Karl Marx: In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (Rowohlts Monographien, Nr. 76) [1 ed.] 3499500760, 9783499500763


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German Pages 182 [99] Year 1962

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Table of contents :
INHALT
EINFÜHRUNG: DAS PROBLEM EINER BIOGRAPHIE
VORFAHREN, ELTERNHAUS, SCHULE
AUF DER UNIVERSITÄT - DER KONFLIKT MIT DEM VATER
IN DEN REIHEN DER JUNGHEGELIANER UND DES LIBERALISMUS
DIE DÄMONEN DER NEUEN GEDANKEN: KOMMUNISMUS
1848: REVOLUTION ALS GEDANKE UND WIRKLICHKEIT
ERSTE LONDONER JAHRE - DIE SCHLAFLOSE NACHT DES EXILS
DIE MISERE DES LEBENS
JOURNALISTIK UND ZEITGESCHICHTE
LASSALLE: MARX' ABNEIGUNG GEGEN DIE DEUTSCHE SOZIALDEMOKRATIE
DIE INTERNATIONALE - KAMPF AUF LEBEN UND TOD
DAS UNVOLLENDETE LEBENSWERK
AUSKLANG UND NACHRUHM
ZEITTAFEL
ZEUGNISSE
BIBLIOGRAPHIE
NAMENREGISTER
QUELLENNACHWEIS DER ABBILDUNGEN
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Karl Marx: In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (Rowohlts Monographien, Nr. 76) [1 ed.]
 3499500760, 9783499500763

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l:'owohlts 1nonographien. HERAUSGEGEBEN VON KURT KUSENBERG

KARL MARX IN SELBSTZEUGNISSEN UND , BILDDOKUMENTEN

DARGESTELLT VON WERNER BLUMENBERG

ROWOHLT

Dieser Band wurde eigens für «rowohlts monographien» gescnrieben Den dokumentariscnen und bibliographiscnen Anhang besorgte der Autor Umscnlagentwurf Werner Rebhuhn

INHALT EINFÜHRU .NG:

DAS PROBLEM EINER BIOGRAPHIE

VORFAHREN, ELTERNHAUS, SCHULE AUF DER UNIVERSITÄT MIT DEM VATER

7 9

DER KONFLIKT 21

IN DEN REIHEN DER JUNGHEGELIANER UND DES LIBERALISMUS

'" '

39

DIE DÄMONEN DER NEUEN GEDANKEN: KOMMUNISMUS

50

1848: REVOLUTION ALS GEDANKE UND

Tausend November 1962 Tausend September 1963 21.- 25. Tausend Januar 1965 26.- 33. Tausend März 1966 34.- 38. Tausend September 1967 39.- 48. Tausend Mai 1968 49.- 55. Tausend April 1969 56.- 63. Tausend April 1970 64.- 73 . Tausend Dezember 1970 74.- 80. Tausend Oktober 1971 81.- 90. Tausend August 1972 91.- 100. Tausend September 1973 101.- 108. Tausend August 1974 1.- 15. 16.- 20.

©

Veröffentlicnt im Rowohlt Tascnenbucn Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, November 1962 Rowohlt Taschenbucn Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, 1962 Alle Rechte an dieser Ausgabe vorbehalten Gesetzt aus der L{notype-Aldus-Buchschrift und der Palatino (D. Stempel AG) Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck/Schleswig Printed in Germany ISBN 3 499 50076 o

WIRKLICHKEIT ER.STE LONDONER JAHRE -

DIE SCHLAFLOSE NACHT

DES EXILS

93

DIE MISERE DES LEBENS

105

JOURNALISTIK UND ZEITGESCHICHTE

118

LASSALLE: MARX' ABNEIGUNG _GEGEN DIE DEUTSCHE SOZIALDEMOKRATIE DIE INTERNATIONALE -

KAMPF AUF LEBEN UND TOD

13:3

DAS UNVOLLENDETE LEBENSWERK

1 44

AUSKLANG UND NACHRUHM

153

ZEITTAFEL

162

ZEUGNISSE

164

BIBLIOGRAPHIE

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NAMENREGISTER

176

QUELLENNACHWEIS DER ABBILDUNGEN

179

EINFÜHRUNG: DAS PROBLEM EINER BIOGRAPHIE

Gerade bei Marx haben Anhänger wie Gegner hinter 'der Leistung den Schöpfer, hinter dem Marxismus Marx zu oft übersehen und nicht hinreichend berücksichtigt, daß · ebenso für das Bleibende wie für das Vergängliche an seinem von Leidenschaften umtosten Werk das Verständnis aus der Betrachtung der Naturanlagen, der geschichtlichen UmVfelt und des persönlichen Schicksal~verlaufs des Menschen von Fleisch und _Blut zu erwerben ist. Gustav Mayi!r Nicht nur die in der ideologischen Auseinandersetzung zwischen Ost und West unaufhörlich anschwellende Literatur zeigt, daß Karl Marx nicht der Vergangenheit angehört, sondern als stärkste geistige Kraft des. 19. Jahrhunderts noch heute fortwirkt. Eindrucksvoller wird diese Tatsache noch durch die Existenz großer Reiche bestätigt, in denen der «Marxismus» zur herrschenden, die Lebensformen stark beeinflussenden Ideologie wurde, und dadurch, daß diese andere Staats- und Gesellschaftsform .stets als potentielle Alternative vorhanden ist. Die unübersehbare, erdrückende Fülle der Marx-Literatur beschäftigt sich zu mehr als neunzig Prozent mit den Theorien, und man kann nicht durchweg von ihr sagen, daß sie zu deren Erhellung beitrüge und Interesse dafür bei dem normalen Leser wecke. Es wird unaufhörlich über die Theorien. theoretisiert und ihr Schöpfer dabei geflissentlich übersehen. Da er aber nicht ein nach «objektiven» Erkenntnissen strebender Gelehrter war, sondern «zu mehr als der Hälfte revolutionärer Politiker», wie Engels mit Recht von ihm sagte, und da sein theoretisches Werk also doch offenbar der Rechtfertigung seiner politischen Zielsetzung galt, ist es ganz unverständlich, daß die im Aufbau dieses Werkes wirksamen starken Persönlichkeitswerte so wenig berücksichtigt werden. Daher ist das aus dem Jahre 1918 stammende Motto noch heute uneingeschränkt gültig. Und völlig absurd dürfte auch Edward Ballett Carrs Auffassung nicht sein, mit der er seine in den dreißiger Jahren erschienene Marx-Biographie einleitete: die marxistische Annahme, der Marxismus sei geradewegs vom Himmel herabgekommen wie Moses' Gesetzestafeln oder in voller Rüstung wie Athene dem Haupt ihres Schöpfers entsprungen, sei völlig unmarxistisch; denn es gebe keinen Grund, den Marxismus aus dem Geltungsbereich des Marxschen Gesetzes auszuklammern, daß jede Denkweise das Produkt sozialer Verhältnisse der Zeit sei, in der sie entstand. Daher sei Marx' Leben wichtig für das Verständnis des Marxismus . Die klassische, trotz vieler Einzelai;beiten bis heute nicht überholte Marx-Biographie Franz Mehrings erschien ebenfalls im Jahre 1918. Vorher und nachher sind große und kleine biographische Werke erschienen, bei denen meist, entsprechend der Einstellung zu den Marxsehen Gedanken, dfe Darstellung in hellen oder dunklen Farben bevorzugt wurde. Auch die marxfreundliche Literatur ist reichlich mit 7

Legenden durchsetzt und hat vorzugsweise einen apologetischen Charakter. Dabei ist es bemerkenswert, daß auch Marx' Anhänger immer in einer gewissen Verlegenheit ihm gegenüber waren: Marx war eigentlich anders, als man ihn darstellte; und man wußte es. Diese erstaunliche Tatsache wird durch Mehrings Forschungsarbeit selbst illustriert. Er war wahrscheinlich der beste Kenner des Menschen Marx. Nun ist die bei weitem wichtigste Quelle für dessen Biographie seine Korrespondenz mit Friedrich Engels, die stark gekürzt von Bebe! und Bernstein im Jahre 1913 herausgegeben wurde. Daß eingreifende Kürzungen «notwendig» waren, darüber waren alle Autoritäten und führenden Sozialisten sich einig; und zwar hie!-· ten sie diese Kürzungen sowohl aus Gründen der «Moral» als auch aus propagandistischen Erwägungen für nötig: so, wie Marx sich selbst gab, durfte er nicht sein. Marx, der Entdecker unfehlbarer, mit absoluter Sicherheit wirkender objektiver Gesetze mußte selbst, um eine Quelle der Sicherheit sein zu können, von Subjektivität frei sein. Nun aber zeigte der Briefwechsel mit Engels, daß er ein Mensch von ex z es s i vs t er Subjektivität war, so daß das, was gerade seine menschliche Größe ausmacht, die Verbindlichkeit seiner Ansichten beeinträchtigen mußte. Mehring äußerte in einem von ihm erstatteten Gutachten unverblümt seine Ansicht, daß alle seit zwei Jahrzehnten von Kautsky, Bernstein, ihm und anderen unternommenen Bemühungen, Marx' Andenken literarisch zu ehren, umsonst gewesen sein würden, wenn dieser Briefwechsel ungekürzt erscheine. Und man merkt es seiner eigenen Darstellung an - obwohl er allen zukünftigen Marx-Forschern «absolute Wurstigkeit gegen die Anfälle des Marxpfaffentums» empfahl - , an welchen Stellen ihn seine bessere Kenntnis der Dinge bewog, sich mit dem Leser nicht immer verständlichen .Andeutungen zu begnügen. Den Marx-Engels-Briefwechsel ungekürzt veröffentlicht zu haben, ist eins der großen Verdienste David Rjazanovs, des Gründers und langjährigen Leiters des Moskauer Marx-Engels-Instituts. Das monumentale Werk erschien 1929-1931 in vier starken Bänden der Marx-Engels-Gesamtausgabe. Rjazanov war der richtigen Ansicht, daß Marx das Recht habe, so zu erscheinen, wie er gewesen sei, und daß die Welt das Recht habe, diesen großen Menschen so zu kennen, wie er war. Aber es zeigte sich einmal, daß die publizistische Großtat Rjazanovs der Marx-Forschung eine Fülle von Problemen stellte, die sie bis heute nicht bewältigte. Es zeigte sich ferner, daß viele der früher als Hauptquellen zur Darstellung von Marx' Persönlichkeit benutzten Schilderungen, etwa der Kinder oder mancher Freunde, stark entwertet wurden. Sie wurden nicht wertlos; aber es wurde ihnen soviel andersartiges Material gegenübergestellt, daß Marx nicht mehr schlicht und einfach als vorbildlicher Bürger oder als Heros dastand, sondern daß er als eine sehr schwierige, komplizierte Persönlichkeit erschien. So groß das Verdienst der Herausgabe dieser Korrespondenz ist, so sehr ist es zu bedauern, daß ihr reiches Material in den seither 8

vergangenen dreißig Jahren nicht in einer umfassenden, einwandfreien Biographie verarbeitet werden konnte.' Das große Werk Auguste Comus ist bisher nur bis zum Anfang der vierziger Jahre gediehen, einer noch unverfänglichen Zeit. Dagegen zeitigte dieser Briefwechsel ein Erzeugnis wie das verzerrte Bild, das Leopold Schwarzschild von Marx entwarf. Schon Werner Sombart hatte nach der hymnischen Würdigung in seiner 1909 veröffentlichten Schrift «Das Lebenswerk von Karl Marx» seine Abwendung von Marx damit begründet, daß der Briefwechsel, den er nur in der gekürzten Ausgabe kannte, «ekelerregend» sei und zeige, habe oder. daß sich in den Briefen des Vaters . an seinen Sohn ,keine Spur von jüdischer Art oder Unart> verrate. Mit einer solchen ausweichenden, zugleich geringschätzigen und kenntnislosen Beurteilung der Sache ist wenig anzufangen. Sie berührt lediglich die Oberflächenschicht des seelischen Lebens, das Bewußtsein des Individuums von sich selbst, aber sie dringt nicht in die Tiefe, dorthin, wo sich die Kräfte der Persönlichkeit unsichtbar und geheimnisvoll bilden. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirn der Lebenden, hat Marx selber gesagt. Und wenn wir die ganze Menschlichkeit dieses Mannes verstehen wollen, so müssen wir auch das Erbe seiner rabbinischei;i Herkunft in Anschlag bringen, ein Erbe, dessen Größe ihm selber wohl nie ins Bewußtsein getreten ist. Die aufgeklärte und Kultur seines Elternhauses, der Übertritt seines Vaters zum Protestantismus, ja, seine eigene starke und stets betonte Abneigung gegen jüdischen Handelsgeist vermögen die , die auch in ihm fortwirkte, nicht aufzuwiegen.» Marx' Vater war 1782 als dritter Sohn des Rabbiners Meier Ha1 B. Wachstein, Die Abstammung von Karl Marx. Festskrift i anledning af Professor David Simonsens 70-aarige fodseldag. Kopenhagen 1923, S. 277 ff - E. Lewin-Dorsch, Familie und Stammbaum von Karl Marx. «Die Glocke», Berlin 1923, IX. Jahrg. 1. Bd. S. 309 ff, 340 ff - H. Horowitz, Die Familie Lw6w. «Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums», Frankfurt 1928, 72. Jahrg. S. 487 ff 11

levi Marx in Saarlautem geboren. Dieser wurde später Rabbiner von Trier, und in dem Amte folgte ihm sein ältester Sohn Samuel, der 1827 starb. Unter seinen Vorfahren befanden sich mehrere Rabbiner. In der Familie der Frau des Meier Halevi Marx finden wir eine Reihe bedeutender Gelehrter. Diese Frau, also Karl Marx' Großmutter, war die Tochter ·Chaje des Moses Lwow, der ebenfalls Rabbiner in Trier war. Auch dessen Vater, ·Josua Heschel Lwow, war 1723 Rabbiner in Trier und seit 1733 Landrabbiner von Ansbach. Er war ein großer Gelehrter; man sagt von ihm, daß keine Entscheidung in der jüdischen Welt getroffen wurde, zu der sein Gutachten nicht eingeholt worden wäre. Dessen Vater war Aron Lwow, in seiner Jugend gleichfalls Rabbiner in Trier und seit etwa 1693 in Westhofen im Elsaß. Er war ein Sohn des Gelehrten Moses Lwow aus Lemberg. Unter seinen Vorfahren gab es berühmte Männer wie den Krakauer Gelehrten Josef ben Gerson haCohen, Mei:r Katzenellenbogen, Rabbiner und Vorsteher der talmudischen Hochschule in Padua (gest. 1565), und Abraham ha-Levi Mfoz (d. h. aus Mainz, gest. etwa 1525), Rabbiner in Padua. Dessen Vater (geb. etwa 1408) hatte Deutschland wegen der Verfolgungen um die Mitte des Jahrhunderts verlassen und war «eine der ersten Koryphäen sowohl der deutschen als der italienischen Judenheit». Marx' Großvater mütterlicherseits oder einer seiner Vorfahren war aus Ungarn nach Holland eingewandert; dieser Großvater war Rabbiner in Nijmegen. Eine Schwester der Mutter, Sophie, war mit dem Bankier Lion Philips verheiratet, derri Großvater der Gründer des Philips-Konzerns. Bei dieser Familie in Zaltbommel war Marx wiederholt zu Besuch; er regelte öfters mit dem Onkel als dem Vermögensverwalter der Mutter finanzielle Angelegenheiten und war sicherlich bis 1870 mit diesen holländischen Verwandten befreundet. Die jüdischen Gemeinden besaßen im Mittelalter, das bei den Ju12

den bis etwa 1800 reicht; in ihren inneren Angelegenheiten Autonomie. Die Gemeinden führten wirtschaftlich, religiös\und kulturell ein Eigenleben; ihr Vertreter gegenüber Stadt und Staat :var vo~ ~1lem der Rabbiner. Da die Gemeinden eine weitgehende eigene z1v1lrechtliche Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit hatten, war der Rabbiner auch an ihrer Pflege in erster Linie beteiligt; zudem riefen die Juden, wenn es irgend zu vermeiden war, das weltliche Gericht nicht an. Der Rabbiner war weniger Seelsorger und Prediger; er war vor allem Lehrer und Gelehrter. In der nach-talmudischen Zeit wurden die jüdischen Gesetze nicht mehr kodifiziert; es wurde auf Grund des Talmud geurteilt, in schwierigeren Fällen nach Einholung von schriftlichen Gutachten (Responsen) bekannter Gelehrter. Diese Gutachten beruhen auf eindringender Exegese nach festen Normen. Ein Blick .in die Literatur über diese Normen, die hermeneutische Induktion, Analogie, Antinomie oder den Syllogismus, gibt einen Ein~ruck von ~-ieser bis zu den letzten Möglichkeiten der Exegese vordnI).genden, außerst scharfsinnigen und häufig zu Spitzfindigkeiten führenden Me13

thode. Jedenfalls setzte eine solche gutachterliche Tätigkeit eine umfassende Kenntnis der ausgebreiteten Überlieferung, der Halacha des Talmud voraus, die nur in einem unablässigen Studium zu gewinnen war. Einige Männer der uns beschäftigenden Ahnenreihe haben in der Responsenliteratur einen großen Namen, wie Josua Heschel Lwow und Josef ben Gerson ha-Cohen. Vergegenwärtigen wir uns den Charakter des ~rüh~ren Rabbinertums, dann dürfen wir sagen, d_aß_ m Kar!. Marx eme iahrhundertalte Gelehrtentradition gleichzeitig ihren Hohepunkt und ihr Ende erreichte. Man hat manchen Zug in seirier Erscheinung auf bestimmte Vorfahren zurückführen wollen, etwa seine Kampfnatur auf jenen Josua Heschel Lwow. Manchmal tat man die Einflüsse recht summarisch ab, wenn man ihn z. B., wie Arthur Sakheim, den «Exegeten und Talmudisten der Soziologie» nannte. Man hat Marx' erstaunliche Assoziationsgabe, die Scharfsinnigkeit seines Denkens, die Kraft der Exegese, die Schärfe seiner Polemik und die dialektische Meisterschaft als Erbe dieser langen Reihe auf Gedankenarbeit und Verstan~esschärfe trainü;rter Gelehrter sehen wollen. Georg Adler betont die «natürliche Empfänglichkeit des Marxschen Geistes» für radikale Sc)1lußfolgerungen und seine «Anlage zu Abstraktion, De-

Die Geburtsurkunde

duktion und Konstruktion», die durch das Studium der Philosophie Hegels noch stärker entwickelt werden mußte. Wie dem auch sei, keinesfalls darf man diese Ahnenreihe übersehen. Das ist die Ansicht aller jüdischen Forscher, also der kompetentesten Beurteiler möglicher Einflüsse (etwa G. Adler, S. Dubnow, D. Farbstein, H. Horowitz, E. Lewin-Dorsch, G. Mayer, A. Sakheim, B. Wachstein, S. de Wolff) . Viele Forscher stellen Marx in eine Reihe mit den alten Propheten. Hierüber sowie über Marx' angeblichen Antisemitismus wird noch· zu reden sein. Der Vater ließ sich im Alter von ·35 Jahren 1816 oder 1817 taufen; aber er nahm nicht-das Bekenntnis der in Trier herrschenden katholischen, sondern der evangelischen Konfession an. Er wählte diese, da er wie Heine Protestantismus mit Geistesfreiheit gleichsetzte. Während in Polen die Bildung der Juden ausschließlich hebräisch-rabbinische Studien umfaßte und außerhalb dieser Sphäre liegende Kenntnisse als religionsfeindlich galten - Moses Mendelssohns Versuch, den Pentateuch ins Deutsche zu übersetzen, wurde mit dem religiösen Bann beantwortet - , war im westlichen Deutschland der Geist der Aufklärung gleichermaßen in evangelische und katholische wie in jüdische Kreise eingedrungen. Es ist kein Zufall, daß Börne, Heine, Heß und Marx aus dem Rheinland stammen. Auch Heinrich Marx hatte Voltaire, Rousseau und Kant gelesen und sich vorn Synagogenglauben gelöst; er hegte deistische Anschauungen und empfahl seinem Sohne «den reinen Glauben an Gott», wie man ihn bei locke, Newton und Leibniz finde und der ein großer Hebel für die Moral sei. Aber die Taufe war für ihn nicht nur, wie für Heine, das «Entreebillet zur europäischen Kultur ». Auch die Judenverfolgungen im Rheinland und im Elsaß zu jener Zeit machten sie nicht notwendig. Unmittelbar veranlaßt wurde sie vielmehr durch die von der Reaktion nach Napoleons Sturz für die Juden geschaffene Zwangslage. In Preußen wurden sie 1815 von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, und durch ein Votum des Innenministers vom 4. Mai 1816 wurde der Begriff des öffentlichen Amtes u. a. auf die Rechtsanwaltspraxis und die Führung einer Apotheke ausgedehnt. Selbst eine Empfehlung des Präsidenten der ImrnediatJustiz-Kornmission, Heinrich Marx wegen seiner hervorragenden Qualifikation in den Justizdienst zu übernehmen, wurde vom Minister abgelehnt. Wollte er also seinen Beruf weiter ausüben, zu dem er sich den Zugang durch ein Studium unter Entb~hrungen und häuslichen Konflikten hatte erkämpfen müssen, so war er gezwungen, sich taufen zu lassen. Dieser Schritt bedeutete den völligen Bruch mit seiner. Familie. Sein Bruder Samuel starb 1827 als Oberrabbiner von Trier, und danach lebten die Schwägerin und andere Familienmitglieder in der Kleinstadt. Natürlich kannten die Familien einander; aber von einer VerbinduI).g zwischen ihnen ist nichts bekannt. Auch nicht darüber, ob Heinrich Marx jemals mit dem Sohne über die Gründe seiner Taufe gesprochen hat. · Die Kinder wurden am 26. August 1824 getauft, die Mutter erst 15

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--t-(;. - -> und «Elegien des Properz». Auch in Berlin überwog in den ersten Semestern noch die Jurisprudenz. Neben «Pandekten» bei Savigny hörte er vor allem Kriminalrecht und Preußisches Landrecht bei dem liberalen Hegelianer Eduard Gans. An philosophischen Vorlesungen hörte er nur eine über Logik bei dem trokkenen Hegelianer Gabler ; ferner besuchte er Vorlesungen über Anthropologie und Allgemeine Geographie. Zwei Semester belegte er keine Vorlesungen, in einem Semester nur ein Kolleg seines Freundes Bruno Bauer über Jesajas, in einem anderen Semester lediglich eine Vorlesung über Euripides. Für die Vorlesungen von Gans und die über Logik wurde ihm ausgezeichneter Fleiß bescheinigt; bei jenen fesselte ihn vor allem der Vortragende, der auch Zeitfragen behandelte, bei der letzteren das Thema. Da keine Kolleghefte erhalten sind, wissen wir nicht, welchen Vorlesungen Marx etwa noch Interesse abgewann. Sicher ist, daß er auf den Gebieten seines Hauptstudiums, der Philosophie und Geschichte, außerhalb des Lehrbetriebs sich ganz selbständig seinen Weg bahnte. Davon zeugen eine Reihe von Studienheften aus den Jahren 1840-41 mit Auszügen aus Werken von Aristoteles, Spinoza, Leibniz, Hume und Notizen zur Geschichte der Kantischen Philosophie. Es fällt auf, daß ein Teil dieser bei der Lektüre angefertigten Auszüge, ebenso wie die Dissertation, nicht von Marx selbst, sondern von einem Kopisten geschrieben sind. Auf das intensive Studium Hegels, das im Kreise der Junghegelianer sehr gefördert wurde, weisen keine Aufzeichnungen hin. Interessant ist, daß Aristoteles im Hinblick auf Hegel studiert und seine Dialektik entwickelt wird: Wenn Aristoteles die Synthese als Grund alles Irrtums angibt, so ist das in jeder Hinsicht richtig. Das vorstellende und reflektierende Denken ist überhaupt eine Synthese von Sein und Denken, von Allgemeinem und Einzelnem, von Schein und Wesen. Dann besteht ferner alles unrichtige Denken, auch unrichtige Anschauung, Bewußtsein etc. von Synthesen solcher Bestimmungen, die nicht zueinander gehören, sich selbst äußerlichen, nicht immanenten Beziehungen von objektiven und subjektiven Bestimmungen. 21

1836 ;

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j Der junge Marx (Vergröß~rung nach dem Gruppenbild)

Die Trierer Landsmannschaft in Bonn (x = Karl Marx)

An äußeren Ereignissen des studentischen Lebens ist zu berichten, daß Marx sich in Bonn sehr eifrig an diesem Leben beteiligte; daß er der Landsmannschaft der Trierer angehörte (die Burschenschaften waren verboten) und sogar einer ihrer Vorsitzenden wurde; daß er eine Karzerstrafe wegen Trunkenheit und ruhestörenden Lärms erhielt und beschuldigt wurde, verbotene Waffen getragen zu haben; auch duellierte er sich einmal. Im Berliner Abgangszeugnis wurde vermerkt, daß er mehrmals wegen Schulden verklagt, einer Teilnahme an verbotener Verbindung unter Studierenden jedoch nicht beschuldigt wurde. Viel besser sind wir über Marx' dichterische Versuche unterrichtet, die ihn in Bonn und im ersten Berliner Jahr in der Hauptsache in Anspruch genommen haben dürften. In Bonn gehörte er einem poetischen Zirkel an, an dem sich auch Emanuel Geibel beteiligte. Literarische Pläne beschäftigten Marx längere Zeit ernsthaft, er dachte gar an die Gründung einer Zeitschrift für Theaterkritik und bot Adalbert von Chamisso Gedichte für seinen Musenalmanach an. Obwohl der junge Dichter seine Schöpfungen bald verwarf, wurden zwei Wilde Lieder doch noch 1841 der Veröffentlichung im «Athenäum» für würdig befunden. Er vereinigte seine Erzeugnisse in drei Heften mit Gedichten und Liedern, die er seiner Braut übersandte, und einem Heft «Gedichte», das der Vater zum Geburtstag erhielt: Romanzen und Balladen, ein Akt einer schaurigen Schicksalstragödie in Versen und einige Kapitel eines humoristischen Romans, in dem das Spießbürgertum im Stile Laurence Sternes und E. T. A. Hoffmanns verspottet werden sollte. Noch 1839 stellte er für die Braut eine Sammlung von Volksliedern aus verschiedenen Werken ·zusammen. Alle diese Bemühungen sind von erheblichem Umfang, und Marx kehrte, längere Zeit schwankend zwischen Philosophie und Dichtung, während dieser Jahre immer wieder zu ihnen zurück. Später hat er diese Verse als Jugendtorheiten belacht; und seitdem Mehring ihren dichterischen Unwert dargelegt hatte, schlossen alle Kritiker sich diesem Urteil an. So sind sie nur von biographischem Interesse. Formlos in der Technik, sind sie maßlos im Ausdruck des Willens und der Empfindungen, in der Darstellung der individuellen Probleme des Jünglings: Weltschmerz, Sehnsucht, Liebe, Enttäuschung. Aus einem Gedicht: Nimmer kann ich ruhig treiben, Was die Seele stark erfaßt, Nimmer still behaglich bleiben, Und ich stürme ohne Rast. Alles möcht' ich mir erringen, Jede schönst-e Göttergunst, Und im Wissen wagend dringen Und erfassen Sang und Kunst.

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Darum laßt uns alles wagen, Nimmer rasten, nimmer ruhn, Nur nicht dumpf so gar nichts sagen Und so gar nichts woll'n und tun. Nur nicht brütend hingegangen Ängstlich in dem niedern Joch, Denn das Sehnen und Verlangen Und die Tat, sie blieb uns doch.

Neben philosophischen Aphorismen gibt es eine Fülle von Balladen und Romanzen, in denen die üblichen Themen romantischer Dich- · tung behandelt werden; und auch alle Requisiten romantischer Poesie tauchen auf: Zauberharfe, Sehnsucht, Nachtliebe, Sirenengesang, Harfensängerinnen, das bleiche Mädchen, Zauberschiff, Mondmann, Traumbild, Nachtgedanken usw. In dieser Zeit scheint Marx auch ein Tagebuch geführt zu haben, und man tat das in der Biedermeierzeit in erster Linie nicht, um ihm das eigene überreiche Empfin. dungsleben anzuvertrauen, sondern um Vertraute daran teilnehmen zu lassen. So teilte er dem Vater gelegentlich etwas daraus mit. Den Humor seines Romans hielt er selbst für erzwungen; und daß er keinen Sinn für Humor hatte, verstehen wir, wenn wir den großen Bekenntnisbrief an den Vater lesen. Über die innere Entwicklung des jungen Marx unterrichtet dieser einzigartige Rechenschaftsbericht, der einzige bekannte Brief an die Eltern; er wurde durch ernsthafte Auseinandersetzungen mit dem Vater veranlaßt, der die Entwicklung seines Sohnes mit wachs.e nder Sorge verfolgte. Das Verhältnis zum Vater war für Marx von größter Bedeutung. Als einzige Familienbriefe hob er, 1,1eben vier Briefen der Mutter und der Schwester Sophie, die siebzehn Briefe des Vaters auf; es wird berichtet, daß Marx sein ganzes Leben eine Fotografie seines Vaters bei sich getragen habe, die Engels ihm in den Sarg legte. In der Entwicklung des Verhältnisses zum Vater spiegelt sich die Persönlichkeitsbildung des jungen Marx. Sind wir bei ihrer Erkenntnis auch weitgehend auf die Briefe des Vaters angewiesen, so sind diese doch ein Spiegel von besonderer Klarheit; denn der Vater ging auf alle Anliegen Karls ein, und er hatte ein ganz außerordentliches Verständnis für seinen hochbegabten und schwierigen Sohn. Der Vater Marx erwartet viel von ihm und stellt hohe Forderungen an ihn: «Ich wünsche in Dir das zu sehen, was vielleicht aus mir geworden wäre, wenn ich unter ebenso günstigen Auspizien das Licht der Welt erblickt hätte. Meine schönsten Hoffnungen kannst Du erfüllen und zerstören.» Aber er überfordert ihn nicht und spornt. ihn nicht zu eifrigerem Studium an; er fürchtet im Gegenteil, daß er sich übernimmt: «... reibe Dich nicht auf, Du hast noch lange, will's Gott, zu Deinem und Deiner Familie Wohl, und wenn mich meine Ahnungen nicht irren, zum Wohl der Menschheit zu leben.» Er bittet ihn,

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die Gesundheit zu schonen, «es gibt kein beklagenswerteres Wesen als einen siechen Gelehrten». Ebensowenig will er den Sohn auf irgendeine bestimmte Laufbahn festlegen; das ist bemerkenswert in jener Zeit patriarchalischer Ordnung, in der mit dem Beginn des Studiums eigentlich die Karriere in einem bürgerlichen Beruf bereits vorgezeichnet war. Als bei dem Sohne nach zwei Semestern schon der Gedanke an ein akademisches Lehramt auftaucht, beschäftigt sich der Vater ernsthaft damit. Dabei läßt er dem Sohne viel Freiheit; nicht einmal die Frage der Fakultät spielt eine Rolle, obwohl der Sohn die Rechte studiert. Auch Philosophie findet der Vater durchaus annehmbar und für den Sohn wohl mehr passend. Nicht weniger Verständnis hat der Vater für die schriftstellerischen Pläne des Sohnes, obwohl er mit manchem Produkt nichts anzufangen weiß: «apropos! Dein Gedicht habe ich buchstabierend gelesen. Ich gestehe Dir ganz unumwunden, lieber Karl, ich verstehe es nicht, weder dessen wahren Sinn, noch dessen Tendenz ... Willst Du nur im abstrakten Idealisieren (etwas analogisch mit Schwärmerei) Glückseligkeit finden? Kurz, gib mir den Schlüssel, ich gestehe meine Beschränktheit.» Er kann es nur billigen, daß der Sohn seine Gedichte nicht sofort drucken läßt; ein Poet oder Literator müsse etwas Tüchtiges liefern können, wenn er öffentlich auftreten wolle. «Ich sage Dir es unverhohlen, mich freuen innig Deine Anlagen, und ich verspreche mir viel davon, doch mich würde es jammern, Dich als gemeines Poetlein auftreten zu sehn ... Nur der Vorzügliche hat das Recht, die Aufmerksamkeit einer verwöhnten Welt in Anspruch zu nehmen.» Den Plan, eine Zeitschrift für Theaterkritik zu gründen, diskutiert der Vater ausführlich mit dem Sohne. überhaupt findet er es ausgezeichnet, daß der Sohn schriftstellern will. Doch sei es wohl schwierig, das Zutrauen eines guten Buchhändlers zu gewinnen. «Gelingt Dir das - und Du bist im ganzen ein Glückskind - dann kommt die zweite [Frage]. Philosophisches oder Juristisches oder beides zusammen scheint wohl vorzüglich, um den Grund zu legen. Gediegene Poesie kann wohl den zweiten Rang einnehmen, und sie schadet dem Rufe nie, es wäre de_nn in den Augen einiger Pedanten», und zu ihnen gehört der Vater nicht. Als Karl drei Wochen in Bonn ist und noch nicht geschrieben hat, beschuldigt der Vater ihn «grenzenloser Nachlässigkeit». «Das bestätigt mir leider nur zu sehr die Meinung, welche ich trotz Deiner mancher guten Eigenschaften hege, daß der Egoismus in Deinem Herzen vorherrschend ist.» Aber nachdem der Sohn geschrieben hat, beeilt er sich, sein Unrecht einzugestehen, und begründet den Vorwurf mit der Ängstlichkeit der Mutter. Von den guten Eigenschaften des Sohnes ist er überzeugt; er bittet ihn, immer so treu und offen zu bleiben und in den Eltern immer seine besten Freunde zu sehen. In vielen kleinen Angelegenheiten gibt er ihm seinen Rat. Der Sohn dürfe gesellschaftliche Beziehungen, die ihm von Nutzen sein könnten, n1cht vernachlässigen; und er bemüht sich selbst, ihm solche Beziehun-

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gen zu verschaffen. Im Hinblick auf das Lehramt rät er dem Sohne, das Organ ein wenig auszubilden; denn Marx behielt stets Anklänge an den rheinischen Dialekt. Er bittet ihn auch, etwas leserlicher zu schreiben. Zu einem Konflikt, der dann durch den Tod des Vaters beendet werden sollte, kam es, als Karl sich · in den Herbstferien 1836 heimlich mit der vier Jahre älteren Jenny von Westphalen verlobt hatte. Der Vater fürchtete, daß der Sohn in eine zweideutige Stellung gegenüber der sehr angesehenen Familie der Jenny geraten würde, zumal das Mädchen viel umworben wurde; und •er selbst hatte eine solche Achtung vor jener Familie, daß ihn ein unklares Verhältnis bedrückte. So werden seine Anforderungen an den Sohn dringender: «... Es gibt für den Mann keine heiligere Pflicht, als die er gegen das schwächere Weib übernimmt ... Aber wenn nach abgehaltener Selbstprüfung Du wirklich beharrst, dann mußt Du sofort ein Mann werden ... Du hast große Pflichten übernommen, und, lieber Karl, mit der Gefahr, Deine Empfindlichkeit zu reizen, spreche ich meine Meinung in meiner Weise etwas prosaisch aus, mit allen Exagerationen und Exaltationen der Liebe in einem dichterischen Gemüte kannst Du die Ruhe des Wesens, dem Du Dich ganz hingegeben, nicht herstellen, im Gegenteil, Du läufst Gefahr, sie zu zerstören. . . Sie bringt Dir ein unschätzbares Opfer - sie beweist eine Selbstverleugnung, die nur von der kalten Vernunft ganz gewürdigt werden kann. Wehe Dir, wenn Du je in Deinem ganzen Leben dies vergessen könntest! Doch jetzt kannst Du nur selbst wirkend eingreifen. Aus Dir muß die Gewißheit hervorgehn, daß trotz Deiner Jugend Du ein Mann seiest, der die Achtung der Welt verdient ... Ich bitte und beschwöre Dich nunmehr, da Du im Grunde den Fonds für Dich hast, nur die Form

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noch nicht geebnet ist, werde ruhig, mäßige diese Stürme, errege sie ebensowenig in dem Busen eines Wesens, das Ruhe verdient und bedarf ... Du weißt, lieber Karl, ich habe aus Liebe zu Dir mich in etwas eingelassen, was nicht meinem Charakter ganz anpaßt, und was mich wohl zuweilen drückt ... Ich will und kann meine Schwäche gegen Dich nicht verbergen. Mein Herz schwelgt zuweilen in Gedanken an Dich und Deine Zukunft. Und dennoch zuweilen kann ich mich trauriger, ahnender, Furcht erregender Ideen nicht entschlagen, wenn sich wie ein Blitz der Gedanke einschleicht: Ob Dein Herz Deinem Kopfe, Deinen Anlagen entspricht? - Ob es Raum hat für die irdischen, aber sanftem Gefühle, die in diesem Jammertale dem fühlenden Menschen so wesentlich trostreich sind? Ob, da dasselbe offenbar durch einen nicht allen Menschen verliehenen Dämon belebt und beherrscht wird, dieser Dämon himmlischer oder faustischer Natur ist? Ob Du je - und das ist für mein Herz nicht der weniger peinigende Zweifel - je für wahrhaft menschliches - häusliches Glück empfänglich sein wi~st .. . Was mich auf diesen Ideengang brachte, wirst Du fragen? Schon öfters haben mich dergleichen Grillen befallen, ich verscheuche sie leicht, denn es war mir immer Bedürfnis, Dich mit all der Liebe und Achtung zu umfassen, deren mein Herz fähig ist, und ich vergesse mich überall gerne. Aber ich sehe eine auffallende Erscheinung in Jenny. Sie ... zeigt zuweilen unwillkürlich und gegen ihren eignen Willen eine Art von Furcht, von ahnungsschwangerer Furcht, die mir nicht entgeht ... Was soll, was kann das sein? Ich kann mir es nicht erklären, aber unglücklicherweise erlaubt meine Erfahrung nicht, daß ich mich leicht irreführen lasse. Dein ho. hes Emporkommen, die schmeichelnde Hoffnung, Deinen Namen einst im hohen Rufe zu s'ehn, sowie Dein irdisches Wohl, liegen mir gar nicht allein am Herzen, es sind lang genährte Illusionen ... Aber ich kann Dich versichern, daß die Verwirklichung dieser Illusionen mich nicht glücklich zu machen vermöchte. Nur wenn Dein Herz rein bleibt und rein menschlich schlägt, und kein dämonisches Genie imstande sein wird, Dein Herz den besseren Gefühlen zu entfremden - nur alsdann würde ich das Glück finden, das ich mir seit langen Jahren durch Dich träume ; sonst würde ich das schönste Ziel meines Lebens zertrümmert sehn. Doch warum mich zu sehr erweichen und Dich vielleicht betrüben? Im Grunde zweifle ich ja nicht an Deiner kindlichen Liebe zu mir und Deiner guten, lieben Mutter, und Du ·weißt es recht gut, wo wir am allerverwundbarsten sind ... vielleicht ist es sehr gut und heilsam, daß Du gleich bei dem Eintritte in die Welt zu menschlicher Rücksicht, ja, zu Klugheit, Vorsicht und reiflicher Überlegung, trotz aller Dämonen, gezwungen bist ... » Dieser Brief hat den Sohn hart getroffen . Er wird ungeduldig, da die Braut sich weigert zu schreiben, bevor die Verlobung bekanntgemacht ist. Der Vater appelliert an seine Männlichkeit und weist ihn zurecht: «... ich lasse Dir selbst die Beurteilung über die Frage, ob ich gegründete Ursache hatte, aufbrausend zu sein. Du weißt es, Du mußt es wissen, mit welcher Liebe ich Dich umfasse. Deine Briefe

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(insofern ich darin nur nicht Spuren jener krä~kelnde:1 Em_Pfindlichkeit und phantastischer schwarzer Gedanker: fmde) smd em wahres Bedürfnis . . . So sehr ich Dich über alles - die Mutter ausgenomm_en - liebe, so wenig bin ich blind, und noch wenig_er will ich. es s~m. Ich lasse Dir viele Gerechtigkeit widerfahren, aber ich kann mich mcht ganz des Gedankens entschlagen, daß Du nicht frei von E~ois~us bist, etwas mehr, als zur Selbsterhaltung nötig.: . Entsch1;1ldige D~ch nicht mit Deinem Charakter. Klage die Natur mcht an. Si~ hat Dtch gewiß mütterlich behandelt. Sie hat -Dir Stärk~ genug v~rhehen, das Wollen ist dem Menschen hingegeben. Aber bei dem kl_emsten_Sturm sich dem Schmerz zu überlassen, bei jedem Leiden em z~rnssenes Herz· offen zu legen und das unserer Lieben mit zu zerrei~en, soll das Poesie heißen? ... Nein, Schwachheit, Verzärtlung, Eigenl~ebe und Dünkel allein reduzieren so alles auf sich und lassen au~h die ~euersten Gebilde in den Hintergrund treten! . . . Aber zu _D~me.1? eignen Wohl darf und werde ich diesen Text nie verlassen, bis ich uberzeugt bin, daß dieser Flecken aus Deinem sonst so edeln Charakter verschwunden ... » h h 1 Es sei zwar zuviel verlangt, daß man mit neun~e n Ja. ren w~ tklug sein solle; aber wer i~. diese1:1- Alter das Sc~icks_al em_es Madchens an sich fessele, der musse «die Lebens~rage m eigentlicher Be- _ deutung» sehr nüchtern auffassen. Ih den Außerung~n des Vaters is t niemals ein Unwille über eine etwa vom Sohne eingeschlagene «Richtung»; wohl aber ein wachsen?er Unw~lle darüber, da_ß der Sohn bürgerliche Verpflichtungen emgeht, sich ~ber_ um ~ie Erfüllung dieser Verpflichtungen nicht bemüht. S~~he~hc~ ~rbittet er eine gedrängte übersieht über des Sohnes «posltlve J~nstische ~tudien». Als der Sohn nicht darauf eingeht, sondern em «Schreiben ohne Form und Inhalt, ein abgerissenes, nichtssagendes Fragment» schickt, macht der Vater ihm heftige Vorwürfe: «Dein vorletztes Schreiben hatte so manches, was meine Erwartung spannte. Ich hatte mehrere Briefe geschrieben, die manche Auskunft verlangten. U1;1-d statt alles dessen ein. fragmentarisch abgerissener, und was noch viel schlimmer ist ein zerriss e n er Brief. - Offenherzig gesprochen, mein, lieber Karl, ich liebe dies moderne Wort nicht, worin ~ich ~lle Schwächlinge hüllen, wenn sie mit der Welt hadern, d_aß s~e _mcht ohne alle Arbeit und Mühe wohl möblierte Palaste mit Millionen und Equipagen besitzen. Diese Zerrissenheit ist mir ekelhaft, und von Dir erwarte ich sie am allerwenigsten. Welchen G~nd kannst Du hierzu haben? Hat Dir nicht seit der Wiege an alles gelachelt? ~at die Natur Dich nicht herrlich begabt? Haben Deine Eltern Dich nicht mit verschwenderischer Liebe umfaßt? Hat es Dir bisher je daran gefehlt, Deine vernünftigen Wü1;1-sche zu befri_edigen_~ Und hast Du nicht auf die unbegreiflichste Weise das Herz emes M~dcher:_s ~avongetragen, das Dir Tausende beneiden? _Dnd die erste Wide_r_warti~keit, der erste mißlungene Wunsch bnngt dennoch Zemssenhe!t hervor! Ist das Stärke? Ist das männlicher Charakter? .. :» . Dieser Brief kreuzt sich mit Marx' großem Bekenntmsbnef vom 29



10. November 1837 1 der wohl auch eine Übersicht über die «positiven Studien» gab, im übrigen aber dem Vater alle Befürchtungen hinsichtlich der Zukunft bestätigte: Teurer Vater! Es gibt Lebensmomente, die wie Grenzmarken vor eine abgelaufene Zeit sich stellen, aber zugleich auf eine neue Richtung mit Bestimmtheit himueisen ... Wenn ich also jetzt am Schlusse eines hier verlebten Jahres einen Blick auf die Zustände desselben zurückwerfe und so, mein teurer Vater, Deinen so lieben, lieben Brief von Ems beantworte, so sei es mir erlaubt, meine Verhältnisse zu beschauen, wie ich das Leben überhaupt betrachte, als den Ausdruck eines geistigen Tuns, das nach allen Seiten hin, in Wissen, Kunst, Privatlagen dann Gestalt ausschlägt. Als ich Euch verließ, war eine neue Welt für mich erstanden, die der Liebe, und zwar im Beginne sehnsuchtstrunkener, hoffnungsleerer Liebe. Selbst die Reise nach Berlin, die mich sonst im höchsten Grade entzückt, zu Naturanschauung au/geregt, zur Lebenslust enflammt hätte, ließ mich kalt, ja, •sie verstimmte mich auffallend, denn die Felsen, die ich sah, waren nicht schroffer, nicht kecker als die Empfindungen meiner Seele, die breiten Städte nicht lebendiger als mein Blut, die Wirtshaustaf eln nicht überladener, unverdaulicher als die Phantasiepakete, die ich trug, und endlich die Kunst nicht so schön als Jenny. In Berlin angekommen, brach ich alle bis dahin bestandenen Verbindungen ab, machte mit Unlust seltene Besuche und suchte in Wissenschaft und Kunst zu versinken. Nach der damaligen Geisteslage mußte notwendig lyrische Poesie der erste Vorwurf, wenigstens der angenehmste, nächstliegende sein, aber, wie meine Stellung und ganze bisherige Entwicklung es mit sich brachten, war sie rein idealistisch ...

Der Anfang des großen Bekenntnisbriefes an den Vater

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10. November 1837 1 der wohl auch eine Übersicht über die «positiven Studien» gab, im übrigen aber dem Vater alle Befürchtungen hinsichtlich der Zukunft bestätigte: Teurer Vater! Es gibt Lebensmomente, die wie Grenzmarken vor eine abgelaufene Zeit sich stellen, aber zugleich auf eine neue Richtung mit Bestimmtheit himueisen ... Wenn ich also jetzt am Schlusse eines hier verlebten Jahres einen Blick auf die Zustände desselben zurückwerfe und so, mein teurer Vater, Deinen so lieben, lieben Brief von Ems beantworte, so sei es mir erlaubt, meine Verhältnisse zu beschauen, wie ich das Leben überhaupt betrachte, als den Ausdruck eines geistigen Tuns, das nach allen Seiten hin, in Wissen, Kunst, Privatlagen dann Gestalt ausschlägt. Als ich Euch verließ, war eine neue Welt für mich erstanden, die der Liebe, und zwar im Beginne sehnsuchtstrunkener, hoffnungsleerer Liebe. Selbst die Reise nach Berlin, die mich sonst im höchsten Grade entzückt, zu Naturanschauung au/geregt, zur Lebenslust enflammt hätte, ließ mich kalt, ja, •sie verstimmte mich auffallend, denn die Felsen, die ich sah, waren nicht schroffer, nicht kecker als die Empfindungen meiner Seele, die breiten Städte nicht lebendiger als mein Blut, die Wirtshaustaf eln nicht überladener, unverdaulicher als die Phantasiepakete, die ich trug, und endlich die Kunst nicht so schön als Jenny. In Berlin angekommen, brach ich alle bis dahin bestandenen Verbindungen ab, machte mit Unlust seltene Besuche und suchte in Wissenschaft und Kunst zu versinken. Nach der damaligen Geisteslage mußte notwendig lyrische Poesie der erste Vorwurf, wenigstens der angenehmste, nächstliegende sein, aber, wie meine Stellung und ganze bisherige Entwicklung es mit sich brachten, war sie rein idealistisch ...

Der Anfang des großen Bekenntnisbriefes an den Vater

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Alte Leipziger Straße

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a, Marx' erste Berliner Wohnung

Nun durfte und sollte die Poesie nur Begleitung se_in; ich mußte Jurisprudenz studieren und fühlte vor allem Drang, m!t der Phzfosophie zu ringen. Beides wurde so verbunden, daß zch teils Heznecc1us, Thibaut und die Quellen rein unkritisch, nur schülerhaft durchnahm, so z.B. die ersten zwei Pandekten-bücher ins Deutsche übersetzte, teils eine Rechtsphilosophie durch das Gebiet des Rechts durchzuführen suchte. Als Einleitung schickt-e ich einige metaphysische Sätze voran und führte dieses unglückliche Opus bis zum öffe1itlichen Rechte, eine Arbeit von beinahe dreihundert Bogen . .. Doch was soll ich weiter die Blätter füllen mit Sachen, die ich selbst verworfen 1 Trichotomische Einteilungen gehen durch das Ganze durch, es ist mit ermüdender Weitläufigkeit geschrieben und di e römischen Vorstellungen auf das barbarischste mißbraucht, um sie in mein System zu zwängen. Von der anderen Seite gewann 32

ich so Liebe und überblick zum Stoffe wenigstens auf gewisse Weise. . Am Schlusse des materiellen Privatrechts sah ich die Falschheit des Ganzen, das im Grundschema an das Kantische grenzt, in der Ausführung gänzlich davon abweicht, und wiederum war es mir klar geworden, ohne Philosophie sei nicht durchzudringen. So durfte ich mit gutem Gewissen mich abermals in ihre Arme werfen und schrieb ein neues metaphysisches Grundsystem, an dessen Schlusse ich abermals seine und meiner ganzen früheren Bestrebungen Verkehrtheit einzusehen gezwungen wurde ... Am Ende des Semesters suchte ich wieder Musentänze und Satyrmusik. . . Und dennoch sind diese letzten Gedichte die einzigen, in denen mir plötzlich, wie durch einen Zauberschlag - ach, der Schlag war im Beginn zerschmetternd - das Reich der wahren Poesie wie ein ferner Feenpalast entgegenblitzte und alle meine Schöpfungen in ni-chts zerfielen. Daß bei diesen mancherlei Beschäftigungen das erste Semester hindurch viele Nächte durchwacht, viele Kämpfe durchstritten, viele innere und i.iußere Anregung erduldet werden mußte, daß ich am Schlusse doch nicht sehr bereichert hinaustrat und dabei Natur, Kunst, W elt vernachlässigt, Freunde abgestoßen hatte, diese Reflexion schien mein Körper zu machen, ein Arzt riet mir das Land und so geriet ich zum ersten Male durch die ganze lange Stadt vor das Tor nach Stralow. Daß ich dort aus einem bleichsüchtigen Schwächling zu einer robusten Festigkeit dfYs Körpers heranreifen würde, ahnte ich nicht. Ein Vorhang war gefallen, mein Allerheiligstes zerrissen, und es mußten neue Götter hineingesetzt werden. Von dem Idealismus, den ich, beiläufig gesagt, mit Kantischem und Fichteschem verglichen und genährt, geriet ich dazu, im Wirklichen selbst die Idee zu suchen. Hatten die Götter früher über der . Erde gewohnt, so waren sie jetzt das Zentrum derselben geworden. 33

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Ich hatte Fragmente der Regelsehen Philosophie ge lesen, deren groteske Felsenmelodie mir nicht behagte. Noch einmal wollte ich hinabtauchen in das Meer, aber mit der bestimmten Absicht, die geistige Natur ebenso notwendig, konkret und festgerundet zu finden wie die körperliche, nicht mehr Fechterkünste zu üben, sondern die reine Perle ans Sonnenlicht z u halten . Ich schrieb einen Dialog von ungefähr 24 Bogen: «Kleanthes, oder vom Ausgangspunkt und notwendigen Fortganx der Philosophie» . Hier vereinte sifh einigermaßen Kunst und Wissen, die ganz auseinandergegangen waren, und ein rüstiger Wanderer schritt ich ans Werk selbst, an eine philosophisch-dialektische Entwicklung der Gottheit, wie sie als Begriff an sich, als Religion, als Natur, als Geschichte sich manifestiert. Mein letzter Satz war der Anfang des Regelsehen Systems, und diese Arbeit, wozu ich mit Naturwissenschaft, Schelling, Geschichte. einigermaßen mich bekanntgemacht, die mir unendliches Kopfzerbrechen verursacht und so konfus geschrieben ist (da sie eigentlich eine neue Logik sein sollte), daß ich jetzt selbst mich kaum wieder hineindenken kann, dies mein liebstes Kind, beim Mondschein gehegt, trägt mich wie eine falsche Sirene dem Feind in den Arm. · Vor Ärger konnte ich einige Tage gar nicht denken, lief wie toll im Garten an der Spree schmutzigem Wasser, «das Seelen wäscht und Te e verdünnt», umher, machte sogar eine Jagdpartie mit meinem Wirte mit, rannte nach Berlin und wollte jeden Eckensteher umarmen . .. Aus Verdruß über Jennys Kranlcheit und meine vergeblichen, untergegangenen Geistesarbeiten, aus zehrendem Ärger, eine mir verhaßte Ansicht zu meinem Idol machen zu müssen, wurde ich krank, wze ich schon früher Dir, teurer Vater, geschrieben. Wiederhergestellt, verbrannte ich alle Gedichte und Anlagen zu Novellen etc., in dem Wahne, ich lcönne ganz davon ablassen, wovon ich bis jetzt allerdings noch lceine Gegenbeweise geliefert. Während meines Unwohlseins hatte ich Hegel von Anfang bis Ende, samt den meisten, seiner Schüler, lcennengelernt. Durch mehrer,e Zusammenlcünfte mit Freunden in Stralow geriet ich in einen Dolctorklub, worunter einige Privatdozenten und mein intimster der Berliner Freunde, Dr. Rutenberg. Hier im Streite offenbarte sich manche widerstrebende Ansicht, und immer fester lcettete ich mich selbst an die jetzige Weltphilosophie, der ich zu entrinnen gedacht, aber alles Klangreiche war verstummt, eine wahre Ironiewut befiel mich, wie es wohl leicht nach so viel Negiertem geschehen lconnte. Hierzu kam Jennys Stillschweigen, und ich konnte nicht ruhen, bis ich die Modernität und den Standpunkt der heutigen Wissenschaftsansicht durch einige schlechte Produlctionen, wie «Der Besuch» etc., erlcauft hatte. Wenn ich hier vielleicht Dir dies ganze letzte Semester weder klar dargestellt noch in alle Einzelheiten eingegangen, auch alle Schattierungen verwischt, so ,verzeihe es meiner Sehnsucht, von. der Gegenwart zu reden, teurer Vater ... 34

Die Berliner Universität

Den sanften, weltklugen Vater wird die ungestüme, leidenschaftliche Art geängstigt haben, mit der sein Sohn verschiedene Wissenszweige und die letzten Weltprobleme hantierte; er mußte erkennen, daß des Sohnes Dämon «faustischer Natur» war. Sein Erschrecken darüber äußert er in Klagen, die er·zur Verdeutlichung in Fragen fo rmuliertr um sie dann «ganz a posteriori», auf Grund der wirklichen Erfahrung zu beantworten. Er analysiert die Situation des Sohnes bis ins Detail. Seine Aufgabe lautet : Was hat er zu tun, wenn er seine Eltern verehrt, wenn er ohne Rücksicht auf sein Alter und seine Lage eines der edelsten Mädchen an sein Schicksal kettet und «eine sehr ehrwürdige Familie» zwingt, ein Verhältnis zu billigen, das für das geliebte Kind voller Gefahren und trüber Aussichten ist? «Prosaisch, aus dem wirklichen Leben, wie es ist, will ich antworten, auf die Gefahr hin, meinem Herrn Sohne zu prosaisch zu erscheinen.» Er ärgert sich über seine eigene Charakterschwäche und fühlt sich als alternder, grämlicher Mann, «der sich über die ewigen Täuschungen ärgert, und besonders darüber, daß er seinem ·eigenen Idol einen Spiegel voller Zerrbilder vorhalten muß» . Alle Verpflichtungen des Sohnes bildeten «ein solches festgewebtes Band, das allein hinreichen mußte, alle bösen Geister zu bannen, alle Ver35

irrungen zu verscheuchen, alle Mängel auszugleichen, neue und bessere Triebe zu entwickeln; aus einem verwilderten Burschen einen geregelten Menschen, aus einem negierenden Genie einen gediegenen Denker, aus einem wüsten Rädelsführer wüster Burschen einen geselligen Menschen zu bilden .. .» Wie hat der Sohn die Aufgabe gelöst? «Das sei Gott geklagt!!! Ordnungslosigkeit, dumpfes Herumschweben in allen Teilen des Wissens, dumpfes Brüten bei der düsteren Öllampe; Verwilderung im gelehrten Schlafrock und ungekämmter Haare statt der Verwilderung bei dem Bierglase; zurückscheuchende Ungeselligkeit mit Hintansetzung alles Anstartdes und selbst aller Rücksicht gegen den Vater ... Und hier in dieser Werkstätte unsinniger und unzweckmäßiger Gelehrsamkeit sollen die Früchte reifen, die Dich und Deine Geliebten erquicken, die Ernte gesammelt werden, die dazu diene, heilige Verpflichtungen zu erfüllen!? .. . Ich will nicht weich werden, denn ich fühle es, daß ich zu nachsichtig war, zu wenig mich in Beschwerden ergoß und dadurch gewissermaßen Dein Mitschuldiger geworden •bin. Ich will und muß Dir sagen, daß Du Deinen Eltern vielen Verdruß gemacht, und wenig oder keine Freude. Kaum war das wilde Treiben in Bonn zu Ende, kaum war Dein Schuldbuch vernichtet - und es bestand wahrhaftig in so mannigfacher Beziehung - , als zu unserer Bestürzung die Liebesleiden eintraten; und mit der Gutmütigkeit wahrer Romaneltern wurden wir deren Herolde und deren Kreuzträger. Doch tief fühlend, daß sich hierin das Glück Deines Lebens konzentrierte, erduldeten wir das Unabänderliche und spielten vielleicht selbst unangemessene Rollen . .. Was unser nur zu geliebter Sohn eigentlich treibe, denke, handle, kaum war darüber zuweilen eine rhapsodische Phrase hingeworfen, als sich schon das gehaltvolle Register wie bezaubert verschloß . Mehrere Male waren wir monatelang ohne Brief, und zum letzten Male, als Du wußtest, daß Eduard krank, die Mutter duldend und ich leidend war, und dazu die Cholera in Berlin herrschte; und als erheische dies nicht einmal eine Entschuldigung, erwähnte der nächste Brief kein Wort hiervon, sondern enthielt kaum einige schlecht geschriebene Zeilen und einen Auszug aus dem Tagebuch, betitelt Besuch, dem ich lieber ganz offen die Türe weise als aufnehme, ein tolles Machwerk, das bloß bekundet, wie Du Deine Gaben verschwendest {ind Nächte durchwachst, um Ungetüme zu gebären; daß Du in den Fußstapfen der neuen Unholde trittst, die ihre Worte schrauben, bis sie sie selbst nicht hören; die einen Schwall von Worten, weil sie keine oder verwirrte Gedanken darstellen, als eine Geburt des Genies taufen. » Ein besonderes Kapitel bilden die hohen Geldausgaben des Sohnes. Der Vater war seit längerer Zeit krank - er litt an den Erb-

Des Vaters letzter Brief an Marx 37

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krankheiten der Familie, Leberleiden und Tuberkulose -, und starb ein halbes Jahr später. Dabei war es ihm fraglich, ob sein Vermögen die Versorgung der großen Familie würde sichern können. In Bonn hatte der Vater Schulden des Sohnes ohne Murren bezahlt. Aber im ersten Berliner Jahre wirtschaftete dieser zu sorglos. «Als wäre_n wir Goldmännchen, verfügt der Herr Sohn in einem Jahre für beinahe 700 Taler gegen alle Abrede, gegen alle Gebräuche, während die Reichsten keine 500 ausgeben. Und warum? Ich lasse ihm die Gerechtigkeit widerfahren, daß er kein Prasser, kein Verschwender ist. Aber wie kann ein Mann, der alle 8 oder 14 Tage neue Systeme erfinden und die alten mühsam erwirkten Arbeiten zerreißen muß, wie kann der, frage ich, sich mit Kleinigkeiten abgeben? ... » Allerdings: in demselben Jahre schrieb der acht Jahre ältere Freiligrath, daß er «mit 180 bis 200 Talern jährlich ganz famos auszukommen» gedenke - und bezog ein Berliner Stadtrat 800 Taler jährlich. Der Sohn fühlt sich mißverstanden und verkannt, und wieder antwortet der Vater am 10. Februar: «Über jede einzelne Klage mich wieder in Abhandlungen einzulassen, dazu bin ich jetzt am wenigsten fähig, und überhaupt mag ich es in der Kunst, abstrakt zu räsonnieren, mit Dir nicht aufnehmen, da ich vor allem alsdann die Terminologie studieren müßte, bevor ich nur gar in das Heiligtum eindringen könnte, und dazu bin ich zu alt. Recht gut, wenn Dein Gewissen mit Deiner Philosophie sich bescheiden einigt und verträgt. Nur in einem Punkte weillte freilich alles Transzendente nicht hinweghelfen, und da hast Du sehr klugerweise gut gefunden, ein vornehmes Schweigen zu beobachten, ich meine das lumpige Geld, dessen Wert für einen Familienvater Du noch immer nicht zu kennen scheinst, ich desto mehr, und ich leugne nicht, daß ich mir zuweilen Vorwürfe mache, allzu schwach Dir den Zügel gelassen zu haben. So sind wir jetzt im vierten Monat des Justizjahrs, und schon hast Du 280 Taler gezogen. So viel hab ich diesen Winter noch nicht verdient. Doch mit Unrecht sagst Du oder unterstellst Du, daß ich Dich mißkenne oder verkenne. Weder das eine noch das andere. Ich lasse Deinem Herzen, Deiner Moralität volle Gerechtigkeit widerfahren. Ich habe Dir hiervon bereits im ersten Jahre Deiner juristischen Laufbahn einen unwiderleglichen Beweis gegeben, indem ich über einen sehr dunklen Punkt nicht einmal Aufklärung verlangte, ungeachtet er sehr problematisch war. Nur wirklicher Glaube an Deine hohe Moralität konnte dies bewirken, und davon bin ich gottlob nicht zurückgekommen. Aber deswegen bin ich nicht blind, und nur aus Müdigkeit lege ich die Waffen nieder. Doch glaube immer und zweifle nie, daß ich Dich im Innersten meines Herzens trage und Du einer der stärksten Hebel meines Lebens bist .. .» Der Konflikt mit dem Vater war nicht nur der Konflikt eines jungen Genies mit einem bürgerlichen Vater. Wohl erschreckte diesen die sich heftig in Extremen vollziehende Entwicklung des Sohnes. Aber es ist deutlich, daß seine Kritik anders geklungen haben würde, hätte der Sohn sich nicht in Trier gebunden. Was für den Sohn vor38

erst ein romantisches Erlebnjs war, das war für den Vater die ernsteste bürgerliche Bindung, aus der die Konsequenzen zu ziehen waren. Dazu aber war der Sohn noch nicht imstande. Dieser Konflikt war das zentrale persönliche Erlebnis des jungen Marx. In seiner späteren Korrespondenz mit Engels klagt er häufig über seine intimen Verhältnisse. Aber niemals hat er sich wieder so rückhaltlos offen, so naiv zutraulich, so ohne Verstellung und Pose, so frei von allem Zynismus und so ungehemmt einem Menschen eröffnet wie in jenem ekstatischen Bekenntnisbrief seinem Vater. Dessen Vorhaltungen müssen ihn tief getroffen haben. Er verschloß sich immer mehr und bekam schließlich eine Scheu vor persönlichen Bekenntnissen. Die gleichen und ähnliche Vorhaltungen wie vom Vater bekam Marx später häufig zu hören; aber hier machte sie ihm die hellsichtige Liebe des Vaters, die sich in den Briefen ergreifend ausdrückt. Der Tod des Vaters am 10. Mai 1838 beendete diesen Konflikt, an dem einer von ihnen zerbrochen sein würde - kein Zweifel, daß es der Vater gewesen wäre. Damit zerriß für Marx das Familienband. Auch das Verhältnis zur Mutter änderte sich. Im Oktober 1838 ·s andte sie ihm 160 Taler, die er für die Promotion angefordert hatte. Im Mai 1840 klagt die Mutter im letzten Brief an den Sohn, der erhalten ist, über unfreundliche Behandlung seitens der Westphalens; sie sagt ihm: «. . . nie wirst Du die Moralischen opfer für Deine Familie bringen, welche wir alle für Dir gebracht ....» und vermerkt in einer Nachschrift : «ich wünsche zu wissen ob Du pronowirt hast.» Wenn in Zukunft noch von der Mutter die Rede ist, dann nur in Verbindung mit Geldangelegenheiten. Doch ist das Bild der hartherzigen, geizigen Mutter, die den Sohn in der Not im Stich ließ, eine auch von Marx selbst genährte Legende. In Wahrheit ist er wiederholt von ihr, selbst mit größeren Beträgen, unterstützt worden.

I N DEN REIHEN DER JUNGHEGELIA NER UND DES LIBERALISMUS

In der ersten Berliner Zeit beschäftigte Man~ sich mit poetischen Versuchen und juristischen Studien. Es ist anzunehmen, daß das ihn bald ganz beherrschende Interesse für die Philosophie im Kreise jenes Doktorklubs geweckt wurde, von dessen Mitgliedern vor allem Bruno Bauer und Karl Friedrich Köppen seine geistige Entwicklung während einiger Jahre stark beeinflußten. Seine philosophische Bildung erwarb Marx sich außerhalb der Hörsäle. Der Doktorklub wurde bald in Verbindung mit Arnold Ruge und den «Hallischen Jahrbüchern» führend in der Bewegung der Junghegelianer ; er war die philosophische und politische Avantgarde. · . Bald nach Hegels Tod setzte der durch die neuen Zeitströmungen herbeigeführte Zerfall seiner Schule ein. Nach der Julirevolution von 1830 wurden die liberalen Forderungen der Pressefreiheit und Ver-39

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fassung dringender; in ein paar Staaten, Sachsen, Hannover und Kurhessen, hatten sie einigen Er.f-olg. Das Hambacher Fest 1832 leitete eine neue Demagogenverfolgung ein; 1835 wurde das Junge Deutschland unterdrückt, das dem Zeitgeist vor allem in Heines, Börnes und Gutzkows Schriften einen prägnanten Ausdruck gab. Der wirtschaftliche Aufschwung, gefördert durch die Ausdehnung des Verkehrs und die Gründung des Zollvereins, verstärkte nach der Schaffung der wirtschaftlichen Einheit die politischen Einigungswünsche. Mit der Erstarkung des bürgerlichen Selbstbewußtseins mußte der Liberalismus radikaler werden. Der preußische Staat aber verstärkte die politische und kirchliche Reaktion als Schutzdamm gegen die revolutionäre Flut des Liberalismus, und daher mußte dieser die Staatswirklichkeit beI geschrieben. Der ehrwürdige Herr führt da zu Anfang den Gedanken durch, daß der byzantinische Staat der eigentlich christliche sei; ich habe diesen Gedanken polizeilich visiert und nach seinem Passe gefragt, und habe dann gesehen, daß er ebenfalls in der Schützenstraße zu Haus gehört. Siehst Du, Du bist ein Magazin von Gedanken, ein-Arbeitshaus oder, um berlinisch zu reden, ein Ochsenkopf von Ideen ... » Als im ·nächsten Jahre Friedrich Engels im Kreise der Berliner Freunde verkehrte· und in Knittelversen Bruno Bauers Kampf gegen Theologie und Kirche behandelte, führte er unter Bauers Hilfstruppen auch Marx an, und zwar, da er ihn noch nicht selbst kannte, nach einer Schilderung Edgar Bauers: 1 ' 1

Wer jaget hinterdrein mit wildem Ungestüm? Ein schwarzer Kerl aus Trier, ein markhaft U n g e t ü m. Er gehet, hüpfet nicht, er springet auf den Hacken Und raset voller Wut, und gleich, als wollt' er packen Das weite Himmelszelt, und zu der Erde ziehn, S.treckt er die Arme sein weit in die Lüfte hin. Geballt die böse Faust, so tobt er. sonder Rasten, Als wenn ihn bei dem Schopf zehntausend Teufel faßten .

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Die nächsten Jahre beschäftigten Marx ausschließlich philosophische Fachstudien; ihre Intensität zeigen die Dissertation und insbesondere die umfangreichen Vorarbeiten. Anfang 1839 wählte er als Spezialgebiet die Erforschung der spätgriechischen Philosophie, für die so gut wie keine Hilfsmittel vorhanden waren. Das Thema der Dissertation war Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie, und noch 1842 gedachte er sie zu einer großen Gesamtdarstellung der epikureischen, stoischen und skeptischen Philosophie zu erweitern. Es ist erst jetzt die Zeil gekommen, in der man

die Systeme der Epikureer, Stoiker und Skeptiker verstehen wird. Es sind die Philosophen des Selbstbewußtseins, hieß es im Vorwort

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zu einer geplanten Ausgabe. Zu einer «Philosophie des Selbstbewußtseins » waren auch Marx und seine Freunde gelangt, und in dieser durch den Abschluß der Philosophie in Hegels System gekennzeichneten geistigen Situation der Zeit drängte sich die Parallele der materialistischen Philosophie nach der Vollendung der griechischen Philosophie in Aristoteles auf. In den Vorarbeiten zur Dissertation findet s1ch die folgende Darstellung dieser, der eigenen Situation, die bereits die Keime der späteren Auseinandersetzung mit den Junghegelianern enthält. Der Hegelschen Philosophie, die sich als eine vollendete, totale Welt darstellt, in der Idee und Wirklichkeit zu vollkommener Harmonie verschmolzen sind, steht die reale Wirklichkeit in ihrer kleinlichen Beschränktheit als feindlicher Ge42

Marx' Studienfreund Köppen. Karikatur von Engels

gensatz gegenüber. Die Welt ist also eine zerrissene, die einer in sich to talen Philosophie gegenübertritt. Die Erscheinung der Tätigkeit

dieser Philosophie ist dadurch auch eine zerrissene und widersprechende; ihre objektive Allgemeinheit kehrt sich um in subjektive Formen des einzelnen Bewußtseins, in denen sie lebendig ist ... Wer diese geschichtliche Notwendigkeit nicht einsieht, der muß konsequenterweise leugnen, daß überhaupt nach einer totalen Philosophie noch Menschen leben können, oder er muß die Dialektik des Maßes als solche für die höchste Kategorie des sich wissenden Geistes halten und mit einigen unseren falsch. verstehenden Hegelianern behaupten, daß die Mi t t e Im ä ß i g k e i t die normale Erscheinung des absoluten Geistes ist ... Marx betrachtet es als abwegig, manche Schwächen des Hegelschen Systems aus einer «Akkomodation» an die Wirklichkeit, d. h. vor allem die Staatswirklichkeit zu erklären, wie manche seiner Schüler es taten; notwendig erscheint es ihm, Hegels Ideologie selbst zu analysieren: Daß ein Philosoph diese oder

jene scheinbare Inkonsequenz aus dieser oder jener Akkomodation begeht, ist denkbar; er selbst mag dieses in seinem Bewußtsein ha43

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ben: Allein was er nicht in seinem Bewußtsein hat, daß die Möglichkeit dieser scheinbaren Akkomodation in einer Unzulänglichkeit oder unzulänglichen Fassung seines Prinzips selber ihre innerste Wurzel hat. Hätte also wirklich ein Philosoph sich akkomodiert, so haben seine Schüler aus sein e m · inneren wes e n t I ich e n B e w u ß t s ein das zu erklären, was für i h n s e I b s t d i e F o r m eines ex o t er i s c h ·e n Bewußtseins hatte. Auf diese Weise ist, was als Fortschritt des Gewissens erscheint, zugleich ein Fortschritt des Wissens. Es wird nicht das partikulare Gewissen des Philosophen verdächtigt, sondern seine wesentliche Bewußtseinsform konstruiert, in eine bestimmte Gestalt und Bedeutung erhoben und damit zugleich darüber hinausgegangen . .. Es ist' ein psychologisches Gesetz, daß der in sich frei gewordene theoretische Geist zur praktischen Energie wird, als W i 11 e aus dem Schattenreiche des Amenthes hervortretend, sich gegen die weltliche, ohne ihn vorhandene Wirklichkeit kehrt . . . Sein Verhältnis zur Welt ist ein Reflexionsverhältnis. Begeistert mit dem Trieb, sich zu verwirklichen, tritt es in Spannung gegen anderes . Die innere Selbstgenügsamkeit und Abrundung ist gebrochen. Was innerliches Licht war, wird zur verzehrenden Flamme, die sich nach außen wendet. So ergibt sich die Konsequenz, daß das Philosophisch-Werden der Welt zugleich ein Weltlich-Werden der Philosophie, daß ihre Verwirklichung zugleich ihr Verlust, daß, was sie nach außen bekämpft, ihr eigener innerer Mangel ist ... Seinen Wahrheitsfanatismus, seine entschiedene Rücksichtslosigkeit gegen die Verhältnisse drückt Marx so aus: Die Philosophie, so

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lange noch ein Blutstropfen in ihrem weltbezwingenden, absolut freien Herzen pulsiert, wird stets den Gegnern mit Epikur zurufen: «Gottlos ist nicht, wer die Götter der Menge aufhebt, sondern wer die Meinungen der Menge den Göttern anheftet». Prometheus' Bekenntnis in Aischylos' Tragödie «Den Göttern allen schlechthin heg' ich Haß» ist das Bekenntnis der Philosophie «gegen alle himmlischen und irdischen Götter, die das menschliche Selbstbewußtsein nicht als die oberste Gottheit anerkennen». Prometheus ist für ihn

der vornehmste Heilige und Märtyrer im philosophischen Kalender. Da die Vorarbeiten einen immer größeren Umfang annahmen, drängte Bruno Bauer, der seit 1839 in Bonn Privatdozent war, auf den Abschluß der Arbeit, damit auch Marx sich in Bonn habilitieren könne: «Reiße Dich doch nur diesmal tüchtig heraus, so hast Du gewonnen. Wenn ich nur in Trier sein könnte, um den Deinigen einmal die Sache vorzustellen. Ich glaube, das Kleinstädtische trägt auch etwas zur Verwicklung bei ... Deine Braut ist fähig, alles mit Dir zu ertragen, und wer weiß, was noch kommen wird. Die Entscheidung, soweit sie sich in einem äußern Bruch aussprechen wird, glaube ich, kommt immer näher ... » Bauers Ahnungen sollten sich bestätigen; seine Evangelienkritik, die weit über Strauß hinausging und die Evangelien für schriftstellerische Erzeugnisse der 44

l:vangelisten und das Chri·, tcntum für ein Produkt der griechisch-römischen Welt erklärte, brachte ihm die Ab•,\'tzung ein. An eine· akade111ische Laufbahn konnte auch Marx nicht mehr denken. Aber für die Braut und ihre l'a milie wurde es dringend 11otwendig, daß er endlich sein 'it udium abschloß. Nachdem n am 6. April 1841 der Jena1•r philosophischen Fakultät die Dissertation eingereicht li.1tte, wurde ihm bereits am 1~. April das Doktordiplom .t11sgestellt. Wie Marx in Berlin von äl1nen Freunden sogleich als .I n Erste und Begabteste annka nnt wurde, so auch in llllnn. Der sechs Jahre ältere Moses Heß beschrieb ihn be1:vistert seinem Freunde Bertl wld Auerbach: «Du kannst Bruno Bauer 1 >ich darauf gefaßt machen .l1·n größten, vielleicht den ,·1nzigen jetzt lebenden ei1:,·ntlichen Philosophen kennenzulernen ... Dr. Marx, so heißt mein Abgott, ist noch ein ganz junger Mann (etwa 24 Jahre höchstens alt), ,J..r der mittelalterlichen· Religion und Politik den letzten Stoß ver••·tzen wird; er verbindet.mit dem tiefsten philosophischen Ernst den ,,hneidendsten Witz; denke Dir Rousseau, Voltaire, Holbach, Les' 1ng, Heine und Hegel in einer Person vereinigt, ich sage v e r e i n i ~ t, 1iicht zusammengeschmissen - so hast Du Dr. Marx:» Statt des Lehrstuhls wurde ihm zur Tribüne die seit dem 1. Ja11uar 1842 in Köln erscheinende «Rheinische Zeitung» , die von ei111•r Gruppe wohlhabender liberaler Bürger gegründet war, Georg l11ng, Dagobert Oppenheim, Gustav Mevissen u. a. Die Mitarbeiter wurden vor allem im Berliner Kreise der Athenäer gefunden, einem Verein, der den Doktorklub ablöste und sich dann als «die Freiem, kons tituierte: Bauer, Köppen, Meyen, Stirner, Rutenberg, Engels. Marx' Artikel erregten sogleich großes Aufsehen, und am 15. Oktoltn _übernahm er die redaktionelle Leitung des Blattes. Zurückblikkl'!1d sagte Mar_x später von dieser Zeit: Im Jahre 1842-1843, als

/' edalcteur der « Rheinischen Zeitung», kam ich zuerst in die Verle~1•11 heit, über sogenannte materielle Interess en mitsprechen zu müs•o1•11. Die Verhandlungen des Rheinischen Landtags über Holzdieb45

stahl und Parzellierung des Grundeigentums, die amtliche Polemik, die Herr von Schaper, damals Oberpräsident der Rheinprovinz, mit der «Rheinischen Zeitung» über die Zustände der Moselbauern eröffnete, Debatten endlich über Freihandel und Schutzzoll, gaben die ersten Anlässe zu meiner Beschäftigung mit ökonomischen Fragen.

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So wichtig diese Aufsätze sind:· bedeutsamer für Marx ist die Diskussion über den Kommunismus, zu der .die Zeitung gezwungen wurde. Die bisherigen Berührungen mit der sozialen Frage hatten keine direkten Spuren in Marx' geistiger Welt hinterlassen. Als der für die soziale Frage aufgeschlossene Geheimrat von Westphalen ihm Saint-Simon näherzubringen suchte, wird er bestimmt auch von Ludwig Gall gehört haben, dem deutschen Sozialreformer, der in den zwanziger Jahren von Trier aus die Gedanken Owens, Fouriers und Saint-Simons propagierte. Nachdrücklich hatte auf die Saint-Simonisten auch Eduard Gans hingewiesen, der von allen Berliner Lehrern den größten Einfluß auf Marx hatte. In seinem 1836 erschienenen Buche «Rückblicke auf Personen und Zustände» urteilte er: «Doch iim1itten dieser Gedankenwirren haben die St. Simonisten wieder etwas Großes gesagt, und auf einem offenen Schaden der Zeit ihren Finger gehalten. Sie haben richtig bemerkt, daß die Sklaverey eigentlich noch nicht vorüber sey, daß sie sich zwar formell aufhebe, aber materiell in vollkommenster Gestalt vorhanden wäre. Wie sonst der Herr und der Sklave, später der Patricier und Plebejer, dann der Lehnsherr und Vasall sich gegenübergestanden haben, so jetzt der Müßige und der Arbeiter. Man besuche die Fabriken Englands, und man wird Hunderte von Männern und Frauen finden, die abgema-· gert und elend, dem Dienste eines Einzigen ihre Gesundheit, ihren Lebensgenuß, bloß der ärmlichen Erhaltung wegen, zum Opfer bringen. Heißt das ni:cht Sklaverey, wenn man den Menschen wie ein Tier exploitirt, auch selbst, wenn er frei wäre sonst vor Hunger zu sterben? ... Dieses, daß der Staat für die ärmste und zahlreichste Klasse zu sorgen habe, daß, wenn sie arbeiten will, sie niemals einer ihrer angemessenen Beschäftigung entbehren dürfe, daß ein Hauptaugenmerk dahin gestellt werden müsse, jene Kruste der bürgerlichen Gesellschaft dünner zu machen, die man gewöhnlich Pöbel nennt, ist ein tiefer Blick in unsere Zeit, und die folgende Geschichte wird auf ihren Seiten mehr wie einmal von dem Kampfe der Proletarier gegen die mittleren Klassen der Gesellschaft zu sprechen haben. Das Mittelalter mit seinen Zünften hatte eine organische Einrichtung für die Arbeit. Die Zünfte sind zerstört und können nie wieder errichtet werden. Aber sollte jetzt die freigelassene Arbeit aus der Corporation in die Despotie, aus der Herrschaft der Meister in die Herrschaft des Fabrikherrn verfallen? Gibt es kein Mittel dagegen? Allerdings. Es ist die freie Corporation, es ist die Vergesellschaftung.» Zu Anfang der vierziger Jahre gab es in Deutschland von Frankreich ganz zu schweigen - eine Unmenge Literatur über die soziale Frage. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß Marx .ihr vor

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Marx als Prometheus (Zeitgenössische allegorische Darstellung de~ Verbots der « Rheinischen Zeitung», 1843)

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seiner Kölner Zeit Interesse abgewonnen hätte. Er betrachtete sich als Philosoph, auch wenn ihn politische und: philosophische Beschäftigungen ganz anderer Art von der geplanten Gesamtdarstellung der spätgriechischen Philosophie abhielten. Er setzte sich zwar jetzt auch für die arme, politisch und sozial besitzlose Menge ein, aber es ist unverkennbar, daß nicht Empörung über soziales Unrecht ein primäres Erlebnis für ihn war, wie sie es etwa für Engels in den sozialen Mißständen des pietistischen Wuppertales war, oder für den jungen Lassalle, den die Judenverfolgung 1840 in Damaskus mit solcher Empörung erfüllte, daß er der Befreier der Juden und später des ganzen Volkes zu werden wünschte. Vielmehr wird das außerdrdentliche Niveau der journalistischen Arbeit des jungen Marx durch eine auf gründlichster philosophischer Schulung beruhende antithetische Schärfe und zwingende Logik bestimmt. Nicht nur Rücksicht auf den liberalen Charakter der «Rheinischen Zeitung» veranlaßte ihn, Anspielungen auf den Kommunismus abzulehnen, die von den Berliner Mitarbeitern kamen. Marx fürchtete, daß sie durch ihre politische Romantik, Geniesucht und Renommi-

sterei die Sache der Partei der Freiheit kompromittierten . .. Ich forderte auf, weniger vages Räsonnement, großlclingende Phrasen, selbstgefällige Bespiegelungen und mehr Bestiinmtheit, mehr Eingehen in die konlcreten Zustände, mehr Sachkenntnis an den Tag zu fördern. Ich erklärte, daß ich das Einschmuggeln kommunistischer und sozialistischer Dogmen, also einer neuen Weltanschauung, in beiläufigen Theaterkritiken etc. für unpassend, ja unsittlich halte und eine ganz andere und gründlichere Besprechung des Kommunismus, wenn er einmal besprochen werden solle, verlange, schrieb er an Ruge. Zu Dagobert Oppenheim sprach er sich für ein gemäßigtes Vorgehen aus: Eine so deutliche Demonstration gegen

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die Grundpfeiler der jetzigen Staatszustände kann Schärfung der Zensur, selbst Unterdrückung des Blattes zur Folge haben. Auf diese Weise ging die «Süddeutsche Tribüne » unter. Jedenfalls aber verstimmen wir eine große, und zwar die größte Menge freigesinnter praktischer Männer, welche die mühsame Rolle übernommen haben, Stufe vor Stufe, innerhalb der konstitutionellen Schranken, die Freiheit zu erkämpfen, während wir von dem bequemen Sessel der Abstraktion ihre Widersprüche ihnen vordemonstrieren. Als die «Augsburger Allgemeine Zeitung» das Kölner Blatt kommunistischer Sympathien verdächtigte, antwortete er mit der folgenden prinzipiellen Erklärung: Die «Rheinische Zeitung», die den kommunistischen

Ideen in ihrer jetzigen Gestalt nicht einmal t h eo r et i s c h e Wirk 1ich k e i t zugestehen, also noch weniger ihre praktische Verwirlclichung wünschen oder auch nur für möglich halten kann, wird diese Ideen einer gründlichen Kritik unterwerfen. Daß aber Schriften , wie die von Lr!roux, Considerant und vor allem das scharfsinnige Werk Proudlions, nicht durch oberflächliche Einfälle des Augenblicks, sondern nur nach lang anhaltendem und tief eingehend'em Studium /critisiert werden können, würde die Augsbur48

gerin einsehen, wenn sie mehr verlangte und mehr vermöchte als Glacep hrasen ... Wir haben die feste Überzeugung, daß nicht der p r a kt i s c h e Versuch, sondern die t h eo r e t i s c h e A u s f ü h ru n g der kommunistischen Ideen die eigentliche Gefahr bildet, denn auf praktische Versuche, und seien es Vers u ehe in Masse, kann man durch K a n o n e n antworten, sobald sie gefährlich werden, aber Ideen, die unsere Intelligenz besiegt, die unsere Gesinnung erobert, an die der Verstand unser Gewissen geschmierlet hat, das sind Ketten, denen man sich nicht entreißt, ohne sein Herz zu zerreißen, das sind Dämonen, welche der Mensch nur Arnold Ruge besiegen kann, indem er 1,ich ihnen unterwirft. Doch die Augsburger Zeitung hat die Ge w isse n sangst, welche eine Rebellion der subjektiven Wünsche tles Menschen gegen die objektiven Einsichten seines eigenen Ver 0 1;tandes hervorruft, wohl nie kennengelernt ... In ihrem sittlichen Ernst wie in ihrer klassischen Formulierung könnten diese Sätze von Lessing stammen, für den Gedanken auch schicksalhafte Mächte waren, die eine Entscheidung des Gewissens fordern. Marx' intellektuelle Redlichkeit verlangt, daß man den Kommunismus gründlicher studiert, bevor man über ihn spricht. Bekennen kann er sich zu ihm nur, wenn er den objektiven Einsicht·cn seines Verstandes entspricht; diese Forderung weist auf die Notwendigkeit einer kritischen Prüfung der Hegelschen Staatsphilosophie hin, die Marx nun in Angriff nahm. Seine Entwicklung zum Kommunismus vollzieht sich rational-logisch; sie wird die Entscheidung eines leidenschaftlichen Denkers sein; denn wer sonst könnte von einer durch Ideen hervorgerufenen G e w iss e n sangst reden? Die «Rheinische Zeitung» war das am meisten von der Zensur verfolgte Blatt. Ein Ministerium unter dem Vorsitz des Königs be!lchloß die Unterdrückung der Zeitung zum 1. April; am 18. März l'rklärte Marx seinen Austritt aus der Redaktion der jetzigen Zensurverhältnisse wegen. An Ruge schrieb er: Es ist schlimm, Knechts-

rlienste selbst für die Freiheit zu verrichten und mit Nadeln statt mit 49

Kolben zu fechten. Ich bin der Heuchelei, der Dummheit, der rohen Autorität und unseres Schmiegens, Rückendrehens und Wortklauberei müde geworden . . . In Deutschland kann ich nichts mehr beginne~. Man verfälscht sich hier selbst. Ein entschiedener Kampf des Liberalismus war in Deutschland nicht möglich. Als Rettungsanker erschien Marx "das Angebot Ruges, sich an einer als Nachfolgerin der ebenfalls verbotenen «Deutschen Jahrbücher» im Auslande geplanten Zeitschrift zu beteiligen: «Ich denke nämlich», schrieb Ruge, «wir können im ganzen den Etat der Jahrbücher beibehalten und auf · einen weit stärkeren Absatz rechnen, sobald wir die Politik und Publizistik durchgreifend traktieren und zugleich das Doktrinäre gänzlich über Bord werfen.» Unter diesen Umständen könne es Marx auf 850 Taler jährlich bringen. Es handelte sich um die «Deutsch-Französischen Jahrbücher», die in Paris erscheinen sollten. Marx war froh über das Angebot: Ich bin, wie ich Ihnen schon einmal geschrieben,

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mit meiner Familie zerfallen und habe, solange meine Mutter lebt, kein Recht auf mein Vermögen. Ich bin ferner verlobt und kann und darf und will nicht aus Deutschland ohne meine Braut. Hatte Marx auch sein Studium der Braut wegen nicht beschleunigt, so war doch in ihrem Verhältnis zu ihm keine Veränderung eingetreten. Sie paßte sich ihr Leben lang, wenn auch unter großen Opfern, seinem Leben an. Jedoch hatte sie in Trier, dem kleinsten, erbärmlichsten Nest vo ll von Klatsch und lächerlicher Lokalvergötterung, viel auszustehen. Schließlich, schrieb Marx an Ruge, will ich Ihnen noch meinen Pri-

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vatplan mitteilen. Sobald wir den Kontralct abgeschlossen hätten, würde ich nach Kreuznach reisen und heiraten, einen Monat oder länger dort bei der Mutter meiner Braut wohnen, da wir doch jedenfalls, ehe wir ans Werlc gehn, einige Arbeiten fertig haben müßten ... Ich kann Ihnen ohne alle Romantik versichern, daß ich von Kopf bis zu Fuß und zwar allen Ernstes liebe. Ich bin schon über sieben Jahre verlobt, und . meine Braut hat die härtesten, ihre Gesundheit fast untergrabenden Kämpfe für mich gekämpft .. . Ich und meine Braut haben daher mehr unnötige und angreifende Konflilcte jahrelang durchgekämpft als manche andere, die dreimal älter sind und beständig von ihrer «Lebenserfahrung» (Lieblingswort unseres Justemilieu) sprechen . Am 12. Juni wurde der Ehevertrag in Kreuznach unterzeichnet. Bis Ende Oktober blieb Marx in Kreuznach; auf Paris bereitete er sich durch das Studium französischer Geschichte und .Philosophie vor, und außerdem beschäftigten ihn die kritische Revision der Hegelschen Rechtsphilosophie und seine Aufsätze für die Jahrbücher.

DIE DÄMONEN DER NEUEN GEDANKEN: KOMMUNISMUS

Als Marx im November 1843 in Paris eintraf, befand er sich auf dem Wege zum Kommunismus, der vor seinem Gewissen nur dann gerechtfertigt war, wenn er sich aus der konsequenten Weiterentwick50

Eine Seite aus der Kritik der Hege/sehen Staatsphilosophie

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lung der Philosophie ergab. Für ihn galt, was Friedrich Engels in demselben .Monat in «The New Moral World» schrieb : «Communism, however, was such a n e c e s s a r y consequence of New Hegelian philosophy, that no opposition could keep it down ... » Als die Kritik am Hegelschen Staatsrecht Marx über Feuerbach zum Kommunismus führte, nahmen dann diese «neuen Gedanken» mit dämonischer Gewalt von ihm Besitz. Nachdem er den neuen Standpunkt gewonnen hatte, plante er sogleich in echter Systemwut, darauf ein neues System zu errichten. Jedenfalls schloß er mit dem Verleger Leske in Darmstadt einen Vertrag über ein zweibändiges Werk «Kritik der Politik und . Nationalökonomie» ab. Zur Ausführung kam es nicht, da Marx zusammen mit Engels zur Selbstverständigung und zur Abgrenzung gegen andere sozialistische Strömungen den neuen Standpunkt in einigen Polemiken verdeutlichen mußte; in den sechziger Jahren erinnerte der Verleger an die Rückzahlung des Vorschusses. Von größter Bedeutung wurde für Marx das Studium der französischen Sozialisten und der Revolutionsgeschichte. Er verkehrte auch mit bekannten Sozialisten, mit denen Moses Heß ihn zusammenbrachte; doch scheint nur der Verkehr mit Proudhon eine Zeitlang enger gewesen zu sein, gegen den Marx dann eine seiner schärfsten Polemiken richtete. Alle Franzosen hatten eine Mitarbeit an den «Jahrbüchern», mit denen die Gründer eine Art «geistiger Heiliger Allianz» hatten schaffen wollen und die der Annäherung Deutschlands und Frankreichs dienen sollten, wegen der atheistischen Einstellung abgelehnt. Marx lebte vorwiegend in der Studierstube. Den Deutschen hielt er sich nach Möglichhit fern; es lebten damals etwa 85 ooo Landsleute in Paris, meist Intellektuelle und wandernde Handwerksgesellen, die angezogen wurden von der Hauptstadt der Freiheit. Dagegen hat Marx hin und wieder französische Arbeiterversammlungen besucht, die einen sehr großen Eindruck auf ihn machten.

Wenn die kommunistischen Handwerker sich vereinen, Eo gilt ihnen zunächst die Lehre, Propaganda etc. als Zweck . Aber zugleich eignen sie sich dadurch ein neues Bedürfnis, das Bedürfnis der Gemeinschaft, an, und was als Mittel erscheint, ist zum Zweck geworden. Diese praktische Bewegung kann man in ihren glänzendsten Resultaten anschauen, wenn man sozialistische französische ouvriers vereinigt sieht. Rauchen, Trinken , Essen etc. sind nicht mehr da, als Mittel der Verbindung, oder als verbindende Mittel. Die Gesellschaft, der Verein, die Unterhaltung, die wieder die Gesellschaft zum Zweck hat, reicht ihnen hin, die Brüderlichkeit der Menschen ist keine Phrase, sondern Wahrheit bei ihnen, und der Adel der Menschheit leuchtet uns aus den von der Arbeit verhärteten Gestalten entgegen. Marx und seine Frau lebten eine Zeitlang mit den Ruges zusammen in einer von diesen in der Rue Vaneau aus Zweckmäßigkeitsgründen aufgezogenen «kommunistischen Gemeinschaft». Dieses Experiment scheiterte bald. Ruge lehnte die Tender).z der Marxschen

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Paris 1849: Eine französische ATbeiter- . versammlung veranstaltet ein Konzert «Jahrbücher»-Aufsätze ab; er blieb immer der Liberale und war nußerdem recht spießbürgerlich. Das Zerwürfnis nahm durch persönliche Antipathie schärfere Formen an. Aus jenen Monaten verdanken wir Ruge, in einem Brief an Feuerbach, einen Einblick in Marx' Leben, der nicht ganz unrichtig sein dürfte: «Er liest sehr viel; er arbeitet mit ungemeiner Intensität und hat ein kritisches Talent, das bisweilen in Übermut ausartende Dialektik wird, aber er vollendet nichts, er bricht überall ab und stürzt sich immer wieder von neuem in ein endloses Büchermeer»; er sei «ganz zum Gelehrten und Schriftsteller geboren, aber zum Journalisten - vollständig verdorben.» Ruge dürfte damit gemeint haben, daß Marx schwerfällig schrieb und es für nötig hielt, auch für seine Artikel umfangreiche Studien zu treiben. Freundschaftlich war das Verhälmis zu Heinrich Heine; er stand •inige Zeit unter Marx' Einfluß. Mit den Versen des Gedichtes an 1I. C. Andersen «Ich hab' ein neues Schiff bestiegen mit neuen Genossen» sind die kommunistische Doktrin und der Kreis um Marx gemeint, Ruge, Heß, Bakunin, Herwegh. In den nächsten Jah_ren ·chrieb Heine eine Reihe Gedichte mit kommunistischer Tendenz und einige seiner schärfsten politischen Satiren wie «Die schlesischen Weber» und «Deutschland, ein Wintermärchen». Daß im Weberaufstand die gesamte Arbeiterschaft sich gegen die Unterdrücker erho-

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ben habe, und daß er nicht eine bloße Hungerrevolte gewesen sei, ist die von Marx gegen Ruge vertretene Auffassung und auch die des Gedichtes. Als Marx aus Paris ausgewiesen wurde, schrieb er an Heine: «Ich möchte Sie gern miteinpacken.» Was Heine am Kommunismus anzog, war nicht dessen Stellung zur Eigentumsfrage - sie lehnte er ebenso ab, wie er die der Saint-Simonisten vor zehn Jahren abgelehnt hatte, bei aller sonstigen Sympathie für sie - , sondern der Atheismus. Später näherte er sich wieder dem Deismus. Als Kommunisten darf man ihn kaum bezeichnen, und er dürfte in seinen neuen Freunden vor allem Bundesgenossen im Kampf gegen Preußen gesehen haben. Im Jahre 1854 berief sich Heine in der «Retrospektiven Aufklärung>> darauf, daß Marx ihn :1848 wegen eines Angriffes der «Augsburger Allgemeinen Zeitung» getröstet habe, die sich darüber entrüstete, daß Heine eine ihm von der französischen Regierung angebotene Pension annahm. Marx bestritt gegenüber Engels ihm das Recht dazu, ihre Freundschaft habe in früherer Zeit bestanden: Heine tue das in der «Angst seines bösen Gewissens; denn der alte Hund hat für solchen Dreck ein monströses Gedächtnis ... » Schon in der Dissertation erkannte Marx als zeitgemäße Aufgabe die «Aufhebung», d. h. «Verwirklichung» der Philosophie. Damit begann seine Kritik Hegels. Vermutlich machte er sich schon 1841 an die Kritik des Abschnittes «Staatsrecht» der «Grundlinien der Philosophie des Rechts» und setzte die Arbeit :1843 fort, als er Ruge einen Aufsatz darüber für die «Deutschen Jahrbücher» angeboten hatte. Das umfangreiche, als Vorarbeit gedachte Manuskript blieb liegen. Marx verfährt nach der Methode der Feuerbachsehen Kritik der spekulativen Philosophie, die dieser in den «Vorläufigen Thesen zur Reformation der Philosophie» formuliert hatte: «Wir dürfen nur immer das Prä d i k a t zum S u b j e kt, und so als S u b j e k t zum Objekt und Prinzip machen - also die spekulative Philosophie nur umkehren, so haben wir die u n v er h ü 11 t e, d i e p u r e, b 1anke Wahrheit.» Marx führt diesen Grundsatz konsequent durch; an Feuerbachs Thesen hatte ihm seinerzeit nur das nicht gefallen, daß

er zu sehr auf die Natur und zu wenig auf die Politik hinweist. Das aber ist das einzige Bündnis, wodurch die jetzige Philosophie eine Wahrheit werden kann . Seinen Frontalangriff richtet er gegen den § 262 des Staatsrechts, von dem er sagt: In diesem Paragraphen ist das ganze Mysterium



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der Rechtsphilosophie niedergelegt und der Hege/sehen Philosophie überhaupt. Bei Hegel scheidet sich der Staat, «die wirkliche Idee, der Geist», in zwei Sphären: «die Familie und die bürgerliche Gesellschaft». Gegenüber dieser Auffassung der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft als «der dunkle Naturgrund, woraus das Staatsrecht sich entzündet», stellte Marx, sich auf den gemeinen Menschenverstand berufend, das wirkliche Verhältnis her; denn offensichtlich existiert der Staat nur auf der Grundlage der Familie und der Gesellsch aft: Der politische Staat kann nicht sein ohne die natürliche 54

/111 sis der Familie und die künstliche Basis der bürgerlichen Gesell1,rlwft; sie sind für ihn eine conditio sine qua non ... Bei Hegel wird diese Bedingung zu dem von der Idee des Staates Bedingten gemacht; die Idee wird zum Subjekt und das wirkliche Subjekt, Familie und bürgerliche Gesellschaft, zum Prädikat gemacht. Wichtig ist, daß He -

~el überall die Idee zum Subjekt macht und das eigentliche wirkliche '.'i llbjekt . .. zum Prädikat. An den einzelnen Paragraphen wird die Richtigkeit dieses Satzes bewiesen und . damit die «Mystifikation» lcgels enthüllt. Für ihn ist das Wesen der staatlichen Bestimmungen ni cht, daß sie staatliche Bestimmungen, sondern daß sie in ihrer 1

,1l1stra kten Gestalt als logisch-metaphysische Bestimmungen betrach/1 •/ werden können. Nicht die Rechtsphilosophie, sondern die Logik fr; t das wahre Interesse . .. Nicht die Logik der Sache, sondern die .'iache der Logik ist das philosophische Moment . Die Logik dient 11icht zum Beweis des Staates, sondern der Staat dient zum Beweis dC'r Logik. Für Hegel gehört «die Volkssouveränität zu den verworrenen Gedanken, denen die wüste Vorstellung des V o I k es zugrunde liegt». Marx stellt dazu fest: Di~ «verworrenen Gedanken» und die «wüste Vors tellung» befindet sich hier allein auf der Seite Hegels; denn:

/J er Staat ist ein Abstraktum. Das Volle allein ist das Konkretum. lhs Volk ist der wirkliche Staat. In der Monarchie ist das Ganze,

,/a5 Volk, unter eine seiner Daseinsweisen, die politische Verfassung, 1,11bsumiert; in der Demokratie erscheint die Verfassung s e l b s t 111,r als eine Bestimmung, und zwar Selbstbestimmung des Volkes. /11 der Monarchie haben wir das Volk der Verfassung; in der Demo1,ratie die Verfassung des Volkes. Hier ist die VerfassunK .. . in ihren wirklichen Grund, den wirklichen Menschen, das wirkliche Volk, stets 1trückgeführt und als sein eigen es Werk gesetzt ... Der Mensch /i;t nicht des Gesetzes, sondern das Gesetz ist des Menschen wegen t!n . . . Das ist die Grunddifferenz der Demokratie. Im wirklichen Gemeinwesen ist der Widerspruch zwischen dem politischen Staat, der In der Verfassung und als Bürokratie dem wirklichen Leben des Volkes als etwas Äußerliche·s, ihm Entfremdetes gegenübertritt, und dem l.cben des Volkes aufgehoben, was man mit den neuen Franzosen 11Uch so auffassen könne, daß in der wahren Demokratie der Staat ,mtergehe. Die wahre Demokratie ist noch nicht die Republik; denn In ihr sieht das Volk noch die Verfassung als ein Jenseitiges, Entfre mdetes sich gegenüber. Erst wenn privates und öffentliches Sein identisch geworden seien, könne von der wahren Demokratie gesprorhen werden. Sie ist identisch mit der klassenlosen Gesellschaft, wie Marx sie später nennt. Von dem Boden dieser Kritik aus konnte Marx ansetzen zum ent1:cheidenden Durchbruch, den er im «J ahrbücher»-Aufsatz Kritik der l legelschen Rechtsphilosophie, Einleitung in der Kritik der Politik vollzog. Die Deutschen hätten bisher nur gedacht, was die anderen Völker taten. Marx fragt sich, ob Deutschland zu einer Praxis, d. h. zu einer Revolution gelangen könne, die es nicht nur auf das Niveau

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Titelblatt der «Deutsch-Französischen Jahrbücher»

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der modernen Völker erhebe, sondern auf die m e n s c h l i c h e H ö h e, welche die nächste Zukunft dieser Völker sein werde. Er weiß wohl:

Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, .sobald sie die Massen ergreift. Die Theorie ist fähig, die Massen zu ergreifen, sobald sie ad hominem demonstriert, und sie demonstriert ad hominem, sobald sie radikal wird. Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen . Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch 56

:;e/bst . .. Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Men sch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem k a t e g o r i s c h e n I m p e r a t i v, a 11 e V e r h ä I t n i s s e 11 m z uwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist .. . Die positive Möglichkeit einer solchen deutschen Emanzipation :i ieht .Marx in der Bildung einer Klasse mit radikalen Ketten ... die

einen universellen Charakter durch ihre universellen Leiden besitzt 11nd kein besonderes Recht in Anspruch nimmt, weil kein b e :; o n der es Unrecht, sondern das Unrecht schlechthin an ihr uerü bt wird, welche nicht mehr auf einen h ist o r i s c h e n, sondern 11 ur noch auf den m e n schlichen Ti t e I provozieren kann ... welche 111it einem Wort der völlige Ver I u s t des Menschen ist, also nur durch die völlige Wiedergewinnung des Menschen sich selbst gewinnen kann. Diese Auflösung der Gesellschaft als ein besonderer Stand ist das Proletariat. Es bildet sich erst mit der hereinb rechenden indu1,triellen Bewegung für Deutschland, und zwar nicht durch die naturwüchsig entstandene, sondern die künstlich produzierte Armut . .. Wie die Philosophie im Proletariat ihre m a t er i e 11 e n, so findet das Proletariat in der Philosophie seine geistigen Waffen, und sobald der lllitz des Gedankens gründlich in diesen naiven Volksboden einge1:chlagen hat, wird sich die Emanzipation de r Deutschen zu M e ns c h e n vollziehen . .. In Deutschland kann keine Art der Knechtscha ft gebrochen werderi, ohne jede Art der Knechtschaft zu brerh en. Das gründ I ich e Deutschland kann nicht revolutionieren, ohne v o n Grund aus zu revolutionieren. Die E man z i p a t i o n des /) e u t s c h e n ist die E man z i p a t i o n d es Menschen. Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Prole111 r i a t. Die Philosophie kann sich nicht verwirklichen ohne die Auf1, ebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie. Während Marx so mit sittlichem Pathos das Bündnis der Philo~ophie mit dem Proletariat proklamierte, erprobte er sein kritisches Verfahren in den beiden «Jahrbücher»-Aufsätzen Zur Judenfrage an einem untauglichen Thema. Es sind Polemiken gegen Bruno Baul'f, der für die Emanzipation der Juden, um die diese einen schweren Kampf führten, nur eine Möglichkeit sah, die Emanzipation von ihrer Religion. Marx sah natürlich darin kein religionspolitisches, sondern ein gesellschaftliches Problem. Das eigentliche Thema ist auch hier für ihn die Spaltung zwischen dem politischen Staat und der bürgerlichen Geselli,chaft und der Unterschied zwischen der be~chränkt-politischen und der allgemein-menschlichen Befreiung. Er will nicht den Sabbathjuden, sondern den Alltagsjuden behandeln.

Suchen wir das Geheimnis des Juden nicht in seiner Religion, sondern suchen wir das Geheimnis der Religion im wirklichen Juden. Im Eigennutz sieht er den weltlichen Grund des Judentums, im Schacher und Geld seinen weltlichen Gott. Die Emanzipation vom Schacher

und vom Geld, also vom praktischen, realen Judentum wäre die 57

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Selbstemanzipation unserer Zeit. Dieses Thema wird in sophistischer Weise des weiteren abgewandelt. Mit Recht haben sich alle jüdischen Forscher gegen die Gleichsetzung des Geistes des Judentums mit dem des Börsenjobbers gewehrt. Und die eigentliche Bedeutung dieser Aufsätze dürfte darin bestehen, daß sie ein für Marx wichtiges psychologisches Problem stellen: War er Antisemit? 1 · Die Auffassung, daß er es war, stützt sich auf diese Aufsätze, auf Stellen in anderen Schriften, auf Artikel der «Neuen Rheinischen Zeitung» sowie auf viele Äußerungen über Juden, von denen besonders die Koi:respondenz mit Engels wimmelt und die keineswegs «geistreich» oder «witzig», sondern anstößig und geschmacklos sind. Gleichwohl ist es falsch, Marx als Antisemiten zu bezeichnen. Es bedarf für unsere Generation auch keiner Erwähnung, daß etwa Karl Vorländers Auffassung in seiner Marx-Biographie vom Jahre F-9 scharf abzulehnen ist; in der Zeit des aufkommenden Nationai~0zialismus hielt er es für angebracht, diese Marxschen Äußerungen besonders zu akzentuieren als Entgegnung auf die Angriffe, die Marx zu jener Zeit als Jude erfuhr. Was die Aufsätze angeht, so ist Gustav M~yer zuzustimmen, daß Marx hier unwählerisch die Überlegenheit semer neuen Betrachtungsweise über die ideologischen Auffassungen der Junghegelianer demonstrieren wollte. Aber man darf ·auch nicht übersehen, daß er den konkreten gesellschaftlichen und politischen Tatbestand ohne jede Kenntnis der Sozial- und Geistesgeschichte der Juden behandelt und daß er seine Methode unbedenklich rein logisch handhabt. · · Anders steht es mit jenen Äußerungen im Briefwechsel; sie gehören zu jenen Teilen dieser Korrespondenz, die sie zu einer oft qualvollen Lektüre machen. Marx hat den verächtlichen Ton den Juden gegenüber nicht von Engels übernommen; wohl fiel es diesem nicht schwer, darin einzustimmen, und auch Jenny Marx gewöhnte ihn si_ch in ihren Briefen an. Marx' Haltung entspringt auch nicht, wie Simon Dubnow meint, der «für das Renegatentum bezeichnenden Abneigung gegen das verlassene Lager»; sondern sie war vor allem eine typische Äußerung des «Selbsthasses ». Dieser Affekt war in einer vergangenen Zeit die Reaktion empfindsamer Naturen, die sich innerlich vom Judentum gelöst hatten, auf eine feindliche Umwelt, und er war selbst ein Erzeugnis des Antisemitismus. Wir denken an Otto Weininger, der dieses charakterologische Phänomen beschrieb, oder an Theodor Lessing, der sich ausführlich darüber verbreitete, um von vielen kleineren Geistern zu schweigen. Es ist auffallend, daß eine Persönlichkeit wie Marx diese Schwäche bis an sein Lebensende nicht überwinden konnte. In seinen vielen Fehden bekämpfte er besonders nachdrücklich jene Gegner, die ihn auch als ·«Juden» bezeichneten, Ruge, Proudhon, Bakunin, Dühring. Im Dezember 1881 erwähnte der Schwiegersohn Longuet in einem Nachruf für Jenny 1

5.

etwa E. Silberner, Was Marx an Antisemite? In: «Judaica», Vol.

XI No. 1, April 1949

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Marx, daß vor Abschluß ihrer Ehe mancher Widerstand in Trier habe überwunden werden müssen, besonders das rassische Vorurteil, da Marx als Jude gebpren sei. An demselbenTagewandte sichMarx gereizt an seine Tochter Jenny Longuet: es sei kein rassisches Vorurteil zu überwinden gewesen ; '«Herr Longuet» würde ihm einen efallen tun, wenn er seinen, Marx' Namen in seinen Schriften nicht mehr erwähne. · Die Proklamierung des Bündnisses· zwisch_en Philosophie und Proletariat erforderte dringend ein eingehendes nationalökonomisches Studium. Unnötig zu sagen, daß Marx auch die Nationalökonomie nicht als Lernbegieriger um des Stoffes willen studiert, sondern als Philosoph, dessen Gedanken um die Revolution, die allgemeinmenschliche Emanzipation kreisen, für die es eine tragfähige theoretische Basis zu schaffen gilt. Die erste und wichtigste Frucht dieser llcmühungen waren die heute weithin als Nationalökonomie und Philosophie bekannten Texte aus dem Anfang des Jahres 1844, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren. Sie gelangten dazu erst im Jahre 1932 , gleichzeitig in der Marx-Engels-Gesamtausgabe und in der von S. Landshut besorgten Ausgabe der «Frühschriften», und nregten sogleich großes Aufsehen, insbesondere bei Philosophen 1md Soziologen, denen die landläufige Auffassung unverständlich l'!'schien, daß Marx wohl in. seiner Jugend Philosoph gewesen sei, diese Stufe jedoch bald «überwunden» habe und über die Geschichte zu seinem eigentlichen Gebiet, der Ökonomie, gekommen sei. Hier wurde eine Marxsche Konzeption sichtbar, die auch sein · späteres Werk in ihren großen urid weiten Zusammenhang stellt. Herbert Marcuses Erwartung, die Veröffentlichung dieser Schriften müsse 1> registriert 1111d verarbeitet hat, setzt er die Kritik an bei der entfremdeten Arlwit. In der Arbeit vergegenständlicht der Mensch sein Wesen, er ent11ußert sich in einem Ge&enstand, der ihm als ein ihm selbst Ent61.

fremdetes gegenübertritt. Die Entfremdung des Arbeiters in seine Gegenstand drückt sich nach nationalölwnomischen Gesetzen so aus daß, je mehr der Arbeiter produziert, er um so weniger zu lwnsumie ren hat, daß, je. mehr Werte er schafft, er um so wertloser, um s unwürdiger wird, daß, je ge formt er sein Produkt, um so mißförmi ger der Arbeiter, daß, je zivilisierter sein Gegenstand, um so barba rischer der Arbeiter; daß, um so mächtiger die Arbeit, um so ohnmäch tiger der Arbeiter wird, daß, je geistreicher die Arbeit, um so meh geistloser und Naturknecht der Arbeiter wurde . . . Die Entäußerun und Selbstentfremdung der Arbeit besteht darin, daß die Arbeit de Arbeiter ä u ß er l ich ist, d. h. nicht zu seinem Wesen gehört, daß e sich daher in seiner Arbeit nicht bejaht, sondern verneint, nicht wohl sondern unglücklich fühlt, keine freie physische und geistige Ener gie entwickelt, sondern seine Physis abkasteit und seinen Geist rui niert .. . Seine Arbeit ist daher nicht freiwillig, sondern gezwun gen, Zwangsarbeit .

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Dadurch, daß die entfremdete Arbeit dem Menschen den Gegen stand seiner Produktion entreißt, entreißt sie ihm sein Gattungsle ben, das sich in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt äußer welche die Natur zu seinem Werk und seiner Wirklichkeit mach

Eine unmittelbare Konsequenz davon .. . ist die E n t fremd u n g de Menschen von dem Menschen. Wennd erMenschsichselbstge genübersteht, so steht ihm der andre Mensch gegenüber. Was vo dem Verhältnis des Menschen zu seiner Arbeit, zum Produkt seiner Ar beit und zu sich selbst, das gilt von dem Verhältnis des Mensche zum andren Menschen, wie zur Arbeit und dem Gegenstand der Ar .beit des andren Menschen . überhaupt der Satz, Jaß dem Mensche sein Gattungswesen entfremdet ist, heißt, daß ein Mensch dem an dren, wie jeder von ihnen dem menschlichen Wesen entfremdet ist. Wenn das Produkt der Arbeit dem Menschen fremd ist, wem gehör es dann? Wenn das Produkt der Arbeit nicht dem Arbeiter gehör

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eine fremde Macht ihm gegenüber ist, so ist dies nur dadurch mög lieh, daß es einem andern Menschen außer dem Arbeite gehört . .. Also durch die entfremdete, entäußerte Arbeit erzeugt de Arbeiter das Verhältnis eines der Arbeit fremden und außer ihr ste henden Menschen zu dieser Arbeit. Das Verhältnis des Arbeiters zu Arbeit erzeugt das Verhältnis des Kapitalisten zu derselben, ade wie man sonst den Arbeitsherrn nennen will. Das Privatei gen tu m ist also das Produkt, das Resultat, die notwendige Konsequen der e n t äußerten Arbeit, des äußerlichen Verhältnisses des Ar bei ters zu der Natur und zu sich selbst. Das Privateigentum ergibt sich als durch Analyse aus dem Begriff der entäußerten Arbeit, d. i. des ent äußerten Menschen, der entfremdeten Arbeit, des entfremdeten Le bens, des entfremdeten Menschen. In der auf Arbeitsteilung und Marktwirtschaft beruhenden Indu strie, in der wir die vergegenständlichten Wesenskräfte des Men sehen vor uns haben, hat diese Entfremdung ihren Höhepunkt er reicht, und im Geld hat sie ihren äußersten Ausdruck erhalten: E

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11,·rwandelt die Treue in Untreue, die Liebe in Haß, den Haß in Liebe, di e Tugend in Laster, die Laster in Jugend, den Knecht in den Herrn, ,Im Herrn in den Knecht, den Blödsinn in Verstand, den Verstand 111 Blödsinn. Anders, wem~ der Mensch wirklich m e n s c h 1ich ist: ',,·t ze den Menschen als Menschen und sein Verhältnis zur Wel t als ein menschliches voraus, so kannst du Liebe nur gegen Lie/,, • nustauschen, Vertrauen nur gegen Vertrnuen etc ... . Jedes deiner \11·rhältnisse zum Menschen und zu der Natur - muß eine bestimm / 1·, dem Gegenstand deines Willens entsprechende A u ßer u n g dei1ws w irk I ich e n in div i du e 11 e i1 Lebens sein .. . Im Proletariat , ,·hen wir den völligen Verlust des Menschen. Nur dadurch, daß das l'roletariat sich selbst aufhebt, kann der Mensch sich selbst verwirkl1 d1en. Erst nach der Aufhebung der Entfremdung ist für den Men•1d1cn eine Existenz möglich, die dem Wesen und der Würde der 111 cnschlichen Gattung entspricht. Ein Kommunismus aber, der sich die politische Befreiung zum Ziel 11·tzt und selbst den Staat aufheben will, aber das der Entfremdung ,l,·s Menschen affizierte Privateigentum bestehen läßt, wie Proudhon 1111d die sogenannten «wahren» Sozialisten, hat das positive Wesen i/i'S Privateigentums

noch nicht erfaßt und ebensowenig die m e n s c h -

1ich e Natur des Bedürfnisses verstanden. Der Kommunismus muß w ·i te r und tiefer aufgefaßt werden : Der Kommunismus als p o s i-1

1i v e

Aufhebung des Privateigentums, als menschliche r ', ,, / b s t entfremd u n g, und darum als wirkliche Aneignung ,/ ,, s m e n schlichen Wesens durch und für den Menschen; darum 111!: vollständige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichtums der bislll'rigen Entwicklung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als 1 , /11es ge s e 11 s c h a f t l ich e n, d. h. menschlichen Menschen . Dieser 1 ommunismus ist als vollendeter Naturalismus = Humanismus, als 110 /lendeter Humanismus = Naturalismus, er ist die wahrhafte \11 flösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur 111111. mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen 1 ris tenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbst~ lwtätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum 1111d Gattung. Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich ,tln diese Lösung. Bei Hegel beziehen sich die Formen des Entfremdetseins nur auf d,1s Bewußtsein; darum bleibt Hegels System innerhalb der Entfremd,mg stehen. Ihm gegenüber rühmt Marx an Feuerbach, der als einiger ein lcritisches Verhältnis zur H egelschen Dialektik hat, daß er di l' Philosophie als Form und Daseinsweise der Entfremdung des 111mschlichen -Wesens erkannte; daß er den wahren · Materialismus l1r•gri.indete dadurch, daß er das gesellschaftliche Verhältnis des Men,,, hen zum Menschen zum Grundprinzip seiner Theorie machte und dnß er dadurch der bloßen «Negation der Negation» Hegels das auf

1, ich selbst ruhende und positiv auf sich selbst begründete Positive St'genüberstellt. A11f diesem Grunde des realen Humanismus weiterl,nuend, schuf' Marx die Theorie der Revolution, deren Ziel· der Sturz

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der kapitalistischen Gesellschaft zur Verwirklichung des menschlichen Wesens ist. Das wichtigste Ereignis der Pariser Zeit für Marx war Friedrich Engels' Besuch, aus dem ein das ganze Leben bestehender Freundschafts-bund hervorging. Engels hatte zu den «Jahrbüchern» einen Aufsatz «Umrisse zur Kritik der Nationalökonomie» beigetragen, der Marx zeigte, wieviel weiter auf diesem Gebiet der zwei Jahre jüngere Engels durch das Studium der englischen Wirtschaftstheorie und -praxis gelangt war. Engels, Sohn eines Fabrikanten in Barmen und selbst Kaufmann, hatte die Kenntnisse der praktischen Wirtschaft, die Marx fehlten, und später -sollte er sich immer wieder bei ihm in diesen Fragen Rat holen. In ihrer Zusammenarbeit ergänzten sie einander gut. Während Marx erst nach eingehendem Studium und systematischer Durchdringung des Stoffes und nach langem Ringen sich schöpferisch äußern konnte, hatte Engels ein erstaunliches Orientierungsvermögen; er übersah rasch ein Froblem in seiner Verknüpfung und äußerte sich elegant, unbekümmert und doch treffend darüber. Beide stellten eine vollkommene Übereinstimmung in ihren Gedanken fest und machten sich sogleich an deren weitere Ausgestaltung, zunächst in der Auseinandersetzung mit den Brüdern Bauer in der Heiligen.Familie. Neben der großen kritischen Begabung beider Verfasser und ihrer von Selbstsicherheit zeugenden Spottlust und Witzelei zeigt sich freil,ich auch, ebenso wie in den Bauer und Stirnei- gewidmeten Kapiteln der Deutschen Ideologie, die von Mehring bemerkte «gallige, zu händelsüchtige und zu weitschweifige Polemik», die häufig die Geduld der Leser auf eine harte Probe stelle. Die Erinnerung an die scharfe Ablehnung der Berliner «Freien», zu denen die Brüder Bauer gehörten, durch die «Rheinische Zeitung» bestimmte den Ton der «kritischen Kritik» und der Marxschen Repliken; denn Bauers «Allgemeine Literaturzeitung» sollte nach seinen eigenen Worten «den Liberalismus und Radikalismus des Jahres 1842 in ihrer ganzen Halbheit und Phrasenhaftigkeit darlegen» und die fhntl1 (1857/58) jene Texte bringen, die das aktuelle Problem behandeln und die Entwicklung und Aufhebung der gesellschaftlichen Macht als einer interpretieren. Professor Georg Lukacs: «Diese Marx-Ausgabe gehört sicher zu den nützlichsten Publikationen der letzten Jahre.»

Karl Radek und die deutsch-sow.jetischen Beziehungen

1918-1923 Schriftenreihe des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung · Band 97 168 Seiten · broschiert 20,- DM Der kommunistischen Geschichtsschreibung galt er seit dem Moskauer Schauprozeß von 1937 als «Unperson • und auch in der westlichen Historiographie fand er erst in jüngster Zeit Beachtung : Karl Radek, in den ersten Jahren der Weimarer Republik Vertreter der Kominternexekutive bei der KPD und gleichzeitig einer der entschiedensten und geschicktesten Anwälte eines Bündnisses zwischen dem bolschewistischen Rußland und dem Deutschen Reich. Wie bei keiner anderen Gestalt des internationalen Kommunismus bietet sich eine Untersuchung seiner Tätigkeit in Deutschland zwischen 1918 und 1923 als konkretes Beispiel für die oft zitierte Zweiglelsigkeit der auswärtigen Beziehungen in den ersten Jahren des Sowjetstaats, revolutionäre Aktivitäten der Kommunistischen Internationale auf der einen Seite und die bewährten Bahnen herkömmlicher Diplomatie auf der anderen. Die Autorin entdeckt bei der Untersuchung dieses Themas erstaunliche Konstanten der politischen Konzeption hinter Radeks bedenkenlosem Taktieren und Intrigieren, das bis heute das Radek-Bild bestimmte.

Verlag Neue Gesellschaft GmbH 53 Bonn-Bad Godesberg 1.· Kölner Straße 149

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Texte zur Diskussion des Marxismus bei Rowohlt Louis Althusser / Etienne Balibar, Das Kapital lesen Bd. 1 + II [rde 336 + 337] Ernst Bloch, Karl Marx und die Menschlichkeit. Utopische Phantasie und Weltveränderung [rde 317] - Freiheit und Ordnung. Abriß der Sozialutopien. Mit Quellentexten [rde 318] Hans Christoph Buch (Hg.), Parteilichkeit der Literatur oder Parteiliteratur? Materialien zu einer undogmatischen Ästhetik [dnb 15] Nikolai Bucharin, Okonomik der Transformationsperiode = Texte des Sozialismus und Anarchismus [rk 261] Milovan Djilas, Die unvollkommene Gesellschaft. Jenseits der «Neuen Klasse• [rororo 1377] Friedrich Engels, Studienausgabe Band 1-4 = Texte des Sozialismus und Anarchismus [rk 292; rk 293; rk 295; rk 296] - Debatte um Engels. 1. Weltanschauung, Naturerkenntnis, Erkenntnistheorie [rk 294] - Debatte um Engels 2. Philosophie der Tat, Emanzipation, Utopie [rk 297] Friedrich Engels in Selbstzeugnissen und 70 Bilddokumenten dargestellt von Helmut Hirsch [rm 142] Frantz Fanon, Die Verdammten dieser Erde. Vorwort: Jean-Paul Sartre [rororo aktuell 1209] Ernst Fischer, Auf den Spuren der Wirklichkeit. Sechs Essays [RP 62] - Kunst und Koexistenz. Beitrag

zu einer modernen marxi'stischen Ästhetik [RP 53] - Die Revolution ist anders. Ernst Fischer stellt sich zehn Fragen kritischer Schüler [rororo aktuell 1458] Die Frühsozialisten 1789-1848 II = Texte des Sozialismus und Anarchismus == [rk 280] Roger Garaudy, Marxismus im 20. Jahrhundert - [rororo aktuell 1148] Kann man heute noch Kommunist sein? Eine historisch-dialektische Analyse [RP 72] Garaudy/Metz/Rahner, Der Dialog oder Ändert sich das Verhältnis zwischen Katholizismus und Marxismus? [rororo aktuell 944] Ernesto Che Guevara, Brandstiftung oder Neuer Friede? Reden und Aufsätze. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Sven G. Papcke [rororo aktuell 1154] - Aufzeichnungen aus dem kubanischen Befreiungskrieg 19561959. Mit einem einleitenden Text von Fidel Castro [RP 71] Robert Havemann, Dialektik ohne Dogma? Naturwissenschaft und Weltanschauung [rororo aktuell 683] - Fragen, Antworten, Fragen. Aus der Biographie eines deutschen Marxisten [rororo 1556] Günter Hillmann, Die Befreiung der Arbeit. Die Entwicklung kooperativer Selbstorganisation und die Auflösung bürokratisch-hierarchischer Herrschaft [rde 342]

Werner Hofmann, Grundelemer:ite der Wirtschaftsgesellschaft - Ei n Leitfaden für lehrende [rororo aktuell 1149] Ho Tschi Minh in Selbstzeugnissen und 70 Bilddokumenten dargestellt von Reinhold NeumannHoditz [rm 182] Joachim Israel, Der Begriff Entfremdung. Makrosoziologische Untersuchung von Marx bis zur Soziologie der Gegenwart [rde 359] Leo Kofler, Perspektiven des revolutionären Humanismus [RP 70] Lateinamerika - Ein zweites Vietnam? Texte von Douglas Bravo, Fidel Castro, Regis Debray, Ernesto Che Guevara u. a. Hg. von Giangiacomo Feltrinelli [RP 66] Wladimir lljitsch Lenin, in Selbstzeugnissen und 70 Bilddokumenten dargestellt von Hermann Weber [rm 168] Georg Lukäcs, Russische Literatur. Russische Revolution. Puschkin / Tolstoi / Dostojewskij / Fadejew / Makarenko / Scholochow / Solschenizyn . Ausgewählte Schriften III [rde 314] - Marxismus und Stalinismus, Politische Aufsätze. Ausgewählte Schriften IV [rde 327] Gespräche mit Georg Lukäcs Hans Heinz Holz / Leo Kofler / Wolfgang Abendroth. Hg. von Theo Pinkus [RP 57] Rosa Luxemburg, Schriften zur Theorie der Spontaneität = Texte des Sozialismus und Anarchismus [rk 249] - Einführung in die Nationalökonomie [rk 268] Rosa Luxemburg, in Selbstzeugnissen und 70 Bilddokumenten dargestellt von Helmu,t Hirsch [rm 158] ·. Mao Tse-tung, Theorie des Guerillakrieges oder Strategie der

Dritten Welt. Einleitender Essay von Sebastian Haffner [rororo aktuel l 886] Mao Tse-tung in Selbstzeugnissen und 70 Bilddokumenten dargestellt von Tilemann Grimm [rm 141] Karl Marx, Texte zu Methode und Praxis. Hg. von Günter Hillmann. 1: _Jugendschriften 1835-1841 [rk 194] - II: Pariser Manuskripte 1844 [rk 209] - III: Der Mensch in Arbeit und Kooperation. Aus den Grundrissen der Kritik der politischen Okonomie 1857 /58 [rk 218] Karl Marx in Selbstzeugnissen und 70 Bilddokumenten dargestellt von Werner Blumenberg [rm 76] Gajo Petrovic, Philosophie und Revolution. Modelle für eine Marx-Interpretation. Mit Quellentexten [rde 363] Pierre Joseph Proudhon, Bekenntnisse eines Revolutionärs um zur Geschichtsschreibung der Februarrevolution beizutragen == Texte des Sozialismus und Anarchismus [rk 243] Jean-Paul Sartre, Kolonialismus und Neokolonialismus. Sieben Essays [RP68]- Kritik der dialektischen Vernunft Band 1. Theorie der gesellschaftlichen Praxis. Geb. - Marxismus und Existentialismus. Versuch einer Methodik [rde 196] Josef W. Stalin, Schriften zur Ideologie der Bürokratisierung = Texte des Sozialismus und Anarchismus [rk 258] Sergej Tretjakov, Die Arbeit des Schriftstellers. Aufsätze, Reportagen, Porträts. Hg. von Heiner Boehncke [dnb 3] · Leo Trotzki, Schriften zur revolutionären Organisation == Texte des Sozialismus und Anarchisc mus [rk 270] Leo Trotzki in Selbstzeugnissen und 70 Bilddokumenten dargestellt von Harry Wilde [rm 157]

rowohlts mono ra hien

IN SELBSTZEUGNISSEN UND BILDDOKUMENTEN HERAUSGEGEBEN VON KURT KUSENBEAG

RAABE / Hans Oppermann [165) RILKE / Hans Egon Holthusen [22) ERNST ROWOHLT / Paul Mayer [139) SAINT-EXUP~RY / Luc Estang [4) SARTRE / Walter Blemel [87) SCHILLER / Friedrich Burschell [14] F. SCHLEGEL / Ernst Behler [123] SHAKESPEARE/ Jean Paris [2] G. B. SHAW / Hermann Stresau [59] SOLSCHENIZYN / R. Neumann-Hoditz [210] STIFTER / Urban Roedl [86]

RUDOLF STEINEA / J. Hemleben [79] VOLTAIRE/ Georg Heimsten [173] SIMONE WEIL/ A. Krogmann [166]

1

RELIGION

SRI AUROBINDO / Otto Wolff (121] KARL BARTH/ Karl Kupisch [174] JAKOB BOHME / Gerhard Wehr [179] .MARTIN BUBEA / Gerhard Wehr [147] BUDDHA/ Maurice Percheron [12)

STORM / Hartmut Vin9on [186]

EVANGELIST JOHANNES / Johannes Hemleben [194]

DYLAN THOMAS / Bill Read [143] TAAKL/ Otto Basil [106]

FRANZ VON ASSISI / Ivan Gobry [16] JESUS / David Flusser [140]

TUCHOLSKY / Klaus-Peter Schulz [31) MARK TWAIN / Thomas Ayck [211) VALENTIN/ Michael Schulte [144] WALTHER VON DER VOGELWEIDE / Hans-Uwe Rump [209]

LUTHER / Hanns Li lje [98) MUNTZEA / Gerhard Wehr [188]

WEDEKIND / Günter Seehaus [213]

PAULUS / Claude Tresmontant [23) TEILHARD DE CHARDIN / Johannes Hemleben [116]

OSCAR WILDE/ Peter Funke [148)

LITERATUR BAUDELAIRE / Pascal Pia (7] BECKETT / Klaus Birkenhauer [176] BENN / Walter Lennig [71] BORCHERT / Peter Rühmkorf [58] BRECHT/ Marianne Kasting [37] BUCHNEA / Ernst Johann [18] WILHELM BUSCH / Joseph Kraus [163] CAMUS / Morvan Lebesque [50] CLAUDIUS / Peter Berglar [192] DANTE / Kurt Leonhard (167] DOSTOJEVSKIJ / Janko Lavrin (88] DROSTE-HULSHOFF / Peter Berglar [130] EICHENDORFF / Paul Stöcklein (84] FALLADA / Jürgen Manthey (78] FONTANE / Helmuth Nürnberge1'[145] STEFAN GEORGE / Franz Schonauer [44] GIDE / Claude Martin [89] GOETHE/ Peter Boerner (100] BRUDER GRIMM / Hermann Gerstner [201] HAUPTMANN/ Kurt Lothar Tank [27] HEBBEL / Hayo Matthlesen [160] E/X

HEBEL/ Uli Däster [195] HEINE/ Ludwig Marcuse [41] HEMINGWAY/ G.-A. Astre [73] HESSE / Bernhard Zeller [85] HOLDER LI N / Ulrich Häussermann [53] HOFMANNSTHAL / Werner Volke [127] JOYCE / Jean Paris (40] KAFKA/ Klaus Wagenbach [91] ERICH KÄSTNER / Luiselotte Enderle [120] KELLER / Bernd Breitenbruch (136] KLEIST / Curt Hohoff [1 J

1 1

ENGELS / Helmut Hirsch (142] ERASMUS VON ROTTEADAM / Anton J. Gail [214] GANDHI / Heime Rau [172] HEGEL/ Franz Wiedmann [110) HEIDEGGER / Walter Biemel [200] HEADER / Friedr. W. Kantzenbach [164] HORKHEIMER / Helmut Gumnio'r u. Rudolf Ringguth [208]

KARL KRAUS / Paul Schick [111] LESSING / Wolfgang Drews [75]

JASPERS / Hans Saner [169] KANT/ Uwe Schultz [101]

MAJAKOWSKI / Hugo Huppert [102) HEINRICH MANN/ Klaus Schröter [125)

KIEAKEGAARD / Peter P Rohde [28] GEORG LUKACS / Fritz J. Raddatz [193] MARX/ Werner Blumenberg [76]

THOMAS MANN / Klaus Schröter [93) HENRY MILLER / Walter Schmiele (61) MORGENSTERN / Martin BeheimSchwarzbach [97) MORIKE / Hans Egon Holthusen [175) ROBERT MUSIL/ Wi lfried Berghahn [81 J NESTAOY / Otto Basil [132] NOVALIS / Gerhard Schulz [154) POE / Walter Lennig [32) PROUST / Claude Mauriac [15)

GESCHICHTE

PHILOSÖPHIE

NIETZSCHE/ lvo Frenzel (115] PASCAL / Albert Beguin [26] PLATON / Gottfried Martin [150] ROUSSEAU / Georg Heimsten [191] SCHLEIERMACHER / Friedrich Wilhelm Kantzenbach [126) SCHOPENHAUEA / Walter Abendroth [133] SOKRATES/ Gottfried Martin [128] SPINOZA / Theun de Vries [171]

ALEXANDER DER GROSSE / Gerhard Wirth [203] BAKUNIN / Justus Franz Wittkop [218] BEBEL / Helmut Hirsch [196] BISMARCK / Wilhelm Mommsen [122] CAESAR / Hans Oppermann [135] FRIEDRICH 11. / Georg Heimsten [159) CHE GUEVARA / Elmar May [207] GUTENBERG / Helmut Presser [134) HO TSCHI MINH / Reinhold NeumannHoditz [182) W. VON HUMBOLDT / Peter Berglar [161] KARL DER GROSSE / Wolfgang Braunfels [187] LASSALLE / Gösta v. Uexküll [212] LENIN / Hermann Weber [168] LUXEMBURG / Helmut Hirsch [158) MAO TSE-TUNG /Tilemann Grimm [141] NAPOLEON / Andre Maurois [112] RATHENAU / Harry Wilde [180] SCHUMACHER/ H. G. Ritzel [184] TITO / Gottfried Prunkl u. Axel Rühle [199] TROTZKI / Harry Wilde [157]

Bereits über200 Bände PÄDAGOGIK

1

PESTALOZZI / Max Liedtke [138] 1

NATURWISSENSCHAFT

1

DARWIN / Johannes Hemleben [137] EINSTEIN / Johannes Wickert [162] GALILEI / Johannes Hemleben [156] 1 OTTO HAHN/ Ernst H. Berninger [204] A. VON HUMBOLDT / Adolf MeyerAbich [131] KEPLER/ Johannes Hemleben [183] MAX PLANCK/ Armin Hermann [198] 1

MEDIZIN

7

ALFRED ADLER / Josef Rattner [189] FREUD/ Octave Mannoni [178] C. G. JUNG/ Gerhard Wehr [152] PARACELSUS/ Ernst Kaiser [149] 1

KUNST

MUSIK

BACH / Luc-Andre Marcel [83] BARTOK / Everett Helm [107] BEETHOVEN/ F. Zobeley [103] BRAHMS / Hans A. Neunzig [197] BRUCKNER / Karl Greöe [190] CHOPIN/ Camille Bourniquel [25] HANDEL/ Richard Friedenthal [36] LISZT / Everett Helm [185] MAHLER / Wolfgang Schreiber [181] MENDELSSOHN BARTHOLDY / Hans Christoph Worbs [215] MOZART/ Aloys Greither [77] OFFENBACH/ Walter Jacob [155] REGER/ Helmut Wirth [206] SCHONBERG / Eberhard Freitag [202] SCHUMANN / Andre Boucourechliev [6] R. STRAUSS / Walter Deppisch [146] TELEMANN / Karl Grebe [170]

DORER/ Franz Wlnzinger [177] MAX ERNST / Lothar Fischer [151]

VERDI / Hans Kühner [64] WAGNER / Hans Mayer [29]

KLEE / Carola Giedion-Welcker [52] LEONARDO DA VINCI / Kenneth Clark [153] ' PICASSO / Wilfried Wiegand [205]

1

THEATER/FILM

CHAPLIN/ Wolfram Tichy [219]

:rowo11ts deutsche

~~ehe Ernst Bloch

Karl Marx und die Menschlichkeit Utopische Phantasie und Weltveränderung [317J

Freiheit und Ordnung Abriß der Sozialutopien Mit Quellentexten [318/19]

Atheismus im Christentum Zur Religion des Exodus und des Reichs [347-49]

Marxistisch-

Lerinistisches Herausgegeben von Georg Klaus und Manfred Buhr



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Band1-3 Philosophie ist heutzutage öffentlich. Politische, soziale und ökonomische Auseinandersetzungen werden mit einem Begriffsapparat geführt, der die Zerrissenheit -der Philosophie reflektiert. Die Inflation der Begriffe geht 1 Hand in Hand mit der Inflation der Mißverständnisse, gesteigert durch die hohen Anforderungen der modernen Logik, Informatik, Kybernetik. Dieses auf marxistisch-leninistischer Basis erarbeitete Lexikon trägt zur Klärung der Begriffe bei.

rororo handbuch 6155; 6156; 6157

Texte des Sozialismus und Anarchismus

~ro -~ro ~ro

Die russische Arbeiteropposition Die Gewerkschaften in der Revolution. Hg.: Gottfried Mergner [291] Louis-Auguste Blanqui Schriften zur Revolution. Nationalökonomie und Sozialkritik. Hg.: Arno Münster (267] Nikolai Bucharin Okonomik der Transformationsperiode. Hg.: Günter Hillmann (261] Friedrich Engels Studienausgabe 1-4. Hg.: Hartmut Mehringer und Gottfried Mergner (292; 293; 295; 296] - Debatte um Engels 1. Weltanschauung, Naturerkenntnis, Erkenntnistheorie (294] - Debatte um Engels 2. Philosophie der Tat, Emanzipation, Utopie [297] Die Frühsozialisten 1789-1848 II. Hg.: Dr. Michael Vester (280] Gruppe Internationale Kommunisten Hollands Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung. Intelligenz im Klassenkampf und andere Schriften. Hg.: Gottfried Mergner (285] Ferdinand Lassalle Arbeiterlesebuch und andere Studientexte. Hg.: Wolf Schäfer [289] Rosa Luxemburg Schriften zur Theorie der Spontaneität. Hg.: Susanne Hillmann [249] - Einführung in die Nationalökonomie. Hg.: Karl Held (268]

Pariser Kommune 1871 1 Texte von Bakunin, Kropotkin und Lavrov. Hg.: Dieter Marc Schneider (286] - 11 Texte von Marx, Engels, Lenin und Trotzki. Hg.: Dieter Marc Schneider (287] Pierre-Joseph Proudhon Bekenntnisse eines Revolutionars, um zur Geschichtsschreibung der Februarrevolution beizutragen. Hg.: Günter Hillmann [243] Die Rätebewegung 1. u. II. Hg.: Günter Hillmann [277 u. 269] Otto Rühle Schriften. Perspektiven einer Revolution in ,hochindustrialisierten Ländern. Hg.: Gottfried Mergner (255] - Baupläne für eine neue Gesellschaft. Hg.: Henry Jacoby (288] Peter Kropotkin Worte eines Rebellen. Hg. : Dieter Marc Schneider (290] Josef W. Stalin Schriften zur Ideologie der Bürokratisierung. Hg. : Günter Hillmann (285] Leo Trotzki Schriften zur revolutionären Organisation. Hg.: Hartmut Mehringer [270] - Stalin Eine Biographie 1. und II. Hg.: Hartmut Mehringer [283 u. 284] Wilhelm Weitling Das Evangelium des armen Sünders / Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte. Hg.: Wolf Schäfer [274]

owoh·lt aperback Marxismus und Literatur Eine Dokumentation in drei Bänden Herausgegeben- mit einer Einführung und Anmerkungen von Fritz J. Raddatz Rowohlt Paperback Band 80, 81 und 82 · Je ca. 330 Seiten

Eine Dokumentation, die die wesentlichen Texte zusammenfaßt, die von marxistischer Seite zum Thema Literatur und Kunst existieren. Sie enthält einerseits die schon klassisch gewordenen Äußerungen marxistischer Theoretiker wie beispielsweise Friedrich Engels' berühmten Brief an Miss Harkness, Gorkis erste Definition des sozialistischen Realismus, Georg _Lukacs' Briefwechsel mit Anna Seghers u. a. m. Andererseits wurden Texte aufgenommen, die als Verlautbarungen, KonfererJzbeschlüsse oder offizielle Parteidokumente Wichtigkeit erlangten. Dabei sind natürlich nicht nur Zeugnisse aus dem deutschen Sprachraum berücksichtigt worden. Der Band wird schließlich zeigen, daß sich aus einer ursprünglich monolithischen Konzeption der Literatur eine sehr widersprüchliche Diskussion entwickelte, die in ihren Folgen keineswegs begrenzt blieb auf ideologische Fragen, sondern vielmehr als Ansatzpunkt zu realen politischen Veränderungen verstanden werden muß, wie etwa die Inzwischen berühmt gewordene Kafka-Konferenz in Liblice in engem Zusammenhang mit den politischen Entwicklungen in der CSSR zu sehen ist.