 Groschen kommen sollte, obwohl die Verwaltungssumme nur – 26 Neugroschen 5 Pfennige betrug. Langenn wollte ihn dafür zum Ehrenmitglied machen, und ich erregte, als ich die obere Leitung des kehrenden Besens für kein geeignetes Moment erklärte, sehr seinen Unwillen, drang aber schließlich durch. April 17 Ich bin mit meiner Arbeit über Maria Antonia nun bis auf ein Kapitel zu Ende, zu dem ich noch von München Material erwarte, und kehre nun zu meinen gewöhnlichen mordledernen Arbeiten zurück. April 23 Heute Morgen eine interessante Expedition. Ich hatte bei meiner Arbeit über Maria Antonia auch noch eines der Bilder von ihrer kunstfertigen Hand gefunden und fragte beim Ministerium des Königlichen Hauses an, ob dergleichen noch vorhanden seien – Antwort: Nein! Als ich nun vor einigen Tagen im Kupferstichkabinett war, um mir Portraits von ihr anzusehen, erfuhr ich, daß Direktor Frenzel versichert, er habe ein Portrait von ihr im Zimmer des hochseligen Königs hängen sehen. Also wieder ins Ministerium des Königlichen Hauses, wo ich den neuen Geheimen Hofrat Bähr, der an Zenkers Stelle gekommen ist, deshalb anging. Heute erschien nun im Archiv der Hofsekretär Müller, um mir das Bild zu zeigen. Ich fand in den ganz wüsten, halb ausgeräumten Zimmern des Königs, wo ich so oft war, den Hofmarschall von Langenn, der eben die Ausräumung leitete, auch zwei Portraits der Maria Antonia, aber nicht das, was ich suchte, benutzte aber die Gelegenheit, um mir durch den dienstfertigen Hofsekretär das Schloß in seinen sonst nicht zugänglichen Räumen zu besehen, was dieser sehr gern tat, da er in der Teilnahme an Altertümern in mir seinen Genossen fand. Wir gingen zunächst in das Wohnzimmer des Königs Friedrich August des Gerechten, das zwar noch die alten Möbel enthält und in der Hauptsache unverändert ist (hinter dem kleinen Thronsaal und nach dem Stallhofe heraus, jetzt ist aber der Wintergarten angebaut, so daß es Doppelhauslicht bloß hat), aber zugleich als eine Art Rumpelkammer dient. Schade! Dann besahen wir eine 73
Nikolaus I. (1796–1855), Zar von Rußland seit 1826, starb am 2. März 1855 in Petersburg. Siehe W. B. Lincoln: Nikolaus I. von Rußland. Aus d. Englischen München 1981.
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Menge Bilder in der ersten und zweiten Etage, kostbare alte Möbel in dem ehemaligen Prachtzimmer der Auguste, das Zimmer, wo Napoleon gewohnt und schließlich erkletterten wir die Ecke links im Hofe, wo wir hinter zwei eisernen Türen im Giebel ins „Paradies“ gelangten: ein wunderliches Etablissement. Ein Saal direkt unterm Dache. In der Mitte quer durch ein hoher Balken, auf diesem stehen künstliche Bäume mit Zweigen, der Himmel stellt Wolken dar, die Wände sowohl, nicht das Dach, auf der Seite kahl ist, sind gemalt, Hunde etc. an den Wänden, man ahne das Zeitalter Johann Georgs 1., zu was muß das gedient haben? Hoch oben im Dach? Vielleicht ein Raum, um Adam und Eva zu spielen? Der Boden war mit Massen alter Bilder ohne Rahmen bedeckt, waren allmählich einzelne restauriert worden, vielleicht ist manches Gute darunter. Kurioses Zeug! – Ein paar Stunden verliefen wir so. Mai 3 Vor einiger Zeit ging ich auf die Bildergalerie, um zu sehen, ob sich dahin vielleicht ein Bild der Maria Antonia, mit der ich mich jetzt immer noch beschäftige, verlaufen hat. Es sind aber bloß zwei Portraits von Mengs von ihr da. Eines hängt schon im Neuen Museum und ich ging daher mit zwei der Herren von der Galerie, einem Restaurator Renner und einem anderen, dessen Namen ich vergessen, in das Neue Museum, wo die Pastellbilder Parterre aufgehängt sind. Wie ich ein vorsichtiger Mann bin, sah ich mich denn u. a. nach den Fensterläden um – keine Idee, nichts als eine Glasscheibe dient zum Schutz gegen Diebstahl und etwaigem Theaterbrand! Das war mir denn doch zu arg. Ich schrieb sogleich an Zeschau, der als Vorstand des Ministeriums des Königlichen Hauses doch für die Sicherheit des Hausfideikommisses zu sorgen hat, und sagte es Beust, der es natürlich einfach vergessen wird. Zeschau ließ mich tags darauf bitten, zu ihm zu kommen und ich bemerkte, daß ihm die Sache, die er schon vorher ins Auge gefasst zu haben behauptete, doch sehr beunruhigte. Es ist allerdings wie in Schilda und man sieht nicht recht, warum sie Schlösser an die Türen gemacht, wenn man einfach zum Fenster hereinsteigen kann. Die Läden. auch in der ersten Etage gegen Feuersgefahr, sind auch, wie mir Zeschau zeigte, in dem Anschlage mit berechnet, aber – einfach vergessen worden und jetzt hat deren Anbringung, da bei dem Bau nicht darauf Rücksicht genommen worden, große Schwierigkeiten und sie sollen 18 000 Taler kosten! Zeschau erzählte außerdem eine Menge Geschichten, welche beweisen, daß eine höchst liederliche Geschäftsführung bei den Königlichen Sammlungen stattgefunden hat, was er denn nun abstellte, ist natürlich. Er erzählte mir auch, daß vor mehreren Jahren, als der Herzog von Bordeaux einmal hier war, derselbe durch einen Herrn von Barande – wohl Barantes – um die dermalen verwittwete Herzogin von Genua anhalten lassen, und daß die Königin Marie ganz dafür eingenommen gewesen. Der König hat Zeschau deshalb zu Rate gezogen und dieser hat entschieden abgeraten, die abschlägige Antwort selbst aufgesetzt und durch Legationsrat von Carlowitz nach Prag an Barande gesendet. Durch Zeschau bin ich auch jetzt für das Archiv in den Besitz der Korrespondenzen des Prinz Xaver gekommen, die dieser mit nach Frankreich genommen hatte. Dort waren sie nach seinem Tode in Privatbesitz gelangt und vergessen worden, bis ein Pole sich aus langer Weile über die bestaubte Kiste machte und den Fund tat, den er dem jetzigen Oberkammerherrn von Könneritz, damals sächsischer Gesandter in Paris, anbot. Für 4 000 France, glaube ich, hat dieser die Briefschaften, meist Familienbriefe, aber auch manches Interessante, was der König Johann noch zurückbehalten hat, gekauft. Mai 20 Man hat jetzt den Staatsrat reaktiviert und u. a. den Oberberghauptmann Beust, Landesältesten Thielau, Hofrat Wächter aus Leipzig pp hineingenommen. Minister Könne-
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ritz wunderte sich, daß man mich nicht mit gewählt. Das verwundert mich nun gerade gar nicht, zurnal bei dem nicht sehr guten Geruch, in dem meine politischen Ansichten im Gesamtministerium stehen mögen, der ich mich sogar unterstanden, Herschels Quieszierung als illegal darzustellen. Ich wüßte auch eigentlich selbst nicht, was ich im Staatsrat anders machen könnte als mir das Maul zu verbrennen, und das ist’s ja was den Menschen zieret und dazu ward ihm der Verstand – daß er’s in seiner Schnauze spüret wenn er sich hat das Maul verbrannt! Aber der Gebrannte scheut eben das Feuer – drum rühre ich mich nicht und sitze, obwohl ich immer dümmer davon werde, jetzt über den Akten, über Standeserhöhungen und mache ein Verzeichnis über alle Grafen und Barone pp., was allerdings jeder Schuljunge machen könnte. Ledern ist es bisweilen, das ist richtig, und beim Wechsel der Arbeiten komme ich mir wie einer (vor), der, weil ihm das Lesen von Linsen langweilig wird, zur Zerstreuung und Abwechslung Kaffeebohnen liest. Juni 20 Seit gestern weiß ich es, wie es einem Grundbesitzer ist, für den Sonne wie Regen eine besondere Bedeutung haben. Kurios bin ich zu einer Herrschaft gekommen. Vor etwa 14 Tagen bis 3 Wochen machten wir mit Berlepschens Mädchen und Antons einen Spaziergang nach Loschwitz, auf Sperlings Berg. Beim Herabsteigen kamen wir an einem neu erbauten Hause vorbei, das schon vorm Jahre als zum Verkauf stehend bezeichnet ward. Sophie wünschte es anzusehen. Wir gingen daher zum Kaufmann, der die Schlüssel vom Besitzer, Architekt Heinke, wie wir hörten, in Händen hatte und stiegen dann wieder den Berg hinauf. Wir fanden ein kleines, sehr nettes Häuschen, mit einem kleinen Garten, dito Weinberg. Zugleich aber eröffnete der führende Mann uns, dass noch die Hälfte des Grundstücks zurückbehalten werden solle, um noch ein ähnliches Palais zu erbauen. Der Preis für’s Ganze ward auf 2 500 Taler angegeben, ohne die Parzelle auf 2 000 Taler. Es war ganz hübsch, allein es fehlte gänzlich an Schatten und Wasser! Nichtsdestoweniger hatte Sophie große Lust und um nur der Grundstücksacquisitionskämpfe, die schon oft zwischen uns geherrscht, ein Ende zu machen, sagte ich, daß, wenn sie das Grundstück für 2 000 Taler kaufen wolle, ich diese ihr geben werde. Indessen schienen doch die obgedachten Mängel ihr einzuleuchten. Wir nannten weder unsern Namen noch Wohnung und die Sache ruhte zwischen Sophie und mir, zumal sie noch von einem andern größeren Grundsück hörte, nach weIchem sie sich erkundigen ließ. Auf einmal kam ein Mann, Agent Häßler, zu Sophie, der Gott weiß wie unsere Identität konstatiert hatte und bot sich zu Verhandlungen an. Sophie bemerkte bloß, daß der Preis zu hoch sei. Der Mann kam einige Mal wieder, und Sophie hatte die Summe von 1 800 Taler als Preis für das Ganze hingeworfen. Mir war dies schon nicht sehr angenehm, weil ich fürchtete, der Verkäufer werde darauf eingehen und meine Besorgnis war nur zu begründet, denn gestern morgen kamen die beiden Leute und nachdem ich kategorisch erklärte, ich gäbe nicht mehr, hatte ich das Grundsück und Heinke verpflichtete sich sogar noch, Läden anmachen zu lassen. Heute soll das Territorium besehen werden. Juni 26 Heute Mittag sollen wir bei Antons essen und um 4 Uhr der Kauf im Landgericht geregelt werden, so daß ich dann heute Abends als Loschwitzer Häusler zu Bette gehen werde. Das Grundsück kostet 1 800 Taler, aber 100 Taler kann ich gewiß rech-
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nen, noch gleich hineinwenden zu müssen, um es bewohnbar zu machen – auf wie lange für uns? Juli 10 Sophie schwärmte schon seit Jahren für Erkaufung eines Landsitzes. Ich weniger, da ich, obwohl mich auch gern der schönen Natur erfreuend, doch die Kosten scheuen mußte. Vor mehreren Wochen gingen wir einmal auf Sperlings Weinberg und sahen zurückkehrend ein kleines neues Häuschen an dem Wege, von dem Sophie gehört hatte, es sei zu verkaufen. Sie wünschte es zu besehen und wir holten daher den Schlüssel, den ein Kaufmann im Dorfe hatte. Es war alles nett, aber der Preis 2 500 Taler, der für Haus und einen daneben liegenden Sandhaufen nebst etwas Weinberg gefordert ward, der Mangel des Wassers pp. schreckten selbst Sophie ab und wir gingen fort, ohne unsere Namen zu nennen. Nichtsdestoweniger erschien nach einiger Zeit ein Agent, den der Eigentümer Architekt Heinke beauftragt hatte mit Offerten und ich erschrak allerdings, als er sich durch das Gebot von 1 800 Talern nicht abschrecken ließ und eines Morgens mit dem Eigentümer bei mir erschien – kurz, wer A sagt muß B sagen – ich mußte das Ding kaufen, ohne es eigentlich ordentlich gesehen zu haben. Am Mittwoch vor acht Tagen (27. Juni) bezogen wir es, nachdem am 26. der Handel vor Gericht abgemacht war. Kleine Räumlichkeiten, doch für bescheidene Gemüter genügend, wundervolle Aussicht! Bis jetzt bei gutem Wetter bin ich trotzdem, daß ich alle Tage herein muß und zumalen erst Abends um 6 ¼ mit dem Dampfschiff wieder heraus kann, ganz zufrieden. Die Ruhe des Landaufenthalts, die schöne Luft wird meiner Frau und Kindern wohl tun und ich muß die kleinen Beschwerden mit in den Kauf nehmen. Beust und Zschinsky wohnen auch in Loschwitz, aber auf der andern Seite des Tales, während mein Palais gerade hinter der Kirche auf halber Bergeshöhe liegt. Da das Haus bloß auf Spekulation gebaut ist, so fehlt es an allem Nötigen und ich habe schon gegen 100 Taler auf allerhand Herstellungen verwenden müssen. Überhaupt wird es sich sehr fragen, ob die Finanzen die Beibehaltung gestatten werden. Gleich an einem der ersten Abende hatten wir einen furchtbaren wolkenbruchartigen Regenguß, der aber bei mir keinen Schaden getan hat, während eine Menge Weinberge sehr gelitten haben. Antons haben uns schon einmal besucht, einmal zu Mittag, obwohl der Kochofen nur ein Gericht aufnehmen kann. Ich stehe sehr zeitig auf, wandere bis gegen 8 Uhr im Garten oder wenigstens Freien – denn vom Garten ist nicht viel zu sehen – herum, gegen 8 ½ kommt das Dampfschiff, so daß ich bis gegen 9 Uhr in Dresden bin. Dann esse ich entweder sehr einfach in der Stadt oder fahre um 2 Uhr wieder heraus und bringe den Nachmittag und Abend herumstreifend, lesend, rauchend zu. Zum Arbeiten draußen komme ich nicht viel. Herrlich waren die Sonntage Morgen, wenn die tiefe Ruhe nur durch den Gesang der Vögel und die Töne der schönen Silbermann’schen Orgel unterbrochen ward. Beust war unwohl und ich besuchte ihn daher auf Bitten seiner Frau einige Male. Auch bei Zschinsky waren wir und bei einem Ökonomierat Geier, einem gebildeten Mann. Sonst haben wir keine Bekanntschaften gemacht. Die Gebrüder Beust sind jetzt etwas desgustiert. Der Oberberghauptmann hat seit Jahren für die Eisenbahn nach Freiberg, man kann wohl sagen gewühlt. Er hat es denn auch durch den Minister durchgesetzt, daß jetzt eine Vorlage an die Kammern gebracht worden ist, ganz gegen den Willen des Finanzministers, der aber zu schwach gewesen, sich zu opponieren. Nun ward Beust auch zum Regierungskommissar bestellt und hat in der Zweiten Kammer vor einigen Tagen maiden speach gehalten. Der Minister sagt, er schwafele sehr gut, Ehren-
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stein und Römer sagen, er habe sehr unpraktisch gesprochen, durch Übertreibungen geschadet, kurz die Majorität ist gegen 7 Stimmern sehr ungünstig für das Projekt ausgefallen, daß von Behr fürchtet, daß der Oberberghauptmann auf das Finanzministerium spekuliert, ist wohl möglich, aber günstig scheinen die Chancen nicht für ihn zu stehen. Die Geschichte hat aber die Spaltung im Innern des Ministeriums recht grell hervortreten lassen. Der eine zieht dahin, der andere dorthin und es fehlt alle Einigkeit der Verwaltung.74 Juli 14 Beust sagte mir, daß Marschner aus dem Gesamtministerium abgeht. Ich dachte, es wäre ein Posten für Anton. Allein er hat keine Lust und tut wohl auch am Besten, er bleibt in der Justiz, wozu er paßt und wo ihm eine gute Karriere gar nicht fehlen kann. Juli 22 Ein gründlicher Regen strömt am heutigen Sonntag herab, ohne Aufhören. Ich arbeite an einer Unheilgeschichte, die Ermodung der Frau von Cotalto, wobei mir der Regen ganz zu statten kommt. Ich habe eine Menge solcher Schauer – und geheimnisvoller Geschichten gesammelt, die ich vielleicht später einmal herausgebe – oder wahrscheinlich nicht, weil man sie immer etwas aufschiebt und schließlich unterläßt.75 Eigentümliche Aufträge und Verhandlungen, bei denen meine Freundschaft stark auf die Probe gestellt ward (da mir nichts peinlicher ist, als mich in fremde Angelegenheiten zu mischen) hatte ich in dieser Zeit mit B(eust) und seiner Frau. Glücklicher Weise ist alles, was Leichtsinn verschuldet, noch besser abgegangen, als ich besorgen mußte. Gott, wie eilen aber die Menschen anders im Leben! Welche traurige Blicke muß man in manche Ehen werfen. Die ganze Geschichte wurde der Vergangenheit übergeben! Juli 23 Früh wie gewöhnlich um 6 aufgestanden. Der Morgen war herrlich und ward im Freien zugebracht und beschlossen, zu Fuß hereinzugehen, was um 7 ½ in Ausführung gebracht ward. Aber kaum war ich über die EIbe, so zogen sich schon Wolken zusammen und ich konnte von Glück sagen, daß ich trocken herein kam. Eine rechte Freude hatte ich im Archiv. Mein alter Freund Karl Hülsemann aus Arnstadt besuchte mich. Er ist jetzt Justizrat in seiner Vaterstadt, hat das elterliche Haus, wo ich, im Jahre 1826 war es wohl, so vergnügt bei ihm war, und scheint ganz zufrieden zu sein. Ich kann nur nichts für ihn tun, da er bloß morgen noch hier bleibt und es ablehnte, bei uns morgen zu essen. Heute bleibe ich zu Mittag in der Stadt, lasse mir einige Bissen Essen gleich ins Archiv kommen und schlafe dann mein Gesetzchen auf dem allerdings etwas harten Sofa meiner Arbeitsstube. Abends geht es dann mit dem Dampfschiff zurück auf mein stilles Schloss. August 3 Ich hatte allerhand Verhandlungen mit dem Ministerium des Königlichen Hauses und dem Geheimen Hofrat Bähr wegen Seelmann und Schlick, die beide voller Schulden stecken und Vorschüsse wünschen, um aus den Händen der Wucherer zu kommen. 74
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Seit den vierziger Jahren gab es Bemühungen um den Bau einer Eisenbahnstrecke von Dresden über Freiberg nach Chemnitz. Dann begann mit dem Bau der Privatbahn (Albertbahn) von Dresden nach Tharandt die Verwirklichung des Projektes. Ab 1858 erfolgte der Bahnbau von Tharandt nach Freiberg. Am 11. August 1862 wurde die Eisenbahnstrecke Freiberg–Tharandt feierlich eröffnet. Siehe Geschichte der Bergstadt Freiberg. Weimar 1986, S. 215–217. – Karlsch, Schäfer, Wirtschaftsgeschichte, S. 40–41. Weber veröffentlichte dazu: Aus vier Jahrhunderten, Mitteilungen aus dem Hauptstaatsarchiv zu Dresden. Zwei Bände. Leipzig 1858..
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Es scheint auch, als ob man ihnen helfen will. Ferdinand ist von Helgoland zurück. Von Ernst habe ich noch nichts gehört. Ich fuhr um 2, da es sehr heiß war, mit dem Dampfschiff heraus. Kaum war ich angekommen, so brauste ein Gewitter heran, dessen Blitze gerade vor unseren Augen in Zschachwitz (wahrscheinlich war es) einschlug, so daß in einer halben Minute die Flamme aus einer Scheune emporschlug. Das Feuer griff aber nicht weiter um sich. August 10 Ernst hat noch schweres Ungemach in Silistrien auf der Rückreise betroffen. Er ist dort als russischer Spion ins Gefängnis geworfen und von da nach Konstantinopel zurückgebracht und nur durch die große Energie des österreichischen Konsuls in Verona und eines österreichischen Schiffskapitäns aus den Klauen der Türken gerettet worden. Ich teilte den Brief Ernst’s an Isidore, Beust und auf seinen Wunsch dem Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten mit, damit die beiden Leute die verdiente Anerkennung erhalten. September 15 Unsere Sommerresidenz mit ihren kleinen und sehr luftigen Räumen fängt bei der rauhen Witterung, die wir zeither hatten, an, mir etwas beschwerlich zu werden. Es ist gerade, als ob wir in einem Vogelbauer wohnten. Indessen Sophie gefällt es trotz der langen finstern Abende, die jetzt uns schon zeitig ans Zimmer bannen und ich suche diese mit Lesen oder Bearbeiten von Archivgeschichten hinzubringen. Gestern waren Ehrensteins Abends bei uns, die sich auch ein Grundsück gekauft, das sie mit einem Palais bebauen wollen, das etwas teurer werden wird als mein Schloss. September 21 Ernst ist nun in Wien. Er hat durch Vermittlung des österreichisehen Gesandten eine Abbitte seiten des Türkischen Kriegsministers und 3 000 Piaster Entschädigung erhalten. Beust ist aus Gotha zurück und wird nun dem österreichischen Konsul in Verona und dem Schiffskapitän, die sich Ernst’s so lebhaft angenommen haben, den Orden übermachen, da die über dieselben eingezogenen Erkundigungen ihnen sehr günstig waren. September 24 Ganz wundervoll neulich Herbsttage mit den höflichsten Menschen gestern, wo das 300jährige Jubiläum des Augsburger Religionsfriedens in Dresden mit allerhand Solennitäten gefeiert worden ist. Loschwitz wollte auch nicht zurückstehen, Einzug in die Kirche, sogar eine Art Illumination, Platzen mit Böllern den ganzen Tag. Oktober 14 Der Spätherbst brachte uns lange Abende, 8 Tage heftigen Ostwind, der die Existenz im Freien und dem kleinen Häuschen in Loschwitz nicht sehr angenehm machte, aber zuletzt noch schöne Tage, mit deren letzten wir am Dienstag hereingezogen. Herzlich froh, wieder hier in einem Quartier, das bewohnbar ist, zu sein. Oktober 16 Sophie ist heute mit Tagesgrauen nach Loschwitz, wo ein Bau in Angriff genommen wird. Eine Wand wird Parterre herausgenommen, um ein größeres Zimmer zu gewinnen und ein Nebenhäuschen erbaut. Auch eine Wasserleitung wird in Gemeinschaft mit mehreren Nachbarn angelegt und das Alles kostet in Verbindung mit der Anschaffung von Läden viel Geld, gegen 400 Taler, und ich weiß nicht recht, wo ich das Geld herbekommen soll. Agreements, die nicht sehr angenehm sind. Die verdammten ex cetera bei solchen Gelegenheiten sind es, die den Beutel ruinieren. Es ist wie mit der Kieselsteinsuppe. Ich habe nun meine Lebensbeschreibung der Kurfürstin Maria Antonia für Baiern vollendet, d. h. fertig war sie schon seit 3 Monaten, aber das Mundieren kostete mehr Zeit wie das Ausarbeiten.76 Nun hoffe ich, daß der König von Baiern sich honett aufführen und eine 76
Karl von Weber: Maria Antonia Walpurgis. Als Manukript gedruckt. Leipzig 1857.
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hübsche Dose oder dergleichen spenden wird, nur keinen Orden, wogegen ich bei Beust protestiert habe. Es ist schon genug an einem solchen Läppchen, das ich doch bei feierlichen Gelegenheiten um den Hals baumeln lassen muß. Zwei Stück sind mir zu viel. Oktober 21 Gestern fuhren wir mit Anton (Phina ist wegen ihrer bevorstehenden Niederkunft nicht mehr mobil) um 2 auf der Eisenbahn nach Tharandt. Wie 40 Jahre Menschen und Orte verändern! Das Haus, was wir bewohnt, ist verschwunden nebst dem daneben gelegenen Cotta’schen. Ein großes Palais, das Akademiegebäude, nimmt den Platz ein. Tharandt ist fast noch einmal so groß geworden! Wir machten, da das Wetter sehr schön war, einen großen Spaziergang durch den Forstgarten nach den 80 Eichen, wo der alte Cotta ruht, die heiligen Hallen, die schon vor 40 Jahren überständig sein sollten, aber immer noch in alter Pracht stehen. Der Zug ging erst um 7 ½ zurück und wir mußten daher, da es dunkel ward, noch beinahe zwei Stunden im Gasthaus zubringen. Ernst ist gestern abgereist. Beust geht heute nach Paris und ich bin jetzt sehr froh, daß ich zu Hause bleiben kann. Sonst nil novi. Mittwoch hatte ich das erste Quartett. Schlick ist sehr glücklich. Ich hatte ihn veranlaßt, seine Schicksale und den Gang, den es genommen hat bei seiner Erfindung, Geigen zu bauen, aufzusetzen, gab das sehr naturwüchsige Produkt Minister Zeschau, um es dem König mitzuteilen und ihn vielleicht zu bewegen, Schlick aus seinen Schulden zu reißen. Das ist denn auch sehr gelungen. Der König hat ihm 700 Taler geschenkt, 300 Taler Vorschuß gegeben und 300 Taler bekommt er vom Ministerium des Innern zu einer Kunstreise. Der König hat bei der Genehmigung ad marginam geschrieben: „Wenn es nur Schlick glücklich macht“. Dann auf das Museum, wohin ich immer mit erneuertem Vergnügen gehe. Das ist doch einmal ein Bau, der Sachsen Ehre macht. Aber Fensterläden sind immer noch nicht dran!77 November 22 Erbstein hat sich nun wieder als genesen gemeldet, etwas gefährlich bleibt er aber immer. Wenn er einmal wieder einen Rappel bekommen sollte, könnte er eine gute Konfusion anrichten. Mir scheint aber auch mein anderer Archivar, Sekretär Schladitz, wenigstens halbnärrisch zu sein, ein Mann, der post varios confus und nachdem er früher allerdings ungerechter Weise zurückgesetzt worden, verbittert, wohl auch sich vielleicht überschätzend, oder unbeachtet ist. Neulich, als ich bemerkte, daß er einige Tage auffallend still und wie verstört aussah, fragte ich ihn und erhielt die allerdings nicht sehr beruhigende Auskunft, er sei einige Tage gemütskrank gewesen. November 27 Beust, der 14 Tage oder 3 Wochen in Paris war, sehe ich jetzt gar nicht, da er nicht zu mir kommt, während ihn in Loschwitz der Zank mit seiner Frau wöchentlich einige Mal zu uns trieb. Pfordten, den Beust’s Reise in große Unruhe versetzt, ist gleich nach ihm auch eingetroffen, ohne viel Glück zu machen. Man hat ihn nur le marchant des beaufs 77
Gemeint ist die Gemäldegalerie. 1837 hatte Gottfried Semper den Auftrag erhalten, Vorschläge für ein neues Gebäude für die königliche Gemäldesammlung, die im ehemaligen Stallgebäude (Johanneum) untergebracht war, zu unterbreiten. Als Standort für das neue Gebäude wurde schließlich 1846 die noch offene Zwingerseite zur Elbe hin ausgewählt. Am 23. Juli 1847 erfolgte die Grundsteinlegung. Als Semper am 9. Mai 1849 als aktiver Teilnehmer am Maiaufstand aus Dresden floh, war das Gebäude bis zum Erdgeschoß gediehen. Sempers Mitarbeiter Bernhard Krüger führte dann den Museumsbau zu Ende. Am 25. September 1855 wurde die Galerie eröffnet. Siehe Gottfried Semper 1803–1879. Baumeister zwischen Revolution und Historismus. München 1980, S. 120–128. – Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 724–726.
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genannt. Beust ist sehr in Paris honoriert worden. Der Kaiser hat ihm u. a. gesagt: Vous qui generaly I’Allemagne. Sie haben sich gegenseitig höllisch verfehlt, wie Beust selbst sagte. Mich erinnerte jene Äußerung daran, daß Kaiser Nikolaus vor einigen Jahren ihm sagte, Je Vous etime beaucoup, und unseren jetzigen König, der ihn besuchen wollte, fortschickte, um sich mit Beust zu unterhalten. Vielleicht kommt ihm nun nach Paris, wo er mit allen den Paiherus der Weltgeschichte verhandelt, hier Sachsen sehr erbärmlich vor und das muß dann eben das Land entgelten, indem er sich um nichts bekümmert. Vom Gesamtministerium ward ich aufgefordert, den Bestand des Erlöses aus verkaufter Makulatur einzusenden. Ich habe wohl schon an 1 000 Taler eingeliefert. Diese Summe ist aber beinahe ganz (800 Taler) beim letzten Landtag konfisziert worden, durch ein Fest, welches die Minister den Kammern auf dem Löbauer Berg gaben und welches durch schlechtes Wetter total mißlang! und nur dadurch etwas Eigentümliches erhielt, daß der Geheime Finanzrat von Polenz sich total besoffen, mehrfach bespie und von einem Gendarmen und einem Kanzleiboten den Berg herab geschoben werden mußte. Erbstein ist nun vom Sonnenstein entlassen als geheilt und will sein Amt wieder antreten. Das Archivpersonal ist darüber sehr unglücklich, weil der Mann sehr wenig beliebt ist. Er ist aber ein tüchtiger Archivar und daher mir seine Wiedergenesung ganz lieb. Wenn ich nur im Archiv eine etwas interessantere Arbeit hätte. Repertorien zu alten Akten zu machen, was jeder Kanzlist ebenso gut machen kann, ist auf die Dauer zu furchtbar, ledern, und dergleichen beschäftigt mich jetzt fast ausschließlich. Dezember 14 Allerhand häusliche Not. Oda und Erhard, auch Sophie unwohl, doch jetzt Gottlob wieder wohl. Vorgestern Geburtstag des Königs, ein Staatsdienerdiner im Hotel de Saxe, mit gegessen. Abends großer Rout bei Beust. Letzterer schickte mir den Abend vorher um 9 Uhr noch einen Portechaisenträger mit einem Billett, das die Bitte enthielt, ich möchte ihn doch den andern Morgen um 9 Uhr besuchen. Ich denke wunder was los ist – er wollte mich bloß fragen, ob er dem Sohne des Dr. Rosenberg, der hier sich als Baron posiert, eine Einladungskarte zum Rout schicken sollte und diese Wichtigkeit sollte noch geheim gehalten werden. Nachdem die Frage allseitig beraten und er beschlossen, ihm eine Karte zu schicken – hat er ihm schließlich doch keine geschickt. Marschner traf ich bei dem Diner. Wir kamen auf seinen Austritt aus dem Gesamtministerium zu sprechen. Er war eben nicht sehr freundlich gegen das hohe Ministerium gestimmt und besonders indigniert, daß man gegen seine Protokolle monita gezogen und es protokollieren sollen, wenn solche „Kerle“ – identisch mit Räten aus dem Ministerium – vorgetragen hätten. Mir scheint, daß es den Ministern gerade recht ist, daß sie keinen eigentlichen Rat haben, der die Courage einer Meinung hat, so ein Sekretarius wie Roßberg hat weder die Befahigung noch den Mut beizusprechen, etwas dem Ministerium auf den Leib zu rücken und das ist offenbar bequemer als ein tüchtiger Mann, der einen vorgekommenen Pudel zu entdecken weiß. Ob aber der König das schließlich nicht merken sollte. Ich bin sehr froh, daß man nicht auf den Gedanken gekommen, ich könnte wieder eintreten wie früher. Daß Beust das höchst lästig sein würde, bin ich überzeugt und hege da keine Besorgnis, zumal der König mich seit Jahren gänzlich ignoriert, wahrscheinlich gegen mich eingenommen wurde, obwohl er früher, wie ich weiß, auf mein Verbleiben im Gesamtministerium Wert legte. Dezember 25 Eine unverhoffte Freude machte mir vor etwa acht Tagen Seebach’s Ankunft. Er blieb einige Tage hier und war viel bei mir. Wir tauschten unsere Ideen über
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mancherlei deutsche und Koburg-Gothaer Angelegenheiten, wie wir über die meisten Fragen ganz einverstanden sind. So konnten freilich nicht alle Blicke in die Zukunft erfreulich sein. Es ist wirklich, als ob die Jahre 1848/49 für die Regierungen spurlos vergangen. Man steuert glücklich wieder in dem alten Fahrwasser – holt bessres! Seebach erzählte nur uns, daß die Sundzollfrage, die Dänemark jetzt so sehr inkommodiert, von dem Regierungspräsidenten Franke in Koburg Dänemark eingebrockt worden ist. Er, mit dem Seeverhältnis von seiner früheren Stellung in dänischem Dienste genau vertraut, hat dem amerikanischen Konsul die Notizen mitgeteilt, mehrere Broschüren deshalb geschrieben, kurz seinen Dänen fast volle Genüge geleistet. Wir gaben Seebach ein Diner im Hotel de Saxe, Berlepsch, Ackermann und Kyaw, wobei mir das Couvert über 6 Taler zu stehen kam. Beust höre und sehe ich jetzt nicht, er treibt höhere Politik wieder einmal, doch sagt mir Seebach, daß man dies Seiten anderer Staaten eben nicht mit günstigen Augen betrachtet und ihn der Selbstüberhebung und Überschätzung beschuldigt, während ihm doch nur das Feld fehlt, wohin er gehört und er es sich daher aussucht, wo er es findet – das meinte Seebach auch. Dezember 29 Heute, als ich um 11 im Archiv war, kam ein sehr schmutziger Hofbedienter in einer mir gänzlich unbekannten blauen Livree und kündigte an, der König wolle um 2 Uhr ins Archiv kommen. Es war nun, als ob eine Hummel in einen Bienenkorb gekommen. Die Boten kehrten, putzten, bürsteten, daß die Stücken flogen, ein Haufen Rechnungen, der auf den Boden sollte, den ich aber seit vier Wochen trotz wiederholtem Anordnen nicht hatte hinauf bringen können, flog wie von selbst hinauf. Ich kleidete mich schön an, suchte einige Urkunden und Schriften, von denen ich glaubte, sie würden ihn interessieren. Um 2 Uhr pünktlich kam er mit seinem Adjutanten Falkenstein. Ich legte ihm die neuen Registranden, die ich gefertigt, vor, sagte ihm, ich müsse mich nur selbst loben, da es doch sonst niemand tue und belehrte ihn über die Einrichtungen, nach denen er sich erkundigte. Er war sehr freundlich, ließ sich sämtliche Beamte vorstellen und schließlich fragte er nach Briefen von Napoleon. Die waren schnell gefunden und er las Einiges. Ich benutzte die Gelegenheit, um ihm insbesondere Schladitz zu rühmen als einen gelehrten Mann, worauf er erwiderte, so, das habe ich nicht geglaubt, er sieht so bescheiden aus. Vielleicht hält er mich nun für gelehrt, weil ich aber nicht bescheiden und demütig bin. Als er fortging, drehte er im Vorhaus sich nochmals nach der Eingangstür im Arbeitszimmer und nahm von dem Personal besonderen Abschied – gewiß doch viel freundliche Höflichkeit von einem König. Wie mir Schladitz sagte, hat es meinen Beamten ungeheuer imponiert, daß ich mit dem König gesprochen wie mit einem andern Christenmenschen und sogar Witze gemacht. Erbstein wand sich allerdings wie ein Aal, wie ihn der König ansprach, eine Befähigung, die mir abgeht.
1856 Januar 1 Das alte Jahr schloß mit unangenehmem Glatteis, das uns, als ich gestern mit Sophie Mittags zum Oberhofmarschall ging, um ihn – wohl zum letzten Male – zu begrüßen, bald zu Falle gebracht hätte. Wir wollten Nachmittags ins Tedeum gehen, kamen aber zu spät. Eigentlich wäre ich ganz gern mit den Meinigen allein geblieben, allein Sophie hatte Antons gefragt, was sie machen würden und sie hatten sehr unzweideutig erklärt, sie würden zu uns kommen. Er kam, noch dazu in höchst brummiger Laune, zu der ich eher Ursache gehabt,
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da der Jahresabschluß der Rechnungen ein bedeutendes Defizit ergab – woran der Weinberg schuld ist. Gustav spielte mit Anton die große Sonate von Beethoven, allerdings mit einigen Kunstpausen, aber auch mit sehr schönem Ton. Nachher ward Punsch getrunken, während ich eine Flasche weißen Wein vorzog. So kam das neue Jahr heran, mein 50stes! Zwei Drittel wenigstens der Lebensbahn sind hinter mir, inklusive jedenfalls der besten Zeit. Januar 2 Minister Könneritz und Geheimer Rat von Langenn hatten mir vor einiger Zeit erzählt, daß die Zivilgesetzgebungskommission, nochmals mit mehreren Mitgliedern vermehrt, wieder zusammentreten solle, um das Gesetzbuch nochmals zu überarbeiten. In der Überzeugung, dass eine so vielköpfige Kommission, bei der einer sich auf den andern verläßt und keiner Zeit hat, die Sache gründlich zu prüfen, zu keinem Resultate führen werde, sprach ich mit Langenn, daß irgend jemand zum Referenten ernannt und ihm die Vorbereitung übertragen werde. Ich nannte ihm dabei Siebenhaar oder Anton. Er meinte, er würde Wächter vorschlagen, der aber nicht durchzubringen sein würde. Heute, nachdem ich mich schon wieder mit Vorbereitungsstudien beschäftigte, kam Held und teilte mir mit, dass nicht die frühere Kommission zusammentreten werde, sondern eine ganz neue, bei der ich nicht bin. Mir auch recht, ich bin zu sehr aus dem Studium heraus, um was nützen zu können. Januar 13 Am Dienstag aßen Beust’s bei uns zu Mittag und wir hatten Oberappellationsrat Könneritz dazu gebeten. Er war höchst glücklich über diese Ehre, zumal die Ministerin gerade ihren guten Tag hatte. Nach dem Essen rauchte ich mit Beust eine Zigarre und wir kamen ins Gespräch, wobei ich ihm vorhielt, dass er eben Bambus nicht Stahl sei, was er – so wenig kennt er sich – direkt ableugnete, indem er seine Konsequenz, die er in politischen Fragen bewiesen habe, geltend machte und anführte, dass er im Auslande eben dafür gelte, dass er eine einmal gefasste Idee nicht aufgebe. Das ist es auch gar nicht, was ich behaupte, dass er wankelmütig sei, sondern vielmehr zähe ist er, aber er hat nicht die Energie, das für richtig erkannte mit der nötigen Kraft durchzuführen, sondern er biegt sich drum herum, wo ich mit dem Kopfe hineingehen würde. Donnerstag Abend waren Minister Falkenstein bei uns und Pflugk, heute kommen Watzdorfs und die Nostitz mit ihren Töchtern, die, wie sie Sophie gestern geklagt hat, sehr unglücklich ist, daß die baute volete sie so vernachlässigt. Die Ministerin Falkenstein hat vergessen, ihren Besuch zu erwidern, Beust sie zum Balle einzuladen: großes Malheur! Ich war höchst zufrieden, wie gestern Abend zahllose Wagen zum preußischen Gesandten bei uns vorbeifuhren und ich nicht mit dahin brauchte, obwohl wir sonst ebenfalls eingeladen wurden. Januar 20 Also Frieden: am Donnerstag brachte ihn eine telegraphische Depesche.78 Ich war Mittags bei Beust eingeladen, der einige Spitzen spitziger befunden, sowie einige stumpfe Enden derselben eingeladen hatte und meine Versicherung, dass er wesentlich zu dem glücklichen Ausgang beigetragen durch die Zusage erwidert, er wolle mir sein letztes Expose an Graf Nesselrode mitteilen. Seine Frau, ob naiv oder aufrichtig, meinte, er habe doch zum Frieden nichts beigetragen. Obwohl er nun die Staatsaffairen vorher wohl nicht mit ihr beraten haben wird, ist so eine Unterbrechung doch immer fatal. 78
Unter Leitung des französischen Kaisers Napoleon III. wurden in Paris die Friedensverhandlungen ab Februar 1856 geführt. Am 30. März 1856 schlossen England, Frankreich, Österreich und Rußland den Friedensvertrag zur Beendigung des Krimkrieges ab.
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Beim Oberhofmarschall war ich vorige Woche zum ersten Male wieder zur Partie. Er hat sich merkwürdiger Weise ganz erholt, was mich für den alten Herrn, der so gern noch lebt, recht freut. Heute haben wir ein Diner beim Dr. Halle, einem reichen Hamburger orientalischen Ursprungs,79 der aber ein sehr unterrichteter und angenehmer Mann ist. Seine Frau, eine Tochter des reichen Bankier Reine, ist auch recht angenehm und sie bieten einen interessanten Umgang, der gegen das lederne vornehmtuige Wesen der Dresdner beau munde erfreulich absticht. Bei dem Diner, welches sehr gut war, waren die Grafen Baudissin, der Literat mit Frau und der holsteinische General, Jordan mit der Benkendorf, Leibarzt Ammon und Frau. Beide letztere vertilgten ungeheuer. Es schlägt aber auch an bei ihnen, sie möchten so viel Tran geben wie ein Walfisch. Januar 24 Beust teilte mir gestern ein Memoire mit, welches er über die Friedensangelegenheit nach seiner Rückkehr aus Paris im Herbst vorigen Jahres dem Grafen Nesselrode zugesendet. Es ist im höchsten Grade interessant, insbesondere über Louis Napoleon, den er im Wesentlichen als einen Mann schildert, der keinen bestimmten Plan hat, aber die Umstände sehr geschickt zu benutzen weiß und ihnen sich accomodiert. Eine spaßhafte Geschichte war dabei vorgekommen. Beust diktiert und es kommen darin die Worte vor „Le Comte Walnocki: m’a toujours fait l’effet d’un parfait gentil hornme“. Der biedere Kanzleirat Zschille – ein scribau aus dem Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten – er müde und der französischen Sprache auch nicht sehr mächtig, schreibt statt gentil homme – champignon! Gestern war Hofball, zu dem ich zitiert war, eine ungeheuere Joule, viele Bekannte auch aus der Provinz. Februar 3 Schon war der Eisgang vorüber, fast Frühling, da kommt auf einmal das dicke Ende, Kälte und Schneesturm nach. Ich habe vor einigen Tagen ein Gesuch ans Gesamtministerium gerichtet, mir die Herausgabe von Geschichten aus den Akten des Hauptstaatsarchivs zu gestatten. Bei manchen wird Beust sich wahrscheinlich Skrupel machen, obgleich ich absichtlich vermeide, etwas aufzunehmen, was bloß Skandal – dem ich angesagter Feind bin – machen könnte, aber freilich in der Geschichte ist nun einmal nicht alles vortrefflich. Ich lege auf meine ganze Sammlung keinen großen Wert und bilde mir am wenigsten ein, damit Ruhm zu ernten. Aber der Weinberg hat mir zuviel gekostet, jetzt soll Sophie noch eine Garnitur Zähne sich machen lassen und da würden einige 100 Taler Honorar recht willkommen sein. Das ist der Grund, der mich an das Tintenfass und unter die Schriftsteller treibt. Februar 13 Gestern war ich mit Sophie bei dem Zahnarzt Wunder, der ihr ein ganzes Gebiss fiir den Oberkiefer machen soll. Er zog ihr noch fünf Wurzeln mit, was natürlich ziemlich schmerzhaft war, doch ging es ohne nachteiligere Folgen ab. Abends waren wir zum Appellationsrat von Könneritz gebeten, bei dem mehrere von Könneritze, Antons, der Oberstleutnant von Süßmilch mit seiner sehr liebenswürdigen Frau und eine Schwägerin Könneritzens mit ihrem Mann aus Bremen Rabemeier war. Nach Loschwitz haben wir immer noch nicht gekonnt, da das Wasser so gewachsen ist, dass die Dampfschiffe, die ihre Fahrten schon beginnen wollten, sie noch einstellen mußten. 79
Halle, Dr. Christian Hermann Adolph (1798–1866), 1831 Präses des Hamburger Handelsgerichtes. Siehe ADB Band 10, S. 418–419.
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Februar 19 Heute wurde ich, was mir bei dem König Johann noch nicht widerfahren, zur königlichen Tafel befohlen, wie der Hofmann sagt. Es waren außer den Hofdamen und Schranzen nur noch die Prinzessinnen von Holstein und der Kammerherr Budberg da. Die Tafel war einfach und sehr kurz. Nach Tische mußte ich mich den drei Prinzessinnen, Sidonie pp. vorstellen lassen, was vorher versäumt worden war. Mit dem König hatte ich ein langes Gespräch auch über das Zivilgesetzbuch, was, wie er versichert, nicht liegen bleiben soll. Er teilte mir als Neuigkeit mit, daß die Herzogtümer es auch annehmen wollten, wußte also nicht, daß ich es war, der diese Idee angeregt und durch meine Reise nach Gotha und Weimar eingeleitet hatte. Aber, sage ich mit Summelpuff in der Preciosa, „Meine Verdienste bleiben im Stillen“. Das Gesamtministerium hat mein Gesuch (s. 3. Febr.) genehmigt, will aber selbst die Zensur üben und ich soll daher mein Manuskript einsenden. Mir gleich, ich habe daher heute ein dickes Paket Archivgeschichten hinüber geschickt. Ob sie es werden lesen können, weiß ich allerdings nicht, da das Manuskript eben nur für den Setzer, dem man schon etwas zumuten kann, geschrieben ist. März 28 In diesen Tagen ist hier ein credit mobilebo gegründet worden, bei dem arger Schwindel stattgefunden hat. Die Regierung hat sich bei der Konzessionierung einige Millionen vorbehalten an Aktien. Davon hat Falkenstein für die Kassen des Kultusministeriums eine halbe Million – genommen – zu einem Schwindelagiotagegeschäft!! Beust hat für einige Kassen des Ministeriums des Innem auch eine Partie genommen, sie sofort verkauft und 30 000 Taler Gewinn gemacht. 2 000 Aktien hat er für die Lausitzer Bank Thielau gegeben, aber das Geschäft mündlich abgemacht. Thielau hat 1 000 der Bank gegeben und davon wieder einen Teil verkauft zu einer Zeit, wo sie 20 % standen. Die andern hat er für sich behalten und einige Andern davon dergleichen gegeben. (NB. Er hat sie aber schließlich wieder herausgeben müssen und also nichts gehabt – als die Schande) Beust war indigniert über eine Betrügerei, gegen die er, wie er meinte, zur Zeit nichts tun könne, da keine Kläger da seien. Wäre es eine Polizeisache, irgend ein Demokrat der Schuldige, er würde in dem Oberaufsichtsrechte schon Befugnis genug finden, danach zu fragen. Sic utra ad astra, d. h. So kommt man eigentlich aufs Zuchthaus, wenn man nicht Herr von Thielau ist. März 31 Die Welt ist rund und muß sich drehen, d. h. man kommt immer auf das Alte zurück. So scheint das Gesamtministerium jetzt die Zensur wieder einführen zu wollen. Dass man meine Manuskripte eingefordert, ist in der Ordnung, da ich nicht mein eigner Beurteiler über die Angemessenheit des aus dem Archiv Entnommenen sein kann. Aber ein paar andere Fälle scheinen mir doch zu weit zu gehen.Wenn man jemand das Archiv öffnet, so hat man das Recht einer Kontrolle, daß er aus diesem nichts entnimmt, was Unangemessen erscheint. Aber man erlangt doch nicht die Berechtigung, eine ganze wissenschaftliche Arbeit, bei der eine Masse anderes nicht dem Archiv entnommenen Materials benutzt ist, der Zensur zu unterwerfen. Vor kurzem erhielt ein cand. Loch im Blochmannschen Institut, der über Peucer schreiben wollte, nur unter der Bedingung die Erlaubnis, das Archiv zu benutzen, daß er das Manuskript vor dem Druck zur Prüfung einreiche. Ganz dasselbe beim Pastor Sichart, der Lebensbeschreibungen sächsischer Fürstinnen herausgeben will. Beide haben nur sehr wenig dem Archiv entnommen, aber die ganzen Manuskripte habe ich zur Prüfung erhalten und durchzusehen, eine Arbeit, die ihr Mißliches hat, da es sehr individueller Beurteilung unterliegt, was als Unangemessen betrachtet werden kann. Ich hatte nicht gedacht, dass ich noch
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so eine Art Scharfrichter werden müßte. Es kommt auch nicht sowohl auf die Tatsachen an, die erzählt werden, sondern auf die Art der Erzählung: La ton fait Ia musique. Die Sauce ist es, die den besten Braten verderben und einen schlechten doch genießbar erscheinen lassen kann. Die Sauce muß aber doch der Schriftsteller als sein Werk vor dem Pressegesetz vertreten, sie soll ja jetzt nicht mehr zensiert werden. April 9 Am Montag war Altertumsverein. Prinz Georg, der Präsident, hatte mich aufgefordert, etwas vorzutragen und ich las denn Hexenprozesse vor. Außer mir hielt noch der Kammerherr Legationsrat von Carlowitz, Maxen, einen Vortrag über die Anwendung der Vornamen bei Sprichwörtern. Unglücklicherweise waren es zumeist Vomamen aus der königlichen Familie. Nachdem er alle möglichen dummen Schlaberhanse, alberne faule Gretchen (Margarethe) vorgeführt, kam er auch an Georg, Jörge – da stutzte er doch, als ihn der Prinz auf einmal ansah und beruhigend bemerkte – o, Sie werden schon die Vomamen mancher der Herren erwähnt haben –. Es überkam ihn aber doch auf einmal das Gefühl, dass es doch nicht gerade sehr passend sei, die Vomamen des neben ihm sitzenden Prinzen zum Stichblatt von nicht einmal sehr schönen Witzen zu machen und mit großen Sätzen lange Stellen überspringend hüpften seine Augen zum Schluß zu – es war eine komische Szene, ganz würdig der Versammlung des Altertmsvereins, der mit seinen Saalbadereien Langenns, der über alles eine Rede halten muß, frappant den Pickwickiern gleicht. April 15 Beust hat neulich am Geburtstag seiner Frau ein Fest arrangiert, bei dem er selbst nicht ganz passend vor der haute volete, dem diplomatischen Korps den Hanswurst gemacht, ein Wachsfigurenkabinett gezeigt pp. Eines schickt sich nicht für Alle: ein Premierminister, was er doch sein möchte, darf keine schlechten Witze machen, die macht man sonst, wie es der Fall jetzt ist, über ihn. Wir waren nicht zu dem Zauberfeste eingeladen, wie wir uns überhaupt jetzt gar nicht zu sehen bekommen. April 25 Am Mittwoch war ein großes Diner bei Dr. Halle, mit allerhand feinen Sachen und Exzellenzen. Unter anderem war der neue französische Gesandte, Baron Forth-Rouen da, ein interessanter, vielgereister Mann, der mancherlei erzählte.80 Er rühmte besonders auch Beust’s vortreffliches Französisch – die Note an Nesselrode, die ihm Beust mitgeteilt, erwähnte, daß dagegen der ehemalige Gesandte Könneritz, jetzt Oberkammerherr, nicht durch seine Sprachfertigkeit geglänzt habe. So hat er, als der Graf Latroiques, dessen Frau in dem berüchtigten Prozesse des de Ia Ronsiere eine Rolle gespielt, hierher habe kommen sollen, dagegen gesprochen, weil man sie denn hier nicht gut aufnehmen werde, mit den Worten ma cour est trop honte – statt prende, was allerdings einem Sachsen leichter passieren kann. Erbstein ist zwar nicht mehr verrückt, aber geistesschwach geworden. Er arbeitet garnichts und das ist noch fast ein Glück, denn wenn er etwas anfängt, so wird es Unsinn. Mai 4 Gestern hat Beust den Orden der Rautenkrone erhalten, Zschinsky und Rabenhorst sind geadelt worden. Der König hat es, wie seine Handbilletts, die das Dresdner Journal vom heutigen Tage enthält, beweisen, in Erinnerung der Maitage getan. Er hätte nur nicht den 3. Mai wählen sollen, denn an diesem Tage waren die Herren keine Helden, freilich wissen es wenig Leute, was mein Tagebuch enthält. Tempi passati! Deshalb hätte man das lieber nicht wieder aufwärmen sollen, wenigstens hätte ich gleichzeitig Heubner begnadigt, der ja eben 80
Forth-Rouen, Alexander Baron de Mollets (1809–1886), französischer Gesandter in Peking 1847 bis 1851, in Athen 1851 bis 1855 und in Dresden von 1855 bis 1865.
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nur ein Phantast ist und schwer genug gebüßt hat. Ich würde ihn nach Amerika schicken, wo er schnell genug kuriert werden würde. Freitag war ich beim russischen Gesandten zur Partie und gewann dem Graf Redern, dem preußischen Gesandten, Geld ab, das ich gestern beim Oberhofinarschall wieder verlor. Ich traf dort Könneritz, der irgend eine Absicht haben muß, da er mich jetzt mit besonderer Freundlichkeit traktiert. Er spricht auch immer mit regster Teilnahme davon, daß Zschinsky so elend reizbar sei pp., wenn er ihm auch das Abfahren nicht direkt wünscht, doch jedenfalls das Abgehen. Es würde ihn aber doch nicht wieder auf den Ministerpräsidentenstuhl bringen, so lange Beust noch dagegen manövrieren kann. Mai 10 (Loschwitz). Da wären wir denn wieder auf unseren Gütern. Obwohl das Wetter nicht sehr einladend war, Kälte und Wind eher an die Stadt fesseln als aufs Land zogen, sind wir doch am Dienstag dieser Woche herausgezogen und nach einigen arbeitsvollen Tagen Sophiens jetzt in Ordnung. Die Anlagen wollen aber in Folge der Trockenheit und des Wassermangels nicht gedeihen. Das Gras keimt nicht. Es ist alles noch eine Sandwüste. Ich habe heute kein Archiv, kann also einmal ruhig hier bleiben und bummeln. Eben habe ich an Minister Könneritz geschrieben, der mich beauftragt hatte, nach einem Hause mich hier zu erkundigen. Er will sich auch hier ankaufen. Mai 17 Am Sonnabend vor Pfingsten, heute vor acht Tagen, wo ich zum letzten Mal schrieb, kamen Adolf und Rosa hier im Schloß Bagatelle, wie Melly unser Palais passend bezeichnet, an, um die Feiertage hier zuzubringen. Am Tage darauf traf auch Gustav ein. Es ward danach etwas eng im Schloß. Doch war das Wetter gut und wir konnten daher immer im Freien sein. Ich war (Mittwoch) im Archiv und Nachmittags bei Budbergs in Niederpoyritz, die einen Rout mit Musik und schauriger Beköstigung gaben. Es war eine sonderbare Gesellschaft, zu der sie die Gesandten, Minister und Alles, was sie an vornehmen Leuten kannten, eingeladen, natürlich höchst amüsant. Am schlimmsten kam der Präsident Müller weg. Er, der größte Fresser Dresdens, hatte sich, da die Einladung an die geringern Personen wie er auf 3 Uhr (die Gesandten waren um 6 eingeladen) lautete, eingebildet, er sei zum Diner gebeten, von dem er, da er wohl noch nie bei Budberg das berüchtigte Rache gegessen, große Erwartungen hegte. Als er hinkommt, sind die Wirte noch nicht sichtbar und als sie erscheinen, entschuldigen sie die Säumnis damit, daß sie nur schnell noch einige Bissen gegessen. Das hätte er auch gern getan, mußte nun aber mit Brezeln und Limonade seinen hungrigen Magen füllen. Hätte er es gründlich tun wollen, wäre für alle die Exzellenzen nichts übrig geblieben. Ich verweilte nur eine Stunde und prieß Sophie glücklich, die zu Hause geblieben war, weil wir keinen Wagen bekamen und das Wetter unsicher war. Vorm Donnerstag ward im Archiv gescheuert und ich blieb daher hier und bearbeitete Archivgeschichten fiir mein Werk, mit dem ich schwanger gehe. Mitunter finde ich die Geschichten, die ich bearbeite, sehr ledern. Ich weiß nicht, ob das Publikum auch der Ansicht sein wird. Jedenfalls ist es mir gleichgültig, wenn ich vom Buchhändler gut bezahlt werde. Als Vorrede kann ich das nur nicht sagen. Mai 18 Ein stiller Sonntag auf dem Lande. Früh zeitig aufgestanden, lockten mich die Klänge der nahen Orgel in die Kirche, wo ich den alten bekannten Pastor Kretzschmar, den ich seit 1851 nicht wieder gesehen, als ich ihn vor einigen Tagen besuchte, eine harmlose Predigt halten hörte. Dann wieder gearbeitet. Dann kam der Kantor, der Erhard nun wieder Unterricht
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geben wird, nach ihm Ehrenstein, der den Sommer sich hier auch eingemietet hat, da sein Haus noch nicht fertig ist. Wir glaubten, es werde Nachmittags, da das Wetter gut war, Besuch kommen, allein wir warteten vergeblich und gingen erst nach 6 etwas spazieren. Als wir zurückgekehrt, kamen Beust’s, die gestern herausgezogen sind. Er war noch sehr erfreut über den Orden, erzählte wie gewöhnlich allerhand Kuriositäten, u. a. von Pflug, dem Polizeidirektor, der, als er vom König von Preußen den roten Adlerorden vor einiger Zeit erhalten, sich anderntags früh in voller Uniform bei Beust meldet, um diesen, der glaubt, es sei ein besonderes Unglück vorgefallen – die welterschütternde Begebenheit alsbald zu eröffnen. Seine Frau scheint ihn nach wie vor gehörig mit Eifersucht zu quälen und mit süßen kleinen Launen. Er sagte, die Königin von Baiern habe ihm ihr Stammbuch geschickt, um sich einzuschreiben. Er habe ihr – eine sehr hübsche Frau – deshalb einschreiben wollen Gern möcht ich Ihnen was Schönes sagen, doch meine Frau kann das nicht vertragen. Nach Beust’s, die nicht zum Tee bleiben wollten, kam Frau von Houwald, die eine Archivgeschichte, welche ich in diesen Tagen fertig gemacht, mit anhören musste. Mai 25 Dichte Regenwolken bedecken den Himmel, es regnet Bindfaden und doch ist die Aussicht aus meinen beiden Fenstern schön, so daß ich meinen Blick bald dahin wende, bald nach einem Brotsirupkuchen, den Sophie fürsorglich beim Bäcker bestellt hat. Mein Rasen, meine Reseda, Möhren, Schoten, Bohnen, Gurken, Gott weiß wie alle meine Pflanzen heißen, bedürfen auch Regen und so sind wir mit Ausnahme Erhards und Odas, die das Verweilen in der Stube nicht lieben, zufrieden. Ich werde die Gefangenen von Hohnstein heute für mein Werk vornehmen. Auch das Piano, welches der Winter und Feuchtigkeit ganz stumm gemacht hatten, ist gestern wieder hergestellt worden und so kann ich mit Sophie musizieren oder ich borge mir den Dr. Heidrich, meinen Nachbarn, der auch Klavier spielt. Vorige Woche kam ein Geiger Hilf aus Elster nach Dresden, um Material für eine Lebensbeschreibung Silbermanns, des Orgelbauers, zu sammeln. Ich lud ihn mit Seelmann und Schlick zum Quartett nach Loschwitz. Am Freitag kamen sie heraus. Hilf spielt sehr gut. Den Schüler Spohrs erkennt man an der Fülle des Tons. Sie aßen bei uns und dann ward musiziert, auch die Orgel in Loschwitz von Hilf probiert. Juni 15 Ruhig und still gelebt, alle Tage zur Stadt, oft gegangen, bisweilen gefahren, die wenigen warmen Tage auf Schloß Bagatelle vergnüglich zugebracht. Sophie ist gottlob bis auf vorübergehende trübe Augenblicke, die sie jedoch in der Regel bald überwand, gesund und gut. Da gibt’s dann nicht viel zu schreiben. Die erste Lieferung von Aufsätzen für mein Buch habe ich vom Gesamtministerium in diesen Tagen nach etwa viermonatlichem Studium zurückerhalten, etwas zerlesen, aber wie natürlich ohne Monitum, da ich lauter harmlose Gegenstände genommen hatte. Besuch haben wir nicht viel gehabt. General Naumann aus Berlin ist nachtäglich durchgereist, ohne uns, wie er mir entschuldigend schrieb, aufsuchen zu können. Unser General Buttlar, Oda’s Pate, ist geschieden – ein braver, wohlwollender Mann, den besonders der alte Oberhofmarschall bei seiner Akademie lebhaft vermißt. Er suchte mich gestern im Archiv auf, um für den Bedienten Buttlars beim Telegraphenbüro eine Anstellung auszuwirken, die ich ihm allerdings nicht verschaffen kann. Heute regnet es, für die Pflanzen ganz gut, aber nicht für Antons, die zu Mittag zu uns kommen wollen.
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Juni 28 Gerade ein Jahr, daß wir den Weinberg kauften und bezogen, obwohl die Ausgaben, die die Adquisition nach sich gezogen, eigentlich etwas über meine Mittel sind, habe ich doch alle Ursache, mit dem reizenden Bagatelle, wie es Melly benannt hat, zufrieden zu sein. Die Luft, die Stille tut mir wohl und Sophie und den Kindern ist es gewiß sehr förderlich. Mit meinem alten Wallwitz, dessen Schloß Borthen ich gerade aus meinem Fenster vor mir sehe, und den ich, obwohl wir uns Beide recht anhänglich sind, eigentlich gar nicht zu sehen bekomme, wie es so in der Welt bisweilen geht, bin ich jetzt wieder in Connex gekommen. Ich wollte ein Schaf für meine Kinder haben und schrieb ihm, da ich glaubte, er habe Borthen verpachtet. Inmittelst aber schenkte die Generalin Benkendorf uns eines und ich schrieb es daher Wallwitz ab. Nichtsdestoweniger kam doch noch eines von ihm mit einem freundlichen Briefe und so sind denn verschiedene Sendschreiben zwischen uns gewechselt worden und Zusagen von Besuchen, die doch wahrscheinlich nicht erfüllt werden. Juli 6 Am Donnerstag, war es wohl, schickte der König früh ins Archiv und ließ mir sagen, ich möchte am Vormittag bis 1 Uhr zu ihm kommen. Die Minister, fügte der Bediente bei, seien auch bestellt. Ich glaubte, ich solle irgend ein Protokoll aufnehmen. Ich war im Oberrock, hatte keinen Frack – die Stadt mußte also vor Allem für ein passendes Gewand sorgen. Nach vielen Schwierigkeiten gelang es mir, ein sehr enges Fräckchen in einem Kleidermagazin zu borgen, mit dem ich mich zu Sr. Majestät verfügte. Er wollte mir nur einiges Schmeichelhafte über Maria Antonias Lebensbeschreibung sagen und einige Notizen geben, von denen sich aber eine über eine Fabrik, die sie in Kreischa angelegt haben sollte, sofort als falsch ad actis ergab, was ich ihm denn auch meldete.81 Drucken will er das Werk nicht lassen, weil der Prinzessin Augusta die Rolle, die Friedrich August bei der Agdolloschen Geschichte spielt, unangenehm sein könnte. Mir ist es gleich, wahrscheinlich wird aber einmal nun ein Anderer es in München benutzen und drucken lassen. Gestern war am Nachmittag die Watzdorf mit meiner kolossalen Pate Anna, zwei Grafen Baudissin, einer mit seiner Frau, eine geborene Kaskel, die in der Nähe wohnen, und die Beust, deren Mann jetzt nach Gastein ist, bei uns. Er (Beust) gab mir noch vor seiner Abreise ein Expose, das er über die deutsche Verfassung geschrieben hat. Er rückt dabei den Übelständen nicht direkt auf den Pelz, den er waschen will, ohne ihn naß zu machen, aber vieles, was er insbesondere über die Mängel des konstitutionellen Wesens, wie es in Deutschland sich ausgebildet hat, sagt, ist sehr wahr. Da aber bestimmte Vorschläge nicht vorgelegt werden, so wird es eben nichts sein als ein Schlag ins Wasser. Juli 17 Am Dienstag kam Phina und ihre Schwester Amalia heraus und während wir beim Tee saßen, erschien die verwittwete Königin mit ihrer Hofdame von Carlowitz, eine Beschauung der Bagatelle vorzunehmen. Viel Ehre, die meinerseits durch eine Visite bei der Hofdame, die ich nicht zu Hause fand, erwidert ward und durch ein paar Zeilen, in denen ich sie bat, der Majestät den submissesten Dank für die erwiesene Ehre zu Füßen zu legen. 81
1766 hatte die Kurfürstinwitwe Maria Antonia die Grundherrschaft Ober- und Niederkreischa erworben, die sie aber bereits 1781 an den Kammerrat Gäbler wieder verkaufte. Von ihm erbte dessen Tochter Christiane Friederike von Reinhold 1785 die Grundherrschaft. Sie richtete auf diesem Gelände 1787 eine Kattundruckerei ein, die als erstes Manufakturunternehmen auf dem Lande in Kursachsen gilt. Siehe Reiner Groß: 725 Jahre Kreischa – ein geschichtlicher Überblick. In: Hermine Hofmann, Von Strohhüten, Zigarren und Fremden. Ein Heimatbuch. Kreischa 2015, S. 10–21.
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Die einzige Besorgnis war nun, daß am Ende Einladungen zu den königlichen Tees erfolgen könnten, zu denen wir in Toilette und sozialer Befähigung uns nicht gerüstet fühlen. Am Freitag kam gerade, als ich um 1 aufs Dampfschiff ging, ein furchtbares Gewitter mit nußgroßen Schloßen, das sehr großen Schaden angerichtet hat. Auf der Vogelwiese, wo man gerade für das heute beginnende Vogelschießen Vorkehrungen getroffen, hat es die Halle und Buden zerstört, angeblich zwei Menschen getötet.82 Ich war, als ich gestern hereinging, in der Erwartung, keine Fensterscheibe ganz zu finden in unserm Quartier. Aber, obwohl in den Nebenhäusern mehrere Scheiben zerschlagen waren, hatte es bei uns nicht das Geringste getan. August 10 Beust kam vorgestern aus Gastein zurück und gleich den Abend mit seiner Frau zu uns, nicht wegen unserer schönen Augen, sondern offenbar weil er sich zu Hause arche chere eponse et den alten Schachteln, seine Schwiegermutter und Tante, die bei ihm residieren, grenzenlos langweilt. Sophie und ich kamen gleichzeitig auf den Gedanken, daß, wenn ich von einer sechswöchigen Reise zurückgekehrt, ich gewiß nicht den ersten Abend Fremde aufgesucht hätte. September 4 Dank dem Konstitutionsfest, das heute nach 25 Jahren mit Gottesdienst gefeiert wird, bin ich heute in Loschwitz geblieben. Früh ward, obwohl es ziemlich kalt war, doch im Freien gefrühstückt, dann einige Stunden an Klettenbergs Lebensbeschreibung, die ich jetzt gerade vorhabe, gearbeitet. Hierauf einen großen Spaziergang mit Sophie und Antons gemacht. Nach Tische, da es jetzt regnet, wieder gearbeitet. Gestern hatten wir ein großes Diner bei Beust, mit Pflugk, Könneritz, Legationsrat Carlowitz mit Frau (nicht der ehemalige Hauptmann, der unheilbar an Magenkrebs leidet und dessen Leiden wohl bald enden werden), Frau von Houwald. Zschinsky ist jetzt voller Freundlichkeit gegen mich. Er will zu einer Reise, die er den Winter über in ein milderes Klima machen will, 1 000 Taler haben und die soll ich ihm durch Beust vermitteln. Er erzählte mir zugleich, er habe Beust auch 1 000 Taler jährlich verschaffi, die dieser allerdings außer seinen etatmäigen 8 000 Talern von den Ersparnissen beim Ministerium des Auswärtigen sich entnimmt, ohne daß man den Ständen davon etwas sagt. Am heutigen Konstitutionsfest kann so etwas nur doppelt erfreulich erscheinen! Die Minister wollen sich auch jeder 6 000 Taler künftig ausbitten. Sie können nicht mehr auskommen. Ein Aktuar aber muß mit 350 Talern leben und muß auskommen! Zschinsky berechnete mir, daß er bloß 3 000 Taler habe, denn 1 000 Taler kosteten ihm die Söhne, 500 Taler das Quartier, 500 Taler Abgaben – als ob wir diese Ausgaben nicht auch hätten. Originell sind diese Berechnungen, das muß man wenigstens anerkennen. September 28 Zschinsky reist heute ab nach wärmern Zonen. Ob er geheilt wiederkehren wird ist sehr zweifelhaft. Behr hat einstweilen das Justizministerium übernommen. Oktober 18 Heute haben wir die Winterquartiere wieder bezogen, nicht ohne Bedauern, da die letzten Wochen ganz wundervolles warmes Wetter war. Bagatelle ist nun einsam und verschlossen bis zum Frühjahr. November 1 Vom Gesamtministerium beauftragt, im Berliner Archiv Erörterungen anzustellen über die Agdollosche Geschichte, reiste ich am 25. d. M. mit Sophie dahin und 82
Heidrun Wozel: Die Dresdner Vogelwiese. Vom Armbrustschießen zum Volksfest. Dresden, Basel 1993. – Dieselbe: Dresdner Vogelwiese. In: Geschichte der Stadt Dresden, Band 2, S. 740–742.
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kehrte gestern Abend zurück.83 Als ich hinkam, war der Vorstand des Geheimen Staatsarchivs (im Schloß unter dem runden Turm) verreist und seine Kollegen hatten noch keine Instruktion. Ich wendete mich daher an den Gesandten Graf Hohenthal, der mir denn auch den Weg öffnete und mich daneben zu Tische bat. Ich fand nicht das, was ich wünschte, im Archiv, aber manches, was mir interessant war, und bei den Kollegen Geheimer Rat Kühne, Friedländer und dem Assistenten von Murnier große Gefälligkeit. Sie lasen für mich die Akten, so daß ich bloß die durchzustiebern brauchte, welche etwas enthielten. Auch zum Professor Preuß, dem Herausgeber der Werke Friedrichs des Großen, ging ich, um ihn zu fragen, ob er etwas über jene Angelegenheit gefunden habe. Er bemerkte, daß nur in einigen Briefen Friedrichs II. an Prinz Heinrich etwas vorkomme. Ich sah dieselben an und wunderte mich, daß in der Korrespondenz gerade da eine so große Lücke sei und bei der Erkundigung im Archiv erfuhr ich denn das Kuriosum, daß der Herausgeber (eigentlich ist es bloß Preuß, obwohl die Akadernie die Firma hergibt), gar nicht die ganze Korrespondenz zur Einsicht erhalten hat, sondern daß man ihm nach dem Ermessen der Archivdirektion nur gegeben hat, was dieser geeignet erschien. Ich fand denn noch eine ganze Menge vertraulicher Briefe der beiden Brüder, zugleich aber bat mich Friedländer, ich möchte – es Preuß nicht sagen! Überhaupt sind viele kuriose Zustände in Berlin! Wir waren viel mit Naumanns zusammen, die sehr freundlich waren. Er gab uns zweimal seine Loge im Opernhaus. In Schlossers Hotel (Friedrich- und Jägernstraße Ecke auf letztem Nr. 17) fanden wir gutes und nicht sehr teures Unterkommen. Sonntag waren wir in Potsdam, wo wir die gewöhnliche Tour über die Schlösser, Babelsberg, Sanssouci, Neues Palais pp. machten. Albrecht Weber, den Sanskritprofessor, suchten wir in seiner kleinen Häuslichkeit auf, mit zwei kleinen Mädchen bevölkert. Die Frau, Tochter des Pastors Abthauer, auch eine Art Cousine, ist ein nettes einfaches Weibchen. In zwei Tagen war meine Arbeit vollendet und wir konnten auch der Diäten halber nicht länger bleiben, zumal die Kinder unserer harrten. Fanden Alles wohl. Für Sophie, die noch nie eine große Stadt gesehen, war Berlin mit seinen Läden, Theatern, Palästen ein Ereignis. November 5 Heute war Minister Könneritz bei mir, dem verschiedene Weglassungen und Änderungen, die man allerdings ohne Grund bei der Renunciationsurkunde der Prinzessin auf die Erbfolge beliebt hatte, großes Ärgernis gegeben hatte. Er war nämlich ihr zum Vormund bestellt worden. Ein alter Fuhrmann läßt das Knallen nicht und es würde ihm sehr angenehm sein, wenn er dokumentieren könnte, seht, solche Eselei habt ihr begangen, Gefahr droht dem Vaterlande pp. Beust ist unwohl, hat sich einen Hexenschuß zugezogen oder hat ihn seine Frau geprügelt. Sie ist noch von der Geschichte mit der Frau von Uckermann, die vor zwei Jahren im Sommer zur Explosion kam, halb verrückt vor Eifersucht und obwohl er es nicht liebt, über seine häuslichen Verhältnisse Konfidenzen zu machen und ich die Rolle des Freundes auch fast lieber, wie Miros Freunde am wirklichen als beim Hauskreuz spiele, so schüttete er doch neulich sein Herz deshalb aus und bat mich, insbesondere Sophie zu veranlsassen, nicht mit seiner Frau über die Geschichte zu sprechen, da diese dadurch nur noch mehr montiert werde. 83
Schreiben des Gesamtministeriums an die Direktion des Hauptstaatsarchivs vom 10. Oktober 1856 mit Genehmigung der Forschungen zur Kurfürstinwitwe Maria Antonia siehe Dokumentenanhang Nr. 18.
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Die Beuste sind nun einmal dazu bestimmt, unangenehme Erfahrungen in ihren Ehen zu machen, beide aber großen Teils aus eigner Schuld. Ich habe in diesen Tagen an den Buchhändler Bernhard Tauchnitz jun. geschrieben, um ihm mein Werk anzubieten, wollen nun sehen, was er bietet. Beim Gesamtministerium hatte ich vor mehreren Wochen eine Partie meiner archivarischen Skizzen zur Einsicht, wie verlangt worden war, eingereicht. Ich erhielt sie in diesen Tagen zurück mit der Genehmigung mit Ausschluß zweier. Die eine war eine Erzählung von einer Besessenen aus dem 16. Jahrhundert, wo der Geistliche den Teufel beschwor – man hatte sie nicht zugelassen, wie ich erfuhr, weil man in den Streit über den Teufel nicht eingreifen wolle – also nimmt das Gesamtministerium für den Teufel mit Pferdefuß und langem Schwanz Partei. Falkenstein, der mir die erste Mitteilung machte, sagte dabei, er sei es nicht gewesen, der dagegen gesprochen und gerade er hat das monitum gezogen. Die andere Geschichte betraf einen Schweden Simmingskiold, der auf dem Königstein saß, eine höchst harmlose Historie, die ich deshalb Roßberg zurückgab, um noch einmal die Sache zu erwähnen. Lästig sind aber dergleichen Ängstlichkeiten. November 26 Abermals schwelgen wir in einem Meer von Hochzeitslustbarkeiten. Prinzessin Anna hat am Montag den Großherzog von Toscana geheiratet. Gestern war theatre pare: Oberon vortrefflich. Dagegen hatte Lüttichau am 19., dem Tage nach der feierlichen Anhaltung und dem Jawort, wo die ganze Geschichte im Journal stand, im Theater angekündigt: ein Bräutigam, der seine Braut verheiratet und das Versprechen hinterm Herd. November 30 Es ist mir lange nicht passiert, in einer Woche zwei Bälle mitzumachen, am Donnerstag beim Fürst Cocciani in der Harmonie mit ungeheurem Luxus. Das Souper hat allein 8 000 Taler gekostet, obwohl ich kaum für 1 Taler Schaden getan. Habe gestern bei Beust, wo wir uns recht gut amusierten und am Schluß noch mit Beust’s und Minister Zeschau’s, Könneritz und Pflugk en petit comite soupierten, so daß wir erst um 2 Uhr zu Hause kamen. Heute daher etwas dämlig. Dezember 10 Seit langer Zeit bleibe ich zum ersten Male wieder einen Nachmittag zu Hause, da ich sonst immer ins Archiv gehe, wo ich ziemlich viel zu tun habe. Der König hat nämlich beschlossen, daß meine Lebensbeschreibung der Maria Antonia gedruckt werden soll und da muß ich das Werk, das dazu ursprünglich nicht bestimmt war, nochmals durchgehen. Der Buchdrucker brachte mir vor einigen Tagen die erste Probeseite, die ich daher als unicum hier beilege. Mit meinem andern Werke geht es nicht recht vom Fleck. Tauchnitz, von dem ich wahrscheinlich zu viele 30 Taler pro Bogen forderte, schrieb es ab und ich will nun anderwärts Erkundigung einziehen. Am Montag hielt ich eine Vorlesung im Altertumsverein allerhand Kuriositäten aus alten Zeiten, die viel Beifall fanden, was sogar das Dresdner Journal zu erwähnen für nötig hielt. Gestern hatte ich wieder das erste Quartett, das nun wieder alle 14 Tage stattfinden soll. Fräulein von Schönberg und ihr Neffe, der Referendar von Schönberg, bildeten das Auditorium. Heute Abend bin ich beim Graf Holtzendorf zur Partie. Dezember 14 Freitag war der Geburtstag des Königs, den Beust durch ein großes Galadiner feierte. Ich war früh gerade zu Jordan gegangen, den ich nach seiner Krankehit zum ersten Male wieder sah, als ein Brief von Beust ankam, der geradehin unlesbar war. Indessen erriet ich doch, daß ihm ein Couvert übrig geblieben und ich dieses noch einnehmen sollte,
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was ich denn ohne Widerstand annahm. Nach dem Diner, das vortrefflich war, ging ich mit zu Pflugk, um den Wein bei einer Zigarre etwas verdunsten zu lassen. Ich benutzte übrigens das Diner bei Beust, um mir zugleich summarisch Instruktion wegen des Drucks der Maria Antonia zu erholen, die dann auch in Gegenwart des Ministers Falkenstein mir mündlich ward. Gestern früh ging ich daher in die Druckerei von Teubner, schloß den Vertrag ab und sagte ihm, er solle das Manuskript abholen, was um 9 ½ geschehen sollte. Wie ich ins Archiv komme, gibt mir der Aufwärter ein Schriftchen, welches Dr. Petzoldt mir sende, in die Hand. Ich sehe den Titel an „Maria Antonia pp.“! Hat der Mann auch ein biographisches Werk über sie geschrieben und dazu alle Notizen, die ich gefunden und ihm arglos mitgeteilt hatte, benutzt. Ich hatte gerade noch Zeit, in den ersten Bogen das nachzutragen, was etwa nachzutragen war. Abends waren wir gestern bei Ehrensteins in einer Gesellschaft so ledern als möglich. Der Minister Behr erzählte mir eine Anekdote. Sein Sohn hat genealogische Tabellen herausgegeben. Der Verleger Tauchnitz hat dazu die Wappen der betreffenden Staaten in Kupfer stechen lassen und sich dehsalb, um sie richtig zu erhalten, an die Regierungen, u. a. die Hessen-Kasselsche, gewendet. Diese verlangt zuvor Einsicht der Tabellen. Tauchnitz sendet sie arglos. Darauf kommt ein offizielles Schreiben an das Ministerium der Auswärtigen Angelegnheiten, worin auf das Dringendste gebeten wird, den Herausgeber zu veranlassen, die allerdings der Wahrheit getreuen, aber sehr unangenehmen Notizen über den Namen der Gräfin von Hanau, die Geburtstage ihrer Kinder usw. wegzulassen, was denn auch der Verleger getan hat. Dezember 17 Der Geburtstag der Doktorin Halle ward durch eine Visite zelebriert, die sie sehr überraschte, da sie uns nicht in das Geheimnis eingeweiht glaubte. Seebach kam nach Tische noch zu uns, reiste Abends wieder ab. Er erzählte, daß sein Pariser Bruder sonderbarer Weise seine Kinder katholisch erziehen läßt, während seine Frau griechisch, er protestantisch ist. Abends beim Oberhofmarschall, wo ich viel Pech hatte. Seebach erzählte mir, daß der König von Preußen, den ich für einen edeln gemütlichen Mann gehalten, nachdem, was mir der alte General Naumann erzählte, nicht weniger als dies, sondern ganz herzlos sei. Zum Beweis führte er an, daß er beim Tode des Generals von Brandenburg, der an gebrochenem Herzen über Preußens Unterliegen bei Olmütz gestorben, zwar an der Leiche Tränen vergossen und eine große Komödie gespielt, an demselben Tage aber dem Herzog von Koburg einen Brief voller Schimpfreden und Ironie auf den Toten geschrieben habe, einen Brief, den er, als ihm der Herzog ihn zu lesen gegeben, mit den Worten „das ist ein ganz infamer Brief“ zurückgegeben habe. Zeschau sagte einem bei einer ähnlichen Gelegenheit, es gibt drei Sorten Menschen, schwarze, weiße und – Fürsten. Gott erhalte uns unseren König!
1857 Januar 1 Wieder ein neues Jahr, das 51ste- man wird alt. Ich merke es weniger am Geiste als am Körper. Die Augen legen ab, wenn ich Mittags nicht Ruhe habe, ein Glas mehr trinke, kann ich nicht schlafen, enfin je commerce ac baisser! Nun immerhin! Von Ernst bekam ich vor einiger Zeit einen ganz trostlosen Brief. Er ist körperlich, geistig und nervlich ganz destruiert. Ich habe ihm geantwortet, aber Hilfe kann nur aus ihm selbst kommen und dazu ist er zu energielos. Vorgestern hatten wir Quartett und dazu erschien auch
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Albert. Das einzige, was er sprach, war beim Kommen Guten Tag und drei Stunden später Adieu! Alle Versuche, ihn in ein Gespräch zu bringen, waren vergeblich. Der Silvester ward bei uns ganz gemütlich zugebracht. Es waren Antons und Halles bei uns. Die letztem bilden jetzt unsern hauptsächlichsten Umgang. Januar 4 Gestern war ein großes Diner bei Halle. Ich kam neben Beust, den ich jetzt gar nicht zu sehen bekomme und auch nicht aufsuche, zu sitzen und benutzte die Gelegenheit, um ihn auf Ferdinand aufmerksam zu machen, der sich sehr gekränkt fühlt, daß Süßmilch, ein großer Protege Beust’s, ein fähiger Kopf, aber höchst unzuverlässiger Achselträger, Geheimer Regierungsrat worden ist. Ferdinand will nun zwar durchaus nicht in das Ministerium, aber – den Titel, ein mir sehr unverständlicher, aber ziemlich harmloser Wunsch, der aber freilich insofern ein Bedenken haben könnte, als er Konsequenzen nach sich ziehen könnte, indem, wenn andere mit ebensolchen Prätensionen auftreten, am Ende die Kreisdirektionen ganz mit „gefiillten“ Geheimen Räten, wie Dr. Halle neulich sagte, angefüllt werden würden und nur eine neue Erfindung den Ministerialräten wieder eine erhabenere Stellung verschaffen könnte. Beust erzählte auch, daß, als vor einigen Tagen seine Frau die Kohlschütter, die sich in ihren alten Tagen noch bei Hofe vorstellen läßt, herumgefahren, sie mon consueto auf seine Untreue angespielt, was die Kohlschütter zu gleichen Klagen und der offenbar sehr passenden Äußerung veranlaßt hat, wie der Herr so der Knecht, und für Kohlschütter, der damit mit Casper, Beust’s ehemaligen Wichsier, in eine Klasse gestellt wird, offenbar sehr schmeichelhaft ist. Februar 14 Vorgestern war der Buchhändler Tauchnitz bei mir, mit dem ich den Vertrag nun definitiv abschloß. Er hatte sich mit einer Menge bunter Ordensbändchen geschmückt früh um 9 Uhr! Das kann nur ein Leipziger. Februar 22 Am Donnerstag war der viel besprochene bal costume beim Minister Beust, wohl der brillanteste, der seit vielen Jahren gewesen. Man hat denn auch ihn dadurch charakterisiert, daß die Kreuzzeitung einen Ball bei dem sächsischen Minister mit Grafen Brühl angekündigt hat. Welche Schwierigkeiten die Unternehmer der drei Aufzüge gehabt, weiß ich nur vom Hörensagen, da ich nur in der unscheinbaren Rolle eines Münzzeichenschlägers erschien, der mit einer Zange und Hammer ebensogut Hofzuckerschläger hätte sein können. Sophie ging in altfranzösischer Tracht, die ihr sehr gut stand. Bei den Proben ist es so weit gegangen, daß die Herren den Damen die Zähne (nicht Zehen) ausgelangt. Ein Leutnant rennt an eine Frau Könneritz dermaßen an, daß er ihr mit dem Epaulet einen Zahn ausreißt – wenn es noch ein Hühnerauge gewesen wäre. Ob er sich die Operation hat bezahlen lassen, weiß ich nicht. Eine Menge Todfeindschaften hat die Eitelkeit hervorgerufen. Die beiden Züge – unser Bergmannszug war friedlicher Natur – standen sich feindlich entgegen. Unbegreiflich war mir Beust. Er trat als französischer Gesandter beim Sultan auf und hielt eine Rede, in der mit viel Witz – aber wenig Takt – die neuere orientalische Politik persiflierte, als Geschenk eine pastete – (un pate de face premie que nous ne manquens pas de jai) offerierte, kurz Witze machte, die wohl im kleinen Kreise ganz charmant sind, aber in diesem Zirkel in Gegenwart des französischen Gesandten denn doch für einen Diplomaten etwas undiplomatisch waren. Indessen Forth-Rouen, überhaupt ein sehr höflicher Mann, lachte wenigstens vor Zeugen. Ich hatte Beust gebeten, er möge doch Ferdinand, der sich durch mehrere Ernennungen von Geheimen Regierungs- und dergleichen Räten sehr gekränkt fühlt, doch auch mit
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diesem Titel beglücken. Allein er hat es bis jetzt nicht getan, was mir für Ferdinand sehr leid tut. März 15 Maria Antonia ist nun fertig und äußerlich ein stattliches Buch geworden. März 21 Als ich gestern Beust wegen einer Geschäftssache aufsuchte, sagte er mir, der König habe beschlossen, mir den Orden zu geben. Er (Beust) habe seit acht Jahren darnach gestrebt, aber gewisse mir bekannte feindliche Elemente (Rabenhorst, Behr?, Zschinsky?) hätten es verhindert. Es sei ein Beweis, daß er nicht alles könne. Ich kann – ganz ehrlich sagte ich es Beust auch – nicht leugnen, daß mir diese Ordenserteilung unangenehm ist. Es liegt Eitelkeit darin, wenn ich sage, daß es mir viel lieber ist, die Leute sagen – und sie haben es gesagt – es ist auffallend, daß Weber den Orden nicht bekommen, als daß sie jetzt sagen, wie kommt er denn dazu. Zudem ist mir nicht der Besitz, aber das Tragen eines Ordens unangenehm. Ich will nicht sagen, man müsse von jedem, der einen Orden hat, sagen hic niger est, know tu Roman carete, aber soviel ist doch gewiß, daß so viele Lumpen Orden tragen, daß man nicht gerade eine Ehre darin fmden kann, ihr Kollege zu sein. Der Zivilverdienstorden ist allerdings in neuerer Zeit wertvoller geworden, da man ihn nicht mehr als Trinkgeld ausgibt, sondern dafür den Albrecht gestiftet hat. Aber immer mit so einem Bändchen als Symbol der Eitelkeit herumzulaufen ist mir höchst dubios und doch muß man, wenn man nicht den Sonderling spielen will, als Untertan dieses Zeichen der Gnade nicht verleugnen. Ablehnen – das geht nun vollends gar nicht, zumal es eine Verletzung für den König wäre, einem Mann, den man wirklich lieb haben muß, von solcher Herzensgüte und Pflichtgefühl ist er. Er tut mir bloß aus diesem Grunde leid, daß er jetzt offenbar mir weniger traut oder gewogen ist, als früher, wo ich im Gesamtministerium war und wo er große Stücken auf mich hielt – sonst bin ich recht froh, mit großen Herren keine Kirschen essen zu müssen. März 25 Früh kam Beust und brachte mir das bewußte Bändchen. Ich muß mich nun noch beim König dafür bedanken. Der ganze Tag ging mit Besuchen hin. Ein Oberappellationspräsident schickte mir eine Karte mit einem unlesbaren Namen herein, den ich erst mündlich entzifferte. Es war Ortloff aus Jena, jetzt als Mitglied der Kommission für das Zivilgesetzbuch hier. Dann kam der Landesälteste von Thielau, um einmal wieder gründlich raisonnieren zu können über alles mögliche und einiges andere. Ich bekam auch die Verordnung des Gesamtministeriums, daß der König beschlossen habe, das Archiv wegreißen zu lassen. Auch keine schlechte Arbeit, die dadurch entstehen wird. April 1 Gstern um 9 hatte mich der König zu sich bestellt, um von mir gratias ego sagen zu hören. Ich benutzte die Gelegenheit, um über das Archiv mit ihm zu reden und seine Gelehrsamkeit auszubeuten. Ich hatte in einer Sache ein verdorbenes italienisches Werk gefunden, das niemand erklären konnte, und legte ihm den casus vor. Gefällig und freundlich, wie er ist, nahm er sich meiner an und schrieb mir zum größten Erstaunen Erbsteins eine Stunde darauf ein Billett mit seiner Ansicht. Alle Könige tun so etwas nicht! April 12 Ostersonntag. Halles sind seit einiger Zeit wieder hier, er kam einige Tage früher als wir und war zweimal bei uns, einmal gab ich eine Herrengesellschaft, Beust sen und jun., Ehrenstein, Kohlschütter und die Brüder. Ich hatte auch den Landesältesten von Thielau, da er mir mehrere Male Besuch gemacht, eingeladen. Er blieb aber weg, ohne sich auch nur nachträglich zu entschuldigen. Beust, der ihn gefragt, hat er gesagt, er habe es vergessen. Übertriebene Höflichkeit kann man ihm nicht beimessen.
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Heute morgen wird gearbeitet bis 12 Uhr, dann wollen wir die Dr. Halle, bei der wir gestern zum Tee mit von Wickede (den Militärschriftsteller) und Professor Hettner waren, abholen auf die Blumenausstellung,84 allein sie ließ es absagen und so wanderten wir allein hin in die blumengefüllte Halle. April 19 Am Freitag war ich – ich glaube, seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder – zum Minister von Falkenstein, der einen sehr mäßigen Gebrauch von seiner Berechtigung zur Repräsentation macht, zu Tisch gebeten. Ich fand zwar nicht den Minister Behr, der unentschuldigt ausblieb, wohl aber Wächter aus Leipzig, den ich seit 1848, wo er hier war, um ein deutschen Zivilgesetzbuch zu leiten, nicht wiedergesehen. Seitdem war er, ich weiß nicht was Alles, auch Präsident des Oberappellationsgerichts zu Lübeck gewesen, versa tus homo! Er ist ein sehr angenehmer Gesellschafter und so kam es, daß wir, als wir nach dem wahrscheinlich schlechten Diner – ich bemerke so etwas, wenn ich gute Gesellschaft und ein Glas Wein habe, gar nicht – zu Hause gehen wollten, noch wohl zwei Stunden auf der Bürgerwiese in interessanter Unterhaltung hin und her wandelten, so daß ich kaum Zeit hatte, noch das weiße Halstuch mit einem schwarzen zu vertauschen, um bei Reitzenstein eine Partie zu spielen. Gestern war ich Abends bei Wietersheim, zum ersten Mal in diesem Winter, da ich es immer hatte ablehnen müssen. Der alte Minister Könneritz, Oppell, Nostitz-Wallwitz, der französische Gesandte Forth-Rouen pp. waren da. Heute ist Diner bei Halle, weshalb wir nicht, wie beabsichtigt war, heute nach Loschwitz fahren. April 28 Schon hatte Sophie, durch den warmen Sonnenschein getäuscht, den Auszug nach Loschwitz beschlossen, als glücklicher Weise noch zur rechten Zeit ein warnender Regentag eintrat, dem aber nun ganz unerwartet Schnee und Kälte folgte, daß wir herzlich froh waren, nicht in dem kalten Häuschen zu sitzen. Gestern schickte mir Beust ein Promemoria von Baden, worin dieses Vorschläge wegen eines Reichsgerichts eröffnet, die in der Hauptsache aus andern Entwürfen bei den Dresdner Konferenzen entnommen sind. Österreich forderte Beust auf, sein Gutachten darüber zu geben, ehe es sich damit beschäftige, und Beust wollte nun wieder das meinige haben. Ich machte mich also darüber und hatte bis Abend einige Bogen niedergeschrieben, die ich Beust ins Ministerium zusendete. Als ich aber zu Hause kam und den Brouillon, wofür ich es hielt, eben zerrissen hatte, bemerkte ich, daß ich meinen Aufsatz zerrissen und Beust den Brouillon geschickt hatte. Ich ging daher zu ihm und überreichte ihm die Trümmer. Er, dem alle Tage ähnliches passiert, fand die Sache ganz natürlich, auch kein schlimmes Omen darin, daß das Gutachten erst zerrissen, dann gelesen wird. Wenn ich sage, daß Beust ähnliches passiert, so fällt mir gleich ein noch etwas stärkeres Beispiel ein. Ein Schullehrer, der im Jahre 1848 sich sehr beteiligt und daher abgesetzt worden ist, will sich nach Österreich wenden. Beust als Minister des Auswärtigen setzt Österreich davon in Kenntnis, warnt vor dem gefährlichen Subjekt und empfiehlt ihn zu strenger Beaufsichtigung. Der Mann wendet sich aber gleichzeitig an das Ministerium des Innern, weist nach, daß er sich um einen Gewerbeverein verdient gemacht und bittet um eine Empfehlung nach 84
Seit 1828 veranstalteten die Gesellschaft für Botanik und Gartenbau „Flora“, die Gesellschaft „Feronia“ und der Gärtnerverein wiederholt Blumen- und Früchteschauen. Siehe Gerald Kolditz: Die internationalen Gartenbauausstellungen 1887–1907. In: Dresdner Hefte Nr. 63, S. 12 ff.
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Österreich. Diese wird ihm und Beust unterschreibt sie ebenfalls und lacht ungeheuer, als ihm aus Wien beide Schreiben wieder zugehen mit der Bitte um eine Angabe, welches denn eigentlich gelten solle. Ebenso bei einem Handwerkerverein in Stolpen, dessen Auflösung eine Ministerialverordnung anordnet, während gleichzeitig eine andere dessen Belebung anordnet. Als Kreisdirektor hätte ich angefragt, welche Verordnung ich zuerst vollziehen solle, oder ich hätte ihn belebt und beigefügt, in Anerkennung der nützlichen Wirksamkeit habe ich das Ministerium aufgelöst. Man kann wohl lachen über solche Sachen, aber sehr lächerlich sind sie doch nicht bloß. Die Zerfahrenheit oder Liederlichkeit geht leider durch unsere ganze Verwaltung. Kommt nun noch hinzu, daß die unteren Beamten verhungern möchten, während wir doch eine ganze Anzahl Müßiggänger oder halbe Arbeiter mit fortschleppen, deren Besoldung recht gut zur Ernährung der eigentlichen Arbeiter dienen könnten, so ist es kein Wunder, daß viel Mißstimmung herrscht. So ein Mann, dessen Arbeitskraft bis auf wenige Monate in den letzten Jahren ganz brach lag, ist in diesen Tagen geschieden. Gestern ward Held begraben, miserabel als Minister, aber ein höchst intelligenter Kopf. Sein Nachruf in den Zeitungen übergeht auch seine Ministerkarriere ganz mit Stillschweigen. Ist es aber mit mir viel anders? Ich habe mich nie einer Arbeit entzogen, vielmehr stets dazu erboten, da ich herzlich froh bin, wenn ich einmal etwas Anderes zu tun habe als die Archivarbeiten, die eigentlich jeder Registrator machen kann. Hat man mich aber benutzt? Lag es nicht sehr nahe auch zu fragen, ob ich nicht, als Marschner abging, das Referat im Gesamtministerium, dem ich mich denn doch wohl gewachsen gezeigt hatte, wieder übernehmen wolle? Ich kenne die Unannehmlichkeiten dieser Rolle und bin herzlich froh, daß die Sache an mir vorübergegangen ist, allein ich muß Könneritz, Wietersheim, die sich mehrfach darüber aussprachen, wohl Recht geben, wenn sie das unbegreiflich finden. Aber ein Mann, der eine Meinung hat und sich nicht gleich vor einer verdrießlichen Miene einer Exzellenz schüchtern damit zurückzieht, ist lästig. Deshalb hat auch Marschner weichen müssen, der, obwohl ich sonst sein Verhalten nicht ganz billige, da er sich nicht unparteiisch hielt, die Gerechtigkeit widerfahren lassen muß, daß er den Mut einer Meinung hat. Scharwenzel wie Süßmilch sind freilich viel bequemer! Es führt aber dahin, daß wir eben die alte sächsische Beamtenzuverlässlichkeit immer mehr verlieren und der Willkür und persönlicher Begünstigung immer mehr Spielraum geben. Geschämt habe ich mich, als ich neulich Akten des Finanzarchivs erhielt über die Aktenabgabe an Preußen, worin ich Schreiben des verstorbenen Archivar Geranner mit der gemeinsten Bettelei an Preußen fand. Was mag man in Berlin davon gedacht haben! Behr war neulich bei mir, um mit mir über die Vereinigung des Finanzarchivs mit dem Hauptstaatsarchiv zu reden. Im Prinzip bin ich nicht dafür, aber ich erklärte mich bereit, die Direktion des Finanzarchivs natürlich umsonst mit zu übernehmen, wodurch man den Gehalt des Finanzarchivars jetzt erspart hätte, aber das scheint Nebenprodukt zu sein, wenigstens habe ich nichts weiter gehört. Ich habe das Meinige getan und lasse nun natürlich die Sache ruhen. Mai 1 Gestern Abend war ich seit acht Jahren zum ersten Mal wieder im Gesamtministerium zu einer Beratung zugezogen über einen Vortrag, den ich erstattet hatte über einen Antrag Preußens auf Aktenabgabe aus dem Hauptstaatsarchiv. Mein Nachfolger Roßberg hielt einen gräßlichen Vortrag, in dem er nuschelnd und stockend meinen Bericht ablas. Bei der Beratung wunderte ich mich, beim Kronprinzen Interesse und ganz praktische Bemerkungen
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zu finden, aber bei ihm und Rabenhorst eine blinde Wut gegen Preußen! Indessen gingen doch meine auf einen unbefangenen Standpunkte beruhenden Vorschläge durch. Juni 6 Soeben 3 Uhr 20 Minuten habe ich, glaube ich, ein Erdbeben empfunden. Die Erschütterung war so stark, daß ich glaube, es fiele eine schwere Last im Hause um. Da ich aber kein Geräusch vernahm und auch gar nichts umgefallen war, muß es ein Erdstoß gewesen sein. Er war so stark, daß der erste Stock, in dem ich war, lebhaft schwankte, die Büchse im Nebenzimmer auf dem Stuhle wackelte. Der Stoß kam von Westen und dauerte einige Sekunden. Juni 21 Am Sonnabend hatte ich wieder Quartett. Während wir nach Tische im Freien spielten, ging ein Herr vorbei, der, durch die Töne angelockt, stehen blieb und sehr verwundert war, als er statt einiger Einsiedlern Seelmanns Geige ein Haydensches Quartett spielen hörte. Schlick kannte ihn und rief den Erstaunten herein. Es war ein Komponist Reichel aus Paris, der sich jetzt hier niederlassen will und voriges Jahr eine Matinee manficale gab, zu der ich auch ein Billett erhalten hatte. Ich konnte also meinen Dank ihm abstatten. Er blieb den Nachmittag da und fand die Partie sehr angenehm. Abends selbigen Tages kamen auch Cottas, Mann und Frau, an. Er geht heute Nachmittag weiter auf irgend eine geognostische Expedition. Sie wird einige Tage hierbleiben. Beust war vor einigen Tagen hier gewesen, den Tag nach seiner Rückkehr, hatte, da ich gerade bis Abends in der Stadt war und zu Fuß herauskam, mehrere Stunden vergeblich auf mich gewartet und war endlich wieder abgefahren. Ich suchte ihn Tages darauf in der Stadt auf und hatte ein langes Gespräch mit ihm, da es ihm Bedürfnis schien, sich wieder einmal über allerhand Gegenstände aussprechen zu können. Juli 10 Ich hatte die Tage viele Konferenzen und Besprechungen wegen der PflugkMichaelischen Angelegenheit, mit ihm und Beust. Die Differenzen, die zwischen beiden waren, habe ich ausgeglichen und es wird nun bloß darauf ankommen, wie der König die Sache betrachten wird, dem Pflugk die Sache selbst vortragen will. Zum Domherrn fehlt ihm sehr viel und er hat entschieden mehr Unglück als Glück bei der Sache gehabt, die nach den Verhältnissen entschieden nur noch schlimmer für beide Teile würde, wenn er sie heiraten wollte, was an sich das Gebotene wäre. Juli 13 Beust sen. kam zum Besuch zur Houwald und wir luden daher Beide gestern mit dem Minister zu Tisch. Wir waren sehr fidel. Der Minister erzählte aus seiner Kommunalgardenkarriere einige Anekdoten aus dem Jahre 1831. Er war eines Abends mit der Kavallerie, bei der er stand, aufmarschiert, als ein Offizier vom Militär heranreitet und dem Kommunalgardenvillagisten Fuhre sagt, er solle drei Mann mit abgeben. Der Bäcker Glänzel, ein Kamerad Beust’s, ruft: von uns geht kein Mann mit! Der Kommunalgardenrittmeister ist bedenklich, aber Beust meldet sich als Freiwilliger. Ihm schließt sich noch der Gerichtsdirektor Fischer und ein anderer Held an und sie machen so mit einigen Gardereitern eine Patrouille. Sie reiten im Trabe die Wilsdruffer Gasse herab. Beust sieht aber nicht, daß eine Schleuse abgedeckt ist und reitet direkt auf das Loch zu, daß seiner ganzen Karriere hätte ein Ende machen können, als ein Reiter ihm in die Zügel fällt und ihn so rettet. Später avancierte Beust zum Zugführer. Als solcher soll er den damaligen Prinzen Johann, der das Generalkommando führte, zu einer Parade abholen. Es regnet gerade herunter und der Prinz kommt ziemlich verdrießlich herab, nimmt keine Notiz von Beust, bis er ihn mit den Worten: Ich habe Sie in der Verkleidung gar nicht erkannt, begrüßt.
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August 1 Beust ist wieder in Lindau und vor seiner Abreise Opfer eines Betruges geworden. Er bekommt einen Brief, unterzeichnet von der Witwe des Geheimen Rats Held, worin sie ihn um ein Darlehen von 60 Talern bittet. Gutmütig und übereilt gibt er das Geld dem Chaisenträger, der den Brief bringt. Ich erinnere mich, daß er die Sache mir erzählte und mir die Sache sehr sonderbar vorkam. Er geht zu Held – und es ergibt sich, daß sie gar nicht geschrieben hat. Der Chaisenträger ist bald ausgemittelt, aber trotz einer Belohnung von 30 Talern, die auf die Entdeckung gesetzt worden, ist der Frevler, der herzlich gelacht haben wird, wie das Stückehen gelungen, nicht zu ermitteln gewesen. Eine diplomatische Verhandlung, die mich betrifft, scheint jetzt zu gelingen. Es handelte sich nämlich darum, eine mir von Bayern drohende Ordensverleihung – abzuwenden und dadurch vom König, der Schande halber doch seinen Dank für meine Arbeit (Maria Antonia) mir ausdrücken muß, zu nötigen, nicht bloß ein Bändchen zu opfern. Beust hat den sächsischen Geschäftsträger von Bose in München instruiert und dieser schreibt in einem Brief, den Beust mir schickte85, er habe ganz vertraulich mit Minister Pfordten gesprochen, der erwiderte: „Das Ministerium habe über mehre Dosen zu verfügen, von denen eine für Herrn von Weber ausgesucht werden könne. Schon die praktische Richtung des letztern ergötzte ihn der Seltenheit wegen“. Lange werde ich die Dose, wenn ich sie erhalte, nicht besitzen! August 16 Am Freitag war ich zum Fürsten Schönburg zu Tische gebeten, bei dem ich, ich weiß nicht wie viele Jahre nicht war. Nach dem Diner bat mich Minister Falkenstein, der auch dort war, mit zu ihm zu gehen und eine Zigarre zu rauchen. Er sprach mit mir über seinen Plan, das frühere Oberkonsistorium für innere und äußere Angelegenheiten der Kirche wiederherzustellen, eine Idee, die mir sehr unpraktisch erscheint, was ich ihm auch nicht verhehlte. Er sprach auch selbst die Überzeugung aus, daß er nicht damit durchkommen werde, wofür dann nur die unnötige Arbeit. Wie er aber überhaupt kein Mann einer festen Überzeugung ist, so schien er die ganze Sache mehr so zu betrachten, daß er, wenn er nur irgend einen Plan, gleichviel welchen, vorlege, er doch – etwas getan habe. Daneben erwähnte er das Justizministerium, das mir zugedacht sei! Er habe deshalb bereits mit dem König gesprochen. Abgesehen davon, daß die ganze Geschichte vielleicht gar nicht wahr ist, woran ich bei Falkenstein schon gewohnt bin, habe ich gar keine Sorge, daß man mich in die unangenehme Lage versetzen werde, es abzulehnen, da weder der König mir irgend ein Zeichen besonderen Vertrauens gegeben, noch die anderen Minister, besonders Beust sich mich zum Kollegen aussuchen werde. Daher schlafe ich ohne Sorge vor der Hand noch ganz ruhig. Der Geheime Rat Lemaistre, ein aufgeblasener Esel, hat jetzt einen eklatanten Beweis seiner Dummheit gegeben. Sein leiblicher Neffe, ein junger Schaupieler von Talent, gibt hier Gastrollen, gefällt und soll mit 1 400 Talern engagiert werden. Wie Lemaistre das hört, schreibt er einen verzweiflungsvollen Brief an Lüttichau, worin er sich über die seinem Namen (hat er denn einen?) drohende Schmach beklagt, versichert, wenn der Mensch unter seinem Namen aufs Theater komme, bleibe ihm selbst nichts übrig als – abzugehen. Diese furchtbare Drohung und seine verzweiflungsvollen Beschwerden beim König haben dann auch das Resultat gehabt, daß der Neffe nicht unter seinem Namen, sondern unter seinem 85
Bericht des sächsischen Gesandten von Bose in München an Beust in der Ordensangelegenheit für Weber vom 13. Juli 1857. Siehe Dokumentenanhang Nr. 19.
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Vornamen als Herr Maximilian auftritt. Folge davon sind dann alle Tage jetzt Artikel in dem „Dresdner Anzeiger“ mit guten und schlechten Witzen auf den „aufgeblasenen geheimen Oncle“. Oktober 18 Am Mittwoch sind wir hereingezogen. Antons folgten uns am Freitag, nachdem er noch kurz vorher das Grundstück neben dem unseren in Loschwitz für 3 000 Taler gekauft, wodurch wir eine sehr angenehme Nachbarschaft bekommen. Mein Buch „Aus vier Jahrhunderten“ ist nun im ersten Teile vollendet und ich habe die 18 Freiexemplare, die ich mir bedungen, in der Mehrzahl verteilt. Daß ich den Mitgliedern des Gesamtministeriums, das mir einige recht interessante Sachen aus Pedanterie weggeschnitten, noch Freiexempklare geben muß, ist allerdings ebeno bitter als langweilig, da ich die verschiedenen Briefe doch nicht alle über einen Leisten schreiben kann und mich daher abmühen muß, eine Menge Variationen auf ,,Du, Du liegts mir am Herzen“ zu komponieren. Brockhaus, mein Verleger, schickte für die zwei Blätter, welche den Titel enthalten, noch ½ Louisdor, was mich denn veranlasste, ihm bemerklich zu machen, daß mir das nicht in der Ordnung zu sein scheine, daß ich es aber dahingestellt sein lassen wolle, weil ich sonst auf die bei meinem Buch heiklige Frage komme, was besser sei, Titel oder Werk. Die Geschichte in Bayern (siehe 1. August) hat eine sehr unangenehme Wendung genommen. Pfordten hat, wie der sächsische Gesandte von Bose schreibt, mit großen Elogen über mich dem König das Geschenk einer Dose in Vorschlag gebracht, dieser aber resolviert, es sei gar nicht seine Absicht gewesen, die archivarischen Nachrichten bis zu einem zweibändigen Werke anschwellen zu lassen und Pfordten möge einen Orden in Vorschlag bringen. Beust gab mir den Brief86. Das Unangenehmste ist nur, wenn die Sache den Charakter einer Bettelei gewinne und das „wie der Kerl heißt“ einmal nicht zu vermeiden, nun so kann er bei den übrigen hängen. Man sieht aber travailles pour le roi de Baviere – est travailles pour le roi de Prusse. Oktober 21 Ich habe von meinem Buche 18 Freiexemplare erhalten und sie verteilt. Der König, der Kronprinz, Prinz Georg, die Minister mußten Anstandshalber Exemplare bekommen. Gestern war ich deshalb beim Kronprinzen, es ihm zu übergeben. Das erste Mal, daß ich in seiner Häuslichkeit ihn sah. Er wohnt auf dem ehemaligen Maxischen Garten an der Ostraallee. Solche Audienzen von vier Stück sind für beide Teile nicht sehr amüsant und ich war sehr froh, daß sich in meinem Buche über Maria Antonia ein Gegenstand der Unterhaltung für uns fand. Oktober 22 Heute Morgen erschien mit wenigstens 10 bunten Bändchen geschmückt mein Verleger Tauchnitz, der aber noch einen Nebenzweck hatte. Er will nämlich gern – geadelt werden und hat sich deshalb vor längerer Zeit an Beust gewendet, aber keine Anwort erhalten. Ich ging denn zu Beust und erfuhr, daß von einer Ernennung, wie Tauchnitz gewünscht, keine Rede sein könnte, weil gar nichts nachgewiesen ist. Das war denn Tauchnitz natürlich sehr fatal, aber nicht zu ändern. Ich schlug ihm vor, sich in Koburg adeln zu lassen, wo ich es durch Seebach leicht machen könnte, wenn er etwas daran wenden will. Um 2 Uhr war ich beim Prinz Georg in seinem neuen Palais, um ihm mein Buch zu geben. Er war sehr höflich und seine Unterhaltung allerdings interessanter als die mit seinem 86
Erneuter Bericht des sächsischen Gesandten von Bose in München an Beust in der Ordensangelegenheit für Weber vom 8. Oktober 1857. Siehe Dokumentenanhang Nr. 20.
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Bruder. Er ist sehr musikalisch und stimmt mit mir in der Vorliebe zu Haydn überein – von Schiller mit seiner Entstellung der Geschichte und Freiheitsideen wollte er aber nichts wissen, zog Goethe vor. Das mag wohl die Ansicht der Hofsphären sein. Man sagt dem Prinzen nach, er sei sehr stolz. Davon habe ich nichts bemerkt, es war ganz gemütlich. Mit dieser Unterredung wird aber unsere Bekanntschaft wohl abgeschlossen sein, da ich mit größeren Herren nicht gern – Kirschen esse. Dezember 9 Eben schickt mir Beust einen Brief des Gesandten in München, von Bose. Er meldet, daß Pfordten bei ihm gewesen und ihm mit vielem Bedauern angezeigt, daß sein wiederholter Vorschlag, mir eine Brillantdose zu geben, vom König abgelehnt worden, der mir nur einen Orden zugedacht. Im tiefsten Vertrauen hat ihm Pfordten gesagt, der König von Bayern habe die Lebensbeschreibung der Maria Antonia selbst herausgeben lassen wollen und dazu nur Beiträge aus dem Hauptstaatsarchiv gewünscht (d. h. er hat meine Arbeit benutzen wollen, ohne mir die Ehre zu gönnen) und er sei nun eifersüchtig, daß man ihm in Sachsen zuvorgekommen. Ziemlich kleinlich! Den heiligen Michael oder wie die bayerischen Heiligen heißen, mag ich natürlich gar nicht und ich habe daher Beust gebeten, die Sache zu vermitteln, daß ich unbezweifelt bleibe. Travailles pour le Roi de Baviere c’est travailles pour le Roi de Prusse, diese geistreiche Bemerkung ist die einzige, die ich dabei zu machen habe. Dezember 26 Heute war ich zum Prinz Georg zum Diner, als (Dank) für Übergabe meines Buches. Seebach aus Paris, Vitzthum, sächsischer Gesandter in London, Minister Zeschau und Behr, Schnorr von Carolsfeld, Kohlschütter pp. waren da. Vortreffliches Essen und Wein, den ich wegen Zahnschmerzen nicht genießen konnte. Die Unterhaltung verstand der Prinz recht anmutig zu leiten, daß sie allgemein ward und nicht in stille Zwiegespräche wie gewöhnlich bei solchen Diners überging. Sein neu ausgebautes Palais hat er ganz prächtig eingerichtet.
1858 Februar 12 Gestern Mittag starb unser guter alter Reitzenstein. Heute folgte ihm der russische Gesandte von Sehröder nach. Wieder zwei aus dem Kreise der Bekannten, der sich immer mehr verengt. Ein wunderbares Zusammentreffen muß ich noch erwähnen. Vorgestern Mittag um 4 Uhr trat bei Schröder eine Geistesstörung ein. Er setzt sich zum Essen an den Tisch, ganz allein – und fängt auf einmal zum Erstaunen der Diener ein Gespräch mit Reitzenstein an, als ob ihm dieser dann mit Boblick und Arnim gegenübersitze. Zu derselben Stunde ist Boblick bei Reitzenstein, den noch einmal zu sehen er sich nicht hatte abweisen lassen. Er findet ihn bewußtlos, wird nicht erkannt. Auf einmal erhebt er sich und sagt, er müsse zu Schröder, der ihn zu Tisch gebeten, man solle ihn ankleiden pp. Man könnte an ein geistiges (Band) der beiden Geistesabwesenden glauben, wenn es sich nicht dadurch erklären ließe, daß beide sich jedenfalls viel miteinander beschäftigt – das Zusammentreffen der Zeit ist dann – Zufall? Februar 21 Merkwürdig ist mir in den Kammern jetzt die Animosität gegen Beust, die sich bei jeder Gelegenheit zeigt und zugleich verleumdet man ihn auf infame Weise, als ob er verschuldet und daher bestechlich wäre. Ich war in Zweifel, ob ich ihm etwas davon sagen sollte, habe es aber gelassen, da es ihn doch ärgern würde und sich gegen solche im Stillen
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schleichende Bosheit gar nichts tun läßt. Packe jemand einmal aus der Tausend den Urheber eines solchen Gerüchts, das von einer Bierbank zur andern kriecht! März 1 Am Dienstag den 23. war ich zum Kronprinzen zum Diner. Er hat sich etwas Zeit genommen mit seiner Einladung, als Erwiderung des Geschenkes meines Buches. Es war ein großes Diner, recht gut. März 7 Der Konkurs und die Flucht des Bankier Bondi hat hier viele Leute, unter denen auch Bekannte von uns, z. B. Budberg, in Verlust gebracht. Er war ein gewandter Mensch, der den Menschen vorzuschwätzen verstand. Manche hatte er beredet, ihm Kapitalien zu geben, um für sie damit zu spekulieren. Das ging auch eine Weile, er soll bis 14 Prozent gegeben haben, allein es endete, wie sich erwarten ließ.87 Beust bekam ich lange nicht zu sehen. Er gibt jetzt Dienstags Soireen, die ich aber zu vermeiden weiß. Der arme Seelmann ist, nachdem seine Frau seit Wochen am Typhus lag, auch davon befallen und in die Diakonissenanstalt gebracht worden. Er ist ganz ohne Geld und ich schickte daher durch Schlick 40 Taler, zu denen Jordan die Hälfte beitragen will, um nur die Kinder nicht hungern und die Frau verpflegen zu lassen. Das Quartett ist dadurch diesen Winter ganz ins Stocken gekommen. Einmal spielten wir aber, indem von Wasilewski die erste Geige übernahm. März 21 Früh um 10 ½, als gerade die Elbe fortging und der Pfad am Ufer ungangbar war, gingen wir mit Antons nach Loschwitz, wo wir heizten und frühstückten. Wir kamen allerdings erst zu einem späten Diner zurück. Abends gingen wir mit Erhard zum ersten Male ins Theater. Es wurde „Aladin“ von Mäder gegeben, worin Dekorationen, Ballett etc. daher ganz passend für ihn. Auf dem Wege begegnete mir ein Bote der Telegraphenstation, der mir ein Telegramm brachte, daß meine Schwiegermutter erkrankt sei und Marie nicht entgegenkommen könne, diese daher hier bleiben möge – auch nicht übel, während wir hofften, sie übermorgen los zu werden. April 8 Marie reiste doch noch ab und hat wohl getan, da meine Schwiegermutter zwar nicht gefährlich krank war, doch ihrer Pflege bedurfte. Wir sind aber vor allem froh, den kleinen Pflegel los zu sein. Das Frühjahr kommt spät. Es war, als wir vor einigen Tagen während der Ostertage in Loschwitz waren, noch recht winterlich draußen und doch wäre ich gern gleich draußen geblieben, so schön fand ich es, so ruhig und heimlig. Erhard, den ich jetzt in das Blochmannsche Institut tue, ist aber der Hemmschuh, da der Unterricht dort schon um 7 Uhr früh beginnt. Apri 15 Am 12. Februar d. J. gedachte ich eines Vorgangs eigentümlicher Art mit Schröder und Reitzenstein, bei dem auch Boblick vorkam. Gestern ist auch er begraben worden! Wunder ist es. Aus dem Schrödersehen Nachlaß hatte die Erbin, eine Frau von Derschau, 1 000 Taler den Armen hier geschenkt. Sie hat sich überhaupt sehr nobel benommen. So fand sich ein nicht unterschriebener Zettel, der mehrere Legate enthielt. Sie hat alles anerkannt. Darin war u. a. der Wein (circa 6 000 Flaschen) dem Minister Zeschau, dem Oberhofmarschall 87
Zum Bankensystem in Sachsen siehe Karlsch,Schäfer, Wirtschaftsgeschichte, S. 48–53. Über den Konkurs des Bankiers Bondi wurde im März 1848 im Dresdner Tageblatt (ab 1. April 1848 Dresdner Journal) berichtet. Diese Tageszeitung ist nicht nachweisbar. Siehe Sächsische Zeitungen in Dresdner Bibliotheken und Archiven. Ein Katalog der Bestände bis 1945. Bearb. von Hans-Dieter Wüstling. Dresden 1966, S. 22.
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von Gersdorf und Arnim zu gleichen Teilen ausgesetzt, mit dem Bemerken, da er diesen bei Schröder so gut geschmeckt. Das muß aber nicht der Fall gewesen sein, denn Zeschau hat seinen Teil an den Hofkeller verkauft, Gersdorf aber bei seinem ersten Besuch bei dem neuen russischen Gesandten diesem zum Kauf angeboten, der denn auch das Geschäft mit etwas ironischem Lächeln angenommen hat und wahrscheinlich überzeugt ist, daß ein frommer sächsischer Oberhofmarschall nur Wasser trinkt. Außerdem war auch eine mehrfach durchstrichene Stelle auf dem Zettel gewesen, wonach Zeschau einen der Orden (mit Brillanten) oder eine Dose erhalten solle. Es ist aber so unleserlich gewesen, daß sich nicht ersehen lassen, was er eigentlich erhalten solle. Die Erbin erklärt aber, Zeschau möge sich selbst wählen und läßt ihm sämtliche Brillantorden und Dosen vorlegen. Er sieht sie sich an, erklärt aber, er könne sich nicht entscheiden, er müsse erst – einen Juwelier zu Rate ziehen. Er bringt auch wirklich einen solchen mitgeschleppt, der die Sachen abschätzt und dann wählt er das Teuerste! Oh pfui Teufel! Ehrenstein hat mir es erzählt, er mag die Vertretung übernehmen. Cente, sagt der Italiener, ma non Cavaliero. 18. April Eben habe ich Arnim nach der Geschichte gefragt und zu meiner Beruhigung erfahren, daß es eine infame Lüge ist. Arnim hat selbst die Sache mit Zeschau abgemacht, dem die Wahl zwischen zwei Dosen gelassen war. Er hat, ohne sie anzusehen, die genommen, welche unser verstorbener König Schröder gegeben, während die andere vom Kaiser war. Wer sich aber nur solche Infamien ausdenkt?, gegen die gar keine Rechtfertigung möglich ist, weil der Beschuldigte die Sache natürlich gar nicht erfährt. Mai 5 Seit einer Woche ist ein preußischer Kommissar, Regierungsrat Jordan aus Merseburg hier, um Akten zu übernehmen. Ihm zu Ehren ward ich gestern zum preußischen Gesandten Grafen Redern zu Tische gebeten, aber erst um 4 ½, daß mir der Magen in den Knieen hing. Es war bloß noch ein alter Oberst von Röder und der bayerische Gesandte von Gise da. Mai 13 Sonnabend nach Loschwitz gezogen. Am Montag Mittag nach Leipzig mit Ehrenstein pp. Gute Anekdote von einem Herrn von Löben, der als Finanzrat um Urlaub bittet zu einer Reise nach Italien, der ihm abgeschlagen wird. Tags darauf sitzt er verdrießlich neben seinem Kollegen von Polenz. Als dieser ihn fragt, warum er so verdrießlich sei, sagt er, er wolle ihm ein Rätsel aufgeben. Es lautet so Ach könnt ich das Zweite am Ufer des Ersten erleben, Statt mit dem doppelten Ersten neben dem Ganzen zu kleben. In Leipzig mit Berlepsch und Adolf die Stadt besehen und dann bei Adolf soupiert: ist Rosa eine pedantische, altjüngferliche Person! Geschniegelt, gebügelt, gedrechselt und bester Gesellschaft, der Inbegriff des Glücks! Es mag recht interessant sein, mit ihr zu leben. Obwohl sie ein leeres Zimmer haben, das als Essstube dient, boten sie es mir nicht einmal an, dort zu schlafen. Adolf hatte mir Quartier in Stadt Nürnberg bestellt. Dienstag zur Eröffnung der Schwarzenherger Bahn nach Zwickau, von dort durch das herrliche Muldental bei herrlichem Wetter, froher Gesellschaft nach Schwarzenberg. Überall Tausende, Berg- und Hüttenleute in ihren malerischen Trachten. Das Fest war ganz gelungen. Der König ließ während des Mittagessens die Leute durch den zum Speisesaal dekorierten Güterschuppen, worin wir, etwa 300 aßen, defilieren. Wir beschenkten die Mädchen mit Bonbons – allerdings auf königliche Kosten. Die Leute hielten Behr, weil er allein ein breites Ordensband trug, für den König
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und den bayerischen Gesandten, der eine rote Uniform trug, für den Prinzen. Als der König einen Toast auf das „Erzgebirge“ ausbrachte, erklärte mir mein Nachbar, ein Schwarzenberger Stadtrat, der Sprechende sei nicht der König, weil – er sitzen bleibe. In Schwarzenberg setzt sich wahrscheinlich der Stadtrat, wenn der König mit ihm stehend sprechen muß. Die Nacht wieder in Leipzig, gestern früh zurück, um 12 ins Archiv, einiges expediert, und dann wieder zu meinem Sophel nach Loschwitz. Juli 25 Einmal waren wir bei Beust’s in Laubegast, wo er ein schönes Grundstück gekauft hat, zu Tische, sie vorher bei uns mit Otto Könneritz, der mit seinem schneeweißen Haar noch der jeune homme sein will. August 2 Seit Mittwoch gießt es fast ohne Aufhören. Im Gebirge große Wassersnot. Sonst bin ich mit dem Regen ganz zufrieden, da er mich veranlasst zu arbeiten, was mir immer auch Spaß macht. Beust auch krank, besuchte ihn vorgestern auf 10 Minuten. August 15 Der Landtagsschluß vorige Woche hätte beinahe das Ministerium gesprengt. Beust lag krank in Laubegast. Zschinsky ist im Gesamtministerium Null. Da sollte die Antwort erfolgen auf die Budgetschrift. Die Zweite Kammer hat wegen des Militärs nicht Alles bewilligt und Rabenhorst deshalb einen Satz entworfen und vom König genehmigen lassen, den Behr nicht billigte. Es brennt also in allen Ecken. Behr berät mit seinen Geheimen Räten, erklärt, er sei auf Alles gefaßt – comment toujours – indessen beruhigt sich der Sturm und nur eine persönliche Spannung der beiden Herren ist übrig geblieben. In Freiberg hat man jetzt eine Entdeckung eigentümlicher Art gemacht. On dit, daß auf Veranlassung des dortigen katholischen Geistlichen sich unter den Schülern des Gymnasiums eine geheime Verbindung jesuitischer Tendenz gebildet hat, deren Nebenzweck aber in Onanie und Päderasie bestanden. Ein Tagebuch eines Schülers, das man gefunden, hat die Sache veraten. Auch nicht übel! Mein zweiter Band ist nun erschienen, wollen nun sehen, ob Tauchnitz sich nach einer Fortsetzung sehnt, zu der ich Material bearbeite, wenn ich auch noch nicht weiß, ob ich es brauchen kann. Es amüsiert mich, aus den kleinen Steinchen, die ich zerstreut finde, etwas zusammen zu bauen. Ich wüßte auch nicht, was ich sonst bei Regentagen hier anfangen sollte.88 August 19 Am Dienstag ging ich früh zum Kronprinzen, um ihm mein Buch zu übergeben. Ich ließ mich wie bei einem Privatmann melden und ward auch gleich angenommen. Er war sehr freundlich, ließ mich Platz nehmen und wir unterhielten uns ¾ Stunde ganz vertraulich, bis ein Anderer gemeldet ward. Er sprach auch von Beust, beklagte, daß ihm die Kammern nicht trauten, indem er etwas ironisch bemerkte: Ich traue ihm! (?) Es ist schade, daß der Prinz, der etwas ganz Gemütliches hat, sich so fern hält, daß ihn außer einigen Leutnants, mit denen er Skat spielt, Niemand kennt. Beust war gestern zum ersten Male wieder auf dem Dampfschiff. Er geht Freitag nach Gasteien und will in München meine Belohnung für Maria Antonia wieder in Anregung bringen. Nous verons! Er erzählte u. a., als er aus Baden abberufen worden (als er selbst Minister war), reiste er dahin, um selbst sein Abberufungsschreiben zu übergeben. Der König vollzieht es. Als er aber 1 Stunde auf der Eisenbahn gefahren ist, besinnt er sich, daß er das Schreiben im Schreibtisch verschlossen liegen lassen. Er telegraphiert nun zurück und läßt ein Neues entwerfen, das ihn dann auch glücklich in Hannover, wo er verweilte, einholt. 88
Es handelt sich um den Band 2 von Webers Werk „Aus vier Jahrhunderten“, Leipzig 1857.
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Zschinsky ist seit einigen Tagen nach Loschwitz neben uns in das Keglersche Grundstück gezogen. Wir waren gestern bei ihm. Er ist entsetzlich verdrießlich und knurrig reizbar. Ich bin sehr froh, daß ich mit ihm gar Nichts zu tun habe und nicht sehr erfreut, daß er die Absicht hat, sich ebenfalls hier einzukaufen. August 22 Eine Preßanekdote auf den Dresdner Dialekt. Ein biederer Dresdner Bürger tritt mit seiner Frau in eine Konditorei und an den Ladentisch mit den Worten „Heren Se mei gutes Herrchen, ich möchte gern en Paar Besergen (Baisserschen)“. Die Ladenmamsell errötet und ruft, als er den sonderbaren Wunsch wiederholt, den Konditor, der von Hinauswerfen redet. Die Frau mischt sich hinein, beruhigend, und zeigt auf die gewünschten Baissers. Es klärt sich auf und der Dresdner fragt nach dem Preise. Zwei Groschen sind ihm zuviel und die Frau sagt nun vorwurfsvoll „Siehste, wie du pißt (bist), erst pißte obenaus und dann scheißt (scheust) Du eine kleine Ausgabe.“ Abends gestern waren wir bei Erkels, wo ich aber doch Bedenken trug, die Anekdote zu erzählen. Gestern bekam ich einen Brief von einem königlichen Postexpedient Bertram von Pretsch, worin er mich unter Beziehung darauf, daß er ein passionierter Freund der sächsischen Geschichte sei, bittet, ihm mein Buch gegen einen ermäßigten Preis zukommen zu lassen oder zu borgen. Dafür nennt er mich auch „Exzellenz“. September 29 Vor einigen Tagen entdeckte mein Anton seine Besorgnis, daß er bei den dermaligen Besetzungen im Oberappellationsgericht übergangen werden könnte, weil er, obwohl der älteste und tüchtigste Appellationsrat, die Faulheit des Präsidenten Müller ertragen müsse. Dieser heißt nämlich nur Präsident, führt aber das Direktorium gar nicht, sondern der Vizepräsident Schneider, der Anton, wenn er wie jetzt wieder in der Zivilgesetzgebungskommission tätig ist, behindern wird. Zwischen Müller und Zschinsky findet aber ein ganz eigentümlicher, schon seit langen Jahren z. B. von Seebach kontrollierter Nexus (er wollte damals Beschwerde führen) statt, der, wie man vermutet, darin seinen Grund hat, daß Zschinsky ihm Geld schuldig ist, kurz, Müller kann machen was er will. Die Sache wäre aber doch zu toll und ich ging daher zum Geheimen Rat Hänel, um ihm vorzustellen, welche Ungerechtigkeit es sein würde, wenn man Anton übergehen wollte. Er versprach zu tun was er könne und wird es, da er ein ehrlicher Mann ist, tun. Die Freiherger Beust, die vor einem Jahr in Reichenhall war und dort allerhand abenteuerliches Zeug getrieben hat, u. a. als Bauernmädchen verkleidet herumgelaufen ist, figuriert nun in dieser Stelle in dem Frankfurter Korrespondenzblatt (Beilage zur Frankfurter Postzeitung) vom 9. Juni 1858 Nr. 147, worin ihre Fahrten erzählt werden, nicht angenehm für den Mann, aber ebenfalls für mich, denn Frau von Houwald plagt mich unausgesetzt mit Erzählungen aller Missetaten ihrer Tochter, und wird mir, der ich doch nichts ändern kann, so ledern, daß ich sie förmlich fliehe. Der Kladeradatsch brachte neulich auch eine Bemerkung über den Kreisdirektor von Burgsdorf, dessen jedesmaliges Erscheinen in irgend einem Nest Zeitungsartikel mit sehr ungeschickten Wendungen zu vermelden pflegen. Hätte schon früher der Ausdruck „Der Herr Kreisdirektor geruhete“ Anstoß erregt, so war er neuerdings wieder als „Hochderselbe“ bezeichnet worden. Jordan sagte sehr richtig, es wäre bezeichnender „Dickderselbe“, da er nämlich ungeheuer fett ist. Von einem ehemaligen Gastwirt, ciderant Hausknecht, Gerskamp, der sein Hotel de Saxe mit großem Gewinn bewirtschaftet, dann verkauft hat und jetzt als Seigneur die ehemalige
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Reitzensteinsche Villa unweit des #s besitzt und durch Türme pp. verunstaltet hat, erzählte man neulich auch ein paar gute Anekdoten. Er sieht einen Zettel, auf dem eine Symphonie in C-Moll angegeben ist und fragt denn, wer denn der Karl Moll sei. Wie er seinen Essensaal verläßt, sagt er, sie möchten doch an die Decke ein paar Früchte und Würste malen, daß man sehe, es seien Freßkobilder im Essen (Fraß). Oktober 18 Herbsttage wie Frühlingstage, Mondscheinnächte wie im Mai. Es war noch herrlich in Loschwitz, aber der Kinder wegen, besonders Erhards wegen, der alle Tage schon früh 7 Uhr mit dem Schiffe nach der Stadt mußte, war es doch ratsam, herein zu ziehen. Ich wäre gern den halben Winter in der Stille des Landlebens geblieben, wenn Bagatelle sich nur einigermaßen dafiir qualifizierte. Ich werde mit dem Alter immer ungeselliger, menschenscheuer, verliere ganz die Befähigung, mich zu amüsieren. Am Behagtesten ist es mir, wenn ich allein mit Sophie bin draußen auf unserem Schloße. Habe ich dann noch ein Buch oder eine Arbeit, die mich unterhält, so bin ich ganz zufrieden. Am Sonnabend zogen wir denn herein. Ich aß Mittag in einem neu errichteten Kellerrestaurant im Victoria-Hotel, ganz nach Pariser Art mit einem Speisezettel von 160 Gerichten. Wenn es aber nicht mehr Zuspruch fmdet als in den ersten Tagen, wird es bald wieder zumachen. Es waren bloß ein paar Menschen da, natürlich unter ihnen die Gräfin Sophie Lynar, das 70jährige Girl. November 2 Gegen 10 bekam ich ein Billett von Beust, worin er mich bat, sogleich zu ihm zu kommen. Ich bekam erst einen Schreck, dachte, ein albernes Gerücht, welches mich zum Justizminister an des am Sonntag begrabenen Zschinsky ernannt, könnte doch am Ende begründet sein. Ich dachte mir schon verschiedene Auswege aus, beruhigte mich aber, noch ehe ich bei Beust eintraf, bei dem Gedanken, daß zwar vieles Alberne in der Welt vorgeht, aber Beust jedenfalls mehr Menschenkenntnis habe, als daß er mich zu seinem Kollegen vorschlagen würde. Beust teilte mir zuerst mit, daß ich trotz aller Verhandlungen doch dem bayerischen Orden nicht entgehen kann und Gise mir ihn mit einer Rede überbringen werde. Meine Freude war jedenfalls ebenso groß wie die Geneigtheit des Königs von Bayern, der ein paar Jahre hat verstreichen lassen ohne Notiz zu nehmen, seinen Dank mir auszudrücken. Die Hauptsache aber betraf Beust selbst. Der König hat nämlich Lust, nicht ihm, der der Älteste ist, sondern Behr das Direktorium im Gesamtministerium zu übertragen. Behr paßt persönlich sehr gut zum König, besser als Beust (dem er nicht immer trauen mag). Beide sind sittlich streng, gutmütig, wissenschaftlich, aber auch gleich spießbürgerlich, so bezeichnet Beust es. Behr ist der Liebling des Königs, der Zschinskys Tod aufgenommen, „als wenn ein Pferd im Stalle gefallen“ wäre. Er hat, als Beust auf das ihm zukommende Direktorium angespielt, ausweichende Antworten gegeben, habe Zeit sich vorbehalten. Die ganze Geschichte ist eigentlich eine bloße Form, eine Farce, da der praesus gar kein Vorrecht oder vermehrten Einfluß hat, als daß er die Resolution in die Registrande einträgt. Aber Beust legt auf den Ehrenpunkt so hohes Gewicht, daß er versichert, er lege seine Stelle nieder, wenn er nicht die Direktion erhalte, „sei er doch gewiß, überall mit offenen Armen aufgenommen zu werden“. Es kam nun darauf an, zu erwägen, was zu tun sei, um es zu vermeiden, daß weitere Hindernisse beseitigt und jener Fall vermieden werde. Wir kamen endlich überein, daß ich Zeschau veranlassen solle, den König auf Beust’s Ansprüche und das Bedenkliche einer Nichtbeachtung derselben aufmerksam zu machen. Ich ging zu ihm. Er raisonnierte zuerst auf Beust’s ungeheuere Eitelkeit, meinte, es verstehe sich
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von selbst, daß er die Direktion übernehme. Es bedürfe aber gar keiner Bekanntmachung, versprach aber, nachdem er mir natürlich Verschwiegenheit zugesichert, mit dem König zu reden, obwohl es, wie er sagte, eigentlich viel besser wäre, wenn Beust, der doch alles liegen lassen werde, die Direktion nicht erhalte. Zeschau ist, wie ich bemerkte, Beust überhaupt nicht sehr günstig, wie er denn überhaupt trotz seiner entschiedenen persönlichen Liebenswürdigkeit so gar wenige Freunde hat. Ich glaube, außer mir meint es eigentlich kein Mensch ehrlich gut mit ihm. Viel trägt dazu die Albernheit und Grobheit seiner Frau bei, in der Zeschau, wie er sagte, beim ersten Besuche das Schaf erkannt haben wollte – sie ist mehr eine Katze! November 5 Am Mittwoch Abend war ich nochmals bei Zeschau, der mit dem König gesprochen hat. Er benutzte eine stundenlange Unterredung, um mir alle Einrichtungen bei den Königlichen Sammlungen, die er getroffen, auseinander zu sehen und etwas das Rad zu schlagen, während er durchblicken ließ, daß der König mit Beust’s Eitelkeit und etwas leichtsinniger Geschäftsführung nicht einverstanden sei. Ich sprach nun gestern ganz offen deshalb mit Beust, machte ihn darauf aufmerksam, daß es immer gefährlich ist, den Ernst der Geschäfte durch Witze, wenn sie auch gut sind, zu unterbrechen und daß er des Königs etwaige Bedenken über seine Geschäftsführung beim Gesamtministerium am besten dadurch erledigen könne, wenn er selbst in Vorschlag bringe, daß wieder ein tüchtiger Referent beim Gesamtministerium eintrete. Er nahm meine freundschaftlichen Bemerkungen wie immer ganz gut auf. Vorgestern erschien auch Herr von Gise bei mir und brachte mir den Michel, legte mir aber gleichzeitig eine Schrift zur Unterzeichnung vor, durch welche ich versprach, die Veranstaltung zu treffen, daß nach meinem (hoffentlich baldigen stand nicht dabei) Tode der Orden zurückgegeben werde. Am Liebsten hätte ich dem Herrn Ministerresidenten das Ding gleich wieder mitgegeben, damit die Krone Bayern gegen jeden Verlust gesichert sei. November 21 Gestern Abend war ich mit Kohlschütter, Ehrenstein und Just bei einem Italiener Lösch zusammen in einem kleinen Zimmer im traulichen Gespräch. Wir wollen das aller 14 Tage wiederholen, was auch recht nötig ist, wenn man sich nicht ganz aus den Augen verlieren will. Wir können uns, gegenseitiger Diskretion gewiß, da aussprechen über Vieles. Dezember 3 Heute Abend kam der Geheime Rat von Langenn zu mir ins Archiv, um mir einen sonderbaren Besuch anzukündigen. Ich habe nämlich im ersten Band meines Buches „Aus vier Jahrhunderten“ eine Geschichte von einem Grafen Bethusy aus dem vorigen Jahrhundert erzählt, durch die sich ein Nachkomme für beleidigt erachtet. Was er nun eigentlich will, wird sich morgen zeigen, wenn er zu mir kommt. Gegen Langenn hat er von verklagen gesprochen. Was er damit durchzuführen beabsichtigt, ist mir nicht klar, da von einer Injurie bei meiner aktenmäßigen Darstellung keine Rede sein kann. Will er sich persönlich an mich halten, habe ich nichts dagegen. Mir ist das Leben so wenig wert, daß ich eine Kugel gar nicht fürchte. Ich werde daher, so alt ich bin und so lächerlich es an sich ist, mich der Geschichte wegen mit ihm schlagen. Dezember 8 Die Sache hat sich mit Bethusy, nachdem sie erst die ernsteste Wendung nahm, ausgeglichen. Er hat mir ganze Stöße Akten, Briefe pp. vorgelegt, in denen ich neue Tatsachen finde. Aus solchen auf eine geeignete Weise eine Berichtigung zu geben bin ich bereit und wir wollen sie, wenn er die hiesigen Akten durchgesehen, zusammen fertigen. Man sieht aber, daß man selbst bei alten Geschichten vorsichtig sein, lieber Namen verschweigen muß, um nicht die Nachkommen unnötiger Weise zu verletzen.89 89
Siehe Weber, Aus vier Jahrhunderten, Band 1, S. 328–344: Paul d’Huc, Marquis de Bethusy 1775.
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Am Montag war ich im Altertumsverein, wo eine Szene vorkam, die lebhaft an die Pickwickier erinnerte. Der Kassierer Gutbier hatte sich nämlich geweigert, Bindfaden, Siegellacke, Sägespäne und dergleichen wichtige Gegenstände anzuschaffen und verlangt, der Sekretär (Appellationsrat Noski) solle dies tun. Gutbier behauptete, es wüchse dem Amt des Kassieres dadurch eine ungeheuere Arbeitslast zu und überhaupt sei – da lag der Hase im Pfeffer – die Stelle des Kassierers allmählich auf die vierte herabgedrängt worden – also eine Art Rangstreit im gremio des Altertumsvereinsvorstandes! Dezember 31 Silvesterabend. Also schon wieder am Schluß eines Jahres, das mir nach dem Wechsel, der des Menschen Schicksal ist, manche frohe, manche trübe Stunde – letztere oft durch eigne Schuld, Übereilung pp. brachte.
1859 Januar 6 Behr, der 65jährige Mann, der nur geistesschwache Kinder hat, ist in den Adelsstand – kann man sagen erhoben? – worden. Für ihn ist es eine Lächerlichkeit und auch im Lande wird es keinen günstigen Eindruck machen, wenn der König die Nobilitierung als den höchsten Lohn, den er erteilen kann, bezeichnet. Ein Orden in Brillanten wäre allerdings geeigneter – aber kostspieliger gewesen. Eine kuriose Wahl ist auch die Schimpffs zum Kreisdirektor. Ich könnte da ebenso gut Zolldirektor werden. Mangel an Kapazitäten ist allerdings unter den Beamten. Dieser wird aber immer mehr zunehmen, wenn jedes Gewerbe lohnender ist als das eines Staatsdieners. Wir werden bald nur die positiven Esel sich dahin wünschen sehen. Vorgestern hatten sich Beust’s bei uns melden lassen. Wir luden ihnen noch Halles, Jordan und Ferdinand zu. Die Frau Ministerin ist aber so wenig amüsant und amüsabel, daß wir sehr froh waren, daß es wenigstens leidlich ablief. Mit aller Welt brouilliert, hat sie gar niemand, der ihre Gesellschaft sucht und so sind wir ihr jetzt wohl gut genug. Beust’s Stellung ist auch eine wesentlich andere als unter dem verstorbenen König. Er ist nicht mehr der kleine Brühl und Friesens Wahl zum Minister keinesfalls sein Werk. Der König kennt seine Befähigung und weiß sie zu schätzen, allein er hat, es ist aus einer beiläufigen Äußerung des Kronprinzen, die er einmal gegen mich tat und die mir erst später auffiel, kein rechtes Zutrauen zu ihm. Er liebt es nicht, daß Beust ernste Angelegenheiten gern mit einem Witz begleitet. Der König lacht wohl darüber, aber er entnimmt doch, daß die Sache Beust eben nicht ernst ist, und wie er gewissenhaft in allem ist, so will er auch, daß seine Minister es seien. Das gab mir Zeschau auch neulich zu hören, da ich mit ihm über das Ministerpräsidium verhandelte und ich habe es natürlich Beust nicht verschwiegen. Ewig schade, daß er vor lauter diplomatischer Feinheit nun einmal nicht offen und ehrlich sein kann. Welcher Staatsmann wäre er mit 50 % weniger Leichtsinn und dafiir 50 % mehr Zuverlässigkeit. Ich, der ich ihn noch immer mit den Augen der Jugend betrachte, bin oft in Zweifel, ob das wirklich noch der alte Beust ist. Solche wehmütigen Wahrnehmungen, die einem überall begegnen, sind es eben, die den Mut im Leben brechen. Wenn man selbst an 40jährigen Freunden irre wird, wem soll man dann noch trauen? Fertig, wie ich mit dem Leben bin, ohne ehrgeizige Bestrebungen und Wünsche, zufrieden mit meiner Stellung, schließe ich mich am liebsten ab von der Welt wie die Auster. Daß ich Besseres leisten könnte, als Akten zu kassie-
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ren und ordnen, das fühle ich. Denke ich mir aber, daß ich wieder in einen Posten kommen sollte, der mich dem Leben und den Menschen näher führte, so graut mir. Was sollte ich auch werden. Vor 10 Jahren hätte ich einen tüchtigen Präsidenten in der Justiz abgegeben. Ich hätte es wenigstens werden könnnen. Jetzt, wo ich die Jurisprudenz ganz vergessen, ist es zu spät. Folglich bleibe ich Archivar! Punktum! Januar 16 Vorgestern kam ich zufällig in das Finanzarchiv, wo mich der neue Finanzarchivar Stephani darauf aufmerksam machte, daß übermorgen die Generalversammlung der Zuckersiederaktiengesellschaft zur Beschlussfassung über Veräußerung des Grundstücks an der Ostraallee, das zum Hauptstaatsarchiv mit vorgeschlagen worden, gehalten werde. Periculum in mora, wenn man es noch kaufen will. Da eigentlich Niemand sich um die Sache bekümmert, so ging ich, obwohl ein früherer Bericht von mir deshalb unbeachtet geblieben, in das Finanzministerium, wo ich denn mit Ehrenstein, dem neuen Finanzminister Friesen deshalb Beratung gehalten und beschlossen ward, die Sache dem König sogleich vorzutragen. Wenn also das Grundstück noch gekauft wird, so beruht dies darauf, daß Erbstein eine konfuse Anfrage im Finanzarchiv gestellt hatte, zu deren Berichtigung ich, da er selbst krank ist, selbst hinging. Also weil Erbstein den Schnupfen hatte, wird das Grundstück gekauft. Man könnte vielleicht noch weiter zurückgehen auf den Grund, der ihm den Schnupfen zugezogen. Februar 8 Beust hat am Sonntag einen rechten Schreck gehabt. Sein ältester Sohn, Friedrich, ein hochmütiges, etwas beschränktes Bürschchen von15 Jahren, fehlt am Abend. Man überzeugt sich endlich, daß er davongelaufen. Polizeiliche Nachforschungen ergeben, daß er auf der Eisenbahn nach Brockwitz gefahren. Dorthin eilt nun in der Nacht Beust und findet den Bengel dort ruhig im Bette. Er hatte anderntags schreiben wollen, um – eine Reise anzutreten, wozu er allerdings nur 10 Neugroschen mitgenommen. Selbst die Uhr hatte er zurückgelassen. Ein dummer Jungenstreich, mehr scheint es nicht zu sein. Was sonst kluge Leute mitunter, durch Eitelkeit verführt, bequem machten wie unser Halle. Wir waren da heute zu einem Diner, zu dem er das ganze diplomatische Korps, dessen er habhaftig werden können, eingeladen, den Fürsten Wolchonski, Graf Redem, der jetzt nach Brüssel versetzt ist (schade, seine Frau ist höchst liebenswürdig und höflich, mit ihm, mit dem ich oft Whist spielte, kam ich auch immer sehr gut aus), Forth-Rouen mit ihren Frauen. Solche Gesellschaft will aber ganz anders bedient sein als wie wenn wir bei Halle essen. Es haperte denn mehrfach, das Essen war nicht fein genug und natürlich die ganze Geschichte sehr ledern. Ich mag mit dem Russen gar nichts zu tun haben, ließ mich daher der Fürstin gar nicht vorstellen. Nach Tische aber hatte ich eine ganz interessante Unterhaltung bei der Zigarre au com da mit Forth-Rouen, bei dem ich sehr in Gnaden stehe und der wiederholt aus seinem interessanten Leben (er war in China) erzählte. Solche Diplomaten lasse ich mir gefallen. Er hat keine Spur von Hochmut, eben weil er ein Mann von Geist ist, während Wolchonski wenigstens dem Äußeren nach den höheren Himmel zu repräsentieren scheint. Februar 9 Viel Arbeit im Archive. Bei der Unbehilflichkeit Erbsteins und der Verschrobenheit und Oberflächlichkeit Schladitzens fällt mir immer Alles zu. Um 12 kam Sophie, um mich zur Gratulationsvisite bei Prinzess Pauline abzuholen. Abends ging ich zu Beust, den ich etwas beruhigter über seines Jungen Eskapade fand. Sie hatte ein Zahngeschwür, weshalb sie gestern das Diner nicht mitgemacht.
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Februar 25 Politik verstehe ich nicht und rede daher auch nie in Gesellschaft darüber, höre und lese nur, daß alle Aussicht auf Krieg mit Frankreich ist. Auch eine erfreuliche Sache, wenn man Kinder hat und kaum in Friedenszeiten mit Ach und Krach auskommt: Einquartierung, Kriegssteuer und Gott weiß was für Elend und Not. März 9 Aschermittwoch. Von der gestrigen Fastnacht bin ich nichts inne geworden. Mit Grippe, geschwollener Nase habe ich zu Hause gesessen, nicht einmal nach Loschwitz konnte ich, wie ich wünschte, mit Sophie. Heute habe ich Unwohlseinshalber ein Diner bei Halle und eine Abendgesellschaft bei Kohlschütter abgesagt und will mit lesen und der „Potsdamer Garde“, über die ich eben eine Zusammenstellung schreibe, mich beschäftigen. Dazu stürmt, schneit, graupelt es durcheinander, daß man ganz froh ist, nicht ein Hund zu sein, der vor die Türe gejagt wird. Vorige Woche hatten wir eine Gesellschaft. Beust’s, Halle’s, Just’s, Kohlschütter, Römer, war aber auch nicht sehr spaßhaft. Ehrenstein’s hatten abgesagt, da ein Schwager Uckermann auf Walda gestorben ist. März 17 Mein Schriftchen „Zur Chronik Dresdens“ ist nun erschienen90 und ich habe mit den Freiexemplaren eine Menge alte Schulden für mir zum Teil von ganz Unbekannten zugesendete Schriften getilgt. Die guten Leute erwarteten wahrscheinlich, ich werde ihnen für zum Teil sehr unbedeutende Werkchen jedesmal zwei Bände „Aus vier Jahrhunderten“ schenken. Werden sich aber jetzt sehr enttäuscht sehen. Den Ministern und Prinzen habe ich keine Exemplare gegeben, da sie zum Teil sich nicht einmal für die früheren Geschenke bedankt haben. Mir an sich gleichgültig, doch gerade keine Aufforderung, ihnen wieder etwas zu schenken. Die Politik, die jetzt alle Welt beschäftigt, läßt mich, der ich nichts davon verstehe und das Kannegießern nicht liebe, ganz unberührt. Ich will aber doch der Merkwürdigkeit wegen die Beilage aufheben, da der darin erwähnte Artikel des Moniteur in der Tat doch zu unverschämt ist. Was sich die Deutschen bieten lassen müssen, weil wir kein Deutschland haben! Frau von Bock, sonst Schröder-Devrient, die jetzt hier absque morito lebt, hat gegen die Redaktion der Saxonia einen lnjurienprozeß angestrengt. Diese Zeitschrift hat nämlich vor einiger Zeit von ihr gemeldet, sie lebe seit Jahr und Tag von ihrem Gemahl getrennt, wolle auch nicht zu ihm zurückkehren, sondern einen Meiningschen Stabstrompeter heiraten. Die Bock läßt der Redaktion bemerken, es sei ganz unbegründet, sie mögen es berichtigen, worauf in der nächsten Zeitung als Berichtigung gemeldet wird, der Stabstrompeter beabsichtige nicht, Frau von Bock zu heiraten. März 26 Herrendiner bei Halle’s. Ich saß neben Wietersheim und Maler Hübner. Einige junge Diplomaten ignorierte ich, saß aber nach Tische bei der Zigarre noch zwei Stunden mit dem französischen Gesandten Forth-Rouen, General von Könneritz, Oberst Röder, von Kotzebue (bei der russischen Gesandtschaft) in ganz interessantem Gespräch zusammen. Dem alten Halle mochte die Geschichte etwas zu lange dauern, da wir erst um 8 Uhr fortgingen. Sophie war im Musikverein, ich blieb bei den Kindern, da ich abgespannt war. Jetzt, nachdem wir schon volles Frühjahr gehabt, schneit es wieder, ist wieder Winter. Alles ist konfus, Wetter und Menschen. 90
Karl von Weber: Zur Chronik Dresdens. In: Archiv für sächsische Geschichte. Band V, S. 289–305.
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Beust, den ich seit vier Wochen nicht gesehen – er kam auch nicht zu mir, als ich unwohl war, obwohl ich es ihm sagen ließ, daß ich ihn deshalb nicht besuchen könne – will auch nach Portugal zu des Prinzen Hochzeit.91 Seine Frau war in München bei ihrer kranken Tante. März 30 Am Freitag war die Familie bei uns zu Tische. Alberts in sich vesunkenes mürrisches Wesen fiel uns wieder auf. Er sprach kein Wort, und wenn man ihn anredete, antwortete er, wenn es irgend möglich war, nur durch knurren. Als alle andern nach 5 fortgingen, blieb er allein noch bei Sophie bis 7 Uhr sitzen und hatte da ihr mitgeteilt, daß er in österreichische Dienste treten möchte. Zu Sophie hatte er überhaupt noch am meisten Zutrauen und ihr auch neulich eröffnet, er habe sich in Mary Melly, die früher in Dresden war und bei deren Vater er bei seiner amerikanischen Reise war, verliebt. Zugleich hatte er Sophie gefragt, ob sie ihm rate, sie zu heiraten! Albert und dieses verwöhnte elegante Mädchen!! Man sieht daraus, wie wenig er sich selbst kannte und wie unendlich eitel er war! Sophie hatte ihn natürlich befragt, ob ihm denn die Melly Zeichen ihres Wohlgefallens gegeben und als er dies nicht zu behaupten vermochte, bemerkt, daß sie ihm keine passende Partie zu sein scheine. Vorgestern Vormittag kam Albert zu mir ins Archiv, sprach mit mir wegen seiner Reiseberichte, welche er für die wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung geschrieben, die ich ihm durchgesehen. Ich gab ihm an, was er, um den Abdruck seinem Wunsch gemäß beschleunigt zu sehen, zu tun habe. Hieran schloß er zuletzt die Bemerkung, die er schon meiner Frau gemacht, daß er in österreichische Dienste zu gehen wünsche, um den Feldzug mitzumachen. Ich war sehr einverstanden damit, da ich überzeugt war, daß, wenn er nun einmal das „mud“ kennen lerne, daß für sein ganzes zerfahrenes Wesen heilend wirken werde, daß die Wahl eines Berufs, einer festen Tätigkeit, sei sie, welche sie wolle, für ihn das erste Bedürfnis sei. Der Hauptmann von Friesen war gerade im Archiv. Ich bat ihn, in mein Zimmer zu kommen, stellte ihm Albert, der ihn kaum grüßte, vor und er gab nun an, wie er es zu machen habe, um in Wien ohne Schwierigkeit Anstellung zu finden. Albert blieb sehr einsilbig, anscheinend aus Verlegenheit. Ich schrieb nun einige Zeilen an Beust, die er diesem übergeben solle, falls ich ihn selbst nicht sprechen könne. So schieden wir. Heute früh ging ich um 9 zu Beust, der aus dem Bette gejagt mir sofort einen Empfehlungsbrief an den sächsischen Gesandten von Könneritz gab. Ihn überbrachte ich Albert, den ich ohne alle Aufregung zu Hause fand. Wir sprachen noch Einiges über seine Abreise, die er auf den 3. oder 4. Tag festsetzte – es war das letzte Mal, daß ich ihn sah. Um 11 ist er zu Anton gekommen. Dieser hat ihm vom Dienst in Österreich abgeraten, aufmerksam gemacht, daß es für ihn viel vorteilhafter sei, Zöschau zu übernehmen. – Alles theoretisch ganz richtig, aber praktisch bei Alberts Indolenz und Apathie ganz unausführbar. Nach dem Besuch bei Anton hat er bis gegen 12 ganz ruhig im Deutschen Hause zu Mittag gegessen. Gegen 2 Uhr hört man in der Wirtschaft im Großen Garten – sonst die halbe Portion genannt am Eingang nach dem roten Hause zu – einen Schuß. Er wird nicht beachtet. Einige Zeit später sieht eine Frau im Gebüsch seitwärts der Allee, die vom Palais nach jener Wirtschaft führt, einen Mann anscheinend schlafend im Grase liegen. Nach einiger Zeit geht sie näher, um ihn zu wecken. Sie sieht – eine Leiche, mit einem Revolver, der eine Kugel kaum größer als eine Erbse schießt, hat er sich in den Mund, nicht nach dem Gehirn, sondern nach dem Gaumen geschossen, aber gerade eine tödliche Stelle getroffen! Neben ihm 91
Am 11. Mai 1859 heiratete Prinz Georg in Lissabon die Infantin Maria Anna von Portugal.
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hat Feuchteslohn Dialektik der Seele gelegen – in dessen Lehre der Unglückliche vielleicht vergeblich Trost gesucht. Die Polizei hat die Leiche aufgehoben, der Arzt erst lange nach der kaum sichtbaren Wunde gesucht. Man brachte ihn in das Leichenhaus auf dem weiten Kirchhofe. Ich war früh in einer Versammlung des Gitterseer Aktienvereins, wo an des Verräters Advokat Fischer Stelle, der dem Verein den Ruin bereitet hat, ein anderes Direktorium gewählt ward. Abends war ich bei Jordan und ward herausgerufen. Ein Polizeiaktuar Dr. Schmidt brachte mir im Auftrag des Polizeidirektors die Schreckensnachricht. Ich fuhr mit Sophie unter Donner und Blitz zu Isidore, teilt ihr zunächst nur mit, daß Albert ein Blutschlag getroffen. Sie nahm die Nachricht ziemlich gefaßt auf, hatte der Unglückliche sich doch leider nicht einmal die Liebe seiner Schwester zu erwerben gewußt. März 31 Früh ging ich mit Anton auf die Polizei, um mir die Schlüssel, welche Albert bei sich gehabt, aushändigen zu lassen. Da sah ich das Mordgewehr, das seinem Leben ein Ende gemacht! Mittags war Isidore bei uns und um 3 Uhr kam die von der Polizei uns bezeichnete Leichenwäscherin, die die ganzen Geschäfte des stillen Begräbnisses, das er als einer, der offenbar in einem Anfall von Wahnsinn Hand an sich gelegt, erhalten wird, besorgt. Um 4 Uhr trafen wir, Anton, Isidore und ich, Advokat Unger als Bevollmächtigten Mathildens im Quartier, das Albert bei der Appellationsrätin Ayrer an der Ecke der Moritz- und Frohngasse den ersten Stock bewohnt hat. Die Siegel, welche die Lokalgerichte angelegt, wurden geöffnet. Wir gingen seine Sachen und Schriften durch – keine Zeile, die Auskunft über seinen verzweifelten Entschluß gäbe – es bleibt ein Rätsel. Wahrscheinlich war es der Verlust der Achtung vor sich selbst, die Überzeugung, daß sein Leben ein völlig nutzloses sei, sein Wesen einmal unabänderlich abstoßend ihn allen Menschen entfremdet, welche ihn zur Verzweiflung getrieben hat, die ihn im Augenblick übermächtig erfassend die Waffe, die er in der Regel bei sich geführt haben mag, in die Hand gab. Vorbedacht kann die Handlung nicht gewesen sein, sonst würde er doch wenigstens Isidore, die er seit Sonntag nicht gesehen, noch einmal die Hand gedrückt, von Ernst, der ihm am nächsten stand, Abschied genommen haben. Ich fuhr dann noch mit Isidore auf den Kirchhof, um ihm eine Ruhestätte auszuwählen. April 2 Ernst war gestern Nachmitttag bei mir, sehr ergriffen durch die ihm am Morgen von Isidore mitgeteilte Todesart des armen Albert. Möge er sich, wie ich ihn bat, ein Exempel daran nehmen, wohin ein planloses, träges Leben, wohin Gemütskälte und Mangel an Glauben führt! Auch er, der Albert am nächsten stand, der in den letzten Tagen noch viel mit ihm verkehrte, hat keine Ahnung gehabt. Kein Wort hat ihm angedeutet, was Albert auszuführen gedacht. Höchstwahrscheinlich ist es also eben ein momentaner Anfall von Verzweiflung – nicht lange vorbedacht. Heute um 11 beerdigten wir den armen Albert. Den Frieden, den ich im Antlitz vieler Toten sah, fehlte ihm. Er sah ganz unentstellt, aber so finster aus wie in den trübsten Stunden seines Lebens. Vom Totenhause folgten bloß wir Geschwister und der alte treue Haidem seinem Sarge. Ich rief ihm bloß in die Gruft die Worte nach „Vater unser, der Du bist im Himmel, sei ihm milder Richter“. Kein Geistlicher durfte dabei sein. Ernst aß bei uns – wenn er sich nur ein Beispiel daran nähme, wohin Trägheit führt. Er sitzt nun seit fünf Monaten im Krankenhaus, das er hergestellt längst hätte verlassen können, wo ihm aber die Existenz behagt, weil er eben für gar nichts zu sorgen hat.
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April 17 Also Krieg heißt es nun ganz entschieden. Beust reist heute nach München, wo seine Schwiegermutter gestorben, nachdem er heute noch in aller Eile seinen ältesten Sohn Friedrich, ein ziemlich unnützes Subjekt ohne große Fähigkeiten und sehr eingebildet, konfirmieren läßt, um ihn dann in das Kadettenhaus zu tun. Von da will er womöglich nach Paris, um Napoleon III. den Kopf zurecht zu setzen, wozu ich ihm viel Glück wünsche, aber wenig Erfolg erwarte. Daß er nach Lissabon zur Hochzeit des Prinzen Georg werde gehen können, bezweifelt er selbst. Wir rüsten inmittelst im Stillen. Aber traurig ist, daß selbst die Offiziere nicht an den Erfolg unserer Waffen glauben, daß sie kein Vertrauen zu der Führung haben, schon jetzt die Uneinigkeit und Unfähigkeit der Feldherrn fürchten. Ich fürchte sehr, daß wir ähnliche Zeiten wie den Rheinbund wieder erleben werden. Unter dem Drucke französischer Waffen werden die kleinen Könige sich dem Mächtigen fügen. Man wird nochmals mediatisieren, um die Entschädigungen für Abtretungen an Frankreich, ein neues Westfalen herauszubekommen, kurz die Geschichte wird ihren Kreislauf wie vor 50 Jahren von Neuem beginnen. Wenn man ein Greis ist wie ich, nicht sowohl an Jahren als an Sinn über trüber Lebenserfahrung, so ist man über der Illusion hinweg, also auch über die Hoffnungen, insbesondere als Deutscher über die, daß Deutschland etwas werden könne. Traurig aber wahr!92 April 21 Gründonnerstag. Ich besuchte Halle, dessen Frau schon seit mehreren Wochen recht leidend ist, ging dann auf die Ressource, die sehr gefüllt war in Folge der Nachricht, daß Preußen und der ganze Deutsche Bund mobilisiert: also der Ausweg – wie wird das Ende sein? Darius nec non Oedipus. Gleich als wollte der Himmel allen, welche das Dresdner Journal heute Abend noch nicht gelesen, ein Zeichen der Zeit geben, zeigte sich gegen 9 Uhr mit flammenden Zeichen ein Nordlicht, das wir erst für einen Feuerschein hielten, bis wir durch den Wechsel der Stellung und das eigentümliche Flimmern uns überzeugten. April 26 Die ganze Welt – außer mir – ist jetzt in Spannung, Angst und Sorge über den Krieg, der zwischen Frankreich und Österreich wahrscheinlich gestern begonnen hat. Ich beklage es auch, daß Deutschland nicht einig ist, daß wir nicht sagen, der Lord Palmerston knock down den, der anfängt. Aber wundern kann ich mich und eben daher kann ich auch nur als etwas sich ganz von selbst Verstehendes ruhig hinnehmen, wenn die Franzosen erst Österreich absohlen und dann sich über Preußen hermachen – es soll einmal so sein, das lehrt die Geschichte, Deutschland soll keine Rolle spielen, als die des dummen Jungen, der erst, nachdem er furchtbare Prügel bekommen, die er recht gut hätte abwenden können, sich besinnt und den Peiniger dann durchhaut, daß ihm Angst und Bange wird. Dann aber läßt er ihn laufen, ohne als Entschädigung für seine zerrissenen Kleider sich etwa den Mantel oder dergleichen auszubitten. Wer von Deutschland etwas anderes hoffen wollte!?, das aber, was ein Blinder, wie ich, sieht, von den preußischen Ministern nicht erkannt wird, 92
Im Frühjahr 1859 brach der italienische Nationalkrieg aus, in dem Sardinien-Piemont im Bündnis mit Frankreich gegen Österreich kämpfte. In den Schlachten bei Magenta am 4. Juni und Solferino am 24. Juni 1859 unterlag Österreich, das dann im Vorfrieden von Villefrance di Verona und dann endgültig am 10. November 1859 im Vertrag von Zürich auf die Lombardei verzichten mußte. Die Staaten des Deutschen Bundes hielten sich in dieser Auseinandersetzung zurück, allen voran Preußen, und verweigerten Österreich die erwartete Unterstützung. Trotzdem bestand im Frühjahr 1859 die Gefahr eines Krieges zwischen Frankreich und dem Deutschen Bund. Siehe Schieder, Staatensystem, S.88–92.
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das macht aber ihren Brillen keine Ehre! Erbstein sprach gestern schon bedenklich, ob wir nicht etwas im Archiv einpacken wollten, was aber, das wußte er nicht, auch nicht wozu. Am besten wohl Feder, Tinte und Papier, da die jedem Deutschen am unentbehrlichsten sind. Mai 15 Mit vor Kälte erstarrten Fingern schreibe ich. Seit Mittwoch haben wir in Bagatelle gefroren, abends uns durch starken Grog erwärmend, doch zufrieden, daß wir der Stadt entlaufen. Erhard ist beim Oberlehrer Helbig in Pension gegeben, damit er nicht zu viel versäumt. Er wird bloß Dienstag und Sonnabend herauskommen, Gustav ab und zu. Als Ersatz fiir die fehlenden Kinder hat sich eine Rotschwänzchenfamilie angesiedelt, die ihr Nest zwischen dem Fenster und der Jalousie in der Schlafstube angebaut, so daß wir, um die Brut nicht zu stören, das Fenster nicht öffnen können. Früh bei Sonnenaufgang weckt mich das Gepiepe der nach einem Frühstück von Fliegen und Würmern hungrigen Kleinen, idyllisch, aber nicht gerade bequem. Beust ist von seinen diplomatischen Irrfahrten zurückgekehrt. Die böse Welt behauptet, er habe sie zugleich benutzt zu Irrfahrten im Lande der Liebe, indem er sich mit der ihn oder er sie anbetenden Frau von Uckermann in Paris und London amüsiert habe. Das Dresdner Journal hat aber nichts davon gemeldet. Heute ist zum Besten der Verheiratung des Prinzen Georg mit einer dicken portugiesischen Prinzessin eine Cour, zu der ich trotz des drohenden Regens, beim Mangel anderer Gelegenheit, zu Fuße hereinspazieren muß, auch ein Opfer der Loyalität. Mai 23 Gestern früh machte ich mit Beust einen großen Spaziergang, bei dem er denn wieder tüchtig über alles Denkbare und Undenkbare raisonnierte. Oft ist eine froppende Idee in seinen Diskussionen, oft sind es auch bloß Phrasen ohne praktischen Anhalt, bei denen ich nicht folgen kann. Er sprach auch von Beust jun., meinte, es sei nicht möglich, daß er auskomme und – er deutete sogar auf Möglichkeiten, deren bloße Dankbarkeit mir unendlich wehmütig war. Leider ist wenigstens soviel gewiß, daß Niemand Vertrauen zu ihm hat, daß er durch seinen Mangel an Offenheit immer zu allen Vermutungen Veranlassung gibt, daß er den Satz, daß Ehrlichkeit nicht nur Pflicht, sondern auch erste Klugheitsregel für einen Staatsmann ist, nicht erkennt. Am Sonnabend sprach ich Beust zuerst nach seiner Reise wieder. Er versprach mir, seine Niederschrift über seine stundenlange Unterhaltung mit Louis Napoleon mitzuteilen, meinte, wenn er drei Wochen früher sie gehabt, würde sie wohl Erfolg gehabt haben, jetzt sei es zu spät. Preußen sei entweder kopflos oder perfid, wollte erst die andern deutschen Staaten sich entkräften lassen, um dann ungestört die Hegemonie zu übernehmen. Er ist für entschiedenes Vorgehen gegen Frankreich. Sachsen liegt allerdings nicht am Meer, hat keine Handelsflotte zu verlieren. Ich sagte ihm, daß man über ihn persönlich auch mancherlei erzählt (er soll mit der Frau von Uckermann zusammen gewesen sein) habe. Er sagte, ja, daß ich durchgegangen sei. Nein, andere Sachen. Darauf schwieg er. Auch eine Antwort. Ich hatte zugleich Kohlschütters Bitte zu erfüllen, der allerhand desideria über seine Stellung durch mich an Beust zu bringen wünschte. Er wollte Staatssekretär werden, eine Art Unterminister. Beust hatte wie ich Bedenken, wie das auszuführen sei und meinte, wenn er dem König mit einem solchen Vorschlag käme, werde die Antwort sein, ob er denn überhaupt nicht lieber das Ministerium des Innern abgeben wolle, wofür der König Friesen oder den Bautzner Könneritz schon in petto haben möge. Das schlug denn auch, als ich mit Kohlschütter am Sonnabend sprach,
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durch, denn unter Beust, der ihm ganz plein generös gibt, mag er wohl arbeiten, aber unter einem Anderen, dazu hat er keine Lust! Mai 29 Gestern war der feierliche Einzug des Prinzen Georg mit seiner jungen portugiesischen Gemahlin, einer ganz hübschen Prinzessin, die einer Tochter Erkels ganz ähnlich sieht, die er daher ebenso gut hätte heiraten können oder die einmal, wenn jene verloren gehen sollte, eintreten könnte. Blumen- und Laubgewinde in der Stadt, Damenschiffe mit weiß gekleideten Mädchen, reitende Bauern, 1 400 Ellen Bauernpferde, wie mir der Landstallmeister von Mangoldt als Sachverständiger berechnet, auch 10 wendische Ammen, wahrscheinlich als Bestand fiir die prinzliche Haushaltung – bildeten den Zug nebst Bergleuten pp. Um 1 ½ Cour, d. h. Kompliment vor dem Paare. Abends Festtheater mit echt portugiesischer Hitze. Ich konnte es nicht aushalten, schlief schlecht in der Stadt, frühstückte heute bei Ferdinand und war sehr froh, als ich wieder auf Bagatelle war. In der Politik immer noch keine Entschlüsselung. Man raisonniert gewaltig auf Preußen, daß es gar nicht nach Paris rückt. Man übersieht dabei nur, daß Preußen alle Ursache hat, seine Kräfte zu Rate zu halten. Es kommt mir vor wie ein Mann, der einmal bei einer Feuersbrunst seine kranke, 2 ½ Zentner schwere Frau, als die Schlafkammer brannte, die Treppe herabgetragen in unmenschlicher Anstrenung, dann aber verlangt die Frau, daß er sie alle Tage herabschleppen und in die Sonne setze. Das geht aber nicht oder, wenn es der Mann doch versucht, läßt er sie die Treppe herabpurzeln. Juni 8 Gestern Nachmittag erschienen Jordan, der 82jährige Geheime Justizrat Groß und Budberg, um ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechend 8 Robber Whist zu spielen und dann bei uns zu soupieren. Zur Erhöhung des Plaisiers bekam ich urplötzlich so einen Hexenschuß, daß ich wie gelähmt bin und auch heute nicht nach Dresden fahren konnte, da ich eine höchst unbehilfliche und lächerliche Figur spiele. Ich will daher Leszczynskis Lebensgeschichte, soviel ich darüber im Archiv gefunden, vollenden. Es ist zwar unter den jetzigen Zeitverhältnissen an eine Fortsetzung der vier Jahrhunderte nicht zu denken, allein für meinen Privatspaß und zur Ausstellung der müßigen Stunden während der Feiertage bastele ich immer weiter. Juni 13 Pfingstmontag. Gestern Mittag hatten wir Ferdinand eingeladen und Phina, die noch ihre Mutter und Schwester mitzubringen für gut fand. Eine Stunde, ehe Ferdinand kam, meldete ein Brief, daß er Seebach aus Gotha mitbringen werde. Wir freuten uns sehr. Niemand aber staunte mehr als Ferdinand, als Seebach Sophie einen Kuß gab! Wir waren sehr vergnügt, tranken manch gutes Fläschchen. Seebach bat mich, mit Beust wegen einer Verwendung für seinen Schwager, Graf Kalkreuth, zu sprechen, der, weil er einen Soldaten in der Hitze invalid geschlagen, zum Gefängnis in Eisen verurteilt worden und in Fehmarn sitzt, nachdem er sein ganzes Vermögen verschwendet. Ich fuhr daher um 7 nach Laubegast, traf Beust allein, blieb eine Stunde dort und vermittelte die Sache. Um 8 ¾ war ich mit dem Dampfschiff wieder in Loschwitz. Beust erzählte mir, daß der Präsident der Ersten Kammer Schönfeld nach dem Landtagsschluß zum französischen Gesandten Forth-Rouen gekommen, um sich zu entschuldigen über das, was er in der Kammer gegen den Kaiser gesagt. Forth-Rouen fragt dabei Beust über ein Wort, das Schönfeld gebraucht habe: Sitez moi done que ce que c’est besettigen (beseitigen). Beust: Ca vent dire faire impotent F. R.: Ah je comprendu ca vent dire faire vicepraesi-
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dent de Ia premiere chambre. Man sagt nämlich dem Vizepräsidenten Freiherrn von Friesen (der sich sehr franzosenfresserisch ausgesprochen) jenen Mangel nach. Juni 18 Beust gab mir gestern, als wir mit dem Dampfschiff hereinfuhren, eine Note zu lesen, die eben vom König signiert worden war, eine Note als Antwort auf eine russische Zirkularnote über den Krieg, worin Deutschland gute Lehren erhält. Die Antwort ist musterhaft, aber freilich erinnert etwas an den kleinen Gernegroß. Das kleine Sachsen liest dem nordischen Bären gehörig die Leviten, in den höflichsten Redenarten die schönsten Spitzen. In solchen Arbeiten ist Beust Meister, sie amüsieren ihn aber auch am meisten. Juni 22 Kohlschütter war heute Abend bei uns, versäumte ein Dampfschiff nach dem anderen bei Rheinwein und Grog. Er erzählte, daß der Konsul Kaskel (aufgeblasener Judenbengel) aus Elster zurückgekehrt, sich beschwert, daß der Regierungskommissar weder eine Klistierspritze noch einen Nachtstuhl habe verschaffen können. Wahrscheinlich meint er, daß der diese Artikel neben dem Zahnstocher in der Westentasche bei sich führen muß. Hübsch läßt sich übrigens die Geschichte ausmalen. Kaskel verlangt für seine Tochter, Regierungsrätin Wießner, ein wrinwerk (?), er ruft nach einer Spritze, man bringt eine Gartenspritze und als er damit nicht befriedigt, den Ruf wiederholt, kommt eine mit vier Pferden bespannnte, mit sechs Mann bemannte Feuerspritze mit einem 300 Ellen langen Schlauch und faustgroßem massigen Mundstück. Beust erzählte neulich auch eine Anekdote. Es lag ihm nach 1849 daran, die Demokratenhüte, davon nach den Maitagen noch einige sichtbar blieben, zu verdrängen, ohne gleichwohl Aufsehen zu erregen. Die Polizei ward also angewiesen, jeden, der sich mit einem solchen Hute zeige, sehr höflich nach seinem Namen zu fragen. Ein höchst harmloser Maler trägt auch einen solchen Filz und wird, als er damit auf der Straße sich zeigt, um mehrere Gänge zu besorgen, in einer Stunde 19 Mal nach seinem Namen gefragt, so daß er, als er des Grundes inne wird, den Filz wütend in Stücke reißt. So pflegt man auch auf der Polizei die Verbreiter mißliebiger Nachrichten bloß dadurch zu bestrafen, daß man sie lange warten läßt. Gottlob, daß ich nichts mit der Polizei zu tun habe, mir wären solche Kniffe scheußlich! August 11 Beust treffe ich sehr oft auf dem Dampfschiff. Da wir in der Regel ganz allein in der Loge sind, erzählt er mir denn allerhand politica. In Wien ist jetzt die Frage, ob man sich zu Reformen entschließen will, was drei Minister Rechtwil (heißt wohl der neue?), Hübner und Bruck bevorworten, während drei andere, unter ihnen Graf Thun, dagegen sind. Der Gesandte von Könneritz vermutet, daß die erste Partei siegen werde, weil Hübner dabei sei, ein ganz grundsatzloser Mensch, sich nicht dazugestellt haben werde, wenn ihm nicht seine Nase gesagt, daß diese Partei siegen werde. September 1 Ein gewisser Litfaß aus Berlin, der sich berühmt machen will, hat in Blasewitz unter der sogenannten Schiller-Linde ein Denkmal für Schiller errichten lassen und zur Enthüllung heute ein großes Fest mit Konzert pp. zum Besten der Armen arrangiert. Da er seinen Namen dabei sehr geltend gernacht und auch auf das Denkmal setzen lassen, hat man ihn in dem Anzeiger und anderen Zeitschriften sehr angegriffen. Dies schloß nicht aus, daß eine ungeheure Masse Menschen zusammenkommen, um alle die verkündeten Berliner Wunder zu sehen. Die ganze Familie Beust kam Abends zu uns, um das Feuerwerk zu sehen. Wir tranken dazu ein paar Flaschen und waren sehr fidel. September 12 Ich fuhr eben mit Beust herein, der gestern bei der Königin mit dem König Ludwig von Bayern, der jetzt nach 52 Jahren zum ersten Mal wieder in Dresden
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ist, gegessen hatte. Er erzählte aus dessen Mitteilungen folgendes. Nur zwei Bekannte hat Luwig aus der Zeit seines ersten Besuches noch wiedergefunden, den kleinen Hans (unsem König) und die Gustel (Prinzessin Auguste). Im Jahre 1806 war Ludwig als Kronprinz in Paris. Er muß als Sohn eines Rheinbundmitgliedes den Sitzungen des Staatsrates, die (in) St. Cloud gehalten wurden, beiwohnen und deshalb früh 5 Uhr von Paris fortlaufen, um beim Beginn um 7 Uhr zur Stelle zu sein. Die Sitzungen dauerten, nur mit Unterbrechung eine Viertelstunde, bis 5 Uhr. Eines Tages erschien Jerome sehr übemächtig mit den Worten da: une fortune murat, c’est autres quand on mene une ie da colhon. Eines Tages wurden bei einer Soiree Spiele gespielt, u. a. Haschekater und sagte Ludwig, Napoleon wurde gefangen. Später nach Napoleons Sturz wurden die Söhne Luciens Ludwig vorgestellt, die den Wunsch aussprachen, in bayerische Dienste zu treten. „Bunapartes in meine Dienste“ sagte Ludwig, „es wäre, als wenn man junge Wölfe ins Haus brächte!“ Außerdem langes Gespräch mit Beust wegen seiner Söhne. Er will den ältesten wieder aus dem Kadettenhaus nehmen, weil die Mitteilungen desselben über den Geist der Schweinerei, die in dem Institut herrschte, allerdings zu bedenklich sind. Witzleben ist so faul, indolent, zurückgegangen, daß es in der Tat sehr schlimm ist. September 28 Beust war in München, geht morgen nach Wien, um in der deutschen Frage zu operieren. Ich hatte heute darüber mit ihm ein ganz interessantes Gespräch. Er sagte, jetzt sei zum ersten Mal, seitdem das Deutsche Reich existiert, ganz Deutschland deutsch gewesen, nur Preußen habe eben keine Energie gezeigt. Jetzt benutze es perfide die Bewegung, um die Gothaer Tendenzen93 zu fördern. Die Dreiteilung, die er befördern will, könne nicht durch ein Programm mit einem Male hervorgerufen werden, sie müsse sich allmählig ausbilden. Sie sei allein das Mittel, die Mittel- und Kleinstaaten in ihrer Selbständigkeit zu erhalten, da dabei die Möglichkeit gegeben sei, ihnen eine Mitwirkung zu gestatten und Beschlüsse auszuführen, wenn auch Preußen einmal widerspreche. Sonst lasse sich, wenn nicht eine Revolution erst alles über den Haufen geworfen, ein blutiger Krieg, Länderverluste zu Mediatisierungen geführt, nichts tun. Preußen hätte, wenn es vor drei Monaten Ernst gemacht, Alles erreichen können, was es jetzt erschleichen wolle. Hätte es gesagt zu den Mittelstaaten, ihr wollt euch raufen, gut, ich stelle mich an die Spitze, aber ihr müßt natürlich nun euch submittieren. So würde es geschehen sein, jetzt habe es verspielt. Oktober 4 Beust, der erst in München war, ist jetzt in Wien in Angelegenheiten des Deutschen Bundes. Er beklagte nur, daß die Demonstrationen der Gothaer und Demokraten gar so miserabel im Sande verlaufen, so würden die Fürsten, die obstinater Natur seien, z. B. Hannover, weniger geneigt sein zu Konzessionen, als wenn sie etwas ins Bockshorn gejagt worden wären. In Hannover ist jetzt Kohlschütter. Beust gab ihm einen Brief an den Minis93
Gotha wurde nach 1849 eine Hochburg des bürgerlichen Liberalismus und gesamtdeutscher Ideale. Die das Erbkaisertum vertretenden Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung hatten sich im sogenannten Gothaer Nachparlament 1849 zusammengefunden und nannten sich seitdem die „Gothaer“. Anknüpfend an ihre politischen Ziele entstand 1859 unter dem Eindruck des italienischen Krieges und der gegen den Deutschen Bund gerichteten Politik Napoleons III. der Deutsche Nationalverein. Er formulierte in seinem Statut die „Einigung und freiheitliche Entwicklung des großen gemeinsamen Vaterlandes“. Siehe Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte. Band 3. 1960, S. 142, 149. – Deutsche Geschichte. Band 2. Berlin 1965, S. 395–397.
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ter Graf Platen. Als ihn Kohlschütter übergeben, jener geistreich betrachtet er ihn von allen Seiten und bekannte dann seine Unfähigkeit, den Brief zu lesen. Kohlschütter muß ihn denn entziffern und gerät in offizielle Verlegenheit, als er die größten Lobeserhebungen vorlesen muß, in denen Beust ihn empfiehlt. Oktober 11 Beust ist von Wien ziemlich zufrieden zurückgekehrt. Sein jetzt sehr einfaches Programm ist, Preußen sagt, es liegen ungelöste Fragen vor, ihre Lösung ist Sache der Zukunft. Ich sage, entweder die Bundesverfassung ist gut, dann muß sie bleiben, oder sie bedarf der Verbesserungen, so müssen sie jetzt vorgenommen werden. Eine Paranthese, wo wir kräftig sind und Preußen in einer schiefen Stellung. Das hat er in Wien klargemacht und will nun in Verbindung mit anderen Mittelstaaten „milde Vorschläge“ tun. Welche? Das wird nun von Ministerkonferenzen abhängen, bei denen Beust allerlei große Schwierigkeiten erwartet, weniger von Seiten der Eitelkeit der betreffenden Staatsminister, als von Seiten der Fürsten. Er erzählte, daß z. B. in München Pfordten den König oft drei Monate nicht gesehen, daß seine Vorträge vom König erst andern zur Begutachtung gegeben werden. Während er jetzt in München war, hat der Minister des Auswärtigen drei Tage warten müssen, ehe er die Resolution des Königs erhalten. Er war drei Mal hintereinander zu den dem Minister zum Vortrag bestimmten Stunden – ausgeritten. Der Grund war, daß erst ein General Tann, des Königs Vertrauter, der verreist war, Kenntnis nehmen sollte. In Darmstadt muß der Minister Delbrück, wenn er dem Großherzog etwas vortragen will, schriftlich beim diensttuenden Kammerherrn um Audienz nachsuchen und wenn er diese gestattet erhält, in voller Uniform erscheinen. Am Schlimmsten ist es in Hannover, wo der König bisweilen nach Visionen entscheidet und die Minister sich untereinander bekriegen. In Wien ist Beust in einem sonderbaren Aufzug erschienen. Er läßt sich, um in die Burg zur Audienz zu fahren, einen Fiaker holen und einen Lohnbedienten. Der Zufall will, daß er das schlechteste Gespann, das Wien hat, erhält und einen gebrechlichen Lohnbedienten. In der Burg angekommen, will der Alte schnell vom Bock springen, purzelt herab und wälzt sich im Staube und als er endlich vor dem sich sammelnden Janhagel die Wagentür öffnet, steigt ein Großkreuz des Stephansordens aus der Carrete. Einen guten Witz brachte Beust von einem gestrigen Diner bei Prinz Georg mit über die vier Adler: der russische – Raubvogel; der französische – Stovogel; der Österreichische – Pechvogel; der preußische – Spaßvogel. Das Diner war zu Ehren des neuen englischen Gesandten Murray gewesen, eines Mannes, der namentlich in orientalischen Sprachen bewandert ist. Beust sagt ihm, er werde da den Krieg auf einem diesem auch bekannten Feld begegnen, worauf Mister Murray erwidert: Qui j’ai en longue conservation avec S. M. C’est une interessante personne! Beust hat durch persönliche Interzession es bewirkt, daß Prof. Rietschel, jetzt der erste Bildhauer in Europa, der einen Ruf als Direktor der Akademie nach Berlin erhalten, hier bleibt. Dieser hatte als Bedingung gestellt Einräumung eines Quartiers in der Nähe seines Ateliers und dazu das Haus auf der Terrasse in Vorschlag gebracht. Dagegen opponierte sich Minister Zeschau und schreibt als Grund der Unmöglichkeit in einem Briefe an den König, es sei das Quartier für den – Geheimen Hofrat Bähr (Kabinettssekretär im Ministerium des Königlichen Hauses) bestimmt. Der König hatte aber doch gemeint, wenn er die Wahl zwischen Rietschel und diesem Bähr (ein höchst unbedeutendes aufgeblasenes Subjekt) habe, sei die Entscheidung nicht schwierig. Bähr aber hatte, als er von dem Vorschlag gehört, versichert,
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Rietschel bekomme das Quartier auf keinen Fall, es sei ihm zugesagt und Rietschel war natürlich, als er dies wieder erfahren, sehr indigniert gewesen. November 11 Das Schillerfest mit Reden, Aufzügen und Illumination ist an mir spurlos vorübergegangen. Jordan, der heute bei mir war, erzählte mir aber von dem ungeheuren Effekt, den Beust’s Rede und Benehmen beim Souper gestern Abend in der Harmonie gemacht. Sämtliche Literaten haben über seine Liebenswürdigkeit förmlich gestaunt. Ein verfluchter Kerl wie er ist, hat er so treffiich seine Rolle gespielt, als ob er eine wahre Herzensfreude habe, mit allen den lieben Biederkerlen bei der Flasche einmal recht gemütlich seine innersten Gedanken tauschen zu können. Frere et coikon mit ihnen sein zu können. Ich las heute ein Buch „Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften“ von Vamhagen von Ense, Band 8, Leipzig 1859, worin eine Charakterschilderung über Fürst Metternich vorkommt, wobei mir die große Ähnlichkeit zwischen ihm und Beust auffiel. Man könnte manche Seiten ganz abschreiben, sie passten Wort für Wort auf Beust! November 14 Beust hatte ich einige Zeilen über seine Rede beim Schillerfest geschrieben und erhielt heute die beiliegende hyroglyphische Antwort, die ich, da sie sehr charakteristisch ist, aufhebe. Bezeichnend ist aber, daß er einer Krankheit, die ich erwähnt, gar nicht gedenkt. 11 as sanct pas s’ 9 Eier! Das ist immer leider das Resultat mit ihm, außer ihm selbst ist ihm alles Wurster als Wurst! November 20 Der Musikdirektor Hilse aus Elster, der den Winter über die Terrassenkonzerte übernehmen will, kam vor einigen Tagen zu mir und spielte vorgestern Abend mit Anton und Elise Berlepsch Sonaten bei uns. Ich finde aber, daß sein Spiel zurückgegangen ist. Interessant war mir aber von ihm zu hören, wie er sich Bahn gebrochen hat durch sein Talent. Bis zum 18. Jahre war er Leineweber, hat 6 Jahre als Geselle gearbeitet und eigentlich ohne allen Unterricht Musik gelernt. Beust schickte mir die Anlagen, einen anonymen Brief aus Hamburg über seine Rede beim Schillerfest, den ich, als wir gestern Abend bei Halles, glücklicher Weise ganz allein, waren, diesem zeigte. Er wollte aber den Landsmann nicht anerkennen. November 24 Abends 7–8 auf der Terrasse, wo Hilse Quartett spielte. Dann bei Halle, wo ein interessanter junger Mann, Löffler aus Alexandria, war, der dort die Eisenbahnen leitet und viel aus Ägypten erzählte. November 28 Beust ist von den Würzburger Konferenzen94 üher deutsche Fragen im Ganzen befriedigt zurückgekehrt. Nur klagt er über die Schlaftheit des bayerischen Königs und Ministeriums. Das verstehe ich gar nicht. Er mag, solange er die Zügel in der Hand hat, wohl einiges Geschirr von Einigkeit unter den kleinen Staaten herbeiführen. Zieht aber eine der vielen Schimmel, mit denen er fahren will, nicht an, nun so bleibt eben der Wagen stehen. Er behauptet eben, man dürfe nur nicht versuchen, etwas vertragsmäßig festzustellen. Einmal habe er es versucht, es sei ihm mißlungen. Man müsse mit den deutschen Staaten nur allmählich, ohne Verpflichtung weiter zu kommen suchen. Weit wird es eben nicht sein. 94
Seit der Dresdner Konferenz 1850/1851 fanden in größeren zeitlichen Abständen Konferenzen der leitenden Minister vor allem der Mittel- und Kleinstaaten des Deutschen Bundes statt, um einmal der Politik Preußens und Österreichs entgegenzutreten und zum anderen die vielfachen Vorschläge für eine Reform des Deutschen Bundes zu beraten. An diesen Ministerkonferenzen 1852 in Darmstadt, 1854 in Bamberg und 1859 in Würzburg nahm Beust mit seinen Bundesreformvorschlägen regen Anteil. Siehe Jonas Flöter: Sachsen und der dritte deutsche Weg. In: Johann-Katalog, S. 335–338.
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Noch ein paar Anekdoten. Der neue österreichische Gesandte von Werner, eine richtige Perücke, macht Beust im Ministerium einen Besuch. Er trifft im Vorzimmer einen wohlgekleideten Herren und, als Beust eintritt, sagt er, wollen Sie euch nicht einführen, ich sehe hier wohl einen meiner Kollegen – das war aber der Mann allerdings streng genommen nicht, vielmehr war es der Garcons Levassor, aus Paris, der hier jetzt Vorstellungen gibt, Beust aus Paris, wo er Unterricht incognita Singen bei ihm gehabt, bekannt! Sophie sieht neulich den König in Begleitung seines Adjutanten von Falkenstein am Brunnen an der Post stehen. Er prüft mit dem Stock das Eis und sagt „es hält“. Falkenstein prüft auch und sagt „ja, es hält“ – natürlich darf ein Hofinann das Eis nicht brechen, das der König für fest erklärt! Bei Berlepschens meldet neulich eine böhmische Wärterin des Kleinen, den sie nach dem Tode der Mutter von dem Sohn in Böhmen zu sich genommen: „draußen steht eine Dame, sie sagt, sie bekäme alle Sonnabende einen Dreier“. Dezember 18 Eine Erkältung hielt mich gestern zu Hause, lesend, rauchend trotz des Hustens, arbeitend brachte ich den Tag recht behaglich zu. Nach Tische kam Seebach aus Gotha, der den heutigen Abend bei uns zubringen wird. Ein M. de la Baron Dupascq, von dem ich durch Hofrat Petzold hörte, daß er sich mit dem Marechal de Saxe beschäftige und den ich durch Gustav in Versailles, wo er wohnt, aufsuchen ließ, um sich zu erkundigen, ob er etwas geschrieben, hat mir seine Werke, einige Broschüren, gesandt, die aber über den Marechal ist sehr flüchtig und wertlos, und ich werde ihm also meine Vier Jahrhunderte nicht als Geschenk übermachen. Tauchnitz hat mir die Sachen mitgebracht, er hat Gustav in Paris aufgesucht, ihm ein großes Diner gegeben, kurz er erhofft sich den Adelsbrief, durch mich, wie er meint, in Aussicht gestellt, in Höflichkeiten. Heute Morgen besuchte mich Helbig, der gar gern den Professorentitel hätte und dies auch durch mich zu erzielen hofft. Falkenstein, dem ich es schon wiederholt gesagt, verspricht es immer, aber wie gewöhnlich bei ihm geschieht Nichts!
1860 Januar 15 Vorgestern war Beust’s Geburtstag. Er hatte sich oder vielmehr seine Frau diesen Tag gewählt, als Sophie fragte, ob sie einen Abend zu uns kommen wollten, auch die Gesellschaft dazu hatte sie bestellt. Es waren denn Halles, Witzlebens (obwohl wir den Umgang mit diesen, die nie eine Einladung erwidern, allmählich der Einseitigkeit wegen eingehen lassen), Jordans, Wilde (?) und Ferdinand bei uns. Die Gesellschaft war, nachdem einmal die Teestunde überstanden, bei einem guten Souper sehr fidel. Ich hielt zur Ehre des Geburtstagskindes eine Rede, die unverdienten Beifall fand, obwohl oder weil sie nicht im höheren Stil gehalten war. Beust hat wieder einen Witz gemacht. Der König ging nach Schlackenwerth in Böhmen, wo irgend einer der verjagten italienischen Herzöge ist. In Böhmen herrscht die Rinderpest und der König äußert gegen Beust, ob es nicht vielleicht bedenklich und möglich sei, daß er die Rinderpest einschleppen könnte. Beust antwortete: Das kommt darauf an, wen Euer Majestät mitnehmen. Erhard hat uns dieser Tage einen traurigen Beweis gegeben, wie frech er lügt. Er kam neulich von einem Spaziergang mit dem kleinen Friesen mit der Erzählung zurück, sie hätten
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den Prinz Georg begegnet und dieser sie angeredet. Er erzählte dabei die ganze Unterredung. Ich frug den Major von Friesen neulich, ob ihm sein Knabe davon erzählt habe und war erstaunt zu hören, daß dieser bloß erwähnte, daß sie dem Prinzen begegnet. Nähere Befragung des Knaben ergab, daß die ganze Erzählung eine Erfindung war. Ich nahm nun Erhard nochmals vor, sagte ihm, er möge mir doch die Geschichte noch einmal erzählen und obwohl er gleich merken mußte, daß ich auch unterrichtet, hatte er doch die Frechheit, bei seiner Lüge stehen zu bleiben und mir, obwohl etwas errötend, alle Details, die er sich erdacht hatte, nochmals vorzuerzählen, bis er denn endlich, als ich nun sehr ernst fragte, also Du hast mit dem Prinzen gesprochen, die Lüge zugestand. Offenbar ist nur Eitelkeit und Renomage der Grund gewesen, aber für die Zukunft macht mir die Sache ernste Besorgnisse. Wie soll man so einem Jungen glauben? Es setzte dann auf Sohpiens Verlangen einige Hiebe, obwohl ich gänzlich Feind der Prügel bin. Februar 5 Eine sonderbare Geschichte! Diesen Sommer werden die Grüfte der Sophienkirche revidiert, die Trümmer der Särge mit den Resten, die sich finden, verschüttet. In einer Gruft findet sich ein Sarg, dessen Inschrift besagt, daß er eine 1626 verstorbene Freifrau von Flemming barg. In dem Sarge finden sich einige Knochenreste, ein Armband und ein 2 Ellen langer vollständig erhaltener, herrlicher Haarzopf blonden Haares. Er erregt die Bewunderung der Arbeiter und einiger Damen, die davon gehört und auf deren Verlangen er nochmals hervorgeholt wird. Dann wird er auf Anordnung des Maurerpoliers wieder eingegraben. Einige Zeit darauf kommen zwei Männer zu einem Friseur und bieten ihm einen wundervollen blonden Zopf an. Er kauft ihn für 20 Neugroschen. Als er ihn aber bearbeiten will, findet er zu seinem Entsetzen Hautreste daran. Er argwöhnt eine Gewalttat, Zopfausreißen, Mord, trägt den Zopf auf die Polizei und es ergibt sich denn endlich, daß es der Zopf dieses Fräulein von Flemming ist, den ein Arbeiter sich geholt. Er muß das mit sechs Tagen Gefängnis büßen. Den Zopf hat sich die Medizinische Akademie als Merkwürdigkeit erbeten, ob sie ihn bekommen, weiß ich nicht. März 13 Vorige Woche erhielt ich von dem mir ganz unbekannten Wiechel, dem Mann Veronikas (Müller) in New York, einen dicken Brief, worin er unter Versicherung, daß er seine früheren politischen Ansichten ganz geändert, mich bittet, ich möge ihm die Erlaubnis, nach Sachsen zurückkehren zu dürfen, auswirken. Ich konnte natürlich nichts anderes tun, als Beust den Brief vertraulich mitzuteilen. Er sprach nun gestern mit mir, sagte, daß er die Akten wegen Wiechels Arretur im Jahre 1853 sich habe geben lassen. Es ist damals aus Amerika eine Warnung gekommrn, daß er ein Attentat beabsichtigen möge. Es war damals die Besorgnis nicht so entfernt, da kurz vorher der Mordanfall auf den Kaiser von Österreich stattgefunden95 und Wiechel vermehrte den Verdacht durch einen bei ihm gefundenen empfangenen Brief, worin er den Mut jenes Ungarn, der den Kaiser verwundet hatte pp., lobte. Allein die Untersuchung vor der Polizeibehörde ist sehr saumselig und verkehrt geführt worden und Wiechel, gegen den sich weiter nichts ergab, unnötiger Weise mehrere Monate in Haft gehalten und dann mit der Bedeutung, daß er bei etwaiger Rückkehr sechs Monate Arbeitshaus zu erwarten habe, nach Amerika zurückspediert worden. Daß er mit hiesigen Demokraten wie Bromme, Woldemar Schmidt in Verbindung gestanden, hatte sich ergeben. 95
Am 18. Februar 1853 verübte der Ungar Janos Libényr einen Mordanschlag auf Kaiser Franz Joseph I., bei dem der Kaiser aber nur leicht verletzt wurde
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Beust sagte nun, er sei bereit, die Rückkehr zu gestatten, wolle aber vorher noch mit dem Geheimen Rat Körner sprechen. Da Wiechel mich bittet, die Sache zu verschweigen, so bat ich denn auch Beust, Körner dies aufzugeben. Minister Falkenstein gibt heute einen Rout, den wir wie alle dergleichen Tierquälereien degraviert haben. Ich werde zu Sahr gehen, bei dem alle Dienstage ein Whistrout stattfindet – das tat ich dann auch. Ich fand in dem Salon bloß das Ehepaar Sahr – ihn schon in weißer Krawatte – und den Staatsrat von Kotzebue von der russischen Legation, der eine Ausnahme von den sonstigen Diplomaten macht, indem er schriftstellert. Frau von Sahr – geborene Gräfin Einsiedel, Tochter des ehemaligen noch bei ihr lebenden Ministers, geschiedene von Friesen – eine ebenso geistreiche als liebenswürdige, vielleicht etwas emanzipierte Dame, war so höflich, das Gespräch auf Kotzebues Schriften zu bringen, in denen er Szenen aus der Moldau, wo er zehn Jahre lebte, schildert. Während wir uns noch dort herumtrieben, kam Berlepsch sen. und es wurde in einem kleinen Kabinett, in dem man sich allerdings neben den zwei Spieltischen nicht rühren kann, eine Whistpartie engagiert. Als Arnim noch dazukam, verschwanden Sahr und Kotzebue, um Falkensteins Rout (den ich abgelehnt) zu besuchen. Sie waren aber richtig nach einem Robber wieder da. Gegen 10 Uhr kamen denn noch mehrere Routbesucher, u. a. der französische Gesandte Forth-Rouen, mit dem ich nun spielte. Gegen 10 ½ kam eine ganze Plage geputzter Routdamen, von denen wir keine Notiz nahmen. Sie wurden aber genannt, als nach 11 Uhr ein brillantes Souper in der Stube neben unserm Whistwinkel serviert ward, wo denn die ganze Bande hereinlebte. Wir konnten nur ab und zu durch die Portieren und Krinolinen einen Bissen erwischen, so daß Berlepsch und ich uns gegen 11 ½ davonmachten. Von Ernst bekam ich einen Brief mit einer wunderlichen Beilage. Einer seiner Freunde, ein Musiklehrer Hugo, findet sich berufen, Deutschland neu zu organisieren und einen deutschen Kaiser in der Person des preußischen Kronprinzen zu krönen. Er hat deshalb einige Patente erlassen, von denen eines an die Eisenacher Polizeibehörde eingesendet worden, was ihm eine Haussuchung verschafft hat. Er schreibt nun an Ernst, dieser müsse ihn bei seinen Brüdern einführen, „damit er an Beust komme“ und „vom König allein gerichtet werde“. Zur Realisierung dieses höchst sachgemäßen Wunsches will der Kaiserproduzent durch die Familie Weber gelangen und Ernst hat mich als den geeignetsten dazu erkannt. Ich habe ihm denn höflich geantwortet, daß Herr Hugo sich nur zu Beust begeben möge, dem er wahrscheinlich sein Kaiserzirkular zur Unterschrift präsentieren will, um alle seine Wünsche gekrönt zu sehen, daß ich aber nicht kompetent bin, Audienzen bei Beust anzuberaumen. März 21 Beust sprach neulich nochmals mit mir wegen Wiechel. Körner hatte ihm bemerkt, daß, wenn man eine unbedingte Erlaubnis ihm erteilte, man am Ende ihn hier nicht wieder loß werden würde, da er kein Heimatrecht in Deutschland mehr habe. Die Entschließung, die ich Wiechel denn mitteilen soll, ging dahin, daß eine unbefristete Aufenthaltsgestattung ihm nicht erteilt werden könne, ein kurzer Aufenthalt ihm aber gestattet und die Androhung von sechs Monaten Arbeitshaus (!) für etwaige Rückkehr, wenn er sich deshalb melde, nicht zur Ausführung gebracht werden solle. Ich konnte weiter nichts tun als Wiechel dies melden. April 10 Da das Archiv noch den dritten Feiertag heiligt, so hatte ich noch einen freien Tag, den wir zu einer Exkursion nach Loschwitz benutzten, ich, Sophie und Erhard. Um
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10 Uhr mit dem Dampfschiff hinaus auf der hochflutenden Elbe. Um 12 Uhr ward aus dem Gasthofe Essen geholt und zu unserm Laster erschienen noch Antons, die nun auch bei uns aßen. Wir hatten allerhand Kulturen vorzunehmen, die ersten Veilchen zu pflücken und fuhren um 4 ½ herein und trafen Beust’s auf dem Schiffe. Ich hatte sie zum Abend mit Halles eingeladen, allein Beust sagte mir, daß sie einen Geburtstag des ältesten Sohnes zu feiern gedächten und er daher abgelehnt habe. Ich fand auch seinen Absagebrief zu Hause. Sophie aber erzählte mir, sie, die Beust, habe ihr gesagt, sie wollten noch nach der Geburtstagsfeier aber spät vielleicht kommen. Gegen 6 kam, allerdings sehr spät, ein Brief von Halle, worin sie absagten, da sie krank sei. Ich schrieb dies nun noch Beust mit der Bemerkung, daß sonach unsere ganze Gesellschaft in den Brunnen falle. Wickede, der auch eingeladen war, war schon öfters allein bei uns gewesen und ich ließ es ihm daher nicht absagen. Wir saßen denn nach 9 Uhr ganz allein mit ihm bei der zweiten Flasche Rotwein, als Beust’s, trotz zweimaligen Absagens und meines Avis doch noch erschienen. Wir waren bis gegen 11 Uhr sehr fidel zusammen und Wickede war über die Unterbrechung des tete a tete wahrscheinlich ganz zufrieden, da er mit Beust, der sehr mitteilsam war, politisieren konnte. April 20 Also silberne Hochzeit! Dem lieben Gott herzlichen Dank, daß er mich diesen Tag mit meiner geliebten Frau erleben ließ. Mag nun kommen, was da will, wir haben das Glück genossen und werden nicht murren, wenn auch einmal trübe Tage kämen! Abends waren wir bei Antons in zahlreicher Gesellschaft, Adolfs kamen aus Leipzig, Beust’s, Berlepschens’s, Ehrenstein’s, Witzleben’s, etwa 30 Personen. Es ward eine Charade aufgeführt „Silberne Hochzeit“: Sil-Ferdinand und Konstanze Berlepsch stellten die Silbe dar als „verdrehte Lis“ – eine konfuse Magd Lis machte ihrem Herrn, einem alten Junggesellen, alles verkehrt. Die Silbe „ber“ ist uns unklar geblieben: ein Berlepsch und Isidore stellten ein Bild, wo sie sich prügelten, dar, wie das zu verstehen ist mir unverständlich gewesen. „Hoch“ – war Ehrenstein als Kellner. Anton als Heulmeier, Witzleben als Demokrat: in Amerika finden sich die Dresdner wieder, erzählen sich vergangene Zeiten, erinnern sich unsrer von der Königstraße, der Sonntag pp., alles Anspielungen auf Vergangenes. Das Beste war Witzleben als „Zeit“, der ein sehr witziges Gedicht vortrug, das Ganze eine Kindergruppe in altfranzösischem Kostum, Oda, Erhard, Lilly und der kleine Curt, ganz reizend die kleine gepuderte und perückte Bagage. Dann Souper, wobei Beust einen sehr hübschen Toast auf die goldene Hochzeit ausbrachte und das goldene Herz, goldene Treue meiner Sophie. Heute von früh 6 Uhr an ein ewiges Geklingel, Geschenke von allen Seiten – die wir gern geschenkt hätten, da sie meist zu kostbar sind – Gratulanten. Dann ich (10 Uhr) auf eine Stunde entlaufen, um im Archiv nachzusehen. Gedichte, Briefe ohne Zahl. Mittags war großes Familiendiner bei uns, zu dem ich den alten Heiden aus Zöschau hatte kommen lassen. Vor Tische noch eine lächerliche Episode. Gülich trat ein im schönsten Frack, aber nach einer Weile verbreitete sich ein unerträglicher Geruch, als ob eine Gasröhre geplatzt sei. Es war Gülichs Frack, den er mit einem teuflischen Fleckwasser gereinigt hatte, aber nun alsbald ausziehen mußte. Ferdinand brachte einen ganz guten Toast aus, der aus dem Familienbecher getrunken ward. Ich ließ dann den alten Heiden hereinkommen, aber das alte ehrliche Gesicht rührte mich so, daß ich vor Tränen nicht viel sagen konnte. Abends war dann wieder große Gesellschaft bei uns, zu der alle näheren Bekannten ohne besondere Einladung erscheinen mochten. Es waren circa 40 Personen da. Wir lasen die verschiedenen Gedichte vor, die eingegangen waren, von Pfarrius Vater und Sohn, Witz-
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leben, Kohlschütter, Einerts. Die Geschichte dauerte bis 1 Uhr, wo ich völlig erschöpft das Bett suchte. April 30 Gestern gingen wir früh mit Adolfs in den Wintergarten auf Elisensruhe. Mittags war wieder Diner bei uns, nach dem Adolfs abreisten. Theodora war sehr unglücklich, daß es an mir ganz unbemerkt vorübergegangen, daß sie zweimal an einem Tage brillante Toilette gemacht hatte. Sie klagte Luisen wehmütig, wozu putzt man sich denn? Ich weiß es auch nicht. Ich zog mich dann einige Stunden zurück, um etwas auszuruhen. Von der Masse Geschenke, die wir bekommen, will ich nur die Hauptsächlichsten erwähnen: von den drei Brüdern einen Zimmerteppich, Isidore und Ernst Tischdecke, Seebach eine sehr große Vase mit Ansicht von Bagatelle, Beust eine große Kristallvase, Halles zwei Serviettenbänder aus Silber, Luise und Theodora zwei ganz große Gemüselöffel, Einerts zwei Feldstühle, Blumen in Unmasse, auch ein großer Strauß aus Harnuren, Ehrenstein eine Fruchtschale, Just Glasflasche pp. usw. Die ganze Stube sah aus wie ein Blumengarten. Man sah doch, daß Sophie – der Teufel schert sich um mich – viele Freunde hat, denn es kamen auch Massen von Karten und Briefen, auch eine telegraphische Depesche durfte nicht fehlen von Falkenstein aus Frohburg. Mai 8 Gestern Abend waren wir bei Halles, allein mit Wickede, der heute nach Rom abgeht, wohin ihn Lamorivital berufen hat, um ihn bei der Organisation der päpstlichen Armee zu unterstützen. Er geht aber mit sehr wenigen Hoffnungen hin und meinte, er werde wohl bald zurückkommen. Beust war einige Tage unwohl, indem er sich einige Muskelbänder in der Hüfte zersprengt hatte bei einer raschen Bewegung, indem er dem jüngsten Sprößling eine Züchtigung applizieren wollte. Ich besuchte ihn daher öfters. Gestern Abend las ich im Altertumsverein einen Aufsatz über Graf Vitzthum vor. Der Prinz Georg war da, sagte aber, als ich nachher mit ihm sprach, kein Wort – an sich ist mir das völlig gleichgültig, allein es ist doch wieder ein Beweis, wie wenig er auch nur daran denkt, höflich zu sein, was einem Prinzen ja so leicht wird. Mai 31 Seit einigen Wochen in Loschwitz, jetzt bei 4 Grad Wärme, gefroren wie die Schneider, tüchtig geheizt. Halles und Beust’s waren einmal zu Tische bei uns, wir dann bei Beust’s, beide Male fidel. Beust voller Anekdoten. Der Bediente meldete, als gerade der alte Prof. Werner, österreichischer Gesandter, bei ihm ist, Herrn von Gutzkow, wünscht den Fürst von Galizien vorzustellen, i. e. Kotzebue F. Galizien. Eines Tages läßt sich melden der Älteste der Deutschkatholiken. Beust erwartete ein graubärtiges zottiges Individuum erscheinen zu sehen, ist sehr erstaunt, als ein höchst geschniegeltes Persönchen hereintritt, der ihm eröffnet, er habe Sr. Exzellenz schon in Paris gekannt und sei zu Dank verpflichtet, weil dieselben sich seiner als Schneidergeselle dort angenommen. Er gibt sich als Bekleidungsdirektor Müller zu erkennnen und als Beust fragt, wie er denn dazukomme, den Ältesten der Deutschkatholiken zu spielen, sagte er, wenn Er. Exzellenz befehlen, lege ich es gleich nieder. Das befiehlt nun aber Beust nicht, Sie kommen aber, wahrscheinlich weil Beust einen sehr defekten Schlafrock anhat, auf die Schlafröcke zu reden und Müller sagt, er habe eine neue Erfindung gemacht, einen Schlafrock, den man auch als Jacke tragen könne, indem man den unteren Teil abknüpfe und dann als Decke
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gebrauchen könne. Beust’s Schwiegermutter hatte ihm einen Schlafrock schenken wollen und das Geld dazu ihrer Tochter gegeben, die aber es vermöbelt. Beust bestellt sich also einen Schlafrock neuer Erfindung bei Müller. Eines Morgens, als er ihn trägt, läßt sich eine Dame melden, etwas zweifelhafter Existenz, die eine Beschwerde gegen die Polizei anbringt, ihn aber dabei mit sonderbaren Blicken betrachtete, die sich allerdings erklärten, als er nach ihrer Entfernung wahrnahm, daß der untere Teil des Schlafrocks sich gelöst und er in der Jacke, sonst unbekleidet, dasaß. Während des orientalischen Krieges kommt der österreichische Gesandte Kuefstein zu ihm, um ihn zu bestimmen, die österreichischen Vorschläge an Rußland durch Seebach unterstützen zu lassen. Beust erklärt dies für vergeblich und untunlich. Kuefstein dringt in ihn. Da bringt der Bote eine telegraphische Depesche aus Wien. Kuefstein legt sie unerbrochen auf den Tisch, indem er, ergriffen von der Situation, sagt: Das ist jetzt ein historischer Moment, vielleicht ist es schon zu spät. Er erbricht die Depesche, wirft sie auf den Tisch. Sie enthält die Worte: Schicke mir einen Blumenstrauß zum morgenden Balle! Ich soll nach Marienbad, was mir, abgesehen von den Kosten, höchst ledern ist. Heute fuhr ich mit Beust herein und begleitete ihn auf einem Pianoforte-Einkauf. Als ich ins Archiv kam, fand ich Hofrat Gersdorf. Falkenstein hatte vor längerer Zeit mich aufgefordert, ihm ein Gutachten wegen Herausgabe sächsischer Urkunden oder Regesten zu geben. Ich machte es und bekam vor einiger Zeit eine Verordnung des Gesamtministeriums, wonach der König genehmigte, daß die Herausgabe einer solchen Urkundensammlung unter Falkenteins Leitung erfolgen solle. Letzterer sagte mir auch vor einiger Zeit, er wünsche mit mir deshalb zu sprechen, tat es aber nicht bis jetzt. Heute kommt nun Gersdorf und sagt mir, daß er beauftragt sei, die Sache zu übernehmen. Wäre ich nicht völlig abgestumpft gegen jede Verletzung, so hätte ich allerdings allen Grund, empfindlich zu sein, daß Falkenstein die Form so wenig beachtet und mir keine Mitteilung gemacht hat. So ist es mir ganz Recht, daß ich nicht einmal einen Schatten von Verantwortlichkeit bei der Wahl der Person habe. Gersdorf ist ein Mann, dessen Persönlichkeit ich ganz gern habe, aber er ist von einer Breitspurigkeit und Weitläuftigkeit, daß ich weder einen Anfang der Arbeit, weniger ein Ende derselben absehe. Natürlich ließ ich, um Erbstein und Schladitz auch zu honorieren, sie an der vorläufigen Beratung mit Gersdorf teilnehmen. Allein wie gewöhnlich hatte ich alle Mühe, um sie mir vom persönlichem Kampfe abzuhalten. Juni 30 Ein sechswöchentlicher Urlaub vom Anfang des Monats mußte zunächst zu einer Brunnenkur in Marienbad benutzt werden. Den Aufenthalt dort schildern meine Briefe an Sophie. Leider ward mir der letzte Teil der Reise und insbesondere die Rückreise sehr verbittert durch die Gewissheit, daß Sophie sich wieder einmal Gott weiß welche Grillen und eifersüchtige Phantome gemacht. Ich ward in der Tat, durch den Brunnen aufgeregt, unrechte und Hämmorodialbeschwerden, Blutabgänge, Verstopfung plagten mich seit einigen Tagen. Ich ging von Zwickau nach Schweinsburg, dessen Besitzer Meinhold die älteste Tochter der Oberzolldirektorin von Nostitz geheiratet hat. Ich traf in der teilweise sehr alten Burg die ganze Familie, die Nostitz mit ihren zwei Töchtern und eine Tochter des Paulsdorfer Nostitz, an, ward sehr freundlich aufgenommen, besah den alten Bau, das Gut, und blieb halb gezwungen die Nacht dort. Gestern fuhr mich Meinhold im Regen nach Crimmitschau (¾ Stunde) und von da ging es in langweiliger Fahrt über Chemnitz, Riesa nach Dresden. In Riesa traf ich Professor Hübner, der aus London zurückkam, wo er im Auftrag der Regierung Bilder gekauft hat und mir eine ausführliche Relation seiner Verdienste dabei gab.
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Juli 6 Gestern traf ich Beust zuerst wieder, der mir denn über die neuesten Händel vielerlei Unerfreuliches mitteilte. Bei der Badener Königskonferenz96 hat unseres braven Königs ehrlicher Wille und seine Umsicht ihm eine sehr günstige Stellung verschafft. Schade nur, daß seine Bescheidenheit ihn verhindert, sie so einflußreich zu machen, als Beust ihn aufgefordert hat. Der König hat ihm vor der Abreise, noch ganz einverstanden mit Beust’s Ansichten, gesagt, er fühle es en passe eben mit, dazu die Leitung in die Hand zu nehmen. Während der König von Hannover aus bloßer Neugierde nach Berlin gelaufen, die anderen sich dem Prinzregenten selbst anboten, hat unser König sich bitten lassen, schon dadurch eine günstige Position. In Baden hat er das Protokoll geführt, dem Gesandten in München von Bose in die Feder diktiert. Er hatte die Sache in der Hand gehabt, wenn er, wie Beust meint, nur entschiedener gewesen, die Sache so gefaßt, daß die andern, wollten sie nicht ihre eigene Unterschrift verlängern, nicht zurückgekonnt. So ist das Ergebnis ein sehr unerhebliches. Der König von Bayern war nun dieser Tage hier, um Beust zu sprechen. Obwohl er in dieser Absicht gekommen, hat er doch förmlich Furcht vor der Besprechung gehabt, die Unterredung wiederholt verschoben, Beust bestellt, wieder abbestellt, bis er denn endlich Courage gefaßt. Beust, das Ziel einer aus den Mittelstaaten zu bildenden Trias mit gemeinsamer Gesetzgebung, einem Bundesgericht pp. vor Augen, hat sich nun vergeblich bemüht, den König von Bayern, den er als einen bornierten, ängstlichen, unklugen, jeder Einflüsterung zugänglichen, läppischen Menschen schilderte, den Standpunkt klar zu machen. Er hat ihm z. B. vorgestellt, wie die Hessische peinliche Frage gar nicht die Wendung hätte nehmen können, wenn wir ein Bundesgericht gehabt. Der König hat aber große Besorgnis vor einem solchen Institut geäußert, geargt, wir in Sachsen möchten wohl das Bedürfnis danach haben (welcher Unsinn!). Während Pfordten Minister war, wußte der seinen König immer zu treiben, die Sache so zu stellen, daß er nicht zurückkonnte. Der jetzige Minister hat gar keinen Einfluß und Beust sagt, er habe die Sache, das immerwährende Lahmlegen durch solche Einfaltspinsel wie die Könige von Bayern und Hannover, so satt, daß er oft ganz den Mut verliere, während er überzeugt sei, man könne die Bundesreform bei gutem Willen ohne alle Schwierigkeit durchführen. Jammervoll sind solche Zustände und was auch Beust sagen mag, für die Mittelstaaten immer ein bedenklicher casus, daß es eben an einigen unklaren oder obstinaten Kronenträgern hängt, daß das Notwendige nicht geschehen kann. Wohl mir, daß ich nicht berufen und verpflichtet bin, an dem unbeweglichen Wagen mit zu ziehen. Beust, wenn er auch alle die Schimmel eingeschirrt hat und die Zügel nimmt, glaubt, sie werden alle ziehen, sieht sich dann immer durch eines oder des andern Tätigkeit behindert. Ich fand im Archiv allerhand Arbeiten, u. a. eine zahlreiche Korrespondenz aus dem Nachlaß des Prinz Xaver, welche der König in Frankreich gekauft hat, wahrscheinlich von Jemand, der sie aus einem Archiv in Frankreich gestohlen hat. Während meiner Abwesenheit hat Minister Falkenstein mit Schladitz wegen der sächsischen Urkundensammlung 96
Im Juni 1860 hatte es in Baden-Baden ein Zusammentreffen deutscher Fürsten mit Frankreichs Kaiser Napoleon III. gegeben. Im Anschluß daran kamen vor allem die Regenten der Mittel- und Kleinstaaten des Deutschen Bundes in Würzburg zusammen, um dem Dualismus der Großmächte Preußen und Österreich eine dritte Kraft, eine deutsche „Trias“, entgegenzusetzen. König Johann hatte bei den Besprechungen mit Napoleon III. das Protokoll geführt, wie er auch versuchte, in den Würzburger Konferenzen 1860 die Bundesreformpläne voranzubringen. Siehe Hellmut Kretzschmar: Die Zeit König Johanns von Sachsen. Berlin 1960, S. 34–40.
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gesprochen. Dieser hat bereits Urkunden abschreiben lassen, erwähnte, daß er nach Kassel pp. reisen solle, um die dortigen Archive einzusehen, und von alle dem ist mir noch keine Silbe offiziell mitgeteilt worden. Ich schrieb denn, da ich Falkenstein nicht traf, deshalb an ihn und und bat um eine offizielle Mitteilung. Mit der Sache selbst mag ich auf keine Weise konkurrieren, denn ich fürchte sehr, daß, was unter des breitspurigen, nie fertig werdenden Gersdorf’s und des faseligen, ruschlichen Schladitz Regide erscheinen wird, eben nichts Ordentliches werden wird. Ad vocem Falkenstein fällt mir ein, daß Anton mir Folgendes erzählte. Bei der Lehnskurie ist es üblich, daß bei der Lehnsnahme als Wert des Gutes bei der Kostenberechnung, Stempelpapier pp. der letzte Kaufpreis angenommen wird, wovon aber die Ablösungsgelder abgezogen werden. Darnach hat sich für Frohburg, als es Falkenstein übernommen, ein Wert von – 2 000 Taler ergeben. Dem Appellationsgericht ist dies doch zu stark gewesen. Es hat beim Justizministerium angefragt, wie man es halten solle, aber doch Bescheid erhalten, man solle es nur bei der Observanz bewenden lassen. Wenn es ein kleines Bauerngütchen wäre? Wie lautet da der Ausspruch Alexanders? Ja, Bauer, das ist ganz was Anderes! Juli 12 Kohlschütter war neulich auch bei uns. Er sieht sehr elend und verschimmelt, zusammengekrochen aus und eine Ausspannung ist ihm sehr nötig. Durch meine Vermittlung, die er bei solchen Gelegenheiten gern benutzt, hat er von Beust 300 Taler zu einer Reise erhalten. Dazu findet sich immer Geld und wenigstens in diesem Falle kann man sagen, das es gut plaziert ist, denn Kohlschütter ist wohl jetzt die Intelligenz des Ministeriums. Weinlig ist zwar genial, aber sehr flüchtig und zu wenig Geschäftsmann, um immer Ordnung zu halten. Auch Just macht eine Reise auf Staatskosten, um, wie mir scheint, höchst unnötiger Weise in Wien und Pesth Tierarzneischulen zu besuchen. Juli 23 Ich traf heute Beust, der mir denn allerlei erzählte, zunächst über die Falkensteinsche Kirchenverfassung, die ich neulich erwähnte. Im Entwurf ist die Kirchendisziplin dem Landeskonsistorium überwiesen gewesen, Beust hat opponiert und durchgesetzt, daß sie dem Kultusministerium verbleibe. Darauf sagt der Kultusminister zu Beust, es ist mir sehr lieb, daß Sie es durchgesetzt. Ich konnte es bei Hübel (dem Referenten im Kultusministerium) nicht durchbringen!! Dem Herzog von Koburg hat Beust in Folge der Badener Konferenzen und eines deshalb vom Herzog verfassten Schreibens eine sehr energische Antwort gegeben, worin er u. a. gesagt, daß der Nationalverein (das Schoßkind des Herzogs) in Sachsen sehr wenig Anklang gefunden, „ein Zeichen des gesunden Sinnes des Volkes“. Beust meinte übrigens, es würden die Bestrebungen doch schließlich noch zu einer gewaltsamen Opposition führen, welche das traurige Resultat haben werde, daß eine Menge Irregeleiteter ins Unglück stürzten. Vom Herzog von Meiningen erhielt er ein Schreiben, worin dieser meldet, er wolle nach Dresden kommen, um Beust zu sprechen. Dieser stellt sich natürlich zur Disposition, fährt auf die Einladung des Herzogs früh nach Eisenach, dort will er sich ausruhen, findet aber den Herzog schon mit brillanter Equipage im Bahnhof, er muß sich rechts setzen, man jagt in 3 ½ Stunden nach Altenstein, dort opulentes Diner, vor und nachher Beust’s Belehrungen des biederen Bernhard Erich Freund. Nach dem Diner Fahrt nach Liebenstein, um 11 Uhr zurück. Früh 4 Uhr fährt er schon wieder fort, nach Leipzig, wo er bereits 10 von ihm bestellte Personen zur Rücksprache findet, das abgemacht fährt er noch nach Dresden. Dazu hätte ich wenigstens fünf Tage gebraucht, ihn, den Kautschukmann, geniert das nicht.
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Ich sah mir heute auch Hübners Zeichnungen für das Museum an, höchst geistreich und tief gedacht sind sie. Ob sie sich aber praktisch eignen, kann ich nicht beurteilen. Er rechnet sehr darauf, daß ich die Sache bei Beust bevorworten soll, aber man hat zu Hübner kein Zutrauen, er hat viele Gegner. Auch Beust, den ich deshalb sprach, war nicht sehr für den Plan eingenommen und sagte, daß der König nicht dafür sei. Juli 27 Die Konferenz des preußischen Prinzregenten und Kaiser von Österreich in Teplitz macht viel Gerede, wird aber, wie Beust meint, eben kein großes Resultat haben. Der preußische Minister von Schleinitz, der mit ankam, war in der ihm zur Disposition gestellten Hofequipage bei Beust vorgefahren und das Publikum meinte, es sei der Prinzregent selbst. Einer hat gesagt: „Nun besucht den Beust sogar der Prinzregent selbst und da soll er nicht eitel werden.“ So erzählte er mir selbst. Seine Unterhaltung mit Schleinitz, der selbst nicht wisse, was er wolle, war ebenso höflich als resultatlos gewesen. Dagegen habe Beust dem König einige „Grobheiten“ aufgeschrieben, welche dieser bei dieser Gelegenheit anbringen soll, ob er es getan, wußte Beust nicht. Juli 31 Wie vor zwei Jahren um diese Zeit fiel seit 24 Stunden ein sintflutartiger Regen herab, der bereits in der Nacht durch die Wand meiner Schlafstube schlug und von oben durch das Dach drang. Ich blieb heute den Tag über in der Stadt, hatte aber in der Tat Mühe, mir durch Sturm und Regen eine Kotelette zu erkämpfen. Auf der Terrasse beim Kaffee traf ich Nicolai, den Professor, und den Hofbaumeister Krüger, mit dem ich über den früheren Plan, die alte Bildergalerie in einen Konzertsaal umzuwandeln, sprach. Das Dach ist ganz baufällig, es muß über kurz oder lang doch ein Bau vorgenommen werden, allein jetzt, wo der Hof, in welchem die Treppe angelegt werden mußte, überbaut, um einen Platz zum Waschen der Hofwagen zu gewinnen, eine Lieblingsidee des Oberstallmeisters Engel – an der dann auch glücklich der Konzertsaalplan scheitert! Für die Musik interessiert sich allerdings Niemand bei Hofe und das Wagenwaschen steht natürlich höher als die Kunst! In die alte Bildergalerie soll die Porzellansammlung kommen, von der ihr Vorstand behauptet, sie gehe sonst zu Grunde. Daß dies unter seiner Leitung geschieht, ist auch kein Wunder. Der verstorbene Hofrat Schulze hat den Biedermann, einen Hofrat Grässe, nämlich selbst ertappt, wie er die Majolicagefäße mit Wasser besprengt oder mit nassen Tüchern abgewischt, um ihnen das Ansehen, als ob sie an der Feuchtigkeit litten, zu geben. Ihm ist nämlich, was ich ihm übrigens nicht verdenken kann, das Herumführen der Fremden nicht, das er bezahlt bekommt, aber der Aufenthalt in den Kellerräumen, in denen das Porzellan steht, lästig und er hofft, von einer dem Publikum bequemeren Lokalität noch mehr 2-Talerstücke, die er sich jetzt durch sehr reichliche Trinkgelder an die Lohnbedienten, welche seine Zuführer sind, zu vermehren sucht. So erzählte Krüger. Mir hat der Mann, den ich nur einige Male gesehen, den Eindruck eines höchst aufgeblasenen, dabei aber schmierigen Kerls gemacht, dessen Vater präsumtiv ein Frosch, die Mutter eine Kröte gewesen sei. Einen Orden hat er aber trotzdem noch nicht, wie ich eben aus dem Staatshandbuch, in dem ich den Namen dieses Liebenswürdigen aufsuchte, ersehe. Unbegreiflich, da er doch gewiß schon manchen ordensspendenfähigen Duodezfürsten herumgeführt. September 15 Eben komme ich vom Justizminister von Behr, der mir gestern schrieb, ich möchte ihn heute aufsuchen. Er hielt mir erst eine Rede über das Zivilgesetzbuch und den von Marschner bearbeiteten Entwurf eines Prozessgesetzes, so daß ich wirklich Angst bekam, ich solle etwa die Sache fortsetzen (!!). Alles war nicht so schlimm, sondern ich soll nur
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in die Kommission für die Beratung des Entwurfs eintreten. Nun mußte ich ihm allerdings bemerklich machen, daß ich seit langen Jahren ganz aus der Praxis heraus sei. Indessen da er dies nicht gelten ließ, hatte ich gar keinen Grund, die Sache abzulehnen, da ich mich wenigstens mit Arbeitsüberhäufung nicht zu decken wußte. Also bin ich wieder einmal Gesetzgeber in einer Sache, bei der ich sehr unbefangen sein werde, weil ich sie nicht verstehe. September 25 Gestern war der Regierungssekretär Roßberg bei mir, dem ich mitteilte, daß ich wieder einen Band zu den Vier Jahrhunderten herauszugeben beabsichtige. Er wollte mir etwas Angenehmes sagen und fügte am Schlusse bei: Ich wundere mich nur, daß die Sachen gehen!. Ein sehr gewandter Schmeichler ist der Mann nicht. Beust erzählte mir nach einer Mitteilung unseres Gesandten in München, von Bose, eine Geschichte, die Pfordten, der jetzt bayerischer Bundestagsgesandter ist, charakterisiert. Der König von Bayern schreibt ihm, er möge doch zu vermitteln suchen, daß er zu der bevorstehenden Konferenz des Prinzregenten von Preußen mit dem Kaiser von Rußland in Warschau mit eingeladen werde. Pfordten erzählt diesen natürlich sehr diskret zu behandelnden Auftrag einem bayerischen verdienten Edelmann, der nach Frankfurt kommt, mit großer Naivität, der dann natürlich die Sache sofort ins Publikum bringt. Verschwiegenheit scheint also Pfordten als Diplomat noch nicht gelernt zu haben. Oktober 6 Am Mittwoch (3. Oktober) fuhr ich um 10 Uhr mit Extrapost mit Beust und Oberst von Witzleben nach Freiberg. Jordan hatte wegen zerrütterter Gesundheitsumstände (obwohl ganz wohl) abgelehnt die Teilnahme. Beust sen. feierte nämlich (höchst unnötiger und lächerlicher Weise) sein 25jähriges Staatsdienerjubiläum. Um 2 Uhr angekommen, wurden wir im Schwarzen Roß vom Oberbergrat von Wermsdorf empfangen und dann in den Saal geleitet, wo etwa 140 Personen, Bergbeamte und andere Freiberger Subjekte, versammelt waren. Es fand dann ein gewöhnliches Zweckessen statt, bei dem nicht weniger als 13 Toaste auf den Jubilar ausgebracht wurden. So daß, so dick der Kerl ist, allerdings keine Seite, kein Fleckchen mehr für eine neue Lobhudelei übrig blieb, es wäre denn, wie ich vorschlug, noch ein Toast auf ihn als l’hombre-Spieler. Beust selbst hielt eine eigentümliche Rede, in welcher er den Zustand des Bergwesens vor 25 Jahren und den jetzigen Zustand schilderte, was sich allerdings sehr eigentümlich ausnahm, indem es herauskam, als ob die großen Verbesserungen, die er finden wollte, lediglich ihm verdankt worden. Überhaupt fiel mir es sehr auf, wie nachteilig der Aufenthalt in der kleinen Stadt, wo er der Erste ist, auf seine Bescheidenheit gewirkt hat. Die ungemessene Einbildung, die sich gewaltig bläht und überschätzt, trat überall sehr hervor. Nach dem Diner rauchte ich noch eine Zigarre mit Cotta, der eben aus Ungarn zurückgekommen war und nach 7 gingen wir (Beust, Witzleben, ich und ein Bergrat von Beust) zu Beust, der jetzt in seinem öden Haus ganz allein mit einem Bedienten haust (da die Frau mit Rose in München weilt). Er hatte den Kronleuchter mit einer Unzahl Lichter anbrennen lassen, aber kein Feuer im Kamin der eiskalten Zimmer und setzte uns auch nur Tee und auf Weigerung, diesen zu trinken, Bier vor. Abgesäuert, wie wir waren, fiel der Abend ziemlich ledern aus. Donnerstag früh fuhren wir zurück. Oktober 12 Seit einigen Tagen ist der Professor Ranke aus Berlin hier, um historische Studien über Wallenstein pp. zu machen. Ich bin natürlich gegen solche gelehrte Herren immer sehr bereitwillig und dies mag eine Einladung nach sich gezogen haben, die ich zu Herrn von Savigny, dem preußischen Gesandten, zum Mittagessen gestern Abend 6 Uhr (!) vorgestern erhielt. Da ich mit dem Mann in keiner sozialen Verbindung stehe, so hatte ich bereits
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die Ablehnung und mein Bedauern gegen Ranke ausgesprochen, als dieser mir sehr anlag, doch hinzukommen, so daß ich, als Savigny noch einmal schickte, es annahm. Es war aber eine sehr unbequeme Expedition. Ich fuhr um 1 ½ mit dem Omnibus in grässlichem Regen (der auch die Feier der Enthüllung der Weber-Statue hinter dem Theater gestern Vormittag sehr durchwässert hat) nach Blasewitz, aß mit Sophie um 3 einen Löffel Suppe, dann Toilette gemacht und mit dem Dampfschiff herein. Ich traf bei Savigny seine Eltern, den alten 80jährigen berühmten Professor und unberühmten Minister nebst seiner alten ehrwürdigen Gattin, Minister Falkenstein, Langenn, Ranke und – Archivar Erbstein, der sich vor Devotion völlig überschlug und wohl nun nochmals total verrückt werden wird. Das Diner war gut und meine Nachbarin, die alte Savigny, obwohl etwas taub, doch noch ganz mitteilsam über Personen, die sie in Berlin viel gesehen wie Rumohr, den Kochkünstler, Tieck und andere mir auch bekannte Persönlichkeiten. Auch Ranke war mitteilsam. Das kleine Männchen erzählte sehr lebhaft. Er ist aus Wiehe in Thüringen gebürtig und war sehr ärgerlich, daß man dort die Bach, die romantisch durch das Städtchen sich geschlängelt, jetzt überbaut hat und der dortige Bürgermeister seinem Ansinnen, den Überbau wieder wegzureißen, nicht fügen wollen. Um 8 suchte ich mich zu drücken, geriet aber nur, der früheren Einrichtung bei Graf Redern eingedenk, in ein nicht zum Durchgang bestimmtes Schlafzimmer, so daß Savigny arg bedenklich mir durch die Türe nachblickte. Da ich nichts stehlen wollte, so beunruhigte mich dies weiter nicht und ich kam auch glücklich in die antichambre. Mit Gustav fuhr ich durch Nacht, Sturm und Regen noch nach Loschwitz, wohin wir erst nach 9 Uhr kamen. Savigny gilt für einen sehr geizigen Mann und dies bestätigt eine Geschichte, die der hannoversche Gesandte von Reitzenstein erzählt. Er gibt ein Diner und trifft vor demselben Reitzenstein, den er fragt, ob es wohl Sitte sei, Austern zu geben. Auf die Antwort jawohl bittet er Reitzenstein, ihm anzugeben, wo er solche zu kaufen habe. Reitzenstein geht mit ihm und Savigny bestellt 11 Dutzend. Reitzenstein, später von einem Kollegen befragt, ob das Diner zahlreich sein werde, antwortete, die Zahl der Gäste nach der Zahl der bestellten Austern bemessend, nein, wahrscheinlich etwa 8–9 Personen, findet aber zu seinem großen Erstaunen Mittags 24 Personen. November 5 Wie bisweilen längst verklungene Saiten wieder erklingen, erloschene Bilder der Erinnerung wieder aufleben! Gestern Abend waren wir bei Professor Hübner zu einer musikalischen Soiree, bei der Clara Schumann und Joachim, die jetzt hier konzertiert haben, spielten. Ich liebe es nicht, mit solchen Künstlern die persöliche Bekanntschaft bloß durch ein paar banale Salonphrasen zu machen und hielt mich daher ihnen fern. Sophie aber hatte der Schumann gesagt, daß ich mit ihrem Mann befreundet gewesen und noch Briefe von ihm besäße. Da kam denn heute ein Billett, worin um die Briefe gebeten ward. Ich suchte sie heraus aus vielem Briefwust und fand denn auch einige verblaßte Briefe d. a. 1829 aus der Zwickauer Periode.97Alle, die darin vorkommen, deckt schon lange das Grab! Ich ging um 6 Uhr hin und übergab die Briefe der Schumann, mit der ich dabei Bekanntschaft machte, denn erneuern kann ich nicht sagen, da ich sie nur einmal mit ihrem Mann auf der Eisenbahn 97
Diese Briefe Robert Schumanns an Karl von Weber sind veröffentlicht in: Jugendbriefe von Robert Schumann. Nach den Originalen mitgeteilt von Clara Schumann. Zweite Auflage. Leipzig 1886. – Siehe Wissenschaftliche Gesamtausgabe der Briefe von Clara und Robert Schumann. Serie II: Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Freunden und Kollegen. Band 22: Briefwechsel mit Freunden und Kollegen in Dresden. Hrsg. v. Carlos Lozano und Michael Heinemann. In Bearbeitung.
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traf. Ein kurioser Kerl, wie er war, hatte er mich während seines mehrjährigen Aufenthalts in Dresden nicht aufgesucht und wir trafen uns bloß einmal in einem Eisenbahncoupe, um uns die schönsten Versprechungen gegenseitiger Besuche zu geben, aber ohne sie zu halten. Der Musikgenuss gestern war ausgezeichnet, aber wir erkauften ihn, da die Hitze furchtbar war und um sie zu lindern ein fürchterlicher Zug hergestellt wurde, mit einer heftigen Erkältung, die sich bei Sophie bis zum heftigen Unwohlsein gesteigert hat. Die Arme konnte die ganze Nacht nicht schlafen und ist erst gegen Abend etwas besser geworden. Heute Morgen, wo ich eben, weil ich unwohl war, zu Hause blieb, kam Tauchnitz zu mir, der mir viel von seinem Geschäft erzählte und mit mir wegen einem dritten Band abschloß. Er will sich noch überlegen, wie viel Exemplare er drucken lassen will und danach wird sich das Honorar richten müssen. Dezember 5 Zu Hause fand ich dann eine kuriose Gesellschaft, wußte Niemand anders eingeladen, als auf Verona Müllers Ehegespons, den vormaligen Polizeiarrestaten und Demagogen Wiechel aus New York.. Er hatte sich, mir ganz unbekannt, vor längerer Zeit an mich gewendet, um die Erlaubnbis, nach Sachsen kommen zu dürfen, zu erhalten. Ich gab seinen Brief an Beust, der ihm denn auch die Erlaubnis mit gewissen Vorbehalten zusichern ließ. Vor einiger Zeit schickte mir Beust dann einen Brief Wiechels, worin ihn dieser seine Ankunft meldet und beauftragte mich – er hätte auch wohl selbst antworten können – ihm zu schreiben, er könne kommen. So suchte er mich denn hier auf und da Sophie meinte, wir könnten aus Rücksicht gegen Verona ihn nicht ganz ignorieren, so ward er zum Tee gebeten und dazu Jette Müller, die bei Jordan die Kinder erzieht, Ehrensteins und Kohlschütters. Selbst die dicke Kohlschütter hatte die Neugier aus ihrer Höhle, die sie sonst nicht verläßt, hervorgelockt. Wiechel erzählte ganz gut von den amerikanischen Handelsverhältnissen und der alle Grenzen übersteigenden Korruption der städtischen Behörden New Yorks. Die Lust, nach Amerika auszuwandern, können seine Mitteilungen gründlich verleiden. Er hat sich wohl auch die politischen Hörner etwas abgelaufen. Heute ist Symphoniekonzert, das ich, so schön die Musik ist, doch eigentlich nur widerwillig besuche, des schändlichen Entrees in den Saal im Hotel de Saxe willen. Heute werden zwei Ouvertüren von Beethoven zum Fidelio (Eleonore) aufgeführt. Dezember 10 Am Sonnabend kam, ich glaube seit einem Jahre zum ersten Male wieder, Römer zu uns und brachte, obwohl Sophie Kopfschmerzen hatte, den Abend bei uns zu. Er erzählte, daß der Kronprinz vor einiger Zeit beim Jagen, unvorsichtig wie er ist, abermals einen Jungen getroffen, der vor dem Plauenschen Schlage auf einem Damm ging. Ein Herr nimmt sich desselben, der blutet, an und fährt den ihm unbekannten Jäger sehr hart an. Bei dem Streit fragt endlich der Jäger, wer sind sie denn. Antwort: Geheimer Regierungsrat Schaarschmidt – und ich bin der Kronprinz. Bei einer andern Geschichte spielt bloß der Hund eine Rolle. An einem Tag, wo sehr starker Nebel war, stürzen Nachmittags zwei Damen atemlos in die Konditorei im Großen Garten und erzählen, ein Bär sei aus dem Zoologischen Garten ausgebrochen, er habe sie verfolgt. Man verbarrikadiert Türen und Fenster, sieht nach dem Untier aus. Nach einer Weile gehen ein paar Herren vorbei, man ruft ihnen zu, warnt sie. Diese aber lachen, da sie aus dem Tiergarten kommen und die Petze ganz ruhig in ihrem Graben gesehen. Es ergibt sich endlich, daß der große Neufundländer des eben spazieren gehenden Kronprinen die Damen erschreckt hat, die ihn im Nebel für einen Bären angesehen. Der Kronprinz hat übrigens seit einigen Tagen die Masern
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und ich verhehle nicht, als guter Sachse täglich das Bulletin zu studieren und mir aufzuschreiben. Heute mußte ich notgedrungen eine Gegenvisite machen bei einem russischen Staatsrat von Richter, einem alten, ziemlich trocknen Herrn, der auf eine flüchtige Bekanntschaft bei Budberg hin mir einen Besuch machte. Damit wird die Sache wohl abgeschlossen sein, denn auf seine Frage, wann ich am sichersten zu treffen, versicherte ich ihm, ich sei den ganzen Tag im Archiv und als er dann bemerkte, vielleicht nach Tische gegen 4 Uhr, begnügte ich mich um so mehr mit einem sanften Murmeln, als ich da nie zu Hause bin. Um 4 Uhr war ein Diner bei Halle, wie natürlich mit einigen Exzellenzen gespickt, zugleich aber Verwunderung erregend, warum er nur so manchen bockledernen, nichtssagenden Kerl einladet. Ich saß neben dem russischen Legationsrat Staatsrat von Kotzebue, einem mir sehr angenehmen Gesellschafter, und dem Sohn des Hofmarschall von Könneritz – Nöthnitz. Ich kann aber die Diners, wenn ich auch jetzt ganz mäßig dabei bin, nicht vertragen, sie verderben mir den ganzen Nachmittag, an dem ich dann nichts tun mag. Dezember 28 Der König hat seit acht Tagen die Masern und sein Zustand nicht ganz unbedenklich. Als ich mit Beust darüber sprach, erinnerte ich mich, wie der Kronprinz einmal mit mir über Beust redete und daß er ihm nicht traue, wobei ich denn Beust zu rechtfertigen suchte. Er ist traurig, daß der Prinz, dem es durchaus nicht an Befähigung und gesundem Urteil fehlt, so wenig Interesse an ernstern Beschäftigungen nimmt. Hasen schießen und mit jungen Leutnant Skat und Whist spielen, das ist sein Geschmack. Beust erzählte mir dagegen eine Geschichte d. a. 1850. Es läßt sich bei ihm eine Deputation der Freien Gemeinde melden und bei ihrem Eintritt fängt ein Mann mit barscher Stimme an: Wir kommen, um zu protestieren gegen die gesetzlosen Gewaltmaßregeln der Regierung, die ohne allen Grund – hier unterbricht ihn Beust und fragt, wer er denn sei – der Vorstand der Freien Gemeinde! – Sie müsssen aber doch einen Namen haben – Destillateur Schmidt – Nun, sehen Sie, Herr Schmidt, wenn nun Jemand in ihren Laden träte und gleich beginne: Sie haben hier nichts als ganz schlechtes Zeug, was würden Sie dem wohl antworten? Die Rede des Herr Destillateurs war damit unterbrochen, aber ein anderer – Herr Wiechel – nahm etwas milder das Wort. Beust sen. scheint sehr damit zufrieden, daß Frau und Tochter den ganzen Winter in München bleiben, dort unter der Firma von Malereistudien mit jungen Künstlern scharmuzieren, sich durch sehr auffallende Toiletten im Theater kennzeichnen und Stoff wieder zu Zeitungsartikeln geben werden, wie die Beust durch ihre dünnen Arme und knochigen Beine in Tiroler Tracht gesteckt und damit ein mehr auffallendes als schönes Schauspiel gegeben hatte, welches denn die Frankfurter Konversationsblätter vor einigen Jahren der Welt mitteilten. Berlepsch (der Regierungsrat) erzählte neulich, welche verschiedene Varianten über Tauchnitzens Erhebung in den Freiherrenstand durch den Herzog von Koburg in Leipzig kursieren. Es hat aber etwas höchst komisches, wenn dem Eingeweihten – denn die ganze Sache ward durch mich vermittelt mit Seebach – solche curiosa vorgetragen werden. Hier läßt man ihn aber nun wieder mit der bereits zugesagten Anerkennung zappeln.
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1861 Januar 2 Den Sylvester brachten wir bei Halles zu, mit Dr. Heine und Frau, Jordan und Wickede. Gustav war mitgenommen worden, da es der letzte Abend war. Wir waren sehr fidel und eine Flasche Bocksbeutel verscheuchte alle Besorgnisse vor dem, was das neue Jahr uns bringen mag. Gestern, wo ich in mein 55stes Jahr eintrat, also nun doch auch Sophie gegenüber, die mich immer noch für jung erklären mag, als ein alter Herr aufzutreten berechtigt bin, plagten uns verschiedene Besuche, die sich wie lästige Fliegen uns auf die Nase setzten und in verschiedenen Arbeiten, die ich und Sophie machten, störten. Witzleben, der nach Tische zu mir kam, erzählte mir, Uckermann habe, vor einiger Zeit über sein Verhältnis zu seiner Frau zur Rede gesetzt, ihm erklärt, daß nur die Rücksicht darauf, daß sie beide Familienväter seien, ihn abhalte, ihn vor die Pistole zu fordern, aber dabei allerhand Unannehmlichkeiten versichert. Ich bin nicht recht im Klaren, ob das Verhältnis Beust’s mit der Dame, das schon viel Gerede versursacht hat, noch fortbesteht, habe aber immer besorgt und es Beust auch wiederholt gesagt, daß die schlechte Geschichte ein schlechtes Ende nehmen werde. Läßt sich Uckermann nun von der Frau scheiden, wie man im Publikum sagt, so ist der Skandal fertig. Die beiden Brüder haben mit der Ehe beide nicht viel Glück. Januar 12 Welk aus Limbach, der allerdings immer etwas schwarz sieht, erzählte neulich von Erneuerung der Umtriebe der Demokraten und u. a., daß Henning von Arnim erzählt, auf der Eisenbahn habe Dr. Heyner aus Leipzig, jetzt hier in der Zweiten Kammer, erzählt, es sei schon Alles zum Losschlagen vorbereitet und wenn man hier nicht losschlage, so geschehe es nur, weil man noch sich sichern müsse, daß die Revolution keine soziale werde. Ehe man dagegen ein Sicherheitsventil gefunden, wird wohl noch einige Zeit vergehen und ich schlafe daher auch noch ganz ruhig. Wiechel hat übrigens Jette Müller erzählt, daß Advokat Schaffrath zu ihm gekommen und sich erboten, einen von ihm gegen die Regierung wegen seiner früheren Arretierung anzustellenden Prozess unentgeltlich zu führen, er solle ihm nur Vollmacht geben. Wiechel hat es aber wohlweislich abgelehnt, indem er gesagt, daß man sich jetzt so freundlich gegen ihn benommen, daß es undankbar sein würde. Januar 18 Sophie ging ins Theater und ich zu Sahr, der sein elegantes Haus wieder eröffnet hat und einmal für allemal Donnerstags zu einer Whistpartie eingeladen hat. Vorm Jahre, wo er sich einen ruhigen Spielabend sichern wollte, mißlang dies gänzlich, da gerade zu dem bestimmten Abend alles mögliche Weibsgesindel aus der creme de la creme sich einfand – weil es ein Souper witterte. Das Resultat war, daß Sahr den Liebenswürdigen spielend nicht spielen konnte und daß wir vor der Wolke von Krinolinen nicht an den Esstisch gelangen konnten und schließlich nur Gräten und Karpfen für uns fanden. Dieser Übelstand ist nun abgestellt, indem Donnerstags der conhigne gegeben wird, keinen Damenbesuch einzulassen. Ich spielte mit Forth-Rouen, Amtshauptmann Nostitz-Wallwitz, jetzt hier in der Zweiten Kammer, Arnim und Sahr, dann vortreffliches Souper, kurz die Sache ist ganz angenehm, zumal Frau von Sahr eine ebenso geistreiche als liebenswürdige Frau, eine sehr angenehme Wirtin macht und mit den Überschüssigen der Partien zur Unterhaltung vorlieb nimmt. Das Haus, worin sie wohnen, welches der Minister von Seebach für sich baute, ist wohl das besteingerichtetste der ganzen Stadt: eine wohlgefügte Hausflur und mit Teppichen belegte Treppe führt in die Erste Etage. Das Parterre bewohnt der mehr denn 80jährige Minister
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Einsiedel, jene seit dem Jahre 1831 pensionierte Ruine.98 Die Erste Etage enthält allerdings keine großen, aber um so elegantere Räume, einen Salon und vier kleinere Stuben, für 3–4 Whisttische vollkommen genügend. Sahr beschäftigt sich jetzt mit Herausgabe von Briefen Gellerts, die er in Dahlen gefunden, schreibt dazu Noten, wozu ich ihm Stoff aus dem Archiv liefere und Frau von Sahr sonnt sich in dem von ihr sich vindivierten Glanze des bevorstehenden Ruhmes, den sie sich von dem Werk erwartet. Während ihr Mann alle Arbeit macht, scheint er bescheiden zurückzutreten und ihr den Ruhm überlassen zu wollen, wie er denn überhaupt sich der viel älteren Frau gegenüber sehr klug benimmt. Er ist ein sehr kluger Mann, von dem ich mir wünsche, daß er in die Kammer käme. Er hat sich aber bei den Rittergutsbesitzern seiner Gegend nicht beliebt zu machen gewußt und daher bei der letzten Wahl keine Stimme erhalten. Man erzählte mir, daß er seine Nachbarn insbesondere dadurch vor den Kopf gestoßen, daß er bei einer großen Jagd mit den vornehmeren Gästen (Diplomaten) allein diniert und die Andern besonders abfüttern lassen. Da er mir nie ein Zeichen von Hochmut gegeben, so wundert mich bei seiner sonstigen Klugheit die Sache um so mehr. Heute Abend werden mit Anton, Burkhardt und Schlick Arrangements von Burkhardt aus der Zauberflöte, Don Juan pp. vierhändig mit Cello und Geige bei mir aufgeführt werden. Das Quartett ist, da Schlick sich mit Seelmann überworfen, ins Stocken geraten. Wir haben nur ein Mal gespielt und da ich den Orchesterverein habe, so vermisse ich es auch nicht, wie man denn überhaupt mit den zunehmenden Jahren für soziale oder musikalische Genüsse immer mehr abstumpft. Ruhe ist für das Alter der Genuss! Darum ist mir auch meine Stellung im Archiv so angenehm, die gar keine Stürme und Beunruhigungen, Verantwortung mit sich führt. Den dritten Teil meiner Vier Jahrhunderte habe ich vor einigen Tagen an den neuen Baron Tauchnitz geschickt. Januar 20 Im Jahre 59 hatte ich mit Ehrenstein, Just, Kohlschütter und Römer eine Vereinigung eingerichtet bei einem Italiener Lösch, bei dem wir uns aller 14 Tage inter persona und im engsten Vertrauen unsere Meinungen tauschten und fidel zusammen waren. Vorm Jahre unterblieb es. Dies Jahr aber hat Just, der gern einen Vorwand findet, gut zu essen und zu trinken, es wieder in Anregung gebracht und wir fanden uns gestern Abend, mit Ausnahme von Ehrenstein, dessen Mutter vor Kurzem gestorben, zusammen in einem kleinen heimlichen traulichen Stübchen. Just kam gerade aus den Examen des Sohnes des Geheimen Rates Lemaistre, eines sehr aufgeblasenen Jünglings, der den Akzess in der Kreisdirektion suchte, sich aber ganz schauderhaft blamiert und solche krasse Unwissenheit gezeigt hat, daß man ihn wahrscheinlich wird wiederkommen heissen. Er scheint ganz den Dünkel seines albernen Papas geerbt zu haben, von dem die Geschichte welthistorisch ist, die ihm einmal, da er noch Sekretär beim Militärverpflegungsbüro gewesen, passiert. In die Expedition tritt ein Oberst, den er aber, blödsichtig wie er ist, nicht erkennt und daher barsch mit einem „was wollen Sie hier“? anschnauzt. Antwort ist: „Ist er der Bediente, so melde er mich, sind Sie der Sekretär, so halten Sie das Maul.“ Leider kann ich – das Alter machts wohl – nicht mehr vertragen, ein Fläschchen Wein zu trinken und so inkommodierte mich heute Zahnschmerz. Ich blieb daher, zumal das Wetter 98
Detlev von Einsiedel siehe hier Anmerkung Teil I (6).
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mit Schneegestöber nicht sehr einladend ist, ruhig zu Hause, arbeitete, obwohl der dritte Band eben erst fortgeschickt ist und nicht weiß, ob ich jemals einen vierten liefere, schon wieder an Zusammenstellung von Kriminalgeschichten aus alter Zeit. Wird es nicht gedruckt, so habe ich doch eine mich amüsierede Tätigkeit dabei. Schlick erzählte neulich ein paar gute Geschichten. Als Kotte, der vor einigen Wochen hier als erster Künstler auf seinem Instrumente starb, als Lehrjunge beim Stadtmusikus eintritt, muß er vom Turm den Choral mit blasen auf der Klarinette. Hinter ihm steht der Stadtpfeifer. Kotte bläst falsch, der Musiker ruft ihm zu, dummer Junge, C, alle Finger laß. Kotte läßt los und ehe der richtige Ton beginnt, liegt die Klarinette in Trümmern auf dem Markte. Eine andere Klarinettengeschichte. Bei der Hochzeit der jetzt schon verstorbenen Großherzogin von Toskana wird am Tage nach der Festfeier im Theater das Erscheinen des jungen Ehepaares erwartet. Lüttichau läßt sagen, das Orchester solle Tusch bei einem Vivat, das ausgebracht werden solle, blasen. Es wird im Orchester herumgesagt, dem Musikdirektor fehlen aber, da bloß Lustspiel ist, Trompeter und Pauken. Er stürzt fort, um zu sehen, ob er auf dem Theater welche auftreiben kann. Da dies vergeblich ist, läßt er im Orchester herumsagen, man solle keinen Tusch machen, der ohne jene Instrumente zu unbedeutend erschienen wäre. Alle erfahren es, nur die beiden Klarinetten Forkert und Schlick jun. hören es nicht. Der Prinz kommt aber nicht ins Theater, wohl aber tritt Lüttichau in die große Loge, wo man den Prinzen erwartete. Der Schneider Müller, der sich erboten, eine Rede zu halten, hält das Erscheinen Lüttichaus für die Ankündigung des Eintritts des Prinzen, fängt aus dem Zweiten Rang seine Rede an, stockt nach wenigen Worten und schließt mit einem Vivat, dem sich einige Stimmen anschließen. Das Orchester schweigt, nur der erste Klarinettist bläst wie wütend in seine Klarinette und erregt durch seine Roulade das ungeheuerste Gelächter. Januar 22 In der Versammlung des Hausbauvereins traf ich dessen Vorstand Aus dem Winkel, der mir erzählte, daß Beust vorm Jahre eines der Häuser in der Antonstadt regelmäßig alle Mittwoche und Sonnabend früh benutzt hat, zu Sonderpreis mit der Frau Uckermann. Vorher ist eine Frau, die Wittwe des Teichpächters zu Moritzburg, die das Quartier inne gehabt, ausgegangen. Dann ist eine Kammerjungfer gekommen, die das Quartier parfümiert hat, dann Beust in einer Droschke. Winkel hat ihn selbst auf der Treppe getroffen, dieser ihn aber nicht erkannt. Frau von Uckermann, die er ebenfalls vor dem Hause begegnete, hat er aber gegrüßt. Welche Sitten! Welche tolle Unvorsichtigkeit! Die Leute im Hause haben gesagt, ja das wüßte alle Welt, die Leute liefen alle Mal an die Fenster, wenn Beust käme. Der Bauverein hat der Wittwe gekündigt und sie wohnt jetzt nicht mehr dort. Februar 8 Vorgestern Hofball, bei dem zwei nur in Deutschland mögliche Anekdoten vorkamen. Der Kronprinz redet einen Engländer französisch an, der antwortet nur Speak english und wird nicht die Treppe hinuntergeworfen. Ein anderes Beafsteak, Foyer heißt die Kanaille, erschien in einer Phantasieuniform von grauem Sommerzeug mit einer Mütze und einem Bandeliere von echtem Juchtenleder, weshalb die Hofsäle mit diesem nicht gerade aristokratischem Parfüm (das ich für meine Person gar nicht ungern rieche) förmlich infiltrierte. Gestern Ball bei Beust, bei dem Sophie 20 Neugroschen gewann und ich 20 Taler verlor, was also keine vollständige Ausgleichung war. Jetzt komme ich eben von einem Diner bei Halle, dem zweiten in diesem Jahr, bei dem Professor Hettner und Langenn, wohl die beiden eitelsten Kerls in Dresden, sich gegenseitig den Atem abschnappten, um ihre Gelehrsamkeit an den Mann zu bringen. Es war schauderhaft mit anzuhören.
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Februar 19 Gestern war ein großes Diner bei Beust, vorzüglich Stände. Ich hatte mich bereits gesetzt, als ein anscheinend noch ziemlich junger Herr mit blonden Bärten aller Art meinen Nachbar, den alten Herrn von Burgk bat, er möge einen Stuhl weiter rücken. Dieser tat es. Dann wandte er sich ebenfalls an mich, der ich schon ganz bequem saß, und sagte mir ebenfalls, ob ich nicht auf dem leer gewordenen Stuhl mich setzen wolle. Auf dieses, vielleicht bei den Gesellschaften, die der Blonde zeither besucht hat, übliche, an sich aber doch entschieden sehr naive, etwas an Naturburschen in rindsledernen Stiefeln erinnernde Gesuch, sah ich den Herrn mit absichtlich verwunderter Miene an und sagte, indem ich mich mit der mir eigentümlichen ganz besonderen Höflichkeit erhob und auf den andern Stuhl setzte: „eine eigentümliche Bitte, Sie konnten sich ja auf den Stuhl setzen“. Der Blonde, dem jetzt ein Licht zu dämmern schien, daß er wohl eine Dummheit begangen, entwortete etwas schüchtern: ich hatte dem Herrn versprochen, mich neben Sie zu setzen. Nach einer Weile bat der Amtshauptmann von Nostitz-Wallwitz, neben dem der Blonde nun saß, mir den Grafen von Lippe vorstellen zu dürfen, welche Präsentation ich denn mit einem etwas steifen Kopfnicken und dadurch erwidert, daß ich mit dem Herrn Grafen während der Tafel kein Wort sprach. Nostitz sagte nachher, als ich ihm eine Bemerkung über die ländliche Naivität des Herrn Grafen machte, es sei ihm grün und blau geworden. Ich erzählte es aber auch Beust, damit er doch, wenn er Lippe wieder einladet, ihm gleich einen bestimmten, vielleicht mit Schafgarbe oder Ochsenzunge verzierten Stuhl anweist, damit nicht etwa die halbe Tafelrunde wieder aufstehen müsse, wenn Lippe seinen Platz nicht convaniert. Ich hatte übrigens zu viel Champagner getrunken (wenn ich das nur lassen könnte! Aber c’est plus fort que moi!) und befand mich daher am Abend im Zustand des Jammers der Katze und entschuldigte mich daher bei Halles, zu denen ich geladen war. Februar 25 Mit Seebach war ich die Tage viel zusammen, gestern Abend bei Berlepsch. Ich ging aber zeitig zu Hause. Seebach erzählte mir u. a., daß zu der Sammlung, um das Schicksal des Reisenden Wozel zu erforschen, der in Afrika verschwunden ist, der Herzog von Koburg von allen deutschen Fürsten, an die er geschrieben, Beiträge erhalten hat, allein der Herzog von Braunschweig hat geantwortet, er habe die Mitteilung mit vielem Interesse erhalten und wünsche den Abzusendenden glückliche Reise. – Solche deutsche Fürsten sind eben nicht sehr geeignet, Liebe zu dem Bestehenden in Deutschland zu erwecken! Morgen gehen die Beratungen des Entwurfs der Prozeßordnung an und der Kronprinz hat mich zur Tafel geladen, was aber wahrscheinlich keinen unmittelbaren Zusammenhang hat. Februar 28 Das Diner war ein großes Staatsdiner von etwa 30 Personen und dauerte bis 7 Uhr, da Prinz und Prinzessin mit Jedem eine offizielle geistreiche Unterhaltung zu führen hatten. Die arme Prinzess wußte mir gegenüber gar nicht, was sie sagen sollte. Erst lief sie einmal von mir fort, aber zum Schluß fasste sie sich noch einmal zusammen und ich erleichterte ihr das Leben dadurch, daß ich sehr unhöflicher Weise das Gespräch mit ihr anfing. Der Prinz, der mitunter sehr naive Fragen tut, fragte mich, als von der Prozeßkommission die Rede war, wie ich denn da hineinkomme? Nicht sehr höflich, aber an sich naturgemäß. Ich antwortete ihm, daß ich mir auch diese Frage zu stellen gehabt und keine andere Antwort gefunden als die, daß man wahrscheinlich einen ganz Unbefangnenen, der nichts von der Sache verstehe, in die Kommission gewünscht habe. Eigentümlich ist die Gewohnheit Seiner Königlichen Hoheit, die Leute „Ihr“ zu nennen, wenn er z. B. zu mir und Präsident Schneider
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gewendet fragte, nun, wie weit seid Ihr denn in eurer Kommission. Ich finde an sich nichts darin als ein Zeichen von Vertraulichkeit, wenigstens nichts Verletzendes. Er ist überhaupt sehr offen und etwas geradezu, was mich mehr anspricht als das zugeknöpfte steife Wesen des Prinz Georg. März 3 Gestern ist die acht Monate alte Prinzess Marie, das Töchterchen des Prinz Georg, gestorben. Hoffentlich tritt bald Ersatz durch einen Prinzen ein. März 10 Unsere Sitzungen über die Prozeßordnung gehen langsam vorwärts. Marschner, der Referent, bietet durch seine Weitschweifigkeit und Hartnäckigkeit allerdings Hindernisse, indessen ist mir die Beschäftigung mit der Theorie, der ich lange entwöhnt bin, vieles Interesse. Ein paar Jahre werde ich wohl mit der Sache beschäftigt sein. Sonst höre und sehe ich von der Welt jetzt, in Folge der Quarantäne, die wir halten, gar nichts. Anton ist, wie ich höre, nach einigen Wochen rheumatischer nicht erheblicher Übel, wieder aufgestanden. Draußen strümt, regnet, schneit es. Ich lese die gazette des tribunlance, die ich mir aus der Ressource kommen lasse, arbeite hin und wieder eine Zeile an Nachträgen zu den Aufsätzen des zweiten Bandes der neuen Folge der Vier Jahrhunderte, kann aber zu nichts weiter kommen, da ich doch jeden Augenblick gestört werde. März 17 Ich war vorige Woche zu einem großen Diner bei Geheimen Rat Müller, mit Beust, Minister Behr und einer Menge Anderer, gestern Abend beim Fest jüngerer Künstler, wo ein Stück aufgeführt und soupiert ward. Advokat Kohlschütter hatte mir eine Karte (a 1 1/3 Taler) verschafft. Ich ging aber, um Sophie nicht zu lange warten zu lassen, um Mitternacht fort. Um 1 Uhr ging ich mit Sophie, trotz Regens, nach dem Großen Garten spazieren, den neu angelegten Tiergarten zu betrachten. Um 2 ½ ward diniert und dann der Nachmittag und Abend lesend, arbeitend und zum Schluß eine Flasche Wein trinkend zugebracht, wenigstens ist dies jetzt (um 4 Uhr) die Absicht. März 20 Wenn man die Wahrheit sagt, stößt man doch gar leicht an! Wie soll es der Historiker (sit varia verbo) machen. Ich habe da in Raumers historischem Taschenbuch einen Aufsatz über Sahlas Attentate gegen Napoleon I. abdrucken lassen, der mir auch nach langem Kampfe mit dem Gesamtministerium, nachdem ich ihn abschriftlich dem Kronprinzen, der sich dafür interessiert, mitgeteilt. Darin wird denn erwähnt, daß er katholisch geworden und daß er bei seiner ersten Reise nach Paris von katholischen Geistlichen in Leipzig pekuniäre Unterstützungen erhalten hat. Dies beruht teils auf den Akten, teils auf Mitteilungen seiner Schwester, einem alten Fräulein, der letzten ihres Stammes, bei der ich mehrere Male war. Sie gab mir viele Notizen, die sie aber nur teilweise veröffentlicht zu sehen wünschte. Ich richtete mich ganz genau nach ihren Wünschen und schickte ihr vorigen Sommer einen Separatabdruck des Aufsatzes.99 Jetzt fällt es der Konstitutionellen Zeitung ein, den Aufsatz in extenso oder Auszug abzudrucken und darin auf Sahlas Übertritt zur katholischen Kirche und die Beteiligung katholischer Geistlicher hinzuweisen. Darauf erhält Freiherr von Sahla vom Advokat von Jaschki in Bautzen einen Brief, worin er schreibt, daß das Domkapitel sich jenen Aufsatz zu Gemüte gezogen habe, daß man gar nicht wisse, daß Sahla katholisch geworden und einen Widerruf von ihr erwarte. Die arme alte Dame geriet in große Angst. 99
Karl von Weber: Ein Schuß im Walde 1603. In: Historisches Taschenbuch. Hrsg. v. Friedrich von Raumer. Vierte Folge. 1. Jahrgang. Leipzig 1860, S. 219–275. – Ders., Ernst Christoph August von der Sahla. In: Ebd., Fünfte Folge. 1861, S. 377–418.
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Statt sich an mich zu wenden, hat sie die Hilfe von Erdmannsdorf in Anspruch genommen, der dann mit dem Bischof gesprochen und ihn zu verständigen gesucht hat. Er teilte mir die Sache mit, die allerdings von keiner Erheblichkeit ist, aber immer ein mir für das arme alte Fräulein unangenehmes Aufsehen erregen könnte, wenn das Domkapitel so töricht wäre, mit der Konstitutionellen Zeitung einen Zeitungskrieg anzufangen. März 28 Behr beabsichtigt, unerwartet der Prozeßordnung, eine Novelle zur Abkürzung der Prozesse zu erlassen und die Prozeßkommission soll dieselbe beraten. Das geschah denn am Montag und gestern. Manche Ratschläge erschienen mir sehr bedenklich und unnötig. Der Verschleiß liegt an den Gerichts- und Spruchbehörden, deren faule Mitglieder die Sachen liegen lassen; ob eine Frist von 14 Tagen auf Kosten der Advokaten auf 8 reduziert wird, scheint mir sehr unerheblich. Solche kleine Abschnitzelungen werden überdies von den Gerichten leicht übersehen. Am Bedenklichsten war mir die vorgeschlagene Beschränkung der Appellationen an das Oberappellationsgericht. Darin stimmte aber – die Mehrzahl der Kommissionsmitglieder sind ja Oberappellationsräte – nur Kohlschütter mit mir überein und ich habe dann deshalb soeben ein Seperatvotum entworfen und animam meam dadurch halvarin. Sonst finde ich bei den Beratungen Marschner, den Referenten, der mir als sehr widerhaarig geschildert ward, gar nicht so, vielmehr eingänglich und praktischer als seinen Hauptopponenten Siebenhaar, der eine solche unpraktische, gelehrte tete quasne ist, wie sie je ein sächsicher Gerichtshof großgezogen hat. Solche Leute sind üble Gesetzgeber, weil sie die Bedürfnisse des Lebens, die unabweislichen selbst, einer haarspaltenden Theorie zum Opfer bringen, ja sie hinter ihren Büchern gar nicht erkennen. Ich passe auch nicht dazu, Gesetze zu machen, weil es mir dazu an Theorie und Phantasie gebricht, aber beim kritisieren, das viel leichter ist als besser machen, kann ich mich mit plaisir herumstreiten, ohne mich zu ärgern. Professor Droysen, der jetzt wieder im Archiv arbeitet, habe ich nicht viel sehen können, da die Krankheitszustände uns an Einladungen behinderten. April 4 Gestern war ich bei Beust zu Tische und Minister von Watzdorf aus Weimar, Könneritz sen. und dessen Bruder, dem Kreisdirektor, es war recht anregend und interessant. Watzdorf ein tüchtiger Mann! Der Kreisdirektor Könneritz, den ich schon Dienstag Abend in der Ressource traf, meinte, ich solle Beust doch darauf aufmerksam machen, er solle in der Kammer weniger Witze machen. Er hat ganz recht, aber ehe Beust einen Witz, der ihm in den Mund fällt, unterdrückt, unterdrückt er eher sonst etwas. Es ist der Witz gar eine zweischneidige Gabe. Könneritz gehört, glaube ich, zu den Wenigen, die wie ich Beust die Wahrheit sagen – item es hilft aber nichts. Was nicht in seinen Kram paßt, das nennt er Vorurteil und damit ist er fertig. Der Minister Könneritz lud mich, da mich Watzdorf noch zu sprechen wünschte, Abends zum Tee. Es war ein sehr mageres Vergnügen! Georg Wallwitz nebst Frau traf ich da, sonst unbekannte Weiber. Ich war sehr froh, als schon um 10 Uhr Einzelne aufbrachen, denen ich mich anschließen konnte. April 7 Zwei- bis dreiundvierzig Jahre wird es sein, als mich der selige Vater nach St. Afra brachte. Heute wollen wir Erhard nach Meißen bringen, in ein Progymnasium des Dompredigers Franz. Nötig ist es, daß der flüchtige Patron in eine ernstere Richtung kommt, daß er lernt zu lernen. April 12 Früh gegen 9 erhielt ich einen Brief von der Prinzess Charlotte von Holstein mit der Nachricht, daß die jüngste Prinzeß, Sophie, gestern Abend gestorben. Wir hatten
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nicht einmal gewußt, daß sie gefährlich krank sei. Charlotte bat mich um meine Untersrtützung. Ich fuhr dann gleich hinaus, fand Charlotte sehr gefaßt, Pauline aber außer sich. Melly habe ich gar nicht gesehen. Der Vormittsag verging dann mit Besorgung der nötigen Vorkehrungen. Ich fuhr auf den Kirchhof, ging zu Thenius, zum Oberhofmarschall, zu Minister Zeschau, verabredete mit der Leichenwäscherin, dem Grabbitter pp. April 21 Beust, bei dem ich vorgestern war, ist sehr ärgerlich über die gegen ihn in der Zweiten Kammer gerichteten Angriffe und die Lauheit der Konservativen. Freilich übersieht er, daß diese doch nicht Alles vertreten können, was die Polizei unter Körner und Konsorten unter seiner Firma getan haben! Er selbst aber hört, wenn ihm Jemand die Wahrheit sagt, die nicht in seinen Kram paßt, nur mit halbem Ohr und beruhigt sich mit der Überzeugung, daß der Ratende – voller Vorurteile steckt. Vertrauen hat Niemand recht zu ihm. Behr soll neulich, allerdings sehr unkollegialisch, in einer Gesellschaft gesagt haben, es glaube Niemand in der Kammer an das, was Beust sage und dieser selbst oft selbst nicht. Mai 4 Gestern war ein kurioser Kautz, der vorigen Sommer im Archiv arbeitete, wieder bei mir, ein Dr. Nowakowski, Pole, Führer des Grafen Maiszeh. Der Mann beschäftigt sich mit dem Studium der Geheimnisse der Alchimisten und glaubt, ihnen ganz auf den Grund gekommen zu sein, ohne gleichwohl Gold machen zu können. Er hat mir einige Male seine Theorien entwickelt. Ich konnte ihm aber nicht folgen, erinnere mich nur noch von gestern folgender seiner Rede: „Die Pythagorien hatten 32 Wege der Weisheit, 10 in Zahlen, 22 in Buchstaben. Alles addiert sich auf 3 und 10: Denken, Zunge, Laut sind 3, dazu Buchstabe, Worte, Syllebe, Satz, Syllogisme, (– nun fehlt mir eines), Sprache macht 10. Sie sehen, wie der Kreis sich schließt (ich sah allerdings Nichts), wir haben die 10!“ Dann kam er auf Polen und sagte: „Die Katholiken haben den Juden das Kreuz gegeben, die Juden den Katholiken den Leuchter (wahrscheinlich jetzt bei den letzten Unruhen). Der Leuchter hat 3 Arme, jeden mit 3 Lichtern, in der Mitte eines, da haben Sie 3 und 10“. Daraus schloß er, Katholiken und Juden würden sich in Polen vereinigen, es befreien und Preußen – werde fallen. Wie das mit dem Leuchter zusammenhängt, ward mir nicht klar, aber wohl, daß er ein sehr exaltierter Polomene sein möge. Übrigens schenkte er mir ein interessantes Ding, photographierte Abbildungen der prophetischen Bilder des Paracelsus, die er nach einem unicum eines alten Buches, das er in Paris bei einem Privatmann gefunden haben wollte, hat fertigen lassen. Mai 8 Immer noch Winter und daher kein Gedanke an Loschwitz. Vorgestern Abend bei uns großes Konzert. Jäschke, der blinde Schwiegersohn des Rittergutsbesitzers Lingke, bei dem ich voriges Jahr einmal war, spielte bei uns. Schlick hatte es vermittelt. Natürlich mußte Herr Lingke, ein närrischer Kerl, sieht aus wie ein Hamster, auch eingeladen werden. Außerdem waren Minister Falkenstein mit zwei Töchtern, die Halle, der Dr. Hedenus cum filsa, Jordan, die Generalin Benkendorf, Marie Müller (bei Jordan zu Besuch), Professor Hübner und wohl noch einige da, auch Minister Zeschau mit Frau, die Sophie eingeladen, als sie sie bei der Halle getroffen. Er entwickelte sehr viel Liebenswürdigkeit. Wir spielten ein Quartett von Haydn, eines von Beethoven. Jäschke dann ein paar Solos. Natürlich erregte sein Talent und fabelhaftes Gedächtnis allgemeines Aufsehen. Soupiert ward nur Bufett, da wir nicht Alle setzen konnten. Sophie bezahlte aber die Aufregung, die sie jetzt vermehrt trifft, da wir nach Entlassung des Stubenmädchens nur zwei Leute haben, gestern und noch heute mit Migräne.
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Mai 17 Gestern schickte mir Savigny den roten Adlerorden – das mich dieser verdammte Vogel auch noch treffen mußte. Für mich sind diese Orden eine wahre Last, entweder ich binde die Dinger um, wo es gar nicht nötig ist, oder ich lasse sie weg, wo es erfordert wird, das Rechte treffe ich niemals. Unsere Prozeßkommission macht nun 14 Tage Ferien. Dann soll die Redaktionskommisssion zusammentreten, bei der ich auch bin und damit wird der Sommer jedenfalls konsumiert werden. Mai 25 Vorgestern Abend waren wir seit langer Zeit wieder einmal bei Halle mit Jordan und Minister Falkenstein. Gestern Abend war Professor Droysen aus Berlin, Wickede und Falkenstein bei uns, ein recht anregender interessanter Abend, Jordan hatte absagen lassen, wahrscheinlich weil er eine Einladung zu einer Whistpartie bekommen. Wir kamen u. a. auf Droysens Leben Yorks zu sprechen.100Er sagte dabei, daß er allerdings manches habe weglassen müssen, aus Diskretion, weil ihm der Sohn Yorks dessen sämtliche Papiere und Korrespondenzen übergeben habe, ein Vertrauen, das er habe rechtfertigen müssen. York sei ein toller Kerl gewesen, selbstsüchtig, dabei den Frauen sehr ergeben. Er meinte, es komme ja überhaupt in der Geschichte weniger auf die Personen als die Entwicklung der Ereignisse an, eine Ansicht, die ich nicht teilen konnte. Die Ereignisse werden ja eben durch die Persönlichkeiten häufig bedingt, können nur aus der Persönlichkeit der Handelnden richtig erklärt werden. Falkenstein sagte u. a., daß die radikale Partei sich bemüht, Beust und ihn zu stürzen. Da sie aber gesehen, daß das wohl nicht so leicht sei, hätten sie ihr Bestreben vor der Hand sistiert. Beust werde überhaupt keine Partei stürzen, sein Leichtsinn werde ihm aber schließlich doch noch einmal verderblich werden. Man sieht das Kommen und – kann es eben nicht ändern. Beust hat übrigens selbst schon an die Möglichkeit seines auch durch andere Angelegenheiten herbeigeführten Rücktrittts gedacht. Eine Hofpartei, Gersdorf an der Spitze, wünscht den Gesandten Graf Hohenthal in Berlin zum Minister des Auswärtigen, der bloß den Repräsentationsaufwand, keinen Gehalt, erhalten werde und mit seiner reichen Frau, der videvant Gräfin von Bergen, vermählt mit dem Kurfürsten von Hessen, geborene von Berlepsch, ein großes Haus machen und Gustav Gersdorf traktieren würde, – also eine bloße Ministertafel ohne Kopf! Beust hat für solchen Fall die Idee, Seebach solle in derselben Weise das Auswärtige übernehmen (auch keine gesunde Idee), Friesen das Innere, die Finanzen Schimpff oder Georgi, auf den er den König schon hingewiesen. Ich machte ihn dagegen auf den Kreisdirektor Könneritz aufmerksam, der einer der tüchtigsten und zuverlässigsten der höheren Beamten ist. Daß Kohlschütter, seiner großen Befähigung ungeachtet, doch als Minister unmöglich sei, darüber waren wir beide einverstanden. Spaßhaft war, daß ich den roten Adler (siehe 17. Mai) komplett vergessen hatte. Ich ward gestern Abend zufällig von Sophie, der ich es mitzuteilen ebenfalls vergessen, darauf aufmerksam gemacht, indem sie beiläufig erwähnte, daß es doch sonderbar sei, daß Seiten Preußens mir gar kein Dank gebracht worden sei. Da fiel mir das vergessene Kästchen wieder ein, das ruhig im Schreibtisch geschlummert hatte. 100 Droysen, Gustav (1808–1884), Historiker und Politiker. Begründer der preußisch-kleindeutschen Geschichtsschreibung. Die Biographie über York von Wartenberg ist veröffentlicht unter dem Titel: Das Leben des Feldmarschalls Grafen Yorck von Wartenberg. Band 1–3. 1851–1852.
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Mai 30 Beust teilte mir heute sub sigillo seine Idee über die Deutsche Frage mit. In zwei Worten dies: Aufhebung des Bundestages: in Frankfurt bleibt bloß eine Behörde zur Verwaltung des Bundeseigentums, aus Verwaltungsbeamten mittleren Ranges; alle halben Jahre tritt der große Rat zusammen, eröffnet von den Fürsten selbst, später besucht von den Staatsministern, in ihm sind alle Staaten vertreten, einmal im Jahr tritt der Rat in Österreich unter dessen Präsidium, einmal in Preußen unter dessen Präsidium zusammen; außerdem der engere Rat mit geringer Stimmenzahl für die kurrenten Geschäfte. Daneben wird für alle gemeinsamen Angelegenheiten, die in den einzelnen Ländern der ständischen Cognition zu unterliegen hätten, gemeinsame Gesetzgebung pp. ein Parlament gebildet, gebildet aus Abgeordneten der Ständeversammlungen. Diesem will Beust u. a. das Prozeßgesetz zuweisen, ist daher, damit es nicht an Material fehle, jetzt nicht für eine gemeinsame Bearbeitung durch eine Kommission. Diese Ideen will er im Sommer in einem Memoire zusammenstellen und dann an den Bund bringen. Der Weg scheint mir ein ganz geeigneter, um den Dualismus zu befriedigen. Juni 6 Mein Buch, die neue Folge erster Band „Aus vier Jahrhunderten“ ist nun im Druck vollendet. Neulich wurden, als wir den Orchesterverein schlossen und dann Einige zusammen auf der Terrasse soupierten, allerhand Musikanekdoten erzählt. Kotte, der berühmte Klarinettist, debutierte als Lehrjunge beim Stadtpfeifer in Zittau. Es wird vom Turm geblasen, der Stadtpfeifer steht hinter Kotte und da dieser falsch bläst, ruft er „B – alle Finger los“. Auf einen mit einer Kopfnuss vom Ende der Posaune begleiteten Befehl läßt Kotte alle Finger los und unten auf dem Markte zerschellt die Klarinette. – Ein Engländer kommt zu einem Violinlehrer und verlangt – Paukenstunde. Der Geiger nimmt es an, borgt sich ein Paar Pauken und als das Beafsteak kommt, sagt er; vor Allem müssen Sie zählen lernen. Er legt ihm ein Notenblatt vor: Adagio, 64 Takte Pause, dann ein Schlag, dann 100 Takte Pause. Der Engländer fängt an zu zählen, der Lehrer brennt eine Zigarre an, nach 10 Minuten sagt er: Halt, wie weit sind Sie – falsch – noch einmal. So vergeht ½ Stunde, dann kommt der Paukenschlag, dann wieder zählen, bis die Zigarre aus ist, dann ist die Stunde zu Ende. Beafsteak bezahlt 1 Taler für einen Paukenschlag. Juni 14 Am Sonntag hatten wir Wickede und unsern Loschwitzer Nachbarn Burkhardt zu Tische gebeten. Abends kam auch der Staatsrat von Kotzebue von der russischen Gesandtschaft, ein interessanter Mann, der einige sehr hübsche Sachen, u. a. Skizzen aus der Moldau geschrieben hat. Er hatte aber, irrig über die Lage von Loschwitz, den Weg über den Weißen Hirsch eingeschlagen. Heute blieb ich Mittag in der Stadt und wartete in dem Speisehaus an der Elbe, in das ich mich retirierte, ein Hagelwetter ab, das aber wenigstens im Stadtquartier, das ich eben aufsuchte, die Fenster nicht zerschlagen hat. Juni 18 Ich bekam gestern den ersten Band meiner Fortsetzung der Vier Jahrhunderte und verteilte einen Teil meiner 24 Freiexemplare unter die Minister pp. Heute Nachmittag ging ich zu Friesen, bei dem ich noch niemals gewesen und brachte ihm ein Exemplar. Er gleicht ganz einem katholischen Geistlichen, hat auch eine Art Tonsur. Als ich ihm sagte, Erbstein wolle sich pensionieren lassen, sagte er, er könne da mir Jemand vorschlagen und nannte einen Dr. Schmidt, der früher im Finanzarchiv als unbrauchbar dort weggenommen werden mußte und jetzt als Sekretär ebenso unbrauchbar ist. Er bekannte denn auch, als ich
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das Individuum depresierte, er wolle ihn gern los sein – also für das Hauptstaatsarchiv, antwortete ich, ist er gut genug! Gestern war auch der breitspurige Hofrat Oberbibliothekar Gersdorf bei mir, der, trotzdem daß er behauptete, er habe keine Zeit, doch über eine Stunde bei mir saß. Er erzählte u. a. folgendes curiosa: Die Bibliothek des Meißner Domkapitels soll nach dem vor Kurzem mit dem Staat abgeschlossenen Vertrag der Universität überlassen werden. In Meißen sagt man, sie sei 1670 nach Wurzen geschafft worden, seit der Zeit wisse man nichts weiter davon. Gersdorf kommt nach Wurzen mit zwei Domherren, um sie auszumitteln. Gerichtsamtmann, Rentamtmann, Superintendent, Küster pp. kein Mensch weiß etwas davon. Sie werden von Pontius zu Pilatus geschickt und sind im Begriff, nach Leipzig wieder abzureisen, da die Bibliothek wahrscheinlich in den Kriegszeiten oder bei einem Brande verloren gegangen sei. Da begegnet ihm eine alte Dame, die einen der Begleiter Gersdorf’s kannte, ihn nach dem Zweck seiner Anwesenheit neugierig fragt und als er bemerkt, daß sie fruchtlos die verschwundene Bibliothek suchten, erwidert, da könne sie Auskunft geben. Ihr verstorbener Mann habe ihr gesagt, er habe die Kisten bei einem Bau im Rentamt aus diesem ins Schloß schaffen lassen. Nun ging man wieder ins Schloß, ins Gerichtsamt. Ein Gerichtsrat sagte, bei Abwesenheit des Amtmannes, auf ein Bündel Schlüssel zeigend, sie gehörten zu Gewölben, in die er nie gekommen, von denen man nicht untersucht, ob etwas darin sei. Man ging in die Keller, fand aber nichts, allein einige Tage darauf ging die Nachricht ein, daß man die Bibliothek in 24 aufeinander gestapelten Kisten doch noch in einem Gewölbe entdeckt habe. Die Bücher waren gut erhalten und so fallen Sachen darunter, daß einzelne einen Wert von 7–800 Taler haben. Juni 29 Seit Donnerstag, wo ein heftiges Unwetter kam, haben wir nach der großen Hitze Kälte, Sturm, unausgesetzte Regengüsse. Gerade vor jenem Gewitter suchte mich ein Kapellmeister Dorn aus Berlin auf, der im Sommer einige Zeit in Loschwitz sich aufhält. Durch das Einbrechen des Wetters genötigt, ward sein Besuch sehr lang, indessen wußte er allerhand zu erzählen und gemeinsame Bekannte wie Rosenbergs vermittelten die Unterhaltung. Beust gab mir gestern eine Depesche des Bundestagsgesandten von Nostitz über Pfordtens Vorschläge für gemeinsame Gesetzgebung, an die er einen Kassationshof anschließen will. Des letztern Organisation und Tätigkeit als vierte Instanz ist mir unklar und ich habe daher in einem expose, das ich Beust hinüber gab, mich für eine Kommission, welche dieses feststelle, ausgesprochen. Juli 4 Ich fuhr eben mit Beust auf dem Dampfschiff herein, der gestern einen Triumph gefeiert hat, indem beide Kammern einstimmig bewilligt haben, daß er keinen Mietzins für sein Quartier ferner zu zahlen braucht, also eine Zulage von 900 Talern jährlich. Spaßhaft ist es allerdings, daß, während die radikale Partei bei Beginn des Landtags mit der offenen Tendenz auftrat, ihn zu stürzen, das ganze Resultat eine Zulage zu seinem Gehalt gewesen ist. Er sagte dabei, daß er wahrscheinlich diese Gunst mit dem Umstande zu verdanken habe, daß er dem Dresdner Journal die Anweisung gegeben, jeden Radikalen mindestens einmal ausführlich zu erwähnen und insbesondere gerade etwaige Grobheiten aufzunehmen. Das hat den Herren sehr gefallen und insbesondere hat Hegner aus Leipzig die Unparteilichkeit des Journals sehr anerkannt. Dabei erwähnte er noch eine allerdings sehr auffällige Sache. Im Jahre 1857 hat Zschinsky beim König eine Erhöhung der Ministergehalte beantragt, – er
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sprach selbst mit mir davon, wie ich mich erinnere – der König hat aber mit Recht bemerkt, daß ein Antrag auf Erhöhung bloß der höchsten Gehalte einen unangenehmnen Eindruck machen werde – soweit also ganz gut, allein in dem Bescheid, den der König darüber Zschinsky gegeben (ob schriftlich weiß ich nicht), hat er einfließen lassen, er könne keine derangierte Minister brauchen. Die Ministerin Zschinsky hat dies Beust weinend nach dem Tode ihres Mannes erzählt, mit der Versicherung, ihr Mann sei an diesem Bescheide gestorben. Es ist dies um so ------- , da es doch zweifellos ist, daß Zschinsky das Ministerium übernahm zu einer Zeit, wo Gefahr dabei war!, daß der König doch wenigstens Ursache hat, dies anzuerkennen! Minister Zesschau sagte einmal „es gibt drei Sorten von Menschen, schwarze, weiße und Fürsten!“ Juli 6 Im Dresdner Journal stand dieser Tage ein Artikel über das Zivilgesetzbuch, den man als einen offiziellen betrachten konnte und in welchem ganz kategorisch gesagt war, die Regierung wünsche keine Kritik des Gesetzbuches, weil sie nichts nützen könne. Ich machte Beust darauf aufmerksam, der denn in Erkundigung brachte, daß der Artikel von Siebenhaar abgefaßt und von Langenn eingesendet worden ist. Behr ist sehr bestürzt gewesen, hat geglaubt, es habe ihm Jemand einen Possen spielen wollen. Ich hätte Justizminister sein sollen, ich hätte den Herrn das Schriftstellern im Namen der Regierung für immer verleiden wollen! Es kam nun nächsten Tag eine Berichtigung, aber keine vollständige Desavouierung, worin nur gesagt wird, der Artikel sei nicht von der Staatsregierung ausgegangen. Solche dünkelhafte Aufgeblasenheit ist mir doch lange nicht vorgekommen. Juli 8 Gestern war ein wundervoller Tag, Ferdinand, von seiner Reise zurückgekehrt, kam Mittags zu uns und Nachmittag kamen Wickede und Kotzebue zum Besuch. Wir waren sehr fidel. Wickede las eine in der gestrigen Literarischen Beilage zur Leipziger Zeitung enthaltene, sehr Lob qualifizierende Rezension meiner Fortsetzung aus Vier Jahrhunderten (wahrscheinlich von Gersdorf) mit sehr spaßhaften Interpelationen vor. Er reist übermorgen fort, sieht aber miserabel aus. Beust, mit dem ich eben hereinfuhr, erzählte, daß er gestern einen Brief von einem Leutnant von Beust aus Prag erhalten, worin ihm dieser schreibt, er habe in einer Kneipe ein ganz herabgekommenes Fräulein von Beust, die eine Tochter Beust’s (des Ministers) sei oder sein solle, aufgefunden, ihr Kleider verschafft usw. Beust hat den Brief durch die Gesandtschaft zur Erörterung an die Behörde nach Prag gesendet, da er nicht gemeint ist, dergleichen Betrügereien auf seinen Namen verüben zu lassen. Kotzebue hat, als er vor einigen Tagen seine Frau und Tochter nach Elster ins Bad gebracht, auch ein Abenteuer erlebt. Eine Kammerjungfer, eine Russin, klagt, als sie ankommen, über Unwohlsein, geht aus, den Arzt zu fragen. Am Morgen darauf ist sie froh wie gewöhnlich bei ihrer Arbeit und Kotzebue erfährt zu seinem Erstaunen vom Wirt, daß sie den Abend wiedergekommen ist, sie hatten durchaus nicht bemerkt, daß sie guter Hoffnung sei. Uns gegenüber im Blasewitzer Walde an der Elbe hat sich ein Weinhändler Leschke ein Haus – ein hübsches Schlößchen – erbaut. Von ihm erzählt man auch, daß er, ein Pietist, in der Ersten Etage einen Betsaal eingerichtet, dessen Eingang die Inschrift ziert: Kommt zu mir, die ihr mühselig seid und beladen. Aber an der Haustür steht als Schutz gegen den Zudrang „Der Eingang ist verboten“. Juli 13 Beust, mit dem ich heute hereinfuhr, erzählte mir wieder einen Beweis, wie leicht er die Sache nimmt und zu nehmen weiß. Er fährt dieser Tage nach Grimma, kehrt
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am andern Tag zurück und trifft in Riesa Weinlig, der ihm zu seinem Erstauen sagt, soeben beginne in der Ersten Kammer die Beratung des Berichtes über die Deutsche Frage. Beust weiß davon gar nichts, er weiß aber auch, daß gewiß kein anderer Minister in der Kammer ist. Er telegraphiert also (um 11) aus Riesa an den Präsidenten der Ersten Kammer Schönfeld, er möge nur suchen, die Sache hinzuziehen, bis er aus Riesa angekommen. Um 12 ist Beust in Dresden, fährt in einer Droschke zu Hause, um einen Frack anzuziehen, jagt ein Dutzend Leute, die im Vorzimmer auf ihn warten, zum Teufel, fährt in die Kammer. wo bereits nach Verlesung des Berichtes die Debatte begonnen hat. Niemand ist auf der Ministerbank, Beust hat den Bericht noch gar nicht gelesen, reden muß er aber notwendig. Er sucht also mit den Augen die Stellen, die etwa mit fetter Schrift gedruckt sind, er findet eine – nun ist er zufrieden und glücklicher Weise spricht auch Rittner, während Beust den Bericht durchfliegt, noch einigen Unsinn, den Beust sich merkt und so hält er sofort seine Rede!101 Ich mache es ihm nicht nach, so viel ist gewiß. Einer der Hauptführer der Radikalen ist ein Dr. Hegner aus Leipzig, den Beust so kirrre gemacht hat, daß er ihm aus der Hand frißt. Hier angekommen, hat er erklärt, er komme, um den Volksfeind zu stürzen, nach einigen Minuten sagt er: ja, er ist ein glatter Bursche, ich werde ihn aber schon noch packen, jetzt sagt er, ja nun kenne ich den Mann, auf den lasse ich nichts kommen. Vor einigen Tagen ist von Zychlinski, der Maiflüchtling, hier in Dresden gewesen, mit dem Passe eines Amerikaners aus Linauor versehen, der ganz auf ihn gepaßt hat, (Agnes oder so ein Mann war es) hat ihn die Polizei nicht entdeckt. Er hat dann seinem Onkel Ehrenstein, den er aufgesucht, die Geschichte seiner Flucht erzählt. In Chemnitz mit seiner Bande angekommen, überzeugt, daß die Sache verloren sei, wünscht er, seine Leute zu entlassen. Er selbst hat aber bloß 50 Taler, die er selbst zu seiner Flucht braucht, die ihm seine Mutter in die Altstadt nachgeschickt hatte. Der Stadtrat wünscht die lästigen Gesellen auch los zu sein und gibt daher eine Summe her, damit jeder ½ Taler (unbescheiden sind die Leute nicht gewesen) erhalten könne, indessen haben sich schon Viele verlaufen und Zychlinski behält daher noch Geld übrig, das er zu behalten kein Bedenken trägt, wogegen er ein aus Dresden mitgenommenes Pferd zurückschickt. In Chemnitz bekommt er andere Kleider und geht zu Fuß nach Zwickau. Sehr ermüdet begegnet er einem Wagen, dessen Inhaber ihm auf sein Bitten gestattet, sich aufzusetzen – es war der interemistische Kreisdirektor zu Zwickau (von Künßberg oder der interemistische Kreisdirektor Hartz?), der den Flüchtling – ohne diese seine Eigenschaft zu kennen – glücklich nach Zwickau fuhr. Dort geht er in den Anker, setzt sich in die Kutscherstube, erforscht den Hausknecht als Gesinnungsgenossen, in dessen Bette schläft er bis 5 Uhr früh. Ein durch den Hausknecht bestellter Wagen erwartet ihn, den er besteigt, während oben in den Zimmern die Haussuchung beginnt. Zychlinski fährt nach Leipzig, wo ihm ein Bekannter, Arzt am Hospital, andere Kleider besorgt. Er geht nach Jena, dort zum Rektor Stoll, dem er sich entdeckt mit der Bemerkung, er habe zwei Freunde unter den Privatdozenten, zu denen er gehen wolle. Stoll warnt ihn, daß diesen nicht zu trauen sei, 101 Reden von Beust in der Ersten Kammer der Ständeversammlung am 12 Juli 1861, in der er sich bei der Beratung über den Bericht der dritten Deputation zur deutschen Frage sehr energisch für Österreich als Teil Deutschlands aussprach. Siehe Mitteilungen über die Verhandlungen des ordentlichen Landtages im Kgr. Sachsen während der Jahre 1860/61. Erste Kammer. Zweiter Band. Nr. 79, öffentliche Sitzung am 12. Juli 1861, S. 1827–1851; die Reden von Beust S 1844–1848 und S. 1849–1850.:
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behält ihn bei sich, schreibt unter dem Rektoratssiegel an Zychlinski’s Mutter. Zychlinski reist nun zum Teil mit der Eisenbahn über Eisenach nach Frankfurt a. M., macht die Badener Revolution mit, geht dann nach Paris, wo ihn seine Gesinnungsgenossen, mit denen er in Gütergemeinschaft leben muß, den Rest seiner Barschaft abnehmen. Er wird dann Porträtmaler und lebt jetzt davon, daß er Portäts a la prima das Stück 20 France etwa drei die Woche malt. Im Winter ist er in London, wo er besser bezahlt wird. Juli 15 Am Sonnabend waren Ehrensteins bei uns mit dem blinden Wolf, der jetzt nun wieder die Idee aufgenommen hat, Medizin zu studieren. Ehrenstein erzählte, daß er einen seiner Kollegen gehabt, der Wagenrath geschrieben. Auch eine Anekdote vom Minister Behr. Dieser ist sehr stolz auf seine körperliche Gewandtheit und Kräfte, trotz seines Alters. Neulich ist ein Zahlmeister Haberkorn da, der 70 Jahre ist, also älter als Behr, und als letzterer seine Lieblingsredensart anbringt, daß machen Sie mir nicht so leicht nach, schlägt der alte Haberkorn ein Rad und sagt, das machen mir Euer Exzellenz auch nicht so leicht nach. Das war wohl richtig, aber Behr hat es übel vermerkt. Juli 16 Das Attentat eines offenbar verrückten Leipziger Studenten auf den König von Preußen in Baden-Baden macht natürlich viel von sich reden.102 Beust meinte, er fürchte noch ähnliche Vorkommnisse als Folge der Wühlereien, denen sich jede Gelegenheit zu Exzessen und Explosionen, in denen der verhaltene Gährungsstoff, der von den Häuptern genährt werde, entzogen werde. Wie verschiedenartige Auffassungen übrigens vorkommen, beweist Beust’s Barbier, der ihm gestern beim Rasieren gesagt, aber der Mensch ist als russischer Untertan doch gar nicht dazu berechtigt – also contrario, ein Preuße hätte die Befugnis? nach der Ansicht dieses rasierenden Schöpses ? Juli 25 Am Sonnabend war ein großes Fest in Laubegast bei Beust. Ein Extradampfschiff führte viele Stände und Beamte mit mir dahin. Da es ein herrlicher Abend und die Gesellschaft mir meist bekannt war, amusierte ich mich recht gut. Sophie hatte keine Ausgaben für Toilette machen wollen und begleitete mich daher nicht. An demselben Abend kam Adolf. Seine Frau ist in Reichenhall, der den Sonntag bei uns blieb, an dem Ferdinand und Anton bei uns aßen. Eine unangenehme Sache hat Beust jetzt gehabt. Ein Professor Herrmann, ein reicher Lump, der in Petersburg beim Bau des Winterpalastes ein großen Vermögen zusammengeschlagen, hat 100 000 Taler zu einer Kunsthalle und Kunstschule dem Staat angeboten. Er offerierte sich jetzt unter gewissen Voraussetzungen, noch mehr zu tun und um ihn geschmeidiger zu machen, setzt Beust es mit vieler Mühe beim König durch, daß er ihm den Albrechtsorden gibt. Am nächsten Tage wird der Mensch wegen Meineids in Untersuchung gezogen und es droht ihm Arretur, die auch später erfolgt ist. Beust sieht, als er früh hereinkommt, Herrmann, mit dem Ordenskreuz behangen, vor dem Ministerium vorfahren, läßt sofort den Regierungsrat Wiesner, zu dem Herrmann gegangen, rufen und beauftragt ihn, Herrmann zu veranlassen, daß er sofort bis zum Austrag der Untersuchung den Orden zurückgebe, sonst werde er ihm alsbald abgenommen werden. Herrmann, der geglaubt, die 102 Wilhelm von Preußen übte seit Oktober 1858 für den geisteskrank gewordenen König Friedrich Wilhelm IV. die Funktion eines Prinzregenten aus. Nach Friedrich Wilhelms Tod am 2. Januar 1861 trat er die Nachfolge seines Bruders an und ließ sich am 18. Oktober 1861 in Königsberg zum König krönen. Im Juli 1861 wird in Baden-Baden ein Attentat auf Wilhelm I. verübt, da er nach Aussage des Attentäters nicht genug für Deutschlands Einheit getan habe.
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Untersuchungssache sei beigelegt (warum? er dies geglaubt nervio!!) sinkt zusammen, als ihm das Wiesner eröffnet, schreibt aber das von Wiesner konzipierte Schreiben nieder, läuft aber dummer Weise zu Behr und sagt ihm, Beust habe ihm den Orden abgedrückt pp., wahrscheinlich hatte Herrmann geglaubt, mit Geld werde die Untersuchung sich schon beseitigen lassen. Jetzt sitzt er nun ohne Orden. August 1 Der Professor und österreichische Reichsrat Palacky arbeitet jetzt wieder für seine böhmische Geschichte im Archiv und da ich die honneurs dieses Instituts zu machen pflege, lud ich ihn vorgestern Abend ein und fuhr ihn um 5 nach Loschwitz. Da der Mann den Wein zu schätzen versteht, tranken wir ein paar Flaschen zusammen, so daß er das Dampfschiff verpaßte und sich erst um 10 Uhr auf den Weg machte, von Johann bis Blasewitz geleitet, wo er denn glücklicher Weise noch eine Droschke fand. Er ist mit seinem Schwiegersohn Dr. Rieger, Führer der tschechischen Partei, und erzählte denn sehr viel und sehr offen über die traurigen Zustände des Kaiserstaates, traurig hauptsächlich deshalb, weil alles Vertrauen zu der Regierung fehlt, die Überzeugung herrscht, daß man die liberalen Konzessionen zurücknehmen möge, sobald es geht. Er sagte auch, als Beweis, wie groß die Agitation in Böhmen sei, daß er über 1 000 Ehrenbürgerrechte und Diplome wegen seiner Bestrebungen erhalten. Übrigens ist er keineswegs ein exaltierter Demokrat, sondern ein alter vernünftiger konservativer Herr, aber nur die Deutschen in Wien sollen Böhmen von dort aus nicht regieren. Autonomie der einzelnen Länder, mit Ausnahme der Finanzen, des Heeres, der auswärtigen Angelegenheiten, des Handels, das ist das Programm. Damit werde man auch Ungarn befriedigen, meint er. Daß er mit den Ungarn sich verständigt habe deshalb, überhaupt daß er sehr eingeweiht in alles dieses Treiben, schien mir gewiß. Der Abend war sehr interesssant. Mit einem Kapellmeister Dorn aus Berlin, der alle Jahre mit seiner Familie sechs Wochen in Loschwitz zubringt, kamen wir auch einige Male zusammen, da er mir einen Besuch machte. Am Sonntag Vormittag spielten wir mit ihm bei Burkhardt einige Beethovensche Symphonien, welche dieser vierhändig mit Violine und Cello arrangiert hat. August 5 Der König ist nach der Schweiz gereist, hat den Landtagsschluß dem Kronprinzen überlassen, der aber erst nach vielem Widerstreben sich dazu entschlossen hat. Bei der Abreise des Königs haben die Kammern sich auf dem Bahnhofe eingefunden. Beust schickt, sowie er diese Absicht erfährt, einen Chaisenträger nach Pillnitz und schreibt, um sicher zu gehen, der König möge entschuldigen, wenn er bemerke, die Anlegung des Uniformüberrocks vielleicht als Würdigung dieser Huldigung würde betrachtet werden. Der König antwortet darauf: Ich werde die Ehre haben, in Uniform zu erscheinen. Er ist aber nicht mit einem Extrazug, sondern dem gewöhnlichen, mit zahllosen Vogelwiesengästen gefüllten Zug abgereist. Vom Minister Falkenstein erzählte Jordan, der heute bei mir war, auch eine eigentümliche Geschichte Sein Hauswirt Lehmann hatte, als Jordan sein jetziges Quartier in derselben Etage mit Falkenstein nahm, letzterm es verweigert, noch einige Stuben ihm von dem Jordanschen Quartier für den von Falkenstein angebotenen zu niedrigen Preis abzulassen, worauf ihm Falkenstein sagt:“Wir haben ein Kapital vom Kultusministerium auf ihrem Haus, das wird ihnen gekündigt!“ So hat es Lehmann selbst Jordan erzählt. Die Kündigung ist aber doch nicht erfolgt. August 7 Heute ist der Landtagsschluß, der, da der König nach der Schweiz gereist ist, dem Kronprinzen übertragen worden ist. Ich machte Beust bemerklich, daß der Prinz doch
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die Direktorien und Deputationen noch einmal einladen möge. Das ist dann mit Beschränkung auf die Direktorien zu heute Mittag geschehen, allein es ist dabei wieder eine Baruo begangen worden, welche die Herren sehr übel genommen haben. Die Einladungskarten enthalten nämlich nicht die Bezeichnung Präsident pp, sondern die Bezeichnungen Major (Schönfeld), Bürgermeister (Haberkorn). Man hat sich verkehrter Weise daran gehalten, daß mit dem Landtagsschluß die Funktionen sich erledigen – also Punkt 12 Uhr – ohne zu bedenken, daß die Direktorien noch nach dem Landtag zur Erledigung der Geschäfte noch einige Zeit amtlich fungieren. Die Geschichte ist ein pendant zu Könneritzens Hochedelgeboren, das er einmal dem Präsidenten der Zweiten Kammer Braun auf einem Brief beilegte, was man ihm lange nicht vergessen hat. Ich sagte Beust, er möge doch den Kronprinzen veranlassen, die Herren bei Tafel einige Mal Herr Präsident pp. zu nennen, damit man wenigstens sieht, daß es bloß eine Albernheit seines Hofmarschalls ist. August 10 Beust zeigte mir heute einen anonymen Brief, den er aus Hattingen in der Schweiz erhalten, dessen Verfasser vor Attentaten warnte, welche die politischen Flüchtlinge gegen den König, der in Luzern jetzt ist, vorhätten. Es ward gebeten, von der Mitteilung keinen Gebrauch zu machen und die Zusage näherer Mitteilungen gegeben. Der Brief war mit einer deutlichen, nicht entstellten Handschrift, einer Kaufmannshand, geschrieben, den König nannte der Briefsteller „seinen Landesvater“. Was soll nun da getan werden? Polizei in Scharen kann man doch nicht hinschicken. Die ganze Sache ist auch so unwahrscheinlich, daß man keine Besorgnisse zu hegen braucht. Ich dachte indessen an Hermann Müller, der gewiß sehr bereit sein würde, bei dieser Gelegenheit in besseres Fahrwasser einzusegeln. August 13 Die Beust hatte, nachdem wir sie einmal zum Abend eingeladen, meiner Frau bereits die eigentümliche Mitteilung gemacht, wir müssten einmal bei ihnen zu Mittag essen, sie werde ihren Mann schon noch dazu rumkriegen. Wahrscheinlich in Folge einer Gardinenpredigt, in der Beust zur Gastfreiheit aufgemuntert wurde, bekamen wir eine Einladung zu gestern Mittag und ich fuhr denn mit Sophie und der Houwald gestern mit dem Dampfschiff hinaus. Beust kam erst fast eine Stunde später und wir mußten inzwischen mit vier Katzen und drei Hunden spielen, die eben im Salon waren. Beust brachte noch einen Grafen Radolinski mit, Dodo salgo genannt, ein Kerlchen wie ein Hündchen, zutulig, albern und doch Spezialhausfreund bei Beust. Er spielt die Cicisbao in der Gestalt eines höhern Kammerdieners und Beust ist sehr froh, daß er seine Frau unterhält, so daß ihm diese Last abgenommen ist. Ein solches Familienleben wie in diesem Hause kann allerdings jedem die Ehe verleiden. Sophie und ich gingen nach dem Kaffee gegen 7 zu Fuße zu Hause, als einige diplomatische Physionomien sich zeigten. Heute herrscht eine afrikanische Hitze und mein kühles Archiv ist da wirklich eine Wohltat. Ich bin nun mit meiner Lebensbeschreibung des Kabinettsministers Graf Einsiedel, die ich auf Beust’s Wunsch geschrieben, fertig und trug die Abschrift vorgestern zum Minister Könneritz nach Tolkewitz. Der war wie gewöhnlich sehr freundlich und betrachtet mich als einen der „Alten“, denen er sein Herz ausschütten kann und da ich ihn wirklich hochschätze, so ist es mir ganz recht. Auch Minister Zeschau besuchte uns neulich in Loschwitz mit seiner Frau und sie sprach dazu deutsch! August 22 Minister Behr schrieb mir neulich einen langen Brief, worin er mich bei der durch Erbsteins Pensionierung eingetretenen Vakanz fragte, ob nicht sein Sohn Camillo (halb geistesschwach, an den Füßen ganz gelähmt) eine Stelle im Archiv bekommen könne.
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Ich sprach denn mit ihm, setzte ihm auseinander, daß jetzt ein rüstiger wissenschaftlich gebildeter Mann eintreten müsse, der einst an Schladitzens Stelle (er ist jetzt Archivar geworden) aufrücken könne und Behr beschied sich auch dessen. Ich schlug ihm aber vor, daß sein Sohn den Akzess im Archiv nehmen möge als eine Probe und erbot mich zu bevorworten, daß er eine Gratifikation von 200 Talern erhalte, weil er doch stets ins Archiv fahren muß und dadurch baren Aufwand hat. Ich tat den Vorschlag aus Mitleiden gegen den armen Menschen, der für nichts Interesse und Geschick hat als für Genealogie. Arbeiten, die seiner geistigen Armut ausführbar ist, findet sich immer im Archiv, also ganz nutzlos würde er nicht sein und doch eine Beschäftigung haben. August 28 Also Juristentag, i. e. Tohu va bohu. Am Montag (26.) ging der Spektakel los. Abends fuhr ich mit dem Dampfschiff um 6 ¼ nach dem Linkeschen Bade. Außer mir stiegen noch drei übel gekleidete Männer (Kerls will ich nicht sagen) dort aus. Wie das Schiff landete, knallten uns zu Ehren drei Kanonenschläge – ich kann nicht gleich ausrechnen, wie viel davon auf mich kommt. – Es war Empfang mit Beköstigung seiten des Justizministeriums, dem die Stände 1 500 Taler bewilligt haben. Die Menge Menschen drehte sich herum bis hinter reich gedeckten Tafeln hervor, die kürzeste und trefflichste Rede bei der ganzen Versammlung erscholl: Meine Herren, langen sie zu! Es geschah dann und ich fand mich denn bald an einem Tische mit einigen Dresdner Bekannten zusammen, wo mich aber einer der Brückmanns aus Osnabrück aufsuchte und mich zu seinem Bruder, den älteren, brachte, der mit einem Oberpräsidenten aus Celle, von Döring, einem pensionierten Appellationsrat aus Kiel, Brinkmann, und ähnlichen Leuten an einem Tisch saß. Der Brinkmann (wohl schon etwas besoffen) faßte eine große Zärtlichkeit für mich und erzählte mir, er sei ein guter Freund des Geheimen Justizrates Siebenhaar, mit dem er jetzt täglich im Seebad zusammen gewesen sei. Er schloß aber daran die Bemerkung, er möge wohl etwas eingebildet sein und als ich dies aus voller Überzeugung bestätigte, sagte er – etwas noir – ja, es ist ein altkluger Sachse! Famos blamierte sich übrigens Langenn. Dieses Heupferd hat sich nämlich eingebildet, er mache sich allerhöchsten Ortes angenehm, wenn er den Juristentag als ein demokratisches Institut fliehe und er ist so unverschämt gewesen (und die Räte so servil), daß er einen Beschluß des Oberappellationsgerichts in corpore herbeigeführt, daß die Räte nicht teilnehmen wollen. Ex post ist nun der Justizminister von Behr wie mehrere andere Minister in andern Ländern beigetreten und der Wind hat eine ganz andere Richtung genommen, als er geglaubt hat – nun war es aber zu spät – nichts desto weniger kam der – sit venia verbo – Heuochse mit mehreren Crehals geschmückt – wohl auf eine Einladung Behrs – zu dem Souper! Ich fuhr um 9 etwa mit dem Juristentag nach Meißen – auf dem Ratsweinberg Wein (1857) in Fülle vorm Stadttor, im Dom herrliche Musik (Erhard erwartete mich). Abends in einer Kneipe an der Brücke mit Einigen, u. a. meinem früheren Kollegen in Erfurt Dr. Franke pp. zusammen. Nachts in der Stadt. Heute Vormitttag Debatten über Zivilprozess in Brauns Hotel, dann Diner dort und jetzt will ich, nachdem ich einige Stunden im Archiv gewesen, nach Loschwitz fahren.103 103 Ein ausführlicher Bericht über den Zweiten Deutschen Juristentag in Dresden vom 26. bis 31 August 1861 ist in der Deutschen Gerichts-Zeitung. Organ des Deutschen Juristentages. 3. Jahrgang. Nr. 61. 1861. Berlin, 8. September 1861 veröffentlicht.
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September 2 Ich bin in einigen Sitzungen des Juristentages gewesen und habe dabei über das hannoversche Prozeßverfahren teils durch die Beratung, teils durch Besprechungen mit Einzelnen manches gelernt. Im Allgemeinen kommt aber natürlich beim Besprechen einer Menge wichtiger Fragen, beim Abstimmen ohne Debatte, wie es am Freitag in der Plenarsitzung war, nichts heraus. Die Sitzung dauerte bis gegen 3 ½, dann wurden erst noch die Tafeln gedeckt zum Diner. Ich saß neben Professor Abegg aus Breslau und Präsident von Pape aus Celle (meinem Kollegen aus Erfurt). Gustav kam von seiner Reise nach Tirol gerade zur Tafel zurück und nahm noch teil. Ich war aber sehr müde von alle dem Trubel, zum Trinken hatte ich, da ich schon die Tage vorher prouliert, keine Lust und so entfernte ich mich vor dem Braten mit Gustav, der auch von seiner Nachtfahrt müde war, nach Loschwitz fahrend. Mit Präsident Schneider hatte ich neulich nach einem Diner in Meinholds Saale, das Minister von Behr der Elite gab, ein langes Gespräch darüber, daß er Justizminister zu werden wünsche. Überhaupt hatte ich inter persona manch ganz interessante Zwiegespräche. Am Sonnabend beschloß ich meine Tätigkeit beim Juristentag durch Teilnahme an der Cour, welche der König um 10 Uhr früh hielt. Sie war sehr bald in ¾ Stunden abgemacht. Ein Advokat Heymann von hier, der schon beim Diner am Freitag auf dem Bade sich sehr auffallend benahm (er ist gar nicht Mitglied) ist verrückt geworden und erschien dann in dieser Qualität auch bei der Cour, wo man ihn aber mit List (um keinen Skandal hervorzurufen) entfernte. September 5 Könneritz, der Minister, war gestern lange bei mir im Archiv, um den Aufsatz über Einsiedel, mit dem ich jetzt beschäftigt bin, zu besprechen. Er hat mir viele Bemerkungen dazu mitgeteilt und überhaupt Menge Kritik geübt, was ich ihm sehr Dank weiß. An Beust schrieb ich einige Male auf einen Brief von ihm und suchte ihm Moral zu predigen, vielleicht hilft es doch zuletzt. September 13 Am Sonntag besuchte ich bei sehr schlechtem Wetter Erhard in Meißen. Die Fahrt war bei überfülltem Schiff mit teilweise Besoffenen zumal auf der Rückfahrt sehr unangenehm. Ich besuchte mit Erhard den Rektor, der mich gegen meine Erwartung – er war mir als ein Grobian geschildert worden – ziemlich höflich empfing. Er legte zwar seine Zigarre nicht weg, zeigte mir aber die Bibliothek pp. Dann trank ich bei Advokat Scheufler Kaffee. Er scheint sehr an Gicht zu leiden, hat verkrümmte Hände, schleift mit den Beinen, item er ist sehr alt geworden. Montag fuhr ich nach Dahlen zu Sahr. Er empfing mich mit dem Wagen am Bahnhof. Großes Schloß, schöner Park, superbe Einrichtung, zwei Kammerdiener in weißen Halstüchern, außer einer Zahl Lakaien, servierten beim trefflichen Diner. Sie ist eine geistreiche Frau und erschöpfte sich in Liebenswürdigkeiten nicht meiner schönen Augen wegen, sondern gegen den Verfasser der Lebensbeschreibung ihres Vaters, die ich ihr mitbrachte zur Prüfung. Nach Tische rauchte sie ihre Zigarre mit uns und ich ging dann mit Sahr spazieren, während sie sich in die Lebensbeschreibung vertiefte. Am Abend nahmen wir diese vor, sprachen darüber, lasen in den Korrespondenzen des Ministers, woraus sich noch Einiges entnehmen läßt. Ich schlief, von einem zu meiner Bedienung angewiesenen Kammerdiener geleitet, im obersten Stock (Sahrs wohnen Parterre), eine ganze Reihe Zimmer zur Disposition habend. Auf dem Zimmer gefrühstückt, dann erschien Sahr. Ich besah mir noch das Zimmer, in welchem Friedrich der Große den Hubertusburger Frieden unterzeichnet und gewohnt hat. Es
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ist im Mobiliar und sonst noch ganz unverändert. Eine Gedenktafel mit Abschrift der Ratifikation, in dessen Beglaubigung sein Name verewigt ist, bezeichnet den Ort.104 Schöne Bibliothek. Seine Einladung, einmal auf vier Wochen hinzukommen, wird schwerlich benutzt werden. September 18 Unbegreiflicher Weise habe ich von Sophie seit dem 9. d. M. keinen Brief. Erhard schrieb mir gestern sehr besorgt, ob ich böse oder krank sei, weil ich ihm nicht geschrieben hatte, da ich eben erst einen Brief von Sophie abwarten wollte. Das Wetter war die Tage her sehr schlecht, kalte Regengüsse, Sturm. Am Montag Abend lud ich mir Heidrich und Burkhardt zum Tee ein. Wir unterhielten uns recht gut. Heidrich erzählte in großem Ärger von der Tyrannei, welche der Theatersekretär Pabst unter dem alten Lüttichau verübe, wie der den Schauspielern bedeutende Geschenke abpresse, damit sie nicht schikaniert werden pp. Ich blieb alle Tage bis um 6 ¼ Uhr Abends in der Stadt, sehr zur Befriedigung Schladitzens, den ich für die Nachmittage dispensierte. Dann saß ich die Abendstunden Sturm umbraust allein in der Stube, lesend und von 9 Uhr an oben in meiner Stube. Sehr anmutig ist diese Existenz nicht. September 21 Gestern ist Sophie mit Oda Mittags glücklich wieder angekommen, zu meiner größten Freude. Wir fuhren gleich nach Loschwitz und hatten uns natürlich sehr viel zu erzählen. Kuriose Geschichte habe ich dieser Tage übernehmen sollen. Ein Nasou Halles, Lineman, den ich in Marienbad voriges Jahr nur einen Tag glaube ich sah, wünschte, ich möchte ihm einen in Teplitz gekauften Wagen, der nach Sachsen gepascht und konfisziert worden war, frei machen. Ferner ein Herr Eduard Lade in Paris, bei dem Gustav öfters war, wünschte, ich solle ihm Auskunft geben über Büchsen, die hier vom Kriegsministerium verkauft würden. Ich ging denn in das Zeughaus und erfuhr denn, daß man allerdings dergleichen verkaufen wolle, was ich denn ihm nach Paris schrieb. Heute kam auch der Bruder dieses Lade, Eduard, in derselben Angelegenheit und ich spedierte ihn soeben in das Zeughaus. September 26 Als ich heute Morgen mit dem Schiff hereinkam, wartete der Telegraphenbote mit einer Depesche von Lade aus Paris auf mich. Sie war adressiert an „Ministeralaar von Eber“ und enthielt die Bitte, ich solle im Zeughause wissen lassen, daß er die gesamten Gewehre kaufe. Sie sind jedenfalls für Italien bestimmt und müssen notwendig dahin mit Genehmigung des Kaisers gehen, der somit den Feinden seines Freundes in Turin die Waffen in die Hände liefert. (Nachtrag: den 7. Dezember 1861 versicherte mir Lade, der das Geschäft abgeschlossen, die Gewehre seien für Nordamerika. Da viel Schreiberei in 104 Der Ort Dahlen, 1188 erstmals urkundlich erwähnt, war ein weit entfernt liegender Teil des Territorialbesitzes der Bischöfe von Naumburg. Im 12. Jahrhundert sich zur Stadt entwickelnd und 1228 als oppidum bezeichnet, gehörte das Gebiet bald zur Markgrafschaft Meißen. Im 16. Jahrhundert entstand ein landesherrliches Kammergut, das als Rittergut 1726 in den Besitz von Heinrich von Bünau, einem führenden kursächsischen Politiker in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und politischer Gegenspieler von Premierminister Heinrich Graf Brühl, kam. Er ließ von 1734 bis 1751 ein spätbarockes Schloß bauen. Durch die hervorragende Architektur, die kostbare Ausstattung und die Sammlungen zählte es zu den berühmtesten Herrensitzen in Kursachsen. König Friedrich II. von Preußen leitete von hier aus 1763 die Friedensverhandlungen zum Abschluß des Siebenjährigen Krieges zwischen Preußen, Österreich und Kursachsen, die zum Hubertusburger Frieden führten. Siehe Schlösser um Leipzig. Leipzig 1993, S. 44–45. – Reiner Groß: Hubertusburg im Siebenjährigen Krieg. In: Schloß Hubertusburg. (= Saxonia 3). Dresden 1987, S. 53–58.
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den Zeitungen gewesen, so wollte er eine Bekanntmachung deshalb erlassen. Ich wies ihn deshalb an Beust, da dessen Namen, obwohl er gar nichts mit der Sache zu tun gehabt, dabei immer mit genannt worden ist.) Oktober 7 Seit Mitte voriger Woche ist mein Schwager Wackerbarth mit seinen zwei älteren Söhnen (er hat noch eine Tochter Flora und einen anscheinend unehelichen Sohn Arthur in Amerika) hier aus St. Louis in Missouri angekommen, wo er Mathilde zurückgelassen hat. Er will jetzt seine Erbangelegenheiten ordnen und die Knaben hier in einer Erziehungsanstalt unterbingen. Die Jungen sind wenigstens äußerlich nicht so verwildert als ich besorgt hatte. Sie können aber außer den Sprachen englisch und deutsch fast gar nichts. Oktober 12 Das Waffengeschäft mit Lade´, wie er sich schreibt, ist noch zu Stande gekommen. Rabenhorst hat ihm die ganze Armatur der sächsischen Armee, 28 000 Büchsen, verkauft, so daß wir augenblicklich nur alte glatte Flinten haben, bis aus dem Arsenal zu Wien die durch Beust verschafften neuen Büchsen angekommen. Allerdings macht das Kriegsministerium ein gutes Geschäft, da es nun Büchsen nach dem Kaliber Österreichs und des Bundeskorps, dem Sachsen angehört, erhält und für diese nur 16 Gulden (also etwa 8 Taler) zahlt, während die alten für 14 ½ Taler verkauft werden. Die Soldaten sind aber sehr unzufrieden damit, weil die zeitherigen Büchsen sehr gut waren und die neu ankommenden, wenn sie auch eben so gut sein sollten, doch erst wieder eingeschossen werden müssen. Auf die Familie Berlepsch träufelt jetzt Segen. Der Kronprinz hat sich Otto Berlepsch zum Adjutanten erwählt, eine kuriose Wahl, da er zu nichts weniger taugt als zu einem Hofkavalier. Beust hat jetzt seine Umarbeitung der Bundesakte (mit Parlament, Aufhebung des Bundestages pp.) ziemlich fertig und die Sache neulich bei Anwesenheit Pfordtens mit diesem besprochen. Pfordten war einverstanden, meinte, er habe sich eingerichtet gehabt, daß der Bundestag etwa noch 10 Jahre bestehen werde, er könne ja beim Parlament „ministere parlens“ werden. Der König von Bayern benutzt Pfordten noch immer, holt seinen Rat ein, läßt sich von ihm Phrasen drechseln. So u. a. hat Pfordten selbst dem König die Redensart, mit dem der König viel Glück gemacht, soufliert: „er wolle Frieden mit seinem Volke machen, dehalb habe er Pfordten entlassen.“ Oktober 21 Adolf und Rosa reisten Abends wieder ab und ich ging mit Sophie ins Theater, das uns allemal zu Anfang des Winters, nach halbjähriger Sommerentbehrung, wieder sehr lockt. Schillers Räuber mit Dawison als Franz Moor trefflich. Nun wird wieder Ruhe eintreten, die Sophie sehr bedarf, zumal es gar scheint, als ob sie in interessanten Umständen sei, etwas spät für die Jahreszeit unseres Lebens. Oktober 30 Adolf war Montag in Geschäften wieder hier, aß Mittag bei uns, dann gingen wir zusammen ins Theater, um „Orpheus in der Unterwelt“ zu sehen, eine verrückte Zauberposse und Abends war er mit Anton bei uns. Gleichzeitig traf ein Graf Baudissin hier ein, mit einem etwas veralteten Briefe von Mathilde aus St. Louis. Der Mann, früher österreichischer Bergbeamter, dann holsteinischer Offizier, ist 10 Jahre in Amerika gewesen, wo er verschiedene Phasen durchgemacht haben mag. Jetzt zurückgekehrt mit verschiedenen Projekten will er diese verwerten und bat mich deshalb, ihn bei Beust einzuführen, was denn auch geschah. Ich lud ihn Montag mit zu Tische, wo er sich ganz amüsant erwies. November 6 Ich scheine dieses Jahr bestimmt zu sein zu allerhand sonderbaren Korrespondenzen. So erhielt ich gestern mit einigen lakonischen Zeilen von Cotta den beilie-
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genden Brief seines Schwagers, des Redakteurs der Augsburger Allgemeinen Zeitung, Orges, worin er eigentlich nur um den Albrechtsorden für den Minister Schmerling zu bitten scheint, praesumptio nicht in dessen Auftrag. Ich ging denn mit der Epistel heute früh zu Beust und las ihm solche vor und schrieb dann auf seinen Wunsch die Antwort: daß ich den Brief Beust mitgeteilt und ich versichern kann, daß er nicht zu den Gegnern des Minister Schmerling gehöre, er es aber nur beklagen könne, wenn sich in Wien zwei Richtungen geltend machten, von denen eine die andere paralysiere. Ich fügte bei: „Sollten Sie ferner wünschen, etwas an den Minister von Beust zu bringen, so bin ich, persönlich mit ihm befreundet, gern bereit, als Vermittler zu dienen. Daß er den Vertretern der Intelligenz in der Presse sein Ohr nicht verschließt, hat er schon oft bewiesen und so werden denn auch Ihre jetzigen Andeutungen nicht unbeachtet verhallen.“ Die Antwort schickte ich aber erst Beust zur Einsicht.105 Beust teilte mir auch seinen nunmehr volldendeten Entwurf der Vorschläge zur Abänderung der Bundesverfassung mit, mit denen er jetzt hervorzutreten sich auch dadurch veranlasst findet, daß ein anscheinend vom Herzog von Koburg inspirierter Entwurf den Regierungen mitgeteilt worden ist, bei dem man schon einige Notizen von den Beust’schen Vorschlägen benutzt zu haben scheint. Wickede ist auch wieder hier, aber lahm durch einen Schuß in die rechte Hüfte, den er in einem Duell mit einem Ungarn in Italien vor sechs Wochen erhalten. Als Revanche hat er aber seinen Gegner durch die Brust geschossen. November 18 Gestern sprach ich mit Beust über seine Vorschläge über die Reform der Bundesverfassung. Er klagte, wie er überall bei den Regierungen die größten Schwierigkeiten finde. Auch in Wien, wo man sich Anfangs ganz einverstanden erklärt, habe man nachträglich auch eine Menge Bedingungen und Cautelen vorgebracht. Nach Darmstadt hatte er an Dalwigk sich in einem Expose mit einem Witz geholfen, er schrieb, das S. M. am Schluß könne heißen valvo nationi, aber auch „Sachte Michel“, mit Bezug darauf, daß er entwickelt, man müsse jetzt erst langsam vorwärts gehen. Überhaupt tröstet er sich mit Witzen. So schrieb er mir das beiliegende Gedicht auf, das er als seinen „geheimsten Gedanken“ bezeichnet hat.106 Abends waren wir bei Kohlschütters im Großen Garten, der an den Vollmondabenden öfters Haus hält. Es waren sehr viele Untertanen des Ministeriums des Innern da, und die Geschichte zog sich ziemlich matt bis 10 Uhr hin. Mit Minister Behr hatte ich neulich eine eingehende Unterredung über die Prüfungskommission, über welche ich wieder Klage gehört. Ich schlug ihm insbesondere vor, die Prüfungen öffentlich halten zu lassen. Er hatte Bedenken, weil dadurch der Inhalt der Akten, welche zum Spezimen gedient, veröffentlicht werde, was die Parteien sich nicht ohne Gesetz gefallen zu lassen brauchten. Das scheint mir denn doch zu weit zu gehen in der gewissen Heftigkeit. November 27 Gestern Diner bei Halle mit einigen Diplomaten, Forth-Rouen pp. und Beust. Bei Tische saß ich neben Minister Friesen, den ich eigentlich gar nicht kenne, und 105 Schreiben des Redakteurs der Augsburger Allgemeinen Zeitung Hermann Orges an Weber vom 4. November 1861 siehe Dokumentenanhang Nr. 21. 106 Gedicht von Beust vom 17. Oktober 1861 siehe Dokumentenanhang Nr. 22.
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Professor Gruner, einem kenntnisreichen und gebildeten Mann, Vorstand des Kupferstichkabinetts. Nach Tische packte mich sofort Forth-Rouen, pour france. Ich hätte lieber Beust’s Anekdoten mit angehört, die er im Salon erzählte, mußte aber wohl in Halles Stube folgen, wo wir denn bis nach 7 Uhr qualmten, während Forth-Rouen allerhand Geschichten erzählte, besonders von der fonte bete, Lemaistre, den er sehr en grippe genommen hat. Eine kuriose Geschichte ist jetzt hier passiert. Es lebte hier eine polnische Gräfin Niesilowska, eine geborene Radziwil, die im Jahre 1822 in den Verdacht kam, ein wertvolles Kollier, welches die Prinzessin Therese verloren hat, geklaut zu haben. Sie heiratete später in heimlicher Ehe den Hoforganisten Klengel, lebte in sonderbarer Weise nur in hotel garnis und Gasthöfen, hatte aber eine Besitzung in Strehlen (oder bloße Sommerwohnung). Im Herbst diesen Jahres ging sie nach Wiesbaden und starb dort. Sie hinterließ nur eine letztwillige Disposition, in der sie ihrem Bedienten 5 000 Taler, ihrer Kammerfrau 10 000 Taler aussetzte. Jetzt kommen ihre Enkel, ein Duc de Choisent aus Paris hierher, um die zwei Millionen, die ihre Großmutter, wie sie wußten, hinterlassen, zu erheben. Allein es findet sich gar Nichts, das ganze Vermögen, wenn die Alte welches besessen, ist verschwunden! Dezember 3 Als ich neulich mit Forth-Rouen bei Halle aß, sagte er mir, daß ein französischer Gelehrter Professor Geffroy hierherkommen werde, um im Archiv zu arbeiten, insbesondere über die Geschichte Gustav III. von Schweden. Am Donnerstag Nachmittag kam denn der Herr zu mir ins Archiv und zeigte sich als ein sehr gebildeter artiger Mann. Ich lud ihn dann gleich zu Abend ein, da wir gerade Gesellschaft hatten. Berlepschens, die Geheime Regierungsrätin Süßmilch, Wickede, die Geschwister pp. Zu meinem Erstaunen erfuhr ich dann aber, daß ihn seine Frau begleite, die ich dann natürlich auch einladen mußte. Er spricht etwas deutsch, sie kein Wort und so war denn die Dame Abends ziemlich auf meine und der Halle, die sich ihrer annahm, Unterhaltung verwiesen. Ich hatte übrigens noch denselben Abend meinen Vortrag wegen Genehmigung des Gesuches des Professor Geffroy an das Gesamtministerium gesendet. Er war auch, da die Minister gerade in der Sitzung versammelt gewesen, auch vorgekommen. Allein man hatte große Bedenken wegen der Verwandtschaft der Kronprinzessin mit Gustav III. gehegt, als ob hier gerade der Skandal allein zu finden wäre! Geffroy hatte die Archive zu Stockholm, Berlin, Paris pp. benutzt und dort ist man natürlich gar nicht bedenklich gewesen, dort hat er bereits Alles gefunden. Ich sprach deshalb auch mit Beust und Falkenstein und belehrte namentlich Ersteren, daß es geradehin unmöglich sei, daß ich vor der Vorlage der Akten, Depeschen, Korrespondenzen (die einen Wagen füllen möchten) aus jener Zeit sie vorher durchsehen könne. In Anerkennung meiner Höflichkeit gegen seinen Landsmann lud mich Forth-Rouen gestern zum Diner – Abends 6 Uhr! – Es waren noch das Ehepaar Geffroy, ein Graf Kleist (Gesandter in Genua) und einige andere Leute da. Nach dem Essen rauchten wir, dann ging ich ¼ Stunde zu Hause und um 8 ½ wieder hin zu einer Partie Whist. Es waren noch Minister Könneritz, Arnim, Kotzebue und mehrere Bekannte da, eine Art Akademie a la Reitzenstein. Ich ging aber ermüdet vor dem Souper zu Hause. Wackerbarth hat den Prozeß gegen die Erben seiner Tante, die deren Testament, wonach er das Gut Zaschendorf und Kapitale bekommen soll, anfechten, in erster Instanz gewonnen. Ich riet ihm doch zu einem Vergleich, da die Sache sehr zweifelhaft ist. Allein er scheint obstinat. So wird die Familie nun wohl wieder nach Deutschland einwandern.
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Dezember 12 Gestern Abend war Ehrenstein bei mir, sehr pikiert, daß er nicht eine Einladung zu dem offiziellen Diner erhalten, das Beust heute zum Geburtstag des Königs gibt. Auf Sophiens Verlangen schrieb ich noch nach 9 Uhr einige Zeilen an Beust und erhielt gegen 11 Uhr einen vier Seiten langen Brief, worin er alle die Gründe entwickelt, die eine Einladung Ehrensteins verfassungsmäßig unmöglich macht und mich beauftragt, ihn darüber ja recht deutlich zu verständigen. Ein Postkript besagt, er bitte mich Sonnabend 5 Uhr bei ihm „Gefrorenes zu scheißen“ – Sophie liest aber „mit Geffroy zu speisen“. Dezember 19 Gestern Abend waren Halles, Beust’s mit ihrer nun in die Welt eingeführten Tochter Marie (ein ganz hübsches Mädchen) und Wickede bei uns. Bis 11 ½ sehr fidel. Beust erzählte u. a., daß der Badische Minister von Roggenbach über die Deutsche Frage in der Kammer sich gegen seine Vorschläge, ihre Gründe ausgesprochen und dabei gesagt, der Großherzog werde nicht hinter seinem Volke zurückbleiben. Beust meinte dagegen, es sei doch 1849 vorgekommen, daß das Volk hinter dem Großherzog zurückgeblieben, der damals ausreißen mußte. Witze machen, das geht ihm doch über alles. So hatte ein gewisser Lawrence mit einem Bettelbrief sich an die Königin von England gewendet unter dem Anführen, sein Urgroßvater sei englischer Gesandter in Sachsen gewesen. Ich mußte die Sache erörtern, fand aber keine Spur. Beust teilt dies nun in einer allerdings sehr spaßhaftten Note dem englischen Gesandten mit, worin er die Vermutung ausspricht ,,daß einer seiner Vorgänger ein uneheliches Kind hier in die Welt gesetzt habe, dabei aber beifügt: daß er Forbes – dem man andere Neigungen beimaß – von allem Verdacht freispreche.“ So gut die Witze waren, schienen sie mir doch in einer offiziellen Note, die er von Zschille kalligraphisch abschreiben lassen, gar nicht an ihrem Platze. Der englische Gesandte Murray scheint auch der Ansicht gewesen zu sein, indem er seine Verwunderung ausgesprochen, daß Beust seine „droleries“ habe so gut schreiben lassen. Die Pique, die aber darin gelegen, hatte Beust, der die Anekdote mit vielem Vergnügen erzählte, nicht merken wollen. Dezember 28 Am Sonnabend (21.) kamen unsere Söhne zu uns. Wir waren die Feiertage ganz vergnügt zusammen, am 1. in Loschwitz an einem herrlichen Tage: draußen gegessen, Champagner getrunken. Am 2. Feiertag das etatmäßige Familiendiner (mir ein Greuel!), das durch des furchtbar ledernen Wackerbarth Gegenwart eben nicht amüsanter ward. Sophie hatte auch noch die zwei Knaben mit zu Tische gebeten, die auch am Weihnachtsabend bei uns waren. Sie zerbrachen Stühle, einer zog Erhard den Stuhl weg, als er sich setzen sollte, kurz es ist eine charmante Bande.
1862 Januar 2 Ein Dr. Vollert, Kreisgerichtsassessor in Arnstadt, hatte mich vorigen Sommer dringend gebeten, ihm einige Sachen für den 30. Band des neuen Pitaval, den er jetzt herausgibt, zu geben. Ich gab ihm einige unbedeutende Sachen, die er nun dummer Weise mit meinem Namen aufgenommen hat. Er schickte mir nun das Honorar, aber nicht 10 Taler pro Bogen, wie er mir brieflich zugesichert, sondern weniger. Auch kurios. Heute aß ich um 3 Uhr bei Sahr und nach Tische haben wir das Leben des Grafen Einsiedel, zu dem die Frau von Sahr, die Tochter des Kabinettsministers, und er mir viele Bemer-
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kungen mitgeteilt, zusammen durchgegangen. Es war eigentümlich, daß unsere Verhandlungen über den Verstorbenen in demselben Zimmer stattfanden, das er noch vor 1 Jahre selbst bewohnt hat. Januar 8 Gestern Symphoniekonzert und dann zu Beust, die alle Dienstage empfangen, etwa 30 Personen waren da. Ich unterhielt mich mit Forth-Rouen, den Pariser Seebach pp. Um 10 gingen wir wieder fort. Wackerbarth hat sich mit seinen Gegnern verglichen und erhält das Rittergut Zaschendorf wie Alles liegt vom 1. Januar an. Er ist nun ein gemachter Mann und wir – werden ihn hoffentlich los. Heute geben wir ein präsumtiv sehr ledernes Fest, die Prinzessinnen, Kyaws, Holtzendorfs, Jordan, Budbergs, Frau von Carlowitz (Polizeidirektrice), Houwald, die Beust aus Freiberg. Obwohl wir Hund und Katz mit ihr, wünschte die Ministerin doch, der Töchter wegen, mit ihr zusammen zu kommen und so ist dann die Familie Minister Beust noch eingeladen worden. Während die Andern gegen 8 kamen, traf die Oberberghauptmann mit ihrer Tochter erst nach 9 Uhr ein. Januar 9 Sophie hatte gestern schon Kopfschmerzen und sie dadurch heute vermehrte, daß sie herausfuhr, um Prinzess Melly zum Geburtstag zu gratulieren, was höchst unnötig war, da diese sich um uns gar nicht kümmert, in der Regel grob ist. Als Sophie dann um 8 zu Hause kam, mußte sie sich sogleich zu Bett legen und konnte daher auch nicht zu Halle gehen, wo eine große Gesellschaft war. Durch den österreichischen Legationssekretär Harzmarle ließ sich mir ein Herr mit einem großen Stern vorstellen, der sich aber mir als ein preußischer Legationssekretär von Gundlach auswies, der behauptete, mich in Erfurt während des Schiedsgerichts kennengelernt zu haben, was ich ihm wohl glauben mußte. Januar 20 Vorige Woche war ein Rout beim französischen Gesandten Forth-Rouen, zu dem ich die Einladung angenommen, weil ich glaubte, es sei eine Whistpartie. Ich blieb aber so nur ¼ Stunde. Heute finde ich abermals eine Einladung zu einer solchen Tortur, vom österreichischen Gesandten Baron Werner, dem ich niemals Besuch gemacht, den ich nur einmal gesprochen und dem ich daher gar nicht verpflichtet bin, zu gehorsamen. Ich werde daher auch nicht hingehen, ebensowenig als Mittwoch zu Beust’s großem ersten Ball. Ich schreibe jetzt vorzugsweise Kriminalgeschichten, die in der Fortsetzung des Pitavals kommen sollen. Einiges ist schon im 30. Band erschienen (Neuer Pitaval Band 3, S. 287–307 [3. Folge Band 6] 1861). Auch mit Einsiedels Lebensbeschreibung bin ich nun ganz fertig und lasse das allerdings ziemlich stark gewordene Opus morgen an das Gesamtministerium abgehen. Sophie hat einige kleine Häkeleien mit der Halle, die bisweilen launig ist, gehabt und wir bestrafen nun einander gegenseitig dadurch, daß wir nicht zueinander gehen. Es ist eigentlich immer das angenehmste Haus, das wir hier haben, aber ich würde es kaum vermissen, wenn ich auch nie wieder dahin käme. Man wird, wenn man älter wird, immer weniger sozial. Von Dr. Orges in Augsburg, dem Redakteur der Allgemeinen Zeitung, bekam ich heute einen zwei Bogen langen rekommandierten Brief, worin er mir über die Dienstzeichen der Offiziere schreibt, die viel praktischer als die Epauletts seien. Ich werde das ebenso wenig ändern können, als Beust, dem ich den Brief geschickt habe. Februar 1 Am Donnerstag Abend kamen Wickede und Kotzebue zu uns. Wir beiden Erstern tranken ein paar Flaschen Hochheimer 1857, die mir Sophie zu meinem Geburtstag
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geschenkt. Für Kotzebue, der nur Bier trinkt, hatte ich Erlanger holen lassen. Es war ein recht interessanter Abend. Kotzebue erzählte, daß beim Tode seines Vaters eine Menge Kinder, aber kein Vermögen, nur ein Haus in Reval etwa 1 000 Taler wert sich gefunden. Der Kaiser von Rußland hat ihn und alle seine Geschwister erziehen lassen. Er war in einem Institut, wo er aber nur eine russische, d. h. sehr mangelhafte Bildung erhalten. Dies rächt sich noch immer, da er sich in seinem lückenhaften Wissen unsicher fühlt. Er ward für die auswärtigen Angelegenheiten bestimmt und einem Gouverneur in Kiew beigegeben, wo er gar nichts zu tun hatte. Sein Bruder war in der Moldau. Er bat daher einst den Gouverneur, ihn als Kurier dahin zu schicken. Auf der Reise in der Moldau fällt sein Diener vom Wagen und verletzt sich. Man bringt ihn auf ein nahegelegenes Gut, welches dem Fürsten Contucazens gehört. Er bleibt dort 14 Tage und verlobt sich da schnell mit der Tochter. Er wird dann bei verschiedenen Gesandtschaften, u. a. in Karlsruhe als Legationssekretär angestellt, nach einiger Zeit aber von seinen Schwägern aufgefordert, die Verwaltung ihrer Güter in der Moldau zu leiten. Er tritt aus dem Dienst und lebt nun 10 Jahre in der Moldau. Die Sache mag aber pekuniär nicht glänzend gewesen sein. Er ist dann wieder in Dienst getreten und ist nun hier mit dem Titel Staatsrat und 2 000 Taler Besoldung. Seine Neigung treibt ihn aber zur Belletristik. Er kann nach seiner Stellung aber nicht mit seinem Namen auftreten, findet aber mit den bloßen Anfangsbuchstaben W. v. K. keinen Verleger für seine in der Tat interessanten Sachen. Die Beiden blieben bis nach 11 Uhr. Schade, daß man nicht öfter solche Gesellschaften haben kann. General Graf Holtzendorf beschwerte sich neulich, daß er zum letzten Balle bei Beust eine Einladung für seine vor ½ Jahr gestorbene Frau erhalten hat. Dergleichen Missgriffe sind Beust schon mehrmals passiert und ich sagte ihm daher, er möge doch seine Einladungslisten revidieren lassen. Er schob die Schuld auf Wilhelm Ehrenstein, der diese Branche zu verwalten habe. Heute Mittag bin ich zum König geladen, kann daher, da die Geschichte wohl länger dauern wird, nicht in das Quartett gehen, das Lauterbach, der an Lipinski’s Stelle berufene Konzertmeister, gibt. Er soll trefflich geigen. Ich werde daher wohl Abends zur Partie bei Sahr gehen, der alle Sonnabende Whistakademie hat – d. h. ich verlor, da ich en trois spielen mußte, was ich schlecht spiele, eine Menge Geld. Gebrannte Kinder scheuen das Feuer. Ich bin aber im Whist trotz dieser Erfahrung noch nicht klug geworden. Februar 5 Die Elbe wuchs vor einigen Tagen so an, daß nur etwa eine Elle an dem Wasserstand d. a. 1845 fehlte. Am Sonntag Abend, wo wir zu Just gebeten, mit Berlepschens, Weinligs, Teubern auf einen Frischling, dem Just „mein Schwager der Graf“, wie er zu sagen pflegt, geschenkt, da ward von dem Steigen des Wassers gesprochen. Allein ich hatte doch keine Besorgnis für das Archiv. Allein am Montag fing eine Schleuse neben dem Archiv an, auszutreten und ich räumte nun, da 1845 das Wasser hereingetreten, die unteren Lokate und Urkundenkästen mit Hilfe von Portechaisenträgern aus. Um 6 war ich Abends fertig und konnte nun für die langweilige Arbeit in einer noch lederneren Sitzung des Altertumsvereins mich erholen. Die Versammlung bestand aus etwa acht Personen. Den Prinz Georg, der erschien, erkannte ich gar nicht, hielt ihn für einen mir unbekannten Leutnant, bis ich meinen Irrtum durch seine Anrede inne ward. Gestern war ich Abends eine Stunde bei Halle, der ebenso wie seine Frau unwohl ist. Jordan und Minister Zeschau kamen auch hin. Letzterer hat jetzt, da der Theaterdirektor von Lüttichau vom Schlage getroffen worden, auch die Theaterdirektion übernommen. Er dirigiert überhaupt gern und so kommt ihm das ganz zu Passe.
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Februar 8 Kurioses Zeug, das die Menschen treiben! Seit einigen Monaten spielt eine Komödie in der Familie Jordan. Er geht seit vorigen Sommer regelmäßig in das Theater und die Müller, die entschieden die Hoffnung im Stillen gehegt, er könne am Ende sie zur gnädigen Frau machen (im Spiegel hat sie sich wahrscheinlich nie gesehen!) beginnt Argwohn zu fassen, daß er eine Liaeson habe mit einer Schauspielerin Ullrich. Bestärkt wird sie darin dadurch, daß Jordan häufig Pflugks gedenkt, der auch eine Schauspielerin, nachdem er ihr ein Kind gemacht, geheiratet. Im Herbst reist Jordan nach Berlin. Jette vermutet sogleich, es geschehe, um bei dem Vater der Ullrich um ihre Hand anzuhalten. Jordan treibt Umgang mit einem Herrn von Oergan, einem allerdings sehr dummen und ledernen Kerl. Dieser gibt ein Diner, wozu er die Gräfin Lynar u. a. einladet, auch die Ullrich nebst Mutter und Schwester. Jordan, der sonst nie zu einem Diner geht, nimmt die Einladung an. Er besitzt gewisse geheimnisvolle Sofakissen, ein Käppchen, dessen Ursprung Jette Müller nicht kennt. Sie wird immer unruhiger, regt auch, allerdings unverantwortlicher Weise die Töchter auf in ihrer Exellation und die Spannung ist jetzt die äußerste, weil sie glaubt, Jordan wolle eine Soiree geben und dazu die Ullrich einladen. Diese ist übrigens mit einem Sänger Rudolf verlobt und ich verstehe daher gar nicht den Grund der Besorgnisse. Jordan war jetzt einige Tage unwohl und da hat sich die Ullrich nach seinem Befinden erkundigen lassen. Es sind Briefe und telegraphische Depeschen gekommen, die Jordan der Müller nicht mitgeteilt hat pp. Sie war nun drauf und dran, Jordan zu kündigen, da sie in einem Hause der Sünde nicht bleiben könne. Meine Frau hat sie denn nach vielen Kämpfen bewogen, keinen solchen albernen Schritt zu tun, sie insbesondere auf ihre Pflicht zurückgeführt, die Kinder nicht gegen den Vater aufzuhetzen. Wahrscheinlich reduziert sich die ganze Geschichte darauf, daß Jordan ein zartes Verhältnis mit dem Mädchen oder einer Schwester derselben hat, das ihn besser amüsiert als die Unterhaltung der wackern Jette! Beust, bei dem ich eben war, erzählte mir einen Pendant. Es ist hier ein bedeutender Gewerbetreibender Kämmerer, ein intelligenter Mann. Er hat die Jagd gepachtet bei Laubegast, ist bekannt mit Beust’s früheren Hauslehrer Meinhold gewesen und hat diesen und Beust’s Sohn mit auf die Jagd genommen. In dessen Folge wird er einige Male mit zu Tische befohlen. Da Beust ihn als Intelligenz schätzt, verwendet er sich auf Kämmerers Wunsch dafür, daß er Württembergischer Konsul wird. Vorigen Herbst läuft Kämmerers Frau, die Beust nie gesehen, ihm davon, verführt durch eine gewisse Weißenbach, ein Zwitter, die in Plauen lebt und schon mehrere Frauen zur Wollust an sich gelockt hat. Darauf steht in den Dresdner Nachrichten ein Artikel an „Heinrich“ (Kämmerers Vorname) gerichtet, worin sein Freund Beust erwähnt und gesagt wird, er habe doch nun ein Pflaster auf seine Ehestandswunde erhalten pp. Es mag dies die Geschichte sein, von der mir auch erzählt ward, daß Beust ein Verhältnis mit einer Kaufmannsfrau gehabt, was ich entschieden nicht glaubte. Beust teilt dies nun Kämmerer mit und dieser schreibt ihm einen Brief, worin er bestätigt, daß Beust seine Frau gar nicht kenne pp. und diesen Brief hat Beust dem König vorgelegt. Die Dresdner Nachrichten aber werden von Kämmerer verklagt. Februar 15 Beust ist auch seit Sonntag krank. Ich besuchte ihn gestern Abend. Er erzählte mir, daß der Regierungsrat Roßberg ihm mitgeteilt, „er habe meinen Aufsatz über Einsiedel gelesen, derselbe sei aber nicht für den Druck geeignet, da er Äußerungen der allerhöchsten Herrschaften enthalte“. Von diesem Standpunkt, daß jede Äußerung eines Fürsten
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als solche von der Öffentlichkeit ausgeschlossen sei, war ich nun allerdings nicht ausgegangen und auch Beust, so vorsichtig er sonst ist, teilte dieses Bedenken nicht, hat vielmehr, wie er mir vorlas, den Aufsatz im Gegensatz zu dem umsichtigen Urteil des wackeren Roßberg zum Druck empfohlen. Er erzählte mir übrigens manches über die Deutsche Frage und beklagte die Beschränktheit in Berlin. Seit zwei Jahren habe er jede Gelegenheit zu einer Differenz sorgfältig vermieden, alle Bereitwilligkeit gezeigt, sich erboten, zu Besprechung einzelner Fragen nach Berlin zu kommen. Man habe Alles hochmütig abgelehnt. Jetzt könne nun die Zeit von Olmütz wiederkehren. Savigny, der hiesige preußische Gesandte, hat einen andern Posten gewünscht und erklärt, er werde nur einen Posten in London oder Paris annehmen. Jetzt aber habe er gesagt, er werde sehr gern nach Dresden zurückkehren, denn hier sei jetzt der Knotenpunkt für die deutsche und preußische Frage. Beust sei der Schlüssel dazu. An den Rand der Depesche an Graf Hohenthal in Berlin, welche diese Worte enthielt, hat Beust geschrieben: „Das nennt man dem Schlüssel um den Bart gehen.“ Gestern ist denn, zur großen Enttäuschung, dem Prinz Georg kein Prinz, sondern eine Prinzessin geboren worden. Februar 21 Mittwoch (19) war ich zum Ball beim Kronprinzen gebeten, zum ersten Male. Ich fand viele Bekannte, sprach wohl ½ Stunde mit dem Kronprinzen, der sich in specie mit Tilly jetzt beschäftigt hat und mehr von ihm wußte als ich. Am Morgen war der Herzoglich-Sächsische Charge d’affaires von Löwenfels bei mir gewesen, der mir sagte, der Erbprinz von Reuß (aus Gera) wünsche meine Bekanntschaft zu machen, weil er einige Notizen aus dem Archive wünsche. Diese Bekanntschaft ward denn auf dem Balle eröffnet. Es ist ein junges formloses, ziemlich unbedeutendes Herrchen, das heute eine halbe Stunde bei mir im Archiv war. Bei dem Balle beim Kronprinzen waren übrigens, wie ich erst später erfuhr, zwei Einfälle vorgekommen. Gleich zu Anfang will die Prinzessin Auguste über den Saal gehen, stolpert und fällt hin und – liegt mit ganz kahlem Kopfe da, die Perücke weit von ihr. Eine dienstfertige Hand hebt sie wieder auf, aber in der Eile verkehrt, so daß der Scheitel hinten sitzt und über das Gesicht ihr Bänder und dergleichen hängen. Die arme alte Dame hat sich noch dazu den Fuß verletzt. Der Kriegsminister stellt sich gegen das Ende des Balles an die Balustrade, welche vor die Musik hingesetzt ist. Er lehnt sich an und fällt plötzlich mit der umschlagenden, nicht befestigten Balustrade in die Musik hinein. Februar 24 Die Prinzessin Sidonie hat den Typhus bekommen, recht traurig für unsere Königsfamilie, die schon so viele Verluste erlitten. Sie ist wirklich eine sehr liebenswürdige und gutmütige Prinzess, aber bei ihrer vollblutigen Konstitution ist die Gefahr recht nahe! März 6 Unser armer König hat abermals ein Kind verloren. Die Prinzess Sidonie war in der Tat ein liebenswürdiges Mädchen, ohne Hochnmut. Ich habe mich öfter mit ihr ganz gut unterhalten.107 Am Sonntag waren unsere Kinder bei uns zur nachträglichen Feier von Gustavs Geburtstag. Gern wären wir einmal nach Loschwitz gegangen, aber der Winter ist mit Schnee wieder eingetreten. Halles Neffe, Linemann, den ich im Jahre 1860 in Marienbad kennen107 Maria Sidonia, sechstes Kind aus der Ehe von König Johann mit Amalie Auguste Prinzessin von Bayern, war am 16. August 1834 in Pillnitz geboren und starb am 1. März 1862 in Dresden.
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lernte, ist jetzt hier mit seiner Frau. Wir luden sie ein, waren aber auch zufrieden, als sie ablehnten. Professor Geffroy, der diesen Winter hier war, hat in der Revue des dance mondest. 38 Märzheft 1862 einen Artikel über Deutschland und besonders Beust (geschrieben), worin ich S. 119 auch vorkomme. Er erwähnt die Maitage 1849, worin Beust avait paye de je perfianc und sagt, man müsse ihn hören und son ami d’lorne Mr. de Weber, aujordhui directeur habil et liberal des archives Saxonaes. März 17 Vor einigen Tagen ist an die Stelle des alten Lüttichau als Generalintendant des Theaters eingetreten mein alter Freund – Otto Könneritz. Daß man einen Oberappellationsrat nimmt, ist schon an sich verwunderlich, aber die Persönlichkeit zumal eine ganz ungeeignete. Könneritz ist ein durchaus braver, wohlmeinender Mann, aber im hohen Grade bedenklich, leicht asbiciert und allen Geschmacks bar. Taps! Spektakel, ziemlich ordinärer Spaß, das ist sein Geschmack. Allerdings gereicht ihm zur Vorbildung, daß er früher Klarinette geblasen und ein zartes Verhältnis mit der Schauspielerin Berg gehabt hat. Aber sonst auch gar Nichts! Wir waren gestern Mittag bei Berlepsch zu Tisch. Er liebt es gar so sehr – der alte Fuchs – den biederen Vater zu spielen und dabei müssen wir mit heucheln. Mir sind solche Diners ein wahrer Greuel, da man doch mehr ißt und trinkt, als einem gut ist. Abends waren wir bei Kohlschütters, die jeden Vollmondstag offenes Haus haben. Ich traf da u. a. den Geheimen Rat Körner, den Chef unserer Polizeiangelegenheiten im Ministerium des Innern. Charakteristisch für den Mann war eine Geschichte, deren er sich rühmte und die er sehr wohlgefällig erzählte. Vor etwa 20 Jahren, wo er allerdings noch nicht Geheimer Rat war, reitet er einmal nach Rumburg in Böhmen, einen Ort, den er zum ersten Mal besucht. Dort hält ihn ein Mautbeamter an, der ihn, wahrscheinlich für einen Andern haltend, beschuldigt, er habe vor einiger Zeit die Maut (wahrscheinlich Chausseegeld) defraudiert. Körners Protestieren hilft nichts, da der Mann dem herzugerufenen anderen Beamten „auf seine Pflicht“ die Wahrheit der Angabe bestätigt. Um nicht aufgehalten zu werden, bezahlt Körner die kleine Summe, aber auch den 12fachen Betrag als Strafe. Statt sich nun zu beschweren, was tut er? Er schreibt einen anonymen Brief an den Mautbeamten, dessen Namen er erkundet, voll der größten Grobheiten und schreibt auf die Adresse des unfrankierten Briefes: inliegend 200 Gulden. Er freute sich noch jetzt ungemein darüber, wie der Kerl sich werde geärgert haben, wenn er den angeblichen Geldbetrag nach Bezahlung des Portos eröffnet und nun bloß Grobheiten gefunden habe! Wie gemein diese Sache war, das fühlte der gute Geheime Rat gar nicht. Ich konnte einige Bemerkungen darüber nicht unterdrücken, denen der Professor Schnorr (der Maler), der mit dabei saß, sogleich zustimmte, während der dritte Zuhörer, Just, sich in Schweigen hüllte. März 19 Heute Diner bei Beust, wo bloß noch die Freiberger Beust und ihre Töchter (eine so aufgeblasen wie die andere), ein Leutnant Halldorf, anscheinend Türwacher für Marie Beust, und der unvermeidliche Graf Udolinski (vulgo Dodo genannt) war. Beust erzählte mir sub reha, daß Fabrice sich an ihn gewendet wegen der Theaterintendantenstelle. Beust sagt es dem König, der aber erwidert, nein, dazu müsse Jemand gewählt werden, der in punkto punkti ganz sicher sei, Beust möge das Fabrice auf geeignete Weise sagen. Beust sagt darauf Fabrice weiter nichts als „wir Beide bekommen die Stelle nicht“. Fabrice erzählt das seiner Frau, die zur Oberhofmeisterin von Friesen läuft und sich beklagt, ihr Mann sei bloß
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verleumdet pp. Als der König Beust Könneritzens Wahl mitteilt, antwortet Beust, nun, da könne man dem Theatersekretär Pabst eine Stelle im Justizfache anweisen. März 24 Ich bin jetzt ziemlich fleißig, um für den neuen Pitaval wieder Beiträge zu liefern, um die mich der Redakteur Dr. Vollert in Arnstadt dringend angeht. Mein Aufsatz über Einsiedel kämpft dagegen mit Hindernissen. Friesen, der mir nicht sehr freundlich gesinnt scheint – er hat sich wenigstens für meine Vier Jahrhunderte, die ich ihm schickte, nicht einmal bedankt, auch sonst nie um mich gekümmert, wenn ich ihn in Gesellschaft traf, was ich natürlich erwiderte – Friesen hat große Bedenken dagegen erhoben und auch den König bedenklich gemacht. Falkenstein aber, der mir das heute sagte, will aber die Sache durchbeißen, die eigentlich Beust zu vertreten hat. Denn kurios ist es doch, wenn der Vorsitzende Staatsminister den Vorstand des Archivs zu einer größern Arbeit auffordert und diese, wenn sie fertig ist, als solche beim Gesamtministerium für bedenklich erachtet wird. Ich sprach heute mit Falkenstein über eine Idee, die mir gestern einfiel, die Herausgabe eines Archivs für sächsische Geschichte, um kleinere Aufsätze zu verwerten, für welche jetzt, da das Sachsengrün (allerdings schlecht geleitet) eingegangen, es an jeder Absatzquelle fehlt. Falkenstein ging auch gleich auf die Idee ein und so habe ich denn heute einen Plan dazu kurz bearbeitet. Nous verrons. März 29 Am Mittwoch früh kam der Dr. Falke aus Nürnberg, den man jetzt bei Besetzung der Archivsekretärstelle vor Augen hat, zu mir. Der Mann gefiel mir ganz gut, Urkundenlesen kann er aber freilich noch nicht. Indessen sprach ich mit Falkenstein und Beust und am Donnerstag ward er ernannt. Bisweilen geht es im Gesamtministerium, wenn man Glück hat, schnell. Andere Sachen liegen ewig, so mein Aufsatz über Einsiedel. Am Dienstag waren Wickede und Kotzebue Abends bei uns. Mittwoch waren wir (ich nach dem Orchesterverein) bei Budbergs. Die Gesellschaft war auf eine Schauspielerin und Beust eingeladen. Erstere sollte deklamieren. Sie heißt Ullrich und hat an Jordan ihren Verehrer a ce predit. Hübsch fand ich sie nicht. Auch ihre Deklamation war sehr mäßig. Beust kam statt um 8 erst 9 ½ . Daher hatte die Gesellschaft, die sich ganz fremd war, Gelegenheit, sich ausreichend zu murgieren. Ich kam bei Tische mit der Ullrich, Jordan, Beust und der Frau des Theatersekretärs Pabst, eine cidevant Statistin, an einem kleinen Tisch zusammen und wir amusierten uns vortrefflich, da Beust sehr guter Laune war. April 5 Ich habe oft über Minister Falkenstein raisonnieren hören, über seine Neigung, Versprechen zu geben und sie nicht zu erfüllen, muß aber sagen, daß er sich gegen mich so liebenswürdig, gefällig und coulant beweist, wie wohl selten ein Minister. Schon bei der Ernennung Falkes bemerkte er, daß die Sache, die ich erst Nachmittag ihm schicken konnte, Abends im Gesamtministerium zum Abschluß kam und ebenso hat er sich des Planes wegen Herausgabe eines sächsischen Archivs sehr lebhaft angenommen. Am Montag schickte ich ihm meinen Plan und nachdem ich nochmals mit ihm gesprochen (er suchte mich deshalb im Archiv auf) hat er bereits am Donnerstag die Sache dem Gesamtministerium vorgetragen und obwohl Friesen Schwierigkeiten gemacht hat, doch durchgesetzt. Er will nun mit Tauchnitz das Weitere besprechen. Es ist eine wahre Wohltat, wenn man einen Minister hat, der eben nicht Pedant ist und den Geschäftsgang so erleichtert. Heute Abend gehe ich erst in das Quartett, das Lauterbach gibt, der vortrefflich geigen soll, und dann zu Halles. Sophie wollte erst nicht hingehen, weil sie meint, die Halle, die sehr wechselnd und launig ist, behandele sie seit einiger Zeit unfreundlich. Ich bin sehr bereit, das
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Haus, das früher viel angenehmer war, aufzugeben. Ziemlich eitel haben sich Halles einen großen vornehmen, diplomatischen Zirkel auf den Hals geladen, in dem die Geselligkeit vor der Gesellschaft völlig verschwindet. Sehr ledern sollen auch die Dienstag Abende gewesen sein, an welchen Beust Gesellschaft sah. Entweder ist um 10 noch fast Niemand dagewesen, er selbst am wenigsten, oder es ist auf einmal das ganze diplomatische Korps angerückt. Man versteht es eben in Dresden nicht, einen Salon zu haben. April 7 Heute kam der Präsident Schneider zu mir ins Archiv, um mir zu sagen, es sei im Gesamtministerium beschlossen worden, das Zivilgesetzbuch zu publizieren, gleichzeitig aber eine Kommission zu Bearbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts zu beschicken, so daß wir, wenn dieses zu Stande käme, denn ein Chaos bekämen, aus dem kein Mensch sich herausfinden würde. Ebenso soll Marschner nach Hannover gehen, um dort an den Beratungen über ein gemeinsames Zivilgesetzbuch teilzunehmen, während wir hier den Entwurf fertig machen sollten. Eine wahrhaft ungeheuerliche Idee, da das, was wir bis jetzt gar nicht haben, so widersprechend ist, daß außer Marschner wohl kein Mensch sich hineinfinden kann. Schneider bat mich dann, ich möchte doch mit Beust reden. Ich ging dann zu ihm und er bestätigte, daß man am letzten Donnerstag allerdings ganz unvorbereitet im Gesamtministerium diese Beschlüsse gefaßt habe. Rücksichtlich des Zivilgesetzbuches meinte er, sei die Sache nicht zu ändern, da es einmal fertig sei. Man könne ja, wenn ein gemeinsames Obligationenrecht zu Stande käme, das Zivilgesetzbuch, das doch erst in einigen Jahren ins Leben treten solle, danach ändern! Es wird das ein guter Matsch werden und die Aussicht sehr erfreulich für die, welche sich jetzt hineinstudieren sollen, in der Aussicht, daß das Gesetz nochmals geändert werde. Wegen des Prozeßgesetzes meinte er, er wolle die Sache noch einmal im Gesamtministerium vortragen, damit die Kommissionsberatungen inmittelst sistiert würden. Beust sagte übrigens, daß Graf Bernsdorf aus Berlin (auswärtiger Minister) dieser Tage hier gewesen sei, aber gänzlich unzugänglich für Entwicklung der deutschen Verhältnisse. Preußen will nur in einem engern Bunde die Mittelstaaten sich unterordnen, wollen diese dies nicht, so soll eben gar nichts zu Stande kommen. Er klagte auch sehr über die Borniertheit in München und Hannover, die alle seine Schritte hemme. Auch in unserem Justizministerium sieht es sehr kläglich aus, da Behr die Sachen nicht versteht, da er so lange aus der Justiz heraus ist und sich auch um Nichts bekümmert. April 9 Eine Episode aus der sächsischen Gesetzgebung, aber keine erfreuliche, möchte ich dieses Blatt bezeichnen. Vorgestern kam der Appellationsgerichtspräsident Schneider zu mir und teilte mir mit, es sei im Gesamtministerium am letzten Donnerstag beschlossen worden, die beim Bunde vorgeschlagene Kommission zu Bearbeitung eines Zivilprozeßbuches in Hannover, welche am 2. Juni diesen Jahres zusammentreten solle, durch Marschner zu beschicken, hier aber die Arbeiten unter einem anderen Refernten, wozu er oder ich von Langenn vorgeschlagen werde, fortzusetzen. Ebenso solle das Zivilgesetzbuch jetzt publiziert werden, aber mit einem spatium vacationis bis zu Ostern 1864, damit man inmittelst sehen könne, was aus der beim Bunde beschlossenen Kommission zur Bearbeitung eines deutschen Obligationenrechts werde. Schneider bat mich, mit Beust zu reden, da es doch eine starke Zumutung sei, wenn wir hier eine voraussichtlich ganz nutzlose Arbeit machen sollten. Ich ging zu Beust, der dann auch meinte, daß wir die Prozeßarbeit füglich einstellen könnten, da
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das gemeinsame Prozeßgesetz wohl zu Stande kommen werde. Er wolle die Sache wenigstens im Gesamtministerium nochmals zur Erwägung stellen. Ich hatte nun das Meinige getan. Gestern bekam ich früh um 9 ein Billet von Langenn, worin er mich bat, ihn im Oberappellationsgericht aufzusuchen. Als ich hinkam, sagte er mir denn, er habe mich zum Referenten für das Prozeßgesetz vorgeschlagen. Ich dankte natürlich für die Ehre, die mir, da ich der Arbeit fast 20 Jahre der Justiz entfremdet, ganz unfähig, nur Schande bringen könnte. Ich stellte ihm zugleich vor, daß wir ja überhaupt jetzt gar nichts an die Kommission in Hannover bringen könnten, da unsere jetzt fertige Arbeit eine noch ganz unfertige sei. Das bestätigte er auch und schlug vor, wir wollten zusammen zum Minister Behr gehen. Dieser war beim König. Ich ging nun zurück, um einen Frack anzuziehen, traf aber Behr am Schloß. Ich teilte ihm unsere Absicht mit und ging nun mit ihm zurück. Er sagte mir, Langenn habe ihm noch gestern gesagt, wir könnten unsern Entwurf ohne Weiteres abgeben. Auf meine Erwiderung, daß ja Langenn mir eben das Gegenteil gesagt, war er natürlich etwas erstaunt. Ich bat ihn nun, nächst Langenn doch auch den Präsident zur Besprechung einzuladen. Er meinte, das möchte Langenn vielleicht übernehmen, worauf ich ihn dann damit beruhigte, daß ich ihn bat, Langenn zu sagen, Schneider sei auf meinen Wunsch adcitiert. Ehe die Herren nun kamen, sprach er auch vom Zivilgesetzbuch und ich fragte, ob denn bei der jetzigen Schlußredaktion der Punkt mit aufgefasst worden sei, ob das Handelsgesetzbuch mit dem Zivilgesetzbuch sich nicht irgendwie stoße. Nun, war die Antwort, das gehe auch nicht, weil die ständische Ermächtigung auf Abänderungen nicht so weit gehe, auch sei ihm von keinem der Herren gesagt worden, daß eine solche Prüfung nötig sei. Das haben mir meine Herren nicht gesagt, kam mehrfach vor. Daneben erzählte er mir denn, wie widerwillig er überhaupt das Justizministerium übernommen, daß der König ihm selbst zuerst gesagt habe, es werde eine junge Kraft nötig sein, dann aber doch dabei geblieben, daß er das Ministerium übernehme. Nun kamen dann Langenn und Schneider. Ersterer begann, offenbar mir gegenüber in etwas befangener Stimmung, damit, daß wir bis Michael – so weit wünschte Behr den Zusammentritt der Kommission in Hannover verschoben – mit unserer Vorlage wohl fertig werden könnten, wenn wir nur das, was wir bis jetzt beraten, vollenden wollten. Er beschränkte also doch seine frühere Angabe dem Minister gegenüber auf diesen kleinen Teil. Ich stellte nun die ganze Sachlage ohne allen Rückhalt vor und Schneider trat mir bei. Behr wollte nun aber es schriftlich haben – das war ihm offenbar die Hauptsache – damit er sich nach allen Seiten decken könne. Auf die Sache kam es ihm offenbar weniger an, auf die Verschwendung der Arbeitskraft für eine nutzlose Arbeit nicht! Dann kam er dann nochmals auf das Zivilgesetzbuch und Schneider trat mir bei, daß die von mir erwähnte Prüfung doch durchaus erforderlich sei, damit wir nicht eine heillose Rechtskonfusion bekämen. Heute Morgen ging ich nun zu Beust, der mir sagte, er habe gestern nach der Unterredung mit mir dem König geschrieben und von diesem am Mittag Behrs Antrag, daß die Konferenz in Hannover erst zu Michael zusammentrete, erhalten. Das gehe nicht, nachdem man in Sachsen seit Jahren die Sache pressiert, könne man jetzt nicht Aufschub verlangen, höchstens lasse sich indirekt darauf wirken. Er ermächtigte mich auch, dies zu erwähnen. Ich ging nun zu Behr und teilte es ihm mit, der meinte, es würde ohnehin doch die Arbeit nicht gleich beginnen können, da man in Hannover noch keine Vorlage hätte. Bei ihm traf ich Criegern, der durch Telegraphen zitiert war. Um 11 begann dann nun im pleno der Prozeßkommission die Beratung, was jetzt zu tun sei. Wir waren alle außer Marschner ein-
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verstanden, daß wir hier ohne ihn nicht fortarbeiten könnten. Mein Antrag, die zweite Lesung des jetzt Fertigen nicht an das Plenum zu weisen, sondern an die Redaktionsdeputation, fand bei König, der sich sehr verletzt zu erachten schien, lebhaften Widerspruch. Ihn wollte ich aber gerade, statt meiner in die Redaktionsdeputation gewählt, da mir es hauptsächlich darum zu tun war, Criegern, der in Bautzen viel nötiger ist und bei uns ewig lange Reden hält, nicht dabei zu haben. König schien auch anfänglich Lust zu haben, das Referat für Marschner zu übernehmen. Langenn aber, der wiederholt erklärte, er wisse außer Marschner und mir keinen vorzuschlagen, verletzte ihn ebenfalls, kurz er war äußerst erbittert. Nun, es wurde denn beschlossen, dem Ministerium zu sagen, daß die Kommission, aber in „gedrückter Stimmung“, die Arbeit fortsetzen werde, aber nicht ohne Marschner. Um 4 kamen wir noch, nur Einige, zusammen, um das Protokoll und den Bericht zu genehmigen. Darüber ward abermals ein Protokoll aufgenommen. Nachher ging ich mit König und Marschner zurück und König schüttete seine Galle aus über Beust’s Politik, die Mediatisierung, die er einleitete durch diese unseligen deutschen Gesetze, über seine unangenehme Stellung im Gesamtministerium, als er nicht an allem teilnehme pp., kurz er war bitter böse! Auch Siebenhaar, der ganz gelb vor Ärger mich fragte, was ich denn für einen Sturm wegen des Handelsgesetzbuches angeregt habe (Behr mußte es ihm also gesagt haben) war gar nicht zu beruhigen. O jammervolle Eitelkeit, Selbstüberschätzung, also Dummheit. Es ist ganz klar, daß Siebenhaar insbesondere sehr gut weiß, daß die Konflikte bestehen, aber aus Eigensinn, seine Ansicht nicht aufgeben zu wollen, läßt er lieber das Land darunter leiden und, was ich allerdings am Bedenklichsten finde, macht nicht einmal den Minister darauf aufmerkasam. Mit solchen bocksteifen Bürokraten ist es nun allerdings schwierig für einen Minister, der selbst nicht viel von seinem Departement versteht, durchzukommen. Und dazu die Feigheit derer, die ihrer Stellung nach sich gar nichts zu befürchten haben, wie Präsident Schneider, den ich immer erst bei den Ohren und ausdrücklich provozieren mußte, ehe er meine Angaben bestätigte. Marschner hat dagegen mehr Courage. Spaßhaft waren mir aber bei unseren Verhandlungen wegen Übernahme des Referats die Komplimente, die ich von allen Seiten erhielt, da keiner in den sauren Apfel beißen mag. Ich antwortete darauf, daß wohl eine blinde Henne einmal ein Korn finden kann, daß man aber doch gewiß nicht zum Körnerlesen vorzugsweise eine blinde Henne wählen werde. April 10 Heute früh ging ich nochmals zu Beust, um ihm den gestrigen status causee mitzuteilen. Ich sagte ihm auch, daß ich mich unaufgefordert nicht in die Frage wegen des Zivilgesetzbuches mischen werde, daß ich aber sehr bereit sei, wenn Behr es von mir verlange, ihm meine Bedenken mitzuteilen. Dann gehe ich aber freilich, wenn auch in angemessener Form, doch rücksichtslos im Materiellen auf die Sache los, ohne zu fragen, ob es im Justizministerium pp. angenehm sei oder nicht. April 26 Gestern fuhr ich mit Sophie früh um 8 ½ nach Meißen und begab mich um 10 auf die Schule, wo wir den Rektor pp. und Erhard auf dem Schulhofe trafen. Um 10 ging das Examen los. Acht Knaben waren zu prüfen. Zuerst ward das lateinische Specimina, das sie früh gefertigt, durchgegangen. Erhard hatte sehr große Schnitzer und eine schlechte Arbeit gemacht, viel besser, sogar recht gut, bestand er im Griechischen, Mathematik, Geographie. Er ward denn auch, als um 2 das Examen beendet war, aufgenommen. Originell war eine Frage des Professor Oertel in der Geographie. Er fragte, wie teilt man die deutschen Regenten ein, nach 3, 4, 5, 7 und zweimal 8. Ich dachte, er meine die Beust’sche Trias, allein die
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drei waren 1 Kaiser, 1 Kurfürst, 1 Landgraf – ferner 4 freie Städte – 5 Könige, 7 Großherzöge, 8 Herzöge, 8 Fürsten. Nicht sehr geistreich, aber doch etwas schwierig für die Knaben zu beantworten. Wir sahen uns dann Erhards Stube an und luden zum Tisch fünf Schüler ein. Sein Primaner ist ein Sohn meines alten Bekannten Dr. Loth in Meißen. Wir hatten uns Beide im Examen erkältet, da das Zimmer überheizt und deshalb die Fenster geöffnet waren. Sophie bekam heftige Migräne und ich einen riesenhaften Schnupfen. Nachdem ich mit Erhard im Hirsch gegessen (Sophie legte sich hin) erschienen um 3 die Eingeladenen und ich ging nun – ein seltener Genuss – mit meinen St. Afranern auf die Altenburg, eine Restauration im Triebischtale, wo ich sie mit Kaffee und Wein pp. traktierte. Der Rektor kam auch hin. Plötzlich erschien auch an unserm Tisch eine Dame, die mich mit meinem Namen anredete, nach Sophie fragte und uns einen Teller mit Kuchen zum Kaffee übergab. Ich weiß wohl, daß es eine Bekannte von uns ist, kann mich aber durchaus nicht besinnen, wer diese Wohltäterin ist. Als Sophie später nachkam mit Erhard, war sie schon wieder fort und so bleibt das Ereignis in Geheimnis gehüllt. Als wir zurückkamen, machte ich noch mit Erhard Besuch bei allen Professoren, auch kein übles Stück Arbeit! Um 8 ½ fuhren wir mit Erhard, der bis Morgen Nachmittag Urlaub erhielt, nach Dresden zurück. Ein erst eben antretender Lehrer Dr. Busch, der zunächst Unterquarta bekommt, gefiel mir recht gut. Er wird auch Gelegenheit zum Unterricht im Englischen, wozu es jetzt ganz fehlt, geben. Mai 3 Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande. Bis auf einige Diebstähle hat die Presse meine neuen zwei Bände fast ganz ignoriert. Heute kam aber der Oberzollrat von Zeschau mit folgendem curiosum zu mir. Eine ihm Bekannte Mistress Ross, Tochter der Lady Gordon, Enkelin der Schriftstellerin Lady Austin, schreibt ihm, sie wünsche meine Vier Jahrhunderte ins Englische zu übersetzen. Man fordere aber (wer ?) 300 Pfund Sterling (oder 2 000 Taler) für die Erlaubnis. Sie bittet nun Zeschau, diese ihr von mir auszuwirken. Ich verwies ihn an Tauchnitz. Mir ist es natürlich ganz gleichgültig, ob, wer und in was man meine opera übersetzt. Zusatz vom 23. Mai: Tauchnitz hat erklärt, daß er keine Entschädigung verlangt und ich dito. Mai 17 Am letzten Mittwoch waren Minister Falkensteins mit ihrer ledigen Tochter und der Frau von Krug, deren Mann jetzt in Paris ist, und Frau von Gruner zu Mittag bei uns. Nach Tisch kam zum Kaffee noch die Halle heraus. Beust traf ich vorgestern auf dem Dampfschiff. Er ist sehr zufrieden mit seinem Verfahren wegen des Französisch-Preußischen Handelsvertrages.108 Er hat den König bestimmt (der große Bedenken gehabt), sofort mit großer Energie sich dafür auszusprechen und meint, wenn dies nicht geschehe, man in Sachsen hätte abwarten wollen, was die süddeutschen Staaten tun werden, abermals eine Pression in Deutschland hervorgerufen und der Zollverein gesprengt worden sein würde. Eines Tages, wo Beust die Nacht bis 1 Uhr Noten an die 108 Der 1860 geschlossene Handelsvertrag zwischen Frankreich und England stellte in den Wirtschaftsbeziehungen in Europa einen Wendepunkt dar. Zwei Tage nach Abschluß dieses Handelsabkommens bot Napoleon III. Preußen einen ähnlichen Freihandelsvertrag an. Der preußisch-französische Vertrag wurde am 29. März 1862 abgeschlossen und stärkte Preußens wirtschaftspolitische Stellung, führte aber bei den deutschen Mittelstaaten zu weiterem Mißtrauen gegenüber den preußischen Hegemoniebestrebungen. Siehe E. Franz: Der Entscheidungskampf um die wirtschaftspolitische Führung Deutschlands 1856 bis 1867. 1933.
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Mittelstaaten diktiert und die Sachen nun eben abgehen wollen, bekam er vom König aus Jahnishausen eine telegraphgische Depesche, er möge doch noch warten mit dem Abgang. Beust tut dies, schreibt aber gleichzeitig an den König und hat dann auch Tags darauf die Genehmigung erhalten, aber 24 Stunden waren doch verloren. Heute war ein „königlich italienischer“ Archivar Antonio Solinas aus Palermo bei mir, den der Hofsekretär Müller einführte. Er wollte sich das Archiv ansehen, was ich ihm denn auch zeigte, dann kam Jordan. Gestern war ich auch bei dem armen Ehrenstein, der tödlich krank an einem Nierenleiden ist. Er sah ganz furchtbar aus, der Kopf wie ein Totenkopf, dunkelgelb das Gesicht. Dabei ist er so matt, daß man seine Stimme kaum hört, doch hat er wenigstens keine Schmerzen. Er selbst ist sehr ängstlich, glaubt sich aber doch nicht sehr krank. Mai 23 Gestern ward der Landtag eröffnet. Dabei erschienen die Prinzen zum ersten Male. Allein es ist gleich ein Malheur passiert. Der Landtag ward nämlich nicht vom König, sondern von Beust im Landhaus eröffnet. Es war nun nicht bestimmt gewesen, ob die Prinzen dabei erscheinen würden oder nicht. Beust schickt früh hin und bekommt die Antwort, ja sie kommen. Er läßt also die Landtagsrede so ausdrucken. Eine Stunde später kommt die Nachricht, nein, sie kommen nicht. Die Landtagsrede wird abermals umgedruckt. Als er um 11 hinkommt, findet er das Direktorium der Kammern sehr verstimmt, da sie in der Erwartung, daß die Prinzen kommen, schon eine Weile zu deren Empfang bereit gewesen, warum man nicht eine Notiz gegeben? Einfach weil Niemand daran gedacht hat. Mai 26 Am Sonnabend fuhren wir Abends mit dem Dampfschiff nach Laubegast zu Beust, den wir sehr fidel antrafen, trotzdem, daß ihn die Überschwemmung im Frühjahr sehr großen Schaden in seinem Grundstück gemacht. Von den drei Wohnhäusern, welche höchst überflüssiger Weise darauf sind, sind in zweien die Parterre vollständig verwüstet, alle Dielen verdorben, alle Öfen eingestürzt: ein Schaden von über 1 000 Talern! Er erzählte mir allerhand Kuriosa über einen Polizeirat Müller, Herausgeber des schwarzen Buchs, das viel Indignalien erregt hatte.109 ) Ein gewisser Struve (?) in Bayern, eine Kanaille, hat eine Zusammenstellung aller polizeiverdächtigen Personen gemacht, in der u. a. der österreichische Gesandte von Haag und viele bedeutende, ganz unbescholtene Männer mit vorkommen. Er teilt das Manuskript Müller mit und dieser lässt es als Privatspekulation drucken. Der Geheime Rat Körner sieht es bloß oberflächlich und bemerkt darauf Beust, es enthalte doch manches Nützliche. Beust sieht es gar nicht an und er nimmt dann eine Anzahl Exemplare ab und verteilt diese an die Behörden, empfiehlt auch das Buch auswärts, worauf Watzdorf in Weimar, der es auch nicht ansieht, 15 Exemplare bestellt und auch verteilt. Später wird dann die Sache von der Presse aufgefaßt und u. a. bringt der Adler, eine in Leipzig erscheinende Zeitschrift, einen Artikel, worin u. a. auch gesagt wird, daß das Buch sich der Protektion nicht bloß Körners, sondern eines noch höher Stehenden sich erfreuen gehabt. Beust faßt darauf eine Berichtigung ab, die er Müller gibt, damit er sie unter seinem Namen aufnehmen lasse. Sie fängt an „Der Adler enthält folgende Angele – in servatus“. Der gute Müller schreibt dies wörtlich ab (ohne die Angabe selbst zu inserieren) und der Adler bringt so eben vergnügt diese Berichtigung, die kein Mensch versteht. 109 Müller, Hermann, aus Schwarzenberg, sächsischer Polizeirat in Dresden bis Anfang der siebziger Jahre. Herausgeber des „Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands auf die Zeit vom 1. Januar 1848 bis zur Gegenwart. Ein Handbuch für jeden deutschen Polizeibeamten. Dresden 1855.“
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Vor einiger Zeit erzählt der preußische Gesandte von Savigny Beust, er habe auf einem Spaziergang den Bürgermeister Hertel getroffen, sich lange mit ihm unterhalten und einen Mann von sehr verständigen Gesinnungen und Ansichten in ihm gefunden. Einige Tage darauf geht eine Polizeianzeige ein, es sei bekannt, daß Hertel sich sehr zu Preußen neige, der Polizeirat Müller habe aber auf die große Vertraulichkeit Hertels mit Savigny aufmerksam gemacht, indem er wahrgenommen, daß beide sich Arm in Arm sehr lebhaft unterhalten. Savigny hat nämlich die Gewohnheit, beim Sprechen und Gehen seinen Gesellschafter unter den Arm zu greifen. Beust erzählte auch, daß die ganze liberale Presse sichtlich von Berlin aus inspiriert werde. Jetzt ist order gekommen, Beust nicht zu belästigen. So ist vor einiger Zeit eine Schrift erschienen unter dem Titel Enthüllungen über Polizei oder ähnlich, worin die Geschichte des schwarzen Buches und andere frühere Injurinationen gegen Beust wieder aufgekocht sind. Beust erhielt Nachricht von der Schrift, noch ehe sie erschienen war, ließ aber absichtlich nichts dagegen tun, sie auch hier nicht verbieten. Keine Zeitung aber erwähnt die Sache, die man vor einigen Monaten überall ausposaunt haben würde. Juni 3 Heute früh 7 Uhr ist er gestorben, unser Ehrenstein. Schon seit acht Tagen war er schmerz- aber auch bewußtlos. Sanft ist er eingeschlafen nur im Beisein seiner Frau, die durch eine aufopfernde Pflege die vielen schlimmen Stunden wieder auszugleichen versucht hat, die sie ihm früher bereitet. Über 40 Jahre kannte ich ihn und seit fast 30 Jahren haben wir gute und böse Stunden geteilt, wie oft haben wir eine Flasche geleert und wie vergnügt sind wir oft dabei gewesen, da er einen köstlichen Humor hatte. Die Geselligkeit, die er eigentlich sehr liebte, hatte sie aber im eigenen Hause ganz ausgeschlossen. Öfters, besonders früher, wo wir noch in Neustadt wohnten, wußten wir vorher, wenn Ehrenstein eine Gesellschaft geben wollte, weil sie dann ein paar Tage vorher in Tränen war, dann ward ein Tag gewählt, für den schon ein Anderer Einladungen ergehen ließ und sie beruhigte sich dann, wenn viele abschlägliche Antworten eingingen! Juni 5 Eben komme ich von Ehrensteins Begräbnisse. Es war ein Zug wohl von 500 Menschen. Am Grab sprach Friesen, ziemlich unbedeutend, dann der Pastor Thenius, der sich seiner Verwandtschaft mit Ehrenstein rühmte. Friesen soll, wie ich höre, sich die älteren Beamten seines Ministeriums durch Rücksichtslosigkeit und Eitelkeit, welche nicht duldet, daß ein Anderer selbst eine Idee vertreten dürfe, so entfremdet haben, daß Broizem und Weißenbach abgehen wollen. Beust meinte, daß da sein Bruder eine Abteilung des Ministeriums übernehmen könne. Ich beweifle, daß er viel Seide spinnen wird, wenn er mit Friesen zusammenkommt. Juni 10 Beust hat allerhand Malheur gehabt. Zuerst überfuhr sein Kutscher im Großen Garten einen Mann und dann biß ihn seines ehemaligen Hauslehrers Meinhold Hund in den Daumen. Der König schickte tags darauf seinen Chirurgen zu ihm mit einem Billett des Inhalts: „Wer hat denn eigentlich den Hund auf Sie gehetzt, Rechberg (Wien) oder Bernstorf (Berlin), das bleibt jetzt ungewiss“. Juni 13 Als ich heute im Oberappellationsgericht Prozeßordnung mit beriet, eröffnete sich uns ein Schauspiel, das ich wohl nicht wieder sehen werde. Ein großer Elbkahn, der am Packhof vor Anker lag, ging in Flammen auf. Es war prachtvoll anzusehen. Die anderen naheliegenden Schiffe wurden aber nicht ergriffen.
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Juni 23 Da die Sache mit dem sächsischen Archiv gar nicht vorwärts wollte, so sprach ich deshalb mit Falkenstein, der mich denn aufforderte, nach Leipzig zu gehen und nochmals mit Tauchnitz zu reden. Mittwoch erhielt ich diesen Auftrag und Donnerstag um 10 saß ich im Coupee der Eisenbahn. Ich fuhr mit einem Russen, der nach Marienbad ging und mit dem ich mich französisch ganz angenehm unterhielt. Adolf erwartete mich und ich nahm seine Einladung, in dem jetzt leer stehenden Quartier seiner Schwiegermutter zu wohnen, an. Nach dem Essen ging ich zu Tauchnitz, mit dem ich denn nach einigen Stunden einig ward. Sein Hauptbedenken war, daß man den Zuschuß, den die Regierung geben solle, betrachten könnte als eine ihm gewährte Unterstützung. Diesen Schein wollte er durchaus vermeiden. Wir wählten dann den Ausweg, daß die Regierung 400 Taler zu jedem Band zu Bezahlung der Honorare zahlt, die wir auf 16 Taler pro Bogen normierten. Beust meinte zwar, das sei zu wenig. Ich mochte aber um so weniger höher gehen, als ich doch selbst mit meinem Aufsatz über Einsiedel das Werk eröffne. Bei der ganzen Verhandlung war Tauchnitz sehr coulant. Es war aber sichtlich, daß er den Freiherrn und Gentleman mehr als den Buchhändler gegen mich hervortreten lassen wollte. Er nötigte mir Carlischs Gedichte Friedrich des Großen auf, weil ich darin zitiert sei und würde mir alle seine Verlagsartikel, glaube ich, geschenkt haben, wenn ich sie hätte haben wollen. Ein paar andere Werke lehnte ich mit Gewalt ab und ein kleines Buch von Flathe über sächsiche Geschichte, das ich dankbar resusiert, schickte er mir doch noch ins Haus. Nach Abschluß der Sache ging ich zu dem alten Professor Wachsmuth, den ich zum ersten Redakteur vorgeschlagen hatte und der sich dadurch sehr geehrt fühlt. Es ist ein altes gemütliches pumpliches Männchen, der wohl nicht immer sehr expediert sein wird. Indessen muß doch ein Mann, der in der gelehrten Welt schon etwas bekannt ist, mit auf dem Titel stehen.110 Freitag Vormittag ward der Entwurf des Vertrages mit Tauchnitz bei ihm redigiert und nach Tische, nachdem ich bei Adolf eine Flasche Boxbeutel vertilgt, fuhr ich zurück nach Loschwitz, sehr froh, wieder dort zu sein. Adolf erzählte mir allerhand von dem Benehmen des Rats in Leipzig in der Schletterschen Nachlaßsache. Am Grabe hat der Bürgermeister Koch gesagt, die Stadt werde ihm ein würdiges Denkmal setzen, allein es ist nicht geschehen und als Adolf nach ¾ Jahr deshalb nachfragen läßt, kommt die Antwort, die Stadtverordneten hätten es nicht bewilligt. Nun haben es die Erben setzen lassen. Ebenso hat man (wohl das Museumskomitee) einen Maler veranlaßt, ein Portrait Schletters in vergrößertem Maßstabe zu malen, um es im Museum aufzuhängen. Inzwischen bestellt man aber ein Relief bei Rietzschel (das auf der Treppe im Museum angebracht ist) und als das Riesenportrait fertig ist und der Maler 100 Taler verlangt, will man es nicht nehmen. Der Mann stirbt und seine Wittwe läßt es bei des Vecchio zum Verkauf mit dem Namen ausstellen. Die andern Erben finden sich nicht bewogen, durch Ankauf des Bildes der Exposition ein Ende zu machen und so hat Adolf aus seiner 110 Der erste Band des Archivs für sächsische Geschichte erschien 1863. Er enthielt Beiträge u. a. über Detlef von Einsiedel, sächsische Geschichtsschreibung seit dem 16. Jahrhundert und stand am Beginn moderner Landesgeschichtsforschung. Nach dem Tod Webers wurde die Zeitschrift 1879/1880 mit den Mitteilungen des Sächsischen Altertumsvereins vereinigt und erschien ab 1880 als Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde, herausgegeben von Hubert Ermisch. Siehe Uwe John: Faszination Vaterländische Geschichte. In: Johann-Katalog, S. 471–478. – Hubert Ermisch: Der K. S. Altertumsverein 1825–1900. In: NAfSG Band XXI. Beiheft S. 1–68.
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Tasche das Bild für 100 Taler gekauft und, da er es nicht brauchen kann, der Stadt geschenkt, die es in ihrer oder der Universitätsbibliothek, wohin es gar nicht gehört, hat aufhängen lassen. Juli 4 Endlich habe ich den Aufsatz über Einsiedel durch Falkenstein vom Gesamtministerium zurückerhalten, mit der Anweisung, ihn noch einmal zu revidieren, nach Befinden zu kürzen und dann Falkenstein wieder vorzulegen. Was aber Anstoß erregt hat, kann ich nur aus einzelnen Eselsohren und Bleistiftstrichen entnehmen. Einige sehr richtige Monita haben der König und Falkenstein angezogen. Ich habe dann nun diese Striche pp. beachtet, die sich zum Teil nur auf einzelne Ausdrücke bezogen, Einiges weggestrichen. Präsident Schneider erzählte Anton neulich eine Anekdote von Minister von Behr, die ein eigentümliches Licht wirft auf dessen Empfindlichkeit. Bei dem 25jährigen Präsidentenjubelfest Becks in Leipzig wird Behrs Gesundheit vom Appellationsrat Tauchnitz ausgebracht. Er antwortet gar nicht darauf und als er mit Schneider von Leipzig zurückfährt, erklärt er diesem, daß er es sehr unpassend gefunden, daß seine Gesundheit nur von einem Appellationsrat ausgebracht worden sei, deshalb habe er auch nichts darauf erwidert. Juli 28 Heute traf ich Beust, der am Freitag von seiner Reise nach Baden und Paris zurückgekehrt ist. Den Kaiser hat er nicht gesprochen, allein ein tete a tete hat er mit der Kaiserin eine Stunde lang gehabt. Auf der Rückreise von Paris bekommt er eine furchtbare Colerine und da er mit seinem Diener allein im Coupee ist, benutzt er die Hutschachtel und beordert, als sie in Straßburg über den Rhein fahren, den Diener, diese hineinzuwerfen. Der ökonomisiert aber, reißt bloß das Futter heraus und behält die Kapsel, die dann auch noch später benutzt worden ist. Ich benutzte aber die Gelegenheit, um ihm bemerklich zu machen, daß es doch ein großer Übelstand ist, daß man bei den Eilzügen bei uns keine Nachtstühle wie auf den österreichischen Bahnen hat. August 2 Gestern Abend war Kohlschütter mit seiner Frau bis spät bei uns. Wir sprachen dann auch über seine Prokura über Beust. Er sagte ganz richtig, Beust sei nur immer der Mann des Moments. Er sorge nur für den Tag, da sei er voller Auskunftsmittel, aber einen umsichtigen Plan für die Zukunft auszudenken, dazu sei er zu leichtsinnig. Kohlschütter selbst ist durch die Arbeitslast sehr gedrückt, da ihm niemand zur Seite steht, dem er größere legislative Arbeiten überlassen kann. Neben der Masse kurrenter Geschäfte muß er diese allein machen. Daher kommt es dann, daß er zu der Arbeit über Trennung der Justiz von der Verwaltung, die durchaus vorhergehen muß, ehe wir an eine neue Prozeßordnung mit mündlichem Verfahren denken können, noch nicht hat gelangen können. Diese unsere Prozeßordnung schreitet übrigens unendlich langsam fort, was kein Wunder ist, wenn man die Kommission in ihrer Zusammenstellung betrachtet. Langenn ohne alle klare Ideen, heute das verteidigend, was er gestern wütend angriff, ganz unvorbereitet in die Sitzung kommend, taumelt bald rechts, bald links und gibt durch das votum decisivum, das er sich angemaßt hat, statt es dem Referenten zukommen sollte, Entscheidungen ins Aschgraue. Neben ihm der Präsident von Criegern aus Bautzen, der, statt sein Kollegium in Ordnung zu halten, seit Jahren von dort fast immer bei Kommissionen abwesend täglich 6 Taler Diäten bezieht, aber den Wald vor Bäumen nicht sieht und an einem Rededurchfall leidet, der gräßlich langweilt. Siebenhaar ein Bulldogg, Marschnern spinnefeind, haarspaltender Theoretiker, den praktischen Bedürfnissen nie Rechnung tragend. Ortlast – Zopf! König ebenso unwissend, fast noch mehr als ich. Kohlschütter, der sehr gut wäre, wenn er etwas sagte und weniger Res-
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pekt vor einer Exzellenz hätte (kurioser Demokrat, wofür er gilt). Hofrat Thiemann, der nie mukst! So ein russischer Salat soll ein Gesetz machen! August 4 Heute war das Archiv so voll, daß ich die Herren nicht alle plazieren konnte. Auch Professor Wachsmuth aus Leipzig kam hin, um wegen des Aufsatzes über Einsiedel mit mir zu sprechen. Sein Vorschlag war bloß, die vielen längern Zitate aus Akten mit kleiner Schrift drucken zu lassen, was mir natürlich ganz gleich ist, da es mir ganz einerlei ist, ob ich einen Bogen mehr honoriert bekomme oder nicht, sind doch ohnehin sehr viel bloße Abschriften darin. Der Präsident der Republik Liberia, Mr. Benson, kam auf seiner Rundreise durch Europa in diesen Tagen hierher, spricht bloß englisch, König dies mangelhaft, wünscht aber, ihn auf Beust’s Vorschlag zu sehen. Große Schwierigkeiten im Oberhofmarschallamt, da noch nie ein Neger zur Cour gelassen worden, ward es umgangen dadurch, daß Beust ihn auf Verabredung mit dem König mit zur Tafel nach Pillnitz bringt. Mr. Benson, weißes Halstuch, weiße Weste, schwarzer Frack und Gesicht, tritt aber bei Sr. Majestät mit einem großen Stocke, Symbol seines Sieglers, mit dem er in Liberia zuhaut. Beust fragt König deutsch, ob er den Knüppel abnehmen solle. König, nicht ängstlich, sagt nein. König fragt, ob fiel white man nach Liberia kommen. Antwort: oh yes, they come where ever they can make money. Bei Tafel wird der Neger neben Prinzess Sophie gesetzt, die englisch spricht. Nach Tische Präsentation an Königin, Prinzess Auguste pp., bei der Mr. Benson wiederholt Most happy to make aigmia baroe of Your Roayl Highness: keine Antwort von den Damen, womit er sich auch begnügt. Tags darauf schreibt Mr. Benson an Beust einen Dankbrief für die von Sr. Exzellenz und Majestät erwiesene Freundlichkeit, legt sechs Exemplare seiner Photographie bei, bittet um die von Sr. Exzellenz, Sr. Majestät und Ihrer Königlichen Familie und sagt, er würde sich sehr freuen, wenn er in Liberia die Höflichkeiten erwidern könne. Beust teilt diese Einladung zu einem Liberianischen Diner dem König mit, der auch erwidert, er habe nichts gegen Mitteilung seiner Photographie, die Beust nun aus der Ministerialkasse ankauft. Mr. Benson hat gern einen Handelsvertrag schließen wollen und dabei Beust moneta benefica in Aussicht gestellt, von denen dieser keinen Gebrauch gemacht hat. Eine sehr unangenehme Geschichte ist Beust passiert. Er spricht auf seiner Reise in Mainz mit Graf Morny über den preußisch-französischen Handelsvertrag und dieser sagt ihm (nach Baden gehend), er werde noch selbigen Tages deshalb an den Kaiser schreiben. Beust teilt seine Unterhaltung sub rohn dem österreichischen Gesandten hier, von Werner, mit, der deshalb nach Wien berichtet und einige Tage später steht die ganze Sache – in der Augsburger Zeitung. – Beweis der Unzuverlässigkeit der Beamten in Wien. August 11 Sonnabend passierte Gustav hier durch auf einer Reise nach Belgien und London, zu der ihm wie immer Ferdinand auch Geld geschenkt. Anton ist seit acht Tagen in Kissingen. Gestern Mittag waren Ferdinand und Seebach aus Gotha zu Tisch bei uns. Nach Tisch kamen Wickede, Dr. Falke (aus dem Archiv) und von Posern-Klett aus Leipzig, ein junger Mann, der im Archiv jetzt arbeitet. Wir tranken sehr stark, wovon mir noch der Kopf etwas trübe heute ist. August 12 Abends die Prinzess Melly von Holstein mit ihren beiden Pflegetöchtern, Seebach und der neueingetretene Geheime Rat von Schimpf, der an Ehrensteins Stelle kommt, die letzteren gingen erst post multa puncta nach 10 Uhr fort, recht fidel gewesen, was jetzt selten vorkommt.
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Just kam neulich zu mir, um mich auf Kohlschütter aufmerksam zu machen, der in einer ganz rabiaten, gedrückten Stimmung sei. Ich sagte ihm, er möge nur mit Beust reden, der mich selbst beauftragt hatte, Kohlschütter, der ihm auch aufgefallen war, zu fragen, was ihm denn durch den Kopf gehe. Er wünschte dermals, als ich ihn fragte, nur, daß die jährliche Remuneration, die er erhält, ihm als Gehalt fixiert werde. „Für den Fall, daß Beust etwa abgehen sollte“, wünsche er gesichert zu sein. Das sagte ich auch Beust. Jetzt handelt es sich nur darum, ihn zu einem Urlaub zu oktroyieren und dazu Geld zu geben, das er ewig braucht. Nachdem nun Just mit Beust gesprochen, fragte dieser mich nun erst wieder, wie es zu machen sei, er wolle Kohlschütter sagen, der König habe es bereits beschlossen. Ich sagte, warum denn so viele Umwege, sage es ihm direkt, daß er gewiss einer Ausspannung bedürfe, biete ihm dafür 300 Taler und vier Wochen Urlaub. Und so ist es denn geschehen, nur hat sich Kohlschütter gewünscht, daß die Form einer Geschäftsreise gewählt werde. Er will die Badensche Verfassung studieren und nach Heidelberg gehen, wo sein Sohn studiert, der sich, wie Beust sagte, ganz auf die demokratische Seite gewandt. Eitel ist die ganze Familie und das creve coeur der Frau und der Kinder ist, daß sie nicht von Adel sind. Solche Leute schlagen dann natürlich sehr leicht nach links über. August 18 Im auswärtigen Ministerium, bei doppelt verschlossener Tür 1 Uhr. Beust sagte, er habe mir eine Frage vorzulegen, über die ich ihm meine ganz unumwundene Ansicht aussprechen soll. Der Regierungsrat von Witzleben hat ihm schon vor längerer Zeit, von Berlin zurückgekehrt, gesagt, man rede dort davon, ihn in das Ministerium zu berufen. Wahrscheinlich hat es dieser von seinem Oncle, dem Regierungspräsidenten von Witzleben in Magdeburg gehört (oder in einem Bierkeller?). Seit einiger Zeit hat aber der preußische Gesandte wiederholt Andeutungen fallen lassen und die Frage, ob er ein solches Anerbieten annehmen solle, „trete daher nahe an ihn heran“. Ob man ihm einen Vorwurf machen könne? Der König benutze ihn wohl, allein eigentlich habe er ihm mehrfache Beweise gegeben, daß er ihn keineswegs immer zu halten gemeint sei. Als die Frage wegen Erhöhung der Ministergehalte im Gesamtministerium zur Sprache gekommen und Beust die Schwierigkeit des Auskommens hervorgehoben, hat der König sich dagegen ausgesprochen und gesagt, „derangierte Minister kann ich nicht gebrauchen“. Zschinsky hat sich das so zu Gemüte gezogen, daß er seit dieser Kränkung, wie seine Frau Beust gesagt, immer mehr gekränkelt, sie sei eine Ursache seines Todes. Als nach Zschinskys Tod die Frage wegen des Vorsitzes im Gesamtministerium aufgetaucht, wollte der König es Behr übertragen, nicht Beust (ich habe damals selbst durch Zeschau es ausgeglichen). Dann kam die Sache mit U(ckermann) zur Erwähnung und der Brief Zeschaus novi cum regis, als Uckermann sich an den König gewendet und Zeschau geschrieben, was er besser unterlassen, wie Beust sagte, Uckermann möge sich sein Recht selbst suchen. Beust meinte, der König habe, wenn er ihn hätte halten wollen, vermitteln müssen, daß Uckermann mit Anhang sich entferne oder durch Erfüllung seiner Wünsche und Ausgleichung der früher durch sein Übergehen zum Major erlittenen Kränkung befriedigt werde. Endlich bei der hessischen Frage hat der König gesagt: „Der Bundesbeschluß von 1852 ist vor mir gefaßt, sehen Sie nun auch, wie Sie durchkommen.“ Für Alles, was er getan für Sachsen hat er nichts erhalten, als einen Orden und aus dem Nachlaß des Königs eine Porzellanschüssel, die Graf Redern, der frühere preußische Gesandte, als eine Salatschüssel bezeichnet hat. Das wäre von Oben – das Land aber erzeige gar keine Teilnahme und Anerkenntnis für ihn. In London sei er hoch saliert worden, der Herzog von Cumberland, Palmerston, Russel sind bei der Ausstel-
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lung, als sie seine Gegenwart erfahren, gleich auf ihn zugeeilt –. Er fährt vor einigen Tagen bei scheußlichem Wetter nach Kamenz zur Viehausstellung. Dort sagt ihm Thielau – er wundere sich, daß er bei dem Wetter gekommen – bei Tisch wird kein Toast auf Beust, sondern nur auf das Ministerium in genere ausgebracht. Bis jetzt, wo er gleichsam den Zentralpunkt für die Deutsche Frage gebildet, sei seine Stellung von Interesse gewesen. Jetzt, wo die Dummheit in Hannover, in Bayern pp. oben auf sei, wo er alle Hoffnung verloren, daß etwas zu Stande kommen werde, sei die Leitung des Auswärtigen, sein Lieblingsfach, ohne Interesse (Beust wirft hier die Flinte ins Korn). Jetzt sei er noch rüstig, eine Stellung wie der Staatskanzler Hardenberg lockt ihn, auf seine Familie habe er Rücksicht zu nehmen, er werde die Königin schon zu zähmen wissen pp. Das waren ungefähr seine Worte. Nun ist es richtig, daß Beust für Sachsen als Minister des Innern sehr leicht zu ersetzen ist. Als Minister des Äußern hat er erst die Stelle zu etwas gemacht, allein Sachsen selbst hat wohl kaum durch seine höhere Politik gewonnen. In Deutschland effekturiert er eben nichts, zumal der König seinen persönlichen Einfluß, den er wohl auf den König von Hannover und Bayern haben würde, nicht in die Waagschale legt. In Preußen wäre ein Kopf wie er schon vor Jahren von ungemessnem Wert gewesen. Dies ist aber für Deutschland viel wichtiger, als wenn Beust aus Dresden erfolglose Noten dem alten Zschille diktiert. Wir verlieren offenbar weniger, als Deutschland gewinnt und so leid es mir persönlich tun würde, wenn Beust nach Berlin ginge, so könnte ich ihm doch noch nicht widerraten. Es ist mir sogar zweifelhaft, ob der König, der ihm doch gewiß ebenso wenig als der Kronprinz völlig traut, ihn nicht vielleicht gern gehen sähe. Wenn er nur einen Andern hat. Das ist aber die Schwierigkeit, wer an die Stelle treten soll. Beust meinte, der Pariser Seebach das Äußere bloß für Überlassung der Wohnung und des Repräsentationsaufwandes und das Ministerium des Innern – sein Bruder. Das wäre nun eine ganz unglückliche Wahl, da dieser zu schussig, absprechend und unpraktisch ist, viel eher Schimpf oder Friesen, die um das Innere und die Finanzen losen könnten. Überhaupt ist es richtig, daß, wenn ein Kopf wie Beust fehlt, der doch immer mit den Ständen gut ausgekommen ist, wir möglicher Weise doch wieder in Konflikte kommen würden, aus denen unsere jetzigen Minister zumal ohne einen tüchtigen Chef, sich schwer herauswickeln können. Mir geht die Sache sehr im Kopfe herum, vielleicht ist aber an der ganzen Geschichte nichts und das wäre mir freilich das Liebste! Ich sehe schon – allerdings mit großer Gemütsruhe – vorher, wie viele, die sich jetzt vor dem Freunde des Ministers liebenswürdig machen, mich gar nicht mehr kennen werden, wenn er zum Tor hinaus ist. August 23 Eben war Kohlschütter bei mir, sehr zufrieden mit dem ihm aufgedrungenen Urlaub! Wir sprachen dann nun die Folge wegen Trennung der Justiz von der Verwaltung, Erhöhung der Staatsdienergehalte durch, womit er sich jetzt beschäftigen soll. Ich schlug ihm für Bearbeitung einzelner Sachen Berlepsch vor, freilich nicht als Empfehlung, sondern zur Erwägung, da ich dessen Leistungsfähigkeit zu wenig kenne. September 7 Heute starb im Wochenbett die Frau unseres Bedienten Kötz mit Hinterlassung von vier Kindern. Eines, ein Mädchen von drei Jahren, wollen wir zu uns nehmen, um Kötz, mit dem wir sehr zufrieden sind, es zu erleichtern. Wir hatten gerade Gustav eingeladen zu Tisch und mußten daher Antons Bedienten, ein ziemlich lästliches Subjekt, zeichnen, der, da Antons verreist sind, nichts zu tun hat. Gegen 1 Uhr kam Gustav von seiner Reise nach London zurück, mußte aber Abends wieder fort. Zu Tisch kamen Ferdinand, der Archivssekretär Dr. Falke und ein junger Mann, der für
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die Urkundensammlung im Archiv arbeitet, von Posern-Klett aus Leipzig, nach Tische noch Schimpf und Kyaw. September 23 Mein Archivsekretär Dr. Falke ist am Sonntag auf 14 Tage verreist, um sich zu verheiraten und heute wird mir Schladitz ernstlich krank. Ich sitze nun ganz allein im Archiv, wo gerade fünf Gelehrte arbeiten, die immer versorgt sein wollen. Ich habe daher auch die Prozeßgesetzgebungssitzung heute nicht besucht. Oktober 27 Daß übrigens auch gescheitere Leute ihre Befähigung gänzlich verkennen, dafür hat der Geheime Regierungsrat Schmalz erst wieder einen recht eklatanten Beweis gegeben. Uhde, jetzt seit einiger Zeit hier Polizeidirektor, ist zum Kreisdirektor in Zwickau ernannt. Schmalz, total ungeeignet für diesen Posten, jede Befähigung, mit den Menschen umzugehen ermangelnd, findet sich aber sehr gekränkt. Er läßt sich bei Beust melden, fragt sehr piase nach einer Einleitung, daß es zwar eine Privatfrage, aber doch offizieller Natur sei, die er zu tun habe – ob es wahr sei, daß Uhde Kreisdirektor werde. Beust lakonisch: Ja. Schmalz: Es sei dies eine Tatsache, die besonders die älteren Räte im Ministerium sehr tief kränke. Beust: Ob er Auftrag von diesen habe, sich zu beschweren? Schmalz: Nein. Beust: Dann sei der Schritt, den er tue, jedenfalls sehr unpassend pp. Mit Anerbieten des Abschieds ist aber Freund Schmalz nicht hervorgetreten, sondern sehr herabgestimmt abgetreten. November 1 Gestern fuhr ich mit Sophie um 10.20 früh nach Freiberg. Hübsche Fahrt durch den Weißeritzgrund. Die Muldenhütten wie der Orkus! Cotta empfing uns. Wir besahen die Goldene Pforte am Dom. Mittag bei Cotta, um 4 zurück. Die Ministerin Falkenstein kam gleich bei unserer Ankunft, erzählte von ihrer Reise nach London. Wir fanden eine Einladung zu Halles, wo noch Dr. Heine und Frau und Minister Könneritz war. November 3 Eben hatte ich im Archiv einen sonderbaren Besuch. Der Hofschauspieler Pasch ließ sich melden, trat mit theatralischem Anstand ein, den vierten Band meiner Vier Jahrhunderte in der Hand, hielt zunächst eine kurze Rede über die Trefflichkeit des Werkes und bat dann um Erlaubnis, eine Frage stellen zu dürfen, ob er einen Satz richtig verstanden habe. Es kommt nämlich in dem Aufsatz über die Potsdamer Garde vor die Redensart „bis es man die Katz nimmt“, d. h. es kommt darauf an, wie man die Katze anfaßt, ob sie einen kratzt oder nicht. Über diesen Sinn der pommerschplattdeutschen Worte verständigten wir uns, wobei ich erfuhr, daß er ein geborener Stettiner sei. Ich gab ihm nun noch eine andere plattdeutsche Nuß zu knacken, die ich gefunden hatte und wir schieden als Freunde. Mittags war Adolf bei uns zu Tische mit Antons und Ferdinand. Abends las ich mit vielem Beifall im Altertumsverein einen Aufsatz über Prinz Lieschen vor. November 18 Sonst geht alles ganz gut, nur im Archiv inkommodiert mich, daß Archivar Schladitz und Registrator Winkler krank sind und der neue Archivsekretär Dr. Falke sich sehr ruschlich zeigt und stets der Kontrolle bedarf. Ich sprach deshalb auch mit ihm freundschaftlich, aber doch in der Weise, daß er erkennen mußte, was ihm fehle. Gustav scheint sich im Appellationsgericht gut einzurichten, wenigstens lobt Anton seinen Fleiß und Genauigkeit. Gestern stand in den Literarischen Beilagen der Leipziger Zeitung eine Rezension des ersten Heftes des Archivs für die sächsische Geschichte – mit übertriebener Lobhudelei, nicht genug aber, da bekomme ich einen Brief „Ablaßrachel“, wenn ich recht lese, unterzeichnet, worin mir ein mir ganz unbekanntes Individuum dieses Namens (im Adreßkalender
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steht ein Advokat) mir seine Herzensfreude nicht über meinen Aufsatz über Einsiedel (den er anscheinend gar nicht gelesen), sondern über die Rezension ausdrückt. Er habe es nicht lassen können, mir seine Bewunderung auszudrücken, die mich sozusagen als bloß par precol trifft. November 20 Wir gingen gestern Mittag in den Zoologischen Garten, den wir jetzt oft besuchen, da ich zwei Aktien genommen und daher freien Eintritt habe. Abends kam unerwartet Seebach, noch sehr niedergedrückt durch den Verlust seiner Frau, den wir eigentlich als keinen sehr großen betrachten. Indessen er scheint sie doch sehr lieb gehabt zu haben und klagt besonders darüber, daß er in Gotha keinen Menschen habe, dem er sein Herz ausschütten könne. Er war in Berlin gewesen und erzählte, man glaube, der König habe dem Prinz Karl sein Ehrenwort gegeben (einst im Gespräch, was Prinz Karl gleich aufgefasst), in der Militärfrage nicht nachzugeben. Redensarten wie da haben die Ochsen, d. h. Stände nichts hineinzureden, höre man bei Hofe! Man glaube, der König werde abdicieren. November 24 Noel aß am Sonnabend noch bei uns, reiste gestern wieder ab. Sonderbarer Weise läßt er seine Frau, die noch in Böhmen ist, nun in kurzer Zeit allein die weite Reise machen, während ihn doch nichts als seine Bequemlichkeit nach London zurückruft. Er ist sehr gealtert, aber doch noch immer von viel geistiger Regsamkeit. Er beabsichtigt jetzt, die Engländer durch eine Broschüre aufzuklären über die österreichischen Zustände. Er erzählte, daß vor einiger Zeit ein österreichischer Reichstagsabgeordneter slawischen Stammes ihn in London aufgesucht und seinen Wunsch ausgesprochen habe, die englischen Staatsmänner über die Bedürfnisse der Slawen, die ganz unrichtig beurteilt würden, aufzuklären. Noel kennt Lord Palmerston nur flüchtig, geht aber mit dem Slawen hin, schickt seine Karte mit der Bitte um eine Audienz. Antwort, er möge um 12 Uhr kommen. Die Unterredung wird französisch geführt, das der Slawe sehr mangelhaft spricht. Palmerston fragt, warum er nicht in Wien. Slawe: weil ich zur Minorität gehöre. Palmerston: diese kann Majorität werden. Der Slawe entwickelt nun, daß es nötig sei, ein großes Slawenreich auf den Trümmern der Türkei zu errichten. Palmerston hört alles ruhig an, fragt dann, ob republikanisch oder monarchisch? Slawe: monarchisch wahrscheinlich. Palmerston nennt nun Kompetenten, die er einzeln durchgeht, u. a. Mulasch? Was werden denn die Griechen sagen usw., kurz, er führt den Slawen mit großer Liebenswürdigkeit ganz ad absurdum, scheidet dann mit Händeschütteln von ihm. Gestern besuchte ich die Ehrenstein, die ich zum ersten Male nach unserm Verlust wiedersah. Ich vermisse doch meinen alten Freund mit seinem herrlichen Humor unendlich. Es ist hier unter allen meinen Bekannten keiner, der so auf meine schlechten Witze einging als er. Dann ging ich zur Nostitz, bei der mein Besuch große Freude erregte. Ihre Tochter Kathy, so wenig schön sie ist, ist ein recht angenehmes Mädchen, harmlos, natürlich, bescheiden. Abend las ich zu Hause Varnhagens Nachlaß (Tagebuch), wirklich ein ekelhaftes Buch, da es auf jeder Seite die kolossale kleinliche Eitelkeit des Verfassers belegt. Er hat sich damit ein schlechtes Denkmal gesetzt. Wir hatten heute Abend Beust’s mit Halles, Wickede und Kotzebue und Jordan eingeladen, einige zu einer Whistlektion, wozu die Halle wünschte um 7 ½, die andern erst um 8 ½. Doch am Nachmittag ließen aber Beust’s absagen, weil er und die Tochter Marie unwohl. Er ist aber gestern schon nicht ausgegangen und hätte es daher wohl früher können sagen lassen. Wir amüsierten uns aber trotz dieses Ausfalls ganz gut. Beust, den jetzt der Kladderadatsch
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wieder vorgenommen hat, hat an die Redaktion eine Photographie von sich geschickt, damit man doch künftig sein Bild richtiger darstellen könne als zeither. November 27 Ich habe mit dem Dr. Arnost Anfang Oktober ein Darlehen von 2 000 Taler gegen Kosten einer Hypothek auf einem Hause auf der Langen Gasse für einen Gürtler Damm. Die Zahlung konnte nicht eher erfolgen als heute, wo Damm endlich die Urkunden erhalten hatte. Um 9 ¼ kam ich mit ihm bei Advokat Arnost (Vorsteher der Stadtverordneten) in dessen Wohnung zusammen und zahlte ihm gegen Übergabe der Urkunde 960 Taler bar und 1 040 in zwei sächsischen Erbländischen Pfandbriefen a 4 %, indem der Kurs 103 1/8 stand, ich aber bloß 103 verlangte und 10 Taler durch Anrechnung an Zinsen vom 1. Juli – 1. Oktober d. J. Forth-Rouen, der französische Gesandte, hat nach mehr als 20jähriger Ehe die Aussicht, in nächster Zeit Vater zu werden. Seine Frau, eine Portugiesin, ist natürlich höchst erfreut und hat ihm Dank der Vorsehung dadurch zu erkennen gegeben, daß sie das zu erwartende Kind hat „decone en Blanc et Bleu“, d. h. Sie hat gelobt, daß es (au fallor) bis zum vierten Jahre nur in weiß und blau gekleidet sein soll. Die Heilige, der sie das Gelübde getan, wird dies natürlich sehr hoch aufnehmen, aber mehrere Damen, die hier dem Ankömmling Geschenke vorbereitet, z. B. die Halle, die eine Bettdecke genäht, ist dies Gelübde sehr in die Quere gekommen, da sie die Farben nicht darnach gewählt, mithin alle Mühe vergebens gewesen ist. Dezember 10 Morgen werden wir die Beratung der Prozeßordnung schließen. Es bleibt nun noch die Konkursordnung und Gerichtsordnung. Währenddem hat nun in Hannover die Kommission für eine Deutsche Prozeßordnung bereits einen Anfang gemacht. Man sieht daraus, daß dieser deutsche Entwurf nur die allgemeinen Prinzipien feststellen wird, neben denen dann Ausführungsgesetze wieder notwendig werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das deutsche Gesetz künftig angenommen, unser Entwurf beiseite gelegt und ein ganz neues Einführungsgesetz gemacht werden müssen, bei dem wir unseren Entwurf nicht einmal werden brauchen können, da er zum Teil auf anderen Prinzipien als der deutsche Entwurf beruht. Die Konkursordnung hängt aber mit der Prozeßordnung eng zusammen, steht und fällt mit dieser. Anders ist es mit der Gerichstordnung, die wir unter allen Umständen brauchen. Diese ist also das Einzige, was praktischen Wert hat. Ich sprach nun mit mehreren Mitgliedern der Kommission darüber, ob wir nicht die Gerichtsordnung vornehmen wollten, um sie, das einzig Wichtige, in Muse beraten zu können, während wir jetzt die Prozeßordnung in aller Eile und Hast fertig gemacht haben, um sie eben fertig zu haben. Siebenhaar und König waren ganz dagegen. Sie wollen von der Deutschen Prozeßordnung überhaupt nichts wissen, erklären die Idee für einen Unsinn pp. Partikularistische Querköpfe wie diese sind eben nicht zu überzeugen! Langenn war ganz einvestanden und ich wollte denn morgen den Antrag stellen. Gestern aber bat er mich, nach der Sitzung noch einen Augenblick zu bleiben und bat mich dringend, von dem Antrag abzustehen: „es wird beim Ministerium anstoßen“. Ego: das könne ich kaum glauben, wäre aber erbietig, mit Minister Behr zuvor zu sprechen. Er: die Konkursordnung hänge doch unmittelbar mit der Prozeßordnung zusammen, man würde inmittelst diese wieder vergessen, Ortloff würde an der Gerichtsordnung mit Teil nehmen, man könne ihn doch nicht gut jetzt fortschicken. Das hat allerdings Etwas für sich und ich versprach daher Langenn, den Antrag zu unterlassen. Wir werden also nun mindstens ¼ Jahr leeres Stroh dreschen!
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Ein guter Stern wallet nicht über unserer Gesetzgebung. Das Zivilgesetzbuch wird jetzt publiziert111 und am 5. Januar 1863 tritt hier die Kommission zur Entwerfung eines deutschen Obligationenrechts zusammen und da sollen die Leute glauben, daß es unserer Regierung Ernst sei mit den von ihr hauptsächlich ausgegangenen Anträgen auf Gemeinsamkeit der Gesetzgebung in Deutschland. So lange Beust am Ruder ist, wird man und kann man die Sache nicht ganz fallen lassen, allein wenn man denkt, daß Persönlichkeiten, die Ansichten haben wie die gedachten Siebenhaar und Königs ans Ruder kommen (und wir haben deren Manche), so wird die Sache ganz anders stehen. Über König erzählt man kuriose Sachen. Er war Aktuar in Nossen. In dortiger Gegend war Erschke Vormund eines Mädchens, Tochter eines Fleischers, die ein reicher kinderloser Dr. Rumpelt, Besitzer des Gutes Noschkowitz, zur Erbin eingesetzt hatte. Der Advokat hat einen Sohn, dem er die reiche Partie zuwenden will, der auch einen Bruder, Tuchmacher in Nossen. König wendet sich an diesen und verspricht ihm 2 000 Taler, wenn er ihm das Mädchen verschafft. Der Mann kuppelt glücklich und das Mädchen willigt ein, gnädige Frau zu werden. Die Ehe ist aber auch darnach geworden. Königs Stiefvater aber lebt, wie der Gerichstamtmann Litzken dort erzählt hat, im Armenhause eines Dorfes im Gerichtsamt Löbau. König ist ein fähiger Mann, der insbesondere in der Kammer sehr heftig für die Regierung gewirkt hat. Er steht daher gut beim König selbst und es ist wohl möglich, daß dieser ihm einmal ein portefeuille zuwenden könnte. Nun, vielleicht ist er besser als sein Ruf! Beust bekomme ich gar nicht zu sehen. Er zeigt zu deutlich, daß er kein Bedürfnis hat, mit mir zusammen zu kommen (wir waren den ganzen Sommer hindurch nicht zu ihm eingeladen) und ich werde auch immer abgeschlossener und dem Bedürfnis, in Gesellschaft zu gehen, entfermdeter. Zu seinem großen Rout hat er uns natürlich einladen müssen. Allein Gustav hat keine Einladung bekommen, auch ein Zeichen, daß er doch sehr wenig an uns denkt. Von allen meinen nähern Freunden bleibt mir doch Seebach der liebste und nahestehendste, wie er denn auch selbst sich immer mehr an uns anschließt. Alle anderen, denen ich sonst nahe stand, sind wie Ehrenstein gestorben oder es lösen sich die Bande immer mehr – so Jordan, der in Geiz, Theater und Schauspielerinnen versunken, für nichts Anderes mehr Sinn hat; Witzleben, der förmlich alters- und geistesschwach geworden, mit dem übrigens, da er nie jemand bei sich sieht, die Geselligkeit immer nur eine einseitige war; Just, der mir gar zu sehr Despot am grünen Tisch geworden; Römer, der ganz in Hypochondrie und Geiz versunken, nur in seiner Höhle hinterm Ofen zu treffen ist; Kohlschütter, der doch gar zu brummig ist pp. So löst sich denn ein Blatt nach dem anderen ab und ich vermisse es kaum, da ich mich, vorausgesetzt, daß Sophie keine Grillen hat, in meiner Häuslichkeit allein wohlfühle. Heute ist ein großes Fest bei Halles, ich aber war sehr froh, daß ich unter dem Vorwande, daß ich im Orchesterverein engagiert sei, ablehnen konnte. Was schere ich mich um alle die Diplomaten und Exzellenzen, die Halles in ihrem Salon empfangen zu können sich höchst 111 Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen nebst der Publikationsverordnung vom 2. Januar 1863. Mit einem von Dr. Eduard Siebenhaar gefertigten ausführlichen alphabetischen Wortund Sachregister. Leipzig 1863. – Siehe Barbara Dölemeyer: Kodifikationen und Projekte deutscher Einzelstaaten. Sachsen (1863/1865) In: Helmut Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 3/2, München 1982, S. 1540–1561. – Katalog Bayern und Sachsen in der Geschichte, S. 289–291.
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glücklich fühlen. Kurioses Vergnügen, das sie in der langweiligen Gesellschaft finden. Ein amüsanter Schneidergeselle wäre mir viel lieber als 10 langweilige Exzellenzen, Grafen, Fürsten, Prinzen pp. Dezember 11 Gestern erzählte mir Minister von Falkenstein eine Menge Anekdoten von Professor Tischendorf, der sich durch Auffindung einer alten Handschrift der Bibel in einem Kloster in Asien einen Namen gemacht hat. Daneben zeichnet er sich durch die neueste Produktion ungemessener Eitelkeit aus. Er hat jetzt von Rußland das Großkreuz des Stanislausorden erhalten und ist darüber fast verrückt. Er hat zunächst den Wunsch ausgesprochen, daß bei der Bekanntmachung gesagt werden möge, daß er das „Großkreuz“ erhalten habe, Falkenstein aber, der solche Auszeichnungen Untergeordneter nicht gerade gern sieht, sagt Beust, man solle nur in die Bekanntmachung setzen „erste Klasse“. Ferner klagt ihm Tischendorf, daß er in Verlegenheit komme, indem alle Briefe, die er aus Rußland erhalte, ihn als „Exzellenz“ bezeichneten, ein Prädikat, das ebenso wie der erbliche Adel mit jenem Großkreuz verbunden sei. Ein Professor „Exzellenz“ nun das fehlte noch unsern Exzellenzen. Falkenstein hat daher den Professor aufgemuntert, sich über diese Verlegenheit nur hinwegzusetzen, da ebenso wenig Hoffnung sei, ihm die Anerkennung der Exzellenz als des Adels auszuwirken. Ich bemerkte dagegen Falkenstein, daß man mit keinem Fehler nachsichtiger sein muß als mit der Eitelkeit, von der ja kein Mensch frei ist, und nun vollends bei Professoren, die ja wie Künstler und Schauspieler auf den öffentlichen Beifall verwiesen und dadurch alle zur Eitelkeit geführt werden. Wenn übrigens ein Mensch, sei es auch nur aus Eitelkeit, etwas Tüchtiges leistet, so ist mir der doch immer lieber, als wenn er es aus Habsucht oder sonst niedern Triebfedern tut. Daneben ist ein solcher Narr ja noch so menschenfreundlich, die Welt zu amüsieren, wenn er wie ein Pfau sein Rad schlägt. Falkenstein fragte mich auch nach dem Appellationsrat Schmidt, einem Sohn unseres Hauslehrers, spätern Kirchenrats, der mit in Vorschlag komme bei Besetzung der durch Steinackers Abgang erledigten Professur. Ich konnte ihm aus früherer Erinnerung nur Gutes sagen, aber nichts aus neuerer Zeit angeben, da ich ihn seit 1849 nicht gesehen. Der Generalstaatsanwalt Schwarze ist jedenfalls mehr geeignet und man erlangt zugleich den Vorteil, ihn von der Stelle los zu werden, für die er, manchem Einfluß zugänglich, sich sehr wenig eignet. Insbesondere ist es bedenklich, daß er notorisch sehr dem Geld nachgeht und mancherlei Manipulationen vorgenommen hat, die dem Anstand zuwiderlaufen. So soll er Diäten halber auswärtige Expeditionen sehr häufen und benutzt dabei stets die 3. Klasse der Eisenbahn, während er natürlich 1. liquidiert. Dezember 15 Am Freitag (12.) Geburtstag des Königs. Parade mit neuen Uniformen, die von Wickede als unpraktisch bezeichnet worden. Die Kavallerie, die immer etwas Besonderes haben will, ist sehr ärgerlich, daß nun auch Linienoffiziere blau und weiß erhalten haben. Mittags großes Staatsdienerdiner a 2 Taler in Meinholds Saale. Zu Ehren des Königs trank man sehr schlechten Wein. Klasse 1 und 2 hat eine besondere Tafel. Dieses verschnupft Manchen, unter anderem den übertrieben eitlen Geheimen Justizrat Siebenhaar, der erklärt hat, er gehe nicht hin, wo Klasse 1 und 2 etwas besonderes sein wolle. Das ist doch einmal nun so und kann doch niemand inkommodieren, vielmehr ist es mir doch lieber, wenn ich mir meinen Platz wählen kann. Um übrigens die Sache etwas auszugleichen, hat man einzelne aus andern Klassen mit an die Ehrentafel gesetzt und (Göttlich) an jede andere Tafel einen Geheimen Rat als eine Art Tafelaufsatz. So kam es denn, daß ich neben Kohlschütter
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zu sitzen kam, mir gegenüber Professor Hähnel, der Bildhauer, ein Mann von Geist, der nur die mir sehr unangenehme Gewohnheit hat, Zoten zu reißen. Er zeigte mir einen Brief eines französischen Marquis, der eine Hähnel geheiratet hat und sich nun bemüht nachzuweisen, daß sie von Adel sei. Der Professor macht für seine Familie keinen Anspruch darauf, aber der Geheime Rat, der nicht mit ihm verwandt ist, gibt an, daß seine Familie von Adel ist, alle Adelsbriefe besitzt und den Namen von Cronenthal führt, was auch ein jetzt Verstorbener in Leipzig geltend gemacht hat. Nach Tisch packte mich der Kreisdirektor von Könneritz an, um mir sein Herz auszuschütten über die hiesige Polizei, die Schmauß nun wieder provisorisch versieht, den er für eben so leer im Kopf als im Herzen erklärte. Die Leute betrachten mich immer als einen Briefkasten für Beust, eine Funktion, die ich entschieden ablehne, da ich mich durchaus nicht um ungelegte Eier kümmere. Es kam auch neulich Wilhelm Ehrenstein, um mir ans Herz zu legen, doch ein gutes Wort bei Beust für ihn einzulegen, daß dieser ihm eine Gehaltszulage und den Titel „Geheimer“ Legationsrat gebe. Er wünsche es nur für seine Braut, eine Mad. Schulz, die durchaus an den Hof will. Weil sie eine Närrin ist, soll Ehrenstein „Geheimer“ werden. Am Abend (Freitags) war großer Rout bei Beust in Uniform. Sophie hatte ein Kleid um verschiedene Ellen weiter machen lassen und wollte es danach produzieren. Es war ein herrliches Vergnügen! Ich stellte mich in eine Fensternische und ließ nun wie in einer camera obscura den Zug bei mir vorbei passieren. Alle möglichen Stände waren eingeladen, vom Theater die Ney, Begerburg, Ullrich, Emil Devrient pp. Glücklicher Weise konnte ich Sophie nach etwa ¾ Stunden loseisen und wir waren vor 10 Uhr zu Hause. Professor Hübner war sehr glücklich, daß er einige Worte mit dem Kronprinzen und der Kronprinzessin hatte wechseln können. Ich fliehe solche Reucontres durch Retirade jedesmal, da sie einem Prinzen, der nicht weiß, was er mit Einem reden soll, jedenfalls ebenso ledern sind als mir. Beust hat wieder einen Witz ausgeführt. Er hat der Redaktion des Kladderadatsch in Berlin seine Photographie geschickt, da er wahrzunehmen gehabt habe, daß sie sein Porträt immer sehr unrichtig wiedergegeben habe. Sonnabend ging ich mit Sophie in das Atelier des Professor Hähnel, der einige der Figuren für das Denkmal des Königs Friedrich August fertig hatte, die Gerechtigkeit und die Stärke. Letztere war noch in purio naturalibus. Er hat auch noch in einem Nebenzimmer viele Modelle älterer Arbeiten, sehr interessant zu sehen. Dezember 20 Gestern kam der neue Bergrat Bernhard von Cotta mit seiner ältesten Tochter, die bei uns die Nacht blieb. Das Mädchen hat entschieden Geist von ihrer Mutter geerbt, aber ebenso die Verschrobenheit und das Reiten auf einem hohen Gaul. Schade, daß solche erblichen Anlagen noch durch „Erziehung“ kultiviert worden sind. Eben (Nachmittag) war Tauchnitz bei mir. Ich lud ihn zu Abend ein, allein er lehnte ab, weil er wieder zurückreisen wollte. Er erzählte mir Folgendes. Er will jetzt eine zweite Ausgabe des Codex des Kirchenrechts herausgeben, ein Redakteur beim Kultusministerium, Schreier, hat die Sache besorgt und Tauchnitz hat ihm, nachdem die Arbeit vollendet, die geforderte sehr hohe Summe von 2 000 Taler als Honorar bewilligt. Er will aber nun natürlich den Preis erhöhen und verlangt, daß wie früher die Kirchenaerarien das Buch nehmen sollen. Falkenstein ist auch mit Allem einverstanden, verweist ihn aber wegen Details an einen Rat
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(es kann der Beschreibung nach nur Zobel gewesen sein). Dieser, den Tauchnitz zum ersten Mal sieht, eröffnet die Verhandlung damit, daß er Tauchnitz eröffnet, er könne den Preis billiger stellen, denn er brauche nach seiner Berechnung nur so und soviel Ballen Papier a 15 Taler. Tauchnitz: Entschuldigen Sie, mich kostet das Papier zur ersten Ausgabe 30 Taler. Zobel: Machen Sie mir doch so Etwas nicht weiß. Tauchnitz: Mein Herr, ich muß vor allem bitten, daß Sie meine Worte nicht in Zweifel ziehen pp. Er meinte, der gute Mann habe ihn wahrscheinlich für einen Dutzendkrämer gehalten, der sich ins Gesicht Lügen strafen lasse. Herr Zobel ist aber ganz verdutzt gewesen! Dezember 30 Zauberfeste haben wir nicht gehabt, außer gestern ich Diner beim König. Ich saß neben Kohlschütter, den ich lange nicht gesehen hatte. Beust war nicht gekommen, weil sein ältester Sohn seit Sonntag das Scharlachfieber hat.
1863 Januar 2 Gestern also mein 57. Jahr vollendet. Der Greis ist nun eingerückt, obwohl ich bis auf die Augen, welche abnehmen, sonst nicht klagen kann. Gestern früh zur Cour mit den etatmäßigen Komplimenten. Mittags waren Adolf, Antons, Ferdinand, Wolf, von Berlepsch bei uns, zum Dessert und Rheinwein mit Champagner kamen noch der alte Berlepsch, der Regierungsrat und Amelie Berlepsch. Wir waren ganz fidel. Heute überreichte ich mit einer Ciceronianischen Rede dem Archivregistrator Winkler die goldene Verdienstmedaille, die ich ihm ausgewirkt hatte. Das Dekret, schon am 1. Dezember ausgefertigt, hatte sich bei Beust verloren. Auf des Regierungsrates Roßberg Bitte fragte ich Beust vor einiger Zeit vergeblich danach. Er behauptete, er habe es nicht erhalten. Man schickte endlich einen Boten aus dem Gesamtministerium hin, der dann von dem Bedienten erfuhr, das Dekret existiere noch auf dem Schreibtisch, aber der Minister habe die Lampe darüber gegossen. Es ward nun das ölgetränkte Schriftstück Beust vorgelegt, der auch die beiliegende Verordnung, die auch in Öl ertrunken war, noch unterschrieb. Man machte ihm aber bemerklich, daß der Empfänger sich doch verletzt fühlen dürfe und so ward die Sache nach fünf Wochen noch einmal expediert. Januar 7 Bei Kohlschütter, der im Großen Garten wohnt, ist alle Wochenende Zauberfest, bei dem sich, da er Vorstand der Kunstakademie ist, außer dem Ministerium des Innern der Professoren in Masse einfindet. Wir gingen am Montag hin. Früher habe ich mich immer gelangweilt, doch diesen Abend amüsierte ich mich. Ich lernte einen gemütlichen alten Herrn, den berühmten Holzschneider oder vielmehr Aufholzzeichner Professor Ludwig Richter kennen, dessen humoristische Zeichnungen ich sehr liebe. Wir saßen denn fast den ganzen Abend zusammen, daneben Professor Hähnel, der Bildhauer, und Schnorr von Carolsfeld. Letzterer erzählte mit vielem Humor, daß die Beust aus Freiberg in seinem Hause wohnt und sich, um von der Haustür bis an den Wagen zu kommen (das Haus liegt ein Stück von der Straße), einige Schritte weit in einer besonders dazu erbauten Portechaise, die so hoch ist, daß sie darin stehend transportiert werden kann, tragen läßt. Da die Tragstangen aber natürlich unten sind, schwebt sie stets in Gefahr, umzustürzen und alle Hausbewohner erwarten stets diesen Moment mit Ungeduld. Das Ungetüm selbst ist aus Korbgeflecht und gleicht daher ganz einem Hühnerkorb oder höheren Waschkorb.
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Januar 12 Der alte Professor Wachsmuth, mein Mitredakteur an dem Archiv für sächsische Geschichte, ist recht krank und bei seinen hohen Jahren steht sein Verlust wohl nahe. Ich sprach neulich deshalb mit Falkenstein, der meinte, wir könnten die Sache zunächst allein fortführen. Mir ganz recht, wenn er historisches Wissen genug hat, was ich nicht beurteilen kann. Ich selbst bin ein zu großer Freund von historischen Einzelheiten. Diese bestechen mich leicht, wenn ich sie finde und ich bin daher zu steril im Aufnehmen von Sachen! Nous verrons, für die nächsten Hefte ist gesorgt, also haben wir noch Zeit vor uns, wenn Wachsmuth abtreten sollte. Januar 31 Um 11 ½ Uhr Nachts. Soeben ist eine ziemlich (sehr) langweilige Gesellschaft bei uns beendigt: Halles, Seilers, Budbergs, Berlepschens, Wickede, Jordan, Antons: 2 Whistpartien, ledernes Geträtsch. Der einzige Witz, der vorkam, ereignete sich, als Alle fort waren. Meine Frau findet, auf das Sofa in ihrer Stube hingeflegelt, ein Paar schwarze Hosen. Nun habe ich zwar manchmal gesehen, daß Einert in einer schwarzen Weste fortging, die er vorher nicht gehabt, allein daß Jemand in der Stille seine Hosen ausgezogen und in Unterhosen fortgegangen, war mir doch noch nie vorgekommen. Die meinigen konnten es nicht sein, da ich mich nicht im Salon ausgezogen hatte. Schließlich ergab es sich aber doch, daß es meine waren. Wie sie dahin gekommen? Das Rätsel ist noch nicht gelöst. Wahrscheinlich hatte ich sie doch in der Zerstreuung, als ich noch einmal in den Salon gegangen, mitgenommen. Beust soll wieder ganz in den Fesseln der Uckermann liegen. Ich bekomme ihn gar nicht zu sehen, da wir prinzipmäßig in keine großen Gesellschaften gehen und Routs und dergleichen mich nicht zu sehen bekommen. Februar 15 Gestern hatten wir Quartett, das zweite Mal in diesem Winter, Seelmann, Schlick, Schumann und Gustav und ich abwechselnd. Auditorium war Meinhold aus Schweinsburg und Frau, jetzt hier zum Besuch, Kathy, Nostitz-Wallwitz nebst Frau und Mutter und Fräulein von Schönberg. Sophie setzte sich sogar darüber hinweg, daß wir 13 bei Tisch saßen. Vorige Woche waren wir einmal in Loschwitz zu Mittag. Ich wäre am liebsten gleich dort geblieben in meiner stillen Bagatelle. Es fängt schon an zu grünen, da wir fast immer milde Witterung, nur viel Sturm gehabt. Ich arbeite jetzt fleißig an einer Skizze über Moritz Graf von Sachsen, der marechal de France, sammle auch über die Kurfürstin Anna, über die ich in den Korrespondenzen viel Interessantes gefunden habe. Februar 28 Im Orchesterverein war am 19. eine öffentliche Produktion, worin wir einige Sachen von der Kurfürstin Maria Antonia aufführten, was denn die Prinzen veranlasste, ins Hotel de Saxe, wo wir spielten, zu kommen. Dies hob natürlich uns sehr, es ging aber trotzdem schlechter als in der Probe. März 15 Sehr still gelebt, fast keine Gesellschaft besucht, fleißig gearbeitet am Moritz von Sachsen, dessen Lebensbeschreibung Tauchnitz übernehmen will. Gestern früh starb die Prinzeß Auguste, fast 81 Jahre alt. Niemand ist unglücklicher als die Halle. Vorm Jahre hatte sie mit großen Kosten Tableaux arrangiert – da starb die Prinzeß Sidonie. Heute sollte die Generalprobe sein für eine solche Produktion, zu der sie alle Kleider machen lassen, die Einladungen schon seit acht Tagen erlassen – da fällt wieder die Sache zusammen. Um das Unglück voll zu machen, lachen die Leute sie noch aus. Die haute volete, in deren Kreis sie sich jetzt bewegt, ist für alle solche Geschichten blasiert.
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Beust hat seine Tochter Marie verlobt mit einem Sohn des Oberkammerherrn Könneritz, dem schönen, nur etwas krummbeinigen Leonor. Mir macht der Mann ganz den Eindurck eines „fat“. Am Montag Abend gingen wir auf ½ Stunde in die Soiree, die er jetzt vier Montage gibt, um zu gratulieren. März 21 Abermals die Hoffnungen auf einen Thronfolger vereitelt. Die Prinzessin Jarry Georg ist mit einer Prinzeß niedergekommen, die trotz doch aller ihrer vielen Vornamen einen Prinzen nicht ersetzen kann!112 Ich blieb gestern wegen Erkältung zu Hause und kam dadurch um eine Sitzung der Prozeßkommission. Wir haben nun Prozeß – und Konkursordnung beendigt und glaubten, nun ruhig an die Gerichtsordnung gehen zu können. Da kam aus dem Ministerium der Justiz eine Verordnung, daß wir eine Menge Punkte, die wir zur Bestimmung in das Einführungsgesetz, Instruktionen, Ausführungsverordnungen, besondere Gesetze verwiesen, nochmals erwägen sollen. Warum tut denn das Ministerium nicht selbst, was es für nötig hält? Weil es sich ganz aus der Sache heraushalten, sich jeder Prüfung unserer Arbeit, die deren doch noch so sehr bedarf, entziehe und die Sache, wie wir sie abgeliefert haben, den Ständen vorlegen will, damit der Minister (wie bei der Prozeßnovelle auf dem letzten Landtag) sagen kann, ja, die Sache geht mich nichts an, die hat die Kommission bearbeitet und zu vertreten. Ein allerdings durch seine Neuheit wahrhaft erfrischendes konstitutionelles Prinzip, das man bei Beust wohl nicht würde ungeahndet haben aufstellen lassen. April 7 Beust war auch am Sonntag Abend bei mir, eine jetzt seltene Erscheinung. Minister Friesen schrieb mir nämlich vorige Woche, daß er beim Entwerfen des Budgets zu seinem Schrecken wahrgenommen, daß bei den beabsichtigten Gehaltszulagen das Archiv ganz unbeachtet geblieben sei. Er wünsche daher privatim meine Ansicht. Er gab zugleich die von ihm beabsichtigte Erhöhung der Gehalte aller Archivbeamten an, nur meine Stelle war nicht erwähnt. Ich überging dies natürlich in meiner Antwort auch, schrieb aber einige Zeilen an Beust, worin ich sagte, es falle mir im Traume nicht ein, eine Zulage zu beanspruchen, sehe aber, wenn eine Erhöhung aller Gehalte stattfinden soll, nicht ein, warum ich allein ausgeschlossen sein solle. Er sagte nun, daß er die Sache im Gesamtministerium vorgetragen, aber die von ihm vorgeschlagene Erhöhung des Gehalts auf 2 400 Taler gegen Friesen nicht habe durchsetzen können. Mir ist das völlig gleich und ich bat Beust nur um zwei Sachen: 1) daß ich niemals den Titel Geheimer Rat erhalten möge, wovon einmal die Rede gewesen, wie mir Roßberg sagte – da mir der Titel greulich ist, und 2) daß er verhindern möge, wenn man mir etwa einmal das Komthurkreuz des Verdienstordens sollte geben wollen, denn ich weiß ja nicht, wie ich drei Orden um den Hals schnallen sollte, während mir das Ordenskreuz gar keine Sorge macht, da es immer auf der Uniform angenäht bleibt. Eigentümlich war es auch, daß Falkenstein vor Kurzem dem Professor Wachsmuth, der erklärte, er könne die Redaktion des sächsischen Archivs seiner vielen Arbeiten wegen nicht weiter mit führen, 600 Taler für seine Mitwirkung bei den bis jetzt erschienenen Heften auszahlen hat lassen, während ich, der ich eigentlich die Arbeit fast allein verrichtet, alle Korrespondenzen besorgt – nichts 112 Am 19. März 1863 wurde Mathilde Maria als drittes Kind von Prinz Georg und Maria Anna von Portugal geboren. Sie starb am 27. März 1933 in Hosterwitz bei Dresden. Da die beabsichtigte Eheschließung mit Kronprinz Rudolf von Österreich von diesem abgelehnt worden war, blieb Mathilde unverheiratet. Sie galt als herrschsüchtig und halsstarrig.
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bekommen habe! Es soll mir nicht einfallen, da zu betteln, wo ich fordern könnte, denn in meinen vom Gesamtministerium genehmigten Vorschlägen war ausdrücklich gesagt, daß die Redaktion zu honorieren sei. Ich hatte nur keine bestimmte Summe genannt, weil ich damals gar nicht übersehen konnte, wie viel Arbeit die Sache machen werde. Man sieht nur, daß man eben auf anständige Behandlung nicht immer rechnen kann, daß nur der etwas bekommt, der stets happig ist. April 17 Die letzten Worte haben sich nicht bestätigt. Gestern schickte mir Falkenstein 100 Taler Gratifikation für das Archiv. Mai 27 Seit etwa 14 Tagen sind wir in Loschwitz. Heute zog auch Gustav, der die Feiertage in Prag war, heraus. Erhard war nur am 2. Pfingsttag hier. Heute früh ward mir im Archiv der Betriebsdirektor Müller gemeldet. Es war der ehemalige sächsische Leutnant, jetzt Eisenbahndirektor Oberstleutnant aus Zürich. Er hat sich mit einer Witwe, Tochter eines reichen Kaufmanns Bodemer in Zürich, den er auf 12 Millionen schätzt, verheiratet. Der Vater will aber bis jetzt von der Heirat nichts wissen, aber die sechs Geschwister stehen gut mit ihm. Es schien ihm sehr angenehm, daß ich ihn freundlich empfing, während seine übrigen Bekannten aus den aristokratischen und militärischen Kreisen ihn ganz verleugnen, obwohl er sich die künstlich aufgesetzten demokratischen Hörner längst abgelaufen hat. Er kam Nachmittag mit seiner Frau nach Loschwitz. Hübsch ist die Dame von 35 Jahren nicht. Sie scheint auch, soviel man nach 1 Stunde flüchtiger Konversation urteilen kann, nicht besonders geistreich. Indessen hat er doch in dem sonst sehr geistestoten Zürich jetzt eine Häuslichkeit und Aussichten auf eine gesicherte Existenz, wenn der 12 Millionen – Schwiegervater sich eines besseren besinnt. Er erzählte, daß ihn der König, als er in der Schweiz vor einigen Jahren war und Müller in officio auf dem Bahnhof sich einfand, ganz ignoriert hat. Nur der General Engel hat einige Worte mit ihm gesprochen und sich für den schönen neuen Wagen, den er der königlichen Familie zur Disposition gestellt, bedankt. Er hatte auch Ursache dazu. Die Regel ist nämlich, daß fürstliche Personen, die den dazu bestimmten Wagen allein benutzen, die Hälfte der 18 Plätze, die er enthält, bezahlen. Der Adjutant Thielau hatte aber bloß vier Plätze bezahlen wollen, endlich sich zu sechs verstanden, allein es sind sogar mehr Personen mitgefahren, was allerdings einige Sensation gemacht hat und jedenfalls als eine übelangebrachte Sparsamkeit des Kassenführers, der anscheinend Thielau gewesen, erscheint. Von Marschall, dem früheren Advokaten hier, lumpigen Angedenkens, erzählte er, daß er sich mühsam als Zeitungsredakteur und Korrespondent durchschlägt. Mai 31 Hundewetter: Kälte und Regen. Am Freitag haben wir zu unsererer großen Befriedigung die Redaktion der Gerichtsordnung geschlossen. Nun folgt allerdings noch das Ledernste, die zweite Lesung im Plenum, in dem der Präsident von Criegern uns durch seine Langschämlichkeit und unüberlegten breiten Expactoriation zur Verzweiflung bringt. Er bekommt aber Diäten, eine äußerst gefährliche Sache bei solchen Verhandlungen. Juni 8 Die Fortschrittspartei in Sachsen hat nun ihr Programm erlassen (siehe die Beilage). Was sie den Rittergütern noch für Vorrechte der Gemeinde gegenüber entziehen will, ist mir nicht klar, es könnte nur noch der Name sein. Juni 20 Vor einigen Wochen waren Falkensteins mit Halles bei uns zu Mittag. Pater pocula kamen wir auch auf das Justizministerium zu sprechen, das jetzt unter Behr ganz aus
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dem Leime geht. Er hat mir auch selbst gesagt, daß er das fühlt und seine Pensionierung beim König beantragt, dieser ihn aber gebeten hat, noch zu bleiben. Um den Rücktritt ihm sinnvoll zu erleichtern, hat Beust schon vorm Jahre vermittelt, daß ihn der König in das Meißner Domkapitel gewählt hat. Ich warf im Gespräch mehr scherzweise hin, daß Falkenstein ja das Justizministerium mit übernehmen könne und war sehr erstaunt, als er dies sehr eifrig ergriff und seine volle Bereitwilligkeit dazu erklärte. Es schien mir dies insofern ganz günstig, als es dem König die Wahl, an die er sehr ungern geht, erleichtern würde. Er sieht dann kein neues Gesicht. Ich sprach deshalb mit Beust, der aber gleich sagte, ach, Du weißt gar nicht, wie die Sache jetzt steht! Der König hat nämlich auf ein erneuertes Gesuch Behrs ihn nochmals beredet zu bleiben, worauf Behr gesagt hat: „Nun wohl, Majestät, dann bitte ich aber, daß Sie es mir selbst sagen, wenn Sie finden, daß ich meinem Amte nicht mehr genüge.“ Dieses eigentümliche Abkommen ist der König eingegangen. Allerdings ist nun schon abzusehen, wie man der Sache beikommen kann. Das Publikum beschäftigt sich auch mit Behrs Rücktritt und Schladitz teilt mir neulich – aus sicherer Quelle natürlich – mit, daß Falkenstein Justizminister und ich Kultusminister werde. Schneider will mich dagegen zum Präsidenten des Appellationsgerichts in Leipzig machen – eines so zweckmäßig wie das Andere. Ja, vor 20 Jahren vielleicht, auch vor 15 Jahren, hätte ich einen tüchtigen Präsidenten abgegeben, aber jetzt könnte ich nur mich blamieren und der Sache schaden, da ich die Justiz ganz vergessen habe. Ich bleibe, wo ich bin und damit Punktum. Gestern schloß unsere Prozeßkommission: sit tibi terra legis. Wir hatten Alle die Geschichte herzlich satt. Kohlschütter, der zuerst den Mund nicht auftat, fing an, zuletzt aufzutauen, ja er erschien sogar in den letzten, allerdings sehr warmen Tagen, ohne Paletot, unter dem er sonst den schwarzen Frack, dessen er sich als Demokrat schämt, verbarg. In Loschwitz wird heute auf Bagatelle ein neuer Musikpavillon aufgestellt. Nun soll auch wieder Quartett gespielt werden. Den Marschall von Sachsen habe ich vom Gesamtministerium mit Druckgenehmigung vor einigen Tagen zurückerhalten und gehe nun an die Schlußrevision. Es soll ein Porträt dazu gegeben werden, über dessen Fertigung ich vorgestern mit Professor Buchner, den mir Hübner empfohlen, auf Tauchnitz’s Bitte sprach. Juli 3 Am Donnerstag vor 8 Tagen waren wir insgesamt in Meißen zu Erhards Geburtstag. Als wir in die Stadt traten, fiel gleichzeitig ein Haus ein, die Staubwolken verhüllten uns zuerst den Anblick. Gestern war ich abermals in Meißen, um ein Afranerfest zu feiern, 20 Jahre nach dem großen Jubiläum. Ich merkte recht, daß 20 Jahre dazwischen liegen, von nähern Bekannten nur Kohlschütter und Just, alle andere entfernte Menschen – Ehrenstein fehlte! Ich sollte erst einen Toast auf Afra ausbringen, den mir aber der Festredner Professor Oertel wieder abnahm. Die Toaste bei dem Diner auf der Altenburg waren sehr matt, Ich setzte mich nachher mit Erhard und seinen Freunden zusammen und die Jungens tranken fünf Flaschen Champagner, was ihnen sehr gefiel. Juli 5 Gestern kam auch Gustav, der ungeheuere Reste gefunden hat und noch dazu durch ein großes Feuer in Zauckerode unterbrochen worden ist, dessen Tatbestand er konstatieren mußte. Durch Einsturz einer Mauer sind elf Menschen verschüttet worden, fünf tot. Er hat die Leichen aufheben müssen. Juli 8 Beust sagte mir vor einigen Tagen, daß er mich nach Gotha und Weimar senden wolle, um mit Seebach und Watzdorf wegen des französischen Handelsvertrages zu sprechen.
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Bayern will Separatverhandliungen mit den diffentierenden Staaten einleiten, um einen süddeutschen Zollverein mit Österreich zu gründen. Sachsen hat erklärt, daß es an den Verhandlungen nicht teilnehmen werde. Dasselbe will Preußen. Sachsen hat insgeheim – um Bayern nicht übermütig zu machen, bei den Zollkonferenzen, die jetzt in München gehalten werden, dem preußischen Kommissar mitgeteilt, daß es nicht nach Berlin kommen werde, weil Beust dort eine Art Mausefalle besorgt, aus der man nicht herauskommen könne. Ich soll nun die zwei thüringischen Staaten bewegen, sich in Berlin auch nicht einzulassen, also „Politik der freien Hand“. Ob sie richtig ist, weiß ich nicht. Ich warf nur gestern, als ich die Akten, die mir Beust schickte, durchlas, einen schauderhaften Blick in die Zerfahrenheit Deutschlands. Bayern und Württemberg wollen vor allem Preußen keinerlei Superiorität gestehen, hier kurz mal gegen den französischen Handelsvertrag, an den Preußen jetzt gebunden ist. Jeder Staat bis auf das kleine Oldenburg will „ via praecipuum“. Die Relationen der Gesandten über die Besprechungen mit den Ministern in Bayern, Hannover pp. waren in dieser Beziehung sehr interessant. Eine Episode bildete der Londoner Vitzthum. Er schreibt einen mehrere Bogen langen Brief, in dem er sehr behaglich und selbstgefällig einen Abend schildert, an dem er bei Perzigny auf dessen Landsitz gespeist. Au cria du feu kommen die Herren auf Politik und Vitzthum äußert sich, Frankreich möge doch den ganzen preußischen Vertrag ignorieren und mit Österreich verhandeln. Das sagt ein Diplomat Sachsens, das den Handelsvertrag zuerst akzeptiert hat – allerdings etwas naiv und noch naiver, daß er das quasi re bene gesta Beust sehr wohlgefällig schrieb. Der hat ihn aber allerdings furchtbar gescheuert. Ein zweiter Brief Vitzthums sucht die Sache zu entschuldigen, Perzigny sei so zerstreut, daß er gewiß nicht mehr wisse, was er mit ihm gesprochen – allerdings einige Selbsterkenntnis, wenn Vitzthum meint, das, was er mit Perzigny gesprochen, diesem doch zu einem Ohr hinein, zum anderen herausgegangen sei. Beust beruhigte sich aber nicht dabei, indem er besorgte, man könne argwöhnen, Sachsen wolle mit Frankreich insgeheim verhandeln. Schweigen ist Gold, das hat Vitzthum nicht bedacht. Juli 12 Meine Reise hat sich glücklicher Weise erledigt, da Watzdorf aus Weimar wegen des Begräbisses seiner Schwiegermutter, der Ministerin Könneritz, die in Marienbad gestorben ist, hierher gekommen. Heute wird nun ein großes Familiendiner gegeben, bei dem Beust Ferdinand den Orden überreichen wird, ein Geheimnis, das ich seit einigen Wochen weiß. Ferdinand war sehr erfreut, als er den Orden unter der Serviette fand. Nach Tische kam noch der Professor Richter und Dr. Falke mit seiner kuriosen Frau, einer echten schwäbischen Gurli, wie die Frau Professor in der Stube der Birchpfeifer. Juli 19 Vielerlei Diners gehabt, einmal den Kapellmeister Dorn aus Berlin, vorgestern Professor Moscheles aus Leipzig, den berühmten, aber jetzt alt gewordenen Klavierspieler. Seine Frau, eine Hamburgerin, ist eine ganz nette alte Frau. Darüber eine Tochter, an den preußischen Konsul Rose (a: fallor?) in Jerusalem verheiratet, die manches Interessante erzählte. Sie macht ihre Niederkünfte allemal in Deutschland ab und scheint da alle Jahre 3 Monate deshalb hier zu sein. Sie hatte ein Skizzenbuch mit, was ganz nette orientalische Skizzen enthielt. Daneben eine jüngere Schwester, die allerdings ihre Abstammung im Äußeren sehr zur Schau trägt, aber trefflich singt. Unter Begleitung des alten Moscheles sang sie mit Jenny Küstner, die mit ihrer Mutter, Adolfs und Antons auch mit speisten, nach Tische und das war allerdings ein Genuss, den man nicht alle Tage hat.
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August 9 Beust hat bei dem großen Turnfest in Leipzig, bei dem 22 000 Turner erschienen, wieder einen Triumph gefeiert, indem die Sache, die ihm von vielen Seiten als schwer gefährlich verargt worden, ganz gut abgelaufen ist. Auch hat seine sehr klug gehaltene Rede den Beifall der großen Mehrzahl gefunden und Schmeichler, an dem es einem Minister nicht fehlt, haben ihn in Leipzig bedeutend beweihraucht.113 Es scheint ihm dies doch etwas zu Kopfe gestiegen zu sein oder mindestens hat es ihn sehr befriedigt, in Sachsen eine Anerkennung zu finden, über deren Mangel er schon öfters gegen mich geklagt hat. Gestern erreichte dieser Ausdruck seinen Kulminationspunkt. Schon vor einigen Tagen sagte mir Beust, daß ihm die Gesangvereine, etwa 150 Mann stark, in Laubegast ein Ständchen bringen wollten, zunächst als Anerkennung darüber, daß das Ministerium kürzlich eine Verordnung, welche Gesang- und Turnvereine über die politischen Vereine aufgehoben hat. Beust lud mich und Sophie zu der Ovation ein. Letztere kam am Freitag mit Oda zu meiner großen Freude glücklich wieder an. Leider wurde die Freude dadurch gedrückt, das sie wieder einen Anfall von Eifersucht bekam – weil ich sie im Scherz hübsches Mädchen nannte. Der Anfall ging aber glücklicher Weise vorüber und so fuhren wir denn bei herrlichem Abend mit Gustav, der gerade um 7 Abends ankam, gestern nach Laubegast, wo wir auch den Pariser Seebach und Forth-Rouen trafen. Um 8 etwa zeigten sich die Dampfschiffe. Das eine zog einen großen Kahn, der in der Tat höchst geschmackvoll mit bunten Lampen pp. dekoriert war, das zweite trug die Zuschauer, war auch recht hübsch dekoriert. Etwa 400 (statt 150) Sänger und Fackeltragende Turner zogen aus dem Schiff vor Beust’s Haus, stellten sich an der Elbe auf, bequalmten uns auf dem Balkon furchtbar und sangen mit Musikbegleitung die Lieder. Dann hielt ein Dr. Lindner eine, wie mir schien, sehr unpassende Rede. Beust kam nur ganz beiläufig vor. Dagegen applizierte er unter sehr vielen politischen Tyraden, was eigentlich die Gesangvereine für einen wichtigen Zweck verfolgten. Merkwürdiger Weise hatte er auch entdeckt, daß Uhland in der Ballade „Es fuhren 3 Burschen wohl über den Rhein“ mit der toten Wirtstochter „Deutschland“ gemeint habe. Also Deutschland eine abgestandene Wirtstochter, mit der nichts weiter anzufangen ist, als sie zu begraben! Vortrefflich war dagegen Beust’s natürlich in der Hauptsache improvisierte Rede, indem er mehrfach anknüpfte an die erste Rede. Er war aber den ganzen Abend in einer großen Aufregung. Um die von dem Pechfackelqualm ganz rauh gewordene Kehle wieder zu glätten, aß er vor dem Sprechen noch ein rohes Ei. Dann rückte die ganze Schar mit ihren Fackeln und Fahnen in den glücklicher Weise sehr großen Hof und Garten. Aber für 400 reichten die 50 Flaschen Lößnitzer, secunda Qualität, die er angeschafft hatte, nicht. Er ließ nun noch alles, was sich Champagnerähnliches in Laubegast fand (17 Flaschen), holen und eine unbestimmte Anzahl Eimer Bier. Die Vorstände der Vereine und Kapellmeister Krebs wurden in den Salon zitiert und da bewirtet. Wir Alle, Forth-Rouen auch, liefen mit Champagnerflaschen hinaus in die Dunkelheit und servierten den Herren sant bien zigmal. Einige bekamen zu viel, andere nichts. Das Ganze war aber wirklich sehr gelungen.114 Ich fragte die Vorstände, ob wir bis Loschwitz mitfahren wollten können und als diese, denen ich tüchtig einschenkte, waren natürlich sehr empressiert, das zu genehmi113 Bericht über das Turnfest in den Dresdner Nachrichten vom 4. August 1863 siehe Dokumentenanhang Nr. 23. 114 Ein ausführlicher Bericht darüber findet sich im Dresdner Journal Nr. 183 vom 11. August 1863.
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gen und wir gingen denn mit auf das Dampfschiff. Vom ersten illuminierten ging es auf das zweite. Hier angelangt, fand ich den Kondukteur, der aber erklärte, es sei unmöglich, uns in Loschwitz auszusetzen. Wir mußten nun wieder über die beiden Schiffe und es ward nun dem dritten Schiff zugerufen, uns abzuholen. Das konnte aber nicht heran und so mußten wir auf einer glücklicher Weise vorhandenen Leiter in einen Kahn steigen, der uns endlich an Bord des andern Schiffes brachte. Musik, Feuerwerk, Salutschüsse, überall bengalisches Feuer, prachtvoller Abend, Champagner, es war wirklich herrlich. Erst nach 12 Uhr kamen wir zu Hause. Höchst lächerlich war ein zufälliges Schattenspiel, das sich an einem Hause in Laubegast zeigte, vor dem ein bengalisches Feuer abbrannte. Die hinter ihm vorbeilaufenden Kinder pp. warfen so grelle Schatten auf das Haus, daß ich noch nie ein Schattenspiel in so großartigem Format gesehen habe. Wir tranken noch ein paar Flaschen Wein zu Hause und kamen erst um 2 Uhr ins Bett. August 16 Beust ist nun nach Frankfurt zum Fürstenkongreß abgereist.115 Er machte noch folgenden Vers darauf: Zum Kampfe mit der faulen Rasse, die auf der Eschenheimer Gasse, Einmal die Woche sich vereint, Zog Ibikus der Götter Freund. September 13 Erhard ist jetzt hier. Er hat mit den Tertianern, zu denen er jetzt zu Michaelis gesellt worden, eine kleine Tour gemacht. Sie war auf 4–5 Tage berechnet und ich gab ihm dazu 10 Taler. Statt aber sich in der schönen Natur des Erzgebirges zu amüsieren, haben die Jungens im Kloster Zelle und dann in Kriebstein die Nächte Bier gesoffen, sich betrunken und sind dann am fünften Tage mit Katzenjammer zurückgekehrt. Da machten wir es in der Jugend allerdings anders. Wir verstanden uns harmlos zu amüsieren, ohne den Genuss bloß im Bierbesaufen zu suchen. Im Ganzen bin ich sonst nicht unzufrieden mit ihm. Das Lügen, sonst ein Fehler bei ihm, hat er, wie es scheint, abgelegt. Er ist aufmerksam und dienstfertig, aber sehr ruschlig. Gustav lehrt ihm jetzt Stenographie. Auch mit dem Klavierspiel geht es leidlich. Ein Graf Magnoncour, der schon 1858 hier war, um historische, ziemlich unklare Studien zu treiben und der in Paris sich Gustav freundlich erwies, ist jetzt wieder hier mit einem Plan, Korrespondenzen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zu sammeln, beschäftigt. Die französische Regierung hat ihm dazu 5 000 France bewilligt, die wahrscheinlich weggeworfen sind. Ohne den Mann, der einer vornehmen Familie angehört, zu ralliieren, denn da er 115 Im Ringen um die Vormachtstellung im Deutschen Bund und um eine Bundesreform lud Kaiser Franz Joseph die Fürsten der deutschen Bundesstaaten zu einem Kongreß nach Frankfurt a. M. ein. Am 17. August 1863 versammelten sich im Palais des Bundestages Kaiser Franz Joseph, die Könige von Bayern, Hannover, Sachsen und Württemberg, die Fürsten der anderen deutschen Bundesstaaten und die Oberhäupter der vier Freien Städte. König Wilhelm I. von Preußen hatte die Teilnahme unter dem Druck Bismarcks letztlich abgelehnt. Da sich der preußische König in Baden aufhielt, hatte König Johann im Auftrag der Fürsten versucht, ihn doch noch zur Teilnahme zu bewegen allerdings ohne Erfolg. Am 1. September 1863 verabschiedete der Kongreß eine Reformakte, die u. a. den sächsischen Reformvorstellungen folgte. Siehe Kretzschmar, Die Zeit König Johanns, S. 40–44. – Groß, Die Wettiner, S. 250. – Flöter, Sachsen und der dritte deutsche Weg. In: Johann-Katalog, S. 335–341. – Katalog Bayern und Sachsen in der Geschichte, S. 287–289.
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eigenlich gar kein historisches Wissen hat, wird die Wissenschaft durch ihn wenig gewinnen. Ich lud ihn mit Helbig und dem neu gebacknen Appellationsrat Abeken und Frau zu Tische. Vorgestern kam der Geheime Rat Lemaistre zu mir, eintretend mit den Worten: Es gibt Dinge in der Welt, über die man den Verstand verlieren muß, wenn man welchen hat. Ich wollte nicht antworten, daß dieser Fall bei ihm unmöglich eintreten könne und wartete daher die weitere Anwendung seiner Worte ab, die dann dahin ging, daß der König, bei dem er jetzt in Abwesenheit Beust’s (der nach seiner Rückkehr von Frankfurt a. M. nach Gastein gegangen ist) den Vortrag hat, gefragt, wo denn mein Vortrag bleibe, der über die Ebenbürtigkeit der Ehe des Herzogs von Koburg Cohary erfordert worden? Der ist bereits am 1. August abgegangen, Beust hat ihn aber eingeschlossen. Darüber wollte Lemaistre den Verstand verlieren. Er hat nun nach Gastein darnach telegraphiert und die Antwort erhalten, daß ein Brief erklären werde, wo das opus liege. Oktober 12 Heute traf ich zuerst wieder Beust auf dem Dampfschiff nach seiner Rückkehr von Gastein. Wie er immer voll Anekdoten ist und vorzugsweise gern die lächerlichen Szenen aus seiner amtlichen Tätigkeit wiedergibt, so erzählte er auch folgenden Casus. Letztes Frühjahr erscheint hier der schwarzburgische Premier, Staatsrat Kaiser, in der offensichtlichen Absicht, einen Staatsvertrag abzuschließen über die Aufnahme einiger Kinder in Bräunsdorf und die Benutzung der Tierarzneischule für die Schwarzburgischen Völker. Die Sache ist natürlich sehr schnell erledigt und nachdem dies gelungen, macht Kaiser in weißem Halstuch mit einem Komturkreuz um den Hals früh bei Beust eine Visite und eröffnet dem, nachdem seine Andeutung, daß sein gnädiger Herr ihn beauftragt, einige Dekorationen dem Minister zur Verfügung zu stellen, ohne Erwiderung geblieben, unter vielem Drucksen, daß sein gnädigster Herr den lebhaften Wunsch hege, daß ihm, Kaiser, ein sächsischer Orden verliehen werde. Beust gibt eine ausweichende Antwort. Als er nach Frankfurt kommt, erscheint am zweiten Tag bei ihm in Person Fürst Günther von Schwarzburg und wiederholt den Wunsch. Beust sagt, Kaiser habe ja, wie er selbst gesehen, schon einen Orden. Ja, erwidert Günther, aber nicht – auf die linke Seite deutend. Beust muß es nun notgedrungen dem König sagen, der auch zur Ordenserteilung sich bereit erklärt, da man ja Interesse hatte, die Kleinen sich geneigt zu machen. An dem Tage, an welchem der Kaiser von Österreich das große Fürstendiner gibt, kommt der Staatsrat Kaiser wieder zu Beust, um wegen des Ordens zu querulieren. Beust sagt, er werde ihn erhalten, er könne aber die Deduktion nicht zur Stelle ihm geben, da er sie aus Dresden kommen lassen muß. Oh, erwidert der Staatsrat, dafür ist gesorgt! Er hat sich in der Tat schon einen ungeheueren Stern gekauft!, mit dem er bei dem Diner erschien. Den Orden hat er aber bis jetzt noch nicht bekommen. Der Schwarzburgische Dynast hat sich aber gerächt, indem er Just und Zahn einen Orden verliehen und beide Unglückliche standen gestern in der Zeitung als Ordensritter. Beust sagte auch, daß er in große Verlegenheit mit dem Zivilkommissar komme, der mit nach Holstein bei der Bundesexekution gehen müsse. Er hat dabei den Kreisdirektor von Könneritz vorgeschlagen, ohne jedoch einen bestimmten Beschluß gefaßt zu haben. Während seiner Abwesenheit hat man die Sache wahrscheinlich im Gesamtministerium besprochen und der König mag, ohne Beust nochmals zu hören, Könneritz benachrichtigt haben. Jetzt will aber Hannover einen ehemaligen Minister, eine Exzellenz schicken und die Familie Könneritz benutzt dies, um einem längst gefühlten Bedürfnis abzuhelfen, auch eine Exzellenz in die Familie zu bringen. Beust bemerkte aber mit Recht, daß Kohlschütter
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oder wenigstens Sie verrückt werden würde, wenn Könneritz die Exzellenz erhalte. Wolle er aber Kohlschütter auch dazu machen, so würde Friesen sofort mit Weißenbach und Broizem, Falkenstein mit Hübel anrücken. Was das nur alles für Narrheiten sind.. Mir geradehin unfasslich! Da schnappen die Menschen nach einem Bändchen, nach einem Titel und bedenken nicht, daß sie sich nur lächerlich damit machen. Heute bekam ich den letzten Korrekturbogen des Moritz von Sachsen, nun werde ich sobald wohl nichts Größeres wieder schreiben.116 Oktober 21 Von der Feier der Schlacht bei Leipzig, die ihr 50jähriges Jubiläum beging, habe ich in meinem stillen Loschwitz nichts bemerkt. Still und deshalb auch angenehm, trotz einiger Übel, ist es jetzt, da Antons und auch Gustav in die Stadt gezogen sind. Beust reist heute nach Nürnberg zu Ministerkonferenzen über die Deutsche Frage.117 Er klagte über Carlowitz, unsern „Gesandten“ in Weimar, der über alle Maßen köstlich sei. So hat er jetzt ihm durch den preußischen Telegraphen gemeldet „Der Herzog schwankt“ – ich weiß nicht, welcher sächsische Herzog. Beust erzählte auch eine gute Geschichte aus Frankfurt. Über seine Rede beim Turnerfest in Leipzig erschien im Kladderadatsch ein höchst spaßhaftes Gedicht, daß etwa so schloß: den rechten Ton getroffen das ist so schwer So nämlich fast, so ehrlich offen so redet außer ihm – nur Er (d. h. Louis Napoleon) Das Gedicht ward auch in Frankfurt öfters erwähnt. Einst wird Beust gesagt, daß eine Frau von Rohane, die Frau, dessen der Hinkeldei erschoss – eine sehr muntere Dame, seine Bekanntschaft zu machen lebhaft wünsche. Das Rendevous findet in einem Glassalon des Hotels statt, wo die Minister sich öfters versammeln. Beust wird vorgestellt, die Dame aber wendet sich sogleich ab und sagt, sie müsse fort. Beust äußert seine Befremdung über diese eigentümliche Art, wie die Dame das Bedürfnis seiner Bekanntschaft so schnell befriedigt hat. Da sagt ihm ein Kollege, den die Dame ins Vertrauen gezogen – „kein Wunder, sehen Sie sich nur an, Ihre Hosen stehen ja offen.“ Dem war so, ein Anderer aber sagt: So männlich fest, so ehrlich offen So sitzet außer ihm nur – Er! Dezember 6 Am Montag ließ mir der König sagen, ich solle um 6 Uhr zu ihm kommen. Er sagte mir, daß er sich seit acht Tagen mit der Schleswig-Holsteiner Sukzessionsfrage beschäftige, las mir dabei verschiedene Sätze vor, die er deshalb niedergeschrieben hatte und von denen ich, da mir die ganze Sache völlig fremd ist, gar nichts verstand. Das Ende war, ich solle ihm meine Rechtsansicht mitteilen. Ich habe nun die ganze Woche über den Kram studiert und einiges zusammengestellt, was aussieht wie ein Rechtsgutachten, eine vollständige Bienenarbeit, da ich von Lehnrecht nichts verstehe.118 Soeben trug ich nun einen Brief 116 Karl von Weber: Moritz Graf von Sachsen. Leipzig 1863. 117 Im Nachgang zum Frankfurter Fürstenkongreß fanden weitere Besprechungen der deutschen Fürsten mit Kaiser Franz Joseph im November 1863 in Nürnberg statt, die aber auch nicht zur Realisierung von Bundesreformplänen führten. Siehe Hellmut Kretzschmar, Die Zeit König Johanns, S. 42/43. 118 Die Herzogtümer Schleswig und Holstein waren seit 1848 ein Brennpunkt der deutschen Politik in der
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an den König mit der Meldung, daß ich bereit sei, ins Schloß. Am Eingang zu der Wohnung des Königs standen wie gewöhnlich Schildwachen, aber nicht um den Eingang zu wahren, sondern um die honoeurs zu machen. Im ersten Vorzimmer kein Mensch, im zweiten ebenso Niemand. Ich klopfte an eine Nebentür, öffne sie, kein Mensch. So hätte ich direkt bis in die Arbeitsstube des Königs gehen können. Außer mir kamen aber noch zwei Jungens herein, offenbar niedern Standes, anscheinend mit einem Bettelbrief. Eine treffliche Sicherheit! Man hätte einstecken können alles was herumstand. Ich beschloß nun, den Portier zu fragen, wie man es denn mache, um den Brief abzugeben. Da begegnete ich einem Lakaien, der mir, als ich ihm meinen Wunsch und daß Niemand im Vorzimmer sei mitteilte, antwortete: Ja ich bin eben weggeschickt worden zum Minister Beust. Unsereiner hat doch wenigstens eine Köchin, die, wenn der Diener ausgegangen ist, das Vorzimmer hütet! Ich ging zum Oberhofmarschall von Gersdorf und Minister von Zeschau, um es ihnen zu sagen, fand aber keinen zu Hause. Die Präsidenten der Kammern haben jetzt auch einen besonderen Hofrang erhalten, in der ersten Klasse nach den Ministern. Fragt sich nun, ob sie nicht auch ein Prädikat bekommen müssen? Ich würde vorschlagen „Intelligenz“, wenn sie sie verweigern sollten. Neulich bekam ich auch ein Diplom als Ehrenmitglied der Osterländischen Gesellschaft in Altenburg. Nächst der Kühnheit, daß die Gesellschaft mich als einen namhaften Gelehrten bezeichnete, frappierte mich der Mut eines „ Hasen“, der sich auf dem Diplom ruhig neben einem „Löwen“ hingesetzt hatte. Schade, daß ich der Gesellschaft diese Heldentat nicht besonders hervorzuheben wagen mochte! Dezember 14 Gestern nach Tische kam Seebach aus Gotha zu mir. Er ist sehr schleswig-holsteinisch gesinnt und erzählte da Allerlei. Ich verstehe nichts von Politik und interessiere mich auch gar nicht für die diplomatischen Kniffe. Er meinte auch, Beust habe sehr klug manövriert, aber es traue ihm eben Niemand. Auch bei den Nürnberger Konferenzen sei es unangenehm aufgefallen, daß er die Sache so wenig ernst behandle, lieber Witze mache pp. Dezember 17 Am Dienstag Abend waren Seebach, Schimpfs und Kotzebue bei uns, später kam noch Halle. Wir saßen noch bei einer Partie, als Beust mich herausrufen ließ. Er kommt nur, wenn er mich braucht. Man hat für nötig erachtet, Könneritz, der zum Kommissar nach Holstein ernannt worden ist, einen höhern Charakter zu verleihen und ihn zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt. Beust fürchtete nun, daß diese Exzellenz Kohlschüttern sehr in die Nase fahren werde. Meinem frühern Vorschlag – als er mir schon vor Monaten sagte, er besorge, daß es nötig sein werde, Kohlschütter jenes Prädikat zu geben – begegnete er damit, daß dann alle Minister mit ihren ersten Räten anrücken und Gleiches verlangen würden, insbesondere Hübel, Weißenbach pp. Ich sollte also Kohlschütter calmiren. Das war gar nicht Auseinandersetzung mit Dänemark, verbunden mit der Beherrschung der Meerengen von der Ostsee zur Nordsee. Die für beide Herzogtümer komplizierten erbrechtlich-dynastischen Probleme waren durch die Londoner Protokolle von 1850 und 1852 zunächst unter internationale Kontrolle gebracht worden, wobei wie in Dänemark die weibliche Erbfolge der Glücksburger gelten sollte. Nach dem Tod von König Friedrich III. von Dänemark (1808–1863), zugleich Herzog von Schleswig, trat Christian IX. (1818–1906) aus dem Hause Sonderburg-Glücksburg die Nachfolge an, hob aber die Sonderstellung Schleswigs auf. Damit wurde Schleswig von Holstein, das dem Deutschen Bund angehörte, getrennt, womit dann die erneute militärische Auseinandersetzung mit Dänemark vorprogrammiert war.
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schwer. Als ich Mittwoch früh (gestern) zu ihm kam, fand ich ihn bereits in Kenntnis gesetzt und er faßte die Sache sehr ruhig auf, was, wie er andeutete, bei seiner Frau eben nicht der Fall gewesen. Er deutete nur auf seinen früheren Wunsch hin, daß er zum Unterstaatssekretär als Vertreter des Ministers ernannt werde und äußerte den Wunsch, daß seine Gratifikation, die er für die Vertretung des Ministers erhalte, als Besoldung ausgewiesen werde. Ich sagte dies nun Beust, mit dem ich in Gegenwart Forth-Rouens, der gerade bei ihm war, im Vertrauen, daß dieser nicht ausreichend Deutsch verstehe, verhandelt, und dieser schien sehr froh, mit solchen Lappalien Kohlschütter befriedigen zu können. Beust blieb, nachdem wir unsere Sache besprochen, am Dienstag Abend noch zum Essen und wir waren recht fidel. Beim Fortgehen aber hatte Halle das Malheur, die Treppe herabzustürzen, glücklicher Weise ohne sich zu beschädigen. Er muß aber doch das Bett noch hüten. Seebach erzählte mir auch noch eine Geschichte vom Frankfurter Fürstentag. Unserem König hatten die anderen Fürsten den Beinamen „Der Jurist“ beigelegt. Einige Fürsten mit dem König hatten eine Besprechung über das projektierte Direktorium. Der Kurfürst von Hessen, durch den Mangel aller Redegabe ausgezeichnet, ist sehr dagegen, vermag aber seinen Dissenz nicht von sich zu geben. Endlich springt er ganz wütend auf und sagt: „Ich bin zwar kein Jurist (auf den König deutend), aber auch kein Gimpel, der sich auf Eurer Leimrute fangen läßt!“ und läuft fort. Heute ist der Geheime Justizrat Wilke, ein Mann in den besten Jahren, auf dem Bahnhof, im Begriff, eine Reise anzutreten, plötzlich tot hingestürzt. Für das Justizministerium um so mehr ein Verlust, weil er eigentlich die einzige Intelligenz darin war, nachdem Criegern Präsident in Leipzig geworden. Das Ministerium geht ganz aus dem Leim, da Behr sich um garnichts kümmert. Mit unendlicher Naivität hat er jetzt im Budget (Landtagsakten 1863 Abt. I T.1 S. 147 Nr. 2) die Zulage für den ersten Rat mit den Worten motiviert, daß dieser den Minister zu vertreten habe, „da der Letztere in Folge vermehrter Geschäfte den Sitzungen nur Ausnahmsweise persönlich beiwohnen kann“. Das hat wohl noch kein Minister öffentlich gesagt, daß er nur Ausnahmsweise sich um sein Departement kümmere! Dezember 22 Niemand kann seinem Schicksal entgehen! Ich bin einmal dazu bestimmt, eine Sammlung von Ordensbändern auf mir zu vereinigen. Darüber, daß ich immer nicht weiß, wann ich sie anhängen soll, wann nicht, daß ich sie trage, wenn es nicht nötig, weglassen, wo ich sie hätte produzieren sollen, darüber würde ich mich wegsetzen. Allein es ist mir unangenehm, daß die Leute glauben müssen, ich hasche nach solchen Lappalien. Ich habe mir in der Tat alle Mühe gegeben, um solchen „Auszeichnungen“ zu entgehen. Lange Zeit hat Beust sich auf meine Bitten verhandelt, daß mir statt des bayerischen Ordens, der mir, nachem ich die Maria Antonia geschrieben, von München drohte, eine wertvollere Anerkennung werde – es war vergeblich. Als ich 1859 und 60 die Akten auszuscheiden hatte, die schon früher nach der Landesteilung hätten abgegeben werden sollen, habe ich es nicht gemacht wie Zweuer, der dasselbe Geschäft im Finanzarchiv zu besorgen hatte und ein paar Dutzend Akten, die an Weimar gehörten, dahin direkt abgab, um den Falken zu erlangen, sondern absichtlich gab ich alles an Preußen, dem dortigen Kommissar es überlassend, sich einen Falken zu holen durch Absonderung der Weimarischen Akten. Dem Staat Koburg habe ich mehrfache Exposees gemacht, gelehrte Abhandlungen geschrieben, aber Seebach bestimmt, mich nicht etwa mit einem Ernestiner zu kränken. Auch dieses Jahr ging ich in einer
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solchen Sache vorsichtig zu Werke. Es sind im Archiv Manuskripte des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen. Ein unvollständiges Exemplar ist in Wien im Besitz des Erzherzogs Albrecht. Er wandte sich durch die österreichische Gesandtschaft hierher, um Abschrift der ihm fehlenden Bände mit Beglaubigung. Ich beantragte, daß die Abschrift nicht durch Archivbeamte gefertigt und die Beglaubigung verweigert werde, die eine ganz unnütze Schererei bei zwei dicken Foliobänden gewesen wäre. Ich war also offenbar nicht sehr ordenssüchtig entgegenkommend. Die Abschrift ward durch ein paar Privatschreiber auf Kosten des Erzherzogs gefertigt. Meine ganze Mühe reduzierte sich auf Bezahlung der Kopialien, einige Briefe und Besprechungen mit dem österreichischen Gesandten Freiherr von Werner, der mich dafür mehrere Male zu sich bat, wogegen ich nichts hatte, da er ein liebenswürdiger, höflicher, unterrichteter Mensch ist. Vorgestern treffe ich ihn in der Hausflur bei Halle und er eröffnet mir – daß mir der Kaiser den Franz Joseph erteilt habe. Ich sagte ihm, daß mich dies im hohen Grade beschäme, da ich mir gar keiner Verdienste um Österreich bewußt sei. Darauf bezog er sich auf die Abschrift und – meine literarischen Leistungen! Da hört doch Alles auf!, wenn man nicht einmal einige Bücher zu seinem Plaisier schreiben darf, ohne ein Band um den Hals zu bekommen. Da übrigens Werner jedenfalls die Sache angestiftet und es gut gemeint hat, so machte ich ihm gestern eine Visite und wollte ihm ein Exemplar des Moritz von Sachsen schenken. Den hatte er sich gekauft! Nun so will ich mich wenigstens dadurch rächen, daß ich ihm ein Exemplar der Maria Antonia zu verschaffen suche, die er noch nicht hat.
1864 Januar 4 Am Sonnabend wurde die Holsteinische Sache im Gesamtministerium durch Oberappellationsrat von König, dem Referenten, vorgetragen. Er war sehr wenig präpariert und der König und selbst der Kronprinz berichtigten mehrmals Tatsachen. Ich gab dann meinen Senf auch mit dazu. Die Minister sagten kein Wort, nur Friesen wollte Lauenburg von Dänemark losreißen – quo titulo. Den Beweis blieb er aber schuldig. Gestern, Sonntag, während ich im Orchesterverein war, schickte der König, ich solle um 3 Uhr zu ihm kommen. Er hatte sich noch drei Bedenken gemacht über einzelne Rechtsfragen, die ich ihm aber schnell erledigen konnte. Kaum war ich wieder zu Hause, so kam schon Beust, um zu wissen, was für Bedenken der König wieder gehabt – er hatte sie ihm also nicht mitgeteilt – dem Departementsminister!! Heute früh schickte Oberappellationsrat von König den von ihm gefertigten Entwurf zur Abstimmung beim Bundestag, eine Arbeit, die mir schon in der Anlage ganz verfehlt schien. Ich konnte nun, da er sie gleich wieder haben wollte, nicht die ganze Sache umarbeiten, sondern schickte ihm einige Bemerkungen über das, was mir im Wesentlichsten mangelhaft schien. Ich mag so wenig als möglich in der Sache zu tun haben, da ich eine feste richterliche Überzeugung nur dann aussprechen kann, wenn ich zuvor die einschlagenden Urkunden in authentischer Form eingesehen. Jetzt kann man immer nur sagen, wenn etwa die Urkunde so lautet, so tritt der Rechtsschutz ein. König hatte aber seine Arbeit so abgefasst, als wisse er alle, zum Teil noch zu erweisende Tatsachen, ganz bestimmt. Kurz, ich hätte die ganze Sache anders angelegt. Heute Nachmittag war er nun bei mir, um nochmals deshalb mit mir
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zu reden, was aber zu nichts weiter führen konnte, da er sein Expose mit meinen allerdings dazu nicht bestimmten Bemerkungen Beust schon gegeben hatte. Januar 9 Wahrhaft rührend ist es, mit welcher Gewissenhaftigkeit, ja Gewissensangst, der König die Schleswig-Holsteinische Frage verfolgt. Einen Tag um den anderen läßt er mich rufen, um sich durch Rücksprache über neue ihm aufgestoßene Skrupel zu beruhigen. Ja, wer nur das immer könnte! Es liegen eben Bedenken schon deshalb in der Sache, weil man das tatsächliche und urkundliche Material nur aus Parteischriften kennt. Gestern sagte er mir beim Scheiden, indem er sich entschuldigte, daß er mich so oft rufen lasse: „Sie sind mein Gewissensrat, ich finde immer bei Ihnen ein unbefangenes Urteil.“ Ja das wohl, aber ob das richtige? Heute habe ich eine Einladung zum Fürst von Schönburg erhalten, den ich eigentlich gar nicht kenne, da ich ihn seit Jahren, wo ich ihn als jungen Menschen bei seinem Vater sah, nicht wiedergesehen. Ich wollte erst nicht hingehen, da ich nicht gleich komme, wenn Jemand pfeift. Ich höre aber, daß schon sein Vater sich so gestellt, daß er ohne Visite Einladungen ergehen ließ, die man in observantia annahm. Wenn freilich das Diner schlecht ist, dann bereue ich meine Konscendenz. – Dazu hatte ich keine Veranlassung, das Diner war gut. Die Gesellschaft, außer Oberappellationsrat von König, waren nur Kammermitglieder, meist Bürgermeister, und der Oberhofprediger Liebner, den ich noch nie gesehen hatte. Der Zufall führte uns bei Tisch zusammen und wir machten die Bekanntschaft. Der Fürstin, eine imposante Erscheinung, ward ich natürlich vorgestellt, allein wir sprachen kein Wort zusammen. Beim Verabschieden, das sehr altväterisch mit Komplimenten geschah, versicherte sie mir aber, es sei ihr sehr angenehm gewesen, meine Bekanntschaft zu machen – also schon mein bloßer Anblick hat sie erquickt, sehr schmeichelhaft. Abends spielte ich bei Sahr mit Forth-Rouen pp. eine Partie. Letzterer übergab mir einen Brief von Geffroy, worin er bittet, er möge mich und andere „savants“ zu Rate ziehen, ob wohl Friedrich der Große der Vater der Kaiserin Katharina II. von Rußland sei, wie er in einem Pamphlet gelesen (?) Friedrich wird dazu wohl keine Zeugen genommen haben und ich werde daher die Tatsache schwerlich konstatieren können. Was für sonderbare Ansprüche doch an einen Archivar gemacht werden. Januar 13 Ich hatte Beust bestimmt, daß er das volumen in der Schleswig-Holsteinischen Sache durch den Legationsrat von Zobel bearbeiten lassen solle, da er ihn mir sehr gerühmt hatte und ich glaubte, daß es gut sei, wenn er einmal Gelegenheit bekomme, sich in einer großen Arbeit zu zeigen. Er kam zu mir und da er auf meine Frage, ob er sich mit der Sache schon beschäftigt habe, dies bejahte, so hielt ich ihm eine Art Vorlesung, um ihm die Gesichtspunkte zu bezeichnen, die er zu berücksichtigen habe. Dazu gab ich ihm die Einleitung, die ich schon gemacht hatte und einige Notizen, die ich bei meinem ersten Vortrag beim König benutzt hatte, die aber natürlich kein fertiges Expose war. Was macht der Zobel, nach vier Tagen bringt er eine Arbeit, die fast nichts war als eine Abschrift meiner Notizen! Ganz unverdaut! Beust bat mich nun, die Sache zu korrigieren. Ich arbeitete den ganzen Tag daran, schicke ihm Abends die Sache. Als ich heute um 3 Uhr zu ihm kam, hatte er das Couvert noch gar nicht erbrochen, sagte, er könne es nicht lesen, Zobel solle es nun umschreiben. Dagegen war er ganz voll seiner großen Politik, meinte, indem er mir seine Abstimmung über den Antrag Preußens und Österreichs, Schleswig zu besetzen, gab, er habe da neue Komplikationen hineingebracht. Je mehr Komplikationen, je verwirrter die Sache werde, um so besser sei es.
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Kuriose Politik, die ich nicht verstehe. Ich danke Gott, daß ich nichts damit zu tun habe. Er zeigte drei dicke Aktenstücke, die er in der letzten Zeit geschrieben. Dabei kamen und gingen telegraphische Depeschen pp. Es war ein Wirrwarr, der ihm sehr behagte – mir nicht! Januar 24 Eine rechte Wohltat war mir eine Ovation, die man neulich im Theater dem König brachte. Es wurde (es war wohl Dienstag in letzter Woche ?) der alte Student von Benedix gegeben. Es kommt da ein Komers vor und der Landesvater wird mit allen Solemnitäten gesungen. Als man auf dem Theater mit gekreuzten Schlägern sang „Unser König lebe hoch“, fiel das Publikum mit einem Schlage ohne offiziellen Vorschreier ein, rief, klatschte, Alles stand auf. Der König, der – ein seltener Fall – im Theater war, war sichtlich gerührt. Gestern bei einem Hofdiner sagte ich das dem König, wie es mich gefreut habe. Die Tränen traten ihm in die Augen und als ich fortfuhr, daß ich allerdings wünschte, ich könne ganz Deutschland erzählen, wie gewissenhaft er die Holsteiner Frage geprüft, sagte er „Nun, Sie haben mir auch getreulich geholfen“. Auch die Königin sagte, er habe die Nächte darüber nicht schlafen können. Ganz im Klaren sind wir aber doch nicht und doch hängt Wohl und Wehe von Deutschland davon ab. Ein Krieg ist zu furchtbar und doch stehen wir allem Anschein nach am Vorabend desselben! Eben wollen wir zur Prinzeß Charlotte herausfahren, um zu ihrem Geburtstag zu gratulieren, dann müssen wir bei Berlepschens zu Mittag essen, das erste Diner in 8 Tagen: des Guten zu viel für mich, zumal ich es doch nicht lassen kann, dabei mehr Wein zu trinken als ich eigentlich will und sollte. Etwas Passion zum Suff habe ich nun einmal. Es ist gar so angenehm, in diesem etwas gesteigerten Zustand über den Jammer des Lebens sich hinwegzusetzen. Sophie behauptet, wir wären jetzt auf einmal auf der sozialen Leiter wieder sehr emporgestiegen – nachdem wir selbst freiwillig herabgestiegen sind – , weil man meine häufigen Konferenzen mit dem König erfahren und darauf Kombinationen gründe – die allerdings, je dümmer sie sind, um so eher Glauben finden könnten. Meinetwegen! Ich bin so fertig mit der Welt, daß mich nichts mehr wundert, aber auch nichts mehr freut, was Menschengunst gewähren könnte. Februar 12 Am Dienstag, Fastnacht, ging ich auf den Hofball, um mich doch einmal zu zeigen. Ich sprach mit dem König über das Pfordten’sche Votum in der Holsteinschen Sache, das gut geschrieben ist, aber über manche Punkte mit dem Federwisch hinweggeht. Meine häufigen Konferenzen mit dem König, der mich wohl ein Dutzend Mal hat rufen lassen, nur um irgend ein kleines Bedenken, das ihm irgend eine Stelle in einer neuen Schrift erregt, mitzuteilen und mit mir zu besprechen, gaben mir in den Augen der Einfaltspinsel und kombinierenden Kamele eine gewissen Wichtigkeit. Man wittert irgendwelche tiefern Gründe, während doch gar nichts der Grund ist als daß der König eben sich sehr leicht Bedenken macht. Die ganze Geschichte kann aber gar kein Resultat haben, da sich ja Sachsen bereits wiederholt in den Kammern und sonst öffentlich für Anerkennung des Herzogs Friedrich ausgesprochen hat. Wenn nun also auch jetzt noch die Waagschale der rechtlichen Überzeugung schwankte, so könnte man doch nicht mehr zurück. Gestern früh ließ mich der König auch um 9 ½ zu sich kommen. Im Vorzimmer traf ich den Obersthofmeiser von O Byrn, der mir sagte, der König habe mich schon am Abend vorher sprechen wollen. Der Kammerdiener, der mich anmelden sollte, hörte dies und sagte beim Eintritt in den nächsten Saal, vorwurfsvoll auf O Byrn deutend, er habe dies diesem
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nur vertraulich mitgeteilt, er bitte, ja keinen Gebrauch davon zu machen. Ich hätte in der Tat nicht gewußt, welchen, und beruhigte ihn daher, daß ich das Geheimnis bewahren werde, worauf er mir noch sagte, daß der König schon angeordnet habe, mich zu bestellen, es aber zurückgenommen, „weil ich vielleicht in das Konzert gehen wolle“, das im Theater war. In der Tat eine Rücksichtnahme, die man sonst bei hohen Herren eben nicht findet. Heute war ich wieder bei ihm, um ihm meine Ansicht über ein Bedenklein zu eröffnen. Er ist in der Regel sofort beruhigt, so auch heute. Neulich sagte mir Minister Könneritz, daß, wie ihm seine Tochter, die Frau von Watzdorf, gesagt, der Großherzog von Weimar meinen Aufsatz über den Grafen Watzdorf gern lesen möchte – ich sollte also dem Herrn das Buch borgen! Da ich nicht nach dem Falkenorden strebe, sagte ich ihm, er möge es sich doch kaufen oder aus einer Leihbibliothek in Weimar holen lassen. Nicht einmal ein Großherzog kauft ein Buch in Deutschland, das er lesen will! März 10 Obgleich es ziemlich gewiss scheint, daß wir mit unsern Erörterungen in der Holsteinschen Sache leeres Stroh dreschen, ermüdet der König doch nicht. Ich habe nun, um nicht wieder ein unbrauchbares Machwerk – wenn es noch gebraucht werden sollte – in die Hände des Königs gelangen zu lassen, selbst das Votum gemacht darüber, sowie über andere einschlagende Fragen, habe ich denn wiederholt mit dem König debattiert. Einmal schenkte er mir, als wir über die Frage, wann denn eigentlich der jetzige Prädentent majorem geworden, keine Auskunft in den Büchern fand, eine Stunde darauf ein Buch über HolsteinSchleswiger Recht mit einem Briefe, in dem er mich „Liebster Freund“ anredet und dann unterzeichnet „Ihr ergebenster Johann“. Das scheint mir denn doch die Herablassung gar zu weit getrieben.119 Heute hatte ich auch mit Beust eine Besprechung, gerade als die Nachricht eintraf, daß der König Max von Bayern plötzlich gestorben sei, was wahrscheinlich auch von politischer Wichtigkeit für die Deutsche Frage sein wird. Beust’s Idee ist gewesen, daß, wenn wie vorauszusehen, Österreich und Preußen mit ihrer Abstimmung in der Minorität geblieben und, was wahrscheinlich geschehen wäre, dann ihre Gesandten vom Bundestag abberufen hätten, Pfordten (Bayern) sofort das Präsidium übernehmen und ein Parlament berufen sollen. Im Gesamtministerium hat aber dieser kühne Gedanke keinen Beifall gefunden. Er beschrieb mit seinem bekannten Humor seine Kämpfe und Widerwärtigkeiten nach allen Seiten hin, sehr drastisch. Was hilft ihm das Alles! Gottlob, daß ich mit der Politik nichts zu schaffen habe, daß ich auch nichts davon verstehe. Die Obligationenrechtskommission, die seit einem Jahr hier tagt, scheint auch in die Brüche zu gehen. Württemberg hat sich über Siebenhaar beklagt, was Niemand wundern kann, wer diese zwar gelehrte, aber ganz unpraktische, dickköpfige, eingebildete Persönlichkeit kennt. Siebenhaar klagt dagegen bei Behr, daß die Süddeutschen ein süddeutsches Gesetzbuch uns aufzwingen wollten – was für eine alberne Phrase, als ob in der Theorie ein Unterschied zwischen Süddeutschland und Sachsen existieren könnte. Heute soll denn im Gesamtministerium darüber beraten werden. Originell ist Falkenstein bisweilen in seiner Selbsttäuschung, daß er eigentlich Alles macht. Ich bin überzeugt, wenn von der Erschaffung der Welt die Rede wäre, so würde er 119 Ausarbeitung von Weber für König Johann über die Sukzessionsfrage von Schleswig-Holstein siehe Dokumentenanhang Nr. 24.
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versichern, daß er eigentlich das Meiste dabei getan und der liebe Gott nur so beiläufig mit gebastelt hatte. Schreibt er mir neulich in ein Vorwort zum 5. Bande des Archivs – wegen Wachsmut’s Abtritt von der Redaktion – herein, daß er eigentlich das Unternehmen hervorgerufen. Das schreibt er mir gegenüber, der ich doch die Idee und den Plan ihm erst vorgelegt habe, den er dann bloß im Gesamtministerium vorgetragen und unterstützt hat. April 10 Sahr erzählte mir vor einigen Tagen, daß ihm der Jude Meier, der mit Antiquitäten handelt, die Drechselbank des Kurfürsten Moritz mit vielen, kostbar gravierten Instrumenten mit dem kursächsischen Wappen, ein Werk, das wohl einige 1 000 Taler gekostet haben müsse, für 200 Taler angeboten habe. Er habe es vom Königlichen Hausministerium aus der ehemaligen Kunstkammer gekauft. Ist so etwas denkbar!, noch dazu also wahrscheinlich für 20–30 Taler verkauft, da Meier natürlich großen Profit machen will! Ich erzählte es Wietersheim und Falkenstein, die deshalb mit Zeschau reden wollten, um womöglich die Sachen wieder zu bekommen. Wenn das im Lande bekannt würde, daß man ein solches Unikum und noch dazu ein Andenken an Moritz, an den sich die religiösen Erinnerungen knüpfen, verschleudert hat! Zeschau wird offenbar stumpf und folgt übeln Rat. Er denkt aber nicht daran, Platz zu machen. April 16 Abermals wiederholte Konferenzen mit dem König, der die Frage beantwortet wissen wollte, ob der Herzog von Holstein durch Falonie seiner Erbrechte verlustig worden sei? Lehnrecht studiert, daß mir der Kopf rauchte, negando beantwortet, womit wir allerdings nicht viel gewonnen haben, wenn einmal ein deutsches Gericht darüber zu entscheiden haben sollte. Indessen wir wissen nun quod juris! Beust geht nun heute nach London ab zu den Konferenzen, (NB. Er ist erst den 18. April abgereist.), das erste Mal, daß der Bund in corpore dabei auftritt, was wesentlich Beust’s Werk ist. Der König sprach sehr ausführlich und befriedigt darüber. Beust sagte, wenn er nur einmal in der Konferenz sei, werde er schon die Stelzen wegwerfen. Nous verrons!120 Zeschau hat jetzt eine rechte berne gemacht. Ohne alles eigentliche Interesse an der Kunst und Geschichte verwaltet er die Königlichen Sammlungen bloß finanziell, verkauft oder verschleudert eine Menge Sachen, die man eher ankaufen sollte. (Randbemerkung: Er hat gegen Kohlschütter geäußert, er habe einen Professor von der Polytechnischen Anstalt beauftragt auszusuchen, was noch praktisch brauchbar sei in der ehemaligen Kunstkammer, das Übrige verkauft. Das ist, als wenn man einen Offizier in das Historische Museum schickte auszuwählen, was jetzt noch für die Armee brauchbar sei und alles Andere verkaufen wollte. Daß etwas historischen Wert haben könne, scheint Zeschau nicht anzuerkennen!) So hat er auch an einen Juden Meyer eine Drechselbank nebst anderm Gerümpel, wie er es bezeichnet, 120 Das am 16. Januar 1864 von Preußen und Österreich gemeinsam an Dänemark gestellte Ultimatum mit der Forderung einer Zurücknahme der dänischen Novemberverfassung von 1863 war der Beginn der erneuten militärischen Auseinandersetzung mit Dänemark. Auf der am 25. April 1864 begonnenen Londoner Konferenz versuchten die Vertreter des Deutschen Bundes, die ab März 1864 drohende Intervention europäischer Mächte zu verhindern. Eine Einigung zur Lösung der Schleswig-Holsteinischen Frage erreichte man nicht, zumal der von Beust als Vertreter des Deutschen Bundes unterbreitete und von Österreich aufgegriffene Kompromiß der Augustusburgischen Lösung von Bismarck vereitelt wurde. So endete die Londoner Konferenz am 25. Juni 1864 ohne Ergebnis, aber eine Intervention von England, Frankreich und anderen Mächten konnte abgewendet werden.
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für 50 Taler verkauft, die wahrscheinlich von Kurfürst August oder Christian I. herrührt. Der Jude gibt sie aber für Eigentum des Kurfürsten Moritz aus und bietet sie hier zum großen Skandal für 200 Taler aus. Langenn, der das Ding gesehen, sagt, daß es sehr kunftvoll gearbeitet, mit Jagdstücken ausgelegt, die Werkzeuge vergoldet und schön ziseliert sind. Ich habe nun Wietersheim, Falkenstein, das Ministerium des Innern in Bewegung gesetzt, daß man es zurückkaufe, da man mit Moritz die Religionsfrage berührt, aber bis jetzt vergeblich. Kommt so etwas ins Publikum, so wirft man die Schuld auf den König, das ist es, was ich gern verhüten möchte. April 21 Kohlschütter hatte gewünscht, daß ihm Beust’s Vertretung im Ministerium des Innern mit voller Verantwortlichkeit und dem Beisitz im Gesamtministerium übertragen werde. Beust selbst scheint nicht zu wünschen, daß Kohlschütter gleichsam Vizeminister werde, auch Friesen und Falkenstein sowie der König selbst sind, wie Beust sagte, dagegen gewesen und da ist dann dies nicht genehmigt worden. Mir ward von Beust am Sonntag Abend der eben nicht angenehme Auftrag, ich solle Kohlschütter die Pille vergoldet beibringen. Ehe Kohlschütter aber es erfuhr, traf ihn am Sonntag Mittag ein leichter Schlaganfall. Ich erfuhr es erst Dienstag und fand ihn, als ich Abends herauskam, schon ziemlich hergestellt, mochte ihn aber doch mit der Angelegenheit nicht aufregen und sagte daher nichts, zumal seine Frau nicht von der Stelle ging. Sie kam aber gestern früh schon vor 9 Uhr zu mir, in der Besorgnis, man werde einem Minister nun das Ministerium des Innern übertragen, eine Vermutung, die dadurch entstanden war, daß Falkenstein gestern dort gewesen war und nach dem „Reskript“ gefragt hatte, durch welches Kohlschütter das Ministerium übertragen werde. Ein solches existiert aber nicht, da Kohlschütter nur einige undeutbare Zeilen von Beust erhalten hatte, in denen er auf die Mitteilungen verwiesen ward, die ich ihm machen werde. Ich ging nun zunächst zu Falkensein, wo sich dann ergab, daß überhaupt gar keine königliche Resolution wegen Verwaltung des Ministeriums (er hat das Auswärtige zu verwalten) niedergeschrieben worden und daß Falkenstein eben darüber sich vergewissern wollen. Das soll nun nachgeholt werden. Ich beruhigte nun Kohlschütter, der aber doch nicht völlig zufrieden gestellt war. Er möchte eben lieber Vizeminister in aller Form sein, was ich, für dergleichen Faxen sehr unempfindlich, eben nicht recht kapiere. Es handelt sich nämlich bloß darum, daß er königliche Dekrete und Gesetze, die eines veranwortlichen Ministers bedürfen, nicht unterschreibt und nicht allen Sitzungen des Gesamtministeriums ex officio beiwohnt. Das hat der König nicht gewünscht, der im Gesamtministerium über vielerlei diskutiert, wobei ihm jedes fremdere Gesicht inkommodiert – so sagte wenigstens Beust. Mai 22 Seebach aus Gotha war heute Nachmittag bei uns in Loschwitz, wo wir seit acht Tagen eben sind. Er erzählte, daß Samwar, ein Holsteiner, ihm geschrieben, man habe dort beschlosssen, Beust, wenn er die Reise in London glücklich zu Ende bringe, eine Nationalbelohnung in einem Rittergut im Wert von 100 000 Taler zu gewähren. Er hatte Seebach anheim gegeben, das Beust mitzuteilen und unserm König. Seebach hat Samwar ablehnend wegen seiner Konkurrenz dabei geschrieben und wünschte nun meine Ansicht. Diese war sehr kurz, daß so ein Anerbieten jetzt allenfalls eine Ohrfeige, aber keine Antwort verdiene. Es ist ein wahres Glück, daß Beust nichts davon erfahren hat. Wenn so etwas ruchbar würde! Und wer kann dann auf die Diskretion der Leute rechnen, die darum wissen. Wir kamen daher überein, die Sache ganz geheim zu halten. Bringt Beust die Sache zu Stande, nun so mögen sie ihm Altona schenken oder das halbe Land, er und sonst auch Niemand wird etwas
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dagegen haben. Was er tun kann, wird er auch ohne Aussicht auf das Rittergut tun, da sein ganzer politischer Ruf auf dem Spiel steht, der ihm jedenfalls ebensoviel Wert hat als ein Rittergut. Mai 26 Seebach zeigte mir einen Brief von Samwar, worin dieser schrieb, es sei allerdings besser, Beust von dem Plan nichts zu eröffnen. Er werde wohl schon so etwas Ähnliches ahnen. Gestern war ich mit Langenn beim Prinz Georg, um einige Vorschläge zu besprechen, die ich wegen Hebung des Altertumsvereins zu machen hatte, die dann Beistimmung fanden. Der Prinz kann, wenn er will, ganz liebenswürdig sein. Er erklärte sogar, er werde sich an einer Partie nach Meißen, die ich vorschlug, gern beteiligen. Juni 11 Beust, an den ich wegen Kohlschütter schrieb, hat ihm drei Monate Urlaub und 500 Taler Reisegeld ausgewirkt. Er ist in einem traurigen Zustand, fast labete. Er ist nun am Donnerstag mit seinem ältesten Sohn abgereist. Große Mühe hat es gemacht, ihn zu bestimmen, daß seine Frau ihn nicht begleitet, eine der albernsten, unpraktischsten, aufgeblasendsten Weiber, die die Welt trägt. Von Wiechel, Veronas Mann, bekam ich vor einigen Tagen einen Brief, worin er um völlige Begnadigung bittet, da er Amerika’s völlig überdrüssig nach Deutschland definitiv zurückzukehren wünscht. Ich habe die Epistel dem Geheimen Rat Körner geschickt, da ich mich in solche meiner Stellung fremde Sachen nicht weiter mischen kann. An Beust habe ich dreimal geschrieben eben wegen Kohlschütter, aber keine Antwort bekommen. Juni 13 Ich hatte Beust einige Mal geschrieben und in dem letzten Brief ganz beiläufig bemerkt, ich wisse selbst nicht, ob er mit seinen Erfolgen in London zufrieden sei oder nicht, eine Äußerung, die vollständig mit dem übereinstimmt, was fast Alle meinen, denn man weiß eben nichts Bestimmtes, da die Zeitungen heute Krieg, morgen Frieden verkünden, offizielle Mitteilungen über die Londoner Konferenzen nicht erscheinen. Meine Äußerung hat ihn aber gewaltig verletzt, wie der beiliegende Brief beweist, worin er schreibt, er habe die ihm zeither gewordenen Anerkennungen für aufrichtig gehalten. „Wenn aber aus befreundeter Stelle die Frage kommt, ob ich zufrieden oder unzufrieden zu sein Ursache habe, wie soll es dann in den weniger befreundeten Kreisen zugehen.“ Leider muß ich darnach annehmen, daß, wie ich gleich besorgte, ihn der Schwindel erfasst hat und er nun selbst den mindesten Zweifel als eine Beleidigung auffasst. Das besagt auch die nachfolgende Stelle: „Glücklicher Weise hat mir die Londoner Konferenz eine Stellung verschafft, an welcher die gewohnte Dresdner Verkleinerungssucht nicht sehr wird herankommen können.“ Dabei muß ich allerdings lachen, wenn es sich auf mich beziehen soll. Ich habe doch in der Tat ihn niemals zu verkleinern gesucht, sondern wie er noch klein war, ihn überall hervorgehoben, da ich ja seine große Befähigung besser als Andere kannte. Daneben hatte ich im Scherz ihm geschrieben, daß die Dresdner Nachrichten, ein Klatschblatt, auf das er immer raisonnierte, ihm als Ambivalentbelonung das Rittergut Elster zugedacht, und dabei das Blatt ironisch als ein von ihm begünstigstes bezeichnet. Auch das hat er falsch versanden. Kurz, er muß sehr übler Laune gewesen sein, als er mir geschrieben hat. Eigentlich kein gutes Zeichen für seine Erfolge. Transport cum ceteris! Mir ist am wohlsten, wenn ich von der ganzen Welt nichts mehr höre und ruhig an meiner Mutter Anna arbeiten kann, zu der ich immer wieder neues Material finde.
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Juli 7 Beust gestern zurück, feierlicher Empfang, heute Fackelzug, was Sr. Majestät, die dergleichen Ovationen bei Anderen nicht lieben, wahrscheinlich nicht gern sieht. Heute auf dem Dampfschiff Beust gesprochen. Palmerston hat ihn sehr grob, Lady Palmerston sehr höflich empfangen – bei den Weibern hat er immer noch Glück – man erzählte gerade das Gegenteil. Russel, ganz unfähig bei der Leitung der Verhandlungen, stand, der Protokollant ganz in den Händen des russischen Gesandten, bei den ersten 4–5 Protokollen von dem, was Beust gesagt, immer bloß ⅓ aufgenommen, bis Beust endlich erklärt, das gehe so nicht. Beust’s Hauptgeschäft war die Bearbeitung des österreichischen und preußischen Gesandten, die er immer vorschob. Beide, ihm von früher befreundet, waren ihm bereit, er lenkte sie und souflierte, ohne das sie es merkten. Einst bei einem Vorschlage, den er dem Österreicher vorher mitteilte, war dieser dagegen, sagte, da müsse er protestieren. Beust: das werde er sehr beklagen, er rate aber auch nicht dazu, denn der Österreicher werde wahrscheinlich in einigen Tagen denselben Vorschlag als Instruktion bekommen. Der Österreicher: Nun, so warten Sie, bis das geschehen. Beust: Nein, das tue ich nicht, man kann mir wohl eine Schlafmütze aufsetzen, aber abnehmen tue ich sie selbst. Der französische Gesandte hat gesagt: Wenn man wissen will, was Deutschland tuen wird, fragt man Beust. Was er heute sagt, bringt morgen Österreich, übermorgen Preußen. Beust hat fast ganz ohne Instruktion gehandelt, einmal hat er gesagt, er sei so instruiert – weil er aus der Instruktion das Gegenteil sich herausgelesen von dem, was sie besagt. Man approbierte über alles. Pfordten wäre nach drei Tagen davongelaufen. Sehr konsumierende Existenz, den Tag gearbeitet, viel herumgefahren (¾ Stunde bis zum Österreicher, mit dem er täglich konferiert), abends ein Diner mit lauter starken Weinen, mit heißem Kopf zu Bett, schlecht geschlafen. – Der König hat ihm gestern gesagt, er bedauere nur, daß er ihm nun keine Auszeichnung mehr verleihen könne. Beust meinte, das wäre schon noch zu machen, ob er etwa Graf werden will? Juli 15 Die Huldigungen an Beust sind nun zu Ende. In Pillnitz wird man sie ihm nicht wohl deuten. Er hätte besser getan, sie abzulehnen, hat sich aber im Ganzen bei dem Fackelzug gut aus der Affäre gezogen, indem er der Sache eine Wendung nach dem König gab (siehe die beiliegenden Dresdner Nachrichten).121 Geschichte aus dem Zoologischen Garten, ein Bauer beschreibt den Elefanten: „Das große Schwein kam mit seinem Schwanze, reißt mir die Semmel aus der Hand und steckt sie hinten herein.“ Juli 19 Am Freitag, den 15. Juli, starb zu Rostock unsere gute Verona Müller, verehelichte Wiechel. Sie war aus New York mit dem ihr von drei Kindern allein verbliebenen zweijährigen Mädchen nach Europa gegangen, um Hilfe zu suchen gegen den Krebs. Sie ist operiert worden, hat aber die Rose am Kopf bekommen und ist wohl in Folge dieser gestorben. Sophie fuhr heute nach Lockwitz zu ihrer Schwester Henriette, die mit Jordans dort den Sommer wohnt. Dort traf sie den Gerichtsrat August Müller, der bei Veronas Tod gewesen. Der beiliegende Konzertzettel beweist, daß mein Schloß Bagatelle in Loschwitz einen Namensvetter in einem hiesigen Gesangverein hat. August 7 Mit dem Ehrengeschenk für Beust, dem Zöpen, sein Geburtsort, gekauft werden soll, scheint es nicht vorwärts zu gehen. Falkenstein war sehr indigniert, daß ihm Kaskel 121 Dresdner Nachrichten Nr. 193 vom 11. Juli 1864.
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eine gedruckte Aufforderung zu einem Beitrag zugesendet. Er hat Behr, dem sie auch zugegangen ist und dieser ihn um Rat gefragt, geantwortet, sie wollten die Sache liegen lassen. Wenn man die Staatsdiener dazu pressen wollte, würde dies Beust natürlich sehr unangenehm sein, was er auch Budberg gesagt. So wird die Sache im Sande verlaufen. Der Kronprinz, der sich bis jetzt in der Kammer recht verständig benommen und selten, aber gut gesprochen hat, ist durch eine unbedachte Rede bei der Zweiten Kammer mißbillig geworden. Vor einigen Tagen fand eine Konferenz mit den Vorständen der Deputationen wegen des Schlusses des Landtages statt. Der Präsident der Zweiten Kammer Haberkorn bemerkt, er könne zum Sonnabend (gestern) keine Sitzung anberaumen, da der Bericht über die Eisenbahnen erst verteilt sei und die Kammer beschlossen habe, zum Studium einigeTage Frist sich zu gönnen. Das war nun wohl ganz in der Ordnung, denn die Tagesordnung bestimmt nicht die Kammer, sondern der Präsident. Der Kronprinz sagt darauf: Ach, beraumen Sie nur eine Sitzung an, sie (nicht Sie) wollen doch nur auf die Vogelwiese gehen! August 21 Beust gab am Mittwoch den Kammern eine große Abschiedsfete, zu der aber die äußerste Linke – manche sehr ungern – die Einladungen abgelehnt hat, wodurch Beust ein paar Dutzend Flaschen Wein ersparte. Wie er immer Dusel hat, so auch bei diesem Fest. Früh goß es und war ein schauderhaftes Wetter. Er wollte daher die Sache aufschieben, was aber nicht ging, da die Kammer den nächsten Tag ihrem Präsidenten ein Diner gab. Abends war aber das Wetter ganz leidlich. Man spazierte bei Musik im illuminierten Garten herum, soupierte zeitig, trank sehr viel. Ich fuhr mit einem Extradampfschiff um 11 Uhr zurück bis Loschwitz, unterhielt mich unterwegs mit dem Präsidenten der Zweiten Kammer Haberkorn, Bürgermeister aus Zittau, dem ich einige süße Sachen sagte, wobei er den Kopf, den ich ihm krabbelte, sehr still hielt. Beim Verlassen des Schiffes hielt ich eine kurze, den Verhältnissen entsprechende Rede, ich sagte nämlich gute Nacht meine Herren. Wie das rechte Wort zur rechten Zeit jedesmal zündet! Im unbestimmten Bedürfnis, zu spektakeln und zu brüllen, brachte man mir hierauf zum Entsetzen der aus ihrem Schlummer aufgeschreckten Blasewitzer ein dreimaliges Hoch mit voller Musik. Das erste und das letzte Mal, daß mir das von der Kammer geschieht. Gestern war zum Besten des Frauenvereins in Loschwitz ein Konzert, bei der drei Damen aus Berlin sich hören ließen, mit einem Beethovenschen Trio pp. Die Cellistin war recht gut, die Violinistin aber vergegenwärtigte lebhaft, daß man selbst zu guten Zwecken unmoralische Mittel nicht anwenden soll. Sie geigte teuflisch, aber mit seltner Zuversicht. Natürlich klatschten wir lebhaft Bravo, wie die Frechheit in der Regel den Sieg gewinnt. August 23 Gestern ist der Landtag geschlossen worden, wobei dem Kriegsminister von Rabenhorst ein lächerliches Malheur passiert ist. Er hält in der Ersten Kammer die Schlußrede und schließt damit, daß er die Kammer bald wieder zu einem außerordentlichen Landtag versammelt sehen werde. Allgemeines Erstaunen! Rabenhorst hat jedenfalls die Zwischendeputationen für einen außerordentlichen Landtag gehalten, denn ein bloßes Versprechen ist doch nicht denkbar. Er hat dann, als ihm der Ministerialbediente und Friesen den Irrtum bemerklich gemacht, etwas von Versprechen gemurmelt, die Stenographen aber sofort in der Kammer angewiesen, den passus nicht aufzunehmen. Viel Glück als Redner hat er nicht gehabt! November 13 Gestern war das Stiftungsfest der hiesigen Kunstakademie, zu dem ich auch eine Einladung erhalten hatte. Um 11 großer Actus, Reden, Ordensverleihungen. Um
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4 Diner mit Festspielen. Die offiziellen Toaste dufteten von Weihrauch und waren bloß dadurch interessant, daß uns 4–5mal die merkwürdige historische Tatsache versichert worden, daß 1763 der Siebenjährige Krieg zu Ende gegangen, was ich dann nun gern glaube. Kein Humor, kein Witz, nicht einmal ein paar Betrunkene! Allein Professor Wenk aus Leipzig, sonst ein sehr lederner Biedermann, der aber ein bekanntes Talent für Toaste hat, ließ den Hunger und Durst als Beförderer der Kunst mit vielen guten Witzen loben und sagte er, je mehr an einem Bild hervortrete, daß der Hunger des Künstlers dabei mitgewirkt, um so schneller trete bei dem Beschauer die Sättigung ein. Das Beste war der Speisezettel, den eine Zeichnung von Ludwig Richter schmückt. Der Künstler ward beim Actus mit einem Kreuz des – Albrechtsordens begnadigt. Hänel allein hat den Verdienstorden erhalten. Auch die Einladungskarte schmückte eine Zeichnung. November 25 Der König hat in Folge der von Oldenburg in der Holsteinischen Sache eingereichten Deduktion nun wieder Skrupel, die ich ihm lösen soll. Als ich neulich deshalb ihm einen langen Vortrag erstattete, brachte der Kammerdiener ihm einen Brief von Beust, bei dessen Lesen der König sehr lachte. Gestern Abend waren Beust’s, Falkenstein’s und Wickede bei uns – ein sehr interessanter Abend – und ich fragte Beust, was er denn geschrieben. Es war die Anmeldung eines mexikanischen Gesandten, der bei fast allen europäischen Staaten akkreditiert, auch hier herkommen soll und von dem der Wiener Gesandte Könneritz geschrieben hatte, er habe zeither meist auf Bäumen gelebt. Von den 12 ernannten mexikanischen Hofdamen hat er bemerkt: darunter zwei Aestinnen. Bei der Holsteiner Frage kamen wir auch auf eine lehnrechtliche Kontroverse, die mir zuviel Arbeit gemacht haben würde, wenn ich alle Literatur darüber hätte zusammenschleppen sollen. Ich schlug daher dem König vor, er möge sich vom Professor von Gerber darüber belehren lassen, was er denn auch genehmigte. Bis der Professor geantwortet, habe ich nun wenigstens Ruhe. Ich würde noch bereitwilliger dem König zur Hand gehen, wüßte ich nicht, daß wir eben ganz leeres Stroh dreschen. Da ist es doch Schade um die Zeit. Dezember 24 Heiliger Abend. Vor einigen Tagen mußte ich für Beust eine theoretische Deduktion liefern, daß der König von Dänemark nur andus debeatur von Holstein und daher, nachdem ihm die Dedention entzogen worden, nicht berechtigt gewesen sei, den Besitz an Österreich und Preußen abzutreten. Wie gewöhnlich war es sehr eilig und schrieb mir noch, nachdem ich früh die Sache in das Ministerium des Auswärtigen geschickt, am Nachmittag, ich möge ihm die Papiere bis 6 Uhr zusenden – er war noch nicht im Auswärtigen gewesen. Wahrscheinlich hat er mein opus mit zu der Konferenz mit Pfordten genommen, zu der er ganz insgeheim noch denselben Abend (18. des Monats) oder am folgenden Tage abreiste. Sie werden wohl eine Suppe für Preußen eingebrockt haben, von der ich mir wünschen will, daß sie Sachsen nicht ausessen muß. Beust’s neueste Politik, die Mobilisierung, der Umweg von 100 Meilen, den er die Truppen machen lassen, um nicht Preußen zu passieren, findet denn doch auch bei uns manche Mißbilligung. Am Mittwoch war ein recht interessantes Diner bei Falkenstein. Ich saß neben dem Londoner Gesandten Graf Vitzthum, der jetzt mit historischen Arbeiten über den Beginn des Siebenjährigen Krieges beschäftigt war. Der preußische Landfriedensbruch vom Jahre 1756 soll das Buch heißen, das er herausgeben will und dessen Manuskript ich heute an das Gesamtministerium abgehen lassen. Vitzthum erzählte u. a., daß neulich Graf Kleist, unser Gesandter in Rom (der aber nichts erhält als die Leipziger Zeitung) beim Papst zur Tafel
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gewesen. Nach Tische spielt er mit dem Papst und Antonelli Billard. Der Papst fragt ihn nach Holstein und Kleist erklärt ihm, das Beste werde sein „de le laiser entierement a la Prusse“. Arglos berichtet er dieses diplomatische Wort an Beust, der ihm dann aber sehr den Kopf gewaschen hat. Zu dieser Depesche bemerkt der König ad marginam, „das (nämlich die Nase) hat er verdient“. Solche Diplomaten hält sich nun Beust.
3. Erneut Vortragender Rat im Gesamtministerium 1865 Januar 14 Beust machte mir gestern eine Eröffnung, welche mir ebenso überraschend als beschwerlich ist. Er teilte mir mit, daß man den Oberappellationsrat von König das Referat im Gesamtministerium nicht länger belassen könne, weil dies mit seiner Stellung in der Kammer nicht vereinbar sei. Im Hintergrund stehen noch andere Motive. Er ist eine wenig beliebte, etwas zweideutige Persönlichkeit, Achselträger, sehr eitel, aber sonst ein gescheiter Mann. Der König und das Gesamtministerium haben einstimmig den Wunsch, daß ich die Sache übernehmen möge, doch soll es ganz in meinen freien Willen gestellt werden. Ich bin mir völlig klar über meine Leistungsfähigkeit und meine Wünsche. Ich konnte daher Beust sofort antworten, daß mir die Sache nicht angenehm sei, weil ich mich ihr nicht mehr gewachsen fühle. Ich bin aus der Jurisprudenz heraus, habe die neuere Gesetzgebung nicht verfolgt, meine Arbeitskraft hat mit den Jahren entschieden abgenommen. Ich verkenne aber nicht, daß es Pflicht eines Staatsdieners sei, wenn ihm ein solcher Vertrauensposten angeboten werde, wenigstens den Versuch zu machen. Etwas weiteres könne es nicht sein, wenn ich es übernehme und ich müßte mir daher auch vorbehalten, wenn ich die Überzeugung gewinne, daß ich nicht das Erforderliche leiste, den Auftrag zurückzugeben, ebenso wie ich erwarten dürfe, daß man mir ihn abnehmen werde, wenn das Ministerium seinerseits diese Überzeugung erlange. Ich werde das natürlich auch dem König ganz unumwunden erklären. Viel besser wäre es, was ich Beust schon wiederholt sagte, wenn man die Geheime Referendarstelle mit einem tüchtigen Mann definitiv besetzte, er ist nur schwer zu finden! Mein stilles Archiv werde ich nun für die nächste Zeit wenig sehen. Glücklicher Weise bin ich eben mit meinem Buch über Anna fertig.122Ich hätte nicht gedacht, als ich 1849 aus dem Gesamtministerium trat, nach 15 Jahren wieder eintreten zu sollen. Sic fata trabuat! Abends war ich gestern bei Sahr, wo sie mir wie gewöhnlich das Geld abnahmen. Ich lernte da den preußischen Gesandten von der Schulenburg123 kennen, einen sehr artigen Mann, der aber nicht den Eindruck von viel Geistreichem machte. Um übrigens meiner Sache sicher zu sein, schrieb ich heute an Beust, die Bitte wiederholend, daß mir der Vorbehalt der Aufgabe des Auftrages wegen des Gesamtministeriums zugesichert werde, wie dies auch im Jahre 1842 geschehen sei, worauf ich denn die beiliegende Antwort erhielt, daß er meine Äußerungen schon so verstanden habe. 122 Karl von Weber: Anna Churfürstin von Sachsen. Leipzig 1865. 123 Schulenburg, von der, 1852 preußischer Gesandter in Dresden.
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Januar 18 Heute Vormittag ließ mich der König rufen. Er sagte mir, er wolle mit mir ganz vertraulich über eine Angelegenheit reden und gäbe mir sein Wort – er gab mir beim Abschied sogar die Hand darauf – daß er von meinen Mitteilungen keinen Gebrauch machen werde. Er erzählte mir darauf die Geschichte von Beust und Uckermann, die ich allerdings viel besser wußte als er und wollte nun meine Meinung hören, was zu tun sei. Ich konnte ihm nur vorschlagen, daß man durch Gersdorf auf Uckermann einwirke, daß er gegen schriftliche Zusicherung gebe, daß er die Kinder seiner Frau zu Zeiten zu sehen gestatte, unter der Versicherung, daß Beust allen Umgang abbreche – denn darum handelt es sich jetzt, da sie gegen Uckermann, der ihr die Kinder verweigert, klagen will und dieser nun droht, er werde ihr ganzes Verhalten aufdecken. Dem König geht die Sache sehr nahe – mir auch!, obwohl ich Beust doch jetzt sehr fern stehe – wenn er mich nicht braucht, so existiere ich kaum für ihn. Januar 23 Ich war gestern Abend gerade dabei, eine Sonate mit Anton zu spielen, als Beust kam. Der König hat bei Uckermann nichts weiter erreicht als daß er gestatten will, daß sie alle 14 Tage die Kinder in Gegenwart eines Dritten 1 Stunde sähe, wenn Beust sein Ehrenwort gebe, allen Verkehr, mit Ausnahme des schriftlichen, abzubrechen. Beust war ganz außer sich und hatte, zum ersten Male im Leben habe ich es gesehen, den Kopf ganz verloren. Bittere Beule, wie er selbst sagte, daß er die Frau, die sich für ihn geopfert, in die Lage gebracht und nun kein Mittel, es zu ändern. Der König verlangt das Ehrenwort, er will dem Skandal ein Ende machen. Er kann Beust nicht entbehren, allein ich glaube doch, er würde die Verweigerung der Zusage, also das offene Bekenntnis, daß Beust einen strafbaren Umgang fortsetzen wolle, nicht leicht hinnehmen. Beust’s ganze Stellung ist also bedroht. Ich stellte ihm auf das Lebhafteste seine Verpflichtung vor, endlich, wenn auch spät, sein Verhältnis, das er doch selbst als ein unmoralisches betrachten muß, zu lösen. Wenn er dies tut und seine Zusage hält, so wird Uckermann vielleicht auch milder werden. Er kämpfte innerlich furchtbar, so fest hat sich die Frau an ihn gekettet. Schließlich bat er mich, ich möge heute mit dem König nochmals reden. Ich sah zwar nicht ein, warum er es nicht selbst tun wolle. Offenbar das Bessere. Es scheint doch, daß er meinem Rat folgen will. Wenn man nur Anderen diese Geschichte als Spiegel vorhalten könnte, wohin der Leichtsinn und laxe Sittengrundsätze führen. Die Frau hat er unglücklich gemacht und sich auch. – Ich war heute morgen auf einen Brief Beust’s um 10 im Ministerium, wo wir denn – wir hatten Beide die Nacht nicht geschlafen – die Sache nochmals besprachen. Hoffentlich zum letzten Mal! Januar 27 Ja Prosit die Mahlzeit! Die Tage über bin ich vielmehr unausgesetzt mit der Geschichte beschäftigt gewesen. Zuerst fing Minister von Behr, als ich gestern früh ihm (vorher Rabenhorst) Visite machte, davon an. Er hat die allerungünstigste Meinung von der Frau von Uckermann, vielleicht noch schlechter, als sie verdient – ich kenne sie gar nicht. Er war sehr indigniert, daß Beust das Verhältnis ganz abzubrechen sich weigere. Ich ging nun nochmals zu Beust, der aber wiederholte, was er früher dem König gesagt, daß er auf so unsichere Unterlagen, wie Uckermann biete, gar nichts erklären, nicht ein Ehrenwort geben könne, das zu halten gar nicht in seiner Macht stehe, da sie ihn ja aufsuchen könne und er dann in den Verdacht geraten könne, er habe sein Wort gebrochen. Er beteuerte übrigens, daß das Verhältnis jetzt durchaus kein unerlaubtes sei, daß er nur die Abende hingehe, wo Andere Gesellschaft wie Forth-Rouen auch Damen von ihrer Bekanntschaft dort seien, um dort Erheiterung und Anregung zu finden, derer er bedürfe und die er nirgends anders finde. Ich sprach nun mit ihrem Advokaten Kohlschütter, da ich von der Fortstellung des Prozesses
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gegen Uckermann gar nichts erwarte. Dann machte ich Vorschläge über einen Vergleich, die ich Nachmittag Beust zustellte. Um 6 ließ mich der König rufen, der zuerst mir recht herzlich dankte für die Übernahme der Arbeit im Gesamtministerium. Er fand es ganz billig, daß ich mir den Vorbehalt mache, zurücktreten zu können. Ich wiederholte ihm, was ich jedem Minister gesagt habe, daß ich mich der Sache nicht mehr mächtig fühle, alt geworden, Abnahme der Arbeitskraft fühle, mit der Gesetzgebung nicht fortgegangen sei. Dann kam er auf Beust zu sprechen, versicherte, es sei ihm eine wahre Beruhigung, daß nach Beust’s Versicherung das Verhältnis so sei, daß man an sich, abgesehen von dem Gerede der Leute, nichts weiter dagegen sagen könne. Dabei sprach er sich sehr gnädig über Beust, den er gar nicht entbehren könne, aus. Er beauftragte mich, Herrn Minister von Behr zu bitten, (in seinem Namen) noch einen Versuch zur Ausgleichung zu machen, da der Seinige gescheitert sei. Uckermann hat neulich Bedingungen gestellt, die sie ganz in dessen Willkür geben würde und sie daher nicht annehmen will. Ich sprach nun heute früh mit Beust, damit Kohlschütter einen Vertragsentwurf fertige, der Behr eine bestimmte Basis gebe und ging dann zu Behr, der denn auch unter dieser Voraussetzung nochmals einen Versuch machen will. Die Minister scheinen insgesamt sehr froh zu sein, daß sie König loß sind und sie mich bereit finden – aber wie ich Jedem sagte nur provisorisch. Also nous verrons! König, mit dem ich auch heute sprach, damit er nicht etwa denke, ich habe ihm hinterrücks die Schuhe ausgetreten, klagte sehr über die Art und Weise, wie man so ex abrupto ihn verabschiedet und – daß er keine Entschädigung bekomme für die 500 Taler Remuneration, die er doch sechs Jahre bezogen und – versteuert habe! Februar 12 Meine neue Funktion habe ich nun angetreten, studiere zunächst die Gesetze der letzten 15 Jahre, um die ich mich sehr wenig bekümmert habe, gehe täglich ins Gesamtministerium, um die Kanzleigeschäfte zu inspizieren, erliege aber zeither der Geschäftslast nicht, die viel geringer ist als früher. Diese Tage ist Hof pp., ganz okkupiert durch die Verheiratung der Prinzess Sophie mit dem Herzog in Bayern. Gestern Abend ist die Trauung gewesen. Ich werde außer der Galaoper heute Abend nichts von den Festlichkeiten weiter sehen und zu sehen brauchen, was mir eine große Wohltat ist.124 Februar 17 Der Geschäftsgang im Gesamtministerium, den ich jetzt kontrolliere, bietet manche Eigentümlichkeit. So bekam ich neulich ein Kommunikat des Gesamtministeriums, von Beust unterschrieben, an das Auswärtige Ministerium in die Hände, worin zum zweiten oder dritten Mal eine Rückäußerung ziemlich energisch aportiert ward, die das Auswärtige über die Personalsteuer des Ministers von Seebach, deren dieser sich weigerte, geben solle. Ich fragte nun Beust, ob denn nicht ein Knoten ins Schnupftuch, das er als Minister des Auswärtigen doch eben so führt als als Vorsitzender des Gesamtministeriums, besser wirken werde? Aber es blieb bei dem Kommunikat. Der Geheime Sekretär Fischer, mit dem ich deshalb sprach, sagte: „Ja, er (Beust) unterschreibt Alles!“ Es mag doch recht schwierig sein mit Beust, der von einer grenzenlosen Unordnung ist, in direktem Geschäftsverkehr zu sein. Mehrere Sachen, die allerdings tatsächlich erledigt 124 Heirat von Prinzessin Sophia (1845–1867), neuntes Kind aus der Ehe von König Johann und Amalia Auguste von Bayern, am 11. Februar 1865 in Dresden mit Dr. med. Prinz Karl Theodor (1839–1900) Herzog in Bayern. Augenarzt in München. Zwei Jahre nach der Eheschließung verstarb Sophia am 9. März 1867 in München.
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sind, sind mit allen Unterlagen bei ihm verschwunden, zum großen Jammer des Geheimen Sekretärs Fischer, der doch gern seine Akten in Ordnung halten will. Solchen Übelständen kann ich nun auch nicht abhelfen, man verliert auch bald die Lust, wenn man eine Sache dreimal vergeblich erinnert hat, einen vierten Versuch zu machen. Februar 19 Gestern früh haben wir Mathilde bestattet, Diakonus Männel hielt ein ganz gutes Gebet am Sarg. Wackerbarth mit den Kindern war gekommen. Flora sieht ihrer Mutter sprechend ähnlich. Hoffentlich ist dies bloß äußerlich. Abends kam Wackerbarth mit Anton zu mir zur Besprechung. Er ist eine durchaus gemeine, habgierige Natur, die er auch bei dem furchtbaren Vorgang, der sich nun vollständig enthüllt hat, nicht verleugnen konnte. Februar 21 Früh Konferenz mit Beust im Gesamtministerium, die sich aber, da nichts vorliegt, auf Anekdoten beschränkte. Er hat sich viele Mühe gegeben, Gutzkow wieder nach Dresden zu ziehen (als Oberbibliothekar) oder ihm einen Orden zu verschaffen. Aber der König hat kategorisch geantwortet: Damit kommen Sie mir nicht, dazu bekommen Sie mich nie – Beust meint, wegen des Zauberers von Rom. Eine Unterhaltung mit Zeschau ist auch gut. Zeschau: Der König hat dem neapolitanischen Gesandten ein Großkreuz gegeben (jetzt bei der Hochzeit). Beust: Er hat aber noch Jemand bei sich, der auch einen Orden erwartet. Zeschau: Nein, die ganze neapolitanische Geschichte ist ja lächerlich, er bekommt doch Neapel nicht wieder. Beust: Das ist die Frage, Ferdinand ward auch zweimal verjagt. Die Engländer haben ihn doch wieder eingesetzt. Man weiß nicht, was in einigen Jahren geschieht. Österreich tut vielleicht am besten, das Königreich Italien anzuerkennen. Daß es dies nicht tut, gibt gerade dem Königreich einen Halt. Die Neapolitaner sind alle Lumpen, dieselben Menschen, die Ferdinand verraten und verjagt, haben durch Verrat ihn wieder hingebracht. Es sind alles Lumpen. Zeschau: Nun, da mag er den Orden bekommen! Wie sehr die Leute glauben, daß Beust Alles machen kann, auch einen Beleg. Wegen eines Anspruchs gegen die in Preußen lebenden Erben eines hiesigen Weinhändlers Schöneck wird der Nachlaß mit Arrest belegt. Der Hofrat Fritzsche beim Appellationsgericht, der sich gern in Alles mengt, kommt zu Beust und beklagt im Namen der Erben den Arrestschlag, den man als Beweis der feindlichen Gesinnungen gegen Preußen betrachte. Beust macht einige Redensarten und vergißt die Sache. Acht Tage darauf kommt Fritzsche wieder mit höchstem Dank der Erben und bemerkt dem sehr überraschten Beust, daß, seitdem er die Sache in die Hände genommen, der Beschwerde sofort abgeholfen worden sei. Das Oberappellationsgericht hatte nämlich inmittelst reformiert und den Arrest aufgehoben. Februar 26 Früh alle zusammen nach Loschwitz, über die Elbe gegangen, die zum zweiten Mal steht. Um 5 Diner bei Halle, zu dem auf ausdrücklichem Verlangen auch Oda gezogen ward, außer uns Minister Falkenstein mit Frau, Dr. Heine, Viktor Wickede und einige Herren. Abends war ich zum ersten Mal – große Ehre – zum Tee zum König befohlen. Um 8 ½ versammelte sich im Vorzimmer vor des Königs Arbeitsstube General von Engel mit Frau, Graf Einsiedel von Reibersdorf mit Frau, Kammerherr von Polenz aus Cunewalde und eine Hofdame von Miltitz. Gleich darauf kamen der König und die Königin, später die alte Prinzess Amalie. An einem runden Teetisch namen wir alle Platz und es fand nun eine ganz ungenierte Unterhaltung Platz, bei der es gestattet war, schlechte Witze zu machen. Die Unterhaltung führten meist der König, der allerhand Geschichten erzählte, Engel und ich.
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Einsiedel, der stocktaub ist, unterhielt sich mittels eines Hörrohres mit der Prinzess Amalie. Polenz schwieg sich aus, die Hofdame muckste nicht. Gegen 9 ½ ward nach dem Tee ein kleines Souper serviert, von dem ich bloß ein Glas Eier genoss. Der König erzählte u. a., daß ein Wiesenaufseher, der von Maulwürfen mit ihm gesprochen, aus Respekt stets „Mundwürfe“ gesagt habe. Als Wahlspruch für das große Sängerfest, das hier abgehalten werden soll, hat ein Witzbold vorgeschlagen: Die Männer singen meistens immer, viel lieber als die Frauenzimmer. März 28 Wieder mitten im Winter, Schneegestöber, Sturm, unter dem heute Abend 6 ½ Uhr Theodora und Ida nach achtwöchentlichem Aufenthalt, ich denke ganz befriedigt, abgereist sind. Eine Anekdote erzähle ich jetzt mit Glück und Varianten. Ein Kaufmann auf der Schloßgasse Klaus Berr will an der Polytechnischen Anstalt eine chemische Vorlesung mithören, die alle Mittwoche von 6–7 Uhr gehalten wird, geht auch regelmäßig hin, macht am Schluß dem Professor, den er etwas fragen will, einen Besuch, wundert sich, einen ganz Fremden zu treffen und es ergibt sich, daß er, ohne es zu merken, in ein falsches Auditorium gekommen, den Winter hindurch Kulturgeschichte gehört, die ein Professor Mittwoch und Sonnabend gehalten. April 13 Anton erzählte mir gestern, wie man beim Justizministerium den Geschäftsgang zu beschleunigen versteht. Das Gerichtsamt in Neustadt bei Stolpen hat Bericht an das Appellationsgericht hier in einer Sache zu erstatten. Der Kanzlist adressiert aber falsch an das Justizministerium. Dieses, das mit dem Appellationsgericht sich in einem Hause befindet, schickt nach 14 Tagen die Akten zurück mit der Anweisung, das Gerichtsamt solle die Akten mittels Bericht an das Appellationsgericht einsenden! April 23 Heute war ich um 12 zur Gratulationscour beim Kronprinzen und fuhr dann mit Oda zu Tische nach Loschwitz. Gustav kam nach und brachte die Nachricht mit, daß er sich heute Mittag im Großen Garten (an der Eiche links) mit Henriette Jordan verlobt hat. Er hat sie dort allein spazieren gehend gefunden – auch kurios. Wir haben die Sache schon längere Zeit vorhergesehen, da Jordan, wie wir nach seinem Benehmen annehmen mußten, an sich nichts dagegen hat. Allein die Geschichte ist verfrüht, einmal weil das Mädchen noch sehr unreif ist und die Welt und die Menschen noch gar nicht kennt, also auch ihrer Gefühle nicht sicher sein kann und dann, weil Gustav noch gar nicht in der Lage ist, heiraten zu können. Das mußte ich ihm denn vorhalten, obwohl wir sonst gegen das Mädchen nichts haben können. Aber der Schwiegervater! Jordan wird immer hypochondrischer und ökonomischer und Gustav darf schwerlich auf eine große Beihilfe rechnen. Auch hat Jordan erklärt, seine Töchter sollten vor dem 24. Jahr nicht heiraten. Sechs Jahre verlobt? Da könnte noch manches dazwischen kommen. Juni 3 Anton hat vorgestern den Zivilverdienstorden erhalten, so daß wir 3 Brüder nun Alle damit versehen sind. Juni 18 Den Präsident Halle, bei dem wir oft waren und dessen Haus das einzige ist, das einem interessante Unterhaltung bot, da man ungeniert dort viele Leute aus allen Kreisen traf, hat vor etwa fünf Wochen der Schlag getroffen und es scheint, daß er sich nicht wieder erholen wird. Wir werden dann ganz abgeschlossen leben, da wir kein anderes Haus öfter besuchen. Eine Hofdame der Kronprinzessin, Gräfin Scholl, hat sich mit einem Leutnant von Tümpling und, wie man sagt, auch noch mit Andern, u. a. dem Schauspieler Lemaistre ein-
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gelassen und ist in ihrer Wohnung beim Kronprinzen in Strehlen niedergekommen. Tümpling hat sich, vom Bruder der Gräfin bedroht, bereit erklärt zu heiraten, aber der Vater verweigert seine Zustimmung. Die Gräfin ist in die 30 und hässlich, nichtsdestoweniger hat man sogar den Kronprinz mit in die Geschichte hereingezogen, der jedenfalls bessern Geschmack hat, als sich mit einer solchen alten Büchse einzulassen. Der Generaldirektor von Könneritz kann es Niemand recht machen und man überzeugt sich allerseits, daß seine Wahl eine ganz ungeeignete war. Ganz formlos und nichts weniger als vornehm in seinem Wesen, vermag er dem Personal nicht zu imponieren und das Theater geht rückwärts und macht schlechte Geschäfte. Als der König ihn auf Vorschlag Lüttichau’s gewählt, hat er zu Beust gesagt: „Es wird schon gehen, er hat eine junge hübsche Frau, an der er einen Halt haben wird“, worauf Beust erwidert: „jedenfalls hat er an seinem Schwiegervater einen Anhalt“. Dieser – der sogenannte Gummibaum – ist nämlich ein sehr bornierter Fürst von Anhalt-Dessau und die Tochter, die Könneritz geheiratet hat, aus einer morganatischen Ehe mit einem Erdmannsdorf. Zu tun habe ich für das Gesamtministerium fast nichts. Seit Anfang Februar habe ich drei Sitzungen gehabt, da die meisten Sachen durch Umlauf erledigt werden, indem ich dazu ein Expose mache und die Sache gleich ausfertige. Beust war dieser Tage in Jena, um das Schuldenwesen seines ältesten Sohnes, eines faulen, dummen, aufgeblasenen, liederlichen Schlingels, zu regeln. Er ist für seine Kinder ganz blind. Der Studiosus ist ein kleiner dicker Knirps von höchst unscheinbarem Äußeren. Er findet ihn aber bildhübsch, meint, daß er allgemein beliebt sei und ist überzeugt, daß er demnächst eine sehr reiche Heirat machen und sich dann auf seine Güter setzen werde. Es wird gehen mit diesem Plan wie mit der Nationalbelohnung, die Beust zugedacht war, von der man ihm ein großes Rittergut kaufen wollte und die gänzlich im Sande verlaufen, nachdem man auf einigen Dörfern Groschen und Pfennige gesammelt hat. Daß er sie verdient hätte für sein Wirken in London ist gewiß, aber wir Deutsche sind einmal nicht fähig, ein Verdienst anzuerkennen. Statt uns darüber zu freuen, wenn einmal ein Mann eine große Idee durchführt, müssen wir gleich mäkeln und verkleinern, weil die persönliche Eitelkeit des Einzelnen – unser Nationallaster – es nicht duldet, daß einer sich klüger erweisen dürfe als die gesamte Schafherde. Juli 3 Am Sonnabend ist meine Schwiegermutter wieder abgereist. Mir ist ein Stein vom Herzen, da ich immer besorgte, ich möchte mich nicht vollständig beherrschen können und ihr einmal ein Spiegelbild vorhalten, was sie an ihren Kindern Alles verübt hat. Ich mußte unwillkürlich einen schlechten Witz machen: Warum war Adam der glücklichste Mensch? – weil er keine Schwiegermutter hatte. Juli 23 Gestern hat hier das Deutsche Sängerfest begonnen, zu dem aus allen Weltgegenden eine Menge Sänger und Nichtsänger zusammenströmen. Die ganze Stadt ist mit Flaggen, Kränzen und anderen Dekorationen der Häuser geschmückt. Der Anblick ist wirklich schön. Ich sah gestern einige Züge ankommen, bemerkte aber im Publikum, das ganz teilnahmslos die fremden Gäste vorbeiziehen ließ, keine Spur von Begeisterung. Ich habe auch zwei Gäste in Bagatelle aufgenommen und ein paar junge Ladenschwengel – beide Namens Müller – aus Auerbach im Vogtland bekommen, harmlose Subjekte, die am wenigsten beanspruchen, daß wir uns mit ihnen beschäftigen. Sie hegen auch nicht im geringsten die Absicht, den Platz bei den Aufführungen der Sänger zu beschränken, sind heute nicht in die
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Probe gegangen, sondern beabsichtigen nur, sich das ihnen noch ganz fremde Dresden zu besehen, wozu das Sängerfest ihnen eine sehr billige Gelegenheit bietet. Es ist ein rechter Humbug, so ein Fest! Der Sängerspruch war: „Herz und Lied, frisch, frei, gesund, bewahr es Dir Gott zu, Sängerbund“. Meine Sänger aber meiden statt des zweiten Verses „Und nun lebwohl zu, Sängerbund“. An vielen Orten stand „Willkommen deutsche Brüder“ und ich füge hinzu „Geht nun und kommt nicht wieder“. Juli 25 Gestern sahen wir uns den Festzug von Beust’s aus mit an, der über zwei Stunden dauerte und mit der Menge Musik, Fahnen und Sängerzeichen ganz interessant war. Bei sehr vielen Vereinen waren aber bloß die Emblemen, z. B. Niedererzgebirgischer Verein und der Ortsname, aber keine Sänger da, die während der Hitze lieber in Bierkellern saßen. Beust war aber über die vielen Vivats, die er erhielt, ganz strahlend. Est it possible. Einige Chöre sangen auch vor dem Haus etwas. Heute kam Erhard von seiner Reise in den Böhmerwald und nach München sehr ermattet zurück. Die Hitze ist auch erdrückend, 30 Grad im Schatten, so daß auch mir heute vor dem Gewitter, das endlich die Luft wieder abkühlte, ganz flau war. Juli 30 Die Gegner Beust’s, die ihm Schuld geben, daß er mit der Demokratie liebäugle, haben u. a. erzählt, daß er in Turnerkleidung beim Sängerfest erschienen sei. Diese reduziert sich auf eine hellgraue Sommerkleidung, die sich allerdings weder durch Neuheit, Eleganz, noch besondere Reinlichkeit ausgezeichnet, die er immer trägt. Daß ihm die leicht erworbenen Vivats der Sänger, die Ständchen, die man ihm gebracht, sehr angenehm sind, ist mir zwar wunderlich, aber begründet. Diese aura populari ist ihm entschieden etwas zu Kopf gestiegen, trotzdem er das varium et amtabile vulgus doch genügend kennengelernt hat. August 30 Beust ist nun wieder einmal glücklich, in den Österreich-Preußen-Differenzen zugezogen, wird sein Name doch wieder genannt. Ich schrieb vor einigen Tagen an ihn wegen Ferdinand, der am Donnerstag bei uns aß und post passus da mir wieder seine Ansprüche auf die Raute entwickelte, worüber ich schon einmal mit Beust gesprochen hatte, der aber keine Aussichten eröffnete, da dann auch Behr und Rabenhorst auftreten werden. Ferdinand wünscht aber ein bayerisches Großkreuz und das wird Beust ihm wohl verschaffen können, da er ja schon bei der Sächsisch-Bayerischen Eisenbahn mitgewirkt und seitdem manche Gefälligkeiten gegen Bayern gezeigt hat. Mir wäre es sehr lieb, wenn ich mitwirken könnte zu Erfüllung eines seiner Wünsche, da Ferdinand sich stets außerordentlich freundlich und gefällig gegen mich erwiesen hat. Er hat eine Coulanz in den Geschäften immer gezeigt, die höchst angenehm ist. Am Freitag war ich mit Sophie im Theater – das erste Mal im Sommer, solange ich in Loschwitz wohnhaft bin – um ein Stück von Kotzebue „Der unbarmherzige Freund“ zu sehen, ein sehr feines Lustspiel, das einen sehr ansprechenden Dialog enthält. Sahr’s waren auch deshalb von Dahlen hereingekommen. Es tut mir sehr leid, daß Kotzebue jetzt Dresden verläßt, da er nach Karlsruhe als Geschäftsträger versetzt ist. Er ist ein höchst angenehmer Gesellschafter, ohne alle Prätension, harmlos eingehend auf jeden Scherz. Er ist eigentlich der Einzige unter allen unsern Bekannten, den ich vermissen werde. Halle, vor drei Monaten vom Schlag getroffen, ist geistig sehr gestört. Dieses interessante Haus wird sich also auch schließen.
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Ich erhielt … eine dringende Einladung für 6 Uhr zu Forth-Rouen, der mich mit einem französischen Gelehrten Thio aus Paris bekannt zu machen wünschte, der hier für ein Werk über die christliche Kunst Studien machen wollte. Er ist geläumt, geht an Krücken und seine Tochter macht für ihn den Sekretär. Er ist ein Mann von Geist, der aber entsetzlich viel spricht. Ich suchte ihn den Tag darauf auf, verschaffte ihm Bücher und die Erlaubnis, das Hauptstaatsarchiv zu benutzen, von der er aber ex post, da er krank ward, keinen Gebrauch gemacht hat. In den „Blättern für literarische Unterhaltung“ Leipzig bei Brockhaus, 1865, Nr. 21 S. 335 steht „ein englisches Urteil über deutsche Schriften“ in der Edinborgh Review, worin es über meinen Moritz von Sachsen heißt, ich habe nicht das Talent historischer Situationsmalerei und die Kraft lebendiger Schilderung, ich sei ein sorgfältiger Chronikschreiber, „der seinen Stolz darein setze, von den meiner archivarischen Oberleitung anvertrauten Schätzen des Dresdner Staatsarchivs einen gewissenhaften Gebrauch zu machen und die Überlegenheit einer aus Originaldokumenten geschöpften Wissenschaft über die aus zugänglicheren Quellen entnommenen an den Tag zu legen“. Diese Kritik ist sehr richtig und mir lieber, als die vielen Lobhudeleien, die einige Zeitungen gebracht haben. September 6 Ich hatte Beust wegen Ferdinands Orden geschrieben und er scheint laut seiner beiligenden Antwort die Sache befördern zu wollen, schreibt aber zugleich, daß er bei seinen politischen Verhandlungen sich mit den in magnis in actus volnisse fat est begnügen müsse, also hat er bei dem Gasteiner Abkommen nicht erreicht, was er gewünscht hat. September 12 Wer lügt denn eigentlich, mußte ich mich gestern fragen, als ich mit Minister von Falkenstein ein langes Gespräch hatte über die schlechte und ungenügende Beköstigung der Schüler in Meißen. Professor Richter hat nämlich nach Exploration Erhards erklärt, daß er an Blutarmut und Muskelschwäche leide und hat ihm ein zweites Frühstück von nahrhaftem Fleisch und Bier verordnet. Als ich deshalb mit dem Rektor Dr. Franke und Professor Kräuseler am Freitag sprach, versicherten beide, daß das Lehrerkollegium bereits wiederholt das Ungenügende der Fleischportionen beim Ministerium geltend gemacht habe, aber vergeblich, daß man auch eine Waage, um die Portionen nachzuwiegen, verweigert habe. Falkenstein stellte das ganz in Abrede und versicherte, die Professoren hätten im Gegenteil ihm versichert, es sei Alles vortrefflich. Er bediente sich dabei sehr starker Ausdrücke über die Herren. Ich hatte aber die Tatsache schriftlich in dem Briefe des Dr. Franke. Ich werde nun auf den Wunsch des Ministers die Sache offiziell an das Ministerium bringen. Einstweilen habe ich Abrede getroffen, daß Erhard das desiderierte zweite Frühstück in Beefsteaks pp. und Bier erhält. Am Freitag war ich in Folge einer ministeriellen Einladung mit dem Gustav-AdolfsVerein in Meißen, eine sehr interessante Partie. Musik im herrlichen Dom, höchst fideles Diner in der Sonne, viele interessante Leute kennengelernt, dessen Namen ich bereits wieder vergessen habe. Mein einer Tischnachbar war der Pastor Voigt aus Königsberg in Preußen, der andere ein reicher Fabrikant Zeltner, aus Nürnberg, schenkte mir seine volle Freundschaft und seine Photographie. Beust ist gestern Mittag zurückgekommen. Gerüchte der scheußlichsten Art gehen über seine Nichte Rosa, meine Pate, herum. Sie soll mit dem Großherzog von Florenz ein Verhältnis haben, das Folgen gehabt. Es ist bestimmt nicht wahr und ich habe auch Jedem, der darauf hindeutete, sehr energisch widersprochen – aber wie ist gegen eine solche, den Ruf
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eines Mädchens vernichtende Klatscherei anzukämpfen, zumal da sie und insbesondere ihre Mutter durch ihre Hoffahrt alle Welt sich zum Feind gemacht haben. Oktober 4 Den ganzen Sommer haben wir im Gesamtministerium noch keine Sitzung gehabt und auch morgen findet keine statt, da Beust verreist, um einem abgehenden Bürgermeister in Plauen persönlich ein Komturkreuz zu überbringen. Er liebt es, sich bei dergleichen Angelegenheiten zu zeigen. Neulich trug er mir auf, an Kotzebue zu schreiben, der seit etwa 14 Tagen auf seinen neuen Posten als russischer Geschäftsträger abgegangen ist – was mir sehr leid tut, da er ein höchst angenehmer Gesellschafter war, den ich vermissen werde, während die meisten Bekanntschaften, die man in spätern Jahren macht, einem nur so über den Lebensweg laufen, ohne eine Erinnerung zu hinterlassen. Ich sollte also Kotzebue schreiben, daß man ihm jetzt beim Abgang nur ein Komturkreuz 2ter Klasse geben könne – als Geschäfsträger, daß aber, wenn er einige Zeit in seinem neuen Posten sei, ihm eine höhere Klasse erteilt werden könne. Warum, ist mir nicht klar, da er in Karlsruhe auch nur ist, was er hier war, Geschäftsträger. Ich habe es ihm aber geschrieben. Am Montag war ich mit Beust im Historischen Museum und in der alten Bildergalerie. Man hat nämlich auf dem letzten Landtag den Ständen eröffnet, daß in der alten Bildergalerie das Historische Museum und die Porzellansammlung Platz finde, daß diese deshalb feuerfest gewölbt werden solle. Weder Kohlschütter noch Beust haben sich damals um die Sache gekümmert und der Inspektor Büttner ist wegen des Historischen Museums gar nicht gefragt worden. Er lamentierte nun mir sehr über die Sache, da es gar nicht möglich sei, beide Sammlungen dort zu vereinigen. Davon überzeugte ich mich denn wohl ebenso wie davon, daß, wenn man nach dem Plan des Oberlandbaumeisters einen Wald von 70 Säulen in die Bildergalerie stellte, der herrliche Raum ganz verengt und unbrauchbar gemacht werde. Die Säulen sind aber schon, ich weiß nicht für wieviel 1 000 Taler, bestellt oder fertig. Nun überzeugt sich auch Kohlschütter, dem ich einige Flöhe in den Pelz setzte, daß der ganze Plan verfehlt ist. Nun überzeugte sich auch Beust am Montag davon und er hat dann alsbald dem König die Sache mitgeteilt, der nun selbst es sich ansehen will. Die Geschichte erinnert stark an Krähwinkel, läßt sich aber doch noch, wenn auch mit Geldopfern, redressieren. Mein Verdienst ist dabei, daß mich die Geschichte gar nichts angeht, während Alle, die es amtlich angeht, sich gar nicht darum kümmern. Auch wegen der Herausgabe der sächsischen Urkundensammlung mußte ich mich jetzt wieder unberufen einmischen, da die Sache in den Händen des faulen Hofrat Gersdorf gar nicht vorwärts kommt. Er hat das Brett gebohrt, wo es am dünnsten ist, und zunächst die Urkunden über das Domstift Meißen hergenommen, die fast alle im dortigen Archiv und im Hauptstaatsarchiv liegen und alle schon abgeschrieben sind, aber auch das stockt, nachdem der erste Band erschienen. An die Regenten und Landesgeschichte – freilich eine schwierige Aufgabe – will er nicht heran. Ich hatte nun Falkenstein auf dessen Wunsch meine Vorschläge gemacht und daß ein junger Historiker Dr. Heyne vom 1. Oktober an mit 400 Taler jährlich mitarbeiten solle. Am 11. September ist die Verordnung deshalb an Gersdorf, der ganz damit einverstanden war, abgegangen und noch heute hat er Dr. Heyne nichts notifiziert. Am Montag sprach ich deshalb mit Falkenstein und am Dienstag bereits hatte ich die Verordnung von ihm, ich solle Heyne im Archiv zulassen und ihn anweisen, was er vornehmen soll. Mein letztes Buch „Die Mutter Anna“ ist nun erschienen und die 350 Taler, die ich dafür erhalten habe, sind sofort in die Altersrentenbank für Oda gewandert, der ich von 40 Jahren
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an (eher geht es nicht) eine Leibrente sichern will. Ich schickte das Buch an den König, Kronprinz und Prinz Georg mit Briefen. Der Letztere hat mir sehr höflich geantwortet, die Andern nicht. Höflichkeit ist nun eben nicht eine Tugend aller Großen. Gestern besuchte mich der neue Oberbibliothekar Förstemann, der einen günstigen Eindruck macht, aber eine Riesenarbeit vorfindet. Jetzt ist in den Katalogen bei keinem Buch angegeben, wo es steht, die Bücher haben keine Nummer nach dem Standort. Es gehört also eine ganz genaue Lokalkenntnis dazu, um ein Buch zu finden, während doch die Bücher so stehen müssen, daß jeder Aufwärter es holen kann. Ebert hat dies nicht gewollt, weil es dann aussehe wie in einer Leihbibliothek! Oktober 5 Heute Morgen um halb 7 brachte mir ein Portechaisenträger einen sehr freundlichen Brief des Königs, in welchem er für mein Buch dankt, mit der Bemerkung, daß Mutter Anna jetzt zur gemeinsamen Abendlektüre in Weesenstein dient. Beust erzählte mir neulich noch, daß er mit dem Kreisdirektor von Burgsdorf in ernste Differenzen geraten sei wegen dessen ultrakonservativer Opposition gegen das Ministerium. Er meinte, jener habe vielleicht Absichten auf Übertritt in preußische Dienste – wobei ich unwillkürlich an eine frühere Bemerkung Beust’s dachte! Wenn Burgsdorf so fortfahre, so bleibe nichts übrig, als ihn zu versetzen. Der zeitherige Flügeladjutant des Königs, Major von Friesen, Bruder des Ministers, macht auch jetzt eine Erfahrung, wie wenig auf Fürsten Gunst zu bauen ist. Der König hat ihn persönlich gern und Friesen hat darauf wohl Hoffnung gebaut. Er ist jetzt Oberstleutnant geworden und wird auf einmal nach Bautzen versetzt – weil sein Nachmann, ein Oberstleutnant Humann, ein etwas rüpelhafter Mensch ist und insbesondere eine sehr ordinaire Frau hat, man also das Ehepaar nicht für geeignet hält, die erste Rolle beim Militär zu spielen. Wie Friesen behauptet, wäre aber die Sache sehr leicht zu vermeiden gewesen, wenn man den Oberst von Hausen nicht von Bautzen ohne Notwendgkeit nach Dresden versetzt hätte. Friesen kostet die neue Equipierung über 1 300 Taler. Da ihm die Sache ganz unerwartet gekommen, muß er hier ein erst für Michael gemietetes Quartier bezahlen, seine Familie hier lassen und verschlechtert sich noch um 200 Taler jährlich. Da tut nun der König gar nichts. Er genehmigt die Versetzung, ohne davon Notiz zu nehmen, wie Friesen zu Rande kommt. Möglich, daß es bloß daran liegt, daß Niemand ihn darauf aufmerksam macht, kann dann aber ein hoher Herr nicht selbst einmal Nachdenken? Minister Zeschau sagte einmal, es gibt drei Sorten von Menschen, weiße, schwarze und – Fürsten. Oktober 15 Am Donnerstag hatten wir um 2 nach Monaten wieder einmal Sitzung im Gesamtministerium. Der König rief mir, als ich eintrat, über den großen Tisch hinweg: „Wir amüsieren uns jetzt alle Tage herrlich mit Ihnen“ oder so ein paar Worte, die die Minister, welche gar nicht wußten, was er meinte, sehr in Erstaunen setzten. Der Adjutant Friesen hatte mir bereits erzählt, daß er Mutter Anna alle Abende in Weesenstein vorlesen müsse und daß das Buch sehr gefalle, insbesondere der Kronprinzessin. Der König hat ein paarmal gesagt, das ist ganz, als wenn ich Webern höre. Als der König fortging, kam er noch einmal zurück und sagte, auf Friesen, der ihn abholte, deutend, gestern blieb er vor Lachen stecken, als er an die Geschichte mit der Straußenhaut kam. Also einige dankbare Leser habe ich gefunden. Beust’s, Falkenstein’s und Geheimer Rat Müller aßen am Donnerstag Mittag bei uns. Das Diner, das wegen der Sitzung erst gegen 4 ½ begann, dauerte bis in den späten Abend sehr fidel.
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Oktober 29 Vor einigen Tagen war ich zum ersten Male beim General von Spiegel zu Tisch, der, ich weiß nicht woher, hier jetzt als reicher Mann lebt, während seine Familie früher in Zwickau ziemlich beschränkter Verhältnisse war. Er ist sehr eitel und möchte insbesondere gern als Schriftsteller gelten, wobei er sich der französischen Sprache wahrscheinlich mittelst des dictionaire bedient. Spiegel ist ein Mann von Geist und Charakter, auch Wisssen, aber eben kein Schriftsteller. . Gestern war ich beim österreichischen Gesandten Freiherrn von Werner zu Tisch mit Langenn, dem bayerischen Gesandten von Gise, Dodo (dem unvermeidlichen harmlosen Grafen Radolinski, Bykophant von Stand) und dem buckligen langweiligen von Rauhe, jetzt Präsident der Obligationenkommission, die hier tagt. Das Diner war ganz amüsant. Sonderbar ist, daß mich Werner, bei dem ich schon öfter gegessen, nur einladet, wenn seine Frau, die immer erst im Spätherbst hier wieder eintrifft, abwesend ist. Ich habe die Dame daher noch nie gesehen. Siebenhaar, der Referent bei der Obligationenkommission ist und in Folge seiner Dickköpfigkeit sich und alle Andern bis aufs Blut ärgert, plagt mich unausgesetzt, ihm eine Gratifikation, die aber nicht unter 1 000 Taler betragen dürfe, zu verschaffen. Ich habe es Beust gesagt, der aber kein Geld zu haben behauptet und ihm auch die wiederholten monita zugefertigt. Ich bin doch auch bei mehreren solchen Kommissionen – Zivilgesetzbuch, Prozeßordnung – gewesen, mir ist es aber nie eingefallen, dafür etwas zu prätendieren. November 10 Gestern Abend war ich bei Prinz Georg, mit ganz wenig Personen (etwa acht Gäste) zu einer musikalischen Soiree, bei der Tichatscheck herrlich Lieder sang und einer, Italiener, geigte – bloße Faxen. Die Künstler soupierten aber mit an kleinen Tischen. Ich saß neben der Ministerin Falkenstein und dem Italiener mit Prinz Georg. Es war eine ganz ungenierte, recht angenehme Unterhaltung. Schonend muß ich auch noch bemerken, daß der Hofmarschall von Zschinsky dem Musiker und selbst dem Kammermusikus Riccius, der nur zum Notenumwenden da war, Stühle hintrug, damit sie sich, wenn sie nicht beschäftigt waren, setzen konnten. November 11 Galadiner beim König mit einer Menge Leuten zusammen. Nach Tisch sprach ich mit dem Kammerherrn von Polenz von Cunnewalde, einem Sohn des alten Freundes des seeligen Vaters. Er erzählte mir – was mich wunderte – daß der Kronprinz ihn seit Jahren mit Groll verfolge, weil er es übelgenommen, daß seine Frau ihn, als er in der Kantonierung bei ihnen gewohnt, bei der Ankunft nicht bis an die Haustür entgegengekommen, sondern ihn, weil sie hoch schwanger gewesen, an der Tür des Wohnzimmers empfangen habe. Ich glaube kaum, daß der Kronprinz, der selbst sehr burschikos ist, so viel Gewicht auf die Sache legen könne, indessen Polenz versicherte, er sei seitdem so außerordentlich unhöflich gegen ihn und markiere das so, daß Menschen, um nicht anzustoßen, sich von ihm zurückgezogen hätten und er deshalb nur, wenn es nötig sei, nach Dresden komme. Als er im vorigen Winter für eine große Gesellschaft eingeladen, habe der Kronprinz, als er es erfahren, selbst eine Soiree befohlen und ihm seine Gäste weggebeten. Si fabula vera? November 26 Seebach aus Gotha ist auch seit acht Tagen hier mit seiner Tochter Wanda, teils um seinen alten Vater zu besuchen, teils um eine Frau zu suchen. Es sind mehrere wohlhabende Witwen in Frage gekommen, die wir aber nicht kennen, Frau von Jordan, Gräfin Wallwitz geb.Planitz, bei denen also Sophie keinen Kuppelpelz erwerben kann. Jetzt
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scheint er aber sein Auge auf Isidore von Kyaw zu richten – 23 Jahre alt, er 57! Wir werden uns sehr hüten, irgend etwas dazu zu tun. Gestern war ich bei Falkenstein zu Tisch bei ganz angenehmer Gesellschaft. Ich saß neben Rittmeister Krug von Nidda und Oberappellationsrat von Friesen, beide ganz amüsant. Morgen sind wir zu des alten Berlepsch Geburtstagsfeier dort zu Tische. Dienstag gaben wir Seebach zu Ehren eine Gesellschaft, Berlepschens in corpore nebst dem Adjutant aus Bautzen und Frau, die hier sind, Kyaws, Schimpfs pp. Auch den kleinen Geißler habe ich dazu eingeladen. Halle ist noch immer in seinem traurigen Zustand, von dem ihn nur der Tod erlösen kann. Er sitzt, wohl im Gehirn teilweise gelähmt, dumpf brütend und duselnd, die ganze Zeit teilnahmslos für Alles, nur noch repitierend. Ich gehe öfters des Abends zu ihr, um eine Stunde mit ihr zu schwatzen. Auch zum Minister Könneritz, der auch sehr schwach geworden ist, gehe ich aus alter Dankbarkeit bisweilen des Abends eine Stunde, was ihm immer sehr zu freuen scheint. Sonst leben wir sehr still und zurückgezogen, gehen höchstens in den Zoologischen Garten. Des Abends bleibe ich, aus dem Archiv um 6 zurückgekehrt, zu Hause. Gustav kommt in der Regel nach 8 Uhr zum Abendessen, da er auch wenig Bekanntschaften hat oder kultiviert. Dezember 10 Gestern Abend war eine musikalische Soiree bei Budberg, in der die Familie Kummer in drei Generationen spielte, der alte Kammervirtuos, dessen Jahre sich aber geltend machen, Otto Kummer, unser Orchestervereinsdirektor, und dessen Sohn, ein tüchtiger kleiner Geiger, außerdem ein Knabe Leiterl, ein Klavierwunderkind. Interessant war mir der nordamerikanische General Mc. Callan, der im letzten Krieg eine so große Rolle gespielt hat. Ein Mann von 39 Jahren, schwarzes Haar, Schnur- und Spitzbart, interessantes Gesicht, mittlere kräftige Gestalt, gentlemanlikes Wesen. Ich habe mich ihm nicht vorstellen lassen, da er bloß so mangelhaft französisch spricht als ich englisch. Er bleibt den Winter hier, vielleicht treffe ich ihn noch einmal. Heute ist zu meiner großen Belästigung Nachmitttag Probe im Orchesterverein, der mir durch die Mehrzahl der Konzerte, die Kummer veranstaltet, anfängt lästig zu werden, da viele öffentliche Produktionen eigentlich gar nicht in unserm Zweck lagen. Es singt ein Fräulein von Reuter, eine Tochter der Nostitz, Schwester des seeligen Oberzolldirektors, ein massives Frauenzimmer, das aber im Gesang noch Alles zu lernen hat. Um 3 Uhr haben wir ein Diner beim Geheimen Rat (Nasen)Müller mit Falkensteins, zu dem er auch Ferdinand eingeladen. Dieser ist auch so herablassend gewesen, es anzunehmen, obwohl er stets auf Müller raisonniert, das kein gourmand, sonderen bloß Fraß sei. Zur Halle gehe ich öfters Abends, sie fühlt sich sehr einsam, da jetzt, wo sie keine Diners mehr geben, die Zahl der empressierten Freunde sehr reduziert ist. Er, der Mann, sitzt vom Schlag wohl im Gehirn berührt, halb stumpfsinnig im Stuhl, sieht Niemand, spricht fast kein Wort, nur den Tod kann man ihm wünschen. Am Donnerstag hatten wir im Gesamtministerium die Frage wegen der Geschworenengerichte. Beust, der Kronprinz und Prinz Georg waren dafür, der König häsitierte und schließlich ward auf Friesens Vorschlag beschlossen, Gutachten von Männern der Wissenschaft darüber einzuholen, wie über die Schöffengerichte Erkundigungen in den Ländern, wo sie bestehen, Hannover pp. Als ob die Frage nicht genug besprochen wäre! Aber es ward wenigstens die gewissenhafte Ängstlichkeit des Königs einstweilen beruhigt. In 3–4 Monaten werden wir denn um einen Aktenstoß reicher, im Übrigen aber ganz auf demselben
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Fleck stehen. Am meisten fühlbar macht sich bei den Beratungen der Mangel eines Direktoriums. Ich begnüge mich bei dergleichen mehr politischen, über meinem Horizont liegenden Fragen, bei denen ich nichts Neues zu sagen weiß, mit dem Vortrag, lasse dann die Sache laufen. Da war es dann der König, der eigentlich, da Beust kein Ergebnis herauszog, der die Fragen stellte. Bei andern Sachen, z. B. Differenzen der Ministerien oder staatsrechtliche Fragen gebe ich ein Votum und behalte die Sache in den Händen, indem ich schließlich die Resolution formiere. Ich habe da ziemlich freie Hand, weil jeder Minister sich eigentlich nur um sein Departement kümmert, höchstens Friesen faßt einen allgemeinen Standpunkt. Wie anders war es da früher unter Könneritz. Dezember 17 Am Freitag Abend kam seit Jahren zum ersten Mal wieder Römer zu uns, der sich aus seiner Hypochondrie etwas herausgerissen hat und ganz fidel wurde, als er eine volle Flasche Medoc allein ausgetrunken. Ich hatte noch den Professor Förstemann eingeladen, der in diesem Jahr aus Wernigerode hierher als Oberbibliothekar berufen worden. Nach seinen Erzählungen hat er einen Augiasstall zu reinigen. Ganze Schränke und seit Jahren nicht geöffnete Schreibtische hat er vorgefunden, vollgepresst von allerhand in größer Unordnung liegenden Urkunden, Druckschriften pp. Ein Standregister fehlt ganz, Massen von Büchern fehlen oder sind verstellt – Resultat, man kann nichts finden. Dabei gar kein Prinzip in den Anschaffungen. Er scheint der Sache mit Energie zu Leibe zu gehen. Nous verrons, ob bloß neue Besen gut kehren. Wir waren den Abend inter pocula sehr angenehm zusammen und ich bedauere nur, daß man eben Dresdens geistige Kapazitäten nicht öfter so zusammenhaben kann. Da sitzt nun der steinreiche Römer alle Abende einsam hinterm Ofen beim matten Schein einer uralten Studierlampe (zu der ich allemal, um nur nicht den Hals zu brechen, noch ein Licht anbrenne, wenn ich zu ihm komme) und könnte, wenn ihn nicht Geiz und Pomade abhielte, jeden Abend die ansprechendste Gesellschaft bei sich sehen. Förstemann erzählte u. a. Folgendes. Kurz nach seiner Berufung erhält er einen Brief aus Dresden nach Wernigerode, von einer Damenhand. Die Absenderin schreibt ihm, daß sie sich sehr freue, daß ihr alter Lehrer jetzt nach Dresden komme, wo sie ihm vielleicht bei der Einrichtung behilflich sein könne. Der Name ist nicht sehr leserlich, ihm unbekannt, beigefügt aber ist geb. Mathias. In Danzig, wo Förstemann Gymnasiallehrer vor 20 Jahren gewesen, das er seit 15 Jahren verlassen, war damals ein Justizkommissar Mathias, der ein sehr glänzendes Haus machte, alle Künstler, Gelehrte, vornehme Personen in reichen Festen bei sich sah, seinen zwei Töchtern die beste Erziehung geben ließ. Ihnen gab auch Förstemann Privatunterricht in der Literatur pp., es waren sehr elegante, feine gebildete Mädchen. Eine derselben war die Briefstellerin. Förstemann hat keine Ahnung, in welcher Stellung er sie wiederfinden werde, vermutet aber, daß diese nur eine glänzende sein könne. Wie hatte er sich getäuscht. Der Justizkommissar hatte sein Vermögen verloren, bei seinem Tod war die Familie vis a vis de rien. Eine Tochter ging nach Paris, soll dort gesunken sein, die andere (die Briefstellerin) heiratet, ward geschieden und suchte mit zwei Kindern als Malerin sich durchzuschlagen, war hier deshalb drei Jahre in den Ateliers. Jetzt ist sie mit dem Delikatessenhändler Kourmonhi verheiratet – schneidet Wurst für 1 Neugroschen. Sic tempora amtantus. Dezember 31 Morgen werde ich also 60 Jahre und bin vollständig berechtigt, mich einen Greis zu nennen, was Sophie und die Kinder mir immer bestreiten. Wenn Alles so bleibt, so habe ich alle Ursache, dem lieben Gott zu danken für ein heiteres ruhiges Alter. Sophiens Grillen, die so oft dieses Glück gestört, haben sich, hoffentlich für immer, ver-
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loren. Wir sind gesund, erleben Freude an unsern Kindern, unsere Mittel reichen aus zu einem bequemen Leben, wir brauchen uns nichts zu versagen, können auch Andern hilfreich beistehen. Ich bekomme vom Gesamtministerium 500 Taler Remuneration, kann also die Mehrkosten der Erziehung der Kinder schon übertragen, auch das Archiv für die sächsische Geschichte wirft mit meinen Beiträgen rund 100 Taler Remuneration etwas ab. Am Donnerstag ließ mich die Kronprinzessin zum Tee um 9 Uhr einladen. Ich traf bloß meinen alten Freund Georg Graf Wallwitz mit seiner Frau und Töchtern, deren eine Hofdame der Kronprinzessin ist, und Geheime Finanzrätin von Nostitz dort. Der Salon ist nach dem Hof zu gelegen und einige Palmen, die ihn schmücken, mußten eine sehr melancholische kümmerliche Existenz führen, da sie kaum ein Sonnenstrahl trifft. Nachdem der Kronprinz und die Kronprinzessin eingetreten, setzten wir uns bald an einen runden Teetisch, während auf einem angeschobenen kleinen Tisch der Tee von der Hofdame bereitet ward. Diese Einrichtung führte nach sich, daß einige Glieder der Gesellschaft Damen am Nebentisch den Rücken kehren mußten. Die Unterhaltung war nicht sehr belebt, aber ganz ungezwungen. Die Nostitz erzählte, daß eine alte Linde im Kanzleihaus weggeschlagen werden sollte, was zu verhindern der Prinz auftrug. Die Wagen waren um 10 ½ bestellt, allein erst um 11 ½ wurden wir entlassen. Den andern Morgen besah ich mir die alte Linde, die allerdings sehr lebensalt aussieht, an die sich aber eine Sage knüpfen soll, daß mit ihr das königliche Haus erlöschen werde. Ihre Existenz sicherte ich daher durch Rücksprache mit Schimpf und meldete dies dann dem Kronprinzen. Am Freitag Abend waren Adolf Berlepsch und ein Kreisrichter aus Posen, Casimir von Juwochowski, bei uns, welcher letzterer hier im Archiv polnische Geschichte studiert. Er ist Pole durch und durch und erzählte vielerlei von den Zuständen dort und dem letzten Aufstand. Der Abend war inter pocula ganz interessant. Heute aßen wir zu Mittag bei Frau von Gruner, um den Geburtstag der Ministerin von Falkenstein zu feiern. Abends kommt Adolf, um bei uns zu wohnen.
1866 Januar 14 Wir leben ganz still, da das einzige Haus, das uns früher Geselligkeit bot, Halle, jetzt geschlossen ist, da er immer noch geistig und körperlich erlahmt ist, jedenfalls ohne Hoffnung auf Genesung. Ich besuche Sie bisweilen aus Mitleiden, großes plaisir ist natürlich nicht dabei. Gustav hat sich einen neuen Kreis von Familien erschlossen, fast alles Fremde, was uns sehr lieb ist, da er schon anfing, ein ganz bequemer Philister zu werden, wozu er große Anlage hat. Vorigen Sommer kam hier ein Marchese Campana mit seiner Frau, einer Art Blaustrumpf, an, welche historische Studien über den Prätendenten von England treibt. Sie ward mir durch den Professor Gruner zugeführt, der ihre Kenntnisse sehr rühmte. Es ist eine Dame von etwa 36–40 Jahren, elegante Tournure, die ich im Archiv gar nicht brauchen konnte, zumal sie weder deutsch versteht noch alte französische Schriften lesen kann. Ich sah dann für sie die Akten durch, übersetzte das Deutsche ins Französische und gab ihr einige Notizen. Das nennt sie archivarische Studien machen. In dieser Weise hat sie, wie sie meint, viele
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Archive durchstudiert. Jetzt sind die Leute wieder hier. Sie luden mich am Donnerstag um 6 Uhr zu Tisch und brachten da wieder petita an, denen ich, damit sie nur nicht selbst im Archiv erscheint, das jetzt ganz überfüllt ist, zu genügen mich offerierte. Heute Abend will ich ihr meine Notizen übergeben und hoffe, sie dann los zu sein. Januar 26 Heute Mittag um 12 ½ ist der Prädisdent Halle nach langem Leiden gestorben. Er war ein Mann von großer geistiger Bedeutung und einer so universellen Bildung wie Wenige, von persönlicher Liebenswürdigkeit, dessen Umgang immer belehrend und unterhaltend war. Das letzte Haus, das hier interessant war. Februar 26 Seebach, der seit einigen Tagen hier ist, gab Veranlassung zu allerhand Festivitäten. Gestern an Ferdinands Geburtstag war Mittags die Familie und der alte Berlepsch bei uns und Abends Beust’s, Witzleben’s, Welk’s, Seebach und Geißler, dem ich aus Großseitschen, seinem Gute, verschrieben hatte. Beust war sehr guter Laune und erzählte allerhand Geschichten, u. a. vom radikalen Leipziger Abgeordneten Dr. Hergner, der einmal den Minister Georgi bezeichnet hat als „den Typhus des sächsischen Volkes“ (statt Typus).
4. Am Vorabend des preußisch-österreichischen Krieges März 2 Gestern hatten wir eine interessante Sitzung im Gesamtministerium, in der Beust einen ausführlichen politischen Vortrag über die zwischen Preußen und Österreich entstandenen Streitigkeiten, deren Folgen, wenn Krieg ausbricht, insbesondere Sachsen bedrohen, hielt.125 Der König sprach dabei ein wackeres Fürstenwort, als Beust bemerkte, daß man beim Ausbruch des Krieges erwarten müsse, daß Preußen an Sachsen die Anforderung einer Preußen freundlichen Neutralität, z. B. das Recht des Durchmarsches stellen werde und darein Fügen als ganz undenkbar bezeichnete, sagte der König „lieber tot“. Wie wird es aber anders kommen als 1756?! Heute habe ich das Protokoll darüber gemacht, eigentlich wohl eine sehr nutzlose Arbeit. Wenn der Fall eintreten sollte, wird uns mein Protokoll auch nicht schützen und es heißen quid quid delikant reges (Borrussiae) plectantus Archivi. Inzwischen ward doch mehrfach auch in den neuesten Depeschen, die ganz interessant waren, die Hoffnung ausgesprochen, daß es nicht zum Krieg kommen werde. Übers Jahr werden wir es wissen, wenn wir noch leben! März 19 Es scheint, als ob wir eine zweite Auflage des Siebenjährigen Krieges erleben sollten! Charmante Aussicht für einen stillen Philister wie ich. Rücken die Preußen über Nacht ein, so wird jedenfalls der König mit Beust ins Ausland gehen und das Gesamtministerium unter Vorsitz Behr’s – denn Rabenhorst würde jedenfalls zur Armee gehen – das Land in den schwierigsten Verhältnissen vertreten sollen. Behr selbst fühlt, daß er einer solchen Aufgabe nicht gewachsen ist und hat, wie mir Falkenstein heute erzählte, diesem mitgeteilt, daß er den König gebeten, ihn zu entlassen. Dieser hat aber ihm geantwortet: Nein, bleiben Sie nur – und er wird bleiben. Keiner von den andern Ministern hat Neigung, den König aufmerksam zu machen auf Behrs immer mehr zunehmende Schwäche. Falkenstein sagte, 125 Protokollnotiz von Weber über den Vortrag von Beust am 2. März 1866 im Gesamtministerium über die politische Situation im Deutschen Bund. Siehe Dokumentenanhang Nr. 25.
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man könne ihn doch nicht denunzieren. Die Sache ist allerdings auch, daß die Wahl eines Nachfolgers sehr schwierig ist. Recht humoristisch ist, daß der sächsische Gesandte in Berlin, Graf Hohenthal, in diesen Tagen das Großkreuz des roten Adlerordens erhalten hat – wegen des Abschlusses des italienischen Handelsvertrages. Beust sagte, er habe es absichtlich sogleich bekannt machen lassen, „nun“, meinte er, „werden die Leute dadurch erst recht konfus“. Rabenhorst hat die Rekruten eingezogen, den Bestand vermehrt, aber natürlich nicht mobil gemacht, was uns gleich die Preußen auf den Hals ziehen würde. Sonstige Vorkehrungen bleiben in Geheimnis gehüllt. Ein Hauptmann, der im Archiv arbeitet, aber seine Studien jetzt einstellt, meinte, ich werde nun wohl auch bald einpacken. Gottlob habe ich im Archiv keine Staatsgeheimnisse zu verwahren, nach denen Preußen wie 1756 lüstern sein könnte. Professor Droysen ist seit einigen Tagen wieder im Archiv, mit der Bismarckschen Politik aber gar nicht einverstanden. Nicht ganz vorsichtig ist es, daß wir jetzt unser ganzes Quartier mit ziemlichen Kosten wieder neu einrichten lassen, auch in Loschwitz habe ich für über 50 Taler für Holzzäune und Barrieren bezahlt, die vielleicht für Wachtfeuern Material liefern werden. Nun, ich kann es nicht ändern und suche nur einiges Silbergeld zu sammeln, für den Fall, daß die Kassenbilletts und Banknoten purzeln sollten. März 29 Falkenstein veranlaßte mich, dringend mit Beust zu sprechen, daß er den König bewege, Behr zu entlassen, wozu der Moment jetzt günstig ist, da Behr auch über einige Artikel in den Zeitungen über die Knickerei des Justizministeriums sehr ergrimmt ist und den Advokat Alfred Stübel, der über den Schmutz in den Gerichtslokalen sich beschwert hat, in Untersuchung ziehen läßt, was natürlich wieder Angriffe in der Konstitutionellen Zeitung hervorgerufen hat. Ich sagte es Beust und schlug ihm Schimpf vor, weiß aber nicht, ob er am letzten Donnerstag, wo er zum König ging, die Sache angeregt hat. Beust hat am Sonntag eine geheime Zusammenkunft mit dem württembergischen Minister in Plauen gehabt, wo sie wohl ein Abkommen getroffen haben. Der König hat die Absicht, eine Landeskommission niederzusetzen für den Fall, daß er Krieges wegen das Land verlassen müsse. Darüber haben denn die Minister mehrere Male beraten, ohne daß ich dabei war – mir stets sehr angenehm. Die Initiative hat der König auch hier ergriffen, wie er bei allgemeinen Landesangelegenheiten dies doch häufig und mit Sachkenntnis und Umsicht tut. Die Prinzen nehmen sehr wenig Interesse an den Geschäften. Beim Kronprinzen liegen die Sachen oft sehr lang und es kam neulich vor, daß, als eine pressante Sache nach beinahe 14 Tagen zurückverlangt ward, der Papiersack uneröffnet zurückkam. Prinz Georg aber erzählte mir ganz unbefangen, daß er in den Sitzungen des Gesamtministeriums in der Regel von einer großen Schlafsucht befallen werde – allerdings nicht sehr schmeichelhaft für mich als Referenten. Am Dienstag hatte ich Professor Droysen zu Ehren, der jetzt wieder im Archiv hier gearbeitet hat, Beust, Falkenstein und Schimpf eingeladen. Es war ein ganz interessanter Abend. Beust, der mit berühmten Federn sich gern gut stellt, wünschte, mit Droysen zusammenzukommen. April 2 Ostermontag. Wenn mir der heutige Tag als ein Feiertag – was er doch ist – angerechnet werden sollte, so wäre das allerdings ein himmelschreiendes Unrecht. Freitag Abend nach 10 Uhr kam Beust zu mir und erzählte mir ausführlich, daß die Kriegsgefahr immer näher rücke und ich Tags darauf im Gesamtminiserium einen Vortrag halten solle über eine Vorlage wegen der für den Fall, daß der König das Land verlasse, niederzusetzenden
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Regierungskommission. Er wollte mir die Sache zuschicken. Ich bekam aber nichts und erfuhr endlich Sonnabend Nachmittag, daß die Sitzung ausfalle. Daher fuhr ich mit Sophie zu Kohlschütters. Vollmond bei herrlichem Regen. Heute früh, als ich etwas spät aufstand, lag das Paket da. Es war ein vom König selbst abgefaßter Entwurf zu einer Verordnung und einer Instruktion mit einigen Bemerkungen der Minister. Die Arbeit lief sehr durcheinander, war, obwohl materiell in der Hauptsache richtig, doch lückenhaft und bedurfte jedenfalls der Umarbeitung. Davon überzeugte ich mich nach ½stündlichem Studium, wobei mir zustatten kam, daß ich mich doch, von Beust im Allgemeinen unterrichtet, die Tage her mit der Sache im Allgemeinen beschäftigt hatte. Um 10 war ich bei Beust, der mich gebeten, zu ihm zu kommen. Da waren zwei Gegenstände zu besprechen. Erstens hat gestern Behr ein angebliches Staatsdienerjubiläum gefeiert. Er ist nämlich am 1. April 1816 als Aktuar verpflichtet worden, aber dann, ich glaube 19 Jahre Gerichtsdirektor – also nicht Staatsdiener – gewesen. Er hat dies – (weil er es ganz geheim halten wollen?!) dem Regierungsrat Roßberg vertraut, der Beust diese Mitteilung mit der etwas frechen Behauptung gemacht hat, er habe es zufällig ermittelt (!). Außerdem hat Behr es aber auch noch gestern Abend dem König geschrieben. Dieser wollte nun Behr die Raute verleihen. Beust war auch der Ansicht, daß das nun nicht zu vermeiden sei, hat aber dem König vorgeschlagen, nach einiger Zeit den Orden auch den andern drei Ministern zu geben – er selbst wünscht ihn in Brillanten. Beust bat mich nun, Falkenstein zu beruhigen. Dies geschah. Außerdem bat mich aber Beust, ich solle, wenn ich heute zum König gehe, ihm doch dasselbe zu sagen, was er ihm schon vergeblich gesagt, daß Behr in der Tat nicht mehr fähig sei, das Ministerium zu führen, er möge ihn also entlassen. Der Auftrag war in meiner Stellung allerdings etwas bedenklicher Art. Indessen da ich, wenn es sonst eine Pflichterfüllung gilt, mich gar nicht scheue, mir den Mund zu verbrennen, so übernahm ich es, wann irgend die Gelegenheit sich biete, denn wahr, dreimal wahr ist es. Ich ging, nachdem ich bei Falkenstein gewesen, um 12 ½ zum König. Der sagte mir gleich beim Eintritt, er sei in der größten Verlegenheit. Er habe eben um zu vermeiden, daß Behr während der drohenden Okkupation das Präsidium in der Landeskommission führe, im Einverständnis mit Behr beschlossen, daß dieser ihn als eine Hilfe in Finanzfragen – als ehemaliger Finanzminister – mit Beust und Rabenhorst begleiten solle. Heute schreibt ihm aber Behr, daß er nach ärztlicher Beratung sich dazu nicht, wohl aber zur Leitung der Geschäfte im Inland geeignet fühle. Da bot sich denn die gewünschte Gelegenheit und nach einer Entschuldigung, daß ich mich unterfange, ihm reinen Wein einzuschenken, sagte ich denn, daß es geradezu unmöglich sei, Behr, der immer schwächer und unentschlossener werde, eine so wichtige Funktion zu übertragen, daß er überhaupt auch für das Justizministerium nicht mehr fähig, sondern zur Pensionierung völlig reif sei pp. Der König ward sehr nachdenkend, sagte aber schließlich, ja freilich, wenn die Geschäfte darunter leiden! Er gab mir dann die Hand und versicherte mir, daß er meine Mitteilung keineswegs übel nehme, da er von Jedem gern die Wahrheit höre. Dann besprach ich denn die Sache wegen der Landeskommission mit ihm und die Ordensfrage, wobei ich ihm sagte, daß allerdings die anderen Minister nun auch solche Erwartungen hegen würden. Er sagte, nun, es wird sich schon eine Gelegenheit finden. Während wir zusammen da saßen, trat der Kronprinz ein, war anscheinend erstaunt, mich zu finden, verschwand aber gleich wieder mit den Worten, er habe nur guten Tag sagen wollen. Nach 1 waren wir fertig. Ich ging nun zum Minister Zeschau, der sehr frappiert über
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die Ordensverleihung schien und mich wegen der Dekoration zum Geheimen Hofrat Bähr schickte, dann zu Beust, um ihm zu referieren. Dann aß ich und nach 7 Uhr war ich mit meiner Arbeit fertig. Ich machte ein Spezialreskript und eine Instruktion für die Landeskommission und schrieb einige motivierende Bemerkungen dazu.126 Um 7 ¼ war ich im Vorzimmer des Königs und gab die Sache ab. Der König kann also wenigstens sehen, daß ich kein langsamer Arbeiter bin, denn es waren doch vier Bogen und manche Frage mußte ich erwägen. So schnell wird es übrigens mit Behr nicht gehen. Der König, der ihn wegen seines biederen braven Charakters sehr schätzt, gibt ihn sehr ungern auf. Das ward mir klar und wen zum Nachfolger? Ich habe Beust wiederholt Schimpf vorgeschlagen. April 5 Am Dienstag ließ mich der König nochmals rufen, um die Sachen mit mir zu besprechen – gestern hat er Behr seine Entlassung gegeben, nachdem Beust ihn darauf aufmerksam gemacht, daß der Zeitpunkt gerade jetzt für Behr am ehrenvollsten sei. Der König hat sich Beust gegenüber auf meine Mitteilung über Behr bezogen, aber zugleich gesagt, Behr habe ihm mitgeteilt, daß die Mitglieder des Ministeriums und Schwarze ihn noch in diesen Tagen gebeten, ja das Ministerium zu behalten. Das glaube ich! Jeder Andere muß ihnen freilich weniger bequem sein, als die wackere biedere Schlafmütze. Zum Justizminister habe ich Beust wiederholt Schimpf vorgeschlagen. Es kommen aber gewiß viele Andere in Frage. April 8 Ein wahres Sommerwetter, fast zu warm, lockte uns nach Loschwitz, wo wir mit den Kindern fidel im „Archiv“ zu Mittag aßen und die letzten beiden Flaschen Rheinwein, die dort sich fanden, tranken. Jetzt schon Alles grün, die Pfirsische zum Aufbrechen, wie wird es aussehen, wenn sie reifen? Möglich, das die Kriegsfurien alles in einen Schutthaufen verwandelt haben, daß die Bäume zum Wachfeuer gedient! Am Freitag waren wir Abends bloß noch mit Anton beim Geheimen Rat Müller zur Kunstschau und Souper. Wahrscheinlich hat er mich eingeladen, weil er die unsinnige Idee hegt, ich werde Behr’s Nachfolger, es sieht ihm das ganz ähnlich. Gestern war ich früh bei der Beerdigung der Gräfin Sandizall, der Tante der Ministerin Beust, die seit längerer Zeit in deren Hause lebte und im Stillen manches ausgeglichen hat, ihr öfter die Wahrheit sagte. Es waren nur einige der Gesandten mit Zeuge der Feierlichkeit, die nach katholischem Ritus vor sich ging, mit lateinischen Segensprechen, Weihrauch, Weihwasser, Besprengen des Sarges. April 9 Behr hat seinen Abtritt den Räten im Justizministerium mitgeteilt und sonach das Geheimnis, in welches der König die Sache noch halten wollte, selbst verletzt. Zugleich hat er aber dem König geschrieben, daß er das Ministerium noch bis zum nächsten Landtag behalten wolle, er mag eben gar nicht abtreten, das ist die Sache. Der König ist nun in Verlegenheit. Der Generalstaatsanwalt Schwarze, der unter der Legion Compatenten auch mit genannt wird, ist, wie mir Falkenstein erzählte, zu ihm gekommen und hat ihm sehr deutlich gesagt, daß die allgemeine Stimme ihn allgemein zum Nachfolger Behr’s bestimmte und daß er auch zweifelsohne der einzige Qualifizierte sei, Falkenstein solle daher sich für ihn verwenden. 126 Schreiben von Weber an König Johann vom 2. April 1866 mit Übersendung der Dokumente zur Einsetzung einer Landeskommission. Siehe Dokumentenanhang Nr. 26.
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Heute war Sitzung im Altertumsverein, in der zur Sprache kam, daß die Begräbniskapelle Herzog Georgs in Meißen durch den Professor Arnold zu ihrem großen Nachteil verändert, z. B. ein merkwürdiges Portal herausgerissen worden. Der Prinz Georg, unser Vorsitzender, war sehr entrüstet darüber und sagte, daß er schon mit Minister Falkenstein deshalb gesprochen und dieser die Herstellung zugesagt – „allein es ist wie in einen Sieb geredet“. Die Sache soll nun nochmals an das Kultusministerium gebracht werden. April 12 Die Geschichte mit Behr hat endlich ihren Abschluß gefunden. Er hat durchaus nicht abgehen, wenigstens den Sack möglichst hinziehen und nicht um seine Entlassung bitten wollen. Er hat beim König beantragt, dieser möge doch „seine Herren“ aus dem Ministerium kommen lassen und befragen, ob er denn wirklich unfähig sei. Endlich hat er aber doch nach mehreren Schreiben des Königs, in denen dieser bestimmt erklärt hat, daß nun der Zeitpunkt gekommen sei, wo er abzutreten habe, sein Gesuch gestern eingereicht und ich expedierte Nachmittags die Entlassung. Der König hat nämlich früher einmal Behr gesagt, er selbst wolle es ihm mitteilen, wenn er glaube, daß es an der Zeit sei, in den Ruhestand zu treten. Hierauf bezog sich auch Behr in seinem Entlassungsgesuch. Gestern Abend war Wickede bei uns, der eben von einer Reise zurückgekommen, die er nach Böhmen und Krakau unternommen, um sich über die österreichischen Rüstungen zu vergewissern. Er sagte, daß allerdings Truppen, aber in der Friedensstärke, nach der Grenze vorgeschoben seien und im Volke noch mehr als in der Armee eine große Erbitterung gegen Preußen herrsche. April 13 Ich hatte gestern nun endlich Behr’s Entlassung expediert, als mir der König, zu dem ich Abends 7 Uhr berufen ward, mitteilte, daß es noch ausgesetzt bleibe, da Behr bis zur Ernennung des neuen Justizministers die Geschäfte noch fortführen werde. So klemmt er sich an das Portefeuille! Falkenstein, der erwartete, daß er provisorisch das Justizministerium erhalten werde, ist gewiß sehr ärgerlich darüber. Er erzählte mir, daß der König mit ihm über die, welche in Frage kämen, gesprochen habe. Es waren Präsident Schneider, Schwarze, Professor Wächter, Professor von Gerber, Anton, ich. Daß ich gar nicht wesentlich in Frage kommen werde, hoffe ich, ja ich bin es überzeugt, da der König mich ja kennt und weiß, was ich leisten kann und was nicht. Ich weiß es am besten, quid saleant kundei, quid flore reinfant und würde nicht so töricht sein, wegen ein paar 1 000 Taler und einen leeren Titel ein Amt zu übernehmen, dem ich auf keiner Weise gewachsen bin und ich weder dem Land nutzen noch etwas anderes als Blamage ernten würde. Anton wäre ein sehr guter Fachmann, aber vom Staatsmann hat er keine Spur. Dahin nous verrons! Heute Nachmittag war ich mit Sophie in Loschwitz. Eine so wundervolle Pfirsischblüte wie dieses Jahr habe ich noch nicht auf der Bagatelle erlebt. Frage nur, wer die Pfirsische essen wird, ob Preußen oder Kroaten. Mit Friesen hatte ich wegen Geschäftssachen jetzt mehrfach zu beraten und muß seine Intelligenz und sein Interesse an den Sachen sehr anerkennen. Er ist nach Beust, dem er an Genialität und Elastizität nachsteht, offenbar der Fähigste und Tüchtigste, aber empfindlich und sehr seiner Würde bewußt. Da ich aber gern höhere Intelligenz anerkenne, werde ich wohl immer gut mit ihm auskommen. April 15 Um 9 Uhr Abends zur Kronprinzessin geladen, fand ich Beust, Geheimen Rat Könneritz, Geheimen Finanzrat Tschirschky zu Konversation und Souper. Der Krieg ward als kaum vermeidbar betrachtet.
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April 18 Beust heute geheime Konferenz in Leipzig mit dem Herzog von Koburg gehabt, der im größten Inkognito hingekommen, aber so geschrien hat bei dem Gespräch, daß Beust besorgte, man möge es gehört haben. Der Herzog hat gern mit dem König konferieren wollen, aber es hat nicht passend geschienen, daß er hierher komme. Sonntag wird Konferenz der süddeutschen Minister in Augsburg gehalten, zu der alle Mittel-und Kleinstaaten Mitteldeutschlands mit Ausnahme von Kurhessen und Hannover eingeladen sind. April 22 Gestern Abend erhielt ich ein an das Gesamtministerium gerichtetes Kommunikat des Kriegsministeriums mit einer Verordnung nach § 88 der Verfassungsurkunde wegen Aufbringung der Naturalleistungen für die Armee im Fall des Krieges, die für den Bedürfnisfall insgeheim gedruckt werden sollte. Heute früh bekam ich von Beust den beiliegenden Brief.127 Beide Geschäfte mußten heute in Ordnung kommen. Ich ging daher ganz früh zu Friesen und Rabenhorst, expedierte dann die Sache, sprach mit dem Redakteur Haupt wegen des Drucks, ging dann zum König und Mittags 1 Uhr war Alles in Ordnung, Abends die Sache schon signiert. Der König klagte wieder „wenn ich nur erst mit dem Justizminister accuchiert wäre“. April 27 Da mein Name in den Zeitungen unter den Ministerkandidaten mit genannt worden, so sprach ich doch nun mit Falkenstein darüber, um ihn für den – ganz undenkbaren Fall – , daß der König ernstlich an mich denken könne, zu bitten, ihn aufmerksam zu machen, daß ich ganz und gar nicht passe – das fehlte mir noch auf meine alten Tage, mich zu blamieren, ich wäre kaum ein Haar besser wie Behr. Gestern Abend bei der Nostitz, zu Ehren des Meinholdschen Ehepaares. Es ward Komödie gespielt, u. a. die älteste Tochter Schimpf’s sehr gut. Erst 12 ½ kamen wir zu Hause. Heute ist mir noch der Kopf dämlich davon. Da Beust gestern Abend bei mir gewesen war, ohne mich zu treffen, so ging ich heute früh zu ihm. Er sagte mir, er habe mit mir wegen des Justizministeriums reden wollen, d. h. er bot mir es nicht an – sondern wollte sich wohl mehr rechtfertigen, daß mir es nicht angeboten werde. Ich erwiderte dann sofort, daß ich nicht mit ihm deshalb gesprochen habe, weil ich eben gar keinen Gedanken daran habe und schon von jeher entschlossen gewesen, nie ein Ministerium anzunehmen, da dies gegen mein Gewissen sein würde, indem ich völlig überzeugt sei, daß ich der Sache nicht gewachsen sei. Er machte natürlich noch einige Redensarten, aber wir waren Beide völlig einig. Dann sagte er aber, man wolle mir den Geheimen Ratstitel geben, was der Stellung entspreche. Es sei auch besser, daß es jetzt geschehe als später. Dagegen protestierte ich aber ganz entschieden. Ich mag nicht der Herde der eitlen Narren mich zugesellen, die mit ihrem Amtstitel nicht zufrieden, immer darüber hinaus wollen. Ich blieb dabei, daß ich den Titel nur annehmen müsse, wenn der König es ausdrücklich befehle, daß es mir aber im höchsten Grade unangenehm sein würde. So werde ich denn damit wohl verschont bleiben. Ich habe auch noch ganz spezielle Gründe, nicht Geheimer Rat zu werden, denn 1) habe ich mir jetzt erst 100 Stück Visitenkarten machen lassen, ich kann aber doch nicht morgen 100 Visiten machen, um sie los zu werden, 2) kann ich jedesmal daraus, wenn mich Jemand jetzt Geheimer Rat statt Ministerialrat nennt, was öfter vorkommt, ersehen, wer mich für einen eitlen Narren hält, 3) würde mir der Spaß entgehen über den Ärger eines 127 Schreiben von Beust an Weber vom 21. April 1866 über die Ministerverantwortlichkeiten bei Einsetzung der Landeskommission. Siehe Dokumentenanhang Nr. 27.
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Geheimen Rates, wenn mich Jemand in seiner Gegenwart ebenso nennt. Und solcher Gründe könnte ich noch eine Menge anführen. Sophie war auch ganz damit einverstanden, nicht Frau Geheime Rätin zu werden. Mai 4 Sa Majeste vient d’acconites, der neue Justizminister ist geboren, Schneider, vulgo der Hofschneider, hat das Ziel seiner Wünsche erreicht. Vorgestern Abend hat der König die Sache im Gesamtministerium vorgebracht, zwei Kandidaten, der Kreisdiektor Nostitz-Wallwitz und Schneider, sind zunächst in Frage gekommen. Beust hat zuerst eine Rede gehalten, aus der Falkenstein, der es mir erzählte, nicht recht klug geworden. Dann hat Falkenstein sich für Nostitz ausgesprochen, wobei ihm aber der Kronprinz „über den Mund gefahren“. Gestern früh hat der König Schneider kommen lassen und mit ihm über die allgemeinen Fragen gesprochen und – dabei natürlich vollkommen befriedigt, Schneider seine Ernennung kund getan. Um 11 ½ ward ich ins Gesamtministerium berufen und mußte nun gleich einige Änderungen vornehmen in den Verordnungen, wo noch Behr figurierte. Ein Dekret an Friesen wegen der Vertretung der ins Ausland gehenden Gelder durch Beust fertigte ich aus, mundierte es auch gleich selbst, wozu ich mich mit der Versicherung erbot, daß mir dadurch keine Perle aus der Krone falle, ließ es unterschreiben, besiegeln und übergab es gleich Friesen.128 Da der Krieg ganz nahe droht und, wie Beust meinte, jede Stunde die Nachricht bringen kann, daß die Preußen in Sachsen einrücken, so ward unser auf morgen bestimmter Umzug nach Loschwitz auf unbestimmte Zeit vertagt. Gestern Mittag Diner bei Falkenstein. Da weder Beust noch sonst Jemand wußte, wann Schneider verpflichtet werden solle, was doch dringend nötig ist, wenn der Lärm losgehen sollte, so fuhr ich noch Abends zu Schneider, der aber noch nichts wußte. Die Sache verzögert sich noch, weil Behr Mittwoch noch ein großes Diner an die Obligationenkommissionsmitglieder geben will, bei der er doch nicht als pensionierter Minister figurieren will. Als ob er es nicht acht Tage früher hätte geben können! Siebenhaar hat noch nach vielem Warten es durchgesetzt, daß er 1 000 Taler Gratifikation für seine sehr unliebsame Tätigkeit in der Obligationenkommission erhält. Er hat mich auch vielfach deshalb inkommodiert, indem er kategorisch erklärte, weniger nehme er nicht. Auf diese Weise erhält man, was man will. Es wird nun Alles vorbereitet, damit, wenn die Preußen kommen, Alles fortgeschafft werden kann, die Armee, soviel davon zusammenzubringen, ins Gebirge, nach Bayern zu, zieht. Der König und die königliche Familie wollen wahrscheinlich nach München mit Beust und Rabenhorst. Eine schöne Zeit droht uns, die wir hierbleiben!! Ändern kann ich es nicht, den Kopf verliere ich so leicht nicht, also perfeo et obscura. Mai 8 Endlich ist Behr abgetreten, wie er meint, ist er in Folge einer Kabale gestürzt, so hat er sich gegen seinen Nachfolger Schneider, der gestern 12 Uhr verpflichtet ward, ausgesprochen. Wer die Kabalisten sind, wird er wohl selbst nicht wissen, mir sind sie wenigstens nicht bekannt. Mittwoch gibt er nun, weil er gehofft hatte, die Sache noch einige Zeit hinzuziehen, noch ein großes Diner an das Justizdepartement – einen Leichenschmaus. Beschleunigt ward Schneiders Verpflichtung eben durch Behr’s wunderliche Wünsche, die 128 Entwurf von Weber für eine öffentliche Bekanntmachung bei Einsetzung der Landeskomission. Undatiert. Siehe Dokumentenanhang Nr. 28.
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Schneider mir in einem Briefe mitteilte, den ich Beust gab, der ihn dem König vorgelegt hat. Darauf ward vom König am Sonnabend Abend beschlossen, die Sache endlich abzumachen. Aus Leipzig haben Stadtrat und Stadtverordnete eine Adresse an den König gerichtet, mit dem Antrag, man möge – um Preußen nicht zu reizen – alle kriegerischen Maßregeln zurücknehmen. In einer Volksversammlung ist der Antrag auf Entlassung Beust’s gestellt worden. Professor Biedermann – Beust’s unehelicher Halbbruder – ist einer der Hauptführer der preußischen Partei, die übrigens auch in Dresden sehr zahlreich ist. Bei Sahr ward Beust’s Politik auch sehr verurteilt und als unmittelbare Folge die Mediatisierung Sachsens prophezeit, mir nicht recht klar, warum man leichter mediatisiert werden soll, wenn man sich dem zu widersetzen sucht, als wenn man couche macht. Gestern sind die Beurlaubten einberufen worden. Wie der Unsinn beim dummen Volke doch am meisten imponiert, beweist eine Geschichte, die mir Heidrich erzählte. Ein Kerl aus Wachwitz expliziert neulich einem Tisch voll Bauern, daß es viel besser für Sachsen sei, wir würden preußisch, denn, sagt er, wißt ihr, dann werden wir ein Binnenland – ja ein Binnenland, versteht ihr, und da können uns die Engländer und Franzosen nichts mehr anhaben. Das hat imponiert! Schneider ist in den konstitutionellen Zeitungen als ein ultrakonservativer, sehr orthodoxer Mann bezeichnet worden, dessen Wahl beweise, daß man dem Freisinn noch keine Konzession machen wolle, d. h. einem Achselträger, eine Windfahne wie Schwarze, nicht das Ministerium übergeben wolle. Opposition wird Schneider allerdings einem höheren Winke nicht machen, aber Gerechtigkeitsgefühl hat er. Mai 11 Mittwoch war das große Leichenessen, das Behr noch gab und zu dem er die Mitglieder der Obligationenkommission, die Minister und das ganze Justizdepartement eingeladen hatte. Er sagte mir, er habe geglaubt, ich werde sein Nachfolger werden, worin indirekt die Beschuldigung lag, ich habe gegen ihn heimlich manövriert, da er sich einmal für gestürzt hält. Ich klärte ihn denn darüber auf. Am selbigen Tage sprach ich auch mit Beust, der offenbar die öffentliche Meinung, die seine Politik aus Dummheit und Feigheit keineswegs vollständig teilt, nicht ganz richtig auffaßt. Man muß mehr durch die Presse wirken, aber auf populäre Weise, nicht durch große politische Deduktionen, welche die große Masse nicht faßt. Heidrich scheint mir ganz geeignet, etwas triviale Artikel für die Dresdner Nachrichten zu liefern und ich will daher mit ihm darüber reden, was Beust auch billigte. Gestern früh ward ich zum französischen Gesandten für 6 Uhr eingeladen, da sich Beust zum Mittagessen angemeldet hatte, wozu mich Forth-Rouen, der immer sehr freundlich gegen mich ist, auch einlud. Wer aber nicht kam, war Beust, da plötzlich Ministerberatung vom König für 6 Uhr anberaumt worden. Bloß der französische Legationssekretär Vicomte de Poreteuil und der Geheime Rat (Kreisdirektor) Könneritz waren dort – Diner gut, amüsant, bis 8 ½, dann Zigarren geraucht. Als wir fortgingen, stand ein Bote aus dem Ministerium des Auswärtigen mit einer Depesche vor der Tür, auf Beust wartend. Könneritz, der entsetzlich neugierig ist, wollte gern Beust noch abwarten, was ihm aber nicht gelang, da dieser, während wir die Straße herabgingen, in einer andern Droschke bei uns vorbeigefahren war. Wir erfuhren dies von dem rückkehrenden Boten und ich degradierte nun, Beust beim Fortgehen zu attakieren. Könneritz erzählte mir noch, daß der Kreisdirektor Nostitz-Wallwitz zum Justizminister eigentlich bestimmt gewesen. Er hatte, wie er mir selbst sagte, als ich ihn vor
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etwa 8–10 Tagen hier sprach, zwar keine Lust, würde es aber doch schließlich angenommen haben. Beust hat ihn herkommen lassen und der König hat mit ihm ein förmliches Examen gemacht, dessen erste Frage gewesen, ob er Freimaurer sei? Die ganze Art der Auffassung scheint Nostitz weniger aufgemuntert als abgeschreckt und so hat er es definitiv abgelehnt – ich denke mir auch deshalb, um sich für ein anderes Ministerium in anderer Zeit aufzusparen. Könneritz meinte, es sei das vielleicht auch besser, damit er nicht abgenützt sei, wenn einmal das Ministerium aufgefrischt (oder erneuert?) werden sollte, was doch notwendig werden würde. Er und andere scheinen dabei – bei der Erneuerung – wahrscheinlich zunächst an Falkenstein und Rabenhorst zu denken. welcher Letzterer beim Militär nicht beliebt ist. Bei einer solchen Auffrischung würde Könneritz sich als Kultusminister gewiß gern beteiligen ohne zu bedenken, daß er mindestens ebenso alt ist als Falkenstein, der übrigens im Kultusministerium nach meiner Ansicht durch sein Balancesystem, ohne eine religiöse Richtung zu bevorzugen, ganz wohltätig wirkt und insbesondere die Universtität sehr emporgebracht hat. Eben war ich beim König, der mir sagte, daß er Anton zum Präsidenten ernannt auf Vorschlag Schneiders, mit den Worten „ich hätte auch keinen Andern genommen“. Der König war sehr aufgeregt, was sich bei ihm durch ein eigentümliches Atemholen durch die Nase, das auch Beust mir als Zeichen der Erregtheit des Königs bezeichnete, kund tut. Als ich ihm sagte, ich wünsche mir, daß er Kraft des Körpers behalte, um alle die Drangsale zu bestehen, sagte er, ja es gehe ihm gut, das Reiten erhalte ihn kräftig und er schlafe gut. Ich sagte, selbst ernste Sorgen verscheuchten den Schlaf nicht, wenn man sich mit gutem Gewissen und der Überzeugung, seine Pflicht getan zu haben, zur Ruhe begebe. Da fing der brave milde König an zu schluchzen – so tief ergriffen ihn die aufrichtigen, aus dem Herzen gesprochenen Worte. Armer Mann! Er hat selbst an den König von Preußen geschrieben, aber ohne Erfolg, da Bismarck dem König von Preußen eingeredet, Beust betrüge unseren König. Jetzt haben wir nun unsere ganze Armee mobil gemacht – was das kostet! Zum 23. Mai ist urplötzlich ein außerordentlicher Landtag einberufen, auf Friesens Antrag, der sich wegen des großen außerordentlichen Aufwandes decken will. Beust sagte, er verdenke es ihm nicht, aber lästig sei es, jetzt zu dem Drang der Geschäfte noch den Landtag zu haben. Mai 13 Da Beust meint, daß wohl vier Wochen noch Ruhe bleiben werde, bis der Preußische Landtag sich ausgesprochen, so sind wir gestern, am Tage Pancratius, nach Loschwitz gezogen. Der alte Brummbär machte sich geltend, es war rauh und regnerisch, was mir eine Erkältung zugezogen hat, die ich mit Hofmannschen Tropfen bekämpfe. Der Morgen war schön und wenn man den Frieden der Natur, das frische Grün, die Blüten sieht, wird einem recht wehmütig, daß die Menschen in ihrer Eitelkeit und Herrschsucht das alles zerstören wollen. Mai 17 Beust war am Dienstag Abend erst um 8 Uhr von der Bamberger Konferenz zurückgekommen und die Sitzung, die der König für den Abend anberaumt hatte, unterblieb daher. Ich fuhr umsonst den Nachmittag wieder herein. Während gestern die Minister mit dem König seine Relation vernahmen und ich antichambrierte, kam der Graf Seebach – der Gesandte in Paris – der eine Stunde mir von seinen Gütern in Odessa referierte und mir erzählte, daß ihm der französische Gesandte in Petersburg Ferrier oder so ein Name erzählt, daß Bismarck, während er unter dem früheren Ministerium Gesandter in Petersburg gewesen, ihm gesagt, er werde zwar nie vom König zum Minister gemacht werden, wenn er aber je an
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die Spitze kommen sollte, werde er Cavone nachahmen, Österreich müsse aus Deutschland heraus nach Ungarn und an die Donau geworfen werden, Preußen an die Spitze treten, die kleinen Staaten werde er annektieren, mit den größeren müsse man Konventionen schließen. Das ist des Pudels Kern. Römer hat mich dieser Tage wieder viel aufgesucht. Er hat bereits im Februar d. J. auf seinen Sitz in der Ersten Kammer resigniert. Beust hat aber die Sache, die ihm lästig ist, weil viele Konkurrenten dazu sind, hinhängen lassen und jetzt hat Römer nun die Missive zum Landtag erhalten, was ihn so assiciert, daß er keine Nacht schlafen kann. Das Ministerium wünscht, er möge um Urlaub bei der Kammer bitten, was er nicht will, da er seine Resignation schon Vielen mitgeteilt hat. Ich sprach schon neulich mit Falkenstein und Friesen, daß man doch Römern Rücksicht schuldig sei und heute ausführlich mit Beust, dem es zwar sehr fatal war, der aber sich doch entschloß, gleich zum König zu gehen. Erleichtert ward die Sache dadurch, daß Beust jetzt einen Kandidaten hat, den er durchzubringen wünscht, den Gesandten in Berlin Graf Hohenthal, den er auf gute Weise von Berlin entfernen möchte. (Seebach ist heute nach Berlin, wahrscheinlich soll er sein Friedensvermitttlungstalent dort noch einmal probieren. – Randbemerkung: ist nicht wahr.) Es war die Tage her eine solche Kälte, daß wir tüchtig einheizen mußten, heute früh nur 4 Grad Wärme. Mai 21 Pfingstmontag. Mordskalt! Doch ganz zufrieden, wenigstens zeitweilig in der Sonne spazieren zu können. Am Sonnabend war ich bei Behr, der mich, da ich ihn nicht antraf, denn aufsuchte. Ich konnte ihn dann darüber vollständig aufklären, daß ich ihn nicht gestürzt, um selbst Minister zu werden, was er offenbar geargwöhnt hat. Ich schied in aller Freundschaft von dem Mann, den ich seiner Herzensgüte und Bravheit wegen sehr schätze, wenn ich auch seine Qualifikation zum Minister von jeher bezweifelt habe. Er erzählte mir, daß Schneider vom König zu ihm geschickt worden sei, um sich seine Ansicht in einer Kriminalsache über die Begnadigung einzuholen. In der Tat für Schneider nicht sehr schmeichelhaft. Antons Ernennung ist nun offiziell bestätigt. Als ihm Schneider dies mitgeteilt, hat er einen Zettel aus der Tasche gezogen, auf dem er die verschiedenen Punkte, die er mit ihm noch besprechen wollen, notiert. Punkt 1 ist gewesen, ob er ihm seine Epauletts zur Hofuniform abkaufen wolle, wozu denn Anton auch natürlich sehr bereit gewesen. Ex ungue honeur! Ich bin die Feiertage nur durch einen Portechaisenträger unterbrochen worden, der mir ein Kommunikat an das Kriegsministerium brachte, in dem ich ein Gesetz nach falschem Datum zitiert hatte. Keiner der Minister hatte es bemerkt, aber der König hatte es richtig korrigiert. Mai 24 Adolf, der mit dem Depot nach Sayda bei Purschenstein muß, aß gestern bei uns. Kaum war er fort, so kam Seebach aus Gotha. Wir sprachen denn nun hierbei über die politischen Zustände. So wenig er für die preußische Politik schwärmt, so meinte er doch, daß Koburg-Gotha seiner Lage nach und in Folge der Militärkonvention sich gar nicht werde dem entziehen können, mit Preußen zu gehen. Er meinte, daß Beust, wenn er auch offiziell sich ganz Bundesgemäß verhalten, doch in Wien daneben geschürt und gegen Preußen gerichtete Ratschläge gegeben haben möge. Überhaupt war er nicht ganz mit Beust einverstanden, der den Ernst bei den Geschäften vermissen lasse, viel weniger Würde bei den Verhandlungen zeige als Pfordten, der bei der letzten Konferenz in Bamberg ganz vortrefflich präsidiert habe. Die Gabe der Witze ist überhaupt eine gefährliche Gabe, die Beust mehr schadet als
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nütze, da man eben meint, daß Jemand, der immer bereit ist, bei einer ernsten Sache einen Scherz zu machen, die Sache selbst eben nicht ernst nehme. In der letzten Sitzung beauftragte mich in pleno consensu der König, ich solle Römer sein Bedauern, daß er zum Austritt aus der Ersten Kammer genötigt sei und seine dankbare Anerkennung aussprechen, was ich denn zur großen Beruhigung des armen Hypochonder natürlich alsbald ausrichtete. Seit gestern haben wir auch Einquartierung in Loschwitz, einen Soldaten, den ich aber nicht in Bagatelle unterbringen konnte. Viele Leute haben komplett den Kopf verloren, einige Bekannte Jordans haben ihre Wertpapiere pp nach Hamburg, als den einzigen sichern Ort, geschickt. Mai 26 Der Außerordentliche Landtag, der am 22. Mai verschoben ward, ist nun am 24. wieder auf heute einberufen, eine recht verkehrte Verzögerung, die bloß unnötiges Hinund Herreisen der Stände nach sich gezogen. Römers Stelle in der Ersten Kammer hat der König nicht besetzt – direkt gegen die Verfassungsurkunde, bloß weil mehrere Kandidaten vorgeschlagen sind. Beust wünscht den Gesandten in Berlin Graf Hohenthal, Falkenstein seinen Schwiegersohn von Lüttichau. Beust erzählte mir, wie nett die Zustände in München sind, mit dem er jetzt vorzugsweise zu verhandeln hat. Pfordten ist krank, man fürchtet fast ein Nervenfieber, der Kriegsminister ist bettlägerig, der Landtag zusammen, da reitet der König mit einem Reitknecht fort, man glaubt nach Hohenschwangau, allein dort trifft er nicht ein, er ist verschwunden, Niemand weiß wohin, bis ein Brief aus der Schweiz eintrifft, man solle ihm Geld schicken, er habe nur noch 10 Taler – er hat Richard Wagner sprechen wollen. Solche Könige sollen nun das Schicksal Deutschlands entscheiden. Mai 29 Gestern der Landtag vom König eröffnet. In der Thronrede kommt vor, daß man sich gegen „unberechtigte Drohungen“ habe schützen müssen. Der Ausdruck hatte schon bei Beust Anstoß erregt, aber der König ihn beibehalten wissen. Beust teilt auf Bitten Schulenburgs, des preußischen Gesandten, diesem die Thronrede mit und dieser erklärt, wenn der Ausdruck nicht geändert werde, werde er sofort bei der Eröffnung hinausgehen. Beust erwidert nun, Sie wollen also einen Skandal erregen, geändert kann das Wort nicht werden, wenn Sie hinausgehen, so steht Abends die Sache im Journal. Schulenburg ist bei der Eröffnung gewesen und nicht hinausgegangen. Beust ist überhaupt nicht gut auf Schulenburg zu sprechen, dem er Schuld bei den Verwicklungen beimißt und von dem er meint, er habe in der irrigen Meinung, der König werde sich einschüchtern lassen, die preußische Frohnde veranlaßt. Beust wird jetzt überhaupt – offenbar unrichtig – als der Anstifter der ganzen Verwicklungen bezeichnet. Er hat auch anonyme Drohbriefe bekommen, über deren einen die Beilage (Dresdner Nachrichten 27. Mai) referiert, ein Blatt, mit dem er offenbar in Konnex steht, obgleich er es früher sehr verachtete.129 Juni 5 Heute haben wir definitiv an Pfarrius geschrieben, daß wir zu ihrer silbernen Hochzeit (8. Juni) nicht nach Köln kommen können, das Resultat einer Unterredung mit Beust, der von der Reise bestimmt abriet, da man gar nicht wisse, was die nächste Zeit bringe. Also der Bestunterrichtete weiß eben nichts! 129 Niederschrift von Weber über interne Verhandlungen mit Österreich im Mai/Juni 1866. Siehe Dokumentenanhang Nr. 29.
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Tauchnitz erbot sich neulich, kleine politische Broschüren zu drucken, welche Beust erscheinen lassen solle zur Rechtfertigung gegen die zahllosenTageslügen. Es war nun, da Beust es gern akzeptierte, die Frage, wer sie schreiben solle. Ich kann es nicht, da mir die Phrase ganz abgeht und die Befähigung, eine Sache mit vielen Worten auszuputzen, wo mir eins zu genügen scheint. Heute fuhr ich mit Beust herein, der, obwohl mit heftigem Schnupfen beladen, seine politische Rede in der Zweiten Kammer halten wollte. Er meinte, er wolle den Geheimen Regierungsrat Häpe beauftragen. Ich sistierte nur, daß die Sachen nicht zu scharf geschrieben werden möchten, das schadet stets und nutzt nichts, wenn man auf Andersgesinnte einwirken will. Juni 10 Der Krieg rückt, wie Beust meint, immer näher. Wir bleiben aber, bis die Gefahr eintritt, in Loschwitz. Beust’s politische Ansichten sind ziemlich genau wiedergegeben in der Relation der Dresdner Nachrichten – mit denen Beust sehr alliiert ist – über ein Gespräch Beust’s mit einem Franzosen Vilbert. Der Geheime Rat von Langenn hat vor einigen Tagen eine große Niederlage erlitten. Es hat sich ein Komitee zu dem sehr löblichen Zweck gebildet, die Familien der Kriegsreservisten zu unterstützen. Langenn als Vorsitzender hat Statuten entworfen und diese dem zu bildenden Verein mit einer mit seiner bekannten Faulheit ausgestatteten Rede obtruieren wollen. Dies hat Wigard nicht leiden wollen und die Herren sind sehr aneinander geraten. Langenn ist dabei völlig in der Minorität geblieben. Seine Eitelkeit veranlasst ihn, überall sich vorzudrängen, allein seine Reden sind in der Regel bloß fade und gräßliche Phrasen. Juni 14 Landtagsschluß. Diner in Pillnitz mit reglementwidrigen sechsfachen Hochruf auf den König, worüber die bloß an drei Vivats gewöhnten Hoftrompeter das Blasen vor Maulsperren vergessen. Zur Erquickung mußte ich nach Dresden zurückfahren zur Sitzung um 7 Uhr. Rex kam 10 Minuten zu früh. Wir stehen also nach dem heutigen Bundesbeschluß, wobei Preußen den Austritt aus dem Bunde unter gleichzeitiger Vorlegung eines Entwurfes zu einer neuen Bundesverfassung vorgelegt – nicht wahr, kurios? – am Vorabend eines furchtbaren Krieges. Hohenthal telegraphierte aus Berlin, daß Preußen in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend in Sachsen einrücken werde. Beust glaubt es nicht, aber die Anderen. Beratung im Gesamtministerium, was werden soll, wenn die zurückbleibenden Minister in einem preußischen Kerker modern. Protokoll darüber, daß die Behörden sich, wenn die Minister außer Tätigkeit gesetzt werden, doch sich noch an sie zur Resolutionseinholung wenden sollen. Der Kronprinz in der neuen Schlachtentracht ohne Epauletts, die sich aber bloß erstreckt auf die unter seinem Kommando stehenden Truppen – Freundlichkeit von Rabenhorst, der seine Adjutanten pp., die nicht ins Feuer kommen, noch mit der alten Zier schmückt. Weißenbach um 2 ½ nach Prag mit den Landesschätzen und Geldern (22 Millionen und Papiere) abgereist. Erst nach 9 Uhr völlig erschöpft in Loschwitz. Noch Anton mitgeteilt, daß wir hereinziehen.
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5. Unter preußischer Besatzung – leitender Mitarbeiter in der Landeskommission Juni 16 Gestern hereingezogen. Die Somation von Preußen, binnen 24 Stunden zu erklären, ob Freund oder Feind (ich habe sie noch nicht gelesen), Mittags erfahren, sub sigillo von Falkenstein. 10 Minuten darauf begegnete ich General Reitzenstein, dem es der Kronprinz bereits mitgeteilt und der damit als Posaune in die Ressourcc eilte. Nachmittag Abschied von Beust. Wann und wie werden wir uns wiedersehen?? Heute 4 ½ früh den beiliegenden Brief erhalten, sogleich zu Meinhold, ½ Stunde geklingelt, vom schlaftrunkenen Hausmann erfahren, daß Niemand von der Druckerei im Hause wohnt, daß Herr Meinhold in einem nicht bekannten Hause auf der Blumenstraße wohnt, nichts von den Geschäften weiß, sondern der Faktor Schmidt auf der Mathildenstraße – keine Idee, wo die ist, ½ Stunde irre gelaufen, endlich den Herrn herausgeklingelt, der denn auch Auskunft geben konnte, aber mir nicht von der Proklamation des Königs, von der auch Falkenstein, zu dem ich nun ging, nichts weiß, und deshalb an den Redakteur des Dresdner Journals geschrieben, von dem Falkenstein meint, er werde Kenntnisse haben. Nun heißt es Kopf oben behalten! Vielleicht ist es bloß nötig bis Mittag, wenn die Preußen ein Gouvernement einsetzen. Die Proklamation ward gefunden beim Dresdner Journal – Redakteur, Kommissionär Herr Hartmann. Die neue Landeskommission trat um 9 Uhr zusammen, Falkenstein, Friesen, Schneider und Generalleutnant Oberzahlmeister von Engel. Allein alle Bekanntmachungen mußten sistiert werden, da der König, nicht wie wir glaubten, abgereist war, sondern um 9 Uhr im Großen Gartenpalais ruhig frühstückte und dann in die Stadt zurückkam. Alle Truppen sind aber aus der Stadt und ein Verein von „ehrenvoll entlassenen Militärs“ hat die Wachtposten übernommen, meist alte, etwas gebrechliche Leute. Ich hatte nun den ganzen Vormittag zu tun, Beust erschien auch noch gegen 11 ganz unerwartet, anscheinend nicht sehr befriedigt mit der wunderlichen Saumseligkeit der Abreise. Wenn die Preußen wollten, könnten sie sicher den König einfach gefangennehmen. Ganz unnötiger Weise hat man die Meißner Brücke gesprengt, den Löbauer Bahnhof zerstört. Friesen war über Letzteres sehr unwillig, weil man der Verwaltung davon keine Nachricht gegeben, daher zwei große Packzüge mit den Lokomotiven, die jenseits Löbau liegen, nun in die Hände der Preußen fallen. Mit rechten Dummheiten fängt man also an. Die Riesaer Brücke soll nicht gesprengt, sondern bloß ungangbar gemacht werden. Die Anordnung, auf einen der hohen Dämme bei Löbau eine falsche Weiche zu stellen, so daß der Zug in den Abgrund stürzen müßte, die von Militär gegeben worden, hat Friesen hintertrieben. Ein solches Mittel beim Beginn des Krieges gleich angewendet, würde die größte Erbitterung mit Recht hervorgerufen haben und wenn ein paar 100 Menschen das Leben verloren hätten, so würden Tausende von Sachsen dies haben büßen müssen. Gustav habe ich mit zu der Landeskommission gezogen, er wird aber wohl nicht viel zu tun bekommen. Doch soll er nach meinem Vorschlag ein Tagebuch über den Geschäftsgang und die Tagesereignisse führen, das künftig dem König vorgelegt werden soll. Der König ist erst 3 ¼ Uhr, nachdem er noch in der Stadt gegessen, mit der Armee aufgebrochen. Um 5 ¼ war er aber, wie Beust, der ihn in Pirna erwartetete, dort noch nicht eingetroffen. Die Ungewißtheit, wann er fortgehen werde, verursachte ein wiederholtes Bestellen und Abbestellen der Veröffentlichung der Proklamation des Königs und der damit zusammenhän-
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genden Bekanntmachungen der Landeskommission. Prinz Georg kam um 5 ins Auswärtige, wo wir versammelt waren. Ich hielt ihn für einen unteren Offizier und erkannte ihn erst an der Sprache. Die Preußen, die wir heute hier erwarteten, scheinen nicht zunächst nach Dresden zu kommen. Alle Kassen sind aber fort. Als ich heute im Finanzzahlamt noch eine Remuneration auf die ersten sechs Monate erhob, waren die Kassenschränke fast ganz leer. Isidore, die noch in Loschwitz bleiben wollte, hat doch noch Angst bekommen und ist heute hereingezogen, Antons auch. Die Dampfschiffe sind aber nach Böhmen und die Kommunikation über die Elbe ist unterbrochen. Jordan hat schlechte Nachrichten von der armen Henriette, deren Brustleiden im Zunehmen zu sein scheint. Der König bleibt die Nacht in Giesenstein, die Armee campiert, die Soldaten, die im Großen Garten liegen, haben versichert, daß sie einschließlich der Offiziere seit 48 Stunden nur Brot als Lebensmittel gehabt. Wenn das schon jetzt so ist, wie wenn der Krieg im Gang? Friesen hat den Ministerien angeboten, ihre Geldbedürfnisse auf drei Monate voraus zu beziehen. Alle haben es angenommen, Zahn aber, der Abteilungsvorstand für die Zuchthäuser pp. im Ministerium des Innern, hat ein langes Expose gemacht, worin er gesagt, man könne das Geld im Voraus bloß annehmen, wenn durch einen besonderen Vertrag festgestellt werde, daß das Finanzministerium, wenn ein Verlust entstehe, für allen Schaden einstehe (!). Danach hat Finanzministerium erwidert, es sei eine bloße Gefälligkeit und unterbleibe also. Überhaupt machte Friesen, der das Ministerium des Innern übernommen, nach seiner kurzen Erfahrung eine schauderhafte Schilderung. Jeder Rat im Ministerium des Innern regiert für sich. Kohlschütter, der sehr stumpf geworden, bekommt die Sachen, die ihm zustehen, heraus in den Großen Garten geschickt, wo sie, da er sich immer nicht entschließen kann, Monate lang liegen bleiben. Er selbst kommt erst Mittag 1 Uhr ins Ministerium, ist bis dahin unnahbar. Friesen hat nun natürlich verlangt, daß ihm die Sachen von Wichtigkeit vorgelegt werden, ehe sie im Großen Garten verschwinden, was Kohlschütter, der überhaupt Friesen sehr wenig günstig ist, sehr verschnupft hat. Juni 17 Vom Sonntag merkte ich nichts. Von früh an in der Landeskommission, wo eine Menge kleiner Sachen zu expedieren waren. Der Kronprinz ritt nach 7 Uhr von Dresden fort. Nach Tische gegen 4 telegraphierte er von Pirna, daß die Böhmische Bahn vom nächsten Morgen an ungangbar gemacht werde, es solle alles Material schleunigst fortgeschafft werden. Meine Behauptung, daß die Zerstörung der Eisenbahnbrücken ganz unnütz sei, hat sich bereits bestätigt. Die Preußen haben die Riesaer Brücke schon wieder gangbar gemacht (Randbemerkung vom 19. Juni: ist nicht wahr, es wird noch acht Tage dauern) – ein Schaden von 100 000 Taler, der also hat nur 24 Stunden gehemmt. Nachmittag kam gegen 5 die Nachricht, die Preußen hätten in Meißen einen Dampfzug in Bereitschaft gesetzt und würden sehr bald in Dresden sein. Also ward dann schleunigt ein Bote in einer Droschke an den General Prenzel geschickt, der es übernommen, den ersten hier in Dresden eintreffenden preußischen Offizier von den Sicherungsmaßregeln, die man hier veranstaltet hat, in Kenntnis zu setzen, damit er nicht die paar Posten, welche in Zivil mit Flinten bewaffnet am Schloß pp. stehen, arretiert. Es sind dies Mitglieder eines Vereins der ehrenvoll entlassenen Militärs, dann Bogenschützen pp., alles höchst harmloser Natur, wenn es etwa zu einem Auflauf käme. Die Preußen kamen aber nicht, wie überhaupt eine Masse falscher Gerüchte an uns kamen. Wahrhaft komisch wirkten schließlich acht Husaren, die sich in Tharandt gezeigt, angeblich auch nach Potschappel gekommen waren. Von allen Seiten kamen Nachrichten über dieses
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gefährliche Korps. Der Kreisdirektor Geheimer Rat von Könneritz brachte zwei Mal über die Kerls Nachrichten. Leute, die ihren Namen nicht nennen wollten, verkündeten ebenfalls die Schreckensmähr. Falkenstein, der sichtlich bei der Nachricht der bevorstehenden Ankunft der Preußen etwas unsicher ward, in nervöses Zittern geriet, mußte doch endlich, als zum siebten Mal die acht Husaren in Tharandt einritten und wieder fortritten, selbst mitlachen. Juni 18 Das Justizministerium hat wie die andern Ministerien an die Beamten eine Weisung erlassen, in welcher aber nicht speziell gesagt ist, daß sie nicht etwa Preußen einen Huldigungseid leisten sollen. Deshalb hat Oberappellationsgerichtspräsident von Langenn einen Brief an den Minister Schneider geschrieben, der abgesehen von der konfusen Idee, daß so etwas verlangt werden könnte, sehr unpassend in der Form war und denn auch eine dementsprechende Erwiderung finden wird. Wir warteten in der Landeskommission von gegen 11 ½ Uhr an, wo die ersten Preußen eintrafen, bis 3 Uhr und dann wieder Nachmittag auf das Eintreffen des Oberkommandanten Herwarth von Bittenfeld130, den General Engel sofort begrüßen sollte. Er traf erst gegen 5 Uhr ein. Etwa 5 000 Mann rückten ein, 120 Mann wurden ins Schloß gelegt (ob als Sauregarde? Oder wie Friesen meinte, weil es für einen etwaigen Auflauf eine militärische Position sei?), an dem Prinzenpalais zwei Schildwachen. Die Hauptwache fand ich um 5 nicht besetzt. Eine Frage entstand, ob Engel seinen preußischen Stern anlegen solle. Ich war ganz entschieden dafür. So lange Jemand einen Orden nicht zurückgegeben hat, muß er bei den Veranlassungen, wo die Sitte gebietet, ihn zu tragen, ihn anlegen, um den andern, zu dem er geht, nicht zu beleidigen. Jetzt kommt alles darauf an, den preußischen General, der sehr auf Formen stehen soll, günstig zu stimmen. Er würde es entschieden übel genommen haben, wenn Engel das Gesetz der Höflichkeit gleich beim ersten Besuch bei ihm vernachlässigt hätte. Engel folgte denn auch meinem Rat, ging erst noch in seine Wohnung im Palais (die man ihm nebst Hofequipage angewiesen hat) und holte den Stern. Die Truppen sind meist Rheinländer und benehmen sich bis jetzt sehr gut. Um 10 Uhr herrschte in der eroberten Stadt die tiefste Ruhe. Ein Teil kampierte auf dem Böhmischen Bahnhof. Ich habe meine Einquartierung verdungen, wollen sehen, wie lange es dauert und ob es nicht zu teuer wird. Falkenstein war heute weniger affiniert als gestern, die andern drei Regenten Sachsens sind ganz ruhig, nur scheint mir Friesen am wenigstens den Standpunkt, den ich für den richtigen halte, festzuhalten, daß man die Person, von der Sache trennend, die – wenn auch unerwünschten – Gäste doch in der äußeren Form als solche behandelt, möglichst höflichst, und Alles bereitwillig tut, was nicht gegen die Pflicht ist. Juni 19 Früh ganz gemütlich im Zoologischen Garten, dann nach 8 ins Auswärtige Ministerium, wo Landeskommission ihren Sitz hat, den alten neugierigen schwatzhaften Kanzleirat Zschille, der den Tag über auf seinem Stuhl schläft, nach Hause geschickt. Viel Arbeit, eine Masse Protokolle und Notizen. Um 2 zu Hause zurück, erfuhr ich, daß mein alter Schulfreund Löser, jetzt Justizrat und Korpsauditeur im Gefolge des General Herwarth von Bittenfeld, der die Preußen kommandiert, bei mir gewesen. Zu ihm. Einen dicken Herrn gefunden, den ich nicht wiederekannt hätte, ihn und Georg Graf von Wallwitz, der mit ihm sehr befreundet, zum Abend eingeladen. Als Beide Abends spät fortgegangen, klingelte es nach einer Weile an der Haustür. Löser hatte seinen Degen vergessen. 130 Herwarth von Bitterfeld, Karl Eberhard (1796–1884), preußischer General.
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Den Tag über immer wechselnde Gerüchte über Schlachten, Truppenunfug. Bei Beust in Laubegast haben drei Offiziere große Zerstörung angerichtet, Möbel und Spiegel zerhauen, den Garten durch Herumjagen mit Pferden ruiniert, Weinflaschen zum Fenster herausgeworfen. Einer hat seine Karte „von Treskau“ abgegeben, ihn kennt man also. Geheimer Regierungsrat Häpe mit dem preußischen Zivilkommissar von Wurmb aus Weißenfels hinaus, den Tatbestand konstatiert. Der General von Herwarth ist ganz wütend gewesen über die Rohheit. Frau von Beust ist schon in der Stadt gewesen. Abends bis 8 gearbeitet, dann trotz aller Kalamität ein paar Flaschen Wein mit Löser und Wallwitz ausgestochen, alter bessrer Zeiten uns erinnert. Die beiliegende Proklamation des General Herwarth sollte angeschlagen werden. Jede Mithilfe ist verweigert worden. Sie ward angeschlagen, aber früh den 20. war nur noch ein Exemplar in Altstadt am Hotel Bellevue, wo Herwarth wohnt, sichtbar, alle anderen waren verschwunden. Eine Protestation der Landeskommission, die übergeben werden sollte, ward daher zurückgelegt. Juni 20 Früh ins Ministerium. Vertrag, wonach Sachsen täglich 10 000 Taler zahlt, aber freie Gebahrung mit den Landeseinkünften behält, mit dem Zivilkommissar von Wurmb abgefasst, nach einer vorläufigen Besprechung Friesens mit ihm. Große Truppenbewegung. Während ich am Vertrag arbeitete, Nachricht, daß ein Gefecht bevorstehe, die Preußen alle Bewohner der Häuser an Wiener Straße, auch am Eingang der Bürgerwiese, veranlasst, die Häuser zu räumen. Ich konnte nicht fort, schickte Gustav zu Sophie, die auch mit fabelhafter Gemütsruhe auf die ihr schon bekannt gewordene Nachricht, das Nötigste zusammenzupacken, schon begonnen hatte. In der Stadt eine saubelhafte Unruhe, Möbelwagen, Schiebböcke pp mit Koffern pp. in die Stadt, alle Läden geschlossen, da Soldaten in einigen Lebensmittel pp. ohne Bezahlung weggenommen hatten. Um 1 ½ zum Landrat von Wurmb, der mich erst sehr zugeknöpft empfing, aber allmählich in Folge einer praktischen Behandlung zugänglicher ward. (Randvermerk: Ich sagte Wurmb, seine Vorfahren seien 800 Jahre sächsische Edelleute gewesen – eine hübsche Redensart, die nicht ohne Wirkung blieb und bei der mir unbewußt Napoleons Quarante siccles Vous regardent vorgeschwebt haben mag – und es müsse wohl, da Thüringen erst 50 Jahre preußisch sei, noch altsächsisches Blut ein seinen Adern fließen.) Er war ganz mit der Fassung einverstanden. Wir besprachen noch einige Nebenpunkte, dann zurück, in der Landeskommission mein Protokoll gemacht. Dann die Sache mundieren lassen, um 3 wieder zu Wurmb. Er machte erst noch eine Schwierigkeit wegen Mitteilung seines Kommissoriale, das ihm als Vollmacht dienen musste, gab aber es mir schließlich zum Lesen doch. Sachsen zahlt vom 18. Juni an täglich 10 000 Taler, allein alle Kassen werden nun freigegeben. Um 4 Uhr die erste Zahlung 30 000 Taler Wurmb überwiesen. Dann wieder in Landeskommission wieder Protokoll – um 5 ¼ war ich fertig damit, ich aber auch! Eine Stunde geschlafen, da war ich wieder munter. Wurmb hat gestern Frau von Uckermann einfangen wollen, ist in deren Quartier gewesen, hat nachgesucht. Die Preußen haben alle Briefe von der Post weggenommen, um sie zu lesen, allein die Masse ist so groß, daß sie es aufgeben müssen, die Briefe zurückgeben wollen oder schon gegeben haben. Regierungsrat Dietrich Berlepsch war aus Leipzig auf großem Umweg gekommen, um zu referieren und Anträge zu stellen. Referendar von Hartmann aus Meißen auch, durch den
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ich Erhard beruhigen ließ. Das war ein schwerer Tag! Ich war eben (7 Uhr) noch in der Landeskommission, es war aber nichts weiter zu tun. Einen tragikomischen Anblick gewährte der Oberbürgermeister Pfotenhauer, der gegen 8 Uhr früh in die Landeskommission kam, in der Stube herumfuhr wie eine tolle Katze und mir endlich ein Schreiben produzierte, in welchem für 20 000 Mann, die bei Dresden campieren sollten, Verpflegung beansprucht ward. Er sagte, er müsse ½ Million haben. Ich schickte ihn zu Friesen, vielleicht habe der so viel bei sich. Abends standen die Preußen in Massen vor der Stadt in den Anlagen, in den Feldern vor dem Großen Garten pp. Eine offenbar ganz nutzlose Rohheit ist es, daß sie einen Teil der neuen Anlagen niedergehauen haben, um ein etwa 1 ½ Meter hohes Verhau zu machen, um das man ganz ohne Beschwerde daneben herumgehen kann. Die Preußen haben wirklich Unglück, daß sie immer durch Übermut oder unnütze Quengeleien die Leute – selbst die, welche wie wir ja an sich ganz mit ihnen harmonieren – erbittern. Wir leben jetzt übrigens nach Zerstörung der meisten Eisenbahnen, der Telegraphen wieder wie vor 50 Jahren. Extrapost und Omnibus blüht wieder, man schickt reitend Kuriere. Der französische Gesandte Forth-Rouen ist bis jetzt hier geblieben. Heute Abend reist er, glaube ich, ab nach Prag, in seiner Begleitung die Ministerin von Beust. Die französische Gesandtin Forth-Rouen wollte nach Laubegast zur Beust fahren, die sie noch dort glaubte (sie war aber schon in der Stadt). Eine preußische Schildwache hält ihren Wagen am Pirnaischen Schlag an. Sie sagt dem Diener französisch, sie müsse heraus, der Kutscher solle einen andern Weg suchen. Darauf sagt die Schildwache im besten französisch, es werde ihr das nichts helfen pp. Der Mann hat dann erzählt, er habe seit 24 Stunden nichts genossen und um eine Tasse Kaffe gebeten, die er denn auch erhalten. Als Wurmb das Geld, das zur Hälfte in ganz neuen 1-Silbertalern bestand, übernahm, sagte ich, „nun ihre Leute werden sich auch freuen, so schönes neues Geld zu bekommen“, sagte er, indem er einige Silbertaler aus der Tasche zog, „sehen Sie, solche haben wir Millionen (Zahl habe vergessen) jetzt erst aus den Kassen genommen und alle sind vom Jahre 1860. Als der Kriegsminister den Finanzminister fragte, wieviel er für den Krieg parat liegen habe, sagte dieser 180 Millionen.“ – Ich dachte, selbst wenn es wahr wäre, könnte man das Geld jedenfalls besser anwenden. Protokoll über die Beratung der Landeskommission vom 19. Juni 1866: Dresden, den 19. Juni 1866 Bei den zur Beratung versammelten Herren Mitgliedern der Landeskommission ließ sich heute Mittag gegen 12 Uhr der königlich preußische Landrat zu Weißenfels von Wurmb melden. Derselbe hat sich Ihro Exzellenzen als „preußischer Zivilkommissar“ unter dem Eröffnen, daß er mit einer Instruktion vom Minister Graf von Bismarck versehen sei, vorgestellt und, in übrigens sehr höflichen Formen, erklärt „daß er die Anweisung habe, die Vermittlung zwischen Zivil und Militär in möglichst freundlicher Weise zu leiten, daß man nicht beabsichtige, störend in die Verwaltung einzugreifen und daß daher auch die mit Beschlag belegten Kassenbestände sofort zurückgegeben werden sollten, man werde aber bei einer möglicher Weise länger dauernden Okkupation sich genötigt sehen, auf die Überschüsse der Staatseinnahmen über die Ausgaben für die preußische Regierung in Anspruch zu nehmen.“
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Seiten des Herrn Staatsministers Freiherr von Friesen, Exzellenz, ist Herrn von Wurmb erwidert worden, er müsse zunächst bitten, in seinen Äußerungen keinerlei Zugeständnis dieses Anspruchs zu befinden, in der Hauptsache müsse er bemerken, daß sich solche Überschüsse nach der Einrichtung unseres Staatshaushaltes und der dreijährigen Finanzperiode nicht sofort konstatieren ließen. Herr von Wurmb hat hierauf sich eine nähere Besprechung mit dem Herrn Finanzminister Freiherr von Friesen vorbehalten, welche morgen Mittags 12 Uhr im Finanministerium stattfinden soll. Demnächst hat aber Herr von Wurmb sich bitter darüber beschwert, daß in einer von dem Obergensdarmerie-Inspektor von Cerrini den Gensdarmen erteilten schriftlichen Anweisung über ihr Verhalten in der jetzigen Zeit, am Schluß eine Vorschrift, wie geheime Mitteilungen von ihnen durch Bürger pp. weiter zu bringen seien, enthalten sei, was der Spionage, die man nicht dulden könne, sehr ähnlich sei. Bei ähnlichen Vorkommnissen werde man Herrn von Cerrini nach Befinden von seinem Posten entfernen und auf eine preußische Festung abführen. Seine Exzellenz entgegnete, daß diese Aussage nicht im Einklang stände mit den früher ausgesprochenen freundlichen Gesinnungen, daß es vielmehr wohl der geeignete Weg der sei, wenn in solchem Falle sich an die vorgesetzte Behörde mit einem Bericht zu wenden, sonst befände sich, ähnliche Beschwerde jedenfalls Freistellung werde gepresst werden. Als hierauf der Herr von Wurmb fragte, ob die Anweisung des Herrn von Cerrini dem Herrn Minister vor dem Erlass bekannt gewesen, war die Antwort nein, sie sei ergangen, ehe der Herr Minister das Ministerium des Innern übernommen. Dies hat Herrn von Wurmb beruhigt und versichert, er betrachte diese Sache vor der Hand als erledigt. Zwischen dem Königlich Preußischen Zivilkommissar Herrn Landrat von Wurmb, dermals in Folge der Okkupation im Königreich Sachsen fungierend, und dem Königlich Sächsischen Finanzministerium ist folgender Vertrag geschlossen worden: Das Königlich Sächsische Finanzministerium verspricht, an den oben genannten Königlich Preußischen Herrn Zivilkommissar oder dessen Amtsnachfolger vom 18. Juni diesen Jahres an, diesen Tag mit eingeschlossen, täglich die Summe von Zehntausend Talern halb in Silber, halb in Kassenbillets zu zahlen und damit solange fortzufahren, als ein Königlich Preußischer Zivilkommissar in Dresden fungiert. Dagegen verspricht der Königlich Preußische Zivilkommissar im Namen der Königlich Preußischen Regierung, daß keine Behinderung der freien Gebahrung in der Königlich Sächsischen Finanzhauptkasse und aller sonstigen öffentlichen Kassen eintreten und daher Einnahmen und Ausgaben ohne jede weitere unmitttelbare Kontrolle einer preußischen Zivil- oder Militärbehörde erfolgen könne. Das Königlich Sächsische Finanzministerium sichert übrigens noch die auf Verlangen zu bewerkstelligende Abgabe einer wöchentlichen Übersicht über Ein- und Ausgabe bei der Finanzhauptkasse zu. Die von Seiner Königlichen Majestät niedergesetzte Landeskommission hat diesen Vertrag genehmigt. Dresden, den 20. Juni 1866 Übrigens hat Herr von Wurmb versichert, es sei seine Absicht gewesen, jedem der Herren Mitglieder der Landeskommission besonders seinen Besuch zu machen. So nachrichtlich bemerkt Dr. Carl von Weber NB. den 28. August: Er hat dies aber gar nicht getan, was die Minister, insbesondere Falkenstein, sehr übel genommen haben. In der Form hat Wurmb überhaupt öfter gefehlt.
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Juni 21 Rings um die Stadt liegen viele 1 000 und hier herrscht die tiefste Ruhe (früh 6 ¾), die Leute kehren die Gasse, ganz als ob es noch eine aktive Wohlfahrtspolizei gäbe. Die gefürchtete Attacke ist ausgeblieben, wird es hoffentlich überhaupt. Doch wollen wir einige Koffer mit der nötigsten Wäsche und Betten der Sicherheit halber parat halten. In der Landeskommission war die Arbeit nicht überhäuft, die Ministerien fangen an, sich wieder zu regen und ich halte streng darauf, daß die Landeskommission sich nicht in deren Geschäfte mischt, denn es kommen die Anträge an die Landeskommission massenhaft, werden aber alle an das betreffende Ministerium abgegeben. Die Preußen zogen heute (das 7. Armeekorps) alle ab nach Stolpen zu, den ganzen Vormittag dauerte es. Nachmittag war fast kein Preuße mehr zu sehen und die tiefste Friedensruhe herrschte. Massenhaft zog das Volk vor den Dohnaschen Schlag, um die Überreste des Biwaks und die Verwüstungen in den Feldern und Promenaden zu sehen, die übrigens glücklicher Weise nicht sehr bedeutend sind. Abends gegen 9 Uhr kamen erst wieder Preußen an, das 10. Armeekorps, von dem über mir vier Mann Einquartierung bei Abeken rumoren. Eine spaßhafte Meldung ging heute ein. In der Lausitz erläßt ein Oberst eine Bekanntmachung, daß „Requisitionen“ eintreten würden, bei deren Nichtbeachtung er denn allerhand Unannehmlichkeiten in Aussicht stellt. Die Leute denken aber, er meint Rekrutierungen und alle einigermaßen herangewachsenen jungen Leute entweichen sofort nach Böhmen, wo man sie gut aufnimmt, ihrer Menge wegen einquartiert und verpflegt. Forth-Rouen hat sein Territorium sehr tapfer verteidigt. Eine preußische Batterie will gestern bei dem blinden Lärm in dem Garten des Hauses an der rechten Ecke der Pirnaischen Straße Position nehmen. Er verweigert dem Offizier jede Benutzung. Dieser erklärt, er sei verloren, wenn er den Garten nicht besetzen dürfe, zumal wegen eines Pavillons, den die Feinde benutzen würden. Darauf erklärt Forth-Rouen, daß er als völlig neutral dem Feind keinen Zutritt gewähren und sich selbst in den Pavillon setzen wolle, um jeden Eindringling abzuwehren. Mit den Kugeln würde das allerdings seine Schwierigkeit gehabt haben. Gestern früh, als ich zu Professor Richter kam, der mir von einem jetzt doppelt beschwerlichen Durchfall helfen sollte, traf ich Professor Helbig dort, der mit seiner Familie – die Tochter Gretchen ist Schauspielerin geworden, ist in Stettin engagiert – geflohen war, weil die Preußen, die also bestimmt einen Angriff erwartet haben, gewarnt, daß sein Haus zu exponiert sei. Abends spät kam das 10. Armeekorps unter General von der Müller131 an. Große Massen Infanterie wurden auf der Lüttichaustraße einquartiert. Zu uns kamen keine – wir haben sie in Naumanns Hotel garni verdungen a 17 ½ Neugroschen den Kopf – während sie zu Abeken und in Ferdinands Quartier, obwohl sie auch verdungen, gekommen sind und nicht weitergehen wollen. Juni 22 Früh ins Archiv, wo sie ganz den Kopf verloren, der alte Schladitz heulte fast, verlangte, man solle das Archiv schließen, weil ihre Frauen sich so ängstigten. Ich gestattete, daß immer nur Einer der Beamten zugegen zu sein brauche und ließ die Läden bis auf die des Expeditions – und meines Zimmers schließen. Ich besuchte die Beust, die im Hotel de Pologne wohnt, einen Augenblick, wozu ich noch nicht Zeit gefunden, um Abschied zu nehmen, da sie heute mit Forth-Rouen abreisen will, bat sie nun, nicht etwa Briefe mitzunehmen, 131 Müller, von der, preußischer General 1866 in Dresden, Militärgouverneur des von Preußen besetzten Königreichs Sachsen.
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deren Auffindung bei ihr ihr die größten Unannehmlichkeiten zuziehen möchte, und von der brutalen Rohheit in Laubegast nicht zu viel zu reden. Vor dem Ausland möchte man es doch lieber ganz verschweigen, daß deutsche Edelleute sich gegen Deutsche so benehmnen konnten. Der eine hat eine Holzpeitsche gezeigt mit den Worten, damit habe er die Frau von Beust durchprügeln wollen. Den Tag über wie gewöhnlich bis Abend gearbeitet, dann noch etwas spazieren. Einzelne Exzesse sind gestern auch wieder vorgekommen, im Ganzen aber betragen die Soldaten sich gut. Juni 23 Fortwährender Truppenwechsel. Früh um 8 schon ein Bote aus Meißen mit Berichten des Stadtrats und Amtshauptmannsadjutant von Hartmann über die dort herrschende Not. Der letztere hatte – unglaublich – auf das Couvert geschrieben: Der Bote ist ein ganz zuverlässiger Mann, dem auch Rückschreiben mitgegeben werden kann. Als mir Friesen das sagte, schlug ich vor, man möge das Couvert zu den Dienstakten nehmen, wenn man etwa den Verfasser zu einem hohen Polizeiposten berufen wolle. Als ich gegen 9 Uhr ins Archiv ging, begegnete ich Anton von Gablenz, alten Bekannten, früher Eisenbahndirektor der Schlesischen Bahn. Homo verhabilis mit großer Befähigung, der im Jahre 1849 sich sehr nützlich machte, indem er es zunächst war, der das Einrücken der Preußen herbeiführte. Das Nähere über die Besprechung mit ihm in der Anlage. Die Minister zerbrechen sich den Kopf, was er eigentlich gewollt, was mir gar nicht zweifelhaft ist. Er kennt hier alle Persönlichkeiten, ist sehr gewandt und klug, kann also wohl manches vermitteln, man kann ihm manches sagen, was man einem ganz fremden Preußen nicht füglich ohne Weiteres unter die Augen sagen mag. In Schieritz und anderen Orten ist es, bei der Überfüllung mit Truppen und da gar keine Vorkehrungen wegen der Verpflegung getroffen sind, sehr übel zugegangen. Auch bei solchen Exzessen muß man nur berücksichtigen, daß Hunger weh tut und eine Truppe, die ermüdet und hungrig ankommt, freilich nimmt, wo sie etwas findet. Im Dorf Strehlen bei Dresden werden Schanzen errichtet und einige Villen sollen ganz niedergerissen worden sein, wahrscheinlich weil sie in der Schußlinie liegen. Es ist offenbar ganz ohne Not, daß alle die Verwüstungen um Dresden angerichtet werden, denn die Österreicher werden die Residenz gewiß nicht zum Kampfplatz machen. Mittag ging ich noch zu Forth-Rouen, der bei mir gewesen war, um Abschied zu nehmen, da er Montag früh abreisen will. Abends fuhr uns gegenüber ein Möbelwagen vor, mit Betten pp. Oben darauf hatten die Leute einen großen Asch mit Wasser gestellt, – man glaubt es nicht, wenn man es nicht gesehen – das natürlich übergelaufen war und die Betten völlig durchnässt hatte. In der Landeskommission ward denn viel hin- und hergeredet über den Revers, der verlangt werden könnte. Ich sagte, Revers an sich ist nicht, als wenn man sich dem Teufel verschreiben soll, es fragt sich, was drin steht. Schon das Wort ward aber als ganz undenkbar betrachtet. Das Bedenken hat auch eine Berechtigung, das ist nicht zu leugnen, weil eben schon aus dem Wort Mißdeutungen entstehen können. Bei meiner jetzigen Tätigkeit ist insbesondere das angreifend, daß so wichtige Fragen, wie sie unausgesetzt vorkommen, so eilig betrieben werden müssen. Es kommt ein Schreiben ein, ich lese es, gehe zu den Ministern herein, trage es vor, eine kurze Besprechung, dann sofort expediert, vorgelesen, es wird signiert, mundiert, in ½ Stunde ist Alles abgemacht, aber ob immer richtig?
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Anlage zum 23. Juni Dresden, den 23. Juni 1866 Heute Morgen gegen 8 Uhr traf ich den früheren Direktor der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn, Herrn Anton von Gablenz, einen langjährigen Bekannten an, der mir eröffnete, er sei hier angekommen, um womöglich vermittelnd beizustehen bei den Sachsen drohenden Kollisionen. Es sei nämlich dem Oberpräsidenten von Möller der Auftrag von dem Königlich Preußischen Ministerium geworden, als Generalgouverneur die Landesverwaltung in die Hände zu nehmen, eine Maßregel, die sich doch vielleicht noch werde abwenden lassen, wenn sich ein Auskunftsmittel zeige. Ich erwiderte auf diese Äußerungen, die ich nur als vertrauliche zu betrachten hatte, eben nur in der Art, wie man Ansichten gegen einen alten Bekannten ausspricht, daß ich allerdings eine solche Maßregel nur als eine sehr unglückliche, beiden Teilen nachteilige betrachten könne. Man sei bisher Seiten der Sächsischen Behörden davon ausgegangen, daß man auch preußischer Seits den ausgebrochenen Krieg Deutscher gegen Deutsche als ein furchtbares Unglück betrachte, dessen traurige Folgen tunlichst zu mildern Pflicht jedes Ehrenmannes, gleichwohl auf welcher Seite ihn seine Pflichten rufen, sei. In diesem Sinne hätten die Mitglieder der Landeskommission ihre Verhandlungen mit den preußischen Behörden eingeleitet und bei ihnen eine dankenswerte Bereitwilligkeit gefunden, die es ermöglichte, daß die Landesverwaltung ihren Fortgang habe, offenbar auch ein großer Vorteil für die preußische Armee, da entschieden die größte Unordnung nach allen Richtungen hin eintreten müsse, wenn auf einmal die Oberbehörden außer Tätigkeit träten und, wie vorauszusehen, Unterbehörden ihrem Beispiel folgten. Warum jetzt die Verhältnisse geändert werden sollten, sei nicht abzusehen, soviel aber könne ich nach meiner Kenntnis der Persönlichkeit der Herren Mitglieder der Landeskommission mit Bestimmtheit versichern, daß keiner sich zur Ausstellung eines Reverses, dessen Inhalt mit seinen Amtspflichten kollidieren könnte, verstehen werde, keiner aber zu den sogenannten Preußenfressern gehöre und sich vom blinden Haß gegen alles Preußische leiten lassen werde. Das waren ungefähr meine Worte, deren Sinn war es bestimmt. Herr von Gablenz zeigte sich ganz einverstanden und sagte, was er tun könne, um den Konflikt und die Beseitigung der Landeskommission, die sich zeither ja so bewährt habe, zu vermeiden, werde er gewiß tun. Von diesem Gespräch habe ich sofort den Herrn Generalleutnant von Engel, den ich im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten zuerst antraf, in Kenntnis gesetzt, später den Herrn Staatsminister von Falkenstein. Herr von Gablenz wollte zunächst den Herrn Staatsminister Freiherr von Friesen aufsuchen, den er aber nicht angetroffen hat und ist dann im Lauf des Vormittags zu den Herren Mitgliedern der Landeskommission gekommen und hat mit ihnen, sich aber nicht als mit einer offiziellen Funktion bekleidet bezeichnend, in ähnlichem Sinn wie gegen mich ausgesprochen. So nachrichtlich bemerkt Dr. Carl von Weber. NB. Die Herren Minister wünschten erst, ich solle über meine Unterhaltung mit Herrn von Gablenz eine Notiz zu den Akten geben, später, nachdem ich diese wie vorstehend niedergeschrieben, erklärten sie es für unnötig. Juni 24 Schon seit einigen Tagen ist der Oberpräsident von Möller hier als Privatmann, sein Kabinettsreskript, welches ihn autorisiert, die Landesverwaltung zu übernehmen, hat er noch in der Tasche und es wird nun vom Erfolg der Reise Gablenz’s, der – wahrscheinlich mit
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Herrn von Wurmb, der seit gestern Mittag abwesend von hier ist – nach Berlin abgereist ist, abhängen, ob die Landeskommission dimittiert wird oder nicht. Geschieht es nicht, so glaube ich, mir einiges Verdienst, das aber im Stillen bleiben mag, dabei verdienen zu können. Ich war früh wieder vergeblich beim Landrat von Wurmb, um Beschwerde zu führen über die Beschlagnahme der Briefe in Leipzig, die für den Gewerbsstand den größten Nachteil hat. Dann wieder bis 1 ½ in der Landeskommission expediert, immer presente Sachen, Besprechungen mit einer Menge Leute, die mit Anfragen und Querelen kamen. Der neueste Kladderadatsch, der beiliegt, enthält eine maßlos pöbelhafte Gemeinheit gegen unsern braven König. Der Polizeidirektor Schmauß, der überhaupt Courage hat (NB. Friesen sagte, er sei ein bloßer Brummbär – quod alius) und sich viel besser bewährt, als ich von ihm erwartet hatte, hat ihn sogleich konfisziert. In der Kreuzzeitung haben einige sehr scharfe Artikel über Beust gestanden, für deren Verfasser neulich die Minister Wickede hielten, was ich aber bestritt, da es ganz und gar nicht sein Stil ist. Viel richtiger scheint mir die Vermutung, die Jordan, der heute bei Sophie gewesen, aufgestellt, daß sie von Kotzebue seien. Beust hat ihn, der allerdings wohl einige Säure in der Feder führen kann, hier eher Grund, eigentlich persönlich verletzt, ihn von seinem Umgang zurückgewiesen, den Kotzebue gern gesucht hätte, und Kotzebue ist nicht der Mann, der so etwas vergißt. Nachmittags 5 Uhr ging ich zum dritten Mal zum Herrn von Wurmb, der Mittag von Berlin zurückgekehrt war, um eine Beschwerde anzubringen, daß man die Briefe in Leipzig zurückhalte und die Kassenführung bei der Post gegen den Vertrag betriebe. Wurmb war darüber offenbar unwillig, sprach von Übereilung oder so ein Wort der Militärbehörde, von der die Maßregel ausgegangen, ging sogleich zum General von der Müller, der zum Generalkommandanten von Sachsen ernannt und jetzt statt General von Herwarth hier eingetroffen ist. Ehe ich hinausging bat ich ihn, einen offen daliegenden Brief mitzunehmen, da ich nicht in den Verdacht kommen wolle, ihn etwa gelesen zu haben. Er lachte und sagte, den können Sie lesen, er ist von einem Wechselschuldner, der angibt, die preußenfeindliche Partei habe ihn in Wechselhaft gebracht. Dabei bemerkte er, „ich bin auch nicht neugierig, wäre ich es, so hätte ich neulich auch ein Schreiben von Ihres Königs Hand, die ich sehr gut kenne, unterzeichnet, beim Oberbürgermeister Pfotenhauer offen da lag, lesen können. Es beweist aber, daß Sie immer noch geheime Verbindungen mit dem König haben.“ Daß nun der König seit seiner Abreise selbst an Pfotenhauer geschrieben hat, ist geradezu undenkbar, es muß also etwa eine Antwort auf eine frühere Adresse gewesen sein. Wurmb wollte das aber nicht glauben. Er kam sehr bald zurück, notierte sich die Tatsachen und versprach, noch heute Abend solle Befehl ergehen, daß den Beschwerden abgeholfen werde. Dann hatten wir eine lange Unterredung. Zunächst sagte er, er sei ganz einverstanden mit der Konfiskation des Kladderadatsch. Ich: Es freut mich das wahrhaft, ich habe gleich gesagt, daß Sie solche Gemeinheiten nicht dulden werden. Ihre Vorfahren sind 700 Jahre sächsische Edelleute gewesen, es ist gewiß noch soviel sächsisches Blut in Ihnen, daß Sie unsern König nicht beschimpfen lassen werden. Wurmb: Ich war in Berlin, habe mit Graf Bismarck bis die Nacht um 2 konferiert, werde morgen den Herren von der Landeskommission einige Eröffnungen zu machen haben, da allerdings einige strengere Maßregeln nötig sind. Es wird der Kriegszustand proklamiert werden, noch heute werden 1 000 Exemplare der Bekanntmachung (die er mir zeigte)
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gedruckt werden. Jede Handlung gegen die preußische Armee wird mit 10 Jahren Festung oder Todesstrafe belegt. Ich: Sie werden hier keine Todesurteile zu vollziehen haben. Niemand wird jetzt daran denken, etwas gegen die preußische Armee zu unternehmen. Einem Pöbelauflauf können wir selbst allerdings nicht begegnen, da wir gar keine Macht haben. Das werden die Preußen schon selbst tun, es ist aber gar nicht zu besorgen, daß der Fall eintrete. Wurmb: Nehmen Sie die Sache nicht leicht. Ich habe in Rastatt 12 Todesurteile unterschrieben. Wenn ein Amtshauptmann, wie es geschehen ist, ich habe die Beweise dafür – noch Rekruten zur sächsischen Armee abgehen lässt, verfällt er dem Kriegsgericht. Ich: Das kann nicht geschehen sein, es würde dies nach dem, was ich von den Herren der Landeskommission gehört, deren Ansichten ganz entgegen sein. (Es ist bereits vor einigen Tagen dem Kriegsministerium der Beschluß der Landeskommission eröffnet worden, daß keine Rekruten oder Stellverrtreter abgefertigt werden sollen, sondern nur, wenn Stellvertretungsverträge vorgelegt werden, diese vorbereitet werden sollen.) Wurmb bleibt dabei, sagt ferner: Die Landeskommission wird bestehen bleiben, Herr von Möller ist bereits wieder abgereist. Ich habe mich auch überzeugt, daß, wenn wir, wie in Hannover, die Minister beseitigen und die ältesten Räte an ihre Stelle setzen wollten, wir keinen Vorteil (oder schlechter fahren?) haben würden – (Allerdings Lemaistre Arm in Arm mit Ehrenstein und Zschille, Kohlschütter, ¾ invalid, Broizem ganz invalid, Hänel, Hübel!). Wir werden aber einige Beamte entfernen müssen. Ich: Wieso entfernen? Wollen Sie Preußen, die mit den Verhältnissen ganz unbekannt sind, einsetzen? Wurmb: Nein, ich werde die Herren ersuchen, Urlaub zu nehmen und ins Ausland zu gehen, ihre Stellvertreter treten dann ein. Ich: Sie werden keinen sächsischen Beamten finden, der auf Ihren Befehl allein ein Amt übernimmt. Wollten Sie mir einen solchen Auftrag geben, so würde ich sagen, lassen Sie mich totschießen. Wir Sachsen haben dasselbe ehrenhafte Pflichtgefühl, welches die preußischen Beamten auszeichnet. Was würden Sie antworten, wenn eine sächsische Behörde Ihnen in Preußen so eine Anmutung machen wollte! Vielleicht würde sich – der Gewalt müßten wir weichen – wenn Sie Beamte entfernen, vielleicht ein Ausweg finden, daß die Landeskommission die Stellvertreter ernennt – aber ich bitte, dies nicht als eine amtliche Auslassung, die ich in meiner Stellung gar nicht zu geben habe, zu betrachten. Wurmb: Nun, darüber wird sich reden lassen. Wir brauchen aber Pferde. Die Landleute wollen wir nicht mit Requisitionen belästigen. Es ist am besten, Sie wenden sich an einen Pferdelieferanten (Er nannte einen Namen, den ich vergessen habe). Ich: Aber woher soll das arme Land, das in den acht Tagen schon so furchtbar gelitten hat, die Mittel nehmen. Wurmb: Ja das ist der Krieg. Mein Kreis (Bezirk ?) hat in vier Wochen 31 000 Taler Kriegssteuer aufbringen müssen. Ich wundere mich aber, daß ich hier so viele Anhänger der Beustschen Politik finde. Ich: Die Beustsche Politik, wenn Sie darunter verstehen, daß wir nicht preußisch werden wollen, ist allerdings die allgemeine Stimme. Sie werden nur Wenige im Land finden, die anderer Ansicht sind. Fassen Sie nur die Verhältnisse ruhig ins Auge. Von der höhern Politik verstehe ich nichts. Ich bin ein ruhiger, besonnener Mann, aber kein homae politique, so
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wird man mich schon, wenn Sie sich nach mir erkundigt, wohl auch geschildert haben. Wir haben in Sachsen keinen Grund, irgend eine Veränderung zu wünschen, wir sind ein sehr gut regiertes Volk. Wurmb (versteht gut „rechnendes“): Da hätten Sie anders rechnen müssen. Sie mußten sich sagen, daß mit Österreich gehen, hieße, das Land Preußen überliefern, das es, wie sich gezeigt, ohne alle Schwierigkeit wegnehmen könne. Ich: Nein, ich sage gut regiertes Land, wir haben einen trefflichen König. Wurmb: Ja das ist wahr – Ich: Wir haben ein Ministerium, dem das Land volles Vertrauen schenkt. Wir sind in allen unsern Beziehungen, durch Gewerbe, Religion, durch die Gleichheit des Volkscharakters an den Norden gewiesen. Das ist ganz richtig, aber deshalb wollen wir immer nicht in Preußen aufgehen, wir wollen unsern König, unsere Selbständigkeit, unsere Verfassung bewahren. Wenn Sie glauben, daß in Sachsen eine andere Volksstimmung herrsche, so sind Sie getäuscht worden. Das war, soviel ich mich der Worte erinnere, unser Gespräch. Dann teilte mir Herr von Wurmb noch mit, daß in Berlin (gestern?) plötzlich in der Königlichen Silberkammer eine Menge Silbergerät eingepackt worden, um es nach Stettin zu bringen. Das Volk wird unruhig, meint, man bringe das Silber aus Besorgnis in Sicherheit, beruhigt sich aber, als es hört, daß das Silber bestimmt ist, um zur Sourierung für den Kurfürsten von Hessen zu dienen, der (nachdem ihn seine Untertanen auf der Flucht angehalten, dem Gerücht nach) nach Stettin als Kriegsgefangener gebracht worden ist. Allerdings ein geeignetes Abführungsmittel, da in Stettin die Cholera herrscht. Ich referierte nun der Landeskommission meine inhaltsschwere Unterredung und bemerkte, daß wir doch wohl Gablenz mit es verdanken könnten, daß die Landeskommission bestehen bleibe, da ich diesem doch aber die Verhältnisse und Persönlichkeiten die Überzeugung beigebracht habe, daß man nicht vom blinden Preußenhaß hier beseelt sei. Friesen – der soupconnenser Natur zu sein scheint – meinte, daß man mit Gablenz auch im Gespräch sehr vorsichtig sein müsse – nun ich habe ihm auch nichts gesagt, was irgend von kompromittierend sein könnte, ich kann aber auch nicht tun, als ob ich der Meinung sei, alles was von Österreich komme, sei vortrefflich. Ich verfluche den Bruderkrieg und Preußens Eroberungssucht, allein ich unterscheide die Sache von der Person. Ich kann einen Preußen deswegen nicht hassen, weil er ein Preuße ist, habe ich doch drüben Verwandte, Freunde, die meinem Herzen mit am nächsten stehen! Um 7 Uhr zu Hause die Houwald, die Unvermeidliche, angetroffen. Sie war wirklich betrüblich, daß der Kurfürst von Hessen in Stettin sitze – vielleicht die einzige Person in Deutschland. Um sie nur mit ihren Lamenten über die ihr ihren Möbeln, Wäsche, Gott weis was drohenden Gefahren los zu werden, Vorschlag zum Spazierengehen – sie lief aber mit. Das war eine böse Kriegslast. Ich habe nun den alten Zschille mit seiner Neugierde und Geschwätzigkeit aus dem Zimmer, in dem ich anfänglich mit ihm arbeitete, herausgesetzt. Er schläft seine Kanzleistunden – denn zu tun hat er nichts – ab in einem Käfig im Souterrain. Ich bin nun mit Gustav allein, Vater und Sohn also sind da, wenn nur der heilige Geist sich auch einfände! Juni 25 Erhards Geburtstag, armer Junge, er wird für den Taler, den ich ihm schenkte, nicht viel Freude sich haben verschaffen können.
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Um 11 Uhr ist Herr von Wurmb gekommen, mit seinen Anträgen. Er hat aber vielleicht in Folge unseres gestrigen Gesprächs Entfernung keines Beamten verlangt, sondern nur Warnung des Polizeidirektors, ferner 200 Pferde – aber erklärt, Dresden müsse befestigt werden, 5 Schanzen sollen angelegt werden unter Zerstörung mehrerer Villen, eines Stücks des Großen Gartens. Nachmittag fuhr Falkenstein und Engel mit von Wurmb und einem Adjutanten in der Gegend herum, aber die Bemühungen, es abzuwenden, sind bis jetzt vergeblich gewesen. Man meint allgemein, daß die Verteidigung gar nicht nötig werden würde, weil die Österreicher die Stadt, um sie zu schonen, nicht angreifen werden, daß man es aber preußischerseits entweder auf höheren Befehl aus einer Art Rache tun oder um einen Schrecken zu verursachen. Ich kann mir es um so weniger erklären, als es doch im Interesse Preußens nicht liegen kann, auch in Sachsen Rachegefühle, die solche nutzlose Verheerungen erwecken müssen, zu erregen. 600 Arbeiter werden requiriert, um die Schanzen aufzuwerfen. Gestern ist ein Schütze und ein Gardereiter gefangen eingebracht worden, die im Hospital in Pirna gelegen. Pfotenhauer, den ich nach dem Schreiben mit des Königs Unterschrift, das Herr von Wurmb erwähnte, fragte, schwor Stein und Bein, es existiere kein solches bei ihm. Er war übrigens wieder so albern als möglich. Die Preußen haben eine Schiffbrücke geschlagen bei Übigau, sollen die steinernen Brücken unterminieren. Friesen fängt auch an, nervös zu werden, wie ein Zucken im Gesicht, das ihn öfter überfällt, beweist, verliert aber Kopf nicht. Juni 26 Eben war (7 Uhr früh) Sahr bei mir, der in Prietitz mit seiner Frau ohne Belästigung gewesen, nun aber nach Dahlen geht. Wegen einer Vollmacht, die dem sächsischen Betriebsingenieur Bahr ausgestellt werden sollte, der bei dem Schanzengürtel, mit dem Preußen die Stadt umgeben will, mitwirken soll, ward ich zum Landrat von Wurmb geschickt. Die Sache ward – wenig geschäftsmäßig aber schnell – dadurch erledigt, daß Wurmb in das Schreiben, das er an die Landeskommission geschickt, gleich noch ad marginam das, was wir wünschten, hinzuschrieb. Akten scheint er gar nicht zu halten. So gab er neulich ein Schreiben der Landeskommission gleich zurück mit der Bemerkung, er werde das Nötige verfügen oder habe es getan. Wir kamen dann auf die Befestigung Dresdens und ich sagte ihm, daß die Zerstörungen namentlich im Großen Garten Preußen in der öffentlichen Meinung unendlichen Schaden tun werden, weil man andere Motive als die militärische Notwendigkeit darunter suchen werde. Mich schmerze es tief, daß Deutsche gegen Deutsche nicht mehr Schonung zeigten. Er sagte, wie hat es denn Napoleon gemacht, der ja als ihr Freund hier war. Ich: Napoleon hat den Großen Garten unberührt gelassen. Sie selbst haben ja aber auch erklärt, daß sie nicht als Feinde des sächsischen Volkes kämen. Sie erbittern durch solche Sachen ohne Not nicht nur die Dresdner, die ja noch andere Spaziergänge haben, aber ganz Deutschland. Dann kamen wir auf seinen Antrag, daß Sachsen mit zum Parlament wählen soll. Ich sagte, Sie haben wohl selbst herzlich über dieses Verlangen gelacht. Ja, antwortete er lachend, aber Graf Bismarck auch – es ist das Parlament nun einmal seine Lieblingsidee. Als ich zurückkam, legte mir Falkenstein das Antwortschreiben der Landeskommission auf den Parlamentsantrag vor. Ich hatte gestern schon mit ihm darüber gesprochen und war der Meinung, man solle bloß antworten, die Landeskommission sei nach ihrer Instruktion nicht kompetent für die Sache, da ihr bloß die innere Landesverwaltung übertragen sei. Die Kommission hat aber unter Bezugnahme auf die Erklärung im letzten Landtagsabschied eine Einleitung gemacht, daß man sächsischerseits immer für das Parlament gewesen, auch am letzten Landtag es zugesagt – aber sie sei nicht kompetent. Das exordium scheint mir über-
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flüssig und sogar möglicher Weise nachteilig, wenn man natürlich hier jetzt keine Wahlen veranstalten will und kann. Ich sagte das auch in der Kommission, aber es blieb bis auf eine kleine Redaktionsänderung dabei. Der Trendelenburg begegnete ich, im Begriff mit ihrer Schwester und Tochter abzureisen, da sie Angst bekommen, könnte ich Sophie und Oda auch so in Sicherheit bringen! Niemand darf über die Vorposten und wieder zurück ohne einen vom Generalmajor von Bentheim vollzogene Militärpaßkarte. Sie haben heute nicht einmal die Grunaer Milchweiber hereingelassen. Wurmb war darüber sehr ungehalten, da es ja auch im Interesse der Truppen liegt, daß es nicht am Nötigen fehlt, aber er schob alles auf Missverständnisse der die Relaisposten Kommandierenden. Ich ließ mir die Kerle holen. Der Diener hatte Stundenlang bei dem großen Andrang warten müssen. Welche nutzlose Gängelei! Um 6 fuhr ich mit Sophie nach Blasewitz, ließ mich da übersetzen, ohne in Blasewitz oder Loschwitz einen Wachtposten zu treffen, meine Karte war ganz unnötig. Wundervoller Abend. Alles blühte und grünte, der tiefste Frieden der Natur – und in dem armen Dresden Not und Kriegslärm. Ich bin bei Gott eben nicht sentimental und bis jetzt hat mich noch nicht die Sorge übermannt – aber eine recht tiefe Wehmut überfiel uns, wie wir vielleicht auf lange zum letzten Mal auf der Terrasse unserer Bagatelle standen. Das alte Menzelsche Ehepaar, recht brave Leute, haben unseren Garten übernommen, schicken Erdbeeren, Schoten, Blumen herein. Etwa halb 8 gingen wir fort und tranken in Eile noch bei Demnitz ein Glas Bier, auf den Kahn, der eben jenseits war, wartend. Sehr a tempo fuhren wir über, denn während wir auf der Elbe schwammen, sprengten zwei schwarze Husaren heran. Einer hielt an der Überfahrt und brachte den Befehl, daß Niemand mehr übergesetzt werden solle – warum?, da meilenweit kein Gegner steht? Eine Menge Arbeiter und einige Loschwitzer, die sich verspätigten, mußten nun drüben bleiben, wenn der Husar, der ein Danziger war – ein sehr netter Mensch – nicht ein Auge zugedrückt hat. In einer Zeitung hat, wie mir Engel erzählte, gestanden, die Landeskommission genieße gar kein Vertrauen, Falkenstein und Schneider seien Mucker, Friesen scharre bloß das Geld zusammen, um es ins Ausland zu schicken, Engel sei seiner Brutalität wegen vor einigen Monaten entlassen worden. Der Geheime Rat Nostitz (Bundestagsgesandter) hat es Engel erzählt mit den Worten „siehst Du, was Du für ein Kerl bist“. Juni 27 Ich wollte Abends um 7 Uhr, nachdem die Minister und Engel fortgegangen, eben auch aus dem Ministerium fortgehen, als ein Schreiben des preußischen Zivilkommissars einging, in welchem er verschiedene Anträge zur sofortigen Erledigung wegen der Arbeiter zu den Befestigungswerken stellte und drohte, daß sonst morgen 4–6 000 Arbeiter aus Berlin verschrieben werden würden. Ich lief und fuhr nun schnell herum, um Friesen und Falkenstein zu finden, die nicht zu Hause waren. Endlich fand ich Friesen im Finanzministerium, der dann gleich selbst zu Herrn von Wurmb ging. Er fand ihn nicht und beauftragte mich, noch einmal zu versuchen, ob er zu finden sei. Ich traf ihn, erzählte ihm zunächst die Vorgänge in Freiberg, wo preußische Offiziere und ein Houwald, Schwager Just’s, 8–900 schon versammelte Arbeiter durch brüskes Wesen und Drohungen so eingeschüchtert haben, daß sie alle entlaufen und nach Böhmen geflohen sind. Wurmb war sehr unangenehm berührt, entschuldigte sich, daß er eine sehr schwierige Stellung dem Militär gegenüber habe pp. In der Hauptsache war er mit den Vorschlägen Friesens, die ich ihm mitteilte, ganz einverstanden und so war denn diese Differenz schnell erledigt. Daneben sprach ich mit ihm von dem Antrag der Freiberger, daß doch die Kohlenbahn wieder bis Potschappel wenigstens
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eröffnet werden möge, ein Antrag, den Friesen gar nicht an Wurmb bringen wollte, weil kein Gedanke daran sei – und siehe da, Wurmb war sofort bereit. Er hat heute früh in einer Konferenz mit der Landeskommission, bei der ich nicht zugegen war, geäußert, es bestehe eine Nebenregierung, gegen die er mit größter Strenge einschreiten wolle. Da er Niemand genannt, so wußten wir gar nicht, was er gewollt, da uns durchaus nicht bekannt ist, daß irgend geheime Verhandlungen mit Beust oder dem König oder der Armee existieren. Wurmb sagte mir nun, er wolle mir vertraulich darüber Mitteilungen machen – ich erwiderte, daß, wenn ich diese nicht wenigstens einem Minister, Friesen – als Minister des Innern also die Polizei – eröffnen dürfe, ich sie ablehnen müsse. Das gestand er zu und sagte nun, daß der Polizeidirektor Schmauß, den er als einen ganz dummen Menschen bezeichnete, und Geheimer Regierungsrat Häpe in geheimer Verbindung mit Beust seien und von ihm Instruktionen erhielten. Er werde noch zwei Tage warten und wenn er die vollen Beweise habe, beide außer Land schicken. Schmauß lasse durch in Zivil gekleidete Polizeidiener bei den preußischen Soldaten spionieren. Werde einer ertappt, so werde er sofort erschosssen. – Daß Beust, der nun einmal eine Passion für geheime Machinationen und polizeiliche Ermittlungen hat, sich solcher Organe hier bedient, um Spionage treiben zu lassen, ist mir nicht ganz unwahrscheinlich, wird aber nicht so leichtsinnig die Landeskommission durch eine Nebenregierung, zu der er doch auch andere Leute haben müßte als jene beiden, zu kompromittieren und ihre Stellung geradehin unmöglich zu machen. Friesen, dem ich Alles referierte, sagte, er habe schon mit Häpe gesprochen, der auf das Bestimmteste versichert habe, es sei nicht wahr. Friesen wollte aber morgen nochmals Häpe und Schmauß ernstlich anweisen, nicht sich und die Landeskommission zu kompromittieren durch Spionage, die doch zu gar nichts helfen kann. Ich war durch das Herumlaufen in der großen Hitze völlig kaputt geworden. Juni 28 Wurmb hat jedenfalls heute ernste telegraphische Befehle bekommen aus Berlin, Befehle, bei denen der Polizeirat Stieber, der hier gewesen ist, mitgewirkt haben mag. Das Kriegsministerium ist außer Tätigkeit gesetzt, was nicht viel sagen will, da es eben keine irgend erhebliche Tätigkeit entwickeln konnte. Die Beamten sind entfernt, wohl nur, damit die Preußen sich etwas in den Akten umsehen können. Schmauß, Häpe und der Polizeirat Pükert – warum der? weiß Niemand – hat Wurmb aufgegeben, binnen 24 Stunden das Land zu verlassen, sonst sind standrechtliche Behandlung zu gewärtigen. Dagegen wurde dann nun Seiten der Landeskommission feierlicher Protest bei Wurmb eingelegt, nach dessen Abfassung ein sehr höflich gehaltenes Schreiben von ihm einging, welches etwas Öl auf die Wogen goß. Friesen insbesondere geriet immer mehr in Harnisch – offenbar mit Unrecht gegen Wurmb, der doch bloß das Instrument ist, nicht der Urheber. Kleinlich war es, daß der Intendant des preußischen Armeekorps eine Rechnung von 15 Groschen Druckkosten für die preußische Proklamation pp. der Landeskommission zur Bezahlung überschickte, die abgelehnt ward. Kleinlich war es aber auch, daß die Landeskommission sich an Wurmb von heute an dadurch rächt, daß sie das Wort „ergebenst“ aus ihren Schriften verbannt. Ich hatte es anfänglich nicht gebraucht, das eine vom König ernannte Landeskommission solcher Floskeln sich in offiziellen Schriften nach meiner Ansicht nicht zu bedienen hat, allein da die Minister das Wort gebrauchten, so scheute sich meine Feder auch nicht mehr davor. Jetzt wird aber prostinus Status restituiert, was Wurmb wohl nicht sehr kümmern wird. Gut war die Relation eines Boten, der ein Schreiben an das Kriegsministerium herbeitrug, ehe wir die Sistierung kannten. Er brachte es wieder mit der Meldung, das Kriegsminis-
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terium ist vernagelt. Im Zeughaus ist eine alte Kanone, die faule Magd (oder Grete) genannt, die man sehr unnötiger Weise unter Holz und Kisten verpackt hat. Dienstmänner haben den Preußen verraten, es sei eine Kanone versteckt. Sie wird gefunden, von den Preußen als Kriegsbeute betrachtet, auf einen Wagen mit großer Mühe geladen, aber als sie fortfahren wollen, bricht der Wagen zusammen und die faule Magd wird wieder ins Zeughaus getragen. Recht schlimm für das Land wäre es, wenn die Mitglieder der Landeskommission, besonders Friesen, sich nicht bewußt blieben, daß sie allen Gewaltmaßregeln gegenüber doch bleiben müssen „kühl bis ins Herz hinein“ – ohne sich durch Zorn und Groll hinreißen zu lassen zu Handlungen, die die Sachlage nur verschlimmern können. Es ist nun einmal das furchtbare Unglück des Krieges hereingebrochen, ein Unglück, daß jeder verständige Preuße doch auch als solches anerkennen muß. Das Prinzip, das die preußische Regierung verfolgt, mögen wir verdammen, aber deshalb sollen wir unsere deutschen Mitbrüder, die Preußen, doch nicht persönlich mit Haß verfolgen. Die Organe, die höhere Befehle auszuführen haben und es, in der Mehrzahl wenigstens, mit der Schonung und äußern Rücksicht tun, die sich mit den einmal nicht zu vermeidenden harten Maßregeln vereinbaren läßt – diese Organe sollen wir deshalb doch nicht durch ein zweckloses unfreundliches Benehmen verletzen – ich untescheide ganz die Sache von der Person. Gegen die letztere habe ich keinen Groll – ich kann ja viel leichter mit Höflichkeit und Anerkennung etwas erreichen als mit Unhöflichkeit und kühlster Zurückhaltung. Es scheint mir aber, daß dieses mein Prinzip, das ich wiederholt und mit voller Absicht gegen die Minister ausgesprochen, ihren Beifall nicht findet und sie wohl gar eine Art Mißtrauen gegen mich gefaßt, als wenn ich zu voreilig im Reden gewesen. Persönlich ist mir das völlig gleichgültig, aber für die gute Sache tut es mir leid, weil ich dann doch eben so manches schon habe ausgleichen können und das persönlich freundliche Verhältnis zu Herrn von Wurmb manche Verhandlung mit ihm mir erleichtert hat. Sollte nun insbesondere Friesen noch hitziger werden, dann ist das Ende der Landeskommission herbeigeführt, und das möchte ich vor Allem verhütet sehen. Nous verrons, wer Recht hat. Juni 29 Früh 6 ½ mit Sophie und Oda Spaziergang in den herrlichen Großen Garten. Links der neuen Anlagen ein Zimmerplatz, wo Pallisaden hergestellt werden. Brief von Ferdinand aus Gasteien, der offenbar geöffnet war. Er ist in großer Sorge, die natürlich durch die Entfernung vermehrt wird. Ich ließ auf der Post fragen, ob Briefe nach Eger befördert würden, wohin er Nachricht wünschte, und als dies bejaht ward, schrieb ich ihm poste restante dahin. Friesen konzipierte ein Schreiben an den Zivilkommissar von Wurmb auf dessen Mitteilung wegen der Entfernung der drei Beamten selbst, das verhältnismäßig ruhig gehalten war, wie er denn sehr vieles selbst schreibt, was er auch füglich Andern überlassen könnte. Damit verletzt er in seinem Ministerium, wie ich höre, bisweilen, obwohl ich nicht recht kapiere warum? wenn Jemand nicht so eitel ist zu glauben, daß er allein Alles vortrefflich mache. Im Ministerium des Innern sieht es, wie Friesen sagt, kläglich aus. Es zeigen sich jetzt die Folgen, daß Beust sich um den Geschäftsgang zu wenig bekümmert. Jeder Rat macht was er will. Kohlschütter, der eigentlich leiten soll, ist leider sehr stumpf und apathisch geworden und so stockt und hapert es überall. Über die Kriegsereignisse wissen wir nur, was preußische Zeitungen bringen. Es sind Gefechte in Böhmen gewesen, in denen nach den Zeitungen die Preußen gesiegt haben. Eine Menge Gerüchte laufen umher, u. a. daß die sächsischen Jäger und Gardereiter große Ver-
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luste erlitten. Die Angst der zurückgebliebenen Frauen und Verwandten ist natürlich sehr groß und ehe sichere Nachrichten, wer geblieben, wer verwundet ist, eingehen, nur um so peinigender. Adolf ist glücklicherweise, als beim Depot befindlich, keiner Schlacht ausgesetzt. Zu tun hatte ich außer kleinen kurrenten Geschäften nichts. Ich sollte den Redakteur des Dresdner Journals befragen im Auftrag der Landeskommission, warum er in einen ihm von dieser mitgeteilten – nicht offiziellen – Zeitungsartikel über die Befestigungen Dresdens den Satz ohne Anfrage aufgenommen habe, daß die Besitzer der Gebäude, welche niedergerissen werden sollen, volle Entschädigung erhalten sollten. Er erwiderte, daß der preußische Zivilkommissar von Wurmb die Aufnahme verlangt und er den Minister von Falkenstein davon gestern Vormittag benachrichtigt und dessen Genehmigung dazu erhalten, weil sonst der ganzer Beruhigung des Publikums beabsichtigende Artikel nicht hätte aufgenommen werden können. Falkenstein hatte dies aber vergessen, was allerdings bei der Masse von Sachen, die er jetzt täglich hören muß, sehr erklärbar ist. Mein Gedächtnis ist auch wie ein Sieb, ich muß mir Alles notieren, um nicht konfus zu werden. Ins Archiv gehe ich täglich von 9–10 ½, um mich am Extrahieren eines alten Kopials zu erquicken. Könnte ich nur wieder in der kühlen Halle bloß ins 16. Jahrhundert, das mich nun einmal am meisten interessiert, mich versetzen. Juni 30 Palm wurde erschossen, weil er drucken ließ „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung“. Was ist denn aber schlimmer, wenn Deutschland vor 60 Jahren von Napoleon erdrückt ward, oder wenn jetzt die Deutschen sich untereinander zerfleischen? Überall sind schon blutige Schlachten geschlagen, in denen „Deutsche fielen“ auf Deutsche fielen! Die Preußen scheinen gesiegt zu haben in Böhmen, die Hannoveraner sollen sich ergeben haben, die Süddeutschen scheinen aber in aller Pomade abwarten zu wollen, bis die Preußen zu ihnen kommen. Inzwischen nimmt Preußen von halb Deutschland Besitz und was es besitzt – l’appetit vient en mangant – wird es das wieder herausgeben? Was soll das Ende des Krieges werden, der schon Millionen unglücklich gemacht, ganze Provinzen auf Jahre in ihrem Wohlstand vernichtet hat. Das Herz blutet Einem, wenn man sich auch stündlich sagt, Du kannst es nicht ändern. Wozu hier die Quängeleien sind mit Sperrung des Verkehrs versteht man vollends nicht. Niemand darf über die nächsten Vorposten ohne einen Militärpaß des Generalleutnant von Bentheim. Zu deren Ausstellung sind täglich vier Stunden bestimmt. Da warten nun Hunderte und können nicht vorkommen. Advokat Schreck aus Pirna kam heute mit seinen Klagen, daß er von 8–1 ½ nichts habe erlangen können, nach Pirna zurückzukehren. Ein Kaufmann aus Wehlen liege schon drei Tage hier mit seinem Geschirr. Die Landeskommission kann nichts machen, da ihre wiederholten Bitten bei Wurmb, der auf die Militärbehörde wenig Einfluß hat, nichts geholfen haben. Daß Offiziere durch die Promenaden reiten, wo Kinder und Kinder weilen, sonst vor Pferden gesichert sind, habe ich selbst gesehen. Alle diese Geschichten aber erregen natürlich Erbitterung und wenn dann Exzesse entstehen, die man nicht verhüten kann, wird die Sache noch schlimmer werden. Ist es die Absicht, solche hervorzurufen? oder ist es bloß Mangel an Erkenntnis des Bedürfnisses? Ich kann mich nicht in die Sache mengen, obwohl ich meine, daß man durch eine ruhige Besprechung mit dem preußischen Oberkommandanten General von der Müller, der ein humaner Mann sein soll, wohl Manches erreichen könnte. Ich erlangte aber doch nach mehreren Rücksprachen, daß ein besonderes Schreiben deshalb an den preußischen Zivilkommissar gerichtet ward,
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während sich die Landeskommission bis jetzt bloß auf mündliche Interzession beschränkt hatte. In der Stadt sieht man eine Menge Flaggen an Häusern, wo ein Konsul wohnt oder Einer, der zu einer Gesandtschaft gehört, wodurch sich die Betreffenden eine Sicherstellung zu geben meinen. Heute hatte ich auch das erste Gespräch mit preußischen Soldaten, die sich sehr höflich nach der neuen Kreuzschule, vor der sie standen, nach der Akademie der Künste pp. erkundigten, wahrscheinlich waren es Landwehrmänner aus gebildeten Kreisen. General Engel hat heute eine unangenehme Berührung erlitten. Er hat einen Sohn, der liederlich im höchsten Grade, kürzlich aus Freiberg mit Hinterlassung vieler Schulden entflohen. Heute sagt Herr von Wurmb in einer Konferenz mit der Landeskommission, ein Herr von Engel habe in einer Wirtschaft sehr unangemessene Reden geführt, ob es ein Verwandter des Generals sei. Dieser hat gar nicht gewußt, daß der Sohn, mit dem er in keiner Verbindung mehr steht, hier sei und hat dies nun Herrn von Wurmb mitteilen müssen. Eigentliche Arbeit gab es heute nicht viel, man muß nur immer au qui vive sein, weil häufig Leute mit Anfragen kommen oder repentine Eingänge, die gleich expediert werden müssen, aber nicht viel Zeit erfordern. Abends gingen wir in den Großen Garten, wo wir Antons trafen. Ich schrieb auch an Rosa, konnte ihr aber freilich über Adolf nichts mitteilen, als daß er, wie Engel meint, beim Depot keiner persönlichen Gefahr ausgesetzt sei. Wenn man nur erst Nachrichten hätte! Juli 1 Ablieferung der Waffen ist angeordnet für morgen, da muß ich denn meine Pistolen und meinen alten Säbel, den, ich denke, der alte Beust beim Banner geführt und ich einmal gekauft habe, abliefern. Als der General von Herwarth hier eintraf, richtete die Landeskommission ein Schreiben an ihn und Engel übergab es. Herwarth schickte den Ministern Karten und sie machten ihm dann einen Besuch. Beim General von der Müller, der als Militärgouverneur von Sachsen einen höheren Rang hat, hat die Landeskommission kein Schreiben übergeben, bloß Engel ihm einen Besuch gemacht. Das hat er sehr übel genommen und sie heute um 12 zu sich zitiert. Falkensteins Wagen kam zu spät und so sind sie erst ¼ Stunde später gekommen. Er hat sie sehr schrofff empfangen. Da sie nicht zu ihm gekommen, habe er sie rufen lassen. Als er hierauf eine Pause gemacht, hat Falkenstein angefangen zu sprechen, der General aber ihm gesagt, „lassen Sie mich erst ausreden“. Schließlich ist er aber zugänglicher geworden. Die Minister kamen aber sehr aufgeregt über den Empfang zurück und ich gab mir vergeblich Mühe, sie zu beruhigen. Besonders hat der General die Bekanntmachung des Protestes gegen die Entlassung der Beamten gerügt, dies glaube ich mit Unrecht, da die Landeskommission bloß die Tatsache veröffentlicht hat, die die Zeitungen doch jedenfalls gebracht hatten. Er hat übrigens anerkannt, daß sie loyal als Ehrenmänner sich gezeigt und abgesehen von dem schroffen Empfang ist schließlich die Unterredung noch gut abgelaufen. Warum sie aber, um solche Unannehmlichkeiten zu vermeiden, nicht dem General einen Besuch gemacht haben, ist mir, der ich in solchen Etikettenfragen nicht kompetent bin, nicht klar. Ich war eine Stunde am Vormittag bei Jordan, der über die ganzen Geschichten, obwohl natürlich vom preußischen Standpunkt, doch sehr vernünftig denkt. Ferdinand ist um 3 Uhr Nachmittags angekommen, wie Gustav sagt fürchterlich erschöpft und angegriffen. Er war den Abend bei uns und schließlich ganz fidel. Falkenstein machte auch noch, als wir Abends zu Hause gingen, einen guten Witz. Er sagte, wir haben heute den zweiten Vor-
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fall (Staatsdienergesetz) bekommen (von dem General v.d. Müller) unter Übergehung des ersten. Juli 2 Ich fand, als ich heute um 8 ins Ministerium kam, ein Schreiben des Zivilkommissars von Wurmb, daß alle Bekanntmachungen allgemeiner Art seine Genehmigung, die lokalen die des am Ort kommandierenden Offiziers bedürften. Das konnte die Landeskommission, welche alle Beamten danach anweisen sollte, nicht veröffentlichen, da danach z. B. alle Subhastationsbekanntmachungen an den General v. d. Müller gehen müssten. Ich erhielt daher Auftrag, die Sache mit Wurmb zu besprechen, der denn auch wie immer sehr bereitwillig war. Wir fassten eine andere Formel ab und Wurmb legte die Sache dem Militärgouverneur v.d. Müller gleich vor. Während wir in Gegenwart eines andern Herrn, dessen Namen ich nicht verstand, darüber sprachen, erhielt Wurmb eine telegraphische Depesche, die er uns mit den Worten „Sie dürfen aber nicht sehen, woher sie kommt“, indem er die Unterschrift umbog, zeigte. Sie lautete: „Das Schloß in Dresden ist unterminiert, die Keller liegen voll Pulver.“ (Randbemerkung. Ich sagte: richtig und eines Tages brennt die Prinzessin Amalie, die im Schloß wohnt, sich eine Zigarre an und sprengt sich und den ganzen Krempel in die Luft.) Ich sagte ihm, als er herzlich lachte, nun wundert es mich nicht mehr, wenn Sie voll Argwohn gegen uns sind. Zu den Schanzarbeiten hat man nun doch preußischerseits noch 4 000 Arbeiter aus Berlin herbeikommen lassen, da die hiesigen durch die Drohungen der Offiziere, man werde sie totschießen, wenn sie nicht ordentlich arbeiteten pp. geschreckt, nicht kommen oder entlaufen, viele auch nicht für die Preußen arbeiten wollen, ohne zu bedenken, was für Volk sie uns nun aufgeladen haben. Der Unbekannte, der ein Mann höheren Standes zu sein schien (er war in Zivil), sagte, die Sachsen hätten in Böhmen mit den Tschechen sich auch nicht vertragen können, an einigen Orten übel gehaust, zerschlagen pp. Als wir auf dies, die letzten Gefechte kamen, sagte ich, dass man hier natürlich in großer Sorge sei, da Zeitungen die Notiz gebracht, dass auch Sachsen dabei gewesen. Der Unbekannte sagte, es sei ja so leicht, Nachricht über Teplitz, wo Alles offen sei, zu bekommen, worauf ich erwiderte, dass wir gar keine Nachrichten hätten und uns deswegen an den Herrn Militärgouverneur mit der Bitte gewendet, doch einen Parlamentär Erkundigung über die Namen der etwa Gebliebenen einzuziehen. Der Gerichtsamtmann in Ostritz ist gefangen hierher gebracht worden, weil er noch Rekruten zur Armee geliefert. Wie er meint, hat ihn eine Frau von Metzradt, deren Diener (?) er als Reservisten eingezogen, bei den Preußen denunziert. Der Auditeur, der ihn hier befragt, hat ihn äußerst human behandelt, konstatiert, dass die Sache vor Erlaß der Bekanntmachung der preußischen Militärbehörde geschehen und dann zu Protokoll genommen, dass er (der Amtmann) nur seine Pflicht getan und auf das Entschiedenste seine sofortige Freilassung verlange. Dem Mann ist angst und bange geworden. Er hat gefürchtet, seine Sache zu verschlimmern, allein der Auditeur hat ihn beruhigt, ist zum General v. d. Müller mit dem Protokoll gegangen und nach einigen Minuten zurückgekehrt mit den Worten „Sie sind entlassen!“ Wieder ein Beweis, dass es unter den Preußen denn doch auch humane und verständige Männer gibt und nicht alle, vom Siegesschwindel berauscht, sich zum Übermut, wie leider viele von den Offizieren, hinreißen lassen. Abends in den Zoologischen Garten, der mit preußischen Soldaten, die aber sich ganz ruhig benahmen, angefüllt war. Antons, die wir trafen, blieben den Abend bei uns. Nach
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furchtbar schwülen Tagen ist endlich nach starken Gewittern frische Kühle eingetreten. Der Blitz schlug gestern in ein Haus auf der Moritzstraße, ohne zu zünden, ein. Juli 3 Heute wäre leicht die Landeskommission gesprengt worden durch Dummheit eines Sekretärs des Justizministeriums, der in die Zeitungen die im Mai erfolgte Ernennung einiger Justizbeamten so bekannt gemacht hätte: „Den 30. Juni haben Seine Majestät den N. ernannt“. Glücklicher Weise bemerkte der Redakteur des Dresdner Journals Hartmann, nachdem der Artikel schon gesetzt war, den Pudel, der bei der preußischen Behörde natürlich den Verdacht erregt hätte, als ob die Landeskommission immer noch geheime Befehle vom König erhalte. Ich erinnerte daran, dass derselbe Artikel auch an die Leipziger Zeitung ergangen sei und nun ward schnell dahin telegraphiert, aber da der Telegraph von den Preußen in Beschlag genommen ist, hatte Gustav, der abgeschickt ward, viele Mühe, den preußischen Offizier, der sich in die Geschichte nicht gleich finden konnte, zu bestimmen, das Telegramm abgehen zu lassen. Schmauß hat auch noch ein gutes Stück Dummheit ausgeführt. Er hat die alten unnützen Schießprügel, die man hier der Bürgerschutzwache übergeben und von deren Existenz die Preußen also wußten, in einzelnen Häusern versteckt, ohne Koppenfels, der an seine Stelle tritt, mitzuteilen, wohin. Dieser war nun in der größten Sorge, die Flinten aufzufinden, was ihm aber schließlich gelungen ist. Ebenso sollen sie im Zeughaus noch Waffen versteckt haben, die man jetzt auf eine geheime Anzeige gefunden hat. Alle diese Dinge hätte man gewiß leicht der Landeskommission in die Schuhe geschoben, obgleich diese gar nichts davon gewußt hat. Heute Morgen sind 400 Verwundete hier angekommen, darunter auch gefangene Sachsen, von denen die ersten, natürlich nicht ganz zuverlässigen Nachrichten über die gebliebenen sächsischen Offiziere erlangt worden, wonach drei gefallen und vier verwundet. Es ist aber keiner unserer Bekannten darunter. Friesen – der selten lobt – sagte mir heute doch einiges Beifällige über die Schnelligkeit, mit der ich die Geschäfte erledige. Er erkannte auch an – was ich immer wiederholt habe –, dass es offenbar vorteilhafter für uns ist, wenn wir persönlich die preußischen Beamten nicht durch schroffes Benehmen reizen, sondern durch ein höfliches Benehmen wenigstens persönliche Reibungen vermeiden. Schmauß habe eben durch sein ungeschicktes Benehmen sich sein Schicksal zugezogen. (Dieser wird übrigens von Vielen beneidet, weil er in völliger Sicherheit und außer allen Trubel ist – der Polizeirat Müller hat – on dit – die Hände über den Kopf zusammenschlagend gesagt: 1 000 Taler gäbe ich, wenn mir das passiert!) Friesen sagte auch, daß er immer seine Not mit einigen der Räte habe, um zu dämpfen. Wegen der erlassenen Naturallieferungen, die zum Teil für die preußische Armee in Böhmen verlangt worden, u. a. 1 000 Eimer Wein, richtete heute aber die Landeskommission ein Schreiben an den Zivilkommissar, da das Land dadurch ja völlig ausgezehrt wird. Abends gingen wir spazieren vor dem Plauenschen Schlag, wo jenseits des Feldschlösschens eine kolossale Schanze aufgeworfen wird, wohl 10 Minuten lang. Hoffentlich fällt aus ihr kein Schuß, denn die schönen neuen Häuser, die dort seit einigen Jahren gebaut worden sind, wären der größten Gefahr ausgesetzt. Friesen, der überall Geld suchen muß, hat sich auch durch Kaskel an ein französisches Bankierhaus gewendet. Dieses hat aber Bedenken gehabt, weil hier keine gesetzliche Regierung bestehe und der gesetzliche Regent vielleicht die Handlungen der provisorischen Regierung nicht werde anerkennen wollen. Solche kuriose Meinungen sind also verbreitet, deren Berichtigung nun durch Kaskel erfolgen soll.
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Juli 4 Otto Berlepsch ist heute als Gefangener hier durchgegangen, sein Pferd soll mit ihm durchgegangen sein und ihn unter die Preußen geführt haben. Mittags feierten die Preußen mit Kanonenschüssen einen Sieg, über den wir natürlich noch nichts näheres wissen. General v.d. Müller hat bereitwillig gestattet, daß Engel einen offenen Brief an den Generalmajor von Fabrice abgehen lasse mit der Bitte um eine Verlustliste. Arbeit war nicht viel heute. Erhard kam mittags, da seine Ferien begonnen. Er erzählte, daß die Schiffbrücke in Meißen abgebrochen worden. Graf Vitzthum hat mir eine Extrakarte für des Prinzen Georg Garten gegeben, eine große Wohltat, daß wir in dem ruhigen schattigen Park nun spazieren können, wo man im tiefsten Frieden zu sein meine. Juli 5 Der General v.d. Müller scheint Verfassungsrecht nicht studiert zu haben. Das Ministerium des Innern wollte heute eine Bekanntmachung wegen einer Lazarettkommission erlassen und dazu – nach der von Müller getroffenen Anordnung die Genehmigung desselben einholen – allein die Sache kam zurück mit der schriftlichen Resolution, daß, so lange Sachsen okkupiert sei, er „königlich sächsisches Ministerium nicht anerkennen könne“, daß „solche nicht geduldet werden könnte“. Da hört doch Alles auf. Nachdem die Preußen wiederholt anerkannt, daß in die Landesverwaltung nicht eingegriffen werden solle, der Zivilkommissar von Wurmb, der von dem Erlaß gar keine Kenntnis gehabt hat – er spielt offenbar der Militärbehörde gegenüber eine untergeordnete Rolle – hat mit den Achseln gezuckt, von Mißverständnissen gesprochen pp. Die Bekanntmachung wurde also umgeschrieben und nun von der Landeskommission dem Militärgouverneur zugesendet. Wie ich gleich vor einigen Tagen den Herren sagte, ist es gar nicht zu vermeiden, daß die Landeskommission Bekanntmachungen erläßt und dazu eben die Genehmigung einholt. Die Herren wollten das aber nicht tun, weil es unter der Würde der Landeskommission sei – ja, ist schon richtig, aber lieber mag die Würde der Landeskommission leiden, als das Land. Heute haben die Preußen den Stadtrat Gehe arretiert, angeblich weil er auf die Preußen geschimpft – der Stadt tut sie damit keinen Schaden, denn Gehe ist ein sehr wenig qualifizierter, dickköpfiger Patron. Ein Telegramm aus Paris meldet, daß der Kaiser Venetien an den König von Frankreich abgetreten, Waffenstillstand eintrete – Gottlob das erste Zeichen des Friedens! Die alte Houwald, die sehr schwachsinnig geworden, hat Phina durch ein albernes Geklatsch, daß auf einer neuen – gar nicht existierenden – Verlustliste der Sachsen Adolf Berlepsch stehe, in ganz unbegründete Angst versetzt. Otto Berlepsch ist als Gefangener hier durchgegangen. In einem Brief an seinen Vater schrieb er, daß er, um einen Befehl an ein sächsisches Bataillon zu bringen, an einen Trupp bis 10 Schritten herangeritten, ehe er wahrgenommen, daß es Preußen seien. Er muß sehr kurzsichtig sein, denn die Geschichte ist ai fallus um 7 ½ geschehen, also bei hellem Tage. Juli 6 Das preußische Militärkommando hat heute endlich die nutzlosen Beschränkungen des freien Verkehrs mit der Umgegend aufgehoben, dagegen einen Teil der Berliner Arbeiter mit Gewalt in Strehlen (120 Mann in des Kronprinzen Villa) einquartiert, die denn uns die Cholera mitgebracht. Zwei sind erkrankt, einer ist gestorben. An Falkenstein kam heute ein anonymer Brief mit zierlicher Hand geschrieben, das den Preußen verraten, der Königstein sei einnehmbar, es solle heute ein preußisches Korps dahin abgehen. Zu verraten wäre da nicht viel, da viele preußische Offiziere, u. a. noch neuerdings der Generalleutnant von Witzleben, der hier angeblich genealogische Studien trieb und im Archiv arbeitete, oben gewesen sind.
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Früh wie gewöhnlich bis gegen 11 im Archiv gearbeitet, dann wieder in das Ministerium, wo nicht viel zu tun war. Es kamen wieder preußische Truppen an und ich werde wieder Einquartierung erhalten haben, die nun auch für Loschwitz angekündigt ist. Ich habe die dortige Menzel übergeben. Aus Loschwitz kamen wie im tiefsten Frieden Schoten, Himbeeren, Johannisbeeren, Blumen an. Abends waren wir bei den Prinzessinnen von Holstein, die ich – ich hatte sie am Tage eigentlich lange nicht gesehen – sehr gealtert fand, insbesondere die Prinzess Mally. Von ihrem Garten konnten wir die Trümmer der zur Schanze am Lämmchen abgetragenen Häuser sehen. Prinz Woldemar von Holstein ist Gouverneur von Koblenz geworden. Die Prinzessinnen waren in das Hospital im Kadettenhaus gegangen und hatten dort für die Verwundeten eine Menge Briefe geschrieben, ein Samariterdienst, den ich auch gern verrichten würde, wenn ich Zeit dazu hätte. Juli 7 Viel Arbeit, eine Menge Eingänge, gelesen, vorgetragen, expediert, alles mit Dampf. Unbegreiflich und ein wahrer Jammer ist es, daß wir noch keine Verlustlisten der sächsischen Armee haben. Eine kam – aber nur wenige Namen enthaltend – über Paris an die hiesige französische Gesandtschaft, während doch durch einen Parlamentarier der sächsische Generalstab sie längst hätte direkt hierher bringen können. Das Geld wird in den Kassen immer knapper, die Ansprüche mit Requisitionen gehen fort und es sollen daher die Steuern früher erhoben werden, was allerdings mit dem Gesetz von 1843 nicht paßt. Indessen wollen die Minister es auf ihre Verantwortung übernehmen, die allerdings materiell eben nicht groß ist. Mittag ging ich zu Forth-Rouen, der mir sagte, daß er Beust und dessen Familie sehr gedrückt gefunden habe, daß aber der Kaiser sie unter seine spezielle Protektion nahm. Da er von l’empereur bloß sprach und daß dieser es habe schreiben lassen, so muss ich annehmen, daß er den Kaiser von Frankreich meinte – also so weit wären wir glücklich, daß dieser einen deutschen Minister unter seinen Schutz nimmt! Armes, armes Deutschland! Man sieht es immer sicherer kommen, daß Napoleon auf der Blutsaat allein ernten wird. Abends in den Großen Garten, wo wir uns die niedergehauenen Bäume ansahen, die links von der ersten Wirtschaft am Eingang, in Reihen lagen. Dem Laien ist es ganz unbegreiflich, was damit bezweckt wird. Juli 8 Heute war wieder viel Arbeit, bis Abend kamen immer Sachen ein, die sofort erledigt werden mußten und dazu die immer trauriger werdenden Nachrichten über die Verluste unserer Armee – der Oberstleutnant von Friesen, ein Bruder des Ministers, ein liebenswürdiger intelligenter Mann, ist nach der Angabe eines hier verwundet liegenden Major Vollborn auch geblieben – alle Hospitäler, wozu man die Kaserne am Palaisplatz, die Pionierkaserne, eine Schule pp. eingerichtet, voll gräßlich Verwundeter! Sophie fuhr nach Tische herüber, um Früchte pp. hinzubringen zur Erquickung für die armen Menschen, Leinewand, Hemden, Wein haben wir auch geschickt, aber wie viele werden noch kommen, die auch bedürftig sind. Man muß sich recht zusammennehmen, daß das Herz nicht mit seinem Kummer den Kopf übermannt. Ich bat heute die Minister wieder, sie sollten doch noch einen Versuch machen, ein Schreiben oder mehrere an den Generalstab abgehen zu lassen, um die Verlustlisten zu bekommen. Sie meinten, es sei nun doch zu spät, die Listen würden wohl ankommen. Wozu denn aber nicht noch ein paar Bogen Papier anwenden? Der Tag war so rauhe, daß wir nicht spazieren gehen konnten. Ich ging auf Falkensteins Einladung Abends eine Stunde zu ihm. Sophie wollte nicht mit – wir klagten und trösteten uns gegenseitig.
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Die Königin, die Kronprinzessin und Prinzessin Georg sind in Regensburg. Dort haben sie nur die falschen österreichischen Siegesberichte erhalten und sind daher ganz beruhigt gewesen. Die Frau des russischen Gesandten von Bludow ist auch dort und will gerade einen Besuch bei der Prinzessin machen, als ein Telegramm des Kronprinzen ankommt, worin er meldet, daß er und Prinz Georg gesund, die Schlacht aber verloren sei – eine Enttäuschung, die dann natürlich den Besuch verhindert hat. Beust ist mit dem König in Wien. Der Kronprinz soll viel Feldherrntalent gezeigt haben. Juli 9 Früh um 9 ging ich schon zum Zivilkommissar Landrat von Wurmb, um mit ihm wegen einer Bekanntmachung zu sprechen, zu der die Genehmigung des Militärgouverneurs nötig war – wie dieser vorgeschrieben. Wurmb war wie immer sehr zugänglich und übernahm die Sache. Er sagte, daß jetzt, wo Graf Bismarck nicht mehr die Sache leite, die „Geheimen Räte“ ihm allerhand Schwierigkeiten machten, er aber erklärt habe, daß, wenn man an dem von ihm geschlossenen Vertrag (vom 20. vorigen Monats), nach dem Sachsen täglich 10 000 Taler zahlt, aber dagegen freie Kassenverwaltung zugesagt ist, anfange zu deuteln, er sofort seine Funktion niederlegen werde. Es bezieht sich dies jedenfalls auf das silberhaltige Blei pp., das man auf den Hütten bei Freiberg im Wert von circa 300 000 Taler weggenommen hat – ganz gegen den Vertrag – dessen Rückgabe Wurmb für Sachsen verlangt. Er kam auch gegen 12 ins Ministerium und teilte dies und einige ähnliche Sachen mit. Ein preußischer Oberstleutnant von Sommerfeld hat in der Lausitz einem Lotteriecollecteur nebst seinen Geldern sogar sein Rechnungsbuch, worin er die Abnehmer der Lose verzeichnet, mitgenommen und dies ward denn reklamiert. In einem Paket kam eine Uhr, die ein preußischer Offizier einsendete, ein Gardereiter, der nach der Bezeichnung in seiner Mütze Tasso geheißen, habe sie auf dem Schlachtfeld verloren, sie möge den Erben übergeben werden: recht brav! So etwas söhnt mit manchem aus. Raues Wetter, so daß wir nicht spazieren gehen konnten. Heute Morgen marschierten plötzlich viele Preußen fort, angeblich nach Böhmen zu. Die Bayern scheinen die Lust, mit den preußischen Zündnadelgewehren Bekanntschaft zu machen, ganz verloren zu haben. Zurechne nur Einer auf deutsche Klein- und Mittelstaaten, Sachsen und Hannover sunt exempla odiahe und werden schließlich die Zeche bezahlen. Die Bemühungen der Landeskommission, die Sistierung des nach den Siegen der Preußen doch offenbar ganz nutzlosen Schanzenbaues bei Dresden, dem immer noch Bäume im Blasewitzer Wäldchen und Großen Garten zum Opfer fallen, sind vergeblich. Noch heute erklärte Wurmb, es müsse die Sache fortgehen. Sollte es Rache sein?, die den Befehl von Berlin aus diktiert hat? Abends kam die Erkel zu uns, die hierher gekommen, um nach ihrem Grundstück in Loschwitz zu sehen. Seit einigen Tagen ist dort preußische Einquartierung. Juli 10 Es sollte heute die Genfer Konvention wegen der Verwundeten in die Gesetzsammlung kommen. Dazu hatte Lemaistre eine Übersetzung gemacht, die zum Teil so gräßlich stilisiert war, daß sie durchaus hätte korrigiert werden müssen. Es war auch u. a. ein Wort evacuations übersetzt mit Räumungen (warum nicht gleich Ausleerung), das hier offenbar einen technischen Ausdruck bezeichnete, der in der preußischen Übersetzung anders wiedergegeben war. Deshalb sollte ich nun mit Lemaistre sprechen – ja wenn das mit einem solchen Ochsen möglich wäre – . Er blieb, als ich in sein Zimmer trat, ruhig sitzen, die Zeitung lesend, antwortete bloß mit knurrigen Blicken, tat, als ich nach einem Lexikon fragte,
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als ob gar keines da war, während zwei in seiner Stube standen. Endlich sagte er, dort steht eins, kurz er benahm sich so flegelhaft, daß mich nur sein Alter abhielt, ihm mit der Grobheit, die mir die Natur gar nicht versagt hat, zu begegnen. Auch Falkenstein klagte jämmerlich über ihn, daß er jede Kleinigkeit – da er das Auswärtige Ministerium mit verwaltet – genau einsehen müsse, da in der Regel ein Unsinn darin sei, denn für diese Geschichte sind nur Lemaistre und Ehrenstein da und diese beiden bilden sich noch dazu ein, in höchster Gefahr vor den Preußen zu schweben, da sie beide sich für „die rechte Hand Beust’s“ halten. Sie, die Frau von Lemaistre, wie sie sich selbst nennt, ist deshalb in größter Angst zu Falkenstein gekommen, daß ihr Mann abgeführt werden würde – Gott, wenn die Preußen doch uns diese Wohltat erzeigen wollten! – Früh ging ich eine Stunde zu Römer, der immer noch Plünderung und Gott weiß was besorgt. Ich beruhigte ihn dann etwas. Juli 11 Ich habe den Mitgliedern der Landeskommission wiederholt vorgehalten, daß sie doch an die Zukunft denken möchten, wo man ihr Verhalten vielleicht von einem einseitigen Parteistandpunkt aus sehr streng kritisieren werde, daß sie deshalb nichts unterlassen möchten, was irgend etwa später als erforderlich in der Zeit betrachtet werden könnte, wenn sie auch jetzt keinen Erfolg erwarten mögen. So wegen der Verlustlisten, wo sie offenbar immer wieder Versuche hätten machen sollen – ich habe in diesem Punkt sie nicht aus der Passivität bringen können. Heute will ich aber doch noch einige Punkte in Anregung bringen. Es wird nach den Zeitungen über den Waffenstillstand verhandelt, der denn natürlich Sachsen sehr wesentlich berührt, wenn während der ganzen Dauer alles so bleibt wie jetzt. Es scheint mir da doch nötig, daß man sich mit dem König in Vernehmung setzt, der von Sachsen jedenfalls nicht mehr weiß als wir von ihm, d. h. gar nichts. Es kann dies natürlich nicht heimlich hinter dem Rücken Preußens geschehen, sondern mit deren Bewilligung, die sie gewiß nicht versagen werden, wenn man ihnen mitteilt, daß man Jemand absenden werde, um insbesondere wegen der Geldmittel Hilfe zu schaffen, da die Armee die vielen Millionen in Papieren – auf die man borgen kann – nicht vollständig brauchen wird. Ferner kommt in Frage, die Festung Königstein, von der man behauptet, daß die Preußen sie angreifen wollten, die Befestigung Dresdens, die offenbar mit jedem Tage unnötiger wird – endlich die Requisitionen, die doch auf ein bestimmtes Maß zurückgeführt werden können, die Zahl der in Sachsen bleibenden preußischen Truppen, alles Fragen, welche bei dem Waffenstillstand mit Rücksicht auf die momentanen Zustände in Sachsen zur Erwägung kommen sollten. Ob aber Jemand daran denken wird? Sagen die Minister, ich solle mich um ungelegte Eier nicht kümmern, gut – dann animam salvari meam –. Nun, ich tats, sprach erst mit Falkenstein, der dann mit den andern Rücksprache nahm und es ward – ein Protokoll aufgenommen mit den Gründen, warum die Landeskommission nichts tun wolle – weil es doch jetzt zu spät sein würde. Warum denn da nicht früher? – Kuriosum. In Zauckerode hat der Faktor 40 000 Taler vor dem Einrücken der Preußen in einer Grube vergraben, sagt den Bergleuten, die Kasse sei bestimmt, ihren Lohn zu gewähren, wenn sie es verraten, bekommen sie eben keinen. Friesen läßt zum großen Jammer des Faktors, sobald er es hört, das Geld herausnehmen. Es ist verwendet worden zu Lohnzahlungen und Tilgung laufender Rechnungen. Wurmb hat davon gehört, kommt heraus, bedroht den Faktor, läßt durch einen Markscheider, den er mitgebracht, Untersuchungen anstellen, natürlich vergeblich. Vor einigen Tagen kommt er mit 100 Mann Soldaten wieder, sagt, er wisse es nun ganz gewiß, 15 Millionen seien in Fässern mit eisernen Reifen vergraben worden – er
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muß von Jemand, der die nach München geschafften 2 Millionen hat aufpacken sehen, belogen worden sein. 15 Millionen in Silber, wie viele Wagen wären dazu nötig gewesen. Endlich hat er sich aber beruhigt. Mittags 12 Uhr kam der Regierungsrat Meusel, der Kommissar für die Naturallieferungen ist, außer Atem mit der Meldung, daß General v. d. Müller, der heute von hier mit dem Reservekorps abgeht, sämtliche auf mehrere Wochen bestimmte Vorräte mit nach Böhmen nehmen will. Ich ward sogleich, um Vorstellungen zu machen, zu Wurmb geschickt, den ich aber nicht traf. Später hat ihn Meusel getroffen. Wurmb ist auch sofort zum General gegangen, einiges ist denn auch zurückgelassen worden, aber das Meiste haben die Preußen mitgenommen, weil sie in Böhmen Mangel besorgten. Ich bekam heute einen mit Bleistift geschriebenen Brief des Präsident von Ammon in Köln, dessen Sohn verwundet worden ist und der auf der Durchreise nach Reichenberg mich bat, Erkundigung einzuziehen, ob der Sohn etwa hier sei. Ich wendete mich sogleich an Referendar von Criegern, der bei der Lazarettkommission ist, habe aber bis Abend keine Antwort bekommen. Ein Ulanenoffizier schickte mit einem recht rührenden Brief das Portemonnai eines gefallenen sächsischen Hauptmanns Damm für dessen Witwe. Eine verwelkte Blume lag u. a. darin, gewiß das letzte Liebeszeichen der Frau. Schon vor einigen Tagen ward auch die Uhr eines gefallenen Gardereiters Tasso abgegeben – alte Menschlichkeit ist doch also noch nicht verschwunden. Es war heute wieder eine Unmasse Arbeit, so daß ich kaum durchkommen konnte. Wurmb war Nachmittags bei den Ministern und Falkenstein war sehr befriedigt über seine Liebenswürdigkeit. Die Herren sehen doch immer mehr ein, daß ich Recht gehabt habe und man sehr gut mit ihm auskommt, wenn man eben nur auch selbst höflich ist. Juli 12 Heute ist der neue preußische Militärgouverneur General von Schack hier eingetroffen, der General Müller ablöst. Er ließ durch Wurmb der Landeskommission schreiben, er werde sich freuen, morgen die Herren bei sich zu sehen. Diese höflichere Form ward dann sehr wohlgefällig aufgenommen. Um 1 fuhr ich mit Sophie und Oda nach Loschwitz, Erhard folgte, wir aßen draußen. Wie herrlich und üppig stand alles in Bagatelle – recht wehmütiger Anblick – das Unkraut wuchert schon, obwohl wir nur vier Wochen weg sind. Kinder haben die Früchte geplündert und der getreue Menzel hat ein Haarnetz und einen Korb ihnen abgepfändet, deren Restitution dann angeordnet ward. Ich hatte doch keine Ruhe und fuhr daher um 5 mit dem Dampfschiff, das seit heute wieder geht, herein. Nachdem die Minister schon fortgegangen, kam der Geheime Medizinalrat Walther und brachte Klagen an über die mangelhafte Lazaretteinrichtung. Er ist Chef einer von Sachsen eingesetzten Kommission, die eben mit den Preußen die Sache leiten soll, allein es ging aus Allem hervor, daß er selbst Schuld trägt, weil er aus verletzter persönlicher Eitelkeit nicht mit Wurmb in persönlichen Verkehr treten will. Solch er bärmliche Kleinigkeitskrämer! Weil der preußische Oberarzt ihm keine Visite gemacht, weil Wurmb angeblich nicht höflich genug gewesen gegen den Herrn Geheimen Rat! Ich versprach ihm, auf seine Bitte mit Wurmb zu reden, suchte aber erst Friesen auf, den ich jedoch nicht finden konnte. Wurmb war nicht zu Hause und ich ging nun noch um 8 Uhr zu Falkenstein. Dieser, der mir bereits vor einigen Tagen sagte, er würde gern einmal vertraulich mit Wurmb sprechen, bemerkte auf meine Frage, ob ich morgen früh nochmals zu Wurmb gehen solle, nein, ich
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benutze die Gelegenheit gern selbst, ich werde morgen früh mit ihm über die Sache reden. Merkst Du was, Schnabel? Mir war dies sehr recht. Gestern ist Amtshauptmann von Vieth von einem Leutnant und vier Mann arretiert worden, weil er nicht sofort 30 Wagen stellen können, er ist aber sehr bald wieder entlassen worden. Er gilt für sehr preußisch gesinnt und mehrere der Herren der Landeskommission meinten, es wäre ganz gut, das ihm das geschehen sei. Walther sagte mir übrigens noch Abends, daß man von dem verwundeten Sohn des Geheimen Rat von Ammon hier nichts wisse und ich schrieb dies auf des Vaters Bitte an den Regierungsassessor Simon, Vorsitzender der Preußischen Betriebskommission der Böhmischen Eisenbahn in Reichenberg. Juli 13 Falkenstein hatte Wurmb vergeblich aufgesucht und Friesen, der es nicht sehr liebt, wenn man in seine Geschäftsbranche eingreift, übernahm es dann selbst, die Lazarettsache mit Wurmb zu regeln, was denn auch geschah. Engel ist noch krank und so fuhren die drei Minister dann allein zu General Schack, diesmal ohne Sterne, aber Falkenstein mit einem weißen Hemd, obgleich es schon Freitag war. Sie kamen sehr befriedigt von der Höflichkeit Schacks zurück, den sie als einen alten, anscheinend gutmütigen schlabbrigen alten Herrn schilderten. Daß er sie nicht zum Sitzen genötigt, sondern stehend die kurze Audienz gehalten, ward in mildester Auslegung sogar als eine Art Höflichkeit ausgelegt. Schneider faßte über die Konferenz, in der aber gar nichts besprochen worden war, ein Protokoll ab. Vergeblich bat ich, doch den günstigen Moment zu benutzen, um womöglich einige Punkte zu beseitigen, z. B. daß die preußische Behörde die Ministerien nicht als Organe betrachtet, mit denen sie verhandelt, so daß Alles durch die Landeskommisssion geht, was unnötige Schreiberei und Zeitverlust nach sich zieht, ferner die Befestigungsfrage – wegen letzterer nahm ich auf Falkensteins Anordnung wieder ein Protokoll auf mit den Gründen, warum die Landeskommission nichts tue, weil es eben zu spät sei. Ob diese Motivierungen der Nichtaktivität eine vollständige Rechtfertigung geben werden gegen die Angriffe und Anfeindungen, denen die Landeskommission später ausgesetzt sein wird? Ich dringe aber wenigstens immer darauf, daß solche Protokolle abgefaßt werden, damit man belegen kann, daß die Landeskommission an die Sache gedacht hat. Über die Herren kann ich sonst gar nicht klagen, insbesondere bewahrt Falkenstein seine in der Tat sehr erfreuliche Liebenswürdigkeit im Benehmen, seine große Coulanz, mit der er die Geschäfte behandelt und auf fremde Ideen eingeht, was bei Friesen viel weniger der Fall ist. Dieser klagte wiederholt über Kohlschütter, der ihm selbst von wichtigen Sachen keine Notiz gebe, den Geschäftsgang schläfrig fortführe, ohne in materielle Prüfung einzugehen und mit dem er daher gestern ein sehr ernstes Gespräch gehabt – Sachen, die ich Beust wiederholt gesagt habe, aber tauben Ohren predigend. Der Bote aus Glashütte, den die Landeskommission nach Böhmen geschickt hatte, um eine Verlustliste zu erhalten, ist gestern ohne solche zurückgekommen, nachdem er in Prag, Linz, Wien pp. vergeblich das sächsische Hauptquartier, dessen Existenz ihm Niemand nachweisen können, gesucht hat. Dagegen gehen durch Briefe pp. immer mehr Nachrichten über die Verluste ein. Der Hofarzt Brauer, der in Böhmen gewesen, um die sächsischen Verwundeten aufzusuchen, machte eine schauderhafte Beschreibung von dem alle Begriffe überschreitenden Elend, in welchen er Viele gefunden. In Horsitzl (?), wo der Oberstleutnant von Friesen beerdigt worden, hat er über 800 Verwundete gefunden, in einem elenden, ganz
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ausgezehrten Dorf, die ohne alle Pflege – nur ein Arzt ist dort gewesen – vier Tage gelegen. Brauer aber, der hingeschickt ward, um der Verwundeten sich anzunehmen, hat aber nicht einmal Instrumente bei sich gehabt und zeigte uns ein kleines Messerchen, mit dessen nicht einmal fingerlangen Klinge er operiert habe. Den Königstein möchten die Preußen gern haben, die Landeskommission hat aber über ihn gar keine Kompetenz. Diese steht dem Kommandanten General Nostitz allein zu und er dehnt sich auf sonderbare Weise aus, indem er u. a. einen Befehl erlassen hat, daß innerhalb des Festungsbereiches (½ Postmeile), in dem viele Dörfer liegen, die Steuern an ihn abgeführt werden sollen. Die Landeskommission ließ daher den Steuerrat anweisen, daß er sich mit dem General deshalb in Vernehmung setzen möge. Beust ist nach den Zeitungen in Paris, wo er gewiß wieder schüren wird. Ich fürchte, daß er mehr Österreichs als Deutschlands Interessen verfechten wird, was denn, wenn Preußen es merkt, wieder nachteilig auf Sachsen wirken muß. Wie oft hat Haß gegen einen Minister, der in Preußen gegen Beust sehr lebhaft ist, dem Lande, dem er angehört, den größten Schaden gebracht. Er sollte jetzt bei den politischen Verhandlungen mit seinem Namen gar nicht hervortreten – aber naturam fuerca exzellas, tamen usque recurrit. Jetzt liegen bloß etwa 3–400 Mann hier, zweites Aufgebot, ältere Leute, meist ohne Zündnadelgewehre, die viel friedlicher aussehen als die ersten Truppen und gewiß gern an den heimatlichen Herd zurückkehren würden. Es ist mir eine wahre Beruhigung, daß ich von Politik nichts verstehe, mich nicht darum kümmere, während jetzt so Viele sich damit und Andere quälen, ob Beust recht gehabt und getan. Auf den Rechtsboden hat er sich gewiß gestellt, obgleich dieser sonst nicht das Feld ist, das er allein kultiviert. Ob er klug getan? Vom Erfolg allein kann man dies nicht prüfen. Abends ging ich mit den Kindern und Sophie in den Zoologischen Garten, wo wir, wie wir es sonst, ehe wir in Loschwitz wohnten, allabendlich taten, soupierten. Juli 14 Ich wollte General Engel, der im Prinzenpalais wohnt, besuchen, ging da durch das wie ausgestorbene Schloß, durch die langen Korridore, an den verschlossenen Zimmerreihen vorbei, kein Mensch begegnete mir – unendliche Wehmut überfiel mich – ich alter Mensch – ich mußte weinen, wie ich an unsern guten König dachte, dem das Herz jetzt auch so schwer sein muß. Wann wird er wieder einziehen in sein Königsschloß? Ich fühlte recht, wie sehr ich an ihm hänge. Kopf oben, das Herz nicht über ihn kommen lassen, das sage ich mir täglich, stündlich, wenn ich von all dem Jammer und Elend immer wieder höre, das der Krieg über uns, ganz Deutschland gebracht hat. In der Landeskommission war eine lange Beratung wegen des General Nostitz, der auf dem Königstein kommandiert. Er hat in dem Königsteiner (oder sonstigen) Wochenblatt bekannt gemacht, daß alle fiskalischen Gelder (Steuern, Post) an ihn innerhalb des Bezirkes ½ Postmeile um Königstein abzuliefern seien. Er sperrt die Kommunikation auf der Elbe zum größten Nachteil der anliegenden Orte, insbesondere Pirna’s, das keine Kohlen aus Böhmen erhalten kann. Die Verwundeten würde man gern auf der Elbe transportieren pp. Wahrscheinlich würden sich diese Übelstände, die offenbar nur das Land – nicht die Preußen – treffen, beseitigen lassen, wenn man einmal mit ihm sich bespräche. Allein die Landeskommission beschloss, selbst nichts zu tun, weil der Königstein nun einmal von ihr eximiert sei, nur der Kreissteuerrat und die Oberpostdirektion soll sich an ihn wenden wegen der Gelder.
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Die Preußen geben die sächsischen Gefangenen gegen das Versprechen, nicht gegen Preußen zu dienen, frei, wohl mit aus dem Grunde, weil sie dadurch die Last des Unterhaltes derselben los werden. Das giftigste Blatt gegen Sachsen, Beust, die Landeskommission ist die Börsenhalle. Falkenstein wünschte die letzten Blätter zu lesen und ich ließ sie daher holen. Es waren meist gemeine Schimpfreden, doch aber auch Artikel, darin gegen den Militärgouverneur v. d. Müller, der durch die ganz unnützen Verkehrssperrungen große Unzufriedenheit erregt. Die heutige Kreuzzeitung nahm sogar die Landeskommission gegen die Angriffe in Schutz. Kommissionsrat Hartmann, der Redakteur des Dresdner Journals, mit dem ich darüber sprach, ob man nicht einmal gegen die Angriffe eine Antwort geben möge, meinte nein, sie seien zu gemein, als daß man darauf antworten könne, und damit mag er Recht haben. In Galignari naffleger stand dagegen ein sehr anerkennender Artikel über die sächsische Regierung und den König, das freut einen doch. Der Tag war furchtbar heiß. Wir gingen daher erst um 8 Abends mit Antons in den Zoologischen Garten, um dort zu soupieren. Als wir gegen 10 zurückkehrten, näherte sich ein starkes Gewitter. An sechs Orten hat der Blitz gezündet und der Himmel rötete sich, als wir zu Bett gingen, vom Feuerschein. Auch das noch! Regierungsrat Roßberg hat sich bei Friesen beklagt, daß er gar nichts zu tun habe. Er wird wohl eine Vergütung oder Gratifikation brauchen wegen langer Weile. Es läßt sich aber, um ihm diese zu vertreiben, nichts vorschlagen, als daß er sich wie die Portechaisenträger mit Strumpfstricken oder Fertigung von Vogelbauern beschäftigen, denn zu einigermaßen größeren Arbeiten ist er unfähig, dabei sehr flüchtig und kaum zu den Leistenarbeiten zu brauchen, da er eine Handschrift schreibt, die kein Mensch, selbst ich kaum, der ich doch in solchen Entzifferungen einige Übung erlangt habe, lesen kann. Das ganze Personal des Gesamtministeriums, mit Ausnahme des sehr tüchtigen gescheuten kleinen verwachsenen Geheimen Sekretär Fischer, hat überhaupt bloß Sinekuren, kostet sehr unnötig viel Geld. Juli 15 Früh 11 Uhr Sitzung. Es kamen wieder ein paar Schreiben der Lazarettkommission zum Vortrag, die beklagten, daß Walther seine verletzte Eitelkeit durchaus nicht überwinden kann. Weil der Landrat von Wurmb vor dem großen Walther nicht die tiefe Ehrerbietung hat, die dieser beansprucht, will er zum größten Nachteil der Geschäfte nicht mit ihm sich besprechen und da soll die Landeskommission den Briefträger machen. Es handelte sich bloß darum, daß in die Zeltstation, die im Kadettengarten errichtet ist, Verwundete gebracht werden können. Das konnte aber Walther nicht etwa selbst an die Lazarette sagen lassen, nein, damit 24 Stunden unnütz vergingen, sollte Landeskommission das Wurmb erst offiziell mitteilen. Das war aber selbst Friesen, der immer Walthers Partei nimmt, zu toll und es ward ihm daher, nachdem ich schon in resolution der Landeskommission das Schreiben an Wurmb gefertigt, doch schließlich noch gesagt, die Lazarettkommission möge die Mitteilung an die Lazarette selbst besorgen. Ich wollte, Friesen hätte Walther den Kopf so gewaschen, wie er es in einem Schreiben an den Kreisdirektor Burgsdorf diesem getan. In diesem stellt sich Friesen ganz auf den Standpunkt, den ich anfänglich vergeblich hervorgehoben, daß man eben gegen die Personen höflich sein müsse, daß man sie von der Sache zu trennen habe, was Burgsdorf, der z. B. dem Großherzog von Mecklenburg, der jetzt nach Leipzig als preußischer General kommt, keinen Besuch machen wollte, offenbar verkannt hat.
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Die alte gute Prinzess Amalie, die jetzt ganz einsam und allein im öden Königsschloß wohnt, tat mir so herzlich leid. Auf Anraten Engels, mit dem ich darüber sprach, ging ich heute um 1 Uhr zu ihr. Sie empfing mich höchst liebenswürdig. Wir sprachen natürlich von der traurigen Gegenwart, kamen dann auf alte Zeiten, die Belagerung Dresdens 1813 pp. Und ich vergaß so sehr, daß ich bei einer königlichen Prinzessin war, sah nur die ehrwürdige liebenswürdige Greisin, daß ich, als ich glaubte, ich möchte ihr lästig werden durch längeres Bleiben, aufstand und ihr die welke Hand küssend sagte, ich hätte mich herzlich gefreut sie zu sehen und dankte ihr, daß sie mich empfangen. In der Tür fiel mir erst ein, daß ich ja hätte abwarten müssen, daß sie mich entlasse. Jede Hoffnung, einmal Hofmarschall zu werden, habe ich dadurch mir wohl vereitelt?! Sie schien es aber gar nicht übel genommen zu haben, sondern versicherte, sie habe sich recht gefreut, mich zu sehen. Drückende Hitze den ganzen Tag. Ferdinand wie allemal Sonntags zu Tische. Abends mit Sophie in Prinz Georgs Garten ruhig und gemütlich spazieren. Juli 16 Verlobungstag, vor 32 Jahren unter der Lind! Wie gern führe ich heute mit meiner Sophie dahin, es geht aber nicht, auch ist das Wetter trüb und schwül. Erhard ist heute Morgen zu Wallwitz nach Borthen auf einige Tage gegangen. Es war wieder ein sehr arbeitsvoller stürmischer Tag. Früh ging u. a. ein Schreiben von Zivilkommissar von Wurmb ein, es sollten wieder 100 Pferde inkl. 60 Offizierspferde geliefert und 200 Wagen gestellt werden. Letzteres ist gar nicht möglich in der Schnelligkeit, da schon über 300 Wagen und Geschirre aus der hiesigen Gegend gestellt worden, die Finte vor der Tür ist. Engel ging daher zu General von Schack, der ihn sehr wohlwollend empfangen, gesagt hat, er habe nicht gewußt, daß schon so viel geleistet, alle Schonung zugesagt hat – allein in der Hauptsache blieb es doch dabei, da einmal die Preußen die Wagen zu brauchen behaupten. Kohlschütter hatte die Mitteilung wegen der Wagen der Kreisdirektion aus dem Ministerium des Innern zugefertigt, aber in seiner immer zunehmenden Schwäche die Hauptsache – die Zeit der Stellung, wohin pp. in die Ausfertigung aufzunehmen vergessen. Der Kreisdirektor von Könneritz kam nun in größter Agitation in die Landeskommission, wo ich ihm dann das Nähere mitteilte. Friesen verlor, auch mit Recht, die Geduld, in solchen Zeiten mit solchen geistigen Invaliden arbeiten zu müssen! Der interimistische Polizeidirektor von Koppenfels meldete, daß gestern Abend der „Hauptstaatsarchivar“ (ohne Namen, ich dachte erst, ich sei gemeint) in der Trunkenheit mit einem Eisenstab bewaffnet Preußen insultiert habe. Man hat ihn arretiert und er soll nun morgen früh 9 Uhr von der Polizei zur kriegsgerichtlichen Vernehmung sistiert werden. Die Landeskommission genehmigte dies, da ihn sonst doch die Preußen selbst holen würden, wenn er sich nicht, was ich fast vermuten möchte, davon gemacht hat, wenn er heute erfahren, was er gestern in der Besoffenheit – jetzt sein gewöhnlicher Zustand – angerichtet hat. Ich teilte aber Koppenfels mit, daß Erbstein verrückt gewesen und wohl teilweise noch sei. Erschossen wird er also nicht werden. Schneider teilte mit, daß die Stimmung hier eine sehr hoffnunslose werde, i. e. in der Harmonie, daß man meine, es sei doch Alles verloren, am besten man werde gleich preußisch. Das glaube ich wohl, daß der sächsische Philister, der von Vaterlandsliebe und wahrer Anhänglichkeit an unseren guten König bei der Pfeife wohl schwelgt, solange er nicht in seiner Bequemlichkeit gestört wird, solche Gesinnungen hegt – war es doch 1848 nicht um
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ein Haar anders – aber solch erbärmliches Gesindel und dessen Bierbankgeschwätz soll doch die Landeskommission nicht kümmern, was doch der Fall schien. Die Frage mit dem Königstein tritt nun immer lebhafter hervor. Die Sperrung des Verkehrs auf der Elbe tut Preußen wenig, dem Lande ungeheuern Schaden – gerade dies Jahr ist das Fahrwasser so günstig wie seit langer Zeit nicht und nun liegt die ganze Schiffahrt darnieder. Morgen will Wurmb mit dem General von Nostitz in Vernehmung treten und die Landeskommission will, wenn er die Schiffahrt nicht freigibt, sich an den König wenden. Wieviel Zeit wird aber darüber hingehen. Ich hatte den ganzen Tag immerfort pressante Sachen, schwierige Protokolle auf flüchtige Angaben hin zu fertigen und konnte erst um 8 mit Sophie etwas spazieren gehen. Wir sahen uns die fast fertige Schanze bei Zschertnitz an, die mit ihren Wällen, tiefen Gräben, dicken Pallisaden ein ganz stattliches Werk wird, das hoffentlich völlig unnütz bleibt. Gustav macht seine Sache ganz gut, was ihm an Geschäftsgewandtheit noch abgeht, ersetzt er durch Genauigkeit. Bei dem Trubel, in dem ich immer arbeiten muß, bei der Eile, mit der ich oft schwierige Sachen expedieren muß, kann er mir als Kontrolle dienen, daß nicht wo ein Wort fehlt, ein Satz nicht abgeschlossen oder abgerundet ist. Diese Zeit sollte Einem als Kompanie wie beim Militär doppelt angerechnet werden. Ich bin oft körperlich und geistig so erschöpft, daß ich vor Mattigkeit einschlafe mitten am Tag. Dazu die Sorge um die Zukunft des Vaterlandes und des ganzen Deutschlands, das statt geeinigt vielmehr zerrissen zu werden droht! Juli 17 Schneider hat mit dem Kommandanten Oberst von Gontard heute früh wegen Erbstein gesprochen. Der Oberst hat sich äußerst höflich und human benommen und Erbstein nach einer Vermahnung, künftig sein Maul zu halten, entlassen., worüber denn dieser höchst glücklich, der Kugel entgangen zu sein, ins Ministerium stürzte, um in höchst verworrener Weise für seine Lebensrettung zu danken. Viel Arbeit, aber sonst nichts besonderes. Abends mit Antons im Zoologischen Garten soupiert, wozu sich noch Appellationsrat Abeken mit Frau einfand, trotzdem, daß der letztern Schwager Graf Isenburg, wie heute die Zeitungen ihr gemeldet, geblieben ist. Juli 18 Früh 7 ½ schickte Falkenstein zu mir, ich möge, wenn ich ausgehe, zu ihm kommen. Ich fürchtete, man wolle mich etwa zum König schicken, was mir Sophiens wegen, die sich halb zu Tode geängstigt haben würde, sehr unangenehm gewesen wäre. Allein Falkenstein wollte nur das Schreiben an den König, das er entworfen, mit mir privatim beraten. Es wurden denn auch verschiedene Zusätze und Änderungen vorgenommen. Wurmbs Versuch, Verhandlungen mit General von Nostitz wegen des Verkehrs auf der Elbe und Eisenbahn einzuleiten, ist nämlich ganz gescheitert. Nostitz ist zu ihm auf die neue Schenke gekommen, hat aber Alles abgelehnt. Wurmb hat nun gestern der Landeskommission erklärt, man werde den Königstein belagern und sich im Übrigen an das Land halten. Er hat früher schon von 100 000 Talern täglich oder von 10 000 Talern für jeden Schuß gesprochen. Heute ward nun Geheimer Finanzrat von Thümmel abgesendet. Ich bat ihn, Beust zu sagen, daß es auch meine entschiedene persönliche Ansicht sei, daß die fernere Verhinderung des Verkehrs durch die Festung nur zum ungeheueren Schaden des Landes gereichen würde, wogegen der Vorteil, den die Preußen durch Benutzung der Eisenbahn erlangen, ganz in den Hintergrund tritt. General von Schack hat denn auch bewilligt, daß bis zur Nachricht vom König nichts gegen den Königstein geschehen soll.
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Ein preußischer Artillerieoffizier hat gestern (?) eine Menge Kunstfeuerwerk, das hier im Magazin lag, eingraben und ersäufen lassen. Wozu nun solche nutzlose Zerstörung. Auch andere Gegenstände hat er zerschlagen und zerbrechen lassen, worüber denn Beschwerde von der Landeskommission geführt ward, die freilich Geschehenes nicht ungeschehen machen kann. Wir verschreiben überhaupt viel unnützes Papier, da die Anträge im Interesse Einzelner oder des Landes meist nicht nur beachtet und ganz unbeantwortet bleiben, da Befehle aus Berlin den sonst vorhandenen guten Willen Wurmbs und General Schacks beschränken. Wie lange wird das Elend noch dauern ? Juli 19 Gestern ging ich früh eine Stunde zu Römer, der in seiner staubigen düsteren Atmosphäre hinterm Ofen sitzt, grübelt, also Schwarten liest und vor Angst über alle denkbare und undenkbare Gefahren, Plünderung pp. fast vergeht. Schade um den Mann, der, eigentlich wohlwollenden Charakters, durch Geiz, Selbstsucht und hypochondrische Bequemlichkeit ein ganz vertrocknetes Gemüt, bloß ein lederner Geldsack geworden, nie daran denkt, daß er Andern ein Vergnügen machen, eine Gefälligkeit erweisen könne. Bloß wenn man ihm sich unbequem macht, würde etwas aus ihm herauszupressen sein. Es kam in der Landeskommission nichts Besonderes vor. Friesen beklagte sich aber bitter und mit Recht über den Zoll- und Steuerdirektor Lehmann. Preußen verlangt nämlich, daß Sachsen eine Zolllinie gegen Bayern errichten soll, was wir nicht können, weil wir den Zollverein nicht als gegen Bayern aufgehoben betrachten. Ein preußischer Beamter hat sich aber direkt an die Zoll- und Steuerdirektion schon den 16. d. M. gewendet, während Wurmb mit Friesen deshalb im Allgemeinen gesprochen. Die Zolldirektion aber teilt dem Minister keine Silbe mit, so daß dieser glaubt, es sei noch nichts von den Preußen speziell vorgebracht worden. Herr Lehmann mag, als ihn Friesen deshalb cojoniert, aber keine sehr heitere Stunde gehabt haben. Juli 20 Nichts Besonderes vorgekommen. Wurmb hatte auf Beschwerde eines preußischen Untertanen in einer Kriminalsache vom Bezirksgericht zu Leipzig direkt Bericht erfordert, statt sich an die Landeskommission zu wenden, wenn er, wie wiederholt zugesagt, die Behördenorganisation respektieren will. Die Sache, die gar nicht beim Bezirksgericht anhängig war, sondern dem Staatsanwalt vorlag, ward nun durch das Justizministerium der Landeskommission angezeigt und diese gab nun Wurmb die Mitteilung. Es fragt sich nur, ob man ihn auf sein mit den früheren Erklärungen in Widerspruch stehendes Verfahren aufmerksam machen solle, was aber unterblieb, denn quod jurat. Der interimistische Direktor der Polizei, Regierungsrat Koppenfels, scheint sehr ängstlicher Natur zu sein. Er kommt aller Augenblicke mit Anfragen, um sich zu decken gegen künftige Beschuldigungen des Landesverrats. So machte er sich Skrupel, ob er die Requisitionen wegen Einberufung hier wohnender preußischer Landwehrmänner insinuieren dürfe – wenn er sich weigern wollte, jagten ihn die Preußen davon oder sperrten ihn in eine Festung. Natürlich sagte die Landeskommission ihm zur Beruhigung, er solle den Requisitionen Folge geben. Er ruhte aber nicht eher, bis er Abschrift des Protokolls, das auf seinen Wunsch aufgenommen ward, bekommen. Friesen sagte mit Recht, wir nehmen täglich Handlungen vor, die nach den Buchstaben des Gesetzes Landesverrat wären. Inter arnea filent leges. Schrecklich ist es, daß alle Friedenshoffnungen veschwunden sind und eine furchtbare Schlacht wieder bevorsteht. Von den etwa 4–500 Offizieren der sächsischen Armee sind schon gegen 90 tot oder verwundet. Gott sei dank, daß Adolf mit seinem Depot nicht unmit-
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telbarer Gefahr ausgesetzt ist. Erhard hat einige sehr angenehme Tage bei Graf Wallwitz in Borthen verlebt, wo ich ja auch vor 50 Jahren öfter war. Er ist mit dem einen Sohn, der in Meißen ist, befreundet. Juli 21 Nil novi. Der Superintendent Hesse in Frauenstein hatte sich an den hiesigen Stadtrat gewendet, angeblich im Namen von 36 000 Bewohnern des Gebirges, mit dem Antrag, er möge doch eine Petition an den König richten, daß er sich den Vorschlägen Preußens unterwerfe, die Armee zurückführe. Der Stadtrat gab das Schreiben an die Landeskommission ab und Falkenstein ließ es an das Kultusministerium abgeben, damit der Schreiber eine Nase erhalte. Laßt doch die Leute schreiben und wünschen, ich hätte es ad acta genommen. Juli 22 Die Landeskommission hatte den Antrag des preußischen Zivilkommissars, eine Zollgrenze gegen Bayern zu errichten und dem Altenburger Militär Portofreiheit zu gewähren, mit Beziehung auf die Zollverein – und Postverträge abgelehnt. Letztere bloß teilweise und, wie mir scheint, unnötigerweise, da es sich nur um ein ganz geringes Vertretungsobjekt handelt. Heute ging nun ein wüstes Schreiben ein, worin Wurmb sagte, die Landeskommission solle bedenken, daß Sachsen ein wenn auch nicht erobertes, da zu einer Eroberung keine Gelegenheit gewesen, doch okkupiertes Land sei und daß „die gewählte Form eines Wunsches leicht einer andern Form Platz machen könne“. So war die Wendung, die ziemlich deutlich war. In der Portosache glaube ich Schimpf zu erkennen, der sich sperren wird, so sehr er kann. Das Schreiben ging erst Abends ein, als ich allein im Ministerium war, konnte also nicht mehr beraten werden. Friedensnachrichten durchlaufen die Zeitungen – Gott gebe, daß sie sich bestätigen. General Engel besuchte mich Abends. Wir kamen auf den verstorbenen König zu reden, dessen Gerechtigkeitsgefühl er auch sehr lobte. Er versicherte auch, daß die Königin keineswegs – was man glaubte – auf die Regierungsgeschäfte irgend einen Einfluß gehabt, nur bei den geselligen Fragen sei dies der Fall gewesen, mit den Worten „ich habe jetzt mit Engel zu reden“. Das Wetter war sehr rauh und regnerisch. Sophie leidet schon seit einiger Zeit an Schmerzen im rechten Fuß, ohne daß wir ergründen können, was das Übel eigentlich ist. Sie wird dadurch sehr am Gehen gehindert. Juli 23 Heute trug ich denn die Postportosache wegen der Altenburger Soldaten nochmals vor. Es handelte sich bloß noch darum, daß auch Pakete ihnen freigegeben werden sollten – eine Lumperei, aber Friesen wollte nicht und so sollte denn ein dickleibiges Schreiben an Wurmb ablehnend ergehen. Da kam dieser selbst und sagte, man müsse Altenburg, das Preußen so treu geblieben, nicht zurücksetzen pp. – und nun gings auf einmal trotz des Postvereinsvertrages und – Schimpf. Mittags ging ich in Prinz Georgs Garten, wo die Preußen jetzt noch Befestigungen anlegen, indem sie an der Mauer nach dem Großen Garten zu eine Brustwehr von Erde aufwerfen und wo die Mauer niedrig ist, Laufgräben anlegen. Deshalb haben sie eine Menge Sträucher und auch große Bäume niedergehauen. Bloß daß nicht noch mehr Bäume abgehauen werden, hat General von Schack, an den man sich gewendet, verboten. Auf ein Schreiben der Landeskommission mit dem Antrag, daß die Kosten der Befestigung Dresdens (über 200 000 Taler) auf die täglich zu zahlenden 10 000 Taler mit in Anrechnung gebracht werden möchten, antwortete Wurmb ablehnend und warnend, man möge nicht an dem Vertrag vom 20. Juni rütteln, da man ihm vorgeworfen, daß jene Summe ohnehin zu gering sei. Er ver-
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wies auf Frankfurt, das sofort 6 Millionen Taler habe zahlen müssen und noch 25 Millionen zahlen solle. Abends 6 ¼ ging über Paris eine französische Depesche von Seebach ein, welche nach der Verabredung mit Geheimen Finanzrat von Thümmel meldete, daß der Vorschlag wegen des Königsteins, der natürlich nicht genannt war, genehmigt werde und wegen des Näheren auf eine Verordnung verwies, die Thümmel wahrscheinlich mitbringt. Es ist dies um so wichtiger, weil noch Geld auf dem Königstein liegt, von dem Nostitz, dem man kein Geld für den Sold dagelassen, ein Fässchen aufgebrochen hat, das aber nur mit 1/6 gefüllt gewesen. Juli 24 Es war gestern beschlossen worden, einen Antrag an Wurmb zu richten, daß man den Landgendarmen, den man im ganzen Land die Büchsen weggenommen – während doch nur in einigen Städten die Waffen weggenommen worden – sie zurückgeben lasse. Friesen wollte dies auch auf die hiesigen Stadtgendarmen erstrecken, wogegen ich opponierte, da dies die Preußen keinesfalls gestatten und daran der ganze Antrag scheitern konnte. Es war so ausgefertigt, allein heute half mein Widerspruch, es ward weggestrichen. Auch bewog ich Engel, zu General von Schack zu gehen, wegen des Prinz Georgs Garten, damit der Prinz wenigstens sieht, daß die Landeskommission doch die Sache abzuwenden gesucht. Ich sprach auch Oberstleutnant Kammerherr von Boxberg, der als Johanniter in Böhmen und Wien war und der die desolaten Zustände in Österreich, die schlechte Oberleitung nicht jämmerlich genug schildern konnte. Ja es ist dort viel faul und kein Halt mehr in dem zusammenbrechenden Staat, an den wir uns unglücklicher Weise haben halten müssen. Abends machten wir einen Spaziergang um die Stadt, um die Schanzen anzusehen. Die größte, mit tiefen Gräben, bombenfesten Erdhöhlen im Innern ist auf dem Platz, wo das Bäumchen stand, hinter dem weiten Kirchhof an der Blasewitzer Straße. 20 Schritt davon aber stehen eine Menge Fabriken, die bei einer Beschießung eben keine angenehme Position hätten. Dann ist eine kleinere auf den Feldern am Blasewitzer Weg, etwas über die Vogelwiese hinaus, die dritte auf den Feldern zwischen dem Ziegelschlag und der Pirnaischen Chaussee, dieser ganz nahe, dann folgt eben die bei Zschertnitz, dann am Weg nach Plauen jenseits des Feldschlößchens und eine bei Löbtau, also 6 im Ganzen. Die Cholera zeigt sich nun hier auch, doch bis jetzt nur wenige Fälle. Große Indignation heute in der Landeskommissision, daß Preußen 2 000 Hemden und ebenso viele Paar Schuhe requirierte – wenn sie weiter nichts verlangten! Heute kam auch vom Kriegsministerium an einen preußischen Generalmajor von Beudink, der als Kommandant von Dresden irriger Weise bezeichnet war, gerichtet, eine Liste über die gebliebnen, vewundeten, gefangenen sächsischen Offiziere, die aber nicht ganz richtig war, wie man aus andern Nachrichten weiß, und daher nicht sofort veröffentlicht werden soll, da Thümmel eine richtige und auch die Unteroffiziere und Soldaten enthaltende mitbringen soll. Juli 25 Spät Abends noch ging ein Schreiben Wurmbs ein, die Landeskommission solle binnen acht Tagen einen Plan zur Abgrenzung der Wahlbezirke von je circa 80 000 Seelen und Vorschläge zur Ernennung der Wahlkommissionen einreichen, sonst werde der Militärgouverneur mit Bildung der Bezirke, Ernennung der Wahlvorsteher und Vornahme der Wahlen, gleichviel, wie viel Wahlberechtigte bei der Wahl erscheinen werden, vorgehen. Falkenstein schickte mir die Sache noch zu, über deren Behandlung ich keinen Zweifel habe. Die Landeskommission kann nichts tun, weil das nur auf Grund von § 88 der Verfassungsurkunde geschehen könnte, die Instruktion aber dessen Anwendung ausschließt. Nach meiner
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Ansicht muß dies dem preußischen Zivilkommissar ausführlich in einer Fassung, daß die Antwort veröffentlicht werden kann, mitgeteilt werden, mit dem Erbieten, wenn Preußen doch die Wahlen ausschreiben wolle, Auskunft über tatsächliche Verhältnisse zu geben. Außerdem muß aber auch das Ministerium des Innern die Sache vorbereiten – auf dem Papier – damit, wenn Frieden geschlossen wird und Sachsen zum Parlament mit wählt, man nicht aus Mangel an Zeit zu spät kommt. Auch muß man durch die Presse dahin wirken, daß die Loyalen nicht sich von der Wahl zurückhalten, da das Parlament möglicher Weise sehr wichtig werden kann und es daher jedenfalls nicht wünschenswert ist, wenn bloß die Demokratie wählt. Über alle diese Fragen schrieb ich ein Expose nieder. Juli 26 Ich fand, als ich früh 8 ½ zu Falkenstein ging, ihn krank im Bett, doch wünschte er mich zu sprechen und ich las ihm meinen Aufsatz wegen des Parlaments vor, mit dem er einverstanden war. Im Ministerium fand ich, nachdem ich im Archiv gewesen, Friesen und Engel in einiger Konsternation. Es ist nämlich ein preußischer Major, wahrscheinlich mit sehr kategorischer Forderung wegen Freigebung des Verkehrs auf der Elbe und Eisenbahn nach Böhmen heute morgen erschienen. Wurmb hat schon vor einigen Tagen erzählt, der Verkehr werde vom 27. Juli an frei sein. Ich habe schon seit 14 Tagen immer wiederholt geraten, Engel solle doch auf den Königstein gehen, um mit Nostitz Rücksprache zu nehmen, ob dieser den Verkehr freigeben kann. Es hieß immer nein, wir dürfen uns darum nicht kümmern. Heute mußte nun Engel so schnell als möglich hinfahren, da Thümmel immer noch nicht zurück ist, um zu versuchen, ob Nostitz auf die telegraphische Depesche hin den Verkehr freigeben will. Man scheint in Berlin Wurmb Vorwürfe gemacht zu haben, daß er zu mild gegen Sachsen verfahre. Er tritt seit einiger Zeit kategorischer auf und soll sehr verdrießlicher Stimmung sein. Abends fand ich Falkenstein wieder wohl und referierte ihm über die vorgekommenen, nicht sehr wichtigen Sachen. Juli 27 Früh bekam ich einen Brief von Regierungsrat von Witzleben, der der Leipziger Zeitung vorsteht, daß die preußische Militärbehörde dort den Druck der Bekanntmachung wegen der Landtagswahlen beanstandet, weil Wurmb nicht seine Genehmigung auf dem nach Leipzig geschickten Manuskript bemerkt hat – unnütze Quengeleien. Ich mußte daher zu Wurmb gehen, den ich glücklicher Weise fand. Er beklagte sich, daß die sächsischen Gensdarmen an der Grenze allen Verkehr mit den preußischen abgebrochen, der doch in sicherheitspolizeilicher Hinsicht ganz unentbehrlich ist und ich konnte ihm denn mit Bestimmtheit versichern, daß es nicht die Absicht der Landeskommission sei, Spitzbuben pp. unverfolgt zu lassen. Er sagte auch, man werde ernste Maßregeln ergreifen müssen, da man Gerüchte in Umlauf bringe (wer?), um gegen Preußen aufzureizen, zumal, seitdem Thümmel (gestern Abend) zurückgekehrt sei. Für alle Bierbankgespräche kann die Landeskommission nicht einstehen. Thümmel hat denn die Genehmigung des Königs zur Freigebung des Verkehrs auf der Eisenbahn und Elbe und Neutralität des Königsteins mitgebracht. In dem Reskript war zwar gesagt, die Landeskommission solle noch mit dem preußischen Kommando verhandeln, um noch günstigere Bedingungen, eine Kündigungsfrist festzustellen. Allein die Landeskommission sah davon ab, weil Preußen doch nicht darauf eingehen würde und es vor allem darauf ankommt, die Sache, die für das Land unentbehrlich ist, sogleich zur Ausführung zu bringen. Dagegen blieb man dabei stehen, daß man die Parlamentswahlen nicht ausschreiben kann. Abends brachte Wurmb die Nachricht, daß die Friedenspräliminarien mit Österreich unterzeichnet worden, „aber mit Sachsen“, hat er gesagt, „sind wir noch im Krieg“, d. h. wahr-
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scheinlich, wir wollen noch soviel als möglich aus Sachsen herauspressen. Er brachte auch eine ganz schauderhaft stilisierte Proklamation mit, die angeblich als vom König ausgehend hier verbreitet worden sein soll und wünschte, die Landeskommission möge sie öffentlich als unecht bezeichnen, was denn auch morgen im Dresdner Journal geschehen soll. Abends waren wir bei Antons, wo zum ersten Mal seit dem 16wöchentlichen Kriegstrubel wieder etwas musiziert ward. Juli 28 Das leitende Prinzip der Landeskommission scheint nun einmal die Negative, das Abwarten zu sein. Die Parlamentsfrage scheint mir – im Gegensatz zur Landeskommission – eine höchst wichtige. Ich fürchte, die Preußen werden jetzt, ehe noch der Frieden zu Stande gekommen, die Wahlen ausschreiben, ist das Resultat ein fait accompli, nun so wird es eben bestehen bleiben. Ich schlug daher vor, man solle nachträglich noch ein Schreiben an Wurmb richten, daß man doch preußischerseits den Friedensverhandlungen nicht vorgreifen möge, die Landeskommission wolle die Sache vorbereiten, damit, wenn der König dem Parlament beitrete und eine Wahlordnung erlasse, Alles fertig sei oder man möge an den König schreiben, damit man Nachricht erhalte, wie es mit dem Frieden und der Parlamentsfrage stehe. Falkenstein war erst auch für das letztere, aber als die Sache nachher besprochen ward – Engel war nach dem Königstein – hieß es quod non, nur ein Protokoll, daß man nichts tun könne, weil man, wenn man ein Schreiben, wie ich es vorschlug, gleichsam anerkenne, daß Sachsen der preußischen Politik sich unbedingt unterordnen müßte. Als ob dies faktisch nicht wäre! Geheimer Rat von Könneritz, der in die Landeskommission kam, war sehr indigniert über die Freigebung der Eisenbahn. Er fragte, ob denn auch Militärzüge gehen dürften, „unbegreiflich“ meinte er – er denkt wahrscheinlich, daß Preußen aus bloßer Rücksicht auf Sachsen die Eisenbahn frei haben will! Das wäre was Schönes gewesen, wenn dieser Preußenfresser mit in der Landeskommission wäre! Juli 29 Eine telegraphische Depesche vom 28. d. M. des französischen Ministers Domia de L’Hays an den Forth-Rouen lautete: „presenez M. de Falkenstein que l’integrite de Saxe est mainterne, mais qu’elle passe au Nord“. Diese ward der Landeskommission mitgeteilt und nun sagte Friesen zu mir „ja, ich bin nun auch Ihrer Ansicht, wir wollen an Wurmb ein Schreiben, wie Sie es vorgeschlagen, wegen der Parlamentswahlen richten“, was dann sofort geschah. Der ehemalige Gesandte in Berlin, Graf Hohenthal, ist vom König nach Wien berufen zu den Friedensverhandlungen. Es ward denn nun ein Aufsatz Friesens summarisch beraten über die Punkte, welche bei dem Frieden zu beachten sind, namentlich die Posten, welche bei den Kriegkosten in Anrechnung zu bringen. Bei der Eile, mit welcher die Sache, die man sich angesichts der Ereignisse wohl früher hätte überlegen können, abgemacht ward, kann wohl Manches vergessen worden sein. Es war den Vormittag ein Andrang von Geschäften, daß man wohl bei der Hitze leicht einen Pudel schießen konnte. Engel war wieder auf dem Königstein, um diese Sache zum Abschluß zu bringen. Mittag Ferdinand bei uns. Um 5 ¾–7 Konzert in der Frauenkirche zum Besten der Hinterlassenen unserer braven Gebliebenen. (Es hat über 1 900 Taler Reinertrag ergeben) Mozarts Requiem, Mendelsohns Psalm: Wie der Hirsch nach frischem Wasser – wundervoll. Die Kirche ganz voll. Juli 30 Ich ward Vormittag zu Wurmb gesendet, um ihn zu bestimmen, daß den Landgensdarmen ihre Dienstflinten wieder gegeben werden. Unsere Unterredung fand ganz en
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familie statt, indem in seinem Zimmer seine Frau und sein Vater, ein eisgrauer, etwas tauber, stattlicher alter General mit saßen. Auf die Gensdarmen war Wurmb sehr übel zu sprechen. Er bezeichnete sie als die steten Renitenten, welche Unzufriedenheit und Opposition gegen Preußen nährten und verbreiteten. Mit den Flinten war es nichts. Dagegen ging er auf andere Fragen mit seiner sonstigen Bereitwilligkeit ein, versprach auch, in der Parlamentsfrage nichts zu tun, bis er mit dem Minister Graf Bismarck nochmals gesprochen habe. Über die Zukunft Sachsens meinte er, wir würden in Beziehung auf das Militär, der auswärtigen und Zollangelegenheiten mit Preußen verschmolzen werden und daher drei Ministerien, das des Krieges, des Auswärtigen und Handels verlieren, worauf ich ihm erwiderte, das wir das letztere um so bereitwilliger aufgeben würden, als wir es gar nicht haben. Er brachte noch eine Menge andere geschäftliche Kleinigkeiten vor, die wir dann sofort erledigten, was bei seiner Coulanz immer leicht ist. Ich referierte dann in der Nachmittagssitzung das Resultat meiner Unterredung. Die Herren meinten aber, ein Kriegs- und Auswärtiges Ministerium würden wir doch behalten. Ich weiß freilich nicht, was letzteres zu tun haben soll, wenn wir keine Gesandten mehr halten und hier haben. Juli 31 Unsere jetzige preußische Besatzung besteht meist aus älteren Landwehrleuten ohne Zündnadelgewehre, die mobilisierter Kommunalgarde sehr ähnlich sehen. Heute kam einer, der bei mir als Einquartierung verschrieben ist, aber in einem Hotel garni, das ein gewisser Naumann hält, nach Abkommen mit diesem liegt. Der Naumann ist vor einigen Tagen durchgebrannt und ein Anderer hat die Sache übernommen, sogar mit Vorteil für mich, da ich Naumann 25 Groschen täglich pro Mann, da ich 4 habe, bezahlt, der Neue aber bloß 20 Groschen verlangt. Der Preuße, ein Handwerksmann aus Erfurt, klagte nun, daß sie so schlecht verpflegt würden, als ich ihn aber fragte, ob er und seine Kameraden verlangten, daß ich sie zu mir nehme, sagte er, ach nein, sie wollten nicht genieren und war überhaupt sehr bescheiden in seinen Ansprüchen. Er schied mit 50 Zigarren, die ich ihm gab, weil er behauptete, sie könnten die, welche sie im Quartier erhielten, gar nicht rauchen, sehr befriedigt, mit der Versicherung, sie wollten sich schon durchhelfen. Überhaupt hört man über die Soldaten keine Klagen, wohl aber über die Offiziere, von denen manche die Leute mit Prätensionen, sehr spät zu Hause kommen pp. genieren. Die Arbeiten in der Landeskommission nehmen nun ab und die Herren bringen die Zeit, die sie doch, weil öfter mündliche Anfragen an sie kommen, im Ministerium zubringen müssen, meist mit Zeitungslesen zu. Meine Vorträge, die ich sehr kurz zu fassen weiß, nehmen nicht viel Zeit weg. Das Wetter ist nun den ganzen Monat schlecht gewesen, Regen, Sturm, Kälte, wir haben also nicht viel verloren, daß wir nicht in Loschwitz bleiben konnten. In Max M. von Weber „Carl Maria von Weber“, Leipzig 1864 Teil I, S. 514 sagt der Verfasser, sein Vater habe öfter den Satz ausgesprochen als sein Prinzip: „Greife drei Mal an dein Herz und frage dich, ob du Recht tust, ehe du einmal nach der Zufriedenheit deiner Vorgesetzten fragst“. Ich freue mich, daß dieser Wahlspruch meines berühmten Namensvetters auch der meinige ist – man macht sich freilich devot oft unbequem. August 1 Falkenstein bekam durch Forth-Rouen eine Depesche von Beust mit der Anfrage, ob er durch Finanzprokurator Schmidt einen Brief adressiert nur S. S. X. erhalten habe? Einen mit solcher Adresse hat er nicht bekommen, aber einen Sk adressierten. Zugleich hat
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Beust verlangt, daß ihm dieser Brief zurückgesendet werden möge. Es ist nun möglich, daß ein Brief verloren gegangen, möglich aber auch, daß Beust in Konfusion ist und nicht mehr weiß, wie er den Brief adressiert hat. Ebensowenig ist zu ersehen, warum er den Brief zurückhaben will – vielleicht weil er das Konzept verloren? Warum Beust übrigens gerade Schmidt, einen Mann von sehr zweifelhaften Ruf, gewählt, weiß ich auch nicht. In dem Brief hat nun Beust, wie Falkenstein mir sagte, dessen Ansicht über die beim Frieden zu beachtenden politischen Rücksichten sich erbeten. Sollte Beust wirklich dazu Falkensteins Rat brauchen ?, der etwa ebenso viel von Politik versteht als ich. Falkenstein meinte, man müsse Süddeutschland mit in den Nordischen Bund nehmen, er habe das „sehr stark“ ausgesprochen. Ja, so klug wird Preußen auch schon sein, wenn es nämlich Napoleon gestattete, daß Preußen ganz Deutschland sich submittiere. Nun soll denn der Brief Beust’s ihm durch einen besonderen Abgesandten zurückgebracht werden, der aber jedenfalls erst bei ihm eintreffen wird, wenn der Frieden geschlossen ist. Auch eine französische telegraphische Depesche sollte an Beust abgehen, mit der Meldung, daß ein Brief mit der von ihm angegebenen Adresse nicht angekommen. Statt nun einfach mir zu sagen, daß ihm das Französische nicht sehr geläufig sei, brachte mir Falkenstein die von ihm entworfene, nur wenige Zeilen enthaltende Depesche mit der Bitte, ich möge sie lesen, ob sie deutlich geschrieben sei. Das war sie schon, aber verständlich war sie nicht. Ich ward denn auch so höflich, sie für unleserlich zu erklären und unter diesem Vorwand ward sie dann nach meinem Vorschlag berücksichtigt. Ex unque Elonlue, so ist Falkenstein nun einmal, der, wenn wir einmal fertig sein werden, Alles allein gemacht haben wird. Sophie meinte neulich, er werde gewiß noch einmal behaupten, er habe alle Kinder in Dresden gemacht. Ich zweifle nicht, daß, wenn man ihm sagte, er habe doch gewiß die Welt geschaffen, er antworten würde, „nun nicht ganz allein, aber ich muß bekennen, daß ich dem lieben Gott vom zweiten Tage an wesentlich mit geholfen habe“. Die Arbeit nimmt jetzt in der Landeskommission immer mehr ab und ich muß manche Stunde mit Zeitungslesen zubringen, da ich doch so lange im Ministerium bleiben muß, als die Minister versammelt sind. August 2 Der Frieden scheint geschlossen und der Geheime Kirchenrat Feller, den die Landeskommission mit dem mystischen Briefe Beust’s an diesen heute zurückgeschickt und dem sie noch einige mir nicht bekannte Instruktionen mitgegeben hat, wird wohl zu spät kommen. Ich schrieb Falkenstein noch gestern Abend, er möge doch die Verlustliste der sächsischen Armee in Erinnerung bringen, die nach fast sechs Wochen noch immer nicht vom Kriegsminister mitgeteilt worden – bloß eine über die Offiziere ist da – eigentlich doch unverantwortlich. Nachmittag fuhr ich mit Sophie und Oda, da endlich wieder einmal die Sonne schien, nach Loschwitz mit dem kleinen Dampfschiff, das jetzt zwischen Loschwitz und Dresden hin- und herfährt. Es war aber auf lästige Weise überfüllt. August 3 Nichts Erhebliches vorgekommen. Abends Quartett mit Seelmann, Ackermann (Kammermusikus, Bratsche) und Schlick, die vortrefflich spielten. Ich komme immer mehr zurück, da ich wenig mehr spiele und die Augen abnehmen. Auditorium Antons, die Erkel und eine Tochter, die wir gestern in Loschwitz einluden, und Jordan, der sogar zum Souper blieb. August 4 Falkenstein gab mir heute den Brief zu lesen, den er durch Feller an Beust geschickt und bat mich, ihm zu sagen, ob es nicht wahr sei, was er geschrieben habe. Der Brief war fort, daß das, was darin steht, wahr sei, konnte ich mit gutem Gewissen bestätigen.
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Aber er tat mir leid, daß er den Brief geschrieben. Wenn ein ehrsamer Bürstenmacher nach dem dritten Töpfchen Bier an zu politisieren anfängt, kann er nicht notorischere Wahrheiten entwickeln als der Vorsitzende der Landeskommission. Der Brief bemerkt, daß die Trennung Deutschlands, wie sie jetzt beabsichtigt werde – die Mainlinie ein Unglück sei. Der Süddeutsche Bund müsse „unmöglich“ gemacht werden. Aber wie das Beust anfangen soll? Darüber schweigt sich Falkenstein aus. Beust soll ferner die Souveränität – nicht bloß die Integrität – Sachsens erhalten, insbesondere das Militär und die diplomatische Vertretung – ja gewiß, aber auch hier verschweigt Falkenstein die Mittel, diesen Wunsch zu realisieren. Endlich bemerkt er, man erwarte im Publikum eine Vergrößerung Sachsens durch die benachbarten kleinen Staaten – nach einem Krieg, in dem wir besiegt worden. Jetzt, wo wir Gott danken, daß uns Preußen nicht ganz verschlingt, auch noch eine Vergrößerung zu erwarten – das ist denn doch zu sanguinisch, warum nicht auch Entschädigung Seiten Preußens für die Kriegskosten? Wie mag Beust beim Lesen mit den Achseln gezuckt haben, welche schlechte Witze mag er gemacht haben und Falkenstein ist noch stolz auf dieses Exkrement seiner politischen Weisheit. Mir fiel der seelige Held ein, wenn er bierselig anfing zu kannegießern, ohne die mindeste Rücksicht auf die gegebenen Verhältnisse. Die Generalin Witzleben dagegen, der ich begegnete, hatte gehört, unsere Armee käme nicht nach Sachsen zurück, auch der König und die Prinzen wollten nicht zurückkehren, da Preußen das Land dauernd mit seinen Truppen besetzt halten wolle. Das war nun wieder ein zu irrwitziger Gegensatz, über den ich sie denn etwas zu beruhigen suchte. Minister Schneider forderte mich sehr freundlich auf, doch nun wieder nach Loschwitz zu ziehen, Gustav könne mich nach Tische ja vertreten, da die Landeskommission jetzt nicht mehr wie zeither um 5 Uhr Nachmittags Sitzung hält. Nous verrons! Otto Berlepsch, der der einzige sächsische Offizier ist, der unverwundet in Gefangenschaft geraten, ist auf Ehrenwort entlassen, verbirgt sich aber, da ihm seine Gefangennehmung beschämend erscheint, vor aller Augen in Lockwitz. Fatal ist die Sache, wenn ihn auch der Vorwurf der Feigheit nicht trifft, da er allein doch nicht einem Bataillon, auf das er bis auf zehn Schritt herangeritten, sich widersetzen konnte. Soll da einer sich nutzlos totschießen lassen? August 5 Gustav war nach Tische zu Erkels gegangen und hat dort Wurmb getroffen, der leider die Hoffnungen, welche wir wegen des Friedens hegten, ganz zerstrört hat. Es ist noch gar nichts über Sachsen bestimmt, als daß Preußen keine Landabtretung verlangt, aber sehr harte Bedingungen würden gestellt werden. Die Souveränität wird in Mediatisierung übergehen, Beust’s Entlassung gefordert pp. Armer König! Ob er sich wird entschließen können zurückzukehren, so lange die Preußen hier sind – wenn, wie Witzleben gesagt, die sächsische Armee in preußische Garnisonen kommt? Der Kronprinz insbesondere, der fanatisch gegen Preußen ist? August 6 Hohenthal reist heute nach Berlin, um die Friedensverhandlungen zu beginnen. Friesen wird später deshalb nach Wien gehen. Inmittelst bleiben wir immer noch in Ungewißheit – schöner Zustand! Eine der albernsten Närrinnen Dresdens ist die Geheime Rätin Lemaistre, ihres Gemahls ganz würdig. Wurmb hat Gustav erzählt, daß ihm angezeigt worden, sie habe gesagt „den 15. August kommt der König zurück, da werden die Preußen fortgejagt, daß sie die Sohlen verlieren“. Zugleich ist bei ihm beantragt worden, er möge die Dame exilieren. Wurmb hat
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aber erwidert, nein, die Sorte lassen wir hier. Als Jordan sich bei ihr nach ihrem Sohn erkundigt, sagt sie, er ist natürlich wie alle jungen Adlige in die Armee getreten. Sie nennt sich auch selbst Frau von Lemaistre. Der Geheime Rat Hänel geht diesen Herbst noch ab. Schneider hat Anton die Stelle angeboten. Er hat keine Lust dazu. Ich habe ihm aber sehr zugeredet, nicht abzulehnen. Eine Vocation zu einem solchen Posten ist eine Fügung des Himmels, der man sich nicht aus Bequemlichkeit oder Vorliebe für seine zeitherige Stellung entziehen darf. Gustav hat über die Mitteilungen Wurmbs am Sonntag auf Falkensteins Anordnung eine Relation niedergeschrieben, die an den König geschickt werden soll. Wenn auch Wurmb natürlich etwas übertrieben hat, da er wohl denken konnte, daß Gustav seine Mitteilungen weiterbringen werde, so ist doch der Kern jedenfalls richtig und daher Gustav vielleicht wichtig geworden für die weiteren Verhandlungen. Unverantwortlich bleibt es aber von Beust, daß er der Landeskommission zeither auch gar keine Nachricht gegeben, daß eben noch keine Friedensverhandlungen mit Preußen eingeleitet worden, während wir hier nach den Zeitungen glauben mußten, es sei schon alles geordnet. Es ist doch nicht gleichgültig bei der Landesverwaltung und dem Verhältnis zum preußischen Zivilkommissar, daß die Landeskommission instruiert ist. Auch die Verlustliste der sächsischen Soldaten fehlt noch immer. Daß Beust nicht wieder als Minister hier eintreten kann, meinen auch die Mitglieder der Landeskommission – was wird aber das Schicksal meines alten Freundes werden? Österreichischer Gesandter wie Senft dereinst? August 7 Große Wurre heute in der Landeskommission. Durch Forth-Rouen, der sich überhaupt außerordentlich gefällig zeigt, ward an den französischen Gesandten Benedetti in Berlin telegraphiert, ob man dort Hohenthal als Friedensabgesandten akzeptieren wolle. Antwort um 1 Uhr: on sera charme de revoir M. Le Comte Hohenthal, on l’acceptera sous tous les rapports, on l’attend. Um 3 reiste er ab. Falkenstein schrieb auch einen langen Brief an Beust, den der Kammerrat Lüttichau, der wieder als Johanniter nach Wien reist, mitnahm. Falkenstein meinte, Beust hege noch sehr sanguinische Hoffnungen, die den Friedensschluß sehr verzögern könnten und sich doch nicht realisieren würden. Auch mit Schneider war er nicht zufrieden, der sehr unschlüssig sei. Freilich, er weiß nicht recht, wo der Wind herkommt, was für Leute seines Schlages immer ein fataler Zustand ist. Als Staatsmann kann überhaupt nur etwa Friesen gelten, obgleich auch ihm der Zopf doch hinten hängt. So war neulich in Frage, ob einem Muselmann dispensationsweise gestattet werden könne, Bürger zu werden. Die Städteordnung erwähnt nur Christen und Juden, hat an Türken nicht gedacht, also kann die Frage entstehen, ob man da dispensieren kann? Das ward auch weniger bezweifelt, allein ich sagte, ein rationales staatsrechtliches Prinzip liege der Bestimmung der Städteordnung nicht unter, da es dem Staat gleichgültig sein könne, welcher Religion ein Untertan angehöre. Allein da kam ich schön an, Friesen und Schneider ritten mir den „christlichen Staat“ vor – nun, da müßten wir eben auch alle Juden zum Lande hinausjagen! Nachtrag vom 12. April 1878 zum 7. August: Minister von Friesen schreibt jetzt eine Broschüre oder Buch über seine Tätigkeit im Jahre 1866 und sucht dabei bis jetzt vergeblich ein wichtiges Aktenstück, über das er mir heute (12. April 1878) folgendes erzählte. Als Graf von Hohenthal (wahrscheinlich am 7. August 1866) in Dresden war, um sich vor seiner Abreise nach Berlin mit den Ministern zu besprechen, war er mit diesen damit einverstanden, daß Beust’s Abtreten unerläßlich und da er selbst seinen Abschied nicht nähme, dieser zu
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beantragen sei. Minister Falkenstein übernahm es, ein Schreiben deshalb an den König zu richten, in welchem die Minister selbst ihre Entlassung auch anbieten. Falkenstein brachte nun ein Konzept, worin Beust die größten Vorwürfe gemacht, angeführt ward, er habe die Minister irregeführt und im Dunkeln über seine Politik gelassen. Mit dieser Fassung erklärten sich aber die andern Minister nicht einverstanden, indem insbesondere Friesen sagte, er, der er seit sieben Jahren mit Beust einverstanden gewesen, könne doch jetzt nicht ihm solche Vorwürfe machen. Falkenstein sagte hierauf, er müsse da einige Stunden Zeit haben, wenn er das Schreiben ändern wolle. Die Diskussion war sehr lebhaft, Falkenstein sehr empfindlich gewesen. Einige Stunden später kommen die Minister wieder zusammen und Falkenstein sagt, Kammerherr von Lüttichau reise Mittag nach Wien, er müsse das Schreiben mitnehmen und er habe es daher immer mundieren lassen. Es ergibt sich aber, daß das Schreiben immer noch jene Haltung hat und es entsteht daher wieder eine etwas heftige Diskussion, die endlich dazu führte, daß der Schluß des Schreibens etwas geändert wird. Die Minister bieten aber ihre Entlassung an. Beust hat gar nicht abtreten wollen und ist sehr erzürnt gewesen über den Inhalt des Schreibens, hat Friesen die Schuld beimessen wollen, aber als dieser dann selbst nach Wien gekommen und ihm die Sache auseinandergesetzt hat, sich beruhigt. Das Schreiben der Minister findet sich aber weder in der Reinschrift, die Beust erhalten, noch im Konzept vor, welche wahrscheinlich Falkenstein an sich genommen und behalten oder – vernichtet hat. Die Akten der Landeskommission enthalten über den Vorgang, bei dem ich nicht zugegen gewesen bin, nichts. August 8 Je länger sich die traurigen Verhältnisse hinziehen, je schwerer wird es mir, mich aufrecht zu halten, die Geistesfrische zu bewahren – wenn ich überhaupt sie noch habe? – um so Manches zu denken, an das die Minister nicht denken. Ich beanspruche deshalb auch kein Anerkenntnis, bin wahrlich am wenigsten geneigt, mir daraus ein Verdienst zu machen, wenn ich meine Pflicht erfülle, aber man wird doch am Ende mutlos, wenn man so manchen Mißgriff nicht vermeiden kann. Nun, ich kann es eben nicht ändern. August 9 Geschäfte nicht bedeutend. Mittags traf mit einem „Einquartierungsbillett“, wie auf dem Brief stand, die älteste Tochter des Bergrats Bernhard von Cotta bei uns ein, um einige Tage hier zu bleiben. Sie war früher sehr affektiert, ist es aber jetzt weniger und daher, da sie Verstand hat, ganz angenehm. Abends gingen wir mit ihr in die Zschertnitzer Schanze, wo uns ein Unteroffizier, ein Kaufmann aus Mühlhausen, trotz des Verbotes sehr gefällig das Innere zeigte. Ein mächtiges Bauwerk mit einem bombenfesten, mit Eisenschienen gedeckten Blockhaus und einer Menge durch Erdaufschutt bombenfester Reduits, die unter sich durch unterirdische Gänge verbunden sind. Heute Nacht kommt Hohenthal aus Berlin zurück und wir werden nun hören, was Preußen verlangt. August 10 Hohenthal ist am 8. Abends 9 Uhr von Bismarck empfangen worden, höflich, aber sehr kühl. Bismarck hat gesagt, es sei zwar die Integrität Sachsens garantiert, aber nicht, daß dasselbe Regentenhaus wieder einzutreten habe. Er könne gar keine Propositionen machen, solange Hohenthal keine Vollmacht habe. Man werde jedenfalls Garantien erfordern wegen der Armee, da man aus aufgefangenen Briefen wisse, daß der Kronprinz noch viel mehr als der König von Preußenhaß erfüllt sei. Zu Verhandlungen sei er jeder Zeit bereit, sobald Hohenthal Vollmacht habe. Warum Beust für diese nicht gesorgt hat? Vielleicht weil er Zeit zu
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gewinnen hofft, weil er meint, daß der Krieg noch nicht zu Ende sei, Frankreich und Rußland die übermäßige Vergrößerung Preußens nicht dulden werden. Qui la sobe! Jedenfalls sind nun wieder mindestenms acht Tage verloren, ehe nur die Friedensverhandlungen beginnen können. Friesen, der heute Abend nach Wien abgereist ist, wird wohl etwas Feuer machen. Abends waren Jordan, der morgen nach der Schweiz zu seinen Töchtern reist, und Bernhard Cotta bei uns. Der Letztere ist beauftragt, Erörterungen über Versorgung Dresdens mit Trinkwasser aus dem Bielagrund anzustellen. August 11 Feller ist ganz unnötiger Weise nach Wien geschickt worden. Beust hat keinen Brief zurückverlangt (siehe 1. und 2. August). Alles ist wie gewöhnlich bloße Konfusion von ihm gewesen. Recht nett in solchen Angelegenheiten. Beust ist offenbar in Illusionen befangen, die bald zerstört sein werden. Er hat gemeint, er werde nach Berlin gehen, um dort über die Verhältnisse aufzuklären (!). Der König, den Feller gesprochen, scheint allein die Sachlage richtig und mit Resignation aufzufassen, während der Kronprinz davon gesprochen, daß man insbesondere wegen der Armee sich den Bedingungen zu stellen haben werde. Es kommt mir vor, als ob Jemand, dessen Kopf im Rachen eines hungrigen Löwen steckt, rufen wollte, halt, ich appelliere, mache nur die Bedingung, daß du mich nicht beißt, das tut mir sonst weh! Feller brachte dann endlich die Verlustliste mit. Rabenhorst, an den er sich deshalb gewendet, hat ihm gesagt, „ja, ich habe die Sache schon zehn Mal erinnert, wenden Sie sich an Fabrice, sehen Sie, ob Sie sie von ihm bekommen können“. Auch kurios! Rabenhorst, der sehr wütend war, daß der Kronprinz, mit dem er auf sehr gespanntem Fuß ist, das Kommando der Armee und nicht er selbst, erhielt, scheint nur sich ganz passiv zu verhalten. Beust, der seine sechs Pferde mitgenommen und sie jetzt in Passau stehen hat, hat sehr gewünscht, einen Freipaß zu erhalten, um die Pferde, die ihm entsetzliches Geld kosteten, wieder hierher zu bringen, woran ihn Niemand hindert. Die Gäule scheinen ihm sehr am Herzen zu liegen, sein Beutel mag wohl leer sein. August 12 Man mag noch so entschieden den Vorsatz haben, sich nicht zu ärgern, bisweilen läuft Einem doch eine Laus über die Leber. Am 6. d. M. hatte Wurmb in einer Konferenz mit der Landeskommission den Antrag gestellt, es möchten bei der Post preußische Kassenbilletts als voll angenommen werden und Friesen hat laut eines vom Minister Schneider aufgenommenen Protokolls eine dementsprechende Anordnung „in Aussicht gestellt“. Es ist nichts geschehen und ich brachte daher die Sache in Anregung, indem ich bemerkte, daß nach einer Verordnung in der Gesetzsammlung (1855, S. 117) die Annahme der Appoint fremder Kassenbilletts unter 10 Taler verboten sei, aber Ausnahmen vorbehalten sind. Beim Finanzministerium hat wieder Schimpf die Sache hintertrieben. Ich sagte nun, daß, da einmal Friesen es zugesagt habe, man doch das Versprechen erfüllen müsse. Was ein Staatsminister, ein Edelmann, ein ehrlicher Mann einmal versprochen, muß er dann doch halten und wenn er es dem Teufel meinetwegen versprochen. Falkenstein, der seit einiger Zeit gegen Wurmb sehr erbittert ist, auf gemeine Weise gegen ihn schimpft, ihn einen Schuft nennt, wollte nichts davon wissen, weil Wurmb auch nichts gehalten habe. Schimpf war auch im höchsten Grade störrig. Endlich ward nach vielem parlamentieren beschlossen, die hiesige Post solle mündlich angewiesen werden, wenn preußische Soldaten während der Okkupation preußische Kassenbilletts der Post zahlen wollen, diese anzunehmen. Wie kleinlich bei einer Sache, die gar kein Objekt ist.
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Noch ein Kuriosum. Es war ein großes Paket von Wurmb der Landeskommission zugegangen, das die Aufschrift 137 000 Taler trug „in Steuerkreditscheinen“, die die Preußen in Zittau pp. den Steuerämtern unsinniger Weise weggenommen hatten. Wir glaubten, es seien Steuerkreditkassenscheine und Schimpf sollte daher das Paket persönlich übernehmen. Es waren aber Bescheinigungen von Kaufleuten über Steuerkredite – also Papiere, die für einen Dritten gar keinen Wert haben. Schimpf wollte aber das Paket nicht mitnehmen, denn „da müßte ich ja eine Droschke nehmen“. So blieb denn das Paket die Nacht noch bei der Landeskommission. Es sollte heute eine Aufführung im zweiten Theater sein für die Hinterlassenen der Gebliebenen. Dazu hat ein Advokat Lesberg einen Prolog gedichtet, den die Ullrich sprechen sollte. Sie bringt ihn aber Könneritz mit der Erklärung, den könne sie nicht sprechen ohne Gefahr, weggeführt zu werden, weil er die gröbsten Invektien gegen Preußen enthalte. Dem ist auch so gewesen und der Prolog ist auf Falkensteins Veranlassung geändert, übrigens gar nicht gesprochen worden, weil wegen schlechten Wetters die Aufführung (die im Großen Garten-Theater sein sollte) unterblieb. Ein Heinrich von Treitschke, Sohn des Generals, hat eine Broschüre geschrieben „Die Zukunft der norddeutschen Mittelstaaten“. Eine beklagenswerte Erscheinung,132 daß ein Sachse eine solche Schandschrift gegen unseren König schreiben kann. Es sind nicht nur eine Menge offenbarer Lügen darin, sondern der Charakter unseres braven Königs wird darin auf eine Weise entstellt, die doch ganz offenbar gegen das bessere Wissen des Verfassers ist, der bis vor einigen Jahren ja in Sachsen gelebt hat, sein muß. Bei solchen Geschichten fällt einem das französische Sprichwort ein, das etwa so lautet: er spuckt den Himmel an (oder in die Luft), es fällt ihm aber auf die Nase zurück. Rechten Ekel vor der Welt und den Menschen bekommt man doch immer mehr. Jordan ist abgereist und seine Köchin hat an die Türe einen Anschlag gemacht „Bestehlungen sind, da forn geschlossen ist, von hinten zu verrichten“. August 13 Antons ziehen trotz des scheußlichen Wetters heute nach Loschwitz, woran wir nicht denken können. Ich ward Vormittag zu Wurmb geschickt, um ihm über die Notwendigkeit der Landtagswahlen, welche in Berlin Skrupel erregt, nähere Auskunft zu geben. Er war wie immer sehr liebenswürdig und höflich und erklärte sich ganz einverstanden, daß die Sache ihren Gang geht. Wir kamen auf seine Veranlassung auf die Broschüre von Treitschke zu sprechen und es war mir eine wahre Wohltat, mein Herz auszuschütten und ihm eine Menge Lügen zu bezeichnen, die darin insbesondere über unsern König enthalten sind. Ich sagte ihm, es sei ein Schandbuch, bei dem man sich vor allem schäme, daß ein Sachse es habe schreiben können. Er hatte selbst in seinem Exemplar mehrere Stellen angezeichnet und bei der schimpflichen Charakteristik des Königs ein großes Fragezeichen gemalt. Dann kam er auf die Friedensverhandlungen und als ich bemerkte, daß Graf Hohenthal ja wohl eine persona grata in Berlin sei, bejahte er dies, sagte aber, er könne mir noch eine zweite persona grata bezeichnen, den früheren sächsischen Legationssekretär von Lindenau. Dieser 132 Heinrich von Treitschke: Die Zukunft der norddeutschen Mittelstaaten. Siehe dazu A. O. Meyer, Die Zielsetzung in Bismarcks schleswig-holsteinischer Politik von 1855 bis 1864. In: Zeitschrift für schleswig-holsteinische Geschichte. Band 53. 1923. – Fr. Frahm, Die Bismarecksche Lössung der schleswigholsteinischen Frage. In: Ebd., Band 59. 1930.
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ist wegen kolossaler Faulheit von Beust entlassen worden, diesem daher sehr Feind und hat seitdem in Berlin gelebt und sich ganz auf die preußische Seite gewendet. Ihn, einen ganz unbedeutenden Menschen, wird der König doch nicht reaktivieren (was Wurmb meinte), um ihm die wichtigsten Angelegenheiten anzuvertrauen, bloß weil er preußisch gesinnt ist. Man sieht aber auch hieraus, wie wenig Hoffnung Beust hat, daß er in Berlin akzeptiert werde. Hohenthal ist übrigens auf seiner letzten Reise nach Wien von den Bayern als Spion festgehalten und sechs Stunden arretiert worden. Die Geschichte ist ausführlich erzählt in „Die Grenzboten“ 1866, Nr. 34 S. 293, Leipzig bei Herburg. Als er Sodawasser verlangt, haben die Bayern gesagt, seht ihr, daß es ein Preuße ist, wenn er ein Sachse wäre, würde er Bier trinken. Als man seine Sachen visitiert und Hohenthal, auf die grün-weiße Kokarde an seinem Hofhut zeigend gesagt, hier ist die sächsische Kokarde, haben die Bayern dies für falsch erklärt, weil die sächsischen Farben weiß und schwarz seien! Auch gut! August 14 Na, worum ging es denn heute? Ich habe schriftlich und mündlich wiederholt darauf aufmerksam gemacht, man möge beim Ministerium des Innern die Parlamentswahlen, Bildung der Bezirke pp. vorbereiten – auf dem Papier – es hieß immer nein, noch nicht. Heute brachte Falkenstein die Sache – natürlich als seine Idee – vor und nun geschah es. Auch die preußischen Kassenbilletts auf der Post (siehe 12. August) nahmen eine fast komische Wendung. Nachdem sich Schimpf entsetzlich gesperrt, hat sich ergeben, daß man in Leipzig und Dresden auf mündliche Anweisung der Vorstände der Postämter sie schon seit der preußischen Okkupation unweigerlich angenommen hat. Viel Aufsehen macht die plötzliche Entlassung des Oberhofmarschalls von Gersdorf, angeblich wegen preußischer Sympathien, die aus Briefen, welche man dem König (wer ?) vorgelegt, hervorgegangen. Er ist mit Beust schon lange gespannt und dieser wird daher damit nicht unzufrieden sein. Allein man betrachtet die Sache als eine Demonstration gegen Preußen. Wurmb hat dem Polizeidirektor in Leipzig aufgegeben, die Beschlagnahme der Schrift von Treitschke und eines „Manifests“ von Ruge sofort wieder aufzuheben. Darüber machte ich nun ein ausführliches Expose, in dem ich sagte, daß man alle Angriffe der Presse gegen Sachsen, die Landeskommission pp. unbeachtet gelassen, aber wenn die Person des Königs auf so unverantwortliche Weise verleumdet werde, eingreifen müsse, wenn noch überhaupt von einer sächsischen Regierung die Rede sein solle pp. Die Minister, die wohl meinen mögen, ich sei zu sehr geneigt, Preußen nachzugeben, werden sich also diesmal wohl überzeugen, daß ich auch ins Feuer gehe, wenn die Sache danach ist. Nörgeln und quängeln wegen Lumpereien mag ich allerdings nicht, aber wenn es den König gilt, da muß man sich wehren, solange man kann. Vorgestern Abend besuchte ich den Minister Könneritz, welch ein trauriger Anblick, eine solche geistige und körperliche Ruine! Doppelt traurig, wenn man einen solchen Mann in der vollen Geistesfrische gekannt hat. Es schien ihm viel Freude zu machen, mit mir von alten besseren Zeiten zu sprechen. Ich hege wahre Dankbarkeit gegen ihn, der sich gegen mich immer sehr wohlwollend gezeigt hat und freue mich, wenn ich ihm dies ausdrücken kann. August 15 Mittags nach Loschwitz zu Antons zur Feier von Phinas Geburtstag. Der Forstinspektor von Berlepsch, ziemlich hergestellt – sein Pferd hat ihm den Fuß zertreten – Constanze Berlepsch und Otto – der gefangen ward – der einzige unverwundete sächsische
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Offizier waren auch da. Beim Dessert trat ein junger preußischer Dragoneroffizier ein, den Niemand kannte, der sich aber als Graf Schulenburg-Jahnisfelde auswies. Er hat den Krieg mitgemacht, war aber nichts weniger als prahlerisch. Er erzählte mit großer Bescheidenheit von der Schlacht bei Königgrätz, daß sein Regiment nur eine einzige Attacke mit Erfolg auf eine Kompanie österreichischer Infanterie gemacht, die Karree gebildet, „wie er hineingekommen sei, wisse er selbst nicht, ringsum habe er bloß Soldaten gesehen, welche die Gewehre hingeworfen und um Pardon gebeten“. Er hat daher gar kein Blut vergossen. Der junge Mann ist ein Sohn des Bruders der alten Frau von Berlepsch. August 16 Heute war wieder einmal der Teufel los. Um Wurmbs Verlangen, daß die Schrift von Treitschke nicht konfisziert werde, zu umschiffen, ward beschlossen, daß nicht die Polizei, sondern der Staatsanwalt in Leipzig und Dresden die Beschlagnahme vornehmen solle. Darauf hat aber Wurmb in einer Konferenz mit der Landeskommission heute Mittag erklärt, er werde auf bestimmten Befehl des Grafen Bismarck die Staatsanwälte nach Magdeburg abführen lassen. Graf Bismarck habe jetzt eine so exzeptionelle Stellung, daß er sich um die Justiz nicht zu kümmern brauche. Darauf ward dann von der Landeskommission beschlossen, daß keine Beschlagnahme stattfinden soll, aber die Kriminaluntersuchung eingeleitet werden soll – gegen wen wußte die Landeskommission aber ebensowenig als es die Staatsanwälte wissen werden. Hier hätte ich nun nicht nachgegeben und es, da es die Person des Königs galt, aufs Äußerste ankommen lassen. Mein Schreiben an Wurmb gefällt mir auch besser, als es jetzt nach vielen Streichungen und Änderungen Falkensteins und Schneiders geworden ist. Beust hat, wie ich annehmen muß, an Falkenstein geschrieben, daß er zu den Friedensverhandlungen nach Berlin gehen wolle. Der Geheime Finanzrat von Nostitz-Wallwitz hat, wenigstens wie Ferdinand erzählte, gesagt, Falkenstein habe es ihm gesagt mit den Worten, ich habe den Brief hier in der Tasche. In der Landeskommission kam die Rede darauf und als ich erzählte, man spreche davon, daß Falkenstein einen solchen Brief erhalten habe, sagte Falkenstein: „Nein, es ist geradezu unbegreiflich, es grenzt an das Wunderbare“. Nun das eben nicht, aber wohl ist das etwas unbegreiflich, daß Falkenstein erst die Sache erzählt und dann dies seinen Kollegen gegenüber ableugnet. Mir war es sehr lieb, daß er mir nichts von dem Brief gesagt, obwohl wir mehrere Male davon gesprochen haben, ob Beust in Berlin werde zugelassen werden. Advokat Schreck in Pirna hat an seine Gesinnungsgenossen ein gedrucktes Schreiben erlassen mit einer Einladung zu einer Zusammenkunft in Dresden nächsten Sonntag, in der es heißt, die Regierung hat uns schmählich betrogen und doch wird für die Rückkehr des Ministers, der seit 1850 Sachsen so geschädigt, in den höheren Beamtenkreisen agitiert pp. Es ward nun lange beraten (Kreisdirektor von Könneritz war dabei), was zu tun und beschlossen, Schreck, ehe man die Sache an den Staatsanwalt gebe, durch den Stadtrat befragen zu lassen, ob er das Schreiben drucken lassen und abgesendet? Es soll das ein Schreckschuß für ihn sein, der aber jedenfalls in die Luft gehen wird. Man hat es in Berlin sehr übel genommen, daß Sachsen nicht gleich sich wegen des Friedensabschlusses gemeldet. Man meint, es geschehe dies mit aus Stolz der königlichen Familie, die sich älter und vornehmer dünke als das Haus Hohenzollern. Daran hat der König gewiß am wenigsten gedacht. Warum aber Beust so lange zögert, ist mir auch nicht klar.
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Im Zeughaus haben die Preußen alles, was nur fortzubringen, herausgerissen, sogar die Stellagen, auf welche die Flinten zu hängen, zerbrochen und als Brennholz verkauft. General Schack, dem Engel diese nutzlose Zerstörung geklagt, hat versprochen, was noch nicht zerstört sei, unversehrt zu lassen. Er hat dabei bemerkt, daß ihm Vieles hier sehr unangenehm sei und daß er sich bemühe, ihm zugehende Befehle in die mildeste Form zu zwängen. August 17 Friesen ist gestern Abend, aber an Cholerine erkrankt, zurückgekehrt. Er hat in Wien gar nichts vorbereitet gefunden. Rabenhorst hat nicht einmal gewußt, wo Beust wohne. Dieser hat ganz die Tränentour verloren und lebt, von seinem bösen Genius, der Uckermann, wieder gefesselt, die ihm gefolgt ist, ganz einsam. Die Minister und Gesandten, die ihn früher faliert haben, lassen ihn ganz fallen. Am ersten Tag hat eine Konferenz stattgefunden wegen der Instruktion, über welche Watzdorf ein Protokoll aufgenommen, das aber unbrauchbar gewesen. Friesen hat nächsten Tages sich seine Instruktion selbst entworfen. Der Kronprinz ist sehr verständig gewesen, fast noch mehr als der König zu Opfern bereit, da die Aussicht vorhanden, daß wir eine besondere Armee behalten, was auch Wurmb neulich in der Landeskommission gesagt hat. Dies erzählte mir Falkenstein, der auch sehr befriedigt von einer Unterredung mit dem Generalgouverneur General von Schack zurückkehrte, der sich auf die humanste Weise ausgesprochen, u. a. auch gesagt hat, daß er dem Kammerherrn Graf Vitzthum mitgeteilt, er möge nur durch die Gärtner in Prinz Georgs Garten die Gräben pp. wieder zuwerfen lassen. Die Ingenieuroffiziere sollten davon keine Notiz nehmen. Graf Hohenthal kam Mittags zu mir in die Landeskommission, als die Minister schon fort waren. Er wußte auch nicht das Geringste darüber, was Preußen von Sachsen verlangen werde und ich konnte ihm freilich auch nicht viel sagen. Daß man aber in Wien, wo man doch schon durch frühere Mitteilungen der Landeskommission die Daten hatte, so untätig die Zeit verstreichen lassen, ist doch unfaßlich. Beust hat, wie Hohenthal erzählte, dem Kaiser Napoleon ein Expose über die Militärverhältnisse zugehen lassen, in dem Sinn, daß man Preußens Militärmacht nicht zu mächtig werden lassen dürfe, ein Schritt, der auch sehr veschiedener Deutung unterliegen kann, da wir doch nun einmal ehrlich mit Preußen gehen müssen, Schneider ist sehr verbissen, schwankend, kleinlich – keine Idee von einem Staatsmann. Er bezeichnete es als sehr erfreulich, wenn Preußen durch verkehrte Maßregeln die Erbitterung im Lande errege, sagte, er werde Wurmb gewiß nicht darauf aufmerksam machen – während Falkenstein ganz mit mir einverstanden ist, daß es ja nur auf das Land zurückfällt, wenn durch vermehrte Erbitterung Exzesse hervorgerufen werden. Wie die Verhältnisse liegen, müssen wir eben suchen, uns gut mit Preußen zu stellen. Wir müssen den Frieden ehrlich innehalten und die Erbitterung auszugleichen suchen. Kläffen, gackern und belfern hilft nichts, schadet uns nur. Einen sehr traurigen Brief bekam Sophie von Henriette Müller, die mit den Jordan’schen Töchtern in der Schweiz ist. Henriette und Mathilde Jordan sind in einem sehr bedenklichen Zustand. Daß die Erstere je heiraten könne, daran ist kein Gedanke. Gustav blieb in merkwürdiger Gemütsruhe, Liebe scheint ihm ganz unbekannt zu sein. Daß Beust in Berlin als Friedensgesandter sich angeboten, aber zurückgewiesen worden ist, ging aus Falkensteins Äußerungen hervor. Daß er, so klug wie er ist, dies nicht vorausgesehen hat! August 18 Wurmb hat jedenfalls aus Berlin Weisungen erhalten, daß er nicht energisch genug auftrete und will nun zum Schluß noch das Gegenteil beweisen. So in der Sache
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wegen Beschlagnahme der Schrift von Treitschke und in einer andern, die heute vorkam. Er hat bei der Landeskomission beantragt, daß die Postbeamten preußische Kassenbilletts voll annehmen sollten. Das ist angeordnet worden. Heute kommt auf einmal, ohne daß er der Landeskommission etwas mitgeteilt, eine Bekanntmachung von ihm (im Dresdner Journal vom 19. August), daß bei einzelnen Kassen trotz der Anordnungen der Landeskommission preußisches Papiergeld gar nicht oder nicht für voll angenommen werde, so bringe er zur öffentlichen Kenntnis, daß jeder Beamte einer öffentlichen Kasse, der sich weigert, preußisches Papiergeld für voll anzunehmen, sofort seiner Stelle entsetzt werden wird. Das ist doch starker Tabak! Ich war Mittags in Loschwitz gewesen und erhielt denn von Falkenstein den Auftrag, mit Minister Friesen zu sprechen und ein Schreiben an Wurmb zu machen. Friesen fand ich ziemlich hergestellt, doch noch matt. Ich faßte denn noch Abends ein Schreiben ab, das ich allerdings, wie mir nötig schien, ziemlich energisch gehalten habe. Es wird mir aber wohl gehen wie in der Beschlagnahmefrage, wo mir die Minister erst sagten, treten Sie nur recht derb mit den Stiefeln auf und dann mir Bärlatschen anzogen und die allerdings etwas scharfe Säure meines Schreibens mit der Milch der frommen Denkart milderten. Ganz unrichtig, nach meiner Ansicht, nachgiebig dem Verhältnisse Rechnung tragend, muß man sein, wo es die Sache zuläßt, aber fest, wo allein wichtiges Prinzip gilt, wie hier. Man kann doch wirklich Beamte nicht fortjagen lassen, weil sie einen preußischen Tresorschein nicht angenommen haben, da die Landeskommission ja gar keine solche allgemeine, einen Zwangscours enthaltende Anordnung erlassen hat. August 19 Zobel kam früh aus Wien und brachte einen Brief von Beust mit Beilagen, a) sein Entlassungsgesuch und b) das sie genehmigende Handschreiben des Königs. Er hat das Opfer bringen müssen, weil sonst Preußen Schwierigkeiten mit dem Frieden gemacht haben würde. Die Schreiben sollten nun gedruckt werden, allein das des Königs würde die Wirkung der Maßregel ganz vereitelt haben, da es zugleich den Satz enthielt, daß Beust die Geschäfte noch fortführen solle – wahrhaft unfasslich. Es entstand nun eine sehr lebhafte Debatte, da ich durchaus darauf drang, daß der Druck der beiden Schreiben oder wenigstens des Königlichen jetzt unterbleiben und man den König bestimmen möge, ein anderes Schreiben an die Landeskommission zu erlassen, das zugleich eine Andeutung auf die jetzt einzuschlagende Politik – mit Preußen zu gehen – enthalte. Glücklicher Weise war Graf Hohenthal – der Gesandte – meiner Meinung und Falkenstein, der durchaus nicht dran wollte, weil der König es übelnehmen würde, fügte sich schließlich, obwohl er einmal sehr hitzig ward. Es half glücklicher Weise der Umstand mit, daß eben vom König gar keine Urkunde vorlag, da Beust nicht daran gedacht hatte, daß die Sache doch formell nicht bloß mit einem Brief von ihm abgemacht sei. Es war nun nach Wien (durch Forth-Rouen) telegraphiert, daß die Stelle wegen der Geschäftsführung wegbleiben möge und heute bloß ein Artikel, in ein Extrablatt des Dresdner Journals abgefasst, mit der Nachricht von Beust’s Entlassung und daß die andern Minister (pro forma) auch ihre Entlassung verlangt, der König sie aber abgelehnt habe. Gustav hatte sehr viel Not, den Artikel noch zum Druck zu bringen und mußte den Redakteur bis nach Loschwitz verfolgen, wo wir bei Erkel mit den Geschwistern aßen. Abends schrieb ich an Beust ganz wie es mir ums Herz ist. Mein armer Freund, wie schwer mag es ihm geworden sein und dem König.133 133 Entwurf von Weber für ein Schreiben der Landeskommission an den Preußischen Zivilkommissar von
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August 20 Falkenstein hatte gestern den Vortrag an den König entworfen in dem gestern besprochenen Sinn. Er schickte ihn mir und bald darauf kam Engel in das Ministerium mit dem Auftrag, ich möge mit Engel noch einige Abänderungen, wie sie uns gut dünkten, vornehmen. Das geschah dann auch, indem ich den Satz, den wir vom König wünschten, ganz bestimmt formulierten, damit nicht wieder Zweifel entstehen. Zugleich ward hinzugesetzt, daß der König, wenn er einverstanden sei, es telegraphisch melden möge, worauf die Landeskommission sich für ermächtigt erachten werde, die drei Schreiben auch vor Eingang des Reskripts selbst zu veröffentlichen. Sonst bloß eine Menge kurrenter Schreiben. Wie es mit Beust’s Pensionierung wird, darüber fehlt noch jede Bestimmung, er hat gar nichts formell in Ordnung gebracht. Alles beruht bloß auf Beust’s eignem Brief, während er doch nach 17jähriger Geschäftsführung wissen müsse, daß zu solchen wichtigen Sachen eine königliche Entschließung erfordert wird. Falkenstein, auf dem jetzt allerdings eine große Last und Verantwortung liegt, entwickelt in der Tat eine große Tätigkeit und Umsicht. Er klagt aber immer über Schneider, der so ganz ohne politischen Halt und feste Ansicht ist. Ja, Staatsmann wird man nicht in ein paar Wochen. Rosa war heute mit ihrer Mutter hier, um eine Tante der letzteren, die steinalte Präsidentin Gottschalk, zu besuchen. Adolf hat den Verdienstorden erhalten, der jetzt auch für Militär (mit den Schwertern am Ordenszeichen) vom König bestimmt worden. Das freut mich sehr. Alle vier Brüder haben nun denselben Orden, wohl ein seltener Fall. Der Redakteur des Dresdner Journals Hartmann erzählte mir heute, daß er bei Wurmb die Privatakten Uckermanns über seine Skandal- und Duellgeschichte mit Beust, die er früher schon dem Justizministerium in der Differenz wegen Erziehung der Kinder vorgelegt, offen hat liegen sehen – keine edle Rache in der Tat. General Schack hat neulich auch geäußert, daß man Rabenhorst’s Entlassung auch erwarte. Mit Beust ist nun der eigentliche Halt aus dem Ministerium geschieden. Er wußte, was er wollte, er wich – wenn er auch biegsam war – doch in gewissen Prinzipien nicht. Er hatte auch das volle Vertrauen des Königs, den er zu Manchem, z. B. Anerkennung des Königreiches Italien, gebracht hat, wozu ihn kein anderer gebracht hätte. Der König bedarf aber einer solchen Stütze, eines stimulierenden Elements. Diese jetzt entstandene Lücke, wer soll sie ausfüllen? Falkenstein gewiß nicht. Friesen, der viel Schroffes hat, auch nicht. Die Minister selbst haben kein persönliches gegenseitiges Vertrauen zueinander. Kommt jetzt irgend ein Sturm, so wird ein großes Chaos entstehen, da es eben an einem Kopf wie Beust anno 1849 fehlt, der sich nicht einschrecken läßt vom demokratischen Gebrülle. Dieses fängt schon wieder an, sich hören zu lassen und das Parlament kann uns gewaltige Stürme bringen, bei denen wir möglicher Weise aber von Preußen nicht werden gestützt werden, das nichts dagegen haben würde, wenn ihm eine Revolution Sachsen zuführt, das ihm der Frieden mit Österreich entrissen hat, sonst wären wir auch noch annektiert worden. Ein großer Staat hat aber eine solche Attraktionskraft, daß die kleinen, schon halb meditatisierten Staaten ihm doch zufallen müssen. August 22 Gestern nichts besonderes arriviert. Falkensteins sanguinische Hoffnungen bezüglich des Friedens bestätigen sich, wie ich vorhergesehen, nicht. Die Sache wird Wurmb vom 16. Juli 1866 wegen geforderter zusätzlicher Leistungen an Preußen. Siehe Dokumentenanhang Nr. 30
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in Berlin hingezogen und Friesen hat nichts weiter melden können, als daß die Sache nicht günstig stehe. Beust hat mit seiner gewöhnlichen Nachlässigkeit in Geschäftssachen, fürchte ich, sich selbst in eine üble Lage gebracht. Es ist bis jetzt gar nichts bestimmt wegen seines Wartegeldes und der Form der Entlassung und es ist nun zweifelhaft, was er zu bekommen hat. Die Absicht des Königs – und Beust’s natürlich am meisten – ist jedenfalls, daß er ein Wartegeld von 3/5 seines Gehaltes bekommen soll. Dies setzt aber eben voraus, daß er nicht, wie er selbst schreibt, „entlassen“ worden, sondern nur des Departements enthoben worden (§ 9 des Staatsdienergesetzes von 1835). Nun muß die Sache in Ordnung gebracht werden, was bei der Entfernung des Königs sehr langsam geht. Heute kam auch die telegraphische Antwort auf den Antrag vom Sonntag, daß bei Veröffentlichung des königlichen Schreibens an Beust die Stelle, daß er noch die Geschäfte fortführen solle, wegbleibe. Allein nun war Falkenstein wieder anderer Ansicht und meiner Meinung, daß überhaupt das Schreiben des Königs, in dem er sich ganz identifiziert mit der Beust’schen Politik, nicht gedruckt werden solle. Das hätte man eben bereits am Sonntag dem König telegrsaphieren sollen. Immer post festum! Wurmb hat offenbar aus Berlin Weisungen bekommen, energischer aufzutreten, denn es kam heute als Antwort auf das Schreiben der Landeskommission wegen der preußischen Kassenbilletts (siehe 18. August) ein Schreiben von ihm, in welchem er sagt, daß die Entlassung der Beamten bei jeder Widersetzlichkeit Folge sein werde und im Allgemeinen sagte, er werde noch gegen mehrere höhere Beamte Maßregeln ergreifen, die er der Landeskommission vorher nicht mitteilen könne. Man will Sachsen jedenfalls mürbe machen durch strenge Maßregeln und längere Okkupation, um es zum Eingehen beim Frieden zu zwingen. August 23 Die Landeskommission steckte ihre Köpfe zusammen, ohne daß ich recht weiß, weshalb. Ich bin gar nicht neugierig und Frage daher auch Falkenstein nicht, der dann in der Regel sehr mitteilsam wird. Einen langen Brief an den König, den er in Hieroglyphen, die er selbst nicht mehr lesen konnte, geschrieben wegen der Parlamentswahlen und Beust’s Wartegeld, bat er mich selbst abzuschreiben mit der Ermächtigung zu ändern, was denn auch geschah, wodurch allerdings in den Akten der Verdacht entstehen wird, daß ich seine Konzepte korrigiere, was ich hiermit vor der Nachwelt feierlich ablehne. Endlich habe ich auch durchgesetzt, daß ein Artikel in die Zeitungen kommt, daß das Ministerium des Innern die Parlamentswahlen vorbereite und daß dem König ein Dekret im Entwurf zugesendet werde, nach welchem dieser die Landeskommission ermächtigt, die Wahlen nach § 88 der Verfassungsurkunde auszuschreiben, da dieses so in der Instruktion gegen meinen Willen von der Kompetenz der Landeskommission ausgeschlossen ward, weil der König meinte, es sei vielleicht unter Umständen recht gut, wenn die Landeskommission sich damit gegen Ansinnen decken könne, daß sie nicht nach § 88 verfahren dürfe. Daß dies wie Vieles andere eben sich nicht praktisch bewährt hat, beweist die Erfahrung. Um 1 empfing ich die Ministerin Beust, die mit zwei Hunden unter den Armen wieder hier eintraf, um nach Laubegast zu ziehen. Bloß Regierungsrat Wiesner und ich hatten sich eingefunden. Während wir bei Tisch saßen, kam Professor Peters aus Meißen, bei dem Erhard in Pension ist. Wir tranken noch eine Flasche Wein. Er ist ein geistreicher interessanter alter Herr. Abends ging ich mit Sophie in das Theater, die Zauberflöte von Mozart. Wie erweckte die herrliche Musik Jugenderinnerungen, wie oft ward daraus bei Rosenbergs gesungen, Man-
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delsloh knurrte den Zarastro pp. Jugend, wo bist Du hin, mit deinen Illusionen und ungetrübten, sorglosen Stunden! August 24 Beust’s Eitelkeit hat wieder einmal sich recht gezeigt. Sein Brief an den König und das allerdings sehr schmeichelhafte Schreiben des Letzteren sollte abgedruckt werden im Dresdner Journal, aber gleichzeitig mit einem anderen Schreiben des Königs, in welchem er die Minister auffordert, auf ein freundliches und ehrliches Zusammengehen mit Preußen Bedacht zu nehmen, in der Hoffnung, daß ein entsprechendes Bündnis mit Preußen zu Stande komme. Gestern Abend spät ist das Telegramm eingegangen, welches die Genehmigung des Königs dazu enthält. Heute Morgen sollte ich nun eben zu Wurmb gehen und dessen Genehmigung zur Veröffentlichung einholen, als der Redakteur Hartmann mit einem Zeitungsartikel erschien, nach welchem die Wiener Zeitung vom 22. schon jene Briefe mitteilt. Nicht einmal die paar Tage hat Beust abwarten können! Nun ward denn beschlossen, das letzte Schreiben des Königs als amtliche Nachricht zu veröffentlichen, während das Dresdner Journal jene Briefe als Zeitungsartikel widergibt. Wurmb hat gestern den Kreisdirektor von Burgsdorf seiner Stelle entsetzt ohne Angabe von Gründen. Mir gegenüber gab er auch nur an, Burgsdorf habe mehrere Male Preußen mit Gesuchen abgewiesen mit den Worten, „nun dann gehen Sie doch wieder nach Preußen.“ Burgsdorf ist aber hier seiner preußenfreundlichen Ansichten halber angefeindet worden, stand namentlich mit Beust durchaus nicht gut. Abends kam Wurmb, als ich gegen sechs allein war, in die Landeskommission und teilte mit, daß die Befestigungen Dresdens auf dem rechten Ufer in großem Maßstab sofort ausgeführt und deshalb 1 400 Meter Wald abgetrieben werden müßten. Dresden erhalte eine starke preußische Garnison, Frieden werde man mit Sachsen nicht schließen, sich bloß an die Worte des Friedens mit Österreich halten, nach welchen nur die Integrität des Landes garantiert sei. Man werde einen Regierungsverweser aus den Agnaten, vielleicht den Herzog von Koburg, einsetzen. Das erzählte er mir alles mit der größten Bonhomia, als ob es ganz gleichgültige Sachen seien! Überdies beklagte er sich über die Gensdarmen, besonders den Obergendarmerieinspektor von Cerrini, der aller zwei Tage einen Gensdarmen mit geheimen Depeschen nach Wien sende und den Geheimen Rat Körner, der krank auf der Bastei ist, aber dorthin immer geheime Nachrichten sich bringen lasse. Ich ging nun zu Falkenstein, wo ich Engel traf. Es ward beschlossen, die Arbeiter zu den Schanzenbauen wo möglich im Lande aufzutreiben und deshalb eine Bekanntmachung zu erlassen, um das Gerücht zu widerlegen, daß alle, die an den Schanzen mitarbeiteten, notiert würden, um es ihnen später entgelten zu lassen. Nostitz (Geheimer Finanzrat) und ein Betriebsingenieur Balen sollen die Sache leiten, sie waren aber Beide nicht aufzutreiben. Cerrini ward zitiert. Falkenstein hatte komplett den Kopf verloren. Er verlangte bald dies, bald das, schimpfte wie ein Gassenjunge auf Wurmb, fuhr ohne allen Grund mich an, so daß ich dann auch etwas das Rauhe herauskehren mußte. Er sagte, ich möchte Cerrini auf seine Dienstpflicht vernehmen. Ich begann dies und mußte dann natürlich ermitteln, wie oft und auf welche Veranlassung er einen Gensdarm Meding, den Wurmb erwähnt hatte, nach Wien gesendet. Während ich damit beschäftigt war, kam Falkenstein hereingesaust, sagte sehr barsch, ich solle doch nicht die Details aufnehmen, das Protokoll müßte so sein, daß er es abschriftlich Wurmb morgen mitteilen könne. Darauf lief er wieder fort. Ich ging ihm sofort nach und sagte ihm sehr kurz, er habe mir aufgegeben, ich solle Cerrini vernehmen,
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dazu müßte ich die Tatsachen konstatieren, ein falsches Protokoll mache ich nicht. Wenn er Wurmb ein Protokoll mitteilen wolle, so müßte ich es vorher wissen, allgemeine Phrasen führten zu nichts. Da behauptete er mir ins Gesicht, er habe gar nicht gesagt, er wolle Wurmb das Protokoll mitteilen. Er werde dem „Kerl“ nie etwas abschriftlich geben, er wolle bloß aus meinem Protokoll Material für die mündliche Besprechung mit Wurmb haben. Es war völliger Blödsinn, den er in seiner Aufregung schwatzte. Fünf Minuten darauf, als ich ziemlich fertig war mit meinem Protokoll, in das ich der Wahrheit gemäß aufnahm, was Cerrini angegeben, kam er etwas ruhiger wieder und hielt Cerrini einen Sermon, daß er sich aller Handlungen, die den Anschein einer geheimen Wirksamkeit hätten pp. Den sollte ich mit aufnehmen. Er lief aber gleich wieder fort, ohne abzuwarten, bis ich seine Admonition niedergeschrieben. Cerrini hat den Meding dreimal nach Wien geschickt, zum Teil mit Briefen der Minister. Körner hat sich aus Freiberg die Zeitungen und Briefe von einem Gensdarm Bellmann, der sein Faktotum ist, unter der Bezeichnung „Offizialia Polizeisachen“, um das Porto zu ersparen, zuschicken lassen und dadurch sowie durch den Umstand den Verdacht erregt, daß er im Geheimen konspiriere, daß er die Gensdarmen der Umgegend der Bastei zu sich kommen lassen, um ihm Mitteilungen zu machen. Das ist aber seit einiger Zeit abgestellt. Es ist ganz offenbar, daß man, da man Sachsen nicht annektieren kann, es womöglich in eine Lage bringen will, die noch viel schlimmer ist, um im Volke, wenn es zur Verzweiflung gebracht, den Wunsch eines völligen Aufgehens in Preußen hervorzurufen. Armes Land, armer König! Daß ich heute nicht den Kopf verloren, trotz des unsinnigen Benehmens Falkensteins beweist, daß ich doch recht kaltes Blut habe. Ich setzte Falkenstein sogar noch, um es ihm zu erleichtern, alle die Punkte auf, über die er morgen mit Nostitz wegen des Schanzenbaues und der Arbeiterstellung zu sprechen haben werde. Ich will Falkenstein sein Benehmen nicht nachtragen, wie ich ja überhaupt nicht übelnehmerisch bin, aber sagen werde ich es ihm doch morgen, daß dergleichen nicht wieder vorkommt. Von Menschen kann ich nichts hoffen, nichts erwarten, alles was ich von ihnen erlangen könnte, ist mir völlig unnütz und gleichgültig. Was ich fürchte und hoffe, kann mir bloß aus Gottes Hand kommen. Kann ich meinem Vaterland, meinem geliebten König etwas nützen mit meinem alten Kopf, so tue ich es gern, aber bloß aus Pflichtgefühl, ohne Rücksicht auf Lohn, Anerkennung und Dankbarkeit, die gerade dem Ehrlichsten am wenigsten zu Teil wird. Aber herzlich froh wäre ich, wenn ich mich überzeugen würde, daß ich nicht mehr nötig bin. Stilles Archiv, wäre ich doch in dir allein geblieben. Der Kreisrichter von Juwochowski aus Posen, der schon voriges Jahr hier war, um polnische Geschichte im Archiv zu studieren, kam heute, gerade als wir uns zu Tisch setzen wollten, trank eine Flasche Wein mit und politisierte und polonisierte auf eine mir sehr lästige Weise, da ich nun einmal dergleichen Diskussionen nicht liebe und daher zu Allem immer bloß jaja sage, was ebenso gut nein nein heißen kann. August 25 Falkenstein war selbst zu der Erkenntnius gekommen. Er kam früh gleich zu mir, gab mir die Hand und sagte: „Sie sind noch böse oder sind wir wieder gute Freunde, obwohl ich Sie gestern so anfuhr pp“. Ich bin ein guter Kerl und antwortete, ich bin nicht übelnehmerisch und muß schon Geduld haben, wenn Jemand so aufgeregt ist. Es wurden nun in aller Schnelle die Einrichtungen wegen Herbeischaffung der Arbeiter getroffen, damit man uns nicht wieder Berliner hierherschafft. Mittag um 1 ½ fuhr ich mit dem Omnibus nach Blasewitz, aß mit Sophie, die mit Oda der Stunden wegen, die sie Mittwochs und Sonnabend Nachmittag mit Antons Kindern hat,
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früh herausgefahren war, mußte aber um 5 wieder hereinfahren, da ich noch Arbeit und Besprechungen mit Falkenstein und Engel hatte. Schneider kommt, wie Falkenstein behauptet, bloß in die Landeskommission, um Zeitungen zu lesen und seine Konzepte für das Justizministerium zu signieren. Schimpf imponiert ihm so, daß er garnicht wagt, ihm etwas zu sagen. Heute mußte er sich aber doch entschließen, ihm etwas zu sagen, da es sich um eine pressante Verfügung handelte, von der wir zweifelhaft waren, ob sie Schimpf, der nun einmal borstig ist und stachlig wie ein Igel, sie richtig abfassen werde. August 26 Trotz des Sonntags von 9 bis 1 ½ in der Landeskommission gearbeitet, Sitzung gehabt. Das Finanzministerium war veranlaßt worden, alle Kassenbeamten anzuweisen, preußisches Papiergeld anzunehmen, um die Beamten nicht Unannehmlichkeiten auszusetzen, wenn sie sich weigerten, einem deshalb neuerdings bloß vom preußischen Zivilkommissar bei Androhung der Entsetzung erlassenen Befehl nachzukommen, der mit der zeitherigen Anordnung im Widerspruch steht. Schimpf aber erläßt eine Generalverordnung, welche die Kassenbeamten nicht anweist, sondern „ermächtigt“. Nun muß es ihm also noch einmal unter die Nase gerieben werden und Schneider – der Finanzminister jetzt – sitzt dabei! Rechter Zopf ist doch in unserer Verwaltung. Alles, was zum Domänenfonds gehört, muß vom König, jetzt der Landeskommission genehmigt werden. Neulich mußte die Grabung eines Brunnens auf einem Kammergut, heute die Erbauung eines Schweinekobens in Hohnstein genehmigt werden! Das Baukapital soll der Pächter mit 5 Prozemt verzinsen, während der Staat das Geld mit 6 Prozemt (in den Handdarlehen) borgt – eine gute Kapitalanlage! In Zittau haben die Preußen auf dem Telegraphenbüro die Apponente, außerdem aber eine Menge Kleinigkeiten, 1 Feldmesser, 1 Kleiderbürste, 1 Waschbecken, 1 Laterne, 1 Seifennäpfchen, 1 Tintenfaß, 2 Handtücher, 2 Wischtücher pp. mitgenommen. Es ward auf Rückgabe dieser Sachen bei Wurmb angetragen. Dieser aber erwiderte, es sei Kriegsbeute (!!) und könne nur durch Rückkauf wieder erlangt werden, doch sei man bereit, Gegenstände, welche man nicht gebrauche, leihweise zu überlassen. Ich möchte nun wirklich gern um leihweise Überlassung des Seifennäpfchens bitten, wenn es nicht Preußen selbst brauche. Mittag war Ferdinand bei uns, dann mit Sophie, die nicht wohl war, etwas in den Zoologischen Garten. Erhard kam, da Jahrmarktsferien sind, heute auf acht Tage hier an. Sein Professor Peters lobte seine Intelligenz und besonders sein mathematisches Talent neulich sehr. Je trüber sich die Zukunft Sachsens gestaltet, je mehr wünsche ich, daß er nicht Jura, sondern die ihm die ganze Welt erschließende Medizin studiere. Vielleicht wird in ihm das Talent seines Urgroßvaters Kapp wieder ins Leben gerufen. August 27 Sehr viel Arbeit, insbesondere wegen der Befestigungsarbeiten, welche den ganzen Wald in der Umgegend Dresdens mit dem Untergang bedrohen, eine Menge Grundstücke devastieren. Auch kam Herr von Wurmb mit dem Preußischen Geheimen Archivrat von Mörner, um anzuzeigen, daß Preußen die Urkunden über Klöster pp. reklamiert, die 1815 abgetreten worden und die man zeither zurückbehalten hat. Recht nette Proposition für einen Geheimen Archivar. Quod jurat. Wurmb erklärte, er sei angewiesen, den Antrag zu unterstützen, was ich auch ohne Kommentar verstand.134 134 Protokoll von Weber vom 27. August 1866 über weitere preußische Aktenabgabeforderungen in Vollzug der Hauptkonvention vom 28. August 1819. Siehe Dokumentenanhang Nr. 31.
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August 28 Da sich hier aus der Umgegend sehr viele Arbeiter gemeldet und die Zahl, welche man braucht, nicht 7 000, wie Wurmb erst sagte, sondern nur 2 500 beträgt, so drang ich darauf, heute gleich eine Bekanntmachung zu erlassen, daß keine Arbeiter mehr nötig seien, sonst hätten wir in den nächsten Tagen vielleicht 20–30 000 hier gehabt. Es war dies um so nötiger, als die Nachricht einging, daß gestern Abend der König von Preußen an Schack (er hat es Engel erzählt) telegraphiert hat, daß am Waldschlößchen kein Holz geschlagen werden solle. Dort ist aber die Hauptschanze anzulegen. Advokat Schreck in Pirna, der in Untersuchung gezogen worden, weil er zu einer Versammlung seiner Gesinnungsgenossen in einem gedruckten Schreiben eingeladen, in dem es heißt: „Die Regierung hat uns schmählich getäuscht“, hat sich deshalb bei Wurmb beschwert, statt den Instanzenzug zu gehen. Ich war allerdings, als die Sache in der Landeskommission vor einiger Zeit durch den Kreisdirektor von Könneritz zur Sprache gebracht ward, der Ansicht, keine Untersuchung einleiten zu lassen, zumal jenes Schreiben nicht veröffentlicht worden ist. Spaßhaft ist es, daß jetzt die Zeitungen die von Hohenthal und mir zunächst angeregte Admonition des Königs an die Landeskommission, daß sie, wenn ein entsprechender Frieden mit Preußen zu Stande komme, ehrlich mit Preußen gehen solle, jetzt so deuten, als ob der König die Landeskommission erst dazu habe auffordern müssen, um sie von ihren preußenfeindlichen Tendenzen abzubringen. Wie doch die Parteilichkeit alles falsch zu drehen sucht. Neulich kam die Frau eines sächsischen Kriegsreservisten jammernd und weinend zu mir, weil ihr Mann nicht in der Verlustliste stehe. Ich konnte es ihr schwer verständlich machen, daß ja dies gerade der Beweis sei, daß ihm nichts zugestoßen sei. August 29 Heute erschien Herr von Mörner im Archiv und wir besprachen zunächst, daß man vielleicht den Grundsatz der Reziprozität wegen der Urkunden annehmen und Preußen uns Urkunden über Sachsen, deren z. B. viele in Magdeburg sind, herausgeben könne. Es mußten heute Briefe nach Wien und Berlin (an Friesen) abgehen, zu deren Überbringung wir Leute absendeten. Ich schrieb an den Generalmajor von Witzleben, der beim König ist, damit wir endlich die Liste der Ordensverleihungen an Offiziere und die königliche Resolution wegen Beust’s Wartegeld bekommen. Der König scheint gar Niemand zur Geschäftsführung bei sich zu haben, da Beust jetzt fort ist. Er schrieb neulich, „er habe heute seine letzte Vorstellung“ – als er beim Kaiser Abschiedsaudienz gehabt. Schimpf scheint nun endlich als Folge einer Vorstellung, die ich ihm über sein widerhaariges Wesen machte, zur Erkenntnis gekommen zu sein, daß man sich nicht bloß durch persönliche Antipathien leiten lassen dürfe. Heute stellte er selbst den Antrag (cf. Anlage), man möge die Eisenbahnwagen, welche der Kronprinz in Wien zurückhält, herkommen lassen, damit die Preußen sie beim Rückmarsch benutzen können. Falkenstein wird immer zorniger auf Schneider, der ihm alles überläßt, gar keinen Teil an den Geschäften der Landeskommission nimmt, ein Protokoll, das er über eine Konferenz mit Wurmb aufzunehmen übernommen, seit mehr als acht Tagen noch nicht gemacht hat. Ich habe mich wiederholt erboten, es nach seinen Angaben, die Gustav stenographieren könne, zu fertigen, er ist nicht dazu zu bringen. Selbst Engel, der ruhige besonnene Mann fängt an, die Geduld zu verlieren. Wenn Schneider mit dem Lesen der Zeitungen und Korrigieren seiner Konzepte aus dem Justizministerium, womit er sich, während ich früh vortrage, beschäftigt, fertig ist, läuft er fort und überläßt nun den beiden Anderen, die Nachmittags wieder zusammenkommen, Alles.
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August 30 Heute kam eine Resolution des Königs an, nach welcher er dem Gesandten von Könneritz in Wien das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, soweit es Beust verwaltet, übertragen hat. Außerdem eine Bestimmung wegen des Wartegeldes Beust’s, er solle auch noch die Besoldung auf den September, den Repräsentationsaufwand noch das nächste Quartal und das Quartier bis Ostern behalten. Also haben wir nun einen nicht aktiven Minister des Auswärtigen, der die Besoldung bezieht, und zwei halbe Minister, Falkenstein und Könneritz. Falkenstein hatte seinen Vortrag so gehalten, daß der König zwischen den Zeilen lesen konnte, es wäre wohl der Fall, daß die Zivilliste etwas tue, das ist aber nicht verstanden worden, wie denn allerdings fürstliche Freigebigkeit nicht ein Charakterzug des Königs ist. Diese Erfahrung haben Andere auch gemacht. Dankbarkeit ist überhaupt auf den Thronen nicht zu finden, da die Fürsten nun einmal Opfer als Pflicht betrachten und daher nicht anerkennen. Fragen kann man freilich, hat Beust den König oder der König Beust ins Unglück gebracht? Das Erstere möchte wohl das Richtigere sein. Die Stimmung wird hier immer trüber, je ferner die Aussichten auf Frieden liegen. Die Partei, die für völliges Aufgehen in Preußen stimmt, nimmt täglich zu und Preußen selbst wirkt natürlich darauf hin, wird es vielleicht selbst auf die Gefahr eines neuen Krieges hin tun. Was steht uns da Alles noch bevor. Ich fange auch an, den Mut zu verlieren und frage mich a qui bon Alles. Die Befestigungen in Neustadt, die abgewendet zu sein schienen, werden doch morgen begonnen, wie ein Telegramm aus Berlin, das uns das preußische Kommando gestern Abend noch mitteilte, anordnet. Den ganzen Tag wieder gearbeitet, eine Menge Punkte bei den Ministern angeregt, an die diese nicht dachten. Falkenstein, der doch jetzt Alles leiten muß, wird, wie ich auch, täglich verdrießlicher. August 31 Fast den ganzen Tag war ich beschäftigt mit der Regulierung des Beust’schen Wartegeldes, eine Angelegenheit, die Beust selbst wie gewöhnlich mit der größten Liederlichkeit unreguliert gelassen. Es ergab sich dabei, daß er sein Quartier im Jahre 1849 ermietet, aber von 1857–1860 den Mietzins (3 866 Taler) nicht entrichtet, der ihm, als 1861 die Stände das Quartier unentgeldlich dem repräsentierenden Minister überließen, ihm vom König erlassen ward. Der Oberbürgermeister Pfotenhauer sagte, daß die Stimmung in Sachsen immer verzweifelter werde und die Partei, welche für gänzliche Annektierung stimme, täglich zunehme. Kein Wunder, da der Druck der Preußen zunimmt und man vom Frieden gar nichts hört. Ich selbst weiß kein Wort, was man in Berlin verlangt hat. Die Adligen, wie Friesen, Erdmannsdorf und Andere, welche den König in Wien besucht haben, mögen ihm eine ganz falsche Idee von den Zuständen und der Stimmung erweckt haben und ihn in einem Widerspruch bestärken, der weder das Wohl des Landes fördert noch ihm selbst die Rückkehr erleichtern wird. Was kostet nicht unsere jetzt völlig nutzlose Armee und wie lange soll sie im Ausland bleiben? Die Landeskommission wird in der Sache natürlich wie gewöhnlich nichts tun, als höchstens ein Protokoll aufnehmen lassen, daß es eben am besten sei, nichts zu tun – wenn auch nicht am Besten, doch am Leichtesten. Ich mußte Vormittag zum preußischen Militärkommando wegen der Einquartierung in Zittau. Ich ward an einen Kürassieroffizier gewiesen, der die Depesche, welche ich vorlegen sollte, um der Stadt die Naturalverpflegung abzunehmen, einem alten Herrn zeigte und mich dann zu ihm führte. Ich erfuhr, daß er der Militärgouverneur General der Infanterie
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von Schack sei, dem ich denn meinen Namen nannte. Es ist ein freundlicher höflicher Herr, der aber, wie vorauszusehen, erklärte, es tue ihm leid, aber die Stadt müsse wie überall die Truppen verpflegen. Daß die Veröffentlichung der Korrespondenz zwischen Beust und dem König, wie ich vorhergesagt, sehr nachteilig auf die öffentliche Meinung einwirkt, bestätigt sich immer mehr. Selbst die Dresdner Nachrichten – sonst sehr loyal – sagen es. September 1 Die Minister waren wegen Beust’s Wartegeld und der Zusicherung, die ihm der König gegeben, daß er das Quartier noch bis Ostern behalten könnte, sehr bedenklich und weder Falkenstein noch Schneider wollten irgend eine Verantwortung übernehmen. Ich mußte daher einen Vortrag voll lauter Bedenken an den König entwerfen, Mittags nach Loschwitz, um 5 wieder herein. Könnte ich doch draußen bleiben, ich habe so eine unendliche Sehnsucht nach Waldesstille, solch einen Ekel vor dem Treiben der Menschen. Nimmt man nur Beust an, vor einem halben Jahr hier noch fast allmächtig – soweit es ein Minister sein kann – staliert vor einem Jahr beim Sängerfest, Abgott der liberalen Partei, jetzt mit Schmutz beworfen von allen Seiten, noch nicht vergessen, aber verhaßt. Seine Kollegen, den Mund voll Redensarten, wollen kaum die Verantwortung übernehmen wegen noch 200 Taler, die ihnen der König bewilligen wollen! Denn darum handelt es sich schließlich, wenn es sich fragt, ob er noch den Gehalt oder bloß Wartegeld auf den Monat September erhalten soll, 500 Taler statt 300 Taler. Er soll sie bekommen, aber nur als Remuneration, was allerdings formell richtiger ist. Ich habe vorgeschlagen a) Remuneration von 200 Taler für September (statt Gehalt), b) Repräsentationsaufwand bis 1. Dezember, c) Quartier bis Ostern, wie der König es bewilligt. Das Quartier wollen aber die Minister nicht und ad b) bloß 1 000 Taler zum 1. Dezember post numerando (also schon zu ¾ verdünnt), zahlbar mithin plus bloß 250 Taler. September 2 Gestern war davon die Rede, daß der Prinz Friedrich Carl von Preußen am Freitag Abend angekommen. Falkenstein sagte, er wisse es, gehe aber keinen Falls zu ihm. Ich fand dies nicht zeitgemäß, Engel auch nicht und schließlich haben sich alle drei bei ihm anmelden lassen und gingen um 12 ½ nach der Sitzung zur Audienz. Als der Prinz die Herren schon entlassen, ist Schneider noch zurückgeblieben und hat, als der Prinz ihn gefragt hat, was er noch wünsche, ihn daran erinnert, daß er ihn, als er mit dem Kronprinzen vor etwa 20 Jahren in Bonn gewesen, kennen gelernt – nicht sehr taktvoll nach der Entlassung! Der Prinz hat ihn darauf eingeladen, mit ihm morgen nach Moritzburg, wo der Prinz jagen will, zu begleiten. Falkenstein war sehr indignieret, vielleicht weil er nicht mitfahren soll (?). September 3 Nicht viel Arbeit. Es kam früh die Nachricht von Schack über die Besetzung Sachsens durch Garnisonen von den Preußen in den größeren Städten, die eine ganz furchtbare Last werden wird, da z. B. Dresden 9–10tausend Mann erhält. Jetzt verhandelt man nur erst über einen Waffenstillstand, da der mit Österreich geschlossene, der doch wohl die Sachsen auch mit einschloß, heute zu Ende geht. Sophie ist heute in Loschwitz, um Bagatelle für Rosa einzurichten, die es unserem Erlieben gemäß morgen mit ihrer Mutter beziehen wird. Das Wetter war so schlecht, daß ich Mittags nicht hinaus konnte. Meine Stimmung wird immer trüber, wenn man all das Elend kommen sieht und es nicht ändern kann. Schneider hat die Jagd in Moritzburg mit dem Prinz Friedrich Carl mitgemacht und kam erst Abends 8 Uhr zurück, so daß die Sachen, die er zu signieren und zu unterzeichnen hatte, nicht abgehen konnten (siehe 6. September).
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September 4 Die Friedensverhandlungen haben noch gar nicht begonnen, man verhandelt erst über den Waffenstillstand, der am gestrigen Tage zu Ende ging. Preußen verlangt die Übergabe des Königsteins und der König telegraphierte deshalb heute an Falkenstein, der Kommandant des Königsteins General Nostitz solle nach Wien kommen. Der alte Herr, der nicht viel politischen Blick haben soll, soll also erst gefragt werden, worüber wieder 5–6 Tage vergehen. General Schack gab doch Nostitz einen Paß, was uns selbst wunderte. Oh Bedächtigkeit, Bedenklichkeiten ohne Ende. Falkenstein schrieb heute einen Brief an den König, worin er leise andeutete, daß, wenn die Verhältnisse noch „lange“ so blieben, die Stimmung in den Städten ungünstig werden möchte. Es war der Satz noch sehr auf Schrauben gestellt, obwohl Falkenstein behauptete, er habe dem König sehr reinen Wein eingeschenkt. Ich machte ihn, da er mein Urteil verlangte, darauf aufmerksam und sagte, er solle doch wenigstens (der Brief war schon mundiert) schreiben „länger“ – allein es blieb dabei. Er schrieb auch mit vollem Recht, daß die Nachricht, die man in die Wiener Blätter gesetzt hat – wir haben es hier nicht offiziell bekannt gemacht – daß Könneritz provisorisch Beust’s Geschäfte im Auswärtigen Departement übertragen erhalten, hier ungünstig gewirkt. Könneritz ist ein alter hämischer Mensch, der, obwohl seit 30 Jahren oder länger in Wien, doch so wenig unterrichtet gewesen, daß über die trostlosen Zustände in Österreich – die geringe Truppenzahl pp. hierher offenbar nicht ausreichende Nachrichten gegeben hat, sonst würden wir uns doch nicht so in Österreichs Arme geworfen haben. Wozu nutzen denn also solche Diplomaten. Dasselbe gilt von dem Gesandten in München! Mittag fuhr ich mit Sophie zur Beust nach Laubegast. Die gemeinsten Schimpfreden auf die Preußen, das albernste trivialste Geschwätz. Illusionen der verworrensten Art. Sie sagte, Beust wolle in einigen Wochen hierherkommen,. Ich bat sie dringend, ihn wenigstens davon abzuhalten, da er zweifelsohne sofort ausgewiesen werden würde. Mit der Frau könnte ich nicht 24 Stunden zusammenleben. Rohheit und Dummheit zusammen sind nicht zu ertragen. September 5 Friesen schrieb gestern an Falkenstein, daß er noch nicht einmal Antwort auf seine Friedensvorschläge erhalten hat – seit mehr denn 14 Tagen! Also gar keine Aussicht auf baldigen Abschluß, den man in Wien vielleicht auch nicht einmal wünschte, wenn man noch auf eine französische Intervention rechnet – jedenfalls Beust’s Ansicht, der immer von „tenacite“ geschrieben hat. General Schack hat gestern gegen Engels geäußert, er hoffe sehr, daß Beust nicht etwa hierherkomme. Ich erhielt daher den Auftrag, ihn zu warnen, dies zu tun. Den Brief adressierte ich an den Gesandten Könneritz in Wien und Forth-Rouen schickte ihn an die französische Gesandtschaft in Wien. Sie, die Beust, hat trotzdem, daß sie uns gestern behauptete, sie werde sich nie mit den Preußen befassen und General Schack ganz ignorieren, wie dieser Engel gestern gesagt, zweimal mit der Bitte an ihn gewandt, daß sie mit Einquartierung und insbesondere mit der Belegung von Pferden in Laubegast verschont werden möge. Schack hat Engel gesagt, Graf Bismarck habe möglichste Rücksicht auf Frau von Beust anbefohlen, allein in die Einquartierungssachen könne er sich nicht mischen. Wie töricht von der Beust, wenn man sie allein mit Einquartierung verschont hätte auf Betteln beim General Schack – welchen Eindruck hätte das gemacht! Der Oberhofmarschall von Gesrdorf ist allerdings in Ungnade entlassen worden (ob mit Pension weiß ich nicht), weil er im Triumpf immer die Siege der Preußen der Königin mitgeteilt hat, worüber diese aber, ohne ihm Etwas sagen zu können, sich furchtbar geärgert hat.
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Wurmb war heute wieder in Konferenz mit der Landeskommission, der er allerdings mehrere Quängeleien vorgebracht hat über Gensdarmen, Amtsblätter pp., die sehr unerheblicher Natur sind und in denen sich nichts machen läßt. Falkenstein war wieder sehr ärgerlich, während er aber sonst immer Wurmb als einen schlauen bösen Fuchs betrachtet wissen wollte, erklärte er ihn heute für dumm – was er am wenigsten ist. Wurmb wird eben von Berlin aus gedrängt und muß da von Zeit zu Zeit etwas tribulieren. Die am meisten auf ihn raisonnieren, würden es an seiner Stelle ebenso machen, vielleicht schlimmer, da Wurmb, wenn er zwei Wege gehen kann, immer den Humaneren vorzieht. Eine dumme Geschichte passierte heute wieder durch Geheimen Rat Weinligs Faselei. Die Preußen wollen hier bloß die Landeskommission anerkennen und verlangen, daß Bekanntmachungen nicht unter dem Namen der Ministerien, sondern der Landeskommission ergehen – warum sehe ich allerdings nicht ein. Indessen man muß sich fügen und es ist denn auch noch neuerdings (30. August) allen Ministerien mitgeteilt worden, daß sie Bekanntmachungen nicht in ihrem Namen ergehen lassen sollen, doch stand heute wieder im Journal (für morgen) Abends eine Bekanntmachung vom Ministerium des Innern von Weinlig unterzeichnet, von der er Falkenstein nichts gesagt hatte. Ich mußte dies nun bei Wurmb entschuldigen und nach Leipzig telegraphieren, daß die Bekanntmachung nicht in der Leipziger Zeitung erscheine. Wasser auf Wurmbs Mühlen, der immer behauptet, die Behörden gehorchten der Landeskommission nicht. September 6 Schneider gab ein Protokoll zu den Akten über seine Exkursion am Montag mit Prinz Friedrich Carl. So ein Zeugnis persönlicher Eitelkeit ist mir fast noch nicht vorgekommen. Er ist – ohne seinen Kollegen vorher etwas zu sagen (Randbemerkung vom 24. September: Nein, er hat Falkenstein benachrichtigt, daß er noch besonders mit dem Prinz, den er von Bonn kenne, sprechen wolle – dies sagte mir Falkenstein.) er, der jünsgte Minister – nach beendigter Audienz zurückgeblieben und hat den Prinzen, der ihre frühere Bekanntschaft ganz ignoriert hat, daran erinnert und ihn gebeten, ihm noch einige Mitteilungen über den Zustand des Landes zu machen. Daraufhin hat ihn der Prinz aufgefordert, mit ihm nach Moritzburg zu fahren. Unterwegs hat er ihm dann viel Patriotisches, insbesondere über die Armee gesagt – ob mit denselben zum Teil starken Ausdrücken, die das Protokoll enthält, wollen wir dahingestellt sein lassen. Der Prinz hat aber erwidert, er könne mit dem König nicht über Politik sprechen, hat aber schließlich eine Art Zusage gegeben und diese, als ihn Schneider bei der Abreise nochmals auf dem Bahnhof aufgesucht, durch „einen Händedruck und bedeutdsamen Blick“ bestätigt, als ihn Schneider gebeten, er möge ihn in gutem Andenken behalten. Ein recht augenscheinlicher Beweis, welche Wirtschaft beim Ministerium des Innern herrscht, kam heute wieder vor. Ein gewisser Pagen gibt einen illustrierten Volkskalender, der großen Absatz hat, heraus und verbindet das mit einer Lotterie. Dies ist ihm einige Jahre lang vom Ministerium des Innern bewilligt, für 1867 aber abgeschlagen worden. Er hat nun um Gestattung auch für dieses Jahr gebeten und angegeben, er müßte sonst übermorgen seine zahlreichen Arbeiter entlassen. Die Sache brachte er an die Landeskommission und da es eilig war, ward der Referent Geheimer Regierungsrat Eppendorf zitiert, um sofort Auskunft zu geben. Er war gegen die Genehmigung und bemerkte, daß das Geschäft Pagens ganz unbedeutend sei und höchstens 6–7 Arbeiter in Frage kämen. Kaum war Eppendorf fort, so kam einer der Arbeiter Pagens aus Leipzig, um in deren Interesse um die Gestattung zu bitten.
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Er gab deren Zahl auf 300 an! Der Kreisdirektor Burgsdorf, bei dem ich nun Erkundigung einzog, bemerkte, daß allerdings wohl 80–100 Arbeiter in dem Geschäft seien, u. a. auch Frauen beim Setzen beschäftigt würden. Auf solche unzuverlässige Angaben eines gar nicht instruierten Referenten hin sollte nun Resolution bei der Landeskommission gefaßt werden. Er brauchte ja nur zu sagen, er wisse die Zahl der Arbeiter nicht, statt zu lügen. September 7 Endlich bessere Nachrichten aus Berlin, daß die Friedensverhandlungen auf einer möglichen Basis begonnen haben. Viel Arbeit, aber von keiner großen Erheblichkeit. Eine Sache freute mich. Ein Soldat, der wegen Desertion in der Militärstrafanstalt zwei Jahre abgebüßt hatte, war bei der Arbeit an den Pontonschuppen ausgetreten, jedenfalls um auszureißen. Er ward aber nach 1 Stunde unter den Pontonschuppen versteckt wieder gefunden. Dieser Versuch ward mit vier Jahren Arbeitshaus bestraft. Er hat schon ein paar Jahre davon abgesessen. Das Kriegsministerium war gegen seine Begnadigung, die ich aber durchsetzte. Ich schrieb einen Artikel zur Rechtfertigung der Veröffentlichung der Korrespondenz des Königs mit Beust über dessen Entlassung und über die Tätigkeit der Landeskommission für die Zeitungen. Immer habe ich wiederholt darauf aufmerksam gemacht, man soll doch gegen die zahllosen Lügen in den preußischen Zeitungen durch die Presse wirken, Widerlegungen geben, wenn es auch etwas Geld koste. Ich predigte aber stets tauben Ohren. Bei meiner Geschäftslast kann ich nicht selbst viel für die Zeitungen schreiben, zumal zu solchen Artikeln eine Stimmung gehört, die man sich nicht immer geben kann. In Wien aber könnte man doch auch daran denken! September 8 Nichts besonderes. Mittags mit Falkenstein übereingekommen, daß wir den Nachmittag einmal „schwänzen“ wollen. Daher nach Loschwitz, mit Rosa und ihrer Mutter gegessen – furchtbar ledern – Dampfschiff war fort, Omnibus benutzt, wie die Heringe mit Sophie und Oda unter furchtbarem Gewitter zurück, beladen mit einem 30 Pfund schweren Sack mit Blechbüchsen pp., es war herrlich!! September 9 Gestern hat man trotz einer neuerlichen Zusage, daß am Waldschlößchen der Wald nicht niedergeschlagen werden sollte, doch angefangen, dort mit 50 Arbeitern abzuholzen. Ich drang darauf, daß General Engel sich deshalb an General Schack wende, obwohl vorauszusehen, daß es nicht viel helfen werde. Die Landeskommission muß wenigstens keinen Versuch scheuen. Schack hat auch gesagt, er könne nichts tun, es sei Befehl aus Berlin. Nun beantragte ich, daß wenigstens deshalb an Friesen nach Berlin geschrieben werde. Um den Waffenstillstand, von dem ich allerdings gar keinen Nutzen sehe, herbeizuführen, hat der König sich entschlossen, den Königstein übergeben zu lassen. Als Friedensbedingung und um die Befestigung von Dresden abzuwenden würde ich es verstehen, so kapiere ich den Zweck und das Resultat der Königlichen Resolution, die heute an die Landeskommission gelangte, nicht. Oberberghauptmann Beust, mit dem ich sonst sehr befreundet war, ein Verhältnis, das aber Zeit, lange Trennung und das alberne Benehmen seiner vor Hochmut ¾ verrückten Frau ziemlich gelöst hat, kam gestern hierher, um sich Urlaub zur Reise zu seinem Bruder nach Gastein auszubitten. Da er sehr gedrückt schien, hielt ich es für Pflicht, doppelt freundlich gegen ihn zu sein. Er aß heute mit Ferdinand bei mir. Von je war er ein Raisonneur, nie mit dem Bestehenden zufrieden, aber ein Mann von Ideen. Ich besprach denn Vieles über seinen Bruder, namentlich daß er nicht hierher kommen, lieber einige Zeit verschwinden möge,
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z. B. in der Schweiz, auch möge er doch seiner Frau etwas den Mund stopfen – freilich kaum möglich – daß sie ihr unkluges gemeines Schimpfen lasse, über das sich hier, dank Gustav und Gersdorf, schon die Leute zu unterhalten anfangen. September 10 Falkenstein gab mir einen Brief an den König mit der Bitte, eine Abschrift eigenhändig zu machen. Ich dachte Wunder, welche Staatsgeheimnisse er enthalte. Es war aber gar nichts darin als gewöhnliche Notizen und ich sah nicht ein, warum ich ihn selbst abschreiben sollte. Er schrieb u. a., wir wehren uns so lange es geht und lassen uns schikanieren, wenn es nicht geht. Von dem Wehren habe ich nicht viel bemerkt, es wird auch nichts geholfen haben. Einige Kuriosa kamen vor. Die sächsischen Truppen haben beim Abzug ganz törichter Weise den Löbauer Bahnhof zerstört und die Kohlenschuppen angezündet. Für letztere verlangt das Finanzministerium Entschädigung von der Brandkasse, die keine fiskalische Anstalt ist. Das war doch dem Ministerium des Innern zu toll und ward auch von der Landeskommission, der Schneider als interemistischer Finanzminister die Sache vortrug, zurückgewiesen. Der Stadtrat zu Löbau hat auf Verlangen der Preußen zu Herstellung der Schienen pp. gegen 200 Taler verwendet, die jetzt von der Eisenbahndirektion, die wieder im Besitz ist, vom Rat verlangt worden. Auch diese wollte das Finanzministerium nicht zahlen, das offenbar anzunehmen scheint, es gebe zwei Fiskus, die miteinander Prozesse führen könnten, Militär und Staatsfiskus. Auch darüber mußte das Finanzministerium belehrt werden, da die Landeskommission nicht bloß die Verhandlungen mit der preußischen Okkupation, sondern die ganze Landesverwaltung hat. So kommt mir aller mögliche Krempel in die Hände, oft Sachen, die mir böhmische Dörfer sind und über die ich mich erst in der Gesetzgebung, in der ich sehr fremd geworden bin, erst orientieren muß. September 11 „Doch meine Verdienste blieben im Stillen“ sagt Hummelgeist in der Preciosa. Das kann ich sehr häufig jetzt sagen. Ich habe wiederholt darauf gedrungen, daß man doch den zahllosen Lügen, welche die Zeitungen über Sachsen, den König, die Landeskommission enthalten, in der Presse durch ruhig gehaltene Widerlegungen entgegen treten möge. Dazu können Wiener, ja selbst preußische Blätter, die jetzt öfter Artikel aus Sachsen bringen, die viel Wahres enthalten, dienen. Es hieß aber immer, ja wir haben keine Zeitungen, die solche Sachen aufnehmen würden, ohne daß man auch nur den Versuch gemacht hätte. Heute hat nun aber Falkenstein an Könneritz in Wien eine Sammlung von Lügen, welche die Zeitungen enthalten, z. B. daß die sächsische Armee in Wien auf 70 000 Mann gebracht worden sei, neue Batterien errichtet worden pp., geschrieben, mit dem Antrag, man möge sie in Wiener Blättern widerlegen lassen. Meinen Artikel über die Korrespondenz zwischen Beust und dem König, die Landeskommission pp. will Witzleben, wie er mir heute schrieb, an die Spenersche Zeitung nach Berlin schicken. Er ist so ruhig und so wenig preußenfeindlich gehalten, wie ich selbst denke und kann in jedem preußischen Blatt erscheinen. Nous verrons. Die Ministerin Falkenstein war heute bei Sophie und hatte diese u. a. gefragt, ob denn ihr Mann auch in Geschäften so aufgeregt sei wie zu Hause. Dafür hätte ich ihr allerdings vielfache Belege liefern können. September 12 Die Lazarettkommission hat den Hofarzt Dr. Brauer nach Böhmen geschickt, um die in den dortigen Lazaretten befindlichen Sachsen beim Zurückgehen der Preußen, soweit sie transportabel sind, nach Sachsen zurückzubringen. In Hradeck hat er aber einen Doktor Helbig mit zwei Krankenwärtern getroffen, der den Befehl gehabt, die Rekonvaleszenten zur sächsischen Armee nach Wien zu bringen. Sie sind Kriegsgefangene
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und deren Wiedereinstellung in die Armee würde dann natürlich die größten Verwicklungen mit Preußen herbeigeführt haben. Wie man dies in Wien übersehen hat, ist doch in der Tat unfasslich. Die Landeskommission verfügte dann sofort an die Lazarettkommission, es bleibe unter allen Umständen dabei, daß die Rekonvaleszenten nach Sachsen gebracht würden und gleichzeitig ward an den Minister von Rabenhorst geschrieben, daß Dr. Helbig demgemäß möge instruiert werden. Die eben erst in Fluß gekommenen Friedensverhandlungen können an solchen Unbegreiflichkeiten wieder scheitern. Ich traf heute Just, der noch sehr verbissen ist, obwohl ein 14tägiger Aufenthalt in Schandau ihn etwas beruhigt hat. Er hat sich nur um einzelne Prinzipfragen politischer und polizeilicher Natur bekümmert und in diesen allerdings keine geniale Auffassung bei den Vorträgen im Ministerium berührt, aber einzelne Branchen hat er gar nicht beachtet, z. B. die Abteilung für die Zuchthäuser pp., in der Zahn unumschränkt gewirtschaftet hat, ohne alle Kontrolle. Dieser ist ein über alle Maßen geiziger und hartherziger Mann, der ökonomisch allerdings wohl sehr sorgfältig wirtschaftet, aber menschlichen Gefühlen ganz fremd ist. Ein neuer Minister des Innern wird eine ziemlich schwere Aufgabe haben, ehe er den Räten wieder vergegenwärtigt, daß ein Minister existiert und „ein Richter ist wieder auf Erden“, wie Schiller sagt, nach der minister“losen schrecklichen Zeit“. Abends kam die Kral zu uns, die während der ganzen Kriegszeit in Böhmen bei Verwandten, aber entfernt vom Kriegsschauplatz, gewesen ist. Sie ist sehr czechisch gesinnt, ihr Bruder Hofrat von Henniger in Prag hat eine schwere Aufgabe gehabt, da er Adlatus des österreichischen Landesgouverneurs Graf Lazanski gewesen, mit dem er nicht harmoniert. September 13 Ein Advokat Schollwitz in Leipzig ist remoriert worden und hat nun um Begnadigung gebeten. Es ward heute in der Landeskommission vorläufig von der Sache gesprochen, wobei Falkenstein Folgendes erzählte. Er ist als Student mit Schollwitz sehr bekannt gewesen und diesem „als genialer Student“ 10–12 Taler schuldig geworden, indem Schollwitz bei Landpartien zu Pferde einige Mal für ihn bezahlt hat. Bei seiner Verheiratung läßt er durch Schollwitz für seine Frau einen Schreibtisch machen, kann aber vielfältiger Rechnung ungeachet die Rechnung nicht erhalten. Der Tisch kostete, sowiel er sehen konnte, etwa 35–40 Taler. Im Jahre 1847 schickt ihm Schollwitz endlich eine Rechnung, in der er Zins von Zins von der ersten Schuld und den Rest für den Schreibtisch berechnet und ein Debet von 450–500 Taler berechnet. Falkenstein schickt ihm auch das Geld, aber mit einem massiven Brief. Etwas coloriert mag wohl die Sache sein. Sonst nichts besonderes. Abends mit Sophie ins Theater, wo ein höchst komisches Lustspiel „Y. 1.“ von Girndt gegeben ward. Das Publikum im Parkett und Ersten Rang bestand fast bloß aus preußischen Offizieren, da jetzt in Folge des Rückzuges aus Böhmen Dresden ganz überfüllt ist. Dies wird noch bis zum 20. September dauern. . September 14 Gustav, der jetzt, da seine Wirtsleute verreist sind, bei uns wohnt, bekam die Cholerine und schwitzte den ganzen Tag im Bette. Ich mußte daher seine Arbeit mit verrichten. Tauchnitz schickte mir heute eine Broschüre „Sachsen und der norddeutsche Bund“, die bei ihm herausgekommen. Als ich früh sie Falkenstein zeigte, sagte er, er habe sie eigentlich geschrieben oder wenigstens alles Material dazu geliefert. (?) Wahrscheinlich ist sie vom Regierungsrat von Witzleben. Ich mußte dann zu Wurmb, um wegen einer Bekanntmachung, die die Leipziger Kommandantur nicht hat passieren lassen wollen (über das Examen der
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Kandidaten zum höheren Forstdienst!), zu reden. Ich traf dort einen sehr angenehmen jungen Mann, der ihm ad latus gegeben ist, Graf Winzingerode. Beide konnten ebensowenig als ich begreifen, was Preußenfeindliches oder Bedenkliches in der Bekanntmachung stecke. Wurmb kam dann auf andere Sachen zu sprechen, behauptete, der Regierungsrat von Zehmen sei vom König nach Wien berufen, „er wisse es bestimmt“. Er wußte es aber wie häufig ganz falsch, denn Zehmen ist wie viele andere – so noch heute der Landesälteste von Thielau – bloß nach Wien gereist, um dem König seine loyalen Gefühle auszusprechen. Dann sagte Wurmb, man habe zwar die Landtagswahlen gestattet, werde aber den Landtag nicht zusammentreten lassen, da er sich so ganz der Beust’schen Politik ergeben und Preußenfeindlich gezeigt habe. Ich erwiderte, daß der Landtag nötig sei wegen Finanzmaßregeln und Genehmigung des Beitritts zum nordischen Bund. Man werde wohl nicht die Regierung zwingen, auf das Wahlgesetz von 1848, das uns den Unverstandslandtag gebracht, zurückzugehen. Dann meinte er, man müsse für die Städte, welche Garnison bekommen, eine Paräquation einführen. Als ich dies dann in der Landeskommission erwähnte, behauptete Falkenstein, Preußen werde gar keine Garnisonen nach Sachsen legen (?). Wurmb erkundigte sich auch, was aus einem Werke „Die preußische Ostasiatische Expedition“, ein Prachtwerk über Jagen, geworden, das im vorigen Jahr als Geschenk hierher gesendet worden. Es ergab sich, daß Beust der preußischen Gesandtschaft im Dezember vorigen Jahres dafür gedankt, das Prachtwerk aber im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten liegen geblieben und ganz vergessen worden war. Es ward nun beschlossen, es an die Königliche Bibliothek abzugeben. Eine eigentümliche Resolution hat die Eisenbahndirektion in Leipzig (Biedermann hatte unterzeichnet) gefaßt. Die Pächterin der Eisenbahn-Restauration zu Eutritzsch hat Truppen verpflegen müssen und Ersatz der Kosten (53 Taler) von der Amtshauptmannschaft, der Eisenbahndirektion, der Gemeinde Prösen der Reihe nach verlangt. Die Eisenbahn aber hat sie beschieden, wenn die Gemeinde sie nicht befriedige, solle sie sich an das Militärkommando wenden. Eine sächsische Behörde verweist in einer Einquartierungsdifferenz zwischen sächsischen Untertanen an das preußische Militärkommando! September 17 Abends nach 8 kam Frau von Budberg mit der Nachricht, das laut eines Briefes aus Wien an den Sohn eines Advokaten Beschorner, dieser ihrem Mann überbracht, die Kronprinzessin den Soldaten erzählt, daß der Frieden geschlossen und der König gestern – also gerade drei Monate nach dem Einrücken der Preußen, unterzeichnet habe. Hoffentlich ist es wahr. In der Stadt hat man schon Vormittag davon gesprochen, daß der Frieden geschlossen sei. Die Landeskommission wußte nichts davon. Auch kurios! September 18 Die Nachricht, daß der Friede geschlossen sei, war eine – Ente. Es mag sein, daß der König gewisse, auf die Armee bezügliche Propositionen, die von Fabrice vorgelegt, aber der König von Preußen in der Form noch nicht genehmigt hat, akzeptiert hat und daß nun umso mehr Hoffnung zum Frieden ist, aber weiter nichts. Den Geheimen Rat von Könneritz hat der Schlag getroffen und der König hat nun gar Niemand bei sich, der ihm mit Rat an die Hand gehen kann, was sehr schlimm ist, da er sich leicht übereilt und doch wieder in manchen Sachen schwer entschließt – läßt sich aber jetzt nicht ändern. Beust’s Wartegeldsache ist endlich in Ordnung. Er bekommt 3 600 Taler Wartegeld vom 1. September, 1 000 Taler Gratifikation, vorbehaltlich seiner Diäten (16 Taler pro Tag) und 1 000 Taler Repräsentationsaufwand, der den 1. Dezember pro präterito fällig war (also
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250 Taler auf 3 Monate, mehr als er fordern kann). Das Quartier behält er bis Ende des Jahres, von seinem Mobiliar soll als Inventar nach seinem Wunsch übernommen werden. Mein Aufsatz „Aus einer sächsischen Bergstadt“ ist in der Spenerschen Zeitung erschienen und von da in die Leipziger Zeitung, das Dresdner Journal (vom 19. September Nr. 217) übergegangen und wird nun die Runde machen. September 19 Charakteristisch für die Verhältnisse der Minister untereinander ist es doch, daß Friesen aus Berlin kein Wort über die Friedensverhandlungen seit Sonnabend geschrieben hat, so daß Privatleute durch Briefe aus Wien besser unterrichtet sind als die Landeskommission. Falkenstein beklagte sich auch darüber heute in einem Brief an den König. Ich bekam den beiliegenden Brief von Beust135, den ich sofort ausführlich beantwortete, ihm ratend, für die nächste Zeit sich ganz still zu verhalten, den Winter vielleicht in die Schweiz zu gehen, bis die von Preußen verbreiteten, tief eingewurzelten Vorurteile, daß er der Anstifter allen Unheils sei, sich verzogen. Wenn man in Berlin inne geworden, daß seine Intelligenz doch sehr gut zu nutzen sei, dann kann seine Zeit wiederkommen. Allein im Augenblick kann man in Berlin doch sich nicht selbst Lügen strafen und den Sündenbock, zu dem man Beust gestempelt, wieder als Minister oder Gesandten akzeptieren. Abends waren die alte Frau von Berlepsch und deren älteste Tochter und Falkensteins bei uns mit Frau von Krug. Wir waren ganz fidel, da Falkenstein als Gesellschafter sehr angenehm ist. September 20 Endlich ein Brief von Friesen. Am 15. d. M. ist die Militärkonvention von Fabrice und dem preußischen Bevollmächtigten in der Hauptsache bis auf die Genehmigung der beiden Könige günstig verabredet worden. Hauptmann Winkler ward damit nach Wien gesendet, am 17. traf ein Telegramm mit des Königs Genehmigung ein. Als aber Friesen noch am Abend den preußischen General, der die Sache leitet, aufsucht, ist Alles anders. Inmittelst war die Nachricht eingetroffen, daß die österreichischen Erzherzöge ihre preußischen Regimenter aufgegeben und man den österreichischen Regimentern, die Namen preußischer Prinzen trugen, diese entzogen. Das hat in Berlin furchtbar verletzt und man wollte dies nun Sachsen entgelten lassen. Die früheren Zugeständnisse wurden zurückgenommen, der Fahneneid der sächsischen Armee für Preußen verlangt und daß die ganze Militärfrage durch das Parlament definitiv entschieden werden solle, wodurch also die ganze Konvention wieder hätte aufgehoben werden können. Da Bismarck krank war, wendete sich Friesen an Savigny, der denn auch Hilfe zusagte und Wort gehalten hat. Man ist auf die früheren günstigeren Bedingungen eingegangen, und die Sache liegt nun zur Unterschrift des Königs vor. Regierungsrat von Witzleben hat eine Broschüre „Sachsen und der norddeutsche Bund“ geschrieben, die bei Tauchnitz herausgekommen. Ich brachte in Anregung, diese möglichst und unentgeltlich zu verbreiten und schrieb deshalb auf Falkensteins Anweisung an Tauchnitz, daß die Regierung eine größere Anzahl von Exemplaren brauche. Falkenstein hat dann Kohlschütter die Sache übertragen und dafür ein langes Kanzleischreiben an Tauchnitz ergehen lassen, nach welchem dieser die Schrift in bis 3 000 Exemplaren versenden sollte an die Landtagsabgeordneten, Friedensrichter, Geistliche, Schullehrer pp. Daneben hat Minister Schneider hier 2 000 Exemplare bei Bundach bestellt. Tauchnitz war hierdurch nun im Unklaren, wollte auch die Versendung an die Einzelnen nicht übernehmen und kam deshalb Abend hierher. Ich wußte gar nichts von der Bestellung Schneiders. Tauchnitz kam Abends 135 Brief von Beust an Weber vom 11. September 1866 aus Gastein. Siehe Dokumentenanhang Nr. 32.
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zum Souper zu uns und wir besprachen die Sache in dem Sinn, daß man den Anschein vermeiden muß, als ob es eine offizielle Schrift sei und sie möglichst in die Hände von Leuten bringen muß, die sie nicht kaufen würden, z. B. die Gemeindevorstände. Tauchnitz liefert die Hälfte der etwa 5 000 Exemplare umsonst. Er erzählte u. a., daß er in den 40er Jahren sich mit dem Plan beschäftigt, die englischen Schriftsteller herauszugeben, (von seiner Sammlung sind über 300 Bände schon erschienen), daß er aber noch gar nicht im Klaren gewesen und mit Niemand davon gesprochen gehabt. Er kommt nach Paris und wird von einem Bekannten aufgefordert, mit zur Lenovacand, der berühmten Kartenschlägerin, zu gehen. Er bezahlt seine 20 France und wird nach langem Warten, da sehr viele Menschen dort waren, endlich zu der alten Dame hereingelassen, die einige Karten abzieht und ihm daraus prophezeit ohne irgend zu wissen, wer und was er ist. Sie sagt ihm zu seinem größten Erstaunen, er werde in einer Unternehmung mit England großes Glück haben – was sich denn auch bewährt hat, während mehrere ihrer auf bestimmte Tage gerichtete Prophezeiungen, z. B. daß er ein Duell an einem Tage haben werde, nicht zugetroffen sind. September 21 Ich war im Archiv um 10 gerade beschäftigt, meine Verhandlungen mit Tauchnitz zu Papier zu bringen, als Römer erschien, um mir seine Not zu klagen. Er hat nämlich die Pfarrstelle in Neumark zu besetzen und die Gemeinde will ihm eine Deputation schicken. Er winselte förmlich vor Schrecken. Ich konnte ihm im Augenblick keine Zeit widmen, ging aber um 1 ½ zu ihm, wo wir denn die Sache besprachen und die Deputation durch einen Brief ablehnten. Seine Dankbarkeit bezeigte er dadurch, daß er mir 20 Taler gab zu einer Sammlung, welche Gustav für die Hinterlassenen eines Försters Klähr gab, der ihm bekannt war und von einem Wilddieb erschosssen worden ist. In der Sitzung der Landeskommission trug ich die Sache wegen Verteilung der Witzlebenschen Broschüre vor und hatte dazu auch Kohlschütter für 11 Uhr, da die Sache eilig war, einladen lassen. Er ließ aber sagen, seine Droschke komme nicht so früh, er könne erst nach 11 ½ kommen und so mußte denn die den König vertretende Landeskommission eine halbe Stunde auf des Herrn Geheimen Rates Droschke warten. Auch gut! Obgleich die Bestimmungen des Ministeriums des Innern wegen der Verteilung, die ganz unpraktisch waren, insgesamt verworfen wurden, sagte er doch kein Wort, ja, obwohl er die Verordnung an Tauchnitz unterschrieben hatte, wußte er nicht einmal das Wesentliche. Er sagte, er hätte die Sache nicht aufhalten wollen. Auch gut! Wenn es nur fort ist, das Wie ist ja ganz egal. Ei so schlag dich. September 26 Der Bericht, den Fabrice über die allerdings günstigen Ergebnisse der Vorverhandlungen an den König erstattet hat, ist von der Kronprinzessin unkluger Weise als Abschluß der Friedensverhandlungen betrachtet worden. In Berlin hat man das furchtbar übel genommen, daß man jene Verhandlungen, welche der König von Preußen noch nicht gekannt, weniger genehmigt hat, ins Publikum gebracht und insbesondere der Sachsen feindlich gesinnte Kronprinz von Preußen hat nun geschürt und Alles ist jetzt wenigstens wieder hinausgeschoben. So schrieb Friesen vor einigen Tagen. Falkenstein antwortete ihm auch sehr erzürnt über das Weibergeschwätz und fuhr vorgestern mit Engel Abends zur verw. Königin, um sie zu bitten, nach Wien zu schreiben, daß man dort doch vorsichtiger sei. Von dort hatte man auch befohlen, daß die sächsischen Rekonvaleszenten in den böhmischen Hospitälern nach Wien zur Armee geschickt werden sollten. Wir erschraken natürlich nicht wenig, da sie Kriegsgefangene sind und Preußen daher natürlich sofort reklamieren würde, wenn
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sie wieder zur sächsischen Armee kämen. Ein Schreiben an Rabenhorst, das ich entwarf, hat dann das Resultat gehabt, daß man sie, wie wir verlangten, nach Sachsen spedierte. Daß man doch in Wien an gar nichts denkt. Der König hat nun noch den ehemaligen Bundestagsgesandten Bose zum partiellen Minister des Auswärtigen gemacht. Beust’s Finanzen müssen doch sehr derangiert sein. Er hat bei der Abreise 2 000 Taler Vorschuß vom Auswärtigen Ministerium erhalten und es sollte nun die ihm bewilligte Gratifikation von 1 000 Taler durch Kompensation auf jene 2 000 Taler abgeführt werden. Allein in einem gestern erhaltenen Brief136 bittet er mich, die 1 000 Taler bar an den Finanzprokurator Schmidt zur Tilgung von Schulden zu zahlen. Falkenstein war sehr bedenklich, doch da Beust 99 Taler Diäten und außerdem noch die Reisekosten zu fordern hat, so beruhigte er sich damit, daß ein Protokoll die Genehmigung der Landeskommission konstatieren soll. Die Reise Beust’s nach Paris muß Sachsen auch bezahlen, da Österreich es nicht getan hat. Der König hat Beust den Kaiser zu politischen Verhandlungen zur Disposition gestellt gehabt und Beust schreibt mir, die Reise habe Sachsen viel eingebracht. Bis jetzt merken wir das noch nicht. Der Major von Schönfeld – früher Präsident der Ersten Kammer – erzählte mir heute Folgendes. Vor einigen Tagen ist er auf der Bastei. Neben ihm an einem anderen Tische sitzen zwei anständig gekleidete Herren, die von Politik sprechen. Der Herr, der Sprache nach ein Sachse, sagt dem andern – Preuße – er wundere sich, daß die Preußen in Böhmen sich so gut unterrichtet über Alles erwiesen. O, sagt der Andere, das sind wir hier auch, wir wissen allemal Abends, was Mittags in der Landeskommission beschlossen worden ist. Möglich, daß Preußen einen zweiten Menzel gefunden hat. Das Geld ist aber entschieden weggeworfen, denn unsere Akten könnten alle Tage gedruckt werden. Sie beweisen nur, daß die Landeskommission immer ganz loyal auch Preußen gegenüber gehandelt hat. Wie Falkenstein die Geschäftslast überwindet, verstehe ich in der Tat nicht. Er geht regelmäßig ein paar Stunden in das Ministerium des Innern, versieht das Kultusministerium, hat noch alle Tage eine Menge Konzepte aus dem Kriegsministerium und Ministerium des Auswärtigen, dazu noch die Geschäfte der Landeskommission und die Korrespondenzen mit Friesen und dem König. Das ist doch fast zu viel für eines Menschen Kraft! . September 27 Friesen war die Nacht von Berlin gekommen, ging Mittag nach Prag, wo der König heute erwartet wird. Die Militärkonvention ist immer noch nicht abgeschlossen und von ihr hängt der Beginn der Friedensverhandlungen ab. Witzleben aus Leipzig hier – Gespräch mit ihm, daß man doch gegen die Lügen der schlesischen und anderer Zeitungen in der preußischen Presse nur mit Widerlegungen auftreten möge – es will aber eben Niemand die Initiative ergreifen und die Vertretung übernehmen für das Geld, welches Artikel natürlich kosten. Da lassen wir uns lieber mit Schmutz bewerfen. Mittag fuhr ich mit Sophie und Oda nach Loschwitz, um Feigen zu ernten, die dieses Jahr, wo alles andere Obst mißraten ist, in einer sehr großen Fülle reifen. Abends brachten wir der Ministerin Falkenstein, welche sie liebt, einige und blieben den Abend dort. Sie haben alle Abende einen kleinen Kreis bei sich, zu dem man ungeladen und ungeniert gehen kann. Wäre ich nicht zu träge, um noch Abends 8 ½ einen Frack anzuziehen, so würde ich öfters hingehen, da ich ihn wie sie sehr gern leiden mag. In geselliger Beziehung sind sie sehr angenehm, ohne alles Vornehmtun. 136 Brief von Beust an Weber vom 24. September 1866 aus Salzburg. Siehe Dokumentenanhang Nr. 33.
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September 28 An Schacks Stelle ist ein General von Briesen137 getreten, der sehr gelobt wird, aber mit der Landeskommission in Differenzen geraten ist. Er verlangt, daß in den Garnisonen die Mieter mit der Einquartierung verschont werden sollen und die Landeskommission eine Voräquation der Kriegslasten sogleich vornehmen soll. Das Erstere ist gegen das Regulativ von Dresden, nach dem Kriegseinquartierung alle Hausbewohner trifft, das Letztere bedarf eines Gesetzes und – Geld. Da er heute die Sache wieder paramtorisch urgierte, mußte ich noch am Nachmittag, ohne daß vorher das Ministerium des Innern gehört werden konnte, eine Gegendeduktion wegen der Einquartierung schreiben, ohne Zeit zu haben, die Sache gründlich zu prüfen. Wenn man dabei nun ein Gesetz übersieht? Bei unserem Chaos von Gesetzen, von denen eines immer das andere aufhebt, aber berechtigt. September 29 Friesen von Prag um 3 Uhr zurückgekehrt, ließ mich rufen, wollte hören, was wir hier gemacht, ich ihm referiert. Er sagte, daß Wurmb über den Preußenhaß in Dresden nach Berlin referiert, der Beibehaltung einer preußischen Garnison zum Schutz der hiesigen Preußen insistiert – der König von Preußen darüber sehr bedenklich. Also noch manche Verwicklung bevorstehend. Die Umgebungen unseres Königs, Regierungsrat von Watzdorf, ein gescheiter, aber ganz unwissender Mann, item Geheimer Rat Bose wissen gar nichts von unserer Gesetzgebung, haben keine Idee vom Geschäftsgang, daher dort Konfusion in allen Ecken. Ich mußte gleich eine Gesetzsammlung hinschicken. Beust hat bei den Gehaltserhöhungen 1864 die Gesandten ganz vergessen, bloß einige betriebsame Flöhe wie Seebach, Vitzthum, vor allem Lemaistre jun. haben sich Erhöhung des Gehalts im Gegensatz zum Dienstaufwand ausgewirkt. Jetzt, wo es sich um Quieszierungen handelt um den Betrag des eigentlichen Gehalts hat nun Beust eine Tabelle mit Erhöhungen dem König vorgelegt und dieser sie genehmigt, ohne weitere Erörterung, ob das nach den ständischen Verhandlungen so prohibitu geht. Das soll ich nun ermitteln. Die Resolution des Königs haben wir aber gar nicht, während Bose behauptet hat, sie wäre an die Landeskommission geschickt worden. Noch vieles Ähnliche erzählte Friesen, klagend über die Unwissenheit der jüngeren Beamten. Oktober 1 Der Zivilkommissar von Wurmb ist zwar zeither auf Kosten der Stadt im Hotel Bellevue einquartiert gewesen und hat dort sehr gut gelebt. Heute bekamen wir aber noch eine Diätenrechnung vom 16. Juni bis 30. September für ihn im Betrag von 2 955 Taler 10 Neugroschen, welche Sachsen bezahlen muß. Bei der Gräfin Marschall sind neulich zwei preußische Damen, die Verwundete hier besuchten, einquartiert worden als „ein Major mit Diener“ – auch kurios. Die Arbeit, statt abzunehmen, macht sich durch die vielen Beschwerden und Landessachen, die an die Landeskommission kommen, und mir, da ich mit der Verwaltungsgesetzgebung nicht mehr bekannt bin, viel Arbeit machen. Oktober 2 Den alten Könneritz hat vor einigen Tagen ein Schlaganfall getroffen, gerade jetzt, wo seine Aufsätze über seine Familie im Archiv für die sächsische Geschichte, dessen Band 5 Heft 2 heute ausgegeben wird, escheinen.138 137 Briesen, Louis Arthur von (1819–1890), preußischer Generalleutnant. 138 J. T. J. v. Könneritz: Heinrich von Könneritz und seine sechs Söhne. In: Archiv für sächsische Geschichte Band V, S. 130–201; Band VI, S. 225–293. – Siehe auch Cäsar Dietrich von Witzleben: Julius Traugott Jakob von Könneritz. Kgl. Sächs. Staatsminister a. D. In: Archiv für sächsische Geschichte. Band VII, S. 1–59.
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Schon vor längerer Zeit und wiederholt habe ich bei der Landeskommission darauf angetragen, man möge sich mit Preußen verständigen, daß die Kriegsreservisten von der Armee entlassen werden können, um das Geld zu sparen und die Leute ihren Geschäften wiederzugeben. Falkenstein wollte nicht, „was soll man jetzt deshalb bei Preußen betteln“. Jetzt hat der Kreisdirektor Uhde die Sache in Anregung gebracht und ihm hat Falkenstein – ich mußte deshalb ein Protokoll aufnehmen – geantwortet, die Landeskommission habe bereits, soviel ihr möglich, die Sache eingeleitet (?). Er müßte deshalb an den König geschrieben haben, wovon ich nichts weiß, obwohl er mir immer die Briefe zu lesen gibt. Oktober 3 Die Hoffnung, daß es nun mit dem Frieden, nachdem Friesen zurückgekehrt, schneller gehen werde, bestätigt sich nicht. Aus Prag schrieb Regierungsrat von Watzdorf, daß Friesen noch nicht geschrieben habe und wir wissen auch nichts. Petitionen wegen Entlassung der Reservisten können daher nur mit ausweichenden Redensarten beantwortet werden. Falkenstein fängt an zu fühlen, daß zuviel auf seinen Schultern lastet. Landeskommission, Ministerium des Auswärtigen, des Krieges, Kultus und des Innern – alles hat er und dabei im letztern keinen Direktor, da Kohlschütter krank, Körner nicht in Autorität ist und Weinlig zu den Konferenzen wegen der Ausstellung nach Berlin geht. Oberberghauptmann von Beust suchte mich heute im Ministerium auf. Er sagte, er habe seinen Bruder sehr gefaßt gefunden. Ich war sehr beschäftigt und mußte, da er nie eher fortgeht, bis man es ihm sagt, allerdings zu erkennen geben, daß ich nicht Zeit habe. Jetzt kommen nun auch die Budgetvorlagen von den Ministerien, die, vor dem Krieg bearbeitet, gar keine Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse nehmen und eine Masse Mehrpostulate enthalten, an deren Bewilligung gar nicht zu denken ist. Ich habe wenigstens durchgesetzt, daß die Sache erst beraten wird, wenn der Finanzminister wieder da ist und eine ordentliche Beratung im Gesamtministerium stattfinden kann. Ein Dr. Putzger hat eine Wasserheilanstalt in Königsbrunn. Als der Krieg ausbricht, befiehlt der Kommandant vom Königstein, daß alle Preußen, die dort die Kur brauchten, binnen 24 Stunden fort mußten. – Auf Vorstellung Putzgers sagt Nostitz, wie Ersterer behauptet, er werde Zurückbleibende „hängen“ lassen! Putzger macht nun eine Schadenrechnung von 2 200 Taler. Die Landeskommission gab die Sache wie ähnliche an das Ministerium des Innern mittels Protokolls ab, in dem bemerkt war, daß die Sache einstweilen ausgesetzt bleiben möge, da der Kommandant des Königsteins erst zu hören sein werde. Das Ministerium des Innern gibt die Sache an das Kriegsministerium ab, das Protokoll aber nicht und das Kriegsministerium wollte nun Putzger ohne Weiteres abweisen. Falkenstein gab mir die Sache, da er sich erinnerte, daß sie schon vorgekommen sei und nun mußte wieder das Kriegsministerium belehrt werden. Putzger will seinen Anspruch fallen lassen, wenn man ihm den Titel Sanitätsrat verleiht und nun sind Erkundigungen über seine Persönlichkeit einzuziehen. Oktober 4 Der neue Generalgouverneur Generalleutnant von Tümpling tritt sehr schroff auf. Er hat gegen das Gesetz und den Widerspruch der Landeskommission eine Verordnung erlassen, daß die Einquartierung nur von den Hausbesitzern getragen werden soll – an sich eine Wohltat für die Armen, aber doch ein direkter Eingriff in die Landesverwaltung, die durch kein Interesse der Preußen geboten ist. Ebenso verlangt er, daß sofort eine Ausgleichung der Kriegslasten vorgenommen werde. Dies ist nicht möglich und die ganze Sache hängt von den Ständen ab. Dabei hat er sich, als ihm dies auseinandergesetzt worden, vor
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der Hand beruhigt. Er sagte aber in dem Antwortschreiben, zur Präzisierung seiner Stellung gegen die Landeskommission, daß er bei dieser keine Anträge, wie die Landeskommission sich ausgedrückt hatte, zu stellen, sondern ihr Befehle und Weisungen zu erteilen habe. Das Ministerium des Innern wollte Dresden 100 000 und Zwickau 10 000 Taler zinsfrei gewähren aus der Staatskasse, Dresden für die Einquartierung, weil es politisch sei, die Stimmung hier nicht trüben zu lassen. Allein die Landeskommission (besonders Engel) ging nicht darauf ein, zumal Schimpf sagte, daß ihn Friesen dafür veranwortlich gemacht habe, daß immer drei Millionen bar in der Staatskasse zur Disposition lägen (zur Kriegsentschädigung jedenfalls). Es ist aber nur die Summe von einigen 100 000 Talern mehr in der Kasse. Abends Quartett. Jordan, Schimpf, Frau von Nostitz und Tochter als Auditorium. Oktober 6 Antons Geburtstag ward mit einem Familiendiner bei ihm gefeiert. Rosa und ihre Mutter auch dabei – sie haben für gar nichts Sinn als für Kleider. Froschnatur und langweilig. Professor Albrecht Weber aus Berlin, unser Vetter, kam zufällig auch dazu. Abends in den Tonkünstlerverein, in den ich treten will, da man gute und selten aufgeführte Musik dort hört. Oktober 10 Viel Arbeit dieser Tage, aber nichts Besonderes als ein curiosum. Wurmb hatte vom Gerichtsamt Chemnitz Bericht erfordert, weil zu seiner Kenntnis gekommen, daß ein im März dort anhängig gewordener Prozeß zwischen zwei Sachsen noch nicht beendigt sei – er maßt sich also eine Aufsicht über die Justiz in Zivilsachen an, während er doch früher stets versicherte, er werde sich nicht in die Landesverwaltung einmischen. Auch allerhand Korrespondenzen mit dem Kammerherrn Metzsch wegen der großen Feierlichkeiten, mit denen man die Truppen im Vogtland empfangen will, Triumphbogen und Deputationen der Kreisstände – sehr passend für die Zeit! Oktober 14 Der preußische Generalgouverneur von Tümpling scheint ein großer Pedant zu sein. Am 5. d. M. verlangte er, daß alle beurlaubte oder verabschiedete (seit dem Krieg) Soldaten sich melden sollten – ganz in der Ordnung. Die Landeskommission erließ also eine Bekanntmachung. Als sich nun Viele meldeten, verlangte er wieder Vorlegung der Urlauspässe pp. Zu welchem Zweck?, da wir alle Tage dem Friedensabschluß entgegensehen. Also wieder eine neue Bekanntmachung der Landeskommission. Die Ministerin Beust suchte mich neulich in der Landeskommission auf und sagte mir, daß sie ein Quartier hier gemietet, über der Ressource, und daß sie mit ihrem Mann den Winter hier zubringen wollten. Dies letztere wird eine Quelle von Unannehmlichkeiten für den König, die Regierung und Beust selbst sein, was ich ihm schon geschrieben habe. Die Stimmung fängt an, sich sehr gegen ihn zu wenden, indem man ihm vorwirft, daß er über Österreich, Bayern pp. sehr mangelhaft unterrichtet gewesen und daß er den Mobilisierungsantrag beim Bund hauptsächlich bewirkt, indem man jetzt – mit Recht oder Unrecht weiß ich Nopolitiker nicht – die Ursache unserer Hereinziehung in den Krieg finden will. Gestern Gespräch mit Schneider wegen der Pflichtexamina. Ich beantragte deren Öffentlichkeit, Verminderung der Zahl der Examinanten und zuhörenden Räte, die bloß die Zeit verlieren – Vermehrung der Examina, die dann möglich ist. Gustav, der doch schon 30 Jahre ist und gelobt wird, hat immer noch nicht die Richterspezimina. Hänel geht ab und Anton, dem Schneider die Stelle angetragen, will nicht. Nach meiner Ansicht, die ich ihm auch mitgeteilt, sollte er sie annehmen, da er doch in den meisten Beziehungen dafür paßt, wenn schon er kein genialer Mann von Ideen ist.
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Oktober 15 Immer noch keine Friedensbotschaft! Eine recht schwermütige Stimmung „bemeistert“ sich meiner, wenn ich an die Zukunft Sachsens denke. Es erscheinen jetzt viele Broschüren, die alle die Nachteile entwickeln, welche das halbmediatisierte Land treffen werden, und ich fürchte, sie werden sich bewahrheiten und schließlich zu einem gewaltsamen Anschluß an Preußen führen. Wie lange wird Gott unsern König noch erhalten? Und was dann? Wird der Kronprinz sich an Preußen anschließen, wird er sich Sympathien im Volke erwecken, die er bis jetzt nicht gewonnen hat? Wo nicht, wird ihn Preußen auf dem Thron erhalten, wenn Unruhen entstehen ? Gottlob, daß ich alt bin und hoffentlich all das Elend, das ich fürchte, nicht erleben werde. Ich habe deshalb sehr den Wunsch, daß Erhard Medizin studiert, die ihm die Welt öffnet, während ihn die Jurisprudenz an die Scholle bannt. Er war jetzt acht Tage hier und ich habe da deshalb mit ihm gesprochen, er scheint auch Lust dazu zu haben. Oktober 17 Der Kopf zur Ratifikation des Friedens ist bereits gestern geschrieben, das anzuhängende Siegel gefertigt worden, also wird der Frieden schon geschlossen sein, obwohl die Landeskommission nicht dessen Inhalt kennt. Gustavs Tagebuch über die Tätigkeit der Landeskommission geht also dem Ende zu. Ich ließ ihn eine Übersicht (zum Schluß) vorbereiten, in welcher dann insbesondere auch Falkensteins Tätigkeit speziell erwähnt wird. Wahrscheinlich in dessen Anerkennung schrieb Friesen mit Bleistift darauf, daß auch meiner zu gedenken sei. Da es nun offenbar nicht paßt, wenn der Sohn dem Vater ein testimonium ausstellt, so sagte ich Friesen, er möge, wenn er es für nötig halte, selbst etwas beifügen, was wir dann abwarten wollen. Lemaistre sagte mir heute, daß er einen geheimen Fonds beim Ministerium des Auswärtigen aus Sporteln von Pässen pp gebildet habe, den er im Bestand von etwa 6 000 Talern Beust in Staatspapieren mitgegeben. Wenn davon Beust etwas gewährt werden solle, werde er das mit dem König allein abmachen, da er den Fonds allein gebildet und Niemand etwas davon wisse. Auch curios – eigentlich eine Unterschlagung der Staatskasse gegenüber. Welche Konfusion im Ministerium des Innern herrscht. Ein Herr von Watzdorf ist vom Regierungsrat von Weißenbach zum Referendar vom König in Wien ernannt worden. Das Protokoll darüber ward dem Gesamtministerium zugefertigt und von diesem die Sache dem Innern mitgeteilt. Als gestern Friesen dort in der Sitzung war, wurde behauptet, es sei dem Ministerium des Innern nichts bekannt gemacht worden. Friesen schrieb mir also, es möge das geschehen. Ich schickte nun nach den Akten des Gesamtministeriums, bekam aber ½ Stunde später einen zweiten Brief von Falkenstein, die Sache habe sich noch gefunden, wobei er bemerkte, „die Unordnung im Ministerium des Innern ist grauensvoll“ – ja wohl. – Statt des Friedenstelegramms kam ein Telegramm, welches Falkenstein nach Karlsbad zum König berief. Nun brannte es in allen Ecken. Ich mußte noch schleunig eine Frage präparieren, ob dem Geheimen Kriegsrat Taucher die Jahre, die er als Aktuar beim hiesigen Stadtgericht gewesen, als Staatsdienst angerechnet werden könne (er ist seit 1850 angestellt), was natürlich nicht geht, Rabenhorst aber bevorwortet hat – es hätte ebenso gut nach sechs Monaten bestimmt werden können. Dann kam ein Herr von Lüttichau, der Etappenkommissar gewesen und nun die Kriegsschäden zusammenstellen soll, aber ohne alle Instruktion darüber ist. Ich schickte ihn zum Oberregierungsrat Meusel, der dann zu mir wieder kam. Es ergab sich, daß man beim Ministerium des Innern die Sache liegen lassen, weil Weinlig sie hat in die Hände nehmen wollen, aber inmittelst nach Berlin wegen der Pariser Ausstellung
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gereist ist. Ich machte nun etwas Feuer, aber wahrscheinlich doch ohne Erfolg. Falkenstein, der nur einen Augenblick mit mir über die Sache reden konnte, da er um 2 ½ abreisen mußte, hatte auch die Sache offenbar übersehen. Um 4 Uhr dann beim Generalmajor Spiegel mit Forth-Rouen, Amtshauptmann Vieth – acht Personen – ganz amüsant. Forth-Rouen erzählte mir, daß der König ihm in Prag gesagt, er habe sich immer wohl dabei befunden, Beust’s Rat gefolgt zu sein, nur in einem Falle habe er es nicht getan und bereue es. Rouen hat nämlich versucht, die Verheiratung des Prinz Napoleon mit der Prinzeß Sophie einzuleiten – die den Herzog zu Bayern später geheiratet hat – Beust ist dafür gewesen, aber der Hof dagegen – ou a assable la princesse commenucuisiniere und die Sache ist gescheitert, was man Rouen in Paris sehr übel genommen. Oktober 18 Heute kam Engel Nachmittags nicht und da viele pressante Sachen eingingen, machte ich mit Schneider die Geschäfte ab. Es wird wohl nicht wieder vorkommen, daß Sachsen von einem „Schneider“ und einem „Weber“ regiert wird. Einer Deputation aus Zwickau hat der König, wie die Zeitungen vor einigen Tagen meldeten, am 8. d. M. in Karlsbad gesagt, er habe an den König von Preußen bald nach der Schlacht bei Königgrätz geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Er kenne die Bedingungen Preußens selbst noch nicht, werde aber bis an die Grenze des Möglichen gehen. Günstig hat diese Erklärung auf die Stimmung im Lande nicht gewirkt, man fürchtet das Schlimmste. Oktober 21 Früh von 10–2 ¼ gearbeitet wie ein Pferd, da nach Minister Falkensteins Rückkunft gestern Abend eine Menge Sachen zu erledigen waren. Um 12 kam der am 19. Oktober zum Kriegsminister verpflichete Generalmajor von Fabrice, der die Friedensverhandlungen zu Anfang in Berlin mit geleitet hat. In der letzten Zeit haben sich aber der Kriegsminister von Roon und General Moltke, die für Sachsen günstiger gesinnt sind, mit den gesteigerten Ansprüchen nicht einverstanden gewesen sind, bei den Verhandlungen nicht mehr beteiligt und Alles ist zwischen Savigny und Friesen verhandelt worden. Heute Abend wird der Frieden unterzeichnet, eine Depesche Friesens meldete es am Mittag Fabrice. Der König hatte aber in einem Reskript, das Bose konzipiert hatte (Randbemerkung vom 29. Oktober: Er hat es auch unterzeichnet, aber gleichzeitig schrieb Bose, der König wolle Rabenhorst nicht kränken, daher solle es dabei bleiben, daß er die Geschäfte fortführe auf die wenigen Tage – im Reskript war aber das eben nicht enthalten. Wir haben also drei Kriegsminister jetzt und es ging auch noch am 28. ein „Kriegsministerium und von Rabenhorst unterzeichnetes Kommunikat“ wegen des Truppenrückmarsches ein.), bestimmt, daß Rabenhorst, den er am 19. d. M. entlassen, die Geschäfte noch fortführen sollte – ein entlassener Minister, während ein anderer bereits ernannt war – das geht nicht und ich mußte nun noch schnell einen Vortrag deshalb machen und ein neues Reskript entwerfen, das nun an den König abging. Oktober 22 Zobel brachte am Mittag den Frieden, der hier nun mit der Ratifikation erst geschrieben werden mußte. Das hätte doch auch früher geschehen können. Die Bedingungen sind furchtbar hart und fast Alles ist dem Parlament vorbehalten. Falkenstein sagte, Savigny sei Friesen zu klug gewesen, ein zu schlauer Diplomat. Er habe immer gesagt, wenn nur die Militärfrage geordnet sei, das Übrige sei alles Kleinigkeit – das ist es aber eben gar nicht – und nur mit Mühe hat Friesen wenigstens die Post Sachsen erhalten. Der arme Friesen, der gewiß nichts hätte ändern können, wird dereinst den Frieden schwer büßen müssen, ihm wird man Alles in die Schuhe schieben.
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Gestern noch haben preußische Offiziere im Generalstabslokal die Schränke erbrochen und mit Gewalt fünf Oberreitsche Karten von Sachsen weggenommen.139Am Tage des Friedensschlusses! Aber freilich welcher Friede?! Finis Saxoniae! Wird der nächste Thronwechsel nicht das völlige Ende bringen? Wie lange werden alle die kleinen Staaten ihre Schattenexistenz fortfristen? Langes Gespräch mit Falkenstein wegen Ordenverleihungen pp. Engel hat gegen 1 000 Taler (8 Taler pro Tag) erhalten, er hat schon den Hausorden. Falkenstein meinte, der König könne ihn zum General der Kavallerie ernennen (29. Oktober: Ist auch geschehen), da hätte er viel davon! Ich meinte, lieber ein paar Vasen mit Sinnbildern oder den Hausorden in Brillanten. Falkenstein meinte auch, er wolle die Repräsentation (d. h. 4 000 Taler und freies Quartier) übernehmen. Kuriose Erfahrungen macht man doch. Auf Beust war er sehr übel zu sprechen, er werde in österreichische Dienste treten und Sachsen noch viel schaden. Patriotismus ist nun freilich jetzt bloß ein leerer Schall und Beust, der schon früher bereit war, in preußischen Dienst zu treten, wird allerdings jetzt wohl Sachsen nicht in besonders gutem Gedenken haben. Oktober 24 Die Bekanntschaft des neuen Kriegsministers von Fabrice gestern gemacht – wollen sehen, wie er sich anläßt. Wir haben jetzt drei Kriegsminister, Rabenhorst, dessen Entlassung noch nicht offiziell bekannt gemacht worden, obschon sie bereits am 19. erfolgt ist, Fabrice am 19. verpflichtet und Falkenstein, dazu noch zwei pensionierte, Oppell und Holtzendorf – also fünf Stück bezahlt der Staat! Die Preußen haben noch in den letzten Tagen einige Geschichten gemacht, die eben nicht geeignet sind, ihnen Sympathien zu erwerben. Obwohl die Verpflegungsgelder der Offiziere fixiert sind, hat doch die Stadt 400 Taler zahlen müssen für ein Diner, welches General von Tümpling – der Generalgouverneur der sächsischen Lande – am Geburtstag des Kronprinzen von Preußen gegeben hat. (Randbemerkung: Falkenstein hat Pfotenhauer angewiesen, die 400 Taler zurückzuverlangen; er hat gar nicht daran gewollt, hat es auch nicht getan, wie sich später ergab). Vorgestern haben die Preußen die Schränke im Generalstab erbrechen lassen und eine Anzahl Oberreitsche Karten weggenommen, obwohl sie doch jedenfalls wußten, daß der Friede geschlossen, wenn auch noch nicht ratifiziert war. Letzteres wird heute hoffentlich geschehen durch Austausch der Ratifikationen und dann sind wir endlich wieder frei – wenn man überhaupt noch „frei“ sagen kann. Heute um 11 Uhr wird das Kommando des Königsteins dem General von Briesen übergeben, der mit 200 Mann dort einzieht, während die sächsische Infanterie ebenso stark abzieht. Die sächsischen Artilleristen bleiben aber oben. Es wird recht nett da oben sein, wenn sie beiderseits sich nicht vertragen.140 Die geheime Geschichte des Friedens mit Preußen ist folgende. Der Kriegsminister von Roon und der General von Moltke waren für eine rücksichtsvolle Behandlung der sächsischen Armee, ebenso Bismarck. Der König aber, Siegesbesoffen wie Bismarck gesagt haben soll, war dagegen, verlangte insbesondere preußische Garnison in Dresden. Bismarck, der 139 Hans Beschorner: Geschichte der sächsischen Kartographie im Grundriß. Leipzig 1907. – Peter Langhof, Die Kopien der sächsischen Ingenieurkarte im Historischen Staatsarchiv Freiberg. In: Beiträge zur Archivwissenschaft und Geschichtsforschung. Hrsg. von Reiner Groß und Manfred Kobuch. Weimar 1977, S. 168–183. 140 Reiner Groß: Festung Königstein. Monument und Mythos sächsischer Geschichte. Beucha 2014, S. 48.
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Einzige, der mit dem König auskommen kann, war krank und abwesend. Roon und Moltke, verletzt durch den Widerstand des Königs, zogen sich nun von den Verhandlungen zurück und überließen Alles Savigny, der nun Fabrice ganz bei Seite liegen ließ und, obwohl er von den Militärverhältnissen gar nichts versteht, bloß mit Friesen verhandelte. Savigny hofft, Minister des Auswärtigen oder wenigstens Unterstaatssekretär zu werden und wünscht, sich beim König zu insinuieren, wagt daher gar keinen Widerstand gegen dessen unklare Ideen und harte Vorschläge – daher unser Malheur, daß Bismarck krank war! Schneider gab ein rechtes Zeichen seiner Teilnahmslosigkeit an allem, was nicht gewöhnliche Geschäftsleitung ist. Obwohl seit fast einem halben Jahr Justizminister, hat er das vor seiner Zeit bearbeitete neue Budget seines Ministeriums gar nicht angesehen – ich schickte es ihm, damit er doch etwas davon wisse und er gab es zurück mit dem Bemerken, daß er mit Manchem nicht einverstanden sei. Heute Nachmittag kam Friesen und brachte vom König die Entschließung, daß Nostitz-Wallwitz zum Minister des Innern ernannt sei, er selbst das Ministerium des Auswärtigen übernehme. Das Letztere muß Falkenstein etwas frappiert haben, der mir noch am Vormittag erklärte, er behalte es. Friesen wußte die Geschäftskonfusion beim König, die durch Boses Unwissenheit herbeigeführt worden, nicht arg genug zu schildern. So hat keiner der Beamten Diäten nach dem Regulativ erhalten, sondern Alle haben sich Berechnungsgelder pro lubitu auszahlen lassen und nun muß erst eine Rechnung gefertigt werden, wobei sich ergeben wird, daß mehrere viel zu viel erhalten haben. Beust hat sich noch nachträglich 1 500 Taler auszahlen lassen – auf welchen Grund hin? Die Bekanntmachung, daß der König Fabrice nach Rabenhorsts Entlassung zum Kriegsminister ernannt habe, sollte heute ins Dresdner Journal kommen, aber Wurmb hielt sie zurück – wie kleinlich – wohl bloß, weil der König darin genannt war als eine Regierungshandlung ausübend.
6. Von der Auflösung der Landeskommission bis zur Reichsgründung Oktober 28 Endlich kann ich Atem holen, endlich bin ich von der Landeskommission erlöst, die am 26. aufgelöst ward. Noch habe ich sonderbare Sachen und Szenen nachzutragen. Falkenstein hatte mir gesagt, er werde das Ministerium des Auswärtigen behalten, wenn es der König wünsche. Am 24. Nachmittag aber kam Friesen mit der Nachricht, daß er es übernehmen solle. Sogleich ward ein Protokoll aufgenommen und auf den 26. datiert und darin auf Friesens Bemerkung, daß auch wegen des Direktoriums in Evangelicis eine Bestimmung zu treffen sei, da nach dem Regulativ 1837 Falkenstein, der den Vorsitz im Gesamtministerium hatte, nicht zugleich als Kultusminister den Vorsitz bei den evangelischen Ministern führen könne, im Protokoll gesagt, daß Friesen dieses Direktorium erhalten soll. Friesen ging darauf fort und nun brach Falkenstein, der vorher gar nichts dagegen gesagt hatte, auf einmal los – es sei doch eine schwere Verletzung für ihn, wenn das veröffentlicht werde pp., er war ganz außer sich. Ich vermute, nicht sowohl wegen des Direktoriums als wegen der Entziehung des Auswärtigen, da jedenfalls sie, die Falkenstein, die noch ökonomischer als er ist, auf den Repräsentationsaufwand gerechnet hat. Ich ging dann nun noch am Abend zu Friesen (am 25.) und erzählte ihm die Sache. Er war sofort damit einverstanden, daß der Punkt wegen des Direktoriums wegbleiben und ich
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ein anderes Protokoll mache, das man, ohne weiter darüber zu reden, andern Tags signieren werde. Er erzählte mir aber, daß er das Auswärtige nur mit größtem Widerstand und auf das entschiedene Verlangen des Königs angenommen und mit Falkenstein wiederholt darüber gesprochen habe, der ihm lebhaft zugeredet – falsch ist er doch wie Galgenholz –. Er (Friesen) erzählte mir auch von Beust, daß er das Ministerium des Auswärtigen in Wien angenommen und daß man ihn nur mit Mühe habe bewegen können, die Veröffentlichung auszusetzen, bis der Friede mit Sachsen geschlossen sei. Als Beust abgereist ist, hat er sich in Bodenbach besonnen, daß noch zwei Schränke mit Briefen pp. von Wichtigkeit nicht beachtet worden. Er schreibt Häpe, er solle sie öffnen. Dieser findet darin wohl 100 uneröffnete Briefe, Konzepte von Wichtigkeit und in einigen Couverts eine bedeutende Summe Papiergeld. Vor längerer Zeit, als Friesen noch Minister des Innern war und Beust schon die erste Etage in dem Hause auf der Seestraße bewohnte, wünschte Friesen, damals Minister des Innern, im Parterre, das Beust damals noch nicht inne hatte, eine metallographische Presse aufzustellen und wendet sich daher an das Finanzministerium. Die Presse ist ein Ding, das auf einem gewöhnlichen Tisch steht, nur einen Menschen zur Bedienung braucht und kein Geräusch macht. Behr, damals Finanzminister, kommt darauf zu Friesen und sagt ihm, er habe doch Beust darüber fragen müssen und dieser habe auf das Entschiedendste widersprochen, daß man ein industrieelles Etablissement, das den Zulauf vieler Menschen und Arbeiter verursache, in dem Hause aufstellen wolle, welches die vornehmsten Personen, die Gesandten pp. besuchten und in dem daher so etwas nicht geduldet werden könne. Friesen, ganz erstaunt über den Unsinn, geht zu Beust, der ihm sagt, lieber Freund, insistieren Sie nur aufs Äußerste, warum ich das wünsche, das kann Ihnen ganz gleich sein, tun Sie mir nur den Gefallen. Friesen tut dies und nach einiger Zeit kommt Behr und erzählt, ach, die Sache hat einen fatalen Ausgang genommen, Beust hat nachgegeben, aber ich habe 300 Taler vom Mietzins nachlassen müssen. Über diesen Coup, der Beust ganz ähnlich sieht, hat er gewiß sich ungeheuer amüsiert. Friesen meinte auch, daß Beust’s Eintritt in das österreichische Ministerium nachteilig auf die Verhältnisse Sachsens zu Preußen einwirken werde, weil es Mißtrauen erwecken werde. Ich glaube vielmehr, daß Beust sich nicht lange halten und zwischen zwei Stühle setzen wird. Hier verliert er sein Wartegeld und in Wien kann er jetzt sein diplomatisches Talent schwerlich verwerten. Organisationstalent hat er nicht, er ist zu unstet, kennt die Verhältnisse dort nicht, hat den Adel und die Geistlichkeit als Protestant gegen sich, hier schneidet er sich jede Aussicht dadurch ab. Wieder hat ihn seine Eitelkeit hingerissen – Bismarck soll sich ärgern! Am Donnerstag (26.) fuhr ich, nachdem ich bis um 2 ½ noch in der Landeskommission gearbeitet, um Alles fertig zu machen, mit Engel, der so gefällig war, mich in seiner Hofequipage mitzunehmen, nach Pillnitz. Die Terrassen fanden wir wie die Ufer von einer ungeheueren Menschenmenge besetzt, viele Damen aus der Gesellschaft standen mit Blumenkörbchen auf der Treppe, oben drängten sich Beamte aus der Provinz mit den hiesigen. Um 4 ¼ kam der König an mit der Königin, setzte in der Gondel über – es war ein tief erschütternder Anblick, als das weiße Haupt des alten Fürsten sich zeigte, als er gebeugt und sichtlich gealtert mit der Königin die Treppe heraufstieg, bald hier Einen umarmte, bald die Hand gebend. Mich sah er nicht an. Die Minister wurden, nachdem die Menge sich verloren, zu ihm gerufen, er
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hat ihnen eine Dankrede gehalten, Falkenstein und Friesen die Rautenkrone, Schneider das Komthurkreuz erster Klasse des Verdienstordens gegeben. Engel sagte mir erst, ich sollte auch mit zum König, allein an der Türe sagte Schneider en fallor, ich sei nicht mit gerufen. Gegen 6 ward diniert. Ich saß neben Geheimen Hofrat Behr und Gustav Gersdorf. Nach Tische war eine Art Cour, bei der ich, als mein alter guter König zu mir trat, die Tränen nicht unterdrücken konnte. Er sagte mir aber kein Wort der Anerkennung, das ich glaube verdient zu haben, gab mir nicht einmal die Hand. Es kränkte mich nicht, aber es war mir doch befremdend, jedenfalls war es ein Beweis, daß Falkenstein wieder einmal gelogen hat, wenn er mir versichert, er habe meine Tätigkeit dem König in Karlsbad sehr gelobt. Transeat cum ceteris – hätte mir der König selbst jetzt mit den Ministern zusammen das Komthurkreuz, das ich doch wohl besser verdient habe wie Schneider, gegeben, so wäre das doch ein Zeichen von Dank gewesen, das ich anerkennt hätte, wenn mir auch der Orden an sich nicht sowohl gleichgültig als unangenehm ist, da ich nie weiß, wann ich das Ding anhängen muß und wann nicht, aber wenn ich es nun später mit der ganzen Grese Estioui bekomme, die nun mit Bändchen beehrt werden wird – da bleibt bloß das Unangenehme. Jetzt haben nun bereits Alle an der Landeskommission Beteiligte von Falkenstein an bis herab zum letzten Ausläufer Orden und Gratifikationen erhalten bis auf – mich und Gustav. Letzterer ist natürlich darüber sehr indigniert, indessen es meine Gemütsruhe wenig disticiert. Falkenstein hatte auch mit Bleistift auf den Schluß des von Gustav konzipierten Tagebuchs über die Tätigkeit der Landeskommission – drei dicke Bände – bemerkt, es müsse meiner Tätigkeit gedacht werden.141 Das konnte doch Gustav füglich nicht hinzuschreiben. Ich sagte also Friesen, er möge, wenn er es für angemessen erachte, einen kleinen Zusatz machen, er hat auch das Konzept dazu erhalten – aber der Zusatz ist weggeblieben. In Großsedlitz hat ein alter Bauer den König an beiden Schultern gefaßt, ihn geschüttelt und gerufen: Gottlob, daß Sie wieder da sind! Häpe und Schmauß sind mit dem königlichen Zug zurückgekommen, haben sich sehr offensibel überall gezeigt und Häpe hat auf dem Bahnhof in Bodenbach sehr laut gesagt, nun sollten die Preußen nicht mehr lange bleiben – er wird sie wohl nicht fortjagen! Gestern am 27. fuhr ich früh um 10 mit Falkenstein nach Pillnitz, um den neuen Minister des Innern Nostitz-Wallwitz zu verpflichten. Der Empfang war nicht sehr königlich. Wir wurden in ein etwa drei Ellen langes und ebenso breites kleines Vorzimmer geführt, in dem wir etwa 10 Minuten warten mußten, weil der General Thielau beim König sei, wie der Kammerdiener sagte, und die Türe des Vorzimmers nach des Königs Kabinett offenstehe. Die Türe des Schlafstübchens des Kammerdieners stand auch offen und wir genossen den Anblick auf dessen ungemachtes Bett. Als Thielau dann herauskam, gingen wir zum König, den wir sehr erkältet und ganz heißer fanden. Nostitz ward verpflichtet, dem König noch eine Amnestieverordnung, dem Frieden entsprechend von mir vorgelegt. Wir gingen dann, ohne daß er ein Wort mit mir gesprochen, wieder fort – ich bin also jedenfalls zum Dank noch in Ungnade gefallen, wahrscheinlich als Preußenfreund?! Nostitz blieb noch auf Verlangen beim König und wir wandelten dann noch, bis er zurückkam, ½ Stunde im Schloßhof im warmen Sonnenschein herum, in der stillen Hoffnung, daß irgend ein Hofschranze, wäre es 141 Tagebuch der Landeskommission, geführt von Gustav von Weber. In: Sächs. HStA, III.2.2. Landeskommission 1866. H 1, 2, 3. Nr, 14, 15, 16.
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auch nur ein Kammerdiener gewesen, uns fragen würde, ob wir nicht ein kleines Frühstück einzunehmen wünschten. Da sich Niemand sehen ließ, gingen wir dann in den Gasthof mit Nostitz und kauften uns Etwas. Um 4 aßen alle Mitglieder der Landeskommission inkl. Gustav bei Falkenstein, mit General Reitzenstein, Regierungsrat Meusel, Professor von Gerber aus Leipzig und seinem Schwiegersohn, dem Oberstleutnant Krug von Nidda, der unerwartet angekommen war und nach Berlin geht, um dort wegen der Militärverhältnisse zu verhandeln, über die der Frieden nur sehr vage Bestimmungen enthält. Wir wissen daraus nicht einmal, ob Sachsen die preußischen Garnisonen unterhalten muß oder nicht. Friesen sagte, man habe absichtlich nichts deshalb aufgenommen, weil , wenn dies geschehen wäre, man nur den Satz, daß wir es bezahlen müßten, hätte eingeschoben erhalten – jetzt wird es auch schwerlich anders und ich weiß also nicht, was mit dem Weglassen gewonnen ist. Heute Morgen bekam ich noch eine ganze Ladung Sachen, die noch für die Landeskommission waren und hatte bis Mittags vollauf zu tun und Schererei, um pressante Sachen, die darunter waren, fortzubringen, da im Gesamtministerium weder Roßberg noch Fischer noch sonst Jemand außer dem Kanzlisten Bielitz, der sich nie aus dem Haus stürzen kann, gegenwärtig war. Oktober 29 Am Sonntag Abend 6 Uhr (28. Oktober) ist der Minister Könneritz sanft verschieden, ein Mann, dem ich mit aufrichtiger Dankbarkeit ergeben bin. Er hat mich schon vor längerer Zeit gebeten, seine Lebensbeschreibung zu schreiben, mir auch dazu Material gegeben, allein ich werde dies schwerlich tun. Ich weiß zu viel über die Ereignisse seit 1842. Die Wahrheit, die volle, kann ich jetzt nicht geben, sie würde viele noch Lebende zu sehr verletzen und verschleiern oder lügen kann ich einmal nicht. Ich besuchte heute General Engel zum Abschied – ein recht ehrlicher braver Mann von gesundem Menschenverstand –, wir kamen auf den König zu sprechen und ich äußerte unverholen, daß mich sein Benehmen befremdet habe, daß ich glaube, er wisse entweder nicht, was ich mit gearbeitet oder er sei wegen irgend etwas verletzt. Engel widersprach mit Bestimmtheit. Er sagte, der König habe selbst mit ihm von mir gesprochen und gesagt, ich verdiene eine Auszeichnung. Wenn er mir nichts gesagt, so sei das eben Folge einer Zerstreutheit und Duselei, durch die der König schon so viele verletzt habe, er bei Reisen den König darauf hinweisen mußte, daß er die gewöhnlichen Aufmerksamkeiten unterlassen, indem er z. B. Deputationen, die ihn begrüßt, in Kälte und Sturm unbedeckten Hauptes habe stehen lassen, bis er ihm gesagt, Majestät, die Herren stehen noch unbedeckten Hauptes, wo er dann mit größter Freundlichkeit sie gebeten, ihre Hüte aufzusetzen. Eine Geschichte aber, die er mir erzählte, ist wahrscheinlich sogar mit von nachteiligem Einfluß bei den jetzigen Verhältnissen gewesen. Vor Jahren war der König (mit Engel) in Berlin, wo er mit den größten Ehren von Friedrich Wilhelm IV. empfangen ward. Am letzten Abend ist er im Theater (der Kaiser von Rußland war auch da). Der Extrazug ist fertig, der König muß das Theater verlassen, verabschiedet sich vom Kaiser und der König von Preußen, der jetzige König, die Prinzen, alle begleiten ihn mit dem ganzen Cortage bis an den Wagen. Der König umarmt Friedrich Wilhelm IV. mehrmals, nimmt herzlichsten Abschied und steigt dann schnell in den Wagen, ohne sich nur noch einmal umzusehen und den Kronprinzen und die andern preußischen Prinzen auch nur eines Blickes zu würdigen, ihnen Lebewohl zu sagen. Engel steht wie auf Kohlen, kann aber, da Alles so schnell geht, den
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König nicht auf seine Zerstreutheit aufmerksam machen, sieht aber, wie der Kronprinz sich mit ironischem Lächeln zu den andern Prinzen umwendet. Seitdem ist denn auch immer eine Kälte bemerkbar gewesen – dies Versäumnis ist nicht vergessen worden und jetzt bot sich allerdings Gelegenheit, sich zu revanchieren. Ich fuhr heute Mittag mit Sophie um 12 nach meinem lieben Loschwitz, dessen Stille ich jetzt recht zu schätzen wissen würde, wenn ich draußen bleiben könnte. Die Menschen sind es, die ich eben fliehen möchte, da die letzten Monate eben nicht beigetragen haben, meine Achtung vor ihnen zu vermehren. Jeder denkt doch nur an sich, erwartet wenigstens immer erst eine Anregung, ehe er etwas für einen Anderen tut. Wie oft habe ich dies auch bei Beust, der wirklich wohlwollenden Charakters ist, bemerkt, wie oft habe ich Gelegenheit genommen, Anderen etwas von ihm auszuwirken, die ihm viel näher standen als mir. Er hatte eben nicht daran gedacht, war aber dann sogleich bereit, etwas zu tun, wenn ich ihn daran erinnerte. Viele wissen es gar nicht, daß sie eine Gratifikation, einen Orden pp. mir verdanken. November 1 Heute ward mein lieber Könneritz begraben. Nur eine kleine Zahl – keiner der Minister außer dem neuen Minister des Innern Nostitz-Wallwitz, der heute 12 Uhr ohne Einführung durch Falkenstein sein Amt angetreten hat – folgte seinem Sarg. Um 11 ins Gesamtministerium gerufen, wo ich mit Falkenstein die Geschäftsführung besprach. Er lobte Gustav, sagte, er werde eine namhafte Gratifikation erhalten und ich benutzte die Gelegenheit, ihn darauf aufmereksam zu machen, daß man beim Justizministerium pedantisch an der Anciennität hänge und die strebsamen und fleißigen jungen Leute vor den Faulen und Dummen hervorzuheben unterlasse. Sehr mißliebig fasste Falkenstein die Verleihung der Rautenkrone an Rabenhorst und Fürst Schönburg auf. Ersterer habe gar nichts getan und sei schon durch die Nobilitierung genügend belohnt. November 2 Um 6 Uhr hielt das Gesamtministerium in seiner neuen Zusammensetzung seine erste Session. Wie sich die Herren miteinander stellen werden, da sie sich zum Teil noch gar nicht kennen, bin ich neugierig. Fabrice klagte, daß des Oberstleutnants Krug von Nidda Bemühungen in Berlin, eine Erleichterung für Dresden, Rückgabe einer Kaserne pp. zu erlangen, ganz vergeblich gewesen. General Podbielski hat ihn an den hiesigen Gouverneur von Bonin gewiesen, der aber wieder behauptet, er sei nicht bevollmächtigt. Doch wird morgen das Schloß wieder von Sachsen besetzt, die jetzt in den letzten Tagen in einigen Bataillonen hier eingetroffen und mit ungeheurem Volksjubel empfangen worden sind. Friesen sagte mir, daß der jetzt wieder hier eingetroffene österreichische Gesandte ihm gesagt, was auch Forth-Rouen mir bei Könneritzens Begräbnis mitteilte, Beust wolle den 13. des Monats hierher kommen. Dies sei höchst unpassend, weil den 12. der Landtag zusammentrete. Er bat mich, ich möge Beust deshalb schreiben, daß er früher oder später komme, wenn er überhaupt hierher kommen müsse – was man im Ministerium nicht wünscht. Ich schrieb denn auch an Beust, aber ohne alle Aussicht auf Erfolg. Er will hierherkommen, offenbar nicht bloß um seine Privatgeschäfte zu regeln, was auch ein Anderer tun könnte, sondern um sich den Leuten in seinem neuen Glanze zu zeigen. Dem österreichischen Premierminister müssen ja die Preußen sich vorstellen lassen pp. Das meinte auch Werner, dem ich Abends noch meinen Brief zur Beförderung übergab. Er sprach sehr offen über die großen Schwierigkeiten, welche Beust finden werde, der die Aristokratie, die Bürokratie und den Klerus gegen sich habe. Schwierigkeiten, die Beust noch gar nicht kenne, und über die er sich mit seiner „Leichtigkeit“ – d. h .Leichtsinn, hinwegsetze. Er habe gemeint, er werde der Fürs-
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tin oder Gräfin – ich habe den Namen vergessen – die Cour machen, das genüge. Die Dame, die Werner bezeichnet, ist eine intrigante, aber dumme Person, die Politik treibt und sich von jungen jeunesse doree die Cour machen läßt. Die Letztere sei im höchsten Grade unwissend und hochfahrend. Das werde Beust sehr bald wahrnehmen. Dem Kaiser hat Werner gesagt, daß, wenn er Beust nicht ganz entschieden halte, dieser sich eben nicht halten werden könne, sobald man irgend ein Schwanken des Kaisers wahrnehme, sei es alle. Dies ist von Anfang an meine Überzeugung gewesen. Ich fürchte, daß Beust nicht ein Jahr sich halten wird und dann hat er ausgespielt für immer, trotz seiner Intelligenz und Schlauheit. Hier sind nun – sehr unpraktischer Weise – der Polizeidirektor Schmauß, Häpe und Körner wieder in ihre Stellung eingetreten, eben kein Beweis, daß man Preußen entgegenkommen will. Von Berlin aus wird man durch kleinliche Quengeleien sich rächen, denn großartig und großmütig faßt man leider die Verhältnisse in Berlin nun einmal nicht auf. Sympathien erweckt man dadurch nicht, vernichtet sie aber im Keime. Werner sagte auch, daß er sich natürlich sehr zurückhalten werde, da Sachsen jetzt nicht neben Preußen noch besondere Politik treiben könne. Er werde daher mit Friesen wenig sprechen, wenn ich ihm aber bisweilen eine Notiz geben könne, so werde er mir dankbar sein. Ich wollte dem alten Herrn nicht eine grobe Antwort geben, da er immer sehr freundlich gegen mich war, sagte daher gar nichts. Er muß aber doch eine ziemlich schlechte Meinung von mir haben, wenn er glauben kann, ich werde hinter dem Rücken der Regierung ihm geheime Mitteilungen machen. Ich werde ihm etwas braten und nun doppelt vorsichtig gegen ihn sein. Möglich, daß Beust ihn an mich verwiesen, der aber dabei ganz übersehen hat, daß ich dem österreichischen Minister gegenüber mich ganz anders verhalten muß, als dem 50jährigen alten Freund gegenüber.. Leipzig ist die einzige Stadt im Land, welche die Rückkehr des Königs ganz unbeachtet gelassen hat. Dabei wird eine alte Geschichte wieder aufgewärmt. Ein preußischer Beamter fährt einige Zeit nach der Landesteilung 1815 von Schkeuditz nach Leipzig und fragt den Postillon, wie sie denn mit der preußischen Regierung zufrieden wären. Dieser antwortet, ich nun ganz gut, fügt aber, auf die Türme Leipzigs zeigend mit Ingrimm hinzu: den verfluchten Luders dort wollte ich es auch wünschen, daß sie preußisch würden! Werner erzählte noch, daß, als er Graf Monsdorf bemerklich gemacht, daß Beust sich wohl zu einem Gesandtschaftsposten insbesondere nach Florenz eigne, dieser ihm erwidert, für Beust brauche er nicht besorgt zu sein, man manövriere ja, ihn an seinen Posten zu bringen. Also gutwillig hat Monsdorf ihm den Posten nicht abgetreten. Werner meinte, es sei jedenfalls besser gewesen, wenn Beust den jetzt vakanten Posten des Handelsministers übernommen hätte, später habe er dann das Auswärtige erlangen können. Beust hat ihm übrigens geschrieben, er solle dem Gouverneur Bonin einen Besuch machen, damit er ihn, wenn er nach Dresden komme, vorstellen könne. Dem alten Herrn war dieser „Befehl“, den er jetzt von Beust annehmen muß, offenbar sehr unangenehm. Werner war aber sonst sehr gut mit Beust und wenn schon so nah am grünen Holz postiert, wie mag erst das Dürre knurren! November 3 Seebach geschrieben, der gern etwas von Dresden hören wollte. Ganze Stadt in Aufregung, da der König um 12 ½ in die Stadt kommt, Flaggen, Kränze empfangen ihn. Gegen 1 ½ kam er im Schloß an, wo die Staatsdiener ihn, am Eingang und auf den Treppen aufgestellt, mit Hoch empfingen. Auch der Kronprinz und Prinz Georg kamen mit an, letzterer so bartbewachsen, daß ich ihn nicht erkannte. Er war der Einzige, der mich grüßte.
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Heute Abend geht der König ins Theater, wo alle Damen mit weiß und grün geschmückt erscheinen werden. Wir mußten deshalb eben mit dem Essen warten, weil Sophie sich noch einen patriotischen Kopfschmuck anschaffen will. Um 1 Uhr ungefähr brach – ein böses Omen meint das Volk – ein Feuer auf der Breiten Gasse aus, das – unerhört in Dresden – mehrere Häuser in Asche legte. November 5 Gestern Abend große Soiree bei Hofe, zu der auch viele Auswärtige gekommen waren. Heute Altertumsverein, zu dem – sehr aufmerksam – der Prinz Georg erschien, außer ihm und dem Direktorium aber etwa 6–7 Zuhörer. Langenn hielt aber dem ungeachtet eine phrasenreiche Rede an den Prinzen, der aber, die Sache richtig auffassend, nur einige Worte erwiderte. Gustav hat noch nichts erhalten. Eigentlich ist es mir recht, da er sich nicht einbilden muß, daß jede Arbeit, die nicht unmittelbar mit seiner Stelle zusammenhängt, besonders honoriert werden müsse. Er hat schließlich nicht mehr zu tun gehabt, als wenn er im Gerichtsamt gewesen wäre, hat dabei Manches gelernt – allerdings aber die Diäten verloren, welche ihm Expeditionen, die er nicht machen konnte, eingebracht hätten. Geld braucht er aber nicht, da er sogar schon einige 100 Taler zurückgelegt hat. Früher war es überhaupt gar nicht so Sitte, daß Alles remuneriert ward. Ich bin lange in der Prüfungskommission, in der Kommission für das Zivilgesetzbuch, die Prozeßordnung gewesen, habe bei den Dresdner Konferenzen mitgearbeitet, es ist mir aber nicht einmal eingefallen, daß ich dafür eine Remuneration beanspruchen könne, jetzt sind aber die Leute so happig, daß sie für jede halbe Stunde Extraarbeit einen Taler verlangen oder, wenn sie eitel sind, einen Orden. November 6 Abends die erste Sitzung wieder im Gesamtministerium mit den neuen Ministern. Fabrice scheint noch gar keine Geschäftskenntnis zu haben. Der Kronprinz scheint sich nach einigen Äußerungen noch gar nicht mit den neuen Verhältnissen befreundet zu haben. Witzleben, den ich gestern sprach, meinte, was ich auch glaube, er werde sich versöhnen lassen, wenn er nach Berlin gehe und dort Anerkennung seiner militärischen Verdienste finde. November 8 Früh bei Friesen, um ihm mitzuteilen, daß Beust nach dem Brief, den ich heute von ihm erhielt, jetzt, dem ihm sehr lächerlich vorkommenden Wunsch der Minister nachkommend, nicht hierher kommen wird.142 Friesen sagte mir, als ich wegen der Übernahme des Mobiliars Beust’s sprach, er werde das Quartier nicht beziehen, wollte es lieber Falkenstein überlassen mit 1 000 Talern vom Repräsentationsaufwand, wenn dieser die Bälle oder einen Ball wenigstens geben wolle, bat mich, dies Falkenstein zu sagen. Ich schon gewöhnt, dergleichen Kastanien aus dem Feuer zu holen, sagte es Falkensein, der aber nicht auf den Zopf biß. Alles oder gar nichts war offenbar seine Ansicht. Er hat es noch nicht verwunden, daß er nicht das Auswärtige erhalten hat. Ich sagte Friesen auch, was mir neulich Werner mitgeteilt hat und erbot mich, wenn er, Friesen, künftig etwas an Werner gelangen lassen wolle, dies in seinem Auftrag zu tun, bemerkte aber natürlich, daß ich mich nicht als österreichischer Spion werde gebrauchen lassen. Abends im Gesamtministerium Sitzung von 6–9 ¼. Schneider trug die Frage wegen der Geschworenen vor. Heute traten keine Bedenken auf. Der König war einverstanden, daß die Sache an den nächsten Landtag komme. Falkenstein, das letzte Mal der Opponent, sagte kein 142 Brief von Beust an Weber vom 4. November 1866 aus Wien über seine neuen Dienstverhältnisse. Siehe Dokumentenanhang Nr. 34.
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Wort, die Sache ging endlich also ganz glatt ab. Vor sechs Wochen hätten wir ebenso weit kommen können und das Gesetz wäre jetzt fertig. Der Kronprinz, mit dem ich heute die ersten gleichgültigen Worte wechselte, kam noch einmal zurück und sagte: „Nun, Ihr Beust, der ist wie ein Stehaufmännchen, ich werde ihn bloß so nennen“, was Beust offenbar wenig inkommodieren wird. Die beiden neuen Minister ließen heute, obwohl ziemlich viele Sachen vorkamen, noch kein Wort verlauten. Ich bemühte mich vergeblich, das Gesamtministerium zu bewegen, den Archivar Herschel, der 1852 auf Betrieb Beust’s wegen demokratischer Tendenzen – getan hat er nichts – mit 7/10 quiesziert ward, wieder in Aktivität zu setzen. Selbst der König, sonst mild in seinem Urteil, wollte nichts davon wissen. Salvari animam meam. Der Staat bezahlt ihm ferner 560 Taler jährlich ohne Gegenleistung! Häpe hat Falkenstein sehr verbittert. Dieser hat ihm – warum weiß ich nicht, da er ja nicht Minister des Innern ist – geschrieben, er könne wieder in seine Stellung eintreten und überschreibt den Brief „Liebster Freund“. Häpe zeigt nun den Brief triumphierend überall vor und sagt, so freundlich habe doch noch kein Minister an ihn geschrieben. Daß man das glaube, ist aber eben gar nicht Falkensteins Absicht gewesen, als Häpes „Freund“ will er mit Recht nicht gelten. Im Gesamtministerium kam auch die Rede darauf, ob der König oder der Kronprinz nach Berlin gehen solle. Man war der Ansicht, daß insbesondere der Letztere es tun möge, aber erst, wenn der preußische Kronprinz, der jetzt nicht dort ist, zurück sei. Die Beiden sind nämlich schon seit Bonn her, wo sie gleichzeitig gewesen, verfeindet und der Kronprinz sagte, wenn er mit dem König von Preußen etwas abmachen wolle, so werde der Kronprinz es schon deshalb wieder umstoßen, weil er es verhandelt. November 11 Ich wollte gern die Sache wegen Aufnahme der preußischen Offiziere in die Ressource in Gang bringen und besprach es daher mit Uckermann, der den Antrag, sie ohne Ballotage aufzunehmen, stellen will. Die Geschichte findet aber viele Hindernisse und nun, als ich sagte, daß Minister Friesen den Antrag mit unterschreiben wollte, schien dies wohltätig zu wirken. Uckermann wollte aber den Antrag auf alle Offiziere der Nordarmee (also auch auf die sächsischen) erstrecken, was zu weit geht, da ich bloß die preußischen Offiziere hiesiger Garnison vor Augen habe. Minister Friesen hat heute einen Brief von Beust erhalten, worin ihm dieser schreibt, er hoffe das Beste. Die Ungarn kämen ihm mit offenen Armen entgegen und er werde nächstens mit Schnurrbart und ungarischen Stiefeln escheinen. Ja, wenn das genügte! November 13 Abends fand ich bei meiner Rückkehr aus dem Archiv ein Paket mit dem beiliegenden Brief, Gedicht, Komthurkreuz und – 500 Taler, die mir völlig unerwartet kamen.143 Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt. Vom Geld habe ich sogleich die Rente Odas in der Altersrentenbank, wie ich wünschte, auf 300 Taler jährlich, allerdings erst vom 40. Jahre (eher geht es nicht) gebracht. Gustav hat – sehr viel – 300 Taler bekommen. Abend war wieder Sitzung im Gesamtministerium wegen Gesetzen pp. für den Landtag, der gestern zusammengetreten, Donnerstag eröffnet wird. Minister Schneider sagte mir, er 143 Schreiben von Staatsminister v. Falkenstein an Weber vom 12. November 1866 zur Verleihung des Komthurkreuzes II. Klasse des Verdienstordens, mit einem kleinen Gedicht. Siehe Dokumentenanhang Nr. 35.
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wolle den Geheimen Rat Hänel, der jetzt abgegangen ist, mit dem Wirklichen Geheimen Ratstitel überraschen. Ich riet ihm ab, weil ich überzeugt war, daß Hänel an der Exzellenz nichts liege – das hat sich auch bestätigt. Er hat es abgelehnt. Dagegen ist Weißenbach Exzellenz geworden, was seine Frau sehr erquicken wird. November 15 Der König ließ mich früh um 9 ½ zu sich rufen, um noch Einiges wegen der Thronrede zu besprechen. Ich bedankte mich denn bei dieser Gelegenheit für den Orden und er war nun ganz eingehend, ließ sich viel von der Landeskommission erzählen. Als ich zunächst Engels Tätigkeit sehr rühmend gedachte, sagte der König, Friesen habe ihm erst den General Zeschau vorgeschlagen, er sei aber auf Engel gefallen. Zur Landtagseröffnung ging ich nicht, aber zum Diner. Ich saß neben dem neuen Pair Meinhold und Präsident von Criegern, erneuerte auch eine seit dem Jahre 1819 eingeschlafene Bekanntschaft mit Steuer, der behauptete, ich habe ihn immer ignoriert, während ich dasselbe von ihm überzeugt war. Adolf kam am Mittwoch Abend, telegraphisch angemeldet. Ich freute mich herzlich, den guten Jungen wiederzusehen. Heute Mittag reiste er wieder ab, über Leipzig nach Zwickau, wo er jetzt in Garnison bleibt, bis er den von ihm erbetenen Abschied erhält. Er will einmal nicht länger dienen und ein Übel am Knie, das ihn am Reiten, aber gar nicht in seiner jetzigen Funktion, hindert, bei der er nicht zu reiten braucht, sondern im Feld einen Wagen erhielte, soll als Grund dienen. November 18 Vorgestern kam Graf Vitzthum, der Gesandte in London, dessen diplomatische Tätigkeit wohl vor der Hand geschlossen ist, zu mir, der mir denn sehr viel von seiner Tätigkeit erzählte – er sprach immer bloß von sich. Er meinte, daß man ihn in Preußen nicht sowohl wegen seines Buches „Die Geheimnisse des sächsischen Kabinetts“ anfeinde, als wegen eines Memoires, daß er vor längerer Zeit geschrieben und Beust in Wien übergeben habe, worin er vorgeschlagen, Österreich solle sofort den Herzog von Augustenburg anerkennen, seine Truppen aus Holstein zurückziehen und die ganze Sache dem Bund übertragen. Pfordten hat ihm gesagt, als er vor dem Kriege in München war, „ich kann Ihnen vertraulich die Listen zeigen, 170 000 Mann stehen sogleich unter den Waffen“ – ja in Preußen, aber nicht in Bayern! Er meinte, vor dem orientalischen Krieg 1852 sei Beust von Könneritz in Wien, der ganz von dem russischen Gesandten von Meiendorf influoniert worden und Seebach dupiert worden. Er habe damals die Frage nicht verstanden – natürlich aber er, Vitzthum. Kamen doch gestern mehrere Leute, um mir zum Orden zu gratulieren!!, u. a. Wolf Ehrenstein, der blinde Arzt, der, wie er versichert, eine ganz hübsche Praxis erlangt hat. November 19 Als ich gestern Nachmittag ins Archiv ging, hielt mich eine ganz vermummte Gestalt an, die bloß ihre Nase zeigte, die mir unbekannt war. Die rätselhaften Worte, die der mich anhaltende Herr sprach „ich bin ein wandelndes Bett“ gaben mir auch noch keine Aufklärung, bis er sich als Villers enthüllte, der eben aus Wien ankam. Um 6 Uhr kam er dann zu mir und erzählte mir seine Leiden mit dem unverträglichen Gesandten Könneritz in Wien, bei dem er nun 14 Jahre ist. Er wünscht 1 Jahr Freiheit, um sich auszuruhen und machte Vorschläge über die Pensionierung der Diplomaten, die allerdings mit seinen Wünschen mehr übereinstimmen als mit dem Staatsdienergesetz. Wahr ist, was er sagt, daß Diplomaten wie er nicht einmal zu einem Torschreiber zu gebrauchen seien. Für Beust hatte er gute Hoffnungen.
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November 21 Diner bei Forth-Rouen mit den Ministern (außer Fabrice), Gise und dem russischen Gesandten Graf Bludow, der ein sehr langweiliger Patron ist, was ich gründlich erfuhr, da ich bei Tisch neben ihm saß. Er sagte sehr naiv, er vermeide alle Bekanntschaften mit seinen Landsleuten, da sie immer lästige Anliegen hätten, behauptete, es seien 4 000 russische Familien (!) in Dresden. Die Sache mit dem Repräsentationsaufwand ist immer noch nicht in Ordnung. Friesen hat dem König eine Resolution vorgelegt, nach welcher er nur einen Teil der 4 000 Taler (wahrscheinlich 3 000) erhalten solle. Der König hat aber gemeint, er sehe ein, er könne die Respräsentation nicht übernehmen, was Friesen, der sich auf Diners einrichten will, eben nicht einsieht. Falkenstein will nun die Sache anregen, da es sich fragt, wer zum Geburtstag des Königs die offizielle Fete geben soll. November 25 Am Donnerstag brachte der Kriegsminister von Fabrice ein Kommunikat mit in die Sitzung, das er erst dort unterschrieb und ich nun gleich vortragen sollte. Es betraf die Unterbringung der preußischen Garnisonen. Ich konnte natürlich die Sache, die mir ganz fremd war, nicht vorbereiten. Die Minister waren auch nicht vorbereitet und so war dann die Beratung ziemlich konfus. Ich machte nun ein Protokoll, das Fabrice auch, als ich es ihm zuerst schickte, ganz richtig fand. Friesen aber schrieb einen ganzen Bogen Bemerkungen, die ich zum Teil nicht verstand, weil das, was er desidierte, schon im Protokoll stand. Nun fuhr ich also gestern bei scheußlichem Wetter in der Stadt herum, um mit Fabrice, Falkenstein und Friesen die Sache in Ordnung zu bringen. Ob es nun der Fall ist, weiß ich nicht, da Jeder eigentlich etwas Anderes wollte. Geschäftsordnung und Leitung fehlt noch ganz im Gesamtministerium und Friesen, obwohl die größere Intelligenz, erschwert die Sache, weil er Einwendungen gegen seine Ansicht nur mit halbem Ohr und widerwillig anhört, auch kurz abzufertigen liebt. Er sagte mir auch, daß er wahrscheinlich gar nicht die Repräsentationsgelder erhalten wird, indem der König ihm neulich gesagt, er sehe ein, daß er die Repräsentation nicht übernehmen könne, er wolle die Sache sich noch überlegen. Früher habe er, da Beust häufig Wünsche gehegt, die Sache allemal beim König vermittelt, Friesen scheine aber nicht geneigt, sich der Angelegenheit anzunehmen. Graf Vitzthum schickte mir den zweiten Band seiner „Geheimnisse des sächsischen Kabinetts“. Ihm kostet das Werk bare 600 Taler, wofür er nur 600 Freiexemplare erhalten. Daneben hat er sich durch das Buch für den Berliner Gesandtschaftsposten unmöglich gemacht, er hat also die Schriftstellerglorie sehr teuer bezahlt. In der Konstitutionellen Zeitung vom 22. d. J. (Nr. 271) steht ein Artikel gegen mich, in welchem gesagt wird, so lange ich im Gesamtministerium sei, sei in liberaler Richtung nichts zu hoffen, ich sei schon unter dem reaktionären Ministerium Könneritz Geheimer Referendar gewesen, jetzt wieder in die jetzt viel einflußreichere Stellung gezogen worden. Als Vorstand des Hauptstaatsarchivs sei ich ganz an meiner Stelle, nicht aber als Referent im Gesamtministerium. Der Verfasser hat bis auf den Punkt wegen der liberalen Richtung ganz recht. Am 23. d. M. ist Kohlschütter gestorben, zur rechten Zeit für ihn, aber freilich wird die Familie, da er wohl nur Schulden hinterläßt, schwer betroffen, um so mehr, da weder die Mutter noch die Söhne sich beliebt zu machen verstehen. Hochmut, Luxusbedürfnisse werden nun keine Befriedigung mehr finden. Kohlschütter war ein sehr befähigter, durchaus rechtlicher Mann, aber sehr eitel und zugänglich für den Einfluß seiner Frau, die,
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durch Schmeichelei leicht zu gewinnen, Protektion ausübte, die vielfach Unverdienten zu Teil ward. Dezember 8 Einige Diners allein haben unser stilles Leben durchbrochen, neulich bei Berlepsch mit Falkensteins, gestern bei Minister Friesen ein großes diplomatisches Diner mit den Gesandten und den Trümmern unserer Diplomatie. Gise, der bayerische Gesandte, fuhr mich zu Haus. Falkenstein sagte mir neulich als seine Idee, man könne Preußen einen Schachzug spielen, wenn man die Reichsverfassung als Basis vorschlage. Mir war nicht klar, was überhaupt mit einem Schachzug gewonnen sein solle, in der Absicht Preußen, mit dem man ja in völliger Einigkeit gehen will, wie die Regierung versichert, Verlegenheit zu bereiten. Weiter aber könnte es doch keinen Zweck haben, da man sich von der Unausführbarkeit der Reichsverfassung und der Grundrechte schon früher überzeugt hat. Ich sprach mich dann dahin, auch ohne mich weiter in eine Diskussion einzulassen, so aus. Vor einigen Tagen aber hielt mir Vitzthum (der Gesandte in London) eine ausführliche politische Vorlesung, bei der es denn herauskam, daß er der Erfinder des Schachzugs ist, mit dem er aber bei Friesen keinen Anklang gefunden hat. Auf diesen war er überhaupt nicht gut zu sprechen, weil er die Vitzthumsche Weisheit nicht genügend anerkennt. Auch die Finanzmaßregeln wollte er nicht billigen, die Friesen ergreife. Man solle das sächsische Staatsvermögen für alle Fälle in englischen conhols anlegen – was allerdings mit einiger Verantwortlichkeit den Ständen gegenüber verbunden sein würde. Er prophezeite übrigens spätestens für 1868 Krieg mit Frankreich, Revolution, rote Republik und andere Annehmlichkeiten, riet Gold einzuwechseln, kurz er sieht sehr Schwarz, jedenfalls weil keine Aussicht vorhanden ist, daß er wieder nach England als Gesandter geht und nicht glaubt, daß die Welt ohne seine direkte Mitwirkung ferner wird existieren können. Dezember 14 Falkenstein hat offenbar die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die Repräsentationsgelder zu beziehen. Er gab denn auch als Einleitung dazu vorgestern, am Geburtstag des Königs, einen gewaltigen Rout, sehr gern von mir hörend, daß dies doch ein großes Opfer sei, zu dem er gar keine Verpflichtung habe. Ich blieb bloß ¼ Stunde und ging zur Halle herunter, wo sich noch die ganze französische Gesandtschaft und Minister Zeschau nebst Sohn einfanden. Man hat Beust bei seinem Abgang zugesichert, einen Teil seiner Möbel zu übernehmen, um sie als Inventar dem Repräsentationsquartier auf der Seestraße anzufügen. Ich habe viel schon wegen der Sache geschrieben und geredet, da Beust viel daran liegt, da er noch etwa 2 500 Taler zu restaten hat, die er sich auszahlen lassen. Friesen, in dessen Abwesenheit die Sache abgemacht worden, wollte nicht daran und gestern ward dann endlich die Sache nochmals im Gesamtministerium besprochen und beschlossen, daß die Ausgabe für die Möbel beim Auswärtigen Departement verschrieben werden soll. Bei den Ständen ist allerdings die Sache vielleicht nicht leicht zu vertreten. Heute gibt Schneider, möglichst vornehm um 5 Uhr, ein großes Diner, zu dem er mich auch eingeladen hat. Wollen sehen, wie Madame Exzellenz sich dabei parieren wird. Mit ihm komme ich sehr gut aus. Er bekümmert sich allerdings bloß um sein Departement, hört aber Einwendungen, ist nicht dickköpfig und es liegt ihm offenbar an der Sache – das ist schon viel wert in so teurer Zeit! Dezember 16 Das Diner bei Schneider war ganz gut und ohne übertriebene Prätension. Er hatte auch von den Gesandten nur Forth-Rouen eingeladen, die Minister, das Justizminis-
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terium und noch Einige. Ich saß neben dem neugebackenen Geheimen Justizrat Abeken, der ein fähiger Mann ist, einmal Justizminister werden kann, wenn er sich bewährt und – Ideen hat, die jetzt unter den Staatsdienern immer seltener werden. Minister Friesen war so gefällig, mich nach Hause zu fahren. Rouen erzählte, daß Beust dem französischen Abgeordneten für den Handelsvertrag ein Diner gegeben und dabei einen Toast mit „calembours terri bles“ ausgebracht, eine seiner Schwächen, da er in collanbours sehr schwach ist. Damit macht er sich nur bei den Franzosen lächerlich. Als er als Attache in Paris vor langen Jahren war, nahm er Unterricht bei dem bekannten Komiker Levassor im Singen komischer Lieder – er hat uns dann später öfter seine Kunststückchen mit etwas tönernen Stimmchen vorgetragen. Vor einigen Jahren kommt Levassor hierher, Rouen ladet ihn ein und sagt ihm, er werde einen seiner Schüler, le Baron de Beust wiederfinden. Levassor versichert Baron de Beust? Connais pas – ca! bei Tisch Beust lache un calembour terrible. Da schreit Levassor über den Tisch mit Schauder – ale je vous reconnais! Gestern Abend traf ich Hilf, den bekannten Geiger aus Elster, der sich beklagte, daß der Geheime Regierungsrat Eppendorf ihn bei den Verhandlungen über Erneuerung des Kontrakts über die Musik in Bad Elster so drücke und schikaniere. Ich riet ihm, mit Minister Nostitz und Falkenstein zu reden, will auch selbst sehen, ob ich die Kleinlichkeiten des möbelwagenähnlichen pedantischen Eppendorf beseitigen kann. Heute habe ich Hilf zu Tisch gebeten. Er kann Gustavs neue Geige, eine Amati für 250 Taler, die er sich gekauft, probieren. Dezember 19 Am 15. d. M. haben die Konferenzen in Berlin über die Reichsverfassung begonnen.144 Der König ist mit dem Kronprinzen, letzterer sehr malgre beau nach Berlin gegangen. Friesen wird erst hingehen nach der Rückkehr des Königs, die wohl heute oder gestern erfolgt ist, damit man ihn nicht bei heikligen Fragen gleich an den anwesenden König verweise. Gestern um 10 Uhr ging ich in das ehemalige Beust’sche Quartier auf der Seestraße, wo ich die Ministerin, den Regierungsrat von Broizem und einen sehr dämlichen Finanzsekretär traf, mit denen ich die Möbel verzeichnete, die der Staat von Beust übernehmen soll, um die Summe von etwa 2 500 Taler zu decken, die Beust noch von den erhaltenen Vorschüssen zu vertreten hat. Es wird sich wohl decken oder noch etwas übrig bleiben für Beust, wenn auch die sechs Hüte und eine ausgestopfte Rohrdommel, die in seiner Stube waren, nicht mit übernommen waren. Wir fanden auch noch einige Aktenstöße, die dort sechs Monate geruht hatten. Eine Maßregel des Königs wird nicht allgemeinen Beifall finden. Ein Mensch Namens Kunschner, der wegen Mordes zum Tode verurteilt worden, sollte gestern früh in Leipzig 144 Zur weiteren Konsolidierung des von Preußen mit den norddeutschen Kleinstaaten am 18. August 1866 gebildeten Norddeutschen Bund bedurfte es einer neuen Verfassung. Die darauf von Bismarck ab Oktober in den sogenannen Putbuser Diktaten entwickelten Grundgedanken wurden nach dem 1. Dezember zu Verfassungsvorschlägen verdichtet. Am 15. Dezember 1866 wurde dann der Bismarcksche Verfassungsentwurf den Vertretern der norddeutschen Staaten vorgelegt, die bis zum 7. Februar 1867 in Zusammenkünften in Berlin darüber berieten. Der so zustande gekommene Verfassungsentwurf wurde am 24. Februar dem verfassungsberatenden norddeutschen Reichstag vorgelegt. Die Beratungen führten dann zu einer modifizierten Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867, die am 1. Juli 1867 in Kraft trat. Siehe E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte Band 2. Deutsche Verfassungsdokumente 1851–1918. Stuttgart 1964, S. 227–242.
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guillotiniert werden. Er war schon auf das Brett geschnallt, eben soll das Beil fallen, da ertönt der Ruf Halt und ein Bote bringt eine telegraphische Depesche, wonach die Hinrichtung bis auf Weiteres aufgeschoben wird. Nartürlich wird er nun begnadigt werden, aber daß man ihn erst die Todesangst ausstehen läßt, erscheint mir als eine Grausamkeit. Dezember 23 Vorige Woche kam der Musikdirektor Hilf aus Elster zu mir, einer der besten Schüler Spohrs, der seit 16 Jahren in Elster die Musik dirigiert und den nur sein unbeholfenes Wesen und der Mangel an Befähigung, sich geltend zu machen, verhindert hat, eine bessere Karriere zu machen. Er war in großen Nöten, weil ihn das Ministerium des Innern viele Quengeleien bei Erneuerung seines Kontraktes macht. Der Geheime Regierungsrat Eppendorf hat ihn behandelt wie einen Bierständler. Ich schickte ihn zu Falkenstein, der ihn kennt und bei mir früher hat spielen hören, der denn auch ihm versprochen hat, und mir, als ich ihn sprach, zusagte, er wolle mit Minister Nostitz reden. Er hat es aber vergessen und ich suchte dann am Donnerstag um 5 ½ Minister Nostitz auf, den ich mit Böhlau und Regierungssekretär von Beust, die bei ihm gegessen hatten, beim Kaffee traf. Bei einer Zigarre brachte ich nun bei Nostitz die Sache vor, indem ich ihm sagte, ich suche seine Protektion gegen das Ministerium des Innern. Er wußte von Hilfs Leistungen gar nichts, versprach aber, nun selbst Notiz von der Sache zu nehmen und dem bockbeinigen Eppendorf sie nicht allein zu überlassen. Vor einigen Tagen erhielt ich aus dem Auswärtigen Ministerium ein lithographiertes Exemplar des Entwurfs „Der Vertrag des Norddeutschen Bundes“, ohne alles Weitere. Da mich die Sache interessiert, sah ich den Entwurf durch und fand allerdings sehr viele Lücken, konfuse Bestimmungen pp. Ich machte mit Bleistift einige Bemerkungen dazu und das war sehr gut. Denn gestern sagte mir Falkenstein, die Sache solle Abends zur Beratung kommen, ich werde wohl ein Protokoll machen sollen. Falkensein gab mir, als ich um 7 ins Gesamtministerium zur Sitzung kam, einige Bemerkungen. Friesen und Falkenstein hatten den Entwurf wenigstens gelesen, der König ihn studiert, aber Nostitz und Schneider nahmen gar keinen Teil an der Beratung, die bis um 1 ½ dauerte. Ich war ganz hin, als wir fertig waren, meine monita wurden aber fast alle als sehr begründet anerkannt und ich habe nun heute bis um 2 ein vier Bogen langes Protokoll gemacht. Für das Gesamtministerium war aber die Beratung ein testimonium paupertatis. Bei einer so wichtigen Sache so wenig Teilnahme und Interesse! Sehr leicht nimmt der König die Sache, viel schwerer der Kronprinz, der seinem Groll wiederholt Worte gab, nur Bismarck erklärte er wenigstens für sehr offen und bezweifelte Friesens Angabe, daß er oft nur die Maske der Offenheit vornehme. Der König sagte, daß er mit dem König von Preußen die meisten Punkte genau durchgesprochen habe und dieser ihm in vielem Linderung zugesagt – aber ob es die Minister hätten wollen? Wegen der Befestigungen bei Dresden hat Bismarck auf des Kronprinzen Bemerkung, daß sie gar keinen militärischen Wert hätten, entgegnet, daß er das nicht geglaubt und daß man sie in der Tat angelegt habe als Hindernis für Österreich, wenn es Sachsen besetzen wolle. Der Kronprinz hat auch erwähnt, daß man, wenn man den Abgeordneten zum Reichstag nach dem Entwurf keine Diäten gebe, lauter Berliner bekommen werde, worauf Savigny, der jetzt eine große Rolle spielt und Bismarcks Nachfolger zu werden hofft, erwidert hat, man könne den Reichstag ja nach Hamburg verlegen – oder, wie der Kronprinz meinte, in die Lüneburger Heide. Der erste Entwurf der Bundesverfassung ist von Savigny gefertigt worden. Bismarck hat ihn aber ganz bei Seite gelegt und mit einem Andern – den Namen habe
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ich vergessen – den jetzigen, höchst flüchtigen, lücken- und mangelhaften gefertigt. Abends nach 10 Uhr sieht Bismarck stets viele junge Leute seines Departements bei sich – wenig Andere kommen hin wie Friesen sagt – da wird Champagner getrunken und sehr schwere Zigarren geraucht, was Bismarcks Gesundheit sehr nachteilig ist.145 Friesen will erst Ende dieser Woche nach Berlin gehen, einige Tage früher, ehe die anderen Minister wieder in Berlin eintreffen, um erst mit Bismarck sich zu verständigen. Jetzt geht es nicht, weil Bismarck während der Feiertage aufs Land zur Jagd geht. Friesen will auch absichtlich nicht lange vor dem Wiederzusammentreten der Konferenz nach Berlin gehen, damit die Anderen nicht Ombrago schöpfen, wenn er lange allein in Berlin vor den Andern ist. Heute um 5 Diner bei Baron Werner, dem österreichischen Gesandten, mit einigen Hofbeamten. Sehr gutes Diner, bei dem ich Frau von Werner kennenlernte, der ich mich vorstellen zu lassen bisher keine Gelegenheit gefunden, eine große, stattliche, sehr höfliche Dame. Vom Diner sofort zu Antons zur Bescherung, wo die Familien Berlepsch, Otto Berlepsch’s Braut von Egidy und deren Bruder, ein Offizier, pp. waren. Der Letztere erzählte manches vom letzten Krieg. Dezember 24 Heiliger Abend. Ich dachte, heute einmal Ruhe zu haben und wollte mit Erhard nach Loschwitz gehen, allein als ich früh um 9 – etwas dämlich vom Trinken gestern Abend – aufstand, fand ich das Protokoll über die vorgestrige Sitzung mit Bemerkungen Friesens, die zum Teil richtig, zum Teil unrichtig waren. Ich ging daher nach 10 zu ihm, mußte aber warten, weil Forth-Rouen bei ihm war, der ihm ein langes Expose, das er über Sachsens Verhältnisse pp. zum Lesen mitgeteilt hat – das er mir zeigte, ich habe es aber natürlich nicht gelesen – das er nach Paris geschickt und das dort mit vieler Anerkennung aufgenommen worden, während man sonst seine sehr dickleibigen und zahlreichen Depeschen, wie mir Beust sagt, wenig beachtet, weil er eben zu viel schreibt. Ich mußte dann ins Gesamtministerium, um noch Einiges im Protokoll zu ändern und da ward es zu spät für Loschwitz. Ich ging daher mit Erhard und Oda in den Zoologischen Garten, während Sophie für den Abend aufbaute und Kisten mit Geschenken von Rosa, Luise, meiner Schwiegermutter öffnete. Um 7 kommt die Familie und Jordan zur Bescherung zu uns. Sonst waren Kotzebue und Wickede öfters dabei. Ersterer ist jetzt Gesandter in Karlsruhe, Letzterer hat sich verlobt mit der Tochter eines nicht sehr gut beleumdeten Advokaten in Rostock, die Tochter aber, die er im Seebad kennengelernt, soll ein sehr liebenswürdiges Mädchen sein. Hierher wird er, da er als preußischer Spion verschrieen worden, jedenfalls nicht wiederkommen. Er hat in der Kölner Zeitung Briefe über Sachsen im vorigen Jahr drucken lassen, die allerdings boshaft und zum Teil falsch sind. – Wir waren bis ziemlich spät inter pocula ganz fidel zusammen. Jordan sagte, als wir bei einer Zigarre auf Sachsens Lage und die großen pekuniären Lasten, welche der Norddeutsche Bund aufbürde, zu sprechen kamen: Wir hätten bis jetzt still bürgerlich ohne Glanz nach außen gelebt, es sei der Fall, als wenn Jemand auf einmal nach außen hin glänzen wolle, da müßten freilich die Kosten des inneren Hausstandes beschränkt werden, um den äußern Glanz möglich zu machen. Dezember 27 Beust, der gestern Nachmittag hier angekommen, hat gestern ein mehrstündiges Gespräch mit dem König gehabt. Ich war heute einige Stunden mit ihm in seinem 145 Ernst Engelberg: Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer. Berlin 1985, besonders S. 640–672. . .
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Quartier zusammen, um die Sachen, welche er dem Staat überlassen will, zu konstatieren. Er wollte auch Kupferstiche, lauter Porträts von Fürsten, Ölbilder, Porzellannippes mit übergeben, von dem ich sehr bezweifelte, daß man sie als Inventar gern annehmen wird. Er sah sehr munter aus und war sehr guter Dinge. Politik haben wir natürlich nicht gesprochen. Ich schrieb dieser Tage an Wickede, den man hier als preußischen Spion verdächtigt und der daher wohl nicht wieder hierherkommen wird. Er hat sich mit der Tochter eines Adokaten in Rostock verlobt. Dezember 30 Friesen hat nun die Repräsentationsfrage mit dem König besprochen und sich die 4 000 Taler gesichert, will aber das Quartier nicht nehmen. Gestern Abend kamen Beust mit Frau und Tochter, Witzleben – jetzt Generalleutnant geworden – mit Frau, Jordan und Ferdinand zu uns. Beust traf, da er noch einen Kurier hatte expedieren müssen, erst um 10 ein und Ferdinand, der den ganzen Abend schweigend in einem Lehnstuhl gedämmert, ging schon früher fort, weil es ihm zu spät wurde. ForthRouen, der erfahren, Beust sei den Abend bei uns und wahrscheinlich meinte, es sei eine große Gesellschaft, hat sich gegen die Halle sehr lebhaft darüber ausgesprochen, daß wir ihn nicht eingeladen hatten. Das fehlte uns noch, daß wir wieder anfangen müßten, uns in die diplomatischen Kreise zu zwängen und „ambassadeurs“ zu uns einzuladen. Ich will aus meiner bescheidenen sozialen Stellung nicht heraus und bin herzlich froh, daß ich nicht mehr in die „höhern Zirkel“ zu gehen brauche, schlug daher auch eine Einladung zum bayerischen Gesandten von Gise aus, zumal sie sehr formlos erst am Mittag an mich gelangte. Beust blieb, nachdem die Damen sich entfernt, noch mit Witzleben bis 12 ½ bei uns, erzählte dann mancherlei. Er steht um 7 auf und empfängt von 9 Uhr an eine Unzahl Menschen, da er eben viel hören, Viele kennenlernen will. Die Ungarn vergöttern ihn zur Zeit, „weil er ein neuer Mensch ist“, er lege aber selbst nicht viel Gewicht darauf. Er bekommt zahllose anonyme Briefe, manche wohlgemeint. So hat Einer ihm geschrieben, er möge sich einen sächsischen Bedienten nehmen (gegen Spionage) und er müsse alle in Österreich vorkommende Sprachen lernen, damit er Jedem in seiner Muttersprache sagen könne, „Sie sind ein Esel“. „Das genügt bei uns“ schließt der Brief. Beust meinte übrigens, Bismarck hätte viel besser und großartiger gehandelt, wenn er nach dem Sieg über Österreich einen Reichstag nach Frankfurt berufen und ohne Annektierungen den König von Preußen zum Kaiser von ganz Deutschland proklamiert hätte. Da würde er den Süden auch mit erhalten haben. Da wäre aber der Partikularismus sehr bald wieder erwacht und nicht alle Fürsten sind so ehrlich wie unser König. Nun so Lebewohl für dieses Leben dachte ich und sagte ich meinem alten Freund Beust, mit dem ich seit mehr denn 50 Jahren bekannt bin, mit dem ich so manches Leid und manche Freude geteilt habe – als er schied! Dezember 31 Regierungsrat von Witzleben in Leipzig will es übernehmen, eine Lebensbeschreibung des Ministers Könneritz zu bearbeiten. Der Verstorbene wünschte, ich solle ihm einmal einen Nekrolog schreiben und es würde wohl Niemand mit so viel Liebe und Anerkennung getan haben wie ich, der ihm mit aufrichtiger Dankbarkeit ergeben war. Allein ich kann es nicht, weil ich eben über Vieles zu genau unterrichtet bin, halbe Wahrheit mag ich nicht, ganze kann ich nicht geben. Davon habe ich mich wieder überzeugt, als ich mein Tagebuch insbesondere aus dem Jahr 1848 wieder durchlas. Ich sprach heute auch mit Falkenstein darüber. Der sagte, er habe auch seitdem über Vieles eine andere Ansicht
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gewonnen, sie hätten mit Ausnahme von Carlowitz alle bleiben können. Ich habe denn die Notizen, welche mir Könneritz über sein Leben gegeben – nicht sehr erheblich – und Alles, was ich mir aus Unterredungen mit ihm vorläufig notiert hatte, dem Advokat von Könneritz übergeben und gestern aus meinem reichen Tagebuch mehreres für Witzleben ausgezogen, was man allenfalls veröffentlichen kann. Adolf hat vom 1. Januar 1867 an seinen Abschied erhalten, um den er gebeten. Seine letzten Briefe enthalten nichts als Klagen über die Unannehmlichkeiten seiner Stellung, seiner Trennung von seiner Frau, die in Leipzig geblieben, während er nach Zwickau kam pp. Das sind nun auch aber doch wirklich keine Gründe, um im kräftigsten Alter, bei voller Gesundheit – er hat nur eine kleine Lähmung im Knie, die ihn am Reiten, wie er behauptet, hindert und die er der Pensionierung wegen sehr fraliert – sich auf die Bärenhaut zu legen. Die Pensionierung der Offiziere ist ein wahrer Krebsschaden im Budget. Jetzt im letzten Feldzug, wo man viele pensionierte Offiziere wieder herbeigezogen, hat es sich klar gezeigt, daß sie noch recht gut noch Dienste leisten könnten. Hätte Adolf nicht durch das Vermögen seiner Frau reichlich zu leben, er würde sich wohl hüten, jetzt den Abschied zu nehmen. Weil er aber wohlhabend ist, muß der Staat ihm Pension zahlen. Ein Wirtschaftschef braucht ja kein Schnellläufer zu sein, er hätte es noch 20 Jahre bleiben können. Heute Abend kommt er laut einer telegraphischen Depesche, die ich nach seinem Brief erhielt, um 8 hier an. Wir haben noch Antons einladen lassen, die – mit dem Laternenpfahl uns dazu durch eine Einladung zu sich, von der sie wußten, daß wir sie wegen Adolfs Ankunft nicht annehmen konnten, dazu winkten. Vorher will ich noch zur Halle gehen, die mir in einem Briefchen gratuliert und eine schöne Holzdose als Andenken an ihren Mann schickte.. Von Wickede ausführliche Antwort auf einen Brief, den ich ihm am 25. d. M. schrieb. Er scheint also, da er mir, der ich ihm deshalb schrieb, nichts antwortet – doch der Verfasser der allerdings fast hämischen Briefe über Sachsen in der Kölner Zeitung zu Anfang des Krieges zu sein, nicht Kotzebue, von dem ich es glaubte.
1867 Januar 13 Vorgestern Diner bei Minister Nostitz-Wallwitz mit fast lauter Ständemitgliedern. Neben mir saß ein Herr, der wie ein alter pensionierter General aussah, sich aber als der Landesbestallte Schenk entpuppte, der behauptete, wir hätten als Student auf der Reichsstraße in einem Hause gewohnt, was ich gar nicht mehr wußte. Gestern Diner beim König. Man ißt und trinkt besonders mehr als man sollte, schwatzt dann nach Befinden dummes Zeug und hat den andern Tag den Husten. In den Zeitungen las ich die Tage von der Absicht der sächsischen Herzöge, sich Weimar unterzuordnen, weil die kleinen Lande ihren kostspieligen Regierungsapparat neben der großen Militärlast nicht mehr bestreiten können. Diese Tatsache ist evident und ebenso läßt sich vorhersehen, daß die kleinen Länder dem gänzlichen Verlust ihrer Selbständigkeit entgegen gehen, daß dies auch dem Königreich möglicher Weise bevorsteht, wenn einmal eine Thronverändeung einen minder geliebten König auf den Thron bringt. Mir ging daher bei, ob man nicht jetzt sich mit den Ernestinern vereinigen könne, wie es schon 1848 beabsichtigt ward. Ich sprach deshalb mit Falkenstein, da ich durch Seebach und Watzdorf vertraulich leicht
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würde erfahren können, wie die Zäume hängen. Ich sagte ihm aber, daß dies nicht hinter dem Rücken Friesens geschehen könne. Falkenstein behauptete, er habe die Sache schon ins Auge gefaßt und mit dem König darüber, besonders wegen Altenburg gesprochen, wo man nicht abgeneigt sei, sich an das Königreich anzuschließen. Der König sei erst sehr frappiert gewesen, habe aber an Friesen geschrieben, er möge sich erkundigen, wie die Sache in Altenburg stehe. Falkenstein will nun nochmals mit dem König sprechen und mir dann sagen, ob ich eine Initiative einleiten soll. Man kann natürlich diese nicht aktiv ergreifen, sondern die Sache müßte von den Ernestinern ausgehen. Freilich fragt sich, ob wir nicht bei einer gemeinsamen Ständeversammlung sehr radikale Elemente aus den kleinen Staaten erhalten würden, ob der Stolz der älteren Linie nicht eine Submission unter die jüngere der Albertiner behindern wird?146 Abend 7 Uhr. Falkenstein war heute Vormittag, während ich mit Oda in den Zoologischen Garten gegangen, bei mir gewesen und hatte die Bitte hinterlassen, ich möge um 6 Uhr zu ihm kommen. Dies geschah. Der König hat heute selbst mit ihm von der Sache gesprochen. Hauptsächlich mit Bezug auf Altenburg, bemerkt, man müsse allerdings einen etwa geboten werdenden Faden anknüpfen, die Großfürstin Constantia von Rußland komme in diesen Tagen hierher und mit ihr, einer sehr gescheiten und sächsisch gesinnten Frau, wolle er über die Sache sprechen. Preußen werde, wenn es das Militär behalte, nichts dagegen haben. Als Falkenstein erwähnte, ich sei sehr befreundet mit Seebach, hat der König bei diesem Namen, der also unbegreiflicher Weise ihm nicht angenehm sein muß, mit den Achseln gezuckt, aber schließlich ist beschlossen worden, daß ich vertraulich, aber ganz in meinem Namen Seebach schreiben soll. Ich sagte aber Falkenstein, daß ich die Sache Friesen, wenn er zurückkehre, nicht verbergen werde, worauf er bemerkt, er wolle es ihm selbst sagen. Januar 14 Heute schrieb ich an Seebach über die Sache wegen der Ernestiner, indem ich ihn daran erinnerte, daß 1848 schon ein Antrag auf Anschluß von Weimar gekommen, den mir jetzt Zeitungsartikel ins Gedächtnis zurückgerufen, bemerkte, daß es mir interessant und lieb sein würde, wenn er mir seine Ansicht und was für Adspekten etwa vorhanden seien, mitteilen wolle. Januar 16 Den beiliegenden Brief Seebachs, der sehr wichtige Auffassungen enthält, zeigte ich vertraulich Falkenstein. Er erledigt alle Aussichten auf eine Vereinigung mit den Herzogtümern und Falkenstein bat mich dringend, daß er ihn dem König zeigen dürfe, da man sich demnach sehr hüten müsse, von hier irgend einen Schritt zu tun. Der König hat denn auch den Brief gelesen und – die Sache ist beigelegt.147 Januar 17 Forth-Rouen, den ich gestern traf, erzählte mir, daß er einen Brief von Beust erhalten, der ihm meldet, daß er einen Ausweg mit Ungarn gefunden zu haben glaube. Vier Nächte habe er bis früh 4 Uhr mit „ces brutes“, wie Forth-Rouen sagte, verhandelt. Gestern Abend hatten wir eine Sitzung im Gesamtministerium, bei der, da Schneider krank, Friesen und Fabrice aber noch in Berlin sind, außer dem König und den Prinzen nur Falkenstein und Nostitz zugegen waren. Viele Debatten hatte ich da nicht zu bestehen. Die 146 So wie 1848 kamen nach 1866 erneut Überlegungen auf, die ernestinischen thüringischen Staaten mit dem albertinischen Königreich Sachsen zu verbinden. Siehe hier Teil II Anm. 144 und Fritz Hauptmann: Sachsen und Thüringen 1848/49. In: NAfSG Band 51, S. 215–251. 147 Brief des sachsen-coburgischen Staatsministers von Seebach an Weber vom 16. Januar 1867 aus Berlin. Siehe Dokumentenanhang Nr. 36
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erledigte Stelle im Archiv ward dann auch ganz nach meinen Anträgen besetzt, indem Falke aufrückt und Dr. von Posern-Klett an seine Stelle kommt. In dem letztern hoffe ich, einen fleißigeren und genaueren Arbeiter, als der flüchtige Falke ist, zu bekommen. Februar 3 Freitag Abend Sitzung im Gesamtministerium. Friesen referierte über einige Bundesfragen. Das gab denn dem Kronprinzen wieder Gelegenheit zum Schimpfen, wobei ihm Falkenstein und Schneider, statt ihn wie Friesen, zu mäßigen, sekundierten. Wenn er nur nicht anderwärts sich ebenso unangemessen ausspräche, so tut er es aber, insbesondere in der Ersten Kammer, daß die Herren sich, wie mir Friesen sagte, oft verwundert ansehen! Friesen hat eine ernste Szene in der Deputation mit ihm deshalb gehabt. Er zitierte wiederholt ein Volkslied, wie er es nannte, das beginnt Bundesbrüder, Hundeluder, behauptete, die Gassenjungen seien ihm, da sie ihn für einen Preußen gehalten, nachgelaufen und hätten auf die Preußen geschimpft. Friesen erzählte, in Berlin habe man ihm gesagt, daß nur Frankreich beim Nikolsburger Frieden Sachsen gerettet, das man sonst nicht herausgegeben haben werde. Man besorgt ernstlich einen Krieg mit Frankreich und glaubt, daß, wenn auch der König dem Bunde treu bleibe, doch die Armee unzuverlässig sein und der König vom Volk gezwungen werden könne, gegen Preußen zu gehen. Daher die Fortdauer der Okkupation. Man habe in Preußen jetzt eben die ernstliche Absicht, Ruhe im Innern herzustellen und in den Bundeseinrichtungen der Post nur die Zweckmäßigkeit vor Augen. Das ward dann natürlich vom Kronprinzen, der überall bloß Annektierungsabsichten sieht, geleugnet. Gestern früh hatte ich mit Friesen zu reden, dem ich denn auch von meiner Korrespondenz mit Seebach – die ihm Falkenstein trotz seines Versprechens nicht mitgeteilt hat – erzählte. Er sagte, daß Seebach ganz preußisch sei, Watzdorf sehr matt. Daneben klagte er über Weißenbach, der immer störrischer werde. Ein Franzose hat eine Erfindung gemacht, aus Kobalt eine Farbe herzustellen, die bei der Photographie ganz unempfindlich bleibt. Man hat die Entdeckung bereits bei den Banknoten in Paris angewendet. Friesen teilt dies, nachdem er durch Seebach in Paris Erkundigung eingezogen, aus dem Auswärtigen Ministerium dem Finanzministerium mit. Weißenbach resolviert es ad acta. Nach 14 Tagen erkundigt sich Friesen aus Berlin nach der Sache und ordnet an, man solle sich mit Devrient und Gieseke in Leipzig, welche die neuen Kassenbilletts für Sachsen herstellen, deshalb vernehmen. Weißenbach tut nichts und endlich schreibt der Geheime Finanzrat Koch (?) an Friesen, es sei mit Weißenbach nichts anzufangen, er habe erklärt, er tue nichts, da er nicht wisse, woher das Auswärtige Ministerium seine Kenntnis geschöpft und ob nicht Verletzung eines Amtsgeheimnisses dabei im Spiele sei. Es bleibt nun Friesen nichts übrig, als daß er sich die Akten nach Berlin kommen ließ und die Sache selbst expedierte. Er klagte sehr über die Schwierigkeiten, die er überall finde, Undank, sagte, das Auswärtige behalte er nicht, sprach überhaupt sehr offen und rückhaltslos. Ja, es ist manches faul im Staate Dänemark, besonders fehlt es ganz an intelligentem Staatsdienernachwuchs. Nostitz scheint auch sehr gedrückt, fühlt vielleicht, daß er seinem Ministerposten nicht ganz gewachsen sei. Er spricht im Gesamtministerium fast gar nicht, bleibt wenigstens nicht bei seinem Satz, den er sofort aufgibt, wenn er Widerspruch findet. Der Kronprinz nannte jede sächsische Dame, die auf dem letzten Hofball mit einem preußischen Offizier getanzt hatte. Es waren nur einige. Er rieb es Friesen förmlich unter die Nase, daß eine seiner Nichten oder sonstige Verwandte darunter gewesen. Und der König bemüht sich dagegen, Harmonie herbeizuführen. Er sagte, „nun, das letzte Mal ging es schon besser“.
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Februar 4 Abends Sitzung im Gesamtministerium, zu der ich aber nicht zugezogen ward. Der Militärvertrag war, als Friesen Ende voriger Woche Berlin verließ, verabredet, war aber noch dem König von Preußen vorzulegen. Savigny hatte Friesen gesagt, es handele sich nur noch um einige Redaktionsänderungen. Gestern kommt aber ein Brief von Fabrice, nach welchem Hauptfragen nicht erledigt sind. Es soll eine stehende Besatzung in Dresden bleiben, der Korpskommandant (Kronprinz) von Preußen ernannt werden pp. Der König hat in der Sitzung die Sache selbst vorgetragen und Friesen das Protokoll gemacht, nach welchem man die jetzt vom König von Preußen verlangten Abänderungen des Entwurfs eines Militärvertrages ablehnt. Es ging noch Abends eine telegraphische Depesche an Fabrice, der morgen eine Audienz beim König von Preußen hat. Nach der Sitzung eine große Gesellschaft bei Antons, wo sie eine Musik mit Kinderinstrumenten, die Ferdinand aus Wien mitgebracht hat, fürchterlich mit verschiedenen Weibern und alten Fräuleins aufführten. Ich hatte das besondere Vergnügen, die Ministerin Schneider, die giftigste Kröte, die ich kenne, zu Tisch zu führen, saß aber glücklicher Weise neben der Ministerin Falkenstein, die ich ganz gern leiden mag. Die Halle ist seit acht Tagen nach Hamburg, bleibt acht Monate weg. Wir werden daher sehr wenig Geselligkeit haben, die wir auch nicht suchen. Februar 8 Fabrice ist gestern hier gewesen und hat gegen Graf Vitzthum – den Gesandten – geäußert, er habe nur den Vertrag noch zu unterschreiben. Also scheint es doch, daß, wenn man nicht gleich nachgibt – Preußen sich dazu entschließt. Vitzthum, der allerdings etwas selbstgefällig ist, behauptete, daß wir überhaupt von Anfang an die Flinte unnötig ins Korn geworfen. Friesen habe viele augenfällige Fehler gemacht. So habe er beim Frieden in Berlin an der table d’trote gegessen, da sei denn allerhand gesprochen worden, was Klatschereien verursacht. Nun, wenn er weiter nichts verursacht hat, da absolviere ich ihn. In seinen höheren politischen Kombinationen, die er mir entwickelte, konnte ich ihm nicht ganz folgen – die sächsische berühmte Höflichkeit hat doch ihre Unbequemlichkeiten. Februar 24 Allerhand politische Kuriosa trug Friesen am Donnerstag Abend in der Sitzung vor. Am 15. Februar ging beim Gesamtministerium ein Schreiben des preußischen Auswärtigen Ministeriums (vom 14. Februar) ein – in den Norddeutschen Bundessachen will Bismarck nicht mit unserm Auswärtigen Ministerium korrespondieren, cur. Nescio – worin gesagt ward, man wünsche eine baldigste nichtoffizielle Bekanntmachung des Entwurfs der Landesverfasung, damit die Presse sich vor Zusammentritt des Reichstages aussprechen könne. Ich schickte die Sache sofort an Falkenstein und Friesen. Dieser telegraphiert nach Berlin Mittag 12 Uhr den 15. Februar, man sei einverstanden, werde aber zugleich die Militärkonvention abdrucken lassen. So sprach sich Friesen auch in der Zweiten Kammer aus am 15. Februar (Landtagsmitteiloungen 2. Kammer Band I, 697). Bis Sonnabend Mittag den 16. geht keine Antwort aus Berlin ein, der Abdruck im Dresdner Journal (zum 17. Februar) ist fertig, da kommt der preußische Gesandte von Eichmann um 4 Uhr zu Friesen, der bei der Hoftafel ist, und sagt, man wünsche in Berlin, daß die Militärkonvention nicht bekannt werde, da sie – wie verabredet worden – vorläufig noch geheim gehalten werden soll. Friesen schickt sofort in die Expedition des Dresdner Journals, insibiert den Abgang des Blattes (Beilage) und beruhigt nun Eichmann. Allein einige Exemplare sind schon versendet gewesen als Belege für Inserate, u. a. eines an Hof in Berlin wegen seines Malzextraktes. Dieses Exemplar erhält die Nationalzeitung und druckt die Militärkonvention ab als entnommen
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aus dem Dresdner Journal. Darüber Bismarck ganz wütend, läßt Friesen von Eichmann eine Note verlesen, daß man durch diese Handlung das Vertrauen zu Sachsen verlieren müsse pp. Friesen hat nun alle möglichen Erläuterungen gegeben und hofft, die Sache werde sich ausgleichen. Bismarck hat aber jetzt auch verlangt, daß alle Bundesstaaten sich vertragsmäßg verpflichten, die Bundesverfassung als verpflichtend anzuerkennen, wenn auch der Reichstag sie nicht annehme. Man hält dies für unbedenklich, da man dadurch auch eine Garantie erhält, daß der Reichstag nicht im Einverständnis mit Preußen Sätze aufnimmt, welche die Annektierung herbeiführen. Bismarck hat auch gesagt, Friesen solle vom König von Preußen zum Preußischen Kommissar beim Reichstag ernannt werden. Dies geht offenbar nicht. Könneritz (der Gesandte in Berlin) hat aber, statt die formellen Bedenken hervorzuheben, daß doch ein sächsischer Minister nicht preußischer Kommissar sein könne pp., allerhand nur unklare Phrasen vorgebracht, womit man denn sehr unzufrieden war. Der König von Preußen kam am 19. Februar hier an, blieb bis 20. Abends. Ich habe aber ihn nicht gesehen, da ich zu den Hofdiner und Konzert nicht eingeladen war. Der König war ganz mit dem Gang der Dinge zufrieden. Er sagte, es sei ihm lieb gewesen, daß er Vitzthum (den Gesandten, Verfasser des Buches Geheimnisse des sächsischen Kabinetts), der in Berlin bete noirs ist, nicht dem König von Preußen habe vorzustellen gebraucht. Dieser erzählte mir, daß er sich absichtlich ganz zurückgehalten, daß aber der Kronprinz von Preußen ihn immer habe aufgesucht und sehr freundlich mit ihm gesprochen hat. Tauchnitz war eben bei mir. Er hat dem Kronprinzen geschrieben, ob nicht ein Buch über die Beteiligung der Sachsen im letzten Krieg herausgegeben werden solle, das er in Verlag nehmen wolle. Der Kronprinz hat, was Tauchnitz sehr übel genommen, gar nicht geantwortet. Am Donnerstag wurden auch Ordensverteilungen, die jetzt massenhaft erfolgen, besprochen, u. a. Savigny. Es fragte sich, ob er den Verdienstorden erhalten solle, weil er den Albrecht schon hat, oder den letzteren in Diamanten, was man deshalb tat, weil man den Verdienstorden an Ausländer nicht geben will. Es ward auch bemerkt, daß Savigny Diamanten wohl am liebsten sein würden, da er sehr ökonomisch ist. Dafür galt er schon hier. Die Ministerin Beust ist nun nach Wien abgereist, wird ihm dort das Haus derangieren. Beust’s Verhältnis mit der Uckermann ist, wie ich höre, gelöst – ein großes Glück, sie war ihm keine Eugenia, sondern ein böser Geist, eine Last, die er – zum Teil aus Gutmütigkeit – nicht abzuschütteln vermochte. Sie soll sich mit ihrem geschiedenen Mann soweit ausgesöhnt haben, daß er ihr die drei Mädchen überläßt, mit denen sie in die Schweiz gehen will. März 3 Am Donnerstag Abend erhielt ich den beiliegenden Brief Beust’s, der mich allerdings etwas wundert. Er hat jetzt, wie mir seine Frau bestätigt – freilich ist sie nicht sehr zuverlässig – 80 000 Taler und ein großes Palais, ganz eingerichtet, und mäkelt nun um ein paar 100 Taler wegen seiner Möbel. Er glaubt, eine Art Belohnung beanspruchen zu können aus der Staatskasse, während es doch schon eine große Konzession ist, daß man ihm seine Möbel für eine ziemlich hohe Taxe abnimmt. Friesen wollte, als ich mit ihm am Freitag deshalb sprach, gar nichts von der Sache wissen, wogegen ich ihm bemerklich machte, daß, wenn Beust einmal solche Wünsche ausspreche, es doch nicht ratsam sei, ihn durch Abweisung zu verletzen, da sehr leicht der Fall eintreten könne, daß Sachsen eine feindliche Gesinnung Beust’s nachteilig werden könne. Friesen blieb aber dabei, es sei den Ständen gegenüber nicht zu verantworten, wenn man gar noch mehr, als die Taxe betrage, geben wolle, zumal das Quartier wohl gar nicht wieder als Repräsentationsquartier werde gebraucht wer-
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den. Ich sprach denn auch noch mit Broizem, der aber ebenfalls nicht zugänglich für Beust’s Vorschlag sich zeigte. Ich schrieb Beust, daß nicht viel Aussicht ist. Ich besuchte dann noch seine Frau, die, aus Wien zurückgekehrt, offenbar über den Glanz der Stellung Beust’s und seiner jetzigen großartigen Existenz montiert war. Regierungsrat von Witzleben, der die Leipziger Zeitung unter seiner Aufsicht hat, war eben bei mir, voller Klagen: statt eines Direktors, früher Beust, hat er jetzt drei, Falkenstein, Friesen und Nostitz – kann es nicht Allen recht machen. In den Literarischen Beilagen stand vor einigen Tagen eine Rezension einer Schrift über die Trennung der Justiz von der Verwaltung und er hat da einige Worte darüber einfließen lassen, daß bei der Besetzung der Gerichtsamtsstellen die Jusitz zunächst beachtet werde. Das hat das Justizministerium gewaltig übel genommen und ein Kommunikat an das Ministerium des Innern ergehen lassen, daß der Redakteur rektifiziert werde. Es ist sogar auf den Artikel des Strafgesetzbuches wegen Erregung von Unzufriedenheit darin Bezug genommen. Nostitz hat sich darauf beschränkt, Witzleben das Kommunikat zum Lesen zu geben. Schneider ist sehr empfindlich! Witzleben erzählte auch, daß er durch einen Dr. Buddeus in Frankfurt a. M. Berichte erstellen lasse über die Stimmungen und Vorkommnisse in Süddeutschland, die aber nur für Falkenstein und den König sind, nicht in die Öffentlichkeit kommen. Sie seien sehr interessant, während die Berichte unserer Diplomaten gar nichts enthielten. März 6 Wieder einige Hieroglyphen von Beust erhalten wegen seiner Möbelgeschichte, mit Broizem und Friesen abermals verhandelt und darauf hingewiesen, daß man doch Beust – so kleinlich die Sache ist – nicht durch Verweigerung einiger 100 Taler verletzen möge, auf den König verwiesen, der ja die Differenz ausgleichen könne. März 8 Das Resultat belegt der beiliegende Brief Broizem’s, den aber Beust nicht zu schicken Friesen mich bat. Er ist auch gar zu sehr kanzleimäßig und Beust würde u. a. daraus die Neuigkeit erfahren haben, daß er auf der Seestraße Nr. 11/462 gewohnt hat. Ich schrieb denn nun heute den Inhalt an Beust und behielt meinen schon fertigen Brief zurück. März 10 Das Alter meldet sich bei mir doch recht merklich. Wenn ich eine längere Sitzung im Gesamtministerium gehabt, bei der ich allerdings vorbeugend und nur die Notizen für das Protokoll machend sehr aufmerken muß, bin ich erschöpft, arbeite ich mehrere Stunden angestrengt, so bekomme ich Kopfschmerzen. Die Turnübungen mit Hanteln, die ich seit einem Jahr alle Morgen etwa 10 Minuten treibe, tun mir allerdings gut, indem sie den Bauch, der mir beschwerlich ward, etwas zähmen und die erschlaffenden Unterleibsmuskeln kräftigen, indessen die Beine sind und bleiben steif und ermüden schnell – mir, der ich einer der tüchtigsten Fußgänger in meiner Jugend war. Ruhe und Bequemlichkeit sind mir Bedürfnis geworden und des Abends eine Flasche Wein oder Bier. Sophie ist auch weniger mobil und so leben wir eigentlich wie die Dachse, wenigstens fast ohne alle Geselligkeit. Unsere Bekannten sehen meist auch niemand bei sich und so komme ich, da die Halle nicht da ist, sonst nur zu Sahr, bei dem alle Freitag eine Herrengesellschaft zum Whist und feinem Souper sich versammelt. Frau von Sahr macht sehr liebenswürdig und höflich am Teetisch die Wirtin und es wird immer so eingerichtet, daß ein oder zwei Herren durch Austreten ihr Gesellschaft leisten. Um 11 zieht sie sich zurück und dann wird, namentlich wenn Forth-Rouen da ist, eine Zigarre geraucht. Einige Diplomaten, der russische Gesandte Graf Bludow (Bluthund vulgo genannt) und etwa ein Dutzend Herren aus der höheren Gesellschaft bilden den Kreis. Nur verliere ich immer mein Geld und bezahle in der Regel das
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Souper teuer, doch mag ich die Sache nicht ganz aufgeben, da sie das einzige Bindeglied mit der Gesellschaft für mich noch ist und ich mich sonst dabei amüsiere. Musik mache ich wenig außer im Orchesterverein, da die Augen ablegen. Sehr traurig ist mir die Nachricht, daß die Herzogin Sophie in Bayern (Tochter des Königs) sehr krank an Diphteritis ist. Wenn die armen greisen Eltern auch sie noch verlieren sollten! Eben Extrablatt, gestern Abend 9 Uhr ist sie gestorben! März 17 Sophie war gestern bei der Ministerin von Beust, die ihr erzählt hat, daß ihr Mann aufs Äußerste erbittert auf Sachsen sei. Meine Vermutung hat sich also bestätigt, daß er die Pfennigberechnung wegen seiner Möbel als eine grobe Undankbarkeit betrachtet hat. Ob es einmal das Land wird entgelten müssen? Friesen hätte die Sache, wie nun einmal die Sache lag, dem König mitteilen müssen, oder er würde die paar 100 Taler, um die es sich handelte, aus Politik irgendwie hernehmen müssen. Ich erbot mich gegen Friesen, es selbst dem König zu sagen, aber er hat diesem jedenfalls nichts mitgeteilt. Beust will sein Grundstück in Laubegast verkaufen und hat geschrieben, es möge kommen wie es wolle, er werde nie nach Sachsen zurückkehren, sich lieber nach Bayern wenden. März 22 Gestern hatte ich die erste Sitzung im Gesamtministerium nach dem Tod der Prinzessin. Der König war wunderbar gefaßt, ging auf die Geschäfte ein, als wenn nichts ihn störte. März 31 Gestern hatte ich die feierliche Übergabe der Beust’schen Möbel, die Broizem durchaus verlangte, zu bewerkstelligen. Der Rentamtmann und ein Sekretär des Finanzministeriums Dr. Schmidt als Protokollant erschienen. Der Letztere hat mehr den Geist als die Elastizität eines Heupferdes und machte furchtbare Schwierigkeiten. Jedes Stückchen Vorhang ward durchgezählt. Ein entsetzliches Bedenken erregte ein als Buvetschrank aufgeführtes Möbel, das sich als ein geborener Schreibtisch herausstellte. Um das Unglück aber voll zu machen, hatte die Ministerin von zwei Vorratsschränken, die zusammen taxiert waren, einen wegnehmen lassen und – einen Mehlkasten!, der doch für das Ministerium unentbehrlich ist, wenn es die Sache den Ständen gegenüber verkleistern will. Die ganze Rechnung stimmte nun nicht mehr. Ich ging nun mit der Lupe im ganzen Quartier herum, um so möglich noch Kompensationsobjekte zu finden und fand denn neben drei leeren Tintenflaschen und zwei Photographien von Falkenstein und Friesen, die dereliquiert an der Wand hingen, noch eine kleine Konsole, drei Lampen ohne Glocken, die zerbrochen waren, und – einen Kasten voll Lichtmanschetten, Artikel, die zusammen nach der Ansicht des Rentamtmannes den Mehlkasten und Schrank decken werden, da sie zeither nicht mit taxiert worden sind. Ob Broizem aber sich bei dem Defekt beruhigen wird, steht allerdings dahin, denn er ist ganz entsetzlich bedenklich und dumpfig geworden. Friesen aber ist in Berlin. April 14 Am Freitag hatten wir im Wohnzimmer des Königs eine interessante Sitzung, in der Friesen über den Norddeutschen Bund referierte. Der einzige Punkt, in dem Preußen dem Reichstag nicht nachgeben will, weil der König darin ganz entschieden bleibt, ist die Diätenfrage, in der Sachsen ohne Bedenken nachgeben würde, unser König selbst hatte auch kein Bedenken dagegen. Friesen erzählte in der Sitzung und dann noch mir vieles Interessante aus Berlin. Bismarck steht mit seinen Kollegen auf einem wenig freundlichen Fuß, da er von der größten Rücksichtslosigkeit und Perfidie ist. Savigny hat erwartet, er werde Minister und Bundeskanzler werden. Bismarck hat aber gesagt, Gott bewahre, ich habe schon jetzt mit acht
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Ministern zu tun, ich werde mir nicht noch einen neunten aufbinden lassen. Der Bundeskanzler hat bloß zu tun, was ich befehle und so wird denn Savigny als Bundeskanzler bloß Bismarcks Sekretär. Er hat bereits die Offizialwohnung bezogen und Bismarck hat, ohne ihm etwas zu sagen, eine Sitzung der Regierungsbevollmächtigten in dieser Wohnung anberaumt, so daß Savigny sehr frappiert gewesen, als ihm Friesen dies mitgeteilt, da er den Saal noch gar nicht eingerichtet gehabt. Der Minister von der Heid, der mit Bismarck nicht gut steht, hat Friesen angegangen, er möge doch mit diesem über eine Frage, über die er mit Bismarck in Differenz geraten, sprechen, eine Vermittlerrolle, die aber Friesen abgelehnt, da es eine preußische Angelegenheit war. Über einen Finanzantrag des Reichstags hat Heid sich gegen Abgeordnete zustimmend erklärt. In der Sitzung aber erfährt er, daß Bismarck dagegen sprechen will. Darauf packt er seine Papiere sogleich zusammen und geht fort. Bismarck ist, als einige Male im Reichstag auf den letzten Krieg als von Preußen provoziert gedeutet worden, in höchste Wut geraten. Er hat den König nämlich bis jetzt in dem Irrtum festgehalten, daß er wirklich der Angegriffene sei. Es sind aus Böhmen absichtlich ganz falsche Berichte über österreichische Truppenzusammenziehungen an den Generalstab nach Berlin gerichtet worden, die Moltke in gutem Glauben dem König vorgelegt hat. Bismarck hat nun große Angst, daß der König doch noch dahinterkommen könne, daß er ihn getäuscht habe, was ihn sofort stürzen würde. Beust hat Bismarck sehr gelobt. Friesen ist der Einzige, mit dem Bismarck über politische Fragen gesprochen hat, so über Luxemburg. Er wünscht nämlich, daß Sachsen sich über die Frage aussprechen solle, damit wir die Kastanien aus dem Feuer holen. Er hat gesagt, Luxemburg habe gar keinen Wert für Preußen, sei als Festung gar nichts wert, aber freilich die öffentliche Stimmung sei gegen die Abtretung und man wünsche daher zu wissen, was Sachsen denke, da es eine Frage sei, die Preußen als solches nicht berühre, sondern bloß Deutschland im Allgemeinen. Wo es ihm paßt, da soll Deutschland vortreten! Schwarze hat wieder ein paar schlagende Zeichen seiner ungemessenen Eitelkeit gegeben. Er hat dem Minister Graf Lippe gesagt, wenn er etwas in Sachsen durchsetzen wolle, solle er sich nur an ihn wenden. Er hat Friesen erzählt, er habe viele Briefe bekommen, worin man ihn auffordere, doch im Reichstag zu sprechen, „deshalb habe man den besten Redner in Sachsen“ dahin gesendet. Im Ganzen fehlt es, wie Friesen sagte, sehr an Intelligenz im Ministerium, Bismarck ist ganz unzuverlässlich und unbeständig. April 15 Gestern Abend um 8 schickte Falkenstein zu mir, ich möchte zu ihm kommen. Der preußische Gesandte von Eichmann hat Bose mündlich die Aufforderung eröffnet, Sachsen solle sich über die Luxemburger Frage aussprechen,148 insbesondere, ob es alle Folgen einer Weigerung, die preußische Garnison hinauszuziehen, mit übernehmen wolle. Schriftlich hat Eichmann nichts geben wollen und Bose hatte nun seine Notiz ohne alle wei148 Kaiser Napoleon III. nahm Mitte März 1867 Verhandlungen mit König Wilhelm III. der Niederlande, der Landesherr des Großherzogtums Luxemburg war, über den Verkauf des Großherzogtums an Frankreich auf. Das Großherzogtum hatte zum Deutschen Bund gehört, trat dann nicht dem Norddeutschen Bund bei, hatte aber noch in der Hauptstadt eine preußische Garnison. Wilhelm III. machte seine Entscheidung von dem Einverständnis Preußens abhängig, das seinerseits aber eine militärische Auseinandersetzung mit Frankreich vermeiden wollte. Letztlich gaben Frankreich, England, Preußen und Österreich auf der Londoner Konferenz vom 7.–11. Mai 1867 eine Garantie für die Unabhängigkeit und Neutralität des Großherzogtums ab, womit die Luxemburgische Krise beigelegt wurde.
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tere Präparation dem König zugeschickt (!), der nun eine Beratung im Gesamtministerium wünschte. Falkenstein und ich waren sofort einverstanden, daß man sich erst über die Rechtsfrage orientieren müsse und Preußen eine Antwort zu geben habe, daß man ihm die Vertretung seiner (etwaigen) Rechte und die Wahrnehmung der Interessen des Norddeutschen Bundes zu überlassen habe. Ich setzte nun heute einen Entwurf zur Antwort auf, in dem ich an die Spitze stellte, daß Preußen die politische Führung und völkerrechtliche Vertretung des Norddeutschen Bundes übernommen, dann kamen einige Sätze über Beachtung der Interessen und Rechnung wegen der öffentlichen Meinung (etwas auf Schrauben gestellt). Der Entwurf, für meine nicht diplomatische Feder etwas schwierig, fand Falkensteins vollen Beifall, der ihn mitnahm, um ihm dem König zu zeigen, wobei ich nur wiederholt betonte, daß man nicht ohne Friesen einen Beschluß fassen möge. Dann machte ich ein juristisches Expose über die Luxemburger Frage, nachdem der Norddeutsche Bund als solcher gar kein Recht hat, da mit dem Deutschen Bund alle Verhältnisse Luxemburgs als Bundesfestung gelöst sind. Ob Preußen, wie es heißt, einen Separatvertrag mit Holland geschlossen hat, nescio – das ist denn Preußens Sache. Vitzthum, den ich nach Tische im Archiv sprach, war ganz mit mir einverstanden, daß es keine Rechtsfrage, sondern eine Macht – und Interessenfrage sei. Schade, daß man seinen sehr klugen Kopf jetzt gar nicht benützt, Friesen scheint ihn nicht benützen zu wollen. Abends kam noch Vitzthum zu mir und brachte mir den beiliegenden Brief. Wir sprachen dann noch über die Sache. April 20 Die Luxemburger Sache ist, nachdem Friesen zurückgekehrt, von ihm selbst erledigt worden, ohne daß ich weiter dabei beteiligt wurde. Am Dienstag das zweite Quartett in diesem Winter mit Schlick, Seelmann, Ackermann, die ich allemal mit Zigarren entschädige. Sonst mußte ich jede Woche mein Quartett haben, jetzt genügt es mir alle drei Monate einmal und bald wird es ganz aufhören, da ich die Noten nicht mehr gut sehen kann und die Technik immer mehr abnimmt. April 25 Wir stehen jetzt wie vorm Jahr vor einem furchtbaren Krieg, der aber wohl größere Dimensionen annehmen wird, dessen Folgen sich gar nicht absehen lassen. Armes Deutschland, die Folgen der Zerrissenheit treten nun an uns heran! Die Feiertage habe ich einen Aufsatz über Dr. Joachim von Beust begonnen für das Archiv für die Sächsische Geschichte, zu dem mich eine Frau von Welck geborene Beust veranlaßt hat, die mir eine alte Leichenpredigt über Beust schickte.149 Ein Buch schreibe ich nicht mehr, aber für das Archiv liefere ich doch gern alle Jahr einen größern Aufsatz, indem ich es im übrigen mit Miszellen versorge, zu denen ich ohne große Mühe das Material bei meinen Arbeiten im Hauptstaatsarchiv finde. April 28 Man spricht jetzt viel über den Kronprinzen, der eine Neigung (oder Verhältnis) zu einer Frau von Wuthenau, sehr wenig cachiert, sehr häufig Fensterpromenaden macht pp., was im Publikum bemerkt und sehr übel gedeutet wird. Allerhand Kuriosa in den letzten Tagen. Es ist offenbar manches faul und chaotisch bei uns und man weiß nicht recht, wer Koch oder Kellner ist. Friesen ist kein Diplomat, er ist ein tüchtiger Geschäftsmann, allein was Beust im Auswärtigen zu viel, für das Innere zu wenig war, ist Friesen umgekehrt. Die hiesigen Gesandten sind sehr unzufrieden mit ihm, besonders Forth-Rouen (der vor einigen Tagen nach Wien zu Beust gegangen). Dieser sagt, Friesen sei 149 Karl von Weber: Dr. Joachim von Beust. In: Archiv für sächsische Geschichte. Band VI, S. 337–381.
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unbedeutend (was ganz unrichtig ist). Trop bontonne, pas moyen de s’enbeandre avec lui. Beust war allerdings zugänglicher für Forth-Rouen, der Friesen jedenfalls sehr lästig wird, wenn er schon früh vor 9 Uhr zu stundenlangen Besuchen kommt. Jetzt ist nun die Luxemburger Frage Forth-Rouens crece coeur. Vitzthum hatte einen Artikel geschrieben, angeblich Korrespondenz aus London, worin er allerdings in etwas zu scharfem Ton geltend macht, man dürfe jetzt die Frage nicht berühren, nicht durch Kammerdebatten und Interpellationen reizen. Er bat mich, den Artikel Friesen vorzulegen – mit dem er nicht gut steht –. Ich tat dies, aber Friesen sagte gleich kopfschüttelnd – Aufsatz von Vitzthum? Er schickte mir denn auch den Artikel zurück mit der beiliegenden Bemerkung. Forth-Rouen hat aber gestern wieder an Vitzthum geschrieben und Vitzthum wollte und wollte nicht deshalb Friesen eine Mitteilung machen. Ich bestimmte ihn zu ersterem, da Friesen ja nicht obstinat ist. Vitzthum erzählte mir, daß er im vorigen Herbst, während Bose Ministerchen des Auswärtigen spielte und Friesen in Berlin war, von Ersterem ein Schreiben bekommen, worin ihm auf Allerhöchsten Befehl auferlegt ward, sofort aus London hierher zu kommen, weil er in den Londoner Salons weitgehende, bedenkliche Äußerungen getan. Salons gibt es in London im August und September nicht. Vitzthum hat auch gar keine bedenklichen Äußerungen getan, sondern bloß dem preußischen Gesandten Graf Bernsdorf einen Aufsatz über ein zu errichtendes Fürstenhaus mitgeteilt, den dieser mit großer Anerkennung Graf Bismarck gesendet, Savigny aber, der Vitzthum in Berlin zu sehen sehr gefürchtet hat, hat den „gefährlichen“ Vitzthum erfunden und Friesen belogen, der nun nach Wien geschrieben hatte. Er hat aber, als Vitzthum sich später gerechtfertigt, Bose die Sache in die Schuhe geschoben. Vitzthum ist nun sehr unzufrieden, daß er ganz bei Seite gelegt wird, möchte gern wieder die Hände im Spiel haben, was aber Friesen eben nicht will. Er sagte mir, es sei Jemand (wer?) zu ihm gekommen und habe gesagt, in Bayern gehe es nicht mit Hohenlohe (oder wie der auswärtige Minister heißt), er möge doch die Sache in die Hände nehmen, wofür er sich aber bedanken werde. Gestern früh bekam ich ein Kommunikat des Kriegsministeriums mit einem Dekret an die Stände, in welchem eine Ermächtigung beantragt ward für mehrere Änderungen der sächsischen Militärgesetzgebung in Folge der Bestimmungen in dem Norddeutschen Bundesvertrag. Es war mir sehr klar, daß, sobald dieser von den Ständen genehmigt worden, dann die Ausführung der Bundesgesetze nicht mehr im Detail der Kompetenz der Landstände unterliegt und daß es dafür einer Ermächtigung nicht mehr bedarf, ja daß, wenn man das Prinzip annehmen wollte, die größten praktischen Verwicklungen entstehen müßten. Es handelte sich also um ein sehr wichtiges staatsrechtliches Prinzip. Da ich glauben mußte, die Sache sei in meiner Abwesenheit im Gesamtministerium besprochen worden, so ging ich zu Falkenstein, der aber erwiderte, nein, Fabrice habe bloß beiläufig bemerkt, er bedürfe noch einer ständischen Ermächtigung. Auf die Prinzipfrage war keiner der Minister beim Zirkulieren der Sache gekommen, allein Falkenstein, Fabrice und Friesen – ich mußte von Einem zum Andern laufen – überzeugten sich sehr bald, daß ich recht habe und Friesen fügte nun auf meinen Antrag dem Dekret an die Stände wegen des Bundesvertrages noch einen Zusatz bei, der Ermächtigung zur Ausführung der in der Verfassung enthaltenten Bestimmungen beantragt. Er schrieb aber in seiner Eilfertigkeit den Satz in das Mundum des bereits vollzogenen Dekrets eigenhändig hinzu, statt, was ganz leicht gegangen wäre – da Platz vorhanden war – es durch einen Kanzlisten beifügen zu lassen. Das bereits gedruckte Dekret – denn Morgen tritt der Landtag wieder zusammen – mußte nun noch eingedruckt werden.
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Mai 2 Gestern sprach ich Forth-Rouen, der Beust in Wien besucht hat und mir ein Billett von ihm mitbrachte, in Folge dessen ich das Geld erhob, das Beust für seine Möbel vom Staat zu erhalten hat. Nach Abzug der Posten, die er noch schuldig war, für Porzellan über 700 Taler (die er seit der Verheiratung seiner Tochter schuldete) und der Posten, die er während des Krieges erhoben, bekommt er noch 3 753 Taler einige Groschen 2 Pfennige heraus. Davon zahlte ich nach seiner Anweisung an Finanzsekretär Schmidt 3 000 Taler. ForthRouen war ganz voll über die glänzende Stellung, die Beust sich schon erworben, er sei der „arbitre“ von Europa, Napoleon schätzt ihn sehr, hat gesagt, jetzt könne man mit Österreich wieder verhandeln, da ein hommo an der Spitze stehe. Als ich Forth-Rouen sagte, er vermisse Beust wohl sehr, sagte j’il au manque? C’est nua follil! Juli 3 Nostitz hat die Grundzüge für ein neues Wahlgesetz in Zirkulation gesetzt, die ich heute mit Falkenstein besprach. Ich wollte dabei nachsehen, was man im Gesamtministerium im Jahre 1848 über den Entwurf des Wahlgesetzes bemerkt habe, fand aber – nicht eine Zeile. Es muß bloß eine mündliche Besprechung stattgefunden haben. Vitzthum, der Londoner Gesandte, kommt von Zeit zu Zeit zu mir, um mir sein Herz auszuschütten und zu lamentieren. Der Geheime Rat von Bose – zuletzt Gesandter am Bundestag – den man sehr zur Unzeit zur Exzellenz und ersten Rat im Ministerium des Auswärtigen gemacht hat, ist ein Schafskopf, der, wenn Friesen abwesend ist, lauter Dummheiten macht. Vitzthum schlug nun vor, man solle ihn wieder nach München schicken. Ich kann offenbar Friesen keine Ratschläge über Personalien in seinem Ministerium machen, sagte es aber Falkenstein, der aber auch nichts tun wird. Ferdinand ist am Freitag aus Gastein zurückgekehrt, hat Beust in Wien besucht, schildert die Pracht seiner Existenz. Beust hat ihn zu Tisch gebeten, ihm zu Liebe früher gespeist und ihn dann selbst auf die Eisenbahn gefahren. In diesen Tagen ist er nun Reichskanzler geworden! Juli 14 Graf Vitzthum ist zwei Tage in Wien gewesen, erzählte viel von Beust’s glänzenden Resultaten, behauptete aber, daß längstens nächstes Frühjahr ein Bündnis Frankreichs, Italiens und Österreichs zum Krieg mit Preußen führen werde. Charmante Aussichten! August 4 Gestern Eröffnung des Monuments König Friedrich August II., der ich beiwohnte. Falkensteins Rede, von der kein Wort zu verstehen war, scheint mir, wie sie die Zeitungen bringen, ganz gut. Wetter die ganze Zeit schrecklich, Regen, bittere Kälte in den Hundstagen. August 13 Im Gesamtministerium ist jetzt Gurkenzeit. Einige Tage war bloß Minister Friesen hier, der nun morgen nach Berlin geht. Er soll Bundesvizekanzler werden, wie man sagt, und wird sich da noch steifer halten als zeither. August 18 Endlich dauernd schönes Wetter, dazu Vollmond, herrliche Abende. Gestern kam Oberst Krug von Nidda, ein sehr gescheiter angenehmer Mann mit seiner Frau und frische Kartoffeln und einige Flaschen Rheinwein, den Beide zu schätzen wissen, hielten sie bis gegen 10 Uhr fest. Heute Diner, Adolf Berlepsch mit Frau, Minister Nostitz-Wallwitz, Geheimer Rat Müller (vulgo Nasenmüller genannt). Da die Hühnerfrau noch nicht eingetroffen, ist der beabsichtigte Morgenspaziergang noch nicht eingetreten. Nostitz ist ein Mann, der mir recht gut gefällt, obgleich er etwas Zugeknüpftes hat. Er hat schon lange ein eigentümliches Verhältnis mit der Frau des Geheimen Rates Kreisdirektor von Könneritz, der dies dulden soll, weil er
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trotz seiner Jahre anderwärts im niedern Stand Amüsement sucht, trotz seiner äußern großen Frömmigkeit. Ich teilte Nostitz mit, was mir neulich Schönfeld, der cidevant Präsident der Ersten Kammer erzählte, daß die Kammerpräsidenten und wohl vorzugsweise Friesen es sehr übelgenommen, daß die Missive beim Zusammentritt des vertagten Landtages an sie nicht die Bezeichnung Präsident getragen – weil man die alten Formulare benutzt hat – und daß ihnen keine Eröffnung wegen ihres Hofranges zugegangen. Diese ergeht nämlich bei jedem Landtag besonders aus dem Ministerium des Innern, das es diesmal vergessen hat. Diesen beiden großen Übelständen soll nun abgeholfen werden. September 8 Wie Savigny aus dem Sattel gehoben worden! Bismarck hat ihm die Bundeskanzlerstelle zugesagt – unbegreiflich allerdings, da sie, wenn der Bund sich entwickelt, der wichtigste Posten ist – er wiederholt diese Zusage noch im Mai diesen Jahres. Zu derselben Zeit sagt es auch der König Savigny, daß er dazu bestimmt sei und es ergeht ein Reskript an den Finanzminister, daß das Quartier, ich weiß nicht in welchem Ministerialpalais, für Savigny hergestellt werden solle. Savigny geht nach Karlsbad und liest hier in der Zeitung, daß Bismarck Bundeskanzler geworden. Er schreibt an diesen und erhält die Antwort, die Verhältnisse hätten sich so gestaltet, daß er selbst das Amt übernehmen mußte, es sei aber Savigny die Bundesvizekanzlerstelle zugedacht. Savigny remonstriert, beruft sich auf die Zusage und bemerkt, er glaube erwarten zu können, daß man ihm eine selbständige politische Stellung anweisen werde. Bismarck antwortet ganz schroff in dem Sinne, es sei doch unbegreiflich, wie Savigny glauben könne, daß neben ihm Jemand eine selbständige politische Stellung beanspruchen könne. Savigny schreibt nun an den König, bezieht sich auf dessen Zusage, bittet eventuell um seine Entlassung. Der König gibt das Schreiben mit eigenhändigen Randbemerkungen an das Ministerium, worin er u. a. sagt, er habe es Savigny ja bereits selbst mitgeteilt, daß der frühere Plan nicht ausführbar sei, ordnet zugleich an, daß Savigny zur Disposition gestellt werde. Savigny versichert aber, er habe kein Wort vom König erhalten oder gehört, Bismarck müsse es dem König eingeredet haben, daß er es getan. September 11 Vitzthum (der Londoner) kam heute um 12 zu mir ins Archiv und erzählte Folgendes: Vor einigen Tagen kommt der österreichische charge d’affaires Pfusterschmidt zu ihm und bringt ihm eine in der Nacht erhaltene telegraphische Depesche, in der Beust Vitzthum bittet, sofort nach Wien zu kommen und dort unter fremdem Namen im Lämmchen abzutreten. Vitzthum reist sofort nach Wien. Beust teilt ihm einen Brief mit, den er erhalten von Uckermann. Der Brief ist aus Bodenbach gestempelt (Poststempel) und nicht ordentlich gesiegelt, so ist das darauf befindliche Siegel nicht gedruckt, sondern der Brief bloß zugeklebt gewesen. In dem Brief, von dem Vitzthum Abschrift mir zeigte, schreibt Uckermann, Beust habe ihm 1861 die Satisfaktion versagt, aus Gründen, die sich jetzt erledigt. Er fordert sie jetzt, wenn Beust nach Sachsen komme, da er nach einem gerichtlichen Abkommen berechtigt (oder verpflichtet) sei, es zu verhindern, daß Beust vor seinen Kindern, die jetzt bei der Mutter sind, mit dieser zusammenkomme. Sie, die Uckermann, ist nämlich mit den Kindern in Cunnersdorf bei Dresden. Die Sache ist allerdings völlig unverständlich, da die Forderung Uckermanns im Jahre 1861 zurückgenommen ward, durch den Vergleich, der damals zu Stande kam und den der Generalmajor von Haigendorf aufsetzte. Seitdem ist Uckermann geschieden und Beust hat jetzt gar nicht die Absicht, die Uckermann aufzusuchen. Beust hatte nun eine Schrift aufgesetzt, in der er die Tatsachen angab und u. a. sagte, daß der gerichtliche Vergleich doch Uckermann nicht verpflichten könne, alle umzu-
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bringen, die er nicht in die Nähe seiner Töchter kommen lassen wolle. Beust will natürlich sich nicht schlagen, da, wie er schrieb, das Duell wohl einen Zweck, aber keinen Grund haben würde. Er vermutet also, da der Brief aus Bodenbach gekommen, Uckermann vielleicht von einem Tschechen aufgehetzt worden und diesem den Brief, der übrigens ganz formlos ist (z. B. Anrede Herr von Beust) zur Kenntnisnahme gegeben (Graf Thun?). Der Geheime Rat von Könneritz, der von dem Vorgang von Vitzthum in Kenntnis gesetzt worden, hatte nun Nostitz Paulsdorf hertelegraphiert und um 3 Uhr kamen wir in der Kreisdirektion zusammen. Wir beschlossen, daß Nostitz mit Haigendorf, der erst Abends 8 Uhr zurückkehrt, zu Uckermann gehen und ihn fragen soll, ob er den Brief geschrieben. Wenn er es bejaht, sollen sie zu ermitteln suchen, was oder wer dahinter steckt und ihn zu bestimmen suchen, von allem Weitern abzusehen. Eventuell wird Beust den Schutz der Polizei in Anspruch nehmen. Mir vergegenwärtigt sich recht lebhaft, daß die Sünde doch auch schon auf Erden nicht unbestraft bleibt. Wie viel Sorge und Bedrängnis hat Beust nicht schon von der Sache gehabt! Vitzthum hat übrigens Beust sehr munter und voller Zuversicht gefunden. Der Sultan hat sich durch seinen Minister als Dolmetscher mit Beust unterhalten (was geschah) und u. a. gesagt, daß er bedauere, das Band des Stephansordens, den ihm der Kaiser gegeben, nicht tragen zu können, weil es ihm seiner Korpulenz wegen zu enge sei. Beust erwidert sofort, es sei das der Beweis, wie enge die Bande seien, welche Österreich und die Pforte verbänden. September 12 Nostitz hat gestern Abend lange auf Haigendorf gewartet, dieser aber, obwohl Uckermanns Handlung mißbilligend, doch nicht mit zu ihm gehen wollen. Nostitz ist daher gegen 9 Uhr allein hingegangen, hat Uckermann schon im Bett gefunden, ihn herausgeholt und ihn sehr in Staunen versetzt, als er ihm die Abschrift des Briefes vorgelegt. Nostitz hat sich überzeugt, daß es bloß leidenschaftliche Aufwallung gewesen, die den Brief diktiert – keine fremde Insignation. Uckermann hat nämlich verlangt, daß sie, wenn Beust nach Sachsen komme, sich entferne. Sie hat sich dessen geweigert und es hat eine Szene gegeben. Uckermann hat denn auch – sehr kleinlaut geworden, als Nostitz im Hintergrund die Polizei gezeigt – erklärt, er nehme den Brief zurück, wenn Beust in einem Brief an Nostitz verspreche, mit der Uckermann nicht zusammenzukommen. So ist denn gestern Abend von Könneritz und Vitzthum telegraphiert worden und Nostitz schreibt heute an Beust. So wird also die fatale Geschichte beigelegt sein hoffentlich. Charakteristisch ist auch, daß Beust Vitzthum nach Wien hetzt in seiner Privatangelegenheit, die er ebenso gut durch einen Brief an Nostitz abmachen konnte. Ich besprach die Sache nochmals mit Könneritz und dann mit Vitzthum, der Sonnabend nach London geht, um dort seine Angelegenheiten zu ordnen, da er nicht wieder dahin zurückgeht als Gesandter. September 20 (Aufgeklebter Zeitungsausschnitt): Ein Wiener Witzblatt enthält das folgende Akrostichon auf den Ministerpräsidenten Freiherrn von Beust: Besonnenheit, Ehrlichkeit, Unerschrockenheit, Scharfsinn, Thätigkeit – werden Österreich retten!
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Forth-Rouen hatte sich, als Beust zu Weihnachten hier war und einen Abend bei uns war, gegen die Halle sehr bitter beklagt, daß ich ihn nicht eingeladen. Das ging nicht, weil Beust mir selbst die Personen bezeichnet hatte, die ich einladen sollte und weil ich überhaupt jetzt nicht mehr vornehme Gesellschaften bei mir sehen will. Ich fand aber gestern eine Einladung zum Diner bei ihm auf Beust. Als ich ins Archiv kam und sagte, da gerade Jemand mit mir zu sprechen hatte, mündlich dem wartenden Lakai, ich würde die Ehre haben. Heute früh war Forth-Rouen schon nach 8 ins Archiv gekommen und hatte, da der Bote ihm kein anderes Papier zu offerieren gewußt, auf eine Aktenliste geschrieben, ob ich kommen werde. Ich schrieb ihm denn Ja! Um 5 Uhr war das Diner. Ich fand Pfusterschmidt (österreichischer Legationssekretär) mit Frau, Könneritz, Falkenstein und – Schmauß – kurios. Bei Tisch saß ich neben Beust, aber die Unterhaltung war natürlich eine zahme. Beust, der sich – in der Tat – wahrhaft gefreut mich zu sehen, war sehr weich gestimmt. Nach Tische fragte ich ihn, ob denn das unselige Verhältnis mit der Uckermann sich gelöst. Ja. Ob er sich denn glücklich fühlt? Nein, nicht ein Sigel habe er zu ihr Vertrauen gehabt. Seine Frau saß daneben. Wir kamen denn so weiter ins Gespräch, das sie hört. Ich sagte ihr, sie habe sich ja schon sehr zu ihrem Vorteil geändert, sie möge doch also fortfahren, ihrem Mann eine Stütze zu sein. Ich bin schon zu alt, war die Antwort, bei der ihr die Tränen über die Backen liefen. Traurig, die beiden sind sich schon zu fremd geworden, um sich wieder zu finden. Beust hat übrigens nur 42 000 Taler und das Palais. Bei dem enormen Aufwand, den er zu machen hat, nicht viel! In Reichenberg hat ihm sein Wirt von Liebig mit ungeheurem Luxus bewirtet, ein kostbares Feuerwerk gegeben. Über 300 Personen hat Beust früh „Audienz“ gegeben, Deputationen pp. Es kam das Gespräch auch auf Bismarck. Beust sagte, Savigny habe als Grund, warum Bismarck Beust so feindlich gesinnt sei, „verschmähte Liebe“ bezeichnet, weil er, als ihm die – nicht direkte Offerte gemacht worden, in Berlin einzutreten, es abgelehnt habe. Ich habe über diesen Vorgang früher Einiges bemerkt. Witze machte Beust wie früher. So, als wir von Wurmb, dem Zivilkommissar sprachen und ich wie immer ihn verteidigte und sagte, quand il avait deux obemins. Qu’il pouvait peladre – fiel mir Beust ins Wort „il pelcait l’un on l’entre“ In der letzten Sitzung im Gesamtministerium am Donnerstag kam zum ersten Mal ein Beweis, wie wir mediatisiert werden. Dem Bundesrat ist ein Gesetz über das Indigenet vorgelegt, das in unsere Landesgesetzgebung tief eingreift und ganz nach dem preußischen Gesetz gefirmelt ist. Der Widerspruch des sächsischen Kommissars, Friesen, ist aber bei fast allen Punkten nicht beachtet worden und so wird nächstens ein Reichsgesetz unsere Landesgesetze beseitigen. (Zwischen den Tagebucheinträgen vom 12. und 20. September ein undatiertes Blatt:) Als Anton mit Adolf im August von Reichenhall aus nach Salzburg fuhr und dort das Museum besehen, trafen sie dort mit dem Oberberghauptmann Beust zusammen. Die Ein richtung ist, daß alle Stunden eine Gesellschaft eingelassen wird, die unter Leitung eines Führers die Sammlung besieht, was in der Regel eine Stunde beansprucht. Beust, in ein abgetragenes, ihm viel zu enges steirisches Röckchen gekleidet, bleibt aber nicht bei der Gesellschaft, sondern geht voraus, bald das, bald jenes betrachtend. Dem Führer kommt der schlecht gekleidete Mann sehr bedenklich vor. Er fragt, da er gesehen, daß Adolf und Anton mit ihm gesprochen, zu diesen, ich weiß gar nicht, was der Mann da macht, ich muß ihn be aufsichtigen, kennen Sie ihn? Adolf antwortet. Wissen Sie nicht, wer „der Mann“ ist, es ist der Bruder ihres Reichskanzlers. Ganz frappiert sagt der Führer, auf die Stirn deutend, ist
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er denn vielleicht nicht ganz richtig?, was ist er denn. Antwort: Oberberghauptmann, er ist etwas zerstreuter Natur und wahrscheinlich eilig. Kopfschüttelnd läßt nun der Führer Beust vorausgehen, legt ihm das Einschreibebuch vor und entläßt ihn, nun erst beruhigt, vor den Anderen, die die Sammlung nun in Ruhe besehen. Eine gute Anekdote las ich heute. Der Präsident eines Schwurgerichtes verhört Zeugen. Da tritt, vom Gerichtsdiener begleitet, ein Diener herein, den der Präsident auch für einen Zeugen hält. Der Diener fängt an: Herr Präsident, Präsident: Erst schwören. Der aber: Herr Präsident. Präsident: Stille, erst schwören. Der Aber Präsident: Ruhe oder ich lasse Sie arretieren. Der Mann muß denn schwören, daß er die Wahrheit sagen wolle und dann aufgefordert, sie zu sagen, stottert er eine Einladung zum Tee vor, die er überbringen sollte. September 22 Gestern um 5 Diner bei Beust in Laubegast, wenig ansprechend, weil mehrere uns fremde Leute mit da: Pfusterschmidt (österreichischer Geschäftsträger) mit Frau, die das Wasserhaus draußen bewohnen, Lemaistre, die das kleine Haus gemietet, ForthRouen pp. Nach Tisch sprach ich länger mit dem Hauslehrer, dem ich Mut in seiner etwas schweren Stellung einzuflößen suchte, damit der jüngste Sohn nicht ebenso mißrät als die andern. Er hat ein ganz sonderbares Äußere, ein dicker kleiner Kerl wie ein Zwerg, der Tanzmeister ist. Der Älteste hat wieder eine Masse Schulden in liederlichstem Umgang gemacht, der zweite ist gescheiter und äußerlich ganz das Bild des Vaters, als dieser nach Göttingen kam, nur daß er mehr Geschmack am Duellieren findet, er hat den Kopf und das Gesicht voll Hiebe. Einen sehr mißlungenen Versuch machte ich mit der Beust, als ich ihr zu entwickeln suchte, daß sie doch beide in ihrem jetzigen Verhältnis nicht glücklich seien, er Liebe brauche, Interesse, das sie ihm zeigen möge. Sie behauptete, sie sei ganz glücklich – weil sie schöne Kleider hat – aber er? Darüber hat sie gar kein Verständnis! Ihre Ehe sei etwas ganz Anderes als die gewöhnlicher Leute, sie könne nicht zu ihm gehen, weil immer Erzherzöge bei ihm seien, sie bekomme ihn gar nicht zu sehen. Ich war nur froh, daß es nicht eine Szene gab, denn sie lief gleich zu Forth-Rouen, um ihm zu klagen! Es soll der letzte Versuch gewesen sein, diesen Kalbskopf zu approbieren. Beust sagte (ob Scherz oder Ernst ?),.er wolle mich auf einige Zeit nach Wien kommen lassen, um das dortige Archiv, das er sich vorbehalten werde, zu revidieren und Vorschläge wegen der Ordnung zu machen. Sophie war sehr dafür, ich nicht. September 29 Adolf Berlepsch ist bei Phina zum Besuch und dies veanlasste uns gestern Abend, in eine Weinkneipe zu Bierey zu gehen, wo man für 11 Groschen eine Flasche guten Albersberger bekommt, deren wir mehrere leerten, während er uns vom letzten Feldzug und der schaurigen Unordnung und Dummheit in der österreichischen Armee und den Hospitälern erzählte. Am Freitag hatten wir eine wichtige Sitzung über die Reform des Wahlgesetzes. Der König war allerdings bedenklich150 , das Bestehende ganz aufzugeben, beruhigte sich aber 150 Bemerkungen von König Johann über das neue Wahlgesetz. Undatiert /:September 1867:/. Siehe Dokumentenanhang Nr. 37.
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bei einigen allgemeinen Redensarten, die ich als leitender Standpunkt ins Protokoll aufnahm. Der Kronprinz sprach wenig, machte aber einige praktische Bemerkungen. Die Debatte war im Ganzen sehr unbedeutend, da man sich bei allen wichtigen Fragen damit behalf, das man sagte, es geht einmal nicht anders, ein Prinzip, das allerdings sehr weit führen kann, experto crede Ruperto de anno 1848! Friesen hatte ein langes Expose aus Berlin eingesendet, in dem er sich u. a. dafür aussprach, bei den Wahlen Stadt und Land nicht zu trennen, was aber verworfen ward. Ich verstehe eigentlich von allen den Fragen, die hier einschlagen, nichts und beteiligte mich daher auch wenig, stellte nur, da Falkenstein es ebensowenig tat als Nostitz, die Fragen und insistierte, das man sich klar ausspreche ob ja oder nein. So konnte ich denn gestern in wenigen Stunden das Protokoll fertig machen. Oktober 8 Freitag den 4. d. Monats Mittag starb fast 77 Jahre alt Berlepsch. Gestern haben wir ihn auf dem Eliaskirchhof begraben. Vorher Einsegnung der Leiche im verschlossenen Sarge. Alle Kinder und ihre Frauen waren zugegen. Rüling hielt eine sehr gute ergreifende Rede. Falkenstein war gestern sehr gereizt gegen Friesen, der einige Reichssachen – das Postgesetz – statt an das Gesamtministerium direkt an den König geschickt und durch Schimpf hatte vortragen lassen, was allerdings viel kürzer ist, als wenn die Sache wochenlang beim Gesamtministerium liegt, das jetzt sehr schwer zu einer Sitzung zusammenzubringen ist. Oktober 13 Friesen ist endlich aus Berlin einmal hergekommen und so ward denn gestern Sitzung im Gesamtministerium gehalten, zu der auch der Kronprinz von den Gemsenjagden in Ischl wieder eingetroffen. Es handelte sich um Feststellung des Budgets, das allerdings sehr traurig gegen früher sich gestaltete. Friesen hielt eine längere Einleitung, aus der sich ergab, daß, wenn man auch alle Einnahmen aufs höchste berechnet, immer noch ein Defizit von etwa 360 000 Taler blieb, trotz erhöhter Steuern, eines neuen Wechselstempels pp. Es wurde nun das Ausgabebudget durchgegangen und gestrichen soviel möglich, u. a. 3 000 Taler, welche die Bibliothek mehr erhalten soll. Dabei kam zur Sprache, daß das Hausministerium den den Ständen vorzulegenden Plan über die Ergänzung der Bibliothek dem Kultusministerium gar nicht mitgeteilt hat, obwohl dieses wegen der gegenseitigen Beziehungen zur Universitätsbibliothek dabei wesentlich interessiert ist. Das soll denn noch nachgeholt werden. Die Sitzung, in der ich noch andere Sachen vorzutregen hatte, dauerte von 11–1 ¼, dann setzte ich mich sofort hin und machte die Protokolle, die Friesen, der wieder abreisen wollte, so bald als möglich wünschte. Ich saß wie angenagelt bis 4 ½, dann war alles fertig – ein tüchtiges Stück Arbeit bei der Masse einzelner Punkte, die zu erwähnen waren. Oktober 24 Heute Sitzung im Gesamtministerium, bei der, obwohl mehrere Gesetzentwürfe über Fischerei, Emeritierungsfonds der Schullehrer pp vorlagen, doch nur der König und ich diskutierten. Jeder Minister interessiert sich bloß für seine Sachen und es scheint fast, als ob sie die aus andern Departements gar nicht ansehen, wenigstens machen sie fast nie Bemerkungen, während doch der Justizminister notwendig eine Kontrolle führen sollte, die ich nun übel und leise mit mangelhafter Kenntnis der neueren Gesetzgebung, um die mich speziell zu kümmern ich seit dem Jahre 1849 im Archiv keine Veranlassung hatte. Oktober 31 Am Dienstag Diner bei Generalmajor von Spiegel mit Forth-Rouen und Werner, wobei denn allerhand erzählt ward in Beziehung auf den letzten Krieg, was ich loco congeno nachgetragen habe. Gestern traf ich den Kriegsminister in der Ressource, der mir
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sagte, daß leider keine Aussicht ist, Leipzig von der preußischen Besatzung befreit zu sehen, nur der König von Preußen selbst ist der Grund der Belästigung. Fabrice war sonst ebenso wie Friesen ganz mit Preußen zufrieden, beide hat man in Berlin bei der schwachen Seite, der Eitelkeit, zu fassen gewußt. November 8 Am Dienstag hatten wir Sitzung im Gesamtministerium, bei der eine Menge Sachen rein über das Knie gebrochen wurden, da die Ministerien, obwohl sie den ganzen Sommer Zeit gehabt, doch jetzt erst, nachdem die vertagte Ständeversammlung am 1. d. M. wieder zusammengetreten, die Sachen bringen. Auch ein Gesetzentwurf über eine Hundesteuer lag vor, in dem ich die sonderbare Bestimmung monierte, die Niemand bemerkt hatte, daß die Hündinnen höher besteuert werden konnten und daß alle weggefangenen Hunde (auch die teuersten Jagdhunde also) getötet werden mußten. Major Winkler erzählte mir, daß Österreich jetzt eine ungeheuere Rechnung für die Kosten, welche unsere Armee im vorigen Jahre verursacht, aufgestellt, die das Kriegsministerium auch nach vorheriger Monitur bezahlen will. Eine große Summe in Silber ist bereits abgegangen. Österreich hat uns einige 100 Mann Fuhrwesen auf drei Wochen überlassen und verlangt jetzt ¾ der Kosten der neu angeschafften Uniformen – woraus folgt, daß diese bloß vier Wochen gehalten haben! Die Frage, ob Sachsen überhaupt schuldig ist, etwas zu zahlen, ist im Gesamtministerium wenigstens in meiner Gegenwart gar nicht besprochen worden. Fabrice übernimmt dann doch eine große Verantwortung, was er nach Winklers Äußerungen gar nicht zu ahnen scheint. Wir bezahlen also die Kriegskosten nach beiden Seiten hin. Ich besah mit Winkler die Archive des Kriegsministeriums im sogenannten Wasserturm auf der Terrasse und im Zeughaus. Oberst Köhler, der das Zeughaus unter sich hat, zeigte mir eine Anzahl Bilder von Regenten und Generalen, die er für 500 Taler hat herstellen lassen. Das Geld hat das Ministerium ihm gewährt. Dabei sah ich auch die faule Grete, einen ungeheuern alten eisernen Mörser, den die Preußen vorm Jahre mitnehmen wollten, aber liegen lassen mußten, weil die Räder zusammenbrachen. Es ist der einzige Rest der Menge historisch merkwürdiger alter Waffen und Trophäen, die früher im Zeughaus waren und die der Kriegsminister Zezschwitz in den 1830er Jahren alle verkauft hat. Alle alten, zum Teil erbeuteten Fahnen hat er für ein Lumpengeld natürlich vermöbelt, selbst die Pauken, welche die Sachsen bei Kolin den Preußen abgenommen, kaufte damals Jordan für Preußen selbst. Ein paar silberne Pauken sind, wie Köhler sagt, noch auf dem Königstein versteckt. November 19 Noch spät am Abend schickte mir Falkenstein einen an den König gerichteten eigenhändigen Brief des Großherzogs von Weimar, in welchem er ihn unter vielen schönen Redensarten auffordert, einen Beitrag zu einer zu gründenden Akademie der Wissenschaften zu bewilligen. Der Großherzog will jährlich 1 000 Taler und ein Lokal einräumen, Protektor werden, Sitz der Akademie Weimar, 12–20 Mitglieder, die jährlich einmal dort zusammenkommen, jeder Erscheinende erhält 200 Taler, sonst kein Emolument. Die Akademie soll alle denkbaren historischen deutschen Quellen veröffentlichen, Reichstagsakten pp, große Werke über die Geschichte der Poesie pp schreiben, ein Lexikon und Grammatik der deutschen Sprache, der Synonymen pp, kurz Herkulesarbeiten verrichten. Recht schön, aber das kleine Weimar ist keine Metropole der Intelligenz und Wissenschaft, in welchem doch eine Akademie ihren Sitz haben muß, und die Kosten! Honorare müssen doch gezahlt werden. Der König wird keine Lust haben, 1 000 oder mehr Taler jährlich von der Zivilliste zu bezahlen, man müßte einen Antrag an die Stände richten. In diesem Sinne
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schrieb ich Falkenstein, der meine Ansicht zu hören wünschte. Der Großherzog kann sich mit der „Cogitantenakademie“ vereinigen, die ein Herr Löwenthal mit Oettinger und Konsorten jetzt hier in Dresden gründen will. November 21 Ich trug heute einen Gesetzentwurf vor über die Zivilbauordnungen, durch welchen die Frage geregelt werden soll, ob darin Expropriationen in den Städten zu verkehrspolizeilichen und dergleichen Zwecken gestattet sein sollen, eine Frage, die das Ministerium des Innern ohne alle gesetzliche Grundlage zeither bejaht hat, indem es solche Statuten genehmigt hat. Friesen war mit Recht gegen das Verfahren des Ministeriums, allein es ergab sich, daß er als Kreisdirektor in Zwickau selbst ein solches Statut, das dann als Norm gedient hat, einberichtet hat. Ja, Bauer, das ist ganz was anderes – Friesen sagte ja, das /hat/ Just gemacht, der hier als Sündenbock dienen mußte. Friesen erzählte auch mancherlei von Berlin. Das tiefste Mißtrauen herrscht gegen die Regierung, der man in keiner Beziehung traut. Der Reichstag hat bei dem Gesetz über das Schuldenwesen des Bundes einen § 17 hinzugefügt, nach welchem der Reichstag Beamte, die gegen das Gesetz handeln, zivilrechtlich belangen kann. Ein Satz, den, wie Friesen gesagt, nur deswegen hineingebracht worden, um einmal einen Weg zu gewinnen, die Verantwortlichkeit, von der in den preußischen Gesetzen viel stehe, ohne daß man je dazu praktisch gelangen könne, ins Leben zu führen. Bismarck will den an sich ganz unbedenklichen Satz durchaus nicht, weil er alle Verantwortlichkeit für Unsinn erklärt und so wird wahrscheinlich das Gesetz nicht zu Stande kommen. Auch Rothschild hat sich gegen Friesen sehr ungünstig über die preußische Finanzwirtschaft ausgesprochen. Lasker hat gsagt, ja bei Ihnen ist alles ganz anders, hier müssen wir ganz anders handeln. Es mag überhaupt in Preußen nicht alles Gold sein, was glänzt. Das neue Wahlgesetz ist nun an die Kammern gegeben. Sehr nachteilig wirkt eine Rede, die Zehmen in der Ersten Kammer gehalten hat gegen den Bürgermeister Koch aus Leipzig, der den Antrag gestellt hat, die Kammern möchten nur noch das Wahlgesetz beraten und dann aufgelöst werden. Zehmen hat u. a. zu Koch gesagt, Quo usque tandem Cabiliar abutere pabucetia noster, hat ihm Eidesbruch vorgeworfen pp. Die Erste Kammer hat dadurch wieder einen Stoß bekommen, der auf die Beratung des Wahlgesetzes zurückwirken wird. NostitzWallwitz war ziemlich besorgt und ärgerlich auf Zehmen. November 27 Gestern war ein großes Diner bei Schneider, die Minister Falkenstein und Fabrice, Forth-Rouen, Graf Schönburg, das Justizministerium pp. Bei mangelhafter Einrichtung und Kenntnis der sozialen Gebräuche konnten kleine blones nicht draußen bleiben, eine große aber, die Falkenstein sehr übel genommen, war, daß Schneider seine Frau von Forth-Rouen, seine Tochter von Graf Schönburg zu Tische führen ließ und Falkenstein nicht einmal einen Ehrenplatz anwies, so daß dieser ganz unten an die Tafel kam. Er zuckte denn heute sehr lebhaft darüber die Achseln und tadelte auch, daß Schneider bloß den französischen Gesandten eingeladen, was als eine Demonstration werde betrachtet werden. Er lade Rouen auch nie allein ein, sondern man müsse da wenigstens zwei Gesandte haben. Falkenstein erzählte auch nach Rouens Mitteilung, daß dieser Friesen die Einladung zum Kongreß, den Napoleon jetzt zusammenrufen will, erst vertraulich mitgeteilt habe mit der Aufforderung, de lui donne la reponse en poche. Friesen aber schreibt sofort nach Berlin, statt privatim zu antworten, daß man die Einladung lieber vermeiden möge, da sie der König nach dem Bundesvertrag doch nicht annehmen könnte.
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Auch eine andere Tatsache hat Falkenstein aigriert. Vorm Jahre war viel Diskussion wegen des Repräsentationsaufwandes, von dem Friesen schließlich 3 000 Taler erhielt. Er hat nun aber jetzt in der Zweiten Kammer vor einigen Tagen bei Beratung des Budgets des Auswärtigen Ministeriums erklärt, die Summe von 4 000 Taler (soviel steht im Budget) sei zeither noch nicht verwendet und es sei noch nicht bestimmt, welcher Minister sie erhalten werde. Friesen hat also aus Diskretion das Geld nicht erhoben, weil er fast immer in Berlin, hier nichts getan hat, aber auch keinem andern der Minister sie beziehen lassen, während Falkenstein bereit war, die Repräsentation oder wenigstens die 4 000 Taler zu übernehmen. Bezeichnend aber für die persönlichen Verhältnisse ist es, daß Friesen eine solche Erklärung, die im Widerspruch steht mit der Bestimmung des Königs, da aus dem Gesamtministerium dem Finanzministerium offiziell eröffnet worden ist, abgibt, ohne dem Vorsitzenden Staatsminister ein Wort davon zu sagen. Dezember 8 Verschiedene Diners bei Generalmajor von Spiegel, Frau von Gruner, der Halle, Geheimer Rat Müller, Oberst Krug von Nidda, ohne besonderes Plaisir, sonst ganz still gelebt. Dezember 11 Eben war Vitzthum bei mir, ein paar Stunden seinem Groll Luft machend. England hat seinen Gesandten im vorigen Jahr abberufen, und zwar formlos und verletzend. Vitzthum erhält nun jetzt den Befehl, nach London zu gehen und sein Rappellschreiben zu übergeben, sein Haus dort aufzulösen. Er macht nun auf eigne Hand den Versuch, England zu bestimmen, wieder einen Gesandten nach Dresden zu schicken und bedient sich dazu Beust. Es wird ein vertraulicher Brief von Vitzthum an den Gesandten Österreichs Graf Apperney (ich denke, so war es) der Prinzessin Helene, Tochter der Königin Victoria, die ihre Vorleserin ist, mit einem Exemplar des Vitzthumschen Buches über den Marschall von Sachsen zur Übergabe an die Königin zugestellt, in welchem Lord Stanley’s Verfahren wegen Abberufung des englischen Gesandten getadelt und die Notwendigkeit, den Posten wieder zu besetzen, nachgewiesen wird. Die Königin geht auch darauf ein und es entsteht nun eine Differenz zwischen ihr und dem Minister. Sie ist in Schottland, als Vitzthum nach London kommt und deshalb schon kann Vitzthum sein Rappellschreiben nicht abgeben. Er weiß auch, daß die Königin ihm nicht Audienz gewähren wird, ehe nicht die Frage wegen der Geandtschaft in Dresden erledigt ist. Vitzthum geht daher nach Paris und schreibt von dort an Lord Stanley, daß er noch 10 Tage dort bleiben müsse und sich Antwort erbitte, wenn er Audienz bei der Königin erhalten könne. Er bekommt keine Antwort, aber von Friesen eine Depesche, die Würde des Königs verlange, das er das Rappellschreiben sofort übergäbe. Er antwortet, daß er das eben nicht könne, daß er aber noch bis zum 15. (November) in Paris bleiben werde und wenn er von Lord Stanley keine Antwort erhalte, diesem telegraphisch melden werde, er gehe nach Dresden zurück. Der Brief werde den Mittwoch in Friesens Händen sein, erhalte er binnen 24 Stunden keine Antwort, so werde er das Mitgeteilte ausführen. Den Brief schickt er offen an Falkenstein für den Fall, daß Friesen nicht in Dresden sei. Dem war so, Falkenstein geht mit dem Brief zum König, der ängstlich meinte, man solle Friesens Rückkehr abwarten. Das wird Vitzthum telegraphiert, aber die Depesche kommt erst am Abend an, nachdem Vitzthum bereits telegraphiert hat. Friesen hat ihm übrigens den Gehalt als Gesandter, der doch bis Ende des Jahres bewilligt ist, bloß bis Ende September bewilligt, obwohl bis dahin die Möglichkeit, das Rappellschreiben zu übergeben, nicht vorhanden war, er also noch in Funktion war. Gestern zurückgekehrt hat er sich nun über Friesen beschwert
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beim König über die Fassung jener Depesche, in der ihm der Vorwurf gemacht worden, als ob er die Würde des Königs etwas vergeben hat, obwohl er es durchgesetzt, daß jetzt wieder ein englischer Charge d’affaires hierher kommt – woran ich den unendlichen Vorteil für Sachsen allerdings nicht einsehe. Der König hat ihm auch Recht gegeben, daß er dem ministeriellen Befehl nicht nachgekommen und Friesen hat dies, als er nachher bei ihm gewesen, dies auch selbst gesagt. Vitzthum ist nun aber allerdings sehr ergrimmt und will nun mit den 7/10 seines Gehaltes, der wohl nur 2 500 Taler beträgt, nach Wien gehen, um einen Auftrag zu erfüllen, den ihm Fürst Metternich gegeben. Er alte Fürst hat nämlich 20 Listen mit geheimen Korrespondenzen hinterlassen mit der Anordnung, daß der Inhalt erst 20 Jahre nach seinem Tode veröffentlicht werden soll. Vitzthum soll nun die Sachen durchgehen und die Herausgabe vorbereiten, allerdings eine jedenfalls sehr interessante Aufgabe. Beust hat sich auch über das Verfahren Friesens in der Kongreßfrage sehr tadelnd ausgesprochen und gemeint, es sei unmöglich, eine Sache plus betenont zu behandeln. (Randbemerkung: Ich weiß nicht, was er will. Das Dresdner Journal vom 12. Dezember bringt eine sächsische Depesche, nach welcher Friesen sich ja so erklärt hat, wie er nach Beust’s Meinung sich hätte erklären sollen.) Man hätte durch den sächsischen Gesandten in Paris erklären lassen sollen, daß der König dankbar die Einladung erkenne, aber sich nicht erklären könne, ehe er nicht mit seinen Bundesgenossen beraten habe. Beust hat gesagt, es sei ja bloß eine Anfrage gewesen, ob man in Dresden noch lebe. Die Frage sei nun verneint und es falle ihm dabei die Geschichte mit dem Totengräber ein, den einer fragt, ob denn N auch tot sei. Ob er tot ist, antwortet er, weiß ich nicht, aber begraben ist er gestern worden. In Berlin hat man dagegen das Verfahren Friesens, der das Einladungsschreiben an Preußen abgegeben hat, als sehr bundesgemäß bezeichnet. Vitzthum erzählte noch, daß er im vorigen Jahr im Juli einen geheimen Emissär in Brüssel gesprochen, der genau über die Absichten Bismarcks unterrichtet gewesen. Er schreibt an Bose, der damals beim König war, er könne die wichtigen Mitteilungen, die er der Post nicht anvertrauen könne, nur persönlich überbringen, ob er zum König nach Karlsbad kommen solle? Er bekommt die Antwort nein! Und als er Bose später mündlich deshalb befragt, sagt ihm dieser, Friesen habe ihm bei seiner Abreise gesagt, er solle Niemand zum König kommen lassen, da dieser zu schwach sei und sich sonst leicht umstimmen lasse. Vitzthum klagte auch sehr über Bose’s Dummheit, den Beust, obwohl er seine Unfähigkeit namentlich als Bundestagsgesandter vollständig bewährt, doch zum ersten Rat im Ministerium berufen hat. Die gute Exzellenz – denn dazu hat man ihn ja auch gemacht – wußte in Frankfurt sich nie aus dem Hanf zu fitzen und ich mußte immer für ihn die Arbeiten machen auf Beust’s Wunsch. Forth-Rouen hat an Beust geschrieben, on regrette menu Lemaistre, der vorm Jahre in Pension getreten ist. Vitzthum hat auch einen Aufsatz geschrieben: Skizze der Politik des K. K. Reichskanzlers für die Augsburger Zeitung. Er gibt ihn Beust, der ihm aber drei Tage lang kein Wort sagt, so daß Vitzthum besorgt, der Aufsatz gefalle Beust nicht. Er hat ihn aber dann mit ein paar ihn billigenden Zeilen zurückgeschickt. Vitzthum gab mir ihn im tiefsten Geheimnis zu lesen. Ich kann aber nicht sagen, daß ich in der Politik dadurch viel klüger geworden, er sagt eben mit vielen Redensarrten – Nichts, als was wir nicht längst alle wüßten. Dezember 25 Vor der letzten Sitzung im Gesamtministerium erzählte mir Friesen allerhand Geschichten, u. a., daß er als Vorstand der Kunstakademie, deren Ehrenpräsident Prinz Georg ist, die Aufforderung vom Ministerium des Innern erhalten, Gutachten abzu-
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geben, welcher Ort ein Bild, das jährlich gemalt wird, erhalten solle. Die Akademie entscheidet sich einstimmig für eine Schule, die eine sehr schöne Aula hat. Darauf kommt eine ganz kurze Bescheidung vom Ministerium, es habe einen ganz andern Standpunkt zu nehmen, das Bild sei einer Kirche eines Städtchens im Gebirge – deren Namen ich vergessen – bereits durch Kohlschütter zugesagt worden. Was fragt denn da das Ministerium noch? Friesen hat denn auch Nostitz-Wallwitz erklärt, wenn so etwas wieder vorkomme, würden er und der Prinz abtreten. Ich habe im Voraus gesagt, daß es Differenzen geben werde, wenn Friesen die Kunstakademie übernimmt und dadurch unter das Ministerium des Innern tritt. Seebach aus Gotha war vorige Woche mit seiner Tochter Lydia hier und einen Abend mit Schimpf und einen Mittag bei uns. Sein ältester Sohn, ein sehr befähigter, aber bedenkenlos liederlicher Mensch, der vor etwa vier Jahren aus Gotha, wo er eine sehr gute Praxis als Adokat hatte, durchbrannte, nachdem er Alles verspielte, ist dann in die französische Fremdenlegion eingetreten und mit dieser nach Mexiko gegangen und hat dort in einer wahren Hölle gelebt. Jetzt ist er zurückgekommen und Seebach kam, da er nicht wieder nach Gotha kann, obwohl die Schulden arrangiert sind, hierher, um zu sehen, ob er hier untergebracht werden könne. Ich sprach mit Schneider, der sofort bereit war, ihn als Referendar in Plauen anzustellen. Ob er freilich aushalten wird? Auch einem andern Bedrängten konnte ich etwas helfen, dem Musikdirektor Hilf in Elster, der von dem Geheimen Regierungsrat Eppendorf in der Tat brutal behandelt worden ist, indem dieser anscheinend die Absicht hat, ihn von seiner Stellung als Musikdirektor in Elster, die er nun 18 Jahre innehat, zu verjagen. Hilf, einer der besten Schüler Spohrs, sollte vor 18 Jahren Konzertmeister in Kassel werden, gab aber dort alles auf und kehrte in seinen Geburtsort zurück, um dort in sehr kärglichen Verhältnissen die Musik zu leiten. Jetzt nörgelt nun Eppendorf wirklich ganz kleinlich an dem Kontrakt mit Hilf, der immer nur auf ein Jahr geschlossen wird und drückt den Armen jämmerlich. Ich sprach daher mit Nostitz, der ganz zugänglich war, allein hinterher ist Eppendorf wieder auf das Frühere zurückgekommen. Ich schickte daher Nostitz gestern einen Brief Hilf’s und schrieb ihm nochmals in dieser Sache. Gestern Abend waren wir mit Berlepschens bei Anton zur Bescherung, der alle Jahre mit seltener Erfindungsgabe einen neuen Spaß erfindet. Von dem Tod des alten Berlepsch war allerdings in der Familie keine Spur zu bemerken.
1868 Januar 1 Also das 62ste Jahr erreicht. Adolf kam vorgestern und wohnt mit Erhard in einer Stube. Gestern Abend kamen Anton und Ferdinand, letzterer in sehr griesgrämiger Laune, so daß er nicht einmal zu einem Robber Whist zu bestimmen war. Wir blieben bei Punsch bis zur Mitternacht auf. Januar 12 Am Donnerstag kam mein alter Freund, der zeitherige Oberberghauptmann von Beust nebst seiner Tochter Rosa, meinem Patchen, um 9 nach der Sitzung im Gesamtministerium zu uns. Er geht in österreichischen Dienst, mißvergnügt mit seiner Stellung, die durch die neuere Gesetzgebung an Wichtigkeit sehr verloren hat.151 Er ist eine große Befä151 Allgemeines Berggesetz für das Königreich Sachsen vom 16. Juni 1868. In: Gesetz- und Verordnungs-
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higung, das ist nicht zu leugnen, aber ein geborener Raisonnneur, der sich wohl auch überschätzt. Man hätte ihm sehr wohl ein Direktorium im Finanzministerium geben können, da Broizem ganz und Weißenbach halb invalid, beide stumpf geworden, aber – es ist gar nichts geschehen, um ihn zu halten. Er ist Friesen wohl zu selbständig ? Ich war heute Mittag bei Friesen, der denn auf Beust zu sprechen kam. Er erkannte seine Befähigung an, meinte aber, er sei höchst wechselnd in seinen Ansichten und habe dem Ministerium immer eine oft in der Form verletzende Opposition gemacht. Das Berggesetz, das doch auf seine Anregung und nach den von ihm zuerst angegebenen Prinzipien ausgearbeitet worden, habe er angefeindet, weil es seine Stellung gefährdet. Er habe sich beklagt, daß ihn die Bergleute nicht mehr grüßten und wiederholt in den Berichten von der gedrückten Stimmung der Bergleute gesprochen. Friesen nimmt endlich dies auf und sagt in einem Reskript, das Ministerium beklage dies, er möge doch den Grund angeben und was etwa dagegen geschehen könne, worauf Beust erwidert, die gedrückte Stimmung werde sich nicht eher geben, bis es den Beamten ganz gleichgültig geworden, was aus dem Bergbau werde. Einst unter Behr erstattet Beust einen Bericht, in welchem er mit großem Eifer eine neue Einrichtung bevorwortet, die aber keinen Anklang findet. Man läßt die Sache zwei Jahre ruhen, dann kommt man wieder darauf und erfordert nochmals Bericht. Beust antwortet, das sei ja eine ganz unpraktische Idee und als ihm sein zwei Jahre früher erstatteter Bericht vorgehalten wird, antwortet er, ja, damals wären die Verhältnisse anders gewesen – nun, da kann er wohl Recht gehabt haben. Behr ist aber ganz außer sich gewesen. Er hat auch durch sein Benehmen sich unpopulär gemacht, z. B. niemals einem Stadtrat – selbst dem Landtagsabgeordneten Sachse nicht! –, der es wahrscheinlich Friesen erzählt, oder einem Advokaten einen Stuhl angeboten, was entschieden bei Beust nicht aus Hoffahrt, sondern aus Ungeschick und Zerstreutheit geschehen ist – kurz Friesen war entschieden sehr froh, ihn los zu sein. Daß Beust bei den höheren Bergbeamten nicht beliebt ist, ist jedenfalls hauptsächlich die Schuld seiner hochmütigen Frau. Januar 26 In der letzten Sitzung im Gesamtministerium kamen mehrere Ordensverteilungen zur Sprache, die Jagd darauf nimmt immer mehr zu. Ein österreichischer Truchseß, Edler Milborn oder so ein Name, hatte 1 000 Taler für eine Stiftung zum Besten der Invaliden übergeben. Kriegsministerium beantragte den Albrechtsorden, allein der Edle fuhr ab, weil der Kommerzienrat Litfaß in Berlin, bekannt durch seine Pissoirs, der ebenso viel für Johanngeorgenstadt gegeben, den Orden auch nicht erhalten hat. Dabei erzählte der König, daß ein Maler in Wien, der als Künstler bekannt, ihm ein kleines Bild gesendet, das eine Gegend, die der selige König Friedrich August oft besucht, darstellt. Der König schickt als Gegengabe ein paar Porzellanvasen, im Danksagungsschreiben bemerkt aber der Künstler, er habe gehofft, ein Andenken zu erhalten, „das er tragen könne“. Ebenso deutlich als unverschämt. Februar 11 Am Sonnabend ist die französische Gesandtin Forth-Rouen gestorben an Brustkrankheit. Es tat mir leid, daß ich gestern nicht der Beisetzung beiwohnen konnte, da Rouen immer sehr freundlich gegen mich gewesen ist. blatt für das Königreich Sachsen 1868, S. 351 ff. – Siehe Guntram Martin: Das sächsische Montanwesen im 19. Jahrhundert. Vom Direktionsprinzip zur freien Unternehmenswirtschaft. In: Landesgeschichte in Sachsen. Tradition und Innovation. Hrsg. von R. Aurig, S. Herzog, S. Lässig. Dresden 1997, S. 145–161.
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Februar 25 Fastnacht. Am Mittwoch Ball beim Kronprinzen, dem einzigen, den ich diesen Winter besucht. Eine Masse Menschen – doch etwas lahm, setzte ich mich im ersten Zimmer gleich in ein Fenster, bin gar nicht in die anderen Säle gekommen, mußte auch stehend am Büfett mir etwas Futter suchen, da der die Stelle des abgegangenen Hofmarschalls von Zezschwitz vertretende Adjutant noch nicht eingerichtet zu sein schien, denn sonst wurden wir alten Herren sitzend plaziert. Am Sonntag Mittag hatten wir Sitzung beim König wegen des Wahlgesetzes. Nostitz ist sehr geneigt, ständischen Wünschen entgegen zu kommen. Außer Friesen nimmt keiner der Minister ein lebhafteres Interesse an den Sachen und so werden wir im Wahlgesetz ziemlich weit links kommen. Ich habe zu wenig praktisch politischen Blick, um beurteilen zu können, ob es gut ist oder nicht. Überhaupt merke ich recht, wie das Alter sich geltend macht, namentlich das Gedächtnis abnimmt, so daß ich oft nicht nur im Stil zweifelhaft bin, ob eine Redensart richtig ist oder nicht, sondern sogar in der Orthographie. Wenn ich nur wüßte, wen ich an meine Stelle im Gesamtministerium vorschlagen soll, so würde ich bereitwillig sagen ecco majori! Im Archiv würde ich es schon noch eine Weile treiben können. März 2 Auf vieles Drängen hatte ich mich bereit erklärt, im Altertumsverein, dessen Vizedirektor ich seit einigen Jahren bin, einen Vortrag zu halten, da sich immer Niemand dazu hergeben will. Ich fand mich denn auch pünktlich 6 Uhr ein, fand aber nur etwa 7–8 Herren und darunter den ersten Direktor Langenn, der mir sagte, der Prinz Georg, unser Vorstand, gebe ein Diner, werde aber später kommen und habe ihn gebeten, er möge die Versammlung bis dahin hinzuziehen suchen. Das Wetter war scheußlich und es war daher allerdings eine Höflichkeit, wenn der Prinz meines unbedeutenden Vortrages wegen von seinem Palais mit dem letzten Bissen im Munde hereinkam. Er traf denn auch gegen 6 ¾ ein und als ich meinen Vortrag beginnen wollte, sagte er, es dauert wohl nicht lange? Als ich nach etwa 25 Minuten fertig war, sagte er mir: Sie haben es sehr kurz gemacht – das war seine Belobigung, die allerdings der Art war, daß seine erstere Höflichkeit dadurch etwas ausgeglichen ward. Kuriose Leute, die Fürsten! Der Altertumsverein stagniert unter der prinzlichen Leitung auch völlig, da die Meisten sich vor dem Prinzen genieren und sein stets sichtlicher Wunsch, daß die Geschichte nicht lange dauere, sein unausgesetztes auf die Uhr sehen natürlich verletzt. Demungeachtet hat er aber den Willen, höflich zu sein, aber er verdirbt es immer wieder durch sein Benehmen, weil nun einmal ein Prinz nicht an Rücksichtnahme gewöhnt ist. März 8 Am Donnerstag hatte ich einen Gesetzentwurf vorzutragen aus dem Ministerium des Innern, durch welchen § 9 des Gesetzes von 1852, nach welchem der Fremde, der sich ankauft pp, Staatsbürger werden muß, aufgehoben wird. Mir schien das bedenklich, da ich mich erinnerte, wie früher im Gesamtministerium es als eine Lücke betrachtet ward, daß man durch Aufnahme als Bürger einer Gemeinde eo ipso Staatsbürger ward, ohne daß der Staat kognoszieren konnte, ob er einen solchen Staatsbürger haben wolle. Auch können Fremde dann alle Wohltaten des Staates genießen, Bürger werden und entziehen sich doch z. B. der Militärpflicht, der vollen Rentensteuer. Der Staat kann sie auch, wenn sie sich unnütz machen, nicht exmittieren. Darüber sprach ich mit Falkenstein und Schneider und beide waren meiner Ansicht, zumal in den Motiven nur gesagt war, das zeitherige Prinzip habe sich nicht so unbedingt bewährt. Ich trug denn also meine Bedenken mit der Bemerkung vor, daß
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der Gegenstand allerdings meinem Wissen und meiner Berufserfahrung fern liege. Friesen, der schon Zeichen seiner Ungeduld gegeben, als ich die frühere Gesetzgebung erwähnte, nahm dann, sobald ich fertig war, das Wort und sagte, das zeitherige Prinzip passe nicht mehr für die freiere Bewegung pp. Falkenstein und Schneider sagten kein Wort, auch sonst Niemand und so ward denn der Entwurf genehmigt. So verlaufen die meisten Beratungen im Gesamtministerium, wenn nicht der König, meist nur in Kriminalgesetzgebungssachen, sich persönlich beteiligt. Bei Sahrs ward neulich erzählt, daß der Kronprinz seinen Preußenhaß auf eine so prononcierte Weise in seinen Reden zeigt, daß es allgemein auffällt. Klug ist das jedenfalls nicht, wenn er auch Grund genug hat, Preußen nicht freundlich gesinnt zu sein. Ich selbst habe es im Gesamtministerium nicht gerade bemerkt, daß er Opposition gegen Preußen macht. Prinz Georg soll darin viel zurückhaltender sein. Heute früh ist meine alte Freundin Charlotte von Nostitz geborene Schönburg, erst 34 Jahre alt, plötzlich an Schlagfluß gestorben – wie der Kreis der Freunde immer kleiner wird! März 18 Am Donnerstag war im Gesamtministerium viel Redens von einem Attentat auf den Kronprinzen – wenn man es so nennen kann. Er reitet an diesem Tage um drei Uhr im Großen Garten, als ein Mensch plötzlich ein Terzerol hervorzieht und es ihm, ohne ein Wort zu sagen, vorhält. Es war nicht aufgezogen. Der Prinz sagte, er habe geglaubt, es sei irgend ein Verrückter, reitet weiter, sagt es aber ein paar Offizieren, die den Menschen festnehmen. Das Terzerol war mit Zündhütchen versehen und bis über die Hälfte geladen. Der Prinz, der es im Gesamtministerium zeigte, meinte, es müßten wohl die Kugeln drin stecken. Außerdem hat der Mensch ein Säckchen mit Pulver und ein etwa ½ langes spitziges Messer, das Nostitz auch zeigte, bei sich gehabt. Es ist der uneheliche Sohn eines verstorbenen Hauptmanns von Wittern, heißt nach seiner Mutter Siegerl (Max Alexander) und ist Schirmfabrikant. Er hat seit 1 ½ Jahren die fixe Idee, daß er ein Sohn des verstorbenen Königs Friedrich August II. sei und hatte bei der ersten Vernehmung ausgesagt, er habe, da seine Ansprüche unbeachtet geblieben, die königliche Familie schrecken, aber nicht auf den Kronprinzen schießen wollen. April 13 Ostermontag. Ich habe meine freien Tage benutzt, um einige Sachen für das Archiv für die Sächsische Geschichte zu schreiben, dessen siebter Band jetzt beginnt. Nur für kleine Sachen eignet sich meine stumpf gewordene Feder jetzt noch. Ich wundere mich selbst, wenn ich frühere Sachen in den Vier Jahrhunderten lese, die doch mit mehr Humor geschrieben sind und frischer, als ich es jetzt prästiere. April 19 In diesen Tagen hatte ich einen seltenen Gast im Archiv, einen Benediktinermönch Don Pasquetin aus Frankreich, der nach Visionen einer Heiligen sucht, die im Kloster Helfta gewesen sein soll. Ich konnte ihm aber nichts darüber verschaffen. Mit seiner Kutte und einem ungeheueren Hut hat er hier viel Aufsehen gemacht. Wie man jetzt bei Hof vieles sehr ungeschickt macht, so hat auch eine „Aufforderung“ zur Beteiligung an der Darstellung lebender Bilder (a 2 Taler das Billet) viel Witze veranlaßt, in der es heißt, sie ergehen „Auf Anregung der Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften und unter Protektion Ihrer Majestät der Königin Maria“. Die letztere tut aber gar nichts, vielmehr leitet die Kronprinzessin Alles und diese hat die Aufforderung selbst unterschrieben. Mai 9 Vitzthum ist nun österreichischer Gesandter in Brüssel geworden. Er kam einen Abend zu mir und erzählte sehr glorios, wie sehr er in England, wohin er im Winter gegangen
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ist, um sein Rappellschreiben zu übergeben, von der Königin pp statiert worden ist. Beust hat ihn in das Auswärtige Ministerium nehmen wollen, allein Vitzthum hat es abgelehnt, weil er nicht gern mit lauter Renegaten (Meisenberg, Gagern) zusammen sein und Beust auch wenig da nützen könne. Donnerstag hatte ich beim österreichischen Gesandten ein Abschiedsdiner mit ihm, da er noch in der Nacht nach Wien ging. Sophie hatte durch die alte Französin Meylon gehört, daß Beust’s Dienstleute, insbesondere eine alte bayerische Kinderfrau, als Spione der katholischen Geistlichkeit dienten und dieses Alles rapportierten. Ich ließ dies Beust durch Vitzthum wissen. Ob es wahr ist, weiß ich nicht. Mai 15 Heute Beust’s silberne Hochzeit, wenigstens nach den Zeitungen, während andere den 14. angaben. Ich schrieb ihm ein paar Zeilen. Heute Scheuerfest im Archiv, bin daher, da gestern Sitzung des Gesamtministeriums war und heute also nichts vorkommen wird, in Loschwitz geblieben. Mai 31 Pfingstsonntag. Glühende Hitze seit vier Wochen, die man der Venus zuschreibt, die sich im hellsten Glanz zeigt. Große Trockenheit. Erhard vorgestern gegen Mitternacht, durch Telegraph angemeldet, in Uniform, die ihm gut steht, eingetroffen, sonnverbrannt, aber sehr kräftig geworden. Gestern endlich allgemein ersehnter Landtagsschluß. Am Freitag Sitzung im Gesamtministerium wegen des Landtagsabschiedes, der sehr lang ward. Friesen meinte, es wäre doch schrecklich, wenn ihn Roßberg vorlese, den kein Mensch verstehe, eine Stunde lang in solcher Hitze, ob ich es nicht tun wolle – quod non. Man kam dann darauf, ob es überhaupt nötig sei und fand nein. Daher ward beschlossen, daß bloß ein Dekret, durch welches der Landtagsabschied den Ständen mitgeteilt werde (als Beilage),verlesen werden soll. Außerdem fand man es angemessen, wenn der Vorsitzende Minister dem König die Thronrede überreiche, statt daß dieser sie aus der Tasche zieht, wobei der König Friedrich August sie einmal zerrissen hat. Mit dem Vorschlag dieser Neuerung fuhr Falkenstein, nachdem ich ihn telegraphisch in Pillnitz angemeldet, am Freitag Abend zum König, der Alles genehmigt hat bis auf die Übergabe der Thronrede, die er selbst in der Tasche mitbringen will (damit man nicht glaubt, die Minister hätten sie gemacht ?), wie er sie denn auch selbst entworfen hat.152 Als ich gestern bloß des Diners beim König wegen Mittags in die Stadt kam, ließ ich mir vom Geheimen Sekretär Fischer das beiliegende Korrekturexemplar des Landtagsabschiedes geben und fand zu meinem großen Erstaunen Nichts darin über die Änderung an der Verfassung und das Wahlgesetz. Ich fragte Roßberg und da ergab sich, daß der Kanzlist Bielitz die betreffende Stelle (nr. 19) im Mundum aus Versehen weggelassen hatte, weshalb sie denn auch beim Druck weggeblieben. Roßberg findet aber glücklicher Weise um 11 ½ (um 12 war der Landtagsschluß) beim Kollationieren den Mangel und es war gerade noch möglich gewesen, den Satz im Mundum des Abschieds, der schon vom König unterzeichnet war, noch nachzutragen und den Drucksatz zu vervollständigen. Juni 8 Beust schrieb mir auf meine Gratulation zu seiner silbernen Hochzeit am 15. v. M. vor einigen Tagen, „es geht mir jetzt gut insofern mir Alles gelingt, aber nicht insofern man darunter behagliches Leben versteht. Unter den angeblich durch mich beglück152 Landtagsakten 1868: Feierlicher Schluß des zwölften ordentlichen Landtages, den 30. Mai 1868. Rede Sr. Majestät des Königs (S. 3 und 4) – Landtagsabschied für die Ständeversammlung vom Jahre 1866 bis 1868 (S. 5–20).
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ten Millionen werden sich weniger befinden, die es nicht besser haben als ich!“ Glaube es, armer Freund, alberne Frau, liederlicher Sohn, antipathetischen Schwiegersohn, Überfluss an Geldmangel, keine teilnehmende vertraute Seele um sich, was ist da Ehre und hohe Stellung, Glanz und Ruhm! Falkenstein teilte mir den Toast mit, den Beust bei seiner silbernen Hochzeit auf sich selbst ausgebracht hat, der aber nicht seinen gewöhnlichen Humor erkennen läßt, wie er denn überhaupt niedergedrückt sein soll. Er lautet: Sollt’ man schlimm hier mit mir verfahren, Wird es nicht sein meine Schuld, Eine Eh’ von 25 Jahren Zeigt, wie weit mans bringt mit Geduld Er erzählte auch, was mir Forth-Rouen schon einmal mitteilte, daß Beust, als Prinz Napoleon, vulgo Plon Plon genannt, vor Jahren hier war, um sich um die Prinzessin Sidonie zu bewerben, Beust sehr für die Allianz gewesen. Allein der Hof war ganz dagegen, on affable terribleneat la princesse sagte Forth-Rouen. Der König hat aber später gesagt, er habe sich immer bei Befolgung Beust’s Rat wohl befunden, nur einmal habe er ihn nicht befolgt und es später zu bereuen gehabt. Man meinte, daß er dabei diese Angelegenheit vor Augen gehabt. Beust hat an Forth-Rouen geschrieben, er sei überzeugt, daß, wenn man damals ihm gefolgt, er jetzt nicht in Wien, sondern noch in Sachsen sein würde, wo er sich viel wohler befunden habe. Und doch, wie hat er damals einen größeren Wirkungskreis sich ersehnt. Beweis, daß er, wie die meisten Menschen, den Besitz nicht zu schätzen wissen und seinen Wert erst erkennen, wenn sie ihn nicht mehr inne haben. Juni 21 In eine lebhafte Differenz der Ansichten geriet ich dieser Tage mit Falkenstein über Hübels Ernennung zur Exzellenz, ein Kerl gemein wie ein Schuster, eine Frau eher als eine Viehmagd, solchen Leuten muß man nicht einen Titel geben, der für ihre Verhältnisse und Persönlichkeiten nicht paßt, dadurch dem Titel jede Würde nehmen. Die grassierende Titelsucht wird dadurch nur befördert. Beust hat allerdings mit Bose und Lemaistre, denen er es zugesichert hatte, den Anfang gemacht. Man braucht das aber nicht fortzusetzen. Solche Exzellenzen, wie wir sie jetzt mehrere haben, kommen mir vor wie ein Negerkönig, der eine Generalsuniform mit großen goldenen Epauletten – aber weder Hemd noch Hose trägt. Juli 5 Als Seebach das letzte Mal hier war, sagte ich ihm, er möchte doch Schneider, der noch kein Großkreuz hat, den Ernestiner verschaffen, wozu Seebach auch bereit war, da Schneider seinen ältesten Sohn, den liederlichen Stromer, der von Gotha durchbrannte, Alles verspielte und dann einige Jahre mit der französischen Fremdenlegion in Mexiko war, trotz alledem wieder als Aktuar angestellt hat. Als Vorwand diente die Übersendung der neuesten sächsischen Kriminalgesetze, zu der ich Schneider veranlasste. Gestern ist auch richtig das Großkreuz angekommen, so daß Schneider, der vor kurzem das Verdienstgroßkreuz bekommen, nun auf einmal zwei Sterne hat! Am Donnerstag war seit längerer Pause wieder Gesamtministerium, Fabrice und Nostitz fehlten aber. Es trat dabei recht lebhaft der Übelstand hervor, daß im Finanzministerium kein Jurist ist. Es handelte sich um Übernahme der Albertsbahn. Friesen ging davon aus, daß der Staat ohne weiteres die Gesellschaft aus dem Besitz setzen und ihr nur einen vom Staat zu bestimmenden Kaufpreis zu gewähren habe. Daß Letzteres nicht geht, machte ich ihm nun wohl klar, doch über den zweiten Punkt, den Betrag der Kaufsumme, konnte ich keine
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bestimmte Ansicht äußern, da ich gar nicht vorbereitet war und Friesen ohne vorherige Anmeldung die Sache vortrug. Ich brachte zwar einige Bedenken vor, aber Schneider verhielt sich ganz passiv und ich machte nun am Freitag, nachdem ich mir die Sache überlegt, die Statuten nachgelesen, einen Aufsatz zu dem Protokoll, in welchem ich meine Bedenken entwickelte und den Weg, den ich für den richtigen halte, bezeichnete. Das Finanzministerium hat sich offenbar nicht klar gemacht, daß es hier Partei und die Sache eine Rechtssache ist. Diesen Standpunkt habe ich denn nun bezeichnet und bin neugierig, was Friesen sagen und ob Schneider mir beitreten wird. Juli 8 Friesen sagte nichts und Schneider auch nichts, mein Expose bleibt schätzbares Material. Juli 12 Eine Geschichte macht jetzt viel Aufsehen und wird, vielleicht ganz mit Unrecht, dem Kronprinzen in die Schuhe geschoben. Man erzählt, ob alles wahr ist, weiß ich nicht, daß der Kronprinz in einer Schlacht im Jahre 1866 dem Oberstleutnant Nosky befiehlt, einige preußische Kanonen, die aufgestellt worden, mit seinem Bataillon wegzunehmen. Nosky geht vor, sieht aber, daß eine ganze Batterie mit starker Deckung es unmöglich macht. Ein Versuch, von der Seite beizukommen, mißlingt. Er geht, um seine Leute nicht nutzlos zu opfern, zurück, wird aber vom Kronprinzen mit den bittersten Vorwürfen überschüttet. Nach näherer Erörterung, auf die Nosky, der sich sehr brav sonst gezeigt, dringt, muß der Kronprinz seine Vorwürfe zurücknehmen. Bei einer neulichen Revision belobt der Kronprinz Nosky’s Bataillon sehr, dieser wird aber kurz darauf in Disposition gesetzt und zu einem Landwehrbataillon versetzt. Er nimmt sich das sehr zu Herzen und erschießt sich, Frau und Kinder ganz hilflos zurücklassend. Er soll ein tüchtiger Offizier gewesen sein, aber etwas getrunken haben, wahrscheinlich nicht bloß Wasser. Nach General Witzlebens Angabe hat Nosky allerdings sehr getrunken, sich auch 1866 mancherlei zu Schulden kommen lassen. Gleichzeitig mit ihm sind auch zwei Oberstleutnants, die älter als er waren, in Disposition gesetzt worden, so daß er eigentlich keine persönliche Ehrenkränkung erlitten hat. August Osnabrück. Am 18. August mit Oda und Sophie von Dresden abgereist, in Leipzig mit Erhard Nachmittag verbracht, Museum, schönes neues Theater. Nürnberg, unwohl, währenddessen Sophie selbständig Bierproben versuchte. Im Germanischen Museum vom Direktor Essenwein freundlichst empfangen, über das Prinzip verständigt, daß das Archivwesen Nebensache, Hauptsache kulturhistorische Sammlung, wozu er aber 100 000 Taler jährlich haben will, während er jetzt etwa 20 000 Taler hat. Ich fand im Museum mehrere merkwürdige alte Geschütze aus dem Dresdner Zeughaus, die Minister Zezschwitz in den dreißiger Jahren für ein Lumpengeld verschleudert, u. a. das älteste bekannte Geschütz, ein kurzes Eisenrohr auf grobem Klotz, daß Essenwein von dem Nürnberger Antiquitätenhändler Pickert für 100 Taler erkauft, der auch das Orgelgeschütz des Kurfürsten Moritz noch in Trümmern besitzen soll.153 153 Objektkatalog der Sammlungen des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Inventarnummer W 570: Legbüchse. Aus Eisen gegossen. Rohr, auf Holzblock befestigt. Anfang 15. Jahrhundert. – Siehe August von Essenwein, Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen. 1872, Tafel XXIIIa. – Siehe auch Johannes Falke: Zur Geschichte des Geschützwesens in Kursachsen. In: Archiv für sächsische Geschichte. Band VII, S. 327–329. – Ders., Nachrichten zur Geschichte des sächsischen Geschützwesens. In: Ebd., Band XI, S. 117–120.
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Regensburg – Walhalla – kurios, Aussicht bloß 20 Meilen, Kartoffeln, kahle Fläche, flache Donauufer – München, mehrere Tage sehr gut und billig Hotel Bellevue, alle Museen pp, ungeheueres Bier, Vivat Pschorr! Starnberger See, an dessen Ende bei Seeshaupt Minister Pfordten herrliche Villa. Eine interessante Stunde bei ihm. Er behauptete, er sei nicht aus politischen Gründen abgetreten, sondern weil er den König verletzt durch Vorstellungen wegen des Kappellmeisters Wagner. Pfordten lebt jetzt ganz still anscheinend in großer Wohlhabenheit. – Ulm Nachtquartier, Dom interessant. Von da nach Kreuznach, wo Luise mit ihren Töchtern Bad braucht. Mehrere Tage dort, Partien mit Pfarrius, der hinkam, unter Benutzung des Wagens seines Neffen, der in Kreuznach ein kleines Gut und Knochenmühle hat, er und seine Frau einfache Leute. Auf der Reise nach Köln Besuch bei Generalkonsul Lade in Geisenheim, prachtvolles Haus, großartige Obstanlagen, den Kerl selbst nicht gesehen, weil er angeblich krank war, schlechtes Essen, aber guter Wein. Fahrt auf den Niederwald bei Mondschein, zurück nach Rüdesheim. Dort genachtet, andern Tags Dampfschiff nach Köln, bei Pfarrius einige Tage in ihrem netten neuen Haus Alexianderstraße Nr. 9. Dom, Zoologischer Garten. Im Dom erkältet, Durchfall. Osnabrück bei meiner Schwiegermutter sehr freundlich aufgenommen. Gustav traf in Kreuznach nach Schweizer Reise zu uns, ist am Sonnabend Abend nach Dresden zurück. Nachdem hier allerhand häusliche Schwierigkeiten überwunden worden, Fenster gangbar, ein Stubenschlüssel, widerspenstige Roulleaux besiegt worden, haben wir uns in den wohnlich gemachten, an sich sehr hübschen Räumen ganz behaglich eingerichtet. Gestern gewogen, Sophie 181 Pfund, ich 139 Pfund, Theodore 128, Oda 125 ½, Ida Gülich 122, Adele (die Witwe Fritzens) ihrer geistigen Schwäche entsprechend nur 93 Pfund. Den 14. August wieder in Bagatelle eingetroffen. Donnerstag (13.) nach Hannover, Nachmittag mit Gülich und Siemens. Abends mit Frau von Gruner, die wir trafen, im Aquarium und Tivoli, bis 1 ½ im Bahnhof campiert, dann Nachtfahrt pp. August 23 Alle Minister bis auf Nostitz waren verreist, als ich ankam, daher mir sehr willkommene Geschäftsruhe. Während meiner Abwesenheit ist nur ein Kuriosum vorgekommen. Friesen hat zeither 3 000 Taler für die Repräsentation erhalten, aber sonderbarer Weise den Ständen gegenüber beim letzten Landtag gesagt, es sei wegen der Repräsentation noch keine Bestimmung getroffen. Er hat auch bloß ein paar Diners gegeben. Darüber ist geredet worden und – was vorhergegangen nescio – als er eines Tages zum König kommt, sagt dieser ihm, die Sache sei geregelt, Fabrice übernehme die Repräsentation und das dazu bestimmte Quartier auf der Seestraße. Friesen fasst nun eigenhändig eine Allerhöchste Resolution ab, in der es heißt, daß Fabrice die 4 000 Taler und das Quartier mit der Repräsentation übernimmt und der Minister des Auswärtigen nur die Repräsentation den Gesandten gegenüber und beim Geburtstag des Königs. Zu dem in Konformität mit der Resolution beim Gesamtministerium abgefassten Protokoll bemerkt Nostitz mit Bleistift, wo denn die Kosten der Repräsentation, welche dem Minister des Auswärtigen vorbehalten bleibe, herkommen sollten? Darauf sagt ihm Friesen ohne weitere Erläuterung, er habe die Bemerkung gleich weggewischt, da er sehr froh sei, daß die Sache nun endlich geregelt sei. Wahrscheinlich will er vom Dispositionsfonds des Auswärtigen sich entschädigen? Oder will er die Diners aus seiner Tasche bezahlen, um doch noch einen gewissen Glanz auf sich zurückfallen zu lassen? Nostitz wünschte von mir Aufklärung, allein ich wußte selbst noch keine Silbe von dem während meiner Abwesenheit vorgekommenen Vorgang.
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September 8 Sonntag Mittag hatten wir wie gewöhnlich Ferdinand zu Tische und Posern, Hauptmann von Raab und Sahr’s eingeladen, die bis auf Posern ablehnten. Nachmittag kam Sahr mit seiner Frau heraus und brachte zwei Pakete Manuskripte mit, die er vom Antiquar Jacobson gekauft, aus Kohlschütters Nachlaß. Es waren eine Menge Konzepte von Staatsschriften vom Geheimen Kabinettsrat Kohlschütter aus den Jahren 1813 folgende und eine Menge Briefe an den letztverstorbenen Geheimen Rat, von zum Teil noch lebenden Beamten, einige vertrauliche Briefe von Weinlig aus den Jahren 1848, 49 mit zum Teil interessanten Notizen über die Ministerkrisis pp, von Gruner, Ehrenstein, Todt, Heubner. Diese haben die Erben dem Juden verkauft!!! Sahr hat sie für 2 Taler (!) gekauft, um sie nicht in indiskrete Hände fallen zu lassen. Ich schrieb deshalb an den ältesten Sohn, der Referendar im Bezirksgericht hier ist, mit dem Erbieten, solche Papiere für das Archiv zu kaufen. Gestern Abend der König von Preußen hier eingetroffen, heute große Parade, zu der die Jäger ganz neue Uniformen gestern erhalten haben. Man hofft, die Beseitigung der Schanzen auf dem linken Elbufer vom König zu erlangen. September 12 Vor einigen Tagen starb ein ehemaliger Kollege von mir, der Oberappellationsrat von Hartitsch. Er hat bestimmt, daß seine Beerdigung heute um 3 Mitternacht stattfinden solle, damit seine Kollegen nicht durch ein Begräbnis am Morgen geniert werden – entschieden sehr rücksichtsvoll. Er hat sogar – gewiß ein seltener Fall – die Bekanntmachung seines Todes in den Zeitungen selbst abgefasst! Oktober 4 Gestern Abend mit Gustav in der Schenke. Hier in Künstlergesellschaft mit Heidrich, Professor Ludwig Richter, Malern Choulant, Oehme pp, sehr gut amüsiert. Es ist doch ein anderer Geist in den Leuten als in unseren eleganten Salons. Schade, daß man nicht öfter mit ihnen zusammenkommen kann. Oktober 9 Ich hatte mit Minister Friesen zu sprechen, der mir erzählte, daß Beust verlangt hat, sein zweiter Sohn soll militärfrei erklärt werden. Der österreichische Gesandte teilt dies Nostitz mit, der dann an Werner schreibt und ihm die gesetzlichen Bestimmungen mitteilt, denen gemäß Beust zu verfahren habe – Auswanderung pp. Beust hat dies furchtbar übel genommen, daß man ihm – doch in den Gesetzen begründete – Umstände mache! Ferner hat er sich dafür interessiert, daß der Sekretär Meinhold, sein ehemaliger Hauslehrer in seinem Hause, den er unter Beibehaltung dieser Funktion zum Redakteur der Landtagsmitteilungen mit 800 Talern Gehalt machte – was schon Aufsehen machte – jetzt, da er ein Fräulein von Lauben heiratet (am 3. d. M.) den Titel Kommissionsrat erhalte. Es wird abgelehnt. Darauf schreibt Beust einen Brief an den österreichischen Legationssekretär – Werner ist abwesend – worin er insistiert und schreibt, es sei doch für Sachsen sehr unklug, wenn man dem österreichischen Reichskanzler seine Wünsche versage – oder dergleichen. Der etwas dämliche Legationssekretär liest Friesen den ganzen Brief vor. Dieser hat es nun dem König vorgetragen, der aber nicht darauf eingehen wollen und als Friesen jenen Passus des Briefes erwähnt, schüttelt der König den Kopf und sagt nein – diese Einmischung in die inneren Verhältnisse muß einmal aufhören. Meinhold ist übrigens ein für seinen Posten unfähiger, ordinärer, schmutziger, habsüchtiger Mensch. Oktober 16 Die Polizei hat eine Bestimmung getroffen, daß von den Dienstmännern bloß die eine Abzeichnung tragen sollen, welche einem bestätigten Verein angehören. Darüber ist große Aufregung unter den Arbeitern, welche keinem Verein angehören, und vorgestern und gestern Abend ist in Dresden Krawall entstanden, indem man dem Direktor der roten
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Dienstmänner Gaudia die Fenster eingeworfen und bei ihm demolieren wollen. 80 Menschen sind vom Militär arretiert worden. Man hat in Kneipen heute zum Spektakeln durch Geld, Bier pp animiert. Wer es gewesen? Einige meinen Lassallianer, andere Anektionisten. Einige der Spektakler haben preußische Kokarden angesteckt gehabt. Heute ist nun eine strenge Proklamation mit Androhung von Waffengewalt erschienen. Oktober 18 Erhard hat ein Examen, um Gefreiter zu werden, gemacht, allein sein Hauptmann hat ihm geraten, das damit verbundene Gesuch, Offizier zu werden, zurückzunehmen, ohne ihm Gründe anzugeben. Wahrscheinlich hat er dumme Streiche gemacht, alberne Reden geführt oder ist sonst etwas vorgekommen, was er mir zu verschweigen für gut gefunden, ich habe deshalb eben an Adolf geschrieben, um Klarheit zu erlangen. Oktober 27 Gustav ist vom 1. November an in das Appellationsgericht zu Leipzig als Hilfsarbeiter versetzt mit 1 ⅓ Taler Auslösung, so daß er sich recht gut steht, über 1 100 Taler. Heute Diner bei Generalmajor von Spiegel, der es liebt, Gesandte pp bei sich zu sehen und dazu denn noch einige geringe Individuen wie ich mit zuzieht. Dabei läßt er aber, während er sich Equipage hält, die Kinder seines Bruders, der es allerdings nicht weiter als bis zum Chausseeeinnehmer gebracht hat, obwohl er eigentlich ein Mensch von Geist war, verkümmern, indem er gar keine Notiz von den gänzlich Verarmten nimmt. Es waren Forth-Rouen, Baron Werner, Schönfeld, Nasenmüller, Oberhofzeremonienmeister Gersdorf, Minister Nostitz da. Das Diner nicht besonders, aber die Unterhaltung amüsant. Rouen erzählte, daß Arnim, der preußische Rittmeister und Schröters fast täglicher Tischgenosse und Rapporteur, einige Wochen lang seinen Ofen mit Schröters Korrespondenzen geheizt habe, die man ihm zu revidieren übergeben hatte, wodurch u. a. eine sehr interessante Korrespondenz mit Prokesch von Osten vernichtet worden. November 8 Die Reichskanzler(in) Beust ist seit einigen Tagen hier im Gasthof. Was sie hier will, ist uns völlig unklar. Erst hat sie gesagt, sie wolle ihre Enkel sehen. Jetzt hat sie aber ihre Tochter, Frau von Könneritz, allein hierher zitiert, „da es ja egal sei, ob sie die Fratzen sehe“. Ich vermute, sie hat in irgend einer Aufwallung von Eifersucht sich von Wien entfernt, ohne eigentlich recht zu wissen, wohin sie gehen soll. Heute Abend haben wir sie eingeladen und dazu den französischen Gesandten Forth-Rouen, Falkensteins und die Halle. November 10 Eben zurückgekehrt von einem Diner bei Fabrice. Die Räume, in denen ich bei Zeschau, Carlowitz, Beust gewesen, machten alte Erinnerungen rege. Frau von Fabrice, elegante höfliche Dame, sprach ihr Bedauern oder Verwunderung aus, daß sie nach 18jährigem Aufenthalt in Dresden erst heute meine Bekanntschaft mache, was ich meinerseits nur eben lebhaft beklagen konnte, wünschte meine Frau kennenzulernen, wir sollten ihr einen Abend schenken. Schenken will ich ihr den Abend gern. Es ist aber nicht so leicht zu repräsentieren, ein großes fama pas ward gerügt. Es waren nämlich von den Damen nur die Ministerin Falkenstein und Schneider da. Sie hätten neben Fabrice sitzen sollen, aber die Schneider erhielt einen untergeordneten Platz nicht neben Fabrice, was sie sehr resontieren wird. Auch waren keine Zahnstocher da und doch sehr viele hohle Zähne. Sonst habe ich keine boshaften Bemerkungen gehört. Denn daß ich nicht in die Gesellschaft, die bloß aus Ministern und höchsten Hofchargen bestand, gehörte, sagte Niemand. Nach Tisch nahm mich Schneider in eine Ecke und zuerst ward – mit Falkenstein Tauchnitzens Dekoration mit dem Komthurkreuz des Albrechtsordens von allen Seiten betrachtet. Ich hatte Falkenstein deshalb attakiert und ihm ein ausführliches Expose, eine collection of to
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merits, niedergeschrieben. Er sagte heute, er habe ein Expose darüber gemacht und wolle es dem König vorlegen. Jetzt, wo er Schneiders gewiß ist, wird nun die Sache in Gang kommen. Zweites Kapitel war Langenn. Der König wünscht in Übereinstimmung mit den Prinzen, ihn zur Ruhe zu setzen, da er offenbar geistesschwach sich überall blamiert und das Oberappellationsgericht ganz unter ihm herunterkommt. Man weiß nur nicht recht, durch wen man es ihm insinuieren soll und ist daher auf Häpe und einen Offizier – den Namen habe ich vergessen (Generalmajor Türmer war es) – gekommen, die mit ihm befreundet sind. Schneider wünscht Anton zum Nachfolger, aber der König hat Schwarze genannt, den Schneider nicht will als ganz unzuverlässig, hat gesagt, er habe so wenig Äußeres. Ich kann dabei nichts tun, schlug also Schneider vor, er solle den König veranlassen, Anton in kleine Zirkel zu sich einzuladen, wo er sich überzeugen werde, daß mehr in ihm steckt als man ohne nähere Bekanntschaft in ihm sucht. Als ich fortgehen wollte, fragte mich Friesen, ob ich Zeit habe, mit ihm eine halbe Stunde Visiten zu fahren, da er Einiges mit mir zu besprechen wünscht. Eine Spazierfahrt apres dielo war mir ganz recht. Wir fuhren also in mir unbekannten Gegenden herum und er schüttete nun erst sein Herz aus über die Direktion der Kunstakademie, die er aufgegeben, weil jetzt Alles in den Händen von Just im Ministerium sei – mit dem er sehr wenig zufrieden sei, da er gar nichts verstehe und doch sich es einbilde – ein Mann, der anerkenne, daß er nichts verstehe, sei ungefährlich, aber ein Ignorant sehr bedenklich. Er habe in Übereinstimmung mit den Künstlern wiederholt seine Vorschläge gemacht, das Ministerium id est Just aber das für dummes Zeug erklärt. Das sei nicht gegangen. Nostitz habe kein Interesse, verstehe nichts, die Sache liege ganz im Argen. Warum hat er dann – so sagte ich ihm auch – die Flinte ins Korn geworfen. Er konnte die Abteilung ganz selbständig, da er verantwortlicher Minister ist, ja durchführen. Er meinte aber, es sei nicht gegangen. Er hat also doch weniger Energie oder Einfluß, als ich geglaubt. Dann klagte er über Falkenstein, wünschte, ich möge diesen veranlassen, daß manche Sachen unter den Ministern ohne den König besprochen würden. Ich sagte ihm, er möge nur solche Angelegenheiten mir bezeichnen, ich sei überzeugt, daß Falkenstein, der ja gern die Wichtigkeit seiner Stellung geltend macht, darauf gern eingehen werde. Er meinte aber, das müsse Falkenstein selbst fühlen, es lasse sich seinerseits das nicht immer vorher bezeichnen. Nun, ich kann es am wenigsten wissen, was Friesen im einzelnen Falle meint, kann also nur im Allgemeinen Falkenstein das bemerklich machen. Bezeichnend für das Verhältnis der Minister zueinander ist aber, daß mir Friesen – sonst so abgeschlossen – mir das sagte und nicht Falkenstein. Friesen klagte auch sehr über Schneider, der nie wisse, was er will und im Gesamtministerium eine reine Null sei. Am 16. November im Altertumsverein, aus dem Langenn (Präsident des Vereins) weggeblieben, weil er die neue Strafprozeßordnung studieren müsse, erzählte mir Prinz Georg dasselbe, was mir Schneider gesagt. Langenn könnte sich also das Studium ganz ersparen. Man sieht aber, daß er noch gar keine Ahnung hat. November 21 Wie ich höre, macht sich Bismarcks Abwesenheit für Sachsen nachteilig geltend. Im Kriegsministerium in Berlin ist eine Partei, die Sachsen möglichst zu mediatisieren strebt. So hat man jetzt unserm König seine drei Adjutanten reduzieren wollen, wogegen unser Kriegsministerium sehr energisch protestiert. Dezember 7 Früh 12 Grad Wärme, von 10–1 Uhr ein furchtbarer Orkan, der im Archiv ganze Fenster eindrückte, einen Teil des Daches abdeckte, eine Menge Menschen durch
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herabstürzende Steine und Ziegel verwundet, Wagen umgeworfen. Die Brücke ward gesperrt, weil Lebensgefahr war. Jetzt um 3 ist alles vorüber, es regnet. In Loschwitz hat mir der Sturm den Rest meiner alten Pfirsischbäume umgebrochen und zwei der Tonaufsätze auf dem Dach heruntergeworfen, doch ohne daß sie zerbrochen sind. Um 6 im Altertumsverein fehlten Prinz Georg und Langenn. Wie gewöhnlich waren nur etwa acht Herren da, die sich eine Stunde murgierten und dann wieder zu Hause gingen. Es ist sogar nicht möglich, geistiges Leben in den Verein zu bringen, wie denn dies überhaupt in Dresden recht fehlt. Das bewies auch ein Fest des Literaturvereins, zu dem mich Abends 7 Uhr Adolf Berlepsch eingeladen hatte. In Helbigs Restauration in einem langen schmalen Saale waren etwa 30 Damen und von den etwa 200 Mitgliedern etwa 30 Herren dort. Dezember 10 Falkenstein ist unwohl. Ich besuchte ihn daher zweimal, um mit ihm über die Geschäfte zu sprechen. Klagen über Preußen, welches immer mehr zu mediatisieren, sich einzumischen strebt, so jetzt Antrag, daß die Soldaten, welche Zivilanstellungsberechtigung haben, im ganzen Norddeutschen Bunde berechtigt sind – Besorgnis einer Überschwemmung mit preußischen Unteroffizieren –. Ferner Antrag auf Niedersetzung einer Kommission zur Kontrolle der Anstalten, deren Besuch zum Freiwilligen berechtigt – Angst, daß preußische Schulräte unsere Schulen revidieren würden. Friesen hält diese Anträge, wenn auch nicht für ganz unbedenklich, doch ihre Genehmigung für unvermeidlich. Besorgnis, daß er immer preußischer aus Berlin zurückkehre. Früh war ich bei Friesen, der am Sonntag von Berlin, wo er den Bundesrat eröffnet, zurückgekommen. Bismarck ist gleich am Tag seiner Rückkehr nach Berlin zu ihm gekommen, hat ihm eröffnet, er halte sich für verpflichtet, dem König seinen Besuch zu machen: die Bundesgewalt ruhe nicht bloß auf dem König von Preußen, sondern stehe allen Landesfürsten zu, und wenn auch das Haupt des Bundes ihn zum Kanzler ernannt, so usw. Er frage daher Friesen, ob er glaube, daß sein Besuch hier passend sei oder dergleichen. Antwort war von selbst gegeben. Er kommt also morgen Abend an, wird Sonnabend früh beim König Audienz haben, um 6 bei Friesen speisen, Abends zu Fabrice kommen. Sonntag großes Diner bei Hofe, gegen den Hofgebrauch, nach welchem Sonntags keine Diners gegeben werden. Man ist hier über den Besuch weniger erfreut als verlegen. Daß Beust sich zum Grafen hat erheben lassen wird hier und in Wien getadelt. Bei der österreichischen Aristokratie hilft es ihm gar nichts, da diese einem „gemachten“ Grafen nicht sich gleichstellt. Bei der liberalen Partei aber kann ihm die Sache nur schaden. So hat der Gesandte Könneritz aus Wien geschrieben, der die Verhältnisse dort allerdings kennt. Für seine Söhne, die ohnehin die Nase sehr hoch tragen, ist die Sache nur verderblich – eine Grafschaft hätte ich ihm gewünscht, aber keinen Grafentitel. Da der König erkältet ist, hatten wir die Sitzung heute Abend um 6 ½ in seinem Wohnzimmer. Falkenstein ist auch unwohl, kam daher nicht. Hätte ich protokollieren müssen, so wäre ich sehr in Verlegenheit gekommen, da für mich kein Platz, kein Tisch, kein Tintenfaß da war. Ich konnte mir nur auf einem Bogen, den ich mitgenommen, mit Bleistift wie ein Chinese auf dem Knie schreibend, Notizen machen, die sich aber erledigten, da keine Beschlüsse gefasst wurden. Die Grafen Schönburg wünschen Fürsten zu werden, was der König zuzugestehen geneigt war, nicht aber Nostitz, der bemerkte, man müsse etwas einhandeln, da es das Einzige sei, was der König noch den Schönburgern gegenüber noch habe. Es ward die Sache vertagt.
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Fabrice erzählte als Beleg, wie drakonisch die Militärgesetzgebung, die wir von Preußen übernommen, ist folgende Geschichte. Ein Freiwilliger ist auf einem Tanzsaal etwas benebelt. Er sagt zu einem Unteroffizier, der ein Glas einfaches Bier hat, ach, gehen Sie mit Ihrem einfachen Bier. Der Unteroffizier, ein vernünftiger Mann, sagt ruhig, er könne sich, wenn er sonst wolle, auch Lagerbier kaufen. Der Unteroffizier dajour, der mit dem Freiwilligen sehr gut steht, in der Besorgnis, er könne mehr Dummheiten machen, sagt ihm, er solle lieber zu Hause gehen. Der Freiwillige scheint folgen zu wollen, bleibt aber und als Unteroffizier sich abwendet, dreht er ihm mit den Fingern eine Nase nach. Andere Unteroffiziere sehen es und sagen, das dürfe nicht hingehen, es müsse angezeigt werden. (NB. Der Unteroffizier hat, wie ich nachträglich hörte, ihn allerdings arretiert und der Freiwillige hat sich dann mit Worten widersetzt.) Es geschieht und der Freiwillige wird zu 20 Jahren Festung verurteilt. Der König hat die Strafe auf ½ Jahr herabgesetzt. Der Kronprinz war ganz gut unterrichtet über das Verhältnis der Freiwilligen zu den Unteroffizieren, die von diesen, sei es auch nur durch Freihalten, bestochen und verdorben würden. Sehr richtig, wie soll es aber ein Freiwilliger machen, wenn der Unteroffizier alle Wochen ein paar Mal Abends zu ihm kommt und ihn auffordert, mit ihm in eine Kneipe zu gehen – wie bei Erhard – natürlich muß ihm dann die Speisekarte vorgelegt, das Glas wiederholt gefüllt werden und der Freiwillige bezahlen. Der Kronprinz erzählte auch, daß es bei der Anwesenheit des Königs von Preußen in diesem Herbst an einem Haar gehangen, daß hier eine Demonstration gegen ihn gemacht werde, weil das Publikum sich über das wiederholte Vivat für diesen, das eine Anzahl Preußen auf dem Bahnhof ausgebracht, geärgert und zu drohen angefangen, bis ein Hiesiger ein Vivat auf unsern König ausgebracht, das enthusiastisch aufgenommen jene zum Schweigen gebracht und das Publikum beruhigt. Dezember 13 Gestern Geburtstag unseres guten Königs. Sonderbare Sitte, ihn dadurch zu feiern, daß Staatsdiener, Stadträte pp in der Harmonie um 1 Uhr sich versammeln, um für teures Geld sehr mittelmäßig zu essen und drei Stunden bei Tisch zu sitzen, um sich teilweise einen Haarbeutel zu kaufen. Der Wein war wenigstens gut, da ihn die Harmonie liefert. Falkenstein brachte den Toast auf den König aus, dem man es aber anmerkte, daß er seit einigen Tagen unwohl war. Beust’sche Geistesblitze fanden sich nicht darin. Ich saß neben Just, der sich einem mir unbekannten Viehdoktor, der sich mir auch gar nicht bekannt machte, zugesellt hatte. Höchst mäßiges Vergnügen, gerade so wie auf dem Rout Abends bei Fabrice, den Sophie auch besuchte – um Bismarck zu sehen. Sie wäre aber beinahe darum gekommen, denn als wir aus der Droschke stiegen, blieb sie mit dem Spitzenbesatz an einem Nagel oder Riegel hängen und als wir oben ankamen, hingen ihr ein paar Ellen Besatz herab. Endlich fand sich aber eine Kammerjungfer, die ihr mit einigen Stecknadeln, die wir mit einem fürstlichen Trinkgeld honorierten, die Geschichte festigte. Ich sah Ihn also. Eine Figur wie der alte General Naumann, wie ein nordischer Recke, groß und sehr stark, kahles Haupt, scharf markiertes, etwas russisches Gesicht, starke Augenbrauen, langer Schnurrbart, Züge, die alles andere als Milde verraten Welcher Gegensatz er und Beust! Er hielt eine Art Cour, vom engen Kreis von Neugierigen umstanden, unterhielt er sich mit denen, die ihm schon bekannt waren, wie der Generalstaatsanwalt Schwarze, der sich holdlächelnd vor ihm krümmte – und mit denen, die sich ihm vorstellen ließen, wie Kammerherr Boxberg pp. Ich fand mich dazu nicht berufen.
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Mit dem alten Werner (österreichischer Gesandter) sprach ich über Beust’s Grafenerhebung. Er meinte, die Sache wäre als Gnadenbeweis des Kaisers für Beust wichtig, eine Grafschaft werde sich vielleicht noch finden, man spreche von einem Gut in Siebenbürgen – bei Tokai wäre mir lieber. Ich trug neben meinen anderen Orden auch den Gualphenorden, was er bemerkte mit den Worten: Sie tragen ja wohl den Gualphenorden? Warum nicht, erwiderte ich, etwas Opposition muß man doch machen. Darauf zeigte er mir seinen Gualphenstern, den er aber unter das breite Ordensband versteckt hatte, das er über der Uniform trug. Ganz diplomatisch! Da Langenn nicht beim Staatsdienerdiner war, fragte ich Schneider, ob etwa die Bombe geplatzt sei – er, der Justizminister, sagte, ich weiß es nicht, ich will den Kronprinzen fragen. Nicht übel, man sollte doch eher meinen, der Kronprinz müsse den Jusitzminister fragen. Es wird mir immer wahrscheinlicher, daß Anton nicht zum Nachfolger bestimmt ist und Schneider bloß eine Komödie mit mir versucht hat, Anton glauben zu lassen, daß er ihn vorgeschlagen habe, um es nicht mit diesem zu verderben. Dezember 30 Heute früh 4 Uhr starb, gestern vom Schlag getroffen, der Oberappellationsgerichts-Präsident von Langenn zur rechten Zeit für sich. Wäre ich in der Justiz geblieben, wer weiß, vielleicht würde ich sein Nachfolger. Sic cure sabo honorem. Ich bin aber auch ganz zufrieden mit meiner Stellung.
1869 (Für das Jahr 1869 fehlen weitgehend die Tagebucheintragungen) September 21 Als ich ½ 12 Uhr vormittags aus dem Gesamtministerium in das Hauptstaatsarchiv ging, war am Hoftheater noch nichts Auffälliges zu bemerken. Gegen 11 ¾ Uhr rief einer, es brenne im Theater. Ich trat auf den Theaterplatz, der ganz menschenleer war. Aus zwei der runden Fenster unter dem Dach nach Nordost zu drang dicker schwarzer Rauch, dem bald helle Flammen folgten. Ich ging nun in das Gesamtministerium, von wo ich alles genau sehen konnte. Das Feuer verbreitete sich unter dem Dach nach Mittag zu rasend schnell. Bald schlugen die Flammen aus allen den dort befindlichen runden Fenstern. Nach 20 Miniuten etwa kamen einige kleine Spritzen, die aber bei der Höhe des Gebäudes ganz nutzlos waren und auch gar keinen Versuch machten, etwa zu tun. Es liefen allmählich Leute herzu, die aber vergebens durch die verschlossenen Türen einzudringen versuchten. Nach geraumer Zeit wurden anscheinend von Innen zwei Türen geöffnet und einige Menschen begannen, etwas Mobilar, Stühle, Bänke pp herauszutragen. Einer der ersten brachte beide Arme voll Fußbänkchen heraus, andere Brustgitter, die aufgestellt werden, wenn Andrang zu den Billetts stattfindet. Plötzlich stürzten die Menschen heraus, wahrscheinlich weil Funken von oben fielen. Eine furchtbare schwarze Rauchwolke verhüllte alles, aus der bloß bisweilen eine hohe Flamme emporschlug. Um halb 1 Uhr nachmittags stürzte der größere Teil des Daches ein und der Qualm wich nun einer turmhohen Flamme. Von oben verbreitete sich das Feuer allmählich in die zweite Etage – ein prachtvoll-grauenhafter Anblick, wie die Glut durch die hohen Fenster leuchtete! Die kleinen Vorbaue hielten lange Stand, bis auch ihre Dächer die Flamme ergriff. Etwa eine halbe Stunde nach dem Ausbruch des Feuers zeigte sich ein Dutzend Menschen auf dem Balkon. Sie hätten jedenfalls noch die Treppen
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benutzen können, zogen aber vor, sich mit Rettungsleitern retten zu lassen. Einer warf ganze Pakete mit Theaterzetteln herunter! Gegen ¾ 1 Uhr ward die Hitze so groß, daß die Fenster im Gesamtministerium ganz heiß wurden. In den Zimmern herrschte eine furchtbare Hitze. Zum Schutz des königliches Schlosses waren bereits Feuerwächter auf das Dach desselben geschickt, die es bespritzten, so daß vor den Fenstern ein förmlicher Wasserfall sich bildete. Auch die Dächer des Museums und des Hotels Bellevue wurden unausgesetzt bespritzt. Als das Theater gerade in vollen Flammen stand, drangen Tollkühne in das Souterrain, wo die Kasse war und holten einen eisernen Kasten und einiges Mobiliar heraus. Der Kassierer Keil hatte zwar das Geld gerettet, war aber dann der Hitze wegen schnell herausgelaufen. Der ganze Platz ward allmählich vom Militär abgesperrt und man sah nichts als etwa drei Spritzen mit ihrer Bedienung. Um 2 Uhr war alles bis auf eine brennende Decke nach dem Hotel Bellevue zu nieder. Bloß die kahlen Mauern stehen noch. Hätten wir heftigen Südwind – statt vollständiger Windstille – gehabt, so wäre vielleicht das Museum, die katholische Kirche, das Archiv, das Schloß jetzt ein Aschehaufen und ein Teil der Stadt in Flammen. September 26 Als Beispiele der Unwissenheit mancher Kandidaten beim AvantageurExmanen erzählte ein Professor des königlichen Kadettenhauses in Dresden: Einer, der in der Literartur examiniert wurde, wußte absolut nichts. Endlich wurde er gefragt, ob er vielleicht einen Lieblingsdichter habe, von dem er etwas angeben könne? Er entwortete: Lessing. Auf die Frage, was er denn von diesem gelesen habe, war die Antwort wieder: Nichts. Ein anderer antwortete auf die Frage, was der Messias von Klopstock sei? Ein Lustspiel. Dezember 31 Gestern Abend hatte ich seit fast einem Jahr wieder einmal Quartett, Gustav und Erhard zuliebe. Schlick, der trotz seiner 69 Jahre sich mit einem noch nicht 30 Jahre alten Mädchen in diesen Tagen verheiraten will, hat sich anscheinend wieder einmal mit Seelmann überworfen und lehnte ab. Letzterer brachte daher einen andern Cellisten, Kammermusikus Burkl mit, der allerdings viel besser als der alte Schlick spielt, dessen etwas rauhes Wesen sich auch in seinem Spiel zeigt. Das Auditorium bildeten die Generalin Benkendorf, Therese Jordan (der Vater hatte abgesagt, weil er wieder unwohl), Marie Müller, die jetzt als Elephant bei Jordans ist, und Isidore und Agnes. Ein Sohn Seelmanns, noch sehr Anfänger, spielte mit dem Vater ein Duett von Rolle für Geige und Bratsche. Ich habe mir eine Flechse am rechten Fuß ausgedehnt und bleibe daher zu Hause. Abends kamen noch Antons. Wir waren bloß en famille bei starkem Punsch ganz fidel. Die Mädchen riefen beim Schlag der 12. Stunde ein lautes Prosit Neujahr vom Balkon in das Häuserviereck, was vielfach erwidert ward.
1870 Januar 1 Früh viele Besuche, Mittags zur Cour, Ferdinand zu Tisch, Abends sehr langweilig bei der Halle, Damenwhist. Januar 16 Gestern Abend eröffnete Fabrice sein Haus mit einer theatralischen Vorstellung, da er wegen des Todes seines Schwiegervaters, Graf Asseburg, keine Bälle geben kann. Lauter Fremde fast waren die Schauspieler, die zwei französische und ein deutsches Stück aufführten etwa im neolan des zweiten Theaters. Man konnte glücklicher Weise sitzen, auch war es in dem großen Saal, in dem das Theater aufgeschlagen worden, nicht zu heiß. Allein
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da ich die Darstellenden nur in der Minderzahl kannte, war ich sehr froh, nach 11 ½ wieder in die Droschke steigen zu können. Die ganze höhere Gesellschaft, in der wir ziemlich fremd geworden sind, war da, interessiert mich aber ganz und gar nicht. – Die Prinzen und Prinzessinnen – der junge Hof – waren auch dort. Falkenstein, der insbesondere von der Zweiten Kammer sehr angefeindet wird und bei Gelegenheit einer Beschwerde aus Riesa wegen des Verbots einer Kirchgemeindeversammlung auch in der Ersten Kammer unterlegen, ist sehr griesgrämiger Stimmung, wird aber Alles andere eher tun als abgehen. Eben war Kotzebue bei mir, der als russischer Gesandter an die Stelle des Grafen Bludow tritt – ganz der Alte, nur eben um fünf Jahre älter geworden. Er hat in Karlsruhe mehrere Stücke geschrieben, die am Hof mit Beifall gegeben worden sind. Januar 21 Gestern Abend hatte sich Kotzebue bei uns angemeldet, der als russischer Gesandter hierher versetzt ist. Für mich einer der angenehmsten Gesellschafter, voll Witz, ohne alle Prätension. Viele halten ihn für falsch – möglich, das er bisweilen mit sich selbst etwas Komödie spielt, jedenfalls kann man ihn aber einer bewußten Heuchelei nicht beschuldigen, denn er spricht selbst über sich höchst unbefangen, erzählte von den Stücken, die er, seit er in Karlsruhe (seit 1865), geschrieben, sagte selbst, einige taugten nichts, seien dort durchgefallen, rühmte aber sehr das gemütliche Wesen des Großherzogs und der Großherzogin. Wir verbrachten den Abend ganz allein mit ihm bei der Flasche oder den Flaschen. Falkenstein ist doch ein eigentümlicher Mann. Gestern trug ich bei den evangelischen Ministern eine Sache vor, Veräußerung des Schulgutes, das der Ehrlichschen Stiftung gehört. Der Vorschlag ging dahin, daß die Baustellen nach Abtragung der Häuser verkauft werden sollen. Ich bemerkte, daß es mir doch sonderbar vorkäme, wenn man das noch ganz gute Haus erst abtragen wolle, um eine Baustelle zu erlangen. Falkenstein sagte, das stehe gar nicht im Kommunikat, nahm mir, als ich es nachweisen wollte, das Schreiben ab, las vor, ließ aber den zweimal darin vorkommenden Passus weg. Ich konnte es aber aus den Akten, die vor mir lagen, nachweisen. Heute, als ich die Sache expedierte, kam er gerade dazu und ich machte ihn nun darauf aufmerksam, daß es ja doch im Kommunikat stehe. Jawohl, sagte er, gerade als ob er das gestern auch behauptet habe. Diese Neigung zu leugnen, was ihm im Augenblick unangenehm ist, in Abrede zu stellen seine eigenen Worte, hat ihm eben das Vertrauen bei seinen Kollegen und den Ständen entzogen, und ein Anderer, der weniger an seiner Stelle klebt, würde genügend Veranlassung haben, sie niederzulegen. Aber wenn ich mir denke, daß etwa der bigotte Könneritz sein Nachfolger sein würde, dann wünsche ich, daß Falkenstein wenigstens nicht eher als ich abgeht. Heute Abend will ich einmal bei Sahr wieder das Glück versuchen. Wenn es mich aber wie gewöhnlich wieder verläßt, werde ich die höhere Whistpartie zu 10 Neugroschen wohl ganz lassen. Sahr ist – eine hohe Ehre – von der Societe des Bibliophiles in Paris zum Mitglied erwählt worden. Februar 5 Am Donnerstag war das zweite Mal Dilettantentheater bei Fabrice, es ward recht gut gespielt. Der Andrang teils zur Teilnahme im Spielen – aus Eitelkeit –, teils zum Zusehen ist aber auch sehr groß und wir werden vielfach beneidet, zu den Begünstigten, die schon zweimal dazu eingeladen worden, zu gehören – natürlich bloß in Folge meiner Stellung im Gesamtministerium. Sophie wünscht aber überhaupt die sozialen Verbindungen mit der vornehmen Welt, die wir, völlig gesättigt, seit Jahren ganz aufgegeben haben, wieder zu
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nutzen wegen Oda. Nach meiner Überzeugung ist dies ganz verkehrt. Wir gehören unserer Geburt, Stellung, Vermögen nach einmal nicht in die höchste Sphäre, sondern zum Mittelstand. Darin wollen wir doch bleiben, statt in höhere Kreise uns einzudrängen, wo auch Oda, die ja nicht hübsch ist, nur Kränkungen bevorstehen. Februar 13 Gestern Abend ein sogenanntes Familienfest im Tonkünstlerverein in der Harmonie, mit Damen. Wir hatten uns mit Antons und Craushaars besprochen, um beim Souper zusammenzusitzen. Treffliche Musik, Lauterbach spielte ein Quartett, die Ney sang, Hornquartett mit Flötensolo. Allerhand Scherze. Wir amusierten uns recht gut, saßen aber bis vor 1 ½ beim Abendsessen. Februar 20 Montag Ball bei Prinz Georg, Donnerstag Rout bei Schneider, Mittwoch Hofball – herrliche Genüsse! Gestern war ich zum ersten Mal in einem neugebildeten historischen Verein, zu dem mich Professor Helbig gepreßt hatte.154 In einem Saal des Hotel de France saßen etwa ein Dutzend Herren unter dem Präsidium des Oberbibliothekar Förstemann, von dem ich bloß Beauliex, Hettner und Helbig kenne. Helbig rezensierte einige neuere historische Schriften, Förstemann gab eine kurze Skizze der gestern ausgegebenen Biographie Beust’s von Ebeling, die mir der Verfasser geschenkt hat, da ich ihm einige Tatsachen aus Beust’s Jugend auf Verwendung des Regierungsrates von Witzleben mitgeteilt hatte.155 Es ist mir sehr lieb, daß er meinen Namen nicht als Gewährsmann mit angeführt hat, da das Buch – höchst animos gegen Preußen – mich nicht anspricht. Nach diesen Kritiken ward soupiert und eine ganz interessante Unterhaltung geführt. Heute Mittag aß der aus Dorpat von den Russen verjagte Professor Schirren156 bei uns mit Ferdinand. Er hat keine Pension bekommen, sondern sogar noch ein Jahr Gehalt ist ihm nicht bezahlt worden, den sonst abgehende Professoren erhalten. Er lebt hier viel mit Kurländern, die ziemlich zahlreich hier sind, aber nicht mit der sächsischen Gesellschaft zusammenkommen. Kotzebue hat ihn neulich in einer solchen Gesellschaft getroffen, ist ihm bis in das zweite Zimmer nachgekommen, hat ihn sehr diplomatisch begrüßt, sich gefreut ihn zu treffen, worauf Schirren ihn mit der Notiz erfreut hat, daß er vor einigen Tagen seine neueste Novelle, die in Baden-Baden spielt, vorgelesen habe. Sahr ist nach Paris gereist, um seine Aufnahme in die Societe des Bibliophiles – der erste Deutsche darin – dankbar anzuerkennen. Februar 27 Beim Diner zum Schluß des Landtages am 24. d. M. saß ich neben einem Abgeordneten Pornitz aus Chemnitz, einem ganz gemütlichen Gesellschafter, der mir von seinen acht Kindern und daß, als er sich etabliert, sein Kapital in 100 Talern, die er sich erborgt, bestanden habe, erzählte. Er machte mich mit seinem Nachbar bekannt, in dem sich Professor Biedermann entpuppte, den ich seit 1848 nicht gesehen. Wir tauschten alte Erin154 Es handelt sich um den am 10. Juni 1869 gegründeten „Verein für Geschichte und Topographie Dresdens und seiner nächsten Umgebung“. Siehe Geschichte der Stadt Dresden. Band 2, S. 732 ff. – Gerald Kolditz: Entwicklung und Leistungen des Vereins für Geschichte Dresdens von 1869 bis 1945 – Ein Überblick. In: Dresdner Hefte. Sonderheft 1992, S. 4–12. 155 Friedrich W. Ebeling: Friedrich Ferdinand Graf von Beust. Band I/II. Leipzig 1870/71. 156 Schirren, Carl Christian Gerhard (1826–1910), deutsch-baltischer Historiker. Siehe Michael Garleff, Carl Schirren als Gelehrter im Spannungsfeld von Wissenschaft und politischer Publizistik. Lüneburg 2013.
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nerungen aus jener Zeit und machten uns gegenseitig Komplimente über unsere trefflichen Schriften, was ich um so bereitwilliger tun konnte, da ich noch keine Zeile seiner Bücher gelesen habe. Februar 28 Gustav hat heute seinen Geburtstag mit unerfreulichen Mitteilungen begangen. Schneider, den er aufgesucht, hat ihm eröffnet, daß er wieder in ein Bezirksgericht zurücktreten müsse und erwähnt, daß es bei den Ständen gerügt worden sei, daß er solche Ausnahmen wie bei Gustav vornehme, der neben seinem Gehalt noch Diäten bekommt. Er hat dabei gesagt, es werde so schon über ihn sehr raisonniert selbst von Solchen, die ihm Dank schuldig seien – ob das auf Gustav gehen soll? Der arme Junge hat in seiner Karriere ebensoviel Pech und doch ist er ein braver zuverlässiger Mensch. März 6 Am Mittwoch hatten wir eine interessante Abendgesellschaft. Kotzebue wünschte, den liebenswürdigen greisen Ludwig Richter – den Maler – kennenzulernen und so traf er dann mit diesem am gedachten Abend bei uns zusammen, mit Sahr, Adolf Berlepsch mit Frau und einem Maler Andreä157 mit Frau. Dieser aus Köln hat uns vor einiger Zeit aufgesucht. Er lebt seit mehreren Jahren hier, hat sich ein Haus gekauft und lebt ganz in mittelalterlicher kirchlicher Kunst. Die Unterhaltung war recht belebt im Gegensatz zu der sonstigen Langweiligkeit Dresdner Zirkel. Kotzebue erzählte u. a. Folgendes. Als er als ganz junger Legationssekretär in Karlsruhe war, erzählte ihm die Großherzogin Stephanie öffentlich in einer Soiree, daß sie neben drei Töchtern drei Söhne geboren; zwei sterben früh, wie man vermutet vergiftet. Den dritten läßt sie nicht aus den Augen. Als aber einmal ein Besuch sie aufruft, verschwindet der Knabe spurlos. Als die Vermutung an sie gelangt, daß Kaspar Hauser ihr Sohn sei, schickt sie eine alte vertraute Kinderfrau ab, um ihn zu recognoszieren. Diese kehrt mit der Versicherung zurück, daß nach der Ähnlichkeit Hauser der Verlorene sei, beschließt sie, selbst hinzureisen. Am Tag, an welchem sie abreisen will, wird Kaspar Hauser ermordet. Den Major Hennenhofer, den man in Verbindung mit der Sache brachte, für den Mörder hielt, hat Kotzebue in Karlsruhe gesehen. Er beschrieb ihn als einen Menschen von abschreckenden bösartigen Gesichtszügen.158 Ich hatte vorgestern auch eine Unterredung mit Falkenstein, zu der er mich selbst aufgefordert hatte über den Codex diplomaticus Saxoniae, den Gersdorf herausgeben soll. Er bekommt von den dazu jährlich bewilligten 2 000 Talern von Falkenstein, seinem Protektor, 600 Taler jährlich, macht aber gar nichts. Posern hat die Hauptarbeit getan, aber jetzt die Sache niedergelegt, weil mit Gersdorf seiner Faulheit nicht auszukommen ist. Auch der Vertrag mit dem Verleger Giesecke und Devrient, den Falkenstein abgeschlossen, ist sehr nachteilig, weil er nichts über den Preis enthält, den der Verleger, trotzdem daß er das Manuskript umsonst und für jeden Band noch 450 Taler erhält, viel zu hoch stellt. Mit Falkenstein ist aber Gersdorf gegenüber nichts anzufangen. Er behauptete, Gersdorf lüge, Posern lüge pp, behauptete aber mir selbst gegenüber mehreres, was entschieden nicht wahr ist, z. B. daß die 157 Andreä, Karl Christian (1823–1904), 1856 nach Dresden gezogen. Bekanntschaft mit Ludwig Richter. Julius Schnorr von Carolsfeld, Eduard Bendemann und Julius Hübner. Mitglied im Altertumsverein. Persönlichen Kontakt zu König Johann, für dessen Dante-Album er zwei Aquarelle malt. 158 Um Kaspar Hauser (1812–1833), ein Findelkind aus Baden, ranken sich viele unbewiesene Erzählungen. So verarbeitete Karl Gutzkow (1811–1878) die Geschichte von Kaspar Hauser in seinem Roman „Die Söhne Pestalozzis“. 3 Bände. Berlin 1870.
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Zögerung des Erscheinens des dritten Bandes der Leipziger Urkunden am Verleger liege, während es daran liegt, daß Gersdorf seit 1 ½ Jahren sich nicht entschließen kann, die Vorrede zu dem ganz fertig gedruckten Band zu schreiben.159 März 13 Heute steht in der Leipziger Zeitung die Bekanntmachung der am 1. d. M. erfolgten Verheiratung meiner Pate Rosa Beust mit dem provisorischen österreichischen Konsularagent Bruno Ostmann. Sie, die hochnäsigste aller Prioren hat also den bürgerlichen ehemaligen preußischen Leutnant doch noch geheiratet. Sie haben sich, sehr praktisch, mit dem Reichskanzler, worin weiß ich nicht, verfeindet, auch der Bruder Rosa’s, Ferdinand Beust, ist mit dem Schwager in Streit geraten und so hat die Hochzeit in größter Stille stattgefunden und außer einem sächsischen Leutnant von Helldorf, der zufällig in Wien gewesen und mit Beust’s verwandt ist, ist außer dem Brautpaar nur Vater und Mutter dabei gewesen. Sie, die Mutter, lebt, da ihr Wien nicht gefällt, in Salzburg. Mein armer alter Freund hat in der Ehe nicht viel Glück gehabt, allerdings mit durch seine Schuld, da er die ungemessene Hochmut seiner Frau anfänglich, selbst sehr vital auf seine Stellung, eher bestärkt als zu dämpfen gewußt hat. Gestern war ich zum Diner bei Minister Nostitz und saß bei Tisch neben einer gefallenen Größe, dem Landesältesten a. D. von Thielau, der aber ziemlich stumpf geworden ist. März 27 Immer noch Schnee, Winter! Ein Maler Andreä aus Köln von wohlhabender Familie, der seit mehreren Jahren hier lebt und sich ein Haus gekauft hat, aber soviel ich weiß nur mittelalterliche fromme Studien malt und liebt, hatte uns, weil er mit Pfarrius bekannt, jetzt nach Jahren aufgesucht. Wir luden ihn ein (siehe 6. März d. J.) und er rächt sich nun gestern durch eine Abendgesellschaft, bei der noch der Superintendent Meier mit Frau, ein Schweizer Bildhauer von Meyenburg, die Fräulein von Behr, Ludwig Richter mit seiner Tochter und einige sic maiorum gentium waren. Das Lokal bestand im Parterre aus drei ziemlich engen niederen Zimmern, aber reich mit Bildern, Pokalen pp. dekoriert. Wir Herren wurden von den Damen ängstlich getrennt, bis um neun in einem, dem kleinsten Zimmer zusammengehalten. Dann ging es zum Souper, das Andreä mit einem kurzen Stehgebet begann. Es war einmal eine ganz andere Art Gesellschaft als was wir sonst hier kennen. April 10 Wir gaben dem Professor Droysen und Schirren, die Beide im Archiv arbeiten, zu Ehren eine Abendgesellschaft, Beaulius, Jordans – er kam zum ersten Mal wieder zu uns – Budbergs, Hübners, Abekens. April 13 Gestern ward unsere Oda in der Hofkirche von Rüling mit den anderen Konfirmanten konfirmiert. Eine Menge Geschenke, Ringe, Blumen erhielt sie von nah und fern. Heute wird sie mit uns in der Kirche öffentlich das Heilige Abendmahl nehmen. Lilli und Clara wurden gleichzeitig konfirmiert. April 22 Am Mittwoch war ich zum ersten Mal in Kotzebue’s neu eingerichtetem Haus zu Tisch mit einem Professor Caro aus Breslau, einem jungen lebhaften Mann, der die 159 1860 wurde durch die sächsische Staatsregierung das Editionsunternehmen zur älteren sächsischen Geschichte begründet. Nach längerer Vorbereitung erschien im Jahre 1864 der erste Band der Urkundenveröffentlichung. Mit der Ernennung von Otto Posse (1847–1921) zum leitenden Redakteur des Unternehmens und der Anstellung von Hubert Ermisch als Mitarbeiter wurde das Codex-Unternehmen entscheidend vorangebracht. Siehe Bestandsübersicht des Sächs. HStA, Leipzig 1994, S. 142. – Jana Lehmann: Hubert Ermisch (1850–1932). In: Sächsische Lebensbilder. Band 6, Teilband 1. Leipzig 2004, S. 207–231.
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Geschichte Polens bearbeitet, in Petersburg und Warschau sehr bekannt sein muß, und einem Dr. Andree, einem Geographen pp., der viel Wissen mit großer Eitelkeit und Suadse vereinigt. Die Unterhaltung war ganz interessant, als wir, nachdem wir Rheinwein probiert, an coin da sen (?) mit Frau von Kotzebue Zigarren – sie Zigaretten – rauchten. Andree erzählte sehr viel, Wahrheit und Dichtung u. a. von einem jetzt in Hamburg lebenden Bastian, der große Reisen nach Siam pp gemacht und beschrieben hat. April 30 Ich saß gestern Abend um 7 ½ einsam in meinem Zimmer, als sich Wickede melden ließ. Ich schickte gleich zu Kotzebue, der auch bis um 9 Uhr blieb. Wickede ist in Folge des Verlustes seiner Frau und Kinder höchst niedergedrückt. Ohne Beruf, 51 Jahre alt steht er nun wieder ganz allein. Wir suchten ihn möglichst zu beruhigen, aber was ist in solchem Falle das Wort! Er ward aber später doch etwas munterer. Er geht nach Karlsbad. Hier ist nichts für ihn zu tun, er hat den Boden sich durch seine Briefe über Dresden in der Kölner Zeitung 1866 ganz abgegraben. Kotzebue hat 16 000 Taler – aber sein Haus kostet 2 200 Taler Miete, Equipage 1 200 Taler, 3 Diener 900 Taler, da geht also schon viel ab. Tafel acht Taler den Tag, Diners nicht mitgerechnet. So gab er es an. Heute um drei Sitzung im Gesamtministerium. Das Kriegsministerium hatte eine neue Titulatur für seine Beamten vorgeschlagen, u. a. Intendantur-Sekretariats-Assistenten. Fabrice ist etwas empfindlich und reizbar und es wollte keiner der Minister, obwohl sie alle gegen die Standeserhöhungen waren, weil dann alle anderen Beamten bei den Ministerien es auch beanspruchen würden, recht mit der Sprache heraus. Ich sagte dann: „IntendanturSekretariats-Assistenten, ein hübscher Titel, aber etwas lang, wenn die Herren sich begrüßen, so werden sie an kurzen Tagen wohl Licht anbrennen müssen, ehe sie fertig sind.“ Der Witz fand ungeheueren Beifall, der König lachte laut, die Minister folgten ihm und die Titel fielen unter den Tisch. Mai 24 Ein niedlicher kleiner Krakeel ist zwischen Friesen und Falkenstein entstanden. Das Ministerium des Kultus hat ein Regulativ für die Gymnasien unter Zuziehung von Rektoren pp. entworfen, provisorisch eingeführt, drucken lassen und will es nun in der Gesetzsammlung publizieren. Man hat sich erst jetzt darauf besonnen, daß die in Evangelicis beauftragten Staatsminister nach dem Regulativ von 1837 es genehmigen müssen. Es enthält eine Menge pedantische Bestimmungen, Rektorenzöpfe, auch fiel mir auf, daß die sächsische Geschichte nur ganz nebenbei mit gelehrt werden soll. Ich machte einige BleistiftBemerkungen und Nostitz auch und bekam, nachdem die Sache zirkuliert hatte, einen Brief von Falkenstein, den ich natürlich nicht lesen konnte, aus dem ich aber erriet, daß er die Sache beschleunigt zu sehen und keine Abänderungen wünscht. Ich ging nun am Sonnabend zu ihm und dem Referenten, einem Geheimen Kirchenrat, die Sache fand den letztern aber sehr borstig. Indessen wurden doch einige Änderungen beschlossen, und wegen der sächsischen Geschichte sollte bei Revisionen darauf geachtet werden. Ich machte nun einen Aufsatz zu der Sache, indem ich bemerkte, daß der Evangelicis ihre Zustimmung erforderlich sei pp und fügte den Entwurf des Rekommunikats bei. Nostiz und Falkenstein signierten, aber Friesen schrieb drei Seiten Zorn, daß die Sache erst jetzt, wo Alles abgeschlossen sei, an die Evangelicis gebracht würden, so könnten sie ihre Pflicht nicht erfüllen, man möge dann das Regulativ von 1837 ändern, die ganze Haltung war sehr spitz. Er beantragte, seine Bemerkungen sollten in das Rekommunikat aufgenommen werden, das Falkenstein als Vor-
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sitzender zu unterzeichnen hat. Er sollte sich also selbst eine tüchtige Nase geben!, wozu er doch schwerlich geneigt sein wird. Falkenstein, der ohnehin jetzt sehr gereizt ist in Folge von Unwohlsein und Nachwehen des Ärgers beim letzten Landtag, bei dem ihm mehrmals von Radikalen gesagt worden, er müsse abgehen, wird die Geschichte sehr aufregen, ich mußte es ihm aber gestern doch zuschicken. Ich werde nun wohl die Antwort in ein Protokoll kleiden und Friesens an sich richtige Bemerkung in milder Form als eine „von einer Seite gemachte“ aufnehmen. (Randbemerkung: NB. Die Sache glich sich aus, da Falkenstein anerkannte, daß ein Versehen vorgekommen sei.) Ich begegnete gestern Fabrice, der auch sehr unzufrieden war. Er sagte, das Schwergewicht für uns liege in Berlin, jetzt bei dem Festungsrayongesetz beabsichtige das preußische Kriegsministerium, die Kompetenz zu direkten Befehlen an die sächsische Regierung /zu geben/, was ganz gegen die Bundesverfassung sei. Er werde aber bei solchen Fragen von den anderen Ministern ganz im Stich gelassen, auch die Regierungskommissare in Berlin täten den Mund nicht auf, warteten stets auf spezielle Instruktion. Nach Berlin müsse man jetzt die befähigsten Männer, rede- und geschäftsgewandt schicken. Allerdings habe in mehreren erklärten Fragen Könneritz, der Gesandte in Berlin, der Friesen als ersten abstimmenden Bundesbevollmächtigten vertritt, ebenso wie Schmalz und Klemm, den Mund im Reichstag nicht aufgetan, woraus man denn gefolgert hat, qui facet consentit, daß keine feste Hand im Gesamtministerium bei solchen wichtigen politischen Fragen die Zügel führt, ist ein großer Mangel. Falkenstein raisonniert, wenn es zu spät ist, Friesen will offenbar nicht gern in Berlin als persönlicher Opponent immer auftreten, um sich nicht mißliebig zu machen – was allerdings für Sachsen auch sehr unangenehm und nachteilig wäre. Die anderen Minister bekümmern sich höchstens um die ihr Departement betreffenden Fragen, unsere Bundesbevollmächtigten warten stets auf Instruktion, während doch beim Reichstag Anträge und Beschlüsse vorkommen, die man gar nicht vorhersehen kann und bei denen sofort widersprochen werden muß. Mehrfach haben sie die Wichtigkeit eines Prinzips gar nicht verstanden. Ich selbst beschäftige mich allerdings mit den Bundesverhandlungen, allein ich erfahre sie stets erst aus den gedruckten Vorlagen, also in der Regel zu spät, kurz wir lassen unsern Karren in der Regel in den Dreck fahren und wundern uns dann, daß er stecken bleibt. Mai 29 Nach dem Prinzip sollen alle Bundessachen im Gesamtministerium beraten werden, allein nach der Praxis geschieht es aber nicht, zum Teil, weil die Sachen oft sehr pressiert sind, die Anfragen der Bundeskommissare sofortige telegraphische Beantwortung erheischen und die Minister nicht so schnell zusammenzubringen sind, der König in Pillnitz ist. Wenn aber nun eine Abstimmung nicht im Sinne der anderen Minister erfolgt ist, so gibt es allemal Streit, zumal Friesen und Falkenstein gleich empfindlich sind. Am Freitag früh erhielt ich den Entwurf eines Bundesgesetzes über den Festungsbau, der u. a. die Bestimmung enthält, daß das preußische Kriegsministerium entscheidende Behörde sein soll, was ganz gegen die Bundesverfassung ist. Die sächsischen Kommissare hatten bei der Beratung im Bundesrat kein Wort dagegen gesagt. Ich machte deshalb eine Bemerkung und ging damit zu Falkenstein, bei dem ich Nostitz traf, der gerade wegen des sehr bedenklichen Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz mit Falkenstein sprach. Es ward nun schnell eine Sitzung zusammengerufen, die Sache ward besprochen und Könneritz telegraphisch angewiesen, gegen das Gesetz zu stimmen. Wegen des Festungsgesetzes sind neben demselben Verhandlungen mit Preußen im Gang, durch die Fabrice jedes Bedenken zu beseitigen hofft. Davon wuß-
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ten aber die anderen Minister gar nichts. Die Konfusion in den Bundessachen ist allerdings bei uns sehr groß und der Mangel einer festen einheitlichen Leitung im Gesamtministerium macht sich immer mehr geltend. Die Minister waren sämtlich sehr indigniert über eine Rücksichtslosigkeit. Sie lassen anfragen, wann sie der Herzogin von Genua, die jetzt in Pillnitz ist, ihren Besuch machen könnten, werden den Donnerstag um 2 Uhr nach Pillnitz beschieden, bleiben 20 Minuten bei der Herzogin, ohne daß sich sonst jemand um sie kümmert, nicht ein Glas Wasser wird ihnen angeboten, keine Einladung zur Tafel erfolgt. Wozu sind denn alle die Hofschranzen, Oberhofmarschall pp, wenn nicht einmal die gewöhnlichste Höflichkeit beachtet wird! Juli 16 Unser Verlobungstag!, aber welch schwere Sorgen bedrücken mich, während Sophie gottlob es leichter nimmt. Der Krieg, in den Erhard jetzt ziehen muß, durch seine Nachlässigkeit und Schuld als Gemeiner! Am Montag 11. d. M. kam ich in Bagatelle an, meine Sophie hatte mich am Bahnhof erwartet. In Elster blieb ich die Nacht vom 10. zum 11., besah mir das Bad pp. Meine Unterredung mit dem Kronprinz (siehe Brief Nr. 4 vom 27. Juni) ist nur zu bald Wahrheit geworden. Gestern früh ward ich durch einen Boten nach Dresden zitiert. Beratung um 1 beim König mit Kronprinz, Falkenstein, Nostitz, Schneider. Ich erinnerte an die Vergangenheit 1806, sprach aus, man müsse geltend machen, daß der Bundesrat gehört werde und wenn die Verlangen, welche Frankreich stelle, nicht der Art seien, daß kein ehrenhafter Deutscher sie zurückweisen müsse, sich gegen den Krieg erklären – sei es auch fruchtlos, doch wegen der Zukunft Frankreich gegenüber. Die Minister sagten gar nichts, nur Nostitz sagte, es sei besser, man sage gar nichts. Der König war der Ansicht, daß allein Preußen als Bundesoberhaupt den Krieg zu erklären habe. Wir hätten nichts drein zu reden. Seine Meinung ging natürlich durch und das Protokoll, das ich sofort machte, besagt, wenn Friesen (der von Wiesbaden direkt nach Berlin gegangen) in die Lage komme, sich aussprechen zu müssen, so solle er diesem Prinzip folgen, wenn er, abgesehen vom Bundesverhältnis, um die Meinungsäußerung Sachsens angegangen werde, soll er unter Darlegung der hier nicht genügend bekannten tatsächlichen Verhältnisse Instruktion einholen. Ich sagte ferner, Frankreich wird nicht dem Norddeutschen Bund, sondern Preußen den Krieg erklären, also nicht uns – erst wenn Preußen (nach des Königs Ansicht) Namens des Bundes den Krieg an Frankreich erklärt habe, sind wir gezwungen, unsere Armee zu stellen im Krieg. Das müsse in Paris geltend gemacht werden – ich sagte, da ich ziemlich lebhaft ward, in dessen Erkenntnis, Majestät, es ist wohl unverschämt von mir, daß ich hier so spreche, da ich kein Recht habe, hineinzusprechen, aber die Wut über diesen scheußlichen Krieg – facit indignatio et tun. Der König sagte lächelnd, nein, nein, reden Sie nur. Aber es blieb bei dem Protokoll. Ich aß bei Jordan, der noch nicht an den Krieg glaubte. Heute früh erfuhr ich, daß Frankreich den Krieg erklärt hat, sonderbarer Weise nicht unter Bezugnahme auf den Prager Frieden, den Preußen wegen Schleswig nicht erfüllt hat, sondern weil Preußen keine Garantie pro futuro wegen des spanischen Throns geben will – so sagen die Zeitungen. In der Stadt traf ich Spiegel, der die Fabel als verbreitet mir mitteilt, der König sei auf Verlangen des Königs von Preußen heute Nacht nach Berlin, um die Leitung des Norddeutschen Bundes zu übernehmen, während der König von Preußen ins Feld ziehe. Ich fand Falkenstein im Schloß, der mir erzählte, daß der preußische Gesandte von Nostitz,
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der einstweilen das Auswärtige versieht, verlangt, er soll dem französischen Gesandten seine Pässe schicken. Nostitz, der überhaupt sehr schwankend in allem sei, ist um 11 Uhr Abend gestern deshalb noch zu ihm gekommen. Falkenstein hat ihm geraten, zu erwidern, daß die Pässe erst dem französischen Gesandten geschickt werden könnten, wenn eine offizielle Mitteilung über die Kriegserklärung hier eingegangen sei, dann möge er sie chateaurenard mit einem sehr höflichen Schreiben schicken. Wenn Friesen nicht bald zurückkehrt, werden wir noch viel dummes Zeug machen, denn ich bin auch sont a fait bete en politique. Ich war bei dem Major Dziembowski, bei dessen Bataillon Erhard steht, der mir aber erklärte, Urlaub, um erst sein Examen im August zu machen (als baccalaureus), könne Erhard nicht erhalten, auch nicht Offizier werden, er müsse als Gemeiner mit. Das hat er sich nun lediglich selbst zuzuschreiben. Mir hat er immer gesagt, er könne eventuell beim Sanitätskorps eintreten, nachdem man ihm wahrscheinlich wegen dummer Streiche die Zulasssung zum Landwehr-Offizier verweigert hatte. Der will aber nicht ins Sanitätskorps jetzt, da er dann nur Lazarettgehilfe werde. Den Hauptmann Egidy, zu dessen Kompanie Erhard kommt, traf ich nicht an. Der österreichische Legationsrat von Grafenegg suchte mich heute im Archiv auf, um mir Grüße von Beust zu bringen und eine Broschüre zu übergeben, welche dessen Rechtfertigung gegen Beschuldigungen, welche die Zeitungen gegen ihn vorgebracht, Bestechungen pp enthält. Es fällt mir noch ein, daß, als ich immer wieder darauf zurückkam, daß der König doch das Recht, bei der Kriegserklärung mit gehört werden zu müssen, nicht ganz fallen lassen soll, als ich sagte, daß ich zwar nicht vorbereitet sei, daß die Bundesverfassung dieses Recht, über das sie keine ausdrückliche Bestimmung enthalte, klar zu deduzieren – als ich bemerkte, daß der Ausdruck „im Namen des Bundes“ doch mehrfache Auslegung zulasse, ob im Auftrag – der doch Einwilligung des Mandanten voraussetze, oder ob es einen allgemein im Voraus erteilten Auftrag enthalte?, daß die Bundesverfassung, die Seine Majestät doch gewiß auch genau studiert habe, ja so lückenhaft sei, daß man alles Mögliche daraus deduzieren könne – da sagte der König, ja, gerade das Recht, den Krieg zu erklären, „hat mir am meisten Skrupel in meinem Gewissen gemacht“. Manche kleine Details habe ich wieder vergessen, aber der Totaleindruck meiner Disputation mit dem König – denn keiner von den Ministern sprach eigentlich mit hinein – war der, daß er sich einfach auf die Stelle eines Refernten in einem Spruchkollegium versetzt, der nach dem Buchstaben entscheidet, aber nicht bewegt, daß humanu jus est summa injuria, und daß man große politische Fragen nicht entscheiden kann nach den Grundsätzen, als wenn es sich um einen Prozeß handelt über dergleichen. Und heute sagt mir Falkenstein, als ich ihn fragte – da er mit mir einverstanden gewesen zu sein versicherte – warum er mich nicht sekundiert habe – er habe es ja getan. Wahrscheinlich wie er sich zu Bett gelegt hat, denn bei der Beratung hat er keine Silbe gesagt. Ich wollte einmal vorschlagen, man solle ihm als Ehrenanerkennung sein Wappen verbessern und anstatt der einen Schlafmütze, die er führt, drei verleihen. Die hat er verdient! Juli 18 Heute ging ich früh gleich zu Falkenstein, bei dem ich Friesen traf. Herrliche Szene! Friesen war mit dem Protokoll vom Freitag nicht zufrieden, ebenso wenig wie ich. Als er bemerkte, ich hätte ja darin meine Meinung niedergelegt, sagte ich ziemlich erstaunt: „Ich – ich habe mich ja so lebhaft dagegen ausgesprochen, daß ich selbst meinte, zu weit gegangen zu sein und dem König sagte, es sei wohl unverschämt von mir, so frei zu reden.
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Ich kann doch zu einem Protokoll kein Separatvotum geben. Hier der Herr Minister von Falkenstein ist Zeuge gewesen.“ Falkenstein war etwas verlegen, was sich mir erklärte, als mir Friesen, den ich nachher allein sprach, sagte, Falkenstein habe ihm den Moment vorher gesagt, er sei ganz dagegen gewesen, ich aber hätte meine Ansicht durchgesetzt, dem König Angst gemacht. Der Kerl ist doch kostbar! Friesen sagte übrigens, wir müßten jetzt mit großer Energie vorgehen – ganz richtig, wir müssen unsere Pflicht erfüllen – der geringste Zweifel Preußens an unserer Pflichttreue sei unser Untergang – das größte Unglück würde sein, wenn Preußen unterliege, Hessen, Hannover wieder hergestellt würden – er ist ganz preußisch geworden. Wir hatten dann um 12 Sitzung beim König, in der Friesen die Mitteilung Bismarcks über die Ereignisse referierte. Der preußische Gesandte Werthern ist ganz in Ungnade, weil er nichts gemerkt, daß man schon längst in Frankreich den Krieg vorbereitet, hat sich auch später ungeschickt benommen. Die Dezemberabstimmung in der Armee ist viel bedenklicher, als die Zeitungen besagen, gewesen. Eugenia glaubt das Schicksal der Marie Antoinette vor sich – dies sind die Motive des Krieges! Preußen ist ganz überrascht worden, wie es 1866 es mit Österreich gemacht. Kriegserklärung sei, hat Bismarck gesagt, allerdings im Völkerrecht begründet, aber 1866 (wo sie von den Preußen an die österreichischen Vorposten abgegeben worden) hätten sie sich auch nicht streng daran gehalten, könnten sich also jetzt auch nicht beklagen, wenn sie nicht tempostiv erfolge. Das Detail konnte ich nicht verfolgen, weil ich gleichzeitig die Protokolle über die anderen Beschlüsse wegen der Militärleistungen, der Beamten, die eintreten pp machen mußte. Man verwies wegen der letztern auf die preußischen Vorschriften, die einige Bogen stark, nicht einmal durchgelesen wurden, da die Zeit drängte. – Niemand kannte sie. Der Kronprinz sagte u. a.: Wozu haben wir denn in Paris eine große norddeutsche Botschaft und einen sächsischen Gesandten?, eine Frage, auf die ihm allerdings Niemand eine Antwort zu geben vermochte. Friesen klagte mir später, als wir allein waren, über Nostitz, der so unschlüssig sei, so wenig an den Beratungen sich beteilige – dasselbe habe ich auch schon bemerkt. Er ist eben wohl nicht sehr bedeutend, kein Mann von Ideen und dabei bequem. Ich habe früher geglaubt, daß er erst seine Position sichern wolle und sehr vorsichtig sei, weil er im Gesamtministerium so selten mit einer entschiedenen Ansicht hervorgeht und sich so leicht zurückweisen läßt. Erhard, der als Reservist eintreten muß, hat sich wieder einmal von seinen albernen Launen beherrschen lassen. Gustav hat ihn ebenso wie ich sehr verständig geraten, er solle doch jetzt gleich sein Baccalaureat-Examen machen, das im August stattfinden solle. Ob er es sich nicht getraut? Er hat gar nicht gewollt, als Gemeiner eintreten wollen, da er wahrscheinlich wegen allerhand Dummheiten bei seinem Austritt als Freiwilliger nicht zum Landwehroffizier vorgeschlagen worden. Endlich hat er sich zum Examen entschlosen, das gestern stattfinden sollte. Ob er beim Sanitätskorps eintritt, was ich lieber sehe, darüber raten wir ihm gar nicht, er mag es selbst bestimmen. Juli 20 Erhard kam gestern her, hat am 18. sein Examen sehr gut bestanden, war aber noch in der Besorgnis, daß er als Gemeiner eintreten müsse, weil er zum Arzt noch nicht reif. Ich ging in das Generalkommando, um Oberstleutnant Zezschwitz zu sprechen. Ich hatte ihm gerade das Sachverhältnis breiter entwickelt, als der Kronprinz eintrat, der wohl meine Stimme gehört. Auf seine Frage nach meinem Anliegen bezeigte er eine mich wahrhaft rüh-
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rende Teilnahme, sagte, er wolle selbst dem Generalarzt Roth die Sache vorlegen. Erhard solle zum Sanitätskorps. Er bestellte mich mit Erhard auf heute um 11 Uhr wieder. Inmittelst gingen Briefe und mehrere Telegramme ein, welche die Aussicht gewährten, daß Erhard als Assistent dem Professor Benno Schmidt, der als Arzt mitgehe, beigegeben werden könne. Wir nahmen das natürlich sofort lebhaft auf. Um 9 ging ich, nachdem ich noch den Kriegsminister gesprochen, zu Roth, der erst sehr zugeknöpft war. Als ich ihm aber sagte, daß der Kronprinz selbst ihm Erhard vorstellen werde, änderte sich der Mann, knöpfte einen Knopf nach dem anderen auf und erklärte, wenn Schmidt ihn wählte, sei die Sache abgemacht. Wer war froher wie ich. Inzwischen war auch Prof. Thiersch aus Leipzig, der auch als Arzt mitgeht, aus Leipzig gekommen mit dem Auftrag, die ganze Angelegenheit auch für Schmidt zu regeln und Erhard als Assistenten zu nehmen. Als ich daher um 10 ¾ ins Generalkommando kam, fand ich Roth, dem ich Erhard präsentierte und der erklärte, dieser sei als Unterarzt für Schmidt angestellt. Er bekommt 40 Taler monatlich, ein Pferd, einen Diener, auch Ausrüstungsgeld, kurz alles war so vortrefflich, als wir es nur wünschen konnten. Erhards Bestallung fertigte Roth provisorisch auf seiner Visitenkarte aus. Erhard hat dann Thiersch noch selbst gesprochen, der ihm offenherzig erklärte, Schmidt wolle keinen ältern Arzt, sondern einen jungen Mann, der bloß ihm folge und noch nicht auf eigenes Wissen gehe, was mich an die Fabel erinnerte: „Für Steffen ist mir gar nicht bange, der kommt gewiß durch seine Dummheit fort“, sans comparaison. Erhard fuhr um 2 ½ wieder nach Leipzig, nachdem wir auf der Terrasse gegessen mit Sohpie und Oda. Daß Falkenstein nicht einmal weiß, was in seinem Ministerium vorgeht, beweist folgende Tatsache. Ich hatte ihn bereits mehrmals wegen des Maturitätsexamenss der zum Militär einberufenen Schüler angegangen, daß er durch Verordnung anordnen möge, daß die, welche ohnehin in der nächsten Zeit dazu gelangen würden, jetzt unter Erleichterungen zugelassen werden sollten. Er tat auch, als ob das seine Absicht sei und das Nötige angeordnet worden. Heute sagte mir Prof. Flathe, es sei nach Meißen keine Bestimmung ergangen und der Prof. Kreußler, ein etwas pumpliger Mann, habe auch nichts getan. Ich erfuhr nun durch Kyaws Sohn, daß das Kultusministerium sich nach Berlin gewendet, um Auskunft, was man in Preußen tue. Wozu denn das? Inzwischen vergeht die Zeit, die jungen Leute müssen eintreten und können also nicht examinieren und wenn sie zurückkommen, haben sie im Pulverdampf verschwitzt, was sie zum Examen brauchen. So ein altgewordenes Ministerinstrument, das bloß mit Gewalt in Gang gebracht werden kann, ist doch ein wahres Unheil. Juli 26 Gestern war ich zu Mathilde Jordans Geburtstag bei Jordan zu Tisch. Dort erhielt ich ein Telegramm von Erhard, daß er am Abend kommen werde. Ich erwartete ihn nun am Bahnhof und er kam, nachdem er seine Geschäfte besorgt, die Nacht nach Loschwitz. Morgen wird er nun sein Amt als Assistent bei Generalarzt Schmidt, der das Zweite fliegende Lazarett erhalten, antreten. Seine Uniform sollte er heute Nachmittag erhalten. Das Schützenregiment ist heute früh auf der Eisenbahn fort, Mittag an fallor das Leibregiment auch, wahrscheinlich an den Rhein. Die Konfussion ist ziemlich groß. Jede Kompanie bekommt statt 80 250 Mann, darunter viele, die das Exerzieren verlernt. In der Regel ist bei jeder Kompanie nur ein Offizier außer dem Hauptmann. Die andern Leutnants werden nun von den Kadetts und denen, welche als Freiwillige oder sonst das Offiziersexamen gemacht haben, genommen, die weder vom Reglement noch Dienst etwas wissen. Die alten Unteroffiziere,
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welche 1866 sich so bewährt haben, fehlen. Die Armee ist also kaum besser als Milizen. So meinen wenigstens Offiziere selbst. Ich habe täglich bei Falkenstein um 12 Uhr eine Art Rapport, bei dem wir ½ Stunde unnützes Zeug schwatzen. Das Archiv habe ich nun seit gestern auch wieder übernommen, mache aber freilich nicht viel, da es doch schwer ist, sich jetzt zu entschließen, alle Gesandtschaftsakten zu extrahieren. Juli 29 Eben haben wir Abends 6 ½ von unserm Erhard Abschied genommen, der als Assistenzarzt des Generalarztes Prof. Benno Schmidt, einem Sohn unseres früheren Hauslehrers, der 1816 in unser Haus kam, morgen früh nach Mainz abgeht. Gott, Dir übergeben wir ihn. Hüte uns ihn! Gestern machten wir Schmidts Bekanntschaft, der ein wohlwollender Mann ist, doch wohl kein ganz hervorragendes Genie. Erhard ist aber in bester Obhut bei ihm.160 Daß weder Staatsmänner noch Völker aus der Geschichte lernen, bloß der Einzelne sich daraus Erfahrungen entnimmt, beweist wieder die Geschichte dieser Zeit. Ist es nicht ganz die Wiederholung von 1806? L’un apres l’antre, so wird es Napoleon machen, wenn er siegt. Wir bekommen dann eine neue Auflage des Rheinbundes, bleiben im bewaffneten Frieden, verarmen, bis einmal nach Jahren wieder ganz Europa aufsteht gegen den Erbfeind, den ewigen Störenfried. Wenn man das den Staatsmännern sagt, lächeln sie über den Pinsel. Anton und ich haben jetzt in Loschwitz und Umgegend ein Zirkular erlassen zu Bildung eines Vereins zu Herstellung von Lazarettgegenständen, Geld und Arbeitskräfte sollen sich vereinigen. Die Ministerin Schneider mußte natürlich an die Spitze gestellt werden. Ihre Tochter hat ihr Verlöbnis mit einem Baron Bordenne gelöst, woran sie sehr gut getan haben soll. Jetzt bei den viel wichtigeren Sachen, welche die Welt beschäftigen, geht so etwas ohne viel Gerede vorüber. Übermorgen um 2 Mittag soll Erhard in Castell eintreffen. Morgen Nachmittag soll er in Leipzig einige Stunden Nachmittags bleiben. Alle Stunden ist seit Tagen ein Zug mit einem Bataillon abgegangen. Montag sollen alle Truppen von hier fort sein und dann das 6. Armeekorps aus Schlesien durchgehen. August 3 Am Montag ward eine Sitzung im Gesamtministerium gehalten, da eine telegraphische Depesche des Königs von Preußen an unseren König eingegangen war, daß Fabrice zum Generalgouverneur von Sachsen ernannt worden, was, da man sonst einen preußischen General zu besorgen gehabt, sehr befriedigte. Gleichzeitig ging ein Schreiben vom Bundesrat ein, in welchem dem Generalgouverneur sehr ausgedehnte sicherheitspolizeiliche Befugnisse beigelegt waren. Ich hatte schon vor mehreren Tagen darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn Sachsen in Kriegszustand erklärt werden sollte, das dann nach der Norddeutschen Bundesverfassung § 68 eintretende preußische Grundgesetz hier bekannt gemacht und da nicht Alles passt, die Sache vorbereitet werden möge. Mein Aufsatz lag aber bei Schneider, der in Bautzen war, um den neuen Präsident Nosky einzuführen. Es ward dann bloß geschwatzt und kein weiterer Beschluß gefasst, wie denn überhaupt die Beratungen im Gesamtministerium, wenn nicht Friesen die Leitung in die Hand nimmt, sehr wenig fruchtbringend sind. Viele Sachen höre ich eben erst bei der Beratung und kann daher nichts vor160 Siehe Geschichte der Universität Leipzig. Band 2. Das neunzehnte Jahrhundert. 1830/31–1909. Leipzig 2010, S. 543.
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bereiten, was oft sehr nötig wäre. Von der Armee noch keine Nachricht. Wir wissen bloß, daß unsere Truppen von Mainz abwärts auf dem linken Rheinufer sind – im Nassauischen. Heute ist ein allgemeiner Bettag wegen des Krieges angeordnet. Keine fast von allen uns bekannten Familien ist, die nicht eines oder mehrere Glieder im Feld hat. Solch ein Krieg, in dem die ganze Jugend, die ganze Intelligenz der Zukunft mit kämpfen muß, hat Deutschland noch nicht erlebt. 1813 geschah es freiwillig. Von Enthusiasmus ist in Dresden wenig zu merken. Der Dresdner ist nicht leicht begeistert, sieht immer nur auf seinen Beutel, ist ein fischblütiges Geschlecht. Heute ist ein so wundervoller stiller, warmer Morgen. Die Natur atmet so tiefen Frieden, daß man es nicht fassen mag, daß jetzt vielleicht am Rhein die Kanonen donnern und Tausende bluten! August 5 Gestern Nachmittag also ein Sieg über die Farnzosen bei Weißenburg. Die Nachricht ist um 10 nach Dresden gekommen, alle Straßen voll Menschen, die Wacht am Rhein gesungen, Zug zum Hotel des preußischen Gesandten, dem Vivat gebracht worden. Erhard schrieb vom 1. August aus Castell bei Mainz seine glückliche Ankunft. August 7 Ich besuchte gestern früh Kotzebue, den ich noch nicht wieder gesehen und beim Frühstück mit seiner Frau sowie in Differenz mit ihr fand, weil sie, enthusiastisch für Deutschland, ein Konzert zum Besten des Hilfsvereins besuchen wollte, das er als Vertreter einer neutralen Macht fuglich nicht besuchen kann. Da sie keine Begleitung hatte, so versprach ich auf ihre Bitte, sie zu beschützen. Um 5 fuhren wir Alle herein und gingen auf das Waldschlößchen, dessen Terrasse gegen 7 Uhr eine ungeheuere Menschenmasse füllte. Die Kotzebue und Falkensteins fanden an unserm Tisch Platz. Die Liedertafel sang, Rudolf Gener trug einige Gedichte vor, von denen wir nichts verstanden, die aber mit großem Beifall aufgenommen wurden. Wir gingen nach 9 Uhrt fort und hörten, während wir an der Elbe hingingen, großes Vivat schreien. Die Nachricht von einem zweiten Sieg war angelangt. Von Erhard bekamen wir gestern eine zweite Karte aus Weißenstadt, natürlich ohne viel Details, aber mit der erwünschten Nachricht, daß es ihm gut geht. Unsere Einquartierung in der Stadt, für die ich 16 Taler zahlen mußte, ist fort. In Loschwitz habe ich aber seit 14 Tagen einen Mann bei Demnitz für 20 Neugroschen täglich einquartiert. Anton und ich haben ein Zirkular in Loschwitz, Wachwitz und den Weißen Hirsch herumgehen lassen zu Bildung eines Frauenvereins zu Fertigung von Lazarettgegenständen. Wir haben etwa 250 Taler Geld, von Prölß eine Webeleinwand erhalten und etwa 30 Frauen nähen Montag und Donnerstag im Saale des Burgbergs. Es sind aber alles Damen aus den höheren Ständen. Die Mittelklasse, die doch auch hier im Sommer wohnt, hat sich beim Nähen nicht beteiligt. Vielleicht, weil ihr die Sache, da die Ministerin Schneider natürlich an die Spitze gestellt werden mußte, da sie hier wohnt, zu vornehm dünkt? In der Nacht vom Sonnabend zu Sonntag hat in Dresden ein arger Exzess stattgefunden, der mir ein vorbereiteter zu sein scheint. Angeblich soll Jemand aus dem Eckhaus der Schloß- und Wilsdruffer Straße Wasser auf das jubelnde Volk gegossen haben – es hat sich aber durchaus Niemand ermitteln lassen, der gegossen oder begossen worden. Darauf wirft das Volk die Spiegelscheiben in der ersten Etage, die Niemand bewohnt, ein. Es ist darin das Geschäft eines Hauptmann Schiffner, der im Verdacht französischer Sympathie steht. Vorher hat aber eine Anzahl von etwa 20 Männern Vivat Napoleon gerufen. Als dies Unwillen erregte, sind sie verduftet. Major von Schönfeld und ein russischer General von Weist haben es mit angehört. Wahrscheinlich hat Schiffner als Opfer dienen müssen,
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denn es tobt der See und will sein Opfer haben. Der Pöbel hat sich ihn gewählt, weil man glaubt, daß er es mit den Franzosen halte. August 10 Mehrere Postkarten und ein Brief von Erhard melden, daß es ihm ganz gut geht, er aber bis jetzt nichts zu tun hat. Wir haben in Dresden und Loschwitz Einquartierung, die, da wir sie verpflegen lassen müssen, sehr viel Geld kostet. Zu arbeiten habe ich jetzt gar nichts, da im Gesamtministerium nichts vorkommt. Ich schwatze aber jeden Tag um 12 Uhr ½ Stunde mit Falkenstein, bei dem ich mich täglich zum Rapport einfinde. Man hat auch in dieser Zeit keine Lust, alte Akten zu extrahieren, wenn man denkt, daß bei Metz jetzt vielleicht die Kanonen in der Entscheidungsschlacht donnern. Trotzdem, daß alle offiziellen Nachrichten sofort durch Abdruck und Anschlag der Telegramme veröffentlicht werden, sind immer die unsinnigsten Gerüchte in der Luft verbreitet. Gestern früh hieß es, die Sachsen wären vor Metz durch Minen in die Luft gesprengt, nach Tisch hieß es, weil der König zum Tee zur Kronprinzessin von Pillnitz nach Strehlen gefahren, der Kronprinz sei verwundet. Heute dagegen hieß es, die Franzosen seien bei Metz total geschlagen worden. Wer aber diese Fabeln, die natürlich Viele sehr beunruhigen, verbreitet, ist nie zu ermitteln. August 18 Von unserm Erhard haben wir erst einen Brief, aber viele Postkarten erhalten, aber ohne Ortsbezeichnung, wie das Vorschrift zu sein scheint. Wir ersehen, daß er Gottlob wohl ist, nichts zu tun hat, öfters musiziert hat, daß er nun in Frankreich eingerückt ist, den Wagen zerbrochen und in einem elenden französischen Dorf um 12 zu Mittag nur Brot und Bohnen gespeist hat. Daß unsere Armee auch bei den letzten Gefechten bei Metz noch nicht im Feuer gewesen, erregt hier bei Manchen Anstoß, weil sie es als eine Zurücksetzung betrachten, während ich mit der Mehrzahl derer, die ihre Lieben im Feld wissen, Gott dafür danken. Ich kann mich übrigens nicht überzeugen, daß der Krieg sobald zu Ende sein wird. Mit wem will man den Frieden schließen, mit Napoleon, dessen Verträge die Republik, die seiner Entfernung folgen wird, nicht beachten wird. Mit der Republik? Die wird nicht Frieden schließen, so lange noch ein deutscher Soldat in Frankreich steht. Ich fürchte, daß wir erst am Anfang, nicht am Ende sind. Friesen, mit dem ich heute sprach, war anderer Ansicht. Nous verrons. Daß Süddeutschland nun dem Norddeutschen Bund beitreten wird, glaube ich, wenn man nur die Gelegenheit benutzt zur Emandation der Bundesverfassung, namentlich zur Einführung eines Bundesgerichts für Streitigkeiten zwischen einem Bundesstaat und dem Bund. Heute Abend kommen der Obersthofmeister der verwitweten Königin Maria mit Frau und Töchtern zu uns – eine neue Bekanntschaft, die in Odas Interesse gemacht worden – und Ludwig Richter, der Maler, mit Tochter, welchen Minkwitzens kennen zu lernen wünschten. Heute hat uns unsere Loschwitzer Einquartierung verlassen, während ich in Dresden noch drei Mann, da einer gestern abgegangen ist, habe. Es kostet die Unterbringung eine Menge Geld. August 21 Der tieftse Frieden in der Natur, herrlicher Tag! Und draußen in Frankreich liegen nach dem blutigen Kampf vom 18. des Monats Tausende unserer Sachsen, vielleicht darunter viele unserer Freunde als Leichen oder in ihrem Blute unter greßlichen Schmerzen als Verwundete. Wie viele Tage werden vergehen, ehe wir Nachricht erhalten, wer geblieben ist. Die letzte Nachricht von Erhard ist vom 15., er klagt über Mangel an Nahrung, hat aber den Napoleonstag zu Mittag mit einer Henne feiern können. Welche schweren Tage mag der arme Junge jetzt durchzuleben haben!
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Im Gesamtministerium sind die Minister nicht zusammenzubringen. Die gewöhnlichen kurrenten Geschäfte kommen einem so lumpig vor, gehalten gegen die blutigen Kämpfe. Ja, wer es wüßte, ob das Blut wenigstens nicht vergeblich vergossen wird, ob ein dauernder Frieden, eine bessere Zeit folgen wird, oder ob neue Kriege folgen werden? Hier in Sachsen droht uns aber eine schlechte Ernte, da alle Tage Regengüsse das auf den Feldern liegende Getreide zum Auswachsen bringen. Ein Fürst Wittgenstein hat eine Prophezeiung, ich glaube durch Tischklopfen, herausgeklügelt, in der der jetzige Krieg vorhergesagt ist, das völlige Unterliegen Frankreichs und der Friede dadurch bedingt ist, daß der Friedenbringende in Marseille landen und ein Sternenbanner führen werde – also aus Nordamerika kommen solle. Falkenstein sagte neulich, Beust habe doch viel Glück, denn es sei sehr nahe daran gewesen, daß Österreich sich mit Frankreich verbündet hätte, der erste Sieg aber habe das Bündnis verhindert. August 27 Unwohlsein hat mich heute in Loschwitz zurückgehalten, da das Wetter wieder wie seit Wochen regnerisch und kalt ist. Von Erhard kam eine Postkarte vom 19ten, die uns wenigstens die Beruhigung gab, daß er gesund ist. Andere Nachrichten ergeben, daß er mit Schmidt in einem Hospital in St. Marie aux Chanals oder Chenes ist. Otto Berlepsch ist im Rücken durch einen Schuss verwundet, gefährlich, doch hat er am 26. noch gelebt und wir hoffen, daß er jetzt bei Schmidt im Hospital ist. In der letzten Sitzung am 25. des Monats kam im Gesamtministerium, durch Friesen angeregt, die Frage wegen der Ordensverteilungen zur Sprache, indem Friesen sich gegen eine Ordensverleihung an einen Beamten aussprach, der längere Zeit sich sehr brav gehalten, aber keine besondere hervorragende Handlung getan. Man hat bis jetzt in der Regel das verlangt, obgleich ich auch viele Beweise des Gegenteils weiß. Es entstand nun eine Rederei, deren Resultat war, man wolle es bei dem zeitherigen Prinzip belassen, Ausnahmen vorbehalten. Dabei erwähnte Friesen, ohne einen Namen zu nennen, es habe einmal ein Offizier bloß deshalb einen Orden erhalten, weil er ein Reglement zusammmengestellt. Dies bezieht sich auf den jetzigen General Krug von Nidda, Falkensteins Schwiegersohn. Dieser hat dieses Zitat fürchterlich übel genommen und beklagte sich gegen mich sehr lebhaft über Friesens hämisches Wesen – das liegt aber gar nicht in Friesens Charakter, der barsch, aber nichts weniger als hämisch ist. Die Königin Maria (Witwe) hat – ein seltener Fall – ihrem Oberhofmeister von Minkwitz ein Winzerhaus in ihrem Grundstück geschenkt und er hat dieses sehr hübsch ausgebaut. Wir waren heute Abend mit Kyaws (er ist in Marienbad) dort eingeladen. Es sind liebenswürdige Menschen, auch die zwei Töchter recht angenehm. Ein Bruder der Frau von Minkwitz, von Schönberg, Sohn des Arthur von Schönberg auf Rothschönberg, der sich wegen Schulden kürzlich das Leben genommen, sang recht gut. Gustav geigte. Es war auch der Hofrat von Zahn da, ein gebildeter Mann. Man sang auch im Chor das jetzt beliebte Lied: Die Wacht am Rhein, allerdings auf eine Weise, daß Franzosen und Deutsche gleichzeitig davonlaufen möchten. September 2 Von Otto Berlepsch, der in Privat liegt und zu dem Dietrich Berlepsch schon gestern vor acht Tagen abgereist ist, sind immer noch keine Nachrichten da, außer einer in einer Postkarte Erhards vom 24. vorigen Monats, wonach sein naher Tod erwartet ward. Gestern Abend reiste eine Frau von Minkwitz, Schwägerin des Obersthofmeisters, mit
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Herrn von Schönberg ab, um ihren Mann, dem ein Fuß amputiert worden, in Pont a Mouchon aufzusuchen. Wir gaben Schönberg ein Kästchen an Erhard mit Fleischextrakt für 6 Taler, Schokolade und Tee mit. Die Tochter des Major von Schönfeld, die mit einem Hauptmann Meier verheiratet ist, ist auf die Nachricht seiner Verwundung nach dem Kampfplatz gereist, hat alle Hospitäler durchsucht, aber nichts über ihn erfahren können: welche schreckliche Lage! Solche Fälle aber treffen jetzt 100 000. Am Dienstag ward hier von Handwerkern eine theatralische Vorstellung zum Besten der Verwundeten gegeben, die wirklich alle Erwartungen übertraf. Die Leute spielten Landräte, Bauern pp ganz gut, auch der mehrfache Gesang im Chor ging recht brav. September 4 Otto Berlepsch ist am 27. vorigen Monats früh nach erst gestern eingetroffener Nachricht seiner Wunde, einem Schuß ins Rückgrat, erlegen. Das Herz hat ein Arzt herausgenommen und will das traurige Überbleibsel hierher schicken. Von Erhard seit dem 24. vorigen Monats keine Nachricht. Er ist jedenfalls mit vor Verdun gezogen und hat dort die in der Weltgeschichte unerhörte Katastrophe, daß ein Kaiser sich mit 80 000 /Mann/ gefangen gibt, miterlebt. September 7 Gestern hatten wir Erkels, Küstners und Schimpfs zu Tisch gebeten. Ein ausführlicher Brief von Erhard vom 29. vorigen Monats hatte uns über ihn beruhigt. Wir glaubten da, einmal mit unsern Bekannten fröhlich zusammen sein zu können – da brachte Schimpf die Nachricht mit, daß Adolf Berlepsch am 1. des Monats vor Sedan den Heldentod gestorben. Es war mir ein sehr lieber Freund, ein edles Gemüt, frei von dem sonstigen Charakterzug der Familie der Indolenz und Selbstsucht. Ihm ist wohl, denn durch sein ganzes Leben ging das belastende Bewußtsein, daß er eine verfehlte Laufbahn ergriffen. Er wäre am liebsten Professor geworden, hätte alte deutsche Sprache studiert, allein es fehlte ihm gründliches Wissen und Ausdauer. Das fühlte er auch. Dazu eine Ehe, in der er, trotz früher Leidenschaft, keine Befriedigung fand: sie leidenschaftlich, er ewig unruhig – sie paßten nicht zuzsammen. Schon wiederholt habe ich Falkenstein darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn ja, jetzt vor dem doch bestimmt vorherzusehenden Eintritt der Süddeutschen Staaten in den nordischen Bund, die Zeit gekommen ist, eine Revision der Bundesverfassung vorzunehmen, wobei ich vorzugsweise die Frage wegen der Kompetenz = Kompetenz und den Mangel eines Bundesgerichts bezeichnete. Falkenstein sagte mir immer, ja es ist unvermeidlich, aber Friesen sagt kein Wort davon pp – immer die Ranouer gegen Friesen. Heute kam ich wieder darauf und nun bat er mich, ihm die Punkte, die ich für wichtig hielt, zu bezeichnen. Ich habe denn nun ein kurzes Expose darüber gemacht, das aber wahrscheinlich in irgend einen Papierkorb wandern wird. Das wäre doch wirklich eine Sache, daran sich der Vorsitzende Staatsminister, wie sich Falkenstein gern nennen hört, annehmen, die er in die Hand nehmen müßte. Aufsehen hat, wie mir Professor Richter – der Arzt – heute sagte, die Fassung der Antworten des Königs auf die an ihn eingegangenen Adressen gemacht, weil sie so gar kühl gehalten seien und gar keine Begeisterung für die Siege der Deutschen verraten sollen – man glaubt, daß doch noch französische Sympathien am Hofe herrschten. Ich habe die Antworten, die von Nostitz ausgegangen, nicht gelesen, da ich ihnen keine größere Wichtigkeit beilegte, und man genug an den Kriegsnachrichten zu lesen hat, sagte es aber Falkenstein, der denn auch Nostitz es mitgeteilt hat. Dieser hat nun es selbst anerkannt, aber gemeint, er habe sie
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nicht so genau gelesen – wie gewöhnlich, viel Arbeiten ist eben keine Passion des Ministers des Innern, der sich wohl oft nach seiner ruhigen arbeitslosen Kreisdirektionsstelle zurücksehnen mag. September 9 Falkensteins, die Gruner, die Generalin Krug, Trendelenburgs zum Besuch, trotz scheußlichen Wetters. Die Ersteren blieben zum Abendessen. Falkenstein voll Wut über Friesen. Delbrück ist mehrere Tage hier gewesen. Was hat er gewollt? Was hat er mit Friesen, dem König verhandelt? Weder er noch ein anderer Minister weiß ein Wort davon. Nostitz ist zu Falkenstein gekommen, weil er auch mit Friesen nicht gut steht, um es zu erfahren und der Vorsitzende Staatsminister hat ihm bloß sagen können, daß er es nicht wisse. Der König, mit dem Falkenstein heute über die norddeutsche Bundessache – in Folge eines Aufsatzes – heute – wie er behauptet – eine Stunde gesprochen, hat bloß gesagt, es sei eine schwierge Sache. Der König muß demnach sehr langsam gesprochen haben, wenn er weiter nichts gesagt hat. Allerdings ein starkes Stück, wenn die anderen Minister von so hochwichtigen Sachen gar nichts erfahren. Warum läßt sich der Vorsitzende das aber gefallen? Weil er eben an seinem Portefeuille klebt wie Kleister am Papier. September 12 Minister Seebach aus Gotha kam am Sonnabend zu mir ins Archiv. Er ist hier, um den Nachlaß seines Vaters mit seinem Bruder, dem Gesandten, zu regeln. Leider hat er sein Versprechen, nach Loschwitz zu kommen, nicht halten können, da sein Bruder ihn vergeblich einen Tag hat warten lassen. Von Erhard seit dem 29. vorigen Monats keine Nachricht. Am Sonnabend war ich bei der Witwe Adolf Berlepsch’s, die ich sehr gottergeben gefasst fand. Er hat eine Auswahl aus seinen Gedichten zum Druck vorbereitet. Sie gab mir noch ein ganzes Heft Gedichte unter dem Titel „Unter der Fahne“, unter denen ich aber nur ein einziges, den Wunsch eines schnellen Kriegertodes aussprechend, das sich eignen würde. Die meisten andern waren Toaste und auf einzelne längst verschollene Zeitereignisse bezüglich, viele völlig unklar, voll Bombast, wie er denn überhaupt noch nicht zur Klärung gelangt war. Ich sprach auch mit Dietrich Berlepsch, der Sonnabend Nachmittag uns in Loschwitz besuchte, darüber, und habe heute der Witwe vorgeschlagen, daß der Gedichtsammlung eine kurze Lebensbeschreibung beigefügt werden möge, in der das nur wenige Verse enthaltende Gedicht auf den Kriegertod den Schluss bilden könnte. Ich sprach auch mit den Ministern Nostitz und Falkenstein wegen der zu ergreifenden Sicherheitsmaßregeln, wenn wir die uns angekündigten 5 000 französischen Kriegsgefangenen ins Land bekommen. Wenn etwa eine Partie ausbrechen sollte, fehlt es an jeder Hilfe, wenn nicht genug Militär da ist. Ob das sei, wußten aber beide Minister nicht! Man müßte dann also doch eine Art Bürgerwehr errichten. Nostitz beklagte, daß die Minister jetzt gar nicht zusammenkämen, um solche Angelegenheiten zu besprechen und ich veranlasste daher Falkenstein, doch diese Woche einmal Gesamtministerium zu halten. September 14 Endlich wieder eine Karte von Erhard, der nun wieder mit Schmidt im Hauptquartier seit dem 6. des Monats ist, nachdem er einige Zeit in St. Marie aux chenes bei Metz gewesen. Seine Uniformsachen und Mantel, die ich vor vier Wochen an ihn abgeschickt, hat er noch immer nicht. Schauderhaftes Wetter heute, Gewitter, Sturm, Kälte! September 25 Endlich seit Freitag etwas besseres Wetter. Früh Nebel, aber Mittags bricht die Sonne durch, aber kalt bleibt es. Von Erhard gute Nachricht, fidelen Brief vom 16. Er ist jetzt vor Paris.
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Gestern Abend war ich in der Künstlergesellschaft, die sich Mittwoch und Sonnabend bei Demnitz in einem niederen, engen Ziemmer versammelt, aber sehr gemütlich ist: Heidrich, Richter, Alex (Lehrer im Schmidt’schen Mädcheninstitut) und andere, deren Namen ich natürlich ebenso wie ihre Gesichter heute schon vergessen habe. Falkenstein verlangte von mir, ich solle ihm einen Entwurf für die Reform der Bundesverfassung beim Eintritt der Süddeutschen machen. Das ist aber eine Aufgabe, der ich nicht gewachsen bin. Soll etwas ganz Neues geschaffen werden? Darauf geht Preußen nicht ein. Für Flicken auf das Alte genügten die Bemerkungen, die ich Falkenstein schon gegeben habe. Falkenstein meint, die kleineren Staaten müßten mediatisiert werden, uns Altenburg, die Reuß, Schwarzburg zufallen. Ich möchte wissen, was uns Reuß und Schwarzburg nützen sollten? Er meinte, der Herzog von Altenburg sei ganz geneigt für Unterordnung unter das Königreich. Aber die anderen Herzogtümer und Weimar?, sollen die preußisch werden? Ich werde die Sache ruhen lassen. September 26 Friesen hat am Donnerstag im Gesamtministerium – ich war nicht dabei – einen kurzen Vortrag über die deutsche Verfassungsfrage gehalten, nachdem Falkenstein, wie er sagt, sich beim König darüber beklagte, daß gar nichts über Delbrück (der hier war) Mitteilungen an das Gesamtministerium gelangt sei. Viel haben die Herren aber nicht erfahren, das ging aus Falkensteins heutiger Mitteilung an mich hervor. Ich hatte ihm wiederholt gesagt, daß, wenn Beust noch da wäre, dieser längst nach München und Stuttgart gegangen sein würde, um dort Fühlung zu nehmen und zu verhindern, daß nicht en fait accompli uns überraschen, ehe wir etwas erfahren. Wir können die Initiative nicht ergreifen, aber doch mit Bayern uns veständigen. Heute sagte mir nun Falkenstein beinahe mit meinen eigenen Worten, er habe dem König das nun heute zum vierten Mal gesagt. Könneritz, unser Gesandter in München, erfahre nichts, Friesen solle doch selbst hingehen. Er meinte aber, dieser sei nicht dazu geneigt, während er doch nach seiner Ansicht ins Hauptquartier zu Bismarck gehen müsse. Das hatte ich allerdings nicht gesagt, denn das, glaube ich, würde nichts nützen. Heute sah ich die ersten gefangenen Franzosen. Drei gingen, von zwei Wachen begleitet, auf die Terrasse, einer ein Sappeur, zwei wohl Seesoldaten in blauen Jacken und Hosen mit roter Binde, kräftige hübsche Leute. 4 000 Mann, die wir in Dresden haben, sollen ein Barackenlager bei Übigau beziehen, mit Pallisaden umgeben, das eine Batterie vom linken Elbufer bestreichen kann. September 29 Von Erhard Nachricht vom 21ten aus einem Dorf, drei Stunden von Paris, wonach der arme Junge Hunger leidet. Wir haben ihm heute in Pappcouverts Kaffee und englische Bisquits geschickt, die er aber wahrscheinlich wie die meisten unserer Briefe nicht erhalten wird. 10 Loth, mehr geht nicht hinein, werden auch nicht weit reichen. Seine Uniformen, Capot pp. und eine Kiste mit Fleichextrakt, die seit sechs und beziehungsweise vier Wochen unterwegs sind, hat er auch noch nicht erhalten. Und dazu nicht die mindeste Aussicht auf Frieden! Heute sprach Schneider mit mir, während wir mit dem Dampfschiff herausfuhren oder vielmehr ich mit ihm über die deutsche Verfassungsfrage. Er hatte sich noch gar nicht mit der Frage beschäftigt und sagte, er habe Friesen erklärt, er könne erst in nächster Woche ihm seine Bemerkungen mitteilen. Heute Nachmittag kam nun Geheimer Justizrat Abeken, die einzige produktive Intelligenz im Justizministerium, zu mir, der sich, da ihn Schneider mit der Sache beauftragt hat, um bei mir Rat erholen wollte. Ich teilte ihm die hauptsächlichen
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Bemerkungen mit, die ich bereits Falkenstein gegeben habe und will ihm morgen meinen Aufsatz mitteilen. Er klagte auch sehr über Schneider, dem alle Produktivität und Eifer für die Sache abgeht und der nur Interesse für die geschäftliche Leitung hat, bei Prinzipfragen sich mit einer Prüfung nicht belästigt, sondern alles ohne weiteres Nachdenken akzeptiert, was ihm der Referent proponiert. Dieselbe Bemerkung habe ich ja stets im Gesamtministerium zu machen. Er hat nie eine Meinung und vertritt auch keine – eine Null! Besonders zu beklagen ist auch die Befolgung des Annuitätsprinzips bei Bestallungen, in Folge dessen jetzt alle alten Esel, verschimmelte Assessoren aufrücken, während die junge Intelligenz entweder abgeht und die Anzahl Advokaten vermehrt oder in stumpfer Resignation verkümmert. Oktober 7 Gestern erhielt ich einen Brief vom Minister Seebach mit einer Einlage vom Sachsen-Weimarischen Minister Stichling. Man will an des verstorbenen Watzdorf Stelle einen Minister aus dem Königreich und ist dabei auf den Regierungsrat von Watzdorf und Geheimen Finanzrat Thümmel gekommen. Ich soll eine ganze Masse Detailfragen über sie beantworten.161 Die Sache ist heiklig, aber die Wahl auch für uns wichtig. Ich ging daher gleich zu Minister Friesen, der beide genau kennt. Er gab mir alle nötige Auskunft, aus der sich aber ergab, daß keiner passt. Watzdorf hat die äußere Form, aber keine große Befähigung und noch weniger Wissen – er ist, wie Friesen sagt, ihm im Auswärtigen von wenig Nutzen. – Thümmel hat das Wissen, aber gar keine Form, kann nicht französisch. Friesen schlug den Amtshauptmann von Könneritz vor, eine mir ebenso wie seinen Schwiegereltern Beust’s antipathische Persönlichkeit. Ich entwarf nun eine sehr eingehende Charakterschilderung, mich an die speziellen von Stichling aufgestellten Fragen haltend und schickte die Schrift zur Revision an Friesen, den ich denn noch auf den Schönburgischen Kanzleidirektor von Zahn aufmerksam machte, den ich persönlich nicht kenne, aber immer als sehr intelligent habe rühmen hören. Hier in Loschwitz ist es eben nicht sehr behaglich, dicker Nebel alle Morgen, der erst gegen Mittag bisweilen der Sonne weicht, Kälte, daß ich einheizen muß. Dazu die Sorgen um Erhard, da die Eroberung von Paris sich wahrscheinlich sehr lange hinziehen wird – Mangel an allem Nötigen draußen – Tücken der Franzosen! Keine heitere Zukunft. Oktober 14 Interessanter Brief von Erhard aus le vert Galant. Der arme Junge hungert und alle unsere Lebensmittelsendungen in Paketen zu 15 Loth scheinen unterwegs von Unberufenen verzehrt zu werden. Gestern ist im Gesamtministerium eine sehr lebhafte Diskussion gewesen – nachdem ich meinen Vortrag beendigt und das Zimmer verlassen. Der König hat, ohne einen Minister zu fragen, ohne Falkenstein, dem Ordenskanzler, es zu eröffnen, auf Vorschlag des Kronprinzen den drei Ärzten, die aus Leipzig mit ins Feld gegangen, Schmidt pp, sowie mehreren Generalen das Komthurkreuz des Verdienstordens gegeben. Von den Generalen sollen einige noch gar keine Gelegenheit gehabt haben, sich jetzt Verdienste zu erwerben. Falkenstein hat zwar seine Bedenken dem König, als dieser es ihm ex post gesagt, eröffnet, aber es war eben geschehen. Gestern bringt nun Nostitz die Sache im Gesamtministerium vor, indem er sagt, 161 Brief des sachsen-coburgischen Staatsministers von Seebach an Weber vom 5. Oktober 1870 aus Gotha mit der Bitte um Personalvorschläge für die Neubesetzung der Staatsministerstelle in Sachsen-Weimar. Siehe Dokumentenanhang Nr. 38.
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daß es doch sehr bedenklich sei, den Verdienstorden in höherer Klasse bei dieser Gelegenheit zu verteilen, da notwendig dadurch eine Menge Ansprüche, und nicht unberechtigte, hervorgerufen würden. Er werde jetzt eine ganze Masse Ordensverleihungen beantragen. Dabei hat er gesagt, es sei doch auch zu beachten, daß nicht bloß Tapferkeit hier in Frage kommen, sondern daß auch die zu berücksichtigen seien, die hier unausgesetzt auf der Bresche stehen müßten. Der König hat sichtlich sehr verdrießlich diese Äußerung mit den Worten erwidert: „Nun, Sie haben ja auch das Großkreuz des Verdienstordens.“ Damit ist die Diskussion beendet gewesen. Nostitz ist aber sehr lebhaft geworden. Recht hat er wohl, aber der ganze Ordenskrempel ist jetzt ganz herunter gebracht. Kein Mensch als ein paar pensionierte Offiziere trägt jetzt hier ein Ordensband. Oktober 16 Der arme Erhard leidet vor Paris in le vert Galant, in dem Haus eines gewissen aber abwesenden Lefevre wohnend, bittern Mangel und 17 Sendungen mit Lebensmitteln in kleinen Paketen von ½ Pfund haben ihn nicht erreicht. Gestern haben wir ihm noch zwei Kistchen zu vier Pfund, welche die Post jetzt annimmt, mit wollenen Strümpfen, Unterhosen, Würsten pp geschickt, die er aber im günstigsten Falle erst in vierzehn Tagen erhalten wird. Zu groß mag die Zeit sein, aber furchtbar ist sie für die alle, die einen Lieben im Feld haben. Oktober 24 Friesen reist, einer Aufforderung Bismarcks nachkommend, heute nach oder vor Paris, um an den Verhandlungen wegen der deutschen Frage teilzunehmen. Glück auf den Weg. Eine schriftliche Instruktion konnte er nicht erhalten, weil man hier gar nicht weiß, was Bayern und Württemberg verlangen – das „man“ bezieht sich wenigstens auf Falkenstein, der es doch wissen müßte, wenn „man“ hier etwas erfahren hätte. Oktober 31 Von Erhard mehrere Briefe mit guter Nachricht, daß er wohl ist. Leider hat er aber von den zahlreichen Kistchen zu vier Pfund, die man seit einigen Wochen für 5 Neugroschen Porto mit der Post schicken kann, noch nichts erhalten. Er bat mich, dem Bruder des Generalarztes Dr. Schmidt, jetzt Superintendent zu Werdau, zum 2. November, an welchem er sein 25jähriges Dienstjubiläum feiert, zu gratulieren, da dieser Albert’s und Ernst’s Hauslehrer gewesen. Als solcher hat er allerdings seine Pflicht wenig erfüllt, da er sich um ihre Erziehung gar nicht bekümmert hat, wie die Erfahrung gelehrt hat. Indessen soll das Gratulationsschreiben von mir als Senior der Familie morgen abgehen. Der Friede, den man vor einigen Tagen hoffte, scheint wieder in weite Ferne gerückt trotz der Übergabe von Metz mit 175 000 Gefangenen! November 8 Sonnabend, den 5. November früh mit Sophie und Oda nach Leipzig. Bahnhof voll gefangener Franzosen aus Metz, alle fast geschwollene Füße, barfuß oder mit Lumpen umwickelt, die Stiefeln in der Hand, die Kleider mit Schmutz und Lehm bedeckt vom Burnak, blasse matte Gesichter, kläglicher Anblick. November 13 Schon mehrere Male sprach ich mit Falkenstein darüber, daß Schmidt jetzt gar nichts zu tun hat und daß es doch viel besser sei, wenn er (und natürlich Erhard mit) zurückberufen werde, da es im Leipziger Hospital an einem Chirurgen fehlt. Falkenstein hat nun mit Fabrice und dem König gesprochen und letzterer hat an den Kronprinzen deshalb geschrieben. Hoffentlich hat der Brief den gewünschten Erfolg. Man will jetzt hier einen neuen Orden für Frauen errichten, über den mich Falkenstein mehrfach zu Rate zog. Er soll Sidonienorden nach der Stamm-Mutter des Hauses mit einem Anklang an die vestorbene Tochter des Königs, Sidonia, genannt werden und Frau Simon
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wird wohl die Erste mit sein, da sie sehr große Verdienste im Felde sich erworben, u. a. Erhard jetzt mit Sege versorgt hat. Gestern bekam ich wieder die Aufforderung, über einen Ministerkandidaten für Weimar ein Porträt zu liefern. Da ich den Mann, Amtshauptmann Graf Münster in Plauen, nicht kenne, fragte ich Minister Nostitz sub sigillo über ihn und lieferte nach seinen Angaben die beiliegende Charakterschilderung. Er gab mir bei dieser Gelegenheit den neuesten Bericht Friesens aus Versailles. Hiernach und nach Falkensteins früheren Mitteilungen hat Bayern sich unbegreiflicher Weise mit den andern süddeutschen Staaten gar nicht verständigt. Die dortigen Minister haben die Württemberger so kühl abgefertigt, als diese sich nach München gewendet, daß die Württembergischen Minister die bayerischen nicht einmal persönlich kennengelernt, sondern sich erst jetzt in Versailles gegenseitig haben sehr steif vorstellen lassen. Weder in München noch Stuttgart hat man sich über die Bedenken der norddeutschen Verfassung Klarheit verschafft, insbesondere den Artikel 78 ins Auge gefasst. Dabei fragt man allerdings, wozu haben wir denn einen Gesandten in München? Konnte der denn nicht mündlich aufmerksam machen? Warum hat Friesen das nicht früher getan? Am 1. November hat eine Konferenz stattgefunden Friesens mit den bayerischen Ministern Bray, Lutz und dem Kriegsminister Prankl, veranlasst von Bismarck, weil die Bayern völlig bockbeinig sich gezeigt – außerdem noch sind der hessische Minister Dalwigk und der hessische Geheime Rat von Hofmann, Gesandter in Berlin, dabei gewesen. Die Bayern haben erklärt, sie könnten nach der Stimmung im Lande und des Königs nicht nachgeben. Sie erkannten an, daß eine isolierte Stellung Bayerns zwischen Österreich und dem Nordbund auf die Dauer nicht haltbar sei, zögen aber einen nach einigen Jahren bevorstehenden gezwungenen Eintritt vor. Prankl hat kein Wort gesprochen. Am 2. November Friesen Konferenz mit Bismarck und Delbrück. Baden und Württemberg wollen ohne Weiteres eintreten, Württemberg hat nur Preußen und Demokraten. Diese fürchtet es, verlangt daher Erweiterung der Bundeskompetenz auf Presse- und Vereinsrecht – gerade wie beim alten Bunde! Preußen will Bayern möglichste Konzessionen machen, besondere Post- und Telegraphenverwaltung zugestehen, aber keinen Dualismus gestatten in der Heerführung, diplomatischen Vertretung und den Präsidialbefugnissen. Dies hat Delbrück eröffnet, während Bismarck mit der Waffenstillstandsfrage ganz beschäftigt, gar keine Teilnahme gezeigt hat. Gestern ist aber eine ganz kurze Depesche Friesens gekommen, daß Bayern nachgebe und in den Bund eintrete. Der Entwurf der Abänderungen der Bundesverfassung, der Friesens Bericht beilag, enthält wesentliche Verbesserungen, die auch uns zu Gute kommen. Mehrere der wesentlichen Änderungen habe ich auch in einem kurzen Expose, das ich Falkenstein gegeben, erwähnt. November 27 Gottlob immer gute Nachrichten von unserem Erhard, der denn auch in einem eben angekommenen Brief vom 24. die Hoffnung baldiger Rückkehr mit Schmidt ausspricht. Der Geschäftsgang beim Gesamtministerium ist jetzt wirklich außer Rand und Band. Am 1. Januar 1871 tritt das Norddeutsche Strafgesetzbuch in Kraft. Es macht eine Menge wesentlicher Änderungen in unserer Landesgesetzgebung nötig, die meist Verordnungen nach § 88 der Verfassungsurkunde erheischen, also doch einige Zeit vorher bekannt gemacht werden müssen. Vorige Woche kam vom Justizministerium der erste Entwurf, mit zwei Bänden Beilagen. Diese wichtige Sache mußte nun völlig übers Knie gebrochen werden, da weder ich noch einer der Minister irgend Zeit hatte, bei der Kürze der Zeit die Fragen zu prüfen.
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Falkenstein sagte dann auch in einer Bemerkung, es sei doch eine starke Zumutung für ein konstitutionelles Gewissen, eine solche Verordnung zu unterzeichnen, ohne die Möglichkeit einer gehörigen Prüfung. Ich machte ein Expose über die Frage, wieweit die Regierung hier gehen könne, wo Verordnung genüge, wo nach § 88 der Verfassungsurkunde zu verfahren. Am Donnerstag trug ich die Sache übel und böse vor und überließ Schwarze, der die Sache bearbeitet hat, die materielle Rechtfertigung. Schneider war offenbar der Sache gar nicht mächtig. Mein Aufsatz ward approbiert und so konnte ich denn das Protokoll noch gleich am Donnerstag Abend abgehen lassen. Heute Morgen kam nun wieder eine Vorlage vom Justizministerium, ein neues Forststrafgesetz, auch geboten durch das deutsche Strafgesetz. Natürlich wieder keine Möglichkeit, die Sache zu prüfen, zumal da Friesen in Berlin ist und ihm die Sachen zugeschickt werden müssen. Über der Beratung, neuen Fassung, Schicken nach Berlin (zweimal Protokoll und Verordnung), Druck in der Gesetzsammlung, vergehen natürlich noch ein paar Wochen und da sollen die Richter am 1. Januar 1871 die Verordnungen schon anwenden! Dezember 4 Seit dem 27. keine Nachricht von Erhard. Seitdem die blutigen Schlachten vor Paris, bei denen unsere Sachsen so viel verloren haben. Ach, das Herz ist mir so schwer! Wir haben Erhard sehr oft Kisten mit Lebensmitteln pp geschickt. Das ist Alles, was wir tun können. Jetzt nun noch die Kälte, die seit einigen Tagen mit Heftigkeit eingetreten ist! War schon die Sitzung am 24. vorigen Monats ein trauriges Zeichen der Ignoranz Schneiders, so überstieg die letzte Sitzung am Mittwoch 30. vorigen Monats alles mir Vorgekommene. Es lag ein gedruckter Entwurf einer Verordnung nach § 88 der Verfassungsurkunde vom Justizministerium vor über Änderungen des Forststrafgesetzes, zu dem Minister Nostitz einige Bemerkungen gemacht, die ich Schneider geschickt hatte. Ich hatte auch einige Bedenken. Als ich nun die Sache vortrug, wußte Schneider gar nichts und entschuldigte sich – incoldibile dictu – damit, er habe die Sache nicht gelesen, Schwarze habe sie drucken lassen. Er konnte meine Bedenken gar nicht erledigen und so blieb nichts übrig, als, da ich auch nicht meiner Sache ganz sicher war und also nicht Beschlüsse des Gesamtministeriums wünschte, die Sache dem Justizministerium zur nochmaligen Erwägung zu stellen. Eine Sache, die so eilig ist!! Dezember 6 Gottlob eine Karte von Erhard vom Abend des 2.12. nach der Schlacht, aus Champs, meldet, daß er unverletzt geblieben. Ein Zentner mir vom Herzen. Dezember 16 Wir leben sehr still, ich besonders fühle gar kein Bedürfnis nach Geselligkeit, Alter und die drückende Last der Sorge wegen des endlosen Krieges machen mich unempfindlich für Alles, was Andere Vergnügungen nennen. Neulich waren wir bei Jordans, Abends. Ich spielte etwas mit den Mädchen, das Souper war aber so kärglich, daß Oda und Sophie es zu Hause nachholten. Von Erhard erhalten wir fleißig Briefe, die aber seine gedrückte Stimmung, den Kummer über den Verlust so vieler seiner Freunde, die am 2. Dezember geblieben oder verwundet sind, aussprechen. Von 12 seiner Freunde und Universitätsfreunden ist er der einzige Gesunde! Am 14. des Monats ist auch der alte Ludwig Pilgrim im 91. Jahre gestorben, der letzte aus dem Kreise in der Lößnitz, in dem ich meine Sophie fand und so viele frohe Stunden verlebt habe. Bin ich doch seitdem auch recht Lebenssatt und matt geworden! Dezember 24 Heiliger Abend! Aber wie wenig ist man geneigt zu einem frohen Fest, während man täglich wieder der Nachricht der blutigsten Schlachten entgegensieht und gar
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keine Aussicht zur Beendigung des schrecklichen Krieges hat. Dazu eine ganz abnorme Kälte. Was müssen unsere armen Truppen zu leiden haben und unser armer Junge. Er schreibt zwar, wohl nur zu unserer Beruhigung, daß es ihm gut gehe – aber? Da die Post jetzt keine Pakete mehr annimmt, haben wir ihm durch Vermittlung der Geheimen Rätin von Ehrenstein Einiges an deren Sohn, den Rittmeister und Adjutant des Prinz Georg, adressiert, geschickt, was gerade in diesen Tagen an ihn wird gelangen können. Vorgestern ward ich früh zum König um 8 ½ zum Tee gebeten. Es war Alles wie vorm Jahre am 10. Dezember. Die Gesellschaft bestand aus Minister Schneider mit Frau, Schimpfs, der Hofdame Könneritz und einem Kammerherrn, der sich mir vorstellte, dessen Namen ich nicht verstand, der sich aber später als ein Naundorf entpuppte. Die Schneider sah, in ein fürchterlich enges hellblaues Kleid eingeschnürt, mit einem Halsband von Granaten, wie es Dienstmädchen tragen, aus wie ein gebratener Regenschirm. Ich suchte die sonst bocksteife Gesellschaft ohne die mindeste Rücksicht auf Hofetikette etwas zu beleben, erzählte Anekdoten tout bien que mal und erheiterte auch den König, der auch allerhand Geschichten aus seinem Leben erzählte. Unter anderem hat ihn einmal bei einer feierlichen Begrüßung der Redner „Allerverliebtester König“, ein Anderer „Allerverkehrtester König und Herr“ angeredet. Nach dem mit einigem Backwerk, glücklicherweise aber auch mit einer Rumflasche begleiteten Tee ward gegen 10 ein kleines Souper serviert, Bouillon, eine Schüssel Geflügel mit Spargel, eine süße Speise und Kompott. Dazu ein Glas Bier und Wein in sehr kleinen Fläschchen. Halb 11 war es alle und ich fand glücklicher Weise noch eine Droschke. Anton hat vorgestern das Komturkreuz des Verdienstordens erhalten. Dezember 26 Am Heiligen Abend bei Antons mit Berlepschs, auch Dietrich und der Forstmann. Natürlich gedrückte Stimmung bei allen, Berlepschens Erinnerung an die Gräber bei Metz und unsere nach Paris gerichtet. Eine sehr erschütternde Unglücksbotschaft brachte mir der Amtshauptmann von Ehrenstein, der Sohn meines alten Freundes. Völlig vernichtet erzählte er mir, daß sein ältester Bruder sich mit einem Kapital von 10 000 (Talern), das ihm seine Mutter überlassen, durch den ehemaligen Chemnitzer Maschinenfabrikanten Hartmann induziert, sich in Spekulationen eingelassen hat. Hartmann hat ihm vertraulich – anscheinend mit Pflichtverletzung – mitgeteilt, daß die nächste Dividende der Aktiengesellschaft, welche seine Fabrik übernommen hat – man sagte schon damals, es sei eine Schwindelei – 9 Prozent betragen werde. Daraufhin kauft pp für sein ganzes Vermögen solche Aktien und geht noch Differenzgeschäfte ein. Jetzt beträgt die Dividende 6 Prozent und Ehrenstein sitzt mit einem Defizit von 25 000 in der Patsche. Er ist nun halb verrückt darüber, läuft zu einer Zahl Advokaten und Bankiers, will Hartmann criminaliter belangen pp. Der Bruder bat mich nun dringend, ich möge mit ihm reden, ihn von törichten Schritten abhalten, da er hofft, mit Hartmann, der die ganzen Differenzgeschäfte an sich gekauft hat, ein Abkommen zu treffen. Er glaubt nämlich nicht an einen absichtlichen Betrug desselben und wünscht natürlich, jeden Eklat zu vermeiden und wenigstens einen Teil des Vermögens seiner Mutter zu retten. Heute kam nun Wolf zu mir und nach seinen Mitteilungen muß ich allerdings annehmen, daß Hartmann ihn aufs schändlichste betrogen hat. Aber konfus ist der arme Mensch. Er teilte mir u. a. mit, daß er in vielen schlaflosen Nächten einen Plan ausgedacht habe, wie man durch Börsenspekulation an einem Tag unfehlbar 100 000 Taler gewinnen müsse. Ich machte ihm aber bemerklich, daß man auch vielfach Berechnungen gemacht, eine Bank zu sprengen – aber bloß das Geld verloren.
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Heute Abend kamen nun beide Brüder nochmals zu mir und wir besprachen die ganze Sache ausführlich. Der Amtshauptmann will morgen zu Hartmann nach Chemnitz reisen und versuchen, ob sich dieser Anstifter des ganzen Unglücks bestimmen läßt, aus Rücksicht für seinen Ruf für den Schuldner einzutreten.
1871 Januar 1 Am Heiligen Abend hat Gottes Hand unseren Erhard aus großer Gefahr gerettet. Die Pferde des Wagens sind durchgegangen, der Schloßnagel ist zerborsten, der Wagen ganz zertrümmert, er aber ist bis auf einige Konklusionen unverletzt geblieben. Amtshauptmann von Ehrenstein ist nach Chemnitz gereist und hat dort mit Hartmann verhandelt, der sich erboten, 10 000 Taler zur Deckung der Depositen, deren Betrag Wolf Ehrenstein auf 13 000 angegeben hatte. Also scheint Hartmann doch keinen direkten Betrug beabsichtigt zu haben. Allein jetzt ergibt sich, was Wolf, der nie ganz herausgeht mit der Wahrheit, verschwiegen, daß die Depositen 27 000 betragen. Die soll nun Hartmann bezahlen – viel zugemutet. Die Geheime Rätin, die Mutter, die Wolfs Verfahren nicht als Börsenspekulation betrachtet, sondern bloß als Unglück, Betrug pp, kurz die ebenso verrückt ist aus hohen Wahnsinn, wie der Amtshauptmann selbst sagte, will nun selbst nach Chemnitz reisen. Fabrice ist in diesen Tagen nach Versailles abgereist, um dort als Militärgouverneur einzutreten. Manche vermuten, daß er ganz in preußische Dienste treten und sein interimistischer Verrtreter Generalmajor von Brandenstein Kriegsminister werden würde. Fabrice soll mit dem Kronprinzen und Prinz Georg in Differenzen gekommen sein und hat sich – unbegreiflich für einen sonst so höflichen Mann – weder bei der Kronprinzessin noch Prinzessin Georg verabschiedet. Heute erzählt sich das Publikum, unser Kronrpinz habe sich dreier Sachsen, die, weil sie auf den Vorposten als Schildwache geschlafen, erschossen werden sollen, dem König von Preußen gegenüber, angenommen. Dabei sei es zu einer sehr heftigen Szene gekommen und der Kronprinz habe dem König den Degen vor die Füße geworfen. Ich glaube kein Wort davon. Wir haben heute am Tag 18 Grad Kälte, die mondhelle Nacht vielleicht noch einige Grad mehr. Wenn man bedenkt, daß Tausende unserer armen Soldaten heute ohne Feuer die Nacht im Freien liegen müssen. Das Herz bricht einem bei alle dem Elend, dessen Ende nicht abzusehen ist. Ich beginne mein 66stes Jahr recht trübe und immer kommt wieder der Wunsch nach Ruhe – unter der Erde. Früh eine Menge Besuche, Oberstleutnantin von Friesen, die uns erzählte, daß Frau von Sahr todkrank ist – Jordan, Antons, Ferdinand, Posern, Händel ein Neffe Tauchnitzens, den dieser uns auf den Hals geschickt hat, Kohlschütter. Mittags und Abends waren wir gottlob allein und ich will heute Abend Porter, den mir Gustav und Isidore geschenkt, probieren. Januar 13 Eine trostlose Zeit! Das Herz eines jeden guten Deutschen muss sich wohl freuen, wenn wir in jedem Tagesblatt neue Siege lesen – aber wer zählt die Tränen, die in Deutschland jedem blutigen Siege nachfließen. 400 000 gefangenen Franzosen, die wir in Deutschland haben, werden bald noch viele 1 000 folgen – eine große Gefahr, abgesehen
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von den Kosten und der Notwendigkeit, zu ihrer Bewachung eine Menge Soldaten hier zu behalten, die wir in Frankreich besser brauchen könnten. Gestern Abend hatten wir im Zimmer des Königs Sitzung, sehr unbequem für mich, da ich mit den Herren allen an einem ganz kleinen Tisch sitzen, kein Schreibzeug haben und nur die nötigen Bemerkungen mir mit Bleistift aufkritzeln kann. Die Beratungen sind in der Regel sehr kurz. Friesen tritt wie gewöhnlich diktatorisch auf, höchstens daß Nostitz einige Worte sagt. Zum ersten Mal war auch der Generalmajor von Brandenstein dabei, der Fabrice, seitdem dieser Generalgouverneur in Versailles geworden, als Kriegsminister in spe, wie Einige meinen, vertritt. Keine ansprechende Persönlichkeit, er soll aber gescheit sein. Er hat sich mir gegenüber auch über die gewöhnlichen sozialen Formen weggesetzt, indem er mir weder einen Besuch gemacht noch eine Karte geschickt hat – mir an sich ganz recht, da ich nun auch dem überhoben bin. Der Tod der Frau Sahrer von Sahr, die vor einigen Tagen gestorben ist, schließt auch wieder ein Haus, das ich sonst besuchte, da wöchentlich dort eine ganz angenehme Whistpartie stattfand. Sie war eine sehr kenntnisreiche Dame von vollendet aristokratischen Formen, in ihrer anmutigsten Weise. Ehrenstein war neulich auch wieder bei mir. Hartmann will in der Tat eintreten und ein Opfer von mehr denn 20 000 Talern bringen, indem er die Depositen Wolfs, die zum Teil einem Herrn von Löben gehören – wohl seinem Onkel, dem Pastor in Rüsseina? – einlösen und einen Schuldschein von 20 000 der Frau von Ehrenstein ausstellen will. Warum dies ist mir nicht recht klar, wahrscheinlich weil er eine solche Summe nicht gleich flüssig machen kann, ohne die Aufmerksamkeit seiner Kinder, die ihn scharf kontrollieren zu wünschen. Wenigstens habe ich es so verstanden. Minister Nostitz-Wallwitz weiß durch den Amtshauptmann Ehrenstein von der Sache und sprach mich neulich deshalb an. Ich konnte ihm aber natürlich keine Details erzählen, da ich versprochen hatte, die Sache zu verschweigen. Wir haben eine dauernde Kälte, wie wir sie seit Jahren nicht gehabt. Dazu Kohlennot, so daß wir seit Wochen kein Fuder voll haben bekommen können und die Kohlen wie die Armen von Hundefuhrwerksleuten in kleinen Quantitäten kaufen müssen. (Nachtrag zu 1866): Minister von Friesen erzählte mir (18. Januar 1871) zur Charakterisierung des 1866 pensionierten Minister von Behr Folgendes. Im Jahre 1850, als die Kammern aufgelöst und das Wahlgesetz vom 15. November 1848 durch die Verordnung vom 3. Juni 1850 (Gesetzsammlung S. 135) aufgehoben ward, war Behr dagegen und hatte auch Rabenhorst bestimmt, ihm sich anzuschließen. Beide baten um ihre Entlassung – blieben aber. Friesen war im Jahre 1852 gegen den Österreichischen Zollvertrag. Behr als Finanzminister auch ganz entschieden. Beide sicherten sich gegenseitig zu, zusammen zu stehen und eventuell ihre Entlassung zu nehmen. Die Krisis trat ein. Behr war damit einverstanden, daß sie Beide ein gemeinsames Entlassungsgesuch übergeben und Friesen es abfassen sollte. Friesen schickt es Behr, allein dieser schickt es ihm zurück mit der Bemerkung, er habe es sich überlegt, seine Stellung sei doch eine andere, er solle etwas unterzeichnen, was er nicht könne. Bei ihm trete also entschieden die ministerielle Verantwortlichkeit ein und das Recht auf Wartegeld, Friesen als Minister des Innern folge bloß einer Überzeugung pp. Beide erklären aber Beust, daß sie abtreten würden. Darauf läßt sie der König kommen und hält ihnen eine ziemlich ernste Anrede. Er sei sehr überrascht von ihrem Schritt, da ihm ganz
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unbekannt geblieben, daß sie gegen den Vertrag seien. Jetzt, wo nun die Sache zum Abschluß gekommen, wollten sie ihn „verlassen“. Friesen erwidert, daß er seit einem Jahr in steter Diskussion mit Beust gewesen und diesem längst bekannt gewesen, daß er seine Überzeugung nicht aufgeben, vielmehr abtreten wolle. Behr fängt an zu weinen, sagte, das Wort „verlassen“ habe ihn so ergriffen, daß er sich Bedenkzeit ausbitte. Der König verabschiedet sie und Friesen sagt beim Fortgehen: Nun haben wir unsere Entlassung. Nein, sagt Behr, ich habe mich nun gebunden, noch eine schriftliche Antwort dem König zu geben. Diese gibt er aber zum großen Ärger Beust’s, der Behr gern loswerden wollte, dahin, daß er bleibe. Friesen hat er als Grund angegeben, da nun einmal eine Maßregel, die er für verderblich für das Land halte, gegen seine Überzeugung eingeführt werde, so sei es seine Pflicht, Minister zu bleiben, um die Ausführung zu überwachen und möglichst unschädlich zu machen. Für seinen ältesten Sohn, der geistig und körperlich, wie alle Behrschen Kinder, gelähmt ist, hat er sich in Hubertusburg Unterkommen und Verpflegung, zwei Stuben, Bedienung ausbedungen. Der Mann lebt dort ganz bon, wird in einem Rollstuhl zu Tee’s und Kaffee’s gefahren pp. Friesens Entlassung erfolgte durch Resolution des Königs vom 2. Oktober 1852. (Ende des Nachtrages) Januar 18 Gestern Nachmittag kam der Amtshauptmann Ehrenstein wieder zu mir. Er hat Hartmann bestimmt, 18 000 Taler in Reußischen 5 Prozent – Papieren, die dieser für ganz sicher erklärt, zur Deckung der Kursdifferenzen ihm ohne weitere Bedingung zu übergeben. Auch hat Hartmann hier 4 000 Taler deponiert und den Advokat Schmidt beauftragt, die ganze Sache mit den Bankiers zu regeln, die er mit 50 Prozent zu befriedigen hofft. Der Frau von Ehrenstein bleiben so von ihrem ganzen Vermögen noch 27 000 Taler. Sie verlangt aber noch 3 000 Taler von Hartmann. Selbstverstanden hat dieser vorausgesetzt, daß ihm Wolf Ehrenstein nun auch alle seine Briefe zurückgebe. Der Amtshauptmann wollte nun meine Ansicht wissen, ob er nun noch von Hartmann die 3 000 Taler verlangen solle. Ich riet ihm, das seiner Mutter zu überlassen, wenn sie es tun wolle. Darüber waren wir einverstanden, daß Wolf entweder nun die Briefe Hartmanns herausgeben muß, die der Amtshauptmann dann sofort zurückschicken soll, oder daß letzterer Hartmann die 18 000 Taler zurückschickt. Heute bekomme ich nun den anliegenden Brief, nach welchem wahrscheinlich das letztere geschehen wird. Wolf Ehrenstein ist geradezu verrückt und seine Mutter dito. Mir scheint die Sache so gewesen zu sein. Hartmann entdeckt gegen seine Pflicht Wolf den Betrag der Dividende, wie sie vorläufig besprochen worden – wohl um Wolf einen Gewinn zu ermöglichen. Der geht nun wie verrückt darauf los und Hartmann benutzt die Gelegenheit, ihm einen Teil seiner eigenen Papiere zu einem durch Wolfs Nachfragen selbst hervorgerufenen hohen Kurs zu verkaufen. Nun wird aber die Dividende niedriger gesetzt. Hartmann warnt anonym Wolf, aber zu spät. Er fürchtet nun, daß es bekannt werden würde, daß er gegen seine Pflicht eine Mitteilung über die Dividende gemacht und bringt, um Wolf abzuhalten, mit einer Enthüllung herauszugehen, ein Opfer von 22 000 Taler. Am Sonntag war der Maler Andreä bei mir und erzählte mir, daß die französischen Gefangenen in den Baracken eine gräßliche Existenz hätten, keinen Stuhl, keinen Tisch, halbverfaulte Matratzen usw. Auch über den Kommandanten des Hospitals im Pontonschuppen, Oberstleutnant Günther, klagte er wegen seiner Grobheit. Er habe gefangene Gardes mobiles mit cochans angeredet und, des franzlösischen nicht mächtig, deutsch geschimpft. Unter diesen sind aber mehrere sehr reiche junge Leute aus Elsässer Fabrikantenfamilien, die Andreä
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kennt. Ich erzählte es Falkenstein, allerdings mit relata othern und dieser hat es dem König mitgeteilt, der sich nun erkundigen lassen will. Januar 27 Die Zeitungen erzählen zwar von Friedensverhandlungen, allein man wagt immer noch nicht recht an den Abschluß zu glauben. Daneben die Schilderungen der blutigen Kämpfe und schrecklichen Leiden, die unsere armen Soldaten zu überstehen haben. Dazu die unerhörte Härte dieses Winters! Heute schneit es wieder eine Elle hoch Schnee zu den Ellen, die schon liegen. Gestern Abend eine interesssante Gesellschaft bei uns, Ludwig Richter, der milde bescheidene Künstler, mit seiner Tochter, Jordans Vater und Töchter und Graf Schirren, der gerade Gegensatz von Richter, geistreich aber schroff und abschreckend. Mich geniert das nicht, wenn nur etwas dahinter ist. Falkenstein wollte gern Sitzung im Gesamtministerium haben, obwohl nichts vorlag, weil man sich ja sonst gar nicht sieht – der König aber hatte keine Lust, zumal Friesen unwohl ist und die Sitzung unterblieb daher. Januar 29 Heute sind es sechs Monate, daß unser Erhard ins Feld zog und heute kommt die verbürgte Nachricht der Kapitulation von Paris, der Vorbote des heißersehnten Friedens. Guter Gott, Dir innigen Dank. Die Nachricht verbreitete sich gestern Vormittag durch Bankiers Telegramme. Der König hat zwar durch Fabrice ein chiffriertes Telegramm, das an Brandenstein kam, erhalten, aber den Inhalt nicht einmal den Ministern mitgeteilt, wohl aber dem General Witzleben, der das Geheimnis aber seiner Frau erzählt hatte, die es weiter migeteilt hat. Weshalb seinem Volk gegenüber diese Geheimnistuerei bei einer so erwünschten Sache? Die Kaiserproklamation ist hier ganz spurlos vorübergegangen, während heute alle Straßen voll Flaggen sind, flaggte deshalb Niemand. Februar 4 Am Dienstag Diner bei der Halle, nicht besonders an Essen und Gesellschaft. Eine soidisant schöne Frau ward produziert, eine Madame Meyer mit einem sehr orientalisch aussehenden Mann, Sohn des reichen russischen Meyer, der sich an der Beuststraße angebaut hat. Solche jüdische Geldprotzen sind sehr wenig nach meinem Geschmack. Ich hielt mich den Leuten daher ganz fern. Viel angenehmer war gestern ein Diner bei Kotzebue, der uns sehr guten Wein und Starlet aus der Wolga, einen vortrefflichen Fisch, vorsetzte. Nachher spielte ich mit Kotzebue und Tschirschky noch eine Partie Whist, allein die Flasche Jesuitengarten, die ich dazu noch austrank, kam mir teuer zu stehen. Viel unangenehmes Aufsehen macht jetzt eine Wallfahrt, welche die Prinzessin Georg nach einem böhmischen Dorf Philippsdorf zu Schlitten gemacht hat. Ein Bauernmädchen Magdalena Kade hat dort eine Vision gehabt, bei welcher die Jungfrau Maria ihr Genesung von einem bösartigen Ausschlag verheißen. Dieser soll auch verschwunden sein, wenigstens ist er weg an den sichtbaren Körperstellen. Seitdem gilt das Mädchen als Wundertäterin und zahllose Menschen wandern zu einer Kapelle an dem Ort. Die Prinzessin hat sich nun auch dazu verleiten lassen – sehr klug ist sie nicht – und das wird nun in den Zeitungen ausgebeutet. Die Seifenblasen, ein Witzblatt, brachte in diesen Tagen eine Abbildung, worin ein Storch sie in das Haus einführt und machte noch andere Witze darüber. Überhaupt regt sich der Katholizismus, von der königlichen Familie unterstützt, jetzt sehr. Die verwitwete Königin Maria hat in das Stift auf der Plauenschen Straße Ordensschwestern Borronuerinnen berufen und der Erziehungsanstalt einen ganz klösterlichen Anstrich gegeben. Eine Menge französi-
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sche Priester sind durch die Kronprinzessin für die französischen Gefangenen hierher berufen, von denen einer, Schmidt, sich als Emissär entpuppt hat und daher weggewiesen worden ist. Vor einiger Zeit ist die Kronprinzessin um Mitternacht in das Barackenlager gefahren und dort ist das Abendmahl verteilt worden; warum in der Nacht sehe ich nicht ein, da man es doch am Tage nicht verwehren wird. Falkenstein sind diese Geschichten natürlich sehr fatal, er will sich eben die Finger nicht verbrennen. Der König ist weder bigott noch unduldsam, aber liebt es doch nicht, in Religionssachen mit Beschwerden angegangen zu werden. Übrigens kann man es doch der Prinzess Georg nicht verwehren, wenn sie eine Wallfahrt machen will. Klug ist es freilich nicht in einem protestantischen Lande. Februar 7 Gestern das vollständigste Tauwetter mit sintflutartigem Regen, die gefrorenen Gassen nahmen das Wasser nicht auf, man fürchtete allgemeine Überschwemmung. Abends traf ich im Altertumsverein den Direktor des Mathematischen Salons, Drechsler, der als Wetterdrechsler allwöchentlich in den Dresdner Nachrichten, meistens falsch, das Wetter vorhersagt. Ich fragte ihn: Nun Sie, die Sie Alles wissen, bekommen wir großes Wasser? Nein, sagte er, jetzt nicht, morgen haben wir Kälte. Ich schwamm in einer Droschke nach Haus und lachte über den Mann. Heute morgen war Alles gefroren, ein Schneesturm braust durch die Straßen, der Wetterdrechsler hatte doch Recht gehabt. So veränderlich wie das Wetter sind aber die politischen Nachrichten. Gestern alles voll Friedensbotschaften, heute heißt es, nein, Gambetta dringt durch, wir haben nach dem Waffenstillstand wieder Krieg. Der Philister, der nicht in der Nähe der Gefangenenbaracken wohnt, sagt, was geht mich der ganze Krempel an. Die Schweiz, in die 80 000 Franzosen übergetreten sind, mag sich sehr über diese Schweizerreisenden freuen, da sie im Winter sonst nicht viel Besuch auf dem Rigi haben, können sie sie dort in den Hotels einquartieren. Februar 16 Am Dienstag fuhr Sophie mit Geheimer Finanzrätin von Thümmel, von der Falkenstein eingeführt, tournee bei den Hofschranzen und heue Abend 8 Uhr wird sie der Königin und den Prinzessinnen vorgestellt, in einem kleinen, bloß zu Präsentationen bestimmten Zirkel. Februar 19 Wieder einer der Alten plötzlich geschieden. An Lungenentzündung starb gestern früh gegen 3 Schimpf und seine Frau an derselben Krankheit einige Stunden später. Er war ein durch und durch ehrenhafter Mann und seine frühere Schroffheit hatten die Jahre gemildert. Sit tibi terrra legis. Gestern Abend Kotzebue, Sahr und Anton bei uns zu einer Whistpartie, heute Abend ich bei Jordan, Sophie bei der Halle und Oda gibt eine Mädchengesellschaft. Sie hat den 16., für den sie ihren Tod ahnete, glücklich überstanden. Februar 21 Gestern 1 Uhr Präsentation Sophies bei der verwitweten Königin. Etikette verlangt Handkuss, worauf die Königin die Dame auf die Stirn küssen soll, sich aber mit einem Hauch darauf begnügt. Gestern Abend Welck aus Mückenberg mit Frau bei uns. Er erzählte viel über die Schwierigkeiten seiner Verwaltung der ausgedehnten Einsiedelschen Werke, die er seit acht Jahren führt. Sahr und seine Frau kamen eben nicht gut weg – Habsucht und Eigennutz überall. Behr, der ehemalige Justizminister, ist auch gestorben. Er war Dompropst in Meißen und es wird also eine Domherrenstelle vakant. Ich bemerkte Falkenstein, daß dies etwas für mich sei und fragte, ob er nicht Minister Nostitz-Wallwitz, der im Domkapitel ist, darauf aufmerksam machen wolle. Er hatte aber keine Neigung dazu und ich will nun Nostitz ein paar Zeilen
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schreiben, da Sophie es sehr wünscht. Mir sind solche Petita, wo es sich um Geld oder sonst meine Interessen handelt, höchst peinlich, während die Meisten nicht so schüchtern sind. Februar 22 Heute früh Eisgang, ohne die besorgte große Wasserflut. Behr hat über 90 000 Taler außer seinem Haus hinterlassen und er läßt seine Kinder, oder wenigstens den ältesten Sohn, in Hubertusburg verpflegen!, was er sich früher stipuliert hat. Spiegel erzählte mir neulich auch eine nette Geschichte. Bei der Sächsischen Rentenversicherungsanstalt, die besonders für Unbemittelte gegründet ist, vertritt ein Ausschuss die Gesellschaft, der unentgeltlich arbeitet. Dieser hat sich jetzt Tantiemen zugesprochen, die 2 800 Taler jährlich ausmachen, ganz gegen die Statuten, dabei ist Geheimer Rat von Weißenbach, Regierungsrat Sperber pp. Spiegel hat nun gegen diesen groben Mißbrauch beim Ministerium des Innern Beschwerde geführt. Könneritz, Kreisdirektor, den er erst angegangen, hat zwar seine hohe Mißbilligung ausgesprochen, aber nicht beißen wollen. Falkenstein hat in das Sonntagsgebet jetzt den deutschen Kaiser mit aufnehmen wollen, aber der König hat es nicht zugegeben, weil sich gegen früher ja gar nichts geändert habe. Zu den Friedensverhandlungen in Paris hat Bismarck den bayerischen und württembergischen Minister kommen lassen, aber Friesen hat keine Aufforderung erhalten, was aber der König ganz leichthin aufgenommen hat, während er sonst ziemlich empfindlich gegen preußische Vernachlässigungen ist. Vom Kriegsminister von Fabrice, der jetzt in Versailles Generalgouverneur ist, meint man, daß er wohl ganz in preußische Dienste gehen werde. Hier ist er nicht beliebt, weil er, obwohl ganz höflich, wenn er will, sehr launig ist. Als Rittmeister hatte er wegen seiner Hitze mit seiner Schwadron die größten Differenzen gehabt und ist bei ihr unmöglich geworden. Mit dem Kronprinzen ist er – wie alle Kriegsminister – sehr gespannt, da er ihm Eigenmächtigkeit vorwirft. Als er hier fortging, hat er weder die Kronprinzessin noch Prinzessin Georg einen Abschiedsbesuch gemacht, soll auch in Versailles den Kronprinz erst nach 14 Tagen begrüßt haben. März 2 Gestern um 11 kam der Kommissionsrat Hartmann, Redakteur des Dresdener Journals, mit der Friedensdepesche ins Gesamtministerium. Am 2ten hat die Nationalverasammlung dem Frieden mit 546 gegen 107 Stimmen genehmigt. Gott Dir sei Dank!! Um 12 kamen Sophie und Oda, um die eroberten Kanonen und Mitraileusen zu sehen, die im Militärzug in den Zwinger gebracht wurden. Zahllose Menschen, darunter auch viele gefangene Franzosen. Zahllose Flaggen. Wir fuhren dann auf den Alaunplatz, um das Barackenlager zu sehen, das nur durch eine ganz leichte Planke abgesperrt ist, die eine Hand losreißen kann, schöne Verwahrung von etwa 10 bis 15 000 Gefangenen! Sie schoben Kegel, wuschen, sonnten sich, warfen mit Steinen nach einem Ziel, plumpsackten pp. Am Mittwoch früh Einladung zum Diner beim König in Uniform, viele Beamte. Ich sprach mit Graf Vitzthum wegen des Bildes, das die Königsmark mit ihren Schwestern darstellt und früher in Moritzburg, wohin es ganz eigentlich gehört, war, aber vom Hofsekretär Müller weggeschafft worden ist, „weil man jene Zeit in Vergessenheit bringen müsse“. Das ist aber dem jetzt verstorbenen Hofsekretär nicht gelungen und das Bild soll wieder nach Moritzburg. Minister Behr hat außer seinem Hause über 90 000 Taler hinterlassen und auch die Propststelle in Meißen gehabt. Auf Sophiens Andringen schrieb ich Minister Nostitz-Wallwitz, ob er mich bei der Vergabe mit in Vorschlag bringen wolle, was er auch zusagte. Sophie, welche seit ihrer Vorstellung bei Hof das Prädikat Erlaucht von uns erhielt, ging diese Woche
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allein auf einen Rout bei Kotzebue, wo denn sie nach ⅓ Stunde wieder da war. Mich hatte sie glücklicher Weise dispensiert. Er hat denn auch am Montag ein Diner gegeben, wozu er u. a. die Lemaistre ohne ihren Mann eingeladen hat, weil er diesen schon früher zu einem Herrendiner gebeten. Mir sagte er früher von diesem Diner, zu dem er uns mit der Halle einladen wollte, aber er hat es sich dann geschenkt. Gestern Abend Soiree bei Professor Hübner, wo wir die Photographien der 7 Raben ansahen, sonst ziemlich ledern. März 5 Gestern Abend großer Aufzug der Polytechniker und Akademiker, Barbarossa im Kostüm. Ich nahm die Meinigen, Jordans Mädchen und die Halle mit ins Gesamtministerium, da der Zug in den Schloßhof einzog, ein paar 100 Fackeln, Gesang, eine Rede, Musik pp. Heute Vormittag Festgesang auf dem Markt, Germania aus Leinewand und Gips aufgestellt. Jetzt sitze ich ganz allein im Haus, da alle ausgezogen sind, die Illumination anzusehen. Ich ging nur einen Augenblick ins Archiv, das auch illuminiert werden mußte. Sehr brillante Illumination, furchtbares Gedränge – nichts für mich Alten! März 9 Angekündigt durch ein gestriges Telegramm kam unser Erhard heute um 6 Uhr Nachmittag gesund wieder bei uns an. Er ist sogar gewachsen und viel stärker geworden. Bei vier Flaschen Rheinwein ward denn seine Rückkehr gefeiert, bis um Mitternacht erzählt. Morgen Bußtag geht Gustav auf einige Tage nach Leipzig. Die Rede, welche der König (Dresdner Journal vom 7.3.) an die hiesige Stadtratsdeputation bei der Friedensfeier am 5. gehalten, hat Mißvergnügen erregt, weil man Sympathien für Deutschlands Einigung darin vermißt. Ich sprach deshalb mit Falkenstein, da, wenn etwa Adressen an den König eingehen, man in der Antwort etwas mehr Wärme ausdrücken kann. Er meinte aber, er glaube nicht, daß solche Adressen eingegangen sind. Unberufen wollte ich nicht deshalb noch mit Friesen sprechen, der jedenfalls mehr Eifer zeigen würde. Ebenso lethargisch ist Falkenstein dem Geheimen Hofrat Gersdorf gegenüber, der bei der Herausgabe des Codex diplomaticus Saxoniae seine Faulheit orbitant beweist, jährlich 800 Taler bezieht und nichts macht. Posern hat ein ausführliches Expose deshalb gemacht, das ich lebhaft bevorwortete, allein Falkenstein verspricht bloß, einzugreifen und – tut nichts. März 22 Montag Nachmittag kam unerwartet unser Erhard, der gestern seine Entlassung zu Ende dieses Monats erlangt hat. Er las uns aus seinem Tagebuch manches Interessante vor. Heute um 12 war ich bei Prinz Georg, um ihn zu begrüßen, da er heute wieder abreist. Er war sehr freundlich gegen „seinen alten Weber“, wie er mich nannte, und sagte, Erhard habe sich gut gemacht. Des Prinzen Georg Empfang am Sonntag Mittag war etwas lau, nicht viel Menschen auf dem Platz, wenig Flaggen, da man ihm die Wallfahrt der Prinzessin nachträgt (!) Er will diese und die zwei ältesten Kinder nach Laon nachkommen lassen, was man bei den ungeordneten Zuständen in Frankreich sehr unklug findet. Der König meinte, der Hofmarschall Tschirschki sagt gar nichts mehr. März 28 Erhard kam gestern nur auf diesen Tag, um endlich seine Entlassung, die wieder zweifelhaft ward, da er in Leipzig beim Hospital verwendet werden sollte, zu erhalten. Falkenstein teilte mir heute mit, daß es vereinten Bemühungen gelungen ist, die Reise der Prinzessin Georg mit den ältesten Kindern nach Frankreich zum Prinzen zu hintertreiben. (Randbemerkung: Sie ist aber doch gereist! 4.4.71) Heute Abend kommt Wickede zu uns, der uns Wahrheit und Dichtung aus seinem Kriegsleben erzählen wird. Kotzebue, den ich auch
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eingeladen, ist leider verhindert. Wickede sagte mir, als ich ihn gestern sprach, er habe als Korrespondent der Kölner Zeitung monatlich 600 Taler erhalten. April 9 Ostersonntag. Statt das ich die Feiertage freie Zeit gehabt hätte, kamen große Sachen, z. B. die neue Kirchenverfassung ein, so daß ich viel zu tun habe. Vor einigen Tagen kam der Freiherr von Liliencron aus München ins Archiv und forderte mich und die Archivare Falke und von Posern auf, an einer allgemeinen deutschen Biographie, welche die Bayerische Akademie der Wissenschaften unter Liliencrons Redaktion herausgeben will, mitzuarbeiten.162 Vielleicht übernehme ich einige Artikel über Personen, deren Biographien ich geschrieben habe. Das Honorar 20 Taler pro Bogen ist aber nach dem großen Format wenig lockend. April 11 Heute ist das Archiv noch gschlossen und es ist der erste freie Tag, den ich während der Feiertage habe. Am Karfreitag ging ein Kommunikat des Kultusministeriums ein über die Errichtung eines Oberkonsistoriums, das mir viele Bedenken bot. Am Sonnabend eine große Beschwerde der Schönburger, die der König zum Vortrag ans Gesamtministerium abgegeben, die mich bis gestern Mittag beschäftigte.163 Abends war Sitzung im Gesamtministerium. Schneider erzählte, daß bei der Untersuchung gegen Bebel pp ein Brief Liebknechts (Sozialdemokraten) gefunden worden, aber nicht aus der letzten Zeit, in dem er geschrieben, daß die Gelder aus Hitzing und von Beust nicht ausreichten. Also hat dieser, um Preußen und Sachsen (?) zu malestieren, die Sozialdemokraten mit Geld unterstützt (!) April 24 Gustav hat eine unverdiente Kränkung erfahren, indem der Minister Schneider drei Hilfsarbeiter bei den Appellationsgerichten, von denen Einer, Just, zwei Jahre jünger im Dienst und keineswegs befähigter als Gustav ist, den Titel Gerichtsrat erteilt hat. Da wollen wir uns denn doch etwas regen, damit der Herr Schneider nicht glaubt, man brauche sich alles gefallen zu lassen. 162 1875 erschien der erste Band der Allgemeinen Deutschen Biographie, gedruckt in Leipzig, herausgegeben im Auftrag der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften von dem Münchener Historiker Liliencron. In den ersten Bänden konnten keine Beiträge aus der Feder Karl von Webers ermittelt werden. 163 Mit dem Haupt- und Nebenrezeß vom 4. Mai 1740 zwischen dem Kurfürstentum Sachsen und den Herren von Schönburg waren die Schönburgischen Herrschaften unter Beibehaltung bestimmter Sonderrechte in das Kurfürstentum Sachsen eingegliedert worden. Die mit der Verfassung vom 4. September 1831 eingeleitete Staatsreform führte zum Erläuterungsrezeß vom 9. Oktober 1835 und damit zu einer weiteren Integration der Schönburgischen Herrschaften. In einem zähen Ringen der Fürsten und Grafen von Schönburg um das Weiterbestehen ihrer Sonderrechte verloren sie diese im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts immer mehr, bis sie mit der Übereinkunft vom 9. Oktober 1878 ihre letzten Gerichtsund Verwaltungsbefugnisse an das Königreich Sachsen abtraten. Bis dahin bedurfte die Einführung wichtiger sächsischer Gesetze im Gebiet der Schönburgischen Rezeßherrschaften der Zustimmung des Hauses Schönburg. Das betraf auch die Verwaltungsreform von 1873, für deren Einführung in den Rezeßherrschaften nach längerer Auseinandersettzung am 15. Oktober 1874 eine königlich sächsische Verwaltungskommission eingesetzt wurde. Die Beschwerde der Schönburger von 1871 steht im Zusammenhang mit der Vorbereitung dieser Verwaltungsreform. Siehe Michael Wetzel: Schönburgische Herrschaften. Beiheft Karte C III 6 des Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen. Leipzig, Dresden 2007. – Ders.: Zwischen Standeserhöhung und politischem Niedergang. Herrschaft und Territorium der Schönburger im 18. und 19. Jahrhundert. In: Die Grafen und Fürsten von Schönburg im Muldental. Olbersdorf 2013, S. 13–28. – Sächs. HStA: Gesamtministerium Nr. 0528, Angelegenheiten der Fürsten, Grafen und Herren von Schönburg und der Grafen zu Solms-Wildenfels. Band 3.
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Am Freitag trug ich bei den evangelischen Ministern die höchst wichtige Sache wegen der Organisation der Kirchenbehörde – Oberkonsistorium vor. Friesen ist in Berlin, ich sprach vor seiner Abreise mit ihm. Er hatte die Sache nur flüchtig gelesen, keine Bemerkungen beigefügt. Beim Vortrag sprach Schneider, obwohl er sehr kirchlich ist, kein Wort. Er hatte nur eine kleine redaktionelle Bemerkung gemacht. Nostitz war im Ganzen für den Plan, den Falkenstein schon mit ihm besprochen hatte, also fiel ich mit meinen Bedenken durch.164 April 27 Gestern kam Nostitz zu mir und erzählte mir, daß Friesen ihm geschrieben, er habe Bemerkungen zu dem Oberkonsistorialentwurf gemacht, werde aber um Enthebung von dem Auftrag in Evangelicis bitten – weil er offenbar sehr verletzt ist und die Sache in seiner Abwesenheit zur Beratung gekommen und so verspätet an die evangelischen Minister gebracht worden. Den 9. Mai soll die Synode zusammentreten und nun soll die wichtige Sache übers Knie gebrochen werden, denn der Plan muß nun umgearbeitet, dann nochmals den evangelischen Ministern, dem König, Friesen, dessen Bemerkungen doch noch beraten werden müssen, vorgelegt werden. Nostitz erzählte auch, Falkenstein habe ihm vorgelogen, er habe mit dem Landesältesten der Oberlausitz wegen der Sache gesprochen, der versichert, die Einführung werde dort keine Schwierigkeiten haben. Gestern kommt der Landesälteste zu Nostitz und sagt ihm, daß ihm Falkenstein gar nichts gesagt hat. Wozu nun solche Unwahrheiten, die Falkenstein allen Kredit nehmen. April 30 Friesen hat seinen Groll nur in dem Brief an Nostitz ausgesprochen, aber trotzdem, daß ihm das Protokoll über die Beratung der Kirchenbehörden übersendet worden ist, keine Bemerkungen eingeschickt. Er will sich also ganz heraushalten. – Nein, er hat beim König um seine Entlassung als evangelischer Minister gebeten, wesentlich wegen Unwohlseins. Der König hat ihn gebeten, das Gesuch zurückzunehmen, aber nach Besprechung mit Falkenstein im Übrigen ziemlich kurz geschrieben, wenn seine Gesundheit der Grund sei, müsse er allerdings sein Gesuch genehmigen. Gesundheit?, wenn alle drei Monate eine Sitzung war? Gleichzeitig bekommt Falkenstein ein an ihn von Friesens Hand adressiertes Paket mit Bemerkungen ohne den Entwurf, dabei aber einen an Nostitz gerichteten Brief, der wenig Schmeichelhaftes über Falkenstein enthält, den dieser angeblich nur halb gelesen, als er den Irrtum wahrgenommen. War das Absicht oder Versehen ? Mai 4 Am Dienstag wurden von 1–4 Uhr Friesens Bemerkungen zu der Oberkonsistorialvorlage beraten und in sehr vielen Punkten der Entwurf danach geändert. Ich setzte mich gleich nach dem Essen wieder an den Schreibtisch und arbeitete bis zur völligen Erschöpfung das Protokoll (4 Bogen) aus, so daß ich es um 9 Uhr zu Falkenstein schicken konnte. Der König hat Friesen veranlaßt, hierher zu kommen und gestern Nachmittag kam dieser zu mir. Er blieb beinahe zwei Stunden und wir besprachen die ganze Angelegenheit. Er ist sehr gegen Falkenstein, den er für ganz unzuverlässig und schwankend erklärte, er sage zu allem 164 Mit den Kirchengesetzen vom 15. und 16. April 1873 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen 1873) trat eine neue Kirchenorganisation ins Leben, womit der bis nach 1920 andauernde Prozeß der Trennung von Staat und Kirche einsetzte. Das evangelisch-lutherische Landeskonsistorium übernahm ab 15. Oktober 1874 die Aufgaben des Kultusministeriums auf dem Gebiet des Kirchenregiments. Bereits seit 1868 war eine neue Kirchenvorstands- und Synodalordnung in Kraft. Danach wurde in jeder Kirchgemeinde ein Kirchenvorstand gewählt. Den Kirchgemeindevorständen übergeordnet waren die Kircheninspektionen auf städtischer oder amtshauptmannschaftlicher Ebene. Die Gesamtheit der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinden wurde durch die Landessynode vertreten.
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Ja, mache aber nichts, man könne sich also gar nicht auf ihn verlassen. Er meinte, Hübel wolle Präsident des Oberkonsistoriums werden, Falkenstein aber auch. Heute wird wohl die Vorlage nochmals beraten und endlich bestimmt fertiggestellt werden. Juni 22 Am 20. Mai mit Sophie und Oda nach Marienbad abgereist. Sophie leider viel Schmerzen. Nacht in Elster – Wettiner Hof sehr gut. Bei Regen am Abend Bad besehen, bei Regen über Eger nach Marienbad am 21. Ich habe noch bis Ende nächster Woche Urlaub, den ich sehr brauche, da ich noch sehr angegriffen und völlig arbeitsunfähig bin, während man im Gesamtministerium leider Alles zurückgelegt hat. Falkenstein sagte, daß er den König um seine Entlassung gebeten, da jetzt nach dem glücklichen Ausgang der Synode der beste Zeitpunkt für ihn sei. Recht hat er. Als Nachfolger Uhde oder Professor von Gerber, ich für letzteren mich ausgesprochen. Über die Vorschläge des Ministers Nostitz wegen der Veränderung der Verwaltungsorganisation, die ich nur flüchtig gelesen, langes Gespräch mit Könneritz, dessen Frau und Tochter die letzten Tage in Marienbad waren, ich hatte Quartier für sie bestellt. Er hatte mancherlei Bedenken, die er mir aber bloß mündlich mitteilen wollte, schriftliche Notizen könne er nicht hinter dem Rücken des Ministers mir geben, auch nicht einmal seine Bleistiftbemerkungen ad marginam der Vorlage zeigen. Sehr vorsichtig! Juli 7 Am Dienstag hatte ich Sitzung im Gesamtministerium, aber ohne den König, in welchem mehrere Budgetsachen und die schwierige Frage vorkam, ob man den Beschluß des Stadtrates, einige Plätze nach dem Kaiser Wilhelm, Moltke und unsere beiden Prinzen, die Prager Straße „Bismarckstraße“ zu nennen genehmigen sollte. Letzteres fand den größten Anstoß, da es die Hauptstraße nach Böhmen betreffe. Abschlagen wollte man es aber auch nicht und so soll Nostitz mit Pfotenhauer verhandeln. Abeken junior, schon seit einiger Zeit gestörten Geistes, hat sich in einer Wasserheilanstalt bei Turnau gehängt. Heute ist er hier begraben worden. Gestern fand ich, als ich Abends aus Dresden kam, seinen Bruder bei mir, der wegen einer Vorlage des Justizministeriums wegen unentgeltlicher Aufhebung des Lehnsnexus zwischen Lehnherren und Vasallen mit mir reden wollte, gegen die ich bin, wenn man nicht zugleich die Lehnsfolge ordnete. Er diskutierte sehr lebhaft und ich munderte ihn auf, das nun auch zu tun, wenn ich die Sache vortrage. Das geschah dann heute. Ich obtinierte völlig. Die Sache ward beigelegt und – Abeken tat den Mund nicht auf, da Schneider klein beigab. Dann kam die Organisationsfrage vor, gegen die ich, da kein Minister, auch der König nicht, nur eine Bemerkung gemacht hatte, ein Expose mit meinen Bedenken aufgesetzt hatte. Hier blieb ich aber in den Hauptpunkten, namentlich daß die Polizeistrafgerichtsbarkeit an die Gerichte gewiesen werden soll, sitzen. Falkenstein war zwar dagegen, vertrat aber seine Meinung gar nicht, bezog sich nur auf ein Gutachten, das er 1862 drucken lassen. Friesen sprach am Dienstag lange mit mir wegen Falkenstein, den ich bestimmen möchte, da er einmal abgehen will, es bald zu tun, damit der neue Minister das Schulgesetz in seinem Sinn vorbereiten kann. Ich glaube aber, er wird zögern so lange als möglich, bis es ihm der König sagt, den Friesen deshalb angehen will, wenn es nicht bald geschieht. Heute waren beide Prinzen zuerst wieder in der Sitzung. Sie sahen mich aber im Vorbeigehen nicht einmal an, sagten nicht einmal Guten Tag. Am Schluß der Sitzung, als ich hinausging, sagte der König: Sie haben sich ja einen großen Schnurbart wachsen lassen, worauf
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ich mit der Abschiedsverbeugung sagte, ja, es ist die einzige Girlande, die ich an mir zur Festfeier anbringen konnte. Mit dieser geistreichen Antwort verschwand ich durch die Tür. Juli 8 Früh beim Minister Nostitz im Gesamtministerium und teilte mir mit, daß ich Domherr in Meißen geworden. Er bat mich dann, wie schon am Dienstag Friesen, Falkenstein zu bestimmen, nun bald den Abschied zu nehmen, was durchaus nötig, damit der neue Minister noch sich mit dem Schulgesetz vor dem Landtag beschäftigen kann. Falkenstein, zu dem ich wie gewöhnlich um 12 zur Parole, d. h. zum Parlieren über gleichgültiges Zeug ging, kam selbst auf sein Abgehen zurück und ich sagte ihm dann ganz unumwunden, daß, nachdem er einmal dem König seine Absicht erklärt, er sie auch jetzt ausführen müsse, nicht bis kurz vor dem Landtag warten könne. Er hatte keine Lust, sagte, der König habe ja seine Entlassung noch nicht bewilligt, sich Überlegung vorbehalten, es sei ein schwerer Entschluß pp. Endlich aber erklärte er, ja, er wolle ein Schreiben deshalb an den König richten und während des Urlaubes, den er bald antreten wolle, die Geschäfte noch fortführen, d. h. noch einen Monat Gehalt beziehen, ohne etwas zu tun. Er hat aber zwei Wünsche, das Hausministerium und eine Art Konkurrenz bei der Universität als „Kurator“. Das Hausministerium will Nostitz gern los sein, aber der König will Falkenstein nicht. Eine Kuratel bei der Universität würde aber den Regierungsbevollmächtigten – jetzt der Kreisdirektor Burgsdorf – beseitigen, der freiwillig die Renumeration nicht aufgeben würde. Ich glaube daher nicht, daß einer der Wünsche sich realisieren lassen wird. Juli 11 Gestern Morgen Verhandlungen mit Friesen und Nostitz, um Falkensteins Wünsche zu erfüllen, der das Hausministerium und eine Funktion wünscht, die ihn noch in lebendigem Verkehr mit der Universittät erhält. Ich schlug vor, ihm ein Kuratorium zu verleihen, das ihn aber nicht ermächtigte, sich viel in die Sachen zu mengen. Schwierigkeit bietet nur Burgsdorf, dem man die Gratifikation, die er als Regierungsbevollmächtigter hat, nicht nehmen kann. Das Hausministerium will Nostitz gern los sein, aber der König will es Falkenstein nicht geben, der auch die Hofbeamten gegen sich hat. Gegen das Kuratorium hatten Friesen und Nostitz nichts, wenn es sich machen läßt als Glocke ohne Klöppel und ich erhielt den Auftrag, da ich die Verhältnisse, die hier einschlagen, selbst nicht genau kenne, Falkenstein aufzufordern, daß er mir seine Ideen mitteile, die ich dann als meinen Vorschlag, da er natürlich selbst nicht als Antragsteller auftreten will, proklamieren und die Sache Nostitz vorlegen soll. Wenn ich bloß meinen Vorteil bei der Sache berücksichtigen wollte, so müßte ich natürlich Falkenstein abraten, abzugehen, denn kein anderer Minister wird je mir soviel Vertrauen schenken, so gefällig und liebenswürdig in allen Geschäftssachen gegen mich sein, als er. Aber er kann seinem Amt nicht mehr vorstehen, er wird täglich unschlüssiger und unzuverlässiger, wechselt stets seine Ansichten, hat alle Energie, von der er nie viel Bestand hatte, verloren. Jetzt nach der Synode, die er mit Glück – Friesen behauptet zwar mit sehr viel Glück und ebensoviel Ungeschick – erledigte, ist der beste Zeitpunkt. Er müßte sonst den nächsten Landtag noch mitmachen, denn man kann dem neuen Kultusminister nicht zumuten, unmittelbar vor dem Landtag einzutreten und das Schulgesetz, das vorgelegt werden muß, ohne es nach seinen Ideen bearbeitet zu haben, zu vertreten. Das waren meine letztlich das allgemeine Beste und Falkensteins Ehre berücksichtigenden Motiven, wenn ich auch ihm gegenüber mich völlig offen und ehrlich dafür aussprach, daß er, nachdem er einmal dem König erklärt, daß er den Abschied nehmen wolle, auch dies jetzt gleich tue. Es scheint
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aber, daß er es doch übel genommen und erwartet hat, ich werde seinem Rücktritt widerraten. Nun, ich habe wie früher in ähnlichen Fällen nur das getan, was ich für meine Pflicht halte. Meine Stellung wird aber, wenn Friesen Vorsitzender im Gesamtministerium wird, nicht angenehmer und es ist möglich, daß ich die Sache bald aufgebe, da ich jetzt zum Domherren in Meißen ernannt worden und dadurch 300 Taler mehr erhalte, also die 500 Taler vom Gesamtministerium, die allerdings nur ein Defizit decken, eher entbehren kann. Geld ist ja überhaupt Dreck und habgierig bin ich nie gewesen. Ich hatte auch nur auf Sophiens Andringen wegen der Domherren-Stelle an Nostitz-Wallwitz, der im Domkapitel ist, geschrieben. Gestern war Abends ein großes Fest bei Fabrice zu Ehren der rückkehrenden Soldaten. 1 000 Menschen, Illumination des Gartens, Trompeter in demselben, oben Tanzmusik. Ich befand mich in dem Trubel schauderhaft, zog mich in den Garten zurück. Alle die Larven, die da vor einem herumlaufen, lauter nur gleichgültige Gesichter. Die Offiziere kann ich nicht unterscheiden, erkenne die früheren Bekannten nicht, verwechsle die Personen, ich bin zu dollig und kurzsichtig geworden. Oda hat, wie ich wahrsagte, keinen Tänzer gefunden, obwohl sie ganz gut aussah. Heute ist nun Alles nach der Stadt, um den Einzug der Truppen mit anzusehen, ganz allein und einsam sitze ich in meinem Stübchen, im verschlossenen und versiegelten Haus. Ich kann den Trubel, das Menschengewühl nicht mehr vertragen und feiere den Siegeseinzug daher hier zu Hause, höre bloß das Gezwitscher der kleinen Rotschwänzchen, die noch im Nest vor Odas Fenster piepen, das daher zur großen Belästigung nicht geöffnet werden kann. Mittags sollen wir bei Gustavs – erstes Diner bei ihm, essen. Juli 18 Gestern Abend kamen Falkensteins zu uns, er bloß in der Absicht, mir sein Abschiedsgesuch an den König vorzulesen. Er hat darin u. a. den glücklichen Erfolg der Synode mit hervorgehoben, während Friesen behauptete, Falkenstein habe sich entsetzliche Blößen gegeben, da er nie gewußt, was er eigentlich wolle. Diese Unsicherheit habe auch bei der Synode große Mißstimmung gegen ihn verursacht. Die Sache ist aber doch glatt abgegangen.165 Erhard kam vorgestern hierher, um ein großes Militärarztsouper mitzumachen, das aber sehr ledern gewesen ist. Die Herren haben sich aber gegenseitig sehr viel Komplimente bei den Toasten gesagt, nur die Leipziger Professoren baudieren, da sie nicht begreifen, daß sie jetzt nicht mehr die Rolle spielen wie im Felde. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Professor Schmidt hat, obwohl er mehrmals hier war, uns sonderbarer Weise nicht aufgesucht. Nun, wir können ihn auch missen. Juli 30 Am Donnerstag reiste Falkenstein ab und Freitag früh schickte ich denn seinen Abgang meldenden Artikel an das Dresdner Journal und die Leipziger Zeitung sowie das Protokoll an die Ministerien. Nun ist also die Sache endlich fertig. Man hat im Publikum es nicht geahnet und macht daher allerhand Glossen, während die Sache doch ganz einfach die ist, daß Falkenstein fühlt, daß er alt ist, daß ihm dies Friesen sehr deutlich bemerkbar 165 Die erste Landessynode trat 1871 zusammen. Sie bestand aus 77 Personen, von denen 34 dem geistlichen und 43 dem nichtgeistlichen Stand angehörten. Die Landessynode hatte sich mindestens einmal in fünf Jahren zu versammeln. Im Zusammenhang mit der neuen Synodalverfassung trat Staatsminister von Falkenstein als Kultusminister zurück. Er konnte sich im Streit um die Errichtung des Landeskonsistoriums nicht durchsetzen und scheiterte an seiner allzu konservativen Haltung. Siehe Franz Blanckmeister: Sächsische Kirchengeschichte. 2. Aufl. Dresden 1906, S. 445–448. – Gerhard Graf, Markus Hein: Kleine Kirchengeschichte Sachsens. 4. Aufl. Leipzig 2009, S. 41.
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gemacht und er sich vor dem nächsten Landtag fürchtet. Ich verliere persönlich viel, denn Falkenstein war stets sehr gefällig gegen mich, teilte mir Alles mit, was kein anderer Minister tun wird. Ich bekam auch in diesen Tagen ein Schreiben des Domkapitels in Meißen, welches mir meine Ernennung zum Domherrn meldet. Meine Einführung, d. h. Präbandenbezug, wird aber erst im Mai künftigen Jahres stattfinden. Ich bedankte mich denn auch beim Domkapitel und beim König. Da jetzt bloß Fabrice und Nostitz anwesend sind, gibt es im Gesamtministerium nichts zu tun.Viel Not hatte ich noch zuletzt wegen des Religionseides. Die Frage war wiederholt bei den evangelischen Ministern vor, aber immer ging der Antrag des Kultusministeriums nur auf den Eid der Geistlichen, obwohl ich jedesmal, aber ohne Erfolg, darauf hinwies, daß ja auch der Eid der Lehrer, Beamten und der Minister in Frage komme. Auch die Synode hat bloß den Antrag, daß statt Eid ein Gelöbnis nach anderer Form geleistet werden solle, auf die Geistlichen gerichtet. Das Kultusministerium brachte nun in einem allerdings etwas flüchtigen Kommunikat den Antrag, die Maßregel auch auf jene Eide zu erstrecken, was ganz unbedenklich wäre, wenn man in der Synode auf dieses Bedürfnis hingewiesen hätte, was ganz nahe lag. Friesen stellte nun in schroffer Form eine Menge Bedenken auf, die mit darauf beruhten, daß er die zeitherige Formel, die zum Teil beibehalten war, gar nicht angesehen hatte. Schneider dagegen verlangte, es müsse in der Verordnung wieder Religionseid heißen, weil das Gelöbnis ein Eid sei. Friesen reiste ab, ohne daß die Sache zum Beschluß kam, obwohl ich Falkenstein wiederholt erinnerte – er wollte es vielleicht ohne Friesen abmachen und gab nun eine ebenfalls scharfe Entgegnung zu den Akten. Die Sache mußte fort, da man doch, nachdem der Antrag der Synode im Synodalabschied genehmigt worden, nicht mehr den alten Religionseid verlangen kann, ebenso unzweifelhaft, daß man die Lehrerverpflichtung im Einklang bringen mußte. Ich expedierte also die Genehmigung rücksichtlich dieser und behielt die Entschließung wegen der Beamten und der Minister vor, was unbedenklich ist. Das genehmigten Falkenstein und Nostitz, aber Schneider wollte nicht signieren. Ich habe nun die Verordnung umgearbeitet und bloß von Verpflichtung auf den Formularen darin geredet, nichts von Eid und Gelöbnis gesagt. Vielleicht beruhigt er sich nun. Alberner Wortstreit! (Einschub: Zeitungsnotiz in den Dresdner Nachrichten vom 2. August 1871. – Als bei der Besetzung der erledigten Stelle des Kultusministers in Frage kommend werden außer den bereits genannten Herren (Justizminister Dr. Schneider und Kreisdirektor von Könneritz) genannt: Kammerherr von Zehmen auf Stauchitz, Kreisdirektor Uhde in Zwickau, Professor Dr. von Gerber, Vorsitzender der Landessynode und Ministerialrat von Weber, Direktor des Staatsarchivs und Herausgeber der gleichnamigen Zeitschrift für sächsische Geschichte und Kulturgeschichte. Eine Entscheidung dürfte der König erst in einiger Zeit treffen.) August 13 Die allerwunderlichsten Kombinationen hat das Publikum und die Presse aufgestellt über Falkensteins Rücktritt, insbesondere die Vermutung, der König habe ihn entlassen, weil er das Infallibilitätsdogma nicht habe veröffentlichen wollen. Allerdings hatte der König die Veröffentlichung wenn auch nicht gewünscht, doch zulassen wollen und deshalb einen auf Schrauben gestellten Erlaß abgefaßt, den mir Falkenstein mitteilte. Friesen hat aber, wie er sagt, zunächst aufmerksam gemacht, daß es wegen des Syllabus nicht gehe und der König hat sich auch (die Sache spielte, während ich in Marienbad war) beruhigt. Falkenstein, der in Frohburg ist, schrieb mir sehr erfreut über eine Dankadresse, die ihm der
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Rektor und die Dekane nach Frohburg gebracht mit der Bitte, seine Marmorbüste in der Aula aufstellen zu dürfen. Das Dresdner Journal und die Leipziger Zeitung bringen die Adresse. Als ich Schneider als einen zum Kultusminister geeigneten Mann den Superintendent Kohlschütter nannte, sagte er, mit dem könne man dem König nicht kommen, er sei übel bei ihm angeschrieben, weil er im Gustav-Adolf-Verein (?) intolerante Reden gegen die Katholiken gehalten. Als nur der Name genannt ward, bei einer anderen Gelegenheit, sei der König vor Unwillen ganz rot geworden. August 15 Heute kam der Oberstleutnant Wickede, Departementschef im Kriegsministerium, zu mir, zunächst um meinen Rat wegen einer Geschichte des Siebenjährigen Krieges, die er drucken lassen will, einzuholen. Er hat aber, ohne alle Benutzung des gedruckten Materials, bloß nach den Archivakten gearbeitet, also jedenfalls einseitig, denn audiatur et altera pars. Daneben schüttete er sein Herz aus über Fabrice, der so leidenschaftlich und eigensinnig ist, daß es Niemand mit ihm aushalten kann. Im gewöhnlichen Leben außerordentlich höflichst, ist er gegen seine Untergebenen im höchsten Grade barsch, hört niemals Widerspruch an, wirft in der Hitze den Schreibtisch fast um. Öfters, wenn eine Sache mit seiner Genehmigung definitiv bearbeitet ist, beim Bauanschlag eine Berechnung, streicht er bloß nach Laune einzelne Posten, verlangt Änderungen, durch welche die ganze Arbeit zusammenfällt. Daneben bekümmert er sich bisweilen um die größten Lappalien, z. B. wieviel Zoll ein Waschtisch für einen Offizier breit sein soll. Mit den Prinzen ist er ganz verfeindet, zum Teil hat er aber Recht gehabt, indem er z. B. verlangte, daß bei Avancements höherer Offiziere er zustimme, was der Kronprinz verweigert. Die Prinzen haben auch gegen seinen Willen durchgesetzt, daß das Avancement der Offiziere nicht wie zeither durch die ganze Armee, sondern wie in Preußen bloß in den Regimentern geht. Er hat eine Kabinettsfrage daraus machen wollen, aber als der König gegen seine Ansicht entschieden, sich beruhigt. In Frankreich hat er sich Popularität erworben, besonders haben ihn die Franzosen, die er begünstigt hat, gern gehabt. Den Posten eines Reichsgesandten in Paris, der ihm angeboten worden, hat er abgelehnt, vielleicht in der Erwartung, er werde preußischer Kriegsminister werden. Er ist nicht, wie man glaubt, unbemittelt, sondern seine Frau, eine Gräfin Asseburg, hat von ihrer Mutter 250 000 Taler geerbt, die er in einem großen Gut Sasseburg angelegt, das er – wahrscheinlich mit Schulden – für 1 500 000 Taler zu verkaufen hofft. Sein Vater ward geisteskrank und Winkler meinte, bisweilen müsse man glauben, er sei es auch. Gegen mich ist er immer sehr freundlich, fast zu höflich, denn als ich ihn einst am Morgen in Geschäften besucht, begleitete er mich durchs Vorzimmer bis an die Tür, was nun doch von keinem Beamten, der einem gleichsteht, am wenigsten von einem Minister erwartet, weniger beansprucht. August 27 Gestern Besprechung mit Friesen, der Donnerstag Abend zurückgekehrt ist. Er hat den König sehr gedrängt, das Kultusministerium zu besetzen – schon vier Wochen hat Falkenstein seine Entlassung und sitzt in Frohburg, angeblich die Geschäfte noch fortführend, aber Hübel Alles überlassend. Der König hat erwidert, er könne sich noch nicht entschließen, endlich aber, als Friesen darauf bestanden, daß die Sache nicht noch drei Wochen aufgeschoben werde – der König reist nämlich Dienstag auf drei Wochen zur Armee nach Frankreich – sich im Allgemeinen mit Professor Gerbers Wahl einverstanden erklärt, aber gesagt, 1) er dürfe nicht Freimaurer sein, 2) müsse in das Schulgesetz der Satz, daß die Kirche nicht ganz von der Schule ausgenommen bleibe, aufgenommen werden, 3) in
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der katholischen Frage müsse er, der König, sich noch freie Hand vorbehalten. Wenn der Bischof sich über das Kultusministerium beschwere, daß dieses die Infallibilitätsbulle nicht veröffentlichen lassen wolle, so müsse er noch ganz freie Hand haben pp. Friesen hat ihn aber bestimmt, Gerber auf morgen Vormittag um 11 zu sich zur Besprechung zu bescheiden. Vorher will Friesen mit Gerber reden und so wird hoffentlich morgen die Sache entschieden. Während der Abwesenheit des Königs soll der Kronprinz sein Stellvertreter sein. Morgen soll auch eine Sache im Gesamtministerium besprochen werden, die recht bezeichnend für unsere Zustände ist. Das Kriegsministerium baut im Schloß zu Leipzig bereits ein paar Flügel an die Kaserne, hat den Bau in Akkord gegeben, ohne das Finanzministerium – der Grund und Boden ist fiskalisch – zu fragen, ohne die Ministerien des Kultus und der Justiz, deren Lokalitäten Licht und Luft entzogen wird, zu fragen. Diese drei Ministerien haben nun beim Kriegsministerium gegen Fortsetzung des Baues – den aber der König schon genehmigt hat – protestiert und Oberstleutnant Winkler – Fabrice, der die Sache eingebrockt hat, ist in der Schweiz – ist nun in Schwulibus. Nostitz wird zu der Sitzung herbeigeholt, damit noch zwei Minister da sind. Dem König ist die Sache sehr fatal, er hat zu Friesen bedauernd gesagt, ach ja, es ist meine Schuld! Er wünscht sehr, daß die Differenz ausgeglichen werde. August 28 Pech! Gerber ist in Friedrichshafen, hat Friesens Brief, der ihm geschrieben, der König wolle ihn in einer hochwichtigen Sache sogleich sprechen, dort zu spät erhalten, aber telegraphiert, er komme sogleich zurück. Heute um 10 ½ Abends wird er erwartet. Er nimmt also an und es wird nun auf die Besprechung mit Friesen heute früh ankommen. Er kann dann dem König, der ihn noch selbst sprechen und kennenlernen will, nachreisen. Gestern Sitzung beim König mit den Prinzen, Friesen, Nostitz, Hübel, Gebert, Oberstleutnant Winkler wegen des Leipziger Kasernenbaus. Fabrice hat, wenn auch nicht konstitutionell, doch praktisch gehandelt, wenn er, ohne die anderen Ministerien zu hören und ihren Widerspruch zu beachten, den Bau begonnen und fortgesetzt hat. Es wäre sonst kein Ende mit den Schwierigkeiten geworden. So reduziert sich Alles auf eine Entschädigung, die die anderen Ministerien erhalten sollen, und kuriose Bedenken brachte insbesondere Gebert, die sich nicht auf den Bau, sondern auf die schlechte Lokalität der Gerichtsbehörde selbst bezogen, die doch das Kriegsministerium nicht verschuldet hat und wogegen der Kronprinz mit Recht bemerkte, daß das Justizministerium längst dem hätte abhelfen sollen. August 31 Vor einigen Tagen schrieb mir Falkenstein, dem ich gemeldet, daß Verhandlungen mit Gerber eingeleitet worden seien, daß der König deshalb an ihn geschrieben habe, ihn wiederholt dringend gebeten, das Hausministerium zu übernehmen und die Ordenskanzlei beizubehalten. Der Brief enthält wieder lauter Lügen. War ich es doch, der auf Falkensteins Bitte seinen Wunsch, das Hausministerium zu bekommen, durch Nostitz an den König gelangen ließ, der ungern und nur weil Nostitz es loszuwerden wünscht, Falkensteins Wunsch genehmigt hat. Er hat aber Närrisches Zeug gemacht. Nach Friesens Mitteilung ist also Gerber am Montag früh angekommen, hat ihn aufgesucht. Friesen hat nun etwas weit ausgeholt, aber zu seinem Befremden Gerber schon über die Punkte, die der König bezeichnet hatte, instruiert gefunden und ihm dann schließlich mitgeteilt, daß er seine Ernennung schon als etwas ganz Bestimmtes betrachtet hat, da ihm Falkenstein schon vor drei bis vier Wochen eröffnet, daß der König sein Auge auf ihn gerichtet und nur die drei Fragen gelöst wünsche. Gerber hat dann Falkenstein Auskunft gegeben,
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die dieser für ganz befriedigend erklärt und hat sich nun natürlich sehr gewundert, daß er nichts weiter gehört und man ihn ruhig abreisen lassen. Falkenstein, der hier aus Eitelkeit wieder ganz eigenmächtig gehandelt hat, hat natürlich von seinen Verhandlungen mit Gerber nichts gemeldet. Eine unangenehmere Sache noch hat er wegen des Oberhofpredigeramtes gemacht, eine Stelle, die von den in Evangelicis beauftragten Staatsministern besetzt wird. Er schickt ohne allen Auftrag Gerber nach Berlin, um Brückner zu eröffnen, daß er die Stelle erhalten solle. Dieser bemerkt, daß er 5 500 Taler festen Gehalt habe, indessen doch nicht abgeneigt sei, allein es müsse die Sache schnell geregelt werden. Falkenstein kann natürlich nichts tun, sagt auch Niemand Etwas und so hat er wahrscheinlich Alles verdorben, denn die Stelle soll nicht besetzt werden, ehe der neue Kultusminister ernannt und der König zurück ist, der drei Wochen wegbleibt. Es ist höchste Zeit, daß Falkenstein geht! September 6 Gestern kam in glühendster Mittagshitze (26 Grad im Schatten) der Geheime Justizrat Gebert, bloß um mir mündlich mitzuteilen, daß der Minister Schneider in Pontecian todkrank liegt – Gebert meint wahrscheinlich, ich werde Kultusminister? Am 4. des Monats ist Schneider gestorben. Für die Justiz ist es ein Glück, denn durch sein Prinzip, nach der Anciennität anzustellen, hat er eine Menge Ochsen befördert und die Befähigsten abgeschreckt. Aber der König! Noch ist er mit dem Kultusminister nicht zu Stande und nun noch einen Justizminister. September 10 Friesen erzählte mir, daß Gerber zum König gereist ist. Er hat sich auch über die ersten beiden Punkte völlig mit ihm verständigt, nur wegen des placet noch nicht über den Infallibilitätsbeschluß. Der König ist dabei geblieben, daß er deshalb sich noch ganz freie Hand vorbehalten habe und hat Gerber aufgefordert, ihm schriftlich seine Ansicht mitzuteilen. An Friesen hat der König geschrieben, daß ihm Gerber sehr gut gefallen, daß er aber seine Entschließung sich noch bis zu seiner Rückkehr vorbehalten müsse, da er in Stolzenfels Niermand habe, mit dem er sich besprechen könne (den Bischof? Ein guter, dicker, beschränkter Mann) und keine literarischen Hilfsmittel. Gewissenhaft, wie der König ist, will er also noch kirchenrechtliche Studien machen, die ihn freilich nicht über unsere Verfassung weghelfen werden. Als ich sagte, der König werde keinen Minister finden, der das placet unterschreibe und wenn er einen finden sollte, so würden die anderen Minister nicht Kollegen eines solchen sein wollen – sagte Friesen: ganz richtig, er verliert dann seine anderen Minister! Schließlich wird der König, nachdem wieder drei Wochen vergangen sind, nach ¼ Stunde Gespräch mit Friesen doch nachgeben. Vorige Woche kam der Maler Andreä zu mir und brachte mir Briefe vom Vorstand des Germanischen Museums, Essenwein und einigen Anderen, die Feuer schrien nach Statuen pp in der Kirche Wechselburg, die, sehr berühmt, sind von dem katholisch gewordenen Graf Schönburg einem Mann in Innsbruck zur Restauration übergeben worden, der als Kunstbarbar bekannt sei, das Kreuz sei des Transportes wegen zersägt worden pp. Die Hilfe des Altertumsvereins ward in Anspruch genommen, Prinz Georg ist in Tirol, mein Mitdirektor Professor Hettner in Italien. Ich machte daher ein höfliches Schreiben, worin ich nur bemerkte, daß Bedenken gegen den Künstler mitgeteilt worden, und anheim stellte, ob der Graf nicht eine anerkannte Autorität zu Rate ziehen wolle. Das hat der Herr Graf sehr übel genommen. Er antwortete, er bezahle Alles und lasse sich keine Bevormundung und Einmischung gefallen. Ein Esel muß er sein.
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September 12 Besprechung gestern mit Falkenstein wegen des Justizministeriums. Er sagte, daß Anton in Frage komme, war aber mit mir darüber einverstanden, daß er viel besser zum Präsidenten des Oberappellationsgerichtes passe. Ferner Präsident Klemm, den ich wenig kenne, aber was ich von ihm weiß, qualifiziert ihn nicht. An Schwarze, der natürlich Alles tun würde, denkt Niemand. Ich bevorwortete lebhaft Abeken, der leider im Gesamtministerium einige Male eine schlechte Rolle gespielt hat, weil er sich gleich einschüchtern ließ. Nun, das würde sich, wenn er eine Weile im Ministersessel gesessen, geben. Wenn Gerber sich nicht wegen des Kultusministeriums mit dem König einigen sollte, so würde der König ihn, wie Falkenstein meinte, ohne alles Bedenken das Justizministerium geben. Kammerherr von Zehmen, der auch in Frage kommt, ist der Justizbranche doch zu fremd. September 24 Der König hat sich denn endlich entschieden. Gestern ließ mich Friesen zu sich kommen, gab mir die Briefe und Telegramme, deren letzteres vom König lautete: „Ich habe mit G. abgeschlossen“. Es wird Gerber seine Dienstzeit seit seiner Anstellung als Professor im Jahre 1849 angerechnet, er bekommt 500 Taler Umzugskosten und 325 Taler Mietzinsentschädigung, wenn er sein Quartier nicht vermieten kann. Er wünscht als „bürgerlich“ aufgeführt zu werden, obwohl er bis jetzt den persönlichen Adel, den ihm ein Württembergisches Ritterkreuz verleiht, geführt, weil, wie er sagt, seine Frau und Kinder den Adel nicht führen können und da ein Mißverhältnis entstehe. Die Sache wird sich wohl noch erledigen, da es kurios wäre, wenn er jetzt diesen Adel wieder ablegen wollte. Am Donnerstag ist die Sache im Gesamtministerium nochmals besprochen worden. Der König hat Gerber die bestimmte Frage vorgelegt, ob, wenn gegen katholische Geistliche wegen Verweigerung der Anerkennung der Infallibilitätslehre von der katholischen Geistlichkeit vorgegangen werden sollte, der Staat seine Hilfe gewähren würde. Gerber ist in Verlegenheit gewesen, die Frage kategorisch zu beantworten und man hat den König damit beruhigt, daß der Fall in Sachsen nicht eintreten werde. Es haben nämlich alle Geistlichen, nachdem der Bischof ihnen die päpstliche Bulle – ohne placet – bekannt gemacht, sich submittiert bis auf Einen, den Beichtvater des Königs, Hofprediger Heine. Dieser hat erklärt, er könne die Lehre nicht predigen. Er hat daher seine Stelle als Hofprediger niedergelegt und nun dem König anheim gestellt, ob er ihn als Beichtvater beibehalten wolle. Dieser hat erwidert, daß sein Vertrauen zu ihm nicht erschüttert sei und er ihn beibehalten werde. Der Kronprinz hat dabei sich sehr freisinnig ausgesprochen und u. a. gesagt: Ich weiß schon in Rom wie es ist, „unsere Pfaffen sind ihnen noch nicht dumm genug, sie wollen sie noch dümmer haben“. Der Prinz Georg hat kein Wort bei der Debatte gesprochen. So Friesen! Gestern hat der König Klemm, für den auch der Kronprinz sich verwendet, aus Zwickau kommen lassen. Die Sache ist also entschieden. Abeken, für den ich bei Falkenstein und Friesen mich dringend verwendet, ist zwar in Frage gekommen, aber der König hat gemeint, er gehöre doch zu den Jüngsten, es würde das verletzen. Spaßhaft ist, welche Mühe sich der Geheime Rat von König gegeben. Er ist zu den Prinzen, zu allen Ministern gegangen, um mit seltener Unverschämtheit und Selbstüberschätzung, seine Verdienste geltend zu machen. Er ist nämlich Referent in der Austrägalsache, die beim Oberappellationsgericht anhängig war zwischen dem Herzog und den Ständen von Meiningen gewesen, die durch Vergleich beendet worden. Er hat sich nun damit berühmt, wie tiefe staatsrechtliche Studien er gemacht pp. Der Generalstaatsanwalt Schwarze scheint dagegen verbittert zu grollen. Er hat Friesen gesagt, er werde sich von allen öffentlichen Angelegenheiten zurück-
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ziehen. Er ist Freimaurer, hat zwar gedeckt, aber, wie Falkenstein meint, immer noch viel Einfluß. Der Kronprinz hat neulich ein Zeichen gegeben, daß er bereits beginnt, sich zu fühlen. Er schickt seinen Adjutanten an den Geheimen Justizrat Gebert und läßt ihm mündlich sagen, er wünsche, daß ein gewisser Zahlmeister den erledigten Posten eines Amtswachtmeisters erhalte. Gebert erwidert, daß ein Regulativ wegen der Besetzung solcher Posten bestehe und danach ältere Kompatenten vorhanden seien. Nach einiger Zeit kommt der Adjutant aber wieder und sagt, der Kronprinz wünsche aber, daß der Mann die Stelle erhalte. Meine liebe Not habe ich mit Falkenstein, der verlangt, ich weiß nicht welche, öffentliche Anerkennung in einem Dekret, auf das er immer wieder zurückkommt, ferner noch eine Konkurrenz bei Universitätsangelegenheiten, die ich in gar keine zulässige Form zu kleiden weiß, ferner Beibehaltung der Leitung der Herausgabe des Codex diplomaticus Saxoniae und des Archivs für die sächsische Geschichte. Das Letztere paßt auch mir, allein bei dem Codex liegt die Sache ganz im Argen, weil Gersdorf, dem er jährlich 800 Taler bewilligt hat, gar nichts macht. Falkenstein sagte mir selbst, Gersdorf habe ihn belogen und er ihn dafür furchtbar zurechtgesetzt, log mir aber selbst die Hucke voll. Das mag der neue Kultusminister regeln, der doch die Geldsache in Händen behalten muß. September 25 Es wird im Archiv gescheuert, ich fuhr aber doch in die Stadt und es war gut, denn Friesen und Falkenstein kamen beide zu mir ins Gesamtministerium. Ersterer teilte mir mit, daß der Präsident Klemm das Justizministerium, als er gestern mit dem König gesprochen, abgelehnt hat mit Bezugnahme auf seine Gesundheit und weil er sich die Befähigung nicht zutraue. Der König hat ihm Bedenkzeit gegeben, aber zu Friesen gesagt, er glaube auch, nachdem er mit Klemm gesprochen, daß dieser kein Minister sei. Zu Friesen hat Klemm noch gesagt, er habe fünf Kinder, zwei Söhne, drei Töchter, allen habe er eine bürgerliche Erziehung gegeben, allein wenn er Minister werden sollte, würden die Verhältnisse zum Nachteil seiner Kinder verschoben. Sehr vernünftig. Ich bevorwortete nun wieder lebhaft Abekens Wahl und Friesen schien auch geneigt. Falkenstein kommt nun immer wieder mit allerhand Quängeleien, will Lobeserhebung über Lobeserhebung bei seiner Entlassung. Friesen hat denn nun die Bekanntmachung selbst gemacht und ich ging sie nochmals mit Falkenstein durch, der dann durchaus noch verlangte, daß ausdrücklich gesagt werde, er bleibe Ordenskanzler. Sophie hat in der Anlage einen Entwurf zu einer Bekanntmachung gemacht, die Falkenstein ganz richtig charakterisiert.166 Es werden nun außer Abeken der Amtshauptmann von Könneritz – ein schlauer, gewandter aber unzuverlässiger Mann, der sich jetzt in Frankreich als Präfekt ausgezeichnet hat und den der König deshalb hochstellt – und von Zehmen in Frage kommen, den aber Friesen kaum bevorworten wird, da er ein unbequemer Kollege sein würde. Oktober 2 Am Sonnabend hat Falkenstein als letzte Amtshandlung Gerber in Pillnitz verpflichtet. Zum ersten Mal hat der König bei einer solchen Gelegenheit daran gedacht, ihn und Gerber und mich, wenn ich mitkommen sollte, zu Tisch zu bitten. Ich überlasse dergleichen Formalien aber dem Regierungsrat Roßberg, der sonst ja gar nichts zu tun hat. Falkenstein wußte, als ich ihn Sonnabend Mittag sprach, nichts vom Justizminister. Friesen hat 166 Ironisch gemeinter Entwurf für eine Bekanntmachung über die Entlassung Falkensteins als Kultusminister von Sophie Weber. Siehe Dokumentenanhang Nr. 39.
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seiner Schwatzhaftigkeit nicht getraut und daher mit dem König, weil sie beide Abeken nicht kennen, eine Art Probe verabredet. Er hat Abekens zufällige Anwesenheit hier – zum Geburtstag seines Vaters – benutzt, um ihn zu einer mündlichen Besprechung über das Reichsprozeßgesetz einzuladen. Er hat sich nun von Abeken die Hauptprinzipien vortragen lassen und sich überzeugt, daß er, wie ich ihm gesagt, ein klarer Kopf sei. Abeken mußte aber heute zur Sitzung wieder in Berlin sein. Friesen schreibt nun dem König am Sonnabend, er möge Abeken auch kommen lassen. Dieser antwortet, er könne erst Sonntag (gestern) Abend um 6 Abeken sprechen, Friesen möge es diesem, der in Hosterwitz wohnt, wissen lassen, weil es Aufsehen machen würde, wenn er ihn holen lasse. Friesen schickt nun einen Portechaisenträger zu Abeken, der denn gestern Abend beim König sein Examen auch gut bestanden und dem König gefallen hat. Ich hoffe also, die Sache ist arrangiert und mein Vorschlag wird sich hoffentlich bewähren. Friesen versprach übrigens, daß er als Vorsitzender die Zügel fester führen, allwöchentlich eine Besprechung mit den Ministern – ohne den König, dessen Gegenwart doch den freien Austausch hindere – zu halten, damit nicht jeder Minister für sich agiere und feste Prinzipien über Hauptfragen festgestellt würden. So machte es Könneritz, der immer in seiner roten Brieftasche sich die Fragen notierte, die er zur Beratung stellen wollte. Auf diese Brieftasche verwies ich auch Friesen. Ich hatte aus alter Dankbarkeit gegen Falkenstein, der immer sehr wohlwollend gegen mich gewesen, um einem lebhaften Wunsch desselben zu genügen, einen Aufatz gemacht, wie Falkenstein ferner in eine Art Tätigkeit mit der Universität gebracht werden könne und einen Entwurf zu einem Erlaß der in Evangelicis beauftragten Staatsminister deshalb gemacht – allerdings eine Glocke ohne Klöppel. Ferner hatte ich vorgeschlagen, ihm, soweit nicht die Verwendung von Staatsgeldern in Frage komme, eine Konkurrenz bei dem Codex diplomaticus Saxoniae und dem Archiv für die Sächsische Geschichte zu belassen. Allein Friesen wollte davon gar nichts wissen, weil man sich mit Falkenstein sehr in Acht nehmen müsse, weil er sich dann gleich berühme, dann alles selbst gemacht zu haben. So hat er Friesen versichert, daß er eigentlich alle Beust’schen Noten gemacht habe. Nun ja, ich kenne ihn ja darin. Meine Vorschläge wandern demnach in Friesens Ofen. Oktober 8 Endlich hat sich der König definitiv entschlossen und Abeken gewählt, der heute Morgen von Berlin kommen soll, um morgen in Weesenstein verpflichtet zu werden. Ich muß es zu meiner großen Unbequemlichkeit machen, weil der Regierungsrat Roßberg krank ist. Unser Quartier auf der Lüttichaustraße Nr. 27 zwei Treppen, das wir 18 Jahre bewohnen, müssen wir zu Ostern verlassen, weil die Besitzer jetzt, da der Mietvertrag zu Ende geht, statt 340 Taler nun 550 Taler verlangen. So enorm steigen die Preise. Sophie. der ich die Wahl eines andern Quartiers ganz überlassen, hat nun eines Wallstraße Nr. 13 zwei Treppen genommen, das aber, fürchte ich, viele Mängel hat. Ein Hofrat Ackermann, Sohn des alten Esels des Appellationsrates, der Vorsteher der Stadtverordneten ist, Landtagsabgeordneter war, scheint nach der Druckbeilage aus den Dresdner Nachrichten auch sonderbare Manövers zu machen. Das sind nun Väter der Stadt! Friesen erzählte mir noch eine Geschichte von Falkenstein, durch die er den neuen Kultusminister sehr in Verlegenheit setzt. Eine demokratisch gesinnte Gemeinde verlangt im Frühjahr dieses Jahres, als die Pfarrstelle vakant wird, kategorisch den Diakonus Calinich in Chemnitz, einen jungen freisinnigen Geistlichen. Da die Stelle aber 2 000 Taler einträgt,
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will das Kultusministerium die Stelle mit einem alten Geistlichen besetzen und schlägt der Gemeinde vier vor, die auch Gastpredigten halten. Die Gemeinde kann zwar gegen alle vier nichts einwenden, bleibt aber dabei, sie wolle Calinich. Es wird ihr nun wiederholt Frist gegeben, zuletzt bis zum 1. Oktober 1871. Das Reskript deshalb schickt Hübel Falkenstein nach Frohburg, der es auch genehmigt. Jetzt kommt nun die Gemeinde mit einer Protestation, worin sie sagt, sie habe eine Deputation an Falkenstein nach Frohburg gesendet, der der Minister erklärt habe, er finde ihren Wunsch billig, man müsse die Wünsche der Gemeinden beachten, er habe nichts gegen Calinich. Nun komme im Widerspruch damit ein Reskript aus dem Ministerium, von einem ihnen unbekannten Subjekt unterzeichnet, das sei ganz verfassungswidrig, da der Minister allein zu entscheiden und ja ihr Gesuch genehmigt habe. Gerber hat nun dieses Schreiben Falkenstein mitgeteilt, der aber zu Protokoll die Angaben der Gemeinden geleugnet hat. Es ist nun Gerber nichts übrig geblieben, als diese Auslassung Falkensteins der Gemeinde mitzuteilen und das Verfahren des Ministeriums aufrecht zu erhalten. Die Sache, die für Gerber natürlich sehr fatal ist, wird wohl noch in der Presse und auf dem Landtag zur Sprache kommen. Oktober 11 Regierungsrat Roßberg war krank. Ich mußte daher seine acces vertreten bei der Verpflichtung Abekens. Montag fuhr ich mit Friesen um 9 ½ nach Weesenstein, wo der König ist, allein mit der Königin. Im Hof empfing uns der Generaladjutant von Thielau und ein Haufen Lakaien. Abeken ließ außer sich warten. Als wir zum König hereinkamen, sagte er mir, er freue sich, mich auch einmal dort zu sehen und habe angeordnet, daß mir ein Bild, das Maria Antonia gemalt und das ich in meinem Buch über sie erwähnt, gezeigt werde. Nach der Verpflichtung wollte der König noch allein mit Abeken sprechen. Friesen und ich besahen uns inzwischen das Schloß, das ich vor wohl 50 Jahren, als es Uckermann besaß, bisweilen besucht. Es ist viel verändert, da man das obere Schloß (damals Brauerei) zum Teil zu Wohnungen eingerichtet hat. Im Salon trafen wir dann mit dem König zu einem sehr guten warmen Frühstück zusammen. Er genoss selbst nichts, wir ließen es uns aber gut schmecken und saßen eine Stunde in ganz zwangloser Unterhaltung, an der Abeken noch schüchtern, wenig Teil nahm, zusammen. Der König war wirklich so liebenswürdig und höflich wie möglich. Gestern zogen wir in die Stadt. Um 12 wurden Gerber und Abeken als evangelische Minister noch nach der alten Formel verpflichtet, da der neuere Synodalbeschluß, auf dem die Verpflichtung vom 27. Juli 1871 (Gesetzsammlung 179) beruht, nicht auf die Minister sich erstreckt. Dann brachte Friesen mehrere Fragen zur Besprechung (Fabrice war auch dabei) und es ward u. a. beschlossen, daß die Minister alle Montage um zwei im Auswärtigen Ministerium zusammenkommen wollen, um Angelegenheiten zu besprechen, ohne Beschlüsse, die an das Gesamtministerium gehören, zu fassen, um solche aber durch Meinungsaustausch vorzubereiten, die, wenn der König und die Prinzen dabei sind, doch etwas behindert wird. Es ist dies eine sehr zweckmäßige Einrichtung, durch die Friesen mehr Einheit in die Verwaltung bringen wird und die daher allgemeinen Beifall fand. Fabrice rechtfertigte die Maßregel, daß man, obwohl man schon mit dem Stadtrat zu Zwickau wegen einer Kaserne abgeschlossen, doch keine Garnison dahin legen, vielmehr drei Regimenter nach Leipzig versetzen will, damit, daß die Soldaten dort 1848 ganz demoralisiert worden seien. Nostitz wünschte zur Unterstützung der Zivilbehörden eine Garnison in Zwickau, allein Fabrice blieb dabei, indem er sagte, er könne ja mit der Eisenbahn in wenig Stunden ein Regiment nach Zwickau von Leipzig schicken.
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Oktober 22 Gestern Mittag reiste Erhard nach mehrmonatlichem Aufenthalt wieder nach Leipzig. Er ist wirklich ein liebenswürdiger Mensch, mit dem sich – wenn er nicht eine Laune hat, was aber selten vorkommt – prächtig leben läßt, rücksichtsvoll, gefällig, munter. Statt seine Jugendgenossen auf der Kneipe aufzusuchen, blieb er alle Abende zu Haus, um mit Sophie, die gern ihr Spielchen macht, eine Partie Whist zu spielen. Dabei hat er etwas tüchtiges gelernt und ich bin oft erstaunt gewesen, wie gründlich er über sein Fach belehrt ist. Gestern war ich bei unserem Arzt, Professor Richter, der mich, da ich an Kurzatmigkeit leide, untersuchte. Eine Fettablagerung ist die Ursache, gegen die er mir einen Spiritus verschrieb. Richter ist ein geistreicher, gelehrter, aber höchst eitler Mann. „Ich bin eine Macht“, sagte er mir, als er mir seine Kollektaneen zeigte. Dabei rühmte er sich – er ist Demokrat – daß er nie mit einem König oder Prinzen gesprochen habe. Sonderbarer Kauz! November 3 Die Stadt flaggt, Wilsdruffer Straße mit Girlanden behängt pp, weil um 12 Uhr feierlicher Einzug des aus Frankreich zurückkehrenden Schützenregiments, den ich mit Oda am Postplatz ansah. November 6 Heute Nachmittag kam Dr. Geißler aus Großseitschen zu mir, den ich seit einem Jahr nicht gesehen, da seine Diners, zu denen ich früher öfter mit Schimpf fuhr, jetzt für mich keinen Reitz mehr haben. Er brachte mir eine Schrift, die er über die Echtheitsbeurteilung der antiken römischen Münzen geschrieben, Wir sprachen noch davon, daß der Kreis der alten Genossen sich immer mehr mindert und als ich ¼ Stunde später ins Archiv kam, fand ich dort die Meldung, daß Römer gestern der Schlag getroffen hat. Ich ging gleich hin – welch trostloses Bild bot der steinreiche alte, einsame Gelehrte. Bloß von seinem Diener gewartet, lag er halb bewußtlos auf dem schmutzigen Sofa. Er schien mich zu erkennen, sprach einzelne Worte mit gelähmter Zunge fast unverständlich. Ich verstand, daß sein Pächter aus Löthain, Steiger, ein sehr zuverlässiger Mann, der heute hier gewesen ist, morgen wiederkomme. Der Diener verstand ihn gar nicht. Eine Diakonissin – Betschwester – wie der Diener sie nennt, hatte Letzterer nicht haben wollen. Römer werde ein Frauenzimmer nicht um sich dulden. Sein nächster Verwandter, einer seiner Erben, wie ich weiß, ein Rittmeister bei den Ulanen, ist da gewesen, aber gleich wieder fortgegangen, da er doch nichts tun könne. So stirbt er vielleicht heute Nacht, ohne daß eine befreundete Seele um ihn ist. Er hat allerdings, außer daß er viele Almosen ohne Wahl gab, um die Leute los zu werden, nichts für Andere getan. Eine gewisse Gutmütigkeit mit großem Wissen in Botanik und Numismatik vereinigte er mit absolutem Egoismus. Die letzten Jahre war er allerdings sehr schwach, konnte sich zu gar nichts entschließen, plagte mich mit Bedenken über Lappalien, bei denen es ganz gleich war, wie er es machte. Geld allein macht nicht glücklich, das hat mir nie Jemand so bewiesen wie Römer! Abends war die erste Winterversammlung im Altertumsverein. Prinz Georg, der beim Bogenschützendiner war, ließ mir sagen, er werde etwas später kommen, kam aber gar nicht und daher um eine schöne Begrüßungsrede, die ich ihm zugedacht hatte. November 9 Gestern großes Diner bei Friesen zu Ehren der neuen Minister, sehr gut! Ich saß neben Professor Hübner und einem blasierten preußischen Legationssekretär. Beust’s Entlassung bestätigt sich. Nach dem Diner begleitete ich abwechselnd Abeken bis an seine Wohnung und er mich über eine Stunde, da ich ihm noch verschiedene Ratschläge zu geben wünschte, die er eben auch seinerseits wünschte.
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November 17 Ich verwendete mich bei Abeken für den Hofrat Stübel, der gern „Geheimer“ werden will. Abeken, jetzt noch dankerfüllt, ging darauf ein und gestern verkündete die Zeitung, daß Stübel „Geheimer Justizrat“ werde. Stübel nun wieder dankbar eröffnete mir, daß er Gustav sich beigeben lassen wolle, damit er einst sein Nachfolger in den Vormundschaftssachen werden könne. Es ist ein Mittel, daß Gustav eher Gerichtsrat wird, und so will der denn darauf eingehen. Ich kann dabei und will nichts tun, da es sonst gerade so herauskäme, als wolle ich von Abeken jetzt eine Gegenleistung erwirken. Mit dem armen Römer geht es nicht viel besser, er lallt bloß fast unverständliche Laute. Heute Abend hatten wir Sitzung in des Königs Zimmer, da er erkältet war. Regierungsrat Meusel war zugezogen, da das neue Organisationsgesetz vorkam. Nur der König und ich hatten Bemerkungen dazu gemacht. Wir beiden mußten einige Zeit in der Bibliothek des Königs warten, die zugleich, da kein Korridor da ist, den Durchgang für Alles ist. Zuerst kam ein in dunkelgrauen Frack gekleideter, sehr unscheinbarer Hoflakai, öffnete die Flügeltüren und teilte uns mit, die Königin von Preußen werde durchfahren. Meusel verkroch sich hinter ein Bücherrepositorium, ich blieb aber stehen und machte der alten Dame, die sich auf einem Rollstuhl in ihre Appartements fahren ließ, einen unbeachtet gebliebenen Diener. Dann spazierten in angenehmen Wechsel alte Scheuer- und Küchenweiber durch den königlichen Salon. Einmal öffnete sich wieder die Tür, eine alte sehr einfach gekleidete Dame erschien ganz allein. Es war unsere Königin, die ich glücklicherweise erkannte. Sie sprach ein paar Worte und verschwand durch die andere Tür, die ich ihr öffnete, da nicht einmal ein Lakai ihr vorherging. Nach einer Weile kam sie wieder durch das Zimmer. Ich trug dann bis 9 Uhr vor. Als wir fortgingen und im letzten Vorzimmer unsere Paletots anzogen, kam der König, auch ganz allein und fragte mich, ob der Kronprinz schon fort sei. Das war er. Königliche Pracht findet man allerdings nicht im Schloß. Als ich in des Königs Zimmer zum Vortrag kam, mußte ich mir erst selbst an einem kleinen Schreibtisch, an den ich mich zu setzen pflege, weil ich an dem großen Tisch, an dem der König, die Prinzen und Minister sitzen, keinen Platz zum schreiben habe, eine Lampe holen, einen Stuhl herbeischleppen, den ich denn höflicher Weise beim Fortgehen wieder fortschleppte. Der Schreibtisch war ganz mit Büchern, Hüten pp bedeckt, so daß ich, um nur Raum zu haben, alles abräumen und große Zerstörungen vornehmen mußte. Der König gab in allen Punkten, die er moniert hatte, wie gewöhnlich nach. Die Prinzen sprachen kein Wort, nur als ich mit Gerber in einen Disput geriet über die Frage, ob die Öffentlichkeit eines Weges im Zivilprozeß ausgesetzt werden könne, oder – nach meiner Ansicht – bloß im Verwaltungsweg zu entscheiden sei, redete der Kronprinz ein paar Worte. November 19 Gestern Abend nach 9 Uhr kam der eine Neffe Römers, ein Forstmann, und teilte mir mit, daß Römer soeben um 8 ¼ sanft verschieden. Er hatte sich längst den Tod gewünscht. Bekannt mit dem Inhalt seines Testamants, das er im Jahre 1869 nach vielen Besprechungen mit mir gemacht, teilte ich ihm mit, daß er und seine fünf Brüder die Erben des sehr großen Vermögens sind. Heute Morgen ging ich hin in Römers Wohnung, wo im Wohnzimmer die Leiche bedeckt auf dem Sofa lag. Die Totenfrau, die Ortsgerichtspersonen, die versiegelt hatten, Steiger, die beiden Römer waren darin, mit der Besprechung des Begräbnisses beschäftgt. Kein Auge tränte! Wir besprachen mehrere Angelegenheiten und fuhr dann mit den Brüdern zum neugebackenen Geheimen Justizrat Stübel, den wir
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aber nicht zu Hause fanden. Die Testamantseröffnung muß bald geschehen, damit die Erben die Versiegelung und die Ortsgerichte, die sich in der Wohnung niedergelassen haben, los werden. Dezember 2 Heute ward der Landtag eröffnet. Also Schaffrath, der früher vom Landtag ausgeschlossen (so war es wohl) ist Präsident der Zweiten Kammer. Bei dem Diner bei Hof passiert ihm aber ein Malheur. Er hatte, nachdem der Präsident der Ersten Kammer (von Zehmen) die Gesundheit des Königs ausgebracht, die Gesundheit der Königin und der Glieder des königlichen Hauses auszubringen. Er rief nun „Auf das Wohl Ihrer Majestät“ – hier stockte er und fügte nach einer Pause hinzu – „und des königlichen Hauses“ – „die Königin“ hatte er vergessen!! Dezember 6 Gestern von 6–9 ¼ im Gesamtministerium Beratung des Schulgesetzes, bei der Gerber meine Bemerkungen sehr geringschätzig behandelte. Ich blieb aber doch in einigen Punkten Sieger.167 Zum Schulgesetz hatten nur der König und ich Bemerkungen gemacht. Die Sitzung dauerte dem Prinz Georg, der kein Worrt sprach, zu lange und er trat noch zu mir und fragte, ob die Sache noch lang dauern werde. Ich verwies ihn auf die große Zahl von Bemerkungen des Königs. Dezember 12 Der König hat sich noch große Bedenken wegen des Schulgesetzes gemacht und ist wieder auf die Frage zurückgekommen, ob das Kultusministerium, wenn ein katholischer Lehrer das Infallibilitätsdogma nicht anerkenne, ihn absetzen werde. Darauf hat Gerber einen Aufsatz an das Gesamtministerium gerichtet, in dem er sagt, die Absetzung lasse sich nicht a priori versprechen, aber der Religionsunterricht solle dem Lehrer entzogen werden auf Antrag der Behörde. In einem Rekommunikat hat nun das Gesamtministerium ohne spezielle Beratung, nachdem alle Minister ihre Beistimmung schriftlich erklärt, sich einverstanden erklärt, ein Prinzip, das mir nicht richtig scheint. Gebunden kann zudem ein künftiger Kultusminister durch diese Erklärung ohnehin nicht werden, die nur abgegeben worden ist, um den König zu beruhigen und ihn zu bestimmen, das Schulgesetz zu genehmigen. Friesen ist es auch nicht entgangen, daß unser guter König durch die Folgen des Alters (heute sein „70.“ Geburtstag) merklich nachläßt. Er macht sich über Alles Bedenken, kann zu keinem Entschluß kommen. Er leistet zwar keinen entschiedenen Widerspruch, kommt aber immer wieder auf dieselben Bedenken zurück, wenn man sie für beseitigt hält. Das Gesamtministerium läßt auch viel zu wünschen übrig. Zu der Steuervorlage, einem der wichtigsten Gesetze, hatte ich einige Bemerkungen gemacht, die ich vor dem Vortrag mit Friesen besprach, die er aber nicht anerkannte. Beim Vortrag applizierte Friesen zuerst die Grundlage des Entwurfes. Keiner der Minister machte dann eine spezielle Bemerkung. Friesen sagte nun, ich hätte Einiges moniert und ich gab dann nun meine Monita, auf die Friesen jetzt – er hatte sich die Sache nochmals überlegt, selbst einging. Was sind das aber für Beratungen! 167 Das Sächsische Volksschulgesetz vom 26. April 1873 regelte das Volksschulwesen in Sachsen neu und löste die enge Verflechtung des Schulwesens mit der evangelisch-lutherischen Landeskirche. Dieses war in der Öffentlichkeit sehr umstritten. Siehe Hans Beschorner: Carl von Gerber. In: Sächsische Lebensbilder. Band 1. Dresden 1930, S. 87–106. – Siehe auch: Sächs. HStA: Gesamtministerium Loc. 79 Nr. 8, Veröffentlichung des Volksschulgesetzes und Anwendung des § 92 der Verfassungsurkunde. 1873. – Loc. 79 Nr. 2, Schulangelegenheiten. Band 4, 1871–1912.
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Dezember 15 Am 12. Königsgeburtstag furchtbarer Rout bei Fabrice, 1200 Eingeladene drängten sich herum. Ich stand fast immer in einer Fensternische, sah die Vorbeiziehenden mir an und Emil Devrient, Koburgscher Geheimer Hofrat mit ein Dutzend Orden, trotz seiner 70 Jahre noch eine stattliche Gestalt, an der aber Vieles unecht sein mag. Eine halbe Stunde standen wir auf der Treppe, den Wagen erwartend, um dann zu Hause zu soupiren. Gestern Abend von 6–9 Sitzung über die Städte- und Landgemeindeordnung.168 Das Protokoll war aber Mittag 12 Uhr fertig. Heute von 12–2 wieder Sitzung, Protokoll eben Abends 7 Uhr abgeschickt. Langsam bin ich also noch nicht. Abeken hat Gustav die Stelle eines Vorstandes des Handelsgerichts in Chemnitz angeboten. Marie will aber nicht dahin, also hat er abgelehnt. Immerhin eine Auszeichnung für ihn. Heute Abend sind wir zum Oberhofmeister von Minkwitz eingeladen zu einer Vorlesung des Hofrats von Zahn. (Randbemerkung: über die Raphaelschen Tapeten 1 ½ Stunden!, voller Phrasen, die ich oft gar nicht verstand. Die Ministerin Gerber kennengelernt, eine angenehme Erscheinung.) Gestern einen Brief von Beust aus London, der seine Memoiren schreibe, und bei einer Durchreise gegen Weihnachten die Akten des Auswärtigen Ministeriums einsehen will, ich soll deshalb mit Friesen sprechen. Dezember 17 Das geschah gestern Morgen. Friesen hatte nichts dagegen, war aber der Ansicht, daß man doch sehr vorsichtig mit Beust sein müsse, der es mit der Wahrheit nicht genau nehme. Er kam dabei auf den Landtag im Mai 1866 zurück, wo er geradezu gelogen. Beim Lügen kam er auf Falkenstein und sagte, er müsse mir eine sehr unangenehme Differenz erzählen, die er mit diesem gehabt, da vielleicht noch weitere Folgen (aber Gerede) daraus entstehen könnten. Bei dem Diner, das vor einigen Tagen die Kammer-Präsidenten den Ministern pp gaben, sitzt Friesen Falkenstein gegenüber, neben sich Hohenthal, Zehmen und andere der angesehendsten Kammermitglieder. Es entspinnt sich nun folgendes Gespräch: Friesen (scherzweise): Nun, Sie werden uns doch beim Schulgesetz in der Kammer keine Opposition machen ? Falkenstein: Ich?, es ist ja mein Gesetz. Friesen: Wieso, Minister Gerber hat ja das Gesetz selbst gemacht. Falkenstein: Kein Gedanke, er hat meinen Entwurf ganz und gar bis auf einen Satz beibehalten. Friesen: Verzeihen Sie, da sind Sie im Irrtum, ich weiß ja, daß nur ein Entwurf vorlag, der ihm höchstens als Leitfaden über die Fragen, die zu lösen seien, dienen konnte und daß Gerber das Gesetz selbst gemacht hat. Falkenstein: Kein Gedanke, er hat meinen Entwurf wörtlich abgeschrieben. Friesen (der nun sich doch zu sehr ärgert): Das ist einfach nicht wahr. Die Gäste, die dabei sitzen, sehen sich an, Alle, auch Falkenstein, schweigen. Friesen entschuldigt sich nachher gegen Zehmen pp, er sei allerdings über die Unwahrheit etwas zu hitzig geworden. Falkenstein aber tritt, als ob gar nichts vorgefallen sei, an Friesen und 168 Reiner Groß: Das Zustandekommen der sächsischen Landgemeindeordnung vom 7. November 1838. In: E. Münch, M. Niemann, W. E. Wagner (Hrsg.): Land – Stadt – Universität. Hamburg 2010, S. 337– 352. – Gisela Hoppe: Von der Allgemeinen Städteordnung 1832 bis zur revidierten Städteordnung 1873. In: Dresdner Geschichtsbuch 6 (2000), S. 97–114.
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spricht ganz freundlich mit ihm. Allerdings hat Falkenstein hier auf eine Gerber kompromittierende Weise geradezu gelogen, denn es lag gar kein von Falkenstein bearbeiteter Entwurf vor, sondern einer, den Feller und Bornemann gemacht, gegen den Hübel sich opponiert und es war gar nichts fertig, weil eben Falkenstein die Nuß weder knacken wollte noch konnte. Hübel hat deshalb mit mir, wie Falkenstein in Frohburg war, mehrmals gesprochen. Der König wird sichtlich alt. Es geniert ihn, ins Gesamtministerium zu kommen und da haben wir die Sitzungen in seinem Wohnzimmer. Das ist für die Minister und mich gleich unbequem. Es fehlt an allem Nötigen. Zuerst saß ich mit an dem Sofatisch, um den der König (auf dem Sofa), die Prinzen und Minister sitzen, allein ich hatte keinen Platz zum schreiben. Auf mein Verlangen setzte der Kammerdiener nun ein Tischchen für mich weiter zurück an den Schreibtisch des Königs. Nun kehren mir aber die Minister den Rücken und ich kann sie nicht verstehen, muß allemal, wenn einer redet, aufstehen, mich neben ihn stellen, um ihn zu verstehen. Ich kann natürlich da nichts notieren. Der Kuckuck mag da bei einer mehrstündigen Sitzung über schwierige Fragen ein richtiges Protokoll machen. Dezember 27 Gestern, als die ganze Familie, 16 Personen stark, bei uns zu Tische war, meldete Heinrich, daß ein alter Bekannter aus London da sei, der sich nicht abweisen lassen will. Es war mein alter Freund Beust, der mit ungeheuerem Jubel empfangen ward. In Calais nach schlechter Fahrt angekommen, wird ihm, als er schon im Coupee sitzt, gemeldet, daß sein Koffer beim Transport aus dem Dampfschiff ins Meer gefallen, aber wieder herausgeschifft worden sei. Er nimmt ihn ins Coupee und findet alles durchnäßt, seine neue rote Uniform, Kleider für seine Tochter, Papiere. Er hat kein trockenes Hemd mehr. Er packt und windet nun aus und telegraphiert nach Köln an den österreichischen Konsul Oppenheim, er solle ihm bügelnde Schneider parat halten. Diese, vier Mann hoch, bügeln nun die ganze Nacht. In Köln bekommt er einen Wagen, der bis Dresden durchgehen soll, allein in Magdeburg verkündet ihm der Kondukteur, der Wagen, ein österreichischer, habe sich erwärmt, er müsse einen anderen nehmen, was er denn mit der Bemerkung tut, daß den österreichischen Wegen (Wägen) nicht zu trauen sei. Als ich Beust bemerkte, ich habe mich sehr gewundert, daß er wieder eine Stelle angenommen habe, sagte er, es waren zwei Gründe, die mich bewogen, einmal wäre ich, wenn ich in Österreich blieb, der Chef der Opposition geworden, wozu ich nicht passe. Ein solcher muß ein böser Kerl sein, was ich nicht bin. Zweitens war es der Beweis, daß ich nicht in Ungnaden entlassen worden. Trotz der Machinationen der klerikalen Partei sah sich der Kaiser durch die öffentliche Stimme gezwungen, mir nach meiner Entlassung einen halbstündigen Besuch zu machen, eine Sache, die noch nie vorgekommen ist, solange Österreich besteht. Heute morgen ging ich zu Friesen, der etwas pikiert war, daß Beust gestern nicht bei ihm gewesen. Er wollte von mir zu ihm gehen, ist aber statt dessen ins Ministerium des Auswärtigen gegangen, wo er ihn natürlich nicht getroffen hat, da Friesen nicht wie Beust Feiertags dort Depeschen schreibt. Beust sagte mir gestern, daß der Oberhofmarschall Friesen ihm gesagt, der König werde heute Mittag seine näheren Freunde einladen, u. a. mich. Allein ich bin der Majestät wohl nicht vornehm genug erschienen und die Einladung ist zu meiner größten Befriedigung nicht erfolgt. Ich hätte doch von Beust dort nichts gehabt und die Diners bekommen mir immer schlecht, da ich Mittags den Wein, den ich doch dabei, mehr als zweckmäßig ist, trinke, nicht vertragen kann. Dagegen wollen wir uns heute Abend gut amüsieren, da Beust und seine Tochter, die Könneritz, Falkensteins, Witzlebens, deren
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zwei, Minister Friesen – dieser zum ersten Mal bei uns – und Nostitz-Wallwitz, mit Gustavs eingeladen sind. Marie würde es auch sehr übel vermerkt haben, wenn sie nicht eingeladen worden wäre, worüber Sophie und Erhard einig waren. Dezember 31 Das Zusammentreffen mit Beust hat mir mehr trübe als heitere Erinnerungen zurückgelassen. Er ist innerlich sehr niedergedrückt und maskiert dies schlecht durch eine instigierte Heiterkeit. Ganz erfüllt von Eitelkeit und Ehrsucht hegt er noch die, glaube ich, trügerische Hoffnung, bald wieder in Österreich an der Spitze zu sein. Ich bin gar nichts mehr für ihn. Er hat nicht einmal Gelegenheit gesucht, einmal allein vertraulich mit mir zu sprechen. Ich habe ihn seit dem Abend, als er bei uns war, bis zu seiner gestrigen Abreise nicht wieder gesehen. Der Archivrat Ebeling, sein Biograph, schrieb mir, daß er Beust notwendig sprechen müsse, dieser ihm die Zusage gegeben, ihm seine Ankunft in Dresden zu signalisieren, er solle aber ein kurzes Gedächtnis haben und ich möge ihn erinnern. Das tat ich schriftlich und nahm von ihm Abschied, wahrscheinlich sehe ich ihn nicht wieder, wenigstens habe ich nicht mehr den Wunsch. Am Donnerstag war ich beim Oberhofmarschall von Friesen Abends eingeladen. Er hat soeben ein zweibändiges Werk über Ludwig Tieck vom Stapel laufen lassen, das ich gräßlich ledern finde. Bei ihm angekommen, wurde ich in sein Studierzimmer eingeführt, das mit verhangenen Fenstern, einem großen, mit grünem Tuch überzogenen Tisch in der Mitte, ringsum mit Bücherreposituren, die etwa 3–4000 Bände füllten, umgeben, ganz den Eindruck des Zimmers eines Gelehreten macht. Es fanden sich ein Oberbibliothekar Förstemann, Professor Hettner, Minister Gerber und später Falkenstein. Nach dem Tee las uns Friesen einen von ihm verfaßten Aufsatz, der in den Sheakspearsheften steht, vor über die Darstellung einiger Stellen aus dessen Stücken – die Geschichte dauerte 1 ½ Stunden und schläferte mich wesentlich ein. Dann gab es noch ein kleines Souper und um 10 Uhr fuhr ich mit Falkenstein zu Hause, ohne Sehnsucht nach Wiederholung. Friesen hat viel Kenntnis, aber seine Sucht, ein berühmter Mann zu werden, wird nie befriedigt werden.
1872 Januar 1 Ich bekam noch am Abend eine große Sache aus dem Gesamtministerium, eine Differenz des Kriegsministeriums mit den Ministerien der Justiz und des Innern wegen der Erklärung des Belagerungszustandes, mit der ich mich heute den ganzen Tag geplagt habe. Mittags ging ich an den Hof, wo bloß der König die Cour annahm. Heute Abend geht Sophie mit Antons an den Hof, ich will meine Arbeit fertig machen. Der Kaiser von Brasilien, der vor einiger Zeit hier war und viel Interesse an Kunst und Wisssenschaft nimmt, war auch auf der Bibliothek und verständigte sich mit Förstemann, der sehr mangelhaft französisch spricht, sehr ungenügend. Er fragte u. a. Förstemann – eine echte Kaiserfrage – ob die griechische oder lateinische Sprache älter sei? Als dieser seine Unwissenheit bekannt, fragt er weiter, ob hier nicht ein Gelehrter sei, der ihm darüber Auskunft geben könne. Dieser weiß nicht, wen er nennen soll und nennt schließlich einen Professor Fleckeisen – glaube ich hieß er. Der Kaiser bittet nun Förstemann, er möge ihn den Abend um 8 ½ zu ihm schicken, damit er ihn zu Rate ziehen könne über die Frage. Förstemann geht nun zu dem Professor, der aber gar keine Lust hat zu der kaiserlichen Audienz. Endlich
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entschließt er sich, als er aber hinkommt und der Kaiser ihn französisch anredet, antwortet er deutsch. Beide Herren können sich nicht verständigen, bis sie denn endlich aufs Latein kommen. Ob der Professor die Frage sofort definitiv gelöst hat – nescimus. Januar 6 Gestern kam der österreichische Gesandte in Brüssel, Graf Vitzthum, zu mir, nachdem wir uns gegenseitig mehrfach verfehlt hatten. Er erzählte viel (cf. Die Bemerkungen über Beust, die ich besonders gehalten habe). Obwohl er wiederholt versicherte, daß er sa petita personne nie geltend gemacht habe, so war doch diese petita personne die Hauptsache, um die sich alles drehte. Er hat noch von Beust drei Monate Urlaub erhalten, was aber ungewiß eine Frist sein Geschick wenden werde. Januar 10 Um 4 Uhr war ich heute zum Diner beim Prinz Georg eingeladen, nur der Gesandte Graf Vitzthum war noch da. Es war kein großes, aber ein gutes Diner und der Prinz wie die Prinzessin, wenn sie, wie behauptet wird, sehr stolz sind, ließen es sich wenigstens nicht merken, sondern lachten herzlich über einige Geschichten, die ich erzählte. Der Prinz äußerte – Vitzthum natürlich ganz beistimmend – die Besorgnis, daß Preußen Sachsen noch ganz verschlingen werde. Eine Ansicht, die ich gar nicht teile, deren Ausführung auch jetzt, nachdem Süddeutschland dem Bunde beigetreten, schwieriger als früher in der Ausführung werden würde und die ich daher auch zu widerlegen versucht. Januar 15 Wir waren zu gestern Abend zu Jordan gebeten, wo Bilder gestellt werden sollten, allein um 10 Vormittags kam eine Einladung zum König zum Tee. Um 8 angekommen, fanden wir Minister von Gerber mit Frau und Oberst von Rex desgleichen. Gewöhnliches Gespräch, dann Platz am Teetisch genommen, Sophie neben dem König, den sie ganz passend und gut unterhielt. Einige Anekdoten, die Gerber und ich erzählten, dito der König, die ganze Sache ohne allen Grund, um 10 ½ zu Haus. Es schneite und schneite heute den ganzen Tag, so daß ellenhoher Schnee liegt. Januar 16 Früh Visite bei der Halle, die uns einen halben Ochsen geräuchert geschickt hat. Um 5 Diner bei Abeken. Wir warteten 1/2 Stunde, weil die bestellten Austern ausblieben, die auf dem Menu standen, aber nicht erschienen. 20 Personen. Ich saß neben Geheimen Justizrat Stübel, der auf meine Semmel sprudelte, weshalb ich mir die meines Nachbarn, Geheimer Finanzsekretär von Nostitz-Wallwitz annektierte. Graf Platen teilte mir seine Not mit wegen der Festfeier der goldenen Hochzeit des Königs. Falkenstein hat es übernommen, historische Bilder zu liefern. Er ging mich deshalb an, aber ich erklärte mich impotent und empfahl, den Professor Flathe in Meißen, der jetzt Böttigers sächsische Geschichte in dritter Auflage erscheinen läßt. Falkenstein hat aber nichts getan und ich schlug Platen vor, er möge an Flathe schreiben. Nach Tisch Zigarre, nachdem „plebs sich verlaufen hatte“. Gerber erzählte zwei gute Geschichten. Er kommt als 24jähriger Mann nach Erlangen als Professor, findet alles deorgist, lauter alte Menschen, nur einen schon bejahrten Privatdozenten. Er ladet ihn ein, sie sprechen über die Universität und Gerber sagt, ja, hier liegt der Hund begraben. Der Privatdozent sagt sehr ängstlich, auf die Diele zeigend, wie, hier liegt ein Hund begraben? – Unser König kommt auf einer Reise in irgend eine Stadt, nimmt Quartier bei einem Fabrikanten. Der empfängt ihn – weißes Halstuch pp – an der Haustreppe und sagt, der heutige Tag, an dem mich Ihro Majestät beehren, ist ein Tag der Feier in unserer Familie, der nun noch eine höhere Weihe erhält. Es ist der 75. Geburtstag meines Vaters. Rex: Das freut mich, kann ich den alten Herrn nicht begrüßen? – Er wird es sehr bedauern, denn leider ist er vor fünf Jahren gestorben.
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Januar 21 Gestern Diner bei Minister Gerber. Ich erneuerte nach Tisch die Bekanntschaft mit dem dermaligen Präsident der Zweiten Kammer Advokat Schaffrath, ein dicker kleiner Mann mit Schnurrbart und einem Hahnenkamm, den man jetzt sonst nicht mehr sieht. Ich bemerkte, daß ich mit ihm 1848 und 1849 zu tun gehabt, daß wir aber beide doch in manchen Punkten ruhiger geworden. Er antwortete, ja, aber mein Programm ist noch immer dasselbe, ich habe es nun erreicht, ruhiger bin ich geworden, aber es bricht doch leicht wieder durch. Ich sagte, daß er einige Jahre akademischer Dozent gewesen, warum er es nicht geblieben. Er meinte, er sei lieber Advokat, habe jetzt die beste Praxis im Lande, er sei wie ein alter Gaul, er könne ohne Arbeit nicht existieren. Wenn er einmal acht Tage mit seiner Familie aufs Land gehe, habe er keine Ruhe. Wir wollten gehen und traten da an Zehmen, Präsident der Ersten Kammer, heran, der mit Minister Nostitz-Wallwitz sprach. Zehmen sagte, ich kann Ihnen nicht bergen, daß, wenn Sie noch einmal so gegen mich auftreten wie gestern, ich das nicht dulde (oder mir nicht gefallen lasse). Nostitz sagte wieso, ich habe nichts unparlamentarisches gesagt. Zehmen: Da Sie hier vor Zeugen das Gespräch beginnen (oder so etwas), so muß ich das wiederholen, ich lasse mir das nicht zum zweiten Mal gefallen. Es ist hier nicht der Ort zu einem solchen Gespräch, wir sind hier eingeladene Gäste pp. Als er noch einmal von Zeugen des Gesprächs – dessen Beginn Schaffrath und ich gar nicht gehört hatten – sprach, bemerkte Schaffrath, er habe nichts von dem Gespräch gehört. Zehmen war sehr heftig, Nostitz ward leichenblaß und erzählte beim Fortgehen die Sache Friesen, der mich zu Hause fuhr. Ich fragte letzteren, wie er mit Abeken zufrieden sei. Er sagte, er sei noch sehr grün und fasse die Stellung eines Ministers noch nicht richtig, der neben seiner offiziell ausgesprochenen Ansicht nicht noch eine Privatmeinung haben und aussprechen dürfe, was Abeken u. a. in Berlin bei der Frage wegen eines allgemeinen deutschen Zivilgesetzbuches getan. Beust schrieb mir vor einigen Tagen, daß in Leipzig eine Schmähschrift gegen ihn herausgekommen sei und der Verdacht entstehe, daß sein Biograph Ebeling der Verfasser sei, dessen Wunsch nach Orden und Anstellung er nicht befriedigt habe. Tauchnitz, an den ich schrieb, schickte mir die Broschüre, ein Heftchen unter dem Titel „Graf Beust im Lichte der Wahrheit“, die allerdings allen denkbaren Schmutz ihm nachsagt. Allein der Stil klingt mir nicht wie Ebeling. Auch Witzleben in Leipzig meint, er sei nicht der Verfasser. Februar 13 Ich hatte mehrfach Verhandlungen mit Gerber wegen des Kirchengesetzes über das Oberkonsistorium, das bei der Deputation der Zweiten Kammer Anstoß erregt, weil sie verlangt, daß mehr Punkte ausdrücklich zur Genehmigung der Stände zu stellen seien, während man das Gesetz, das die Synode beschlossen, bloß wegen der Bewilligung den Ständen mitgeteilt wurde. Gerber hat nun den an sich glücklichen Gedanken gehabt, diese Punkte in einem Einführungsgesetz vorzulegen, allein in den Motiven hatte er gesagt, daß durch einen in dem Gesetz dem Landeskonsistorium nachgelassene Berufung an die in Evangelicis beauftragten Staatsminister die Verantwortung des Kultusministeriums nicht aufgehoben werde. Der Satz ist gegen das Regulativ von 1857 sub d. Meiner deshalb gemachten Bemerkung traten die Minister und der König bei und der Satz ward nun auf Schrauben gestellt und abgeschwächt, da ihn Gerber durchaus nicht aufgeben zu können meinte, um die Sache in der Zweiten Kammer durchzubringen. Die Erste Kammer wird aber jedenfalls seiner Ansicht nicht beitreten. Quid tune ?
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General Witzleben, der an einem Blasenkatharr leidet und den ich heute besuchte, erzählte mir, daß der König seine Memoiren, über die er auch selbst mit mir gesprochen hat, nunmehr bis zum Regierungsantritt vollendet hat. Witzleben hat sie ihm (180 Bogen) abgeschrieben.169 Sahr hat eine Hofdame Gräfin Einsiedel, eine Verwandte seiner verstorbenen Frau, wie man sagt, heiraten wollen. Da sie aber nicht dazu geneigt gewesen, hat er sie adoptiert. (Randbemerkung: Nein, die Familie Einsiedel ist gegen die Adoption gewesen, er hat ihr daher 30 000 geschenkt). Februar 20 Eben läßt mir Gustav sagen, daß er vom 1. März an Gerichtsrat worden. Er hat lange danach geschmachtet. Witzleben hat der Schlag gerührt, es wird wohl zu Ende gehen. Einer scheidet nach dem Andern von den Jugendgenossen. Februar 28 Heute Mittag 12 Uhr starb nach langen Leiden Henriette Müller, seit langen Jahren bei Jordan, eine der edelsten Seelen und geschwätzigsten Zungen. Zu Gustavs Geburtstag war er und Marie zu Mittag bei uns. Er hat heute auch die Verordnung bekommen, daß er in das Handelsgericht kommt, was er der Vormundschaftsabteilung, für die er erst bestimmt war und nach meiner Ansicht am besten paßt, vorzieht. Henriette Jordans Hochzeit, die Sonnabend sein sollte, wird nun verschoben. März 2 Heute um 10 Uhr ward Henriette Müller begraben, bloß ihr Bruder, der Oberst und Eisenbahndirektor Hermann Müller aus Zürich und der Bezirksgerichtsdirektor Müller aus Löbau und Jettchen Jordans Bräutigam Fritsch waren zugegen, ich der Einzige von allen alten Freunden der Müllerschen Familie. Um 2 Uhr Sitzung des Gesamtministeriums in des Königs Zimmer, da er noch etwas erkältet ist. Ich trug nur ein paar Sachen vor und eilte dann zu Hause, da wir Müllers eingeladen hatten. Der Oberst hat eine ziemlich schwierige Stellung, da die Schweizer die Deutschen nur auszunutzen suchen, sie aber nicht befördern. Seinen Schwiegervater, den reichen Bodemer, hat er noch nie gesehen. Dieser haßt ihn, wie man mir einmal erzählte, weil er ihm, ehe er seine Tochter kannte, die schon vorher verheiratet war, seine Mätresse abspenstig gemacht hat. Müller ist allerdings sehr verbittert und sieht scheel auf seine ehemaligen Kameraden, die jetzt alle Generale sind. März 6 Nach Tische gegen 4 Uhr Erdbeben. Witzleben, der Regierungsrat aus Leipzig, war in diesen Tagen bei mir, klagte sehr, daß Friesen die Leipziger Zeitung, die zeither als nichtoffizielles Organ gegolten, jetzt auf einmal zur offiziellen Zeitung gestempelt und ihn nun sehr in der Redaktion geniere. Auch für die Wissenschaftlichen Beilagen bekomme er von Beauftragten der Minister Beiträge, aber ohne Legitimation und sende nun die Artikel erst zur Genehmigung nach Dresden. Er ist sehr antipreußisch und daher mit Allem unzufrieden. April 1 Ostermontag. Morgen Abend verlassen wir unser Quartier Lüttichaustraße Nr. 31 (früher 27) 2 Treppen, das wir 18 Jahre bewohnt haben und in dem Oda geboren ist. 169 Lebenserinnerungen des Königs Johann von Sachsen. Eigene Aufzeichnungen des Königs über die Jahre 1801 bis 1854. Hrsg.von Hellmut Kretzschmar. Göttingen 1958 (= Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts. Band 42). Für die Edition verwendete Kretzschmar die genaue Abschrift der in einer schwer lesbaren Schrift abgefaßten Lebenserinnerungen, die im Auftrag des Königs der Generalleutnant von Witzleben noch zu Lebzeiten Johanns abgefasst hatte.
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Wir ziehen, da das neue Quartier Wallstraße Nr. 13 2 Treppen ganz unbewohnbar ist, bis zu dessen Herstellung in das Kurländer Haus am Dippoldiswalder Platz. April 14 Gestern Abend sind wir eingezogen, aber noch sind Maurer pp im Quartier und alles ist in Unordnung, wird auch acht Tage reichlich dauern, ehe Komfort einkehrt. Der arme Erhard an rheumatischen Schmerzen leidend, Sophie sehr verwust. April 16 Erhards Zustand verschlimmerte sich gestern so, daß Professor Richter, den ich trotz Erhards Widerstreben holen ließ, Typhus fürchtete, doch scheint es mehr ein gastrisches Fieber zu sein. Leider hat Erhard von seiner Mutter die Eigenschaft geerbt, daß er sich schlecht pflegen läßt in kranken Tagen. April 19 Sehr sorgenvolle Tage. Quartier immer noch nicht in Ordnung. Mit Erhard geht es zwar etwas besser, aber immer noch starkes Fieber, Unruhe pp. April 22 Heute reiste Erhard um 3 ¾, so ziemlich wieder hergestellt, nach Leipzig ab, und um 6 ½ kam ein neues Glied der Famlie an, ein starker Junge, Gustavs Söhnchen. Also Großpapa!, eine neue Würde, in der ich mich zu benehmen erst lernen muß. Die Budberg ist heute früh am Schlag gestorben. April 23 Um halb 1 zur Gratulationscour beim Kronprinzen, wo ich Wallwitz traf, den ich den ganzen Winter nicht gesehen. Er begleitete mich ins Gesamtministerium und dann ging ich zur Gratulation zum Prinz Georg, der aber nicht mehr annahm. Friesen ist in Berlin, der König in Italien, während der Kronprinz die Regierung führt – Sitzung im Gesamtministerium ist seit Wochen nicht gewesen und da sammelt sich viel Brand an. April 27 Abeken kam neulich zu mir ziemlich aufgeregt, um mich zu Rate zu ziehen. Er hat an Friesen geschrieben und chiffriert telegraphiert wegen einer Differenz mit dem Reichskanzleramt wegen der sächsischen Ausführungsverordnungen zu dem deutschen Strafgesetzbuch, gegen welche schon in der Ersten Kammer Monita gezogen worden sind, die das Reichskanzleramt jetzt aufgenommen hat. Abeken hat auf einen Vorschlag Friesens, die Sache an den Bundesrat zu bringen, geantwortet, daß dieser zur Entscheidung nicht kompetent sei. Darauf antwortet Friesen ziemlich spitz, daß sein Vorschlag nicht auf Unkenntnis der Bundesverfassung beruhe pp und schickt den Brief durch die Post nicht einmal versiegelt, sondern bloß zugeklebt, während es bekannt ist, daß man das Briefgeheimnis bei solchen Bundessachen – so war es auf dem Kuvert bezeichnet – nicht ganz sicher ist. Abeken wollte den Brief Nostitz mitteilen, glaubte, es sei Absicht Friesens, ihn zu beleidigen. Ich beruhigte ihn durch die Versicherung, daß Friesen, leicht erregt und verletzt, schon öfter so ab irato korrespondiert habe, daß ihm aber nichts ferner liege als eine hämische Absicht, z. B. daß Andere von dem Inhalt des Briefes Kenntnis erhalten sollten. Er will denn auch die Sache ruhen lassen und nur im nächsten Brief an Friesen einige besänftigende Worte beifügen. Mai 2 Endlich einmal heute Sitzung im Gesamtministerium, in der der Kronprinz als Vertreter des Königs, der in Pisa in Oberitalien ist, präsidierte. Heute sprach er mit, hatte auch die Sachen gelesen, was er sonst nie tut. Mai 14 Sonntag nach Meißen um 2 ½. Mit Loth ins Kreuzkloster, um 6 in die Dechanei, wo ich die Domherren aufsuchte. Dompropst Herr von Zehmen aus dem Weimarischen, Domdechant (jetzt erst gewählt), Minister Nostitz, Domherr von Watzdorf, Graf Rex, die Professoren Kahnis und Luthart. Um 8 Souper in dem herrlichen gewölbten Saale. Gestern um 9 mit allen zopfartigen Solennitäten laut Beilage als Domherr rezipiert. Dann Geschäfte
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abgemacht. Ich konnte Heydrich ein Stipendium verschaffen. 1 ½ Stunde Kirche mit trefflicher Musik. Um 3 großes Diner mit Honoratioren aus der Stadt.170 Oberstleutnant von Götz kennengelernt, der, was mich freute, ganz deutsch, nicht spezifisch sächsisch militärisch gesinnt ist. Um 7 ½ mit allen Domherren exit den Leipziger Professoren zurück. Nostitz fuhr mich zu Hause. Ich sagte ihm unterwegs, daß ich das Referat im Gesamtministerium nicht mehr lange behalten könne, ich fühle es, daß es nicht mehr geht. In der letzten Sitzung habe ich dummes Zeug gemacht, weil ich mir die Sache nicht klarmachen konnte. Es ist eine Art Denkfaulheit über mich gekommen und die Klarheit des Urteils nimmt immer mehr ab. Ich mag nur nicht, solange der König lebt, selbst den Antrag stellen, der dem König unangenehm sein würde, da er sich eben schwer an ein neues Gesicht gewöhnt. Mai 28 Am 17. des Monats starb Witzleben. Trotz seiner Befähigung, seines enormen Gedächtnisses, seines Wissens hat er doch in allen Posten, die er bekleidet, nichts geleistet. Das Kadettenhaus kam unter ihm ganz herunter. Er war Generalleutnant pp, ohne eine Kugel pfeifen gehört zu haben, bloß ein braver liebenswürdiger Mensch. Am 24. des Monats Schnorr von Carolsfeld gestorben. An demselben Tag nahm ich auf des Oberhofmarschalls Friesen Veranlassung teil an einem Diner der Shakespearegesellschaft, die jetzt hier versammelt ist. Es waren einige fremde Gelehrte und mehrere hiesige Schauspieler dabei, schöne Reden, schlechtes Essen. Abends um 7 waren wir wieder in Loschwitz. Früh sah ich, daß die Elbe während der Nacht sehr gewachsen war, furchtbare Wolkenbrüche in Böhmen. Das Wasser stieg von Stunde zu Stunde, Massen von Holz und ganze Flöße mit sich führend. Ich kam noch mit dem Dampfschiff herein, hatte aber, da die Landungsbrücken unter Wasser standen, große Mühe, mich und die Gräfin Schulenburg, die mit auf dem Schiff war, ans Land zu bringen. Erst heute Mittag fällt das Wasser wieder und um 1 Uhr ging wieder ein Dampfschiff heraus. Juni 10 Nach langer Pause war heute um 12 wieder einmal eine Sitzung im Gesamtministerium im Zimmer des Königs, der aber recht blaß und abgefallen aussah. Nach der Sitzung eröffnete mir Minister von Gerber, daß der König auf seinen Vorschlag mich zum Dompropst in Bautzen ernannt habe, eine Sinecure, die 700 Taler jährlich einbringt. Bis jetzt war es Minister Nostitz-Wallwitz, der aber, da wir ihn in Meißen zum Domdechant ernannt, die Stelle abgeben muß. Ich habe allerdings sonach ein sehr reichliches Übereinkommen, 550 Taler vom Gesamtministerium, 700 Taler Probstei, 100 Taler Archiv für die sächsische Geschichte, macht 1 350 Taler, außerdem etwa 50 Taler für Beiträge macht 1 400 Taler dazu 2 400 Taler Gehalt, facit 3 800 Taler. Ich muß also anerkennen, daß der König frühere Arbeitsfähigkeit und Tätigkeit mir belohnt. Es soll denn nun auch der neue Anbau an Bagatelle den Namen Dompropstei erhalten. Ich trug heute die Sache vor wegen der sächsischen Urkundensammlung, die unter dem Geheimen Hofrat Gersdorf, der 800 Taler jährlich erhielt, aber seit Jahren gar nichts machte, ganz ins Stocken geriet und die nun Archivar von Posern-Klett übernehmen soll. Juni 16 Gerber beunruhigt sehr eine Beschwerde, die etwa 700 orthodoxe Geistliche und Laien über das Kultusministerium bei den in Evangelicis beauftragten Staatsministern eingereicht haben, weil er entschieden, daß drei Kirchenvorstandsmitglieder in Riesa, die der 170 Ordnung der Aufnahme des Herrn Direktors des Hauptstaatsarchivs Ministerialrats Dr. von Weber in den Schoß des hochwürdigen Domkapitels Meißen. Mai 1872. Siehe Dokumentenanhang Nr. 40.
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freireligiösen Gemeinde beigetreten, deshalb nicht aus dem Kirchenvorstand auszuschließen seien. Ich bin aber ganz dieser Ansicht und da, wie Gerber sagt, Friesen einverstanden ist, so braucht er keine Sorge zu haben, daß das Ministerium werde räsonniert werden. Ja, wenn Schneider noch lebte! Ein Abdruck der Beschwerde, welche man im ganzen Land herumgeschickt hat, liegt bei. Juni 24 Gerber geht die Riesaer Sache sehr im Kopf herum. Heute morgen ließ er mich fragen, wann ich zu sprechen wäre, worauf ich denn natürlich sogleich zu ihm ins Ministerium ging. Friesen hat zu der Riesaer Beschwerde einige Bemerkungen gemacht, in denen er für die Abweisung teilweise eine andere Motivierung beantragt. Obwohl ich Gerber bemerkte, daß sich das ja „beim Vortrag“ sich finden werde, da materiell Friesen einverstanden sei, meinte er doch, es wäre ihm lieb, wenn Friesen seine, Gerbers, Bedenken vorher mitgeteilt würden. Das hätte er nun schriftlich oder mündlich abmachen können, allein es schien ihm sehr lieb, als ich mich erbot, mit Friesen zu reden, ehe die Sache morgen zum Vortrag komme. Ich ging denn um 12 zu Friesen, der auch auf seinen Vorschlag, der mir auch nicht ganz passend schien, nicht weiter bestand. Er erzählte mir, daß die Minister mit dem König über das beim Reichstag beschlossene Gesetz gegen die Jesuiten, das jetzt dem Bundesrat vorliegt, sehr große Not gehabt. Schließlich hat er denn, nachdem die Minister angedeutet, daß sie die Verweigerung der Zustimmung nicht verantworten könnten und auf eine Dimission gedeutet, nachgegeben, aber nur unter der Bedingung, wenn Bayern auch zustimme. Der König von Bayern ist aber auf irgend einer einsamen Alp, Heynenborg ist tot, und so kommt denn keine Erklärung Bayerns. Unglücklicher Weise hat nun Falkenstein sich unberufen in die Sache gemengt und beim König wieder neue Skrupel hervorgerufen. Der König hätte es nun am liebsten gesehen, wenn Friesen nach Varzin zu Bismarck gereist wäre, um dem die Sache auszureden, was natürlich ganz vergeblich gewesen wäre. Der König hat Friesen zwei lange Briefe geschrieben, u. a. verlangt, es solle eine ausdrückliche Bestimmung aufgenommen werden, daß den Jesuiten nicht ihr Vermögen entzogen werden könne und hat sich nur mit Mühe davon abbringen lassen durch Friesens Erwiderung, daß davon jetzt keine Rede sei und alle Maßregeln zur Ausführung des Gesetzes ja erst künftig vom Bundesrat zu regeln seien. Er hat auch dem König eine Vorstellung, welche viele Erzbischöfe und Bischöfe, darunter auch der unsrige, beim letzten Konzil an den Papst gerichtet haben, mitgeteilt, in dem diese dem Papst von Verfolgung der Lehre abgeraten, daß Petrus zwei Schwerter von Christus erhalten, das eine das geistliche, das andere das weltliche Regiment bedeutend, so daß der Papst danach Oberherrscher auch aller Fürsten sei. Sie haben gesagt, daß sie den Satz stets so verstanden und gelehrt, daß das weltliche Schwert von den Fürsten im Namen des Papstes geführt werde, aber sie diesem nicht unterordne pp. Der König, meinte Friesen, liest solche Sachen aber nicht. Er müsse also doch sehr beeinflußt werden zu Gunsten der Jesuiten und der Unfehlbarkeitstheorie, die ihm ja auch bei Gerbers Berufung so viele Sorgen machte. Schließlich wird der König sich doch beruhigen. Welches traurige Beispiel, welches Aufsehen im Lande müßte es machen, wenn an des protestantischen Sachsens Widespruch das Gesetz scheitern sollte! Juni 25 Die bayerische Zustimmung ist eingetroffen und das Jesuitengesetzbedenken Seiner Majestät also nunmehr definitiv erledigt. Juli 2 Am 29. Juni aß Falkenstein mit einigen Bekannten bei uns. Nach Tisch post pocula multae kamen wir auf die Jesuitengeschichte und ich sagte ihm, daß er dem König große
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Bedenken eingejagt habe. Er leugnete, daß er sich entschieden dagegen ausgesprochen habe, er habe vielmehr, wenn er auch die Maßregel an sich nicht für richtig und praktisch erklärt, doch gesagt, Sachsen könne sich nicht dagegen aussprechen. Gestern ließ er mich bitten, zu ihm zu kommen und las mir nun ein in diesem Sinne abgefaßtes, ½ Bogen langes Expose vor, das mir wie ein Schreiben an den König klang, von dem er mir aber sagte, es sei der Inhalt dessen, was er dem König mündlich gesagt, er habe es sich notiert und das Papier glücklicher Weise wiedergefunden, er wolle es mir nur mitteilen, wenn etwa davon gesprochen würde, damit ich die Minister aufklären kann. Wird er sich die Unterredung notiert haben, ehe ich mit ihm gesprochen? Friesen ist abgereist. Ich werde daher kaum in den Fall kommen, die Falkensteinschen Deduktionen den Ministern vorzutragen. Juli 12 Wir hatten, als wir von Großseitschen zurückkamen, den General Krug von Nidda im Coupee getroffen und daher in Folge des Todes Witzlebens unsere Gedanken über die Hofschranzen ausgetauscht und bemerkt, daß man vorzugsweise dazu dumme Kerle wähle. Der Oberstallmeister von Thielau hatte gegen Krug geäußert, der König werde gewiß wieder einen wählen, der nicht reiten könne. Nun trat Krug an Witzlebens Stelle und ließ mich neulich durch seine Frau fragen, ob er wenigstens genug dazu sei: Er ist nämlich ein sehr gescheiter, amüsanter Mann. Juli 27 Ich bekam neulich ein Schreiben des Stiftskonsulenten Seyfert in Bautzen wegen meiner Installation, worin u. a. bemerkt war, daß 169 Taler zu zahlen seien. Ich hörte, daß mein Vorgänger, der Minister Nostitz, nichts bezahlt, sondern das Kultusministerium die Post übertragen habe. Dies ist ein Irrtum, indem die Post aus dem Stift Meißen Präbendentenfonds, in welchen ein Teil der Propsteieinkünfte von Bautzen fließt, bezahlt worden ist. Ich wollte mich aber vergewissern und sprach darüber mit Hübel. Bei dieser Gelegenheit überzeugte ich mich wieder, welche barsche, unmanierliche Art der Geschäftsbehandlung er hat, wie absprechend er ist. Er begann gleich damit: Sie bekommen gar nichts! Und doch war er ganz im Irrtum, denn der Vertrag mit der Staatsregierung bestimmt, daß der Propst das, was über 700 Taler Reinertrag übrig bleibt, abzuliefern hat, also gehen doch die 169 Taler ab, ehe von einem Reinertrag die Rede ist. Wenn Hübel schon gegen mich so sich benimmt, wie mag er erst gegen Andere, Untergeordnete sein. August 2 Dienstag 30. Juli meine Einführung als Propst in Bautzen. Um 9 ½ Eisenbahn. Im Bahnhof Empfang durch die Stiftskonsulenten Advokat Seyfert, einem netten jungen Mann: Goldequipage des Domstifts. In der Dechanei wiederholte Begrüßung nach dem Programm. Unter den zwei Kapitularen der Senior Hoffmann, ein liebenswürdiger alter Herr. Nach der Introduction Schläfchen. Sehr gutes Quartier. Die ganze zweite Etage bloß Fremdenzimmer, die erste großer Saal und Wohnung des Bischofs. Auf meinen Wunsch war Geißler mit eingeladen worden zum Diner um 2 Uhr. Die Toaste des Bischofs waren etwas trocken, ich brachte etwas mehr Humor in meinem.171 Ich saß neben Generalmajor von Montbe und Appellationsgerichtspräsidenten Nosky. Nach Tisch mit Nosky, Hoffmann und Seyfert bei Regen nach Kleinwölka, wo wir nicht aus der Stube konnten. Dann zurück in einen Biergarten. Um 9 Uhr zu Bett. Die Herren Kapitularen pp waren in der Tat sehr zuvorkommend, ich sollte den nächsten Tag noch dortbleiben, um nach Schirgiswalde zu fahren – dringende Einladungen, 171 Entgegnung Karl von Webers auf den Toast bei seiner Einführung als Domprobst in Bautzen am 30. Juli 1872 siehe Dokumentenanhang Nr. 41.
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wiederzukommen, was schwerlich geschehen wird. Am Mittwoch früh fuhr ich mit dem Bischof Forwerk in einem Coupee zurück. Kein großer Geist, aber ein gemütlicher Mann, großer Amateur von lateinischen Rätseln und Wortspielen, an denen ich nicht viel Geschmack finde. August 10 Emil Devrient gestorben. „Sie trugen ihn hinaus, den großen Mimen“ stand im Anzeiger. Daneben ein Gedicht auf den „hohen Verblichenen“, das doch über die Hutschnur geht. Er würde, so eitel er war, doch selbst darüber lachen, daß er alles gezeugt haben soll, was die Zukunft bringt. Da Nostitz jetzt der einzige hier anwesende Minister ist, so gibt es nichts zu tun. September 26 Erhard ist am Dienstag wieder nach Leipzig gereist, um sich nun zu seinem Examen vorzubereiten. Medizinalrat Seiler und Dr. Stelzner, welche der Diakonissenanstalt vorstehen, haben ihm bestimmte Aussicht eröffnet, daß er künftiges Jahr als Hilfskaft seinem Wunsch nach dort eintreten kann. Friesen hat mich aufgefordert, meine Ansicht zu eröffnen, ob jetzt, da der Finanzarchivar gestorben ist, nicht das Finanzarchiv mit dem Hauptstaatsarchiv vereinigt werden könne. Ich habe mir daher die Einrichtung dort angesehen und gefunden, daß der Fiananzarchivar fast noch weniger zu tun hat als ich, aber trotzdem ist eine schauderhafte Unordnung. Die neu angelegten Hilfsmittel sind sehr verkehrt angelegt und wenn das Archiv in Ordnung kommen und nutzbar werden soll, wird es ganz neu geordnet werden müssen. Kann ich dagegen das Gesamtministerium loswerden, so würde ich es mit übernehmen. Oktober 11 Osmanns – er ist auch angekommen – waren mit dem zweiten Sohn des Oberberghauptmanns Beust vorgestern Abend bei uns. Sie mögen wohl mit dem Onkel, cidecant Reichskanzler, nicht zufrieden sein, denn was sie über ihn und seine Frau erzählten, klang sehr trübe. Die Beschuldigungen, daß Beide an der Börse spekuliert, sei begründet, er habe mindestens eine halbe Million Gulden gewonnen. Seine Eitelkeit überwuchere Alles. Er habe gemeint, Alle gewonnen zu haben, mit denen er ein freundliches Worrt geredet, alle Speichellecker für seine Freunde gehalten, während er keinen Freund und Sie lauter Feinde gehabt. Als er abgetreten, habe Sie in den gröbsten Reden sich ergangen und so laut in dem neben Andrassys Quartier gelegenen Zimmer geschimpft, daß dieser und der Herr von Hofmann es gehört und er Osmann es wieder erzählt. Auch gegen den Kaiser hat Sie sich sehr energisch ausgesprochen. Sie hat doch sehr viel Einfluß auf ihn gehabt, dem er sich, um Szenen zu vermeiden, hingegeben. Das ist vielfach benutzt worden. Osmann sprach Beust auch alle Menschenkenntnis ab, die ich ihm doch zutraue. Aber freilich die Eitelkeit ist nur zu geneigt, Schmeichelei für baare Münze zu nehmen. (Ergänzung am Rande: Beust hat auch in seiner Toilette, auf die er früher sehr wenig Wert legte, sich sehr eitel gezeigt, u. a. Atlasstiefeln von bunten Farben in allen Schattierungen getragen, daneben aber immer die schwarzen Ränder an den Nägeln gezeigt.) Recht traurig, wenn man so das Versumpfen und Versinken eines ursprünglich so reinen edlen Gemüts sieht. Von der beiliegenden Einladung werde ich keinen Gebrauch machen. Wäre der gute Woldemar nicht ein Prinz gewesen, würde man ihm schwerlich ein Denkmal setzen.172 172 Einladung der Stadt Mainz für Karl von Weber zur Einweihung des Denkmals für den am 20. Januar 1871 in Mainz verstorbenen Gouverneur der Festung Mainz Prinz Woldemar von Schleswig-Holstein am 13. Oktober 1872. Prinz Woldemar von Schleswig-Holstein (1810–1871) war in Leipzig geboren, studierte ab 1827 Jura an der Leipziger Universität und verließ sie wegen eines Duells. Danach Eintritt in die preußische Armee, 1850 Kommandant der Festung Küstrin, 1857 Kommandant von Magdeburg
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Oktober 28 Um 2 hatte ich Sitzung im Gesamtministerium (ohne den König), bei der die Verteilung zahlloser Orden und Titel beraten ward. Es sollen diesmal die bedacht werden, welche keine Verdienste haben, sondern bloß lange Dienstjahre. Außerdem Stadträte, Fabrikanten. War das ein Trödel!, ob der oder jener ein Ehrenkreuz, Ritterkreuz bekommen sollte. November 3 Abeken hat den Appellationsvizepräsidenten Pernitzsch unter Übergehung der Geheimen Justizräte zum Ministerialdirektor gemacht. Darüber sollen die Geheimen Justizräte sich beim König beschwert und dieser sie in einer erbetenen Audienz gnädig empfangen, aber abgewiesen haben. Eine eigentümliche Stellung, welche die Herren ihrem Minister gegenüber und dem König, der doch die Ernennung genehmigt hat, einnehmen. (Randbemerkung: Friesen weiß nichts von der Beschwerde, daher die Sache wohl nicht wahr ist.) Mit den Ehrengaben zur Goldenen Hochzeit ist viel Unglück passiert. Oehme hat für 8 000 Taler Tapeten und Leinwand mit Wasserfarben gemalt, für die sich jetzt im Schloß kein Platz findet. Die Malerei soll auch nicht haltbar sein und abblättern. Die Falkenstein in Opposition mit der Fabrice hat Betschemel pp machen lassen und zwei Stühle. Die Holzschneiderei (Lindenholz) hat der Leipziger Holzschneider mit 450 Taler berechnet, jeder ganz gewöhnliche Stuhl, deren zwei sind, kostet 100 Taler. Diese Stühle bekommen eine Art Bandelier in der Mitte, das allerdings das Sitzen darauf etwas unbequem machen muß, da sie aus dicker Goldstickerei mit goldenen Knöpfen wie Nagelknöpfe besteht. Selbst Könige sind dafür doch etwas empfindlich, da sie doch auch mit dem Hinterteil sitzen müssen. Maler Andreä hat die Sache besorgt. Als er aber die Stühle dem Hofmarschall Graf Vitzthum zeigt, sagt dieser, „solche Stühle sind noch nie ins Schloß gekommen, ich lasse sie gar nicht herein“. Entweder der König bekommt sie also gar nicht, oder – sie kommen trotz Vitzthum doch ins Schloß. Dieser Treffliche, ein beschränkter Pedant, leitet jetzt die Hofangelegenheiten, da der Oberhofmarschall Friesen unwohl und verdrießlich ist. Er geht, ob wesentlich in Folge des Frühstücks, das der österreichische Kaiser in Pillnitz erhalten. Es hat nur aus Koteletts, die nicht einmal gereicht haben, und Heringen bestanden und ist so ärmlich gewesen, daß der König es gerügt hat. Als Andreä bei Vitzthum war, erscheint auch ein Hofdiener und sagt, die Gräfin Neuhaus lasse bitten, daß in ihre Küche ein drittes Ofenloch gemacht werde. Vitzthum antwortet, ich weiß gar nicht, alle Hofdamen haben sich bis jetzt mit zwei Löchern begnügt, wenn die Gräfin ein drittes Loch braucht und der Hofbaumeister es genehmigt, so mag sie es auf ihre Kosten sich machen lassen. – Dem König ist die Jubelgeschichte über den Kopf gewachsen. 40 Fürsten mit gegen 200 Begleitern kommen. Für diese fehlt es an Platz, an Equipagen. Die Kosten sind enorm. November 6 Der beiliegende Ukas aus der Feder des seiner Pensionierung entgegengehenden Oberhofmarschall Freiherr von Friesen hat nicht nur durch die Eleganz des Hofstils Aufsehen erregt, sondern in der gestrigen (geheimen) Sitzung der Zweiten Kammer fast zu einem politischen Konflikt geführt, weil in der Reihe der Damen die Frau des Präsidenten der Zweiten Kammer Advokat Schaffrath nicht erwähnt, sonderen nur der Frau von Zehmen gedacht ist. Die Hitzköpfe haben beantragt, die Zweite Kammer solle sich bei den Festlichkeiten gar nicht beteiligen. Doch hat man schließlich eine Beschwerde an das Hausministerium beschlossen, die Falkenstein ohne Zweifel fatal sein wird, obwohl er bei diesen und von 1866 bis 1871 Gouverneur der Festung Mainz.
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Hofsachen nicht direkt beteiligt ist. Madame Schaffrath, von der die Welt bis jetzt nicht viel Kenntnis genommen, wird jetzt von politischer Bedeutung. (Randbemerkung: Die Schrift der Zweiten Kammer, in welcher sie sagt, sie müsse die Nichtbeachtung des Oberhofmarschalls rügen – aber welche? steht nicht drin – ist vom Hausministerium, an das sie gerichtet ist, auf königlichen Befehl an das Gesamtministerium abgegeben worden – aber nicht zum Vortrag, wird wohl also ad acta kommen. 25. November) Beust ist, ich glaube heute Nacht, hier angekommen, um des Kaisers Gratulation zu überbringen. Sonderbar, daß er gerade dazu sich erboten oder hergegeben hat. Er wird hier keine glänzende Rolle spielen, dem deutschen Kaiser gegenüber. November 7 Während ich gestern bei Kyaw eine Partie spielte, war Beust zu Sophie gekommen. Ich suchte ihn heute morgen auf und fand ihn und seine Frau, beide etwas gealtert, aber sonst unverändert. Als ich ins Gesamtministerium kam, übergab mir der Geheime Sekretär Fischer ein an mich adressiertes Couvert und gratulierte mir dazu. Ich wußte in der Tat gar nicht, was das bedeuten sollte und als ich den Brief öffnete, fand ich meine Ernennung zum Geheimen Rat. Niemand kann seinem Schicksal entgehen. 1849 und 1866 habe ich den Titel abgelehnt, weil ich auf solchen Quark keinen Wert lege und mehr als zuviel Witze über die grassierende Titelsucht gemacht habe. Friesen wenigstens muß es wissen, daß ich 1866 es deponiert habe, aber ich habe kein Wort jetzt gehört. Er selbst hatte das Schreiben abgefaßt, die Notiz war schon ans Dresdner Journal abgegangen, also zu redressieren war nicht möglich. Na meinetwegen! November 10 Heute des Königs Goldene Hochzeit. Gestern um 5 Uhr großes Diner bei mir. Graf Beust mit Frau, Falkensteins, Minister Seebach aus Gotha, Jordan und Adolfs. Nach Tisch hätte Beust ein Unglück haben können. Er meinte, am Fenster neben dem Sofa stehe ein Stuhl und ehe ich ihn warnen konnte, stürzte er ganz gewaltig zu Boden. Doch ist es glücklicher Weise mit einer starken Erschütterung abgegangen. Vorgestern sahen wir vom Gang des Gesamtministeriums aus die im Hof aufgestellten Kühe pp, welche dem König geschenkt wurden, so die beiliegenden Dresdner Nachrichten. Ich hatte mich gestern erkältet oder mir den Magen verdorben und fühlte mich unwohl, doch ging ich früh um 11 in voller Uniform, aber noch nicht mit den Kennzeichen der zweiten Hofklasse geschmückt, da weder die Epaulettes noch Stickerei zu erlangen waren, – ins Schloß und die Kirche, wo das Tedeum aufgeführt ward. Dann kam der Zug aus der Kirche zurück, aber ohne den Kaiser Wilhelm, den ich nachher noch durch ein Zimmer schreiten sah. Abends großes Rout bei Fabrice, auf dem eben Oda und Sophie sind. 1 800 Einladungen sind ergangen, alle Musikchöre aller Regimenter sollen im Garten blasen! Einzelne Häuser haben illuminiert, die Stadt die Hauptstraßen mit großen Kosten mit Gassternen und Röhren auf der Schloßgasse beleuchtet. Die Dekorationen und Illuminationen nebst einer Stiftung von 10 000 Taler, welche die Stadt dem König übergeben, sollen 60 000 Taler kosten, die manchen Mietzinsgroschen befördern werden. Beust ist ziemlich stark geworden und sehr gealtert, leider seine Frau auch, die hier sich nicht in Gesellschaft gezeigt habe, sie mag sich sehr langweilen und ist sehr disputiert, raisonnierte auch Andrassy pp. November 12 Cholerine hielt mich ab, mich an den Festlichkeiten gestern zu beteiligen. Heute Nachmittag Beust bei mir. Der Sturz hat keine nachteiligen Folgen gehabt, er
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sagte, er erschrecke nicht. So ist er in Altenberg mit dem Pferde in einen Graben gestürzt, das Pferd ist gefallen, aber nicht auf ihn. Über seinen Sturz vom Reichskanzleramt sagte er: ca je comprend mais ca ne l’en plique pas, habe ein Diplomat gesagt. Wahrscheinlich habe Andrassy in Gemeinschaft mit den Schwarzen cabaliert, man habe dem Kaiser vorgespiegelt, er habe diesen absichtlich sich in die Böhmische Geschichte so weit verwickeln, ihn das Reskript Hohenwarts, welches den Böhmen Alles zugestanden, unterschieben lassen, damit er dann wieder als unentbehrlicher Retter auftreten könne. Das habe den Kaiser so aigriert. Seine Freunde haben ihm ein Album nach Wien geschickt. Zuerst kommt Abdruck aller der kaiserlichen Reskripte, in dem er zum Minister berufen, zum Reichskanzler, zum Grafen gemacht wird, voll des größten Lobes. Dann kommt das Entlassungsreskript, worin der Kaiser sagt, er werde nie vergessen, was er ihm, seinem Hause und Landen genutzt – aber, sagte Beust, wie er das schrieb, hat er es doch vergessen. Heute Diner beim Kreisdirektor Könneritz, bei dem ich allerdings weder aß noch trank, aber zuhörte. Ich saß neben Beust. Gäste Falkenstein, Hofmarschall Graf Vitzthum, Graf Hohenthal (der ehemalige Gesandte), Graf Könneritz, Gesandter in München. Erzählt ward viel, so vom Großherzog von Hessen-Darmstadt. In Wien zieht er bei Beust das spanische Goldene Vlies aus der Tsasche und sagt, ach, aber bei Ihnen gilt das nichts und der Schöpsenbraten kostet mich doch 4000 Gulden. Als Beust bei ihm in Darmstadt ist und sich verabschiedet, sagt er, ich will Ihnen noch zum Andenken einen Lebkuchen geben und gibt ihm – sein Großkreuz. Sehr raisonniert haben die Deputationsmitglieder, die weder alle zur Tafel gezogen worden noch Theaterbilletts bekommen, weil die Masse zu groß gewesen. Aus Annaberg sind 41 gekommen! Der Ulanenleutnant Graf Luckner hat vor dem Theater gesagt, ich schere mich nicht um die Billettsverteilung, ich setze mich auf den Platz, den ich immer habe. Er setzt sich im ersten Rang in die Loge, die für den Dienst bestimmt ist. Ein Herr von Götz macht ihm dies bemerklich, allein der Leutnant erwidert, Graf Platen habe es ihm erlaubt, bleibt auch sitzen. Graf Platen soll ihm aber bloß erlaubt haben, kurze Zeit den Platz einzunehmen. Großer Aufruhr unter den Kammerherren, Duell besorgt. Quale wer gelogen, Platen oder der Leutnant? Die Kaiserin hat durch übertriebene Lobsprüche sich lächerlich gemacht. Sie hat Vitzthum um das Rezept für den Tee und Kaffee gebeten, weil sie ihn nie so gut haben können, sie habe hier erst eine Menge Komforts kennen gelernt (ob Waschbecken?) pp. Graf Könneritz erzählte viel vom König von Bayern, der in der Tat verrückt zu sein scheint. Die Minister sieht er nie, sein Kabinettsrat macht alles. Pfordten hat sein Grundstück am Starnberger See verkaufen müssen, weil sein Sohn 80 000 Gulden Wucherschulden gemacht. Des Grafen Seebach Sohn ist ein Säufer, er hat eine junge reiche Russin geheiratet, aber sich wieder in Petersburg dem Trunk ergeben, nach einer heftigen Szene mit der Frau hat er sich erschießen wollen, aber nur verwundet in den Kopf, nicht tödlich. November 25 Eine Sitzung im Gesamtministerium ist gar nicht zusammenzubringen, obwohl eine Menge Sachen vorliegen. Ich hatte die Tage Besprechungen mit Weißenbach und dem Geheimen Finanzrat Rönisch wegen Übernahme des Finanzarchivs, das jetzt mit dem Hauptstaatsarchiv in der Direktion vereinigt werden soll, bis später eine lokale Vereinigung in einem neuen Archivgebäude vorgenommen werden kann.
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Der Geheime Sekretär Fischer erzählte mir, daß er jetzt täglich zum König gerufen wird, dem der Arzt eines Augenleidens wegen das Lesen untersagte, um ihm oft stundenlang Geschäftssachen vorzulesen. Allein der König ist dabei so zerstreut und unklar, daß die Sache ihre Schwierigkeit hat und Fischer ihm öfters erst die Aufklärung geben muß. Die Jahre machen sich eben auch recht geltend. (Zeitungsausschnitt aus dem Dresdner Journal vom 30. November.) Gestern ging der 2. Kammer in geheimer Sitzung ein Schreiben, unterzeichnet vom Gesamtministerium, zu, das eine ärgerliche Angelegenheit aus der Welt schaffte. In dem Programm der Jubiläumsfeierlichkeiten hatte seiner Zeit das Oberhofmarschallamt der Beteiligung der Volksvertretung in einer Weise gedacht, die der Würde derselben nicht entsprach. Die Kammer hatte daraufhin der Regierung eine ziemlich unumwundene Mißbilligung ausgesprochen. Der König ließ sich über diese fatale Angelegenheit Vortrag erstatten und ordnete die Sache auf eine die Volksvertretung befriedigende Weise. Das Gesamtministerium drückte sein Bedauern über das Vorkommnis aus, sprach in seinem Schreiben von der nicht glücklich gewählten Fassung des Programms des Oberhofmarschallamtes und erwähnte, daß wegen der nicht genügenden Räumlichkeiten im Schlosse der König zu seinem Bedauern keine umfassendere Teilnahme des Landtags an dem hohen Feste habe ermöglichen können. (In dem Eckparadesaal während der Einsegnung waren nur die Direktorien beider Kammern anwesend.) Die Kammern erklärten sich mit dieser Zuschrift des Gesamtministeriums für völlig zufrieden gestellt.
Das Dresdner Journal bringt die Sache auch mit der Bemerkung, die Kammer habe beschlossen, daß jedem Mitglied eine Veröffentlichung gestattet sein solle. Dezember 11 Ein wahres Frühlingswetter, wir haben erst einmal ein wenig Schnee gehabt. Dr. Apel, Mariens Bruder, von einer großen Reise nach dem Orient, Italien pp. zurückgekehrt, aß Sonntag bei uns. Montag waren wir mit ihm bei Gustavs mit dem Maler Professor Ludwig Richter (dem ich jetzt bei dem Hagelwetter der Orden bei der Goldenen Hochzeit das Komthurkreuz des Albrechtsordens verschaffen konnte) und dem Bildhauer Kietz zu einer ganz interessanten Abendgesellschaft. Dezember 15 Falkenstein hat wieder einen Coup ausgeführt, der viel Redens macht. Der Oberhofmarschall Friesen hat ihm erklärt, daß er seinen Abschied nehmen wolle, was allseitig gewünscht wird. Falkenstein hält es aber für angemessen, ihm einige Redensarten zu machen, daß er doch noch bleiben möge und als Friesen, sehr erfreut, daß ihm eine Handhabe geboten werde, fragt, ob er ihm dies im Namen des Königs sagte, lügt Falkenstein wie gewöhnlich und sagt ja. Friesen antwortet, er werde dem Befehle nachkommen und bleibt nun! Gestern waren wir zu einem recht guten Diner bei Gerbers, wo auch Minister NostitzWallwitz mit seiner jüngst angetrauten Frau war – eine Riesin, schon verblüht und nicht hübsch. Gerber führte sie zu Tische, saß neben ihr auf der einen Seite, wußte ihr aber keinen anderen Tischnachbarn auf der anderen Seite zuzuweisen als – seine Tochter, worüber die Exzellenz wohl etwas verwundert gewesen sein wird. Gestern Abend hat Anton auch seine Ernennung zum Oberappellationsgerichtspräsidenten erhalten, die auch viel Opposition finden wird, da Geheimer Rat von König, Siebenhaar und wer weiß noch auf den Posten spekuliert hat. Appellationsgerichtspräsident von Criegern in Leipzig hat sich alsbald pensionieren lassen, als ihm auf seine Bemerkung eröffnet worden, daß er die Stelle nicht erhalten werde.
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Heute Abend sind wir zum Maler Andreä zu einem Hebeschmaus eingeladen, da er sich ein Haus erbaut hat. Es war eine ziemliche Anzahl uns aber unbekannter Personen da, ein junger Prinz von Mecklenburg (Tertianer im Vitzthumschen Institut), mit seiner Fahne, der Superintendent Meier mit Frau, ein ganz interessanter Mann, ein Bildhauer von Maienburg pp. Wir soupierten in dem schön geschmückten Atelier ganz gut. Dezember 22 Immer ist noch der Winter nicht eingekehrt, kaum daß einmal eine leise Schneedecke auf den Dächern lag, die ein Sonnenstrahl wieder auftaute. Antons Ernennung zum Oberappellationsgerichtspräsidenten hat in der Constitutionellen Zeitung und den Dresdner Nachrichten verschiedene bösartige Artikel hervorgerufen. Einige aus den Nachrichten klebe ich hier ein. Nun scheint die Wut sich vor der Hand gelegt zu haben. Erhard hat den schwierigsten Teil seines Examens überstanden. Dezember 26 Am Montag kam Erhard und begleitete uns den Abend zu Antons, wo wie gewöhnlich die ganze Familie Berlepsch und Weber versammelt war zum Bescheren und allerhand Scherzen. Einen Toast auf „Anton den Springer“ brachte ich aus. Dezember 29 Vor mehreren Tagen traf ich Minister Abeken, der mir sagte, daß er eben Siebenhaar zu sich bestellt habe. Ich riet ihm dringend, darauf zu bestehen, daß er als Präsident nach Zwickau geht, was er bis jetzt abgelehnt hat, wozu er aber nach dem Staatsdienergesetz verpflichtet ist. Ich machte ihm zugleich bemerklich, daß Anton in die übelste Lage komme, wenn ihm die Siebenhaarsche Partei im Oberappellationsgericht feindlich entgegentrete und daß sehr leicht der Fall eintreten könne, daß entweder Anton oder Siebenhaar abgehen müsse, denn mit Siebenhaars Dickkopf ist eine Verständigung nicht möglich. Das Resultat der Unterhaltung ist nun gewesen, daß Siebenhaar erklärt hat, wenn er nicht so wenig Dienstjahre hätte, würde er abgehen. Abeken ist darauf eingegangen und hat beim König – ganz gegen das Staatsdienergesetz – die Genehmigung dazu ausgewirkt, daß Siebenhaar die Zeit, während der er Advokat gewesen, als Dienstzeit mit angerechnet wird. Der ganz arbeitsfähige Mann wird also pensioniert! Ebenso ist Criegern, zeither Präsident in Leipzig, abgegangen, der aber 40 Dienstjahre hat, weil er nicht Präsident des Oberappellationsgerichts geworden. Antons Wahl ist also in der Tat teuer erkauft, allein für ihn ist nun der Weg geebnet, da ohne Siebenhaar an der Spitze die Gegenpartei in sich zerfällt.
1873 Januar 2 Heute früh 11 Uhr habe ich zu meinen übrigen Geschäften noch das Finanzarchiv übernommen, das mit dem Hauptstaatsarchiv vereinigt wird, aber seine besondere Lokalität und Kanzlei noch behalten muß. Heute auch wiederholte Konferenz mit dem Oberhofmeister der Königin, neugebackne Exzellenz von Minkwitz, wegen der Stiftung von 100 000 Taler, die die Stände der Königin überwiesen haben. Es muß deshalb ein Statut gemacht werden, worüber mich Minkwitz zu Rate zog und zu dem ich ihm die Grundlinien angab. Heute ist Anton im Oberappellationsgericht als Präsident eingeführt worden. Siebenhaar ist in Urlaub gewesen, bis zu seiner demnächstigen Pensionierung. Pöschmann, sonst ein
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guter Freund und Studiengenosse Antons, ist auch sehr verbittert, hat sich, als Anton ihn besuchen wollen, verleugnen lassen, ist bloß wieder bei ihm vorgefahren. Vizepräsident von König hat die Rede Namens des Collegii gehalten, sehr trocken, und kühl bis ans Herz hinan hat er gesagt, das Collegium werde „den Befehlen Seiner Majestät die nötige Obedienz“ leisten. Teuer kommt Anton zu stehen, da zwei immerhin bedeutende Männer, Criegern und Siebenhaar, bloß wegen seiner Wahl abgehen. Der König hat aber insofern mitgewirkt, als er Siebenhaar nicht leiden kann und diesen also nicht gewählt hat. Januar 19 Am Sonnabend ist also das Schicksal des Organisations- und des Schulgesetzes entschieden, und zwar günstig, insofern nicht Zweidrittelmajorität in der Zweiten Kammer gegen die auf Einverständnis mit der Regierung beruhenden Vorschläge der Ersten Kammer sich erklärt hat. Das Schulgesetz, um das es sich zunächst handelt, ist also nach § 92 der Verfassungsurkunde angenommen. Am Montag Mittag, 13. des Monats, war deshalb Sitzung des Gesamtministeriums beim König über die Verfassungsfrage. Gerber hatte mir aber nichts davon gesagt und ich hatte daher die Frage, die schon mehrmals ventiliert worden ist, nicht präparieren können, konnte ihm aber gleich nach der Sitzung ein kurzes Expose darüber zustellen. Am Mittwoch großes Diner bei Abeken, bei dem ich neben Fabrice saß, der mir sehr offen mancherlei über 1866, Rabenhorst, die Friedensverhandlungen mitteilte. Heute Nacht ist der Geheime Rat Weinlig, 1849 Minister des Innern, gestorben, ein geistreicher liebenswürdiger Mann. Januar 21 Gestern großes Diner bei Sahr in Stadt Berlin, wo er vier Treppen hoch wohnt. Das Diner war aber in der ersten Etage. Ich saß neben einem Mitglied der Rechten der Zweiten Kammer, Amtshauptmann Einsiedel, den ich neulich schon bei Abeken traf und der mir sehr gefällt. Er wie mehrere andere Kammermitglieder waren sehr unzufrieden damit, daß bei der wichtigen Schulfrage, die in diesen Tagen bei der Zweiten Kammer vor war und die mit den Organisationsgesetzen eng zusammenhängt, die anderen Minister, insbesondere Friesen, den Kultusminister Gerber ganz allein kämpfen lassen. Auch Nostitz hat sich ausgeschwiegen. Diesem wäre es eigentlich ganz recht, wenn der ganze Organisationsplan zusammenfiel. Gerber ist aber so angegriffen, daß ich fürchte, er spannt ganz aus. Heute früh 10 Uhr plötzlich Sitzung beim König, weil Biedermann gebeten hat, die Regierung möge sich bald aussprechen, was sie mit dem Schulgesetz mache, ob sie § 92 anwenden wolle. Es ward lange hin- und hergeredet und schließlich beschlossen, daß Friesen und Gerber gemeinsam einen offiziösen Zeitungsartikel ausarbeiten sollen, Biedermann aber keine Antwort erhält. Auch ward beschlossen, mehr in der Presse zu wirken, was Nostitz allerdings sehr versäumt. Als ich gestern zu Hause kam, fand ich einen Rehbock, den Sahr aus Dahlen geschickt, mit dem wir nun jetzt, wo Sophie nicht da ist, nichts recht anzufangen wissen. Die radikalen Blätter haben angedeutet, daß ein Diner, welches der König kürzlich der Zweiten Kammer gab, Beeinflussungen beabsichtigt habe und dazu benutzt worden sei, während er bloß beabsichtigte, die Differenz, die mit der Zweiten Kammer bei der Goldenen Hochzeit vorkam, auszugleichen. Februar 3 Gestern um 1 Uhr Sitzung bei Minister Friesen, in der u. a. beschlosen ward, den Konsistorialrat Kohlschütter zum Oberhofprediger zu ernennen. Mittag bei Gustav, wo Dr. Apel aus Leipzig war.
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Die Königin ist am Freitag bedenklich erkrankt. Februar 6 Ich hatte am Sonntag, am Montag und gestern Sitzung und habe heute gearbeitet wie ein Pferd, um ein großes Protokoll contra Reichszivilobergericht, das man in Preußen projektiert, fertig zu machen. Heute gings mir von der Hand, aber in der Regel wird mirs sauer, weil mir die Worte und Wendungen fehlen. Februar 9 Minister von Gerber ist in allen Zuständen, weil das Schulgesetz in der Zweiten Kammer nicht mit Majorität angenommen worden, sondern bloß mehr als ein Drittel dafür gewesen, so daß § 92 der Verfassungsurkunde eintritt, über dessen Anwendung ein großer Zeitungsstreit geführt wird. Er möchte gar zu gern es zurücknehmen, was aber der König und das Gesamtministerium nicht will. Er fürchtet insbesondere für seine Popularität. Das Steuergesetz könnte ein ähnliches Schicksal haben, Friesen versicherte aber in der letzten Sitzung, er werde es dann vor der Abstimmung zurücknehmen. Gerber hat aber die größte Angst deshalb, daß man es erst nach der Abstimmung tun könnte und man dann sagen würde, ja so handelt ein konstitutioneller Minister wie Friesen, aber Gerber verschanzt sich hinter § 92. Ich versicherte ihm aber, daß er Friesens ganz sicher sein könne, was er so geltend verspreche, das halte er. Gerber ist offenbar kein Mann von Entschiedenheit, laviert gern, geht nicht gegen den Strom, aber sehr klug und gewandt. Ein Professor wird schwer ein guter Minister, das meinte Friesen auch neulich. Der Professor muß nach öffentlichem Beifall streben – der Minister muß sich darum gar nicht kümmern. Es lernt sich das aber erst allmählich. Februar 15 Hoffeste sind alle abgesagt, da zu der früheren Trauer noch die kommt um die Halbschwester unserer beiden Königinnen, der Kaiserin Caroline Auguste von Österreich.173 Februar 25 Heute zu Ferdinands Geburtstag großes Familiendiner aller Weber und Berlepsch. Früh war Tauchnitz bei mir, um wegen mehrerer das Archiv für die sächsische Geschichte betreffender Angelegenheiten Rücksprache zu nehmen. Das Unternehmen geht zuück. Er hat bloß noch 190 Abnehmer und also Schaden – er sagt 200 Taler, ob bei jedem Band oder bei drei Bänden weiß ich nicht. Es liegt mir daran, daß er jedesmal, wenn drei Bände erschienen sind, 200 Exemplare der Regierung geschenkt hat, wodurch er die 400 Taler, die er für jeden Band erhält, ausgleicht. Die Schulen und Bibliotheken, die nun Freiexemplare von der Regierung bekommen, kaufen nun nicht. Er will eine neue Folge einrichten, aber nicht wieder auf drei Bände kontrarieren und die Sache ganz aufgeben, wenn ich die Redaktion nicht mehr führe. Mir ist es ziemlich gleich, da ich doch außer Miszellen nichts mehr schreiben werde und der Wegfall der vier Taler pro Bogen, die ich als Redaktionsvergütung bekomme, nicht sehr merklich sein würde. 173 Karoline Auguste Charlotte Prinzessin von Bayern wurde als Tochter von Maximilian I. Josef König von Bayern und Wilhelmine Prinzessin von Hessen – Darmstadt am 8. Februar 1792 in Mannheim geboren. Sie war mit dem Kronprinzen von Württemberg Wilhelm, von 1816 bis 1864 König von Württemberg, seit 8. Juni 1808 verheiratet gewesen. Nachdem diese Ehe am 31. August 1814 geschieden worden war, ging sie am 10. November 1816 die Ehe mit Kaiser Franz I. von Österreich (1768–1835) ein. Es war die vierte Ehe des österreichischen Kaisers, die aber kinderlos blieb. Karoline Auguste starb am 9. Februar 1873 in Wien und ist in der Kaisergruft beigesetzt. Siehe Richard Reifenscheid: Die Habsburger. Graz, Wien, Köln 1994, S. 274, 291–292. – Otto Borst: Württemberg und seine Herren. Landesgeschichte in Lebensbildern. Esslingen, München 1988, S. 267.
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Es war neulich eine Sitzung im Gesamtministerium wegen der Frage über ein oberstes Reichsgericht174, bei der der König und Kronprinz u. a. sich dahin aussprachen, daß die Ernennung der Mitglieder den Einzelstaaten vorbehalten bleiben möge. Man wollte ein Reichsgericht auch höchstens für die Fälle, wo eine gemeinsame Gesetzgebung vorhanden sei, also in Zivilsachen erst, wenn ein deutsches Zivilgesetzbuch adoptiert sei. Nachher hat aber Abeken noch einen erweiterten Vorschlag in einem Aufsatz gemacht, auf dessen Genehmigung seiten des Königs und der anderen Minister Abekens Erklärung auf eine Interpellation Biedermanns in der Zweiten Kammer am 22. des Monats beruht, über welche die beiliegende Extrabeilage der Leipziger Zeitung vom 26. Februar referiert. Die Erklärung hat insbesondere in der Ersten Kammer Anstoß erregt. Abeken schickte mir nun die ganzen Papiere heute mit dem beiliegenden Brief. Der arme Gerber kann über das Schulgesetz gar nicht zur Ruhe kommen. Während er, als ich vor einigen Tagen mit ihm deshalb sprach, war er ganz entschlossen, es nach § 92 der Verfassungsurkunde zu publizieren. Heute bekam ich aber wieder einen langen Aufsatz mit Bedenken, weil er bei den Kammerverhandlungen bei einigen der Vorschläge und Sätze, um die es sich handelt, nicht ganz ausdrücklich gesagt habe, daß die Regierung einverstanden sei, worauf nach meiner Ansicht gar nichts ankommt. Februar 27 Abends 7 ¼ Uhr Telegramm von Erhard: Eben Examen fertig, Alles nach Wunsch – also der erste Schritt in seiner Karriere gelungen. März 10 Soeben ward der Landtag geschlossen. Da ich jetzt als Geheimer Rat in die Zweite Hofklasse gehörig, die den König vertritt, mußte ich der Solennität beiwohnen. Bei der Stelle der Thronrede, welche sagt, daß der König mit lebhaftem Bedauern die Zurückweisung der Abänderung der Verfassungsurkunde wahrgenommen, aber erwarte, daß die Stände das nächste Mal das Gesetz annehmen würden – ein monitum für die Erste Kammer – ging ein dumpfes Bravo durch die Zweite Kammer. Um 3 ist Landtagsdiner. Gerber ist wieder in seiner Ansicht wegen des Schulgesetzes umgeschlagen. Friesen wollte mir gestern, als der Landtagsabschied beraten werden sollte, die Geschichte erzählen, allein Gerber kam gerade dazu. Er geht auf acht Tage nach Sondershausen zu seinem Schwiegervater und wird sich vielleicht dort noch besinnen. Die Kronprinzessin, die sich langweilt, hat mitunter kuriose Einfälle, die ihr, durch den Kopf gehend, auch gleich ausgeführt werden sollen. Am Fastnachtsdienstag läßt der Kron174 Nach der Gründung des wilhelminischen Kaiserreiches bestand eine wichtige Aufgabe darin, die Rechtseinheit im Reich zu schaffen, wozu auch das Prozeß- und Gerichtswesen gehörte. Durch das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 wurde die Gerichtsorganisation im Reich vereinheitlicht und ein einheitlicher Instanzenzug Amtsgericht – Landgericht – Oberlandesgericht – Reichsgericht geschaffen. Nach dem Willen Preußens und vor allem Bismarcks sollte das Reichsgericht als oberstes deutsches Gericht wie alle anderen Reichsbehörden auch seinen Sitz in Berlin nehmen. Bei der darüber im Bundesrat geführten Beratung am 28. Feburar 1877 sah sich Preußen einer geschlossenen Opposition der meisten deutschen Bundesstaaten gegenüber. Auf Antrag der Mittelstaaten wurde schließlich beschlossen, Leipzig als Sitz des Reichsgerichts zu bestimmen. Fürst Heinrich XXII. von Reuß ältere Linie, der generell alle preußischen Vorschläge im Bundesrat ablehnen ließ, schrieb auf eine entsprechende telegraphische Mitteilung „Victoria!“. Siehe Bayern und Sachsen in der Geschichte, a. a. O., S. 311–314. – Ulrich Hess: Die Politik der thüringischen Staaten im Bundesrat des Deutschen Reiches 1867–1918. In: Beiträge zur Archivwissenschaft und Geschichtsforschung, a. a. O., S. 292–316. – Friedrich Beck: „Bundestreue“. Königreich Sachsen und Fürstentum Reuß ä. L. 1866. In: Landesgeschichte und Archivwesen. Dresden, Chemnitz 2002, S. 389–413.
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prinz um 11 seine Kavaliere und Adjutanten kommen und eröffnet ihnen etwas verlegen, die Kronprinzessin wünsche, daß die Tischgesellschaft (etwa 10 Personen) maskiert erscheine. Also mit Mühe treiben die Herren und Damen Masken und Maskenanzüge auf, Leutnant von Schimpf kommt als Dame. Bei der kleinen Zahl der Personen ist aber natürlich jeder sofort erkannt worden und um das zu erleichtern, tritt auch die Prinzessin, als dicke Bäuerin erscheinend, ganz allein aus ihrem Zimmer in den Salon. Die ganze Geschichte ist ohne allen Witz und Amüsement im Sande verlaufen. Morgen bin ich seit langen Jahren wieder einmal zum Kronprinz zu Mittag um 5 ½ gebeten. Also auch in dieser Beziehung so spät als möglich. Bei dem Hofdiner sprachen sich mehrere Mitglieder der Ersten Kammer – Stammer, Posern pp – verwundert aus, daß Hohenthal, der Referent in der Ersten Kammer bei der Verfassungsfrage war, nach der Thronrede zum Diner gekommen sei – künftig würden sie nicht wieder in der Kammer erscheinen. Posern hat seiner Taubheit wegen schon früher resignieren wollen – man werde künftig zu Allem ja sagen, Regierung möge machen was sie wolle pp. In der letzten Sitzung des Gesamtministeriums lobten die Minister Schaffrath einstimmig als einen braven, ehrlichen, loyalen Mann. Er sei ein guter Mensch. Im Vereinigungsverfahren habe er sich ausgezeichnet benommen. Ich sagte es ihm heute nach dem Diner, was ihm sehr angenehm war. Ich fügte hinzu: Sie haben mich immer lebhaft interessiert und erinnern mich an Oberländer – hoffentlich finden Sie darin keine Verletzung. Schaffrath: Das war ja mein bester Freund. Ich: Ja, er war eine wahrhaft edle Natur, womit Schaffrath ganz übereinstimmte. Beide aber sind keine Politiker, Oberländer zu sehr Idealist, Schaffrath steift sich zu sehr auf den Rechtsboden. März 11 Um 5 ½ großes Diner beim Kronprinzen, wo ich den Generalarzt Roth traf, der sich immer sehr freundlich gegen Erhard erwiesen, worüber ich ihm denn Schönes sagte. Dem Kronprinzen erzählte ich, wie er sich damals beim Anfang des Krieges Erhards so menschfreundlich angenommen, was ihm auch noch erinnerlich war. Mit Gerber ist es richtig, so wie ich vermutet habe. Er hat Friesen bereits zwei Mal erklärt, daß er abgehen wolle. Er hat nicht die Courage, das Schulgesetz zu publizieren, will das den anderen Ministern überlassen. Er hat keinen politischen Mut, hascht nach der so vergänglichen Popularität – kein Talent, doch keinen Charakter, wie Heine sagt – das ist kein Minister. Lassen Sie ihn gehen, sagte ich zu Friesen. Jetzt geht Gerber auf einige Zeit nach Sondershausen und ich denke, von dort aus wird er dem König schreiben, daß er nicht wiederkommen wolle. Qui vivra, verra. März 16 Gestern hatte ich eine Besprechung mit Friesen, der mich beauftragte, die Frage wegen des Schulgesetzes zum Vortrag vorzubereiten. Er war im höchsten Grade mit Gerber unzufrieden, der aus dem Schulgesetz eine ungeheuere Wichtigkeit gemacht, die es eigentlich gar nicht habe, und dann, als die Sache schief gegangen, gewünscht habe, die Zweite Kammer möge förmlich gegen die Publikation protestieren. Er hoffte sehr, daß Gerber nun abgehen werde und meinte, wenn das Schulgesetz einmal eingeführt sei, werde man gar keinen besonderen Kultusminister mehr brauchen, sondern der Justizminister könne es mit übernehmen. Ich bemerkte ihm aber, daß doch Abeken mir dazu nicht recht zu passen scheine, womit er auch einverstanden war und ich schied von ihm, mit den Worten entlassend: Ja, wenn wir nur Jemand hätten. Ich ging nun ins Kultusministerium, um mit Hübel zu sprechen. Gerber hat nämlich in einem Aufsatz an das Gesamtministerium angeführt, daß er mit seinen Räten die Ständische
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Schrift über das Schulgesetz geprüft und gefunden habe, daß bis auf zwei Punkte, bei denen er sich nicht ganz bestimmt ausgesprochen, die Regierung überall sich mit den Abänderungen, welche durch § 92 der Verfassungsurkunde als genehmigt zu betrachten, einverstanden erklärt habe. Ich setzte also voraus, daß darüber eine Zusammenstellung aus den Deputationsprotokollen, Berichten, Kammerverhandlungen beim Kultusministerium vorhanden sei, aber point de tout, es ist nichts da. Ich kann das nicht zusammenfinden und schrieb dies Friesen, auf dessen Weisung ich nun heute den Referenten im Kultusministerium, Schulrat Bornemann, darum angegangen habe. März 22 Am Dienstag war ich bei einem Diner bei Kotzebue, bei dem ich einen interessanten alten ehemaligen russischen Diplomaten, von Ungern-Sternberg, kennenlernte. Abeken begleitete mich zu Hause. Wir sprachen von Gerber. Er versicherte mir, dieser denke gar nicht daran abzutreten, es sei bloß seine Gewissenhaftigkeit (potius Angst vor der Zweiten Kammer), die ihn wegen des Schulgesetzes so bedenklich mache. Ich habe auf Friesens Anordnung nun die Verfassungsfrage, ob das Schulgesetz nach § 92 der Verfassungsurkunde publiziert werden kann, in Arbeit genommen und ein bogenlanges Expose geliefert, nach meiner Ansicht geht es. Nous verrons, was die Minister zu meiner Entwicklung sagen werden. Ich habe aber dabei doch recht bemerkt, wie die Schärfe des juristischen Urteils, die man sonst an mir rühmte, abgenommen hat, ebenso wie die Fähigkeit, lange angestrengt zu arbeiten. Weissenbach, der in die 70 ist, aber schon seit Jahren geistig auch invalid geworden, geht jetzt ab. Könnte ich es doch auch, wenigstens das Gesamtministerium los werden. Ich sagte es neulich wieder Abeken. Aber dem König, dem ich viel Dank schuldig bin (Dompropst!) wird es unangenehm sein, ein neues Gesicht in der Sitzung zu sehen und so kann ich wenigstens nicht den Antrag stellen. Auch sind die 500 Taler, die ich Gratifikation erhalte, zu berücksichtigen, da ich trotz des durch die Zulage und Dompropstei, welche 700 Taler bringt, etlicher Einnahmen nicht auskomme. Erhard hat freilich jetzt viel gekostet. März 25 Gestern Abend Sitzung im Gesamtministerium. Vorläufig ward wieder das Schulgesetz besprochen, für dessen Publikation alle waren. Der Kronprinz sagte, es müsse geschehen, „wenn auch Gerber deshalb gehe“. Der König wünscht dies aber nicht, weil ihm eine andere Wahl sehr schwer werden würde. Es kam auch die Besoldungserhöhung für das nächste Budget vor. Die Überschüsse würden es gestatten, wenn nicht jetzt beim Reichstag eine Erhöhung des Militärbudgets von 225 Taler pro Kopf auf 275 Taler beschlossen wird. Dies würde für Sachsen über eine Million jährlich mehr betragen und unsere Überschüsse ganz konsumieren. Fabrice sagte, er brauche keinen Zuschlag, schon von dem jetzigen Betrag habe er große Überschüsse gehabt, davon für 400 000 Taler Tuch in Vorrat angeschafft und 146 000 zu Kasernenbauten bestimmt, sonst hätte er die Überschüsse an die Reichskasse abliefern müssen, was natürlich vermieden wird. Daher kostet uns also das Militär mehr, als eigentlich nötig ist. Preußen kommt aber allerdings nicht aus, was mit daran liegt, daß man eine Menge höhere Militärstellen mehrfach besetzt und zuviel hohe Militärs pensioniert. Die Mlitärschraube dient dazu, das Militär noch zu vermehren und – die kleinen Staaten tot zu machen, die das Militärbudget nicht tragen können. Si vir pacem paca bellum, sagte Prinz Georg, aber durch die enorme Armee werde auch wieder der Krieg provoziert. Wahr! April 6 Am Sonnabend Abend Sitzung im Zimmer des Königs. Ich trug die Frage, ob das Schulgesetz zu publizieren sei, vor. Gerber blieb bei seiner Ansicht, daß es nicht zulässig
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und nicht politisch sei, es zu publizieren. Dann forderte der König die Minister auf, jeder seine Meinung zu sagen. Friesen war am ausführlichsten, alle anderen traten ihm gegen Gerber bei, auch der Kronprinz sehr entschieden, nur Prinz Georg sagte wie gewöhnlich kein Wort. Der König sagte, er wolle sich die Sache noch 24 Stunden ruhig überlegen und fügte hinzu: „Ich hoffe, wir bleiben auch künftig zusammen, wir sind ja zeither gut miteinander ausgekommen.“ Heute habe ich nun ein langes Protokoll gemacht mit pro und contra. April 7 Gerber kam heute früh zu mir ins Gesamtministerium, um mir zu eröffnen, daß er noch am Sonnabend Abend sich entschlossen, nachzugeben und dies Friesen und dem König mitgeteilt habe. Er versichert, mein „lichtvoller und objektiver Vortrag“ habe ihn beruhigt – der wird wenig dazu getan haben. Comedia finita est tandea! Der Präsident der Ersten Kammer, von Zehmen, hat in Folge der Stelle im Landtagsabschied (siehe 10. März) ein Schreiben an das Gesamtministerium gerichtet, in welchem der bittet, dem König zu eröffnen, daß er seine Stelle niederzulegen sich genötigt sehe. Die Sache kam im Gesamtministerium vor und der König nahm das Schreiben an sich, um mit Zehmen zu sprechen oder ihm zu schreiben. Er hat das Letztere getan und Zehmen mit Bezug auf dieses Handschreiben sein Gesuch zurückgenommen. Das erste Schreiben ist aber vom König verbrannt und nicht wieder zu erlangen, was jetzt mit dem alten Herrn öfters passiert. April 21 Sophie gab heute der Halle, Frau von Friesen pp ein Frühstück in Loschwitz auf Baumblüte, an dem ich nicht teilnehmen konnte, weil ich Mittags Sitzung der evangelischen Minister hatte. Gerber und Friesen sind sehr gespannt. Ein Kuriosum bewies dies. Es sind einige Kirchengesetze von den evangelischen Ministern zu vollziehen. Die munda waren beim Kultusministerium gefertigt und mit dem gewöhnlichen großen Siegel, das den Namen des Königs trägt, bedruckt. Dies erregt Friesens Bedenken, er unterzeichnet nicht, sondern schreibt deshalb Gerber einen langen Brief. Gerber schickte nun einen Sekretär zu mir ins Archiv und wollte die Gesetze haben, die natürlich im Gesamtministerium lagen. Ich schlug nun Gerber vor, wir wollten auf die große Oblate das kleinere Siegel der evangelischen Minister (ein großes existiert nicht) drücken und so Friesens an sich begründetes, aber doch sehr unerhebliches Bedenken, erledigen. Statt mir das zu überlassen, brachte Gerber es aber selbst vor und blieb natürlich sitzen. Die Blätter müssen nun umgeschrieben werden. Welcher Zopf!! Gerber ist sehr gereizt gegen Friesen. Ich komme ja nicht gegen ihn an, sagte er mir wiederholt – weil er eben keine Courage hat. Mai 8 Heute war Sitzung des Gesamtministeriums beim König, in der ich aber nicht zum Vortrag kam, da der König bald wieder nach Loschwitz wollte, wo er mit der Königin im Grundstück der Königin Marie in dem ehemals Kruseschen Haus wohnt. Friesen referierte über die Verhandlungen über das Steuergesetz und die Banknoten-und Kassenbillettsfrage beim Bundesrat und klagte über die unglaubliche Unfähigkeit und Ratlosigkeit des bayrischen Finanzministers Birer oder wie er heißt, mit dem auch gar nichts anzufangen sei und der höchstens einen schlechten Sekretär abgeben würde. Er behauptete, es sei mit dem Bundesrat jetzt ganz kläglich bestellt. Mai 27 Am Sonntag um 5 Uhr nach Meißen. Minister Nostitz getroffen, mit dem ich allein im Coupee war. Er hatte das Extrablatt mit der Nachricht, daß Thiers abgetreten, Mac Mahon Präsident geworden. Ich wohnte zum ersten Mal in der Dompropstei, eben nicht brillant, nicht einmal ein Sofa, das auch, als ich deshalb polierte, vom Domkapitel abgeschlagen ward. Montag früh 9 Uhr Sitzung. Nostitz übergab dem Musikdirektor Hartmann
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das Ehrenkreuz des Albrechtsordens. Um 10 Kirche mit herrlicher Kirchenmusik, Ludthart predigte vortrefflich. Um 3 Uhr Diner mit allen Meißner Honorationen. Die Gäste hatten aber Malheur, einem schüttete der servierende Stöpsel ein Laborat mit Madeira auf den Kopf und dem Superintendenten goß der Diener eine große Schüssel mit Leipziger Allerlei in die Halsbinde und über den ganzen Rücken, der mit Krebsschwänzen, Spargel, Klöschen ganz bedeckt war, so daß der Arme seinen Staatsfrack ausziehen und im Paletot weiterspeisen mußte. – Orden nicht nötig. – Zwei Taler Trinkgeld dem Syndicus zur Verteilung gegeben. Um 6 Uhr 20 Minuten mit Zehmen, dem Dompropst, und Graf Rex zurück, dann mit dem Dampfschiff herausgefahren. Der Kammerherr von Zehmen ward als neuer Domherr rezipiert. Juni 2 Pfingstmontag. Anton machte gestern einen guten Witz. Der Fürst Reuß, ein schlechter Reiter, reitet allein spazieren und fällt vom Pferde, ohne sich jedoch schwer zu verletzen, kommt nur etwas beschunden zu Hause. Warum, sagte Anton, läßt er sein Land nicht polstern. Juni 22 Auch ich fühle die Vorboten, daß es dem Ende näher geht. Seit einiger Zeit überfällt mich ein eigentümlicher Zustand, in dem mir gleichsam Traumbilder, während ich völlig wach bin, vorschweben, so daß ich dann nicht weiß, sind es Erinnerungen aus früherer Zeit oder eben bloß Geistesabwesenheiten. Das Denken wird mir schwerer, ich vergesse Alles – kurz ich denke manchmal, es könnte mich plötzlich der Schlag treffen. Das Arbeiten will manche Tage, an denen ich rollig, dollig bin, natürlich auch nicht mehr gehen. Es sind wenig Tage, an denen mir der Kopf ganz klar ist und das Arbeiten, das mir ja sonst nicht schwer ward, von der Hand geht. Drei Bekannte hat kürzlich der Tod auch schnell weggerafft, den Generalleutnant Spiegel, den Hofrat von Zahn und Dr Trendelenburg. Wer weiß, wie bald ich mich ihnen zugeselle. Der König war vier Wochen in Ems, der Kronprinz hat ihn vertreten, allein einige Sitzungen des Gesamtministeriums haben stattgefunden, ohne daß Friesen die Gegenwart des Kronprinzen für nötig erachtet hat, obwohl ihm die Sachen, die ich vortrug, ihm zugesendet worden waren. Er soll aber sonst den Sachen, welche ihm die Minister vorgelegt, sich mit Intelligenz und Eifer angenoemmen haben. Eben höre ich von Budberg, der Alles weiß, daß der Hofrat von Zahn sich in Marienbad gehängt und einen Brief hinterlassen hat an seine Braut, daß sie nicht mit ihm glücklich werden würde. Er hat sich am Sofa liegend erdrosselt mit dem Plaidriemen, dieser ist gerissen und beim Hinstürzen hat er wahrscheinlich das Genick gebrochen. Der König ist von Ems zurück, leidet aber sehr an Asthma und hat daher die Unmassen Begnadigungsgesuche noch dem Kronprinzen überlassen, was aber nicht bekannt gemacht wird, um nicht Besorgnisse im Volk zu erwecken. Juli 1 Mit meinem Befinden geht es besser, die Traumperioden sind seit einigen Tagen nicht wiedergekommen. Von Erhard ganz interessante Briefe. Heute wird er wohl nach Amsterdam kommen. Friesen ist in Marienbad, daher völlige Geschäftsruhe im Gesamtministerium, indem ich, was etwa vorkommt, gleich „zu hoher Genehmigung“ expediere, die nie ausbleibt. August 20 Gott sei Dank seit heute Morgen bin ich wieder in meiner Bagatelle. Vor sechs Wochen über Weimar (Nacht), Eisenach, wo wir mit Seebach zusammentrafen, Wilhelmshöhe (Nacht) nach Köln. Von dort mit Pfarrius und Luise nach Berteich. Vier Wochen dort. … Dann
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nach Trier … Metz – Schlacht, Felder, Gräber, Sant Marie aux chenes, wo Erhard gewohnt hatte. Straßburg. Gabweiler. … In Basel von den Anderen getrennt, den Rigipp besucht … wir über Nürnberg (Nacht), Freiberg (Nacht) zurück. ... Meine letzte Reise hoffentlich, die Kräfte reichen nicht mehr, das Gedächtnis ist so schwach, daß ich Alles vergesse. August 28 Ich fand im Gesamtministerium und Archiv viel Arbeit vor, die ich nun mit einiger Anstrengung fertig gemacht habe. Viele Arbeiten sind mir jetzt eine Last, sonst ein Vergnügen. Man wird eben alt. Friesen klagte auch über Arbeitslast und daneben über Mangel tüchtiger Arbeitskräfte, die er nicht zu finden wisse. Es fehlt eben an gescheiten und fleißigen Arbeitern für den Staatsdienst, der weniger lohnt als andere Gewerbe. Titel ziehen nicht mehr, Orden hat jeder. Der König hat jetzt, während der Kronprinz, dem er seine Vertretung übertragen hat, in Wien ist, den Prinzen Georg substituiert für Gnadensachen und solche Sachen, die keinen Aufschub dulden. Das Protokoll, das ich deshalb aufnahm, hat er aber nicht selbst signiert, sondern nur Prinz Georg. Es soll auch nach Friesens Anordnung nichts bekannt gemacht werden. Es scheint also, als ob der König sich allen Geschäften ganz fern hält, er, der sonst nie genug Arbeit haben konnte. Kyaw erzählte mir, daß Abeken sich bei seinen Beamten sehr unbeliebt gemacht, weil er sie sehr barsch behandle. Man gehe nur mit Zittern zu ihm. Er hat allerdings in seinem Wesen, ohne daß er die Absicht hat, unhöflich zu sein, etwas sehr kurz angebundenes und wenn nun zu einer Zeit, zu der man vielleicht gerade den Kopf voll hat, ein Petent ihm langweilig seine Petita vorträgt, so mag er wohl nicht immer sehr liebenswürdig sein. Anton, dem ich es sagte, will ihn darauf aufmerksam machen. September 7 Im Gesamtministerium seit Monaten keine Sitzung, trotz des nahenden Landtags. Die Minister Nostitz, Gerber, Abeken verreist, eine Menge Sachen liegen da. Auch der Kronprinz, der den König vertreten soll, ist wieder vierzehn Tage auf Truppeninspektion. Oktober 14 Gestern ist der Landtag zusammengetreten. Wenn der selige Könneritz sich über den Geschäftsgang jetzt nicht im Grabe herumdreht, muß er sehr fest liegen. Der König hat zwar nach einer Bekanntmachung vom 20. oder 22. September die Regierung wieder übernommen, allein er will von Geschäften nichts hören, alles dem Kronprinzen überlassen, höchstens die Dekrete an die Stände unterschreiben, aber – es soll nichts bekannt gemacht werden. Am wenigsten will er davon hören, daß der Kronprinz Mitregent werde. Jetzt, wo nun vor dem Landtag eine Menge Gesetze beim Gesamtministerium vorlagen, die außer mir kein Mensch gelesen hat – keine einzige Bemerkung als meine lagen vor – wurde nun in einer kurzen Sitzung Alles genehmigt. Ich machte gleich das Protokoll, in dem es heißt, daß Seine Königliche Hoheit der Kronprinz die Sachen genehmigt habe und es ward nun diesem, ohne daß etwas zu den Akten notiert ward, überlassen, dem König die Sachen vorzulegen, was er aber gar nicht tut. Dieser wird nun als Strohmann immer noch als Regent fortgeführt, unterschreibt aber nur die Dekrete. Donnerstag oder Freitag aß ich mit Uhde, dem Kreisdirektor aus Zwickau, beim Minister Nostitz in dessen neuem kleinen Palais am Palaisplatz – sonst vor 60 Jahren Racknitz gehörig. Uhde war wegen der Verhandlungen mit den Schönburgern zitiert. Der Fürst will die Organisationsgesetze nicht einführen lassen, während die Grafen sich mit Geld befriedigen lassen. Sonnabend war ein großes Diplomatendiner bei Friesen zu Ehren des neuen preu-
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ßischen charge d’affaires Graf Solms175, eines dito österreichischen Fürst Wrede176 und des abgehenden englischen charge d’affaires. Am Sonnabend hat der Kronprinz einen Unfall gehabt, der fürchterliche Folgen hätte haben können, da der Wagen, in dem er saß, um und auf ihn gefallen ist. Das hätte noch gefehlt! Heute ist wieder Sitzung – von beraten der Gesetzentwürfe ist gar keine Rede. Ich verstehe von den meisten selbst gar nichts und die Ministerien machen also alle, was sie wollen. Erhard hat nun doktoriert in voriger Woche und tritt morgen als Assistenzarzt in der Diakonissenanstalt ein. Er war die letzte Zeit bei uns in Loschwitz. Oktober 18 Die letzte Regierungshandlung unseres guten Königs ist wahrscheinlich die Verpflichtung der Kammerpräsidenten am Mittwoch gewesen, die in Pillnitz erfolgte. Obwohl sehr schwach, hat er sich doch noch mit Zehmen und Schaffrath unterhalten. Letzterer hat anfänglich eine Wahl nicht wieder annehmen wollen, da er wohl fühlt, daß er das letzte Mal aus Mangel an Ruhe einige Böcke geschossen hat. Er hat erzählt, daß die radikale Partei ihm habe Bedingungen stellen wollen, daß er aber erwidert, er werde vielmehr solche stellen. Friesen hatte verlangt, daß die Präsidenten zur Verpflichtung in Hofequipagen nach Pillnitz abgeholt werden sollten. Das hat große Schwierigkeiten gemacht, endlich ist ein Zweispänner bewilligt worden, in dem die beiden Herren auch einträchtig gefahren sind. Dafür haben sie draußen sogar ein Frühstück erhalten, zu dem sich unberufen auch der Privatsekretär des Königs, Assessor Stübel, den er seit einigen Monaten zum Vorlesen pp. angenommen hat, eingefunden, der aber nach den ersten Bissen abberufen worden ist. Der junge Mann hat noch kein Geschick, so hatte er einige Mal auf Sachen, die dem König zur Genehmigung vorgelegt wurden, mit Bleistift bemerkt, der König habe es genehmigt, bis ich ihm schreiben mußte, die Minister wünschten, daß er solche Entschließungen mit Tinte schreibe und vom König signieren lasse. Bei der Landtagseröffnung am Donnerstag erschien der Oberhofmarschall von Könneritz zur großen Insignation der Hoftoilettekundigen nicht in Hofuniform, die er, da sie ihm zu eng geworden, nicht hätte zuknöpfen können. Welcher verzwickte Geschäftsgang jetzt herrscht, dafür ein Beispiel. Friesen beabsichtigt, an Zahns Stelle (der sich diesen Sommer entleibt hat) einen Professor Roßmann in die Generaldirektion der Königlichen Sammlungen als Rat zu berufen. Der Kronprinz, dem Friesen die Sache vorträgt, ist einverstanden. Friesen schreibt Roßmann, er möge herkommen. Da bekommt er einen Brief vom Kronprinzen, der König, mit dem er deshalb gesprochen, mache sich Bedenken, weil er nach Äußerungen des Prinzen zu Sachsen-Meiningen, dessen Führer Roßmann gewesen, annehmen müsse, daß dieser nicht religiös sei. Friesen fährt nun nach Pillnitz und beruhigt den König und Roßmann ist angestellt worden. Ich aß neulich mit ihm bei Friesen. Er macht den Eindruck eines geistreichen Mannes. Oktober 21 Gestern ward der Tod des Königs mit Bestimmtheit erwartet und Minister Friesen wünschte, daß ich mit nach Pillnitz fahren möchte, um die Verpflichtung der Minister – eine nach dem Gesetz ganz unnötige Formalität – dem König Albert gegenüber zu protokollieren. Ich blieb also bis Abends in der Stadt – vergeblich. Als wir in Loschwitz um 9 ½ 175 Solms-Sonnewalde, Graf Eberhard zu (1825–1912), 1859 und 1873–1878 preußischer Gesandter in Dresden 176 Wrede, Otto Fürst von, (geb. 1809) österreichischer Gesandter in Dresden. Siehe Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich. Hrsg. von Constant von Wurzbach. Wien 1889, S. 197.
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beim Abendessen saßen, läuteten alle Glocken in der Stadt und wir und alle Welt glaubten, es solle ein Zeichen des Todes sein. Ich fuhr daher heute schon um 7 Uhr herein und gleich zu Friesen, aber die Nacht war sogar besser gewesen, nur die Mattigkeit zunehmend. Es kann also Tage und Wochen dauern. Der König hat schon einige Mal von den Seinigen Abschied genommen, so auch am Sonntag Abend. Während Alle in Tränen zerflossen, hat die Königin ungerührt wie ein Standbild dagesessen, ob, weil sie weiß, daß sie ihm bald nachfolgt, oder aus Stumpfheit des Alters, weiß ich nicht. Ich hatte die Tage viel Schreiberei, weil Alles vorbreitet sein muß für den Todesfall. Friesen war mit Abeken nicht zufrieden, er sei noch zu grün. Er erzählte, daß er ein Zirkular an die Minister gerichtet, ob wegen eines für die Regierung beleidigenden Artikels in der Deutschen Presse Untersuchung einzuleiten sei, bei der die Frage wegen der Publikation des Schulgesetzes, die der Artikel als ein Verbrechen bezeichnet hatte, in Frage käme. Die Minister sind dagegen, aber nichtsdestoweniger läßt er die Untersuchung einleiten (warum fragt er dann da, wenn er sich um die Ansicht der Anderen kümmern will) und der Redakteur und noch ein Mann bekommen vier Wochen Gefängnis. Sie appellieren und nun muß die Sache zur öffentlichen Verhandlung kommen, bei der allerhand unangenehme Expectorationen zu erwarten sind – nun hat Abeken Angst bekommen und fragt, was tun? Ich schlug vor, wenn der König jetzt stirbt, die Sache durch eine allgemeine Abolition unter Hinzunahme noch einiger anderer Verbrechen zu beseitigen. Ich erbat mir von Friesen heute Dispensation von der Verpflichtung der Minister in Pillnitz, da ich nicht wohl bin und sonst immer bis Abends in der Stadt bleiben mußte. Ich erhielt dann auch den Auftrag, Roßberg zu annektieren, daß er es machen solle. Oktober 26 Gestern sind wir hereingezogen und zugleich ist der Herbst eingezogen mit Regen und Wind, nachdem bis dahin herrliches Sommerwetter gewesen. Der arme König kann nicht sterben. Die Ärzte wissen nicht, was sie sagen sollen. Die Hofschranzen machen es ihm zum ernsten Vorwurf, daß er sie so lange geniert. Sie versichern auch, die königliche Familie könne es nicht länger aushalten, die stete Spannung erschöpfe alle – aber es wird sich doch schließlich nichts tun lassen. Traurig aber menschlich, daß sie den Tod des Königs herbeiwünschen, da doch Rettung nicht möglich ist. Den Leibärzten macht man den Vorwurf, daß sie die Krankheit nicht richtig erkannt, den König nach Ems geschickt, was ihm schädlich gewesen pp. Quien sabe sagt der Spanier. Eben wird wieder ein Bulletin ausgegeben, wonach es viel besser geht, nachdem Fiedler in seinem Bulletin schon vor mehreren Tagen den Zustand als völlig hoffnunslos bezeichnet hat. Er hat dem König zu große Dosen Digitalis und Morphium gegeben, so daß dieser immer im Schlaf gewesen ist. In den ärztlichen Kreisen wird behauptet, daß Fiedler bloß ein geschickter Anatom sei, kein praktischer Arzt, daß er den König ganz falsch behandle. Ulrich, auch ein Hofarzt, ist bloß Chirurg, Brauer, kürzlich Hofrat geworden, ein Ochse. Der Professor Wagner aus Leipzig, der zugezogen worden, hat durch barsches, ungeschliffenes Wesen verletzt, man will ihn bei Hof nicht mehr. Kurz diffizile satyram non scribere!, wenn es nur nicht über unsern guten König herginge!!! Fiedler hat lange Jahre bloß als Prosektor im Krankenhaus gearbeitet, keine Kranken behandelt. Er wird also des Königs Leiche sehr gut sezieren, aber den Lebenden eben tot machen. Man kann ein guter Fleischer sein, ist aber deshalb noch kein Koch. Ein Witzbold hat neulich das eine Bulletin „Der Zustand des Königs ist hoffnungslos“ mit dem Zusatz gebracht „Dr. Brauer ist zum Hofrat ernannt worden.“ Was die Zeitungs-
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schreiber alles wissen. Ich hatte vor acht Tagen schon mit Friesen gesprochen, daß, nachdem im September der König die Geschäfte nach öffentlicher Bekanntmachung dem Kronprinzen wieder abgenommen, doch jetzt die Sache geregelt werden und der Kronprinz als Mitregent proklamiert werden müsse. Friesen sagt aber, daß es nicht möglich sei, den König dazu zu bekommen. Heute bringen nun die Dresdner Nachrichten erst eine Notiz über des Königs Befinden, die, es ist zwar sonderbar, doch klinget es recht wunderbar, offenbar von Dr. Fiedler ausgeht und daran schließt die Zeitung die interessante Notiz, von der ich gar nichts wußte, daß das Gesamtministerium augenblicklich sich mit der Frage beschäftigt!! Oktober 29 Eben verkündet ein Extrablatt, daß unser guter König heute früh 5 Uhr 23 Minuten sanft verschieden ist. Have pia anima. Heute Morgen hat König Albert seine erste Regierungshandlung vorgenommen, bei der aber ein Malheur passiert ist. Die Minister wurden in Pillnitz verpflichtet und erwarteten dann die Präsidenten der Kammern, um die Urkunde wegen der Verfassung nach § 138 der Verfassungsurkunde in Empfang zu nehmen. Die Präsidenten kamen durch ein Versehen der Bestellung eine Stunde zu spät und nachdem der actus vorüber war, bemerkte Schaffrath, daß die Urkunde nicht ganz richtig gefaßt sei. Es war die Formel so wie früher gefaßt „Nach Antritt der Regierung“ – Schaffrath verlangte aber, es müsse heißen „Bei“ – was nach den Worten der Verfassungsurkunde allerdings richtig ist. Die bereits vollzogene und übergebene Urkunde mußte daher umgeschrieben werden. Dresdner Nachrichten Nr. 311 vom 7. November 1873: In der letzten Zeit vor seinem Tode hat sich bekanntlich König Johann die Einsamkeit schlafloser Nächte dadurch zu verscheuchen betrachtet, daß er sich von seiner Umgebung vorlesen ließ. Diese Lektüre war, wie man uns erzählt, eine höchst mannichfaltige und gestattet einen Rückschluß auf die Vielseitigkeit seines Geistes und den Reichtum seines Wissens. Auf speziellen Wunsch des leidenden Königs wurden ihm vorgelesen Stücke lateinischer Schriftsteller, unter anderem der Kirchenväter, italienische Klassiker, Autoren der klassischen Literatur der Franzosen, Miltons verlorenes Paradies und Shakespeares Sonette, sämtlich in der Ursprache, ferner deutsche Klassiker und mit Vorliebe Vossens Übersetzung von Homer’s Ilias und Odyssee. Ganz besonders ergriffen war König Johann von einzelnen Partien seiner eigenen Memoiren, nach denen er in einer besonders schmerzlichen Nacht Verlangen trug, die bis in die früheste Jugendzeit zurückreichten und unter Anderem die Eindrücke lebhaft schildern, die am sächsischen Hofe die Kunde von der Schlacht von Jena, bei der bekanntlich Sachsen und Preußen verbunden kämpften, gemacht hatte. Diesen Teil seiner Denkwürdigkeiten hat König Johann schon vor geraumer Zeit geschrieben und er frischte bei der Lektüre längst vergangener Zeiten lebhaft auf. Auch über die Leipziger Ereignisse, den Maiaufstand, die Zeit des Frankfurter Fürstenkongresses, 1866 und 1870 sollen jene Denkwürdigkeiten höchst wertvolles historisches Detail bieten und nicht minder durch Schilderungen seiner Verheiratung mit der damaligen bayerischen Prinzessin Amalie, seinen italienischen Reisen, seines Familienlebens als Vater einer zahlreichen Familie reich belohnte Blicke in ein tiefsinniges Gemüt gewähren, wie sie auch dem Ernste, mit dem er als Prinz an den Beratungen der Stände teilnahm und mit dem er sich als König den Regierungsgeschäften widmete, ein glänzendes Zeugnis der Pflichttreue ausstellen.
November 13 Schon seit Wochen habe ich vergeblich gehofft, ich würde Friesen bestimmen, endlich einmal eine Sitzung im Gesamtministerium zu halten. Er lehnte immer ab und es blieb mir also nichts übrig, als die Sachen „zu hoher Genehmigung“, wie die Floskel heißt,
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die ich mit Bleistift auf die Ausfertigung schrieb, auszufertigen. Ich glaube, außer Friesen sieht Niemand die Sachen an. Der König Albert muß auch einen sehr schnellen Überblick haben. Heute Mittag schickte ich ihm eine umfängliche Sache, einen Vertragsentwurf mit den Schönburgern wegen Abtretung ihrer Gerechtsame und als ich um drei ins Gesamtministerium kam – war die Sache schon zurück von ihm! Gestern Abend hatte ich eine Whistpartie mir eingeladen, u. a. Falkenstein, Abeken, Amtshauptmann Otto von Ehrenstein, den Sohn meines alten Freundes, der jetzt Landtagsabgeordneter ist. Eine halbe Stunde vorher kam Minister von Gerber mit Frau und Tochter, die dann nun den Abend dablieben. Ich benutzte die Gelegenheit, um mit ihnen darüber zu sprechen, daß ich das Referat im Gesamtministerium nun gern abgeben möchte, ehe man sage, Gottlob, daß der alte Esel endlich geht. Ich habe nun, da ich es Friesen und Nostitz bereits wiederholt gesagt, nun das Meinige getan und man kann mir nicht nachsagen, daß ich an dem Posten klebe. November 17 Heute die erste Sitzung des Königs im Gesamtministerium von 1 ½– 3 ¾ – aber Malheur, den Schönburgischen Vertrag, der im Entwurf unkallographiert an alle verteilt worden, hatte Niemand gelesen als Abeken und ich. Es ging nun holter die polter. November 23 Vor einigen Tagen war Graf Vitzthum bei mir, der österreichische Gesandte in Madrid, das er aber noch nicht betreten hat. Man scheint ihn ad acta gelegt zu haben. Früher der größte Verehrer Beust’s, entwickelt er nun jetzt, daß Beust’s Politik eine ganz falsche gewesen schon seit dem Krimkrieg. Hätte er damals Vitzthum’s weise Vorschläge befolgt, wäre der ganze Krieg vermieden worden pp, kurz, Vitzthum ist – nach seiner Überzeugung wenigstens – dem eitlen, sich überschätzenden Beust weit überlegen. Der ungarische Ausgleich, eine Altise Beust’s, wird nächstens zusammenfallen pp. Am Freitag (Bußtag) kam früh Tauchnitz zu mir, der eine besondere Kondolierungs- und Gratulationsaudienz beim König erbeten und erlangt hat, von dessen Huld er sehr entzückt war, nur hatte es ihn verletzt, daß der König ihn gefragt, ob er auch Sortimentsbuchhändler sei? – Er, der Chef der großen Verlagshandlung! Er erzählte auch, daß es in Leipzig sehr verletzt habe, daß Prinz Albert bei einem Diner, das er dort gegeben, sich nach Tisch von Senft eine Zigarre geben lassen und ganz allein geraucht habe, während Niemand eine Zigarre angeboten worden. Am Freitag Abend waren wir zu einer Soiree zum Maler Andreä gebeten, der sich auf der Gartenstraße (Nr. 8) ein sehr schönes Haus mit großem Atelier erbaut hat. Es waren eine Menge Leute da und der ehemalige bückeburgische Minister von Strauß, mit dem ich bei den Ministerkonferenzen 1852 zusammen war, ferner ein Prinz Reuß – Andreä hat gern so ein vornehmes Tier bei sich – Superintendent Meier pp, kurz eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, die sich aber bei gutem Wein ganz gut amusierte. Dezember 8 Graf Vitzthum wünschte Depeschen, die er aus Petersburg und London als charge d’affaires geschrieben und in denen er seine politische Weisheit niedergelegt, die Beust nicht beachtet hat, einzusehen, um sie bei Memoiren, die er zu schreiben gedenkt, zu benutzen. Das Gesamtministerium aber hat, wie ich voraussah, das Gesuch abgeschlagen. Ich hörte, daß er seit langen Jahren, seit der Zeit, als er als junger Attache in Wien war, ein Verhältnis mit einer polnischen Gräfin hat, in dem ein junger Graf, der ihm sehr ähnlich sieht, seinen Ursprung findet. Le bon homme de mori hat auch nichts eingewendet und ein Onkel dem Pseudoneffen sein großes Vermögen hinterlassen. Vitzthum will die schon ältere Dame
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gern heiraten, aber der Mann, der schon hoch in die 70 ist, stirbt nicht, Scheidung aber ist, da beide katholisch sind, nicht tunlich. Mit der Dame und seinem Sohn ist er in Paris gewesen und geht auch wieder dahin. Sie ist sehr reich. Der Bildhauer von Hoyer, den ich flüchtig von Leipzig her kenne, ist vom Schlag getroffen in großem Elend. Ich habe versucht, ihm Unterstützung zu verschaffen. Er hat noch drei Statuen, eine Leda, einen Amor und eine Nymphe, erstere soll 2400 Taler kosten, wer kann aber solche nackte Figuren aufstellen? Er war lange in Rom, dann in Weimar, wo er aber mehr als Kavalier als als Künstler auftrat und hat hier Statuen für den Weinberg des Königs Friedrich August gemacht, die Beifall finden, seit Jahren aber keine Bestellung mehr gehabt. Dezember 11 Vor etwa acht Tagen ging ein Kommunikat des Hausministeriums ein, worin beantragt ward, die Zivilliste des Königs solle auf eine Million erhöht werden. Falkenstein sagte mir dabei, der König wünsche, daß die Sache im Gesamtministerium in seiner und des Geheimen Hofrat Bähr Gegenwart beraten werde. Ich schrieb das hinzu, indem ich das Kommunikat in Zirkulation setzte. Später sagte mir Bähr, Friesen habe mit ihm gesprochen, die Summe für zu hoch erklärt, man könne da die Gehalte der Beamten nicht erhöhen. Ich hörte von der Sache nichts weiter und ersah erst aus den Zeitungen, daß bei den Ständen ein Dekret eingegangen sei, in welchem die Erhöhung nicht begeistert, sondern im Allgemeinen Verständigung darüber beantragt wird. Ob die Minister darüber beraten, weiß ich nicht, jedenfalls ist Falkenstein dabei ganz übergangen worden. Friesen hat die Sache bloß mit dem König wahrscheinlich besprochen. Heute Morgen meldete das beiliegende Telegramm den gestern Abend erfolgten sanften Tod meiner Schwiegermutter, dem wir allerdings schon lange entgegensehen mußten, Sit ei terra levis! Was sie mir Leids getan, habe ich ihr längst vergeben. Sophie will trotz Unwohlseins und rauhen Wetters nach Osnabrück, wir warten nur noch auf Antwort auf eine telegraphische Anfrage, wann die Beerdigung sein wird. Dezember 14 In der letzten Versammlung des Altertumsvereins sagten Einige dem Prinzen Georg von meinem Nachruf an den König in der Novemberversammlung und meinten, er möge in den Vereinsheften abgedruckt werden. Ich sagte, daß er mir zu unbedeutend erscheine und der Prinz wünschte ihn zu lesen. Er hat mir dann sein Urteil in einem Brief vom 12. des Monats recht hübsch ausgesprochen. Ich lasse den Aufsatz nicht drucken, was ich dem Prinzen, der mir vorgeschlagen, ich sollte ihn in das Archiv für die sächsische Geschichte aufnehmen, schrieb. Dezember 16 Prinz Georg antwortete mir sogleich, wieder sehr höflich, wir sind nun einig. (Nachruf auf König Johann von Karl von Weber, vorgetragen in der Versammlung des Altertumsvereins am 3. November 1873. Bisher ungedruckt) Wir beginnen heute unsere Versammlung ganz unter dem frischen Eindruck des tiefsten Schmerzes über den Tod unseres heißgeliebten hochverehrten Königs, ein Gefühl, das das ganze Land mit uns teilt. Sachsen hat seit mehr als einem Jahrhundert das seltene Glück gehabt, in ununterbrochener Reihenfolge Regenten zu besitzen, die in der Tat Zierden des Thrones waren. Friedrich Christian, Friedrich August der Gerechte, Anton der Gütige, Friedrich August, der eben diese Bezeichnung verdient, waren alle weise, gerechte, milde, treffliche Fürsten und ihnen reiht sich unser hochseliger König Johann in würdigster Weise an. Wie gewissenhaft und mit welcher Aufopferung er wäh-
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rend seiner 19jährigen Regierung alle Pflichten eines Regenten erfüllt hat, mit welcher Umsicht er die Schwierigkeiten, welche die politischen Verhältnisse brachten, zu überwinden verstand, mit welcher Treue er den Verpflichtungen, welche die Neugestaltung Deutschlands ihm auferlegte, nachkam, nun das haben Sie Alle miterlebt und die Geschichte wird dies unsern Nachkommen in glänzendem Zeugnis bewahren und berichten. Die Grundzüge seines Charakters waren Rechtssinn, Treue, Milde, Menschenfreundlichkeit und wahres frommes Gottvertrauen, das ihn allein bei den schweren Schicksalsschlägen, die ihn durch den Verlust so vieler teurer Familienmitglieder trafen, aufrecht erhielt. Seine wahre Frömmigkeit belegt u. a. eine Sammlung von ihm selbst zu seiner Erbauung verfasster Gebete, die sich in seinem Nachlaß gefunden hat und die nach Versicherung Eines, dem es gestattet war, einen Blick hineinzuwerfen, eben so sinnig und geistreich sein sollen, wie sie seinen wahrhaft frommen Sinn bezeugen. Seiner Kirche aufrichtig ergeben, war er doch ganz frei von Unduldsamkeit gegen Andersglaubende und den Frieden, der Gottlob in unserem engern Vaterland zwischen den Bekennern der verschiedenen Kirchen herrscht, verdanken wir wesentlich seiner Mitwirkung und Weisheit. Wie gewissenhaft er überall den Rechtsstandpunkt festzuhalten suchte, das zeigte sich u. a. bei der Frage über die Sukzession in Schleswig-Holstein, die später das Schwert entschieden hat. Der hochselige König sammelte alle über die Frage erscheinenden Schriften, studierte diese, die allerdings zum Teil auf einem Parteistandpunkt beruhend, die verwickelten Rechtsfragen weniger klar zu lösen als noch mehr zu verwirren geeignet waren. Ausführliche Vorträge und Beratungen wurden darüber im Gesamtministerium gehalten, um eine feste Rechtsbasis für die Abstimmung beim Bundestag zu gewinnen. Das genügte aber dem König noch nicht. Er beauftragte mich, nochmals das ganze umfängliche Material zusammenzustellen und ihm allein die Sache nochmals ganz besonders vorzutragen. Referieren Sie mir, sagte er, ganz so, als wenn Sie im Appellationsgericht ad sententiam vortragen wollten, wir wollen alle Fragen besprechen und prüfen. Das geschah dann und mein Vortrag und die sich daran anknüpfenden staats- und lehnrechtlichen Diskussionen, bei denen der König mich mehrfach in meinen Ansichten berichtigte, nahmen mehrere Abende in Anspruch. Dabei ereignete sich ein Vorgang, der, so unerheblich er an sich ist, doch beweist, wie rücksichtsvoll der König war. Einst hatte er bereits den Befehl gegeben, mich für den Abend zur Fortsetzung meines Vortrages zu bestellen, als er sich erinnerte, daß an diesem Tage ein Konzert stattfinde, das ich als Musikfreund vielleicht gern besuchen würde. Er rief den Kammerdiener zurück und sagte, ich würde wohl heute in das Konzert gehen wollen, er solle mich deshalb lieber zum morgenden Abend bestellen. Gewiß, es hat nicht viele Regenten gegeben, die ihre Bequemlichkeit zurücktreten ließen von der Möglichkeit, sie könnten einen Beamten, der seiner Stellung nach eine besondere persönliche Berücksichtigung gar nicht zu beanspruchen hatte, in seinem Vergnügen stören. König Johann hatte aber nicht bloß umfassende Rechtskenntnisse, er war auch in allen Fächern der Verwaltung wohlbewandert. Längere Zeit war er Vizepräsident des Geheimen Finanzkollegiums und er sammelte in dieser einflußreichen Stellung einen reichen Schatz von Kenntnissen und Erfahrungen, die er später trefflich zu verwerten verstand. Als die Verfassungsurkunde ins Leben getreten, ward er eines der fleißigsten und bedeutendsten Mitglieder der Ersten Kammer und es ist gewiß keine Frage von einiger Bedeutung an die Kammern gekommen, bei deren Beratung er sich nicht als gewandter und geübter Redner beteiligt hat. Als Referent bearbeitete er 1836 den Bericht über das Kriminalgesetzbuch, ein Werk, das 155 Druckseiten füllt und ein glänzender Beweis seines Fleißes und seines gründlichen Wissens ist. Seitdem war er dann auch dem Kriminalrecht und seiner Anwendung stets mit Vorliebe zugetan. Zahllose Begnadigungsgesuche, die ihm alle vorgelegt werden mußten, hat er mit größter Gewissenhaftigkeit selbst geprüft und oft die gewieg-
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Teil II Vom Ende des Revolutionsjahres 1849 bis zu Webers Tod 1879 testen Referenten durch die Schärfe seines Urteils und seinen richtigen Blick überrascht.War es ihm doch eine wahre Freude, wenn er einen Milderungsgrund entdecken und daraufhin, dem Zug seines Herzens folgend, eine Begnadigung oder Herabsetzung der Strafe vor sich selbst rechtfertigen konnte. Wie leicht es ihm ward, selbst in fern liegende Rechtssphären sich einzuarbeiten, beweist seine Teilnahme an der Wechselordnung, die auf dem Landtag 1845 zur Beratung kam, aber später durch die deutsche Wechselordnung erledigt ward. Als Mitglied der Zwischendeputation der Ersten Kammer gab er ein Separatvotum (Landtagsakten 1845/46, Beilage zur 2. Abteilung. Sammlung I, S. 664) und entwickelte bei den Beratungen selbst eine solche Rechtskenntnis, ein solches Verständnis des Wechselrechts in seinen Spezialitäten und Bedürfnissen, daß mir der Verfasser des Entwurfs, Dr. Einert, versicherte, er sei völlig erstaunt gewesen. Durch eingehendes Studium unserer Gesetze, durch seine lange Tätigkeit in der Kammer, hatte er eine so spezielle Kenntnis unserer Landesgesetzgebung und Verfassung, der Vorgänge und Praxis erlangt, daß ich wiederholt Zeuge gewesen bin, wie er bei den Beratungen im Gesamtministerium durch geistreiche Auffassung das Zitieren einer unbeachtet gebliebenen Stelle eines Gesetzes oder die Erinnerung an Präzedenzfälle die Entscheidung herbeiführte. Und mit welcher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit prüfte er zu jeder Zeit noch bis zu seinen letzten Lebenstagen alle Vorlagen im Gesamtministerium, indem er oft ausführliche Bemerkungen und Begründungen seiner Ansicht und Bedenken beifügte. Viele wichtige und zweckmäßige Abänderungen von Gesetzentwürfen verdanken ihm ihren Ursprung. Um übrigens die Unleserlichkeit seiner Handschrift zu verbessern, nahm er noch in den spätern Lebensjahren Unterricht in der Kalligraphie, wenn ich nicht irre bei einer Madame Jaffee. Auch bei den Beratungen im Gesamtministerium trat die ganze Liebenswürdigkeit und große Bescheidenheit seines Charakters lebhaft hervor. Fern von jedem Geltendmachen seiner erhabenen Stellung, von Rechthaberei, ging er auf jede Einwendung ein, trat, wenn ihm überwiegende Gründe entgegengestellt wurden, ohne Widerstreben mit seiner Ansicht zurück. Ein neues Feld der Tätigkeit entwickelte sich ihm, als in Folge der Unruhen im Jahre 1830 die Kommunalgarde errichtet ward. Er trat an die Spitze des ganzen Instituts, bearbeitete selbst die Regulative und führte als Generalkommandant die Leitung nicht bloß mit der Feder, sondern auch mit dem Schwert. Einst als eine Bande im rohen Übermute die Bürgerwehr im hiesigen Rathaus und dieses selbst bedrohte, eilte der Prinz mit einer Handvoll Kommunalgardisten, die er in der Eile zusammengerafft, mit geschwungenem Säbel herbei und verjagte die Übeltäter. Ein anderes Mal, als in später Abendstunde ein Auflauf entstand, sprengte er an der Spitze der wenig zahlreich berittenen Kommunalgarde wahrhaft tollkühn unter die Aufrührer, die den kleinen Trupp, an dessen Spitze sie den Prinzen nicht vermuteten, mit Steinwürfen empfingen. Doch der kühne Angriff, bei dem auch der spätere Reichskanzler Graf von Beust und der Geheime Finanzrat von Reibold (dieser in der landständischen Uniform, aber ohne Epaulettes) tätig waren, gelang, die Aufrührer flohen. Daß unser hochseliger König ein Gelehrter von umfassendem Wissen war, ist allbekannt, alter und neuer Sprachen war er mächtig. Bei seinen Sprachstudien benutzte er seine große Sammlung von Bibeln in allen Sprachen, indem er einzelne Stellen der Bibel danach zusammenstellte und die verschiedenen Sprachen verglich. Noch in seinen letzten Lebenstagen, als schon die Schatten des Todes ihn umschwebten, ließ er sich den Homer in der Ursprache vorlesen. Der italienischen Sprache war er vorzugsweise Meister und zugetan. Der Dante des Philalethes ist ein Werk des mühevollsten Fleißes und der größten Gelehrsamkeit. Eine merkwürdige Mitteilung ward mir von einem Augenzeugen, der den entseelten Körper des hochseligen Königs kurz nach seinem Ableben sah: er versicherte mir, daß das Antlitz des Verklärten ganz den bekannten Zügen Dantes,
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mit dem er sich so viel beschäftigt, geglichen habe. Mit seiner liebenswürdigen Herablassung war der König auch gern bereit, mit der Fülle seines Wissens Andern auszuhelfen. Ich fand einst in einem Aktenstück über einen interessanten Vorgang einige mir völlig unverständliche Worte, die, da sie einem Italiener in den Mund gelegt waren, doch allem Vermuten nach italienisch sein mußten. Verschiedene Kenner der italienischen Sprache, die ich zu Rate zog, versuchten sich vergeblich an den mystischen Worten. Ich faßte endlich den Mut, den König selbst anzugehen und trug ihm meine Bitte um Hilfe mit den Worten vor, Seine Majestät wüßten ja schon, daß sich Ihre Untertanen in allen Nöten an Ihn zu wenden gewöhnt seien. Der König lächelte und sagte mir, da er im Augenblick auch die Worte nicht zu deuten verstand, seine Mithilfe zu, war auch so gnädig, mir seine Konjektur einige Tage später mitzuteilen. Seine gelehrten Studien beschränkten sich aber nicht bloß auf die Sprachen, sondern auf alle Fächer des Wissens und der Kunst und es ist gewiß kein Buch von einiger Bedeutung erschienen, das seiner Aufmerksamkeit entgangen wäre, das er nicht gelesen oder sich hätte vorlesen lassen. Vor seiner Thronbesteigung pflegte er öfters Abends einen kleinen Kreis von Männern bei sich zu sehen. Die Geladenen versammelten sich um 6 Uhr in dem Bibliothekszimmer des Prinzen, der das Prinzenpalais bewohnte. Um einen mit grünem Tuch überzogenen Tisch standen einige Stühle, wie in einem Kollegium. Der Prinz trat ein, wenn die kleine Gesellschaft von 4 bis 5 Personen versammelt war, setzte sich oben an und es begann nun ein ganz ungezwungenes Gespräch, in dem der Prinz bisweilen selbst einen Gegenstand bezeichnete, über den er einen Meinungsaustausch wünschte. Auch ein Scherz war gern gesehen und der Prinz konnte herzlich lachen, wenn z. B. der alte Hof- und Justizrat Einert mit pedantischem trocknen Humor seine juristischen Witze machte oder der geistreiche Kunstkenner von Quandt spaßhafte Anekdoten von seinen Kunstreisen erzählte. Um 8 Uhr wurden die Eingeladenen nach einfacher Bewirtung entlassen. Es waren dies sehr interessante anregende Abende. Alle, die ich dort vor langen Jahren getroffen, ruhen im Grabe. Es fallen mir nur noch ein Oberhofprediger von Ammon, Geheimer Rat von Langenn, Appellationsrat Stieglitz. König Johann war überhaupt kein Freund steifer zeremonieller Festlichkeiten, denen doch ein Regent sich nun einmal nicht entziehen und denen er trotz aller persönlichen Liebenswürdigkeit den steifen Zwang nicht abstreifen kann. Im Kreise seiner Familie, in dem stillen Jahnishausen, in Weesenstein, mochte er sich am wohlsten befinden. Aber auch in den kleinen Abendzirkeln, die, als er den Thron bestiegen, bei Ihrer Majestät der Königin stattfanden und zu denen in der Regel nur einige Herren mit ihren Frauen geladen wurden, war er das belebende Prinzip, ein liebenswürdiger, geistreicher, unterhaltender Gesellschafter, der ebenso trefflich Anekdoten zu erzählen, als – auch eine Tugend – mit anzuhören verstand. Ich erinnere mich noch, mit welchem Humor er das letzte Mal, als mir die Ehre geworden, eingeladen zu sein, erzählte, wie ein Wiesenvogt, auf zahlreiche Maulwurfshügel zeigend, sich über die Mundwürfe beklagte, weil er das Wort Maulwurf für die Allerhöchsten Ohren nicht für anständig erachtete – oder daß ein offizieller Redner ihn mit den Worten „Allerverliebtester König“ begrüßt hatte. Im vertrauten Familienkreise hat er sich früher auch öfter bei theatralischen Aufführungen beteiligt und sich dabei als ein ausgezeichneter Darsteller, besonders in komischen Rollen, bewährt. Prunk verschmähte er, er war einfach in seinen Gewohnheiten und Bedürfnissen. So wies auch die Einrichtung seines Studierzimmers mehr auf den Gelehrten als den König hin. Er bewohnte bis vor einigen Jahren das Zimmer nach dem Schloßhof zu, in dem jetzt die Handbibliothek in eleganter und zweckmäßiger Einrichtung aufgestellt ist und in der, auch bezeichnend, ein Käfig mit Turteltauben, ein Geschenk zur Goldenen Hochzeit, sich befand. Die Bibliothek stand früher in dem Zimmer nach dem kleinen Garten zu, welches zuletzt auf Anraten der Ärzte dem hochseli-
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Zeitung 1852 Nr. 197 Seite 3831, Nr. 198 Seite 3931, Nr. 199 Seite 3946, Nr. 200 Seite 3967, Nr. 202 Seite 4008). Er ist unserem Verein immer ein wohlwollender Beschützer geblieben, ihm verdanken wir unser Lokal, seiner Huld und der Munifizenz der Stände auch die Staatsunterstützung. Unser Verein wird daher das Andenken an König Johann, den Vater des Vaterlandes und allseitigen Schützer der Wissenschaft, stets in dankbarster Erinnerung und hohen Ehren bewahren. Das edle Haus der Wettiner kennt schon einen Johann den Beständigen, auch unser König Johann war beständig in warmer Liebe zu seinem Volk, in fester Treue dem gegebenen Wort, in frommem Gottesvertrauen. Friede seiner Asche!
7. Letzte Lebensjahre Dezember 16 Heute war Graf Vitzthum bei mir, dem das Gesamtministerium sein Gesuch um Einsichtnahme seiner Depeschen aus Petersburg und England abgeschlagen hat – er will Memoiren für sich bloß schreiben, wie er sagt. Celdat Judaeus Apolla! Er erzählte, daß, als er 1852 in Petersburg als Ministerresident war, unser jetziger König und der Kronprinz von Preußen (den er für sehr dumm, schlaff und ganz von seiner Frau beherrscht erklärte) gleichzeitig dort waren, zu großen Militärmanövers. Bei einem Ball bei der Herzogin von Leuchtenberg sagt ihm Kaiser Nikolaus: „Voila ces deux priinces pl’ua (auf Prinz Albert zeigend) serait capable de genocones un empire, tandis qu’a mon peuvre neveu je ne conficrais pas une compagnie.“ Dezember 28 Der Bildhauer von Hoyer wird immer schwächer. Ich brachte seiner Schwester vorgestern wieder Geld, u. a. 125 Taler von der Großherzogin und dem Großherzog von Weimar. Der Graf Seebach, der vor einiger Zeit bei mir war und angeblich eine Statue gegen jährliche Zahlungen kaufen wollte – ist gar nicht hingegangen. Gestern Mittag war die Bergrätin von Cotta mit ihrem Bruder, der beim Auswärtigen Ministerium in Wien als Pressereferent angestellt ist, zu Tisch bei uns. Außer ihm sind noch drei Andere bloß dazu angestellt, die Zeitungen zu lesen und Alles zu extrahieren, was über den Kaiser, die Kaiserin und die österreichische Politik darin steht. (Cotta) hat die spanische und englische Presse und damit täglich etwa fünf Stunden zu tun. Der Kaiser bekommt die Extrakte über seine und der Kaiserin Person, Andrassy die politischen Extrakte. Dezember 31 Gestern Abend Partie bei Melly mit Jordan, Mangoldt, Geheimen Rat von Oppell, Schönfeld. Hoyer ist vorgestern gestorben. Gestern ist in der Diakonissenanstalt eine tragisch lächerliche Geschichte passiert. Die Frau des Ortsrichters Drache in Kötzschenbroda, 24 Jahre alt, stirbt dort in Folge einer Operation. Er, ein wohlhabender Mann, schickt ein weißseidenes Kleid pp zur Schmückung der Leiche, einen schönen Sarg. Gleichzeitig stirbt eine 71jährige arme Frau. Die Leichenwäscherin kleidet aus Verwechslung die Alte in die schönen Kleider, die Kötzschenbrodaer in ein ärmliches Leinen, legt die Alte in den für letztere bestimmten Sarg. Dieser wird nach Kötzschenbroda gefahren, wo ein zahlreiches Gefolge, Verwandte die Leiche erwarten. Sie wünschen, sie noch einmal zu sehen und welcher Schreck, als man die unbekannte Alte darin findet. Der Mann kommt gleich zurück, da ist seine Frau schon in Dresden beerdigt. Sie wird gleich wieder ausgegraben und nun in den richtigen Sarg mit einem andern weißseidenen Kleide nach Kötzschenbroda geschafft.
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1874 Januar 18 Wir haben der Trauer wegen sehr still gelebt. Die Halle ist krank, daher auch dieser Zirkel geschlossen. Gestern hatte ich ein Diner bei Minister Gerber, nach dem mich Kotzebue, den ich auch sonst nicht zu sehen bekomme, zu Hause fuhr. Vorher waren wir in Loschwitz gewesen, wo es aber ein scharfer Ostwind unbehaglich machte. Einen Winter haben wir bis jetzt noch gar nicht gehabt, nicht einmal hat es ordentlich geschneit. Gestern ist die Königin in der Diakonissenanstalt gewesen, über zwei Stunden, hat sich aber sehr taktlos benommen. Statt einzelnen Kranken, über die ihr die Ärzte Mitteilung gemacht, weil die Persönlichkeit es verdiente, ein freundliches Wort zu sagen, hat sie immer bloß „So“ oder „Ja“ gesagt und schließlich sich in das Fremdenbuch als „Kronprinzessin“ eingeschrieben. Statt sich populär zu machen durch den an sich wohlgemeinten Besuch, hat sie bloß Kopfschütteln und Unzufriedenheit hervorgerufen. Der Pastor Fröhlich hat aber das Blatt, auf dem sie sich eingeschrieben, herausgenommen, ihr zugesendet und sie hat sich nun als „Königin“ eingeschrieben. Januar 28 Gestern hatten wir endlich wieder einmal Sitzung, gerade ungelegen für mich, da ich einen sehr heftigen Katarrh habe mit Kopfschmerzen und daher wenig geeignet war zum Vortragen und Protokollieren. Das erste Mal war es, daß der König eine besondere Bemerkung gemacht hat. Zum Gesetzentwurf über die Fischerei- und fließenden Gewässer bemerkte er, daß man doch das Verbot, schädliche Substanzen in Bäche einlaufen zu lassen, nicht auf schon bestehende gewerbliche Unternehmungen erstrecken könne, sondern bloß auf neuanzulegende. Das ward so en passant ohne alle Debatte akzeptiert. Die Königin, die heute mit dem König nach Leipzig reist, hat sich vor wenigen Tagen, ohne den Leibarzt Fiedler in Kenntnis zu setzen, eine Balggeschwulst im Gesicht herausschneiden lassen. Die Wunde hat sehr geblutet und Fiedler nun erklärt, er übernehme keine Verantwortung, wenn sie jetzt reisen wolle. Als ob sie nicht hätte acht Tage warten können! Januar 30 Schon seit Anfang dieser Woche war ich unwohl, während auch Sophie an der Grippe bettlägerig war. Mit Mühe machte ich meine Arbeiten von der letzten Sitzung, bei der mich das Sprechen sehr angriff, fertig und bin jetzt mit Husten, Brustschmerzen behaftet an das Zimmer gefesselt, ein Zustand, den ich gar nicht gewöhnt bin. Einmal, als mich Asthma, das ich noch nie gehabt, im hohen Grad überfiel, dachte ich in der Tat, ich bekäme einen Lungenschlag und die Geschichte ging zu Ende, dem ich mit höchster Gemütsruhe entgegensah. Februar 6 König Albert muß noch zu Großem berufen sein, da ihn Gott sichtlich schützt. Als ich ihn das letzte Mal sah (am 27. vorigen Monats), hatte er eine Wunde auf der rechten Hand und sagte, daß ihn, als er eine Patrone aus seinem Lefaniblegewehr herausnehmen wollte, dieselbe explodiert und ihn verletzt habe, der Schuß selbst hatte ihn nicht getroffen. Jetzt hat ihn ein viel größeres Unheil bedroht. Frau von Wuthenau geborene Gräfin Württemberg, nicht schön aber amüsant, wie man sagt, der er schon längere Zeit huldigt, hat mehrere Hunde, u. a. einen großen Leinberger. Vor einigen Tagen kauft der Hauslehrer einen großen Pudel für 30 Taler, der nach kurzer Zeit davonläuft, nachdem er sich mit den anderen Hunden gebissen. Frau von Wuthenau trifft im Großen Garten, mit ihren Hunden spazieren gehend, den König und sieht den Pudel da herumlaufen. Sie lockt ihn an sich, er beißt – aber nicht tief – ihre Kinder und sie, dann den Hauslehrer. Der Leineberger Hund, den sie mit
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hat, ist unruhig, springt auch an den König heran, als dieser in seinen Wagen steigt, ohne ihn jedoch zu beißen. Er beißt aber später die Gouvernante tief in den Arm und es ergibt sich, daß die beiden Hunde toll sind. Februar 14 Gestern Abend kam Beust zum zweiten Mal zu mir, das erste Mal konnte ich ihn noch nicht sehen. Er hatte ganz allein beim König gegessen. Das Haar ist dünner geworden, sonst ist er unverändert. Sein Sohn Adolf ist bei ihm in London attachiert. Auch der zweite Sohn will Diplomat werden, obwohl Beust lieber sähe, er werde Techniker, wozu er große Anlage zeige. Ich meinte aber, ein Graf Beust Techniker? Er erwiderte, in 30 Jahren würde es gar keine Diplomaten mehr geben. Nun, der Verlust wäre in der Tat nicht groß. Erhard hat sehr viel zu tun, zumal auch seine Privatpraxis sich mehrt. Ein Auditeur hat ihn sogar mit 40 Talern als Hausarzt engagiert. Er sieht recht angegriffen aus, kommt aber trotz seiner vielen Arbeit täglich Abends, wenn auch nur auf kurze Zeit, zu uns, Gerber kam neulich, um sich zu erkundigen, auch der Prinz Georg, bei dem ich mich wegen des Altertumsvereins entschuldigt, ließ nachfragen, aber sonst von den Ministern Niemand – ich werde eben überflüssig und bin nicht mehr nötig, eine alte abgeschriebene Feder, reif für den Kohlenkasten. Februar 20 Abeken besuchte mich gestern, auf einige Tage aus Berlin zurückgekehrt, wo er mit den Ministern von Bayern und Württemberg wegen der Justizverfassung mit Preußen konferiert. Er war sehr wenig erbaut über den, wie er meint, von Preußen absichtlich verzögerten Gang der Verhandlungen, die bis jetzt bloß in schriftlichen Kommunikationen bestanden haben, die ebenso gut von Haus aus hätten erfolgen können. Er sagte, Friedburg habe geradezu gelogen, indem er den Empfang eines Schreibens abgeleugnet, während das Präsentat auf demselben das Gegenteil erwiesen habe. März 1 Seit Mittwoch bin ich wieder Vormittags ins Archiv und Gesamtministerium gegangen. Im letzteren hatten sich allerhand Sachen angehäuft, die ich nun expedierte durch schriftliche Anfrage, da eine Sitzung nicht gehalten werden kann, da Minister Nostitz als Reichstagsabgeordneter, Abeken beim Bundesrat in Berlin ist. März 9 Heute Morgen rückte im Gänsemarsch das gesamte Archivpersonal in mein Arbeitszimmer, um mir zum 25jährigen Amtsjubiläum zu gratulieren. Das war glücklicher Weise die einzige Oration, die ich dazu erhielt. Ich bat nur, daß die Herren nicht weiter davon sprechen sollten, da ich dergleichen gleichgültige Ereignisse lieber ignoriert sehe. März 31 Gestern Nachmittag brachte Dr. Bach, ein Freund und Kollege Erhards, uns ihn ins Haus, da er seit gestern Vormittag schwer erkrankt und in der Diakonissenanstalt doch nicht verpflegt werden kann. Es scheint aber, obgleich er heftiges Fieber hat und bisweilen phantasiert, doch kein Typhus zu werden, was die Ärzte besorgten. An diesen ist Überfluss. Dr. Bach, Medizinalrat Seiler und unser Hausarzt, der alte Eberhard Richter, doktorn an ihm. Heute soll noch eine Diakonissin zu seiner Pflege kommen, was mir für Sophie lieb, die selbst sehr angegriffen ist und sich heute zwei Zähne herausnehmen hat lassen. Erhard macht uns durch seine fieberhafte Reizbarkeit sehr viel Not. Er verlangt Sachen, z. B. Wein, den man ihm nicht geben soll und gerät beim Verweigern in solche Aufregung, daß man wieder nicht weiß, ob diese ihm nicht noch schädlicher ist. Dabei hatte er Streit mit Sophie, die doch voller Aufopferung für ihn ist, nur allerdings zu viel selbst machen will, und wollte durchaus wieder in die Diakonissenanstalt zurück – kurz es ist eine rechte Sorge, zumal die Ärzte nicht recht wissen, welche Krankheit es ist.
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April 2 Gestern ging es ganz gut mit Erhard. Um 12 ½ kamen Professor Richter und Medizinalrat Seiler zur Besprechung zusammen, allein sie waren auch nicht entschieden. Der Nachmittag war ganz gut, nur war Erhard etwas aufgeregt, sprach sehr viel – einiges aus seiner Vergangenheit hätte er mir bei völliger Ruhe wohl nicht mitgeteilt. Um 9 Uhr aß er seine Suppe, ich sagte ihm dann gute Nacht. Gegen 11 ½ wachte ich auf, weil ich lautes Hilferufen hörte. Ich glaubte, es sei auf der Straße, allein ich bemerkte, als es sich wiederholte, daß es im Quartier sei. Meine Schlafstube ist durch den großen Salon vom Krankenzimmer getrennt. Ich warf mir den Schlafrock über und fand Sophie, Oda und die Diakonissin im völligen Kampf mit Erhard, der laut bald Hilfe rief, bald von Schießen pp. in der heftigsten Fieberphantasie. Das dauerte etwa ½ Stunde. Wir schickten zu Professor Richter, der aber einmal für allemal nicht geweckt werden durfte, dann zu einem andern Arzt. Währenddem beruhigte sich Erhard, lag ruhig, hatte aber schwer Atmen, ohne gerade zu röcheln. Die Atemzüge wurden aber allmählig langsamer, ein letzter Zug und er war eine Leiche etwa um 12 ½ heute morgen. Das Gesicht gleich ganz verändert, der Mund offen. Oda war, wie der zweite Arzt auch nicht kam, ganz allein ohne Hut und Mantel fortgestürzt nach Dr. Stelzner. Dieser konnte dann freilich nichts tun als den Tod feststellen. Ein herrlicher Tod, ohne allen Kampf! Ach wäre ich an seiner Stelle. Die Nacht ward mit Briefschreiben an die Verwandten zugebracht. Wie wird Sophie es überwinden, deren Lieblingskind er war. Welche Befähigung hatte er und wie liebenswürdig konnte er sein, wenn er wollte. Im 26. Jahr ist er geschieden. Gegen 11 Uhr heute Morgen kam auf einmal Oda zu mir ins Zimmer gestürzt, mit dem Ausruf, er lebt noch! Es zeigte sich allerdings, wie es mir auch schien, eine Bewegung der Augäpfel unter den nicht ganz geschlossenen Lidern, auch war der Körper unter der Bettdecke noch warm. Ich und der Diener liefen nun nach einem Arzt. Ich fand, trotz daß ich wenigstens fünf aufsuchte, keinen zu Hause, nur einen Kerl, der homöopathische Konsultationen angekündigt hat, wahrscheinlich aber gar kein Arzt ist, denn auf mein eiliges Gesuch, mitzukommen, antwortete er mit allerhand Fragen und sagte schließlich, ich solle zu einem Allepathen gehen. Ich schlug mit den Worten die Tür zu: Sie mögen sein was Sie wollen, menschenfreundlich sind Sie nicht. Der Diener hatte inzwischen einen jungen Arzt, Dr. Vogt, der Erhard gekannt hat, gefunden, auch Professor Richter kam. Beide versicherten aber, es sei kein Gedanke an Leben mehr vorhanden, doch ward die Leiche noch in ein heißes Bad gelegt – natürlich vergeblich. Es zeigten sich aber schon Spuren der Auflösung und unser Erhard ward daher um 6 ¼ in das Leichenhaus auf dem Trinitatiskirchhof gebracht. (Traueranzeige im Dresdner Journal:) In der Nacht vom 1. zum 2. April verstarb hierselbst nach kurzem Krankenlager der Königliche Assistenzarzt 2. Klasse der Reserve Herr Dr. med. Friedrich Erhard Moritz von Weber im noch nicht ganz vollendeten 26. Lebensjahre. Das unterzeichnete Corps besaß in dem Entschlafenen einen geachteten und geliebten Kameraden, welcher für die Wissenschaft und den Königlichen Dienst zu den besten Hoffnungen berechtigte. Friede seiner Asche, Ehre seinem Andenken. Dresden, am 2. April 1874. Das Königlich Sächsische SanitätsOffizier-Corps.
Gustav hat sich sehr liebevoll benommen, besorgt alle die traurigen Geschäfte für die Beerdigung. Unter den Briefen, die er in Erhards Wohnung fand, sind einige von ganz neuem Datum aus Leipzig, mit Helene unterzeichnet, aus denen hervorgeht, daß die Schreiberin von Erhard schwanger ist. – Zahllose Visitenkarten und Beileidsbriefe, Kränze und Blumen. Der
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Fall ist schon in der ganzen Stadt bekannt. Auch der König schickte einen seiner Adjutanten, Major von Minckwitz, um uns sein Beileid auszudrücken. April 4 Adolf kam gestern Abend aus Leipzig, Anton aus Berlin an zum Begräbnis. Um 8 fuhren wir hinaus, in der Kapelle stand der reich mit Palmen pp geschmückte Sarg. Erhard sah so ruhig und friedlich aus, als ob er schliefe. Hofprediger Rüling hielt eine recht gute Rede, in der der Satz: Ich bin der Weinstock, Ihr seid die Reben, den Erhard bei seiner Konfirmation als Spruch bekommen hatte, verwebt war. Er war, sagte er auch, „der Sonnenschein“ – ja das war er uns. Gesang der Kreuzschüler, viele Ärzte und Bekannte. Am Grabe sprach Seiler, ziemlich stockend und matt, dann der Segen, Blumen und Erde auf den Sarg – Ruhe sanft, Du geliebter Erhard, auf baldiges Wiedersehen! April 6 Ostermontag. Da die Briefe, welche wir in Erhards Nachlaß fanden, bestimmte Hindeutungen enthalten, daß das Mädchen, das an ihn wegen ihrer Schwangerschaft von ihm geschrieben, Helene Helm sei, bei der er in Leipzig im Kurprinz im Hof gewohnt, und wir besorgten, daß das Mädchen sich etwa ein Leid antun könnte, fuhr Gustav, der sich überhaupt vortrefflich benimmt, gestern früh nach Leipzig. Es ist ein Mädchen von 30 Jahren, deren Ruf bis jetzt ganz rein ist. Sie hat es nicht gewagt, ihren Zustand ihrem Bruder, der eine Kommandise von der Cottaischen Buchhandlung hat, und ihrer Schwägerin zu entdecken. Das ist nun durch Gustav geschehen, der sie damit beruhigt hat, daß, wenn Erhard noch lebte, wir verlangt haben würden, daß er sie heirate. Die Sache ist passiert, als er im Oktober zum Doktorat in Leipzig war. Nach dem Schmause ist er wahrscheinlich angetrunken zu ihr gekommen. Sie soll nun in Heimlichkeit in Thüringen leben, vielleicht in Jena ihre Entbindung abwarten. Für das Kind werden wir natürlich sorgen, aber es kein Geheimnis sein lassen, daß es von Erhard ist, die Mutter braucht nicht genannt zu werden. Heute kamen auch die Minister von Friesen und von Nostitz-Wallwitz zu mir, auch die Königin-Witwe schickte ihren Oberhofmeister von Minckwitz zu mir. Die Königin-Mutter hat auch durch ihren anderen Oberhofmeister Minckwitz ihre Teilnahme ausdrücken lassen, Prinz Georg hat mir einen sehr teilnehmenden Brief geschrieben. Wenn wir uns aber vergegenwärtigen, was gekommen wäre, wenn Erhard noch am Leben wäre. Ich würde nicht gelitten haben, daß er ein unbescholtenes Mädchen sitzen läßt, das er verführt, der er wenigstens Hoffnung gemacht, daß er sie heiraten werde – sie hat angegeben, Erhard habe ihr in dem an sie gerichteten, von ihr verbrannten Briefe, tröstend geschrieben, er könne sie ja heiraten. – Auf der anderen Seite aber wäre durch eine solche Heirat seine ganze Laufbahn, unser ganzes Familienverhältnis zerstört worden und welche Ehe würde Erhard mit einer etwa sechs Jahre älteren, ungebildeten (sie schreibt ganz unorthographisch) Person geführt haben, mit der er doch wohl schon früher im Verhältnis gestanden hat, denn sie nennt ihn Du. Leider haben wir auch die Überzeugung gewonnen, daß er auch sonst nicht wahr gewesen ist. So hatte er uns erzählt, daß er in Leipzig sich einen Flügel für 350 Taler gekauft bei Blüthner. Das ist aber nicht wahr. Er hat erst hier einen gekauft, der noch nicht ganz bezahlt ist. Warum er nur solche Flausen gemacht hat? Ich habe ihm stets Geld gegeben, soviel er verlangte, wenn auch die Summen, die er brauchte, nicht unerheblich waren. Er hat sicher alle Jahre mit dem, was er von Ferdinand erhielt, über 800 Taler gehabt. Einiges Geld hat er allerdings, wie wir finden, verborgt, u. a. an einen stud med. Gruner aus Lichtenstein, der aber gestorben sein soll. Dr. Seiler und Stelzner haben das Honorar für Erhards Behandlung mir zurückgesandt. Ich habe daher das Geld der Diakonissenanstalt übermacht.
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Adolf hat mir 200 Taler geschickt zur Herstellung der Grabstätte Erhards, dem er das Geld zugedacht hat. Es soll nun eine Ruhestätte unserer Familie auf dem Trinitatisfriedhof in anständiger Form hergestellt werden. Der Platz enthält vier Stellen, in jeder können drei Särge stehen. April 9 Gestern hatten wir seit Monaten endlich wieder einmal eine Sitzung im Gesamtministerium, bei der die Sachen sehr kurz abgemacht worden. Bei einer Sache, einer Verfassungsfrage, hatte ich alle Vorgänge zusammengestellt, die vorgekommen sind. Friesen, der im Voraus seine Ansicht festgestellt hatte, wollte mich unterbrechen, allein der König sagte, ich möge doch die Sache vollständig geben. Er kam nach der Sitzung noch in mein Zimmer und erkundigte sich mit wahrer Teilnahme nach den Vorgängen bei unseres Erhards Tode. Leider bestätigt es sich immer mehr, daß er uns doch oft vorgeflunkert hat und zumal bei Sachen, wo wir gar keinen Grund auffinden können, auch finden sich eine Menge kleinerer Schulden, die aber immerhin einige 100 Taler betragen. Wie oft habe ich ihm doch gesagt, er möge nur es mir sagen, wenn er Geld brauche – ich habe ihm ja nicht es verweigert. April 24 Fabrice hat am Vorabend des Geburtstages des Königs, am 22., einen großen Ball gegeben, aber dabei Ungeschick bewiesen und Unglück gehabt. Da er Repräsentationsaufwand vom Staat erhält, ist er verpflichtet, die höheren Beamten einzuladen zu solchen offiziellen Festlichkeiten. Er hat aber z. B. Antons, Kyaws (Oberappellationsgerichts-Vizepräsident) nicht eingeladen, während Friesen, der keinen Repräsentationsaufwand vergütet bekommt, Anton zu seinem offiziellen Diner am Geburtstag des Königs eingeladen hat. Unglück hat er gehabt, denn als er die Gesundheit des Königs ausgebracht hat, ist er stecken geblieben, hat das Manuskript aus der Tasche gezogen, ein Stück gelesen, dann das Manuskript wieder eingesteckt, ist wieder stecken geblieben und hat nun ohne Schluß das Vivat ausgebracht. Die Dresdner Nachrichten oder das Dresdner Journal meldeten euphanetisch, die „Rührung“ habe ihn übermannt. Mai 3 Seit Wochen lagen beim Gesamtministerium mehrere pressante Sachen, die an die Stände zu bringen waren, aber Friesen beraumte keine Sitzung an. Ich ging dann endlich, nachdem ich mehrere Mal die Sache durch den Zirkulierbogen, welcher das Verzeichnis der Vorlagen enthält, erinnert, vor einigen Tagen früh zu ihm und da er gerade in die Kammern mußte, fuhr ich mit ihm bis ans Landhaus und trug ihm auf der kurzen Fahrt die drei Sachen vor. Er genehmigte meine Ansicht und so wurden nun die Sachen von mir „auf hohe Anordnung“, wie ich mit Bleistift in solchen Fällen auf das Konzept setze, expediert ohne jeden Vortrag. Nur über eine Sache wegen Einführung der zur Kompetenz des Kultusministeriums gehörigen Gesetze im Schönburgischen sprach ich mit Gerber, den ich sehr mißmutig fand, daß das Gesamtministerium gar nicht mehr zusammentrete. Friesen kümmert sich nur um seine Sachen, hat aber allerdings jetzt mit den Ständen sehr viel zu tun. Den ganzen Winter ist mit dem Direktorium des Hauses Schönburg, das unter den Gliedern des Hauses wechselt, verhandelt worden über Einführung der Organisationsgesetze im Schönburgischen und Abgabe der Gerichtsbarkeit. Das Direktorium führte der Graf von Forderglauchau. Der Fürst Otto aber erklärte, er wolle nicht von den Verhandlungen Notiz nehmen. Es ward dann auch ein Vertrag zu Stande gebracht, nach dem die Schönburger die Gerichtsbarkeit abgeben pp und dafür 500 000 Taler erhalten. Jetzt hat der Fürst das Direktorium und erklärt nun kategorisch, er trete nichts ab, also alles vergeblich und es kommt nun darauf an, die neuen Gesetze, soweit es nach den Rezessen geht, einzuführen und den Schönburgern
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die Gerichtsbarkeit zu belassen, bis sie ihnen das Reichsprozeßgesetz ohne Entschädigung nimmt. Ein Dickkopf, der Fürst!177 Mai 23 Ich bekam vor 14 Tagen eine Einladung zur Domkapitelsitzung auf den 17. Exaudi lautend. In der Meinung, daß die Versammlung an diesem Tage stattfinden solle und in der Erinnerung, daß wir uns schon am Tage vorher früher versammelt hatten, fuhr ich denn am Sonnabend den 16. bei gräßlichem Wetter und Schneesturm nach Meißen. Ich traf im Coupee einen Herrn, der mich kannte und sich als Bürgermeister Hirschberg aus Meißen entpuppte. Er klagte sehr über die Dummheit seiner Stadtverordneten, die bloß Interesse für die Schützengesellschaft, der sie alle angehörten, aber für sonst nichts hätten. In Meißen bemühte der gefällige Herr sich vergeblich, mir einen Wagen zu verschaffen, der mich aufs Schloß brächte. Ich mußte von der Stadt aus zu Fuß hinauf. Richtig war ich 24 Stunden zu früh gekommen, fand aber in der Propstei mein Zimmer geheizt, da ich glücklicher Weise geschrieben hatte, ich käme schon Sonnabend. Den Abend brachte ich in der Familie des Stiftssyndicus Zimmermann zu, auf eine Einladung, die ihm allerdings großen Vorteil brachte. Im Oktober vorigen Jahres ist ihm nämlich sein Schreiber mit 900 Talern Präbendengeldern, die er in Briefen auf die Post tragen sollte, durchgebrannt. Er ist nicht wieder erlangt worden und Zimmermann hat daher das Geld ersetzt. Umsichtig ist er gewesen, indessen trifft ihn der Verlust sehr hart und ich beschloß daher, ihm womöglich Ersatz zu verschaffen. Die Nacht schlief ich ganz allein in der alten weitläuftigen Dompropstei, da ich es abgelehnt hatte, den Küster, was mir angeboten ward, dort schlafen zu lassen. Als ich zu Bett ging, ergab sich, daß ich nicht einmal meine Stubentür verriegeln oder zuschließen konnte. Indessen besuchte mich weder ein Geist noch ein Räuber. Sonntag früh ging ich mit Loth ins Kreuzkloster, meinen Lieblingsspaziergang. Er erzählte mir von seiner Familie. Ein Sohn ist Professor der orientalischen Sprachen in Leipzig, schon ein bekannter Gelehrter, eine Tochter ist verheiratet, ein Sohn, der hier Offizier war, aber Händel bekam, ist nach Verabschiedung nach Amerika gegangen und gibt dort eine Zeitung heraus. Er hatte nun noch eine Tochter, ein Mädchen von 30 Jahren, aber hübsch und sehr leidenschaftlich. Eine Freundin, die in Erfurt verheiratet war, wird vorigen Herbst sehr krank und bittet sie von ihrem Totenbett aus, sich ihrer Kinder anzunehmen. Die Loth will erst nicht, weil sie sich keine Befähigung zutraut, kleine Kinder zu erziehen, entschließt sich aber auf dringende Briefe des Witwers, hinzugehen. Sie schreibt aber nach einigen Wochen, sie fühle sich nicht am rechten Platz, beabsichtige, zurückzukommen. Der Witwer verreist und die Loth sagt den Dienstleuten, sie müsse verreisen, packt einige wenige Sachen zusammen und fährt auf der Eisenbahn fort, ohne zu sagen wohin, ohne eine Zeile zurückzulassen. Irgendeine Differenz mit dem Witwer ist nicht vorgekommen, irgend eine Spur eines Liebesverhältnisses, das sie etwa sonst wo gehabt, ist nicht vorhanden. Das Mädchen kommt nicht in Meißen an, jede Spur von ihr ist verschwunden, polizeiliche Erörterungen bleiben ohne Erfolg. Nach etwa vier Wochen wird ihre Leiche im Moritzburger Teich gefunden. Ein Herr erinnert sich, mit einer schwarzgekleideten Dame zu der fraglichen Zeit mit der Post 177 Walter Schlesinger: Die Landesherrschaft der Herren von Schönburg. Eine Studie zur Geschichte des Staates in Deutschland. Münster, Köln 1964. – Michael Wetzel: Das schönburgische Amt Hartenstein 1702–1878. Leipzig 2004. – Ders., Schönburgische Herrschaften. Beiheft zur Karte C III 6 des Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen. Leipzig, Dresden 2007.
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von Dresden nach Moritzburg gefahren zu sein, die er für taub gehalten, weil sie keine Frage beantwortet hat. Das Ereignis ist den Eltern ein ungelöstes Rätsel. Noch eine kuriose Geschichte hörte ich von Loth und Zimmermann. Ein Herr von Hüttner hat im Triebischtal ein Schloß, die Huttenburg genannt, weil er gern dem Publikum weismachen wolle, er stamme von Hutten ab, während der Sohn des gleichzeitig mit dem seeligen Vater geadelten Postdirektors in Leipzig Hüttner ist – gebaut. Ein Fräulein (von ?) Marwedel kauft es ihm ab, läßt es mit großem Luxus einrichten, lebt dort, bezahlt aber keine Rechnungen. Ihre Persönlichkeit bleibt mystisch, sie soll aus Hannover sein und dort mit dem Hofe in irgend einer Verbindung – vielleicht Mätresse – gestanden haben. Nach einiger Zeit kommt eine Frau von Larisch geborene Heymann auf der Huttenburg an, eine Frau, die Vernögen hat. Es werden einige Schulden bezahlt. Auf einmal verschwindet die Marwedel und die Larisch bleibt allein. Es ergibt sich, daß die Marwedel sie in der Schweiz kennengelernt, ganz für sich eingenommen und ihr ihr ganzes Vermögen abgeschwindelt hat. Der Bruder Heymann, ein Bankier (wohl jüdischen Herkommens) ist aus Petersburg gekommen, um die Sache zu regulieren. Die Huttenburg ist sehr wohlfeil verkauft worden. Sonntag Nachmittag kamen die übrigen Herren mit Ausnahme des erkrankten Domdechant von Zehmen an und es gelang mir, sie zu bestimmen, daß die 900 Taler Zimmermann aus dem Präbendenfonds ersetzt werden sollen. Nostitz – perfect gentleman aski is – erklärte, als ich bemerklich machte, daß möglicher Weise uns eine Vertretung erwachsen könne, wenn Seiten des Ministeriums des Kultus ein monitum gezogen werde – daß er als Dompropst die Vertretung allein übernehme, da ihm die Geschäftsleitung obliege – ich bestimmte aber ohne Schwierigkeit die anderen Herren, daß wir insgesamt pro rata unserer gegenwärtigen Präbendenbezüge die Vertretung übernehmen, was denn am Montag von mir protokollarisch beurkundet ward. Am Montag war wie gewöhnlich um 9 Uhr Sitzung, von 10–11 ¾ Kirche, dann Frühstück, wieder Sitzung bis 2 Uhr, um 2 ½ großes ledernes Diner (das vorm Jahre 120 Taler gekostet hat). Wir beschlossen, nächstes Jahr keins zu geben. Abends fuhr ich mit Nostitz allein in einem Coupee zurück. Er wollte mit mir über Einiges sprechen wegen der neuen Organisation. Nach 8 Uhr war ich mit dem Dampfschiff wieder in Loschwitz. Gestern hatten wir endlich wieder einmal (von 12–2 ½) Sitzung im Gesamtministerium. Auffallend war es mir, daß der König die Akten über den Rekurs eines Anstaltslehrers Melde gegen seine vom Ministerium des Innern beschlossene Pensionierung ganz genau gelesen hatte. Als ich den Vortrag begann, referierte er selbst mit größter Genauigkeit das gegen Melde Vorgekommene, wovon keiner der Minister, wie ganz deutlich war, etwas wußten, da sie die Akten offenbar nicht gelesen hatten, indem sie sich auf meinen Vortrag verließen. Mai 24 Gestern ging ich mit Sophie auf den Kirchhof, um mit dem Totengräber und Bildhauer die Herstellung unserer Grabstelle zu besprechen, die unser guter Erhard eingeweiht hat. Es ist mir immer noch, als müßte er des Abends bei uns mit seinem heiteren Gesicht und fröhlichem Gruß eintreten. Der kräftige, anscheinend so gesunde Mensch, daß er tot sein soll – wenn ich nicht sein im Tode erstarrtes Gesicht selbst gesehen, ich würde es nicht glauben! Es lastet so schwer auf mir! Sophie trägt es, glaube ich, wirklich nicht so schwer, sie fügt sich eben leichter im Gottvertrauen in des Schicksals Fügung. Ich frage immer wieder warum? Warum gerade er, der so viel für die Menschheit noch hätte leisten können? Warum
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er in der vollen Jugendkraft, während ich alter, lebensmüder, unbrauchbar gewordener Greis noch lebe! Juni 30 Vorige Woche kam der Kreisdirektor von Könneritz zu mir und bat mich, Ferdinand (der vorgestern aus Gastein zurückgekommen ist) mitzuteilen, daß er nicht erster Rat im Landeskonsistorium werde. Gerber hat ihn für zu alt und kränklich erklärt. Ferdinand, der auch Könneritz gesagt, daß er abgehen werde, wenn er nicht erster Rat werde, wird also den 1. Oktober, wo die neue Organisation eintritt, in Pension treten. Was er dann machen wird? Juli 5 Anton ist nun definitiv in die Bundeskommission für das Zivilgesetzbuch gewählt. Sonderbarerweise enthielt die erste Zeitungsnachricht im Dresdner Journal vom 4. Juli seinen Namen allein nicht, erst das Blatt vom nächsten Tag trug ihn nach. Der Gesandte von Nostitz-Wallwitz hat es nicht für nötig erachtet, dem Justizminister Nachricht zu geben , der die doch immerhin wichtige Wahl erst aus der Zeitung ersah. Nostitz soll überhaupt nur das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten beachten, den andern Ministerien gar nicht schreiben. Juli 25 Abeken sagte mir gestern, daß es noch nicht entschieden ist, ob Gustav als ordentlicher Appellationsrat nach Zwickau oder als Hilfsarbeiter mit dem Titel Appellationsrat und 300 Taler weniger nach Dresden gesetzt wird. Am 16. Juli (unserm Verlobungstag) hat Helene Helm einen Knaben geboren. Es geht gut nach eingegangenem Brief von ihr. Mein alter Universitätsfreund Dr. Siemens in Hannover ist, wie ich aus der Zeitung ersehe, am 26. Mai diesen Jahres gestorben. August 2 Der Geheime Justizrat Dr. Stübel schrieb mir 29. Juli, daß Gustav in Dresden zum Hilfsarbeiter beim Appellationsgericht ohne Gehaltserhöhung, aber mit dem Titel Appellationsrat vom 1. September an ernannt ist. August 24 Der Hofbaumeister erzählte mir heute, daß er beim Aufreißen des Fußbodens in dem Gardereiterwachsaal im Schloß 1. Etage, der Raum zwischen dem Gewölbe und dem Fußbodengang, mit Knochen angefüllt gefunden hat, ganze Karren voll. Wozu man das gemacht hat? Ein Sekretär Petermann, Vorstand des Statistischen Büros im Ministerium des Innern, hat sich bei sozialdemokratischen Versammlungen beteiligt, auch an Zeitungen dieser Richtung mitgearbeitet und dadurch Anstoß gegeben. Minister Nostitz hat in Folge von Zeitungsartikeln, die darauf hingewiesen haben, im Gesamtministerium (ohne daß ich dabei gewesen) die Sache zur Sprache gebracht, allein man ist damals der Ansicht gewesen, daß kein Grund zur Quieszierung vorliege. Neuerdings hat er wieder die Feder nicht halten können und einen Artikel in eine Zeitung geschickt, partikularistischen Inhalts, der wieder Anstoß erregt hat – trotz daß ihm eine Admonition gegeben worden, die aber bloß eine Privatermahnung, kein Vorhalt nach dem Staatsdienergesetz gewesen sein muß. Der König hat aus Ostende an Friesen, der in der Schweiz ist, geschrieben, ob nicht gegen Petermann eingeschritten werde. Friesen antwortet ihm, daß er die Sache angeregt, aber seine Ansicht nicht die Beistimmung des Gesamtministeriums gefunden habe und er daher nichts weiter tun könne. Friesen schickt diese Korrespondenz an Nostitz. Es kam nun vor einiger Zeit ein Kommunikat des Ministeriums des Innern, in welchem ohne alle speziellen Unterlagen gesagt ward, daß Petermann durch sein politisches Treiben und Taktlosigkeit dem Ministerium Verlegenheiten bereitet habe, man ihn, der sonst sehr befähigt, zu den statistischen Kongressen – was ausdrücklich degraviert worden – nicht habe schicken können. Es ward seine Quieszierung (er hat noch
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nicht 10 Dienstjahre) beantragt mit 7/10 seines Gehalts von 1 000 Taler. Ich machte nun ein Expose, worin ich nachzuweisen suchte, daß die Quieszierung in diesem Falle nicht gesetzlich begründet sei, sondern entweder Disziplinarverfahren einzuleiten, oder er – wenn er das Ministerium in Verlegenheit setze – anderweit anzustellen sei, was bei der neuen Organisation jetzt leicht geschehen könne. Nostitz sprach nun mit mir, erzählte mir die Vorgänge und sagte, die Quieszierung sei unumgänglich nötig, er aber damit einverstanden, daß Petermanns anderweite Anstellung beantragt werde. So wird die Sache von mir ausgefertigt und, nachdem die beiden einzigen anwesenden Minister Nostitz und Abeken signiert, an Friesen geschickt. Die Sache kam rekomandiert, aber in einem an beiden Seiten aufgerissenem Couvert zurück mit einem Gegenexpose von Friesen, worin er sagt, Petermann könne nicht wieder angestellt werden. Die darauf bezügliche Stelle in meinem Konzept war durchgestrichen. Wer also sich der Regierung etwas unbequem macht, bekommt, obwohl noch nicht pensionsberechtigt (was erst nach 10 Jahren der Fall ist), 7/10 seines Gehalts und kann nun seine Zeit verwenden wie er will. Ein etwas gefährliches Beispiel, das Nachahmer finden möchte. Animam salvare meam. Nostitz hat sich aber, um die königliche Entschließung einzuholen, meinen Aufsatz wieder mitteilen lassen, will ihn vielleicht dem König mit vorlegen. Er sagte auch, daß er gar nicht verkenne, daß es an sich bedenklich sei, in solchen Fällen 7/10 – viel mehr, als ein treuer Staatsdiener nach langen Jahren erst erhält, wenn er invalid geworden – einem Mann zu gewähren, der vollkommen arbeitsfähig und tüchtig ist – indessen pp Friesen weiß seine Meinung schon durchzusetzen. Oktober 1 Anton ist gestern Abend von Berlin zurückgekehrt, sehr verletzt, daß er nicht zu einem der fünf Referenten für das Zivilgesetzbuch gewählt worden ist. Pape, der Präsident der Kommission, hat ihm gesagt, es sei am wenigstens nötig, einen Referenten zu nehmen, der das vortreffliche sächsische Gesetzbuch, das sie ohnehin wesentlich benutzen würden, vertrete. Vielmehr sei es nötig, einen Referenten zu haben, der das französische Recht kenne. Deshalb ist der Badenser genommen worden. Ob seine Persönlichkeit nicht behagt hat? Möglich, daß es politische Rücksichten sind. Sachsen hat Preußen ohnehin im Sacke, darum lieber außer den Preußen nur ein Bayer, ein Württemberger und – ein Badenser. Hier wird man es sehr ressantieren und die Zeitungen werden Antons Person mit hereinziehen. Siebenhaar wird sagen, ja wäre ich es gewesen, mich hätte man nicht bei Seite liegen lassen! Oktober 15 Heute tritt die neue Organisation ins Leben178 und mit ihr Ferdinand, mit dem Verdienstkomthurkreuz geschmückt, in Pension. Auch der Vizepräsident des Oberappellationsgerichts Kyaw, ein alter Bekannter, schon lange an Blasenleiden erkrankt, hat sich endlich entschlossen, sich pensionieren zu lassen. Den kleinen Erhard Helm will der Bruder seiner Mutter, Kaufmann Paul Helm in Leipzig, adoptieren. Ich habe ihm die verlangte Summe von 100 Talern jährlich zugesagt. Oktober 30 Wundervolle Tage noch in Loschwitz wie im Sommer, aber kein Tropfen Regen. Am 22. des Monats Bürger in Dresden geworden in Folge der neuen Gesetzgebung. 178 Nach dem Beitritt Sachsens zum Norddeutschen Bund und ab 1871 mit der Zugehörigkeit zum Deutschen Reich ergab sich für Sachsen die Notwendigkeit, Behördenorganisation und Kompetenzverteilung den neuen Verhältnissen anzupassen. Zwischen 1868 und 1873 wurde über die damit verbundenen Reformen diskutiert und beraten, bis schließlich das Organisationsgesetz vom 21. April 1873 ab 1. Januar 1874 in Kraft trat. Siehe Richard Dietrich: Die Verwaltungsreform in Sachsen 1869–1873. In: NAfSG, Band LXI. 1940, S. 49–85. – Groß, Geschichte Sachsens, S. 239–240.
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Gestern hereingezogen. Abends wie gewöhnlich am ersten Tage in Ressource, Geld im Whist dito wie gewöhnlich verloren. November 8 Wieder seit vielen Wochen kein Tropfen Regen. Die Dampfschiffe können nur noch wenige Stellen der Elbe befahren. Vorgestern hatten wir auch endlich einmal seit vielen Monaten eine Sitzung im Gesamtministerium. Ich fertigte Alles, was eingeht, wenn es irgend tunlich ist, „zu hoher Genehmigung“, wie ich mit Bleistift dazuschreibe, aus, oder ich lege einen kurzen Aufsatz bei, der meine Anträge zur Genehmigung stellt. Dezember 13 Mein alter Freund Seebach feierte am 1. Dezember sein 25jähriges Ministerjubiläum. Ich bat Falkenstein, es zu vermitteln, daß er das Großkreuz des Albrechtsordens erhalte, das ihm schon unter Beust’s Regiment einmal zugedacht, soviel ich mich erinnere auch verblumt zugesagt war. Falkenstein übernahm es, dem König es vorzuschlagen, weil er meinte, daß Friesen, der gegen Seebach eingenommen ist, dagegen sein würde. Wie er mir sagt, hat aber der König geantwortet, es scheine ihm keine Veranlassung dazu zu sein. Seebach hat also von hier aus, von dem Chef des sächsischen Hauses, gar keine Anerkennung erhalten. Niederträchtiger Weise haben die Zeitungen mit allen Details erzählt, er habe von den Agnaten des Hauses 7 000 Pfund bekommen, während er von diesen gar nichts erhalten hat. Ich schickte ihm meine große Photographie mit einem Vers, die er aber, da das Paket unter die vielen anderen Geschenke verlegt worden, erst mehrere Tage später erhalten hat. In diesen Tagen kam noch ein Beust’scher Nachlaß zum Vorschein. Im Schrank des jetzt pensionierten alten Fourier im Auswärtigen Ministerium fand sich ein Paket Schriften des Gesamtministeriums vor, die mehrfach als rückständig excitiert worden, aber nicht gefunden worden sind. Herrliche Ordnung! Dezember 22 Gestern Sitzung der evangelischen Minister im Finanzministerium, wo es mir gelang, auch andere Sachen, obwohl Fabrice nicht dabei war, endlich flott zu machen. Das Gesamtministerium hat, ich weiß nicht wie lange, keine Sitzung gehalten. Friesen war sehr ungehalten über Witzlebens Biographie des Ministers Zeschau, in der er u. a. eine Depesche Beust’s mit hat abdrucken lassen, worin dieser 1849 schreibt, wenn Sachsen Preußen gegenüber Rechte aufgeben solle, müßten dagegen die Herzogtümer sich Sachsen submittieren oder ähnlich. Heute unendlicher Schneefall, der für den Striezelmarkt allerdings störend ist.
1875 Januar 1 Also nun geht es in das 70. Lebensjahr! Vorgestern waren wir zum ersten Mal seit Zeschau’s Tode oder vielleicht gar seit seinem Austritt aus dem Ministerium in einer Gesellschaft bei der Ministerin Zeschau zu einer Damenwhistpartie, die allerdings fürchterlich war. Das Souper war aber gut. Die Gesellschaft, Falkensteins, die Gruner, Jordan und seine Schwägerin, die alte Gräfin Lynar, war sehr munter. Die Lynar, über 80 Jahre alt, ist noch munter wie ein Fisch, machte Knittelverse. Schwierig war nur der Rückweg durch den tiefen Schnee, da keine Droschke zu bekommen war. Den Silvester mochten wir nicht in größerem Kreise verleben. Januar 6 Nach enormen Schneemassen vorgestern Regen, so daß man in der Stadt kaum fortkommt. Montag endlich einmal Sitzung im Gesamtministerium. Es war u. a. eine
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Differenz zu entscheiden zwischen dem Kriegsministerium und Ministerium des Innern über ein preußisches Reglement wegen des Verhältnisses der Polizeibeamten gegen Militärs. Kriegsministerium hat es nach langem Streit mit dem Ministerium des Innern dem Generalkommando als Novum mitgeteilt. Also den Knoten mit dem Schwert durchhauen. Es enthält ganz konfuse Bestimmungen, u. a. daß die Soldaten polizeiliche Anordnungen nur zu befolgen haben, wenn sie ihnen „dienstlich“ bekannt gemacht worden. Ein ganzes Aktenstück füllten die Kommunikate und Rekommunikate, aber auf die Hauptfrage, ob das Reglement unter Artikel 61 der Reichsverfassung falle, war man nicht speziell eingegangen. Ich machte hierüber einen langen Aufsatz, ging darin auf die Reichstagsverhandlungen pp ein und wies nach, daß das Reglement eingeführt werden müsse, daß aber die Mängel und Lücken zu beseitigen seien. Der Kriegsminister brachte in die Sitzung noch den Geheimen Kriegsrat Teucher mit, aber weder ich noch er kamen zu Worte, sondern Friesen nahm die Sache in die Hand und machte, ohne meinen Aufsatz auch nur zu erwähnen, ganz meine Vorschläge. Kurios! Am Sonntag Abend ist wieder ein alter Bekannter (noch von Zwickau her), der Geheime Regierungsrat Gustav Traugott von Mangoldt, plötzlich am Schlag gestorben. Er war etwa zwei Jahre älter als ich, ein guter Mensch, aber komische Figur. Wir haben manche fidele Stunde früher miteinander verlebt, hatten aber seit Jahren keinen näheren Umgang mit ihm. Januar 20 Am Montag um 5 Uhr war ich zum ersten Mal bei König Albert zur Tafel befohlen zu einem Diner von etwa 30 Personen. Ich saß bei Tisch neben dem Wirklichen Geheimen Rat (jetzt Landeskonsistorialpräsidenten) von Könneritz, der neben dem König saß. Der König sprach sehr viel mit mir und sagte mir u. a., ich solle in den nächsten Tagen zu ihm kommen, da er mit mir die Papiere des Königs Johann durchgehen wolle, für deren Erlangung für das Hauptstaatsarchiv ich schon lange alles Mögliche versucht habe. Heute um 11 war ich bei ihm in seinem neu eingerichteten großen Arbeitszimmer. Zwei Kommoden waren voller Papiersäcke, die nun einzeln durchgegangen und gesondert wurden, in solche, die einzustampfen, solche, die er noch behalten wollte und solche – die größte Masse – die ich erhielt. Die Arbeit dauerte lange. Hausen fand im Vorzimmer schon den ganzen Haufen von Hofschranzen – zum Rapport. Nach 1 Uhr ging ich zu Friesen, der in sehr liebenswürdiger Weise mir seine Bedenken über einen Aufsatz, den ich zu einer Frage, die dem Gesamtministerium vorliegt, geschrieben, mitteilte und mich auch überzeugte, daß ich in einem Punkt Unrecht habe. Er sagte, er denke ernstlich daran, sich bald zurückzuziehen, er wolle nur noch die neue Steuergesetzgebung einführen und die Bauten des Historischen Museums, der Albrechtsburg179, Theater vollenden, was Alles 1876 fertig werden würde. So lange möge ich auch nur noch aushalten, dann wollten wir Beiden zusammen gehen. Nartürlich, daß ich ihn auf den Unterschied zwischen uns aufmerksam machte. Jetzt nach dem Tode des Legationsrates von Ehrenstein hat sich im Auswärtigen Ministerium in dessen Arbeitszimmer ein Schrank gefunden, der zur Hälfte Kleiderschrank gewesen, dessen andere Hälfte aber Lokate mit Papieren enthalten aus der Beust’schen Zeit, darunter eine Masse uneröffneter Schreiben, gesandtschaftlicher Berichte, u. a. ein noch ver179 Entwurf für die künstlerische Ausschmückung der Albrechtsburg zu Meißen. Undatiert. /:1874:/. Siehe Dokumentenanhang Nr. 42.
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schlossenes Paket mit Gedichten und Zeichnungen, bestimmt 1856 zur Hochzeitsgabe für Prinzessin Anna von einem gewissen Kain, einem Juden, der Jura studiert hatte, aber aufs Zuchthaus kam. Februar 7 Am Freitag Mittag hatte ich endlich einmal wieder Sitzung im Gesamtministerium, um eine Menge Sachen sehr summarisch vorzutragen. Nach der Sitzung mußten die evangelischen Minister, trotz sichtlicher Ungeduld, doch noch ein halbes Dutzend Sachen sich vortragen lassen. Es ist eine wahre Not, die Herren festzuhalten, wenn sie müde und hungrig sind. Da wird nun freilich viel übers Knie gebrochen. Februar 11 Ich brachte neulich bei Falkenstein und Friesen in Anregung, daß dem König Johann doch ein Monument gesetzt werden möge und Falkenstein war der Ansicht, daß die Sache von der Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig möge angeregt werden. Er fühlt wie bei vielen Sachen an Jemand, der sich dafür interessiert und andere zu interessieren weiß. Februar 13 Heute ein großes Diner bei Prinz Georg, bei dem ich seit Jahren nicht eingeladen war. Ich benutzte die Gelegenheit, um mit Minister Nostitz eine Sache zu besprechen. Nach dem Tode Friedrich Augusts hatte der Geheime Regierungsrat Häpe es übernommen, eine Biographie desselben zu schreiben, zu der ihm von der Königin Maria die Tagebücher des Königs pp mitgeteilt wurden. Er arbeitete auch im Archiv. Die Sache ist aber ins Stocken geraten. Als ich deshalb mit ihm sprach, war er zwar sehr geneigt, die Arbeit in Angriff zu nehmen, sagte aber, er brauche dazu einige Monate Urlaub, weshalb ich ihn an Nostitz verwies. Ich sprach dann mit Friesen und dem König darüber, die Beide einverstanden waren. Neulich, als ich bei Falkenstein war, sagte der mir auf einmal, daß er bereit sei, die Biographie zu schreiben, wenn er die Häpeschen Extrakte bekommen könne. Das kann ich nun freilich nicht machen, denn Häpe würde Geld haben und Falkenstein nichts geben wollen. Nostitz sagte, Häpe habe ihm nichts gesagt, er könne ihm auch keinen Urlaub geben und versprach, mit ihm deshalb zu reden. Ich mag mich aber nicht weiter in die Sache mengen, da bei Falkensteins Unzuverlässigkeit es sehr riskant ist, mit ihm etwas zu regeln. Wir haben jetzt einmal einen ordentlichen Winter, Schnee in Massen und 10–12 Grad Kälte. Februar 21 Vorgestern meldeten die Zeitungen Beust’s Ankunft mit seiner Frau. Gestern war ich um 5 zum Diner zu Friesen gebeten, der mir sagte, daß Beust auch komme. Er kam wie gewöhnlich 20 Minuten zu spät und war vorher bei Sophie gewesen. Nach Tische – das Diner war vortrefflich – sprach ich eine Weile mit ihm. Er erzählte, daß sein Bruder und dessen Frau furchtbar geizig geworden und dem Sohn, der hier bei der Kavallerie steht, nichts geben wollten, weshalb er Schulden mache. Mit seinen Söhnen ist Beust sehr zufrieden, der ältere ist seit 1 ½ Jahren bei ihm in London bei der Gesandtschaft, der Zweite, der viel Talent zur Mechanik habe, wolle aber auch Diplomat werden. Der Sohn meines alten Freundes Witzleben hat jetzt wieder so viel Schulden gemacht (vor einigen Jahren zahlte der König gegen 10 000 Taler für ihn), daß er vom Militär entlassen und vor einigen Tagen nach Amerika spediert worden ist. Was er dort soll, verstehe ich nicht. Jordan ist wieder von einer Lungenentzündung befallen, doch scheint es nicht sehr gefährlich zu sein. Eben kommt die Nachricht, daß er heute Nacht um 2 gestorben ist. Wieder Einer geschieden aus dem kleinen Kreis meiner Jugendfreunde. Er war eine wunderbare Mischung der heterogensten Eigenschaften, fleißig und träge, geizig und großartig wohltätig.
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Beust kam noch heute Abend vor seiner Abreise nach London eine Stunde zu uns. Er versichert, daß ihm das Winterlandleben auf seinem Landgut Altenberg am besten behagt, weil er dort von Besuchern nicht belästigt werde. Er liest, schreibt an seinen Memoiren und spielt mit den acht Hunden seiner Frau. In London geht er alle Tage in Gesellschaft, kommt nach vier bis fünf Routs, die er an einem Abend besucht, erst 2 Uhr Morgens zu Hause. März 2 Am Sonntag waren wir zum ersten Male in diesem Jahr bei Hof zu einer kleinen Gesellschaft von etwa 180 Personen eingeladen, da wir alle Hofbälle abgelehnt hatten. Es wurden lebende Bilder gestellt und ein Stück „Er ist nicht eifersüchtig“ aufgeführt. Bei den Bildern hatte Graf Platen, der das Arrangement gehabt, jedenfalls zunächst den Hofrang beachtet, dann statt lauter jugendlicher frischer Mädchen hatte er eine ziemliche Anzahl alter dünner Gerippe auserwählt, die mit scharfen Zungen ungeschminkt ein ziemliches Entsetzen hervorzurufen vermochten. Dann war Buffet. Ich hatte dem König einige Zeit vorher einige auf das vormalige rote Haus (jetzt seine Villa in Strehlen) bezügliche Berichte pp. aus der Makulierung gerettet und zugeschickt, wofür er sich bedankte. Als er meine Frage, ob er eine Abbildung des alten früheren Jagdhauses besitze, verneinte, fragte ich ihn, da ich ein Bild mit diesem von Adolf gemalt besitze, ob er es haben wolle und da er dies bejahte, schickte ich es ihm gestern. Er hat sich aber nie dafür bedankt. Ein Kunstwerk ist es allerdings nicht. Eine in unserer Zeit kaum denkbare Präzedenzstreigikeit gibt Veranlassung zu vielen Schreibereien und Raisonnieren. In der Kircheninspektion hat von jeher der Superintendent den ersten Rang gehabt. Jetzt, wo die Amtshauptleute das weltliche Mitglied der Kircheninspektion bilden, prätendieren diese, weil sie in der Hofrangordnung höher stehen, den Vorrang, der bloß darin sich geltend macht, daß sie bei Konferenzen rechts sitzen und die Berichte an erster Stelle unterschreiben. In Folge dieser Differenz sind bei manchen Amtshauptmannschaften die Sachen liegen geblieben, da der Amtshauptmann nicht weichen wollte. Die Mehrzahl hat sich gefügt. Die Sache kam nun durch das Ministerium des Innern an die in Evangelicis beauftragten Staatsminister und Nostitz nahm sich sehr pikiert der Amtshauptleute an, obwohl ganz mit Unrecht. (Randbemerkung vom 13. April: Geheimer Rat von Könneritz sagte mir, Nostitz habe eine Kabinettsfrage aus der Sache gemacht, weil er den Amtshauptleuten bereits Zusicherungen gegeben habe.) Friesen schlug vor, man solle den Superintendenten denselben Hofrang wie den Amtshauptleuten zugestehen, so daß im einzelnen Falle das Dienstalter entscheide. Dadurch würden die Superintendenten aber mehrere Nummern überspringen, u. a. die der Oberbürgermeister von Dresden und Leipzig. Falkenstein, als Hausminister, mußte gefragt werden, sagte zwar nicht nein, war aber persönlich sehr dagegen. Nachdem die Sache wiederholt besprochen worden, haben die evangelischen Minister am Sonntag ohne mich die lächerliche Frage nochmals erwogen und es soll nun doch bei Friesens Vorschlag bleiben, der Niemand befriedigen wird. Es ist jetzt eine Sammlung von Entwürfen zu dem Vorhang für das neue Theater ausgestellt, unter der sich unglaubliche Entwürfe befinden. Der eine u. a. stellt Pegasus im Joch vor, in der Mitte ein großer Ochse, ein Bauernlümmel mit der Nachtmütze und ein Schimmel geflügelt, der ihn umwirft, ein wahres Aushängeschild für einen Fleischer. Difficile est satyram non scribere. Eben habe ich, nachdem ich am Montag wieder zum Vorstand des Altertumsvereins erwählt worden, ein Schreiben wegen des alten Portals der Sophienkirche im Namen des
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Vereins an den König gerichtet, daß das Portal, das jetzt im Hof des Malersaales liegt und dort ganz zu Grunde geht, wieder im Schloßhof aufgestellt werden möge. Seit zehn Jahren quält sich der Verein damit, es zu retten, aber immer wurden wir abgewiesen.180 März 28 Gestern bekamen wir einen unerwarteten Besuch in der vorjüngsten Tochter Seebachs, Martha, der eine sonderbare Veranlassung hatte. Vorigen Sommer ist sie in Wiesenbad und lernt dort eine verwitwete Frau Rüle kennen, die jetzt mit drei kleinen Kindern in Dresden lebt. Die kaffeebraune Dame ist eine Tochter des Sultans in Sansibar, hat dort einen jungen Kaufmann aus Hamburg kennengelernt, der sie entführt und, nachdem sie Christin geworden, geheiratet hat. Einige Diamanten pp., die sie mitgenommen, sind konsumiert worden. Der Mann ist bei einem Eisenbahnunglück verunglückt, hat wenig hinterlassen. Seebach hat nun auf ihre Bitten durch den Reichskanzler und das englische Ministerium den Versuch gemacht, ihr eine Rente aus Sansibar (der jetzige Sultan ist, glaube ich, ihr Bruder) zu verschaffen, allein vergeblich, man will dort nichts von ihr wissen. Statt ihr nun zu schreiben, beauftragt er seine Tochter, die in Altenburg bei ihrer Schwester zum Besuch war, hierher zu reisen und es der Dame mitzuteilen. Sie schreibt ihr, daß sie kommen und bei ihr abtreten wolle, kommt vorgestern Abend hier an, Niemand ist zu ihrem Empfang auf dem Bahnhof und die Dame empfängt sie mit eisiger Kälte, läßt sie die Nacht ohne alle Betten auf einem kleinen Sofa kampieren, gibt ihr nichts zu essen, so daß das arme Mädchen gestern, nachdem sie mit der Frau Rüle drei Stunden in der katholischen Kirche gewesen, verhungert und erfroren bei uns Zuflucht suchte. Sie blieb die Nacht bei uns und reiste heute Mittag wieder ab. Ich dachte, ich wollte die Tage, während deren jetzt das Archiv geschlossen ist, etwas ausruhen. Statt dessen gingen zwei große Sachen ein, so daß ich die Feiertage im Gesamtministerium arbeiten muß. Mai 16 Erster Pfingstfeiertag. Im Hauptstaatsarchiv ist auch Not. Der tüchtige gelehrte Posern starb, der Erste Archivar Falke ist schon lange krank und wird erst nach Monaten wieder arbeitsfähig sein, Dr. Ermisch, der als Archivar eintreten soll, kommt erst im Juni. Mai 26 Archivar Falke litt seit längerer Zeit an einer Geschwulst der rechten Backe, welche die Ärzte als Zahngeschwür behandelt haben. Als er endlich sich an Dr. Stelzner, der geschickteste Chirurg jetzt in Dresden, gewendet, findet dieser, daß es der Krebs ist. Am Sonnabend hat er in einer 1 ½stündigen höchst schwierigen Operation ihm den ganzen rechten Oberkiefer herausgenommen. Am Tag darauf aber ist Falkes Frau mit dem fünften Kind (ein Paar sind schon gestorben) niedergekommen, dabei große pekuniäre Not. Ich habe heute deshalb Vortrag erstattet, daß ihr eine Unterstützung von 900 Mark gewährt werde. Wahrscheinlich ist Falke ein Todeskandidat, da die Krankheit sich wiederholen wird. Juni 19 Vorgestern furchtbarer Wolkenbruch im Loschwitzgrund. Wir bemerkten nichts davon, bei uns war es bloß ein sehr heftiger Gewitterregen. Beschreibung davon in der Beilage Elbtalbote vom 19. des Monats. September 2 Sedanfeier heute. Turn-Gesangvereine. Eben (um 4) ist Oda mit Gustav hereingefahren, um Singerei am Waldschlößchen anzuhören, da kommt ein arger Regenguß. 180 Die vor 1265 entstandene Kirche des Franziskanerklosters wurde nach der Reformation als Getreidespeicher und Zeughaus genutzt, bevor sie Kurfürstin Sophia um 1600 wieder als evangelische Kirche instandsetzen ließ. Das 1737 von der Schloßkapelle an der Sophienkirche angebrachte Renaissanceportal wurde dann 1872 am Jüdenhof aufgestellt. Siehe Stadtlexikon Dresden. Dresden 1994, S. 392.
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Gestern haben wir angefangen, die Möbel aus dem zeitherigen Quartier Wallstraße II in das neue, Bürgerwiese 17 III überzuräumen, das allerdings sehr hübsch und geräumig, aber auch sehr hoch für mich ist. Ich zahle 500 Taler und 50 Taler für den Portier, zeither nur 450 Taler, also 100 Taler mehr. September 30 Heute die Archivarin Falke bei mir, deren Mann an seinem Gesichtskrebsübel nahem Tod entgegensieht. Vier Kinder, das älteste 11 Jahre, ohne Vermögen! Oktober 17 Oda war nicht wohl, das Wetter sehr rauh und regnerisch, so sind wir denn kurz resolviert gestern hereingezogen in das neue Quartier Bürgerwiese 17 dritte Etage, das mit seinen großen, sehr schönen Zimmern allerdings sehr anmutig ist. Ich habe in der letzten Zeit viel im Gesamtministerium zu tun gehabt – aber welcher Geschäftsgang!! Die Gesetzentwürfe, die an die Kammern zu bringen waren, die vorigen Dienstag zusammentraten, waren nicht fertig, kamen nun in den letzten Tagen an das Gesamtministerium. Von einer ordentlichen Prüfung und Beratung keine Rede. Eines vom Finanzministerium besprach ich, da ich einige monita gezogen hatte, bloß mit Friesen, zwei andere ebenso bloß mit Nostitz. Am Spaßhaftesten ging es mir mit Gerber. Es soll beim Landtag eine Summe von 600 000 Mark beantragt werden als Berechnungsgeld für die Verluste, welche den Geistlichen durch Einführung des Reichsgesetzes wegen der Standesbücher drohte.181 Das Kultusministerium hatte deshalb ein Dekret entworfen, dessen sehr flüchtige Motivierung mir, als ich das schon vom König vollzogene Dekret las, mir gar nicht genügte. Ich dachte, die Sache sei in meiner Abwesenheit einmal besprochen worden, suchte aber doch Gerber und da dieser nicht frei war, den Verfasser Geheimen Rat Feller auf und machte ihn auf meine Bedenken aufmerksam. Er überzeugte sich auch, daß es so nicht bleiben könne, bat mich aber, doch selbst mit dem Minister zu sprechen. Ich fand ihn nun und er war ganz meiner Ansicht, sagte, die Motiven seien ungenügend, er habe das auch bemerkt – nun warum ändert er sie dann nicht. Auf Gerbers Bitte machte ich nun einen flüchtigen Entwurf, wie ich glaubte, daß man die Sache darstellen müsste und schickte ihn an Feller. Tags darauf bekomme ich von diesem den beiliegenden Brief, der Minister wolle es doch mit einer kleinen Änderung bei dem Dekret lassen, das nicht mehr geändert werden könne, da es der König signiert habe – (aber doch nicht die Motive). Gut! An demselben Tag war eine Sitzung im Gesamtministerium, bei der eben Gerber, der verreist war nach Freiberg zur Einweihung eines Gymnasiums, nicht da war. Bei Vorlesung der für die Stände bereit liegenden Sachen lese ich mit das Dekret aus dem Verzeichnis vor. Keiner der drei Minister, Friesen, Nostitz, Abeken wußte ein Wort davon. Sie sagten, sie hätten immer darauf gewartet und mußten davon Kenntnis nehmen. Ich bemerkte nun kurz meine Bedenken und jener Vorgang und das Ende war, daß das Dekret zurückgelegt ward und auf Friesens Vorschlag ein Gesetzentwurf vom Kultusministerium bearbeitet werden soll. Da war in der alten Zeit dann doch mehr Gewissenhaftigkeit. Der König immer auf der Jagd, die Minister Gerber, Abeken und 181 Mit der Einführung der obligatorischen Zivilehe mit dem Personenstandsgesetz vom 6. Feburar 1875 wurden die Standesämter eingerichtet, die die Standesamtsregister (Geburts-, Trau und Sterberegister) einheitlich zu führen hatten. Damit verbunden war die Einführung des Familienstammbuches, das bei der Eheschließung für jede Familie vom Standesamt ausgestellt wurde. Die Standesamtsregister traten an die Stelle der in den Kirchenämtern geführten Personenstandsregister, die allerdings für die Kirchenangehörigen weitergeführt wurden. Siehe Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und der Eheschließung. In: Reichsgesetzblatt 1875 Nr. 4, S. 23–40.
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Fabrice bis vor wenig Wochen vor dem Landtag verreist und nun geht es mit Dampf! Bei der Landtagseröffnung mußte ich auf Wunsch Friesens, der den Regierungsrat Roßberg, der sonst solche Kurialien verrichtet, nicht ausstehen kann, den Aufsatz vorlesen – seit 1849 das erste Mal wieder. Oktober 26 Am Sonntag Mittag ward ich unerwartet ins Gesamtministerium zur Sitzung gerufen. Geheimer Justizrat Held, der Bundeskommissar in Berlin, hielt einen interessanten Vortrag über den Entwurf des Reichsgesetzes zur Abänderung des Strafgesetzbuches, die er als Referent heute im Bundesrat vorzutragen hat. Er ging nach den Akten des Reichskanzleramtes speziell ein auf den Ursprung jenes Entwurfes, in den Bismarck als Minister der Auswärtigen Angelegenheiten beim preußischen Justizministerium alle die gegen die Presse und katholischen Geistlichen gerichteten §§ beantragt hat, während der preußische Justizminister sich diesen Anträgen gegenüber viel mehr ablehnend verhalten, aber schließlich sie aufgenommen hat. Sachsen wird ablehnend sich verhalten, wahrscheinlich aber überstimmt werden.182 Ich habe jetzt im Gesamtministerium viel zu tun mit den Gesetzvorlagen, die nun über Hals und Kopf fertig gemacht werden sollen. Minister Gerber beriet mit mir den Entwurf der Verordnung des Landeskonsistoriums über die Standesbücher, zu dem ich mehrere Bedenken aufgestellt hatte. Ich machte dann die Verordnung daraufhin und die anderen Minister haben sie ohne Beratung signiert. Auch der Entwurf des Gesetzes wegen der Entschädigung der Geistlichen (cf. 17. Okrtober), den mir Gerber schickte, ward nach meinen Vorschlägen geändert und andere Motive beigefügt. Als am Sonntag von dem Erlaß des Ludwig von Bayern auf die Adresse (die er nicht angenommen hat) in der Zweiten Kammer gesprochen ward, sagte der König, „wenn ich das machen wollte“.183 November 5 Endlich nach langer Pause, da der König immer auf Jagden und Reisen war, heute um 1 ½ Sitzung im Gesamtministerium bis halb 4, ausgefüllt durch den Vortrag des Entwurfs einer Abänderung des Staatsdienergesetzes. Prinz Georg klagte nach der Sitzung, daß er die Sachen vorher nicht bekomme, daher nichts von dem Vortrag verstanden habe, der sich auf einzelne, ihm unbekannte §§ bezogen und daher geschlafen habe. Warum hat er aber seit den vielen Jahren, während er im Gesamtministerium ist, es nicht gesagt? Ich machte denn gleich ein Protokoll, daß ihm alle Sachen vor dem König vorgelegt werden sollen. Nostitz geht morgen auf den Reichstag und so soll die nächste Sitzung über acht Tage stattfinden, eine Masse Sachen bleiben inzwischen liegen. November 9 Der König ist bisweilen eigentümlich. Ich stand, als er zur Sitzung neulich kam, neben Minister Gerber, allein mit diesem. Der König trat ein, ging auf mich zu, gab mir die Hand und fragte, wie es mir ginge, Gerber aber gab er nicht die Hand, was diesen möglicher Weise sehr verletzte. Dezember 13 Nichts hat seit langem so viel Stoff zum Gespräch gegeben als die vor einigen Tagen erfolgte Verlobung des 80jährigen tauben Kammerherrn von Budberg mit einem, angeblich schönen interessanten Mädchen von 31 Jahren, eines Fräulein Lindner, die er vorigen Sommer auf dem Dampfschiff gesehen und flüchtig kennengelernt hat. 182 Siehe Bekanntmachung betr. Die Redaktion des Strafgesetzbuchges für das Deutsche Reich vom 26. Februar 1876 sowie Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich 1876 auf Grund Artikel V des Gesetzes betr. Die Abändeurng von Bestimmungen des Strafgesetzbuches. In: Reichsgesetzbklatt 1876 Nr. 6 S. 39–120. 183 Landtagsakten 1875 ,Zweite Kammer über einen Erlaß Ludwig von Bayern, Oktober 1875
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1876 Februar 6 Prinz Georg hatte uns zum Ball vorige Woche eingeladen, den ich wie alle Hofund andere Bälle und Routs abgesagt hatte, da ich mit dem 70. Jahre nun mit solchen Quälereien abgeschlossen. Gestern war ich aber zu einem großen Diner bei ihm, wobei mir Friesen zu meinem großen Erstaunen und Leidwesen sagte, daß er abgehe. Heute war ich nun bei ihm, um ihn zu bitten, wenn er auch das Finanzministerium abgebe, doch das Auswärtige und den Vorsitz im Gesamtministerium und bei den in Evangelicis beauftragten Staatsministern beizubehalten. Er blieb aber ganz fest. Er klagte insbesondere darüber, daß Fabrice in Berlin ganz gegen die besprochenen und von ihm selbst genehmigten Grundsätze handele, entweder weil er Friesen nicht richtig verstanden habe oder seine Räte, denen alle Rechts- und Verfassungskenntnisse abgehen, ihn umgestimmt hätten. Er sei Preußen gegenüber immer streng ehrlich geblieben, aber von Berlin manövriere man so, daß er nichts machen kann. Finis Saxoniae wird es wohl bald heißen. Die Königin hatte in diesen Tagen einen großen Basar für eine Anstalt „Daheim“ – für Arbeiterinnen eröffnet, bei der junge Damen aus der Gesellschaft in Kostümen mit verkauften. Ein ungeheuerer Zudrang! Aber sehr unpassend hat man es gefunden, daß der König mit Frau von Wuthenau und die Königin mit dem Kammerherrn Lüttichau selbst Lose verkauft haben. Zuviel des Guten! Februar 29 Mein alter Freund Minister Seebach aus Gotha war vorgestern Mittag (Gustavs Geburtstag) mit Gustavs und Ferdinand zu Tisch und Abends mit Baron Fuchs – Nordhoff, dem Besitzer des Hauses, in dem wir jetzt wohnen (Bürgerwiese 17 III.) zum Whist bei uns. Gestern Abend waren wir mit ihm und seinem Sohn, der in diesen Tagen Leutnant geworden, bei Fuchs mit Graf Einsiedel (Wolkenburg) und dessen Frau und dem alten Maler von Rayski. März 5 Gestern ist der pensionierte Archivar Herschel in Niederlößnitz begraben worden, heute Archivar Falke um 3 Uhr, wobei ich meine erste und hoffentlich letzte Leichenrede gehalten habe. Trauerrede von Karl von Weber für den Archivar Dr. Johannes Falke (bisher unveröffentlicht): Der Todesengel hat in der letzten Zeit unter den Beamten des Hauptstaatsarchivs eine ebenso reiche als für uns schmerzliche Ernte gehalten. Vor Jahresfrist starb unser Kollege Dr. von Posern, gestern ward der Archivar Herschel beerdigt, ein unersetzlicher Verlust für seine Freunde, das Archiv, die Wissenschaft, der während seiner Amtierung sehr schätzbare Arbeiten geliefert hat, und wenn er auch seit längerer Zeit in Pension getreten, doch noch bis an sein Ende sich den wissenschaftlichen Studien nicht entfremdet hatte. Heute stehen wir tief bekümmert am Sarge unseres Freundes und Kollegen Dr. Falke. Als er im Jahre 1862 an das Hauptstaatsarchiv berufen ward, hatte er sich schon durch seine Werke den Ruf eines tüchtigen Forschers und namhaften Gelehrten erworben, auch beim Archiv hat er diesen bewahrt. Reiche Ausbeute fand er hier für das Feld der Kulturgeschichte, das er ja vorzugsweise liebte und mit Erfolg ausbeutete. Als er hier eintrat, stand er in der Fülle der Jugend und Arbeitskraft. Bescheiden in seinen Wünschen und in seinen Ansprüchen an das Leben fand er Erholung von seinen Studien und volle Befriedigung in seinem glücklichen Familienkreis. Gesund und kräftig, wie er war, schien ihm noch eine lange Reihe von Lebensjahren beschieden. Da überfiel ihn plötzlich ein heimtückisches gräßliches Übel, eines der furchtbarsten, welches den Menschen heimsuchen kann. Einen sicheren und schrecklichen Tod vor Augen, hat er, ein wahrer Held, sein Leiden mit Fassung und Geduld getragen, so lange es
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ihm möglich war noch unermüdlich fortarbeitend an einem größeren Werk, das der Wissenschaft Bereicherung, ihm Ehre und Gewinn bringen mußte. Leider ist ihm die Vollendung nicht möglich gewesen. Das Hauptstaatsarchiv verliert in ihm einen fleißigen und pflichttreuen Arbeiter, wir einen gefälligen, liebenswürdigen und geschätzten Kollegen. Seiner trauernden Witwe, die bis zu eigner völligen Erschöpfung ihn mit unendlicher Liebe und selbstloser Aufopferung in seinen langen Leidenstagen gepflegt hat, und den armen verwaisten Kindern möge Gott Trost spenden und ihnen schützend zur Seite stehen. Friede der Asche unseres Falke.
März 19 Gestern Beust hier, kam nach Tisch. Sehr unzufrieden. Trotzdem, daß er in England, wo er sehr anerkannt und populär sei, die orientalische Frage mit großer Schwierigkeit verhandelt und zum Abschluß des Vertrages wesentlich beigetragen184, finde er in Wien gar keinen Dank. Bismarck feinde ihn ohne allen Grund immer wieder an, obwohl er mit dem deutschen Botschafter Graf Münster sehr gut stehe. Seine Ernennung zum Botschafter in Paris, die er anscheinend sehr gewünscht, habe Bismarck (so verstand ich) hintertrieben. Er ist sehr gealtert, mager geworden. Was er jetzt hier will (er kommt von Wien und geht heute wieder dahin) ist mir unklar. Sophie besuchte die Gräfin, die sie auch sehr gealtert gefunden. Fuchs-Nordhoff – unser Hauswirt – bat Beust, den wir für den Abend eingeladen, abzutreten und gab dann eine sehr gemischte Gesellschaft, Baron Oppenheim und Frau, Kaskel, Wuthenau’s, Gustavs, Falkensteins, eine Frau von Scholz pp., Graf Einsiedel – Alles durcheinander. Gutes Souper, wobei Beust Anekdoten erzählte aus der Napoleons III. Zeit. Rothschild gibt diesem eine Fasanenjagd und hat einen Papagei als Fasan maskiert. Der Kaiser schießt ihn und der Papagei schreit Vive l’empereur. Er hat auch einige Affen mit herumlaufen lassen und ein Genosse warnt, nicht auf sie zu schießen, weil es les enfants de Rothschild seien. Unsere Königin, die immer Abwechslung, Feten haben will, ewig in Unruhe ist, will ein Dilettantenkonzert aus den höheren Kreisen für den Alberts- und Diakonissenverein arrangieren a 10 Mark das Billett. Die Ministerin Abeken und Graf Lippe sollen die Sache arrangieren, finden aber sehr viele Schwierigkeiten, da man in der Wahl der Ausführenden weniger das Talent, als die Stellung berücksichtigt und sonderbare Antipathien zum Vorschein kommen. Gustav ist aufgefordert zu geigen. März 31 Gestern war ein von der Königin für den Albertsverein und die Diakonissenanstalt veranstaltetes Dilettantenkonzert aus den höheren Kreisen a Billett 10 Mark. Gustav hat (wohl zum ersten und letzten Mal) sehr ordentlich gespielt, eine Sonate von Reineke mit Frau von Süßmilch. Das Ganze ist ziemlich mittelmäßig ausgefallen, auch nicht sehr viel Publikum dagewesen. Ich hatte zwei Billetts genommen und da wir in diesen Tagen nicht ausgehen, dann wieder zum Verkauf für den Zweck an Graf Lippe geschickt, der der Arrangeur war. April 13 Gründonnerstag. Es wird Zeit, daß Friesen abgeht. Gesamtministerium existiert nur dem Namen nach. Ich muß mit Ach und Krach nur immer sorgen, daß die Sachen 184 Der Aufstand von Bosnien und Herzegowina gegen die türkische Herrschaft 1875 führte zur OrientKrise, in der Rußland und Österreich-Ungarn gegen das Osmanische Reich standen. Deutschland versuchte dabei, neutral zu bleiben. Letztlich wurde nach Botschafterkonferenzen in Konstantinopel und London, an der Beust als österreichischer Botschafter in London mitgewirkt hat, in der Berliner Konferenz 1878 die Ordnung der orientalischen Verhältnisse neu geregelt. Siehe Theodor Schieder, Staatensystem als Vormacht der Welt. 1848–1918. (= Propyläen-Geschichte Europa. Band 5. Frankfurt a. M. 1992, S. 230–236.
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fortkommen, ohne Beratung, ohne Prüfung seiten der Minister, die sich auf mich verlassen, der ich alt, stumpf und indolent geworden. Ein originelles Stückchen brachte uns neulich der Borkenkäfer. Das Ministerium des Innern brachte neulich einen Gesetzentwurf wegen Vorkehrungen gegen diese Biester, in dem aber von den Forstbeamten gar keine Rede war, sondern Alles den Amtshauptleuten pp zugewiesen war. Dazu gab Friesen ein langes Gegenexpose, daß doch die Forstbehörden nicht ganz übergangen werden könnten. Nostitz erwiderte, er teile ganz diese Ansichten, allein das Finanzministerium habe sich ja selbst mit den Vorschlägen ganz einverstanden erklärt. Friesen hatte auch richtig das Rekommunikat, worin das Einverständnis ausgesprochen war, selbst unterschrieben und sagte nun, es sei im Geschäftsgang geschehen pp. So ward dann nun von mir das Rekommunikat dahin entworfen, daß die königlichen Forsten der Aufsicht der Forstbehörden unterstellt blieben. Mai 25 Himmelfahrt. Ein Bekannter, von Haugk, ist plötzlich gestorben. Mit unserem langjährigen Hausarzt Dr. Eberhard Richter soll es, wie Seiler sagte, auch zu Ende gehen. Juni 11 Vorgestern war nach langer Pause wieder einmal Sitzung im Gesamtministerium, in der in meiner Gegenwart aber nur der Landtagsschluß besprochen ward. Sehr höflich ist der König nicht. Vor längerer Zeit schon habe ich ihm ein allerdings keinen Kunstwert habendes Bild des roten Hauses in Strehlen, wie es sonst war, ehe es der König für sich umbaute, von Adolfs Hand auf seinen Wunsch geschenkt – kein Wort des Dankes. Jetzt hatte ich beim Hauptstaatsarchiv eine Chronik von Wermsdorf, das der König jetzt als Jagdschloß übernommen hat – gegen Hubertusburg – zusammenstellen lassen, die viel Arbeit gemacht hat, kein Wort des Dankes. Er konnte mir doch beim Vorbeigehen ein Wort sagen. Prof. Eberhard Richter, unser Arzt, hat bei seinem vor einigen Wochen erfolgten Tod bestimmt, daß seine Leiche verbrannt werden solle und dies als Bedingung für Legate zu milden Zwecken gestellt. Minister Nostitz war, als ich deshalb mit ihm beiläufig in Meißen beim Kapitelkonvent sprach, nicht abgeneigt, es zu genehmigen, allein das Ministerium des Innern hat es abgeschlagen und die Leiche soll nun nach Mailand geschafft werden, um dort verbrannt zu werden. Zopf, Zopf, Zopf – ein paar Seiten lang möchte man schreiben. Juni 25 Der Landtag ist nun zum zweiten Male, hoffentlich zum letzten Male, verlängert worden. Die Minister bekomme ich gar nicht mehr zu sehen. Sie hatten vor einigen Tagen eine Besprechung, ohne mich zuzuziehen, und Friesen hatte das Dekret wegen Verlängerung des Landtages und ein Protokoll wegen der Geschäftsführung während der Reise des Königs, der in die Schweiz will, selbst abgefasst und dabei mehrere formelle Pudel gemacht und wegen des Schlusses des Landtages, den der König allein zu bestimmen hat, die Erklärung der Stände erfordert, was dann noch berichtigt werden musste. Ich schickte aber Roßberg zu ihm, dem er gesagt hatte, wir hätten das ja gleich selbst ändern können. Der arme Roßberg hätte schön auffliegen können, wenn er in einem Konzept von Friesens Hand ohne Weiteres etwas hätte ändern wollen. Otto von Welck war vorgestern bis spät Abends bei uns und erzählte, welche Prellereien bei dem Verkauf der Mückenberger Eisenwerke, welche die Grafen Einsiedel an ein Konsortium von fünf Leuten verkauft haben, vorgekommen sind. Die Kerls haben beim Verkauf an die Aktiengesellschaft mehr als eine halbe Million Taler in die Tasche gesteckt und die Aktiengesellschaft hat so gewirtschaftet, daß die Geschichte dem Bankrott entgegengeht.
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Juli 2 Der Landtag sollte also am Sonnabend geschlossen werden. Alles war dazu festgestellt und vorbereitet. Als ich Freitag früh schon um 8 ½ ins Gesamtministerium kam, hörte ich, die Minister seien beim König, der Landtag solle erst Dienstag geschlossen werden. Eine Stunde später kam Friesen sehr eilig, brachte ein von ihm selbst geschriebenes Konzept zu einem Dekret, das der König schon signiert hatte, nach welchem der Landtag auf unbestimmte Zeit vertagt werde. Das Dekret musste sofort mundiert werden, er unterschrieb es und schickte es zum König zur Unterschrift. Es war nur einige Zeilen lang. Ich konnte gar nicht mit ihm sprechen, weil er gleich in die Kammer musste. Verlegung!, mir unbegreiflich! Mittags kam ich wieder ins Gesamtministerium, als eben Nostitz gekommen war, der angeordnet hatte, das Dekret solle nicht abgehen, es sei noch Hoffnung, daß der Landtag Sonnabend geschlossen werden könne. So kam es dann glücklicher Weise, da in der Abendsitzung die Zweite Kammer mit 46–39 Stimmen die Einkommenssteuer, um die es sich handelte, bewilligt hat. Gestern um 1 Uhr ward der Landtag geschlossen. Ich sollte, da Friesen einmal den armen Roßberg nicht ersehen kann, das Dekret vorlesen. Als ich mich anzog, bemerkte ich, daß ich zwei weiße rechte Handschuhe, aber keinen linken, hatte. Es musste noch schnell ein Paar gekauft werden. Ich hatte den Landtagsabschied und das Dekret, aber ein Dekret, das als Beilage angezogen war, fehlte. Friesen sagte, der König habe es. Dieser, der schon im Saale war, sagte, er habe es vollzogen und zurückgeschickt: wo war es nun aber? Eine Zahl Diener ward ausgeschickt und endlich, als es schon 1 Uhr vorbei war, sah ich einen den Korridor heraufkommen mit einem Papiersack, es war ins Hausministerium aus Versehen geschickt worden. Ich ging schnell entgegen und nahm, ohne mich weiter umzusehen, den Papiersack mit den Worten „nun das war der letzte Moment“. Zu was, fragte eine Stimme, die dem Prinzen Georg gehörte, den ich nicht angesehen und daher auch nicht gegrüßt hatte. Ich ging nun wieder in den Saal und wollte eben den ganzen Inhalt des Papiersacks zu den anderen Papieren stecken, die ich Friesen zu übergeben hatte, als ich noch glücklicher Weise einmal nachsah. Außer den Reinschriften lagen auch die Konzepte bei und Friesens Vortrag an den König. Letzterer fragte mich, ob Alles richtig sei, worauf ich ihm erwiderte, es sei sogar zu viel. Ich sonderte nun auf dem Fensterbrett die Papiere, was den Kreishauptmann Einsiedel zu dem Witze veranlaßt hatte, „Weber macht eben das Vereinigungsverfahren fertig.“ Um 3 ¾ fuhren Stände und Regierungsbevollmächtigte mit dem Dampfschiff nach Pillnitz zum Diner, das recht gut war. Ich saß neben dem ehemaligen Gesandten Graf Seebach und Geheimen Rat Bähr. August 28 Ich habe mich jetzt mehrfach mit dem Gedanken beschäftigt, ob es nicht an der Zeit ist, daß ich das Referat beim Gesamtministerium abgebe, da ich offenbar geistig schwächer geworden und insbesondere mit der neuen Gesetzgebung wegen Gedächtnisschwäche nicht genug bekannt worden. Aber das Archiv allein ist so furchtbar langweilig, daß mich dies und die Rücksicht auf die jährlichen 700 Taler Remuneration abhalten. Nous verrons, wie sich die Sache im Gesamtministerium nach Friesens Abgang gestalten wird. Er wollte erst schon den 1. Oktober abgehen und Alles war schon fertig, als Könneritz erklärte, er müsse ins Bad und könne den 1. Oktober noch nicht eintreten. So ist denn der 1. November angenommen worden. Es ist ja Alles um uns her gestorben oder uns fremd geworden. Ich habe auch gar nicht das geringste Bedürfnis zur Geselligkeit mehr, lese Zeitungen, Zeitschriften, Romane, trinke
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Abends eine Flasche Wein und spiele mit Sophie und Oda zu meiner Instruktion zwei Robber Whist. Wenn es bei Sonnenuntergang lautet, denke ich an meinen armen Jungen. Sophie hat neulich den kleinen Erhard in Leipzig gesehen, der beim Kaufmann Helm sehr gut aufgehoben ist und war ganz entzückt über den Kleinen. Am 24. August hatte ich endlich einmal Sitzung bei den in Evangelicis beauftragten Staatsministern, bei der die Vorlagen für die Landessynode, die den 2. Oktober diesen Jahres zusammentreten soll, beraten wurden. Es traten erhebliche Meinungsverschiedenheiten mit dem Landeskonsistorium hervor, in dem das klerikale Element ganz dominiert. Insbesondere verlangt das Landeskonsistorium eine Kirchenzucht gegen die, welche ihre Kinder nicht taufen, sich nicht trauen lassen, will sie vom Abendmahl ausgeschlossen wissen pp. Ich hatte gegen diese Vorschläge, die in veränderter Form immer wieder vom Konsistorium gemacht wurden, von Anfang an gekämpft und fand auch bei den Ministern, mit Ausnahme von Nostitz, Beistimmung. Auch wollte das Landeskonsistorium durchaus einen Kirchenfonds bilden, der durch Beiträge der Gemeinden auf 1 Million gebracht werden sollte, reiner Unsinn, da solche hohe Parochialbeiträge die Leute massenhaft aus der protestantischen Kirche treiben würden, auch die Stände niemals ihre Zustimmung geben würden. Es kam aber das Konsistorium immer wieder darauf zurück und es schrumpfte dann schließlich die Sache auf eine Kirchenkollekte zusammen, die nur sehr wenig Ertrag ergeben wird. Ich habe aber viel Schreiberei in diesen Sachen gehabt und dabei bemerken müssen, das meine sonst leidlich gewandte Feder doch jetzt sehr ungelenk und steif geworden ist. Oft weiß ich gar nicht mehr, ob eine Redensart richtig ist und die Orthographie wird mir auch oft sehr zweifelhaft. September 17 Am Freitag war ich bei Friesen wegen seiner Pension Rücksprache zu nehmen und nahm dabei Gelegenheit, ihn um seine Meinung zu fragen, ob ich nicht auch das Referat beim Gesamtministerium aufgeben möge. Er widerriet es mir. Als wir über das Gesamtministerium sprachen, sagte er, daß ja überhaupt die Geschäfte sich wesentlich verringert hätten, da man selbst über die wichtigen Fragen keine gemeinsame Beratungen mehr zu halten pflege, was zu bedauern sei. Ich konnte freilich die Frage nicht unterdrücken, warum er als Vorsitzender denn nicht die Zügel mehr geführt habe, worauf er mir antwortete, daß die Minister es vorzögen, ganz selbständig zu handeln. Oktober 8 Freitag Diner im Victoria-Hotel, das Fabrice zu Ehren Friesens gab, die Minister, der Vizepräsident Friesen (Bruder des Ministers), Zehmen, der Bürgermeister von Zittau – diese beiden wohl der Synode wegen (?) – bei Tisch neben Nostitz, den ich fragte, ob denn Friesen keine Auszeichnung erhalte. Nostitz: er habe es Fabrice gesagt, dieser aber nichts getan. Es komme in Frage Erhebung in den Grafenstand, Porträt des Königs, Orden in Brillanten. Ich: man möge doch Friesen vertraulich fragen. Nostitz: das wolle Niemand. Ich: ich wolle es tun. Nostitz damit ganz einverstanden. Ich sagte also Friesen, ich wolle nach dem Diner ihn begleiten, um etwas zu besprechen. Dann sprach Nostitz mit Fabrice, der aber meinte, man möge es ganz dem König überlassen. In diesem Augenblick trat Friesen aber zu mir und sagte, wir wollten gehen. Ich sagte nun Fabrice, jetzt sei es zu spät, ich müsse nun Friesen etwas sagen. Das geschah denn, indem wir fast eine Stunde durch die mondscheinhellen Straßen gingen. Er sagte, er beanspruche gar nichts, es genüge ihm, wenn der König ihm einige freundliche Worte sage. Graf will er durchaus nicht, der Hausorden in Brillanten wäre immer von einigem Wert, da er kein Vermögen habe und gern einigen unbemittelten
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Familiengliedern etwas hinterlassen würde. Er sagte, Abeken und Gerber verständigten sich nicht, Abeken sei zu übereilt. Könneritz gehe mit sehr großer Zuversicht in das Ministerium, meinte, er sei der Sache nicht gewachsen, aber beficut alter, da Thümmel zu ungelenk und nicht reden könne. Gestern habe ich nun Fabrice, der ebenso wenig wie Nostitz zu finden war, sub sigillo geschrieben. Nous verrons, ob die Diamanten nicht zu fest sitzen. Oktober 15 Vorgestern (13.) letzte Sitzung Friesens im Gesamtministerium, den 18. reist er nach Italien. Ich weiß nicht, was sie in der Sitzung von 1 ½ – 3 ¼ gekocht haben, da ich nicht zum Vortrag kam. Der König will sein Porträt Friesen schenken, die Diamanten am Hausorden lieber behalten. Meine Interzession für letztere bei Fabrice war also vergeblich. Er hat überhaupt Malheur bei seinem Abgang. Vor vier Wochen schrieb er mir, daß es wohl billig sei, wenn ihm die Zeit seiner Verwendung zu Sekretariatsgeschäften bei der Kreisdirektion zu Leipzig mit 25 Taler monatlich seit Oktober 1835 mit als Dienstzeit angerechnet werde, während er im Bestallungsdekret nur den 9. Dezember 1836 hat. Er kommt dadurch mit 1 500 Taler, die er 1848 hatte, in eine höhere Klasse, da er dann 40 Dienstjahre hat. Ich machte einen kurzen Aufsatz deshalb, schrieb aber gleichzeitig an die Kanzlei des Ministerium des Innern, um die Zeit seiner Anstellung 1835 zu konstatieren, gab aber den Grund nicht an. Die Minister waren einverstanden, Friesen aber aquistierte die Sache, ehe die Antwort vom Ministerium des Innern da war. Wahrscheinlich hatte er es übelgenommen, daß man die Auskunft erbeten, und er schrieb mir, als sehe er von der Sache ab. Auf eine Erläuterung meinerseits, daß ich doch aktenmäßige Auskunft hätte haben müssen, beruhigte er sich auch. Es entstand aber eine Differenz der Ansichten über die Berechnung der Pension. Die Minister kamen nicht zusammen, es zirkulierte die Sache wiederholt, endlich war die Majorität für eine Berechnung, die Gerber aufgestellt hatte. Als die Sache nun ausgefertigt war, erklärte Fabrice, er unterschreibe es nicht, warum ist mir nicht klar geworden. Er kam vor einigen Tagen Nachmittags zum Geheimen Sekretär Fischer und sagte, es solle die Sache ausgefertigt werden mit Anrechnung der Zeit vom Oktober 1835. Ich erfuhr es erst anderntags und schrieb, da ich Fabrice und Nostitz nicht fand, an Fabrice, daß in das Kommunikat an das Finanzministerium der Satz hineinmüsse, daß das Gesamtministerium jene Anrechnung beschlossen habe, weil sonst vom Finanzministerium oder der Oberrechnungskammer ein Monitum kommen werde. Er antwortete mir, er werde Freitag, wo Sitzung war, die Sache mit mir besprechen . Das geschah. Er ging zwar auf meinen Vorschlag, ein besonderes Protokoll zu machen, worin der Beschluß der Anrechnung niedergelegt werden sollte, ein, wollte aber das – unvollständige – Kommunikat nicht ändern. So ging denn dieses am Freitag mit einer Notifikation an Friesen ab, während das Protokoll in Zirkulation gesetzt ward. Friesen bekommt das Kommunikat und fertigt gleich selbst ein Rekommunikat aus, es sei die Berechnung unrichtig, da er noch nicht 40 Dienstjahre habe. Am Sonnabend Nachmittag ging dieses Rekommunikat, das Friesen von Thümmel hatte unterschreiben lassen, ein. Ich ging nun zu Thümmel in der Ansicht, er habe das Rekommunikat gemacht, um es zurücknehmen zu lassen, da das Protokoll die Sache aufklären werde. Das ging nun freilich nicht und so müssen wir denn die Sache abgehen lassen, erst wenn Friesen fort ist. Will er die 150 Mark. um die es sich handelt, dann nicht nehmen, nun so ist das seine Sache. Oktober 18 Erst gestern ist die Friesensche Pensionssache (hoffe ich) zum Abschluß gekommen. Montag gab Falkenstein ihm zu Ehren ein sehr gutes Diner (sonst nicht seine Gewohnheit), wo ich Friesen auf dessen Frage die Sachlage eröffnete. Gestern schrieb er mir
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den anliegenden Brief, worauf ich die Minister in Kenntnis setzte, daß er die Anrechnung nicht wünsche und daher vorschlug, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Heute gibt Gerber der Synode eine Abendgesellschaft, zu der er mich auch eingeladen hat. Fabrice hat gegen Friesen und Nostitz Wunsch den Vorsitz im Gesamtministerium erhalten. Krug meinte, er werde sich der Sachen jedenfalls eifrig annehmen, denn wenn er einmal etwas annähme, so sei er sehr genau und gewissenhaft. Jetzt hat er bis Ende des Monats Urlaub. Friesen reist heute nach Rom ab. Oktober 29 Die „Dresdner Nachrichten“ brachten den nachstehenden Artikel, der Wahrheit und Dichtung enthält. Vielleicht ist er von Friesen selbst inspiriert: „Der mit Ende dieses Monats offiziell erfolgende Rücktritt Seiner Exzellenz des Herrn Staatsministers von Friesen dürfte noch von einem besonderen Akt königlicher Huld begleitet sein. Dem Vernehmen nach war dem scheidenden Herrn Premier-Minister von Seiner Majestät dem König der erbliche Grafentitel zugedacht, vom Herrn von Friesen aber dankend abgelehnt worden und bei der ihm freigestellten Wahl zwischen dem Bilde Seiner Majestät und dem Brillantstern zu dem von ihm innehabenden Orden der Rautenkrone, hat Herr von Friesen aber um das Erstere gebeten, worauf Seine Majestät jetzt einen berühmten Künstler Auftrag erteilt hat, sein Porträt in Öl zu malen.“
November 3 Heute 10 ½ ward Könneritz durch Regierungsrat Roßberg als Minister beim König und dann durch Nostitz als evangelischer Minister verpflichtet. Ich fand Gelegenheit dieser Tage und noch heute, mit jedem Minister einzeln über das Gesamtministerium zu sprechen, das Friesen trotz meiner wiederholten Bitten ganz auseinander gehen lassen. Es ist durchaus nötig, daß die Minister wöchentlich einmal allein zusammenkommen, um Fühlung miteinander zu behalten und alle wichtigeren Sachen zu besprechen. Das erkannten sie Alle an und Fabrice versprach, darauf zu halten, auch will er Montag und Freitag, wo Vortrag beim König ist, jedesmal zu mir ins Gesamtministerium kommen, um die kurrenten Sachen zu besprechen. So war es in der alten Zeit, während jetzt jeder Minister für sich regiert, ohne den anderen Notiz zu geben von wichtigeren Sachen. Daher kam es, daß, wie Abeken mir klagte, er mehrmals in Berlin über Sachen befragt worden ist, von denen er gar nichts wußte, weil Friesen es allein abgemacht hatte. Dieser hat übrigens noch mehr kleine Kränkungen erlitten. Der König ladet ihn zum Beispiel in den letzten Tagen zu Tisch und sagt dabei, daß auch die anderen Minister eingeladen werden sollten. Diese bekommen aber keine Einladung, bis der König sich sehr spät daran erinnert. Wie nun die Zahl der Gäste zusammengerechnet wird, ergibt sich, daß es 13 sind und nun erst wird der Oberhofmarschall mit zitiert. Das Richtige wäre gewesen, daß der König Friesen ein solennes Abschiedsdiner im Schloß unter Einladung der ersten Mitglieder des Finanzministeriums und sonstiger Spitzen gegeben hätte. Friesen fragt ferner den Prinz Georg, wann er sich bei ihm und der Prinzessin verabschieden könne und dieser sagt ganz kurz, er möge denselben Tag, an dem der König ihn nach Strehlen eingeladen, früh um 11 nach Hosterwitz kommen – hetzt ihn, ohne ihn sonst einzuladen in den letzten Tagen, wo er soviel zu tun hatte, also da hinaus! Ich hatte heute auch ein langes Gespräch mit Könneritz, der sich über Mehreres orientieren wollte und sehr höflich und eingehend war. Auch hier sage ich nous verrons! Abeken beklagte sehr, daß der König sich durch seine so ganz offenkundige Courmacherei mit Frau von Wuthenau sehr schade, insbesondere verarge man es ihm in Berlin. Die Dame ist keineswegs jung oder schön, sondern sie amusiert ihn wohl nur durch ihren Witz,
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der unter der Hofumgebung eben nicht massenhaft ist. Er meinte, es müsse Jemand den König aufmerksam machen – aber wer? Ich riet ihm sehr ab, etwa selbst etwas zu sagen, was bei der Zartheit der Angelegenheit sehr übel vermerkt werden würde. Krug, den er nannte, denkt nicht daran, sich die Finger zu verbrennen. Falkenstein ebensowenig. Es ist Niemand da, der wie der alte General Engel den König Johann auf solche Sachen aufmerksam machen möchte und könnte. Daher soviel bevula, wodurch der König und Königin, auch Prinz Georg verletzen, ohne die Absicht zu haben. Die Herrschaften sind eben nicht darauf erzogen, Rücksichten zu nehmen. Dezember 25 Seit längerer Zeit geht schon das Gerücht, daß Anton, Uhde, Thümmel, Körner und Schwarze zu Wirklichen Geheimen Räten (Exzellenzen) ernannt werden sollten, ein Gerücht, das die Dresdner Nachrichten insbesondere in Beziehung auf Schwarze wiederholt gebracht haben. Anton wußte heute noch nichts davon. Jedenfalls geht die Sache von Schwarze aus, der vor Eitelkeit ¾ verrückt ist. Er ist ein in seinem Kriminalfach ganz tüchtiger Gelehrter, aber ein ganz unzuverlässiger Mensch, gemeine Natur. Er fragte mich einmal, als ich bei Hof neben ihm saß, er möchte wohl wissen, was ich von ihm sagte. „Gar nichts, antwortete ich, halb Scherz, viel Gutes weiß ich nicht von Ihnen und Böses rede ich Niemand nach“. Friesen hat, als Fabrice 1868 die Repräsentation übernahm, noch für das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten 1 000 Taler behalten, woher er das Geld bezogen, ist noch unklar, da im Gesamtministerium sich nichts darüber findet. Nostitz will nun dies auch haben, da er das Auswärtige Ministerium mit übernommen hat. Ich muß nun sehen, wie man dies arrangieren kann.
1877 Januar 1 Der König hat die 1 000 Taler aus der Zivilliste „bis auf Weiteres“ bewilligt gehabt und Friesen bei seinem Abgang ein Schreiben eingereicht, die Bewilligung, welche mit Rücksicht auf seine Verwaltung des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten erfolgt sei, habe sich jetzt erledigt. Für seinen Nachfolger hat er nichts getan! Silvester ward bei uns von der Familie gefeiert. Wir lasen aus meiner Sammlung von curiosis vor. Januar 10 Minister Gerber hat wegen Übernahme der Direktion der Königlichen Sammlungen keine Remuneration zugesichert erhalten. Es ist dies unbillig, da er doch manche Arbeit und etwas Repräsentation dabei hat. Ich sprach daher mit dem Geheimen Rat Bähr, der mir auch zusicherte, er wolle dem König die Bewilligung von 2 500 Mark aus den Fonds der Sammlungen vorschlagen. Gerber war, als ich ihm dies mitteilte, voller Dank. Daß ein Staatsminister sich dafür bei einem Rat bedanken muß! Ich weiß aber noch nicht, ob der König es genehmigt hat, hoffe es aber – weil es ihm nichts kostet. (Ergänzung am Rande: den 28. Januar 1877. Da Kohlschütter früher, als die Königlichen Sammlungen unter dem Ministerium des Innern standen, 800 Taler erhalten hat, schlug ich 1 000 Taler jährlich für Gerber vor, machte einen kleinen Aufsatz, den Fabrice dem König vorgelegt hat und dieser hat den Vorschlag genehmigt. Gerber wäre mit 500 Taler ganz zufrieden gewesen.) Der Hofhaushalt soll jetzt in Folge der Vergnügungssucht der Königin sehr viel kosten.
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Auf dem Hofball ist Alles indigniert gewesen über eine Infamie eines unserer edlen Grafen. Mein alter Freund (es handelt sich um Jordan) hinterließ ein großes Vermögen, wohl gegen eine Million Taler und drei Töchter. Die älteste, Henriette, ist verheiratet an einen Rittmeister, dem Freiherrn von Fritzsch, der alsbald den Abschied nahm und sich auf die Bärenhaut legte. Die eigene, in der er steckt, soll nicht viel taugen. Er gilt für höchst eigennützig und hoffärtig. Die zweite, Therese, heiratete einen Graf Holtzendorf, Sohn der früheren Oberhofmeisterin, einer intriganten Frau und eines ziemlich bornierten Obersten (Bruder des ehemaligen Kriegsministers), der für intelligent gilt, aber es nie bewährt hat. Erst Referendar, dann Offizier, dann angehender Diplomat hat er, weil er sich immer zurückgesetzt glaubte, auch den Abschied genommen. Das Geld ist ihm zu Kopf gestiegen, er hat einen unsinnigen Aufwand gemacht und in den fünf Jahren, seitdem er verheiratet ist, das Vermögen durchgebracht. In diesem Winter baute er ein Haus, das er auf der Goethestraße – im eleganten Teil der Stadt – gekauft hatte, ganz um, baute sich ein Maleratelier. Alles ist erst halb fertig – da ist er es auch. Vor einigen Tagen geht er nach Berlin, nimmt Alles, was er an Geld noch flott machen kann, mit, brennt nach Amerika – wahrscheinlich – durch, hinterläßt eine Menge Schulden und seine nervenkranke elende Frau mit mit zwei kleinen Kindern ohne alle Mittel. So ein herzloser Schuft. Die Frau, Therese, ist bei Fritzschens, wo sie auch nicht auf Rosen gebettet sein wird, die Kinder haben die Großeltern zu sich genommen. Die jüngste Tochter, Mathilde, hat einen Major von Könneritz geheiratet, der in Oschatz steht, und soll unsinnig geizig geworden sein. Herzlos sind ja alle drei. Da hat nun Jordan sein ganzes Leben gescharrt und gegeizt, um so einem Lunp ein paar flotte Jahre zu verschaffen! Die Frau hat noch nicht einmal den Lohn der Leute zahlen können, der Hausstand ist ganz aufgelöst worden. Januar 15 Heute war Sitzung im Gesamtministerium. Ich hatte wenig vorzutragen, aber Geheimer Rat von Thümmel trug eine Differenz mit Preußen wegen Eisenbahngeschichten vor. Er ist sehr unzufrieden, klagt über Überlastung mit Arbeit, wofür er nichts bekomme, Könneritz brauche ihn, tue aber nichts für Besetzung der erledigten Stelle pp, kurz er ist offenbar verletzt, daß er nicht Minister oder wenigstens Exzellenz geworden ist. Januar 19 Am Montag hatte ich ein großes Diner beim russischen Gesandten von Kotzebue, einen mir sehr angenehmen, geistreichen, witzigen Mann, der dabei keine Idee von Hochmut hat. Ich saß neben Minister Nostitz und benutzte die Gelegenheit, ihn auf Thümmel aufmerksam zu machen, der jedenfalls mit einer Gratifikation von 3 000 Mark sich zufrieden stellen wird. Er machte sich einen Knoten ins Schnupftuch, der das Geld enthalten wird. In diesen Tagen hat sich die sogenannte Pflanze, ein Sohn des Hofmarschall von Könneritz, Fink, ein verbummelter Patron, Spieler von Profession, hier in einer Droschke erschossen. (Zeitungsausschnitt: Ein Herr, der vorgestern Abend in der 7. Stunde eine Droschke engagiert hatte, um sich nach dem Stadtkrankenhause fahren zu lassen, hat sich auf der Fahrt dahin in der Friedrichstraße mittelst mehrerer Schüsse aus einem Revolver getötet. Der Entseelte war ein junger, fein gekleideter Mann, in dessen Taschentuche eine Grafenkrone eingestickt war. Der Getötete ward nunmehr einem anderen Ziele zugeführt, da das Stadtkrankenhaus Leichen nicht aufnimmt.)
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Die Holtzendorf will einen Advokat Schmidt nach London schicken, um mit ihrem sauberen Gemahl ein Abkommen zu treffen. Ich schreibe eben auf Fritzsch’s Wunsch an Beust, ihn zu empfehlen. Januar 25 Heute kam der Geheime Rat Bähr zu mir und teilte mir mit, daß der König dem Minister Nostitz-Wallwitz 3 000 Mark aus der Zivilliste für die Repräsentation beim Auswärtigen Ministerium bewilligt hat (siehe 25. Dezember 1876 und 1. Januar 1877). Er sagte dabei, daß die Zivilliste sehr viele Schulden hat, da der Aufwand des Hofes zu groß ist und die einzelnen Branchen den Etat überschreiten, ohne daß Jemand wagt, dem König dies bemerklich zu machen. Die Königin braucht für ihre ewigen Feten zu viel, der König ist aber ihr gegenüber ganz schwach. Bis jetzt hat man das Defizit aus den Beständen gedeckt, die aber nun aufgezehrt sind. Bähr soll nun jetzt die neuen Etats machen, hat aber auch keine Courage, offen herauszugehen. Das Privatvermögen des Königs beträgt ungefähr eine Million Taler. Er legt aber die Zinsen zurück und gibt nichts davon ab. Vor einiger Zeit hat die Königin einen Ball in Strehlen gegeben, ohne den Hofchargen, insbesondere dem Oberhofmarschall Notiz zu geben. Der Adjutant von Minkwitz hat die Einladungen erlassen und die honneurs gemacht. Bähr sagte, wenn das dem früheren Oberhofmarschall von Gersdorf passiert wäre, hätte er seinen Abschied gefordert. Jetzt sagen Alle, wenn der König etwas für den Hof anordnet, wenn es auch noch so verkehrt ist, „jawohl Majestät, zu Befehl“. Falkenstein raisonniert für sich, ist aber eine reine Null. Wir gehen überhaupt schlechten Zeiten entgegen. Unsere Finanzen stehen ganz schlecht, die Eisenbahnen, die Wälder geben viel weniger Ertrag. Fabrice sagte mir neulich, am Jahresschluß seien nur 120 000 Mark in der Staatskasse gewesen, wir lebten eben jetzt von Schuldenmachen. Vom ehemaligen Oberberghauptmann Beust, der jetzt in Teplitz lebt, bekam ich einen ganz melancholischen Brief. Es verfolge ihn ein fatum. Cotta sagte mir neulich, er sei entlassen worden, weil er ein großes Eisenwerk in einer Gegend angelegt, wo er Eisenstein vermutet habe, der aber nicht vorhanden gewesen sei. Januar 28 Gestern Diner beim Minister Nostitz, der mich wahrscheinlich eingeladen, weil ich ihm die 3 000 Mark verschafft habe. Nach seinen Äußerungen muß ich annehmen, daß der König ganz damit zufrieden ist, daß der Sozialdemokrat Bebel bei der Reichstagswahl über den Kandidaten der Nationalliberalen bei der hiesigen Stichwahl am 26. des Monats gesiegt hat. So denken allerdings viele Portionslausten, die lieber den Teufel als einen Nationalliberalen im Reichstag sehen In den nächsten Wochen hat Oda vier Bälle, Hofball, Prinz Georg, Fabrice und Abeken, wenn es nur der armen Sophie, die sich schrecklich auf den Bällen langweilt, nicht zu viel wird. Letztere hat auf dem Hofball den König direkt gefragt, ob es nicht Zeit sei, daß ich beim Gesamtministerium das Referat abgebe und dieselbe Frage auch Abeken vorgelegt mit der Bitte, die anderen Minister nach ihrer aufrichtigen Meinung deshalb zu fragen. Die Antwort ist aber allseitig dahin gegangen, daß ich jedenfalls bleiben solle und sie noch keine Abnahme der geistigen Kräfte bemerkt hätten. Die Hauptsache ist wohl, daß sie nicht wissen, wer das Referat übernehmen sollte. Februar 2 Gestern Abend traf ich Minister Könneritz in der Ressource, der sofort auf mich loskam und mich in das letzte, gerade leere Zimmer führte und da eine Stunde lang sehr eingehend mit mir über seine Stellung, die Finanznöte, einzelne Persönlichkeiten pp sprach
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und über manches meine Ansicht hören wollte. Er ist gegen mich von großer Höflichkeit, aber ganz unbegreiflich unhöflich gegen Sophie, der er sich, obwohl er sie mehrmals in Gesellschaft getroffen und mit seiner Frau sprechen sehen hat, nicht hat vorstellen lassen. Was soll das nun bedeuten ? Februar 7 Als ich gestern Mittag zu Hause kam, fand ich den K. K. Ministerialrat (so ist sein Titel) Konstantin von Beust, der jetzt in Pension gesetzt worden und mit seiner Frau in Teplitz lebt. Er war sehr niedergedrückt, da seine Finanzen ganz zerrüttet sind. Seine Tochter, die stolze schöne Rosa, hat einen ganz armen preußischen Leutnant Osmann geheiratet, dem der videcant Reichskanzler eine kleine Konsulatsstelle in Ginsgewo verschafft hatte, die er nach dessen Sturz verlor. Er hat dann ein großes Gut in Preußen mit fremdem Geld gekauft und steht jetzt vor dem Konkurs. Beust hat für ihn 4 000 Taler Wechsel mit unterschrieben bei Vetter u. Co. in Leipzig, die jetzt fällig sind und für die kein Geld da ist. Seine Frau geborene Houwald hat früher unsinnig verschwendet, da sie vor Hochmut nicht wußte, wohin und nun ist der arme alte Mann ganz auf seine Pension angewiesen, die allerdings glücklicher Weise in Geld zahlbar ist und über 3 000 Taler beträgt. Quae mutatio recam, wenn ich denke, wie Beust vor 30 Jahren als Bergkönig in Freiberg residierte! Vielleicht hilft ihm sein Bruder, von dem ich dieser Tage auch einen Brief erhielt, worin er u. a. schreibt, daß der vormalige französische Gesandte Forth-Rouen um die neueren Bände des Archivs für die sächsische Geschichte bittet, für seine Tochter, da er kein Wort deutsch kann. Sie soll die Bände erhalten, doch muß Beust erst die Adresse angeben, da hier Niemand weiß, wo Forth-Rouen existiert. Februar 13 Fastnacht. Gerber hat seine liebe Not mit den Kunstsammlungen. Sein Rat, der Hofrat Roßmann, ein verdorbener Theologe, später Führer des Erbprinzen von Meiningen, dann gegen den Willen des Königs Johann, der ihn für einen Atheisten hielt, von Friesen an Zahns Stelle hierherberufen, mischt sich in Alles, hält sich für einen großen Sachkenner, ist aber, wie Viele meinen, bloß ein oberflächlicher Literat, dabei pedantisch und höchst anmaßend und eingebildet. Daß er nicht viel versteht, hat er mehrfach bewiesen. So hat er in Ungarn einen Ofen für die Albrechtsburg in Meißen gekauft, den er für uralt gehalten, teuer bezahlt und mit großen Kosten hierher hat schaffen lassen. Es hat sich dann ergeben, daß er eine Jahreszahl, die darauf ist, um ein paar Jahrhunderte falsch gelesen und daß es ein ganz wertloser Kachelofen ist, den die Albrechtsburg nicht aufnehmen kann. Jetzt hat er an die Galeriedirektion ein Schreiben ergehen lassen – das allerdings Gerber, ohne sich zu instruieren, unterschrieben hat – mit einer Nase, daß ein Bild schlecht restauriert worden sei. Das fährt natürlich Hübner in die Nase und er hält eine Sitzung der Galeriekommission, der Roßmann beiwohnt, in der von ihm selbst und allen Malern konstatiert wird, daß an dem Bild neuerdings gar keine Restauration stattgefunden hat. Hübner hat sich nun, friedliebend wie er ist, mit einem entschuldigenden Handschreiben des Ministers beruhigt. Aber auch mit dem Direktor Gruner und Professor Hettner ist er zusammengeraten und letzterer hat ihm einen höchst groben Brief ohne die gewöhnliche Schlußformel der Achtungsbezeigung geschrieben, den Roßmann nun wieder als Offizialbeleidigung Gerbern vorgelegt hat, der ihn mir zeigte. Dann hat er ein Regulativ für die Galerie entworfen, in der u. a. vorgeschrieben ist, daß die Kommission kein Bild geschenkt annehmen soll, das sie nicht auch kaufen würde. Es geht diese Bestimmung gegen Hübnern, der einige allerdings wohl wertlose Bilder seiner Schüler in der Galerie aufgehängt hat. An sich aber ist die Bestimmung allerdings im Widerspruch mit dem Sprichwort, einem geschenkten Gaul sieht man nicht ins Maul und es
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ist übersehen, daß man manches Bild wegen zu hohen Preises pp nicht kaufen wird, das man aber umsonst gern annimmt. Roßmann soll, wie Hübner meint, dahin streben, die Generaldirektion der Königlichen Sammlungen ganz in seine Hände zu bekommen, wobei ich ihn aber damit beruhigt, daß wegen der Vertretung den Ständen gegenüber immer ein Staatsminister an der Spitze stehen würde. Ärgerlich sind diese Quängeleien für Gerber, der von Kunstsachen wohl gar nichts versteht und bis jetzt Roßmann blind geglaubt hat, während er künftig wohl vorsichtiger sein wird. März 25 Zum 80. Geburtstag des Kaisers am 22. hat die Vorsteherin einer Schule für kleine Mädchen ihren Schülerinnen eine Mitteilung über den Kaiser gemacht, ein Vivat ihm ausgebracht und dann zur Feier des Festes ein Lied „Fuchs, Du hast die Gans gestohlen“ singen lassen. Auch nicht übel. Da das Reichsgericht nach Leipzig kommt185, verlieren wir unser Oberappellationsgericht – für Anton sehr bedenklich. Brockhaus forderte mich kürzlich auf, einen Beitrag zu den Raumerschen Jahrbüchern zu liefern – ich mit meiner steifen Feder. Natürlich abgelehnt, ebenso werde ich eine Einladung der Deutschen Gesellschaft zu ihrer 50jährigen Jubelfeier am 5. April diesen Jahres ablehnen. Es geht mir nicht gut, Atembeschwerden hindern mich öfters in der Nacht am Schlafen. Als ein Mondregenbogen sich zeigte, kam der Diener herein und sagte Oda, es sei ein Mondregenschirm da. März 31 Ich schrieb eine Menge Briefschulden ab, auch an Beust nach London, mit dem ich jetzt mehrfach wegen Holtzendorf, für den sich Prinz Georg auch interessiert, und wegen seines Bruders, des jetzt pensionierten österreichischen Ministerialrates Konstantin korrespondierte, der in bedrängte Finanzverhältnisse geraten ist, teils durch frühere Verschwendung seiner Frau, teils durch seinen Schwiegersohn Osmann, der ein für seine Verhältnisse zu großes Gut Friedeck bei Thorn vor einigen Jahren gekauft hat und in Schulden bis über die Ohren sitzt. Gestern Nachmittag besuchte mich Falkenstein lange. Er schreibt eine Biographie des Königs Johann, immer viel, daß der alte Herr, der wenigstens vier bis fünf Jahre älter ist als ich, noch soviel Arbeitskraft und Lust besitzt. April 11 Wiederholt korrespondiert mit Beust in London wegen seines Bruders und dessen Tochter Rosa Osmann, die in den allerschlechtesten Verhältnissen ist, drohender Konkurs! Wird schwerlich abzuwenden sein, was dann aber mit Rosa und drei Kindern! Mai 12 Ich ward gestern um 1 ½ zum König gerufen, der mir einen Stoß interessanter Papiere aus dem Nachlaß des General von Funk, welche der verstorbene Generalleutnant von Witzleben, dessen Neffe, besessen hat, für das Archiv übergab.186 Ich war eine Stunde beim König, der wie immer sehr freundlich war und über verschiedene Sachen mit mir sprach. Morgen gehe ich nach Meißen zum Domkapitel. Mai 23 Adolf, schon einige Zeit krank, ist plötzlich in der Nacht vom Sonnabend zu Sonntag an Luftröhrenentzündung erkrankt, es scheint sehr gefährlich. 185 Heß, Die Politik der thüringischen Staaten, a. a. O., S. 292–316. 186 Ferdinand von Funck: Im Banne Napoleons. Aus den Erinnerungen hrsgg.von Artur Brabant. Dresden 1928. – Ders.: In Rußland und in Sachsen. Aus den Erinnerungen hrsgg. von Artur Brabant. Dresden 1930.
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Mein armer Adolf, sollte er vor mir scheiden? Ernst ist aus Rußland zurückgekehrt. Eben Telegramm, daß mein lieber Adolf heute morgen 7 Uhr sanft verschieden ist. Mai 26 Gestern früh ist Adolf begraben worden. Anton, Gustav und Ernst gingen nach Leipzig. Ich hatte schon Urlaub genommen, Alles vorbereitet, um am Freitag auch hinzureisen, als der Arzt es auf das Bestimmteste untersagt. Adolf hat in seinem Testament seine Frau zur alleinigen Erbin eingesetzt, seinen Geschwistern nichts hinterlassen. Das bedeutende Vermögen kommt also nach Rosas Tode an ihre Geschwister. Nicht sehr brüderlich gehandelt. Juni 4 Minister Falkenstein schreibt eine Biographie des Königs Johann, die er mir stückweise zur Zensur schickt. Er hat sich für sein Alter merkwürdige Geistesfrische bewahrt und ich habe nicht viele monita gezogen. Ich könnte jetzt kein Buch mehr schreiben, schon bei den gewöhnlichen Ausfertigungen weiß ich oft nicht, ob das, was ich schreibe, richtiges Deutsch ist. Gustav hat von Adolf 100 Stück Erzgebirgische Steinkohlenaktien als Legat erhalten, die sehr gute Dividenden geben. Juli 9 Der Prinz Georg schrieb mir, daß er zu mir ins Archiv kommen wolle und ich fuhr daher natürlich heute zu ihm und hatte ein langes Gespräch mit ihm über den Altertumsverein, in dem Hettner eine Konspiration anzuzetteln scheint., die ich ihm, wenn sie gegen mich gerichtet ist, sehr leicht machen werde, da ich, wie ich dem Prinzen auch sagte, nicht wieder das Direktorium übernehme. Der Maler Andreä hat dem Prinzen, der Hettner nicht leiden mag, den Floh ins Ohr gesetzt, daß dieser nach dem Direktorium strebe und allerhand Pläne habe wegen der Anstellung eines Konservators für die vaterländischen Altertümer, ein Plan, über den wir schon mehrfach beraten haben, um dem Ministerium des Innern, bei dem die Sache angeregt worden ist, unglückliche Vorschläge zu machen und schätzbares Material zu einem toten Ei zu liefern. August 6 Ich begegnete, als ich heute Morgen ins Quartier ging, Fabrice zu Pferde, der mir sagte, er werde zu mir ins Gesamtministerium kommen, da er mit mir zu reden habe. Dies geschah. Er verreist jetzt und sagte mir, er habe mit Nostitz wegen Besetzung der Stelle Roßbergs, des Regierungsrates beim Gesamtministerium, der zu Michaelis abgeht, gesprochen. Es sei Held in Frage gekommen und sei die Absicht, die Sachen durch Referenten aus den Ministerien vortragen zu lassen. Ich sagte ihm, es sei am besten, wenn ich abgehe, dann könne das Gesamtministerium einen Geheimen Referendar anstellen. Ich nähme es gar nicht übel, wenn man mir offen sage, daß ich gehen solle. Das wollte er aber nicht, viele schöne Redensarten. Vor der Hand soll die Stelle bis Ende des Jahres nicht besetzt werden, was auch nicht nötig ist, da Roßberg außer dem Staatshandbuch nur kleine Läufer expediert, die der Geheime Sekretär Fischer besser und ordentlicher macht als jener Faselhans. September 7 Heute wieder Besprechung mit Minister Nostitz-Wallwitz wegen des Gesamtministeriums. Er sagte, die Minister seien darüber einig, daß sie mich so lange als möglich behalten müßten. Ich wiederholte, was ich Fabrice gesagt, daß ich alle Tage dümmer werde und es mir sehr leicht passieren könne, daß ich einen großen Pudel schieße. Auf ihre Gefahr hin wolle ich noch sehen, wie lange es gehe. Die Anstellung eines Geheimen Referendars halte ich nicht für zweckmäßig, da er nichts zu tun haben wird, daher faul werden werde. Besser, die Sachen von den Referenten aus den Ministerien vortragen zu lassen und für Rekurse und die Kirchensachen einen Beamten als Nebenfunktion zu nehmen. Inzwi-
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schen soll der Geheime Sekretär Fischer Roßbergs gar nichts besagende Läufer mit übernehmen vom 1. Oktober an, wo Roßberg abgeht. So wird der Karren wohl weiterlaufen. September 16 Heute Sophiens 60. Geburstag. Schauderhaftes Wetter, Alles trübe und trostlos wie leider Sophiens Stimmung. Marie in Saßnitz noch immer recht krank, keine Aussicht auf baldige Rückkehr. Gestern Familiendiner mit Erkel und Küstners, froh, wie sie fort waren. Heute Anton nach Berlin zur Reichszivilgesetzgebungskommission, wahrscheinlich auf vier bis sechs Wochen. Oktober 14 Eine Sache, die viel Teilnahme erregt, ist die Geisteskrankheit des Oberstallmeisters Senff von Pilsach, eines seiner liebenswürdigen Formen wegen sehr beliebten Mannes, der aber mit dem Geld nicht umzugehen versteht. Seine Stallverwaltung hat immer viel mehr gekostet, als ausgeworfen ist. So hat er einen Galawagen bauen lassen, der über 8 000 Taler kostet und natürlich nie gebraucht wird. Er selbst hat viel Schulden. Wahrscheinlich ist ihm dies zu Kopf gestiegen. Schon seit einiger Zeit hat er sonderbares Zeug gemacht. Als er mit dem König und der Königin diesen Sommer in der Schweiz war, wird ihm einst bei Tisch die Suppe angeboten. Er lehnt ab und sagt, ich werde lieber eine Zigarre rauchen. Gesagt, getan, er brennt sich vis a vis der Königin eine Zigarre an. Ein anderes Mal, als er mit dem Hof spazieren geht, steckt er auf einmal die Hände in die Hosentaschen und läuft davon. In der letzten Zeit ist es viel schlimmer geworden, man hat Tobsucht befürchtet, sein älterer Bruder, der pensionierte Generalleutnant, bringt ihn nun nach dem Sonnenstein und teilt es dem König mit, der ganz erstaunt gewesen und gesagt hat – er habe gar nichts bemerkt. Kurios! Sehr viel wird über die Königin geredet, die jetzt unter des Regierungsrates von Criegern Führung 12 Albertinerinnen nach Konstantinopel geschickt hat, um die Türken in den Hospitälern zu pflegen. Eine große Lotterie mit ich glaube 500 000 Losen für den Albertsverein will gar nicht in den Zug kommen. Das Los kostet 5 Mark. Der größte Gewinn ist ein Silberservice für 20 000 Mark. Was soll man damit machen, sagen die Leute, und nehmen keine Lose. Oktober 26 Gestern mußte ich, da Roßberg abgegangen ist, die Präsidenten der Kammern beim König verpflichten, heute bei der Landtagseröffnung um 1 Uhr nach der Thronrede einen langen Aufsatz verlesen, was mir sehr beschwerlich war, da ich sehr erkältet bin, Husten habe. Dann um 5 Diner, was recht gut war. Jedenfalls mein letzter Landtag! November 4 Der Kammermusikus Rühlmann, Vorstand des Tonkünstlervereins, hat sich erhängt, angeblich weil ihm ein Halsübel gedroht, das ihn am Blasen hinderte, wohl aber, weil er mit dem Vorstand des Konservatoriums Pudor Differenzen gehabt und sich zurückgesetzt gemeint hat. November 9 Die Königin Mutter ist gestern Abend um 6 ¾ sanft eingeschlafen. Die Dresdner Nachrichten vom heutigen Tage bringen eine kurze Biographie, in der aber sehr unrichtig angegeben ist, daß sie bloß als stille Hausfrau gelebt, sich nicht um Politik gekümmert habe. Dem entgegen versicherte mir heute Fabrice, daß der verstorbene König Johann wichtige Fragen mit ihr regelmäßig besprochen und sie sehr lebhaften Anteil an der Politik genommen habe. Er kann es aus dem Jahre 1866 wohl wissen. Er erzählte auch, daß der König in seiner Gutmütigkeit oft sich täuschen lasse. So habe er erst kürzlich aus der Schatulle für einen Offizier, der es gar nicht verdiente, gegen seinen Rat 10 000 Taler Schulden bezahlt. Der Königin und ihren oft törichten Ausgaben gegenüber sei er ganz schwach und
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kein Mensch könne der braven, aber sehr unüberlegten und lautlosen Carola etwas zu sagen wagen. November 12 Die heutigen Dresdner Nachrichten teilen die mir unerwartete Nachricht mit, daß ich „demnächst“ in Pension trete und Geheimer Rat von Witzleben zu meinem „Nachfolger berufen ist“. November 13 Die heutigen Dresdner Nachrichten sagen: „Von amtlicher Seite teilt man uns mit, daß die in unser Blatt aus dem Leipziger Tageblatt übergegangene Notiz über die bevorstehende Pensionierung des Archivdirektors von Weber und seinen Ersatz durch Herrn von Witzleben unbegründet sei“. Ich habe amtliche Berichtigung nicht veranlaßt. Der vormalige Oberhofmarschall von Gersdorf war heute bei mir und erzählte u. a., daß der frühere sächsische Gesandte Graf Seebach, der jetzt sein Gut Unwürde an unseren Hausgenossen von Fritzsch (Mann der ältesten Jordan) verkauft, in Paris durch Börsenspekulationen sehr viel verloren habe. Dezember 23 Das Dresdner Journal vom heutigen Tage und dito die Dresdner Nachrichten verkünden der erstaunten Welt, daß der König dem „Schriftsteller Ernst von Weber“ das Ritterkreuz Erster Klasse des Albrechtsordens verliehen hat. Ernst hat vor Jahren von dem berüchtigten preußischen Konsul Spiegeltal neugriechische marmorne Antiken, Büsten pp. für 40 Pfund Sterling erkauft, die in Kleinasien gefunden worden sind, die Widmung des Buches über Afrika, das von Ernst bei Brockhaus erscheint, angenommen. Um nun seinen Wunsch, einen Orden zu erlangen, zu erleichtern, schlug ich ihm vor, jene Antiken dem Antikenkabinett zu schenken. Ich sprach mit Gerber natürlich ganz offen, daß als Gegengabe der Albrecht erwartet werde. Er ließ die Sachen durch Roßmann besichtigen und da dieser – der davon gar nichts versteht, aber gern mit mir sich gut stellt – sie sehr lobte, ward die Schenkung angenommen und Ernst „Ritter“.
1878 Januar 1 Alle drei unwohl, haben wir den Silvester gestern nicht gefeiert. Oda und Sophie sind aber aufgeblieben bis 12 Uhr. Von Wickede erhielt ich wie alle Jahre einen Brief mit curriculum vitae. Fabrice war sogar gestern ins Gesamtministerium gekommen, um mir zu gratulieren. Trop de politesse, die mich nötigte, ihm heute einige Dankeszeilen zu schreiben. Februar 3 Von der gestrigen Eröffnung des neuen Theaters haben wir bloß aus der Zeitung etwas erfahren.187 Eigentlich hätte ich als Geheimer Rat doch wohl Billetts erhalten sollen, da aber Sophie es nicht beantragte, habe ich nichts getan. Sie hätte auch nicht hingehen können. Ich bin für meine Person sehr damit zufrieden, wenn ich bei allen solchen Geschichten unbeachtet bleibe. Ich bin auch noch nicht zum König zum Diner eingeladen worden, die alle Montage stattfinden. 187 Das von Gottfried Semper von 1838 bis 1841 errichtete erste Hoftheater fiel am 21. September 1869 einem Brand zum Opfer, das auf dem Schnürboden ausgebrochen war. Eine Bürgerinitiative setzte durch, daß auch der Neubau dem inzwischen in Zürich lebenden Gottfried Semper übertragen wurde. Von 1871 bis 1878 wurde das von Semper entworfene zweite Hoftheater unter Leitung seines Sohnes Manfred errichtet. Die feierliche Eröffnung der zweiten Semperoper fand am 2. Februar 1878 mit der Aufführung von Goethes „Iphigenie auf Tauris“ statt.
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Februar 18 Minister Friesen gab vor etwa acht Tagen eine Soiree mit Damen und Souper. Ich mußte aber mit der Generalin von Fritsch und Frau von Mangoldt eine Damenpartie a fünf Taler spielen. Aus Rache machte ich ihm gestern eine Visite. Er erzählte, daß der König ihn nach Rom zum König von Italien bei der Thronbesteigung schicken wollen, er aber es Nostitz abgeschrieben habe. Fabrice wäre, wie mir dieser selbst sagte, gern hingegangen, Krug oder Graf Seebach wären in Rom willkommen gewesen. Der König schickt aber den Generalleutnant Graf Lippe hin, der sehr wenig französisch und gar nicht italienisch kann. Er ist zwar vom König sehr freundlich aufgenommen, aber von den Hofleuten sehr kühl behandelt worden. Friesen meinte, er werde diese wohl gar nicht verstanden haben. März 5 Fastnacht. Camillo Seebach aus Gotha einige Tage hier, gemütliche Stunden bei uns mit seinem Bruder, dem Grafen, ehemaligen Gesandten, der jetzt mit uns in einem Hause (Parterre) wohnt, Kyaw. Die Gräfin Seebach, Tochter des russischen allmächtigen ehemaligen Ministers Graf Nesselrode, ist eine sonderbare Frau, sehr gutmütig, leicht begeistert für etwas, aber es auch leicht fallen lassend. Sie gibt Gesang und Klavierunterricht – natürlich nicht für Geld – will ein Konzert für eine junge Sängerin veranstalten, faßt es aber am falschen Zipfel, wollte 20 Mark für das Billett verlangen, ihren Salon dazu geben pp. Diners bei Prinz Georg und gestern beim König. Brief von Beust mit trostlosen Nachrichten über Osmanns Verhältnisse, der Rosa Beust geheiratet, dem Konkurs nicht entgehen wird. Seines Schwiegervaters Vermögen, das der alten Houwald, geht dabei verloren. Ich konnte über die Verhältnisse nicht urteilen und nur meine Überzeugung aussprechen, daß 15 000 Taler, welche Osmann braucht, doch nicht Rettung, nur Verzögerung bringen. Wolf Ehrenstein ist 1. März Abends nach langen Leiden gestorben. April 15 Im Gesamtministerium ist, einige Konsistorialsachen ausgenommen, seit Wochen nichts vorgekommen, daher auch keine Sitzung. Fabrice kommt von Zeit zu Zeit einmal und fragt nach und ich habe dabei Gelegenheit, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß in den Kasernen ein ziemlich kostspieliger Luxus getrieben wird. Ernst war zwei Mal zu Diners geladen worden, bei denen die jungen Offiziere von Anfang an Champagner getrunken haben! Vorige Woche war eine kleine Gesellschaft bei Baron Fuchs. Seebach traf da einen alten Hauptmann von Hausten, den er für den Feldmarschall von Roon hielt und als Marschall begrüßte, während ich glaubte, es sei ein Graf Marschall, den ich früher gekannt und daher erstaunt war, daß er, der viel jünger als ich ist, auf einmal so alt geworden sei. Als Seebach fort war, da seine Frau unwohl geworden, erzählte Hausten dessen Karriere. Seebach war erst bei den Schützen in Leipzig, ließ sich dann zur roten Garde nach Dresden versetzen und suchte hier vorzugsweise Umgang mit Fremden, vornehmen Russen, wo er, ein schöner gewandter Mensch, viel Beifall fand und Einladungen nach Petersburg bekam. Eine Tante (?) hinterließ ihm einige 1 000 Taler. Er ging nun nach Petersburg und fiel dort in seiner roten Uniform dem Kaiser Nikolaus auf, der sich ihn vorstellen ließ, Gefallen an ihm fand und als er hörte, er wolle über Odessa nach Konstantinopel, ihm anbot, mit seinem Adjutanten, der nach Odessa mußte, die Reise zu machen. Der sächsische Gesandte von Lützerode konnte sich wegen seiner Schulden nicht mehr in Petersburg halten und es kam sein Nachfolger in Frage, wobei natürlich der Kaiser befragt ward. Er erkundigt sich näher nach Seebach und meinte dann, daß ihm dieser nicht unangenehm sein würde. Seebach ward nun zum Hauptmann gemacht und nach Petersburg geschickt, wo er die Bekanntschaft seiner Frau, Tochter
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des allmächtigen Ministers Graf Nesselrode machte, die sich in ihn verliebte. Er kam dann nach Paris, wo er während des Krimkrieges in Folge seiner Familienverbindung gebraucht ward, er soll aber selbst viel gebraucht haben. Als Nesselrode starb, erbte er große Güter bei Odessa, die er von Viehtreibe zu kultivieren beschloß. Er hat dort Kolonien mit Siebenbürgern angelegt, die ihm aber ungeheures Geld gekostet haben, so daß er froh gewesen, die Güter der Krone verkaufen zu können für einige 100 000 Rubel, so daß er kaum die Anlagekosten der Kolonien wieder erlangt hat. Einer seiner Söhne fiel 1866 im österreichischen Dienst, einer war mit einer Russin einige Monate verheiratet, schoß sich in Folge eines Streits mit ihr in die Brust, ohne sich zu töten, ist jetzt geisteskrank in einer Heilanstalt! Einer steht hier bei den Gardereitern. Die Gräfin Seebach ist eine sehr gutmütige, aber etwas exaltierte Dame, die sich einbildet, vortreffliche Musiklehrerin zu sein und jungen armen Mädchen Stunden gibt, aber nicht sehr vorteilhaft für diese sein soll. Sie ist katholisch geworden ebenso wie die Söhne, während er protestantisch geblieben. Die Finanzen scheinen nicht mehr glänzend. Er hat zwar ein großes Quartier im Parterre des Hauses (Bürgerwiese 17), in dem wir wohnen, aber nur einen Diener und keine Equipage, obwohl sie in Folge eines Falles lahm ist und fast nicht gehen kann. Er ist ein höchst liebenswürdiger Mann, ohne Spur von Hochmut. April 23 Falkenstein brachte mir selbst ein kostbar eingebundenes Exemplar seiner Biographie des Königs Johann.188 Im Gesamtministerium seit Monaten keine Sitzung, ich fertige aus, die Minister signieren, keine Beratung! Mai 3 Der Major von Schönfeld, früher Präsident der Ersten Kammer, ist über 81 Jahre alt plötzlich gestorben. Der König Johann und auch Albert haben ihn immer unfreundlich behandelt und sich nicht erinnert, daß er in den schwierigsten Zeiten an der Stange gehalten hat. Er beklagte sich oft bitter über Rücksichtslosigkeiten gegen ihn. Mai 7 Wundervoller Frühling! Gestern ging ich nach vierzehntägiger Pause wiederhergestellt ins Archiv und Gesamtminlsterium. Keiner der Minister hat sich, obwohl sie wußten, daß ich krank sei, nach mir erkundigen lassen. Mai 26 Diese Woche war zweimal Sitzung im Gesamtministerium, die erste ohne König, in der ich die mehreren Sachen vortrug, die sich seit lange gesammelt hatten, die der König dann ohne Weiteres signiert hat. Außerdem war eine lange Besprechung über Orden und Titel, die zur silbernen Hochzeit verteilt werden sollen. Dies ist dann am Freitag in der zweiten Sitzung mit dem König, in der ich nicht war, festgestellt worden. Ich traf am Freitag vor der Sitzung Abeken auf der Straße, der mir sagte, Fabrice wolle für einen Obersten ein Adelsdiplom auswirken. Da scheine es ihm doch geboten, ein solches auch an einen Beamten des Justizdepartements zu geben. Ich erwiderte, nun, da sei er ja selbst der Geeignetste und ich sei bereit, die Sache Nostitz, ohne ihn zu erwähnen, vorzutragen. Abeken sagte, er werde es nicht ablehnen, seiner Frau werde es angenehm sein, doch er wolle es nicht anregen, er würde den Vizepräsident Einert vorschlagen. Dieser ist ein ganz tüchtiger Beamter, aber in seinem ganzen Wesen offenbar nicht zum Baron geschaffen, was ich denn Abeken bemerklich machte. Abeken kam dann nochmals zu mir ins Archiv und bat mich, von der ganzen Sache nicht zu reden und Nostitz nichts zu sagen. Well! 188 Johann Paul von Falkenstein: Johann König von Sachsen. Ein Charakterbild. Dresden 1878. – Ders.: Zur Charakteristik König Johanns von Sachsen in seinem Verhältnis zu Wissenschaft und Kunst. Leipzig 1874.
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Juni 5 Sonntag, den 2. Juni nach Meißen mit dem Dampfschiff, wo ich Minister Nostitz traf. Schloß, neue Landschule besehen. Montag Domkapitel, Luthart Predigt, in der er am Schluß mit Donnerstimme das scheußliche Attentat gegen den Kaiser erwähnte. Dr. Loth, der sich beim Neubau der Schule Verdienste erworben, wünscht den Titel Hofrat, den ich ihm gestern durch Rücksprache mit Minister Gerber sicherte. Heute esse ich, zum dritten Mal schon, bei Kyaws, die in sozialen Verpflichtungen jetzt nachholen, was sie jahrelang versäumt hatten, da wir sie wiederholt ohne Erwiderung eingeladen hatten. Juni 18 Von allen silbernen Festivitäten habe ich nichts gesehen und werde nichts sehen, da mir jede Befähigung, an so etwas Vergnügen zu finden, abgeht.189 Ich lege aber das Programm bei, zu dem ich noch nachtrage, daß am 17. Abends verschiedene Gesangvereine mit einem von einem Schlepper gezogenen, geschmückten Elbkahn nach Pillnitz gefahren sind, dort drei Stunden gebraucht, ehe sie den ungelenken Kahn an das Ufer gebracht haben und daß schließlich der Vorstand, ein Stadtrat oder Stadtverordneter Hartwig statt König Albert „König Johann“ nebst seiner Gemahlin Carola hat leben lassen. Heute bin ich – ein seltenes Ereignis – zu Isidore mit Vetter Heinrich Weber zu Tisch gebeten Fabrice brachte mir das Komthurkreuz Erster Klasse mit einer schönen Rede. Ich bedankte mich dafür beim König laut des beiliegenden Briefes, den ich umschreiben mußte, weil ich kleine Änderungen für nötig hielt.190 Juni 29 Abeken, der neugebackene Edelmann, fragte mich, als er vor einigen Tagen zu mir kam, ob ich seine Nobilitierung angeregt habe, was ich mit gutem Gewissen verneinen konnte. Er klagte dabei über seine Finanzverhältnisse, daß er nicht einmal 300 Taler zu einer nötigen Badereise aufbringen könne. Ich sagte ihm, daß er ja ohne Schwierigkeit eine Gratifikation aus der beim Gesamtministerium verwalteten Makulaturkasse bekommen könne und schrieb ihm dann, nachdem ich den Bestand ermittelt, daß es nur einer Signatur des Ministers Fabrice bedürfe, er lehnte es aber ab. Seine Frau, eine sehr alberne kleine Kokette, reitet ihn ins Unglück. Sie hat sich in einen Kreis reicher Leute, Arnims, Wuthenaus pp. gestürzt, mit denen sie täglich ausreitet, kostspielige Partien macht. Sie treibt großen Luxus mit ihrer Toilette, kurz es geht weit über die Mittel hinaus, da weder er noch sie erhebliches Vermögen besitzen – er ist aber zu schwach, obwohl er mir schon vorigen Winter sagte, in einigen Jahren sei er mit seinem Vermögen fertig. (!) Oda ist leider in Wien unwohl geworden, an einem Hitzfriesel mit Fieber, so daß sie länger dort bleiben mußten, ohne doch etwas von Wien zu sehen. Den ersten Tag sind sie bei der Gräfin Beust auf ihrem Schloß Altenberg gewesen, sehr freundlich empfangen. Er soll nach seiner Frau Angabe von London nach Paris versetzt werden, sehr zu beider Zufriedenheit. Juli 9 Zu tun ist im Gesamtministerium nichts, ein Glück, weil das Faktotum, der kleine bucklige Geheime Sekretär Fischer krank ist, auch der Kanzlist seit Monaten fehlt. Ernst hat durch meine Verwendung bei Seebach nun auch den Ernestiner Hausorden bekommen, den sächsischen Albrechtsorden habe ich ihm auch verschafft, worüber er natürlich sehr glücklich ist. 189 Am 18. Juni 1878 feierten König Albert und Carola von Wasa ihre Silberhochzeit. 190 Dankschreiben Karl von Webers an König Albert vom 19. Juni 1878 für die Verleihung des Komthurkreuzes 1. Klasse des Verdienstordens. Siehe Dokumentenanhang Nr. 43.
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Juli 16 Ein schauderhafter Juli, bloß 10 Grad Wärme, alle Tage Regen und Wind. Gestern Sitzung im Gesamtministerium. Fabrice, Gerber waren pünktlich 2 Uhr da, der König kam, aber zugleich ein Billett von Nostitz, von Könneritz und Abeken, könnten nicht aus der Kammer. Nach 3 Uhr kamen sie, bis dahin Unterhaltung mit dem König, der uns von den Feierlichkeiten bei der silbernen Hochzeit des Großherzogs von Weimar erzählte, die durch Regen vielfach gestört wurden, zumal das Künstlerfest im Freien abgehalten ward. Juli 24 Endlich heute feierlicher Landtagsschluß. Gestern Hetze ohne gleichen, um den Landtagsabschied zusammenzubringen, zu dem noch um 2 Uhr Mittag die letzten Sätze eingingen. Ein Glück, daß nicht Konfusion entstand. Der Geheime Sekretär Fischer hatte noch beim Kollationieren glücklicher Weise entdeckt, daß ein paar Sätze doppelt im Entwurf standen, weil sie sowohl vom Justiz – als Ministerium des Innern, aber zu anderen Abteilungen eingeschickt worden waren. Nach Pillnitz zum Diner konnte ich nicht mit fahren, da ich wieder einmal unwohl war. August 26 Reise 14 Tage fast immer im Regen, nach Baden Baden, wo wir Familie Pfarrius aus Köln und Gabweiler trafen, immer zusammen Partien, soweit es der Regen gestattete. Zurück über Wildbad, wo wir Minister Falkenstein aufsuchten, Wiesbaden, Bieberich, nach Friedrichroda, wo Bertha Struckmann und die Töchter Seebach’s in seiner schönen Villa, er war in Berlin. Sonnabend nach Leipzig, um den kleinen Erhard, meinen unehelichen Enkel, zu sehen, der ihm sehr ähnlich ist, ein netter, armer kleiner Kerl, der aber von seinen Pflegeeltern gut verhalten wird. Oktober 17 Beust schrieb mir vorgestern aus Wien, daß er heute früh hier ankommen werde. Ich ging um 12 ins Hotel de Saxe, wo ich zunächst nur seine Frau traf. Er kam dann und wir waren eine Stunde zusammen ungestört. Er ist mit seiner Versetzung nach Paris nicht recht zufrieden, findet dort das Hotel unmeubliert, will zunächst nur als Garcon dort leben – weil er doch noch hofft, wieder Reichskanzler zu werden. Er habe in Österreich viele Feinde, aber auch Freunde. Bismarck hält er für unwahr – er sei von Haß belebt gegen ihn, weil er 1863 den Eintritt in das preußische Ministerium abgelehnt. Bismarck schrieb ihm damals, Sie werden mich doch nicht für so töricht halten, daß ich italienische Annexionspolitik treiben werde. Der ehemalige preußische Gesandte von Savigny hat Beust, als er ihn gefragt, was nur Bismarck gegen ihn habe, gesagt „verschmähte Liebe“. (Randbemerkung: Friesen behauptete (März 1879), Bismarck habe Beust nicht den Eintritt in das Ministerium angeboten, sondern ihn bloß zur Besprechung nach Berlin einladen lassen. Ich habe aber Beust gewiß richtig verstanden.) Der österreichische Kaiser weiß nicht, was er machen soll, ist aber „alleweil fidel“. Er kam nach Tisch wieder eine Stunde zu mir, mein Gedächtnis ist aber so schlecht geworden, daß ich schon vergessen habe, was er alles Interessantes erzählte. Er ist noch sehr rüstig, obgleich ganz grau und mager geworden, sonst immer noch der alte Freund. Ich sehe ihn wohl zum letzten Mal, denn ich fühle mich eigentlich miserabel – keinen Atem, keinen Appetit, nur daß ich Abends noch meine Flasche trinke, belebt mich dann. Morgen Abend kommt Beust, Frau, zwei Söhne, seine Tochter, die Ministerin von Könneritz und Falkenstein zu uns, wahrscheinlich auch noch unser Hauswirt Freiherr Fuchs (Fuchs kam nicht), sonst ist von Beust’s alten Bekannten Niemand da. Oktober 29 Heute morgen gratulierte mir Archivar Ermisch – zu meinem 50jährigen Jubiläum, da er ausgemittelt hatte, daß ich 1828 an diesem Tage als Akzessist verpflichtet
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worden bin – in Zwickau. Ich wußte es selbst nicht. Auch Minister Gerber fragte mich, ob ich nicht ein Jubiläum zu feiern habe. Ich sagte ihm, daß ich am 1. April 1829 im Oberkonsistorium verpflichtet worden, bat ihn aber dringend, keine Notiz davon nehmen zu lassen, da ich in der Tat gar nicht wisse, was mir die Regierung „antun“ könne. Exzellenz wäre zu lächerlich und für mich im höchsten Grade unangenehm, würde bei einer Menge Anderer, die danach lechzen, die größte Indignation erwecken – Schwarze, Uhde, Zschinski, Körner pp – Großkreuz könne ich doch nicht mehr tragen, da ich nicht mehr an den Hof gehe. Ich hoffe also, das Kreuz eines Jubiläums bleibt mir erspart, da ich 1882, wo ich als Staatsdiener verpflichtet worden bin, hoffentlich nicht mehr lebe. Auch Seebach in Gotha fragte deshalb bei mir an, hoffentlich wird mich sein Herzog nicht etwa baronisieren oder dekorieren wollen. November 3 Am Freitag kam Minister von Nostitz-Wallwitz zu mir ins Gesamtministerium, mit dem ich auch wegen meines angeblichen Jubiläums sprach, mit der dringenden Bitte, mir deshalb keinen Skandal zu machen, sondern es zu ignorieren. Ein Versuch, den ich machte, ihn zu einer Sitzung zu bestimmen, nachdem etwa drei Monate lang keine gehalten worden, fand bei ihm Gehör, ward aber laut Beilage vereitelt. Gestern Sonnabend kam Fabrice zu mir, von einer Reise zurückgekehrt. November 9 Endlich gestern Mittag wieder eine Sitzung im Gesamtministerium. Es kam eine charakteristische Geschichte vor. Das Kriegsministerium liegt seit einiger Zeit im Streit mit dem Kirchenvorstand in Neustadt, der die zeitherige Einrichtung, nach welcher das Militär an die Neustädter Kirche verwiesen ist, nicht beibehalten will, nachdem die neuen Militärgebäude außerhalb der Stadt und Parochialbezirkes errichtet und die Garnison so wesentlich vermehrt worden ist (12 000 Mann). Fabrice sprach vor einiger Zeit mit mir über die Sache, die ich nicht näher kannte und sagte, er sei im Besitz, man solle nur wagen, ihn darin zu stören. Es klang etwas militärisch despotisch, in der Ferne schien Kanonendonner zu dröhnen. Jetzt kommt der Kirchenvorstand von Neustadt mit einer Beschwerde, daß seinem Antrag auf Wegnahme des Militärs aus der Kirche nicht genügt werde. Ich sah mir nun die Akten im Hauptstaatsarchiv an und fand, daß 1816 ein Vertrag deshalb geschlossen worden ist, nach welchem der Kirchfahrt halbjährliche Kündigung vorbehalten ist, was sonderbarer Weise weder das Kriegsministerium, noch das Landeskonsistorium, noch der Kirchenvorstand zu wissen scheint. Ich sprach deshalb mit Nostitz und Gerber, daß sie doch Fabrice verständigen möchten. Keiner wollte an die Sache gehen und mit Fabrice verhandeln. Gestern nach der Sitzung im Gesamtministerium sollte ich die Sache den in Evangelicis beauftragten Staatsministern vortragen. Der König und Prinz Georg gingen fort, ich wartete darauf, hereingerufen zu werden – vergeblich. Endlich kam Gerber heraus und sagte, was machen wir nur, Fabrice bleibt sitzen und sagt, er wolle noch eine Sache lesen. „Sagen Sie doch, es wären so viele Akten bei der Sache, die Sie noch den evangelischen Ministern vorzutragen hätten, daß Sie bäten, sie möchten in Ihr Zimmer kommen.“ Gut, ich spielte die Komödie, Nostitz und Könneritz sahen mich verwundert an, Fabrice aber bemerkte doch, daß er überflüssig sei und ging fort. Ich erklärte nun mein allerdings auffälliges Ansinnen und trug die Sache vor. Nostitz übernahm es nun, Fabrice zu verständigen – eine ihm offenbar sehr unangenehme Kommission. Es lag noch eine andere Kollision mit Fabrice vor. Er verlangt für das Bezirkskommando in Leipzig einen Teil der jetzt leer werdenden Justizräume in der Pleißenburg und hat, da das Finanzministerium nicht Alles geben will, was er haben will, auch das Ministerium des
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Innern Räume dort braucht, die Sache an das Gesamtministerium gegeben, bei dem er aber nicht allenthalben Beifall fand. Der Beschluß ward ausgesetzt. Könneritz sagte dann, ich weiß gar nicht, was Fabrice will, das Kriegsministerium hat gar nichts in dem Gebäude zu suchen, wir haben ihm schon mehr eingeräumt, als eigentlich tunlich war. Entente cordiale! Eine Angelegenheit, die mir seit lange am Herzen liegt, scheint endlich in Fluß zu kommen, ein Denkmal für unseren König Johann Ein Buchhändler von Bänsch, der Falkensteins Buch über den König in Verlag genommen, hat 500 Mark als Honorar für eine neue Volksausgabe mit dem Antrag, dies als Grundstock für ein Denkmal anzulegen, übergeben mit ausführlichen Vorschlägen über die Sache. Falkenstein schickte mir den Aufsatz mit der Bitte, ihm meine Meinung zu sagen. Ich schrieb ihm nun ausführlich, legte ihm bei, wie die Sache bei Errichtung des Monuments Friedrich August des Gerechten durch eine Kommission behandelt worden ist pp. Gestern sprach er nun mit mir darüber und bat mich, mit in die Kommission zu treten, einen Aufruf deshalb abzufassen, was ich aber ablehnen mußte, da mir die Feder jetzt wirklich versagt, das Arbeiten mir sehr schwer wird, die Worte mir fehlen pp.191 November 25 Fabrice hat sich Nostitz gegenüber zugänglich gezeigt und es ist nun ein Kommunikat der in Evangelicis beauftragten Staatsminister mit einem Aktenauszug über die früheren Vorgänge an das Kriegsministerium ergangen, um die Sache durch Vergleichsverhandlungen zu ordnen. Auch eine Sitzung im Gesamtministerium haben wir seit Monaten wieder einmal gehabt. (Anfang Dezember muß Weber ernsthaft erkrankt sein, denn es folgen nun Krankheitsbeschreibungen von Webers Hand) Zur Mitteilung an Dr. Vogt. Sonnabend, den 14. Dezember 78. Abends etwas über 1 Flasche Rotwein getrunken, da in Gesellschaft war. Wachte um 2 Uhr Nachts auf, Fieberbilder, erst gegen morgen noch etwas Schlaf. Sonntag den 15. Dezember blieb den ganzen Tag im Zimmer, ohne eigentliches Asthma, kurzen Atemhusten. Abends nur ¾ Flasche Rotwein. Nach 10 Uhr zu Bett, konnte nicht einschlafen, um 12 Uhr 15 Tropfen genommen; ganz vergeblich, von 1 Uhr an Hitze, Schweiß, gar nicht geschlafen bis gegen 5 Uhr, wo unruhiger, häufig durch Husten unterbrochener Schlummer bis nach 7 früh eintrat. Ich nahm um 10 Uhr ein halbes Glas warmes Emser Krähnchen mit Wasser versetzt und hatte mit dem Husten Ruhe, bis ich auf meiner Frau Rat ein Stückchen Schokolade nahm. Dann wieder Hustenreiz, Schleim in der Kehle, der sich schwer löste. Ob der Arsenik Ursache der zunehmenden Schlaflosigkeit sein kann? Herr Minister von Falkenstein, der auch wie ich an Husten litt, hat von Herrn Geheimen Medizinalrat Fiedler ein schon von Hufeland gebrauchtes Mittel bekommen, dreimal täglich 191 Nach König Johanns Tod trat bald der Gedanke eines Denkmals für ihn auf. Dazu bildete sich 1881 ein „Landes-Comitee“, das die Ausführung des Denkmals dem Bildhauer Johannes Schilling (1828–1900) übertrug. Am 1. Juli 1882 legte Schilling seine Vorschläge für das König-Johann-Denkmal auf dem Theaterplatz vor, die Zustimmung fanden. Am 31. März 1888 hatte Schilling alle Modelle für das Denkmal fertiggestellt, Ende März 1889 war der Guß durch die Dresdner Firma Alfred Bieling vollendet und am 18. Juni 1889 geschah im Rahmen der Festlichkeiten zur 800-Jahrfeier des Hauses Wettin die Denkmalsenthüllung. Siehe Bärbel Stephan: Das Denkmal für König Johann von Sachsen in Dresden. In: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Band 20. 1988, S. 63–80. – Diess.: Das Denkmal für König Johann in Dresden. In: Zwischen zwei Welten, a. a. O., S. 580–581.
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zu nehmen, das ihm sehr gut getan. Ich konnte es nicht lesen, glaube, es hieß se negae? Gemacht ist es in der Salomonisapotheke 1. Dezember 1878 unter T (?) oder F 562. Das Rauchen vermehrt den Husten nicht wesentlich, ich bin auch so daran gewöhnt, daß ich es kaum lassen kann. Beim Gehen verliere ich bald den Atem, bin daher meist ins Archiv und zurück gefahren. Es fragt sich aber, ob ich, wenn das Wetter nicht windig und sehr kalt ist, besser etwas an die Luft gehe oder in den Großen Garten 1 Stunde zu Mittag fahre und dort etwas gehe? Die Walterschen Pastillen sind hellbraun, schmecken fast wie Schokolade. Meine Frau behauptet aber, sie enthielten viel Opium (?) und hat mir daher immer nur eine halbe gegeben, ohne Erfolg. Die schwarzen, die ich mehrfach genommen, sind viereckig, schmecken mir aber zu süß, sie lösen aber nach einiger Zeit festsitzenden Schleim, der mich am Atmen und Schlafen hindert. Saures sollte ich, während ich Arsenikpillen nehme, nach Dr. Richters Angabe nicht essen. Rheinwein ist aber wohl nicht ausgeschlossen? Früh um 10 esse ich gewöhnlich mit einer Semmel einen Apfel, wohl auch unbedenklich? Dienstag, den 17. Dezember 78 Mittag 1 Stunde spazieren gefahren und etwas gegangen. Am Tag öfter Husten. Abends 1 Flasche Rheinwein; geschlafen von 11–1 Uhr, dann Krähnchen und da ich nicht wieder einschlafen konnte, um 1 ½ Uhr Pulster, aber kein ordentlicher Schlaf, meist ganz wach, teils im Halbdusel, auch gegen Morgen kein Schlaf. Appetit etwas besser als die Tage zuvor. Öffnung wie gewöhnlich gut. Mittwoch, den 18. Dezember Um 7 ½ aufgestanden, viel Husten, ehe durch Kränchen der Schleim im Hals sich löste. Abends Bier, nach 10 zu Bett, wachte um 11 ¼ auf, konnte die ganze Nacht kein Auge zutun. Pulster half nichts. Ich hatte erst Asthma, das aber nach zwei Zigaretten etwas sich beruhigte. Mehrmals Hitze und Schweiß, wenig Traumbilder, die sonst Vorboten des Schlafes sind. Um 7 ½ aufgestanden, mit größter Mühe in mein Zimmer gelangt, weil mir der Atem ganz versagte. Arsenik scheint also nicht die Ursache der Schlaflosigkeit gewesen zu sein. (Ab 21. Dezember wieder einigermaßen gesund) Dezember 21 Nach vielen fast ganz schlaflos verbrachten Nächten – wahrscheinlich Folgen von Arsenikpillen, die ich gegen mein Asthma genommen – habe ich endlich heute Nacht einmal geschlafen und fühle mich nun gekräftigt. Um 2 Uhr hatten wir auf Minister Falkensteins Einladung im Hausministerium eine Besprechung über ein Denkmal für König Johann. Die Minister von Nostitz-Wallwitz und Könneritz, die Kammerpräsidenten von Zehmen und Haberkorn, Oberbürgermeister von Dresden Stübel, Geheimer Rat Bähr. Alle sagten ja, aber – nur jetzt nicht, die Zeiten seien zu schlecht, die Stände würden das Geld (etwa 150 000 Mark) geben müssen. Schließlich ward beschlossen, im Frühjahr die Frage wieder aufzunehmen, vielleicht eine Landessammlung wie bei der Kaiser-Wilhelm-Stiftung zu machen, so daß jeder Beitrag nicht über 1 Mark betragen solle. Wahrscheinlich wird nichts aus der Sache. Könneritz befürchtet für das Frühjahr große Not im Gebirge, weil die Fabrikation stockt und die Kartoffeln mißraten sind. Nur ⅓ mehr als die Aussaat ist an vielen Orten geerntet worden. Viele Pächter können nicht zahlen. Der König hat Ernst’s Schrift über die Vivisektion mit großem Interesse gelesen und Gerber bat mich, dem zu Folge anzuregen, daß der Tierschutzverein ein Gesuch einreicht,
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daß diese Tierquälerei bei der Universität und Tierarzneischule verboten werden möge.192 Ich schrieb deshalb heute an Ernst. Seine Schrift ist in eine Menge Sprachen übersetzt und wird jetzt, ich glaube, in 20 000 Exemplaren gedruckt. Er hat Briefe in Unzahl aus allen Ländern erhalten und führt deshalb jetzt eine sehr ausgebreitete Korrespondenz. Dezember 24 Also wieder einmal Weihnachten. Wir sollen Abends zur Bescherung zu Antons kommen, inklusive Hans, der jetzt von den Masern genossen ist, während Sophie noch nicht ganz hergestellt ist. Gestern hatte ich endlich einmal wieder Sitzung im Gesamtministerium, so daß ich wenigstens ohne Geschäftsreste ins neue Jahr treten kann. Seebach schrieb mir laut der Beilage vom 21.12. wegen eines Beamten, den er braucht. Ich weiß natürlich Niemand und befragte Nostitz-Wallwitz, der sich die Sache überlegen will. Dezember 30 Minister Nostitz schlug (siehe 24. Dezember) vor den Amtshauptmann Lemaistre in Freiberg, brauchbar aber etwas schroff, Amtshauptmann von Welck von Rochlitz (etwas streng katholisch), Regierungsrat Fischer in Leipzig, früher Bürgermeister in Oederan. Die beiden ersten haben aber außer billiger Amtswohnung schon 6000 Mark Gehalt, letzterer nur 5 400 Mark. Ich schrieb es Seebach, freilich mit dem Zweifel, ob einer von denselben die Stelle annehmen würde.
1879 Januar 1 Ich trete heute in das 74. Lebensjahr, eigentlich nur mit dem Wunsch, daß es mein letztes sein möge, ich ohne lange Krankheit mit meinem Erhard vereinigt werden möge. Seinen Verlust kann ich noch immer nicht verwinden, Freude, Genuß finde ich eigentlich an nichts mehr – was soll ich noch länger hier ? Im Gesamtministerium kommt fast nichts vor. Ich habe daher die Funktion der 3 000 Mark wegen, die sie mir einbringt, noch beibehalten. Geld habe ich jetzt mehr als ich brauche – ich kann es aber nicht mehr brauchen. Oda kann es aber zu gute kommen. Januar 8 Hermann Müller, Gardeleutnant, Geliebter der Devrient, 1849 Demokrat, Eisenbahndirektor in Zürich gestorben in der Nacht vom 4. zum 5. des Monats, einer der wenigen, die noch aus unserem Kreise lebten. (dazu Artikel in den Dresdner Nachrichten vom 8. Januar 1879) Januar 10 Gestern Abend bei mir Whistpartie mit Graf Seebach (früher sächsischer Gesandter), meinem Hauswirt Freiherr Fuchs-Nordhoff und Kyaw. Jetzt selten bei uns Jemand zur Gesellschaft, wie wir überhaupt sehr still und zurückgezogen leben. Bisweilen gehe ich Abends in die Ressource zu einer Whistpartie, in Konzerte gar nicht, ins Theater sehr selten. Mein Befinden ist leidlich, ich habe wenigstens schon einige Zeit, ohne Morphium zu nehmen, Nachts geschlafen. Zu tun fast gar nichts im Gesamtministerium. Hofball am 8. sagten wir ab. Oda findet keinen Geschmack mehr daran und kein persönliches Interesse an ihr oder von ihr zu Jemand zieht sie in Gesellschaft. Sie wird schwerlich heiraten und das ist meine Hauptsorge, daß sie nach unserem Tode sehr einsam stehen wird, 192 Ernst von Weber: /:Publikation über Vivisektion:/ Vivisektion ist der Eingriff am lebenden, meist narkotisierten Tier zu zoologischen und medizinischen Forschungen.
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da sie gar nicht die Befähigung hat, sich an andere Mädchen anzuschließen. Sie hat auch nicht eine Freundin und nicht einmal näheren Umgang mit anderen Mädchen ihres Alters. Februar 26 Gestern großes Familiendiner zur Feier des 72jährigen Geburtstages Ferdinands, Familien inklusive. März 9 Vor einigen Tagen erhielt ich einen Brief von der Frau des Kaufmanns Helm in Leipzig, bei dem der kleine Erhard untergebracht ist. Sie hat ein Schuhgeschäft und ist wegen 600 Mark Wechsel angeklagt, die sie nicht zahlen kann. Ich schickte das Geld an Advokat Domherr Wendtler, mit dem Auftrag, die Sache zu regeln. Es ist sehr fatal, daß die Leute so herunter sind, da sie den Kleinen gut verhalten und wir, wenn sie bankrott wären, ihn füglich nicht bei ihnen lassen könnten, aus Besorgnis, daß sie ihn mit den 300 Mark, die ich jährlich zahle, nicht ordentlich halten würden. Es scheint aber nicht so schlimm zu stehen. März 21 Verschiedene Diners, beim König, Prinz Georg, Minister Nostitz, Berlepsch, Minister Friesen scheinen mir, obwohl ich möglichst mäßig war, schlecht bekommen zu sein. Heute Morgen vor 4 Uhr heftiges Asthma, den ganzen Tag Atemnot, soll also zu Hause bleiben, viel Sauerstoff atmen, daher alle Zimmer inklusive Salon heizen und öfters wechseln das Zimmer und Fenster öffnen, wenn ich heraus bin. Bei 1 Grad Kälte wird es etwas frostig werden. Diner zum Sonntag bei Minister Abeken daher eben abgesagt. April 7 Ich besuchte heute den Minister Friesen und kam mit ihm auf alte Zeiten zu reden. Er erzählte, daß Bismarck ungeheuer lüge und ihn selbst öfter arg belogen habe. Er hat Beust in Gastein erzählt, daß er den Krieg mit Dänemark sehr gewünscht habe, dieser aber keine Lust gehabt, sich darauf einzulassen. Bismarck läßt nun aus England sich Briefe schreiben, in denen er sehr gewarnt wird, sich vor dem Krieg zu hüten, da England fest entschlossen sei, sich Dänemark energisch anzunehmen. Diese Briefe läßt er aus dem Archiv sich stehlen und als geheimste wichtige Papiere an Dänemark verkaufen, das auch auf den Leim geht. Beim Lügen erzählte er auch von Falkenstein Folgendes. Professor Schnorr erhält einen Ruf nach Berlin unter glänzenden Bedingungen. König Johann will ihn aber hier behalten und beauftragt Beust, deshalb mit Schnorr zu verhandeln. Das Gesamtministerium mit dem König ist versammelt, Beust fehlt noch und der König fragt, ob einer der Herren etwas von Schnorr gehört habe. Falkenstein sagt, er wisse gewiß, er lasse sich hier nicht halten, nehme den Ruf nach Berlin an. Der König, sehr betreten, fragt, woher er das wisse. Falkenstein sagt, aus seinem eigenen Munde, er war gestern Abend bei mir, um mir noch es mitzuteilen. Wir setzten uns auf das Sofa und bei einer Tasse Tee hat er mir die Gründe ausführlich auseinandergesetzt, warum er die hiesigen Anerbieten nicht annehmen kann. Da trat Beust ein und der König sagt sogleich, er höre mit größter Bestürzung, daß Schnorr nicht zu halten sei. Beust: Wieso denn, gestern ist er bei mir gewesen, wir haben Alles besprochen, er ist höchst dankbar für Euer Königlichen Majestät Gnade und nimmt Alles dankbar an, die Sache ist abgemacht. Auf die Erwiderung des Königs, Schnorr habe ja Falkenstein den Abend vorher das Gegenteil gesagt, erwidert Beust, nun da ist Schnorr ein unverschämter Lügner und ich würde bitten, daß Alles rückgängig gemacht werde. Falkenstein wird nun sehr verlegen, sagt, er habe Schnorr vielleicht nicht ganz richtig verstanden pp. Beust fragt, wann Schnorr bei Falkenstein gewesen – gegen 7 ist die Antwort. Nun, von mir ist er kurz vor 7 fortgegangen, er müßte also sogleich zu Ihnen gegangen sein, ich glaube aber, Sie irren sich, er ist wohl gar nicht bei Ihnen gewesen. Solche Phantasien hat Falkenstein wiederholt zu Tage gefördert.
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April 14 Ostermontag. Prinz Georg weiß sich recht unpopulär zu machen. Durch den Weinberg in Wachwitz, den der Prinz Friedrich August von der Königin Marie geerbt, führt der Kirchweg nach Loschwitz in einen Hohlweg, der allerdings lästiger Weise das Grundstück durchschneidet. Er hat den Weg nun nach einem Abkommen mit Wachwitz verschlossen, was aber der Umgegend sehr lästig ist, da man nun einen Umweg auf der Straße machen muß, die bei Hochwasser zudem oft überschwemmt wird. Wahrscheinlich aus Rache hat man nun das Häuschen oben im Walde, was König Friedrich August als Vogelherd benutzte und das ich in seiner Erinnerung gern besuchte, niedergebrannt. Mai 26 Minister Fabrice, der das Müllersche Grundstück am Mordgrund gemietet hat, besuchte mich am Donnerstag und übernahm es, mich Freitag, wo der König hereinkommt, zu entschuldigen. Heute ist Domkapitel in Meißen, wozu ich mich auch entschuldigen mußte. Eine 70jährige Schusterswitwe Baumann, die vor wohl 46 Jahren Köchin bei uns war, ist endlich als Pflegerin für mich engagiert worden und hilft meiner Unbehilflichkeit früh und Abends ab. Im Ganzen befinde ich mich aber sehr wenig befriedigend und kann nur den einen, aber herzlichen Wunsch aussprechen, daß ich nicht noch eine lange Krankheit überstehen muß, sondern der liebe Gott mir bald irgend ein schnelles Ende schenken möge. Loschwitz bleibt mir aber immer noch eine wahre Wohltat. Mai 29 Ich bin noch recht miserabel. Trotz Choral erwachte ich um 3 ½ mit dem heftigsten Asthma. Vielleicht ist der heftige Sturm, erst Ost- jetzt Westwind, die Ursache. Sophie wieder erst um 7 eingeschlafen. Theodore fuhr zur Stadt, um Gustav zu besuchen. Isidore und Antons sind herausgezogen. Juni 8 Recht schwere traurige Tage, da Sophie sehr leidend ist, keine Nacht Schlaf, Tags heftige Schmerzen, ich selbst wenig Atem – elende Zeit. Aber herrliches Wetter. Alle Abende Whist mit Sophie, der es um die Zeit besser geht und Theodore, wobei ich, offenbarer Hohn des Schicksals, stets mit ausgezeichneten Karten bestraft werde. Ferdinand ist noch in Gastein, reist aber 11. oder 17. des Monats ab nach Wien. Juni 13 Traurigster kalter Regentag, bleibe bis nächste Woche zu Haus, doch geht es mir besser. Gottlob auch Sophie, bei der jede Gefahr beseitigt ist. Sie muß nur noch im Zimmer bleiben. Heute Nachmittag 3 Uhr kam ein kleines Mädchen bei Gustav glücklich, aber schwer an. Juni 22 Da es etwas besser mit Sophie ging, ward die Abreise auf gestern Mittag bestimmt. Da bekam sie gestern früh wieder einen heftigen Anfall. Trotzdem reisten sie um 1 ab. Gott gebe, daß sie gut angekommen sind. Nach Tisch kamen der Rittmeister von Wickede, Schriftsteller, der von Venedig und Meran wieder an seinen Wohnsitz Schwerin mit seiner Frau reist, und Abends nach 8 noch Minister Abeken, der Anton sprechen wollte und diesen später bei mir abholte. Zwei Besuche waren sehr anstrengend für mich, doch die Nacht Dank des täglichen Chorals leidlich. Immer aber der Gedanke, wenn es doch die letzte wäre! Heute will ich versuchen, bei Isidore bei der Suppe zu sitzen – ich esse oder kann vielmehr fast gar nichts essen, aber ½ Glas bayerisches Bier behagt mir Vormittag. Herrlicher Morgen heute, wenn ich nur wenigstens in den Wald gehen könnte, um die frische Luft, die mir fehlt, zu atmen.
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Juni 23 Gott sei Dank, sie sind glücklich angekommen. Mir geht es aber schlecht. Nostitz kam zu mir. Ich hatte langes Gespräch mit ihm wegen meines Abgangs. Er wünschte aber auch, ich möge den Sommer noch aushalten. Nous verrons. Juni 29 Sehr unwohl. Bruchleiden noch zum Asthma. Morgen und übermorgen großes Fest in Meißen, wo ich natürlich nicht hin kann. Wie gern wäre ich bei Erhard im kühlen Grab! Eigentümliches Stilleben im schönen Loschwitz, wo es aber heute regnet. Spiele zeitweilig allein für mich Karten, da ich wegen Unwohlsein zu Hause bleiben muß. Ich ließ den alten Loschwitzer Doktor Burg holen, da gestern Abend heftige Schmerzen. Er meinte aber, es sei bloß Wirkung eines Druckes, nicht bedenkliche Entzündung. Vogt konnte heute nicht kommen, helfen kann er mir doch nicht. Juli 3 Ganz schändliche Existenz, keinen Appetit, ein Bruchleiden, das mich am gehen hindert, da ich das Band nicht anlegen kann, fast keine Stunde Ruhe vor kurzem Atem = Schlaflosigkeit, da ich jede Nacht spätestens 2 Uhr aufwache und erst einschlafe, wenn ich Choral nehme. Langeweile, da ich doch nicht den ganzen Tag Romane lesen kann. Bisweilen sitze ich in der Veranda am Hause und sage mir, wenn ich in die schöne Gegend sehe, wie viele würden sich glücklich preisen als Herr eines so schönen Fleckchens Erde – wer aber! Ferdinand ist aus Gastein zurück. Isidore war acht Tage an Erkältung recht krank. Flora Wackerbarth, die nach einer Reise zu Bekannten in Lorch bei Mali jun. in Dresden verweilte, hat sich gar nicht um sie gekümmert und ist ruhig in Dresden geblieben. Ernst hat wieder eine Broschüre über Kolonien Deutschlands geschrieben und mir, obwohl ich keine anlegen will, ein Exemplar geschickt. Bei Gustavs Gottlob Alle wohl. Juli 14 (letzter Eintrag) Sehr krank dieser Tage. Gestern deshalb an Fabrice geschrieben wegen Abgabe des Gesamtministeriums. Anton ging zu ihm, da er jetzt am Mordgrund im Müllerschen Grundstück wohnt. Bittet sehr höflich, jetzt davon abzusehen.193 Poker mit Kyaw, Whist mit Phina und Claire Nachmitttags, wie es paßt. Nachts stets Choral, esse nichts fast, trinke Köstritzer Bier, Madeira, Mosel – ganzen Tag im Dusel. Parterre gezogen, eine Wärterin angenommen, also drei Leute für mich und gute Abwartung, aber – Wunsch dringendster auf Erlösung. Karl von Weber stirbt am 18. Juli 1879 in seinem Anwesen in Loschwitz.
8. Nachruf von Johann Paul von Falkenstein auf Karl von Weber. Juli 1879 Den Manen Carl von Weber’s. Dem Andenken des in der Nacht vom 17. zum 18. Juli verstorbenen Direktors des Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchivs etc. Dr. Carl v. Weber haben wir unmittelbar nach seinem Hinscheiden einen kurzen ehrenden Nachruf gewidmet. Die Verdienste, welche der Heimgegangene im 193 Brief von Staatsminister von Fabrice an Weber vom 12. Juli 1879 mit weiteren Genesungswünschen und der gewünschten Weiterführung seiner Dienstobliegenheiten im Gesamtministerium. Siehe Dokumentenanhang Nr. 44.
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Bereiche der Wissenschaft wie in den verschiedenen von ihm bekleideten öffentlichen Stellungen sich um Sachsen und dessen Landesgeschichte erworben hat, erscheinen indessen bedeutsam genug, um einen eingehenderen Rückblick auf seinen Lebensgang gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Wir bringen zu diesem Behufe einen im „Dresdner Journal“ dieser Aufgabe gewidmeten, aus sachkundigster und berufenster Feder herrührenden Aufsatz an gegenwärtiger Stelle zum Abdruck. Unzweifelhaft werden alle Die von tiefem Schmerz ergriffen sein, welche dem vor Kurzem so unerwartet dahingeschiedenen Geh. Rath Dr. v. Weber nahe gestanden oder wenigstens mit seinem Wirken und mit seinen literarischen Arbeiten sich bekannt zu machen Gelegenheit gefunden haben. Aber an einem nicht geringen Theil des Publicums würde der Verlust dieses ausgezeichneten Mannes – wie dies leider so häufig zu geschehen pflegt – fast spurlos vorüergehen, weil seine Wirksamkeit nicht durch hervorragende, glänzende Thaten nach außenhin sich offenbarte, sondern mehr in der Stille sich entfaltete, wenn nicht dafür gesorgt würde, daß auch Die, die ihm im Leben fern standen, Kenntnis davon erlangten, was der Verewigte in einer langen Reihe von Jahren für König und Vaterland in reicher Maße geleistet hat. Von allen Dingen mag daher Das hier mitgetheilt werden, was er selbst im Jahre 1868 über seinen Lebensgang niedergeschrieben und im Hauptstaatsarchiv niedergelegt hat; es ist leider keine „Selbstbiographie“, wie er den Aufsatz bezeichnet, sondern im Wesentlichen nur eine kurze chronoligische Aufzählung der verschiedenen Stellungen, in denen er thätig gewesen ist; aber doch werden sich daran einige Bemerkungen knüpfen lassen, die es rechtfertigen dürften, wenn in diesem Blatte, so weit es der Raum gestattet, seine Wirksamkeit zu beleuchten versucht wird. „Ich bin – sagt er in jenem Aufsatz – am 1. Januar 1806 zu Dresden geboren – sein Vater war der bekannte Oberconsistorialpräsident Dr. v. Weber, seine Mutter eine geborene Kapp, Tochter des damals hochgeschätzten Arztes Dr. Kapp in Dresden –, besuchte, nachdem ich durch Hauslehrer, zuletzt durch den späteren Kirchen- und Schulrath bei der Kreisdirektion zu Leipzig, Schmidt, Privatunterricht genossen, von Ostern 1818 an die Kreuzschule, auf der ich gleich beim Eintritt nach Secunda kam, ging Michaelis 1819 auf die Fürstenschule zu Meißen als Extraner zum Profesor Kreyßig bis Ostern 1824. Von da bis Michaelis 1825 studirte ich in Leipzig jura, dann bis Ostern 1827 in Göttingen und vollendete dann meine Studien in Leipzig, wo ich am 14. Juli 1828 den Examen pro baccalaureatu bestand und die erste Censur erhielt.“ Es mag gleich hier erwähnt werden, daß sich von dieser Zeit her sein enges Freundschaftsverhältniß mit Mehreren, namentlich aber mit den Gebrüdern Seebach und Beust datirt, welches sich ungeachtet der vielfach abweichenden politischen Ansichten und ungeachtet der gänzlich verschiedenen Lebensstellungen bis in die neueste Zeit erhalten hat und Zeugniß von der Treue giebt, die Weber’s ganzes Wesen durchdrang. Es war in der That für jeden Dritten ein wahrer Genuß, zuzuhören, wie unser Weber z. B. mit dem jetzigen Grafen Beust die Reminiscenzen aus der Studienzeit, namentlich in Göttingen, aus seinem sichern Gedächtniß hervorholte, wie sie dann Beide mit geistreichem Humor die alten Zeiten besprachen, gegenseitig sich ergänzend, die sie in wahrhaft genialer Weise, ein Jeder in seiner Eigenthümlichkeit, zusammen verlebt und sich verschönert hatten. Durch eine Reise nach Frankreich und der Schweiz im Frühjahr und Sommer 1828 unterstützt, vermehrte Weber seine Kenntnisse nicht nur der Verfassungs- und Verwaltungsverhältnisse jener Länder, sondern auch der französischen Sprache, die ihm bei seinen späteren Stellungen sehr nützlich, ja nothwendig war.
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„Michalis 1828 – so fährt Weber in seiner Lebensskizze fort – trat ich als Accessist beim Justizamt Zwickau ein, bei dem ich aber gar keine Gelegenheit zu meiner weiteren Ausbildung fand, da ich lediglich mit Actenlesen und Ausfertigung von Strafauflagen (meist gegen Holzdiebe) gelangweilt ward. Im Mai 1829 erlangte ich den Access beim Kirchenrath und Oberconsistorium, einer Behörde, die damals unter der Direction des gänzlich erblindeten Präsidenten v. Globig stand. Ich ward zunächst mit Ausfertigungen beschäftigt, erhielt aber später unter dem Präsidium des Frhrn v. Fischer auch den Vortrag.“ Offenbar legte Weber hier den Grund zu seiner Kenntniß im Kirchenrecht; in der damals sehr bedeutenden und beschäftigten Behörde fand er vielfach Gelegenheit, hochwichtige kirchenrechtliche Fragen zu bearbeiten, und lernte zugleich die Schwierigkeiten kennen, die sich in der Praxis der Durchführung kirchenrechtlicher Entschließungen in weit höherem Grade entgegenzustellen pflegen, als in anderen Angelegenheiten. „Am 6. Mai 1830 – heißt es dann weiter – promovirte ich in Leipzig als Doctor juris auf Grund einer Disputation: de fiscis viduacom imprimis clericorum. Nachdem ich die Advocatenprobeschriften im Jahre 1831 und bald darauf auch die specimina zum Referendariat beim Kirchenrath und Oberconsistorium gemacht, ward ich am 31. December 1831 zum Referendar bei diesem Collegium ernannt.“ Beiläufig mag hier bemerkt werden, daß Weber’s Bestallungsdecret als Staatsdiener vom 1. Januar 1832 datirt. „Durch Rescript vom 16. April 1833 – bemerkt Weber – ward ich zugleich zum Referendar im Justitzcollegium ernannt, trat 1835 als Beisitzer beim Appellationsgericht zu Dresden ein und wurde 1839 Appellationsrath. 1843 ward ich an Stelle des Referenten v. Weissenbach, der katholischer Confession war, Referent für evangelische Sachen bei den in Evangelicis beauftragten Staatsministern, gleichzeitig Mitglied der Prüfungscommission im Justizministerium an Stelle des v. Watzdorf; vom 1. Januar 1849 an aber ward mir provisorisch die von Tittmann geführte Direction des Hauptstaatsarchivs übertragen, die ich dann am 10. März 1849 definitiv übernahm.“ In dieser Stellung ist Weber bekanntlich bis an seinen Tod geblieben; ward aber unbeschadet seiner Function als Director des Hauptstaatsarchivs am 30. Januar 1865 im Gesammtministerium und bei den Evangelischen Ministern als Referent verwendet und wurde als solcher auch der während des Krieges 1866 eingesetzten Landescommission beigegeben. Uebrigens mag bemerkt werden, daß Weber außerdem noch die verschiedensten Aufträge vorübergehend erhielt; sowie z. B. Mitglied der Commission zur Entwerfung eines Civilgesetzbuches und einer Civilproceßordnung; Mitglied des Bundesschiedsgerichts zu Erfurt während des sogenannten Dreikönigsbündnisses; Dirigent der königl. Sammlungen während der Abwesenheit des Ministers v. Wietersheim; Stellvertreter des Geh. Raths Dr. Hübel während dessen Abwesenheit in Berlin etc. bei Kirchenconferenzen. Man erstaunt, wie es ihm möglich war, allen diesen Aufträgen sehr heterogenen Inhalts zu genügen. Aber sein enormer Fleiß, sein Talent, auch schriftlich seine Gedanken rasch zusammen zu fassen und in steter Klarheit darzulegen, sein Gedächtniß und vor allen Dingen sein reges Pflichtgefühl bewirkten es, daß er überall zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten arbeitete und nicht eher ruhte, bis er, oft selbst mit Zuhilfenahme der Nacht, seine Aufgaben gründlich gelöst hatte. Daß er neben seinen amtlichen Geschäften den juristischen und historischen Studien mit besonderer Vorliebe oblag, ist bekannt, und die mehrfachen Schriften, die er veröffentlicht hat, geben davon Zeugniß. Abgesehen von einer ziemlich großen Zahl einzelner Aufsätze juristischen und historischen Inhalts in der Zeitschrift für
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Rechtspflege und Verwaltung, für Raumer’s historische Jahrbücher, für den neuen Pitaval u. s. w. können wir als selbständige Werke: Marie Antonie Walpurgis, als Manuscript gedruckt 2 Bände 1857. Aus vier Jahrhunderten, 2 Bände 1857 und eine Folge, 2 Bände 1861. Zur Chronik Dresdens 1859. Moritz Graf von Sachsen 1863. Anna, Kurfürstin von Sachsen 1865, aufführen. Außerdem redigirte er selbständig, obwohl unter Mitwirkung des Ministers v. Falkenstein bei der Frage über Aufnahme der Mittheilungen das von diesem mit Prof. Wachsmuth einst gegründete Archiv für sächsische Geschichte und erwarb sich dabei durch Sichtung, Vervollständigung und Berichtigung so mancher zur Aufnahme eingesendeten Aufsätze große Verdienste um das Werk, wie um die betr. Einsender. Allerdings ward er bei allen diesen schriftstellerischen Arbeiten durch das Hauptstaatsarchiv sehr wesentlich unterstützt, aber er hatte ja eben auch für die leichte Benutzung dieses Archivs Außerordentliches geleistet. Er hat sich darüber schon früher im Archiv für sächsische Geschichte Bd. II. S. 15 fg. geäußert; aber auch in der Eingangs erwähnten Skizze noch Folgendes bemerkt: „Ich habe mich bemüht, eine übereinstimmende Ordnung der Abtheilungen einzuführen, die Benutzung des Archivs durch Aufhebung der Menge kleinerer Abtheilungen zu erleichtern und zu vereinfachen, allgemeine Hilfsmittel, wie z. B. das über die Standeserhöhungen herzustellen. Mancher Zopf, der von dem frühern geheimen Archiv mit herüber genommen worden, ist abgeschnitten worden. So bestanden z. B. für die currenten Geschäfte 2 Registranden, eine Eingangs – und Ausgangsregistrande; aber in keiner stand, zu welchen Acten eine Schrift genommen worden. Ich kann wohl sagen, daß ich mit meinen Herren Collegen im Laufe der Jahre die große Arbeit im Archive verrichtet und meinen Nachfolgern eine recht bequeme Stellung gesichert habe.“ Gewiß wird ihm die ganze gelehrte Welt für solche Verbesserungen im Archivwesen dankbar sein, und die Regierung weiß, mit welchem Eifer er seine Pflichten erfüllt hat; Jedermann aber, der jemals in Berührung mit dem Archiv kam, wird die Liebenswürdigkeit zu rühmen wissen, mit der er Jeden unterstützte, der mit Ernst daran ging, das Archiv zu benutzen. Hierin allenthalben liegen ohne Zweifel große Verdienste um die Wissenschaft und ihre Träger, um die Culturgeschichte insbesondere, und sonach mittelbar auch um den Staat. Allein weit höher möchten wir doch d i e Verdienste stellen, die sich Weber als Referent im Gesammtministerium und bei den in Evangelicis beauftragten Ministern erworben hat; wenngleich sie nach außen nicht erkennbar waren. Durch den oben geschilderten Lebensgang vertraut gemacht mit dem Gange der Dinge auf allen Rechtsgebieten, ausgestattet mit einem trefflichen Gedächtniß und klarem Urteil, durchdrungen von sittlichem Ernst und einer ungeheuchelten, allen Extremen fernen Frömmigkeit im Herzen, hatte er wirklich alle Eigenschaften, die erforderlich sind, um zu sichten, zu rathen, zu urtheilen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens; er war also wie dazu geschaffen, wichtige Regierungsangelegenheiten gründlich vorzubereiten, nach Befinden seine Ansichten über eine beabsichtigte Maßregel, auch wenn sie abweichend waren, unbefangen auszusprechen; Klarheit in verwickelte Fragen zu bringen und dann in einer oft Staunen erregenden Geschwindigkeit mit der ihm im Denken und Schreiben zu Gebote stehenden Gewandtheit Protokolle aufzunehmen, in denen sich die Ansichten der Einzelnen, ebenso wie die gewonnenen Resultate im Ganzen widerspiegelten. Vergegenwärtigt man sich aber seine Stellung, erwägt man, daß er nicht Minister, sonderen nur Referent ohne eigentliches Votum in ministeriellen Angelegenheiten war, daß
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er insonderheit bei der Relation evangelischer Sachen oft der Einzige war, der bereits lange Zeit hindurch praktische Erfahrungen in den kirchlichen Dingen gemacht haben konnte, so wird man begreifen, welcher Tact dazu gehörte, die richtige Stellung zu behalten zwischen dem Zuviel und Zuwenig; wie oft die Versuchung an ihn herantrat, seiner Ansicht, wenn sie etwa in Conflict kam mit der eines Ministers, Geltung zu verschaffen, und wie schwer es oft für einen so klaren Kopf, tüchtigen Juristen und selbständig urtheilenden Mann sein mochte, höheren allgemeinen Rücksichten, die etwa von den Ministern hervorgehoben wurden, sich stillschweigend unterzuordnen, und man wird mit Freuden anzuerkennen haben, daß er nie zu dauernden Mißverständnissen oder Verdrießlichkeiten Anlaß gegeben hat. Dazu kommt aber noch, daß er oft in höherem Auftrage die schwierigsten Fragen bearbeiten mußte – wir erinnern nur an die schleswig-holsteinische Frage, über welche er nach langen gründlichen Studien eine umfassende Arbeit geliefert und mit überzeugender Wärme und Klartheit seine Ansicht zur Geltung zu bringen sich bemüht hatte – und dann sah, daß seine ganze Arbeit vergeblich war – er fand in solchen Fällen seinen Lohn nur in dem Bewußtsein, seine Pflicht erfüllt zu haben. Auch im Jahre 1866 hat er mit wahrer Selbstverleugnung Tag und Nacht gearbeitet und sich bemüht, die Strenge zu mildern und ein möglichst freundliches Verhältniß zwischen der Commisssion und dem damals feindlich Beautragten zu erhalten. Es ist wahr: er konnte zuweilen durch eine anscheinende Leichtfertigkeit, mit der er über schwierige Fragen hinwegzukommen wußte, und auch die Raschheit, mit der er ein Urtheil aussprach, fast verletzen; allein bei ruhiger Erwägung mußte man sich doch sagen, daß nur seine ungemein schnelle Auffassungsgabe ihn zuweilen ungeduldig machte und er sich dann, besonders wenn ihm keine schlagenden Gründe entgegengestellt werden konnten, zu einem vielleicht zu schnellen, in der Form nicht ganz vorsichtigen Urtheil hinreißen ließ und dadurch sich den Vorwurf einer zu leichten Behandlung der Sache oder eines voreiligen Urtheils zuzog. Wer ihn aber näher kannte, der wußte es, wie er in echter Bescheidenheit seine Ansichten unterordnete und wie er sich gar oft – in richtiger Würdigung seiner Stellung – mit einer gewissen Resignation die Worte des Dichters zurief: sic vos non vobis mellificatus apes. Denn das war das Schöne in seinem ganzen Wesen, daß er nicht das Seine suchte, sondern daß seine Liebe zu König und Vaterland und zu seinem Beruf die mancherlei Schattenseiten seiner Stellung überwand. Es ist ihm wiederholt die Annahme eines Ministerpostens nahe gelegt worden, aber – auch das ist bei einem so begabten Manne nichts Geringes – er hatte die rechte Selbsterkenntnis; er kannte die Grenzen seiner Begabung; er hatte von jeher eine Abneigung, öffentlich aufzutreten und hat daher auch nie gezweifelt, eine dahin gehende Aufforderung dankbar zurückzuweisen. Am glücklichsten war er nach gethaner Arbeit in seiner Familie und mit Freunden, wo er dann seine Liebe zur Musik – er spielte selbst ziemlich fertig Violine – befriedigte, oder in lebendiger Unterhaltung seinem Humor und seinem auch durch äußere Gaben oft drastisch wirkenden Witz freien Lauf lassen konnte. Da zeigte sich seine ganze Liebenswürdigkeit, da tat sein Gemüth, sein Bestreben, fremde Noth zu lindern, sein festes Vertrauen auf Gottes Führung in das rechte Licht, und man begriff nun erst, daß seine ganze Familie und seine Freunde und Berufsgenossen ihn trotz mancher Eigenthümlichkeiten und trotz seiner, zuweilen an Schroffheit grenzenden Zurückhaltung mit treuer Liebe umfaßten. Aber man wird es dann auch verstehen, wie der ganz unerwartete Tod seines zweiten Sohnes, des zu
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den schönsten Erwartungen berechtigten Dr. med. Erhard v. Weber, ihn in furchtbarer Weise erschütterte. Ja man kann wohl behaupten, daß er unbeschadet der innigen Liebe zu Denen, die ihm geblieben, diesen Verlust nie ganz verschmerzt hat. Mit treuem Pflichtgefühl blieb er zwar in seinen Berufsgeschäften treu und fleißig wie immer, aber die rechte Frische, die sonst seine Arbeiten auszeichnete, nahm allmählig ab; der Wunsch nach Ruhe steigerte sich in ihm und er war z. B. sehr erfreut, als es ihm endlich gelungen war, die Redaction des Archivs für sächs. Geschichte aufgeben zu können, ohne das Bestehen der Zeitschrift geradezu gefährdet zu sehen. Daß übrigens der Verewigte auch wirklich bescheiden war, nicht wie das so oft geschieht, die Bescheidenheit zur Schau trug, dafür spricht außer dem oben Angeführten deutlich genug der Umstand, daß er die im Jahre 1849 und dann im Jahre 1866 angebotene Ernennung zum Geh. Rath dankend ablehnte. „Da ich – wie er selbst sagt – nicht die vielen Beispiele der jetzt grassierenden lächerlichen Titelsucht vermehren mochte; ich habe aber am 8. November 1872 doch jenen Titel ohne alles Ansuchen bei Gelegenheit der Feier der goldenen Hochzeit Sr. Majestät des Königs Johann erhalten und konnte und mochte ihn da nicht zurückweisen.“ Auch auf Orden, deren er verschiedene besaß, legte er keinen besonderen Werth; nur den Verdienstorden, dessen Comthurkreuz I. Classe er noch im Juni 1878 bekam, hielt er hoch in Ehren. Gewiß werden sich in dem Nachlaß des Dahingeschiedenen vielfache Notizen finden, die früher oder später veröffentlicht werden können, denn sein Fleiß im Sammeln, namentlich für die Culturgeschichte, kannte keine Grenzen, und es ist gewiß in jener Zeit, in welcher das Neue so rasch das Alte verdrängt, doppelt Pflicht, Nichts zu versäumen, was dazu dienen kann, das Andenken und das Wirken dieses ausgezeichneten, um König und Vaterland hochverdienten Mannes zu bewahren.
Dokumentenanhang Nr. 1 Ahnentafel Karl von Weber. Von Kurt Wensch: Archivgeschichte und Genealogie. In: Beiträge zur Archivwissenschaft und Geschichtsforschung. Weimar 1977, S. 161 (Tafel 10) Proband:
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v. Weber
Carl, Dr. jur., Appelationsrat 1839, Min.-Rat 1843, Geh. Archivar u. Direktor d. Sächs. Hauptstaatsarchivs 1849–1879, Geh. Rat 1872 * Dresden 1806, † Loschwitz (j. Dresden) 1879 ∞ Dresden-Neustadt 1835 Sophia Dorothea, T. d. Gutsbes. Tenge in Osnabrück Eltern: 2) (v.) Weber Carl Gottlieb, Oberkonsistorial- und Kirchenrat, Adelsstand 1829 * Leipzig 1778, † Zöschau, Kr. Oschatz 1849 ∞ I (s. Nr. 3) Probstheida (j. Leipzig) 1804 (∞ II Dresden 1820 Emma Wilhelmine, T. d. Kgl. Sächs. Oberlandweinmstrs. Johann Martin Fleischmann u. d. Johanna Caroline Louise Meese) 3) Kapp Louise Henriette * Leipzig 1784, † Wachwitz (j. Dresden) 1817 Großeltern: 4) Weber Christian Heinrich Gottlieb, Mag. phil. Actuar der Juristenfakultät Leipzig * St. Kilian, Kr. Schleusingen 1727, † Leipzig 1798 ∞ Leipzig 1769 5) Stirner Florentine Elisabeth * Leipzig 1739, † ebd. 1820 6) Kapp Christian Eberhard, Dr. med., prakt. Arzt in Leipzig, seit 1810 in Dresden * Leipzig 1739, † Dresden 1824 ∞ I Leipzig 1782 7) Dumont Louise Caroline * Leipzig 1751, † ebd. 1789 (∞ I Leipzig 1774 Kaufmann Jacques Crayen) Urgroßeltern: 8) Weber Johann Daniel, Pfarrer in St. Kilian * St. Kilian 1682, † ebd. 1757 ∞ Leutersdorf, Kr. Meiningen 1719 9) Hundshagen Margarethe Sophie * Leutersdorf 1700, † Schleusingen 1784 (T. des Pfarrers Johann Adam H. u. d. Anna Sophia Köhler) 10) Stirner Johann Christian, Kaufmann in Leipzig * Schwabach/Bay. 1699, † Leipzig, 1745 ∞ II Leipzig 1734 11) Block Johanna Sophia * Leipzig 1713, † ebd. 1787 (T. d. Bg. u. Kramermstrs. Friedrich B. u. d. Maria Sophia Winkler) (∞ II Leipzig 1746 Stadtrichter Christian Friedrich Schmidt) 12) Kapp Johann Erhard, Dr. phil., Prof. d. Beredsamkeit in Leipzig * Oberkotzau/Ofr. 1693, † Leipzig 1756 ∞ Leipzig 1738 13) Weiße Dorothea Sophia * Leipzig 1709, † ebd. 1751 (T. des Pastors D. Christian Weiße u. d. Catharina Dorothea Bohn) 14) Dumont Amy, Bg. u. Bankier in Genf, dann Kaufmann in Leipzig * Genf 1724, †Leipzig 1797 15) Kob Catharina Margarethe * Strasbourg 1720, † Connewitz (j. Leipzig) 1787 (T. d. Handelsm. Johannes Ludwig K. u. d. Catharina Margaretha Beerss)
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Nr. 2 Antwort Sr. Majestät des Königs auf die von der Stadt Leipzig überreichten Adressen. In: Leipziger Zeitung vom 16. August 1845. Nr. 196. Außerordentliche Beilage. Ich habe die Deputierten empfangen, die gekommen waren, Mir im Namen der Stadt Leipzig ihre Theilnahme an dem beklagenswerthen Ereigniß zu bezeugen und ihre Anhänglichkeit und Treue zu versichern. Ich finde Mich bewogen, der Stadt Leipzig hierauf noch besonders Nachstehendes zu eröffnen, will auch, daß dies zur öffentlichen Kenntniß gelange. Hoch beglückt und stolz war Ich stets in dem Bewußtsein, über ein treues Volk zu herrschen, das tiefbegründete Achtung vor Gesetz und Recht und feste Anhänglichkeit an das angestammte Fürstenhaus so oft und unter den schwierigsten Verhältnissen bewährt hat. Gestützt auf die dem Lande verliehene Verfassung, durfte Ich vertrauen, daß das sächsische Volk überall von ihrem Geist durchdrungen auch in den Stürmen einer bewegten Zeit daran festhalten und nur auf dem Wege des Gesetzes und der Ordnung wandeln werde. Desto tiefer hat es Mich geschmerzt, daß die zweite Stadt des Landes, in der Ich gern weilte, in der Ich so oft Beweise treuer Liebe und hochherziger Gesinnung empfing, daß das vielfach gesegnete und blühende Leipzig der Schauplatz eines unwürdigen Frevels geworden, daß dort das heilige Gesetz verletzt worden, verletzt in der Person Meines vielgeliebten Bruders, der Sich in Erfüllung des Berufs, den Er aus reiner Liebe zum Vaterland übernommen, arglos und voll Vertrauen wie sonst, in die Mitte von Leipzigs Bürgern begeben hatte. Es erfüllt Mich mit tiefer Betrübniß, daß man nicht entblödet hat, durch eben so grundlose als unwürdige Gerüchte die Meinung des Volkes aufzuregen und Ich warne ernstlich und väterlich davor, ihnen Glauben beizumessen. Ich beklage innig die vielleicht ganz schuldlosen Opfer, die in Folge des nöthig gewordenen Einschreitens der bewaffneten Macht gefallen sind. Strenge Untersuchung der stattgefundenen Unordnungen und eine unbefangene Betrachtung des Verfahrens der Behörden wird Licht über das Ganze verbreiten und das fernere Zusammenwirken aller Gutgesinnten wird die hergestellte äußere Ordnung erhalten, so daß es hoffentlich nicht ernsterer Maßregeln bedürfen wird, um dem Gesetz seine Geltung zu verschaffen. Aber mit tiefem Schmerz muß Ich es aussprechen: Wankend geworden ist Mein altes Vertrauen zu einer Stadt, in deren Mitte auch nur der Gedanke einer solchen Handlung entstehen, unter deren Augen er ausgeführt werden konnte. Mit Ernst und Milde richte Ich darum an die große Zahl der Gutgesinnten Leipzigs, denen das Wohl des Vaterlandes und der Stadt und die Ehre des sächsischen Namens am Herzen liegt, Mein Königliches Wort: Mögen sie sich fest an Thron und Verfassung anschließen, mögen sie mit Würde und Kraft den Bestrebungen derer entgegentreten, die nicht verfassungsmäßige Ordnung, sondern die zügellose Herrschaft Aller wollen, auf daß das Gesetz heilig gehalten werde in aller Zeit und Ich mit dem alten Vertrauen auf eine Stadt blicken könne, die Meinem Herzen stets theuer gewesen ist. Gegeben zu Pillnitz, am 15. August 1845. Friedrich August.
v. Falkenstein.
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Nr. 3 Karl von Weber: Eigenhändiger Auszug aus den amtlichen Untersuchungsakten gegen Johann Tyssowski. August 1848 Nach der Aussage von Robert Chmielewski ward 1832 durch polnische Emigranten eine demokratische Gesellschaft gebildet in Frankreich, um Polen auf demokratischer Grundlage im Wege einer allgemeinen europäischen Revolution herzustellen. 1835 ward die Direktion unter dem Namen Centralisation nach Poitiers versetzt. Die Glieder waren wirkende (nur Polen) und korrespondierende (auch aus anderen Nationen), die Gesellschaft zerfällt in Sektionen aus fünf oder mehr Mitgliedern, die sich an einem Orte aufhalten. Die Centralisation gibt Druckschriften heraus, faßt die allgemeinen Beschlüsse, besteht aus neun Gliedern, die alle Jahre gewählt werden. Es sind über 1 100 Mitglieder in 30 Sektionen, wovon zwei in England (London und Portsmouth). 1837 ward Chmielewski als Emmissär nach Galizien geschickt, mit ihm Adam Sperczynski. Er erhielt ein Empfehlungsschreiben an Robert Blum. Er sollte Gelegenheit ausfinden, revolutionäre Bücher nach Galizien zu schaffen. Ein anderer, Leslaus Lukasiewicz, kam ebenfalls mit Briefen an Blum 1839 im August nach Leipzig. Blum äußerte sich in der Art, als ob er von dem Verein in Poitiers wisse, daß die abgesendeten Bücher in Zuckmantel bei Teplitz beim Schwärzer Franz liegen, daß die Bücher künftig nicht an ihn, sondern an andere in Leipzig gesendet werden sollten und daß er dafür sorgen werde, daß sie an den bezeichneten Ort gelangten. Er versprach, auch alle an ihn gelangenden Briefe von Chrystowski nach Straßburg zu senden. In Dresden erhielt er von Postsekretär Martin Rat, wie die Bücher nach Böhmen zu schaffen. Er wies ihn an den Gastwirt Fleming in Georgenfeld. Dieser führte ihn zum Gastwirt Rosselt in Teplitz, der auch Transport übernahm und ihn an den Spediteur Pfeifer in Prag verwies, der aber es ablehnte, und dann an den Hausknecht Joseph Ryber zur Stadt Straßburg bei Prag, der es übernahm, die Bücher nach Wadowice zu befördern. In Prag suchte Lukasiewicz den Dr. Amerling auf, der ihm sagte, daß die Slawen in Böhmen in Rußland Stütze gegen Österreich fänden. Der Mediziner Kanpelik stehe mit der russischen Gesandtschaft in Wien in Verbindung, durch welche slawische Bücher und Geld nach Böhmen gesendet werde. Er suchte Adolf Tettmayer in Krakau auf und beauftragte ihn wegen der Bücher, gab ihm Reisegeld und Briefe an Blum, Fleming und Martin, die derselbe einige Wochen nach Ostern 1840 aufsuchte und bereit fand, die Spedition der Bücher zu übernehmen. Die Bücher wurden aber später gefunden bei einer Haussuchung bei den Brüdern Niedzielski in Stedziejowice. Fleming hatte die Bücher an Rosselt gebracht, um sie dem Hausknecht Ryber zu übergeben, der inmittelst fortgegangen war. Ein junger Mensch Eduard Richter konkurrierte dabei, indem er auch Bücher von Fleming brachte. Chmielewski fand in Galizien weder beim Adel noch Mittelstand Anklang, nur bei der Jugend. Er verlangte Geld, was ihm unter der Adresse Blums gesendet werden sollte.
Nr. 4 Karl von Weber: Eigenhändige Bemerkungen zu den schriftlichen Darlegungen des sächsischen Außenministeriums über das Verhalten des sächsischen Gesandten Rudolf von Könneritz in Wien bei der Erschiessung von Robert Blum am 9. November 1848. November 1848 ad 713 GM 1848. Auswärtiges über Verhalten von Könneritz bei Blums Erschießung. In der Schrift erzählt er die Fakten und es ergibt sich daraus, daß Könneritz am 22. aus Wien gegangen, nachdem er am 21. Blum einen Paß ausgestellt. Am 4. hat er durch anonymes Schreiben, welches an Preußische Gesandtschaft gelangt war, Blums an diesem Tage erfolgte Arretur erfahren. Er
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hat sich nach seiner Rückkehr nach Wien, anscheinend am 6. ?, ins Ministerium des Auswärtigen begeben. Sagt aber, amtliche Bestätigung der Nachricht hat er nicht erlangt, allein die Räte im Ministerium des Auswärtigen hatten es als allgemeines Gerücht bestätigt. Auch im Gasthof zur Stadt London hat er sich erkundigt und hat es da (am 6.) erfahren – nun wußte er es also bestimmt und richtete am 7. eine Note an das Auswärtige Ministerium um Mitteilung über die Gründe und Ursachen der Verhaftung. Am 8. hat er speziell die Weisung erhalten, den sächsischen Untertanen soviel tunlich den gesandtschaftlichen Schutz angedeihen zu lassen. Er hat hierauf mündlich mit den betreffenden Beamten des Ministeriums (wer war das ?) geredet, seinen Antrag zu wiederholen. Am 9. ward Blum früh erschossen. Er sagt, er habe aber damals keine amtliche Bestätigung der Verhaftung und des Verfahrens gehabt. Jedes Einschreiten sei also unmöglich gewesen. Blum selbst habe die Gesandtschaft nicht angerufen. Wahrscheinlich weil er geglaubt, er sei in seiner Eigenschaft als Reichstagsdeputierter unverletztlich. Zu Windischgrättz sei Könneritz nicht gegangen, weil das das letzte Mittel gewesen. Das Ministerium sagt, der Gesandte sei nur an das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten gewiesen. An andere Behörden könnten sie sich nur in außerordnetlicher Weise wenden. Könneritz’ Schritt sei daher der geschäftlich vollkommen richtige. Solange er nicht amtlich gewußt, ob und warum Blum verhaftet sei, habe er nicht mit Sicherheit ermessen können, welche Anträge er zu stellen habe. Ministerium ist daher der Ansicht, daß Anlaß zur Einleitung einer förmlichen Untersuchung nicht vorhanden sei. Wenn man dies aber für nötig erachte, sei es angemessener, diese der Kriminalbehörde zu überlassen, als was nach Art. 326 in Verbindung mit 311 des CGB zulässig, diese durch die Dienstbehörde zu führen – der Minister des Auswärtigen selbst. Das Ministerium sagt, es neige sich zu dieser Ansicht und es würde dann das Ministerium dem Justizministerium unter Eröffnung seiner Beurteilung der Sache der kompetenten Justizbehörde durch das Justizministerium der Entscheidung anheim geben oder ein Gutachten vom Justizministerium erbitten. Zur Untersuchung gehört a) Antrag der Dienstbehörde Art. 326, b) Mitteilung der Instruktion – in der aber nichts steht.
Nr. 5 Auszug aus der Erklärung von Kaufmann Büttner aus Lauban „An das sächsische Volk!“. In: Dresdner Anzeiger vom 8. März 1849. Zweite Beilage, S. 18. „Am 16. oder 17. Januar d. J. Abends gegen 8 Uhr fand ich ungefähr 80 Mitglieder beider Kammern im Speisesaal des Hotels in Dresden, …, versammelt, um sich über die Landtagsangelegenheiten zu besprechen und zu einigen. Der Abg. Hr. Blöde eröffnete diesen Club durch einen Vortrag in den üblichen schönen Freiheitsphrasen, worauf Hr. Dr. Schaffrath das Wort nahm und unter Anderem erklärte: Vor allen Dingen müsse das Ministerium gestürzt werden, allein da dasselbe die Majorität des Volkes für sich hätte, es dürfe von Seiten der Versammlung nicht mit Consequenz, sondern es müsse mit Klugheit dabei verfahren werden. … Nach mehrfacher Debatte wurde zur Abstimmung geschritten und die Stimmenmehrheit entschied sich für Hrn. Dr. Schaffrath, d. h. dahin zu arbeiten, daß das Ministerium sich selbst stürzen müsse, um dadurch jeder Verantwortlichkeit bei der Majorität des edlen sächsischen Volkes überhoben zu sein. Verfolgt nun jeder denkende Sachse das Benehmen und die Verhandlungen seiner Kammern dem Ministerium gegenüber unpartheiisch, so muß ihm klar ins Auge springen, wie und wodurch sein von jedem braven Deutschen hochgeachtetes Ministerium sich zum Rücktritt veranlaßt sah.“ Im Dresdner Anzeiger 1849. Nr. 68 vom 9. März. Erste Beilage, S. 12 erschien sofort eine „Berichtigung“ von 47 Landstagsabgeordneten, datiert vom 6. März 1849, die diese Beschuldigungen in Abrede stellten. Die nochmalige Entgegnung darauf mit dem Titel „Aufklärung“ von Kaufmann Büttner vom 11. März 1849 wurde im Dresdner Anzeiger 1849 Nr. 83 vom 24. März. Beilage, S. 13 veröffentlicht.
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Nr. 6 Waffenstillstandsabkommen zwischen der Provisorischen Regierung und dem Gouverneur der Stadt Dresden vom 4. Mai 1849 Mitbürger! Durch eine von uns entsendete Deputation ist mit dem Gouverneur der Stadt folgende Verabredung getroffen: daß sämtliches Militär, an Artillerie, Kavallerie und Infanterie von dem Schloßplatze völlig zurückgezogen, 2 Kanonen auf der Brücke postiert, das Schloß und das Zeughaus von den Truppen besetzt erhalten, der Schloßplatz aber als völlig neutrales Gebiet angesehen und insbesondere die Verbindung zwischen Brücke und Zeughaus über die Brühlsche Terrasse frei erhalten werde. Dagegen soll kein Angriff seiten des Militärs auf die Kommunalgarde oder das Volk stattfinden, auch die Kommunalgarde und das Volk sich jeden Angriffs oder einer Fortsetzung der Feindseligkeiten, insbesondere des Barrikadenbaues zu enthalten haben. Wir bringen dies hierdurch zu Eurer Kenntnis. Dresden, den 4. Mai 1849 Der Sicherheitsausschuß.
Nr. 7 Brief von Finanzminister Carl Wolf von Ehrenstein an Karl von Weber. Dresden, 10. Mai 1849 Teurer Freund, ich teilte Ihnen gestern nur so schnell als möglich die flüchtige Nachricht von der hiesigen Beendigung des Aufstandes mit und beeile mich gegenwärtig, Ihnen noch einiges zur Ergänzung nachzuliefern. Vormittag 10–11 waren die Truppen von allen Seiten bis auf den Altmarkt vorgedrungen. Ein Soldat, das Gewehr in der Hand, die Zigarre im Mund, geht in das Rathaus mitten hinein und ruft, es sei der letzte Augenblick gekommen, um sich zu retten, wer nicht umkommen wolle, müsse ihn zur Übergabe benutzen. Die Insassen des Rathauses sind glücklikch über diese Aussicht zur Rettung und erklären sich augenblicklich bereit zur Übergabe. Die weiße Fahne flattert vom Rathaus und bald von allen umliegenden Häsusern und der Schloßgasse, wo selbst die Bewohner aus den Kellern hervorkommen und Flaschen und Gläser den Soldaten bringen, welche sie dankbar umarmen. Obschon eine Unzahl von Gefangenen nunmehr gemacht wurde, so waren doch schon lange vor der Übergabe des Rathauses von morgens vier Uhr an die Aufrührer von hier besonders in Richtung Tharandt abgezogen und zwar in Scharen, deren Gesamtzahl zu ungefähr 10 000, manche behaupten, wohl jedenfalls zu stark, 30 000. Die Rechnung des Militärkommandos, daß Dresden südlich und westlich durch Truppen bereits gehörig zerniert sei, hatte bedeutend getäuscht. Nur einzelne Verfolgungen haben durch die Kavallerie stattgefunden. Hiermit wäre denn also der Aufruhr vor der Hand nur in Dresden gedämpft. Die Zahl der Toten aufrührerischerseits ist schwer anzugeben. Mein Johann hat auf einem Kirchhofe 75, auf dem anderen 47 gesehen. Die anderen Orte hat er nicht aufgesucht. Mehre Kirchen und das Neustädter Rathaus sind voll Gefangener, welche man denen, die dies lieben, wie wilde Tiere besehen läßt und gezeigt werden. Der Zug der Insurgenten ging natürlich durch Tharandt. Hier frühstückten Tzschirner und Heubner und bezahlten zwar nicht. Dafür hielt Heubner eine Rede auf dem Markte, worin er sagte, daß sie die Revolution durch ganz Deutschland von Stadt zu Stadt, von Land zu Land trügen. Nach offiziellen Angaben folgten diesen „Regierungsmitgliedern“ 120 Wagen auf dem Fuß, darin Gesunde und
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Verwundete, daneben aber und dahinter zogen die Scharen teils in wildem Trosse, teils in geordneten Kolonnen, die Führer zur Seite. Dem Vernehmen nach wollte sich die Provisorische Regierung in Freiberg setzen und ein Kavallerie- Regiment folgte den Flüchtigen, bald auch Artillerie und Infanterie; allein sie mochten es geratener halten, weiterzugehen und so scheint Chemnitz die neue Residenz zu werden. Von den in immer neuen Massen eintreffenden Preußen wurden auch bereits mehre Bataillone weiter westlich dirigiert. 15 000 Mann sind für Sachsen bestimmt, von denen vielleicht 8 000 eingetroffen sein und heute eintreffen könnten, darunter rote und schwarze Husaren, Kürassiere etc. Im Lande aber, d. h. in den Städten, mag es zum Teil fürchterlich aussehen und alles ruft nach Hilfe. Dabei ein sogar die Bessern durchdringender Haß gegen den König. Hier ist, allerdings zu spät, der Kriegszustand erklärt; zu spät, weil die wichtigeren Gefangenen alle vor dem Kriegszustand arretiert worden. Schirnding ist der sächsische Windischgrätz; zu meiner Freude aber sagte mir Beust, er sehe wohl, daß er das Militärregiment bald werde moderieren müssen. Marschall und Zychlinski werden mit Steckbriefen verfolgt, von Tzschirner, Heubner und Todt wird Ihnen dies bereits bekannt sein. Im übrigen wünschte ich herzlich, Sie wären hier, denn interessant ist es gerade noch genug, Jeder Denkende fragt sich: was soll nun werden. Schill schreibt mir aus Leipzig, man glaube ja nicht, daß die Verfassungsfrage um ein Haar breit gewichen sei. – Viel ist verloren und wenig gewonnen! Der größte Gewinn gewiß die Demoralisierung der Truppen. Versichern Sie ihrer Frau Gemahlin meine aufrichtigste Verehrung und kehren Sie bald zurück. Der Ihrige Ehrenstein
Nr. 8 Zwei Briefe von Bernhard von Cotta aus Freiberg an Karl von Weber. Freiberg, 12. Mai und 15. Mai 1849 Hochgeehrtester Herr und Freund! Um etwaigen Mißdeutungen (wie sie versucht worden sind) vorzubeugen, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen privatim den Erfolg meiner neulichen Sendung nach Dresden mitteile. Auf Befehl des Herrn Kriegsministers wurden noch am Abend des 2. Mai die 9 Ungarn durch Herrn Oberst von Oppell mir übergeben, damit ich sie bei Bürgern einquartiere. Das geschah. Zugleich teilte mir der deshalb nach Freiberg gesendete Herr Oberleutnant von Abendroth mit, daß es die Absicht sei, sie entfliehen zu lassen. Das verkannte ohnehin niemand, die aufgeregten Gemüter beruhigten sich, aber ich hatte nun offenbar eine Art von Verpflichtung, die Flucht der Leute zu leiten. Herr von Abendroth gab mir dazu 2 Tage Zeit. Am 3. wurden Kleider und Geld beigeschafft, um in der Nacht nach Dresden abzureisen. Um alles Mißtrauen einer heimlichen Auslieferung dem Volke gegenüber zu beseitigen, hielt ich es für nötig, den Obmann des hiesigen Vaterlandsvereins Herrn Thost zu bitten, daß er uns nach Dresden begleite und sich von der wirklichen Flucht überzeuge. Da trat unglücklicherweise die Revolution dazwischen. Es war aber einmal Alles vorbereitet und über den Zustand und den Erfolg in Dresden ungewiß, beschlossen wir, dennoch dorthin zu fahren. Um 5 Uhr früh kamen wir an. Mein erster Gang war nach dem Schlesischen Bahnhof, um zu sehen, ob er nicht etwa besetzt sei. Da sagte man mir, was ich nachher in Dresden überall bestätigen hörte, die Bahn sei zerstört. Nach Altstadt zurückgekehrt, bemühte ich mich nun auf alle mögliche Weise, ein sicheres Unterkommen für die Leute oder irgend Jemand zu finden, der sich ihres ferneren Schicksals annähme, aber kein Mensch hatte Zeit und Gelegenheit dazu. Alle waren wir natürlich ganz von den Dresdner Ereignissen in Anspruch genommen. Nachdem alle Versuche erfolglos gewesen, erklärte ich den Leuten, sie seien frei, sie könnten tun, was sie wollten,
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aber ich könne sie nicht weiter fortschaffen. Ich gab jedem von dem gesammelten Reisegelde und sagte ihnen, es stehe ihnen frei, mit mir nach Freiberg zurückzufahren, aber ich könne nicht mehr für ihre Sicherheit bürgen, ihr Landsmann, der uns begleitete und als Dolmetscher diente, fügte hinzu, sie könnten die Flucht zu Fuß versuchen, sie könnten sich in Dresden verbergen, der eben eingesetzten provisorischen Regierung übergeben oder mit dem Volke kämpfen, das sei ihre Sache und gehe mir nichts an. Sie entschieden sich für Letzteres und Herr Thost, der ihnen keineswegs zugeredet hat, übernahm es, sie der provisorischen Regierung zu übergeben, da ich mit derselben nicht in Verhandlung treten wollte, mich auch die Sache weiter nichts anging. – Ich kehrte eiligst nach Freiberg zurück, wo ich zu meinem nicht geringen Erstaunen das Gerücht vorfand, ich sei in Dresden erschossen worden. Wer sich den Spaß gemacht hat, den auszusprengen und auf welchen Grund hin, vermag ich nicht zu sagen, da ich bei dem bewaffneten Zuzug gänzlich unbeteiligt und höchst friedlich in Dresden beschäftigt gewesen bin, ohne auch nur eine Waffe anzurühren. Immerhin aber glaube ich, daß es gut sein kann, wenn ich Ihnen den Sachverhalt mitteile. Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung und in der Hoffnung, daß Ihnen in dem friedlichen Neustadt kein Haar gekrümmt worden ist, Ihr ganz ergebenster B. Cotta Freiberg, 12. Mai 1849 Hochgeehrtester Herr und Freund! In Angelegenheit der Ungarn habe ich nun noch eine dringende Bitte an Sie. Die nämlich: mir baldigst 9 unausgefüllte Paßkarten zu verschaffen. So viel sind nämlich hier in irgend einer Expedition verschwunden, und da man 2 ausgefüllte bei 2 gefangenen Ungarn gefunden hat, so steht zu besorgen, daß das Fehlende der unausgefüllten irgendwo (ich weiß es wirklich selbst nicht wo) unangenehm vermißt werden. Ihnen wird es gewiß leicht möglich sein, diesen Mangel recht bald zu ersetzen, und ich bitte dringend darum. Dabei erlaube ich mir zu melden, daß 6 der Ungarn glücklich fortgeschafft sind, einer ist in Dresden gefallen, 2 haben sich leider fangen lassen. Ein Hauptzweck, die Verhinderung von Exzessen in Freiberg, ist jedenfalls erreicht. Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung Ihr ganz ergebenster B. Cotta Freiberg, 15. Mai
Nr. 9 Erinnerung an den verstorbenen verehrungswürdigen Oberhofprediger Herrn Dr. Christoph Friedrich v. Ammon. Beilage zum Dresdner Anzeiger. 25. Mai 1850. Verfasser unbekannt Wir genügen der unabweisbaren Pflicht der Dankbarkeit, wenn wir in dem diesjährigen Jahresberichte eines Mannes gedenken, der in vielfacher Beziehung von Gott so reichlich gesegnet war und der mit dem ihm anvertrauten Pfunde so gewissenhaft gewuchert hat, daß sein Ruhm weit über die engen Grenzen des Sachsenlandes hinausreichte und daß sein Andenken der großen Anzahl seiner Verehrer stets ehrwürdig bleiben wird. Natürlich beschränken wir uns hier bloß auf seine äußeren Lebensverhältnisse. Was er durch seine unermüdete Thätigkeit, durch sein tiefes Forschen, durch seinen glänzenden Scharfsinn auf dem weiten Gebiete der Wissenschaft gewirkt hat, das überlassen wir billig der Geschichte, die den schönen Beruf hat, das Verdienst des Talentes zu würdigen und
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die Namen hervorragender Geister vor dem traurigen Schicksal des Vergessenwerdens zu bewahren. Christoph Friedrich v. Ammon war den 16. Januar 1766 zu Baireuth geboren, wo sein Vater Philipp Michael Paul Ammon als Kammerrath lebte. Seine Universitätsbildung erhielt er zu Erlangen, und bei dem rastlosen Eifer, welcher seinem hervorragenden Geiste unablässig zur Seite stand, war es möglich, daß er bereits im Jahre 1789 als Professor der Philosophie auf derselben Hochschule, der er seine Bildung verdankte, auftrat. Verschiedene gelehrte Werke, die insgesamt das Gepräge des mächtig aufstrebenden Geistes an sich trugen, wurden die Veranlassung, daß er im Jahre 1794 als Professor der Theologie und als Universitätsprediger nach Göttingen berufen ward. Hier wirkte er bis 1804, in welchem Jahre ihn die Hochschule zu Erlangen wieder berief. Als Konsitorial- und Kirchenrath, als Professor der Theologie und als Director des homiletischen Seminars, sowie nicht weniger als Schriftsteller in veschiedenen Zweigen der Theologie begründete er seinen Ruhm als deutscher Gelehrter und so darf man sich nicht wundern, wenn unser Vaterland, als es eines ausgezeichneten Mannes bedurfte, dem Gefeierten seine Aufmerksamkeit zuwendete. Am 6. September 1812 war nämlich der evangelische Oberhofprediger Dr. Franz Volkmar Reinhard mit Tode abgegangen. Merkwürdiger Weise finden wir im Kalender den 19. December mit dem Namen: Reinhard, und den 20. December mit dem Namen: Ammon bezeichnet, und wie Beide hier neben einander stehen, so sollte der Eine des Andern Nachfolger im Amte werden. Ammon verließ das ihm so theuer gewordene Erlangen. Der 25. Mai 1813 war der Tag, an dem er mit seiner Gattin, mit drei Söhnen und drei Töchtern den Einzug in seine Amtswohnung hielt. Am Sonntage Exaudi trat er in der evangelischen Hofkirche sein Predigtamt an, und er ist den Textesworten I. Petr. 4, 8–11, über welche er bei seinem ersten Canzelvortrage zu sprechen hatte, treulich nachgekommen: „So Jemand redet, daß er rede als Gottes Wort: so Jemand ein Amt hat, daß er es thue als aus dem Vermögen, das Gott darreicht.“ Herrlich ausgerüstet an Körper und Geist war er nicht nur der Träger der höchsten Würden, sondern auch der Wissenschaft; denn als Kirchen- und Oberconsistorialrath, und später als Rath im Cultusministerium, sowie als Vice-Präsident im Landes-Consitorio wirkte er für die Interessen der evangelischen Kirche, und bei seiner wohl bemessenen Zeiteintheilung war es ihm möglich, nicht nur als theologischer Schriftsteller im In- und Auslande zu glänzen, sondern auch durch das Studium der mannichfachen Gegenstände sich die Frische des Geistes zu erhalten und die Vielseitigkeit des Talentes zu bewahren. Verschmähte er es doch nicht, im späten Greisenalter von einem tüchtigen Tonkünstler sich in der Musik unterrichten zu lassen; war es ihm doch Erholung, wenn er Variationen für das Pianoforte componirte und durch den Vortrag derselben den kleinen Kreis seiner Zuhörer erfreute. Und die Mitwelt war nicht undankbar gegen solches Verdienst. So wie namhafte Gelehrte des In- und Auslandes den berühmten Theologen aufsuchten und seine Zuhörer sich zahlreich um ihn versammelten, um das lichtvolle Wort des Glaubens aus seinem Munde zu vernehmen, so hat auch Sachsen es an Nichts fehlen lassen, wodurch es dem gefeierten Manne einen Beweis seiner ehrenden Gesinnung zu geben vermochte. Im Jahre 1825 ward ihm, wie seiner Familie in Baiern, der erloschen gewesene Adelsstand erneuert. Seinen 70sten Geburtstag, den 16. Januar 1836, feierte man durch Gründung der Ammon’schen Stiftung, kraft welcher 40 Thaler für die beste Lösung einer theologischen Preisaufgabe und eben so viel für die gelungensten pädagogischen Abhandlungen alljährlich vertheilt werden. Der König von Preußen verlieh ihm den Adlerorden und Sachsens König erhob ihn zum Comthur des Civilverdienstordens. Hatte der Hochbetagte noch als angehender Achtziger sich einer seltenen Gesundheit zu erfreuen gehabt, so fing mit dem Jahre 1848 seine Körperkraft an zu wanken. Ein wiederkehrendes Blasenübel störte seine gewohnte Thätigkeit, so daß er sich veranlaßt sah, um die Entlassung aus seinen Aemtern nachzusuchen. Diese Bitte wurde den 10. September 1849 bewilligt und am 21. December darauf hielt er seine Abschiedspredigt. Die körperlichen Leiden nahmen zu und am 21. Mai 1850 ging er mit der
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Ruhe des Christen in die Wohnungen des ewigen Friedens ein. Den 25. Mai, an welchem Tage er vor 37 Jahren seine Amtswohnung bezogen hatte, erfolgte das ehrenvolle Begräbniß. Herr Consistorialrath und Hofprediger Dr. Franeke hielt vor einer zahlreichen und glänzenden Versammlung die Grabrede und setzte dadurch dem Entschlafenen ein ehrendes Denkmal.
Nr. 10 Extrablatt des Dresdner Journals vom 5. November 1850 Extrablatt des Dresdner Journals. Ausgegeben Dienstag den 5. November 1850, Morgens. Verordnung. Die politischen Verhältnisse haben sich plötzlich verändert. Demnach wird es möglich, den Aufkauf einer größeren Anzahl von Pferden vor der Hand einzustellen. Die Märkte, welche zum 6., 7., 8., 9., 10. und 11. dieses Monats angeordnet waren, werden nicht abgehalten. Der früher zur Complettierung der Reiterei angeordnete Remonteankauf in Dresden und Borna dauert fort. Zur Beruhigung der Betheiligten wird ferner bekannt gemacht, daß es möglich sein wird, die Mehrzahl der Kriegsreservisten gleich nach ihrem Eintreffen wieder in die Heimath zu entlassen. Dresden, den 4. November 1850. Kriegs-Ministerium. Rabenhorst. Dresden, 5. November. Laut einer gestern Abend hier von Berlin eingegangenen Nachricht ist die Entlassung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, Herrn v. Radowitz, von Sr. Majestät dem König von Preußen angenommen worden. Auch hat überhaupt das königlich preußische Cabinet dieser Nachricht zufolge eine weit versöhnlichere Stellung eingenommen. Wie wir vernehmen, ist in einem noch gestern Abend hier abgehaltenen Ministerrathe auf diese Nachricht hin beschlossen worden, die Mobilmachung der sächsischen Armee nur in einem Umfange auszuführen, der auch bei den jetzt veränderten Umständen durch die immer noch keineswegs vollständig gesicherte Lage Deutschlands unabweislich geboten ist.
Nr. 11 Brief von Außenminister Fr. F. v. Beust an Karl v. Weber wegen Teilnahme an den Beratungen der Dresdner Konferenz. Dresden, 14. März 1851 Lieber Weber, ich ersuche Dich, morgen etwa um 12 Uhr sich im Min(isterium) d(es) Ä(ußern) einfinden zu wollen, damit ich mich um 12 Uhr in Deiner Begleitung zur Abhaltung der Sitzung der IV. Commission in das Brühlsche Palais begeben kann. Dein Beust
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Nr. 12 Karl v. Weber: Festgedicht zur Teilnahme von Weber an den Beratungen der Dresdner Konferenz. März 1851 Festgedicht zur Feier der welterschütternden, durch die Zeitungen verkündeten Eintritts des Herrn Ministerialrathes, Directors des geheimen Staatsarchivs v. Weber in die Dresdner Konferenzen am 17. März 1851. Nach der Melodie Der König und die Kaiserin des langen Haders müde sind. Schwartzenberg mit Herrn Manteuffeln, Beide wollten fast verzweifeln, Trotz Soireen und Assembleen, Wollt’ der Karrn nicht vorwärts gehn, Wie die Herren auch dinirten, Und mit Schönen hold charmirten, Reisten her und reisten weg, Deutschland blieb im alten D(reck). Manteuffel, der seufzte still, Wüsst ich nur erst was ich will, Dann aus dieses Thales Gründen Wollt ich schon den Ausgang finden. Schüttelnd mit dem grauen Kopfe, Griff sich Schwartzberg nach dem Zopfe, Sah sich um in fern und nah, Rief, ist denn kein Dalberg da ? Zupft sich lange an der Nase, Plötzlich ruft er mit Emphase, Hier im Pfeffer liegt der Hasen, Schauns, gleich geht’s halt wie geblasen Mir Carl Webern her zu schaffen. Dann wird gleich im Handumdrehen Deutschland auf den Beinen stehn. Eilt ihr Leut im schnellen Lauf Grabt ihn aus dem Acten Haus, Stäubt ihn ab und wascht ihn ab Und dann bringt ihn her im Trab. – Wie die Kunde sich verbreitet Man mit allen Glocken läutet, Volksgetümmel in den Straßen, Von den Thürmen wird geblasen. Freudethränen Ströme fliessen, In die Elbe sich ergiessen, So daß sie in kurzer Frist Bis zur Fünf gestiegen ist. Alle Welt singt Jubellieder, Webern küsst Oberländern wieder, Rabenhorst ruft Müller zu,
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Alter Junge, nenn mich Du! Oestreichs Noten, Actien steigen, Alle Staatspapierch erreichen Eine unbekannte Höh. Alle Herren Exzellenzen Von den Dresdner Conferenzen Eiln mit tiefen Referenzen, Um den großen Mann zu schwäntzen. Alles rufet im Verein, Karlchen, Karlchen hilft allein. Alles rufet, Groß und Klein, Deutschland rettet Er allein.
Nr. 13 Brief von König Friedrich August II. an den österreichischen Feldmarschall Radetzky. Dresden, 26. Oktober 1851 Lieber Feldmarschall Radetzky! Wenn die Verehrung und Bewunderung, welche Ich seit dem ruhmvollen Kriegsjahre 1849 für Sie hegte, noch durch etwas vermehrt werden konnte, so war es durch die mir ewig werthen Stunden, welche Ich diesen Sommer in Ihrer Nähe verbrachte und wo Ich neben dem tapfern Helden und Retter der Monarchie auch den liebenswürdigsten Mann in Ihnen näher kennen lernte. Gewiß, diese Stunden von Verona und Monza werden mir ewig unvergeßlich bleiben! Der Wunsch war daher lebhaft in mir geworden, Ihnen auch ein sichtbares Zeichen dieser Gesinnungen zu geben und Ich benutze daher den selten schönen Festtag, wo Sie, ein Jüngling an Thatkraft, das 85. Jahr vollenden, um Ihnen meinen Hausorden zu übersenden. Wohl weiß ich, wie geringen Werth eine solche Gabe für einen Mann hat, den sein Kaiser mit den erhabensten Insignien schmückte, aber dennoch schmeichle ich mir, daß Ihnen dieses Geschenk eines Ihnen mit wahrer Begeisterung ergebenen Fürsten nicht ganz werthlos erscheinen wird. Ich sende Ihnen diese Insignien durch meinen Obersten v. Friderici, einen wackeren Soldaten, welcher für seine, in dem mißlichen Kampfe in Dresden erprobte Tapferkeit und Treue auch von Ihrem Kaiser mit Ehrenzeichen geschmückt worden ist. Ich empfehle ihn, als einen meiner treuesten und tapfersten Krieger, Ihrem Wohlwollen. Möge der Himmel Sie noch lange Reihe von Jahren zu Nutz und Frommen der Monarchie, zur Freude Ihres erhabenen Monarchen, der Ihnen mit ganzer Seele anhängenden Armee, und aller Ihrer Freunde und Verehrer erhalten, zu welchen letzteren zu zählen ich mir zur Ehre mache, und mögen Sie stets der wahren Hochachtung und treuen Ergebenheit versichert sein, mit welcher ich verbleibe Ihr wohlgeneigter Friedrich August m. p. Dresden, 26. Oktober 1851.
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Nr. 14 Brief von Außenminister Fr. F.v. Beust an Karl v. Weber mit der Bitte um Korrekturlesen zum Zivilgesetzbuch. Dresden, 24. November 1851 Lieber Weber, heute ist Beratung über den Civilgesetzentwurf. Wollen Sie nun so gut sein, einige nützliche oder notwendige Monita zu tuen und die Äußerung mir mitzuteilen? Ich muß aber bitten, mir solche samt den Beilagen bis ¾ 12 Uhr auf das Ministerium zu schicken. Dein Beust
Nr. 15 Schreiben des Staatsministers des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach C. B. v. Watzdorf an Karl v. Weber wegen Übernahme des sächsischen Zivilgesetzbuches für Sachsen-Weimar. Weimar, 24. Juni 1853 Mein verehrter Freund! Mein Schreiben nach Dresden ist allerdings noch nicht abgegangen. Es ist ein wahrer Fluch entweder aller Ministerposten der heutigen Zeit oder doch des meinigen, daß deren Träger wie an einem feurigen Rade immer von neuen Vorkommenheiten fortgetrieben werden und nirgends in ruhiger Erwägung still halten und für Dauernstes mit eigenen Kräften tätig sein können. In der vorliegenden Sache wollte ich dies, nicht allein wegen des eigenen Interesses, sondern auch, weil des Gelingens dadurch vielleicht einigermaßen bedingt war. Tausenderlei kam dazwischen und daher der Verzug. Als ich gestern Ihren Brief vom 21. d. M. erhielt, war ich eben im Begriff, in den Wagen zu steigen, um nach Jena zu fahren und mich dort über den Gegenstand mit dem Präsidenten des Oberappellationsgerichts mündlich zu benehmen. Das habe ich dann nun um so bereitwilliger gethan und morgen soll ein officielles Schreiben von mir an Minister Zschinsky abgehen. Die Sache steht im Augenblick, wie ich fürchte, von unserer Seite insofern nicht ganz günstig, als das Oberappellationsgericht sein Gutachten schwerlich vor Ende August erstatten wird. Das Gutachten selbst wird aber, wie ich glaube, in unserem Sinne ausfallen, d. h. dahin, daß eine Vereinigung der betreffenden Staaten mit dem Königreich Sachsen im Gebiete des Civilrechtes und Civilprozesses höchst erfreulich und darum zu erstreben sei, daß die Vorlage im Allgemeinen zur Annahme empfohlen werden könne und nur in einzelnen Parthien Abänderungen bezüglich Vervollständigung wünschenswerth erscheine. In dieser Weise sprach wenigstens der Präsident seine Meinung aus und würden, wie er glaubte, auch die Mehrzahl seiner Collegen sich aussprechen. Allein, wie gesagt, die schwerfällige Anregung wird das Studium nicht vor dem erbetenen Termin des 31. Juli zu Stande kommen und die Berathung dann noch immer einige Wochen in Anspruch nehmen lassen. Ich werde nunmehr Minister Zschinsky schreiben, daß man hier und wie ich mit Sicherheit wüßte, bezüglich annähme, auch bei den übrigen im Oberappellationsgericht zu Jena vereinigten Regierungen großen Werth darauf lege, im Gebiete des Civilrechtes und Civilprozesses mit dem Königeich Sachsen gleichen Schritt zu gehen, daß man als eine sehr erfreuliche Unterlage dafür das vorgelegte Civilgesetzbuch ansehe und somit daran sei, dieses beim Oberappellationsgericht prüfen zu lassen und auf die Bereitwilligkeit der Jenseitigen Regierung hoffe, inmittelst keine einseitigen Vorschritte zu thun, die hier vorhandenen Bedenken aber einer gemeinsamen Prüfung zu unterwerfen. Ich werde daran die Frage richten, ob man wohl geneigt sei, bis Ende August zu warten?
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Soweit hatte ich gestern geschrieben, als ich unterbrochen wurde. Heute habe ich zurest an Minister Zschinsky geschrieben, ihm gesagt, wie die Sache hier steht, um Antwort gebeten, ob man auf eine commissarische Berathung eingehen und noch einige Monate warten wolle, eventuell, ob Zschinsky nicht etwa in künftiger Woche in Leipzig mit mir zusammen und das weitere Verfahren besprechen wolle? Die Hauptsache ist die Einleitung, das gegenseitge Engagement. Das wäre somit gewonnen. Haben Sie die Möglichkeit, so lassen Sie sich beauftragen, dann conferieren wir zusammen und nehmen Protokoll auf. Wir haben großen Mangel an Leuten, die für die Sache geeignet sind, ich habe auch keine geeignete Persönlichkeit ermittelt. Ich danke Ihnen sehr für Ihren Brief vom 21. d. M. Geben Sie mir auch künftig wünschenswerthe Directionen, ich folge denselben gern und leicht, da wir, die Sache einmal ins Auge gefaßt, auf ziemlich unbefangenem Standpunkt stehen. Pressefreiheit haben wir noch, also sparen Sie Ihre Marken. Mit aufrichtiger Ergebenheit der Ihrige Weimar, am 24. Juni 1853 C. B. v. Watzdorf
Nr. 16 Schreiben des Staatsministers a. D. J. Tr. J. von Könneritz an Karl v. Weber wegen Mitwirkung an der Organisation der Gerichte. Lossa, 4. Oktober 1853 Die Bedenken, die ich gegen Übernahme des vorgeschlagenen Auftrags schon mündlich geäußert, haben sich nach Einsicht der mir zurückgelassenen Materialien sehr wesentlich verstärkt. Die Aufgabe ist hiernach eine sehr umfangreiche und schwierige, doppelt schwierig für Jemand, der außerhalb der Regierung steht. Man kann die Frage stellen, ob man sich bei Entwürfen der Gesetze – Straf-Gesetzbuch, Criminal- und Cicvil-Proceß, Polizei-Gewalt – nach den schon bestehenden Behörden oder doch nach einem schon feststehenden Organisationsplan richten soll? Oder ob Man umgekehrt die Ersteren unabhängig von der Frage über die Ausführung zuerst entwerfen und nachher die Behörden zu deren Ausführung suchen will? Möglich, daß beide Wege zum Ziele führen, obschon Man auf dem Ersteren leicht dahin kommt, den praktischen Gesichtspunkt, das politische Bedürfnis – Schonung der Untertanen und Schonung der Staatskassen und Schonung bestehender und gegebener Verhältnisse – zu übersehen und dagegen Ideale zu verfolgen. So viel ist aber gewiß: daß Beides, die Gesetze, welche ausgeführt werden sollen, und die Organisation der zu ihrer Ausführung erforderlichen Behörden in dem innigsten Zusammenhang und in einer sehr einflußreichen Wechselwirkung stehen. Es müssen daher entweder die zu gebenden Gesetze oder die Behörden schon feststehen, bevor Man weiter vorschreitet, oder es muß, wenn Beides gleichzeitig vor die Hand genommen werden soll, der Entwurf des Organisationsplanes denselben Männern anvertraut werden, welche auch die Gesetze entwerfen. Überträgt man den Organisationsplan Anderen, so muß die Einheit oder mindestens die Kraft der Ausführung gesichert werden. Darum ist es für Jemand, der außerhalb der Regierung steht, eine sehr schwierige Aufgabe, doppelt schwierig, da die jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe nur Bruchstücke eines vor 5 Jahren vorgelegten Planes sind, welcher in seiner Totalität schon jetzt nicht mehr verfolgt wird, und leicht bei den Ständen weitere Verstümmelungen erfahren kann. Nicht nur, daß das Insitut der Schwurgerichte und nunmehr auch die Trennung der Verwaltung von der Justiz bereits aufgegeben ist, so ist auch darüber, welche Grundlage die Civilproceßordnung enthalten wird ? Ob die Polizeibehörden staatliche Gewalt behalten sollen? Ob das Insitut der Administrativjustiz aufzugeben sei? nach Außen noch Nichts bekannt, und selbst die mir überlassenen Materialien sprechen sich darüber
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nicht mit Sicherheit aus. Ein innerhalb der Regierung stehender Mann, der den Organisationsplan für die Behörden bearbeitet, kann sich hierüber bald Gewißheit verschaffen und nötigenfalls auch darüber Vorschläge tun, ein außerhalb der Regierung stehender wird entweder hierüber im Dunkeln bleiben oder mindestens Bedenken tragen müssen, Vorschläge auch zur Erledigung jener Vorfragen zu tun, und so vielleicht das ganze System und die Einheit zu zerreißen. Die Behördenorganisation soll und muß ein Spiegelbild des gesamten Regierungsprinzips sein, dasselbe in Beziehung auf die innere Politik äußerlich darstellen und durchführen helfen. Von der Organisation der Behörden hängt der Einfluß der Regierung auf die ganze Staatsverwaltung, ihr Einfluß, ihre Stärke oder ihre Schwäche und Nullität ab. Man muß dem Braunschen Programm nachrühmen, daß es das damals für alle deutschen Staaten nach einer Chablone vorgesehene politische System rein und consequent durchführte – Allgewalt der Justiz, Überhebung des Volkswillens, Beschränkung der Regierung auf Ausführung der vom Volk nach Stimmenzahl gefassten Beschlüsse des Gouvernements – . Ob und inwieweit von diesem öffentlich noch nicht zurückgenommenen Programm, das man fälschlicher Weise für ein Gesetz hält, bei der Ausführung wieder abgehen soll?, hängt von dem allgemeinem politischen Princip ab, welches die Regierung gegenwärtig verfolgen und auch für die Zukunft festhalten will. Allein auch in dieser Beziehung kann nur ein innerhalb der Regierung, nicht außerhalb desselben stehender Mann zweckmäßige Organisationsvorschläge tun. Diese Bedenken werden so ziemlich Jeden treffen, der außerhalb der Regierung steht. Einige treffen meine Person und Individualität 1. Zu einem Organisator gehört Frische des Geistes, Frische des Mutes, ja in gewisser Beziehung Phantasie. Er muß sogar noch hoffen können, den Plan selbst durchzuführen und so die Früchte zu genießen. Dies Alles fehlt mir. Ich bin durch frühere Anstrengungen und ein fünfjähriges clium schon zu abgestumpft. Ja ich könnte leicht und Scheu vor Neuerungen zu starr am Alten hängen. 2. Ich traue mir selbst die Arbeitskraft nicht mehr zu, den Plan selbst zu bearbeiten und eine solche Verantwortung zu übernehmen.. 3. Jenes Programm von 1848 ist in fast allen deutschen Staaten mit mehr oder weniger Modifikationen durchgeführt. In meiner Zurückgezogenheit habe ich aber die in andern Staaten getanen Schritte nicht verfolgt, so daß ich nicht einmal die anderwärts gemachten Erfahrungen kenne und benutzen kann. 4. Das Programm von 1848 beruht auf einem von dem Meinigen ganz abweichenden politischen Princip und ich muß fast überall mit mir in Widerspruch geraten. So halte ich es weder für notwendig noch für zweckmäßig, dem Justizministerium den Einfluß auf die Rechtspflege zu entziehen, den das Gesetz von 1835 ihm zuwies. Recht gern will ich, wenn ich mit meinem Rat wirklich noch nützen kann, nicht zurückhalten. Allein in der vorgeschlagenen Maße ist mir dies unmöglich. Ich würde hiermit eine Verantwortlichkeit und eine Aufgabe übernehmen, der ich nicht gewachsen bin. Nur in der Maßen und der Form, daß der Staatsrath so weit nötig ergänzt werde, und ich, sei es als Mitglied desselben, sei es auch nur als besonderes ad hoc herbeigerufenes Mitglied an einer durch eine Aktion zu bewirkenden Arbeit Teil nehme, könnte ich eine Mitwirkung zusagen. Ich erkenne zwar manche der Reconsictuierenen entgegenstehende Bedenken nicht, halte sie aber nicht für unübersteiglich, und möchte eine solche Modalität in vieler Beziehung selbst für die Herren Minister geeigneter finden. Um meine Ansichten hierüber weiter auszutauschen, werde ich Donnerstag Abend oder Freitag nach Dresden kommen und Sie alsbald aufsuchen. Wollen Sie von diesem Brief einstweilen Gebrauch machen, so stelle ich Ihnen dies anheim. Mit der größen Hochachtung Lossa, den 4ten Oktober 1853 von Koenneritz
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Nr. 17 Antwortschreiben von Karl v. Weber an Staatsminister a. D. J. Tr. J. v. Könneritz. Dresden, 17. Oktober 1853 sowie der dazugehörige Briefwechsel zwischen Weber und Beust zur Kenntnisnahme durch Beust Hochzuverehrender Herr Staatsminister, Ew. Excellenz Wunsch nachkommend übersende ich anbei die beiden Broschüren und benutze diese Gelegenheit, einige Mitteilungen über die gegenwärtige Sachlage beizufügen. Herr Minister von Beust, dem ich Ew. Excellenz Bemerkungen in Ihrem letzten Schreiben im Wesentlichen mitteilte, ist seiner Seits mit Ew. Excellenz Vorschlägen vollkommen einverstanden. – Herr Minister Zschinsky hegt aber fortwährend Bedenken gegen die Beratung durch den Staatsrat und wünscht nur eine Beratung mit Ew. Excellenz privater Natur, die aber Ew. Excellenz Wünschen nicht entspricht – erster Conflict! Herr Minister von Beust hatte, wie er Ihnen, sowiel ich weiß, bereits selbst eröffnet hat, beim Justizministerium den Antrag gestellt, die Beratung des Gesetzentwurfs über das Criminalverfahren bei den Zwischendeputationen bis zur Erledigung der Organisationsfrage zu sistieren, ein Antrag, den Herr Minister Zschinsky ausweichend beantwortet hat. Inmittelst hat auch die Deputation der 2ten Kammer die Beratung des letztgedachten Entwurfs fast vollendet, jedoch gleich beim Beginn die Bemerkung mit in das Protokoll aufgenommen, daß die Beratung nur eine provisorische sein werde, da sich manches durch das Organisationsgesetz modificiren könne; die Deputation der 1ten Kammer hat dagegen sich dahin vereinigt, den Gesetzentwurf jetzt noch nicht zu beraten, vielmehr in Gemeinschaft mit der Deputation der 2ten Kammer den Antrag an die Regierung auf baldigste Vorlegung des Entwurfs über die Justizorganisation zu stellen. Ew. Excellenz werden Selbst ermessen, daß, wenn Herr v. Beust unter diesen Verhältnissen (die sowohl ihm als mir bis jetzt unbekannt waren) dem Antrag auf Sistierung der Deputationsberatungen über das Criminalverfahren durch formelle Aufforderung der Deputationen seiten der Regierung, sowie dem auf unverweilte Constituierung des Staatsrates insistieren wollte, man darin eine Demonstration und einen persönlichen Angriff gegen den Justizminister befinden würde, einen Anschein, den Herr v. Beust entschieden zu vermeiden wünscht. Er glaubt daher, daß es am Besten sei, wenn jetzt die beiden Pläne, die ich Ew. Excellenz übergab, mit einigen geringen Abänderungen, dem Gesamtministerium zu Beratung gestellt werden. Hierbei wird sich natürlich sofort zeigen, wie weit die Ansichten auseinander gehen und wie wenig es möglich ist, auf die zeitherigen Vorlagen hin etwas Sachgemäßes zu Stande zu bringen. Dann ist aber auch ganz entschieden der Zeitpunkt gekommen, zu welchem die Berufung des Staatsrates (nach Ew. Excellenz Vorschlägen) als Bedürfnis erscheint und jeder Widerspruch gegen diese Maßregel schwinden muß. Die Beratung im Gesamtministerium soll so sehr als möglich beschleunigt werden und wenn auch 8–14 Tage vergehen sollten. So wird dies vielleicht selbst Ew. Excellenz Wünschen entsprechen, da dann der Zeitpunkt herannaht, zu dem Sie wohl Ihr Winterquartier in Dresden wieder aufsuchen werden. Mit größer Ehrerbietung verharre ich Ew. Excellenz Dresden, den 17. Oktober 1853 ganz gehorsamer Weber Schreiben von Weber an Beust bei Übersendung des vorstehenden Briefes Anbei sende ich den Brief: findest Du Änderungen angemessen, so bitte ich, sie zu bemerken, damit ich den Brief dann umschreiben kann. Dein Weber
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Dokumentenanhang Antwortschreiben von Beust an Weber
Ich bin sehr dankbar und einverstanden, nur den letzten Satz bitte in der angemerkten Weise zu ändern. Die ? sind bestellt und werden Dir ins Archiv zugeschickt. Beust
Nr. 18 Schreiben des Gesamtministeriums an die Direktion des Hauptstaatsarchivs mit Genehmigung der Forschungen zur Kurfürstinwitwe Maria Antonia. Dresden, 10. Oktober 1856 Auf den Vortrag der Direction des Hauptstaatsarchivs vom 9. d. M. wird in Erläuterung der Verordnung vom 2. d. M. der Vorstand des Hauptstaatsarchivs hierdurch ermächtigt, Behufs der Anstellung vorläufiger Erörterungen im Geheimen Staatsarchiv und nach Befinden im Königlichen Hausarchiv zu Berlin in Betreff der Churfürstin Maria Antonia und insbesondere der Agdollo’schen Angelegenheit Sich nach Berlin zu begeben. Sofern eine längere und aufhältlichere Nachforschung zu dem gedachten Zwecke in Berlin nöthig werden sollte, wird zunächst der Rückkehr des Vorstandes des Hauptstaatsarchivs, in jedem Falle aber eine Anzeige desselben über das Ergebnis entgegengesehen. Wegen Erlangung der Genehmigung des Zutritts zu den bezeichneten Archiven und zur möglichsten Beförderung des beabsichtigten Zweckes wird durch das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten eine unmittelbare Vernehmung mit der Königlichen Preußischen Regierung erfolgen. Dresden, den 10. Oktober 1856. Gesamtministerium F. v. Beust An die Direction des Hauptstaatsarchivs Roßberg.
Nr. 19 Bericht des sächsischen Gesandten von Bose in München in der Ordensangelegenheit für Karl v. Weber. München, 13. Juli 1857 Privatschreiben vom 6. d. M., den Ministerialrath von Weber betreffend habe ich zu erhalten die Ehre gehabt. In Bezug auf dessen Inhalt erlaube ich mir als Ergänzung zu meinem heutigen Bericht noch folgendes zu bemerken. Ich habe die Sache ganz vertraulich mit Herrn von der Pfordten besprochen, worauf er mir erwiderte, das Ministerium habe über mehrere Dosen zu verfügen, nur davon eine für Herrn von Weber nur gesucht werden könne. Schon die practische Richtung des Letzteren ergötzte ihn der Seltenheit wegen. Ob das Ganze rasch gehen wird möchte ich bezweifeln. Es lag mir aber daran, gleich jetzt vorzubeugen, damit die Ordensverleihung nicht erfolge, wo es denn sehr schwer gewesen wäre, darauf wieder zurückzukommen. Dieses glaube ich jedenfalls erreicht zu haben. Ich reise morgen Abend ab und zwar direct zu meiner Schwiegermutter. Sollten Euer Exzellenz mir etwas mitzutheilen haben, so bitte ich es nach Beiernaumburg bei Sangerhausen gelangen zu lassen. Meinen Plan, Ende August über Dresden zurückzugehen, habe ich nicht aufgegeben, namentlich wenn ich Eur. Exzellenz dann in Dresden finde und ich meinen Urlaub bis Anfang September, eben bis zum 8. ausdehnen darf. Es heißt jetzt, Ludwig Max werde nach Beendigung der Kressingen Steuer noch nach Brückenau und erst gegen Mitte August nach Hohenschwangau gehen.
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Ueber die Anwesenmheit Seiner Majestät des Königs wüßte ich Euer Exzellenz nur zu sagen, daß Allerhöchstderselbe äußerst heiter und lustig, sowie für meine Frau und mich sehr gnädig war. Die Concession für die Bahn von Hof zur Gränze liegt im Kabinett zur Genehmigung, ebenso der Vortrag über die Denkschrift an Euer Exzellenz und die Badische Bundesreform betreffend. Indem ich noch wünsche, daß Euer Exzellenz einige recht vergnügte Wochen bei Ihrer Familie zubringen mögen habe ich die Ehre, mit ausgezeichnetster Hochachtung zu verharren Euer Exzellenz ganz gehorsamster Diener München, den 13. Juli 1857 von Bose
Nr. 20 Erneuter Bericht des sächsischen Gesandten von Bose in München in der Ordensangelegenheit für Karl v. Weber. München, 8. Oktober 1857 Vertraulich
München, den 8. Oktober 1857
Seiner Excellenz dem Herrn Staatsminister Freiherrn von Beust Dresden Ueber den Stand der Angelegenheit, die dem königlichen Ministerialrath von Weber zu ertheilende Anerkennung betreffend, habe ich leider heute wenig Erfreuliches zu melden. Minister von der Pfordten hatte bereits vor seiner Abresie nach Tronville über dieselbe S. M. dem König ganz im Sinne meines vertraulichen Schreibens vom 9. Juli Vortrag erstattet, d. h. er hatte für denselben eine Brillant-Dose mit Portrait beantragt. Ich habe gestern selbst den Vortrag gelesen, der in äußerst wohlwollender und für Herrn von Weber sehr schmeichelhafter Weise abgefaßt ist. Wie mir Freiherr von der Pfordten nun gestern ganz vertraulich mittheilte, hat S. M. der König hierauf unter dem 30. August bereits resolviert, es habe keineswegs in seiner Absicht gelegen, daß sich die Herbeischaffung archivalischer Notizen über die Churfürstin Maria Antonia bis zu Ausarbeitung eines zweibändigen Werkes ausdehnen sollte, er finde daher auch keine Veranlassung, den Verfasser in der vorgeschlagenen Weise zu belohnen, sondern halte eine Ordensverleihung für angemessener, über die er weiteren Anträgen entgegensehe. Freiherr von der Pfordten hat bis jetzt angestanden, einen derartigen Antrag zu stellen und meine Rückkehr abgewartet, um mit mir nochmals darüber Rücksprache zu nehmen. Da er weiß, wie viel Euer Excellenz daran liegt, diese Sache in einer den Wünschen des Herrn von Weber entsprechenden Weise erledigt zu sehen, so will er bei S. M. nochmals mündlich geltend machen, daß das Ministerium des Äußeren sich im Besitz einiger Dosen befinde, mithin die Kosten eines solchen Geschenkes der Civilliste nicht zur Last fielen. Für den Fall nun, daß auch dieser Versuch mißlingt, erlaube ich mir die Anfrage, ob ich eine Ordensauszeichnung überhaupt ablehnen soll, was immerhin schwierig ist, oder Herrn von Pfordten zu überlassen habe, nach eigenem Ermessen zu handeln. Der Königliche Ministerresident von Bose
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Nr. 21 Brief von Hermann Orges, Redakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung, an Karl v. Weber. Augsburg, 4. November 1861 Hochgeehrtester, Euer Hochwohlgeboren wird hoffentlich mein Name, meine Stellung und Thätigkeit wie meine Person hinreichend bekannt sein und hoffentlich soweit und mir dessen günstig, daß Euer Hochwohlgeboren dadurch den Inhalt der nachfolgenden Zeilen und die damit mir genommene Freiheit entschuldigt finden. Ich habe nicht die Ehre, Freiherrn von Beust persönlich zu kennen und wage daher an Sie, hochgeehrtester Herr, die ganz ergebene Bitte zu richten, demselben in irgend einer Weise den nachstehenden Vorschlag zu unterbreiten. Die großdeutsche Entwicklung Deutschlands, d. h. also eine von dem Bestehenden ausgehende, eine auf der natürlichen Gliederung von Boden und Nation ruhende foederative Einigung zum Ziel habende, den reformatorischen Weg einschlagende Entwicklung, ist nur möglich, wenn das Februarpatent, d. h. das Schmerling’sche System siegt und mit voller Energie in Oesterreich in Angriff genommen wird. Ein foederatives Deutschland ist nur mit Oesterreich den äußeren Gefahren gewachsen. Ein Anschluß an Oesterreich ist den deutschen Staaten nie gefährlich, weil dieses selbst in seinem Innern den Foederalismus weder entbehren kann noch will. – Verzögert sich die Möglichkeit eines festen Anschlusses an Oesterreich, so wird die Bewegung der öffentlichen Meinung in Deutschland eine radicale, denn die entnüchterten Kleindeutschen finden keine Basis, auf die sie treten können und verfallen dem Pessimismus, die Großdeutschen verzagen endlich, zumal da gleichzeitig die Gefahr von Außen immer drohender herantritt. Es bedarf keines Nachweises, daß L. N. jederzeit das innere Gebäude des Kaiserreichs „krönen“ kann, wenn er gleichzeitig den Kampf um die äußere Trennung – Darstellung der Grenzen des ersten Kaiserreichs – unternimmt. Dann ist die grellste Schwenkung im inneren System möglich, ohne Gefahr für ihn möglich. Er kann alle Prinzipien von 1789 anerkennen, da er sich gleichzeitig als Erbe des ersten Kaiserreiches präsentiert. Das Einzige, was L. N. abhält, ist, daß er in solchem Falle die Stützen des Staatsstreichs (seine bisherigen Anhänger) fallen lassen muß – er kann sie durch materielle Opfer abfinden, daß die Rüstungen noch nicht fertig – sie werden es bald sein, wenn der Ernteausfall ein so schlechter ist – die nächste Ernte kann besser werden. Dieses darf man nicht abwarten. Beide Gefahren nach Innen wie Außen beschwört man durch Unterstützung des Sieges des Systems Schmerling; die großdeutschen Mächte, welche diesen Sieg mit herbeiführen, werden sich in Deutschland, in Oesterreich den Liberalen aller Länder sehr populär machen. Es genügt vielleicht zu diesem Siege, daß Sr. Excellenz dem Staatsminister von Seiten der deutschen Mächte ein Ausdruck der Sympathie der Monarchen denselben gegeben wird. Eine äußere, oeffentliche Auszeichnung dürfte vielleicht nie von nachhaltigerer, durchgreifenderer politischer Wirkung sein als eben jetzt und bei der Person des oesterreichischen Staatsministers. Mit größter Hochachtung Euer Hochwohlgeboren ganz ergebener Hermann Orges Redacteur der Allgemeinen Zeitung Augsburg, 4. XI. 61
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Nr. 22 Gedicht von Fr. F. v. Beust über seine Gemütsverfassung. Dresden, 17. Oktober 1861 (Zusatz von Weber: Diese Hyroglyphen überschrieben „mein geheimster Gedanke“ bedeuten:) Leck ist mein Schiff, ich fahre auf den Sand. Mich überfällt die Nacht, ich sehe nirgends Land, Im Stillen aber sag ich mir, es ist gewiß, Ars longo est et vita est brevis. 17. Oktober 1861
Nr. 23 Zeitungsbericht über das Deutsche Turnfest in Leipzig. In: Dresdner Nachrichten. Tageblatt. Nr. 216 vom 4. August 1863 Über das Deutsche Turnerfest in Leipzig ist uns bis gestern Abend Folgendes bekannt geworden: Begrüßt vom herrlichsten Wetter, welches Tags vorher noch eine etwas düstere Physiognomie zeigte, brach der Sonnabend an, der Tausende und Abertausende aus allen Weltgegenden in das wahrhaft festlich geschmückte Leipzig brachte, wo in massenhaft grandioser Zahl Blumen, Kränze, Fahnen und Flaggen nicht nur auf den städtischen Gebäuden, sondern auch auf Privathäusern prangten, darunter vor Allem Fahnen in Schwarz-Rot-Gold. Von früh bis Abends trafen auf den Bahnhöfen die fremden Turnerscharen mit Musik ein und ihre Begrüßung, ihre Führung nach dem Rathaus unter tausendstimmigem Zuruf, so etwas, schreibt man uns, muß man erlebt haben, denn alle Schilderung erweist sich hier nur schwach. Als aber die Schleswig-Holsteiner kamen, ihre Fahne in einen Trauerflor gehüllt, da übermannte Viele die Wehmuth und man sah Thränen in den Augen deutscher Männer. Großen Antheil beim Einzug der fremden Turner nahmen Leipzigs Frauen und Mädchen, indem sie aus den Fenstern mit Begeisterung stundenlang mit weißen Tüchern wehten. Wahrhaft großartig zeigte sich am Sonnabend Abend das Schützenhaus mit seiner feenhaften Beleuchtung, was denn auch am Sonntag wieder der Fall war. Am Sonnabend Abend nach 8 Uhr begann daselbst die Festvorfeier, wo zuerst der Herr Bürgermeister D. Koch das Wort ergriff und dann vielfache Entgegnungen in begeisterter Sprache hervorrief. Mit dem Sonntag früh brauste Turnerruf durch alle Straßen der Stadt, es ertönte der Weckruf von verschiedenen Musikchören, und um 11 Uhr wurde der deutsche Turntag abgehalten, wobei man die Bestimmung traf, das vierte Turnerfest im Jahre 1865 in Nürnberg abhalten zu lassen. Das Festmahl in der Halle zu Mittag zählte an 7 000 Theilnehmer, war ungemein belebt und Alles ging trefflich von statten. Unter den vielen Toasten und „Gut Heils!“ fand die Rede des Staatsministers v. Beust großen Anklang, welche, wie die „D. A. Zt.“ sagt, ungefähr folgendermaßen lautete: Im Namen des Landes, das in diesen Tagen die Stätte eines großen deutschen Verbrüderungsfestes werden soll, heiße auch ich Sie, welche gekommen sind, die deutschen Volksstämme würdig zu vertre ten, mit Freuden willkommen. Es sind der Regierung dieses Landes Worte der Anerkennung gewidmet worden, und ich nehme sie als ehrend für dieselbe entgegen. Der edle Fürst, der über dieses Land gebietet, steht keinem deutschen Bundesgenossen nach an deutscher treuer Gesinnung, und vertrau ensvoll hat man das Fest dem Gemeinsinn und der Umsicht anheimgegegeben, welche eine würdige Trägerin der nationalen Idee ist. Die Regierung hat sich die Aufgabe gestellt, alles fern zu halten, was der Verherrlichung störend oder hemmend entgegentreten könnte, aber um so gewisser ist daher unsere Zuversicht, daß von keiner Seite ein Mißton herbeigeführt werden wird. Und wenn dieses großartige Fest dazu bestimmt ist, die deutsche Kraft zu veranschaulichen, so wird es seinen Zweck sicher errrei
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chen. Meine Herren, es wird heute manches Wort gesprochen werden und man wird erkennen, daß in Sachsen das freie Wort nicht gewehrt ist, in einem Lande, das sich seit vielen Jahren politisch bewegt und vielfache Erfahrungen gesammelt hat. Erwarten Sie nicht, daß ich mit so beredten Worten zu Ihnen spreche, wie es der Gedanke wohl erheischt, aber mißtrauen Sie auch meinen Worten nicht, wenn ich Ihnen sage, daß die Fürsten Deutschlands dem Gedanken der deutschen Einheit nicht abhold sind. Die Zeiten sind gottlob vorüber, wo irgend ein deutscher Staat daran denken konnte, sich von den andern abzusondern. Zusammenstehen in der Zeit der Gefahr, das ist jetzt die einzige Politik, die man treiben darf, es ist aber auch die Politik sämtlicher deutscher Staaten, und alle haben dieselben Zielpunkte. Je beharrlicher die deutschen Volksstämme ihre brüderliche Gesinnung gegeneinander beweisen, desto mehr wird das Zusammenfinden im Volke selbst gedeihen. Darum begrüße ich dieses Fest als ein Fest der Eintracht mit aufrichtiger Freude. Ich betrachte es als einen Baustein zum Werke der Einigung, dessen Gelingen Allen hochwillkommmen sein muß. Die Eintracht im deutschen Vaterlande, sie lebe hoch! Im Laufe der Tafel wurde vom Fest-Comitee ein Telegramm an Sr. Maj. den König von Sachsen abgeschickt, welches ihm das „Gut Heil!“ der Turner meldete. Von Pillnitz aus erfolgte bald darauf der Dank des Königs ebenfalls durch telegraphische Depesche. Die Tafelgenüsse werden von etlichen Seiten als nicht immer vollkommen geschildert, der Wein jedoch habe sich allgemeiner Anerkennung zu erfreuen gehabt. Beiläufig sei erwähnt, daß Se. Maj. der König zur Bewirthung der Turner aus seiner Privatchatoulle 100 Thlr. gespendet. Nach Beendigung der Tafel entfaltete sich auf der Wiese ein wahres schönes Volksfest, das sich bis in die späte Nacht hinein erstreckte. Von Abends 6 Uhr an stellte sich der Zug der Leipziger Männergesangvereine, nahe an 1 000 Mann, in der Festhalle ein, um unter Dr. Langers Direction ein Festkoncert zu beginnen, wo einzelne Gesangsnummern stürmischen Beifall erregten. Der gestrige Tag brachte den großen Festzug.
Nr. 24 Karl v. Weber: Ausarbeitung über die Sukzessionsfrage von Schleswig-Holstein für König Johann. Dresden, März 1864 Die Oldenburgsche Deduction enthält ein so reiches Maas zum Theil bisher unbekannter archivalischer Nachrichten und so viele gründliche Rechtsentwicklungen, daß man wohl geneigt sein könnte, an den bisherigen Ansichten irre zu werden. Von den § 34 aufgestellten Conclusionen herrscht über Punkt 1 allgemeines Einverständnis. Wenn ferner das unter 2. behauptete Vorzugsrecht der Gottdorfschen von der Sonderburgischen Linie auf die Fortdauer der Communion und Gesamtbelehnung der beiden bisher regierenden Linien begründet wird, so beruht diese Annahme hauptsächlich auf der Deutung, welche den Begebenheiten des Jahres 1616 gegeben wird, die sich wieder auf eine genaue rechtliche und factische Schilderung des jenem Datum vorhergehenden Zeitraumes stützt. In letzter Beziehung äußert der Aufsatz noch, daß 1. das Wahlrecht der Stände rechtlich und factisch in ausgedehnterer und entschiedenerer Wirksamkeit bestand als man gewöhnlich annimmt; 2. daß, wenn ausnahmsweise mehrere Mitglieder des Hauses gleichzeitig gewählt waren, nach des Einen Abgang der andere alleiniger Landesherr verblieb; 3. daß, wenn auch nicht rechtlich, doch nach Observanz, die Wahl auf die directen Nachkommen der regierenden Herren beschränkt blieb; 4. daß die Belehnung von beiden Lehnsherren eigentlich erst nach der Wahl erfolgen sollte, zuweilen aber doch auch vor der Wahl und an solche ertheilt wurde, die nicht gewählt worden waren; daß sie dann letztern Falls nur den Charakter einer Eventualbelehnung hatte. (NB. So wie die Belehnung überhaupt nicht das Recht auf wirkliche Regierung verlieh, so war auch selbst die Belehnung der regierenden Herren nur
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auf ihre Lebenszeit von Wirksamkeit, daher, sofern sie auf ihre Nachkommen ausgedehnt war, immer nur eine eventuelle.) In Bezug auf die Beurtheilung der im Jahre 1616 eingetretenen Veränderungen, deren Geschichte § 16 viel genauer als bisher geschildert wird, so fragt es sich, ob nach der bisherigen Ansicht a) die Primogenitur mit allen ihren Folgen für alle Linien an die Stelle des Wahlrechts getreten sei, oder b) das Wahlrecht bloß eingeschränkt worden sei, so daß, so lange beide regierenden Linien oder eine von ihnen fortbesteht, die primogeniti in beiden aber die einzig übrigbleibenden als gewählt zu betrachten seien, dann aber das Wahlrecht reviviscire. Für diese Ansicht spricht 1. daß die Stände ihr Wahlrecht zwar beschränkt, aber doch im Wesentlichen behauptet haben; 2. daß bei Entsagung auf ein Recht, die beschränktere Auslegung verdient; 3. daß der Zweck der Stände, nehmlich Vertheilung des Landes zu verhüthen, auf diese Weise ebenso gut, ja noch besser erreicht wurde, als 4. daß von einer Bestimmung zu Gunsten der Nebenlinien nirgends eine Spur zu finden. 5. Was die Belehnungen betrifft, so wurden a) für Holstein dieselben bis 1616 den regierenden Herren für das ganze Herzogthum ertheilt, seit 1616 für sich und ihre Nachkommen mit derselben simultanea investirt. Die nicht regierenden Herren wurden zum Theil auch beliehen, Herzog Johann der Jüngere zu gesamter Hand. Erst später erlangten die Plöner Herzöge eine Belehnung für ihren Antheil mit zu gesamter Hand. Nach der Vereinigung des gesamten Herzogthums wurde Christian VII. allein mit dem ganzen Herzogthum simultaneatif beliehen. b) Betreffs Schleswigs ist die Praxis nicht dieselbe; schon Herzog Friedrich 1483 wird, und zwar vom König Johann, zum gesamten Herzogthum, von Christian II. dagegen zu seinem Antheil beliehen (1483–1514). Der Odenser Vergleich spricht eine Belehnung mit dem Herzogthume auch aus. Johann der Ältere und Adolph für sich und seine Erben sind beliehen (1580), aber nicht nur ward Adolph mit dem Erbantheil an Johann den Ältern besonders, sondern auch Philipp und dessen Bruder 1589 mit ihrem Antheil mit der gesamten Hand beliehen. Desgleichen Johann Adolph und dessen Brüder 1591. Von 1616 erfolgte die Belehnung nur mit ihrem Antheil. Die königliche Linie betreffend belieh sich Friedrich II. selbst für sich und seine Erben mit dem Herzogthume 1580 und später noch für seinen Antheil an Johann des Ältern Erbtheil. Christian der IV. dagegen mit dem angefallenen Theile mit der gesamten Hand 1589. In Betreff der Nebenlinien wird Johann Friedrich 1603 mit seinem Antheil mit der gesamten Hand beliehen. Desgleichen Herzog Johann der Jüngere für sich und seine Nachkommen 1680 und diese Belehnung geht selbst nach der Souveränitätserklärung Schleswigs bis ins 18te Jahrhundert fort. Noch zu bemerken ist übrigens, daß die regierenden Herren in den Streitigkeiten mit der Sonderburger Linie über die Huldigung mehrmals ausgesprochen haben und zwar auch nach 1616 nochmals die Ansicht ausgesprochen haben, daß die abgetheilten Linien vom Absterben beider regierenden Linien auf einen Eintritt in die Regierung keinen Anspruch hätten. NB. Ein Zugeständnis Seiten der Oldenburger liegt jedoch nicht vor. Das Statut, über das Beleg II das Nähere ergibt, kam nicht zur Ausübung, weil sich die Sonderburger (mit Ausnahme Ploens) mit der eventuellen Huldigung nicht begnügen wollten, die aktuelle aber nicht erlangen konnten. Was den 3ten Punkt der Conclusion anlangt, so würde die bezeichnete Antwort des pct. 2 denselben schon von selbst beantworten. Aber auch im umgekehrten Falle behauptet die Deductionsschrift, daß der Gottdorfsche Antheil an diese Linie bei gegenwärtigem Erbfall zurückfällt. Für diese Erklärung des Abtretungsvertrages von 1773 wird insbesondere die Analogie des Vertrages von 1750 mit der Schwedischen Linie und des Großfürstlichen Cessionsacts für Holstein angeführt. Beide sprechen allerdings für eine Abtretung mit Vorbehalt des Rückfallsrechts. Indeß ist ersterer wohl hier kaum anzuziehen; letzterer bezieht sich mindestens nicht auf Schleswig. Mit mehrerem Grund bezieht man sich auf ein früheres, von Dänemark selbst ausgegangenes, allerdings nicht zur Vollziehung gekommenes
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Project, welches an dem Widerstand Peter des III. gescheitert war. In diesem ward allerdings das Erbfolgerecht der Cession ungeachtet vorbehalten. S. 309 u. 10. Schließlich wird nach S. 335 auf eine Äußerung des Herzogs von Augustenburg im Dänischen Staatsrath Bezug genommen, indem derselbe gegen die Einverleibung der Herzogthümer die Argumente allerdings nicht von Sonderburgischen, sondern von den Gottdorfschen Erbansprüchen hernimmt. Diese Äußerung, obgleich wohl kaum concludent, ist immerhin interessant, indem diese ganze Verhandlung schon von Augustenburgscher Seite angeführt worden ist, jedoch erst jetzt in ihrem vollen Inhalte erscheint. Die Rechtsdeduction aus allen diesen Verhältnissen geht nun dahin, daß bei einer Renunciation oder Cession von Regierungsrechten innerhalb eines regierenden Hauses stets nur das Landeshoheits –, nicht das Erbrecht cediert werde und ersteres nur insoweit, als zu Gunsten gewisser Personen oder Linien cediert werde. Dies sei aber hier nach der dem Vertrag an Wichtigkeit vorangehenden Cessionsund Renunciationsacte (2.) nur zur Gunsten der Königlichen Linie im engeren Sinne geschehen, auch anzunehmen, daß er zu Gunsten einer 3ten der Sonderburger Linie habe figuliren wollen. Alle diese Argumente zusammengehalten mit den obigen analogen Auslegungen haben allerdings größeres Gewicht, sobald man annimmt, daß die Sonderburger auch den Königlichen Anteil nicht von der Gottdorfschen Linie erben, wenn sie auch im umgekehrten Falle nicht zu übersehen sind. Der 4te Punkt der Conclusionen endlich läßt die Frage über die Berechtigung der Sonderburger Linie an Oldenburg offen und verneint nur die Verbindung, in die die Frage mit dem Erbrecht an dem Gottdorfschen Theil in Holstein gesetzt worden ist. Er stellt zunächst in Abrede, daß aus der Natur eines Tauschobjectes unbedingt die Übertragung aller Verpflichtungen auf dasselbe folge, wenn solches nicht ausdrücklich stipulirt sei oder aus den Verhältnissen, unter denen jene Verträge abgeschlossen, eine solche Folge sich annehmen lasse. Aus der Bezugnahme auf die Übertragung der Erbfolgeordnung oder die anständige Versorgung der jüngeren Linie sei dies nicht zu folgern. (ob aber nicht aus den Worten: „gänzlich an die Stelle des Großfürstlichen Antheils treten sollen“ prov. Vertrag Artikel XXVIII ?) An ein Sonderburgsches Erbrecht an den Grafschaften habe man von keiner Seite gedacht, sonst hätte man den Consens beizubringen nicht unterlassen. Es sei auch daher jener Ausdruck nicht als eine Reservation des Sonderburgschen Erbrechts zu fassen. (Dem Vorgange mit dem Herzog von Glücksburg wird doch hierbei ein etwas zu geringes Gewicht beigelegt, wenn er auch als einseitig von der Dänischen Linie ausgegangen kein entscheidendes hat). Ebensowenig habe Oldenburg ein Erbenrecht, selbst wenn sein Erbrecht auf den Königlichen Theil von Holstein und auf Oldenburg feststehe, es könne nemlich nur letzteres in Anspruch nehmen, da es den Tauschvertrag nicht consolidirt habe. NB. Diese Ansicht dürfte richtig sein, dafern nicht die eingetretene Consolidation des G. A. von Holstein mit dem Königreich einen Unterschied macht und der Zweck des ganzen Vertrags im Auge zu behalten wäre, die getheilte Herrschaft zu beseitigen. Am meisten gegen die bisherige Ansicht spricht der Umstand, daß bei den Verhandlungen mit Plön, denen der Vertrag von 1750 mit der Schwedischen Linie folgte, Dänemark nicht den Besitz des Gottdorfschen Holsteins, sondern sein unverändertes Erbrecht an Oldenburg für Plön zuerkannt, dagegen nur eine Manutenenz in Gottdorf als Europäische Macht (denn im eingetretenen Falle war Dänemark nicht mehr im rechtmäßigen Besitz der Herzogthümer) ausspricht. Eine solche Zusicherung Dänemarks bindet aber natürlich die übrigen Contrahenten nicht. Allerdings scheint die dänische Ansicht nach Abschluß der Verträge von 1773 laut der Erklärung gegen den Herzog von Glücksburg eine andere gewesen zu sein; aber auf diese dürfte wenig ankommen. Sr. Majestät Fragen in der Sonderburg-Holsteinischen Succession. I. Haben die Sonderburgischen Nebenlinien von Anfang her einen Anspruch auf die Herzogthümer? II. Haben sie denselben verloren a) durch Abstammung von Mitheirathen, b) durch unterlassene Belehnung zu gesamter Hand, c) in Bezug auf Plön durch Abtretung. III. Erstrecken sich die Ansprüche derselben auch auf a) Ranzau und Pinneberg, b) auf Oldenburg und Delmhorst. IV. Gehen beim Aussterben der königlichen Linie /:obiges Recht vorausgesetzt:/ die Sonderburger Nebenlinien der Gottdorfer Linie vor und zwar
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a) über den Königlichen Theil, b) über den herzoglichen Antheil, c) über Ranzau und Pinneberg, d) über Oldenburg und Delmhorst. V. Entscheidet im Falle, die Sonderburger Linie succedirt, die Primogenitur? VI. Welches Successionsrecht tritt ein, wenn die Fragen unter V., IV. unter I. bis III. verneint werden? ad I. Das Successionsrecht der gesamten Nebenlinien scheint an sich unläugbar und fragt es sich, ob es an sich oder bloß in Folge der nachgesuchten Belehnung mit der gesamten Hand erlangt ward. Letzteres behauptet Pernica, wie es scheint mit guten Gründen theils nach den allgemeinen, bei fürstlichen Lehen bestehenden Grundsätzen, theils aus dem besonderen Gebrauch im Holsteinschen Haus. ad II a. Ob Heirathen in fürstlichen Häusern mit Personen von Adel Mitheirathen sind, ist zweifelhaft; jedenfalls kann dieser Satz durch den usus in den einzelnen Fürstenhäusern derogirt werden und im Holsteinschen Haus hat eine große Anzahl solcher Heirathen ohne Widerspruch oder Derogierung der Qualität der Betheiligten stattgefunden. Es dürfte daher diese Frage zu verneinen sein. ad II b Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts hat die Belehnung mit der gesamten Hand in Betreff der Sonderburger Nebenlinien stattgefunden. Die letzte Gesamtbelehnung für die Sonderburger Linien fand 1751 /:für die Boksche Linie durch kaiserl. Indult 1758 nachgeholt:/ statt. Seitdem ist keine weitere Gesamtbelehnung bis zu Auflösung des deutschen Reiches erfolgt. Sie würden daher nach den obenerwähnten Rechtssätzen als versäumt anzusehen sein. Für Schleswig wurde noch bis zur Souveränitätserklärung /:1650:/ Belehnungen mit der gesamten Hand gesucht und ertheilt. Seit jener Zeit bedurfte es deren nicht weiter und die einzelnen Beispiele solcher Belehnungen beziehen sich nur auf die besonderen Landesportionen oder sind als superfluum zu betrachten. Für Schleswig scheint daher die Frage zu verneinen. ad II. c. Das Großherzogthum Plön, welches sich zur vollkommenen Unabhängigkeit /:wahrscheinlich gleich der Gottdorfer Linie:/ aufgeschwungen hatte, ging beim Aussterben derselben 1761 an die Königliche Linie unter Verzichtleistung der beiden noch bestehenden Nebenlinien über. Diese Verzichtleistung ist 1756 geleistet und der König von Dänemark wird der jedesmalige Erbsuccessor „alias der Nachfolger in der Krone, alias der Nachfolger in dem königlichen Erbegang.“ Sie betrafen die alten Ansprüche auf die Plön’sche Land- und Feudalaristokratie, welche vielmehr an „S. K. M. und den jedesmaligen Erbsuccessor übergehen soll“, so daß sie es auf einige Zeiten so besitzen sollten, wie die Cedenten selbst, wenn sie dasselbe nicht cedirt hätten. Plön wurde fortan als ein besonderes Herzogthum administrirt, obgleich es unter den allgemeinen Behörden für Schleswig-Holstein mit stand. Den Worten nach scheint demgemäß viel für die Erbfolge des jedesmaligen Königs von Dänemark zu sprechen. Jedoch ist zu erwägen, daß jede Cession im strengsten Sinne zu interpretiren ist und der Abtretung auch der Sinn beigelegt werden kann „der König und seine Nachfolger als Herzöge von Holstein“ Schleswig, „was mit der staatsrechtlichen Untrennbarkeit der Länder wohl im Einklang stehen würde“, selbst in den Worten „bei Errichtung des Plönschen Erbfalles“ eine Unterstützung findet. Diese Frage bleibt zweifelhaft. ad III. a. Pinneberg und Ranzau gehörten der Westphälischen Linie des Hauses Schaumburg, welche vermöge des Kieler Vertrages mit der Rendsburger Linie, die das übrige Holstein besaß, bei gesamter Hand stand /:1390:/. Beim Aussterben der Rendsburger Linie bemächtigte sich Christian der 1ste der Besitzungen derselben vermöge angeblicher cognatischer Erbrechte. Im Oldenburger Vertrag (1460) übertrug Otto III. sein Recht auf ganz Holstein an Christian und erklärte insoweit den Kieler Vertrag für unschädlich und unverfänglich. Im Jahre 1474 wurde derselbe mit Holstein und Stormorn beliehen und diese Erwerbung von Kaiser Karl V. an Christian den 4ten mit namentlicher Erwähnung von Pinneberg bestätigt. (1521) Beim Aussterben der Westphälischen Linie /:1572:/ besetzte Christian IV. Pinneberg mit Bezug auf die Kaiserliche Belehnung, während das Amt Barmstedt /:Ranzau:/ an die Gottdorfsche Linie kam. Beide Linien fanden sich mit der Mutter des letzten Grafen von Schaumburg ab und versprachen sich eventuell die Succession in ihre Landestheile. Diese Vertragsbestimmung wurde von der jüngern Linie angefochten und im Jahre 1650 wieder aufgehoben. Vielleicht hängt dies mit dem Verkauf von Barmstedt an die Grafen von Ranzau zusammen (1640). Zu diesem Verkauf
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wurde der Consens der Königlichen und mehrerer Mitglieder der Sonderburger Nebenlinien verlangt. /:Daß gerade die jetzt noch lebenden Nebenlinien nicht befragt werden, dürfte wohl kaum von Einfluß sein, es ist vielleicht anzunehmen, daß sie nicht zustimmmen wollten.:/ Ranzau ging nach dem erblosen Tode des Grafen Delthof /:1734:/ vermöge Disposition desselben und Kaiserlicher Confirmation auf den König von Dänemark und dessen Succession in der Regierung und Lehnserbe über. Zum Beweis, daß die Nebenlinien des Hauses an beiden Landestheilen keinen Anspruch haben, wird angeführt, daß 1. Pinnebrg incl. Barmstedt Alles gewesen sei, 2. auf das Oldenburg’sche Haus nicht vermöge Erbfalles, sondern vermöge Kaufvertrages übergegangen sei. Dagegen läßt sich anführen, daß, wenn auch ersteres zweifelhaft, doch eine lehnrechtliche Erbfolge aus dem Kieler Vertrag zu folgern sei und das Oldenburgische Haus sich auf Erbrechte bezogen habe und die Erbfähigkeit der nachgebornen Linien durch den verlangten Consens derselben bei dem Verkauf an Ranzau anerkannt habe, sowie auch in der Kaiserlichen Bestätigung der letzten Landestheilung ausdrücklich die Regierungsnachfolger und Lehnserben erwähnt werden. Nach alledem scheint den Nebenlinien, soweit man solches ohne nähere Einsicht in die Verträge beurtheilen kann, dasselbe Recht, wie auf die übrigen Landestheile zuzustehen. ad III. b. Oldenburg und Delmenhorst waren die ursprünglichen Besitzungen des Hauses Oldenburg. Ob sie früher Lehn oder Allod gewesen ist ungewiß. Sie gingen 1448 auf die Gerhard’sche Nebenlinie über, welche sie später als Lehn besaß. Die Rechte der übrigen Linien auf dasselbe beruhen auf einer Kaiserlichen Expectanz von 1570, nach welcher Lineal-Gradualerbfolge gelten sollte, und die noch der Linie Plön später confirmirt wurde. Nach dem Aussterben der Gerhard’schen Linie 1667 wurden dieselben auch der Plönschen Linie durch Reichshofrätliches Erkenntnis als der nächsten im Grad zugesprochen /:1673:/ Die Plöner Linie hatte aber bereits vorher ihr Recht an die Königliche Linie abgetreten mit dem Vorbehalt des juris successionis für sich und die übrigen Nebenlinien nach Aussterben der Königlichen Linie. Die fortdauernde Wirksamkeit der Expectanz vorausgesetzt, kann daher an einem Rechte der Sonderburger Linien an Oldenburg und Delmenhorst wohl nicht gezweifelt werden. Auch der Schwedische Zweig der Gottdorfer Linie erklärte, kein anderes Recht prätendiren zu wollen, als ein eventuelles nach Abgang der Königlichen und Sonderburger Linien. Gilt aber die Expectanz nichts, weil sie bloß ein Versprechen der Belehnung, kein Anrecht, gewährt, folglich mit dem Aufhören des Reichs in Wegfall kommt, so hat eigentlich Niemand ein Recht, und es würde daher der bisherige Besitz unverändert bleiben. Die Sache ist jedoch hier etwas verschieden. Plön war bereits wirklicher Inhaber eines juris quaesiti auf Oldenburg und Delmenhorst. Es konnte bei einer Cession für sich oder andere jeden beliebigen Vorbehalt sich machen; behielt es nun, wie hier die Worte lauten, sich nicht die Expectanz, sondern das jus successionis sich und seinen Agnaten vor, so möchte, sollte ich meinen, dieser Vorbehalt auch jetzt noch gelten. Durch die Cession an die Russische und von dieser an die jüngste Gottdorfer Linie kann hierin nichts geändert werden, da diese Linien nicht mehr Rechte erwerben können, als ihr Cedent besaß. ad IV. a. Vorausgesetzt, daß das oben unter II.b. erwähnte Bedenken gegen die Successionsrechte der Sonderburger Linien nicht Platz greift, scheint der Vorzug dieser Linien vor der Gottdorfer unleugbar. Ursprünglich bestand ein Successionsrecht aller Mitglieder des Hauses nur beschränkt durch das Ständische Wahl- oder vielmehr negative Zustimmungsrecht zur Erbfolge. Dieses Recht, welches Kaiserlicher Seits nicht anerkannt worden war, wurde besonders gebraucht, um Theilungen zu verhüthen. Im Jahre 1616 wurde dasselbe abgeschafft oder, wie es in der Ständischen Schrift heißt, auf die Primogenitur resteingirt. Durch diese Bestimmung konnte an sich genommen dem Erbrechte der jetzigen königlichen Linie nicht zu nahe getreten werden. Nur insofern das Erbrecht durch das ständische Wahlrecht beschränkt war, konnte auch hier die Einführung der Primogenitur verlangt werden. Diese Einführung erfolgte wirklich im Jahre 1633 durch das brüderliche Abkommen mit den Nachkommen des Herzogs Alexander, von dem beide noch bestehenden Linien herkommen, und das sich, wie Sommer sehr gut ausführt, auch auf Neuacquisiten bezieht. Die Simultanbelehnung, auf die Pernice so gro-
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ßes Gewicht legt, kann hierin wohl nichts ändern, denn sie galt eben nur wie eventuell beim Aussterben der andern Linie. ad IV. b. Was den Gottdorfer Antheil /:einschließlich des Antheils an der gemeinschaftlichen Regierung:/ betrifft, so ist zu unterscheiden zwischen Schleswig und Holstein. Auf Schleswig hat die Russische Linie ohne weiteren Vorbehalt entsagt und dürfte daher gar keinen Anspruch mehr haben, als höchstens nach dem Aussterben des ganzen Hauses. Zweifelhafter ist das in Betreff der Schwedischen Linie, da dieselbe nur in faveur des damaligen Königs von Dänemark und seiner männlichen Descendenz renuncirt hat, Entsagungen aber stricte zu interpretiren sind. Diese Linie würde bei der gänzlichen Renunciation der ältern Russischen Linie noch jetzt sofort Ansprüche an diesen Landestheil haben. Die jüngste Linie ist dem Vertrag unbedingt beigetreten. In Bezug auf den Gottdorfschen Antheil an Holstein ist die Sache zweifelhafter. Die Entsagung erfolgte von dem König von Dänemark und seiner männlichen Descendenz und dem Prinzen Friedrich, Bruder des Königs, und dessen männlichen Prosperite. Da nun jede Entsagung stricte auszulegen, so könnte man wohl annehmen, daß nach Aussterben der Königlichen die Rechte der Gottdorfer Linie reviviscirten. Nur fragt es sich, wie es dann mit Oldenburg und Delmenhorst, dafern es in jeder Beziehung an die Stelle von Holstein G. A. treten sollte, gehalten werden soll. Von der Schwedischen Linie ist mir keine ausdrückliche Entsagung auf Holstein bekannt. Die jüngere Linie endlich hat den Tractat anerkannt und fast mit noch bestimmteren Worten auf Holstein entsagt, indem es im Eingange der Renunciation sagte, der Vertrag sei ihr (aufgezwungen) worden, um auf beide Herzogthümer, insofern nach der Successionsordnung ihr ein Recht darauf zukommen könnte, ja eine förmliche Renunciation zu verschaffen. Diese Renunciation selbst wird mit den Worten ausgedrückt „wir consentiren in verabredete Vertauschung /:Holstein gegen Oldenburg und Delmenhorst:/ und soll uns und unsern Erben, wenn sothaner Tausch zu Stande kommt, niemals gestattet sein, die mindesten Ansprüche an bemerkten Antheil des Herzogthums Holstein zu machen oder so lange ein männlicher Stamm des Königlichen Allerhöchsten Hauses noch da ist eine Lehnfolge daran zu prätendiren.“ Es fragt sich, was unter den Worten im männlichen Stamm des Allerhöchten Königlichen Hauses zu verstehen, ob die ganze ältere Linie einschließlich der Sonderburger oder die königliche Linie in specie. Für letztere Erklärung spricht die Analogie der Renunciation der Russischen Linie, denn es ist doch kein Grund anzunehmen, daß die Renunciation der jüngeren Linie weiter gehen soll, als die der ältern Linie. ad IV. e. Nach obigem scheint in Bezug auf Pinneberg und Ranzau kaum ein Vorzug der Gottdorfer Linie behauptet werden zu können. ad V. Nach obigem zu bejahen. ad VI. Würden die Fragen zu I. und III. a. bejaht, zu II. a. und b. aber verneint, so würde 1. in Betreff ganz Schleswigs, des Königlichen Anteils von Holstein nebst Pinneberg und Ranzau die Augustenburger Linie erbberechtigt sein, /:Die Berechtigung der Schwedischen Linie lasse ich als practisch nicht geltend gemacht bei Seite.:/, 2. in Betracht auf den Herzoglichen Antheil von Holstein die Russische Linie erbberechtigt sein. Die Entsagung, welche dieselbe zu Gunsten Christian des IX. und seiner Nachkommen geleistet hat, würde wohl kaum gelten, wenn das Londoner Abkommen in irgend einem Punkte angefochten würde. Auch würden jedenfalls für den Fall des Aussterbens der Russischen Linie die Erbrechte der jüngern Gottdorfer Linie und der Oldenburgischen wieder erwachen. Nimmt man jedoch, wie nach obigem wahrscheinlich, an, daß der Sonderburger Linie bei dem Aussterben der Königlichen Linie ein Rückfallsrecht an Oldenburg und Delmenhorst zusteht, so kann die Russische Linie auch Holstein Herzoglichen Antheils nicht fordern, wenn sie oder die an ihre Stelle getretene jüngste Linie nicht Oldenburg und Delmenhorst an die Sonderburger herausgibt. Sie kann res und praemium nicht zugleich in Anspruch nehmen. Mit noch mehr Grund sind die Rechte der jüngsten Linie an Holstein G. Anth., die dieselbe übrigens gar nicht beansprucht hat, zu verneinen. Am zweifelhaftesten ist die Sache in Betreff von Plön; bei derselben spricht viel dafür, daß es von der Krone Dänemark untrennbar sei, vorbehältlich jedoch der Rechte der Gottdorfschen Linie nach dem
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Aussterben der Sonderburgischen Linie, deren Entsagung die Rechte der erstern nicht beeinträchtigen könnte. Bekanntlich wurden im J. 1773 Oldenburg und Delmenhorst gegen Entsagung auf den Gottdorfschen Theil von Holstein an die Russische Linie und von dieser an die jüngste Gottdorfer Linie abgetreten und zwar nur zu Gunsten des Mannesstammes der Königlichen Linie. Wenn nun die Exspectanz noch ferner als gültig besteht, so würden, streng genommen, schon nach Aussterben der Plöner Linie 1761 die Ansprüche der übrigen Sonderburger Nebenlinien hervorgetreten sein. Dies ist indeß von keiner Seite in Anspruch genommen worden. Nach Aussterben der Königlichen Linie werden aber jeden Falls die Sonderburger Nebenlinie und zwar unter ihnen die nächste im Grad, insofern jedenfalls die Augustenburger Brüder, die im 6. Grad zu dem gemeinschaftlichen Stammvater Alexander stehen, und die Glücksburger, die nur im 7. mit ihnen verwandt sind, stehen.
Nr. 25 Karl v. Weber: Protokollnotizen über den Vortrag von Außenminister Fr. F. v. Beust am 2. März 1866 im Gesamtministerium über die politische Situation im Deutschen Bund. Dresden, 2. März 1866 Beusts Vortrag im Gesamtministerium Die Schleswig-Holsteinische Frage ist Veranlssung zu der Krisis zwischen Österreich und Preußen. Sachsens Regierung hat Alles getan, was ihr oblag und hat keine Lust zu einer weiteren /Militäraktion/. Als der König von Dänemark /gestorben/, war Exekution schon beschlossen und es ward von vielen Seiten auch von Sachsen geltend gemacht, daß jetzt nicht mehr Exekution, sondern Occupation eintreten müsse, bis Frage über Succession entschieden. Es ward aber Exekution beschlossen, aber die Erbfolgefrage offen behalten. Sachsen hat auch widersprochen, als Österreich und Preußen Verhandlungen mit Dänemark einleiten wollten. 25. Februar 1864 Bundesbeschluß, wodurch König Christian ein Rechtstitel aus dem Londoner Protokoll abgesprochen ward und Gutachten über Succession bei der Londoner Konferenz ward die Kompetenz des Bundes über die Nachfolge auch festgehalten, es ward auch von Preußen dies unterstützt. Der Erbprinz ward als Erstberechtigter anerkannt. Die Wiener Friedenspräliminarien waren der Wendepunkt, da der König von Dänemark seine Rechte abtrat. Sachsen allein regte sich, daß unter den Rechten des Königs von Dänemark nur Ansprüche zu verstehen seien, im übrigen der Bund seine Rechte wahrzunehmen hatte. Sachsen blieb ganz allein mit seinem Antrag beim Ländertag, Sachsen nahm den Antrag zurück. Seitdem ist als Folge davon der Bund immer mehr herausgedrängt worden. Da der die Sache anregen sollte (Antrag vom 6. Apreil 1865) wurde angenommen, aber erfolglos. 27. Juni 1865 Antrag wegen Einberufuung der Stände ward an den Ausschuß verwiesen, wo er ruhte. Hierauf die Gasteiner Convention. Beust machte damals Vorschlag in Wien, Österreich möge in Frankfurt Erklärung abgeben, um die Verhältnisse zu klären. Damals war die europäische Lage besser, die Beziehungen Preußens zu Frankreich waren viel kälter als jetzt, in Bayern bestanden die inneren Verwicklungen noch nicht. – Wir haben nach der Gasteiner Convention noch einen Antrag gebracht, worin nochmals Entscheidung verlangt ward, ob die Schleswig-Holsteiner Stände einberufen werden sollten, ward aber an den Ausschuß verwiesen und dort hat Sachsen erklärt, seine Aufgabe sei geschlossen. Es ist daher nichts mehr geschehen und jetzt ist doppelt alles zu vermeiden, was als Feindseligkeit gegen Preußen betrachtet werden könnte. 23. Februar Bericht aus Berlin, Beschließung des Landtags ist nicht durch innere Verhältnisse geboten, man will freie Hand haben, wenn die Aktion beginnt. Frankreich stellt vollständige Neutralität in Aussicht, wird aber ein Zusammengehen Preußens mit Österreich nicht hindern, Italien wird Vene-
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dig angreifen, es ist daher die Absicht, daß Österreich nachgeben werde. Kriegsdrohungen von Seiten Preußens. Bericht aus Wien bloß Gespräche – im allgemeinen der Satz, daß man von Bismarck Alles erwarten könne – man glaubt nicht, daß ein Krieg beschlossen sei gegen Österreich. Frankreich wird wahrscheinlich neurtral bleiben, bis nach Verlust der Dinge der Moment für ihn zum handeln gekommen. Frankreich ist aber Österreich günstiger als Preußen. Österreich wünscht natürlich, Sachsen möge sich ihm anschließen, allein ohne Rückhalt muthet man es ihm nicht zu, wenn nicht Bayern diesen bietet. Sollte eine preußenfreundliche Neutralität von Preußen verlangt werden, so wird man dies als Übergang ins preußische Lager betrachten, z. B. Durchmarsch. Seebach aus Paris schreibt, daß Österreich nicht viel Vertrauen auf Frankreich habe. Berlin 27. Februar klingt etwas weniger beunruhigend. Der König wünscht den Krieg gegen Österreich nicht. Die Frage tritt heran, was zu thun. Man hat sich still zu halten und alles zu unterlassen, was einen Vorwand abgeben könne, gegen Sachsen einzuschreiten, aber wenn es zum Krieg zwischen Österreich und Preußen kommt, was dann zu thun? Man wird sich preußischer Seits nicht mit bloßer Neutralität begnügen, 1. man fügt sich denn entweder in die preußischen Forderungen – dann hört man auf Staat zu sein – 2. oder man leistet Widerstand, dann muß man sich Rückhalt sichern – oder 3. man weicht, wenn man keinen Rückhalt gewinnen kann, der Gewalt und wartet. Bloß die 2. und 3. Eventualität ist ins Auge zu fassen, die erste kann nicht in Frage kommen. Der König sagte „lieber todt“. ad 3. wenn Sachsen sich überlassen bleibt, so muß man die Truppen retten, aus dem Lande führen, was Aufsehen erregt, keine Pferde beschaffen. Falkenstein: Man kann viel retten, wenn man angegriffen wird, man erklärt denn Kriegsstand und macht alles weg. Es bleibt vorbehalten, wie man die Armee und das Geld rettet. Friesen: Das Geld kann man fortschaffen. Falkenstein: Finanzminister und Kriegsminister müssen es sich überlegen, wie es zu machen, ohne viel zu reden. ad 2. Krieg zwischen Österreich und Preußen ist bundeswidrig und man würde in Frankfurt entgegentreten können, allein Bayern kann möglicherweise bloß an sich denken. Bayern hat sich deshalb an Sachsen gewendet in einer Note, in welcher die landesrechtliche Seite hervorgehoben wurde, wonach ein Krieg nach art. 4 der Bundesakte auch zwischen Österreich und Preußen unzulässig ist und dem Bundeszwecke zu widerlaufen. Art. 46 und 47 der Schlußacte begründet auch keine Ausnahme, denn es ist Krieg mit einem nicht zum Bunde gehörigen Staat vorausgesetzt. Daher ist Österreich und Preußen, wenn sie über die Gasteiner Convention in Streit geraten, verpflichtet, den Streit an die Bundesversammlung zu bringen, zumal da es ein Bundesland betrifft. Ein Krieg wäre ein Bruch des Bundes zunächst von Seiten des Angreifenden, dann aber auch Seiten des Angegriffenen, wenn er den Bund nicht anruft. Dann wäre der Bund zerrissen und die anderen Bundesglieder wären ihren Verpflichtungen lediglich. Wenn aber der Streit an die Bundesversammlung gebracht wird, so wird Entscheidung zu treffen sein, eventuell Bundesexekution eintreten. Wenn aber Österreich und Preußen unter Umgehung des Bundes Krieg anfangen, so werden alle anderen Bundesglieder frei stehen, auf welcher Seite sie sich betheiligen wollen oder ob sie sich ganz heraushalten. Beust: der letzte Satz ist falsch. Die andern Staaten müßten vielmehr den Krieg hindern, den Angreifenden entgegentreten. Bayern will keine Regionalverhandlungen mit einem der streitenden Theile – das wollen wir auch nicht – Resol. Man muß entgegentreten der Ansicht Bayerns, daß die Andern der Bundespflicht enthoben seien, man muß beizeiten mit Bayern verhandeln und den andern Staaten und auch militärische Maßregeln verabreden. Bayern mag beim Bunde vorangehen, Sachsen wird es unterstützen.
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In der Gesamtministerialsitzung entwickelte der Staatsminister ausführlich Verwicklungen, welche für Deutschland aus der Schleswig-Holsteinischen Frage und die darüber zwischen Österreich und Preußen entstehende Distanz erwachsen. Der Herr Minister legte den Gang dar, welchen diese Frage in ihren verschiedenen Stadien genommen und belegte, wie Sachsen Jahre hindurch sich bemüht hat, das Recht auf bundesgesetzlichem Wege per Gally zu bringen, erst nachdem alle Versuche, das zu bewirken, vereitelt waren, hat Sachsen erklärt, daß es nunmehr seine Aufgabe für beendigt erachte. Demgemäß hat man seitdem auf Seiten der sächsischen Regierung nichts weiter in der Sache gethan, wird dieses Prinzip auch ferner festhalten und insbesondere Alles zu vermeiden haben, was als Feindseligkeit gegen Preußen betrachtet werden könne. Gegenwärtig trete aber die Frage hervor, welcher Weg einzuschlagen sein würde, wenn es zum Krieg zwischen Österreich und Preußen kommen sollte? Daß ein solcher Krieg ein offener Bundesbruch von Seiten des angreifenden Theils sein würde, leidet nach art. XI der Bundesakte keinen Zweifel, allein auch der angegriffene Theil würde sich einer Verletzung der Bundesgesetze schuldig machen, wenn er nicht den Bund zum Schutz anruft. Zumal wenn es den Streit über das Land Holstein betrifft. Sollte von einem oder den andern Theil angegriffen werden, so würde eine Entscheidung die Bundesversammlung zu treffen haben, eventuell die Bundesexekution eintreten. Selbst wenn aber die Kriegführenden den Bund ganz umgehen sollten, würde immer seiten der übrigen Bundeslande das Recht und die Verpflichtung fortbestehen, den Bundesvertrag aufrecht zu erhalten, sie würden durch einen Bundesbruch Seiten Preußens und Österreichs nicht ihrer bundesvertragsmäßigen Verbindlichkeiten enthoben werden, verpflichtet sei, ihrerseits den bundeswidrigen Krieg thunlichst zu hindern. Dieser Rechtsansatz ward allgemein als richtig anerkannt, demnächst aber bemerkte Sr. Excellenz, daß, wenn der Krieg zum Ausbruch kommen sollte, Preußen werde sich nicht mit einer bloßen Neutralität begnügen, sondern eine preußenfreundliche Neutralität wie Gestattung des Durchmarsches beanspruchen werde. Es stünden dann Sachsen 3 Wege offen. 1) man fügt sich den preußischen Forderungen ohne Weiteres. Dies bezeichnete der Herr Minister im allgemeinen Einverständnis als undenkbar. 2) man leistet einem Angriff Widerstand. Dann werde der Erfolg zu erwarten sein, wenn man in andern Bundesgliedern einen genügenden Rückhalt findet. In diesem Sinne hat man bereits Verhandlungen insbesondere mir Bayern eingeleitet, welche jetzt wieder aufgenommen werden sollen, um insbesondere feste militärische Maßregeln zu verabreden und täuscht diese Erwartung, so bleibt dann nichts übrig, womöglich die Armee und die Landesgelder zu retten, was dann Sache der Herren Vorstände des Finanz- und Kriegsdepartements sein wird. Schon jetzt Vorkehrungen für diesen Fall zu treffen, welche Aufsehen erregen könnten, wie z. B. Pferde einzukaufen, ward zunächst als unthunlich bezeichnet, man wird sich eintretenden Falls so gut als möglich zu helfen wissen. 3) nichts übrig als der Gewalt zu weichen. S. M.
Nr. 26 Bericht von Karl v. Weber an König Johann wegen Einsetzung einer Landeskommission. Dresden, 2. April 1866 Allerhöchster Anordnung unterthänigst nachkommend hat der ehrerbietigst Unterzeichnete in den Anlagen vorzulegen 1. den Entwurf zu einem in der Gesetzsammlung zu veröffentlichenden Allerhöchsten Spezialreskript. In dieses ist demnach nur das aufgenommen worden, was offiziell zur allgemeinen Kenntnis zu bringen sein dürfte. Alle auf den Geschäftsgang und den speziellen Geschäftskreis und dessen Beschränkungen bezüglichen Bestimmungen sind in die Instruktion verwiesen. Sie
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können sonach nach Befinden der Umstände von Sr. Majestät, unbeschadet des Fortbestehens des Allerhöchsten Spezialreskripts, modifiziert werden. Die Bezeichnung der Mitglieder der Landeskommission dürfte aber wesentlich zu den zu veröffentlichenden Punkten gehören. In der Form hat das Reskript vom 23. Juni 1837 (Gesetzsammlung S. 68) zum Anhalt gedient. 2. Entwurf einer Instruktion, bei der der ehrerbietigts Unterzeichnete die mündlich von Sr. Majestät ertheilten Anweisungen und die Bemerkungen der Herren Staatsminister Exc. zu Grunde gelegt hat. Zu § 5 ist zu bemerken, daß das Bedürfnis sehr leicht eintreten kann, eine gesetzliche Bestimmung nach § 88 der Verfassung zu erlassen, z. B. über Bürgerwehr, Vereine pp., worauf die Herren Staatsminister Freiherr von Friesen und Falkenstein hingewiesen haben, wenn die gesetzlichen Bestimmungen bei zeitweiliger Volksaufregung nicht genügen sollten. Solche Verordnungen sollen nun allerdings von „sämtlichen Ministern“ contrasigniert werden, was factisch nicht möglich sein würde, wenn mehrere der Herren Staatsminister bei Sr. Majestät sind befänden. Wie weit die zurückbleibenden Herren Minister die Abwesenden unter deren Einverständnis zu vertreten haben, hängt von der unter Einverständnis sämtlicher Betheiligter ergangenen Allerhöchsten Entschließung ab. Es kann dieses Mandat daher auch noch die außerhalb des eigentlichen Departements gefaßten als solchen, den Staatsministern zustehenden Berechtigungen und obliegenden Verpflichtungen erstreckt werden, insbesondere auch auf die besonderen in § 88 enthaltenen Bestimmungen angewendet werden. Diese Vertretung, die Unterschrift der Anwesenden muß daher statt der der Abwesenden genügen, wenn nur zugleich bei der Vollziehung, daß solche zugleich in Vertretung der Abwesenden erfolgt, ausgedrückt wird. Die formelle Vertretung übernehmen dann die abwesenden Mandatoren dann aber auch mit. Zweifelhaft aber scheint allerdings die Sache. Bei § 7 ist davon ausgegangen worden, daß auch für Sr. Excellenz den Herrn Kriegsminister ein besonderer Vertreter von Sr. Majestät werde bestimmt werden. Da das Oberkriegsgericht nach der Bemerkung Sr. Exc. des Herrn Kriegsministers in ungestörter Thätigkeit verbleibt, so würde nur im Übrigen so weit nöthig noch vom K. Kriegsministerium das Erforderliche zu bestimmen sein. Wenn die Herren Staatsminister Freiherr von Beust und von Behr das Land verlassen, würde es an dem dritten evangelischen Minister fehlen, welchen die Verfassungsurkunde § 41 für den Auftrag in Evangelicis erfordert. Hier ist eine Stellvertretung z. B. durch den Herrn Generalleutnant von Engel wohl kaum thunlich. Die Sachen müßten also wohl liegen bleiben. 3. Neben dem Reskript und der Instruktion würde noch ein kurzes Protokoll beim Gesamtministerium abzufassen sein, in welchem zu sagen sein würde, daß Sr. Majestät den Herren Staatsministern Freiherr von Beust, von Behr und von Rabenhorst, Exc., aufgegeben, Allerhöchst Dieselben zu begleiten. Zugleich würde darin die Allerhöchste Entschließung wegen der Vertretung dieser Herren Minister niederzulegen und zu bestimmen sein, ob der Herr Generalleutnant von Engel mit zur Vertretung des Herrn Kriegsministers zu beauftragen sei, worüber Sr. Majestät Sich Beratung mit den Herren Staatsministern vorzubehalten geruhet haben. Dresden, den 2. April 1866 v. Weber
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Nr. 27 Schreiben von Außenminister Fr. F. v. Beust an Karl v. Weber aus Plauen über die Ministerverantwortlichkeiten bei Einsetzung der Landeskommission. Plauen, 21. April 1866 Lieber Weber, ich habe gestern vor meiner Abreise vergessen, Dir zu sagen, daß im Protokoll aufzunehmen ist, darüber, daß 1) bei Inslebentreten der Landeskommission die verantwortliche Vertretung der Ministerien des Krieges und des Auswärtigen auf Minister von Falkenstein, jene des Innern auf Minister von Friesen übergehe, 2) daß im Fall der inmittelst erfolgten Ernennung eines Justizministers die Kommission um ein Mitglied vestärkt werden soll und hierzu der Wirkliche Geheime Rat von Könneritz ausersehen ist. In Eile Dein Beust Plauen, 21. April
Nr. 28 Karl v. Weber: Entwurf einer öffentlichen Bekanntmachung bei Einsetzung der Landeskommission. Undatiert Seine Königliche Majestät sehen Sich durch die politischen Verhältnisse genöthigt, Allerhöchstdero Residenz zu verlassen, haben auch an die Staatsminister Freiherrn von Beust und von Rabenhorst die Anordnung ergehen lassen, Allerhöchstdieselben zu begleiten. Wegen Fortführung der Geschäfte der den genannten Staatsministern übertragenen Ministerialdepartements während der Zeit der Abwesenheit derselben haben Se. Majestät zu bestimmen geruht, daß die laufenden Geschäfte beim Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten bei dem Staatsminister ........ , das Departement des Ministeriums des Innern von dem Minister ................ , und das Departement des Kriegsministeriums mit Ausnahme der die aktive Armee und Festung Königstein betreffenden Angelegenheiten versehen werden ..................... . In Beziehung auf die für Sr. Majestät höchsteignen Dispositon gestellten Geldmitel sowie auf die auf Allerhöchsten Befehl ins Ausland gebrachten Gelder und Werthpapiere haben Se. Majestät zu bestimmen geruht, daß die Contrasignatur bei den darauf mit Allerhöchster Genehmigung anzuweisenden Zahlungen dem Staatsminister ............... überwiesen und die Verwaltung dieser Gelder zu dessen ministeriellen Verantwortlichkeit gestellt werde. Se. M. werden übrigens dafür besorgt sein, daß die zurückbleibenden Staatsminister thunlichst von den etwa mit andern Staaten einzuleitenden Verhandlungen sonstigen, auf die Verhältnisse Sachsens eingreifenden, nicht in die Öffentlichkeit gelangenden Thatsachen jedes Anliegen und den Allerhöchsten Ansichten über der Zeit veranlassen, so weit thunlich in Kenntnis gesetzt werden, damit die zurückgebliebenen Staatsminister sich darnach bei ihrer Geschäftsleitung möglichst richten können. Zusatz: Protokoll der Sitzung des Gesamtministeriums vom 26. April 1866 Abschrift Dresden, den 26. April 1866 Anwesend Sr. Majestät der König, Ihre Königlichen Hoheiten der Kronprinz und Prinz Georg, die Herren Staatsminister v. Beust, v. Rabenhorst, v. Falkenstein, v. Friesen.
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In der heutigen Sitzung des Gesamtministeriums wurde, unter Allerhöchster Genehmigung, beschlossen, daß zwar, in Hinblick auf die zwischen Österreich und Preußen vereinbarte Einstellung der Rüstungen, hierorts der fernere Einkauf von Pferden zu beanstanden, beziehentlich erfolgte Bestellungen soweit möglich abzubestellen, dagegen der bereits angeschaffte Pferdebestand bis auf weiteren Beschluß beizubehalten und nur soweit thunlich durch Verkauf auszurangierender Pferde zu vermindern sei. Abschrift gegenwärtigen Protokolls soll dem Kriegsministerium zugefertigt werden.. Nachrichtlich bemerkt von F. F. Fhr. v. Beust Aktenvermerk von Weber: Die Übereinstimmung vorstehender Abschrift mit dem Original des von Sr. Exc. dem Herrn Staatsminister Frh. v. Beust aufgenommenen und von Sr. Majestät dem König, I.I.K.K.H.H. dem Kronprinzen und dem Prinzen Georg, Herzog zu Sachsen, sowie den Herren Staatsministern von Rabenhorst, Frh. von Falkenstein und Frh. von Friesen signierten Protokoll wird hiermit bestätigt. Dresden, den 27. April 1866 Dr. Carl von Weber Ministerialrath
Nr. 29 Karl v. Weber: Niederschrift über interne Verhandlungen zwischen Sachsen und Österreich im Mai/Juni 1866. Undatiert Am 28. Mai 1866 ward der außerordentliche Landtag eröffnet. In der Thronrede Landtagsmitteilungen S. 7 sagt der König, es könnte nicht Aufgabe der unbetheiligten Staaten Deutschlands sein, für einen der streitenden Theile Partei nehmend mit demselben Verbindlichkeiten einzugehen pp. Schreck sagte S. 31 am 5. Juni 1866, man habe der Regierung den Vorwurf gemacht, sie habe mit der österreichischen Regierung ein Bündnis abgeschlossen. Die Thronrede versichere, daß dem nicht sei, das königliche Wort mag in dieser Beziehung ein Palladium sein. Beust antwortete S. 49, Schreck habe von dem Gerücht eines geheimen Bündnisses mit Österreich gesprochen, er habe geglaubt, daß die officiösen und offiziellen Erklärungen des Ministeriums genügen würden, ihn darüber aufzuklären. Er habe an ein an höherer Stelle gesprochenes Wort Berufung eingelegt, pp. er hoffe, daß er die vollständige Beruhigung gefunden. Zu dieser Zeit war ein österreichischer General unter anderm Namen hier gewesen, der schriftliche Vertrag mit Österreich war abgeschlossen, vielleicht ohne daß der König es wußte, da die Sache bloß zwischen Beust und Rabenhorst verhandelt worden. Friesen erfuhr es erst, als alles abgeschlossen war. Als nun Beust jene Worte in der Kammer gesprochen, sagte ihm Friesen, aber wie können Sie nur so etwas sagen, der Vertrag liegt ja vor. Beust antwortete, ja, ich kann mich jetzt nicht vor den Kammern bloß geben. Siegen wir, so ist Alles gut, kein Mensch wird fragen, was vorhergegangen ist – werden wir besiegt, so ist Alles verloren, Sachsen hört auf und dann ist es auch gleich, was ich gesagt habe. Als nun nach dem Kriege vom Kriegsministerium die Kriegsgeschichte durch Schuchart (?) /:es ist Schuster:/ bearbeitet ward, sagt Friesen Fabrice, er möge doch ihm Kenntnis geben, da doch auch politische Rücksichten mit eingriffen. Darauf schickt Fabrice ihm den ersten bereits gedruckten Bogen, der die ganze Geschichte der Verhandlungen mit Österreich, den Vertrag aktenmäßig referiert – also den König der Unwahrheit, Beust der Lüge überweise. Der Bogen wird nun cassiert und die Sache verschwiegen. Dagegen versicherte mir Beust, als er am 26. Dezember 1871 bei mir war, er habe dem König damals Alles, jede Depesche mitgetheilt. Ein bestimmter Vertrag sei mit Österreich nicht abgeschlossen gewesen, nur eventuelle militärische Bestimmungen habe Rabenhorst mit dem österreichischen Gene-
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ral getroffen. Österreich habe insbesondere verlangt, daß die sächsische Armee schon vor Ausbruch des Krieges nach Böhmen übertreten solle, was er verhindert habe (oder wogegen er gewesen sei). Was ist nun wahr?
Nr. 30 Karl v. Weber: Entwurf eines Schreibens der Landeskommission an den Preußischen Zivilkommissar von Wurmb wegen geforderter zusätzlicher Leistungen an Preußen. Dresden, 16. Juli 1866 An den K. Preußischen Civilkommissar Herrn Landrath von Wurmb Hochwohlgeboren. Die ergebenst unterzeichnete L.C. hat sich bereits wiederholt veranlaßt gesehen, mündlich und schriftlich Ew. Hochwohlgeboren Vermittlung in Anspruch zu nehmen in Beziehung theils auf die Requisitionen der K. Preußischen Militärbehörden, theils andern Maßnehmungen derselben, welche der Staatskasse wesentlich zur Last gefallen sind. Die LandesCommission glaubt aber gegenwärtig auf diese Angelegenheit zurückkommen zu müssen, bei der sie auf Ew. Hochwohlgeboren Wohlwollen des Entgegenkommen rechnen darf. /:Randbemerkung:/: N B. Bleibt ausgesetzt. Minister Friesen hat ein anderes Schreiben besonders wegen der Befestigungskosten Dresdens entworfen. Man hat diesseits beim Abschluß des Vertrages vom 20. Juni d. J. wegen der täglich zu leistenden Zahlung von 10 000 Taler allerdings vorausgesetzt, daß neben dieser Summe ein Mehreres vom Lande nicht werde verlangt werden, als was zum Unterhalt der im Königreich selbst stehenden K. Preuß. Armee wegen erfordert wird, ein Prinzip, dessen Beachtung die LandesCommisssion um so mehr erwarten konnte, als jene Zahlung nur ein Äquivalent für die K. Preuß. Seits beanspruchten Überschüsse des sächsischen Staatseinkommens sein sollte, von solchen aber keine Rede sein kann, wenn die ohnehin gegenwärtig wesentlich verminderten Staatseinkünfte durch außerordentliche Forderungen der K. Preuß. Militärbehörden im Voraus und ohne Rücksicht auf jene Zahlung in Anspruch genommen werden. Seit Abschluß jenes Vertrages sind aber Sachsen neben dem Unterhalt der hier eingerückten Armeen eine Menge außerordentlicher Leistungen angesonnen worden, welche allerdings auf keiner Weise zu der oben erwähnten Kategorie gehören dürften, wie die Pferdelieferungen und ähnliche Ausgaben, der Aufwand für die Befestigung Dresdens, ja es sind, wie die LandesCommission Ew. Hochwohlgeboren bereits unter dem 11. d. M. mitzuteilen hatte, die gesamten für Verpflegung der hiesigen K. Preuß.Truppen in Dresden für längere Zeit gesammelten Vorräte, deren sehr erheblicher Betrag Ew. Hochwohlgeboren am 15. d. M. nachträglich eröffnet worden, mit nach Böhmen geführt worden. Diese letztere Maßregel dürfte, wie Ew. Hochwohlgeboren ermessen werden, selbst den Grundsätzen des Kriegsbrauchs, dem Sachsen sich mit ruhiger Ergebung in sein Schicksaal zu unterwerfen gehabt hat, zuwiderlaufen, insofern dadurch dem Lande die Unterhaltung der Landeseinwohner und der hier befindlichen K.Preuß. Truppen dringend erforderlichen Hilfsmittel entzogen worden, um damit die in das an Hilfsquellen reichen Theil von Böhmen eingerückte K. Preuß. Armee zu versorgen. Durch diese von der LandesCommission nicht vorherzusehen gewesenen außerordentlichen Anforderungen wird aber allerdings die Basis, von welcher Man diesseits bei Abschluß des Vertrages vom 20. v. M. ausgegangen, so wesentlich geändert, daß die begründete Besorgnis entsteht, man werde, wenn ferner solche große außerordentliche Ansprüche an die Staatskassen erhoben werden, sich außer Stande sehen, der durch jenen Vertrag übernommenen Verpflichtungen nachzukommen. Die LandesCommission ersucht daher Ew. Hochwohlgeboren dringend, den hier bezeichneten Standpunkt ins Auge zu fassen und ihr eine beruhigende Zusicherung darüber zugehen zu lassen, daß entweder der Betrag der täglichen Zahlung herabgesetzt wird oder die obbezeichneten außrerordentlichen Leistungen nach einem billigen Ermessen dabei in Abrechnung gebracht werden. Schließlich hat die LandesCommission die auch bereits mündlich bei Sr. Excellenz dem Herrn Generalgouverneur für das Königreich Sachsen General der Infanterie von Schack angebrachte, von
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Demselben wohlwollend aufgenommene Bitte zu wiederholen, daß bei Leistungen, welche ihrer Umfänglichkeit oder Beschaffenheit wegen füglich nicht sofort von einem einzelnen Orte gewährt werden können (wie z. B. die gestern erforderten 200 Wagen), einer längeren Frist belassen werde, die es ermöglicht, auch andere zeither minder belastete Theile des Landes mit herbeizuziehen. Dresden, den 16. Juli 1866 K. S. LandesCommission
Nr. 31 Karl v. Weber: Protokoll über weitere preußische Aktenabgabefordernngen im Vollzug der Hauptkonvention vom 28. August 1819. Dresden, 27. August 1866 Dresden, den 27. August 1866 Heute Vormittag erschien im Bureau der Landescommission der mir von früher persönlich bekannte K. Preuß. Geh. Staatsarchivar und Archivrath von Mörner, begleitet von dem K.Preuß. Civilcommissar Herrn Landrath von Wurmb. Ersterer erklärte, er sei beauftragt, diejenigen älteren Archivalien, insbesondere Urkunden und Copialbücher der geistlichen Stifter und Corporationen von der K. Sächs. Regierung zu reclamieren, welche in den 1815 abgetretenen Landestheilen gelegen gewesen, eventuell auch die auf diese Landestheile entfallenden Lehnscopiale, welche bei den bis 1856 noch erfolgten Archivalien- und Actenübergaben bisher unberücksichtigt geblieben. Er bat zunächst um Vorlegung der Repertorien, um nach den daraus zu entnehmenden Notizen bestimmt formulierte Anträge stellen zu können. Der Herr Landrath von Wurmb erklärte in sehr höflicher Form, er bitte mich, den Antrag thunlichst zu berücksichtigen, da er angewiesen sei, ihn angelegentlich zu unterstützen, was ich denn, ohne eines weiteren Commentars zu bedürfen, verstand. Soviel die Hauptsache selbst anlangt, so sind jetzt alle Acten, welche sich speciell auf die 1815 abgetretenen Landestheile beziehen, abgegeben, allein von den Urkunden nur äußerst wenige, insbesondere sind alle auf Klöster in den abgetretenen Provinzen bezüglichen Urkunden hiergeblieben. Deren Existenz im hiesigen Archiv ist nie verheimlicht, vielmehr sind sie auch von preußischen Gelehrten vielfach benutzt worden. Sie sind lediglich von historischem Werth und bloß für die Wissenschaft von Interesse, jedenfalls erinnere ich mich keinen Falles, daß auch solche alte Urkunden in einem practischen Interesse zurückzugeben gewesen wäre. Deshalb hat man sie auch nicht zu den in der Hauptkonvention vom 28. August 1819 Art. XXX bezeichneten Schriftstücken gerechnet, welche für die Administration „für nothwendig und nützlich erachtet werden können“. Indessen ist dies allerdings ein Ausdruck, der speciellem Ermessen sehr viel Spielraum läßt und man würde sich daher, die Sache selbst bloß vom Rechtsboden aus betrachtet, dem Antrag Preußens auf Aushändigung jener Urkunden kaum entziehen können. Die Beachtung des rechtlichen Standpunktes allein steht aber jetzt nicht zu erwarten und man wird daher wohl oder übel sich fügen müssen. Für die sächsische Landesgeschichte im Speciellen geht dabei nicht viel verloren, es können dabei hauptsächlich nur z. B. Stiftungsurkunden in Frage kommen. Man würde sich rücksichtlich aller Urkunden, die abgegeben werden müssen, den Vorbehalt zu machen haben, daß deren Einsicht und Abschriftennahme jederzeit unweigerlich gestattet werde. Die Regesten und Verzeichnisse bleiben hier, also wird man auch nach Abgabe der Urkunden selbst immer noch deren Inhalte übersehen können. Lehnscopiale, welche lediglich abgetretene Landestheile betreffen, sind, soviel ich mich erinnere, gar nicht im Hauptstaatsarchiv vorhanden, an welches das Lehnsarchiv, das sich beim K. Appellationsgericht befindet, nicht gelangt ist. Einige Klostercopiale, ohne großen historischen Werth, werden vorhanden sein. Die Vorlegung der Repertorien über die Klosterurkunden und die die Klöster betreffenden alten Acten des ehem. Geheimen Archivs an Herrn von Mörner ist an sich unbedenklich. Diese Hilfsmittel
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sind von jeher den Gelehrten, welche sich mit historischen Forschungen im Hauptstaatsarchiv beschäftigten, vorgelegt worden und mußten ihnen vorgelegt werden, weil sie ohne dieselben gar nicht ersehen konnten, was vorhanden und von ihnen einzusehen war. Ich habe daher der K. LandesCommission gehorsamst anheim zu stellen, dem K. Gesamtministerium von dem Antrag Kenntnis zu geben und dasselbe zu ersuchen, die Direction des Hauptstaatsarchivs anzuweisen, nach Vorstehendem das Weitere mit Herrn von Mörner zu verhandeln. Da Herr von Mörner seine Arbeit baldigt in Angriff nehmen zu können wünscht, so würde die K. LandesCommission wohl kein Bedenken tragen, mich einstweilen mündlich zu ermächtigen, ihm die betreffenden Registranden vorzulegen Dresden, den 27. August 1866. v. Weber
Nr. 32 Brief von Fr. F. v. Beust an Karl v. Weber mit Ausführungen über sein Verhältnis zu Preußen. Bad Gasteien, 11. September 1866 Lieber Weber! Für den soeben erhaltenen Brief, der sich mit dem meinigen gekreuzt hat, danke ich herzlich. Du weißt, daß ich jede Meinung, namentlich wenn sie von Dir kommt, dankbar aufnehme. Sie hat mich aber überrascht. Die Dinge liegen sehr einfach. In den leitenden Kreisen in Berlin weiß man sehr wohl, was man von meinem Preußenhaß zu halten hat, weiß, daß ich ebenso oft mit Feinden als mit Österreich gegangen und Ihnen mehrmals sehr nützlich gewesen bin. Da ich aber unbequem und man auch sonst nicht wirklich hoffen konnte, mußte der Preußenhaß und die vermeintliche Urheberschaft des Krieges herhalten, um meine Entfernung dem Lande wünschenswert erscheinen zu lassen. Ich wußte vorher, daß die Verhandlungen darum nicht leichter, sondern im Gegentheil schwieriger werden würden und das ist auch richtig eingetreten. Jetzt bin ich nicht mehr unbequem, aber da Sachsen geschwächt werden soll, so bin ich in meinem vermeintlichen geheimen Einfluß ein Vorwand mehr dazu, daher muß ich gemaßregelt werden. Mir persönlcih ist das sehr gleichgültig, im Gegentheil. Mit dem refus /:Frevel:/, mich in Berlin verhandeln zu lassen, hat man mir in der politischen Welt ein Relief mehr gegeben und wenn ich wirklich eitel wäre, ging ich stracks nach Dresden, um es auf eine Ausweisung oder gar Gefangennahme ankommen zu lassen. Da ich aber für meinen Theil den Skandal nicht liebe, so werde ich, das wäre sonst mein Leben, jetzt nicht verlohren. Übrigens gibt es, das weiß ich, in Berlin nicht einflußreiche Personen, welche schon die Frage aufgeworfen haben, ob es klug sei, mich als Preußenfeindlich und unmöglich immerwährend auszuschreien. Nach meinen letzten Nachrichten hat sich die Stimmung gegen Sachsen und mein ebenfalls wohlbestandener Verlauf gemildert, Gott gebe dazu seinen Segen, dann wird vielleicht auch meine Wenigkeit etwas unbehelligter werden. Bis zum 20. bleibe ich hier, dann gehe ich nach München. Dein /:keine Unterschrift:/
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Nr. 33 Brief von Fr. F. v. Beust an Karl v. Weber mit der Bitte um Regelung seiner finanziellen Angelegenheiten in Dresden. Salzburg, 24. September 1866 Salzburg, den 24. September Mein alter Freund! Mit großer Freude und großem Dank habe ich hier Deinen lieben Brief vom /:kein Datum:/ erhalten. Indem ich mir vorbehalte, darauf ausführlicher zu antworten, bitte ich Dich heute, wenn möglich zu ermitteln, daß mit der beiligenden Quittung Du die darin bezifferte Summe erheben und dieselbe sodann dem Finanzprokurator Schmidt zustellen kannst. Nach der Allerhöchsten Resolution soll diese Gratifikation entweder aus dem Dispositionsfonds des Innern oder des Auswärtigen geleistet werden. In das Innere scheint die Sache gar nicht zu passen, wohl aber in das Auswärtige, obwohl es eigentlich mehr in den allgemeinen Regierungsaufwand gehörte.Wie Du weißt, ist diese Gratifikation darauf basiert, 1) daß mir buchstäblich, da ich bis Ende d. Monats August funktioniert, die Erhebung der Besoldung für 1. September zugebilligt war, diese aber später in Wegfall kam, 2) daß mir unschädlich die Beibehaltung der Wohnung bis Ostern zugebilligt war, endlich 3) daß mir durch die nothwendige Versetzung meiner Familie ins Ausland verschiedentlich Kosten erwachsen sind. Ich glaube, es wird keinem Anstand unterliegen, wenn im Auswärtigen die Summe auf Cap.73 ausgezahlt wird vorbehaltlich etwaiger Überweisung auf einen geheimen Fonds, was ich aber nicht wünschen würde. Ich habe in beiden Ministerien geheime Fonds creiert, das war mein Verdienst, indem ich das Risiko bei Übernahme der Kreditaktion auf meine Schultern lud, und ich möchte nicht, das man sagen könnte, es sei ein Groschen davon mir zu Gute gekommen. Der Vorschuß von 2 000 Taler wäre so ziemlich /:angemessen:/, wenn die Pariser Reise, die übrigens Sachsen viel einbrachte, und welche allerdings von Österreich hätte bezahlt werden sollen, ist gleichwohl sächsischerseits zu finanzieren, da der König mich dem Kaiser für politische Verwendung zur Disposition gestellt hatte. Du sprichst zum ersten Mal von verwickelten Verhältnissen. Ich wüsnchte, Du hättest das schon früher gethan, dann hätte ich Dich früher darüber beruhigen können. Ich habe allerdings wegen dem Staatsleben meine Privatangelegenheiten vernachlässigt, dabei einige schlechte Erfahrungen gemacht, ferner in der Metternichschen Angelegenheit die Repräsentation viel zu glänzend durchgeführt, dabei hat meine gute Frau nicht allein der Wirtschaft sich sehr angenommen, sondern durch Verwöhnung der Leute viel verthan und die Ausstattung meiner Tochter, wäre sie nach Bezahlung wie die einer Prinzessin eingerichtet, und den übermäßigen Pferdebestand habe ich auch ihr zu Liebe zugelassen. Trotzdem ist aber von einem Schuldenmachen nicht die Rede gewesen und namentlich nicht von einer Zahlungsinsufficenz. Das man möglichst gut mich behandelte, war wohl billig, nachdem ich dem Amt zu Liebe soviel zugesetzt. Herzlichen Dank auch für Deine Mitwirkung, man muß immer zufrieden sein, wenn das Mögliche nur versucht worden ist. Nachdem Du meine Neugierde gereizt, mußt Du mir sagen, wer der Mann ist, dem Albertus in Aussicht gestellt worden. Ich kann ihn schlechterdings nicht herausfinden. Du weißt, ich mache keinen Gebrauch davon und verfolge Niemand. Daß W /:Witzleben:/ der Verfasser der langen Zeitungsartikel von dem König war, ist wohl verfehlt und mir ist doch versichert worden, von ihm seien die scheußlichen Artikel in der Kölnischen Zeitung über mich von einer Dame gewesen. Bitte beschleunige die Erhebung der 1 000 Taler, damit Schmidt’s Anforderungen bezahlt werden kann.
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Nr. 34 Brief von Fr. F. v. Beust an Karl v. Weber über seine neuen Dienstverhältnisse in Österreich-Ungarn. Wien, 4. November 1866 Lieber Weber! Da mein gegenwärtiges Geschäftsleben sich zu meinem früheren verhält wie 3 zu 1, so erhälst Du es schriftlich verzeichnet. Also a) war es scheußlich von mir, Dir nicht längst geschrieben zu haben, aber ich durfte Dir nichts sagen und wollte Dich nicht belügen, b) ich hoffe, Du behandelst mich unter allen Verhältnissen als alter Freund mit alter Freundschaft und alter Offenheit. Dem Wunsch wird gefolgt werden, was umso leichter ist, als mich wahrscheinlich die Eröffnung des Ungarischen Landtages, der auch einige Wichtigkeit hat, bis zum 19. hier zurückhalten wird. Aufrichtig gesprochen hängt mir aber diese Feierlichkeit längst von meinem Erscheinen an, einesteils an der Lächerlichkeit, andernteils an etwas zu grenzen, was ich nicht nennen mag, und mir leid tut – nicht für mich. Ich kann Dir nicht sagen, daß die vielen Briefe, die ich aus Sachsen erhielt, mit dem aus deren Umgebung der Ministerien allein ertönenden Retror Satanas! sehr im Widespruch und in dem für mich sehr wohltuenden Widerruf standen. Jetzt, nachdem ich meinen neuen Dienst und Heimatverhältnis angetreten hatte und ich endlich von dem Bann mich befreit zu sehen. Was soll dann mein Erscheinen zur Zeit der Landtagseröffnung für schreckliche Folgen haben? Glaubt man, ich werde auf die Tribüne gehen oder mich als bei Hofe vorgestellter Fremder bei der Eröffnung einfinden? Ich glaube im Gegentheil, das könnte Friesen erwünscht sein, für mögliche Interpellationen über die Vergangenheit von mir manchen Aufschluß zu erhalten. Mit dem besten Willen, der ich Euch meine geliebte Erscheinung nicht verwehre, dieselbe auch nicht Dir anbieten, jetzt durch eine andere Person das Geschäft der Beantragung der Hinrichtung vorzubereiten, ebensowenig kann ich es nicht Anderen überlassen. Namentlich aber würde meine Frau bemüht, zu reden und die muß diese Worte aushalten. Also darum keine Feindschaft nicht. Die Preußen werden mir wahrscheinlich demnächst so artig wie möglich begegnen, also braucht sich kein Sachse zu fürchten.. Stets Dein Beust Wien, 4.11.66 /:Nachschrift:/ Mein Werk ist riesig. Meine Stellung schwierig, aber ich komme langsam vorwärts. 1849, nur der Unterschied: damals keine Anhänger, aber auch keinen Frieden – jetzt /:abgebrochen:/ /:Dazu Gedicht von Weber:/ Ich folgte willig, doch mit schwacher Hand, Dem tapfern Führer, den in Dir ich fand. Der Du mit Umsicht, Kühnheit und Verstand An Königs statt regiertest unser Land. Du warst der General, der das Kommando führte, Mit Barthel dem Fourier ich nur rangierte. Erhalte ich nun jetzt als unverdienten Lohn Als Kommandeur ein ganzes Bataillon. Er spräche, wenn sonst Gleichmäßigkeit regierte, Das Alles, wenigstens was Dir gebührte, Ein ganz Armeekorps, ja aber Der Hase liegt im Haber.
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Nr. 35 Schreiben von Staatsminister J. P. v. Falkenstein an Karl v. Weber zur Verleihung des Komthurkreuzes II. Klasse des Verdienstordens. Dresden, 12. November 1866 Hochgeehrter Herr Ministerial-Rath, Sr. Majestät der König haben beschlossen, Ihnen in voller Anerkennung Ihrer getreulichen und erfolgreichen Wirksamkeit, die Sie insonderheit auch während der letzten Kriegsepoche durch Ihre Geschäftsführung bei der damaligen Landes-Commission bewährt haben, das Comthurkreuz II. Classe des Verdienst-Ordens zu verleihen. Es gereicht mir zur ganz besonderen Freude, Ihnen dies Zeichen Allerhöchster Huld überreichen zu können, da ich Monate hindurch Zeuge davon gewesen bin, mit welch umsichtigem und unermüdlichem Eifer Sie bemüht waren, die Landes-Commission zu unterstützen und in welch seltener Weise dieses Ihnen gelang. Mit ausgezeichneter Hochachtung Dresden, am 12. November 1866 ergebener Falkenstein Decret und Statuten werden nachfolgen. /:Beigelegtes handschriftliches Gedicht von v. Falkenstein:/ Ritterlich hast Du gerungen Mit des Schicksals Wurm Siegreich hast Du ihn bezwungen In so manchem Sturm. Nun! Dein König, der dies wohl erkannt Hat zum „Kommandeur“ Dich heut ernannt. Und die LandesCommission Der Du ohne wanken Halfst ein ihr getreuer Sohn Sollte sie nicht danken ? Ja! Sie dankt dem Kommandeur mit Thaten: Sendet ihm 500 Mann Soldaten.
Nr. 36 Brief von Staatsminister R. C. v. Seebach aus Sachsen-Koburg an Karl v. Weber über die Beratungen zur Verfassung des Norddeutschen Bundes. Berlin, 16. Januar 1867 Wohl teile ich, mein alter Freund, die Überzeugung, daß die Lasten, welche der neue Bund den kleinen Staaten auferlegen wird, für diese, namentlich auch für die Thüringischen, unerschwinglich sein und ihnen, wenn nicht sofort, doch in aller Kürze die Existenzfähigkeit abschneiden werden. In der Vereinigung derselben unter sich, oder auch mit dem Königreich Sachsen – einer völligen oder partiellen – vermag ich aber kein geeignetes Mittel zu erkennen, die letztere Eventualität abzuwenden. Einmal schlage ich die Ersparnisse, welche dadurch in den Verwaltungsausgaben erzielt werden würden, nicht so hoch an, daß ich sie für ausreichend erachten könnte, den Steuerdruck bis auf einen ertragbaren Grad herabzuführen. Dann möchte ich aber auch sehr bezweifeln, daß unsere Landesvertretungen, der Fürsten nicht zu gedenken, zu einer solchen Umgestaltung der Verhältnisse die Hand bieten würden. Ich glaube
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mich vielmehr überzeugt halten zu dürfen, daß unsere Bevölkerungen, wenn sie sich einmal insignieren müssen, die selbständige staatliche Existenz aufzugeben, dann in der weit überwiegenden Mehrzahl vorziehen werden, einem großen Staat anzugehören, d. h. in Preußen aufzugehen. Dazu kommt, daß ich für meine Person die Ansicht habe, daß die Verfassung Deutschlands, wenn die Entwicklung ohne äußere Störungen ihren Gang nimmt – und das Gegenteil kann man doch nicht hoffen und wünschen – dem Einheitsstaat, wenigstens im Norden, unaufhaltsam zueilt. Das Verhältnis, wie es der jetzt vorliegende Verfassungsentwurf anstrebt, halte ich für ein naturwidriges und darum unhaltbares, nach den Annexionen, die eine Reihe von Mittelstaaten aus Deutschland hinweggewischt haben, aber überhaupt ein bundesstaatliches Verhältnis für die Dauer für ein Ding der Unmöglichkeit. Was bleibt dann am Ende Anderes ünbrig als der Einheitsstaat. Ich beklage dies umso tiefer, als ich mir sagen muß, daß in demselben Maße, wie sich der Norden zum Einheitsstaat entwickelt,, die Anschließung des Südens an den Norden lockerer und schwieriger wird, bin deshalb aber doch nicht im Stande, von der Zukunft mir ein anderes Bild zu construieren. Das Verschwinden der kleinen Staaten an sich würde mir minder beklagenswert erscheinen. Mit den höheren Lasten, die unter allen Umständen unvermeidlich sein werden, wird ihnen der wesentliche Vorzug genommen, den sie meiner Auffassung nach bisher vor den großen Staaten voraushatten, der, daß das Regiment, wenn es auch seinen früheren patriarchalischen Charakter verloren hat, sich doch bei der Kleinheit des Landes und aller Verhältnisse um die Individuen eingehender bekümmern konnte und sich in dem Besitze ausreichender Mittel befand, um für das Ganze und Einzelne manches Gute schaffen und da, wo es nötig war, Hilfe bringen zu können. Das Alles hört auf; die künftige Gestaltung läßt ihnen die Nachteile des kleinen Staates, gibt ihnen außerdem noch die Nachteile der großen und schließt sie von den Vorteilen Beider aus, das künftige Budget wird in der Einnahme die Zölle etc. entbehren und dafür höhere direkte Steuern aufzuweisen haben, in der Ausgabe aber werden neben dem Aufwand für nötige Anstalten wie Zucht – und Irrenhäuser noch die Beamtengehalte figurieren, für milde und produktive Zwecke aber nichts darin zu finden sein. Für mich wenigstens, das muß ich aufrichtig bekennen, hat der Gedanke, fortan noch an der Spitze der Regierung eines kleinen Staates zu stehen, so wenig Tröstliches, daß ich – wenn mich nicht die Rücksichten für meine Familie und die Erwägung, daß mir mein Rücktritt gerade in dem jetzigen Augenblick von dem Herzog und dem Lande als eine Art Fahnenflüchtigkeit ausgelegt werden würde, davon abhielten – nur zu gern dem Beispiel meines Altenburger Kollegen folgen möchte. Da sagst Du in gedrängter Kürze und in allgemeinem Unwissen mein politisches Glaubensbekenntnis, aus dem Du wohl auf die trübe Stimmung, in der ich mich befinde, schließen wirst, und leider ist der Aufenthalt hier nicht eben geeignet, dieselbe zu bessern. Gestern vor 8 Tagen war die letzte Sitzung der Konferenz; seitdem sind die Verhandlungen – weshalb, weiß ich nicht – vollständig ins Stocken geraten; neben der Ungewißheit, die noch über der nächsten Zukunft liegt, wirkt daher auch noch die Geschäftslosigkeit um so depremierender ein, als man sieht – mindestens muß ich dies von mir sagen – für andere Arbeiten oder für Zerstreuungen wenig aufgelegt fühlt. Die gesellschaftlichen Freuden, denen man sich doch nicht ganz entziehen kann, sind unter diesen Umständen für mich nichts weniger als solche, vielmehr eine wahre Pönitenz, und wohl nie mehr als jetzt sehnte ich mich nach meiner stillen Häuslichkeit zurück. Hätte man die Länge der Pause, die in den Verhandlungen eingeteten ist, im Voraus gekannt, so würde ich dieselbe gern zu einem Abstecher nach Dresden benutzt haben. Jetzt ist es ganz ungewiß, wann ich dazu kommen werde, doch wird es mir hoffentlich nächsten Monat zu dem Geburtstag meines alten Herrn möglich werden, mich auf einige Tage los zu machen. In dieser Hoffnung und mit der Bitte, mich Deiner Frau Gemahlin angelegentlichst zu empfehlen, auch Schimpff und Kyaw gelegentlich bestens von mir zu grüßen, in alter Anhänglichkeit Dein Seebach Berlin (Hotel de Rome, für den Fall, daß ich die Freude haben sollte, hier noch einen Brief von Dir zu erhalten) 16.1.67
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Dazugehörige Mitteilung von Falkenstein an Weber vom 17.1.67 Beifolgend erhalten Sie den Seebach-Brief mit angelegentlichem Dank zurück. Ich habe entschieden um vollständige Diskretion gebeten. Übrigens ist die Sache Gegenstand eines Gesprächs mit Larisch gewesen, aus dem sich ergeben hat, daß die S(eebach) Ansicht so ziemlich die allgemeine ist. Man ist weniger auf irgend solches zu thun, und ich in dem Anschein einen Schritt zu tun und haben könnte. Morgen Abend 6 Uhr soll Gesamtministeriumssitzung sein. Vielleicht suche ich Sie Vormittags auf, ich denke um 11 Uhr – auch ins Collegium zu gehen. Ergebenst Falkenstein
Nr. 37 König Johann: Bemerkungen über ein neues sächsisches Wahlgesetz. Undatiert (September 1867) Dem anliegenden Aufsatze stimme ich darin ganz bei, daß eine Reform der Kammerzusammensetzung, wie die Dinge liegen, unvermeidlich, auch der Schritt, wenn er einmal geschehen soll, ein ausreichender sein müsse, wenn ich auch nicht ganz die Hoffnung teile, daß durch eine solche Änderung das unter b. erwähnte Agitationsmittel ganz erlöschen werde. Andererseits kann ich nicht bergen, daß ich an eine solche Reform, die das wohlgefügte und durch die Erfahrung bewährte Gebäude unserer ständischen Verfassung zu erschüttern droht, mit schwerem Herzen gehe! Die Vorzüge, die unsere bisherige Einrichtung vor vielen anderen gezeigt hat, bestanden hauptsächlich in einer gewissen Solidität der Gesinnung in den Kammern, welche es der Regierung möglich machte, ihnen mit Vertrauen zu begegnen, ferner in der minder schroffen Stellung der ersten Kammer, welche ihr gerade ihr Vermittlungsgeschäft erleichterte. Es wird daher darauf ankommen, jene Vorzüge bei der Einrichtung möglichst zu bewahren, oder doch möglichst wenig zu beeinträchtigen. Die Mittel, welche unsere Gesetzgebung in Anwendung bringt, um den ersten jener Vorzüge namentlich bei Zusammensetzung der zweiten Kammer zu sichern, sind vier, 1. die indirekte Wahl, 2. das ständische Prinzip, 3. das Bezirkswahlprinzip, 4. der Census. Den Punkt 1 halte ich für den mindest wichtigen, und ohne das Bismarcksche raisonnement hierüber für unsere Verhältnisse ganz zu adaptieren, bin ich doch bereit, dieselbe fallen zu lassen und für Einführung direkter Wahlen mich zu erklären. Wichtiger erscheint mir der zweite Punkt. Gerade in dem Bewußtsein, daß der Abgeordnete nicht allgemein politische Ansichten, sondern gewisse Interessen zu vertreten habe, liegt ein Hauptgrund dessen, was ich Solidität der Gesinnungen nannte, eine Richtung aufs Praktische und nicht auf hohle Theorien. Auch ist nicht zu verkennen, daß gerade die ritterschaftlichen Wahlen, schon weil sie von einer Korporation ausgehen, bei der die Mitglieder untereinander bekannt sind, im Ganzen gut ausgefallen und der Kammer nützliche Elemente zugeführt haben. In minderem Grade läßt sich das von den Wahlen des Handels- und Gewerbstandes behaupten, obgleich die Sache mindestens der Idee nach ihr Gutes hat. Endlich bildet das ritterschaftliche Element in der 2. Kammer ein sehr ersprießliches Vermittlungsglied mit der 1. Kammer. Demohnerachtet würde ich mich, wenn auch mit schwerem Herzen, dafern nicht ein anderes Auskunftsmittel gefunden wird, auch hier für den getanen Vorschlag erklären, da einmal in Betreff der städtischen und bäuerlichen Wahlen durch das Gesetz von 1861 das eigentliche ständische Prinzip bereits
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aufgegeben ist, überdies eben in diesem Punkte der Hauptangriffsgegenstand gegen unser bisheriges Wahlsystem liegt und ohne Nachgeben in dieser Hinsicht kaum eine vollständige Versöhnung der öffentlichen Meinung zu erreichen sein möchte. Was dagegen den 3ten Punkt betrifft, so lege ich demselben ein größeres Gewicht bei, als der Verfasser des Aufsatzes. Die Beschränkung auf den Bezirk gibt mindestens einige Bürgschaft dafür, daß die Wahl nach wirklicher Personalkenntnis der Wähler und nicht nach Empfehlung der Parteiorgane erfolge. Das damit zusammenhängende Erfordernis des dreijährigen Aufenthaltes verbürgt eine engere Verbindung mit dem speziellen Vaterlande, die in jetziger Zeit besonders wichtig ist; endlich liegt es im Interesse der Sache /:namentlich bei einer engeren, zu Entscheidung politischer oder anderer Administrativ-Sachen berufenen Versammlung:/, daß die Mitglieder wirklich den verschiedenen Landesteilen angehören und deren Bedürfnisse kennen. Ich würde mich daher in diesem Punkte für Beibehaltung der bisherigen Bestimmung erklären. Was die Schwierigkeit wegen der Besitzer exemter Grundstücke betrifft, die im Aufsatze unter 3 2ter Absatz erwähnt wird, so könnte ihr abgeholfen werden, wenn die Bestimmmung dahin modificiert würde, daß entweder 3jähriger Wohnsitz in einer Gemeinde des Bezirkes oder 3jähriger Besitz eines vom Gemeindeverbande exemten Grundstücks erfordert würde. Es wäre dieses kleine Vorrecht ein genügender Ersatz für das Recht der besonderen ritterschaftlichen Wahl und ließe sich durch die Natur der Sache wohl rechtfertigen. Wenn endlich die Erfahrungen anderer Länder vielleicht nicht gegen Aufhebung dieses Grundsatzes sprechen sollten, so sprechen dagegen die Unsrigen entschieden für dessen Beibehaltung. Was endlich 4. den Census betrifft, so stimme ich mit dem Aufsatze für Beibehaltung desselben für die aktive Stimmberechtigung Ich würde selbst für die großen Städte mehr für Beibehaltung der 3 Taler sein, da sonst den kleinen Leuten in denselben leicht ein zu großes Übergewicht gegeben werden könnte. Doch ließe sich dies nur vollkommen nach statistischen Grundlagen übersehen, die mir zur Zeit fehlen. Für die passive Wahlfähigkeit lege ich auf den Census geringen Wert, doch dürfte es vielleicht zu empfehlen sein, denselben mit dem Census für die Stimmberechtigung gleichzustellen. Ein Hauptmittel, den Bedenken, welche mit einer solchen Veränderung verbunden sind, zu begegnen, suche ich übrigens darin, wenn das neue Wahlgesetz nicht mit einer Integralerneuerung der Kammern, sondern nach und nach ins Leben geführt wird. Es könnte dies in der Art geschehen, daß für die ausscheidenden Mitglieder von der Ritterschaft und dem Bauernstande ländliche Wahlen, für die ausscheidenden Städte und Industriellen dagegen städtische Wahlen erfolgten, aber von den Mitgliedern des Handels – und Fabrikstandes einer um den andern unersetzt blieben, um die Reduktion auf 75 zu bewirken. Einen Hauptvorzug unseres ständischen Wesens sehe ich darin, daß wir, mit Ausnahme der Kammern nach dem Wahlgesetz von 1848, nie eine Integralerneuerung der Kammern erlebt haben. Dadurch haben sich feste Traditionen in unseren Ständeversammlungen gebildet. Die neueintretenden Mitglieder, wenn sie auch manchmal mit sehr neuerungssüchtigen Ideen eintraten, mußten sich den erfahrenen Mitgliedern fügen und ehe der dritte Landtag, wo auch sie ausschieden, eintrat, waren sie schon eingeschult und hatten, um mich eines Bildes zu bedienen, den Stallmut verloren. Eine Integralerneuerung der Kammern nach neuem System könnte uns leicht eine Überzahl neuer Mitglieder bringen, welche Alles in Frage stellten. Auf diesen Punkt lege ich daher vorzügliches Gewicht. Was die Zusammensetzung der 1ten Kammer betrifft, so stimme ich in der Hauptsache ganz für die im Aufsatz niedergelegten Vorschläge. Ich glaube, daß es notwendig, die Kluft, die zwischen beiden Kammern zu entstehen droht, durch Hinzufügung eines populären Elements zu derselben etwas zu mindern. Aus diesem Grunde und zum Ersatz für die verlorenen besonderen Stellen in der 2ten Kammer würde ich für Vertretung des in Sachsen so wichtigen Gewerbestandes in derselben sein. Vielleicht in der Maße, daß von den vom König zu ernennenden 6 Mitgliedern /:die nicht der Ritterschaft angehören:/ 2 aus dem Handels- und Gewerbestande zu erwählen und 3 Mitglieder außerdem durch Wahl ganz nach dem bisher für die 2. Kammer für den Handels- und Gewerbestand geltenden Modus, jedoch auf
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Lebenszeit, hinzugefügt werden. Es hätte dies die Analogie der Ritterschaft für sich und würde auf diese Weise die Zahl der Mitglieder beider Kammern nur um 2 vermehren. Johann Herzog
Nr. 38 Brief von Staatsminister R. C. v. Seebach an Karl v. Weber mit der Bitte um geeignete Personalvorschläge für die Neubesetzung der Stelle des Staatsministers im Großherzogtum Sachsen-Weimar. Gotha, 5. Oktober 1870. – Karl v. Weber: Konzept zu den Charakteristiken für zwei Kandidaten. Undatiert Mein teuerer Freund! In Weimar hat man zur Ausfüllung der Lücke, die durch Watzdorf’s Tod vorhanden ist – sei es als dirigierender Minister oder nur als Departementschef – zwei sächsische Staatsdiener ins Auge gefaßt: den Geheimen Finanzrat von Thümmel und den Regierungsrat von Watzdorf, jetzt erst im Ministerium des Auswärtigen beschäftigt. Der Geheime Staatsrat Stichling kam vor einigen Tagen zu mir, teilte mir dies in strengstem Vertrauen mit, und bat mich, ihn über die Persönlichkeit der beiden Kandidaten, ihre Qualifikation etc. eine möglichst genaue Auskunft zu erteilen. Ich konnte seiner Bitte leider nur sehr unvollständig entsprechen, da ich Herrn v. Watzdorf so gut wie gar nicht, Herrn von Thümmel aber doch auch zu wenig kenne, um ein kompetentes Urteil über ihn zu fällen, und bemerkte, daß Du dazu besser als ich im Stande und solchenfalls gewiß auch gern bereit sein würdest, mit dem Hinzufügen, daß er Deiner Diskretion unbedingt vertrauen könne. Er ging auf den Gedanken ein, sagte mir, daß er denn in den nächsten Tagen nach Dresden reisen werde, um Dich aufzusuchen, und bat mich, ihn brieflich bei Dir einzuführen. Diesen Brief sendete ich ihm, aus der Beilage aber wirst Du ersehen, daß „man“ – bedeutet wohl Frau Großherzogin – Regentin – in Weimar vorgezogen hat, die gewünschte Auskunft durch meine Vermittlung von Dir zu erlangen. Nach dem weiteren Inhalte desselben verlangt man allerdings sehr viel zu wissen; je größer aber, bei den mannigfachen Beziehungen, die wir mit Weimar haben, das Interesse ist, welches ich selbst daran nehme, daß dort bei der Wahl des künftigen Ministers ein Fehlgriff vermieden werde, um so dankbarer würde ich Dir sein, wenn Du die Güte haben wolltest, mir Deine Ansicht über die Qualifikation der beiden Herren zu diesem Posten nicht nur mit voller Rücksichtslosigkeit, sondern auch mit möglichster Vollständigkeit auszusprechen. Solltest Du dann vielleicht wünschen, daß Deine schriftliche Auslegung nicht nach Weimar mitgeteilt werde, so würde ich diesen Wunsch natürlich erfüllen, und über das, was Du mir schreibts, in Weimar nur mündlich referieren, und dies auch nur insoweit, als mir daran keine Beschränkung von Dir auferlegt wird. Jedenfalls hoffe ich, daß Du mir, schon mit Rücksicht auf mein persönliches Interesse an einer glücklichen Lösung der Frage, nicht zürnen wirst, wenn ich in der Angelegenheit Deine Güte und Zeit in Anspruch nehme. Nun noch ein Gegenstand, der mir sehr am Herzen liegt. In den Zeitungen lese ich, daß Seiten des Bundeskanzleramts bei der sächsischen Regierung angefragt worden ist, ob sie in der Lage sei, für die okkupierten französischen Landesteile geeignete Beamte abzugeben. Mein Sohn Paul ist der französischen Sprache mächtig und da ich auch sonst an seiner Qualifikation nicht zweifele, so habe ich mir die Frage vorgelegt, ob ich ihm nicht vielleicht den Rat erteilen solle, den Minister Schneider zu bitten, ihn für eine derartige Stellung vorzuschlagen, in der er ohne Zweifel Arbeit genug finden und die wohl auch wegen der damit verbundenen höheren Verantwortlichkeit einen günstigen Einfluß auf seine moralische Haltung üben würde. Indeß verhehle ich mir andererseits die Bedenken nicht, die einem solchen Schritt entgegenstehen und möchte daher auch in dieser Angelegenheit zunächst an Deine Freundschaft und an Dein Urteil appellieren. Hieltest Du die Idee für ausführbar und wolltest Du selbst dem Minister Schneider gegenüber die Initiative ergreifen, so würde ich Dir doppelt dankbar sein. Die Verlobung
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Deines Sohnes ist hoffentlich nach Deinem Wunsche, also meinen herzlichsten Glückwunsch! Mit der Bitte, mich Deiner Frau Gemahlin angelegentlichst zu empfehlen, in aufrichtiger Anhänglichkeit Gotha Dein alter Freund Seebach Konzept von Weber für die Charakteristiken der Kandidaten A Regierungsrat von Watzdorf Charakter: In jeder Beziehung empfehlenswert, ein nobler vollständig zuverlässiger Mann, Kavalier im besten Sinne des Wortes; geistige Anlage: kein hervorragendes Genie, aber Verstand und Urteil, wohl nicht sehr produktiv, bedarf zur Zeit noch der Anleitung. Vermögensverhältnisse: sehr günstig, wird nach des Vaters Tode reich. Persönliche Erscheinung: sehr angenehm, eine elegante Erscheinung. Alter angehender Dreißiger. Umgangsformen, gesellschaftliche Stellung: gehört den ersten Kreisen an, in denen er sich ebenso wie seine Gemahlin mit Sicherheit und Takt zu bewegen versteht; allgemein beliebt und gern gesehen. Familienbeziehunngen: von altem Adel, verschwägert und verwandt mit dem alten Adel. Also die Persönlichkeit an sich in jeder Beziehung für einen Posten und Minister, der in unausgesetztem persönlichen Verkehr mit dem Hof und der Regentenfamilie zu treten hat, geeignet. Staats- und geschäftsmännische Bildung nicht hervorragend, es scheint ihm gründliches Wissen in der Rechtswissenschaft und auch Verwaltung zu fehlen, ist als Geschäftsmann überhaupt ziemlich unreif, hat wohl auch keinen Trieb, die Lücken seines Wissens durch ernstes Studium auszufüllen. Seine schnelle Karriere war nicht sowohl durch persönliche Verdienste erlangt, sondern mehr durch zufällige Umstände herbeigeführt. Nachdem er einige Jahre als Attache bei Gesandtschaften verweilt, ward er im Jahre 1866 ohne die eigentlich dazu nötigen Vorbereitungsdienste durchlaufen zu haben, im Ministerium des Innern als Regierungsrat angestellt und von da in diesem Jahr in das Ministerium des auswärtigen versetzt. Es fehlen ihm nicht nur gründliche Kenntnisse, sondern auch eine längere Geschäftserfahrung. Gelegenheit, sich bei kommissarischen und ständischen Verhandlungen zu bewähren, hat er nicht gehabt, daher auch nicht, sich als Redner zu zeigen. Der französischen Sprache ist er vollkommen mächtig, schriftlich wie mündlich. Politische und kirchliche Richtung konservativ, streng kirchlich. Um einen Ministerposten genügend auszufüllen, würde er noch Vieles zu lernen haben; seine Persönlichkeit aber würde überall ihm Achtung, Sympathie und Vertrauen sichern. B
Geheimer Finanzrat von Thümmel Bildet einen direkten Gegensatz: was W. abgeht besitzt er in hohem Grade, was diesen auszeichnet, fehlt ihm in mehrfacher Beziehung.Charakter: wie W. sehr solid, ganz zuverlässig, nur bedingt achtungswert. Geistige Befähigung steht jedenfalls höher als die W’s; er ist produktiv selbstdenkend. Vermögensverhältnisse günstig, hat von Sachsen-Altenburg, und von seinem Vater und von seinem Onkel geerbt. Persönliche Erscheinung: ein Vierziger, nicht elegant, weniger ansprechend als W’s. Gesellschaftliche Stellung, Umgangsformen: Berechtigt sich, in den ersten Kreisen zu bewegen, liebt daher überhaupt die Geselligkeit oft sehr, in der sich dagegen seine Gemahlin (geb. v. Winkler) sich mit Sicherheit und Anmut bewegt. Eine glückliche und bequeme Häuslichkeit zieht er den Gesellschaften vor, in denen er sich wenig zeigt und sich nicht heimisch fühlt. Seine Umgangsformen lassen zu wünschen übrig. Staatsmännische und Geschäftsbildung besitzt er in hohem Grade und dabei einen unermüdlichen, vor keiner Aufgabe zurückschreckenden Fleiß. Er hat sehr gute und gründliche juristische Kenntnisse und damit in den Zollangelegenheiten, ebenso genau bekannt und vertraut wie mit allem, was sich auf Handwerk, Handel und Industrie bezieht. Vorzüglich dann auch in allen Branchen, die Unternehmung vollständig zu Hause. Überhaupt würde er seinem Wissen nach den Posten eines Ministes des
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Innern gewiß ausfüllen. Bei kommissarischen Verhandlungen vielfach beteiligt, hat er dabei bald gute geschäftliche Gewandtheit und Intelligenz gezeigt und bei den ständischen Verhandlungen, ohne gerade große Beredsamkeit zu entwickeln, doch eine gewiße Rednergabe und Sicherheit bewährt. In der französischen Sprache scheint ihm die nötige Übung, um sie mit Leichtigkeit zu sprechen, abzugehen. Politische Richtung konservativ, kirchliche nicht besonders ausgeprägt. Resultat: nach seiner Bildung, seinem Wissen, seiner Befähigung ganz geeignet, nach seiner Persönlichkeit mit Rücksicht darauf, daß in Weimar das Ministerium eine Stellung zum Hof etc. annehmen muß, weniger. C
Dagegen Amtshauptmann von Könneritz Charakter – klug, wichtiger vielleicht schlau, doch nicht weniger aber als W. und Th. Für alle Situationen, bei denen sein eigenes Interesse in Frage kommen könnte, zuverlässig – zur Sparsamkeit geneigt. Geistige Befähigung – vorzüglich, produktiv. Selbständige Vermögensverhältnisse nicht unbemittelt, aber nicht reich. Persönliche Erscheinung: Ende der 30, elegant – gilt für schön. Gesellige Stellung: Umgangsformen – wie bei W. – doch etwas süßlich und geziert in seinem Wesen. Er würde jeden Hofposten mit Anstand und Würde versehen. Seine Gemahlin, Tochter des Reichskanzlers (Beust) eine angenehme gesellige, formgewandte Dame. In seinem Bezirk ist er sehr populär. Staats- und geschäftsmännische Durchbildung. Nicht im eigentlichen Sinne Jurist, aber höchst gewandter, gut durchgebildeter Verwaltungsbeamter. Er hat großes Geschick als Mitglied der 2. Kammer in der Behandlung derselben und bei den Deputationsberatungen gezeigt, schnelle Auffassungsgabe, verbunden mit Gesetzkenntnis hat ihn befähigt, bei den Kammerverhandlungen sich bald auch in ihren ferner liegenden Fächern zu orientieren. Genügende gründliche Kenntnisse der französischen Sprache, wenigstens in der Konversation. Politische und kirchliche Richtung streng konservativ. Resultat: würde nach seiner Persönlichkeit wie Vorbildung und Befähigung sich für jeden Ministerposten, insbesondere das innere und auswärtige Departement vollständig eignen..
Nr. 39 Sophie von Weber: Entwurf zu einer ironisch gemeinten Bekanntmachung über die Entlassung von J. P. v. Falkenstein als Kultusminister. Undatiert (September 1871) Theure Mitbürger und Freunde! Ein schwerer für Sachsen, Deutschland, ja für ganz Europa verhängnisvoller Tag naht heran, denn am 1. d. Monats wird unser bisheriger Kultusminister seinen Posten niederlegen. Ihr sagt mit bedauerndem Achselzucken, aber doch mit großer Gemütsruhe, daß Ihr das bedauert, weil Ihr wohl wißt, daß unter seiner wie seiner Räte Leitung die Universität Leipzig sich ungemein gehoben, Ihr erkennt an, daß er der orthodoxen Richtung nicht die Brücke trat, Ihr gedenkt seiner guten Reden und seines leutseligen Wesens, aber außerdem wißt Ihr nichts. Beruhigt Euch und geht Euren täglichen Geschäften nach Ihr armen Blinden! Ihr dauert mich. Ich will versuchen, Euch den Stern zu stechen, aber sehr ausdehnen kann ich mein Lob nicht, sonst kümmt Ihr vielleicht auf den Gedanken, daß in Sachsen, in Deutschland Nichts existierte, was nicht Falkenstein „Vater“ nannte. Frhr. Paul von Falkenstein wurde im Jahre 1801 geboren, aber denkt nicht, daß erst von seinem Geburtsjahre an sein Geist segnend auf unser Land ruhte, nein, schon früher war der Falke so lebhaft, daß er seine segnenden Strahlen ausbreiten mußte, und was wir Schönes und Großes unsern Lessing. Schiller, Goethe, Herrschel, was wir Haydn, Mozart und Beethoven an Herzen haben der Melodien, was wir in späterer Zeit, wo er selbst durch Wort und Rat mehr eingreifen konnte, was wir dem Meißel Rietschels, dem Pinsel Schwere’s und
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Bendemanns, der Kraft des Bogens dem Lipinski, der Weiche des Cellotons Kummer, den entzückenden Tönen der Schröder-Devrient zu danken meinten, es war Alles Falkensteins Werk. Und wenn Ihr jetzt meint, Bismarck habe die Idee des einigen Deutschlands gefaßt, Moltke die Kriegpläne entworfen, so irrt Ihr gründlich, meine Theuren, Falkenstein war es, der Ihnen sagte, wie sie es machen müßten! Nun wird es Euch klar werden, was wir an diesem Mann verlieren. Doch ein Trost bleibt uns! Er übernimmt das Ministerium des Königlichen Hauses, da findet er ein Feld, wo er noch Großes wirken kann.
Nr. 40 Ordnung bei Aufnahme des Herrn Direktors des Hauptstaatsarchivs Ministerialrats Dr. von Weber in den Schoß des hochwürdigen Domkapitels Meißen. Undatiert (Mai 1872) 1. Der aufzunehmende Domherr läßt, nachdem er seinen Aufenthalt im Vorzimmer des Sessionssaales genommen, seine Anwesenheit durch den Domglöckner Lische dem versammelten Domkapitel melden und wird, auf dazu vom Herrn Domdechant erhaltene Weisung vom Stiftssyndicus in das Sessionszimmer eingeführt; 2. er nimmt hier seinen Platz am unteren Ende der Sessionstafel und wird erholt, stehend sein Gesuch um Aufnahme in das Kapitel. 3. Der Herr Dechant beantwortet das Gesuch, zugleich unter Eröffnung des wegen des erbetenen Nachlasses des Religionseides vom Kapitel gefassten Beschlussses und fordert den Herrn Recipient zur Ablegung seines nach den Statuten mittelst Handschlages abzuleistenden Gelöbnisses: „das Wohl der evangelisch-lutherischen Kirche nach besten Kräften und Wissen zu fördern und die Rechte des Domkapitels wie der Domkirche nach den bestehenden Verträgen und Statuten zu wahren und zu beachten“ sowie eventuell zur Leistung des Religionseides auf. 4. Der Recipient begibt sich darauf an das obere Ende der Sessionstafel zur linken Hand des Dechants, leistet eventuell den ihm vom Syndicus abzunehmenden Religionseid und gibt das vorgedachte Versprechen in der Hand des Dechants ab, 5. worauf der Dechant, unter Erhebung sämtlicher Herrn Kapitularen von ihren Sitzen, die Receptionsformel ausspricht: „Unter Annahme Ihres soeben abgelegten Versprechens, ernenne ich Sie Kraft meines Amtes als Dechant des hochwürdigen Domkapitels des Hochstifts Meißen, in meinen und der übrigen Herrren Kapitularen Namen, zu einem wirklichen Domherrn und ich nehme Sie dazu sowie zu Unserem Confrater im Kapitel auf und weise Ihnen mit allen Rechten und Pflichten die unterste Stelle im Kapitel und im Chore an, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“. /: Randbemerkung Webers: Diese Wort wurden bei meiner Einführung von Herrn Minister von Nostitz-Wallwitz wohlweislich weggelassen.:/ 6. Hieran schließt sich die Überreichung des stiftsherrlichen Bestätigungsdekretes sowie Anlegung des Ordens. 7. Der neue Domherr begibt sich an seinen Sitz zurück und spricht von da aus stehend seinen Dank gegen das Kapitel aus, woran sich die Glückwünsche der einzelnen Kapitularen an den neuen Confrater reihen. 8. Der Letztere erhält die Statuten und den Revers über die Ordensdecoration zur Unterschrift vorgelegt und erhält 1 Exemplar vom Vertrage über Reform des Domkapitels vom Jahre 1859/60 sowie von den Statuten ausgehändigt. 9. Bei dem Zuge in die Kirche und aus derselben wird der neue Domherr von dem Domprobste und dem Dechanten in der Mitte geführt, in der Kirche ihm aber der unterste Platz angewiesen.
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10. Bei der Mittagstafel nimmt derselbe den Ehrensitz zwischen dem Domprobste und dem Dechanten ein. 11. Es findet Tafelmusik statt. Der erste Toast gilt Sr. Majestät dem König und Allerhöchstem Stiftsherrn, der zweite dem neuen Domherrn und der dritte wird von dem Letzteren auf das Wohl des Kapitels erwidert.
Nr. 41 Karl von Weber: Entgegnung auf den Toast bei seiner Einführung als Domprobst im Domstift Bautzen am 30. Juli 1872 Der hochwürdige Redner, der soeben die Gewogenheit gehabt hat, meine Gesundheit auszubringen, hat soviel Schmeichelhaftes über mich seiner Rede eingeflochten, daß meine Selbsterkenntnis mir sagt, daß es nur das persönliche Wohlwollen ist, das ihn bewog, meinen geringen Verdiensten eine so hohe unverdiente Anerkennung zu zollen. Darf ich noch eine Vermutung hieran knüpfen, so ist es die, daß er, wenn er mich jetzt als Probst hat leben lassen, mir zugleich eine Art Leichen- oder Standsrede hat halten wollen, bei denen es bekanntlich heißt de mortius nil nisi bene, also auch de praeposetis nil nihi bene. Wenn ich nämlich mich heute in Ihrer Gesellschaft durch Entwicklung eines ganz besonderen Appetits und eines außergewöhnlichen Durstes bewiesen, daß ich noch unter den Lebenden verweile und daß ich vielleicht selbst zu der Stellung eines wirklichen Probstes einige Anlage habe, von denen man ja behauptet, daß sie die Gaben Gottes auch im Weine zu schätzen wissen – so bin ich doch eigentlich als Probst nur ein Schema. Ich sitze hier gleichsam als Bennos Geist, als Symbol der Pröpste längst vergangener Jahrhunderte – eine Eintagsfliege. Meine Funktion heute begonnen, endet auch schon heute und wenn ich mich künftig einmal wieder in diesen Hallen zeigen sollte, so würde das hochwürdige Domkapitel berechtigt sein, mich als einen unberufenen Eindringling mit Güte oder sanfter Gewalt wieder zu entfernen, auf deutsch zur Tür, was man unter Brüdern an die Luft setzen nennt.
Nr. 42 Entwurf für die künstlerische Ausschmückung der Albrechtsburg zu Meißen. Undatiert (November 1874) Erste Etage Die jetzige Albrechtsburg nimmt die Stelle eines alten Markgrafencastelles ein, welches als Stützpunkt deutscher Cultur, als Bollwerk gegen die in der Nähe gesessenen Slawen und als Zufluchtsort für Bedrängte von hoher Bedeutung gewesen ist. Diese Vorgeschichte des Schlosses in einigen bezeichnenden Darstellungen zu vergegenwärtigen, bietet sich als der schicklichste Ort die große Vor- und Eingangshalle Nr. 162, 165, 168 dar. Dieselbe wird in den alten Beschreibungen des Schlosses als Kirchsaal bezeichnet, ohne Zweifel deshalb, weil hier im Anschlusse an die Kapelle Nr. 166 die vorbereitenden Privatandachten der Schloßgenossen, vor dem Gange zum Gottesdienst in den Dom, stattfanden, ihrer Lage und ihrer sonstigen Verwendung nach ist sie aber eine Vorhalle und wird als solche sowohl durch die Wahl der Gegenstände für die Wandgemälde als namentlich durch den Charakter der Dekoration zu bezeichnen sein. Was letztere betrifft, so darf sie jenes Maß von Glanz und Pracht nicht erreichen, welches dem nächstfolgenden großen Tafelsaale zusteht; besonders wird sie sich von diesem durch einen Fliesenfußboden unterscheiden müssen. Als Gegenstände für die hier anzubringenden Wandmalereien empfehlen sich:
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Wand k: König Heinrich I., der Städteerbauer, gründet die Burg Meißen. Blick auf das Elbtal. Rauchende Trümmer von Dörfern. Landleute schleppen gefesselte Slawen herbei, klagen dem Könige ihre Not und flehen ihn um Schutz an. Er läßt das Königsbanner aufpflanzen und weißt dem neuernannten Markgrafen den Platz zum Bau der Burg an. Wand a: Die Burg wird von den Polen bestürmt und beinahe erobert. Die Weiber helfen den Männern bei der Verteidigung und löschen das angelegte Feuer in Ermangelung von Wasser mit Met. Anno 1015. Wand c: König Philipp von Schwaben sucht vor seinen Gegnern Schutz bei dem Markgrafen Dietrich auf der Burg zu Meißen. 1203. Die Kapelle Nr. 166 Diese durch Herzog Georg den Bärtigen vollendete und unter ihm im Jahre 1524 geweihte Kapelle, welche wieder mit einem Altar versehen werden könnte, ist durch eine reiche schmiedeeiserne und mit Vergoldung zu zierende Gittertür als Heiligtum gegen die Vorhalle abzuschließen. Als Hauptdecoration empfehlen sich Glasmalereien in den Fenstern. Für das Fenster c wird die Gestalt des Evangelisten Johannes am angemessensten sein, dem die Kapelle geweiht war; neben ihm die des heiligen Donatus, dem zweiten Schutzpatron des Stifts. Für die beiden anderen Fenster werden, da der Evangelist Johannes bereits vorweg genommen ist und sich die vier Evangelisten überdies an der zum Dom gehörigen kleinen Johanneskapelle dargestellt finden, die vier großen Propheten in Vorschlag gebracht; für die Seitenwände des Eingangs a Kaiser Otto der Große als Begründer des Stifts Meißen und der berühmteste Bischof desselben, der heilige Benno, al fresco zu malen. Demnach ergeben sich folgende Darstellungen: Fenster c Der Evangelist Johannes und der heilige Donatus. Fenster e 1 Die Propheten Jesaias und Jeremias Fenster e 2 Die Propheten Ezechiel und Daniel Wand a 1 Kaiser Otto der Große Wand a 2 Bischof Benno Der große Tafelsaal Nr. 158 Um diesen Saal, in welchem nicht nur alle Festlichkeiten, sondern auch die Huldigungen abgehalten wurden, seiner hervorragenden Bedeutung gemäß vor allen übrigen Räumlichkeiten des Schlosses wirksam auszuzeichnen, wird es nicht nur notwendig sein, die polychrome Decoration so glanzvoll wie möglich zu halten und namentlich die Gewölberippen durch Vergoldung hervorzuheben, sondern auch die Plastik zum Schmuck der Wände heranzuziehen. Es wird deshalb projektiert, hier an den Wandpfeilern eine Reihe von Statuen solcher Fürsten aufzustellen, welche zu der Burg Meißen, der älteren wie der neueren, in näherer Beziehung standen. Diese Gestalten, welche wegen ihrer engen Verbindung mit der Architektur in vollkommener Ruhe zu halten sind, können aus Holz oder Sandstein hergestellt werden; da man aber einer künstlerischen Ausführung in letzterem Material sicherer ist, so wird dieses vorgeschlagen. In jedem Falle müssen dieselben, um gegen die Farbigkeit des Saales aufzukommen, bemalt werden; ein Verfahren, für welches aus gotischer Zeit Vorbilder genug vorhanden sind. Die Statuen würden eine Höhe von mehr als 2 Metern erhalten und auf Postamente von der Höhe der Pfeilersockel, 0,60 Mtr., zu stehen kommen. In Vorschlag werden gebracht: König Heinrich I. als Erbauer der alten Burg; Markgraf Konrad der Große, als derjenige, der die Markgrafschaft im Hause Wettin erblich gemacht hat; Heinrich der Erlauchte, der die Landgrafschaft Thüringen mit der Mark vereinigt, und, was die Burg im Besonderen betrifft, dieselbe durch den noch bestehenden Brückenbau mit dem St. Afra-Berge verband; Friedrich der Streitbare, der erste Kurfürst, der auch häufig auf der Burg residierte und in dem Dome zu Meißen
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beigesetzt wurde; Herzog Albrecht als Erbauer, Herzog Georg als Vollender, Kurfürst Johann Georg II. als Wiederhersteller des neueren Schlosses. An den freistehenden Pfeilern in der Mitte des Saales wird die Anbringung von steinernen und vermalten Wappen projektiert, welche auf die gegenüberstehenden Figuren Bezug haben. Dies ist deshalb sehr wünschenswert, um den Pfeilern, welche der Kapitelle ermangeln, eben einen gewissen Abschluss zu geben. Dem Könige Heinrich würde der Reichsadler gegenüberkommen; den Fürsten des sächsischen Hauses das Wappen der Landschaft, welche ein Jeder der Herrschaft hinzugefügt hat. Für die Wandmalereien werden Gegenstände aus der gemeinschaftlichen Geschichte der Brüder Ernst und Albrecht vorgeschlagen: der Prinzenraub, die Befreiung, vielleicht der spätere Besuch Albrechts bei den alten Köhlern, daneben in goldner Schrift der Text des in Bezug auf den Raub entstandenen Volksliedes, in welchem es z. B. heißt: „Was blast Dich Kunz für Unlust an, Daß Du ins Schloß reinsteigest, Und stiehlst die zarten Herren raus, Als der Churfürt eben war nit zu Haus, Die zarten Fürstenzweige.“ Für derartige zeitgenössische Gedichte, Aussprüche und Charakteristiken, welche an bezugsreicher Stelle immer eine sehr starke Wirkung üben, lassen sich überhaupt hie und da kleinere, sonst nicht verwendbare Flächen benutzen. Ferner empfiehlt sich als Gegenstand der Darstellung der erste Turniersieg des Herzogs Albrecht, den er als Jüngling von 16 Jahren bei einem Turnier zu Pirna erfocht, und die gemeinsame Belehnung der jugendlichen Brüder Ernst und Albrecht zu Eger im Jahre 1465. Die Aufstellung der Statuen wird so gedacht: Wandpfeiler (zwischen w u. x) Nr. 2 (zw. ii u. k) Nr. 3 (zw. k – n) Nr. 4 (zw. n – t) Nr. 5 (zw. a – b) Nr. 6 (zw. b – f) Nr. 7 (zw. f – i)
1 König Heinrich I. Gegenüber das Wappen mit dem Reichsadler 2 Konrad der Große „ „ der Mark Meißen 3 Heinrich der Erlauchte „ „ der Landgrafschaft Thüringen 4 Friedrich der Streitbare „ „ Kurwappen 5 Albrecht der Beherzte „ „ Wappen von Friesland 6 Georg der Bärtige „ „ Leisnig 7 Johann Georg II. „ „ Henneberg
Die Anordnung der Bilder, für welche inzwischen dem Maler freier Spielraum bleiben muß, ist etwa so in Aussicht genommen: Wände t, u, v Raub und Befreiung der Prinzen. Besuch Herzog Albrechts in der Köhlerhütte. Text des Liedes. Wand x Gemeinschaftliche Belehnung der Herzöge Ernst und Albrecht zu Eger durch Kaiser Friedrich III. 1465 Wand w Herzog Albrecht siegt als sechzehnjähriger Jüngling auf einem Turnier zu Pirna 1459 Der kleine Tafelsaal Nr. 161 Dieses Gemach als ehemaliger Vereinigungspunkt für die Familie wird am füglichsten den persönlichen Beziehungen und Schicksalen des Herzogs Albrecht gewidmet. Da aber die verwendbaren Wandflächen, bis auf eine, nur klein sind, so muß hier von Historienbildern, bis auf eines, abgesehen und eine andere Form der Vergegenwärtigung gewählt werden. Es wird an beziehungsreiche Architekturbilder gedacht, die, wie es scheint, gerade wegen des zwar allgemeineren, aber desto stimmungsreicheren Eindrucks, den sie machen, hier eben recht an ihrem Platze sind. Geburt, Verlobung, häusliches Glück und Tod sind die Gegenstände, auf welche gedeutet werden könnte. Ihnen würden entsprechen die
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Darstellungen des Geburtsschlosses Grimma, des Schlosses zu Eger, der Lieblingsresidenz Tharandt, des Domes zu Emden, wo das Herz des Herzogs bestattet liegt. Die Staffage, welcher ein mehr als gewöhnliches Gewicht zu geben wäre, hätte zu bestehen in einem Taufzuge, einem Verlobungszuge, einem Jagdzuge, einem Trauerzuge. Für die historische Darstellung der Verlobung, welche als ein besonderes bedeutsames Ereignis auch besonders hervorgehoben zu werden verdient, bietet sich eine ausreichend große Wandfläche an der Türseite dar. Dieselbe kann bei der großen Jugend der Verlobten, welche eine feine psychologische Behandlung herausfordert, zu einem reizenden Genrebilde werden, interessant noch obenein durch den Gegensatz zwischen Böhmen und Deutschen, hussitischen und römischen Geistlichen. Dies Bild wäre wie die Landschaften in Wachsmalerei auszuführen. Wand „ „ „ Wand
c „ „ „ a
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Anordnung der Stoffe: Schloß Grimma Schloß Eger Schloß Tharandt Dom zu Emden Verlobung des Herzogs Albrecht mit der Prinzessin Zedena, Tochter des Königs Georg Podiebrad von Böhmen zu Eger Ao. 1459 Die Kurfürstenzimmer Nr. 174, 171, 172, 175
Das Zimmer Nr. 174 bietet wohl geeignete Wandflächen für Malereien dar, ist aber wegen des vorspringenden Treppenturmes und einer Ecke des Domes, welche das Licht verbauen, zu dunkel. Überdies ist es seiner Lage nach ein Vorzimmer und als solches definitiv einfach zu behandeln. Nr. 175 entbehrt des Lichtes noch mehr und war Kammer oder Garderobe. In den Zimmern 171 und 172 ist dagegen der geeignetste Platz für die Darstellung der Taten des Herzogs Albrecht. Dieselben würden sich folgendermaßen anordnen lassen: Nr. 171 Wand c Herzog Albrecht ermutigt beim Überfalle von Neuß seine Mannschaften zum Aushalten 1474 Wand b Herzog Albrecht erteilt den Seinigen am heiligen Grab den Ritterschlag 1476 Es findet sich zwar ein Schreiben des Herzogs an seine Schwester von Brandenburg im Staatsarchive, in welchem ihr derselbe für ihren Glückwunsch zur glücklichen Rückkehr und zur Ritterschaft sowie für Übersendung einer Binde und einer Feder dankt, (Wittenberger Acten, Beschenkungen, Blatt 8 de d. Dresden Mittwoch circumcis dn, 1477); da aber Mergenthal in seiner ausführlichen handschriftlichen Beschreibung des Zuges nicht von Albrechts eigenem Ritterschlage spricht, so ist wohl anzunehmen, daß die Kurfürstin von Brandenburg hier das Wort „Ritterschaft“ in einem weiteren Sinne genommen habe, wenigstens darf man nicht wagen, darauf allein jenes Ereignis als Sujet des Bildes hier anzunehmen. – Übrigens kann hier auch ebensogut die Ankunft der Galeere am Strande von Joppe und das dabei stattgehabte Absingen des Te Deum zum Vorwurfe genommen werden. Die Darstellung des Meeres würde eine angenehme Abwechslung geben. Wand a 1 Albrecht führt dem Schlosse Negau in Ungarn Verstärkung und Fourage zu. Gefecht am Schlosse 1487 Wand a 2 Eroberung von Oreschet in Flandern 1489; oder Eroberung des Schlosses Ischke vor Brüssel 1489 oder der Stadt Thienen 1489. Wand der Fensterleibung Genrebild: Die verwitwete Herzogin von Burgund und deren Stiefenkelin Margarethe schneiden dem Herzoge auf Anstiften des Kaisers Maximilian bei Tafel hinterrücks den Bart ab, den er sich bis zur vollendeten Unterwerfung Flanderns wollte wachsen lassen. 1493.
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Zimmer Nr. 172 Wand „ „ „ „
e1 e2 a1 c
Albrecht zieht als Sieger in Harlem ein. 1492 Albrecht erzwingt die Übergabe von Slups. 1492 Die Westfriesen tragen dem Herzog Albrecht die Regentschaft über Westfriesland an. 1498 Albrecht entsetzt die belagerte Stadt Franeker, in welcher sein Sohn Heinrich eingeschlossen ist. 1500 a 2 Große Inschrift aus Pontus Heuterus Rerum Austriae lib. V cap. VIII, in welcher Stelle die Taten des Herzogs knapp und vollständig zusammengefaßt sind und die beginnt: „Fuit Dux Albertus Princeps temporis sui clarissimus – “ Zweite Etage
Da unter den Nachfolgern des Herzogs Albrecht keiner eine so enge Beziehung zu der Burg gehabt hat, daß man dessen Taten und Schicksale neben den seinigen hier vorzugsweise dargestellt zu sehen erwarten dürfte, so haben wohl die ferneren Geschicke der Burg selbst den nächsten Anspruch darauf, in den Wandmalereien der II. Etage zur Anschauung gebracht zu werden. Unter den in dieser Beziehung sich darbietenden Vorwürfen werden diejenigen zu wählen sein, welche ein allgemeineres politischhistorisches oder cultur-historisches Interesse haben und die sich dabei zu ansprechenden Zustandsoder Handlungsbildern gestalten lassen. Das Schloß hat einmal im Jahre 1547, während der Belagerung Leipzigs – die Universität in seinen Räumen aufnehmen müssen, ist dann der Versammlungsort mehrerer nicht unwichtiger theologischer Convente conziliatorischen Charakters gewesen, hat mehreren Fürsten, deren Bemühungen um die Förderung des geistigen und materiellen Wohles der Lande in besonders lebhaftem Andenken stehen, zu vorübergehender Residenz gedient, und ist schließlich im Jahre 1710 für die Fabrikation des neuen Porzellans eingerichtet worden, dessen Erfinder im Jahre 1705 hier mit alchymistischen Arbeiten beschäftigt gefangen gesessen hatte. Dies sind die Ereignissse und Momente, aus welchen die malerischen Sujets zu entnehmen wären. Wenn in die Reihe dieser Darstellungen auch die letzte Phase des Schlosses, die industrieelle Verwertung desselben, mit hineingezogen wird, so scheint dies um so unbedenklicher, als die „arkanische“ Behandlung der Herstellung des Porzellans, welche im Suchen nach dem Steine der Weisen und nach der Goldtinktur entdeckt wurde, durchaus mittelalterlich gemahnt und sehr wohl mit den gotischen Wölbungen der Räume und dem ganzen Charakter des Baues zusammenstimmt. Für das Wappenzimmer Nr. 289, welches für Historienbilder keinen Raum bietet, wird eine dem kleinen Tafelsaal analoge Art und Weise der Ausschmückung in Aussicht genommen. Nr. 282 und 295 sind Vorsäle und als solche einfach zu behandeln. Nr. 302 und 303 können aus denselben Gründen, wie die entsprechenden Zimmer der ersten Etage, keine Wandmalereien erhalten. Nr. 277–297, die alte Sammetmacherstube, bietet keine Flächen dar; es kann aber in der Decoration auf den früheren Zweck des Raumes Bezug genommen werden. Anordnung der Stoffe: Nr. 294 Die große Appellationsstube Wand b: Der von dem Kurfürsten Moritz berufene Conventus deliberativus verhandelt in dessen Anwesenheit über die Möglichkeit der Annahme des Augsburger Interims (zur Herstellung eines friedlichen Zustandes zwischen den Confessionen im Reiche.) Zugegen sind Georg von Anhalt, Domprobst zu Magdeburg und Meißen, Professor Förster von Wittenberg, Superintendent Pfeffinger von Leipzig, Cruciger und Georg Major, Philipp Greser, Johann Lauterbach und Melanchthon. 1. Juli 1548.
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Dokumentenanhang Nr. 286 oder 288
In Anwesenheit des Kurfürsten „Vater“ August wird von einem jungen, aber vermählten bürgerlichen Pfarrer zu Meißen zufolge des von ihm angeordneten Gebrauchs ein Obstbaum gepflanzt. Ein Winzer credenzt dem Kurfürsten einen Becher Weines. Der Kurfürstin Anna wird von einer Mutter ein krankes Kind gereicht, das sie auf den Arm nimmt und dem sie von der mitgebrachten Arznei einflößt. Bewegtes Culturbild. Die Wappenstube Nr. 289 Unter den bereits vorhandenen in Stein gehauenen Wappen werden die Ansichten der entsprechenden Stammburgen der Landschaften angebracht: unter denjenigen von Thüringen die Wartburg, unter dem herzoglichen Wappen von Sachsen die Burg Wettin, unter dem meißnischen Löwen das alte Markgrafenschloß zu Dresden, unter dem Wappen von Landsberg das gleichnamige Schloß. Nr. 298 Wand k 1 Wand k 2
Kurfürst Moritz eröffnet die Fürstenschule zu St. Afra. Die Leipziger Studenten ziehen in die Tore von Meißen ein. 1547. Nr. 299
Wand a 1
Wand a 2
Böttcher als gefangener Laborant im Schlosse. Alchymistisches Laboratorium, neben ihm der Secretär Matthieu, der Candidat Burkhard, der „alte Amaus“. An der Türe der wachhabende Gardeoffizier. 1705 König August der Starke besucht zum ersten Male die Räume der neueingerichteten Fabrik und läßt sich die Arcana zeigen. 1710
Nr. 43 Karl v. Weber: Dankschreiben an König Albert für die Verleihung des Komthurkreuzes I. Klasse des Verdienstordens. Dresden, 19. Juni 1878 Allerdurchlauchtigster König, Allergnädigster König und Herr, Ew. Königliche Majestät haben Allergnädigst geruht, mir das Comthurkreuz 1.Klasse des Verdienstordens zu verleihen. Ich habe Selbsterkenntis genug, um mir zu sagen, daß ich diese hohe Auszeichnung nicht meinem gegenwärtigen, in Folge meines Alters immer schwächer werdenden Leistungen zu verdanken habe, sondern ich betrachte sie als einen Beweis Aller Höchst Dero Gnaden und eines persönlichen Wohlwollens, welches meinem treuen Herzen unendlich wohlthut. Ew. Königliche Majestät sind in diesen Tagen so in Anspruch genommen, daß es höchst unbescheiden sein würde, wollte ich die Bitte wagen, meinen tiefgefühlten Dank persönlich aussprechen zu dürfen, ich lege ihn daher in diesen Zeilen nieder. Die gehobene Stimmung, welche in diesen Festtagen das ganze Land beherrscht, die innige Festfreude und Begeisterung, welche sich bei Hoch und Niedrig zu Tage legt, haben Ew. Majestät den Beweis gegeben, daß die alte Sachsentreue nicht erloschen ist, daß Albert „der Beherzte“ (II) nicht bloß Siege auf dem Schlachtfeld zu erringen, sondern sich auch die Herzen Seiner Untertanen zu erobern verstanden hat, eine Überzeugung, die gewiß Ew. Majestät mit hoher Freude erfüllt. Gestatten Ew. Königliche Majestät, daß ich meine und meiner, zu unaufschieblicher Kur seit mehreren Wochen in
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Karlsbad sich befindenden Frau, untertänigste und herzlichste Glückwünsche Ew. Majestät und Ihro Majestät der Königin zu Füßen lege. In tiefster Ehrfurcht, Ew. Königlichen Majestät Dresden, alleruntertänigst treugehorsamster den 19. Juni 1878 v. Weber
Nr. 44 Brief von Staatsminister G. Fr. A. v. Fabrice an Karl v. Weber mit weiteren Genesungswünschen und dem Wunsch zur Weiterführung der Dienstobliegenheiten im Gesamtministerium. Loschwitz, 12. Juli 1879 Loschwitz, 12.Juli 1879 Hochzuverehrender Geheimer Rat! Zunächst spreche ich Ihnen meine Freude darüber aus, daß wiederum eine Besserung in Ihrem Befinden eingetreten und die doch Aussicht vorhanden ist, daß mit dem eingetretenen günstigeren Wetter diese Besserung auch ungestört weiter fortschreite. Was nun aber Ihre gefällige Zuschrift anlangt, so vermag ich nur Dasjenige schriftlich zu wiederholen, was ich die Ehre hatte Ihrem Herrn Bruder mündlich zu äußern, daß nämlich ich nur dringend darum bitten kann, Sich zur Zeit wegen Erledigung der Geschäfte im Gesamtministerium Sorgen nicht zu machen. Ich beklage lebhaft, daß Dieselben durch Ihre Gesundheitsverhältnisse an der gewohnten Tätigkeit momentan gehindert sind, halte aber für wesentlich, daß Sie jetzt lediglich und allein Ihrer Pflege und Schonung sich widmen. Einstweilen werden wir uns so gut als möglich zu behelfen suchen; bedarf ich Ihres Rats, so behalte ich mir ja vor, mir denselben für den einzelnen Fall zu erbitten. Ich hoffe daher, auch von einer interimistisch zu treffenden Einrichtung Umgang nehmen zu können, zumal zur Not Referenten aus den betreffenden Ministerien beigezogen werden können. Schlagen Sie sich sonach namentlich die Gedanken wegen einer gänzlichen Enthebung von den Geschäften aus dem Sinn, da dieselben Ihrer Herstellung nur hinderlich sein können und Sr. M. der König nur in aller Weise beklagen müßte, wollten Sie Ihm Ihre bewährte, nicht zu ersetzende Unterstützung entziehen. Unter den aufrichtigsten Wünschen für einen guten Fortgang der eingetretenen Besserung beehre ich mich in ausgezeichneter Hochachtung zu sein Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebenster von Fabrice
Personenregister Fett gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf die Einleitung. A Abegg, Julius Friedrich Heinrich (1796–1868) Professor für Strafrecht an der Schlesischen FriedrichWilhelm-Universität Breslau 365 Abeken, Christian Wilhelm Ludwig von (1826–1890), sächs. Justizminister ab 1871 27, 402, 448, 471, 522, 564, 577, 599–604, 606, 609 f., 612, 617, 621 f., 625 f., 629, 631, 633, 641, 647, 648, 654, 661 f., 665, 672–674, 679 f. Abeken, Frau von Abeken, C. W. L. 657 Abeken junior (Selbstmord 1871) 592 Abendrot, Alexander von (1808–1872), Kriegsrat im sächs. Kriegsministerium 193, 197 Abd Ül Azizul (1830–1876) Sultan des Osmanischen Reiches von 1861 bis 1876 538 Ackermann, Gustav Adolph (1791–1872), Appellationsrat, Vater von Gustav Ackermann 155, 298 Ackermann, Johannes (1836–1918), Violonist, Kammermusikus 478, 534 Ackermann, Karl Gustav, (1820–1901), Rechtsanwalt in Dresden, Hofrat, Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung 1865–1898 604 Agdollo, Peter Alosius Marquis d’ (gest. 1800 auf der Festung Königstein), Flügeladjutant, Gesandter 288, 305 f. Albert, Herzog von Sachsen-Teschen (1738–1822), Reichsfeldmarschall 406 Albert, Prinz, König von Sachsen ab 1873 (1828–1902) 17, 19, 24, 131, 143, 187, 195, 222, 245, 248, 254, 263, 265, 278, 280, 286–288, 313, 316, 318, 320, 324, 347, 348, 351–353, 362 f., 367, 374, 381, 387, 393, 406, 414, 420 f., 425–427, 429, 431 f., 436, 441–443, 462, 454, 479, 481 f., 486, 493, 495, 508, 516–518, 522 f., 527 f., 530, 534, 541, 546, 548 f., 552, 556, 558 f., 583, 588, 592, 596 f., 599 f., 602, 604, 607, 612, 624–630, 632–634, 638–641, 643 f., 647–650, 652–656, 658–663, 665, 667, 669–675, 677, 679 f. Albert, Prinz von Sachsen-Coburg (1819–1861), Prinzgemahl der englischen Königin Viktoria 213, 235 Albrecht, Erzherzog von Österreich (1817–1895) 406 Alex, Eugen, Gymnaiallehrer im Schmidt’schen Mädcheninstitut 577 Alexander II. (1818–1881), ab 1855 Kaiser von Rußland 345 Alvensleben, Albrecht Graf von (1794–1858), preußischer Finanzminister 215 Amalia Augusta (1801–1877), Prinzessin von Bayern, Königin von Sachsen ab 1854 285, 374, 385, 418 f., 460, 464, 470, 512, 587 Ammon, Christoph Friedrich (1766–1850), Oberhofprediger 36, 45, 51, 86, 190 f., 229, 637 Ammon, Friedrich August von (1799–1861), kgl. Leibarzt, Geheimer Ministerialrat 141, 300 Ammon, von, Familie in Lindau am Bodensee 241 f. Ammon, von, Präsident in Köln 466 f. Andrassy, Gyula (Julius) (1823–1890), österreichischer Außenminister 616, 618 f., 639 Andreä, Karl Christian (1823–1904), Maler aus Köln, ab 1856 in Dresden 563 f., 585, 598, 617, 621, 633, 668 Andree, Johann Carl Gottlieb (1807–1876), Finanzsekretär, Kassendirektor beim Bezirksgericht Dresden, Schwiegersohn der Frau von Senfft 35 Andree, Richard (1835–1912), Geograph und Ethnologe 565 Anna, Kurfürstin von Sachsen (1532–1583) 21, 315, 412, 416, 425 Anna Maria (1836–1859), Prinzessin von Sachsen, Großherzogin von Toskana 308, 359, 651 Anton, König von Sachsen ab 1827 (1755–1836) 43 f., 50 f., 56, 63, 209, 278, 654 Antonelli, Giacomo (1806–1876), Kardinalstaatssekretär 416 Apel, Guido Theodor (1811–1867), Dr., Jurist und Dichter, erblindet 1836 620, 622 Apperney → siehe Apponyi
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Apponyi von Nagy-Apponyi, Rudolf Graf (geb. 1812), Gesandter Österreichs in London von 1860 bis 1870/1871 544 Arnim, Familie von 673 Arnim, Georg Heinrich Wolf von auf Planitz (1800–1855), Eisenhüttendirektor 185, 189, 317, 319 Arnold, Christian Friedrich (1823–1890), Architekt, Prof. 434 Arnost, Bernhard Johann (gest. 1873), Dr., Advokat in Dresden, Stadtverordnetenvorsteher 1854– 1864 390 Asseburg, Anne Friederike Luise Gräfin von (1822–1897) 596 Asseburg, Ludwig August Busso Konstantin Graf von (1796–1869), Schwiegervater von Fabrice 560 Aster, Friedrich Ernst (1786–1869), sächs.Oberst,, Ministerialrat im sächs.Kriegsministerium 97 Auerswald, Hans Adolf Erdmann von (1792–1848), preußischer General 106 Aus dem Winkel, Wilhelm Carl August, Mitglied des Komitees des gemeinnützigen Hausbauvereins Dresden 351 August (1773–1822), Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg 252 August, Kurfürst von Sachsen ab 1553 (1526–1586) 411 Augusta, Prinzessin von Sachsen (1782–1863) 35, 232, 258, 287, 291, 305, 333, 374, 385, 395 Augusta (1811–1890), Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, Frau von Wilhelm I. von Preußen 604 Austin, Jane (1775–1817), Lady, Schriftstellerin 388 Axt, Carl Wilhelm (1786–1863), Advokat in Dresden 43, 94 Ayrer, Frau von Karl Friedrich Ayrer, Appellationsrat am Appellationsgericht Dresden 328 Azeglio, Massimo Tapparelli, Marchese d’, (1798–1866), Ministerpräsident des Königreiches Sardinien 257 B Bach → siehe Bech, Emil Paul Bach → siehe Beck Bähr, Johann Karl (1801–1869), Maler und Schriftsteller, Hofrat 1855, Nachfolger von Zenker 290, 294, 334, 659, 663, 677 Bänsch, Johann Wilhelm Emmanuel von (1828–1899), Buchhändler 676 Bahr, sächsischer Betriebsingenieur 454, 490 Baillet von Latour, Theodor Graf von (1780–1848), österreich. Kriegsminister 107 Bakunin, Michael (1814–1876), russ. Anarchist 260 Balen → siehe Bahr Baranda → siehe Barante Barante, Erneste Baron de, Legationssekretär in der Gesandtschaft Frankreichs in Dresden 291 Barthel, Bote im sächs. Außenministerium 247 Bassenge, Heinrich Adolf (1808–1862), Bankier in Dresden 298 Bastian, Schriftsteller, Reisebericht über Siam 565 Baudissin, Adelbert Graf von (1820–1871), österreichischer Bergbeamter, holsteinischer Offizier aus Nordamerika 300, 305, 367 Baudissin, Wolf Heinrich Friedrich Karl Graf von (1789–1878), holsteinischer General 276, 300, 305 Baumann, Schusterswitwe, 1879 Pflegerin von Karl von Weber 680 Baumeister, Geheimer Justizrat 62 Beaulieu, Wilhelm Ernst Freiherr von Beaulieu-Marconnay (1786–1859), Geheimer Rat, Staatsminister im Herzogtum Oldenburg 562, 564 Bebel, August (1840–1913), Sozialdemokrat 17 f., 24 f., 590, 665 Bech, Emil Paul, Dr. med., praktischer Arzt und Geburtshelfer, Assistenzarzt in der Diakonissenanstalt 641 Beck, August (1815–1874), Bibliothekar und Archivrat in Gotha 252 Beck, Johann Ludwig Wilhelm (1786–1869), Präsident des Appellationsgerichts Leipzig 63, 384
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Beger, Schauspielerin in Dresden 185 Behr, Johann Heinrich August von (1793–1871), sächs. Finanzminister und Justizminister 127, 139, 146, 153, 159, 172, 183, 185, 188, 192 f., 196, 216, 243, 246, 258 f., 273, 276 f., 294, 306, 309, 311 f., 317, 319 f., 322, 324, 344, 353–355, 359, 361–365, 368, 378, 384, 386, 390, 397, 398, 405, 409, 414, 417 f., 422, 430–436, 439 Belitz → siehe Bielitz Bellmann, Christian Julius Maximilian, Ordonanz-Gensdarm im sächs. Innenministerium 491 Benda, von der, Referent des Finanzministeriums 1858 191 Benedetti, Vincent Graf (1817–1900), französischer Botschafter in Berlin von 1864 bis 1870 480 Benkendorf, Frau von Benkendorf, K. G., Generalswitwe 284, 287, 300, 305, 355, 560 Benkendorf, Konstantin Graf (1786–1856), russischer Generaladjutant, Gesandter in Stuttgart 65, 68, 277 Benson, Stephen Allen (1816–1865), Präsident der Repubik Liberia 385 Bentheim, Prinz Adolf Ludwig Albrecht Friedrich zu Tecklenburg-Rheda (1804–1874), preußischer Generalleutnant 458 Bentinck, Wilhelm Friedrich von (geb. 1801), preußischer Generalmajor 474 Berg, Franziska (1813–1893), Schauspielerin in Dresden 375 Berlepsch, Familie 288, 292, 298, 319, 336, 339, 352, 367, 369, 372, 375, 396, 408, 484, 485, 502, 521, 524, 546, 582, 621, 679 Berlepsch, Amalie Caroline von (1830–1900) 264, 277, 384 Berlepsch, Dietrich von, Regierungsrat in Leipzig 348, 387, 394, 445, 574, 576, 582 Berlepsch, Elisabeth Auguste von (1822–? ) 264, 335 Berlepsch, Ernst Otto von (1828–1870), sächs. Oberleutnant 257, 367, 462, 479, 484, 524, 574 f. Berlepsch, Gottlob Franz August Adolf Freiherr von (1790–1867), Geheimer Finanzrat, 1854 Oberlandforstmeister, Leiter der sächsischen Forstverwaltung 147, 231, 244, 257, 264 f., 280, 284, 338, 394, 427, 430, 541, 546 Berlepsch, Julius Adolph von (1829–1870), sächs. Hauptmann 409, 462, 536, 540, 557, 563, 575 f. Berlioz, Hector (1803–1869), Komponist 266 Bernhard II. (1800–1882), Herzog von Sachsen-Meiningen 343, 599 Bernhard III. (1851–1928), Prinz von Sachsen-Meiningen 666 Bernstorff, Albrecht Graf von (1809–1873), preußischer Außenminister 1861–1862 377, 382, 535 Berr, Klaus, Kaufmann auf der Schloßgasse in Dresden 420 Berthold, Carl Friedrich, Kaufmann in Dresden, Inhaber einer Seidenhandlung auf dem Altmarkt 41 Bertram, Postbote aus Pretzsch 321 Beschorner, Hans (1872–1956), Dr., Direktor Sächs. Hauptstaatsarchiv 32 Beschorner, Julius Hermann (1811–1886), Advokat, Finanzprokurator, Geheimer Hofrat 521 Beudink, von → siehe Bentinck Bethusy-Huc, Eduard Georg Graf von (1829–1893), Rittergutsbesitzer 328 Beust, Adolf von, Sohn von F. F. Beust 641 Beust, Friedrich Ferdinand Freiherr von (1809–1886), sächs. Außenminister 1849–1866, österreich. Reichskanzler, österreich. Gesandter in London und Paris 12, 16 f., 20, 25, 27, 29, 43 f., 52, 54, 57, 59, 70, 78–80, 83, 86–88, 95, 98, 101–103, 105, 116, 119, 122–125, 127–129, 132–134, 136– 143, 146–148, 151, 154, 156–188, 190–193, 196–201, 203 f., 206–209, 211 f., 214–218, 220–222, 224 f., 227–229, 233 f., 237–240, 243–250, 252–254, 256, 258–264, 267–269, 271–278, 280–284, 286, 288, 291, 293–318, 320, 322–325, 327, 329–336, 338–345, 347–349, 351–363, 365, 367–377, 379–389, 391–396, 398–407, 409–419, 421–428, 430–442, 445, 451, 456 f., 463–465, 468 f., 471, 477–482, 484–490, 493–496, 498 f., 501 f., 504 f., 507–510, 512, 515–519, 521, 524 f., 527, 530– 540, 545, 547, 550 f., 554, 557–559, 562, 568, 574, 577 f., 584 f., 590, 601, 606–610, 616, 618 f., 633, 636, 641,649, 650–652, 657, 665–667, 671, 674, 679, 682 Beust, Mathilde von (1817–1886), Frau von F. F. von Beust seit 1843, Tochter des bayerischen Generalleutnants Wilhelm Freiherr von Jordan und seiner Ehefrau Violanda geborene Gräfin von Sandi-
Personenregister
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zell 116,143, 148, 154,156, 164,178, 196, 206 f., 212, 216, 221, 233, 240, 244, 246, 267, 271 f., 293 f., 296, 302, 304–308, 310, 323–325, 327, 336, 363, 371, 433, 445 f., 448 f., 489, 496, 507, 522, 525, 530–532, 564, 618, 651, 657, 673, 674 Beust, Frau von Fr. K. v. Beust 371, 394, 498 f., 577, 616, 651, 660, 667 Beust, Friedrich Hermann Graf von (1813–1889), Großherzoglich-weimarischer Oberhofmarschall 255 Beust, Friedrich Karl von (geb. 1844 ), Sohn von F. F. v. Beust 325, 329, 373 Beust, Friedrich Konstantin Freiherr von (1806–1891), Oberberghauptmann, Direktor des Oberbergamtes Freiberg 56, 87, 88, 98, 104, 163, 178, 183, 187, 224, 238, 247, 264, 269, 271, 280, 291, 293 f., 345, 348, 498, 504, 539, 546, 616, 651, 665–667 Beust, Friedrich Karl Leopold von (1779–1845), Kammerherr, Obergerichtsrat 191 Beust, Joachim Friedrich Ferdinand von (geb. 1846 ), Dr., Sohn von Friedrich Konstantin von Beust 103, 564 Beust, Kammerherrin (1774–1854), Mutter von Fr. K. und F. F. von Beust 227, 268 Beust, preußischer Legationssekretär 633 Beust, Rosa Maria Auguste von (1845–1926), Tochter von Friedrich Konstantin von Beust., Patenkind von Karl von Weber 370, 375, 396, 425, 546, 564, 666 f., 671 Beust, von, Regierungssekretär 523 Biedermann, Gustav Heinrich Freiherr von (1789–1862), Amtshauptmann in Zwickau 59, 196 Biedermann, Karl (1812–1901), Prof. Dr., Jurist 25, 71, 85, 87, 171, 191, 222, 249, 437, 501, 562, 622, 624 Bieling, Alfred, Besitzer einer Dresdner Guß-Firma 676 Bielitz, Alexander, Geheimer Kanzlist im Gesamtministerium 514, 550 Binder, Freiherr von, österreichischer Gesandter 1842 in Dresden 61 Birch, Charlotte, geborene Pfeiffer (1800–1868), Schauspielerin und Dichterin, auch genannt BirchPfeiffer 178 Birer → siehe Birr Birnbaum, Heinrich Moritz (1784–1852), sächs.Generalleutnant, Kommandant der Festung Königstein 193 Birr, Georg von (1830–1919), bayerischer Finanzminister 1873–1877 627 Birth → siehe Birch Bismarck, Fürst Otto von (1815–1898), preußischer Ministerpräsident, Reichskanzler 12, 17, 24, 401, 410, 431, 438, 446, 451, 454, 464, 477, 481, 485 f., 502, 510–512, 522–525, 530, 532 f., 535, 537, 539, 543, 545, 556–558, 569, 577, 579 f., 588, 592, 614, 624, 655, 657, 674, 679 Blankmeister, Karl Ludwig Ferdinand (1819–1883), cand. jur. aus Adorf, Zeitungskorrespondent in New York 133 Blochmann, Rudolf Sigismund (1784–1871), Mechaniker, Lehrer an der Technischen Bildungsanstalt Dresden 13 Blöde, Gustav (1814–1888), Advokat, Stadtverordneter in Dresden 100, 122 Blog, Schriftsteller, Verfasser einer Reisebeschreibung von Amerika 182 Bloomer, Amalie Jenks (1818–1894), Amerikanerin, führte ab 1851 Hosen als Damenmode ein 236 Bludow, Andrej Dmitriewitsch Graf von (1819–1886), Gesandter Rußlands in Dresden 1865– 1868 520, 531, 561 Bludow, Gräfin von, Frau des russischen Gesandten Bludow 464 Blum, Robert (1807–1848), Theatersekretär in Leipzig, Demokrat 28, 64, 71, 76–79, 99, 104, 106 f., 112–114, 116, 133 f., 138, 201, 222, 226, 228 Boblick, Heinrich Adolf von (1719–1809), sächs. General 275, 317 f. Bock, Frau von → siehe Schröder-Devrient, Wilhelmine Bodemer, Johann Georg (1842–1916), Unternehmer in Zürich, Schwiegervater von Hermann Müller 397, 611 Bodemer-Müller, Nanny, Tochter des Kaufmanns Bodemer → siehe Müller, Hermann Böhlau 523 Böttcher, Carl Fedor (1817–1849), Advokat in Chemnitz, gefallen am 6. Mai 1849 133
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Böttiger, Karl August (1760–1835), Hofrat, Archäologe 20, 34, 609 Bondi, Jomtov Jontra (1782/83–1864), Bankier 318 Bonin, Adolf von (1803–1872), preußischer Gouverneur von Dresden 1866 515, 576 Bornemann, Emil Gustav Richard, Ministerialrat im sächs. Kultusministerium, Schulrat 607, 626 Bose, Hedwig von (1822–?), geb. von Bülow, Mutter des Schriftstellers Wickede 35 Bose, Karl Gustav Adolf von (1817–1893), interemistischer sächs.Außenminister 1866, Geheimer Rat 315–317, 342, 345, 504 f., 509, 511, 533, 535 f., 545, 551 Boxberg, Friedrich August von (1816–1871), sächs. Oberstleutnant, Kammerherr 474, 558 Brandenburg, Friedrich Wilhelm Graf von (1792–1850), preußischer General. Ministerpräsident 125, 309 Brandenstein, Karl Hermann von (1821–1891), sächs.Generalmajor, 1867 Militärkommissar in Berlin 583 f. Brauer, Carl Emil (1832–1888), kgl. Hofarzt 467 f., 499, 631 Braun, Alexander Karl Heinrich (1807–1868), Dr., sächs. Justizminister 1848/1849, ab 1850 Amtshauptmann von Plauen 28, 66, 68, 76, 79 f., 82–88, 90, 93–95, 97–101, 103, 108–113, 115–119, 121–129, 134, 141, 217, 230, 284, 289, 363 Bray-Steinburg, Otto Graf von (1807–1899), bayerischer Außenminister 580 Bredow, Otto Friedrich Karl August Ludwig Ferdinand Graf von (1824–1894), preußischer Appellationsgerichtsrat 178 Breidenbach, Julius von (gest. nach 1866), Ministerialrat, Gesandter von Hessen-Darmstadt in Stuttgart 69 Breithaupt, Johann Friedrich August (1791–1873), Prof für Mineralogie an der Bergakademie Freiberg, Oberbergrat 1863, 1840 Mitbegründer des Erzgebirgischen Steinkohlen-Aktienvereins, 1872 Ehrenbürger der Stadt Zwickau 208 Brendel, Christian Friedrich (1776–1861), Maschinendirektor beim Oberbergamt Freiberg 13 Bretschneider, Hermann Robert von (1786–1870), Kanzler des Fürstentums Reuß j. L. 117 Briegleb, Moritz Adolf (1809–1872), Advokat in Coburg 160, 235 Briesen, Louis Arthur von (1819–1896), preußischer Generalleutnant, Militärgouverneur von Sachsen 1866 505, 510 Brinkmann, pensionierter Appellationsrat aus Kiel 364 Britzko (auch Brietzke), Marie Friedrike Auguste (1808–1879), Freifrau von 238 Brockhaus, Heinrich (1804–1874), Verleger in Leipzig 316, 423, 667, 630 Broizem, Eduard von (1798–1872), Kreisdirektor der Kreisdirektion Leipzig 81, 382, 403, 452, 522, 531 f., 597 Bromme, Curt Ludwig, Buchhändler in Dresden, Besitzer der Walther’schen Hofbuchhandlung 337 Bruck, Karl Ludwig Freiherr von (1798–1860), österreich. Finanzminister 332 Brückmann, aus Osnabrück 364 Brückner, Johann Friedrich, von 1844 bis 1863 Amtshauptmann in Chemnitz 131, 265 Brühl, Heinrich Graf von (1700–1763), sächs. Premierminister 290, 366 Bruins, von, Belgier, ansässig in Leipzig, Abenteurer 157 Buchner, Johann Georg (1815–1857), Portrait- und Historienmaler 398 Budberg, Alexander Ferdinand von, genannt Bennigshausen, seit 1826 Kammerherr 91, 300, 303, 318, 331, 348, 414, 427, 501, 564, 628, 655 Budberg, Familie 371, 396, 612 Buddenbrock, Friedrich Ernst Wilhelm (1781–1867), preuß. Generalleutnant 99 Buddeus, Johann Karl Immanuel (1780–1844), Staatswissenschaftler, Dr., aus Frankfurt a. M. 531 Bülow, Hans Graf von (1807–1869), Unterstaatssekretär im preuß. Außenministerium 125 Bünau, Heinrich von (1697–1762) 366 Bürchl, Ludwig Johann, Violincellist in der Musikalischen Kapelle, Kammermusiker 580 Büttner, Gustav Hermann, Inspektor des Historischen Museums 434 Büttner, Kaufmann aus Lauban 134 Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand Graf von (1797–1865), österreich. Minister 215 f., 219
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Burg, Arzt in Loschwitz 681 Burgk, Carl Friedrich August Dathe Freiherr von (1791–1872), Unternehmer im Plauenschen Grund bei Dresden 150, 352 Burgsdorff, Carl Ludwig Gottlob von (gest. 1875), ab 1855 Kreisdirektor von Leipzig und ab 1875 Kreishauptmann der Kreishauptmannschaft Leipzig 321, 425, 469, 490, 498, 593 Burkhardt, Violonist 259, 350, 357, 362, 366 Burkl → siehe Bürchl Buttlar, Karl Friedrich Adolf Treusch von (1790–1856), sächs. Kriegsminister 70, 82, 100 f., 103 f., 106, 109 f., 113, 116 f., 120, 124, 126–128, 130 f., 253, 287, 304 C Calinich, Hermann Julius Robert (1834–1883), ab 1863 Diakon an St. Jakob Chemnitz 601, 602 Campana, Giampietro (1808–1880), 1849 Marquis de Cavelli, italienischer Kunstsammler 429 Carlowitz, Albert von (1802–1874), sächs. Justizminister, Präsident der Ersten Kammer des Sächs. Landtages, ab 1849 in Preußen 66, 68–70, 72–74, 77–79, 81 f., 88, 115, 119, 136, 140, 171 f., 179 f., 183, 224, 246, 306, 526 Carlowitz, Ernst Maximilian von (1803–1879), Gesandter Sachsens beim Großherzogtum SachsenWeimar 1852–1879 137, 147, 166, 168, 291, 403 Carlowitz, Frau von, Polizeidirectrice 371 Carlowitz, Frau von V. K. v. Carlowitz 287 Carlowitz, Victor Karl von auf Maxen (1809–1856), sächs. Hauptmann, Kammerherr 176, 287, 302 Caro, Jacob (1835–1904), Historiker, ab 1869 Professor an der Universität Breslau 564 Carolina (1833–1907), Prinzessin von Wasa, Königin von Sachsen ab 1873 245, 254, 352, 369, 393, 420, 425, 428, 434, 464, 591, 503, 549, 573, 583, 588, 624 f., 640, 656 f., 663, 665, 669, 673 Caroline Auguste (1792–1873), Prinzessín von Bayern, vierte Ehefrau von Kaiser Franz I. 623 Carstens, Agathe, aus Hamburg 208 Carus, Carl Gustav (1789–1867), Arzt, Naturforscher, Maler, Philosoph 25, 164, 178 Cerrini, Emil Hermann von di Monte-Vardi, Gensdarmerie-Oberinspektor, Leutnant v.d.A. 417, 490 f. Charlotte (1803–1880), Prinzessin von Holstein-Sonderburg-Augustenburg 178, 185, 188, 220, 222, 223, 248, 251, 264 f., 287, 300, 354 f., 371, 408, 463 Chalybäus, Heinrich Moritz (1796–1862), Prof., Philosoph 50 Choulant, Theodor (1827–1900), Architekturmaler 534 Christian I. (1560–1591), Kurfürst von Sachsen 411 Christian (1798–1869), Herzog von Holstein-Augustenburg 410 Christian IX. (1818–1906), Herzog von Schleswig 404, 519 Cocciani, Fürst 308 Contucazens, Fürst in Moldawien 372 Cortez, Komponist 34 Cotta, Bernhard von (1808–1879), Prof. an der Bergakademie Freiberg, Bergrat 13, 35, 91, 141, 154, 157, 193, 208, 271, 282, 345, 367, 388, 393, 481 f., 665 Cotta, Frau von B. v. Cotta 639 Cotta, Friedrich August von (1799–1860), Professor in Tharandt 35 Cotta, Heinrich von (1763–1844), Oberforstrat 13, 35, 296 Cranach, Lukas, d. Ä. (1472–1553), Maler 258 Craushaar, Karl Hermann von (1810–1893), kgl. sächs. Geheimer Rat, ab 1847 mit Klara Auguste von Beust (1821–1888) verheiratet 218, 264, 562 Criegern, Friedrich Theodor von (1801–1870), Präsident des Appellationsgerichtes Leipzig 261 f., 274, 378 f., 384, 397, 405, 519, 620–622 Criegern, Friedrich von (1834–1895), sächs. Geh. Rat, Referendar bei der Lazarettkommission 1866 466, 669 Cromwell, Oliver (1599–1658), Lord-Protektor der englischen Republik 208 Crusius, Wilhelm (1790–1858), Dr., Vorsitzender des Landeskulturrates Sachsen 75
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Cruziger, Christian Albert (1819–1877), Dr., Advokat, Justizminister von Sachsen-Altenburg 97 Cumberland, Herzog von → siehe Ernst August, König von Hannover Cuno, Emil (1805–1854), Appellationsrat in Zwickau, ab 1857 im Oberappellationsgericht 171 Czartoryski, Adam Kasimir Fürst (1734–1823), polnischer Magnat und Politiker 216 Czarzynski → siehe Tarzynski D Dalwigk zu Lichtenfels, Carl Friedrich Reinhard Freiherr von (1802–1880), Ministerpräsident vom Großherzogtum Hessen-Darmstadt 368, 580 Damm, Ernst, Sattlermeister in Dresden, Geschäft in der Heinrichstraße 390 Damm, Franz Wilhelm, sächs. Hauptmann, gefallen am 3. Juli 1866 bei Königgrätz 466 Dawison, Bogumil (1818–1872), Hofschauspieler 367 Delbrück, Minister in Hessen-Darmstadt 334 Delbrück, Rudolf von (1817–1903), Präsident des Reichskanzleramtes 576 f., 580 Dembinski, Ludwig Graf von (gest. 1845), seit 1844 Student an der Bergakademie Freiberg 61 f. Derschau, Frau von 318 Devrient, Emil (1803–1872), Sänger, Schauspieler 185, 393, 606, 616 Devrient, Philipp Eduard (1801–1877), Sänger, Schauspieler, Dramaturg 25 Devrient, Unternehmer aus Leipzig 528, 563 Dietrich, Heinrich Moritz (1818–1893), Oberst 1870 222 Dietsch, Rudolf (1814–1875), Prof., Gymnasiallehrer und Rektor der Fürstenschule Grimma 198 Dindorf, Carl Wilhelm (1813–1874), Kaufmann in Dresden, Stadtverordneter 92 Dirksen, Heinrich Eduard (1790–1868) Prof., Geheimer Justizrat in Berlin 160, 180 f. Dittrich, Joseph (1794–1853), Dr., Bischof, Hofprediger in Dresden 67 Döring, von, Oberpräsident aus Celle 364 Dohm, Christian Wilhelm von (1751–1820), politischer und historischer Schriftsteller 34 Dohna, Theophile Burggräfin und Gräfin zu (1786–1855) 178 Dorn, Heinrich Ludwig Egmont (1804–1892), ab 1849 Kapellmeister an der Berliner Oper, wohnt in Loschwitz 358, 362, 399 Drache, Ortsrichter in Kötzschenbroda 639 Drechsler, Hermann Adolph (1805–1888), auch „Wetterdrechsler“, Direktor des Mathematisch-Physik. Salons, Dr. phil., Hofrat 587 Droysen, Johann Gustav (1808–1884), Prof., Historiker 354, 356, 431, 564 Dürr, Oberinspektor in Lindau am Bodensee 241 Dürck, ein Bekannter der zwei Tittmanns in Dresden 55 Duesberg. Franz von (1793–1872), preuß. Finanzminister, Vorsitzender des Reichsgerichts Erfurt 1851 160 f., 166, 170–173, 176, 179–181, 187 Dufour-Feronce, Albert von (1798–1862), Geschäftsmann in Leipzig 14 Dulon, Rudolph (1807–1870), Pastor in Bremen 226, 234 Dungen, Emil August Victor Freiherr von (1802–1862), Minister a. D. in Hessen-Nassau 213 Dupascq, Baron von, franz. Historiker 336 Dziembowski, Maximilian Maria Aloysius von (1823–1901), sächs. Major, 1866–1871 königlicher Flügeladjutant 568 E Ebeling, Friedrich Wilhelm (1822–1893), Historiker, Biograph von Beust 562, 608, 610 Eberhardt, Friedrich (1795–1852), Polizeirat in Sachsen-Coburg, ab 1850 Geheimer Regierungsrat im sächs. Innenministerium 212, 224 Ebert, Friedrich Adolf (1791–1834), Direktor der kgl. Bibliothek 425 Ebert, Herausgeber der Sachsenzeitung 216 Eckardt, Maximilian Wilhelm (1817–1879), Advokat, Redakteur der Sachsenzeitung 235 Egidy, Christoph Arndt von (1838–1905), sächs. Hauptmann, 1870 im sächs. Kriegsministerium 568
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Egidy, von, Braut von Ernst Otto von Berlepsch 52 Ehrenstein, Carl Wolf von (1805–1862), Geheimer Finanzrat, sächs. Finanzminister 50, 56, 69, 72, 74, 76–81, 83, 88, 101 f., 119, 122–124, 127, 129, 132–134, 136–140, 145–148, 151, 153–155, 171, 176, 178, 183, 185, 188, 190, 196, 201 f., 206 f., 210, 212 f., 215 f., 228, 231, 245, 248, 256, 260, 264–266, 281, 283, 294 f., 304, 309, 319, 323, 325 f., 339 f., 347, 350, 360, f., 370, 381 f., 391, 398, 452, 465, 554, 671 Ehrenstein, Frau von C. W. v. Ehrenstein 389, 582–584 Ehrenstein, Wolf von, blinder Sohn von C. W. v. Ehrenstein 147, 265, 361, 519 Ehrenstein, Wolf von (gest. 1878), Amtshauptmann 582–585 Ehrenstein, Georg Otto von (1835–1907), sächs.Wirkl. Geh. Rat, Amtshauptmann von Rochlitz 1868– 1871, Landtagsabgeordneter 1873, 1874 633 Ehrenstein, Wilhelm von 372, 385, 393, 582 Ehrenstein, von, Legationsrat im sächs. Außenministerium 650 Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich (1779–1856), preußischer Kultusminister 67 Eichmann, Franz August (1793–1879), preußischer Gesandter, Wirklicher Geheimer Rat 529 f., 533 Eigenbrodt, Karl Christian (1769–1839), Ministerialrat aus Hessen-Darmstadt 180 Eilers, Albert (1830–1896), Tenor 288 Einert, Carl (1777–1855), Dr., Präsident des Handelsgerichtes Leipzig 40, 41, 53, 188, 231, 235, 240, 340, 396, 636, 637 Einsiedel, Detlev Graf von (1773–1861), sächs. Kabinettsminister 20, 34, 40, 43, 70, 198 f., 237, 245, 338, 350, 363, 365, 370 f., 373, 383–385, 389, 419 f. Einsiedel, Georg Kurt von, 1857–1859 Amtshauptmann von Rochlitz, 1860–1874 Amtshauptmann von Annaberg, 1874–1883 Kreishauptmann von Dresden 419, 622, 656, 657, 659 Einsiedel, Grafen von, auf Wolkenburg 658 Einsiedel, von, Familie 611 Eisendecher, Wilhelm von (1803–1880), Bevollmächtigter des Großherzogtums Oldenburg 289 Eisenstuck, Christian Gottlieb (1773–1853), Obersteuerprokurator in Dresden 52 Eisenstuck, Christian Jakob (1762–1851), Präsident des Landesjustizkollegiums 1833 53 Elisabeth Albertina (1862–1863), Tochter von Herzog Georg 374 Elisabeth (1837–1898), Prinzessin von Bayern, Kaiserin von Österreich 619, 639 Elisabeth (1830–1913), Prinzessin von Sachsen, Herzogin von Genua, heiratet 1858 Ferdinand Maria, Herzog von Genua 185, 257 Eller, Louis (1820–1862), Violinist aus Graz 281 Ende, Karl Heinrich Konstantin von (1784–1845), Polizeipräsident von Leipzig 41, 42, 45 Enfantin, Bartelemy Prosper (1798–1864), franz. Ingenieur, Projektant des Suezkanals 14 Engel, Karl August Maximilian von (1795–1881), sächs. Generalleutnant, kgl. General-Adjutant und Oberstallmeister 30, 344, 397, 419, 442, 444, 450, 454 f., 459, 467 f., 470, 473–476, 486, 488, 492 f., 496, 498, 593, 507, 509 f., 512–514, 519, 663 Engelhardt, Konditor in Dresden 33 Engels, Friedrich (1820–1895), Unternehmer und Philosoph 14 Eppendorf, Albrecht Moritz, Geheimer Regierungsrat, Stellvertretendes Mitglied der Kommission für Entscheidung über Kompetenzzweifel zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden 497, 522 f., 546 Erbe, Hans Alfred (1822–1895), Dr., Advokat in Altenburg 97 Erbstein, Camillo, Sohn von J. Th. Erbstein 363 f. Erbstein, Julius Theodor (1803–1882), seit 1829 Archivar im Sächs. Hauptstaatsarchiv 153 f., 156, 176, 199, 211, 226–228, 236, 239, 259, 274, 281, 296–298, 302, 311, 325, 330, 341, 357, 363, 470 f. Erckel, Johann Gottfried (1767–1833), Ratsbaumeister in Leipzig 42, 321 Erdmannsdorf, Heinrich Ludwig von (1776–1853), sächs. Oberforstmeister 421 Erdmannsdorf, Hermann von (1820–1878), sächs. Oberleutnant 111, 354, 494 Erkel, Bankier in Leipzig 185, 331 Erkel, Frau 478 f., 487, 669
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Personenregister
Ermisch, Hubert (1850–1932), Archivar im Sächs. Hauptstaatsarchiv 383, 564, 653, 674 Ernst August (1771–1851), König von Hannover, Herzog von Cumberland 169, 219, 386 Ernst (1826–1908), Herzog von Sachsen-Altenburg 577 Ernst II. (1818–1893), Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha 168, 181, 184, 194, 196, 207, 222 f., 248, 252, 279, 283, 309, 343, 348, 352, 368, 402, 435, 490 Ertel, Karl Friedrich Constanz, Appellationsrat am Appellationsgericht Dresden 163 Essenwein, August (1831–1892), Direktor des Germanischen Museums in Nürnberg 168, 552, 598 Evans, Evan (1765–1844), Spinnmeister, Maschinenbauer aus England 108 F Fabrice, Georg Friedrich Alfred von (1818–1891), sächs. Kriegsminister, ab 1876 Ministerpräsident 19, 27, 30, 375, 462, 482, 501, 510 f., 517, 520, 527, 529, 535, 542 f., 551, 553, 557 f., 561, 565, 571, 579, 583 f., 586, 588, 594–597, 602, 606, 617 f., 622, 626, 644, 649, 655 f., 660–663, 665, 668–676, 680 f.1 Falke, Johannes (1823–1876), Historiker, ab 1862 Archivar im Sächs Hauptstaatsarchiv 376, 385, 387, 399, 508, 590, 653, 654, 656 f. Falkenstein, Adolf Wilhelm Julius Freiherr von (1807–1874), 1854 königlicher Flügeladjutant von König Johann 298, 336 Falkenstein, Frau von J. P. v. Falkensein 426, 429, 499, 504, 587 Falkenstein, Johann Paul Freiherr von (1801–1882), Dr., sächs. Staatsminister 22, 24, 27, 30, 37, 63, 71, 74, 84, 186, 188, 235, 248, 259–262, 265, 273 f., 276 f., 285, 299, 301, 308 f., 312, 315, 338, 340–343, 346, 355 f., 362, 369, 376, 380, 383 f., 388, 392 f., 395–398, 403, 409–411, 413, 415, 419, 423–425, 427, 430–436, 438 f., 442, 444, 447, 450, 454 f., 458 f., 462 f., 465–467, 469, 471, 493–504, 506, 508–515, 517 f., 520–523, 525–529, 531–536, 539, 541–544, 548–551, 556–558, 561, 563, 565–581, 586–589, 591–602, 606–609, 614, 617, 619 f., 633 f., 649, 651, 657, 661, 663, 667 f., 672, 674, 676 f., 679, 681, 684 Feilitzsch, Alexander Christian Ernst Freiherr von (1803–1873), bayerischer Kammerherr, Universitätsfreund von Karl von Weber 206, 222 Felgenhauer, Wolf Christoph Friedrich (1726–1809), sächs.General, Kommandant von Dresden 19, 33 Feller, Karl Gottlob Daniel (1789–1870), Geheimer Kirchenrat 478, 482, 607, 654 Felß, Friedrich Ferdinand, Dr.med., Leichenschauarzt in Leipzig 48 Ferdinand II. (1578–1637), deutscher König und Kaiser 61 Ferdinand IV. (1836–1859), Großherzog der Toskana, heiratet 1856 Prinzessin Anna von Sachsen 308, 351, 419 Ferdinand Maria (1822–1854), Herzog von Genua 185, 192, 288 Ferrier, französischer Gesandter in Petersburg 438 Fiedler, Karl Ludwig Alfred (1835–nach 1901), Dr. med., Geheimer Rat, königlicher Hofarzt 631 f., 668, 676 Fischer, Karl Friedrich Albert, Gerichtsdirektor, Direktor des Gitterseer Aktienvereins 247, 257, 259, 314, 328 Fischer, Freiherr von, Präsident des Oberkonsistoriums 683 Fischer, Geheimer Sekretär 278, 418 f., 469, 514, 550, 618, , 620, 661, 668, 669, 673, 674 Fischer, Hans Ludwig Valerian Freiherr von, Obersteuerdirektor, Kreishauptmann des Erzgebirgischen Kreises 1816–1828 45 Fischer, Regierungsrat in Leipzig 678 Fischer, Rudolph Richard (1800–1852), Dr., Archidiakon in Leipzig 116, 216 Flathe, Heinrich Theodor (1827–1900), Historiker, Gymnasiallehrer 24, 385, 570, 609 Fleckeisen, Professor 608 Flemming, Maria Urania Auguste Juliana Freifrau von (1774–1826) 337 Förstemann, Ernst Wilhelm (1828–1906), Oberbibliothekar, Direktor der königlichen Bibliothek 425, 428, 562, 608
Personenregister
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Forkert, Johann Gottlieb, Klarinettist in der Musikalischen Kapelle, Kammermusiker 351 Forth-Rouen, Alexander Baron de Mollete (1809–1886), Minister-Bevollmächtigter von Frankreich, Gesandter in Dresden von 1855 bis 1870 302, 310, 312, 325 f., 331, 338, 349, 368 f., 371, 390, 400, 405, 407, 417, 423, 437, 446, 448 f., 453, 476 f., 480, 487, 496, 509, 515, 520–522, 524 f., 527, 531, 534–536, 539–541, 543, 551, 666 Forth-Rouen, Frau von (gestorben 1868) 547 Forwerk, Ludwig (1816–1875), Bischof 616 Fourier, Mitarbeiter im sächsischen Außenministerium 641 Fräntzel, Friedrich Ludwig von (1797–1860), königlicher Leibwundarzt, Oberst 188 Francke, Dr. jur., Stadtrichter in Harburg, Mitglied des Reichsgerichts Erfurt 160 f., 180, 364 Franke, August, Dr., Konsistorialrat im Landeskonsistorium und Pfarrer in Dresden 191 Franke, Dr., Rektor von St. Afra Meißen 423 Franke, Regierungspräsident in Sachsen-Koburg 298 Franz, Rudolf Eduard (1812–1886), Domprediger in Meißen 354 Franz Joseph I. (1830–1916), Kaiser von Österreich 107, 245, 247, 337, 344, 366, 401–403, 406, 462, 493, 514, 538, 559, 607, 614, 617–619, 639, 674 Frege, Woldemar (1811–1890), Direktor des Bankhauses Frege und Sohn. Speditions-, Kommissionsund Bankhaus Leipzig 89, 222 Freiesleben, Johann Wihelm Otto (1807–1890), Ministerialdirektor im sächs. Finanzministerium 41 Frenzel, Johann Friedrich (geb. 1814), 1849 Rechtskandidat, Advokat in Dresden 99 Frenzel, Johann Gottfried Abraham (1782–1855), ab 1844 Direktor des Kupferstichkabinetts 290 Freytag, Gustav (1806–1885), Schriftsteller 25 Friedberg, Emil Albert (1837–1910), Professor für Kirchenrecht an der Universität Leipzig 641 Friedburg → siehe Friedberg Friedemann, Friedrich Traugott, Prof. aus Nordhausen, Staatsarchivar von Nassau 1840–1853 255 Friederici, Gustav von (1800–1860), sächs Oberst, zuletzt Generalleutnant und Gouverneur von Dresden 146, 165, 229 Friedländer, Ernst (1841–1903), Geheimer Staatsarchivar im preußischen Geheimen Staatsarchiv 307 Friedrich (1831–1904), Erbherzog von Anhalt-Dessau 421 Friedrich (1814–1885), Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg 408 Friedrich (1826–1907), seit 1856 Großherzog von Baden 370 Friedrich II. (1712–1786), König von Preußen 192, 206, 307, 365 f., 383, 407 Friedrich III. (1808–1863), König von Dänemark 404 Friedrich August I. (1750–1827), König von Sachsen seit 1806 206, 235 f., 245, 290, 305, 634, 676 Friedrich August II. (1797–1854), König von Sachsen seit 1836 16 f., 27 f., 43 f., 52, 60–62, 65–67, 70–72, 74–77, 79–85, 87, 93–95, 97, 99, 102–104, 113, 115, 117, 119–124, 126–129, 131–133, 136, 138–146, 148–152, 154, 156, 158, 162, 164 f., 167, 169–171, 175, 184, 186–189, 192, 195, 202 f., 207 f., 211 f., 214, 216, 220, 228–230, 237 f., 243, 245, 254 f., 257–260, 262 f., 265, 267 f., 271, 273, 275–280, 283, 286, 288, 290, 319, 324, 393, 536, 547, 549 f., 634, 651, 680 Friedrich Christian (1722–1763), Kurfürst von Sachsen 634 Friedrich Karl (1828–1885), Kronprinz von Preußen 495, 497, 503, 518, 523, 529 Friedrich Wilhelm (1831–1888), Kronprinz von Preußen, 1888 Kaiser Friedrich III. 639 Friedrich Wilhelm I., (1802–1875), Kurfürst von Hessen 405, 453 Friedrich Wilhelm III. (1778–1840), König von Preußen seit 1797 53, 67, 245 Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), König von Preußen seit 1840 16 f., 115, 134, 162, 164, 258, 287, 304, 309, 514, 525 Friesen, Hermann von (1802–1882), Kgl. Sächs. Kammerherr, Oberhofmarschall 1871 375, 607 f., 613, 617, 620 Friesen, Luitbert Freiherr von (1816–1866), sächs. Hauptmann, nach Verwundung am 8. Juli 1866 in Böhmen verstorben 327, 337, 463, 467 Friesen, Richard Freiherr von (1808–1884), sächs. Innenminister 1849–1852, Finanzminister 1859– 1866, Außenminister 1866–1876, seit 1871 Vorsitzender des Gesamtministeriums 15, 25, 27, 30,
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148, 192 f., 197, 200, 213, 216, 224, 243 f., 253, 258 f., 324 f., 330, 332, 356 f., 368, 382, 387, 396, 403, 406, 411, 414, 427 f., 434 f., 438 f., 442–447, 449–451, 453–457, 461, 465–467, 469 f., 472–474, 476, 479–482, 486–489, 493 f., 496, 502–509, 511–515, 517–525, 527–534, 536, 539, 541–554, 556, 557, 565–569, 571, 573–581, 584–586, 588 f., 591–594, 596–603, 605–608, 610– 612, 614–618, 620, 622–634, 643 f., 647–652, 654, 656–663, 666, 671, 674, 679 Friesen, von, Frau des Friesen, von, Oberstleutnant 583 Friesen, von, Oberstleutnant 425 Friesen, von, Vizepräsident eines Appellationsgerichtes, Bruder von R. Frh. von Friesen 427, 660 Fritzsch, Albert Bernhard Freiherr von (1808–1882), sächs. Rittmeister, 1863 mit den Geschäften als Generalgouverneur von Dresden beauftragt 611, 664 f., 670 Fritsch, Generalin von 671 Fritsche, Friedrich Allwill, Appellationsgerichtssekretär beim Appellationsgericht Dresden 115, 419 Fritsche, Karl Ludwig, Advokat, Sekretär der Forstakademie Tharandt 120 Fritzsche, Julius 18 Fröbel, Julius (1805–1893), Publizist und Politiker 263 Fröhlich, Pfarrer in der Diakonissenanstalt Dresden 640 Fuchs-Nordhoff, Julius Wilhelm Freiherr von (1821–1895), sächs. Geheimer Kammerrat 656 f., 671, 674, 678 Fuhre, Kommunalgardist 1831 314 Funck, Karl Wilhelm Ferdinand von (1761–1828), sächs. General 25, 667 Funcke, Ernst Hugo (1826–1878), 1861 Ordonanzoffizier bei König Johann, Oberstleutnant 1872 425 Funke, Gottlob Leberecht, Dr., Geheimer Regierungsrat im sächs. Innenministerium, Hofrat 49 G Gablenz, Anton August Freiherr von, Mitglied der Zweiten Kammer des Sächs. Landtages 1845 und 1847, Direktor der sächs. Staatseisenbahn 73, 103 Gablenz, Anton Gustav Freiherr von (1780–1878) Direktor der Schlesischen Eisenbahn 1849 115, 449 f., 453 Gablenz, Robert Adolph von (1809–1883), Rittmeister, Wirtschaftschef im 2. Reiterregiment 69, 149 Gäbler, Kammerrat, Besitzer des Rittergutes Ober- und Niederkreischa 305 Gärtner, Carl Heinrich (1817–1881), Buchdruckerei-Besitzer in Dresden 106 Gagern, Heinrich Wilhelm Freiherr von (1799–1880), Präsident der Frankfurter Nationalversammlung 85, 550 Galen, Ferdinand Karl Hubert Graf von (1803–1881), Gesandter Preußens in Dresden 177, 183 Gambetta, Leon (1838–1882), franz. Politiker, Präsident der Dritten Republik 587 Gebert, Karl Wilhelm, Geheimer Justizrat im sächs. Justizministerium 587, 597 f., 600 Geffroy, Mathieu Auguste (1820–1895), französischer Geschichtsschreiber, Archivbenutzer 369 f., 375, 407 Gehe, Franz Ludwig (1810–1882), Drogist und Fabrikant in Dresden 228, 462 Geier, Karl Friedrich Otto (1795–1872), sächs. Ökonomierat, Rittergutsbesitzer 293 Geißler, Dr., aus Großseitschen, Numismatiker 427, 430, 603, 615 Gellert, Christian Fürchtegott (1715–1769), Dichter, Moralphilosoph 350 Gener, Rudolf, Schauspieler 572 Gentz, Friedrich von (1764–1832), Jurist, Politiker und Publizist 172 Georg der Bärtige (1471–1539), Herzog von Sachsen 434 Georg (1832–1904), Prinz, ab 1902 König von Sachsen 220, 288, 302, 316 f., 327, 329, 330 f., 334, 337, 340, 353, 372, 374, 381, 396, 412, 425–427, 431, 443, 462, 464, 470, 473 f., 479, 486, 516 f., 527, 545, 548, 556 f., 562, 582 f., 589, 592, 596–599, 602–605, 607, 609, 612, 626 f., 629, 634, 641, 643, 650 f., 655 f., 659, 662 f., 665, 667 f., 671, 675, 679 f. Georg II. (1826–1914), Erbherzog von Sachsen-Meiningen 630, 633 Georg V. (1819–1878), König von Hannover von 1851 bis 1866 230, 235, 334, 342
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Georgi, Robert (1802–1869), Fabrikbesitzer in Mylau, sächs. Finanzminister 1848/1849 14, 28, 81, 82, 84, 95, 100, 116 f., 122, 124–126, 130 f., 149, 171, 195, 222, 356, 430 Gerber, Carl von (1823–1892), Prof., sächs. Kultusminister 415, 434, 514, 592, 595–600, 602, 604–606, 608–610, 613 f., 620, 622–627, 629, 633, 640 f., 644, 647, 654 f., 661–663, 666 f., 670, 673–675, 677 Gerber, Frau des Gerber, Carl von 606 Gerber (Kruzifix Augustusbrücke) 237 Geringemuth, August Ferdinand, (gest. 1854), Dr. phil., Archivsekretär im Sächs. Hauptstaatsarchiv 178, 211, 280 f. Gerring, sächs. Leutnant, Hauptmann der 30. Kompanie der Dresdner Kommunalgarde 48 Gersdorf, Ernst Gotthelf (1804–1874), Hofrat, Oberbibliothekar 341, 343, 358 f., 424 Gersdorf, Georg Rudolf von (1804–1894), Oberhofmarschall 143, 207, 234, 245, 285, 319, 355 f., 363, 409, 412, 484, 496, 499, 513, 563 f., 589, 600, 613, 668, 670 Gerskamp, Heinrich, Gastwirt, Besitzer des Hotels de Saxe in Dresden 321 Gerstäcker, Karl Friedrich Wilhelm (1773–1852), Dr., Jurist an der Universität Leipzig 40 Giesecke, Hermann (1831–1900), Unternehmer, ab 1854 Verleger in Leipzig 528, 563 Girndt, Otto (1835–1911), Schriftsteller 500 Gise, Maximilian Freiherr von (1817–1890), bayerischer Gesandter in Dresden 1848 bis 1868 133, 319, 322, 323, 426, 520 f. Gladewitz, Afraner 256 Glänzel, Bäcker in Dresden, Kommunalgardist 1831 314 Globig, Hans August Fürchtegott von (1773–1832), Oberkonsistorialpräsident, Kammerherr 40, 683 Glöckner, Johann George Konstantin, Jurist, Gerichtsrat, Geheimer Rat 199 Görtz → siehe Schlitz Götz, von, Oberstleutnant 613, 619 Goethe, Johann Wolfgang von (1749–1832), Dichter, weimarischer Staatsmann 36, 37, 57, 60, 161, 164, 317 Goldacker, Ernst Willibald von (1810–1892) 157, 231, 265, 272 Gontard, Karl Emil Leopold August von (1806–1874), preußischer Oberst, 1866 Kommandant von Dresden 471 Gordon, Lady, Enkelin der Schriftstellerin Austin 380 Gottschalk, Präsidentin (steinalt) 488 Goutard, von → siehe Gontard Gräfe, Alexander, kleinbürgerlicher Demokrat aus Crimmitschau 90 Grässe, Johann Georg Theodor (1814–1885), Hofrat, Direktor der Porzellansammlung 344 Graffenegg, von, österreichischer. Legationsrat 568 Graff, Anton (1736–1813), Maler Gretschel, Carl Christian Carus (1803–1848), Publizist, Historiker, Zensor in Leipzig 76 Grimm, Anton Theodor von (1805–1878), Pädagoge, Erzieher am Zarenhof, russischer Staatsrat 277 Groß, Johann Karl (1778–1866), Dr., Geheimer Justizrat 331 Großherzog von Florenz → siehe Ferdinand, Großherzog von Toskana Großherzog von Hessen-Darmstadt → siehe Karl, Großherzog von Hessen-Darmstadt Gruber, Afraner 256 Grüner, Joseph Ritter von (1812–1889), Ministerialrat, österreich. Generalkonsul in Leipzig 37 Grüner, Joseph Sebastian (1780–1864), Jurist, Kriminalrat, Polizeidirektor von Eger 37 Grünler, Julius Heinrich, Geheimer Legationsrat im sächsischen Außenministerium 253 Gruner, Carl Bernhard (1814–1887), Advokat, Führer der äußersten Linken im Sächs. Landtag 144 Gruner, Frau von 429, 544, 553, 576, 649 Gruner, Karl Gustav Adolph (1781–1831), Dr., Oberkonsistorialpräsident 47–49 Gruner, Professor, Direktor des Kupferstichkabinetts 369, 380, 429, 554, 666 Gruner, stud. med. 643
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Grunlas → siehe Grünler Gülich, Familie 261, 339, 553 Günther, Carl Friedrich (1786–1864), Dr., Jurist, Prof. in Leipzig 40, 41, 235 Günther, Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt 402 Günther, Karl Theodor (1811–1879/1880), 1862 sächs. Oberstleutnant, Kommandant eines Gefangenenlagers 585 Günther, Maximilian (1787–1861), Dr., Ministerialrat im sächs Innenministerium 93, 131, 159, 170, 179, 180, 182 Güntz, Julius Christian (1752–1837), Dr., sächs. Appellationsgerichtsrat 19, 33 Gundel (?), Johann Traugott (geb. 1796), Hauslehrer von Karl von Weber, 1822 Schullehrer in Brand (-Erbisdorf) 35 Gundlach, Friedrich Heinrich Carl Paul von (1822–1871), 1860–1863 Legationssekretär bei der Gesandtschaft des Königreichs Preußen in Dresden 371 Gustav III. (1746–1792), König von Schweden oder Gustav Wasa (1799–1877) Prinz von Schweden 369 Gutbier, Ludwig Theodor, Advokat in Dresden 205, 221 f., 238, 246, 276, 324 Gutschmidt, August Otto von (1804–1871), Advokat in Zwickau 46, 209, 216 f. Gutschmid, Hausbesitzer in Dresden 246 Gutzkow, Karl (1811–1878), Dramatiker und Journalist, Schriftsteller des „Jungen Deutschland“ 233, 244, 340, 419, 563 H Haag, von → siehe Paar Haberkorn, Carl August Ludwig, Zahlmeister bei der Staatseisenbahn-Direktion Dresden 361 Haberkorn, Daniel Ferdinand Ludwig (1811–1901), Advokat, Bürgermeister von Zittau, Präsident der Zweiten Kammer des Sächsischen Landtages 363, 414, 677 Händel, Georg Friedrich (1685–1759), Komponist 51 Hänel, Carl Moritz (1809–1880), Architekt, 1861 Oberlandbaumeister 415 Hänel, Gustav Friedrich (1792–1878), Oberappellationsrat, Professor an der Universität Leipzig 69, 194, 321, 452, 480, 507, 519n Haehnel, Ernst Julius (1811–1891), Bildhauer 393, 394 Hänschel, Dr., Bekannter von K. v. Weber 240 Häpe, Hugo (1818–1902), Advokat, ab 1853 Regierungsrat 441, 445, 456, 512 f., 516, 518, 556, 651 Häßler, Grundstücksmakler in Loschwitz 292 Haigendorf von → siehe Heygendorff von Haimann → siehe Heymann, Referendar Halldorf → siehe Helldorf Halle, Christian Hermann Adolph (1798–1866), Dr., 1831 Präses des Hamburger Handelsgerichtes 300, 302, 310–312, 324–326, 329, 335 f., 339 f., 348 f., 351 f., 356, 366, 369–372, 374, 376 f., 388 f., 391, 395, 404 f., 419 f., 422, 427, 429 f. Halle, Frau von Dr.Halle ( gest. 1866) 200, 309 f., 329, 355, 369, 372, 376, 380, 389–391, 427, 521, 525 f., 529, 539, 544, 560, 536 f., 589, 609, 640 Hamm, von, Witwe, Mutter von Wilhelm Philipp Ritter von Hamm (1820–1880), Unternehmer in Leipzig 189 Hammer und Schmidt, Bankhaus in Leipzig 89 Hanau, Gertrude Gräfin von (1803–1882), geborene von Falkenstein 309 Hanstein, Reinhold Lebrecht Moritz von, preußischer Hauptmann 671 Hardenberg, Karl August Freiherr von (1750–1822), Fürst, preuß. Staatskanzler 387 Harkort, Friedrich (1793–1880), Industrieeller, Förderer des Verkehrswesens in Leipzig 14 Harleß, Adolph (1806–1871), Prof. der Theologie in Leipzig, ab 1850 Oberhofprediger 186, 191, 210, 228 f.
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Harrach, Auguste Gräfin von (1800–1873), Fürstin von Liegnitz, zweite Frau von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen 176 Hartitsch, von (gest. 1868), Oberappellationsrat 554 Hartmann, Johann Gustav, Kommissionsrat, Chefredakteur des Dresdner Journals, das offizielle Presseorgan der sächsischen Regierung 442, 461, 469, 488, 490, 588 Hartmann, Musikdirektor 627 Hartmann, Richard (1809–1878), Lokomotivenfabrikant in Chemnitz 582–584, 595 Hartmann, von, Referendar aus Meißen 445, 449 Hartwig, Carl Heinrich (1818–1884), Stadtrat von Dresden 673 Hartzer, Carl Ferdinand (1838–1906), Bildhauer 252 Harzmarle, österreich. Legationssekretär → siehe Haymerle Hase, Friedrich Traugott, Hofrat, Kabinettsregistrator, Geheimer Kriesrat 34 Hassler, Konrad Dietrich (1803–1873), Altphilologe 288 Haubold 285 Haugk, Feodor August von (1814–1876), sächs. Geh. Regierungsrat 658 Haupt, Carl Christian Ferdinand, Geheimer Registrator im Gesamtministerium, Redakteur des Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblattes 435 Hauschild, Maximilian Albert (geb. vor 1813), Architekturmaler, Prof. an der Bauschule Dresden, nach 1852 in Rom lebend 43 Hausen, Karl Ferdinand Freiherr von (1811–1881), sächs. Major 270, 425, 650 Hauser, Kaspar (1812–1833), Findelkind 563 Hausten, von → siehe Hanstein, von Haydn, Joseph (1732–1809), Komponist 355 Haymerle, Heinrich Freiherr von (1828–1881), Außenminister Österreichs von 1879–1881 371 Hedenus, August Wilhelm (1797–1862), Arzt 355 Hegner, Carl (1809–1867), Dr., Landtagsabgeordneter aus Leipzig, Mitglied des Deutschen Nationalvereins 358, 360 Heidrich, Dr. → siehe Heydrich Heine, Dr., 349, 388, 429 Heine, Emil (geb. 1806), Hofprediger, Beichtvater von König Johann 599 Heinke, Architekt, entwarf die „Bagatelle“ 292 f. Heinrich, Diener von K. v. Weber 607 Heinrich (1473–1541), Herzog von Sachsen 51, 208 Heinrich (1726–1802), Prinz von Preußen, preuß. General 307 Heinrich V. (1820–1883), Herzog von Bordeaux, Graf von Chambord 291 Heintz, Friedrich Leopold von (1790–1875), sächs.Generalmajor 79, 188 Heintz, Regierungsrat 90 Helbig, Dr., Arzt 499, 500 Helbig, Johann Amadeus, Advokat, ab 1846 Bürgermeister von Borna 104, 108 Helbig, Karl Gustav (1808–1875), Historiker, Oberlehrer, Konrektor der Kreuzschule 330, 336, 448, 562 Held, Gustav Friedrich (1804–1857), Dr., Oberappellationsgerichtsrat, sächs. Justizminister 16, 28, 68, 69, 111, 123–131, 134, 136–140, 158, 125, 163, 189, 198 f., 207 f., 227, 250 f., 256, 299, 313, 315, 479, 655 Helene Auguste Victoria (1846–1923), Prinzessin von England 544 Helldorf, Heinrich Anton Oskar (1829–1899), 1849 sächs. Leutnant, 1850 Oberleutnant, 1866 Adjutant von Prinz Georg 375, 564 Helm, Erhard (geb. 1874), unehelicher Sohn von Erhard von Weber 647 f., 660, 674, 679 Helm, Helene, Bekannte von Erhard von Weber in Leipzig, ab 1871 Ehefrau von Gustav von Weber 647 f. Helm, Paul, Kaufmann in Leipzig, Bruder von Helene Helm und Adoptivvater von Erhard 648, 660, 679 Hennenhofer, Johann Heinrich David von (1792–1850), badischer Major, möglicher Mörder von Kaspar Hauser 563
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Henniger, von, Hofrat, in Prag 500 Hensel, Adolph Ernst (1810–1862), Stadtrat in Zittau 88, 119, 120 Hergner, Dr. , aus Leipzig, sächs. Landtagsabgeordneter 1848/49 430 Herrmann, Carl Friedrich Theophil, Dr., Advokat in Dresden 75 Herrmann, Johann Woldemar (1807–1878), Architekt, beteiligt am Bau des Winterpalais in St. Petersburg 361 f. Herschel, Carl Adolf (1800–1876), Archivar im Sächs. Hauptstaatsarchiv 193, 196, 226, 232–234, 238 f., 292, 656 Hertel, Bürgermeister 382 Herwart von Bittenfeld, Karl Eberhard von (1796–1884), preuß. General 30, 444 f., 451, 459 Hesse, Freiin von, Frau des bayerischen Generalkonsuls Abraham Gottwald Hesse, Kaufmann 263 Hesse, Karl Oskar (1847–1922), Superintendent in Frauenstein 473 Hettner, Hermann (1821–1882), Prof., Kunsthistoriker, Direktor der Antikensammlung 312, 351, 562, 598, 608, 666, 668 Heubner, Johann Heinrich Leonhard, sächs. Landtagsabgeordneter, Bruder von O. L. Heubner 193 Heubner, Otto Leonhard (1812–1893), Kreisamtmann in Freiberg 16, 121, 146, 147, 164, 193, 302, 312, 554 Heusler, Frau von 35 Heydrich, Moritz (1820–1885), Dr., Schriftsteller, Nachbar von Karl von Weber in Loschwitz 304, 366, 437, 554, 577, 613 Heydt, August Freiherr von der (1801–1874), preußischer Handelsminister 533 Heygendorff, Carl Wolfgang von (1806–1895), sächs. Generalmajor 537 Heymann, Advokat in Dresden 365 Heymann, Gottfried Wilhelm, Referendar beim evangelischen Landeskonsistorium, Regierungsrat 46, 50n Heymann, jüdischer Bankier in Wilna 646 Heyme, Christian Gottfried (1747–1823), Advokat, Bürgermeister von Dresden 20, 34 Heyne, Otto, Dr.phil., Historiker, Mitarbeiter am CDS ab 1865, Schüler von Droysen 424 Heyner, Carl (1809–1867), Dr., aus Leipzig 349 Heynenborg, Bürger aus Bayern 614 Hilf, Geiger aus Bad Elster, Schüler von Spohr 304, 522 f. Hilgard, sächs. Appellationsrat 197 Hilse, Musikdirektor in Bad Elster 335, 546 Hirschberg, Bürgermeister von Meißen 1874 675 Hodenberg, Wilhelm Iwan August Benedict Freiherrvon (1786–1861), Generallandschaftsdirektor in Celle 239, 240 Höfler, Karl Adolph Konstantin (geb. 1811), Geschichtsforscher, Prof. aus Prag 239 f. Höpfner, Appellationsrat 207 Hoffmann sen., Joseph (1808–1878), Domkapitular und Kantor des Domstifts St. Petri Bautzen 615 Hof, Unternehmer in Berlin 529 Hofmann, Karl von (1827–1910), Geheimer Rat, Gesandter des Großherzogtums Hessen in Berlin 580 Hofmann, Mamsell (reiche alte Jungfer) 34 Hofmannsegg, Johann Centurius Graf von (gest. 1849), Besitzer des Rittergutes Rammenau 20, 34, 242, 278 Hohenlohe-Schillingfürst, Chlodwig Fürst zu (1819–1901), bayerischer Außenminister ab 1866 535 Hohenthal, Peter Alfred Graf von (1806–1860), Besitzer der Standesherrschaft Königsbrück 121, 280 Hohenthal-Püchau, Karl Adolph Graf von (1811–1875), sächs. Gesandter in München 1264, 183, 186, 377, 606, 619 Hohenthal und Berga, Wilhelm Graf von (1853–1909), sächs. Gesandter in Berlin 307, 356, 431, 439 f., 441, 476, 479 f., 481, 483 f., 487, 493 Hohenthal, Landtagsabgeordneter in der Ersten Kammer 625
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Hohenwart, Karl Siegfried Graf (1824–1899), österreichischer Ministerpräsident 1871 619 Holtzendorff, Albrecht Ernst Stellanus Graf von (1792–1882), Generalmajor, sächs. Kriegsminister 82–84, 89, 93, 138, 143, 207, 224, 234, 253, 308, 371 f., 510 Holtzendorf, Frau des Holtzendorff, A. E. S. Graf von 665, 667 Holtzendorf, Friedrich Wilhelm Graf von (1801–1863), Herzoglich-sachsen-altenburgischer Oberst 222 Homilius, Franz Leopold (1795–1849), sächs. Generalmajor 150, 152, 225 Hormayer zu Hortenburg, Joseph Freiherr von (1782–1848), österreich. und bayer. Archivar 230 Houwald, Maria Caroline Wilhelmine von, 105, 176, 201, 229, 238, 246, 249, 271, 304, 306, 314, 321, 363, 371, 453, 462, 665, 671 Houwald, Schwager von Just 455 Hoyer, Wolf von (1806–1873), Bildhauer 634, 639 Hübel, Gustav Ludwig (um 1807–1881), Dr., Geheimer Kirchenrat, seit 1846 Ministerialrat im Kultusministerium 31, 80 f., 218, 231, 343, 403 f., 452, 551, 596, 597, 602, 607, 615, 625, 683 Hübner, Joseph Alexander Freiherr von (1811–1892), österreichischer Minister 332 Hübner, Julius Benno (1806–1882), Historien- und Porträtmaler, ab 1842 Prof. in Dresden 326, 341, 344, 346, 355, 393, 398, 563 f., 589, 603, 666, 667 Hülsemann, Karl, Justizrat in Arnstadt, Freund von Karl von Weber 294 Hünerfürst, Raban Hugo (1827–1867), Musikdirektor 256, 264, 270 Hüntzschel, Dr. 34 Hüttner, Karl Theophilus von, Erbauer von Schloß Huttenburg im Triebischtal 646 Hugo, Musiklehrer, Freund von Ernst von Weber 338 Humann → siehe Funcke, Ernst Hugo Humboldt, Alexander Freiherr von (1769–1859), Naturforscher 67, 68 Hundecker → siehe Hundeiker Hundeiker, Johann Peter (1751–1836), Pädagoge, Rat 162 f. I Isenburg, Graf, gefallen 1866 471 Isidore → siehe Kyaw, Isidore J Jacobson, Heinrich, Bücherantiquar in Dresden 554 Jähns, Friedrich Wilhelm (1809–1888), Musikforscher, Komponist, ab 1849 Musikdirektor 223 Jäkel, Eduard Theodor (1817–1874), Dr., Publizist, radikaler Republikaner 120 Jäschke, blinder Violinist, Schwiegersohn von Lingke 355 Jahn, Christian Gottlob, Gustsbesitzer in Droßdorf, 1849 sächs. Landtagsabgeordneter 133 Jandaurek, Kaplan in Brauna 62 Jaschki, von, Advokat in Bautzen 353 Jellacic von Buzim, Josef Graf von (1801–1859), Ban von Kroatien, österreichischer General 107 Jerome (1784–1860), König von Westfalen 333 Joachim, Joseph (1831–1907), Geiger, Dirigent, Komponist 346 Johann, Erzherzog von Österreich (1782–1859), Reichsverweser 98 f., 101–103, 106, 140 Johann, Hausdiener von K. v. Weber 284, 362 Johann (1801–1873), Prinz, seit 1854 König von Sachsen 12, 16, 19, 24 f., 27-30, 44, 52, 60, 62, 65, 68, 77, 94, 102, 131, 143, 170, 185, 187, 195 f., 198, 239, 247, 255, 263, 265, 276, 278–286, 291, 296–298, 301 f., 305, 308, 311, 314–317, 319 f., 322–325, 330, 332–343, 336, 338, 341 f., 344, 348, 356, 358 f., 361–363, 365, 370, 372–376, 378–382, 384–387, 392, 394, 398, 401–411, 413, 415–421, 424–428, 431–443, 451, 453 f., 456, 461, 464 f., 469–471, 473, 476, 479–481, 483–496, 498 f., 501–509, 511–528, 530–532, 534, 540–545, 547–551, 553 f., 556, 558, 563, 565, 567–569, 571, 575–580, 582, 584–602, 604 f., 607–611, 613–618, 620, 622–632, 634, 637–639, 650, 663, 666, 668 f., 672, 676 f., 679, 686 Johann I. der Beständige (1468–1532), Kurfürst von Sachsen 639
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Johann Georg I. (1585–1656) seit 1611 Kurfürst von Sachsen 61, 291 Jordan, Albert Johann (1808–1875), preuß. Regierungsrat in Merseburg 319 Jordan, Familie 373, 426, 524, 560, 581 f., 611, 663 Jordan, Florentine Sophie Henriette von (1847–1872), Verlobte von Gustav von Weber 420, 664 Jordan, Mathilde von, Verlobte von F. F. v. Beust 486, 570, 664 → siehe auch Beust, Mathilde Jordan, Johann Karl von (1773–1848), seit 1819 Gesandter Preußens in Dresden 57, 94 Jordan, Theodor August von (1806–1875), preußischer Kammerherr, in Dresden ansässig 44, 46, 52–54, 59, 93, 99, 103, 148 f., 154, 157 f., 166 f., 177, 181, 188–190, 199, 205, 216, 224 f., 229, 249, 264, 282, 285, 300, 308, 318, 321, 324, 328, 331, 335 f., 345, 349, 355 f., 362, 371 f., 376, 381, 391, 396, 443, 459, 478, 480, 482 f., 507, 524 f., 542, 564, 567, 570, 583, 586, 609, 611, 618, 639, 649, 651, 663 Jordan, Therese 664 Joseph, Hermann (1811–1869), Dr., Advokat, Präsident der Ersten Kammer des Sächs. Landtages 67, 78, 99, 107, 120, 131 f., 169 f., 175, 273 Just, Friedrich Wilhelm (1803–1881), Ministerialsekretär im sächs. Kultusministerium 49 f., 148, 179, 323, 326, 340, 343, 350, 372, 386, 391, 398, 402, 455, 500, 556, 558, 590 Just, Wilhelm August Freiherr von (1752–1824), Diplomat, Gesandter Sachsens in London 20, 34 Juwochowski, Casimir, Kreisrichter in Posen, Archivbenutzer zur polnischen Geschichte 429, 491 K Kade, Magdalena, Wundertäterin in Philippsdorf (Böhmen) 586 Kaden, Ludwig Otto (1819–1900), Organist an der Dreikönigskirche Dresden, Musikdirektor, Musikforscher 247 Kahnis. Karl Friedrich August (1814–1888), Prof. der Theologie in Leipzig 612 Kämmerer, Heinrich Ottomar, Konsul von Württemberg in Dresden 373 Kain, Jurastudium, jüdischer Bürger, Zuchthausinsasse 651 Kaiser, Staatsrat in Schwarzburg-Rudolstadt → siehe Keyser, Gustav Adolf Kalkreuth, Schwager von Camillo Seebach 331 Kapp, Christian Eberhard (1739–1824), Arzt, Dr. med. 19, 33–36, 199, 492, 682 Karl (1809–1877), Großherzog von Hessen-Darmstadt 334, 619 Karl (1801–1883), Prinz von Preußen, Sohn König Friedrich Wilhelms III. 389 Karl VI. (1685–1740), Kaiser 233 Karl Alexander (1818–1901), Erbgroßherzog von Sachsen-Weimar 255, 409, 542 f., 639, 674 Karl Bernhard (1792–1862), Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 265 Karl Theodor (1839–1909 ), Herzog in Bayern, Dr. med. 418 Kaskel, Carl Freiherr von (1797–1874), Bankier in Dresden 223, 332, 413, 461, 657 Katharina II. (1729–1796), seit 1762 Kaiserin von Rußland 407 Kaufer (auch Käuffer), Johann Ernst Rudolf (1793–1865), Pfarrer, 1839 Hofprediger 287 Keil, Kassierer im Hoftheater 560 Keyser, Gustav Adolf von (1807–1901), Staatsrat im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt von 1862 bis 1877, stammt aus Sondershausen 402 Kielmannsegg, Auguste Charlotte Gräfin von (1777–1863) 25 Kiesenwetter, Georg Ernst von (1821–1897), Botaniker, Käfersammler 244 Kietz, Theodor (1829–1898), Bildhauer 620 Kind, Johann Friedrich (1768–1843), Dichter der Romantik, Hofrat 19, 33 Kind, Karl Theodor (1799–1868), Jurist, Prof. an der Universität Leipzig 40 Klähr, ein von einem Wilderer erschossener Förster 503 Kleist, Wilhelm Bogislav Graf von (1792– nach 1864), sächsischer Gesandter in Rom 369, 415 f. Klemm, Gustav (1802–1867), Dr., Hofrat, Oberbibliothekar 566 Klemm, Jurist, Präsident des Appellationsgerichtes Zwickau 599 f. Klenge, in Hannover 243 Klengel, August Alexander (1783–1852), Hoforganist 369
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Klette, Carl Gustav (1810–1857), Kürschnermeister, Stadtverordneter, Landtagsabgeordneter 100, 146 Klinger, Hermann Adolf (1806–1874), Advokat in Dippoldiswalde, Bürgermeister von Leipzig 125, 127, 269 Klötzer, Bergakademist in Freiberg 62 Klotz, Reinhold (1807–1870), Professor der orientalischen Sprachen an der Universität Leipzig 645 Klug, Landtagsabgeordneter 1850 191 Klugkist, Hieronymus (1778–1851), Senator von Bremen, Kunstliebhaber und Bankier 185 Koch, Carl Wilhelm Otto (1810–1876), Bürgermeister von Leipzig 383, 543 Koch, Geheimer Finanzrat 528 Köchly, Hermann (1815–1876), Dr., Oberlehrer an der Kreuzschule Dresden, Philologe 74, 167 Köhler, Maximilian Julius (1816–1874), sächs. Oberst, Kommandant des Hauptzeughauses 542 Köhne, Karl Wilhelm Bernhard (1789–1860), Geheimer Archivrat im preußischen Geheimen Staatsarchiv Berlin 307 König, Jurist, Oberappellationsrat 384, 390 f., 406 f., 416, 599 Königsmarck, Hans Christoph Graf von (1600–1663), schwedischer Feldmarschall 206 Könneritz, Eduard von (1802–1875), Appellationsrat, Kreisdirektor der Kreisdirektion Bautzen 87, 228, 269, 274, 287, 299 f., 303, 306, 330, 354, 393, 402 f., 444, 437 f., 470, 476, 485, 493, 536, 538 f., 561, 588, 592, 595, 619, 647, 652, 659, 661 f. Könneritz, Fink von (gest. 1877), Sohn des Vorstehenden 664 Könneritz, Hans Heinrich Graf von (1790–1863), Oberhofmeister, Gesandter Sachsens in Paris und Brüssel 132, 206, 248 f., 291, 302 Könneritz, Hans von (1820–1911), sächs. Geschäftsträger in Berlin 162, 164, 166, 404, 530, 566 Könneritz, Julius Traugott Jacob von (1792–1866), sächs. Justizminister 27 f., 53, 55 f., 59 f., 63 f., 66–81, 83, 87, 96, 160, 171, 186, 188, 203 f., 207 217, 259–263, 270, 275, 283, 290 f., 303, 307 f., 312 f., 354, 363, 365, 369, 388, 402, 409, 427 f., 484, 505, 514 f., 520, 525 f., 611, 629 Könneritz, von, Frau von J. T. J. Könneritz 399, 607, 674 Könneritz, Karl Wilhelm von (1781–1859), General 326 Könneritz, Leonce Freiherr von (gest. 1890), Finanzminister 396, 434, 578, 664, 666, 674, 676 f. Könneritz, Otto von (1811–1866), Jurist, Generaldirektor der Hofkapelle 77, 268, 279, 320, 375 f., 421 Könneritz, Rudolf von (1800–1870), von 1843 bis 1869 sächs. Gesandter in Wien 112, 124 f., 128 f., 133 f., 137, 243, 327, 332, 415, 494, 496, 499, 501, 519, 553, 619 Könneritz, von, Amtshauptmann 600 Könneritz, von, Hofdame 582 Könneritz, von, Hofmarschall, auf Nöthnitz 348, 630, 664 Könneritz, von, Landeskonsistorialpräsident 650 Könneritz, von, Major, stationiert in Oschatz 664 Könneritz, von, sächsischer Gesandter in München 577 Körner, Anna Marie (1762–1843), Geheimrätin, Mutter von Theodor Körner 57, 223 Körner, Christian Gottfried (1756–1831), Jurist, Vater von Theodor Körner 223 Körner, Ernst Adolph von (1817–1888), Geheimer Rat, Direktor der 2. Abteilung im Ministerium des Innern 338, 355, 375, 381, 412, 490, 491, 506, 516, 663, 675 Körner, Karl Theodor (1791–1813), Dichter 223 Kötz, Bedienter von K. v. Weber 387 Kohlschütter, Advokat in Dresden, Rechtsbeistand für Frau Uckermann 417 f. Kohlschütter, Ernst Volkmar (1812–1889), Konsistorialrat, Oberhofprediger 596, 622 Kohlschütter, Karl Christian (1764–1837), sächs. Hof- und Justizrat, Geheimer Kabinettsrat 1813 554 Kohlschütter, Karl Ludwig (1803–1866), Geheimer Regierungsrat im sächs. Innenministerium 51, 101 f., 122, 130, 136, 205, 211–213, 225, 247, 252, 256, 262, 264, 269, 274–276, 279, 310 f., 317, 323, 326, 330, 332–334, 340, 343, 347, 350, 353 f., 356, 368, 375, 384, 386 f., 391 f., 394, 398, 402–405, 410–412, 424, 432, 443, 452, 457, 467, 470, 502 f., 506, 520, 546, 554, 583, 663
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Konstantin (1779–1831), Großfürst von Rußland, Vizekönig von Polen 45 Koppenfels, Heinrich Max von (1831–1905), Polizeidirektor in Dresden, später Kreishauptmann 461, 470, 472 Kotte, Johann Gottlieb (1797–1857), Klarinettist 351, 357 Kotzebue, Wilhelm von (1813–1887), Diplomat, Gesandter Rußlands in Dresden von 1870–1878 326, 338, 340, 348, 357, 359, 369, 371 f., 376, 389, 404, 422, 424, 451, 524, 526, 561–565, 572, 586, 587, 589, 626, 640, 664 Kräuseler → siehe Kreußler Kral, Frau 500 Krebs, Karl August (eigentlich Miedke) (1804–1880), Hofkapellmeister, Dirigent 246, 400 Kretzschmar, Christian August (1791–1863 oder 1865), ab 1815 Pfarrer in Loschwitz 303 Kretzschmar, Hellmut (1893–1965), Prof., Historiker, Archivar 25, 31 Kreußler, Otto (1813–1897), Dr. phil., dritter Oberlehrer an St. Afra Meißen, ab 1871 Rektor des Gymnasiums Bautzen 423, 570 Kreyßig, Professor an der Fürstenschule St. Afra Meißen 612 Kriete, Hans Georg (1800–1868), Schauspieler an der Hofoper Dresden 208 Kriete, Henriette, geborene Wüst (1816–1892), Sopranistin an der Hofoper Dresden ab 1833 208, Kronprinzessin von Preußen → siehe Viktoria, Prinzessin von Großbritannien Krüger, Bernhard (1821–1881), Architekt, Hofbaumeister 296, 344 Krug, August Otto (1805–1867), Dr., Geheimer Justizrat 251, 662 f., 671 Krug, Frau von Krug, A. O. 380 Krug, Generalin 576 Krug von Nidda, Rittmeister 427, 514 f., 536, 544, 574, 615 Krug, Wilhelm Traugott (1770–1842), Philosoph, Prof. Dr., Universität Leipzig 52 Kuefstein, Franz Graf von (1794–1871), Gesandter Österreichs in Dresden 114, 215, 247, 289, 341 Kügelgen, Wilhelm von (1802–1867), Maler, Schriftsteller 25 Kühne → siehe Köhne Kühne, Kommissionsrat in Meißen 154 Künßberg, Karl Konstantin Freiherr von, Kreisdirektor von Zwickau von 1835 bis 1848 360 Küstner, Familie 669 Küstner, Jenny, Sängerin 399 Küttner, Karl Julius (1801–1883), Advokat, Hofrat, Finanzprokurator 75, 96, 103 Kuhnitz, Ignaz (1770– nach 1835), sächs. Hofprediger 63 Kummer, Friedrich August (1797–1879), Violincellist, Komponist 288, 427 Kunscher, 1866 zum Tode verurteilter Mörder 522 Kyaw, Familie 427, 671, 673 Kyaw, Heinrich Rudolf von (1809–1885) und Karl Otto von (1811–1880), Brüder, Söhne von Rudolf Wilhelm Ludwig von Kyaw (1773–1848) und der Karoline Kind (1783–1826) 34, 279, 288, 298, 371, 388, 570, 618, 629, 644, 648, 678, 681 Kyaw, Isidore von, Schwester von K. v. Weber 328, 339, 346, 427, 443, 673, 680 f. L Lade, Eduard, Waffenhändler aus Paris 366 f. La Hire, Jean Ernest Ducos Vicomte de (1789–1878), Außenminister Frankreichs 1849–1851 476 Lamorivital, Kommandant der Schweizer Garde im Vatikan 340 Langecke, von 107 Langenn, Friedrich Albert von (1798–1868), Präsident des Oberappellationsgerichtes 49 f., 59 f., 61, 65, 68, 93, 131, 188, 227, 230, 237, 251, 259, 276, 280, 290, 299, 302, 323, 346, 351, 359, 364, 377 f., 379, 384, 390, 411 f., 426, 441, 444, 517, 548, 556 f., 559, 637 Larisch, Karl August Alfred von (1819–1897), Jurist, von 1853 bis 1867 Staatsminister des Herzogtums Sachsen-Altenburg 256 Larisch, Frau von, geb. Heymann 646
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Lassalle, Ferdinand (1825–1864), Sozialdemokrat 17 f. Lasker, Eduard (1829–1884), liberaler Politiker in Berlin 543 Latour → siehe Bailett von Latour Latroiques, Graf 302 Lauben, Fräulein von, Braut von Hauslehrer Meinhold 554 Lauterbach, Johann Christoph (1832–1918), Violinist, Erster Konzertmeister 372, 376, 562 Lazansky von Bukowa, Leopold Graf (1808–1860), österreich. Landesgouverneur 500 Lederhuse, Johann Heinrich, Drechsler, Kommunalgardengardist 144 Lehmann, Friedrich Moritz, Oberzollrat, Zoll- und Steuerdirektor, Leiter der Zoll- und Steuerdirektion im Finanzministerium 362, 472 Lehmann, Johann Traugott, Gutsbesitzer in Spittwitz und Praschwitz bei Bautzen, Abgeordneter der Zweiten Kammer des Sächs. Landtages von 1842 bis 1855 202 Lemaistre, Bürgermeister von Freiberg 674 Lemaistre, Frau von Lemaistre, J. F. 465, 479 f. Lemaistre, Johann Friedrich (gest. 1859), Geheimer Legationsrat, Ministerialrat im sächs. Außenministerium von 1837 bis 1863 146, 208, 235, 272, 315, 350, 369, 402, 452, 464 f., 505, 508, 540, 551, 589 Lemaistre, Schauspieler 420 Lenz, Napoleon, Kaufmann, Kommandant der Dresdner Kommunalgarde 142, 144 f. Lenovacand, Kartenweissagerin in Paris 503 Leo X. (1474–1521), Papst seit 1513 258 Leonhardt, Carl August, Brauherr und Kaufmann in Dresden 174 Lesberg, Advokat 483 Leschke, Weinhändler 359 Leszczynski, Stanislaus (1677–1766), seit 1735 Herzog von Lothringen 531 Lettdorf, von, Kammerherr aus Klicken 257 Levassor, franz. Komiker 336, 522 Lewitha, Dr., Privatdozent in Leipzig, Teilnehmer am Badener Aufstand 1849 201 L’Hay → siehe La Hire Lichnowsky, Felix Maria Fürst von (1814–1848), Politiker, Abgeordneter der Paulskirche 106 Liebe, Friedrich August Gottlob (1809–1885), Legationsrat aus Braunschweig 213 Liebig, Wirt von Beust 1867 in Reichenberg (Böhmen) 539 Liebig, Justus von (1803–1873), Chemiker 13 Liebknecht, Wilhelm (1826–1900), Sozialdemokrat 17, 24, 590 Liebner, Karl Theodor Albert (1806–1871), 1855 Oberhofprediger 407 Liliencron, Rochus Wilhelm Traugott Heinrich Ferdinand Freiherr von (1820–1912), Dr. phil. und theol., Archivbenutzer 1871 590 Lindenau, Bernhard August von (1779–1854), sächs. Innenminister, Vorsitzender des Gesamtmnisteriums 1831–1843 20, 43, 48 f., 76, 80, 96, 269 f. Lindenau, Legationssekretär 483 Lindner, Dr., Teilnehmer am Dresdner Sängerfest 1863 460 Lindner, Verlobte des 80jährigen Kammerherrn von Budberg 655 Linemann, Neffe von Dr. Halle 366, 574 Lingke, Rittergutsbesitzer 355 Lipinski, Karol Jozef (1790–1861), Geiger, Komponist, Kapellmeister 273, 281, 372 Lippe, Franz, Graf von (1820–1880), sächs. General 352, 583, 657, 671 List, Friedrich (1789–1866), Volkswirtschaftler 14 Liszt, Franz (1811–1886), Pianist, Komponist 265 Litfaß, E. (1816–1874), Buchdrucker in Berlin 332, 547 Litzken, Vater des Juristen König 391 Loch, cand., Archivbenutzer 301 Löbel, Taschenspieler 265
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Loeben, Johann Ernst Karl von (1831–1895), kgl. Sächs. Oberfinanzrat 319 Löffler, aus Alexandria, Leiter der ägyptischen Eisenbahnen 335 Lösch, italienischer Gastwirt in Dresden 323, 359 Löser, Christian Gotthelf, 1865 preuß. Justizrat in Kemberg, Korpsauditeur, Schulfreund von Karl von Weber 444 f. Löwenfels, Edgar Eduard Schmidt von (1808–1892), unehelicher Sohn der Großfürstin Anna Feodorowna von Rußland, geb. Prinzessin von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Gesandter des Herzogtums Sachsen-Coburg-Gotha in Dresden 374 Löwenthal 543 Lohrmann, Wilhelm Gotthelf (1796–1840), Geodät, Direktor des Mathemathisch-Physikalischen Salons 13 Loth, Carl ( geb. 1804), Dr. jur., Advokat in Meißen, Schulbeamter in St. Afra ab 1868 150, 166, 175 f., 226, 380, 612, 645 f., 673 Loth → siehe Klotz, Reinhold Louis Napoleon (1808–1873), Präsident der Französischen Republik 126, 238, 245, 300, 330, 403 Louis Philippe (1773–1850), König von Frankreich 70 Lucius, Friedrich Salomo, Geheimer Regierungsrat im sächs. Innenministerium 75 Luckner, Nikolaus Gustav Alfred Felix Graf von (1849–1902), sächs. Kammerherr 176, 619 Ludwig I. (1786–1868), König von Bayern 39, 509 Ludwig II. (1845–1886), König von Bayern 440, 614, 619, 655 Ludwig XVI. (1754–1793), König von Frankreich 94 Lüttichau, von, Kammerherr 1876 656 Lüttichau, von, Schwiegersohn von J. P. v. Falkenstein 440, 480 f., 508 Lüttichau, Wolf Adolph August von (1785–1863), Kammerherr, Generalintendant des sächs. Hoftheaters 235, 268, 308, 315, 351, 366, 372, 375, 421 Lützerode, Karl August Freiherr von (1794–1864), Gesandter Sachsens in St. Petersburg 671 Luise (1802–1857), Prinzessin von Parma, zweite Frau von Prinz Maximilian von Sachsen 232 Lunke → siehe Funke Luthardt, Christoph Ernst (1823–1902), Prof. der Theologie, ab 1856 an der Universität Leipzig 612, 628, 673 Luther, Martin (1483–1546) 41, 63 Lutz, Johann Freiherr von (1826–1890), bayerischer Minister 1870 580 Lynar, Marie Charlotte Gräfin von (1821–1895), geborene von der Marwitz, seit 1839 verheiratet mit Hermann Rochus Graf von Lynar 198, 322, 373, 609 M Mac Clellan, George (1826–1885), General der Vereinigten Staaten von Amerika 427 Mac Mahon, Maurice, Marquis de (1808–1893), franz. Marschall, Präsident Frankreichs 627 Mäder, Komponist 318 Männel, Christian Gottlob (1802–1888), 1847 Diakon an der Frauenkirche, ab 1850 an der Kreuzkirche 419 Magnuncour, Graf, franz. Historiker 401 Maienburg → siehe Meyenberg Maiszeh, Graf 355 Mally, Prinzessin von Holstein 233, 244, 257, 303, 305, 327, 355, 371, 385, 463 Mandelsloh, Friedrich Maximilian von (1790–1870), Generalmajor a. D. 489 f. Mangoldt, Erich Gustav Karl Ferdinand von (geb. 1856), Assessor im sächs. Außenministerium, Adjutant von Prinz Johann 235 Mangoldt, Frau von Mangoldt, Landstallmeister 188 Mangoldt, Gustav Traugott von (1804–1875), Geheimer Regierungsrat 51, 193, 650 Mangoldt, Karl Georg Julius von (1795–1870), Präsident des Appellationsgerichts Zwickau 39, 49, 222
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Mangoldt, Landstallmeister 331, 639 Mangoldt, Marie von (1806–1866), geb. von Stieglitz 188 Manteuffel, Otto Theodor Freiherr von (1805–1882), preuß. Staatsmann 116, 204, 206, 220, 237, 239 Marcolini, Camillo Graf (1739–1814), sächs. Kabinettsminister 232 Maria Augusta (1782–1863), Prinzessin von Sachsen, Infantin von Polen 35 Maria Amalia (1794–1870), Tochter von Prinz Maximilian 419, 420 Maria Amalia Augusta (1757–1828), Königin von Sachsen 55 Maria Anna (1843–1884), Infantin von Portugal 327, 330 f., 396, 464, 583, 586–589, 609, 662 Maria Elisabeth (1830–1865), Herzogin von Genua 185 f., 291, 517 Maria Johanna (1860–1861), Prinzessin von Sachsen 353 Maria Leopoldina Anna (1805–1877), Prinzessin von Bayern, Königin von Sachsen 52, 175, 185, 209, 212, 268, 280, 305, 332, 408, 503, 573, 574, 586 f., 602, 604 f., 621, 623, 627, 631, 637, 643, 651, 669, 680 Maria Ludovika (1787–1816), Erzherzogin, seit 1808 Kaiserin von Österreich 35 Maria Sidonia (1834–1862), Prinzessin von Sachsen 551 Maria Theresia (1717–1780), seit 1740 Kaiserin von Österreich 206 Marie Louise (1791–1847), Erzherzogin von Österreich, 1810 Heirat mit Napoleon I. 35 Marie von Preußen (1825–1889, Königin von Bayern, verheiratet mit Maximilian II. von Bayern 34 Marschall, Gräfin 505 Marschall von Bieberstein, Hermann Friedrich (1812–1885), Rechtsanwalt, 1863 Redakteur in Zürich 397 Marschner, Gustav (1796–1882), Dr., Advokat in Dresden, Oberappellationsgerichtsrat 48, 131, 141, 232 f., 250 f., 259, 261, 263, 275, 294, 297, 313, 344, 353 f., 377–379, 384 Martin, Carl August (1808–1882/1883), Hofpostamtssekretär 110 Marwedel, Fräulein von, Käuferin der Huttenburg im Triebischtal 646 Marx, Karl (1818–1883), Philosoph 14 Mathias, Justizkommissar in Danzig 428 Mathilde Maria (1863–1933), Prinzessin von Sachsen 396 Mauermann, Ignaz Bernhard (1787–1841), Titularbischof, sächs. Hofprediger 63 Maximilian (1759–1838), Prinz von Sachsen 43 f., 232 Maximilian II. Joseph (1811–1864), König von Bayern 295, 315, 317, 322, 332–335, 342, 345, 367, 409 Mecklenburg, ungar Prinz 1872 620 Meding, Gensdarm, sächs. Geheimbote nach Wien 1866 490 f. Meiendorf → siehe Meyendorff Meier, jüdischer Antiquitätenhändler in Dresden 410 Meier, Superintendent 564, 621, 633 Meinhold, Besitzer des Rittergutes Schweinsburg 341, 395, 435, 519 Meinhold, Christian Immanuel (1784–1861), Buchdruckereibesitzer in Dresden 72, 442 Meinhold, Hauslehrer von Friedrich Beust, Sohn von F. Fr. v. Beust 373, 382, 554 Meisel, Carl Ludwig (1789–1853), Kaufmann, Stadtrat in Dresden 143, 145 Meißner, Ferdinand August (1778–1855), Dr., Präsident des Appellationsgerichtes Dresden 62, 248, 251 Melanchthon, Philipp (1497–1562) 41 Melde, Anstaltslehrer 646 Melly, Nachbar von K. v. Weber 265 f., 639 Melly → siehe Mally von Holstein Mensdorff-Pouilly, A. Graf von, österreichischer Ministerpräsident 1865 und Außenminister 1864– 1866 516 Mengs, Anton Raphael (1728–1779), Maler 291 Menzel, Ehepaar in Loschwitz 455, 466 Menzel, Friedrich Wilhelm (1726–1796), Geheimer Kabinettssekretär 504
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Mercier de Lostende, Edouard Henri (geb. 1816), Gesandter Frankreichs in Dresden von 1853 bis 1855 257 f., 285 Merbach, Johann Daniel (1777–1861), Geheimer Rat 73, 259 Metternich-Winneburg, Clemens Wenzel Lothar Fürst von (1773–1859), österreich. Staatskanzler 12, 53, 71, 87, 96, 228, 335, 545 Metzler, Karl Friedrich, Appellationsrat, Polizeidirektor des Polizeiamtes Leipzig 154 Metzradt, Julie von, Kammerherrin 460 Metzsch, Karl von (1804–1880), Kammerherr, Obermundschenk 507 Metzsch-Reichenbach, Karl Georg Levin von (1836–1927), sächs. Staatsminister 19 Meusel, Otto Theodor (1832–1906), Regierungsrat, 1866 Kommissar für die Naturallieferungen 466, 508, 514, 604 Meyenberg, Viktor von (1834–1893), Bildhauer 564, 621 Meyendorff, Peter Freiherr von (1796–1863), Gesandter Rußlands in Wien 519 Meyer, Friedrich Rudolf (1807–1882), Maler und Kunsthändler 586 Meyer, GeorgTheodor (1797–1870), Jurist, Kanzleidirektor in Osnabrück 153 Meyer aus Teplitz → siehe Metternich Meyerbeer, Giacomo (1791–1864), Komponist 289 Meylon, Französin 550 Meysenburg (statt Meisenberg), Wilhelm Freiherr Rivalier von (1813–1866), Staatsminister im Großherzogtum Baden 550 Michalesi, Alöysia, Sängerin, ab 1. November 1849 am Dresdner Hoftheater 246 Milborn, Edler, österreich. Truchseß 547 Minckwitz, Friedrich August von (1817–1892), Obersthofmeister 1870 257, 574, 606, 621, 643 Minckwitz, Wilhelm von (1837–nach 1910), sächs. Major, königlicher Flügeladjutant 643, 665 Minkwitz, von, Frau des Minckwitz, F. A. von 574 Minkwitz, Heinrich Eduard (1819–1886), Advokat, Dr. 144 Moeller, Eduard von (1811–1880), Jurist, preußischer Oberpräsident, Juni 1866 Zivilgouverneur für das Königreich Sachsen und ab Ende Juni 1866 für das Großherzogtum Hessen 30, 450, 452 Mörner, Theodor von (1817–1874), Historiker, ab 1852 im preußischen Geheimen Staatsarchiv, 1866 Geheimer Archivrat 307, 492 f. Molé, Louis-Mathieu Graf von (1781–1855), franz. Ministerpräsident 70 Molinari, de, holländisches Ehepaar 1850 195 Moltke, Helmuth Graf von (1800–1891), General, seit 1858 Chef des preußischen Generalstabes 509– 511, 533, 592 Monsdorf → siehe Mensdorff-Pouilly Montbe, Alban von (1821–1911), sächs. Generalmajor 615 Moritz Graf von Sachsen (1696–1750), Marschall von Frankreich 233, 236, 395, 398, 403, 406, 423 Moritz (1521–1553), Kurfürst von Sachsen 208 f., 263, 410 f., 552 Morny, Charles-Auguste-Louis-Joseph Graf von (1811–1865), französischer Staatsmann 238, 385 Moscheles, Ignaz (1794–1870), Dirigent und Komponist, Pianist in Leipzig 399 Moßdorf, Bernhard (1802–1833), Advokat, kleinbürgerlicher Demokrat 236 Moßdorf, Friedrich, Regierungssekretär, Vater von Bernhard Moßdorf 236 Motby, John Lothorp (1814–1877), amerikanischer Historiker und Diplomat 244 Motteler, Julius (1838–1907), Sozialdemokrat 18 Mühlenfels, Ludwig von (1793–1861), preuß. Oberappellationsgerichtsrat, Reichskommissar für Thüringen und Sachsen-Altenburg 125 Müller, Assessor aus Leipzig 218, 266 Müller, August, Gerichtsrat, Verwandter von Hermann Müller 413 Müller, Bekleidungsdirektor, Ältester der Deutschkatholischen Gemeinde Dresden 340 f., 351 Müller, Eduard Dietrich von der (1799–1885), preußischer Generalleutnant Müller, Henriette (gest. 1872) 349, 373, 413, 486, 611 Müller, Hermann (1817–1879), sächs. Gardeoberleutnant, ab 1854 in der Schweiz 103, 114–166,
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122, 129 f., 132–134, 137, 142, 162 f., 170 f., 174, 176, 184 f., 188 f., 197, 209–212, 213, 218, 220, 241, 363, 397, 611, 678 Müller, Hermann, Polizeirat in der Polizeidirektion Dresden 381 f., 461 Müller, Hofsekretär 290, 381, 588 Müller, Johann Christian Gottlieb (1776–1836), Dr., sächs.Kultusminister 49 f., 52 f., 56 f. Müller, Karl Gustav, genannt Nasenmüller, Dr., Geheimer Rat, Appellationsgerichtspräsident 179, 248, 273–275, 303, 321, 353, 425, 427, 432, 536, 544 Müller, Marie, Schwester von Hermann Müller 355, 560, 611 Müller, Veronika (gest. 1864), verheiratete Wiechel, Schwester von Hermann Müller 137, 148, 162, 174, 182, 189, 197, 209 f., 213, 218, 220 f., 241, 243, 248, 347, 412 f. Müller, von, russ. Legationssekretär 227 Münster, Georg Herbert Graf zu (1820–1902), deutscher Botschafter in London 657 Münster, Otto Georg Graf von (1825–1893), Amtshauptmann von Plauen 1868 bis 1874 230, 580 Munnich, Geheimer Referendar in Sachsen-Coburg 252 Murnier, von → siehe Mörner, von Murray, Sir Charles Augustus (gest. 1885), Gesandter Großbritanniens in Dresden 1859–1866 334, 370 N Nake, Hermann Ludwig (1801–1877), Advokat 43 Napoleon I. Bonaparte (1769–1821), Kaiser von Frankreich 11 f., 25, 257, 291, 298, 333, 353, 445, 454, 458, 478 Napoleon III. (1808–1873), Kaiser von Frankreich 282, 297, 299, 329, 331–342, 384, 385, 462, 463, 486, 504, 509, 533, 535, 543, 551, 571–573, 657 Naß, Karl Traugott, Kanzleibote im Gesamtministerium 74 Naumann, Johann Gottlieb (1741–1801), Kirchenmusiker, Hofkapellmeister 58 Naumann junior, sächs. Oberleutnant 222 f. Naumann, preuß. General → siehe Neumann, Wilhelm von Naundorf, Kammerherr 1870 582 Negrelli, Alois Ritter von Moldelbe (1799–1858), Generalinspekteur der österreichischen Staatsbahn 69 Nesselrode, Karl Robert Reichsgraf von (1780–1862), russischer Staatskanzler 198, 243, 282, 299 f., 302, 671, 672 Neuhaus, Gräfin 617 Neumann, Wilhelm von (1786–1865), preußischer General 223, 238 f., 254, 304, 307, 309, 558 Neuwerk, Auguste 289 Neuwerk, Ernst 289 Neuwerk, Konsistorialrat 289 Ney, Jenny (1824–1886), Opernsängerin 289, 393, 562 Nicolai, Georg Hermann (1812–1881), Architekt, Prof. 344 Niesilowska, geb. Radziwil, Gräfin (gest. 1861) 369 Nikolaus I. (1796–1855), Kaiser von Rußland 290, 297, 514, 639, 671 Noel, österreich. Diplomat 225, 389 Noski, Appellationsrat, Sekretär im Altertumsverein 324, 571, 615 Noßky, Julius Moritz, sächs. Oberstleutnant, Stabsoffizier im 1. Jägerbataillon 552 Nostitz, Charlotte von (gest. 1868), geborene von Schönberg 549 Nostitz, Rittmeister 288, 299 Nostitz, von, preußischer Gesandter 567 Nostitz-Drzewiecki, Hans Karl Friedrich (geb. 1807), Oberzoll- und Steuerdirektor, Kommissar in Zollsachen bei der Frankfurter Nationalversammlung 50, 196, 110, 155, 170, 176, 185, 187 f., 341 Nostitz-Drzewiecki, Karl Constantin Gustav von (1798–1866), sächs.Generalleutnant 1861, ab Mai 1866 Kommandant der Festung Königstein 468, 471, 474 f., 496, 506
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Nostitz und Jänkendorf, Eduard Gottlieb von (1791–1858), sächs. Staatsminister 45, 48 Nostitz und Jänkendorf, Julius Gottlieb von (1797–1858), sächsischer Bundestagsgesandter 358, 455 Nostitz von, Frau des Nostitz-Wallwitz, H. von 389, 429, 435, 507 Nostitz-Wallwitz, Geheimer Finanzrat 485, 490 f., 609 Nostitz-Wallwitz, Gustav von (1787–1858), Generalleutnant, sächsischer Kriegsminister 223, 268, 312 Nostitz-Wallwitz, Hermann von (1826–1906), sächs. Innenminister von 1866 bis 1891 206 f., 287, 349, 352, 395, 436–438, 511, 513–515, 522 f., 526 f., 531, 536–538, 541, 546, 548 f., 551, 553 f., 556 f., 564–569, 575 f., 578–579, 584, 587, 588, 591, 593–595, 597, 602, 608, 610, 612 f., 616, 620, 622, 627, 629, 633, 641, 643, 646–648, 651 f., 654, 658–665, 668, 672–679, 681 Nostitz-Wallwitz, von, Gesandter in Berlin 647 Nothjung, Peter (um 1823–1866), Schneidergeselle, Emmissär des Bundes der Kommunisten 14 Nothomb, Jean Baptiste (1805–1881), Jurist, Vertreter Belgiens auf der Dresdner Konferenz 209 Nowakowski, Dr., Archivbenutzer aus Polen 355 O Oberländer, Martin Gotthardt (1801–1868), Adokat in Zwickau, sächs. Innenminister 28, 84–87, 89 f., 93 f., 100–104, 108–111, 114–116, 118 f., 122 f., 125 f., 136, 149, 152, 164, 191, 211, 221, 253, 625 O’Byrn, Friedrich Konstantin Wenzeslaus Freiherr von (1789–1873), sächs. Oberhofmeister 408 Oehme, Ernst Erwin (1831–1907), Maler 554, 617 Oergan, Bekannter von Jordan 373 Oertel, Friedrich Maximilian (1796–1873), Prof. d. Geographie in St. Afra Meißen 379, 398 Opitz, Ferdinand Adolf (1800–1871), Advokat, Finanzprokurator 74, 81 Oppel, Friedrich Wilhelm, Amtshauptmann von Borna von 1835 bis 1863, Besitzer des Rittergutes Krebs 288 Oppell, Carl Friedrich Gustav von (1795–1870), Generalmajor, sächs. Kriegsminister 73, 82–84, 89, 97, 13, 510 Oppell, Hans Ludwig von (1800–1876), Amtshauptmann, seit 1831 Polizeidirektor von Dresden 40, 51 f., 75, 87, 109 f., 166, 223 f., 232, 253, 312, 639 Oppen, Karl Gustav von, Amtshauptmann in Freiberg von 1851 bis 1875 126, 290 Oppenheim, Martin Wilhelm (1780–1863), Bankier in Dresden 657 Oppenheim, österreichischer Konsul in Köln 607 Orges, Hermann Ritter von (1821–1874), preußischer Offizier, ab 1854 Redakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung 368, 371 Ortloff, Friedrich (1797–1868), Präsident des Oberappellationsgerichts Jena 311, 384, 390 Osmann, Neffe von Friedrich Ferdinand von Beust 616, 666 f., 671 Ostmann, Bruno, österreichischer Konsularagent 564 Otto, Ernst Julius (1804–1877), Kreuzkantor, Komponist 289 Otto, Franz Eduard (1793–1865), Kanzler und Regierungspräsident im Fürstentum Reuß ä. L. 117 Otto-Walster, August (1834–1898), Journalist, Dramatiker 18 P Paar, Ludwig Graf (1817–1893), Gesandter Österreichs in Dresden von 1869 bis 1872 381 Pabst, Julius, Dr., Hofrat, Sekretär der Generaldirektion der Musik, Kapelle und Hoftheater 366, 376 Pagen, Herausgeber eines Volkskalenders 1866 497 Palacky, František (1798–1876), Prof., österreichischer Reichsrat, tschechischer Historiker 362 Pallait, Maler 250 Palm, Johann Friedrich (1813–1871), Philologe, Lehrer in Grimma, Plauen und Bautzen 150 f. Palm, Johann Philipp (1768–1806), Buchhändler, auf Anweisung Napoleons I. am 26. August 1806 in Braunau am Inn erschossen 458 Palmerston, Henry John Temple (1784–1865), Lord, britischer Premierminister 329, 386, 389, 413 Pape, Georg Friedrich von (1797–1877), Oberappellationsrat aus Celle 159, 161, 180, 365, 648
Personenregister
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Paracelsus, Philippus Theophrastus (1493–1541), Arzt, Naturforscher und Philosoph 355 Pasch, Hofschauspieler 389 Paskiewitsch, Iwan Fjodorowitsch (1782–1856), Fürst von Warschau 221 Pasquetin, Don, Benediktinermönch aus Frankreich 549 Pauli, Friedrich August von (1802–1883), Vorsitzender der bayerischen Eisenbahnbaukommission 69 Pauline, (1800–1873), Prinzessin, Königin von Württemberg 325 Pedro II. (1825–1891), Kaiser von Brasilien 608 f. Perhiarie, italienische Sängerin 238 Pernitzsch, Robert Emil, Vizepräsident des Appellationsgerichts Dresden 617 Persigny, Victor Fialin Duc de (1808–1872), französischer Innenminister 399 Peschel, Robert, Violinist, Kammermusiker 223 Peter, Heinrich Clemens, Finanzkalkulator im sächs. Finanzministerium 92 Peters, Hermann (1837–1919), Prof. in St. Afra Meißen 489, 492 Petermann, Ludwig Theodor (1834–1913), Prof. Dr., Statistiker, Vorstand des Statistischen Büros 647 f. Petsch, Carl Wilhelm (um 1800–1868), Kriegsgerichtsrat, ab 1837 Generalauditeur, Direktor des Oberkriegsgerichtes 169 Petschke, Hermann (1806–1888), Dr., Appellationsrat,, Vizepräsident des Appellationsgerichtes Leipzig, Vorsitzender des Kunstvereins Leipzig 89, 189 Petzoldt, Alexander (1810–1889), Dr. med., Mineraloge 309 Petzold, Hofrat in Dresden 336 Pfarrius,Gustav (1800–1884), rheinischer Dichter in Köln 241, 242, 339, 440, 553, 564, 628, 674 Pfeilschmidt, Ernst Heinrich (1809–1894), Lehrer am Kreuzgymnasium, Archidiakon an der Annenkirche 64 Pflug, aus Leipzig 181, 279 Pflug, Polizeidirektor 304 Pflugk 306, 308, 309, 314, 373 Pfordten, Luwig Freiherr von der (1811–1880), sächs. Außenminister 1848/1849, danach bayerischer Staatsminister 28, 76, 79 f., 82–84, 86–90, 92, 94, 97, 100, 103–105, 108–114, 116–122, 124– 126, 128, 158, 171, 192, 201, 203 f., 208 212, 221, 238 f., 276, 282, 287, 296, 315–317, 334, 342, 345, 358, 367, 408 f., 413, 415, 439 f., 519, 553, 619 Pfotenhauer, Friedrich Wilhelm (1812–1877), Oberbürgermeister von Dresden 145, 254, 446, 451, 454, 494, 510, 592 Pfusterschmidt von Hartenstein, Karl Freiherr von (1826–1904), Diplomat, von 1863 bis 1867 in der Gesandtschaft Österreichs in Dresden 537, 538, 540 Piani de Planes, Sohn von Kaiser Karl (1697–1745), Sekretär bei Kurfürstin von Sachsen Maria Antonia 233 Pickert, Antiquitätenhändler in Nürnberg 552 Pietzsch, Karl Heinrich, Appellationsrat im Appellationsgericht Leipzig, Direktor des Bezirksgerichts Pirna 100, 200 Pilgrim, Ehepaar in Kötzschenbroda 188, 218, 581 Pistorius, Bekannter von Karl von Weber in Köln 195 Pitzsch → siehe Petzsch, Carl Wilhelm Pius IX. (1792–1878), Papst seit 1846 415 f., 614 Planitz, Karl Alexander Edler von der (1824–1866), sächs. Rittmeister in Freiberg 61 f. Planitz, Karl Ferdinand Leopold Edler von der (1796–1854), großherzoglich-sächs, Kammerherr 70 Platen, Georg Erbgraf von (1837–1881), Minister im Königreich Hannover 334, 609, 619, 652 Platner, Ernst (1744–1818), Prof. der Medizin und Philosophie in Leipzig 289 Platzmann, der Kleine, Universitätsfreund von K. v. Weber 287 Podbielski, Eugen Anton Theophil von (1814–1879), preußischer Generalmajor, 1870 Generalquartiermeister 515 Pöschmann, Beamter im Oberappellationsgericht 621
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Personenregister
Polenz, Eduard Karl Friedrich von (1793–1863), sächs. Amtshauptmann, Geheimer Finanzrat 267, 288, 297, 319, 419, 426 Ponickau 216 Porcteuil, Vicomte de, franz. Legationssekretär 437 Pornitz, Konrad Rudolph, Kaufmann und Fabrikant in Chemnitz 562 Posern, Curt Ernst von (1804–1879), Klostervogt von Marienstern, Mitglied der Ersten Kammer des Sächs. Landtages 275, 625 Posern-Klett, Carl von (1830–1875), Historiker, ab 1862 Mitarbeiter am CDS 385, 388, 528, 554, 563, 583, 589, 590, 613, 653, 656 Posse, Otto (1847–1921), Archivar im Sächsischen Hauptstaatsarchiv 564 Pott, Schneider in Dresden 187 Pranckl, Sigmund Freiherr von (1821–1888), bayerischer Kriegsminister 580 Prenzel, Adolf Kurt (1799–1889), sächs. Generalmajor 443 Pretsch, Bertram von, Postexpedient 321 Preuß, Johann Daniel Erdmann (1785–1868), Historiker, Prof. in Berlin, Herausgeber der Werke Friedrich des Großen 307 Prinzregent von Preußen → siehe Wilhelm I., König von Preußen, seit 1871 deutscher Kaiser Prokesch-Osten, Anton Freiherr von (1795–1876), 1855 Internuntius, später Gesandter Österreichs in Berlin und in Konstantinopel 220 Pudor, Friedrich (1835–1887), Direktor des Dresdner Konservatoriums 669 Pückler-Muskau, Hermann Fürst von (1775–1871), Schriftsteller, Landschaftsgestalter 233 Pükert, sächs.Polizeirat 1866 456 Putjatin, Nikolaus Abramowitsch (1740–1830), russ. Fürst und Offizier 20, 34 Putbus, Malte Graf von (um 1802–1837), Attache der preuß. Gesandtschaft in Dresden 1830–1832 46 Putzger, Dr., Betreiber einer Wasserheilanstalt in Königsbrunn 506 Q Quandt, Erwin von (geb. 1827), 1845 Junker der Kavallerie in Freiberg, Sohn von J. G. v. Quandt 61 Quandt, Johann Gottlob von (1787–1859), Kunsthistoriker und Kunstsammler 61, 637 R Raab, Bruno von (1831–1895), 1866 sächs. Hauptmann 554 Rabemeier, aus Bremen 300 Rabenhorst, Bernhard von (1801–1873), sächs. Kriegsminister 124 f., 128, 130, 132–134, 136 f., 139– 143, 148, 154, 158 f., 164, 169, 177, 186, 188, 191, 200, 202, 225, 258, 273, 277, 281, 302, 311, 314, 320, 367, 414, 417, 422, 430, 432, 435 f., 438, 441, 482, 486, 488, 500, 504, 508–511, 515, 622 Racknitz, von, sächs. Oberhofmarschall 258, 629 Radetzky von Radetz, Joseph (1766–1855), österreichischer Feldmarschall 229 Radolinski, Emmerich Ladislaus Graf von (1808–1879), preuß. Kammerherr, Freund von F. F. v. Beust 363, 426 Radowitz, Joseph Maria Freiherr von (1797–1853), preußischer General 16, 167, 200 Ranke, Leopold von (1795–1886), Historiker 24, 345 f. Raschig (?), sächs. Landtagsabgeordneter 1858 191 Rauhe, von, Präsident der Obligationenkommission 426 Rayski, Ferdinand von (1806–1890), Maler 56, 656 Rechberg und Rothenlöwen, Johann Bernhard Graf von (1806–1899), österreichischer Außenminister 1859–1864 382 Rechtwil (?), österreich. Minister 332 Recke, Elise von der (1756–1833), Dichterin 58 Redern, Heinrich Alexander Graf von (1804–1888), Gesandter Preußens in Dresden 1856–1858 266, 303, 319, 325, 346, 386 Rehden, herzoglich-sächs. General in Gotha → siehe Rohden
Personenregister
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Reibold, Geheimer Finanzrat 636 Reiche-Eisenstuck, Carl Friedrich von (1790–1864), Regierungsrat 65, 73 Reichel, Adolf (1820–1896), Dirigent, Komponist aus Paris 314 Reinhard, Karl Friedrich Graf von, d. J. (1802–1873), Gesandter Frankreichs in Dresden 70, 106, 189, 230 Reinhold, Christiane Friederike von, Besitzerin des Rittergutes Ober- und Niederkreischa 305 Reissiger, Carl Gottlieb (1798–1859), Hofkapellmeister, Komponist 237 Reitzenstein, Christoph von (1806–1857), ab 1848 Appellationsrat im Appellationsgericht Dresden 53, 65, 70, 90, 232, 262 Reitzenstein, Karl Leopold Christoph von (1787–1858), sächs. Oberhofmarschall 68, 88, 116 f., 131, 138, 147 f., 154, 166, 170 f., 175, 177, 184, 187, 189, 193 f., 200, 206, 208 f., 215, 217, 221, 223, 230–235, 237 f., 245, 251, 253, 257, 264, 275, 298, 300, 303 f., 309, 312, 317 f., 346 Reitzenstein, Eduard Christoph Freiherr von (1800–1871), sächs. Generalmajor 442, 514 Reitzenstein, Wilhelm von (1815–1864), Diplomat, Gesandter des Königreichs Hannover in Dresden 346 Renner, Johann August, Inspektor der Gemälde-Galerie, Restaurator 291 Reuß, Fürst Heinrich XXII. Reuß ältere Linie (1846–1902), regierender Fürst ab 1867 225, 628 Reuß jüngere Linie, Heinrich XIV. (1832–1918), Erbprinz zu Gera 374 Reuter, Fräulein von, geb. von Nostitz 427 Rewitzer, Franz Xaver (1798–1869), Webermeister, Stadtrat in Chemnitz 93, 94 Rex, Hermann Ernst von (1821–1901), 1867 königlicher Flügeladjutant, 1870 sächs.Oberst 481, 609, 612, 628 Ricci, Alberto Guiseppe Marquis di (1808–1876), Gesandter von Sardinien in Dresden 209 Riccius, Karl August Gustav (1830–1893), Violinist, königl. Musikdirektor, Bibliothekar 426 Richter, Hermann Eberhard Friedrich (1808–1876), Prof. Dr. med., Hausarzt von Karl von Weber 448, 575, 603, 612, 641 f., 658, 677 Richter, Karl Ernst (1795–1863), genannt „Bienenvater“, Herausgeber der Zeitschrift „Biene“ in Zwickau 52 Richter, Ludwig (1803–1884), Maler 25, 394, 399, 415, 554, 563 f., 573, 577, 585, 620 Richter, Prof. an St. Afra Meißen → siehe möglicherweise Roscher Richter, Redner auf einer Wahlversammlung Ende April 1848 in Dresden 92 Richter, von, russischer Staatsrat 348 Rieger, František Ladislav, Dr., Führer der tschechischen Partei in Böhmen, Schwiegersohn des Historikers Palacky in Prag 362 Rietzschel, Ernst (1804–1861), Bildhauer 334, 335, 383 Rittberg, Ludwig Graf von (1797–1881), Präsident des preuß. Appellationsgerichtes Glogau 161, 170, 181 Ritterich, Friedrich Philipp (1782–1866), Prof. der Augenheilkunde, Gründer und Direktor des Blindeninstituts in Leipzig 248 Rittler, Christian Gotthelf (um 1766–1841), 1835 als Oberkonsistorialrat pensioniert 46 Rittner, Karl August auf Merzdorf bei Riesa, Abgeordneter der Rittergutsbesitzer des Meißner Kreises in der Zweiten Kammer des Sächs. Landtages von 1847 bis 1859 202 Rockhausen, Moritz Ferdinand Gustav (geb. 1792), 1848 Oberst in Zwickau 108 Röckel, August (1814–1876), Musikdirektor 25, 106, 155 f. Röder, Karl Friedrich August von (gest. nach 1859), sächs.Oberst 319, 326 Römer, Rudolf Benno von, Besitzer der Rittergüter Neumark und Löthain, Landtagsabgeordneter 54, 103, 134, 149, 179, 184 f., 188–190, 196, 201, 205, 207, 210, 212, 214, 225 f., 228, 248, 264, 266, 294, 326, 347, 350, 391, 428, 439 f., 465, 473, 503, 603 f. Rönisch, Geheimer Finanzrat 619 Roggenbach, Franz Freiherr von (1825–1907), Badener Minister 370 Rohan, Frau des österreich. Generalmajors Fürst Jules-Armand-Louis von Rohan-Guemenee (1768– 1836) 403
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Rohden, Militärangehöriger in Sachsen-Coburg-Gotha 181 Ronge, Johannes (1813–1887), Kaplan, Deutschkatholik 63 Roon, Albrecht Graf von (1803–1879), preuß. Generalfeldmarschall, preuß. Kriegsminister 510 f., 671 Roscher, Wilhelm (geb. 1845), Dr. phil., Prof. an St. Afra Meißen 428 Rosen, Georg Friedrich Wilhelm (1820–1891), eigentlich Ballhorn, Iranist und Turkologe, preuß. Konsul in Jerusalem 399 Rosenberg, Familie in Dresden 42 f., 358 Rosenberg, Karl Benjamin Hermann (1817–1888), Zoologe, Naturforscher, 1866–1868 in Europa 489 Ross, Mistress, Tochter der Lady Gordon 380 Roßberg, Carl Moritz, Regierungsrat, Nachfolger Webers als Referent im Gesamtministerium 142, 153, 196, 226, 239, 297, 307, 313, 345, 372, 374, 394, 396, 432, 469, 514, 550, 600–602, 631, 655, 658 f., 663, 668 f. Roßmann, Karl Ernst Friedrich Wilhelm (1832–1885), Kunsthistoriker, Prof., ab 1873 Vortragender Rat im sächsischen Kultusministerium 630, 666 f., 670 Rost, Pension in Bad Kösen 184 Roth, Wilhelm August (1838–1892), sächs. Generalarzt 570, 625 Rotheberg, Otto von, sächs. Offizier 184 Rothschild, Mayer Karl Freiherr von (1820–1886), jüdischer Bankier in Berlin, Politiker und Kunstsammler 543, 637 Rouville, Offizier in Erfurt 180 Rudolf (1858–1889), Erzherzog, Kronprinz von Österreich 396 Rudolph, Ferdinand (1840–1911), Sänger, Bassbuffo 373 Rühlmann, Adolf Julius (1816–1877), Posaunist, Kammermusiker, Vorstand des Tonkünstlervereins 669 Rüle, Witwe, Tochter des Sultans von Sansibar 653 Rüling, Louis Bernhard (1822–1896), Pfarrer, 1866 Hofprediger 541, 564, 643 Ruge, Arnold (1802–1880), Philosoph und Politiker 81, 153, 484 Rumpelt, Dr., Besitzer des Rittergutes Noschkowitz 391 Rumpler, Helmut, (geb. 1935), Prof., österreich. Historiker 25 Russel, John Earl (1792–1878), engl. Premierminister 386, 413 S Sahla, Ernst Christoph August Freiherr von der (1791–1815), Attentatsveruche auf Napoleon 353 Sahrer von Sahr, Auguste von (1805–1871), verw. Gräfin von Bünau, geb. Gräfin von Einsiedel, Tochter von Detlev von Einsiedel 338, 349 f., 365, 370, 531, 554, 583, 584, 587 Sahrer von Sahr, Karl Heinrich August von (1821–1874) auf Dahlen 338, 349 f., 365, 370, 372, 407, 410, 432, 437, 454, 531, 549, 554, 561–563, 587, 611, 622 Samwar, Karl Friedrich (1819–1882), Publizist, Politiker aus Schleswig-Holstein, Prof. jur. 411 f. Sandizell, Elisabeth Gräfin von (1781–1867) 433 Savigny, Karl Friedrich von (1814–1875), Gesandter Preußens in Dresden 1859–1862 345 f., 356, 374, 382, 502, 509, 511, 523, 529 f., 533, 537, 539, 674 Schaarschmidt, Karl Friedrich (1788–1864), Dr., Ministerialrat im sächs. Innenministerium 49, 77, 84, 225, 249, 347 Schack, August Leopold von (1823–1891), Oberjägermeister und Kammerjunker im Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha 184 Schack, Hans Wilhelm von (1791–1866), preuß. General, ab 8. Juli 1866 Generalgouverneur des Königreiches Sachsen 1866 466, 467, 470–474, 486, 488, 493, 495 f., 498, 505 Schaffrath, Wilhelm (1814–1893), Advokat, Dr., kleinbügerlicher Demokrat 66 f., 79, 99, 106 f., 119, 121, 132, 349, 605, 610, 617 f.8, 625, 630, 632 Schanz, Julius, Student aus Adorf 106 Schek, von → siehe Schack, Hans Wilhelm von
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Schele, Eduard August Freiherr von (1805–1875), Geheimer Kammerrat, Bevollmächtigter des Königreiches Hannover auf der Dresdner Konferenz 212–215, 219, 240 Scheller → siehe Schletter Schenk, Landesbestallter 526 Scheufler, Adokat in Meißen 40, 197, 365 Scheufler, Wilhelm (um 1806–1878), Advokat in Lommatzsch, Universitätsfreund von K. von Weber, Vetter von Advokat Scheufler in Meißen 165, 171, 179, 182, 189, 194, 197, 201, 256 Schiffner, sächs. Hauptmann 572 Schiller, Friedrich (1759–1805), Dichter 57, 161, 186, 317, 332, 335, 367 Schilling, Bruno, Dr. jur., Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Leipzig 48 Schilling, Johannes (1828–1900), Bildhauer 676 Schilling, Polizeimeister 226 Schimpf, älteste Tochter des Schimpf, Geheimer Rat 435 Schimpf, Geheimer Rat 385, 387 f., 404, 427, 431 f., 473, 482–484, 492 f., 507, 541, 546, 575, 582, 587 Schimpf, von, Leutnant 1873 625 Schimpff, Bruno von, Kreisdirektor in Zwickau 324, 356 Schimpff, Hans Otto von (1822–1891), sächs.Generalmajor 172, 243, 268, 288 Schindler, Franz Heinrich Wolf von (geb. um 1800), Geheimer Referendar 47 Schindler, von, Hofrätin 19, 33 Schirnding, Ernst Karl Georg Wilhelm von (1790–1860), sächs. Generalleutnant 131, 133, 145, 157, 225 Schirren, Carl Christian Gerhard (1826–1910), Prof., deutsch-baltischer Historiker aus Dorpat 562, 564, 586 Schladitz, Gottlob Friedrich (gest. 1866), Stenograph, ab 1861 Archivar im Sächs. Hauptstaatsarchiv 198, 222, 296, 298, 325, 341–343, 364, 366, 388, 398, 448 Schleinitz, Alexander Freiherr von, (1807–1885), preußischer Außenminister 344 Schleinitz, Karl Dietrich von (1800–1874), 1840 sächs.Hauptmann 201 Schletter, Heinrich, bayerischer Konsul in Leipzig 264 Schletter, Herrmann Theodor (1816–1873), Museumsdirektor in Leipzig 383 Schlick, Franz Heinrich Graf von (1789–1862), österreichisch-ungarischer General 215 Schlitz, Karl Graf von, genannt Görtz, Generalmajor, Gesandter des Großherzogtums Hessen-Kassel in Dresden 217 Schlick jun., Klarinettist 351 Schlick sen., Wilhelm, Kammermusiker, Violincellist 273, 281, 294, 296, 314, 318, 350, 351, 355, 395, 478, 534, 562 Schmalz, Carl Gottlieb Emminghardt (1811–1893), Advokat, Stadtrichter in Dresden, Regierungsrat im sächs. Innenministerium 51, 74, 114, 210, 222, 566 Schmauß, August, Polizeidirektor der Polizeidirektion Dresden, Regierungsrat 388, 393, 451, 456, 461, 513, 516, 539 Schmerling, Anton Ritter von (1805–1898), österreichischer Minister 368 Schmidt, Advokat in Chennitz 585, 665 Schmidt, Appellationsrat, Sohn des Vorstehenden 392 Schmidt, Benno (1826–1896), Prof., Dr. med., sächs. Generalarzt 570 f., 574, 576, 578–580, 594 Schmidt, Faktor in der Meinhold’schen Druckerei 1866 442 Schmidt, Dr., Finanzprokurator, tätig im Finanzarchiv 357, 477 f., 504, 532, 535 Schmidt, Gottlob Christian (1788–1853), Pfarrer in Kaditz, Kirchen- und Schulrat in Leipzig 35, 179, 249, 682 Schmidt, Julius Theodor (geb. 1811), Bürgermeister in Wurzen 115, 213 Schmidt, Dr., Polizeiaktuar 328 Schmidt, sachsen-weimarischer Geheimer Rat 37 Schmidt, Woldemar (1815–1874), Destillateur, Deutschkatholik 337, 348
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Schneider, Frau des Schneider, R. 571 f. Schneider, Friedrich (1786–1853), Organist, Dirigent, Komponist 51 Schneider, Johann Gottlob (1789– nach 1859), seit 1825 Organist in Dresden 51 Schneider, Kaufmann in Magdeburg, Schwiegersohn von Oberappellationsgerichtsrat Sickel 231 Schneider, Robert (1807–1871), Dr. jur., sächs. Justizminister 30, 227, 321, 352, 365, 376, 378 f., 384, 398, 434, 436–439, 442, 444, 455, 467, 470 f., 479 f., 482, 485 f., 488, 492 f., 495, 497, 499, 502, 507, 509, 511, 513, 517 f., 521, 523, 527–529, 531, 543, 546, 548 f., 551 f., 556, 559, 562 f., 567, 571, 577 f., 581 f., 590–592, 595 f., 598, 614 Schnorr von Carolsfeld, Julius (1794–1872), Maler, Direktor der Gemäldegalerie 317, 394, 563, 613, 679 Schönberg, Arthur von (1802 - 1870), auf Rothschönberg 270, 574, 575 Schönburg, Fürsten von 515, 543, 557, 590, 598, 629, 633, 644 Schönburg, Otto Friedrich (1819–1893), Fürst von Schönburg-Waldenburg 644 Schönburg, Otto Victor Fürst von (1785–1859) 88, 121, 202, 246, 254, 315 Schönburg-Glauchau, Alban Graf von (1804–1864), Besitzer der Herrschaft Wechselburg 407 Schönburg-Waldenburg, Thekla Gräfin von (1795–1861) 188 Schöneck, Weinhändler 419 Schönfeld, Friedrich Ernst von (1796–1878), sächs. Major, Präsident der Ersten Kammer des Sächs. Landtages 124, 195 f., 248, 331, 360, 363, 504, 537, 572, 575, 639, 672 Scholl, Gräfin, Hofdame bei Carola von Schweden 420 Schollwitz, Advokat in Leipzig 500 Scholz, Frau von 42, 657 Schreck, Hermann Friedrich Theodor, Advokat in Pirna 1866 458, 485, 493 Schreier → siehe Schreyer Schreyer, Erhard Anton David, 1855 Referendar im Kultusministerium, 1866 Regierungsrat 393 Schröder, Andreas von (1779–1858), Wirklicher Geheimer Rat, Gesandter Rußlands in Dresden 68, 70, 96, 102, 119, 139, 177, 189, 193, 198, 208 f., 227, 230, 260, 277, 283, 317–319 Schröder-Devrient, Wilhelmine (1804–1860), Sängerin und Schauspielerin 326, 678 Schubert, Johann Andreas (1808–1870), Techniker, Hochschullehrer 13 Schütz, Kaufmann, Onkel von Archivar Erbstein 274 Schütz, Ministerialrat, Geheimer Hofrat 290 Schulenburg, Friedrich Albrecht Graf von (1772–1853) aus Lieberose 257 Schulenburg, Gräfin von 613 Schulenburg, Julius Karl Ferdinand Alexander von der (1809–1893), preuß. Generalleutnant, Hofmarschall, Gesandter in Dresden 1865 416, 490 Schulenburg, Karl Rudolf Graf von (1788– nach 1852), Schwager von Detlev von Einsiedel 199 Schulenburg-Jahnisfelde, Otto Werner Graf von (1804–1875), preuß. Leutnant 485 Schulz, Heinrich Wilhelm (1800 ?–1855), Hofrat, Dr., Ministerialrat im Ministerium des Königlichen Hauses, Direktor der Gemäldegalerie sowie der Antiken- und Münzsammlung in Dresden 92 f., 95, 152, 164, 205, 344 Schultz, Adolf Heinrich Ludwig von (1791–1857), sächs. Generalmajor 131, 145, 146, 148 Schumann, Bratschist 1854 395 Schumann, Clara geb. Wieck (1819–1896), Pianistin, Frau von Robert Schumann 346 Schumann, Robert (1810–1856), Komponist 20, 50 f., 189 Schurz, Carl (1829–1906), amerikanischer Politiker und Publizist 25 Schwarzburg-Rudolstadt, Wilhelm Prinz von (1806–1849) 150 Schwarze, Emilia 54 Schwarze, Ludwig Friedrich Oskar von (1816–1886), Dr., Appellationsrat 1848, Wirklicher Geheimer Rat, seit 1856 Generalstaatsanwalt 227, 251, 392, 432, 434, 437, 533, 556, 558, 581, 599, 663, 675 Schwarzenberg, Felix Fürst zu (1800–1852), österreich. Politiker, Feldmarschallleutnant, seit 1848 Ministerpräsident 165, 203 f., 206, 212, 229, 243, 247, 266
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Schwendler, Karl von (1812–1880), Landesdirektionsrat in Sachsen-Weimar 119 Schwenke, von, sachsen-weimarischer Präsident 118 Seebach, Albin Leo von (1811–1884), ab 1852 Gesandter Sachsens in Paris und ab 1867 in St. Petersburg 98, 198, 200, 212, 235 282, 287, 309, 317, 371, 387, 400, 438, 474, 505, 519, 659, 670, 671, 678, 682 Seebach, Gräfin von, Tochter des russischen Staatskanzlers Nesselrode 671 f. Seebach, Lydia von, Tochter von Seebach, R. C. v. 546, 674 Seebach, Martha von (geb. 1849), Tochter des Vorstehenden 653, 674 Seebach, von, Oberst 238 Seebach, Richard Camillo von (1808–1894), Minister in Sachsen-Coburg-Gotha 70, 77 f., 92, 96, 141, 157, 166–169, 173, 177, 181, 184, 194, 196, 203–207, 218, 221–223, 231, 235 f., 238, 243, 247–249, 251–253, 261, 273–275, 279, 283, 297, 298, 309, 316, 321, 331, 336, 340 f., 348 f., 352, 356, 385, 387, 389, 391, 398, 404 f., 411 f., 418, 426 f., 430, 439, 516, 526–528, 546, 551, 576, 578, 618 f., 628, 639, 649, 656, 671, 673, 675, 678, 682 Seebach, Wanda von, Tochter des Vorstehenden 426, 674 Seelmann, Friedrich, Kammermusiker, Violinist 185, 273, 281, 289, 294, 394, 314, 318, 350, 395, 478, 534, 560 Seidenschnur, Otto (1817–1850), Dr. med., Stadtverordneter 145 Seiler, Friedrich Hugo (1821–1897), Dr. med., Oberarzt in der Diakonissenanstalt Dresden, Medizinalrat 395, 616, 641–643, 653 Sellier, Peter Daniel Ludwig (1790–1870), Unternehmer, Großhandelsgeschäft für Tabak und Galanteriewaren in Leipzig 14 Selmuth, Frau von, Weinberg in Loschwitz 34 Semper, Gottfried (1803–1879), Architekt 157, 210, 296, 670 Semper, Manfred (1838–1913) 670 Senfft von Pilsach, Clemens Friedrich von (1827–1916), Oberstallmeister und Oberst 669 Senfft von Pilsach, Friedrich Christian Ludwig (1776–1853), Graf, sächs. Kabinettsminister, seit 1813 in österreichischen Diensten 480 Senfft von Pilsach, Friedrich Moritz Adolf von (1816–1897), sächs. Generalleutnant 669 Seydewitz, Max von (1892–1987), sächs. Ministerialrat a. D. 32 Seyfert, Advokat, Stiftskonsulent in Bautzen 615 Seyfferth, Gustav (1796–1885) 14 Shakespeare, William (1564–1616), englischer Dramatiker und Dichter 139 Sichart, Pastor, Archivbenutzer 301 Sickel, Johann Conrad, (1769–1837), Dr., Advokat, Bürgermeister in Leipzig, Präsident des Appellationsgerichtes Leipzig 41 Sickmann, Bürger von Dresden, Bekannter K. v. Webers 54 Sidonia (1518–1575), Herzogin von Sachsen, Herzogin von Braunschweig-Kalenberg 208 Sidonia (Maria Sidonia) (1834–1862), Prinzessin von Sachsen 301, 374, 395, 550, 579 Siebenhaar, Geheimer Justizrat 299, 354, 359, 364, 379, 384, 390–392, 409, 426, 436, 620–622, 648 Siebdraht, Gustav Albert, Geheimer Justizrat, Zugführer bei der Kommunalgarde Dresden 144 Siegel, Franz Ludwig (1812–1877), Advokat, Redakteur des Dresdner Journals und ab 1850 der Konstitutionellen Zeitung 183 f., 227 Siegerl, Max Alexander, versuchtes Attentat auf Prinz Albert 1868 549 Siegmann, Friedrich Wilhelm (1801–1885), sächs. Oberst, Generalintendant im sächs. Kriegsministerium 79, 147 f. Siegmann, Georg, Oberappellationsrat im Oberappellationsgericht Dresden, in der Familie hielt sich Sophie Tenge im Sommer 1834 besuchsweise auf 227 Siemens, Gustav (18056–1874), Dr. jur., Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, Stadtgerichtsassessor in Hannover 107, 204, 547, 553 Silbermann, Gottfried (1683–1753), Orgelbauer 304
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Simon, Heinrich (1805–1860), aus Hannover, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung 243 Simon, preußischer Regierungsassessor in Reichenberg 467 Solinas, Antonio, italienischer Archivar aus Palermo 381 Sommerfeld, von (1813–1895), preußischer Oberstleutnant, 1866 Kommandeur eines Ersatzbataillons 464 Sophia (gest. 1861), Prinzesin von Holstein 354 Sophia (1845–1867), Prinzessin von Sachsen 385, 418, 509, 532 Sophia Luise (1824–1897), Prinzessin der Niederlande, Frau von Erbgroßherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar 639 Sperber, Karl Julius, Regierungsrat in der Kreisdirektion Dresden und bei der Rentenversicherungsanstalt 588 Spiegel, Gustav Wilhelm von (1805–1873), sächs. Generalleutnant 148, 426, 509, 541, 544, 567, 588, 638 Spiegeltal, Konrad Ludwig Peter, um 1850 Kaufmann in Köln, von 1851 bis 1861 preußischer Konsul in Smyrna 670 Spitzner, Gustav Friedrich (gest. 1871), Geheimer Regierungsrat 43, 87 Spohr, Louis (1784–1859),Violinist, Komponist und Dirigent 304, 523, 546 Spuler, Komponist 270 Stammer, Henning Albert von auf Zottewitz, Kammerjunker, Senior des Kollegiatstifts Wurzen, Mitglied der Zweiten Kammer des Sächs. Landtages von 1862 bis 1884 625 Stange, E. J., Advokat in Dresden 1854 280 Stanley, Henry Morton ( 1841–1904), Lord, englischer Journalist und Afrikareisender 544 Steiger, Adolph (1817–1897), Landwirt, Pächter aus Löthain bei Römer 149, 603 f. Steinacker, Wilhelm Ferdinand (1792–1864), Jurist, Professor an der Universität Leipzig 392 Steinberg, Bodo von (1819–1897), Gesandter Hannovers in Dresden 206 f., 212, 216, 271 Stelzner, Oskar Wilhelm (1829–1901), Dr. med., Arzt in der Diakonissenanstalt Dresden 616, 642 f., 653 Stephani, Heinrich Bruno, Dr. jur., Vorstand des Finanzarchivs, Hofrat 325 Stephani, Luise Adrienne (1789–1860), Großherzogin von Baden, verheiratet 1806 mit Karl, Großherzog von Baden (1786–1818) 563 Steuer, Bekannter von K. v. Weber 1867 519 Stichling, Gottfried Theodor (1814–1881), sachsen-weimarischer Staatsminister 578 Stieber, Wilhelm (1818–1882), Leiter der preuß. Politischen Polizei, Polizeirat 456 Stieglitz, Christian Ludwig von (1803–1854), Dr., Appellationsrat 59, 637 Stieglitz, Thuisko von (1808–1881), 1849 sächs. Major, ab 1850 Oberstleutnant 206, 214 Stockmann, August Ferdinand, Besitzer des Rittergutes Zöpen 75 Stöckhardt, Adolph (1809–1881), Chemiker, Lehrer an der Forstakademie Tharandt 13 Stolberg-Stolberg, Alfred Graf zu (1835–1880), Besitzer des Rittergutes Brauna 62 Stoll → siehe Stoy Stolle, Karl Wilhelm (1852–1918), Sozialdemokrat 18 Stoy, Karl Volkmar (1815–1885), Professsor der Pädagogik an der Universität Jena, Prorektor der Universität 1849 360 Strauß und Torney, Victor von (1809–1899), Geheimer Kabinettsrat aus Lippe-Detmold 213, 633 Struckmann, Bertha, in Friedrichroda 674 Struve, Gustav von (1805–1870), Rechtsanwalt in Baden, radikaler Demokrat 106, 381 Stübel, Bruno Anselm (1811–1897), Advokat, Hofrat 431, 604, 609, 630, 647, 677 Stüve, Johann Karl Bertram (1798–1872), hannoverscher Innenminister 162 Süßmilch, Geheime Regierungsrätin 369, 657 Süßmilch, genannt von Hörnig, Moritz Bernhard (1792–1858), sächs. Oberstleutnant 132, 134, 170, 172, 214, 300, 313 Süßmuth → siehe Susemihl
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Sultan von Sansibar 653 Susemihl, Franz Heinrich Georg, Regierungsrat im sächs. Innenministerium 229 Sybel, Heinrich von (1817–1895), Historiker 24 T Tamburini, Antonio (1800–1876), italienischer Bassist 238 Tann, Ludwig Samson Arthur Freiherr von und zu der Tann-Rathsamhausen (1815–1881), bayerischer General, Vertrauter des bayerischen Königs Ludwig II. 334 Tarzynski, General 207, 242, 253 Tasso, sächs. Gardereiter, gefallen 1866 466 Taucher → siehe Teucher Tauchnitz, Appellationsrat 384 Tauchnitz, Christian Bernhard sen. Freiherr von (1816–1895), Buchhändler in Leipzig 308 f., 310, 316, 320, 336, 347 f., 350, 376, 380, 383, 393–395, 398, 441, 500, 502 f., 530, 583, 610, 623, 633 Tauchnitz, Christian Carl Bernhard (1841–1921), Buchhändler in Leipzig 583 Tenge (gest. 1873), Schwiegermutter von K. v. Weber 54–56, 150, 318, 421, 524, 553, 634 Tenge, Sophia Dorothea → siehe Weber, Sophia Dorothea Teubern, von, Familie in Dresden 218, 372 Teubner, Benedikt Gotthelf (1784–1856), Druckereibesitzer in Leipzig und ab 1832 in Dresden 74, 309 Teucher, Carl Gustav Robert, Geheimer Kriegsrat, Vorstand der Abteilung für Justizangelegenheiten im Kriegsministerium 508, 650 Thenius, Otto, Dr., Pastor in Dresden-Neustadt, Konsistorialrat im Landeskonsistorium 355, 382 Thielau, Heinrich Erdmann August von (1798–1877), Landesältester der Oberlausitz 68, 156, 178, 246, 250, 280, 291, 301, 311, 387, 501, 564 Thielau, von, Oberstallmeister 615 Thielau-Rüssing, Wilhelm Rudolf (1818–1880), Adjutant 397, 513, 602 Thiemann, Eduard Moritz, Geheimer Justizrat, Ministerialrat im Justizministerium, Hofrat 385 Thieme, Schüler von St. Afra Meißen, Pastor 256 Thieriot, Jakob Heinrich (1778–1849), Unternehmer aus Leipzig 206, 225 Thiersch, Karl (1822–1895), Prof. der Chirurgie seit 1867 in Leipzig 570 Thimmig, Alexander Julius (1803–1852), Regierungsrat in der Kreisdirektion Zwickau 210 Thio, aus Paris, Historiker 423 Thümmel, Frau des Thümmel, H. J. von 587 Thümmel, Hans Julius von (1824–1895), Geheimer Finanzrat, Abteilungsdirektor im sächs. Finanzministerium 471, 474 f., 578, 661, 663 f. Thun und Hohenstein, Leo Graf von (1811–1888), Statthalter in Böhmen in Tetschen 282, 332, 538 Tichatschek, Joseph Aloys (1807–1886), Sänger am Kgl. Hoftheater 426 Tieck, Ludwig (1773–1853), Schriftsteller und Dramaturg 190, 346, 608 Tilly, Johann Tserclaes Graf von (1559–1632), kaiserlicher Feldherr 374 Tischendorf, Lobegott Friedrich Konstantin von (1815–1874), Hofrat, Prof. der Theologie an der Universität Leipzig 392 Tittmann, Friedrich Wilhelm (1784–1865), Oberkonsistorialrat, Geheimer Archivar im Sächs. Hauptstaatsarchiv 47, 93, 110, 683 Tittmann, Karl Christian (geb. 1806), Kandidat der Rechte, 1850 in St. Louis (USA) 55 Tittmann, Karl Eduard (geb. 1811), Kandidat der Rechte, 1850 in St. Louis (USA) 55 f., 198 Todt, Karl Gotthelf (1803–1852), Bürgermeister in Adorf, sächs. Politiker 16, 92, 101 f., 107, 123, 125, 146 f., 149, 164, 554 Törmer, Julius Anton (1803–1868/1869), sächs. Generalmajor 556 Treitschke, Georg Karl (1783–1855), Dr., sächs. Geheimer Justizrat 117 f., 121 f., 163, 199 Treitschke, Heinrich von (1834–1896), Historiker 24, 483–485, 487 Trendelenburg, Friedrich Adolf (1802–1872), Historiker, ab 1833 Prof. in Berlin 56, 455, 576, 628
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Trützschler, Wilhelm Adolf von (1818–1849), kleinbürgerlicher Demokrat 82, 106, 111, 228 Tschirschky-Bögendorf, Otto Julius von, Geheimer Finanzrat, ab 1855 Vorsitz in der Staatseisenbahndirektion Dresden, Direktor der Staatseisenbahn 260, 434, 586, 589 Tümpling, Wilhelm von (1809–1884), preuß. Generalleutnant, 1866 Generalgouverneur des Königreiches Sachsen 506 f., 510 Tümpling, Wolf von (1813–1881), sächs. Leutnant 1865 420, 421 Türk, Johann Eduard (1810–1869). Buchhändler und Apotheker in Dresden 202, 206 Tyssowski, Johann (1811–1847), Dr. jur., Diktator von Krakau 103 Tzschirner, Samuel Erdmann (1814–1870), Advokat, kleinbürgerlicher Demokrat 16, 94, 96 f., 99, 103, 108, 119, 124, 130, 133 f., 144–147, 157, 163, 169, 214 Tzschucke, Karl Hugo (um 1804–1879), Lehrer in Meißen, Obmann des Meißner Vaterlandsvereins, Bürgermeister von Meißen 149 U Uckermann, Frau des Uckermann, R. L. Freiherr von, Liaison mit Friedrich Ferdinand von Beust 307, 330, 349, 351, 395, 417 f., 445, 486, 530, 537, 539 Uckermann, Robert Ludwig Freiherr von (1813–1869), sächs. Offizier, Rittmeister im Garde-Reiterregiment 116, 156, 264, 349, 386, 417 f., 488, 518, 537–539, 602 Uckermann auf Walda, Schwager von Ehrenstein 326 Udolinski, genannt Dedo, Graf 375 Uhde, Bernhard von, Polizeidirektor von Dresden 1862, 1862–1874 Kreisdirektor der Kreisdirektion Zwickau 388, 506, 592, 595, 629, 663, 675 Uhland, Ludwig (1786–1862), Dichter 400 Ullrich, Gustav Eduard, Dr. med., Leib-Wundarzt, Bataillons-Oberarzt 631 Ulrich, Auguste Charlotte Pauline (1835–1910), Hofschauspielerin 373, 376, 393, 483 Unger, Advokat 328 Ungern-Sternberg, Eduard Otto Ernst Jakob Freiherr von (1836–1904), Schriftsteller und Politiker 626 V Vahlteich, Karl Julius (1839–1915), Sozialdemokrat 18 Varnhagen von Ense, Karl August (1785–1858), Diplomat und Schriftsteller 335, 389 Vehse, Karl Eduard (1802–1870), sächsischer Archivar 218 Veltheim, Charlotte (1803–1873), ab 1822 Sängerin an der Dresdner Hofoper 185 Verloren, Karl Heinrich Adolf von, preußischer Oberst in Erfurt 184 Vetter u. Co, Leipziger Bankhaus 666 Vieth von Golßenau, Carl Maximilian von (1812–1887), sächs. Regierungsrat, 1857–1874 Amtshauptmann von Dresden 467, 509 Vigneau, Justus Wilhelm du (1793–1866), seit 1845 Präsident der Regierung Erfurt 161 Viktoria (1837–1901), Königin von Großbritannien und Irland 544, 550 Viktoria (1840–1901), Prinzessin von Großbritannien, Kronprinzessin von Preußen 510 Viktor Emanuel II. (1820–1878), König von Italien 671 Villers, Alexander Heinrich von (1812–1880), sächs. Diplomat 106, 162, 172, 215, 225, 519 Vincke, Georg Freiherr von (1811–1875), preußischer liberaler Politiker 135 Vitzthum von Eckstädt, Carl Friedrich von (1819–1895), Gesandter Sachsens in St. Petersburg 1852/1853 und in London 1853 bis 1869 25, 317, 399, 415, 462, 486, 505, 519–521, 529 f., 534– 538, 544 f., 549 f., 588, 609, 617, 619, 633, 639 Vogel von Vogelstein, Carl Christian (1788–1868), Maler 220, 245 Vogt, Dr. med., Arzt von K. v. Weber 642, 676, 681 Voigt, Pastor in Königsberg 423 Vollborn, Egbert Friedrich (1818–nach 1905), sächs.Major 463 Vollert, Anton, Dr., Kreisgerichtsrat in Arnstadt 370, 376 Voltaire, Francois-Marie (1694–1778), franz. Schriftsteller und Philosoph 252
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Voß, August Hans Ferdinand Graf von (1788–1871), preußischer General, Kommandant der Festung Erfurt 161 W Wachsmuth, Wilhelm (1787–1866), Historiker, Prof. in Leipzig 22, 383, 385, 395 f., 410, 684 Wackerbarth, Mathilde, geb. v. Weber, Schwester von Karl von Weber 40, 56, 185, 197, 203, 219, 225, 265 f., 328, 367, 419 Wackerbarth, Schwager von Karl von Weber 185, 197, 203, 265 f., 367, 369–371, 419 Wackerbarth, Flora 681 Wächter, Karl Eberhard Freiherr von (1798–1874), württembergischer Staatsminister, Präsident der Ständeversammlung, Prof. der Rechte an der Universität Tübingen 69 Wächter, Karl Georg von (1797–1880), Prof. der Rechtswissenschaft an der Universität Leipzig 250, 291, 299, 312, 434 Wagner, Ernst Leberecht (1829–1888), Dr. med., Prof der Universität Leipzig, Geheimer Medizinalrat 631 Wagner, Richard (1813–1883), Komponist 440, 553 Wallwitz, Georg Friedrich Graf von (1807–1901), Kgl. Sächs. Kammerherr, Rittergutsbesitzer von Borthen 305, 354, 429, 444 f., 470, 475 Wallwitz, Gräfin von, geb. von der Planitz 426 Walt, Gutsbesitzer von Limbach 229 Walther, Hermann (1815–1871), sächs. Geheimer Medizinalrat, Präsident des Landesmedizinalkollegiums 466, 467, 469 Wasilewski, Joseph Wilhelm von (1822–1896), Violinist, von 1855 bis 1869 in Dresden 318 Wast,von – verlesen für Voß – → siehe dort Watt, James (1736–1819), englischer Ingenieur, Erfinder der Niederdruckdampfmaschine 13 Watzdorf, Christian Bernhard von (1804–1870), Staatsminister im Großherzogtum Sachsen-Weimar 21, 54, 56, 59, 61, 118 f., 140 f., 160, 167–169, 172, 251 f., 254–256, 261, 354, 381, 398, 399, 526, 528, 578, 683 Watzdorf, Heinrich Wilhelm von, Kreisdirektor in Zwickau 210, 253, 275, 578 Watzdorf, Otto Heinrich von (1801–1860), Landtagsabgeordneter, Rittergutsbesitzer 82, 83, 185 f., 197, 205, 230, 264 Watzdorf, von, Familie 299, 409 Watzdorf, von, 1866 in Wien und 1872 Domherr 486, 505 f., 508, 612 Weber, Adolph von (1809–1877), sächs. Offizier, Bruder von K. v. Weber 23, 65, 91, 101, 108, 147, 152, f., 175, 201 f., 231, 241, 246, 251, 257, 264 f., 303, 319, 339 f., 361, 367, 383, 388, 394, 399, 429, 439, 458, 472, 488, 519, 526, 539, 546, 618, 643 f., 652, 658, 667 f. Weber, Albert von (Selbstmord. 1859), Bruder von K. v. Weber 204 f., 266, 310, 327, 328 Weber, Albrecht (1825–1901), Prof. der orientalischen Sprachen, Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften 307, 507 Weber, Anton von (gest. 1888), Bruder von K. v. Weber, Präsident des Appellationsgerichtes Dresden 106 f., 153–155, 189, 198, 214, 226, 229, 238, 240–243, 249, 257, 259, 261, 264, 265, 269, 278, 281, 287, 292–294, 296, 298–300, 304, 306, 310, 316, 318, 321, 327 f., 335, 339, 343, 350, 353, 361, 367, 384, 387 f., 394, 396, 399, 403, 417, 419, 420, 432, 434, 438 f., 441, 443, 459, 471, 476, 478, 480, 483 f., 491, 507, 524, 526, 529, 539, 546, 556, 559, 562, 571 f., 582 f., 587, 599, 608, 620–622, 628, 643, 644, 647, 648, 663, 667, 678, 680 f. Weber, Erhard von (1848–1874), zweiter Sohn von K. v. Weber, Arzt 23, 182, 204, 213, 226, 251 f., 270, 277, 286, 289, 297, 303 f., 318, 322, 330, 336–339, 354, 364–366, 370, 379 f., 397 f., 401, 422, 423, 446, 453, 462, 466, 470, 473, 489, 492, 508, 524, 546, 552, 558, 560, 567–581, 583, 586, 589, 594, 603, 612, 616, 621, 624–626, 628–630, 641–644, 646, 678, 681, 686 Weber, Ernst von, Bruder von K. v. Weber 24, 204 f., 230, 266, 295, 309, 328, 338, 340, 668, 670 f., 673, 677, 678, 681 Weber, Ferdinand von (geb. 1807), Bruder von K. v. Weber, Geheimer Regierungsrat in der Kreisdirek-
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Personenregister
tion Dresden 23, 35 f., 41, 152, 176, 198, 205, 229, 248 f., 257, 261, 264, 269, 271 f., 279 f., 288, 295, 310 f., 324, 331, 336, 339, 359, 361, 385, 387 f., 394, 399, 422 f., 427, 430, 448, 457, 459, 470, 476, 485, 492, 498, 525, 529, 536, 546, 554, 560, 562, 574, 583, 623, 643, 647 f., 656, 679–681 Weber, von, Freiherr, Eisenbahndirektor 260 Weber, Gustav von (geb. 1836), erster Sohn von K. v. Weber, Appellationsrat 23, 147, 153, 155, 182, 206, 243, 256, 271, 273, 286–288, 299, 330, 336, 346, 349, 356, 365, 374, 385, 388, 391, 397 f., 400 f., 403, 420, 427, 429, 445, 453, 459, 461, 471, 479 f., 486 f., 493, 499 f., 503, 507 f., 513–515, 517 f., 522, 554, 560, 563, 569, 583, 589, 590, 594, 604, 606, 608, 611 f., 620, 622, 642 f., 647, 653, 656 f., 668, 680 f. Weber, Heinrich, Vetter von K. v. Weber 673 Weber, Karl Maria von (1786–1826), Komponist, Musikdirektor 213, 220, 346 Weber, Karl Gottlieb Wilhelm von (1778–1849), Oberkonsistorialpräsident, geadelt 1829, Vater von Karl von Weber, Geheimer Rat, ab 1835 Präsident des Landeskonsistoriums, Besitzer des Rittergutes Zöschau 19 f., 33–36, 40, 46, 54, 56, 148, 156, 219, 266, 354, 682 Weber, Leopold, Jurist, Universität Leipzig 41, 48 Weber, Louise Henriette geb. Kapp (1784–1817), Frau des Weber, K. G. W. von 19, 240 Weber, Marie von, Tochter von K. v. Weber ? 175, 177, 669 Weber, Marie, Frau des Weber, G. von 606, 608, 620 Weber, Mathilde von → siehe Wackerbarth, Mathilde Weber, Max Maria von (1822–1881), Telegrafendirektor, Sohn des Komponisten 213, 220, 477 Weber, Oda von (geb. 1854), Tochter von K. v. Weber 23, 287, 289, 297, 304, 366, 400, 419, 420, 424, 455, 457, 466, 478, 491, 504, 524, 527, 552 f., 562, 564, 570, 573, 579, 581, 587 f., 592, 594, 603, 611, 618, 642, 653 f., 660, 665, 667, 670, 673, 678 Weber, Rosa von, Frau von Adolph von Weber 251, 303, 459, 488, 495, 498, 524, 668 Weber, Sophia Dorothea (1817–1884), geb. Tenge, Frau von K. v. Weber 22 f., 54–56, 148, 150, 152, 159, 164, 170, 174 f., 177 f., 180, 182, 185 f., 194, 196, 198, 202, 204, 206–209, 213, 218–223, 237 f., 241 f., 244 f., 249, 251–256, 258, 261, 263, 270, 277, 281, 283–289, 292 f., 295, 297–300, 303–307, 310, 312, 320, 322, 325–327, 331, 336–339, 341, 346 f., 349, 351, 353–356, 361, 363, 366 f., 370 f., 373, 376, 379 f., 388, 391, 393, 395, 400, 408, 413, 422, 426, 428, 432, 434, 436, 445, 455, 457, 463, 466, 468, 470, 471, 473, 478, 486, 489, 491 f., 495 f., 499 f., 504, 515, 517, 524, 532, 550, 552–554, 561, 567, 570, 579, 581, 587 f., 592, 594, 600 f., 608 f., 612, 618, 622, 627, 634, 640–642, 646, 651, 657, 660, 666, 669 f., 676–678, 680 Wedekind, Karl (1809–1881), Unternehmer, sächs. Konsul in Palermo 199 Weinlig, Albert Christian (1812–1873), sächs. Innenminister 119, 123–125, 127, 133, 136–140, 220, 252, 269, 343, 360, 372, 497, 506, 554, 622 Weiß, Ministerialassistent 1851 210 Weissenbach, Friedrich Karl Hermann von (1788–1852), sächs. Kammerherr 21, 137, 222 Weißenbach, von, Regierungsrat 274, 382, 403 f., 441, 508, 519, 528, 547, 588, 619, 624, 683 Weißenbach, Zwitter aus Plauen 373 Weist, von, russ. General 572 Welck, aus Mückenberg, Verwalter der Einsiedelschen Werke 587 Welck, Curt Robert Freiherr von (1798–1866), Amtshauptmann in Rochlitz 262, 280, 349, 678 Welck, Emma Luise von (1805–1892), geborene Freiin von Beust, Frau von C. R. Frh. v. Welck 430, 534 Welck, Otto von 658 Weltheim → siehe Veltheim Wenck, Woldemar Bernhard (1819–1905), Dr. phil., außerordentlicher Professor an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig 415 Wendtler, Adolf Emil, Dr. jur., Advokat, Domkapitular des Kollegiatstifts Wurzen und Domherr des Domstifts Meißen 679 Wengler, Johann David (1785–1869), von 1824 bis 1854 Pastor in Kesselsdorf 35 Wermsdorf, von, Oberbergrat 1860 345
Personenregister
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Werner, Joseph Freiherr von (1791–1871), von 1859 bis 1869 Gesandter Österreichs in Dresden 336, 340, 371, 385, 406, 426, 515–517, 524, 541, 554, 559 Werther, Heinrich Wilhelm Freiherr von (1772–1859), preuß. Gesandter 569 Wesendonck, Hugo Maximilian (1817–1878), Adokat in Düsseldorf, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung 107 Westelin, Komponist 34 Wickede, Julius von (1819–1890), Schriftsteller 35, 312, 339 , 349, 356 f., 359, 368 f., 371, 376, 385, 389, 392, 396, 415, 419, 434, 451, 524–526, 565, 589 f., 670, 680 Wickede, Oberstleutnant 596 Wiechel, Ehemann von Veronika Müller 241, 337 f., 347–349, 412 f. Wieland, Christoph Martin (1733–1813), Dichter 161 Wiesner, Sozialdemokrat in Paris 211 Wießner, Marie (1837–1910), Frau des Wießner, M., Tochter des Dresdner Bankiers Carl von Kaskel (1797–1874) 332 Wießner, Moritz (1820–1899), Regierungsrat 361 f., 489 Wietersheim, Eduard von (1787–1865), sächs. Minister 31, 63–65, 67 f., 73 f., 80 f., 93, 116, 176, 183, 188 f., 223, 229, 246, 257, 312 f., 326, 410 f., 683 Wigard, Franz Jakob (1807–1885), Prof. an der Stenographischen Lehranstalt 198, 218, 228, 441 Wilhelm (1819–1904), Großherzog von Mecklenburg, preuß. General 469 Wilhelm I. (1781–1864), König von Württemberg 69 Wilhelm I. (1797–1888), Prinz von Preußen, seit 1861 König, seit 1871 deutscher Kaiser 17, 342, 344 f., 361, 389, 401, 438, 493, 501–503, 505, 509, 511, 514, 518, 523, 529 f., 533, 537, 542, 554, 557 f., 567, 571, 583, 586, 588, 592, 618, 667 Wilhelm (1806–1884), Herzog von Braunschweig 352 Wilke, (gest. 1863), Geheimer Justizrat 405 Wilke, Robert (1804–1889), Major a. D., Bauingenieur, Geheimer Finanzrat 222 Wilutzki, Karl Ferdinand von (geb. 1815), sächs. Oberleutnant 163 Windischgrätz, Alfred Fürst von (1787–1862), österreich. Feldmarschall 111, 117, 157 Winkler, Georg Ernst (1841–nach 1907), 1870 sächs. Hauptmann 502, 542, 596, 597 Winkler, Karl Gottfried Theodor, Pseudonym Theodor Hell (1755–1866), Hofrat 211 Winkler, Registrator im Hauptstaatsarchiv 388, 394 Winter, Georg Friedrich August, Geheimer Sekretär im Gesamtministerium, Geheimer Registrator 76, 98, 101, 110 Winzingerode, Graf, Mitarbeiter beim preußischen Zivilkommissar von Wurmb 501 Wirsing, Emil August (gest. 1848), Archivar im Sächs. Hauptstaatsarchiv, Hofrat, Freimaurer 236 Wischer, von, Familie aus Stuttgart 198 Wittern, Julius Balduin von (1807–1893), 1843 sächs. Hauptmann 549 Wittgenstein, Fürst zu 574 Wittig, Ernst Ludwig (1815–nach 1874), Schriftsteller 226 Witzleben, Cäsar Dietrich von (1823–1882), Referendar 1850, Regierungsrat, ab 1856 Kommissar für die Leipziger Zeitung, 1879 Geheimer Rat, 1880–1882 Direktor des sächs. Hauptstaatsarchivs 186, 224, 239, 386, 499 f., 502, 504, 5 25, 526, 531, 562, 610 f., 649, 670 Witzleben, von, Familie 430, 607, 651 Witzleben, von, Frau des Witzleben, W. D. B. von 479 Witzleben, Hartmann Erasmus von (1805–1878), preuß.Wirkl. Geh. Rat, Regierungspräsident von Magdeburg 216 f., 386, 475 Witzleben, Jakob Rudolf Alexander (1808–1886), sächs. Oberst, Direktor der Garnisonverwaltung Dresden 124, 176, 281, 336, 339, 349, 517 Witzleben, von, preußischer Generalleutnant 462 Witzleben, Wolf Dietrich Benno von (1808–1872), sächs. Generalleutnant 170, 188, 345, 391, 493, 525, 552, 586, 611, 613, 638, 667 Wolchonski, russischer Fürst 325
776
Personenregister
Woldemar Heinrich Karl (1810–1871), Prinz zu Holstein, preuß. Generalleutnant, ab 1866 Gouverneur der Festung Mainz 67, 165, 183, 198, 214, 222 f., 231, 248, 273, 290, 463, 616 Wolf, Paul, Dr. med., herzoglich-brauschweigischer Hofrat, wohnhaft in Dresden 157, 231, 284 f. Wolfradt, Carl Gustav von (1796–1857), preuß. Offizier 169 Woydt, August Ferdinand von (1791–1862), sächs. Major, oder Wilhelm Andreas (1792–1867) 259 Wozel, Afrikareisender, 1861 in Afrika verschollen 352 Wrede, Otto Fürst (1809–1871) 630 Wunder, Wilhelm Ernst Hermann, Zahnarzt und Zahnkünstler in Dresden 308 Wurmb, Lothar von (1824–1890), Landrat von Weißenfels, preuß. Zivilkommissar 1866 in Sachsen, Domdechant von Merseburg, Regierungspräsident von Wiesbaden 30, 445–447, 451–460, 462, 464–467, 469-477, 479 f., 482–493, 497, 500 f., 505, 507, 511, 539 Wuthenau, Auguste Luise Friederike von (1835–1915), geb. von Zeschau, seit 1866 verheiratet mit Wilhelm von Wuthenau, Mätresse von Kronprinz Albert 534, 640, 656, 662 Wuthenau, Paul Kurt Wilhelm von (1835–1899), sächs. Kammerherr 260, 657, 673 Wuttke, Heinrich (1818–1876), Dr., Historiker, Privatdozent in Leipzig 81 Wydenbrugk, Oskar Wilhelm Eberhard von (1815–1876), sachsen-weimarischer Staatsrat 160 X Xaver (1730–1806), Prinz von Sachsen, Administrator 206, 220, 291, 342 Y York von Wartenburg, Hans David Ludwig Graf von (1759–1830), preuß. Feldmarschall 356 Z Zahn, George von (1811–1881), Geheimer Rat, Abteilungsleiter im sächs. Innenministerium für die Strafanstalten 402, 443, 500 Zahn, von (gest. 1873), Hofrat 628, 630, 666 Zahn, Johann Alfred von (gest. 1884), Hofrat, Kanzleidirektor in der Schönburgischen Gesamtregierung Glauchau 574, 578, 606 Zehmen, Ludwig Erhard Victor von (1812–1892), Kammerherr, Domherr zu Meißen 262, 501, 543, 595, 599 f., 605 f., 610, 612, 617, 627 f., 630, 646, 660, 677 Zeltner, Fabrikant aus Nürnberg 423 Zenker, Albert (gest. 1854), Geheimer Hofrat, Ministerialrat im Ministerium des Kgl. Hauses 113, 235, 290 Zeschau, Emil Heinrich Ernst von (1804–1888), sächs. Generalmajor, Abteilungschef im Kriegsministerium 148, 519 Zeschau, Heinrich Anton von (1789–1870), sächs. Finanzminister 27, 45, 47, 49, 60, 62, 64, 66, 69 f., 72–76, 78, 89, 82–84, 86, 88, 91, 93, 106, 115, 123 f., 129, 162, 164, 166 f., 170 f., 183, 217, 234, 237, 268, 291, 296, 308 f., 317–319, 322–324, 355, 359, 363, 372, 386, 404, 410, 419, 425, 432, 521, 649 Zeschau, Oberzollrat 380 Zeschwitz Johann Adolf von (1779–1845), sächs. Kriegsminister 275, 542, 552 Zezschwitz, Georg Ernst von (1787–1848), Kreishauptmann des Vogtländischen Kreises 68, 69 Zezschwitz, Joseph Woldemar von (1811–1859), auf Deutschbaselitz, Abgeordneter der Zweiten Kammer des Sächsischen Landtages 59, 108 Zezschwitz, Robert Eduard von (1808–1880), sächs. Major, 1851 königlicher Flügeladjutant, Hofmarschall von Kronprinz Albert 242, 548, 569 Ziegenbalg (erschossen am 19.4.1831 in Dresden), Schneider 47 Zimmermann, Volkmar, Stiftssyndikus des Domstifts Meißen 1874 645 f. Zitz, Franz Heinrich (1803–1877), Dr. jur., Advokat in Mainz 111 Zobel, Ernst Hermann Robert von (1822–1866), Kirchenrat im sächs. Kultusministerium 394, 407, 487, 509
Personenregister
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Zschille, Karl August, Kanzleirat im sächs. Außenministerium 300, 370, 387, 444, 452 f. Zschinsky, Ferdinand von (1797–1858), Dr., sächs. Justizminister 72, 76, 78–80, 141–143, 146, 149, 157–159, 167, 171, 179, 183, 187 f., 193, 199, 201–204, 208, 212, 216, 218, 220, 227, 231 f., 250–256, 258–263, 265 f., 268, 273–279, 283, 293, 302 f., 306, 311, 320–322, 358 f., 386 Zschinsky, Berta von (gest. 1870), geborene Bernhardt, zweite Frau von Ferdinand von Zschinsky 386 Zschinsky, von, Hofmarschall 426, 675 Zschirschke → siehe Tschirschky Zweuner (?), Finanzarchivar 405 Zychlinski, Leo von (1822–1879), cand. jur., sächs. Revolutionsflüchtling, Maler und Sprachlehrer 145, 163, 360 f. Zychlinski, Richard von, Leutnant des sächs. Leib-Infanterie-Regiments 144, 163, 184
Ortsregister A Aachen 196 Alexandria 335 Altenberg 619, 673 Altenburg 96 f., 103, 106, 109, 256, 269, 404, 473, 527, 653 Altenstein 343 Althen 58 Altona 411 Amsterdam 628 Andermatt 242 Annaberg 619 Arnstadt 294, 370, 376 Athen 241 Auerbach im Vogtland 421 Auerstedt 24 Augsburg 241, 371, 435
Bodenbach 215, 512 f., 537 f. Bonn 495, 497, 518 Borna 104, 288 Borsdorf 152 Borthen 305, 470, 473 Boston 244 Brauna 62 Braunschweig 153, 159, 180 f., 213 Bräunsdorf 402 Bremen 185, 226, 300 Brennbichl 278 Breslau 83, 201, 365, 564 Brienz 242 Brockwitz 325 Brunn 241 Brüssel 325, 545, 549 Bubicon 241
B Babelsberg 307 Babenburg 241 Bad 175, 270, 273, 365 Baden 194, 243, 342 f., 384, 385, 401 Baden-Baden 242, 342, 361, 562 Bagdad 284 Bamberg 241, 276, 335, 439 Basel 242, 629 Bastei 190, 490 f., 504 Bautzen 61, 87, 94, 148, 279, 353, 379, 384, 425, 571, 613, 615 Belzig 11 Berggießhübel 53 Berlin 11, 17, 40, 57, 58, 85, 87 f., 95–98, 103, 105, 108–110, 125, 133, 135, 137 f., 147 f., 151 f., 154, 156, 158–162, 164–169, 171, 183, 188, 191, 200, 202, 204, 217, 237 f., 240, 245, 254, 258, 272, 282 f., 286 f., 304, 306 f., 332, 334, 342, 345 f., 356, 358, 362, 369, 374, 382, 386 f., 389, 393, 399, 414, 439, 440 f., 451, 453, 455 f., 460, 464, 472, 475 f., 479–486, 489, 493 f., 497–499, 502–509, 514–518, 522, 524, 527–530, 532 f., 535 f., 539, 541–545, 547, 556 f., 566 f., 570, 580 f., 591, 601, 610, 612, 624, 641, 643, 648, 655 f., 662, 664, 669, 674, 679, 683 Bern 242 f. Berteich 628 Bieberich 674 Bingen 195
C Calais 607 Castell 571, 572 Celle 159, 230, 239, 364 f. Champs 581 Chemnitz 13, 14, 16, 43 f., 89, 93, 105, 107, 131, 133, 224, 294, 341, 360, 507, 562, 583, 601, 606 Chenes 574 Cloud St. 333 Coburg 184, 252 Cotta 388 Cottbus 12 Crimmitschau 18, 89, 341 Cunnersdorf bei Dresden 537 D Dahlen 350, 365 f., 422, 454, 622 Danzig 428 Darmstadt 69, 180, 334 f., 368, 619 Delaware 197, 203 Detmold 38 – Diez 38 Döbeln 37 Dorpat 562 Drachenfels 195 Dresden (Stadt) 13 f., 16, 20, 22, 27, 30–32, 35, 39, 78, 131, 148–154, 159 f., 163, 166, 168 f., 178, 181, 189 f., 198, 200 f., 209, 212, 224, 240, 243, 249, 252, 257, 263, 269, 284, 289, 293–295, 304, 327, 331 f., 341, 343, 347,
Ortsregister 360, 364, 374, 377, 380 f., 387, 402, 419, 422, 425 f., 428, 437, 441, 443, 446 f., 449, 454 f., 458, 464 f., 473 f., 478, 480, 484 f., 490, 492, 495, 498, 500, 505, 507, 510, 515–517, 520, 523, 529, 543–545, 552–555, 557, 560, 565, 567, 572 f., 577, 592, 607 f., 611, 639, 646– 648, 652 f., 671, 681 f. Dresden – Akademie der Künste 459 – Alaunplatz 588 – Altmarkt 41, 263 – Antonstadt 63, 92, 351 – Altstadt 43 f., 47, 81, 84, 95, 144, 146, 360, 445 – Archiv 118, 130, 141, 143, 148 f., 154 f., 157 f., 163, 174, 176, 180, 182, 185, 188, 190 f., 195 f., 198, 201, 206, 217, 219, 221– 223, 226, 228, 239, 243–245, 255, 259, 263, 269, 278, 282–284, 286 f., 290 f., 294, 297 f., 303–305, 308 f., 311, 320, 325, 327, 330 f., 339, 341 f., 350, 354 f., 362–365, 369, 372, 374, 376 f., 381, 385, 388, 416, 424, 427, 429, 431, 448 f., 458, 475, 491, 493, 503, 518 f., 528, 534, 537, 539, 548 f., 554, 556, 564, 568, 571, 576, 589, 590, 600, 603, 627, 641, 651, 653, 659, 668, 672, 677, 684 – Beuststraße 586 – Blasewitz 58, 332, 346, 362, 414, 455, 491 – Blasewitzer Straße 474 – Blasewitzer Wald 359, 464 – Blasewitzer Weg 474 – Blockhaus 63, 145, 147 f., 151 f., 158 – Blumenstraße 442 – Böhmischer Bahnhof 190, 444 – Breite Gasse 517 – Briesnitz 35 – Brücke (Augustusbrücke) 36, 51, 63, 144, 145, 149, 237, 557 – Brühlsches Palais 203, 212, 217 f. – Bürgerwiese 22, 312, 445, 654, 672 – Diakonissenanstalt 208, 630 – Dippoldiswalder Platz 612 – Dohnascher Schlag 448 – Elbberg 209, 217, 246 – Feldschlößchen 158, 461, 474 – Finanzarchiv 616, 619, 621 – Fischhaus 190 – Frauenkirche 41, 114, 202, 238, 476 – Frohngasse 328 – Friedrichstraße 664 – Gartenstraße 633 – Georgentor 144 – Gemäldegalerie 424
779
– Gewandhaus 85, 152 – Goethestraße 664 – Großer Garten 42, 54, 56, 58, 238 f., 252, 254, 282, 290, 327, 347, 353, 368, 382, 394, 420, 443, 446, 454, 457, 459, 463 f., 473, 483, 549, 638, 640, 677 – Großer Garten, Palais 442 – Gruna 455 – Grünes Gewölbe 152 – Hauptstaatsarchiv 21, 27, 29, 31 f., 117, 119, 123, 127, 131, 142, 145, 154, 156, 175, 196, 198 f., 205, 208, 211, 231, 236, 238, 259, 263, 300, 313, 317, 325, 358, 423 f., 520, 534, 559, 616, 619, 621, 650, 653, 658, 675, 684 – Heinrichstraße 19, 33 – Heller 102 – Historisches Museum 152, 424, 650 – Hoftheater 346, 559, 560, 650 – Italienisches Dörfchen 263 – Jüdenteich 263 – Katholische Hofkirche 51, 200, 653 – Kleine Brüdergasse 150, 154 – Klosterstraße 19, 33 – Klostergasse 63 – Königstraße 143, 188, 339 – Kreutzens Kaffeehaus 46 – Kreuzgasse 263 – Kreuzkirche 287 – Kreuzschule, neue 459 – Kunstakademie 394, 414, 545 f., 556 – Kupferstichkabinett 201, 290, 747, 749 – Landgut Altenberg 652 – Landhaus 49, 68, 94, 113, 120 f., 146, 172, 381, 644 – Lange Gasse 390 – Langenstraße 638 – Laubegast 320, 331, 361, 373, 381, 400 f., 445 f., 449, 489, 496, 532, 540 – Loschwitz 22 f., 277 f., 289, 292 f., 295, 296, 300, 303, 304, 306, 312, 316, 318, 319, 320, 321, 322, 326, 331, 338, 340, 346, 355, 357 f., 362–366, 370, 374, 383, 395, 397 f., 400 f., 403, 411, 413 f., 419 f., 422, 431, 433 f., 436, 438, 440 f., 443, 455, 463 f., 466, 468, 477– 479, 483 f., 487, 495, 504, 515, 524, 550, 557, 570–574, 576, 578, 613, 627, 630, 640, 646, 648, 680 f. – Bagatelle 22, 303–306, 330 f., 340, 395, 398, 413, 421, 434, 440, 455, 466, 495, 553, 567, 613, 628 – Kirche 51, 618 – Leipziger Bahnhof 279
780
Ortsregister
– Linkesches Bad 265, 364 – Lochgasse 47 – Lockwitz 258, 413, 479 – Löbtau 474 – Loschwitzgrund 653 – Lüttichaustraße 22, 221, 272, 448, 601, 611 – Margarethenstraße 172 – Markt 43–45, 47, 49, 63, 146, 148, 202, 254 f., 282 – Mathildenstraße 442 – Meißner Gasse 63 – Mordgrund 680 f. – Moritzstraße 202, 247, 328 , 461 – Neues Museum (Sempergalerie) 291, 296 – Niederpoyritz 303 – Niedersedlitz 258 – Nöthnitz 348, 755 – Opernhaus 145, 149 f. – Ostraallee 316, 325 – Ostragehege 45 – Pfarrgasse 40 – Pirnaische Chaussee 474 – Pirnaische Gasse 42 – Pirnaische Vorstadt 43 – Pirnaischer Platz 96 – Pirnaischer Schlag 43 f., 446 – Pirnaische Straße 448 – Plauen 13, 84, 117, 129, 222, 373, 424, 431, 474, 546 – Plauenscher Grund 284 – Plauenscher Schlag 347, 461, 586 – Porzellansammlung 424 – Posthaus 155 – Postplatz 111, 603 – Prager Straße 592 – Prinzenpalais 247, 444, 468, 637 – Prinz Georgs Garten 470, 473 f., 486 – Rampische Gasse 144 – Rathaus 42, 47, 51, 91, 254, 282 – Roßweg 146 – Schillerhaus 161 – Schloß 49, 51, 85, 131, 143 f., 146, 150, 155, 220, 228, 263, 290, 378, 443 f., 460, 468, 470, 515 f., 560, 567, 604, 617, 618, 647, 662 – Schloßgasse 43, 75, 143, 146, 150, 282, 420, 572, 618 – Schloßhof 589, 637, 653 – Schloßplatz 145, 149 – Seegasse 244, 512, 521, 531, 522, 553 – Schustergässchen 146 – Sophienkirche 51, 337, 652 – Strehlen 369, 421, 449, 462, 573, 652, 658,
662, 665 – Technische Bildungsanstalt 13, 741 – Terrasse (Brühlsche Terrasse) 51, 54, 104, 145, 155, 198, 221, 263, 334 f., 344, 357, 542, 577 – Theaterplatz 559, 676 – Tolkewitz 363 – Trinitatisfriedhof 642, 644 – Übigau 13, 454, 577 – Vogelwiese 414, 474 – Wachwitz 36, 240, 437, 572, 680 – Waldschlößchen 106, 190, 322, 493, 498, 572, 653 – Wallstraße 601, 612, 654 – Weißer Hirsch 357, 572 – Wiener Straße 445 – Wilsdruffer Gasse 42, 314, 603, 572 – Zeughaus 16, 42, 144 f., 150, 275, 366, 457, 461, 486, 542, 552 – Ziegelschlag 474 – Zoologischer Garten 347, 353, 389, 413, 427, 444, 460, 468 f., 471, 492, 524, 527 – Zschachwitz 295 – Zschertnitz 471, 474, 481 – Zwinger 152, 201, 588 – Zwingerstraße 154 f. Dresden-Neustadt 19, 22, 36, 44, 49, 144, 151, 165, 201, 382, 494, 675 – Hauptstraße 19, 33 – Dreikönigskirche 263, 675, 754 – Neustädter Markt 63, 148 – Packhof 382 – Palaisplatz 85, 463, 629 E Eckernförde 135 Eger 37, 457, 592 Eisenach 18, 194, 338, 361, 628 Eismeer 242 Eliaskirchhof 541 Elster, Bad 304, 332, 335, 359, 522 f., 546, 567, 592 Ems 44, 628, 631 Erfurt 31, 32, 158 f., 161, 167, 169, 171 f., 176, 179, 180 f., 183 f., 186–188, 204, 364 f., 371, 477, 645, 683 Erlangen 609 Eutritzsch 501 F Fehmarn 331
Ortsregister Florenz 423, 516 Fluelen 242 Frankfurt a. M. 16, 55, 88 f., 98, 99, 101 f., 105, 106, 108, 110, 118, 132, 135 f., 138, 181, 188, 191, 194, 204, 345, 348, 357, 361, 401–403, 405, 474, 525, 531, 545 Frauenstein 473 Freiberg 13, 16, 61, 91, 141, 150 f., 154, 157, 208 f., 247, 266, 268 f., 271, 290, 293 f., 320, 345, 388, 394, 455, 459, 464, 491, 629, 654, 666, 678 Friedeck 667 Friedrichroda 674 Friedrichsfelde 245 Friedrichshafen 597 Frohburg 343, 595 f., 602, 607 G Gablenz 453 Gabweiler 629 Gallen St. 241 Gastein, Bad 222, 305 f., 320, 402, 423, 457, 475, 498, 536, 647, 679–681 Geisenheim 553 Genf 54, 132, 266, 464 Gera 101 f. Giesenstein 443 Ginsgewo 666 Gittersee 215, 247, 257, 259, 328 Glashütte 183, 467 Glauchau 18, 88 Glogau 161, 765 Göltzschtalbrücke 69 Görlitz 61, 125, 129, 148, 272 Gotha 119, 181, 194 f., 204, 222–224, 231, 235, 238, 249, 252, 273, 283, 295, 301, 331, 333, 336, 385, 389, 398, 404, 411, 426, 439, 546, 551, 576, 618, 656, 675 Göttingen 20, 682 Graz 281 Greiz 100, 103, 117 Grimma 37, 198, 359 Grindelwald 242 Großenhain 44, 202 Großer Winterberg 99 Großsedlitz 513 Großseitschen 430, 603, 615 Guben 61 H Haag 195 Hainbach 195
781
Halle 125, 181 Hamburg 205, 208, 225, 300, 335, 440, 523, 529, 565, 653 Hanau 106 Hannover 138, 153, 159, 169, 172, 180, 204, 213, 226, 230, 243, 320, 333 f., 342, 377 f., 387, 390, 553, 646, 647 Harburg 160 Hattingen 363 Heidelberg 194, 221, 243, 386 Helfta, Kloster 549 Helgoland 197, 257, 295 Herpen 241 Hitzing 590 Hoflößnitz 162 Hohenschwangau 440 Hohlenfels 38 Hohnstein 492 Horsitzl 467 Hosterwitz 396, 601, 662 Hradeck 499 Hubertusburg 585, 588, 658 I Immenstadt 241 Innsbruck 598 Interlaken 241 f. Ischl, Bad 541 J Jahnishausen 381, 637 Jena 11, 24, 57, 108, 251 f., 311, 360, 421, 643 Jerusalem 399 Johanngeorgenstadt 547 Justädt 197 K Kamenz 62, 387 Kapellen 195 Karlsbad 15, 36, 220, 508 f., 513, 537, 545, 565 Karlshofen 194 Karlsruhe 194, 372, 422, 424, 524, 561, 563 Kassel 194, 343, 546 Kempten 241 Kesselsdorf 35, 774 Kiel 90, 364 Kiew 372 Kissingen 385 Kleinwölka 615 Klicken 257 Koblenz 195, 463 Koburg 167–169, 196, 204, 206, 316
782
Ortsregister
Kolin 275, 542 Köln 15, 150, 194–196, 243, 440, 466, 524 f., 553, 563 f., 607, 628, 674 Königgrätz 12, 17, 485, 509 Königsberg 361, 423 Königsbrück 280 Königsbrunn 506 Königstein 16, 145 f., 148 f., 152, 159, 163, 170, 190, 192 f., 198, 201 f., 289, 308, 462, 465, 468, 471, 474–476, 496, 498, 506, 510, 542 Konstantinopel 220, 295, 657, 669, 671 Kösen, Bad 194 Köthen 64 Kötzschenbroda 163, 188, 218, 639 Krakau 434 Krebs 288 Kreischa 305 – Ober- und Niederkreischa 305 Kreuznach 553 Kreuzturm 41 Kriebstein 401 Kuglkopf 195 Küstnacht 241 Küstrin 214, 616 L Langensalza 110 Laon 589 Lauban 11 Lauterbrunn 242 Leichnam 83 Leipzig 13, 14, 18–20, 22 f.3, 28, 35–42, 48, 58, 64 f., 71 f., 74–79, 81, 89–91, 95, 97 f., 105, 112, 116, 125, 131 f., 139, 145, 149 f., 152 f., 157, 159 f., 175, 179, 181, 185, 189–192, 201–203, 212, 216, 222, 226, 238, 240, 244, 249, 250, 252, 264, 266, 279, 287–289, 291, 312, 319 f., 339, 343, 348 f., 353, 358, 360, 381, 383–385, 388, 393, 398–400, 403, 415, 423, 430, 435, 437, 445, 451, 469, 472, 475, 484 f., 497, 500 f., 504, 514, 516, 519, 522, 525 f., 528, 542 f., 552, 555, 570 f., 578 f., 589, 594, 597, 602 f., 610–613, 616, 620–622, 624, 631, 633 f., 640, 642 f., 645 f., 651 f., 660 f., 666–668, 671, 674 f., 678 f., 682 Le vert Galant 578, 579 Lichtenstein 643 Liebenstein 343 Lieberose 257 Limbach 229, 349 Lindau 241, 315
Linz 467 Lissabon 327, 329 Löbau 99, 178, 391, 442, 499, 611 – Löbauer Berg 297 Löben 183 Lommatzsch 171, 197 London 20, 54, 67, 70, 86, 223, 235 f., 317, 330, 341, 361, 374, 385–389, 410–412, 415, 421, 519, 521, 535 f., 538, 544, 606 f., 633, 641, 651 f., 657, 665, 667, 673 Lorch 681 Lossa 259 f. Louis, St. 197, 367 Lössnitz 257 Lößnitz 581 Löthain 149, 603 Lübeck 312 Luzern 241, 363 M Madeira 230 Madrid 633 Magdeburg 212, 231, 240, 386, 493, 607, 616 Magenta 329 Maienburg 621 Maigburg 195 Maiingen 241 Mailand 658 Mainz 11, 111, 194, 385, 571 f., 616 f. Marie aux Chanals, St. 574 Marie aux Chenes, St. 574, 576 Mannheim 243, 623 Marienbad 341, 366, 374, 383, 399, 574, 592, 595, 628 Markranstädt 42 Marseille 574 Maxen 176, 287, 302, 316 Meerane 18 Meiningen 252, 343, 599, 630, 666, 740, 748 Meißen 20, 37, 43 f., 148–151, 175, 183, 197, 218, 226, 239, 251, 256, 354, 358, 364 f., 379 f., 398, 412, 423 f., 434, 442 f., 445, 449, 462, 473, 489, 570, 587 f., 593–595, 609, 612 f., 615, 627, 638, 645, 658, 667, 673, 680–682 – Albrechtsburg 650, 666 Meran 680 Merseburg 219 Metz 573, 576, 579, 582, 629 Minden 153 Mittweida 132 Moldau 338, 357, 372
Ortsregister Moritzburg 351, 495, 497, 588, 645, 646 Moshaisk 56 Mückenberg 587, 658 Mühlhausen 481 Muldenberg 245 München 39, 52, 59, 103, 105, 164, 182 f., 221, 263, 278, 290, 305, 315, 320, 327, 329, 333 f., 342, 345, 377, 399, 405, 418, 422, 436, 440, 466, 496, 519, 536, 553, 577, 580, 590, 619 Münster 161 N Narrowsborough 203 Nassau 38, 135, 213, 572, 744, 747 Neapel 419 Neiße (Ostpreußen) 231 Neudorf 229 Neumark 503 Neustadt bei Stolpen 420 New York 197, 203, 225, 241, 243, 266, 337, 347, 413 Niederau 149, 150 Niederlößnitz 656 Niederwald 553 Nikolsburg 12, 17, 528 Nordhausen 255 Noschkowitz 391 Nossen 391 Nürnberg 39, 376, 403 f., 423, 552, 629 O Odessa 438, 671, 672 Oederan 678 Oelsnitz i. V. 106 Olmütz 16, 309, 374 Oschatz 19, 205, 280, 664 Osnabrück 22, 150, 153, 159, 242, 256, 364, 552 f., 634 Ostende 647 Ostritz 460 P Pabststein 198 Palermo 199, 381 Paris 14, 54, 70, 95, 98, 132, 166, 196, 211, 225, 241, 243, 264, 281 f., 287, 291, 296 f., 299 f., 314, 317, 329 f., 331, 333, 336, 340, 353, 355, 361, 366, 369, 374, 380, 384, 401, 423, 428, 438, 462 f., 468, 474, 503 f., 508 f., 522, 524, 528, 544 f., 561 f., 567, 569, 576–579, 581 f., 586, 588, 596, 634, 657, 670, 672–674 Passau 482
783
Paulsdorf 341, 538 Penig 88 Pesth 343 Petersburg 225, 238, 244, 290, 361, 438, 565, 619, 633, 639, 646, 671 Philippsdorf 586 Pillnitz 97, 100, 164, 192, 195, 277, 282, 286, 362, 374, 385, 413, 441, 512 f., 550, 566 f., 573, 600, 617, 630, 631 f., 659, 673, 674 Pirna 145, 149, 190, 238, 266, 269, 442 f., 454, 458, 468, 485, 493 – Sonnenstein 297, 669 Pisa 612 Planitz 185 Polenz 272 Pont a Mouchon 575 Pontecian 598 Posen 11, 12, 132, 429, 491 Potschappel 443, 455 Potsdam 162, 239, 287, 307, 388 – Neues Palais 307 – Sanssouci 307 Pötzschau 190 Prag 17, 61, 96 f., 212, 215, 239, 291, 359, 397, 446, 467, 500, 504–506, 509 Preßburg 12 Pretsch 321 Priestewitz 181 Prietitz 454 Privat St. 574 Proschwitz 251 Prösen 501 Purschenstein 439 Putbus 522 R Rapperswyl 241 Rastatt 452 Rathen 190 Regensburg 464, 553 Reichenbach 222 Reichenberg 253, 466 f., 539 Reichenhall 321, 361, 539 Reinhardtsbrunn 252 Reval 372 Rheinstein 195 Riesa 14, 151, 189, 201, 252, 341, 360, 442 f., 613 Rigi 241 Rigipp 629 Rittergut Elster 412 Rochlitz 678
784 Rochsburg 88 Rohrschach 241 Rom 340, 415, 599, 634, 662, 671 Rostock 413, 524 f. Rothschönberg 574 Rüdesheim 553 Rumburg 375 Rüsseina 183, 584 Rütli 241 S Salzburg 539, 564 Saratoga (USA) 184 Sasseburg 596 Saßnitz 669 Sayda bei Purschenstein 439 Schandau 97, 154, 257, 500 Schilda 291 Schieritz 449 Schirgiswalde 615 Schkeuditz 78, 516 Schlackenwerth 336 Schleiz 103 Schneidemühle 62 Schönfeld 58 Schwarzenberg 319 f., 381 Schweinsburg 341, 395 Schwenningen 240, 244 Schwerin 680 Sedan 575 Seebach 231 Seeshaupt 553 Sewastopol 282 Siebeneichen 149 Solferino 329 Solothurn 242 Sondershausen 624 f. Stauchitz 595 Stettin 388, 448, 453 Stockholm 369 Stolpen 198, 313, 448 Stolzenfels 195, 598 Straßburg 384, 629 Strehla 30 Stuttgart 198, 283, 577, 580 Suez 14, 69 Suhl 11 Sulza 238 Sussen 242 Swinemünde 223
Ortsregister T Tanger 230 Teplitz 36, 53, 87, 131, 149, 239, 344, 366, 460, 665 f. Tetschen 215, 282 Tetuan 230 Tharandt 13, 35, 294, 296, 443 f. Thorn 667 Thun 242 Tilsit 11 Tokai 559 Triebischtal 646 – Huttenburg 646 Trier 629 Triest 217 Troyes 206, 207 Turin 257, 366 Turnau 592 U Ulm 553 Unwürde 670 V Varzin 614 Venedig 680 Verdun 575 Verona 220, 295 Versailles 336, 580, 583 f., 588 Villefrance di Verona 329 W Walda 326 Waldenburg 89, 90 Waldheim 25, 225, 226 Warschau 12, 45 f., 210, 345, 565 Wartburg 194 Wechselburg 91, 598 Weesenstein 279, 425, 601 f., 637 Wehlen 190, 458 Weimar 37, 140, 155, 159, 160 f., 167–169, 185, 252 f., 255 f., 265, 301, 354, 381, 398 f., 403, 405, 409, 526 f., 542, 628, 634 Weißenberg 30 Weißenburg 572 Weißenfels 445 f. Weißenstadt 572 Werdau 150, 222 Wermsdorf 658 Wernigerode 428 Wertheim 150, 194 f. Wiehe in Thüringen 346
Ortsregister Wien 12, 15, 83, 96, 97, 107, 109–112, 114, 125, 128–130, 132–165, 167, 172, 198, 200, 215 f., 276, 282 f., 286, 295, 313, 327, 332–334, 341, 343, 362, 368, 382, 385, 389, 406, 415, 439, 464, 467, 474, 476, 479–482, 484, 486 f., 490 f., 493 f., 496, 498–504, 508, 512, 517, 519, 529–531, 534–538, 540, 545, 547, 550 f., 555, 557, 564, 619, 623, 629, 633, 639, 657, 673 f., 680 Wiesbaden 369, 567, 674 Wiesenbad 653 Wildbad, Bad 674 Wilhelmshöhe (Kassel) 194, 628 Wolkenburg 34, 656, 745 Würzburg 335, 342 Wurzen 260, 358
785
Z Zadel 150 Zaschendorf 369, 371 Zauckerode 398, 465 Zelle, Kloster 401 Zeitz 175 Zitzschewig 149 Zittau 86, 88, 159, 357, 414, 492, 494, 660 Zöpen 272, 413 Zöschau 19, f., 327, 339 Zschillichau 185 Zschopau 132, 177 Zug 241 Zürich 220, 241, 329, 397, 611, 670, 678 Zwickau 13, 20, 39, 50, 74, 105, 107 f., 116, 148, 185, 189, 222, 253, 288, 319, 341, 346, 360, 388, 426, 507, 509, 519, 526, 543, 595, 599, 602, 621, 629, 647, 650, 675, 683
Nachwort des Bearbeiters Zum Schluss seien dem Bearbeiter der Weberschen Tagebücher noch einige abschließende persönliche Worte gestattet. Als ich nach erfolgreichem Studienabschluss als Diplom-Historiker und Diplom-Archivar am 1. Juni 1960 im damaligen Sächsischen Landeshauptarchiv, dem heutigen Sächsischen Hauptstaatsarchiv angestellt wurde, begann eine Zeit, in der ich mich mit der reichhaltigen schriftlichen Überlieferung zur sächsischen Landesgeschichte vertraut machen durfte. Dafür bildeten unter anderem die Veröffentlichungen des langjährigen Archivdirektors und Ordentlichen Mitgliedes der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig Prof. Dr. Hellmut Kretzschmar eine wichtige Orientierungshilfe und wissenschaftliche Grundlage. So kam ich über das Studium des Akademievortrages von Kretzschmar über Karl von Weber auf dessen Tagebuchaufzeichnungen. Bald fesselten mich die Tagebücher so sehr, dass ich mit einer Editionsabschrift begann. Nachdem ich damit bis zum Ende des Jahres 1849 gelangt war, musste dann leider durch vielfältige dienstliche Aufgaben als Archivar und zumal dann als Archivdirektor diese Arbeit unterbrochen werden. Erst nach dem Jahr 2002 mit dem Eintritt in den Ruhestand konnte die Editionsarbeit wieder aufgenommen weden. Nach einer mehrjährigen intensiven editorischen Tätigkeit konnte das Manuskript schließlich im April 2017 abgeschlossen werden. Da nach 1939 die Edition des Weberschen Tagebuches in das Arbeitsprogramm der Sächsischen Kommission für Geschichte aufgenommen und auch begonnen worden war, kann nunmehr mit der vorliegenden Veröffentlichung auch dieses Vorhaben mit der Aufnahme in die Puiblikationsreihe der Sächsischen Akademie der Wissenschaften „Quellen und Forschungen zur sächsischen und mitteldeutschen Geschichte“ beendet werden. Für diese Publikationsmöglichkeit danke ich der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, ihrer Philologisch-historischen Klasse, Herrn Michael Hübner und Frau Barbara Zwiener sowie der Historischen Kommission der Sächsischen Akademie. Ein herzlicher Dank gilt weiterhin dem Herausgeberkollegium der „Quellen und Forschungen“, und dabei besonders den Herren Prof. Dr. Enno Bünz, Prof. Dr. Manfred Rudersdorf und Prof. Dr. Hartmut Zwahr. Die Abfassung des Personenregisters wurde großzügig vom Sächsischen Hauptstaatsarchiv unterstützt. Dafür danke ich dessen Direktor Prof. Dr. Peter Wiegand, der Bibliothekarin Ute Fleckna sowie den Mitarbeitern des Benutzersaaldienstes. In diesen Dank ist meine Enkelin, die Kunsthistorikerin Anne Schneider, sowie meine Frau für immerwährendes Verständnis der zeitaufwendigen Arbeit an dieser Publikation eingeschlossen. Lungkwitz im August 2020
Reiner Groß