Karl Alexander von Müller: Historiker für den Nationalsozialismus 9783666360138, 9783525360132, 9783647360133


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German Pages [575] Year 2014

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Karl Alexander von Müller: Historiker für den Nationalsozialismus
 9783666360138, 9783525360132, 9783647360133

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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525360132 — ISBN E-Book: 9783647360133

Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Band 88

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525360132 — ISBN E-Book: 9783647360133

Matthias Berg

Karl Alexander von Müller Historiker für den Nationalsozialismus

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525360132 — ISBN E-Book: 9783647360133

Die Schriftenreihe wird herausgegeben vom Sekretär der Historischen Kommission: Helmut Neuhaus

Umschlagabbildung: Eröffnung der 2. Arbeitstagung der »Forschungsabteilung Judenfrage« des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands, Universität München, 12. 5. 1937. Erste Reihe v.l.n.r.: Walter Frank, Wilhelm Grau (stehend), Karl Alexander von Müller, Ernst Schulte-Strathaus, Johannes Stark Ó Stadtarchiv München Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-36013-2 ISBN 978-3-647-36013-3 (E-Book) Gedruckt mit Unterstützung der Franz Schnabel Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ó 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. – Printed in Germany. Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525360132 — ISBN E-Book: 9783647360133

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Biographik, Wissenschaftsgeschichte und Geschichte der Geschichtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Karl Alexander von Müller – Forschungsstand und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Aufbruch (1882 bis 1916) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Jugend- und Prägejahre im wilhelminischen Kaiserreich 2.1.1 Eine Jugend um 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Promotion und Kooptation . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Nachwuchshistoriker vor dem Ersten Weltkrieg . . 2.2 Kriegsbegeisterung und fachliche Etablierung . . . . . . 2.2.1 Publizistisches »Augusterlebnis« – Herausgeber der Süddeutschen Monatshefte . . . 2.2.2 Habilitation und Profession . . . . . . . . . . . . .

27 27 27 35 41 51

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3. Enttäuschung (1916 bis 1928) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Publizistik zwischen Politik und Historie . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Historiker in der Kriegszieldebatte . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Krieg im Frieden – Gegen Versailles und »Kriegsschuldlüge« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Von der Krise zur Hoffnung auf eine völkische Bewegung 3.2 Populäre und wissenschaftliche Geschichtsschreibung . . . . . 3.2.1 Universitäre und historiographische Profilierung . . . . . 3.2.2 Rückkehr in die »internationale Gelehrtenrepublik« . . . 3.2.3 Deutsche Vergangenheit als Gegenwart . . . . . . . . . . 3.3 Institutionen und Konstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Berufene und Berufungen – Universitätspolitik in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Akademische Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Ankunft (1928 bis 1935) . . . . . . . . . . . . 4.1 Historiker in der Weimarer Republik . . . 4.1.1 Professur und Wissenschaftspolitik 4.1.2 Angekommen in Weimar? . . . . .

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Inhalt

4.1.3 Geschichtsschreibung zwischen regionaler und internationaler Perspektive . . . . . . . . . . . . . 4.2 Fünfzigster Geburtstag im Dezember 1932 . . . . . . . . . . . 4.3 Wege in den Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Neue Paradigmen – Südostforschung und »Judenforschung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Verzicht und Gewinn – Politische Ankunft im NS-Staat 4.3.3 Für eine nationalsozialistische Universität . . . . . . . . 5. Erfolg (1935 bis 1943) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Historiker für den Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Universitäre Karriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Herausgeber der Historischen Zeitschrift . . . . . . . 5.1.3 Nationalsozialistische Geschichtswissenschaft und »Judenforschung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Institutionalisierte Wissenschaft und NS-Staat . . . . . . . . 5.2.1 Der Präsident als Führer? Zur Bayerischen Akademie der Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Historische Kommission(en) . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Geschichtswissenschaft im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Gegen England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Für »Deutsche Größe« und das Reich . . . . . . . . . 5.4 Sechzigster Geburtstag im Dezember 1942 . . . . . . . . . .

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. 172 . 184 . 188 . 189 . 200 . 213 . . . .

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. . 258 . . 273 . . . . . .

274 290 301 304 316 326

6. Untergang (1943 bis 1951) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Wege aus dem Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Ein Nationalsozialist als »Schutzschild«? Herausgeber der Corona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Resignation und Rückzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Zusammenbruch 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Konsolidierung und Wiederbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Entnazifizierung und Pensionierung . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Publizistische Rückkehr und institutioneller Ausschluss .

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7. Rückkehr (1951 bis 1962) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Versuche der Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Selbstdeutung auf offener Bühne – Müllers Erinnerungen 7.1.2 Rekonstruktion eines wissenschaftlichen Netzwerkes . . . 7.2 Siebzigster Geburtstag im Dezember 1952 . . . . . . . . . . . . 7.3 Rehabilitierung zwischen Erfolg und Scheitern . . . . . . . . . 7.3.1 Populärer Autor in der frühen Bundesrepublik . . . . . . 7.3.2 Rückkehr in die »akademische Provinz«? . . . . . . . . .

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Inhalt

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8. Ende (1962 bis 1964) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 8.1 Achtzigster Geburtstag im Dezember 1962 . . . . . . . . . . . . 448 8.2 Fazit – Karl Alexander von Müller und die deutsche Geschichtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller . . . . . . . . . . . . . 465 Verzeichnis betreuter Dissertationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 Gedruckte Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561

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Vorwort Das vorliegende Buch ist die überarbeitete, vor allem gekürzte Fassung meiner Dissertation, die im Frühjahr dieses Jahres von der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin angenommen worden ist. Mein besonderer Dank gilt Prof. Rüdiger vom Bruch, der die Arbeit nicht nur betreut, sondern meinen wissenschaftlichen Werdegang von den ersten Versuchen im Studium an begleitet und gefördert hat, mit Offenheit und Herzlichkeit. Ebenfalls zu danken ist Prof. Michael Wildt, der das Zweitgutachten erstattete. Für die Aufnahme in ihre Schriftenreihe danke ich der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und dem Reihenherausgeber Prof. Helmut Neuhaus, nicht zuletzt aber auch ihrem Geschäftsführer Karl-Ulrich Gelberg für ausdauerndes und motivierendes Interesse. Die Drucklegung ermöglichten die Franz-Schnabel-Stiftung sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die überdies mit ihrer Förderung des Autors im Schwerpunktprogramm »Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Deutschland im internationalen Zusammenhang im späten 19. und im 20. Jahrhundert« das Entstehen der Arbeit wesentlich unterstützte. Auch dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht ist für die angenehme Zusammenarbeit zu danken. Es ist schlechterdings unmöglich, in angemessener Weise all jenen Dank zu sagen, deren Unterstützung ich genießen durfte. Die Atmosphäre am Lehrstuhl Rüdiger vom Bruchs hat viel zum Gelingen der Untersuchung beigetragen, auch meine neue institutionelle »Heimat« an Martin Sabrows Lehrstuhl für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte bot in der Abschlussphase intellektuelle Anregung und gelegentlich nützliche Ablenkung. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, nicht zuletzt allen Mitdoktoranden, sei herzlich gedankt. Von den ersten Überlegungen bis zum letzten Feinschliff ist die Arbeit in Kolloquien und auf Tagungen vorgestellt und diskutiert worden, für jede Einladung, Frage und Kritik schulde ich Dank. Ein Blick in den Anhang des Buches verrät es, nur mit tatkräftiger Hilfe einer ganzen Reihe von Archiven und Bibliotheken konnte die Untersuchung durchgeführt werden. Ausnahms-, aber berechtigterweise sei an dieser Stelle die Nachlassabteilung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München hervorgehoben, die intensive Auswertung des Nachlasses Müllers wäre ohne ihr außergewöhnliches Engagement nicht möglich gewesen. Ein besonderer Dank schließlich gebührt Hans Cymorek, für jeden fachlichen Rat, vor allem aber für seine nie versiegende Begeisterung und Motivationskunst. Nicht vermissen möchte ich die Monate, in denen mir Carola Wagner in München ein Zuhause gegeben hat, es war im Verzeichnis ungedruckter

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Vorwort

Quellen nicht zu vermerken, wieviel die archivalische Grundlage der Arbeit ihrer Gastfreundschaft verdankt. Ebenso möchte ich allen Freunden für ihre Ermunterung und ihr Interesse danken, nicht zuletzt für das Verständnis für mein zeitweiliges »Verschwinden«. Schließlich verdanke ich Torben Brown, neben vielfacher Unterstützung für die Arbeit selbst, zahllose Abende mit den wirklich wichtigen Themen des Lebens. So seltsam sich dies für einen Wissenschaftshistoriker lesen mag, mit einer Entscheidung für die Wissenschaft wählt man in heutiger Zeit einen fast unbürgerlichen Berufsweg, für Vertrauen und Rückhalt möchte ich deshalb meinen Eltern und meinem Bruder Martin danken. Mehr als in Worte zu fassen ist verdanke ich meiner Frau Lena, der die Arbeit gewidmet ist. Berlin, im Dezember 2013

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Matthias Berg

1. Einleitung »Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält« – so nüchtern, desillusioniert wie zugleich desillusionierend fasste Max Frisch in »Mein Name sei Gantenbein« die Suche nach einer schlüssigen Erzählung zum jeweiligen »Ich« zusammen.1 Erfindet demnach jeder Biograph, so mag man ergänzend fragen, sich den Menschen zu der Geschichte, die er erzählen möchte? Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die wissenschaftliche Biographie des Historikers Karl Alexander von Müller, sie stellt wissenschafts- und historiographiegeschichtliche Fragen, ist aber zugleich einem tatsächlich gelebten Leben gewidmet: Geboren 1882, gestorben 1964, mit lebend in Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Bundesrepublik. Die biographische Darstellung, gleich welche Fragen sie formuliert, rekonstruiert Lebensläufe nicht, sie konstruiert, sie schafft ein eigenes, mit konkurrierenden Ansätzen und Deutungen gegebenenfalls nicht übereinstimmendes »Leben«. Die oftmals befürchtete und vielfach zitierte »biographische Illusion« beginnt, wo es an einer Reflexion über diesen Umstand mangelt.2 Eine wissenschaftliche Biographie Müllers ist konzentriert auf dessen Wirken in der deutschen Geschichtswissenschaft zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik, sie fragt nach der Entwicklung der Historiographie in Deutschland im 20. Jahrhundert – im Sinne Frischs »erfindet« sie sich mit Müller den Menschen zur Geschichte, die erzählt werden soll. Auch wenn es nicht zu den vorrangigen Ansprüchen dieser Arbeit zählt, zu erklären »wie Müller wurde was er war«, auch wenn ihr Erkenntnisinteresse historiographiegeschichtlich ist, soll sich in den einleitenden Überlegungen zur Wissenschaftsgeschichte und Geschichte der Geschichtswissenschaft auch der Biographik gewidmet werden.

1.1 Biographik, Wissenschaftsgeschichte und Geschichte der Geschichtswissenschaft Kaum ein historiographisches Sujet ist in der deutschen Geschichtswissenschaft so gründlich und vermeintlich endgültig zu Grabe getragen worden wie die biographische Darstellung. Kaum einem Erkenntnisweg ist entschiedener die wissenschaftliche Aussagefähigkeit bestritten worden. In strikter Ab1 Frisch, Gantenbein, S. 74. 2 Vgl. Bourdieu, Biographische Illusion; zudem Etzemüller, Das biographische Paradox.

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Einleitung

grenzung zur einstmaligen Geschichte »großer Männer«3 stand die Biographie seit dem Siegeszug der Historischen Sozialwissenschaft in den 1960er Jahren unter Generalverdacht. Seit mehr als zehn Jahren jedoch kann mit der Renaissance der wissenschaftlichen Biographie im beginnenden 21. Jahrhundert begründet die Hoffnung verbunden werden, dass nun »der methodische und systematische Zweifel der Historiker und Biographen sich auf die Lebensläufe selbst«, auf die »Wirklichkeit der menschlichen Natur selbst« richtet, denn die »biographische Illusion« sei nicht »die Illusion des Biographen über die Lebenslinien anderer Menschen, es ist der farbige Staub, in den der Mensch täglich die Linien seines eigenen Lebens zeichnet«.4 Auch nüchterner formuliert bleibt das gewonnene Ansehen der Biographie als einer legitimen wissenschaftlichen Untersuchungsanordnung deutlich. Zum einen konnte es sich »ein so öffentliches Fach wie die Geschichtswissenschaft nicht leisten, die Leserschaft jenseits der eigenen Fachkollegen zu ignorieren. Zum anderen blieb die Kritik am eindimensionalen Persönlichkeitsbegriff der traditionellen Biographik nicht ohne Wirkung. Dass eine historische Persönlichkeit kein natürliches Objekt, sondern ein […] hergestellter Gegenstand ist, gehört zu den Grundbegriffen moderner Biographik.«5 Als historiographischer »Impulsgeber« verfügt die Biographie über ein zunehmend genutztes Innovationspotential.6 Die den Biographien gewidmete »Biographieforschung« allerdings hat sich im Zuge dieses Aufschwunges »derart ausdifferenziert«, dass ein ausführlicher Überblick zu diesem Forschungszweig weder möglich noch zielführend erscheint.7 In Sammelbänden, Handbüchern und Forschungsberichten sind Voraussetzungen, Ausführungen sowie Rezeptionen des Genres in vielfältiger Form untersucht worden.8 Für die besonderen Erkenntnismöglichkeiten wissenschaftsgeschichtlicher Biographik als beispielgebend und prägend kann weiterhin die von Margit Szöllösi-Janze vorgelegte Lebensdarstellung des Physikers Fritz Haber gelten. Als »Biographie einer durchaus auffälligen Einzelpersönlichkeit« deklarierte Szöllösi-Janze ohne Umschweife ihre Studie und identifizierte das für die deutsche Geschichtswissenschaft spezifische, lang anhaltende Unbehagen an der biographischen Form vor allem als Teil einer historiographiegeschichtlich verkürzten Absetzung vom vermeintlich »konservativen« Historismus.9 Den methodischen Voraussetzungen und Problemen von biographisch dargestellter Wissenschaftsgeschichte widmete Szöllösi-Janze zudem einen eingehenden Aufsatz, der sich auch mit der AbHingegen jüngst: Wengst, Männer. Raulff, Leben, S. 60 u. 66. Gradmann, Jenseits, S. 208. Lässig, Biographie, S. 551 – 553. Etzemüller, Biographien, hier S. 7 sowie einleitend zur Biographie S. 7 – 24. Vgl. u. a. C. Klein (Hg.), Biographik; Bödeker (Hg.), Biographie; Fetz (Hg.), Biographie; C. Klein (Hg.), Handbuch Biographie sowie Koll, Biographik und NS-Forschung. 9 Szöllösi-Janze, Fritz Haber, S. 9 u. 12.

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Biographik und Wissenschaftsgeschichte

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wehr anhaltender Vorurteile gegenüber biographischen Untersuchungen befasste. Der Vorwurf, dass die Biographie ein »Sammelsurium von Ansätzen, Methoden, Erkenntnisinteressen« vereine, ohne »ein einziges ausschließlich und durchgängig zu verfolgen«, verwandle sich angesichts des zunehmenden methodischen Pluralismus in einen Gewinn. In einer Biographie, so SzöllösiJanze, scheinen »sich die Probleme und Kernfragen von Geschichte schlechthin verschärft und offenkundig zu manifestieren«, Fragen nach den »Handlungs- und Gestaltungsfreiräumen des Individuums in der Geschichte« stellten sich unmittelbarer als in anderen Gattungen.10 Man mag bezweifeln, ob die Biographie im Umkehrschluss als »Königsdisziplin«11 zu bezeichnen wäre, gleichwohl scheint eine Kritik ihrer vermeintlich mangelhaften Präzision nicht zuletzt auch nach leichter zu überschauenden historischen Gegebenheiten zu rufen. Komplexität jedoch gilt es nicht zu negieren, sondern zu nutzen, Vielfalt und Widersprüchlichkeit sind keine Gefahren, sondern Chancen jeder historiographischen Untersuchung.12 Eine Historiographiegeschichte ohne biographische Darstellungen war ohnehin, auch auf dem Höhepunkt der Ablehnung des Genres in der deutschen Geschichtswissenschaft, nicht denkbar.13 In deshalb wohl nicht zufälliger Parallelität haben die Geschichte der Geschichtswissenschaft wie auch die wissenschaftliche Biographik gemeinsam eine anhaltende, symbiotisch erscheinende Forschungskonjunktur erlebt. Das überschaubare Personaltableau der deutschen Geschichtswissenschaft, mindestens bis zum Ausbau der bundesrepublikanischen Universitätslandschaft in den 1960er Jahren, war und ist biographisch erfass- und erforschbar.14 Wie »eng Geschichtserfahrung, Geschichtsforschung und Geschichtsdarstellung miteinander verschränkt sind«15, wurde nicht zuletzt in zahlreichen biographischen Untersuchungen zu deutschen Historikern überaus deutlich.16 Angesichts vergleichsweise stabiler geschichtswissenschaftlicher Institutionen, einer unverkennbaren Neigung der deutschen Historiographie zur paradigmatischen Beharrung sowie sich nur langfristig wandelnder Geschichtskulturen und Mentalitäten eignen sich biographische Darstellungen für eine differenzierte Nachzeichnung historiographiegeschichtlicher Entwicklungslinien besonders. Ohnehin aber stellen zunehmend Studien auch zur allgemeinen Wissenschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts dezidiert die Akteure in den 10 Szöllösi-Janze, Lebens-Geschichte, S. 21 u. 31. 11 Ullrich, Königsdisziplin. 12 »Biographien ordnen und reduzieren Komplexität auf ihre spezifische Weise und ermöglichen deshalb sinnvolle Kommunikation über Welt.« Vgl. Etzemüller, Form der »Biographie«, S. 76. 13 Vgl. Wehler (Hg.), Deutsche Historiker sowie Hammerstein (Hg.), Geschichtswissenschaft. 14 Als den wohl umfassendsten Versuch vgl. W. Weber, Priester. 15 Hardtwig, Formen, S. 28. 16 Auf die erschienenen Studien wird an entsprechender Stelle eingegangen, hier sei hingewiesen auf vom Bruch/Müller (Hg.), Historikerlexikon sowie eine Sammlung biographischer Porträts: Raphael (Hg.), Klassiker.

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Einleitung

Mittelpunkt ihrer Darstellung und verdeutlichen somit den wissenschaftsgeschichtlichen Erkenntnisgewinn der »Akteursperspektive«, einer auf die Handelnden ausgerichteten Untersuchungsanordnung.17 Wichtige wissenschaftshistorische Forschungsimpulse ergaben sich zudem aus den in der vergangenen Dekade unternommenen »Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten« in der deutschen Universitäts- und Wissenschaftslandschaft.18 Diese dokumentierten den erweiterten Erklärungsanspruch und besonderen analytischen Gehalt einer Wissenschaftsgeschichtsschreibung, welche die Teilsysteme von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zugleich einzeln fokussieren wie in ihrem Zusammenspiel, ihrer gegenseitigen Bedingtheit interpretieren kann.19 »Wissenschaft, Forschung und Lehre lassen sich nicht über einen Leisten schlagen.« Mit dieser fraglos Zustimmung auslösenden Feststellung eröffnete der ausführlichste wissenschaftshistorische Forschungsbericht der vergangenen Jahre, folgend eben diese drei Aspekte akademischer Tätigkeit differenzierend.20 Aber, so wäre zu ergänzen, vor allem im von wenigen Einzelpersonen bestimmten wissenschaftlichen Milieu der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts bündelten sich die derart unterschiedenen Tätigkeitsfelder oftmals in einzelnen Protagonisten, die die zunehmende Auffächerung in universitäre und außeruniversitäre, forschende und popularisierende Aspekte wissenschaftlicher Tätigkeit zu verbinden vermochten. Wenn die Relevanz biographischer Untersuchungen nicht zuletzt daran zu messen ist, welcher »Stellenwert […] Biographien bei der Initiierung, Verstärkung oder Beendigung« historischer Entwicklungen zukommt21, so wird dieser Wert für die Wissenschafts- und Historiographiegeschichte durchaus hoch anzusetzen sein. Der Einfluss einzelner Akteure respektive einzelner Lebensläufe auf den fachlichen Fortgang fand seinen Niederschlag in einer dezidiert personenorientierten Forschungsentwicklung, diese bedarf aber eben deshalb einer institutionsgeschichtlichen Kontrastierung. Als Universitätslehrer, Forschende und Publizisten agierten Historiker gleich anderen Wissenschaftlern stets in institutionellen Zusammenhängen, die nicht zuletzt die Ausübung des Berufes »Historiker« im Untersuchungszeitraum erst ermöglichten. Die in der vorliegenden Arbeit untersuchte Biographie wird daher stets in ihre institutionellen Rahmenbedingungen eingebettet, institutions- und personengeschichtliche Perspektiven werden miteinander verknüpft.22 Zudem ist zwar 17 Vgl. Hachtmann, Wissenschaftsmanagement. Zur Entwicklung der Wissenschaftsgeschichte vgl. zudem Hagner, Ansichten. 18 Vgl. den Forschungsbericht von Hachtmann, Wissenschaftsgeschichte, S. 540 – 554. 19 vom Bruch/Kaderas (Hg.), Wissenschaften und Wissenschaftspolitik; vom Bruch u. a. (Hg.), Kontinuitäten und Diskontinuitäten. 20 Hachtmann, Wissenschaftsgeschichte, S. 539. 21 C. Klein, Einleitung, S. 4. 22 Vgl. einführend vom Bruch, Wissenschaft im Gehäuse; Middell u. a., Institutionalisierung; Middell, Weltgeschichtsschreibung.

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Biographik und Wissenschaftsgeschichte

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vorwiegend »die Wissenschaft selbst die Lebenswelt […], in Bezug auf die die Wissenschaftsgeschichtsschreibung Orientierungsbedürfnisse zu befriedigen«23 verspricht, indes erschöpft sich ihr Erklärungsanspruch hierin nicht. Die dargestellte »durchaus auffällige Einzelpersönlichkeit« Karl Alexander von Müller kann vielmehr als prototypisches Beispiel einer permanenten Grenzüberschreitung zwischen den Sphären von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft angesehen werden. Die Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, beispielhaft an der wissenschaftlichen Biographie Müllers untersucht, ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit.24 Trotz der benannten, umfassenden Forschungskonjunktur sind Einführungen oder Gesamtdarstellungen zu Konturen und Entwicklungen der Historiographiegeschichte weiterhin rar, allerdings liegen einige instruktive Sammelbände vor.25 Pointiert hat Lutz Raphael den Gegenstandsbereich der Historiographiegeschichte umrissen und zugleich von der bloßen Revision früherer Forschungsstände unterschieden: »Historiker interessieren sich immer wieder von neuem für alte Fachkontroversen, prüfen alte Argumente und aktualisieren vergessene Problemsichten. Als Wissenschaftsgeschichte ist die Historiographiegeschichte jedoch noch mehr : Mit Hilfe sozial- und kulturgeschichtlicher Methoden versucht sie, die Institutionen des Faches sowie die politischen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen der früheren Berufspraxis von Historikern zu analysieren. Indem sie kollektive Traditionsmuster herausarbeitet, legt sie die unbewussten, d. h. verkannten Erbschaften bzw. nicht reflektierten Aspekte des eigenen wissenschaftlichen Tuns bzw. der eigenen beruflichen Position und Situation offen.«26 Die hiermit prägnant umrissenen Fragestellungen, Anforderungen und Erkenntnismöglichkeiten historiographiegeschichtlicher Untersuchungen haben die vorliegende Arbeit wesentlich angeregt und geleitet.27 Der Forschungsstand zur Geschichte der Geschichtswissenschaft ist in den einzelnen Abschnitten der Arbeit zu reflektieren, aufzugreifen und zu diskutieren. Mustert man die einschlägigen Forschungsberichte, werden aber auch allgemeinere Entwicklungen der Historiographiegeschichte sowie der Hintergrund, vor welchem die vorliegende Arbeit entstanden ist, deutlich. Bereits 1997 sah Christoph Cornelißen auch »durch den umfassenden politischen und gesellschaftlichen Umbruch der letzten Jahre […] eine breite Publikationswelle zur historiographischen Rück- und Selbstvergewisserung des eigenen Faches ausgelöst«, eine seitdem kaum abgeebbte Entwicklung. Allerdings, so Cornelißen, die »Frage nach dem Verhalten der deutschen 23 Krohn, Wissenschaftsgeschichte, S. 272 f. 24 Für einen konzisen Überblick vgl. Iggers, Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. 25 Simon, Historiographie; Blanke, Historiographiegeschichte; Eckel/Etzemüller (Hg.), Neue Zugänge; Küttler u. a. (Hg.), Geschichtsdiskurs; Jordan (Hg.), Lexikon Geschichtswissenschaft. 26 Raphael, Geschichtswissenschaft, S. 14. 27 Überblickend zu Formen der Historiographiegeschichte vgl. Blanke, Typen und Funktionen.

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Einleitung

Historiker unter dem Nationalsozialismus hat lange Zeit nur ein geringes Interesse auf sich gezogen.«28 Ein Jahr darauf konstatierte Ulrich Muhlack Ähnliches: »Die Geschichte der Geschichtswissenschaft erlebt anhaltend eine förmliche Hochkonjunktur und hat mittlerweile geradezu den Status einer historischen Teildisziplin erreicht; das untrüglichste Indiz ist die wachsende Menge der Dissertationen historiographiegeschichtlichen Inhalts, zu der es in früheren Zeiten kaum Parallelen gibt.«29 Der Ende der 1990er Jahre unisono konstatierte Boom schlug sich folgend nieder in einer Fülle von tatsächlich kaum mehr zu überblickenden Beiträgen, allerdings vor allem konzentriert auf die Zeit des Nationalsozialismus. Wie »eminent politisch Geschichtswissenschaft« sein könne, hatte sich für Stefan Jordan nur wenige Jahre später vollauf erwiesen. Der »Trend, die Verflechtung einzelner Wissenschaftler und ganzer Disziplinen mit dem Nationalsozialismus aufzuzeigen und die Auswirkungen der Elitenkontinuität in den beiden deutschen Staaten nach 1945 in den Blick zu nehmen, ist als ein Großthema historischer Forschungen« deutlich erkennbar.30 Zudem vermerkte Jordan, auch »auf die Biografik zur Geschichtswissenschaft« habe die »wissenschaftsgeschichtliche Erforschung des Nationalsozialismus gewirkt«, jedoch seien »Biografien über einzelne Historiker, die während des Nationalsozialismus forschend tätig waren, […] selten.«31 Dies allerdings veränderte sich in den folgenden Jahren signifikant. Noch während Jordan seine Feststellung traf, hallte die heftige Kontroverse um Hans Rothfels nach, die ihren Abschluss in der biographischen Darstellung Jan Eckels finden sollte.32 Zuvor war bereits mit Christoph Cornelißens Biographie Gerhard Ritters einer der wichtigsten Beiträge in diesem aufstrebenden Forschungsfeld erschienen.33 In den kommenden Jahren folgten zahlreiche, an dieser Stelle nicht aufzuführende Studien zu deutschen Historikern, deren wissenschaftliche Karrieren auch oder vor allem Anteil an der Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus hatten.34 Mit der Zeit jedoch legte sich die »Aufregung« wieder, wie ein jüngerer Forschungsbericht resümierte: »An die Stelle des Streitens scheint das Bilanzieren getreten zu sein.«35 Offen geblieben war allerdings eine Darstellung eben jenes Historikers, der vor allem Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Historikerschaft im NS-Staat genommen hatte. Eine Biographie Karl Alexander von Müllers bleibe, so hielt eine ebenfalls

Cornelißen, Geschichtswissenschaft, S. 275 u. 283. Muhlack, Geschichte und Theorie, S. 119. Jordan, Theorie und Geschichte (2005), S. 427. Ebd., S. 431. Eckel, Rothfels. Zur Debatte um Rothfels vgl. Winkler, Rothfels; Haar, Quellenkritik; Winkler, Geschichtswissenschaft oder Geschichtsklitterung sowie Hürter/Woller (Hg.), Rothfels. 33 Cornelißen, Ritter. 34 Beispielhaft sei hingewiesen auf Mühle, Aubin sowie D. Thimme, Schramm. 35 Jordan, Theorie und Geschichte (2010), S. 449 f.

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einem deutschen Historiker gewidmete Studie fest, »nach wie vor ein Desiderat.«36 Ein Unterfangen, dem die vorliegende Arbeit gewidmet ist.

1.2 Karl Alexander von Müller – Forschungsstand und Forschungsfragen Der erste und bis heute wirkmächtigste Historiograph der Biographie Müllers war Müller selbst. Seine letzten zwei Lebensjahrzehnte, einsetzend mit dem vorläufigen Verlust von Ämtern und Ansehen nach 1945, waren weitgehend der Erklärung, Deutung und Umschreibung seines bisherigen Lebenslaufes gewidmet, keineswegs schwieg Müller von sich selbst.37 Im Zentrum dieser autobiographischen »Neuerfindung« standen die ab 1951 in drei Bänden erschienenen, bis zum Ende der Weimarer Republik reichenden Erinnerungen Müllers.38 Vor allem für Beschreibungen der politischen Kultur und Atmosphäre in München vor 1933 vielfach genutzt39, ist es Müller mit seinen Memoiren in mancherlei Hinsicht auch gelungen, für seine Selbstdeutung genehme Interpretationen seines Wirkens zu etablieren. Überraschen kann dies nicht, schließlich zählt die retrospektive Formung des eigenen Lebens zu den Hauptmotiven autobiographischer Reflexion. Es gilt jedoch für die Verwendung seiner Erinnerungen, diesen »konstruierenden« Ursprung stets mitzudenken.40 Müllers Selbstdeutung mag zu hohem Anteil eine tatsächliche Selbsttäuschung gewesen sein, überdies jedoch und für seinen Erfolg weitaus wesentlicher : Müller holte seine Leser vielfach dort ab, wo sie ihn ohnehin vermuteten. So entsprach seine Gegnerschaft zur Weimarer Republik durchaus seinem tatsächlich gelebten Leben, ihre besondere Hervorhebung in den Memoiren diente aber auch dem Zweck, die Fallhöhe des Engagements Müllers für den Nationalsozialismus zu mindern. Für eine wissenschaftliche Biographie Müllers sind seine Erinnerungen keine aussagefähige Quelle über sein Leben zwischen Geburt und Ende der Weimarer Republik. Hingegen als 36 Jedlitschka, Crämer, S. 107 f. Vgl. ebenso R. Schumann, Huber, S. 166. 37 Vgl. Martin Kohlis frühe, wissenschaftsbiographische Überlegungen: Kohli, »Von uns selber schweigen wir.« Wissenschaftsgeschichte aus Lebensgeschichten. 38 Müller, Aus Gärten der Vergangenheit. Erinnerungen 1882 – 1914 (1951); Mars und Venus. Erinnerungen 1914 – 1919 (1954); Im Wandel einer Welt. Erinnerungen Band 3. 1919 – 1932 (1966, posthum von Müllers Sohn Otto Alexander von Müller herausgegeben). Allen Veröffentlichungen Müllers wird, um das Auffinden in seinem Schriftenverzeichnis zu ermöglichen, das Jahr ihres Erscheinens in Klammern hinzugefügt. 39 So ist kaum eine Darstellung des ersten Auftretens Adolf Hitlers als Redner wie auch des Novemberputsches 1923 zu finden, die nicht auf Müllers Erinnerungen basiert, vgl. beispielhaft: Fest, Hitler, S. 179, 278 f., 478. 40 Verwendung finden die »hoch suggestiven Selbstzeugnisse« Müllers in Nikola Beckers Untersuchung Münchner Autobiographien, vgl. N. Becker, Lebenswelt, Zitat S. 138. Ich danke Frau Becker herzlich für die Überlassung der Druckfahnen ihrer soeben erschienenen Studie.

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eine ungemein anspielungsreiche, literarisch überformte und mit gut 1.200 Seiten zudem sehr umfangreiche autobiographische Selbstdeutung verstanden, sollen sie nicht widerlegt, sondern für eine Darstellung der Eigen- und Außenwahrnehmung Müllers in der Nachkriegszeit und den 1950er Jahren verwendet werden. Nach Müllers Tod im Dezember 1964 umrissen seine Schüler Karl Bosl und Heinz Gollwitzer in ihren Nachrufen zwar die biographischen Eckdaten seiner Karriere, erlagen jedoch auch der Problematik des Genres.41 Eine ungleich kritischere Sicht auf Müllers wissenschaftliche Biographie begann sich Hans Wolfram von Hentig ab 1967 zu erarbeiten. Den vom ihm zu verfassenden Eintrag Müllers in der NDB vorbereitend, korrespondierte Hentig mit Wegbegleitern Müllers, erstellte ein Schriftenverzeichnis und verfasste einen unveröffentlicht gebliebenen Essay mit dem bezeichnenden Titel »Der Historiker als Ideologe«.42 Obgleich im selben Jahr wie Gollwitzers Nachruf entstanden, könnte die Distanz zwischen Autor und untersuchtem Objekt kaum größer sein. Konzentriert auf eine Analyse der Sprache Müllers, verbarg Hentig seine Abscheu in keiner Weise. Die Zeitgenossenschaft mit Müller, so scheint es, ließ differenzierende Auseinandersetzungen noch nicht zu, allein zwischen nachsichtiger Verehrung oder vollständiger Ablehnung war zu entscheiden.43 Deutlich nüchterner widmete sich wenige Jahre darauf Christoph Weisz in einer von Müllers Schüler Karl Bosl betreuten Dissertation, auf der Grundlage publizierter Schriften, dem Zusammenhang zwischen »Geschichtsauffassung« und »politischem Denken« von sechs Münchner Historikern in der Weimarer Republik, unter ihnen Müller.44 Die sorgfältige Studie ist für das entsprechende Kapitel gewinnbringend konsultiert worden. Allerdings vergröbert Weisz durch seinen Zugriff die feststellbaren Unterschiede in den politischen Texten Müllers zwischen Novemberrevolution und dem Ende der Weimarer Republik, die Entwicklung seiner Ansichten in diesem Zeitraum bleibt ein wenig auf der Strecke. Müllers Wirken aber weckte auch in den folgenden Jahren Interesse, 1975 legte Werner Schelling seine Dissertation »Karl Alexander von Müller (1882 – 1964). Ein Beitrag zur Geschichte der Geschichtswissenschaft und des politischen Denkens in Deutschland« vor.45 Für seine Arbeit wurde Schelling der Nachlass Müllers durch dessen Sohn Otto Alexander von Müller zugänglich gemacht. Ob in vollem Umfang ist allerdings 41 Bosl, Karl Alexander von Müller. In Memoriam; Gollwitzer, Karl Alexander von Müller 1882 – 1964. Ein Nachruf. Vgl. ausführlicher den Schlussabschnitt 8.2. 42 Die Korrespondenz Hentigs wie auch der Essay sind im Institut für Zeitgeschichte überliefert, vgl. IfZ, Hans Wolfram von Hentig, F 173 Band 1, sein Beitrag in der NDB erschien allerdings erst 1997, vgl. Hentig, Müller, Karl Alexander von. 43 Auch in Helmut Heibers im selben Zeitraum entstandener Studie zum Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands fand Müller umfangreiche Beachtung (vgl. Heiber, Frank). 44 Vgl. Weisz, Geschichtsauffassung. Neben Müller widmete sich Weisz Konrad Beyerle, Max Buchner, Michael Doeberl, Erich Marcks und Hermann Oncken. 45 Vgl. Schelling, Müller. Die Arbeit wurde lediglich als Dissertation veröffentlicht.

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fraglich, denn in der Studie hat der heute geöffnete Nachlass kaum Spuren hinterlassen. Weitere ungedruckte Quellen standen Schelling, wenige Jahre nach Müllers Tod, nur begrenzt zur Verfügung. Wohl auch der in dieser Hinsicht sehr dürftigen Quellenlage geschuldet, legte Schelling seinen Schwerpunkt auf eine ausgebreitete Darstellung der veröffentlichten Schriften Müllers. Man kann bezweifeln, dass sich damit auf den ergiebigeren Teil des Wirkens Müllers konzentriert wurde, jedoch bietet Schellings Dissertation durchaus anregende Einsichten. Weitaus problematischer erscheint, dass Schelling Leben und Werk Müllers trennt, sie in zwei voneinander geschiedenen Abschnitten der Arbeit behandelt und sich zudem im biographischen Teil fast gänzlich der Darstellung der Erinnerungen Müllers ausliefert. Schelling selbst attestierte Müller, nicht »besonders originelle und konstruktive Gedanken« verbreitet zu haben, eine Aussage, die zusätzlich die gewählte Methode einer Analyse des publizistischen Werkes in Frage stellt.46 In den folgenden Jahrzehnten blieb der Nachlass verschlossen, auch die von Margareta Kinner 1997 vorgelegte Dissertation »Karl Alexander von Müller (1882 – 1964). Historiker und Publizist« ist von dieser Beschränkung geprägt.47 Zudem verzichtete Kinner auf eine nennenswerte anderweitige Verbesserung der Quellenbasis, obwohl unterdes eine Reihe komplementärer Überlieferungen zugänglich geworden war. Das Hauptdefizit ihrer Arbeit ist jedoch der fast vollkommene Mangel an Distanz zum untersuchten Gegenstand. Müllers Werke, so Kinner, hätten »heute noch Gültigkeit«, böten »inhaltlich keine Angriffsfläche, da sie fachlich und wissenschaftlich sauber gearbeitet« seien.48 Ihre Darstellung endet mit dem entsprechenden Befund: Müller »mußte in einer Zeit leben, der er nicht gewachsen, für die er selbst zu weich war«, er reihte sich »selbst in die große willenlose Herde der ›Mitläufer‹ ein.«49 Weitaus reflektierter und informierter fiel hingegen, nur ein Jahr nach Kinners Dissertation, eine erste Darstellung der Rolle Müllers in der bayerischen Landesgeschichte aus.50 Zugleich nahm auch die Diskussion über die Rolle der deutschen Historiker im Nationalsozialismus, mithin auch des Engagements Müllers, an Fahrt auf. Auf dem Frankfurter Historikertag 1998 kulminierte die Debatte in einer Sektion, die selbst Bestandteil der Geschichte der Geschichtswissenschaft geworden ist.51 Als einflussreicher Historiker im NS-Staat fand Müller in den Kontroversen oftmals Erwähnung, ohne jedoch im engeren Sinne zum Forschungsgegenstand zu werden.52 Wenn auch das

46 Ebd., S. 60. 47 Vgl. Kinner, Müller. Auch diese Arbeit wurde über die Pflichtexemplare der Dissertation hinaus nicht veröffentlicht. 48 Ebd., S. 16. 49 Ebd., S. 361. 50 F. Kramer, Lehrstuhl für bayerische Landesgeschichte, zu Müller vgl. S. 365 – 378. 51 Vgl. den folgend publizierten Sammelband: Schulze/Oexle (Hg.), Deutsche Historiker. 52 Hinzuweisen ist jedoch auf zwei jüngere Beiträge Winfried Schulzes, vgl. Schulze, Historiker,

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Interesse an Müller seit seinem Tod nicht abgerissen ist, liegt eine wissenschafts- und historiographiegeschichtlich hinreichende Studie, trotz seiner zentralen Bedeutung für die deutsche Geschichtswissenschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nicht vor. Die Quellen sind »der Maßstab, an dem eine biographische Studie sich orientieren muss – aber nicht weil man in ihnen einer fragwürdigen singulären ›Wahrheit‹ auf die Spur kommen könnte, sondern weil sie alle Wahrheiten und Lügen, die wir kennen, gleichzeitig erzählen.«53 Seit Ende der 1990er Jahre war der Nachlass Müllers im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München zugänglich, fand gelegentliche Verwendung, harrte aber einer »ausgebreiteten Analyse.«54 Für die vorliegende Arbeit wurde der Nachlass erstmals systematisch und vollständig ausgewertet, neben einer Vielzahl die Laufbahn Müllers betreffenden Quellen findet sich hier vor allem die umfangreiche, den gesamten Untersuchungszeitraum umfassende Korrespondenz Müllers mit Historikern, anderen Wissenschaftlern, Wissenschaftspolitikern, Verlegern und persönlichen Freunden. Von besonderem Gewinn für eine Nachzeichnung der wissenschaftlichen Biographie erwiesen sich zudem die zu seinen Publikationen vorliegenden Überlieferungen, die jeweils Verlagskorrespondenzen sowie vielfältige Reaktionen auf die Veröffentlichungen umfassen. Ausgehend vom Nachlass wurden in mehr als vierzig weiteren Archiven staatliche, institutionelle und persönliche Überlieferungen ausgewertet. Gesondert zu verweisen ist auf die ermittelte Aufstellung der von Müller betreuten Dissertationen. Hinzu treten gedruckte Quellen und zeitgenössische Literatur, vor allem Rezensionen und Beiträge über Müller, sowie das ebenfalls erarbeitete Schriftenverzeichnis Müllers.55 Insgesamt ist die erschlossene Quellen- und Literaturgrundlage – das »Brot des Historikers«56 – als sehr gut zu bezeichnen. Das Ziel der Untersuchung ist eine Nachzeichnung der wissenschaftlichen Biographie des Historikers Müller, seine Rolle und sein Wirken innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik stehen im Mittelpunkt. Das weit darüber hinausreichende, publizistische Engagement wird in breitem Umfang berücksichtigt, soll jedoch nicht wie in früheren Studien von seinem hauptsächlichen Wirkungsfeld isoliert werden – der Historiker Müller profitierte von der publizistischen Begabung und dem

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Syndikus und Akademiepräsident; Schulze, Karl Alexander von Müller sowie auf Bernd Faulenbachs Eintrag zu Müller in: vom Bruch/Müller (Hg.), Historikerlexikon, hier S. 232 f. Karstens, Summe, S. 94. Zudem zu biographischen Quellen vgl. Fetz, Stoff. W. Ziegler, Historiographischer Überblick, S. 690. Eine Bibliographie der Schriften Müllers ist zu Lebzeiten nicht erschienen. Nach dem Tod teilte sein Sohn mit, er habe einen Vermerk gefunden, in dem sein Vater den Wunsch äußere, dass nach seinem Tod ein »Gesamtverzeichnis seiner sämtlichen Arbeiten veröffentlicht werden möge«. Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Vgl. Otto von Müller an Karl Bosl, 22. 3. 1965, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller. Nagel, Hitlers Bildungsreformer, S. 8.

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öffentlichen Zuspruch, der Publizist Müller wiederum gewann durch den wissenschaftlichen Rang eines Universitätshistorikers an Deutungs- und Wirkungsmacht. Allerdings sind Historikerbiographien vornehmlich der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wie ausgeführt, keineswegs eine Mangelware. Eine Biographie Müllers und ihre Untersuchungsanordnung kann daher mit anderen Lebensdarstellungen deutscher Historiker verglichen werden. Für seine Biographie Friedrich Meineckes wählte Stefan Meineke den Weg einer tiefenpsychologischen Überlegungen nicht ausweichenden Gesamtdeutung Meineckes als Historiker, aber auch als Mensch. Der Preis für diese Tiefenschärfe – die Darstellung reicht nur bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, wesentliche Jahrzehnte der Wirksamkeit Meineckes sind biographisch nicht erforscht. Hingegen teilte Cathrin Friedrich ihre Studie über Erich Brandenburg in drei mehr oder weniger gleich große Teile auf, Leben und Werdegang, politische Identität sowie das »Geschichtswerk« folgen aufeinander.57 David Thimmes Biographie Percy Ernst Schramms, aber auch die von Thomas Hertfelder vorgelegte Studie über Franz Schnabel, waren stark auf die Geschichtsschreibung ihrer Protagonisten konzentriert. Hans Cymorek stellte seiner Darstellung Georg von Belows voran, trotz der »Mühsal des Lesers« habe Below einen »Anspruch darauf, daß sein Werk im ganzen zur Kenntnis genommen« werde.58 Hingegen wollte Jan Eckel eine »intellektuelle Biographie« Hans Rothfels’ präsentieren, doch nicht nur in der Gewichtung einzelner Aspekte lassen sich die Arbeiten unterscheiden. So nutzte Jens Nordalm in seiner Erich Marcks gewidmeten Studie fast ausschließlich von Marcks verfasste Briefe, die Sicht seines »Helden« auf die Welt, seine Mitteilungen an diese wurden sehr genau, Reaktionen hingegen kaum dargestellt.59 Im Lichte der skizzierten Studien, die jeweils ihrem Protagonisten angemessene Schwerpunkte zu setzen hatten, werden die für eine Darstellung des Historikers Müller vorzunehmenden Gewichtungen deutlich. Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Karriere stand, dies wird für die Untersuchung angenommen, Müllers Rolle in der deutschen Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus. Eine Deutung seines Wirkens in der NS-Zeit bedarf sowohl der Darstellung seines Weges in den Nationalsozialismus als auch seines Weges aus diesem hinaus. Es wird zu zeigen sein, dass sein Aufstieg zum führenden Historiker im Nationalsozialismus keineswegs zwangsläufig verlief. Jedoch gibt erst sein herausgehobener Rang im NS-Staat dem Historiker Müller eine besondere »Biographiewürdigkeit«.60 Eine zeitliche Begrenzung der Studie auf einzelne Lebensphasen Müllers scheidet demnach aus, ebenso die bevorzugte Berücksichtigung einzelner Wirkungsfelder. Die verschiedenen, teils dispa57 58 59 60

Meineke, Meinecke; Friedrich, Brandenburg. D. Thimme, Schramm; Hertfelder, Schnabel; Cymorek, Below, S. 21. Eckel, Rothfels; Nordalm, Marcks. Eine sicher fragwürdige, gleichwohl für die Auswahl eines Untersuchungsgegenstandes zumindest zu erwägende Kategorie, vgl. Schweiger, »Biographiewürdigkeit«.

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raten »Rollen« dieses deutschen Historikers erklären sich nur in ihrem Zusammenspiel, publizistisches, historiographisches, aber auch institutionelles Werk bedingen einander. Jedoch, alle drei benannten Wirkungsfelder allein würden die Gründe für Müllers Erfolg nicht hinreichend erhellen, sein spezifischer »Ort« in der deutschen Geschichtswissenschaft ist nicht zu trennen von seiner Persönlichkeit. Für die Karriere des Historikers Müller, dies wird zu zeigen sein, kommt dieser beklagenswert unpräzisen Kategorie eine besondere Bedeutung zu. Kaum zufällig wurde vor allem Müllers literarische Begabung, seine persönliche Darstellungskraft, zum vielgelobten Merkmal seines veröffentlichten Werkes. Prägend für die Karriere Müllers war seine besondere Fähigkeit zur vielfältigen und erfolgreichen Kommunikation mit der ihn umgebenden Welt. Müller erwarb Ansehen und Rang weniger als Historiograph denn als Persönlichkeit, die in ihrer Vielschichtigkeit und Anschlussfähigkeit zum allseits geschätzten Adressaten von durchaus widersprüchlichen Anforderungen wurde. Müllers Karriere als Historiker ist demnach auch immer zu lesen als ein Spiegel der Krisen, Frage- und Problemstellungen der Geschichtswissenschaft seiner Zeit. Deshalb ist der Blick der Disziplin auf Müller ebenso wichtig wie seine Wahrnehmung, eine Beschränkung auf die Darstellung nur einer Seite dieser Kommunikationsbeziehung erschien nicht ratsam. Schließlich bietet eine wissenschaftliche Biographie Müllers auch die Möglichkeit, die sich im Untersuchungszeitraum verändernde Praxis des Historikers in den Blick zu nehmen. Der Wandel des Rollenbildes »Historiker« kann am Beispiel Müllers nachgezeichnet werden, bildete sich doch die zugleich zunehmende Bedeutung von öffentlicher Wahrnehmung wie auch institutioneller Präsenz in seinen wesentlichen Erfolgsfeldern idealtypisch ab. Eine lohnenswerte Frage an die Geschichtswissenschaft zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik wie auch an die wissenschaftliche Biographie Müllers lautet deshalb: »Wer ist und was ist ein Historiker«?61 Gegliedert ist die Untersuchung im Wechsel von Chronologie und thematischer Schwerpunktsetzung. Der wirkmächtige Sog des Lebenslaufes Müllers sollte nicht schlicht reproduziert, sondern interpretiert werden. Obwohl »Überlegungen zu einer angemessenen Periodisierung des jeweiligen historischen Gegenstandes […] seit der Verwissenschaftlichung der Geschichte zum Grundbestandteil der theoretischen Diskussion« gehören, verblieben für lange Zeit »zahlreiche Arbeiten zur Historiographiegeschichte in den engeren Grenzen der von der Politik« vorgegebenen Epochen.62 Ließe schon allein der historiographiegeschichtliche Zuschnitt eine an den wechselnden politischen Systemen orientierte Einteilung fragwürdig erscheinen, so wird dies durch 61 vom Bruch, Historiographiegeschichte, S. 259. Zu Möglichkeiten und Problemen einer den »Einzelfall« in den Mittelpunkt rückenden, personalisierten Geschichtsdarstellung vgl. Hardtwig, Personalisierung; Pohlig, Fallstudie. 62 Cornelißen, Geschichtswissenschaft, S. 281.

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den biographischen Gegenstand gänzlich obsolet. Denn mit Biographien sind »exemplarisch Brüche und Kontinuitäten« aufzuzeigen, die »eventuell jenseits der gängigen historiographischen Periodisierungen verlaufen«63, eine Chance, die nicht ungenutzt bleiben sollte. Schließlich sind Gliederungen nicht zuletzt Interpretationen, gelegentlich wirkmächtiger als offen ausgesprochene Wertungen. Entsprechend wurde der Lebenslauf Müllers gliedernd interpretiert. Das mit »Aufbruch« betitelte Kapitel seiner Jugend- und Prägejahre im wilhelminischen Kaiserreich umfasst deshalb auch die ersten beiden Jahre des Ersten Weltkrieges, denn zur Karriere des Nachwuchshistorikers trat mit der Begeisterung des »August 1914« eine lebenslang formende Erfahrung. Jedoch, diese Erfahrung endete für Müller wie für viele kriegsbegeisterte Bildungsbürger nicht mit dem Ende des Krieges, sondern bereits zwei Jahre zuvor mit dem Zerbrechen der vermeintlichen »Einheit« in der Kriegszieldebatte. Müllers zugespitzt als »Enttäuschung« bezeichnete Phase einer ersten politischen Radikalisierung beginnt deshalb bereits im Ersten Weltkrieg. Im dritten Kapitel reicht diese Hauptzeit seines publizistischen Engagements bis zum Höhepunkt der Krise der Weimarer Republik 1923/24. Dem Historiker Müller, im Eingangskapitel noch im Mittelpunkt der Studie und unterdes hinter den Publizisten zurückgetreten, wird anschließend in zwei Abschnitten besondere Aufmerksamkeit zuteil – als erfolgreichem Darsteller wie als institutionell Engagiertem, bei Berufungen aber noch Scheiternden. Im anschließenden vierten Kapitel werden zwei »Ankünfte« Müllers zusammengefasst, seine wissenschaftliche Ankunft als Universitätshistoriker mit der Erlangung eines Lehrstuhls sowie seine politische Ankunft im Nationalsozialismus. Es ist dem biographischen Zufall zu verdanken, dass eben in der Mitte zwischen beiden mit dem fünfzigsten Geburtstag Müllers ein erster zeitgenössischer Anlass zur herausgehobenen Ehrung plaziert war. Der Aufstieg als Historiker im Nationalsozialismus jedoch, adäquat der Konstituierung des NS-Staates wie einer nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft, begann für Müller erst Mitte der 1930er Jahre. Im entsprechenden Abschnitt des fünften Kapitels wird sein Wirken nicht zeitlich, sondern thematisch geordnet – als Universitätshistoriker, als Herausgeber der Historischen Zeitschrift sowie als Förderer der nationalsozialistischen »Judenforschung«. Im zweiten Abschnitt des Kapitels »Erfolg« wird, wie zuvor für die Weimarer Republik, der Bedeutung wissenschaftlicher Institutionen für die Karriere Müllers Rechnung getragen. Als Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und einflussreicher Sekretär ihrer Historischen Kommission verfügte Müller über eine nicht zu unterschätzende institutionelle Macht im nationalsozialistischen Wissenschaftsbetrieb. Im Zweiten Weltkrieg änderte sich Müllers Rolle für den NS-Staat nochmals, er wurde zum Kriegspropagandisten. Zum einen gegen England, zum anderen für eine an Begriffen wie »Reich« und »Deutsche Größe« orientierte Neuordnung Europas 63 Jaworski/Petersen, Biographische Aspekte, S. 50.

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argumentierte Müller. Am Ende dieser Zeit der Erfolge stand mit Müllers sechzigstem Geburtstag der Höhepunkt seiner Karriere als Historiker für den Nationalsozialismus. Der ab 1942 ausbleibende Kriegserfolg ließ auch Müller erste Distanzierungen vornehmen. Nun trat er als Herausgeber der Literatur- und Kulturzeitschrift Corona in Erscheinung. Nicht zuletzt die Ermordung Kurt Hubers leitete eine Phase des Rückzuges Müllers ein. Sein persönlicher »Untergang« kulminierte im Zusammenbruch 1945 mit dem Verlust aller Ämter, auf den eine langsame Konsolidierung folgte. Im abschließenden Kapitel »Rückkehr« wird zuerst die besondere Bedeutung der Erinnerungen Müllers betont und anschließend die weniger selbstverständliche Rekonstruktion seines wissenschaftlichen Netzwerkes problematisiert. Müllers siebzigster Geburtstag stellte ein Zwischenfazit seiner disparat verlaufenden Rehabilitierung dar, die im letzten Abschnitt unterteilt in die Sphären eines öffentlichen Autors wie eines wissenschaftlichen Historikers untersucht wird. Am Ende der Biographie wie auch der Untersuchung stehen sein achtzigster Geburtstag sowie die die Arbeit anregende Frage: Was für ein Historiker war Müller, wer war Karl Alexander von Müller in der deutschen Geschichtswissenschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts? Nicht strikte Abgrenzung64, sondern eine vielfältige methodische Anregung hat den Fortgang der Untersuchung befördert, es »herrscht – zumindest in der Praxis – Methodenpluralismus.«65 Eines der wichtigsten Ergebnisse der intensiven Quellenrecherche war ein sich in der Korrespondenz Müllers mit anderen Historikern, in den Überlieferungen von Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen, in den Veröffentlichungen und herausgegebenen Zeitschriften abbildendes Beziehungsgeflecht von wechselnder Qualität und Quantität – ein »kommunikatives Netzwerk« der deutschen Geschichtswissenschaft mit Müller als einem zentralen Knotenpunkt. Allerdings, zur Entdeckung eines Netzwerkes unter den professionellen, an Universitäten arbeitenden deutschen Historikern um 1900, 1920 oder 1940 bedarf es keines methodischen oder analytischen Geschicks. Weitgehend homogen sozialisiert, politisch das Spektrum des nationalkonservativ bis liberal Bildungsbürgerlichen selten überschreitend – wenig überraschend weist die überschaubare deutsche Historikergemeinde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eng vernetzte Strukturen auf. Die Überlegungen der »Netzwerk-

64 »Historiker wissen nur allzugut, daß es in Kontroversen um Theorien und Methoden von Wissenschaft nicht nur um Kreativität und Innovativität, um Beweiskraft und Erklärungskraft geht, sondern auch um professionelle Abgrenzungen, politische Werthaltungen und soziale Auseinandersetzungen.« Vgl. Trischler, Geschichtswissenschaft, S. 243. 65 Es gibt »Eiferer, die spezifische Zugänge für die alleinseligmachenden halten, aber das sind Randerscheinungen. Letztlich finden Historiker in dem Prinzip, daß sich der Wert eines Verfahrens in der Praxis zu erweisen hat, immer einen Konsens«. Vgl. Herbst, Komplexität, S. 26.

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forschung«66 haben deshalb die Auswertung dieser »Beziehungsgeflechte« angeregt, nicht zuletzt um Kontinuität und Wandel des Netzwerkes Müllers nachzuzeichnen sowie Inhalt, Qualität und Quantität seiner einzelnen Kommunikationsbeziehungen zu interpretieren. Eine methodischen Ansprüchen genügende Netzwerkanalyse erwies sich jedoch für eine wissenschaftliche Biographie Müllers nicht als zielführend, ist die Arbeit doch ihrem Gegenstand gemäß auf einen, zudem in seiner singulären Stellung sehr profilierten Knotenpunkt und dessen Beziehungen konzentriert.67 Eine metaphorische Verwendung des Netzwerkbegriffs erschien hingegen vertretbar. Vor allem Müllers vielfältig verbundene, institutionelle Beziehungen sind in dieser Weise knapp, aber zutreffend bezeichnet.68 Als ähnlich anregend erwies sich das an der wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchung von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft orientierte Modell von Ressourcenkonstellationen bzw. -ensembles.69 Ebenfalls besonderer Beliebtheit in der wissenschaftshistorischen Forschung der vergangenen Jahre erfreute sich die in naturwissenschaftlichem Kontext von Ludwik Fleck entwickelte Konzeption vom Denkstil und Denkkollektiv70, allerdings gleich dem Netzwerk oftmals eher metaphorisch denn methodisch hinreichend angewendet.71 Die analytischen Möglichkeiten des Konzepts verdeutlichte beispielgebend die von Thomas Etzemüller vorgelegte Untersuchung des Denkstils Werner Conzes.72 Angesichts der auszuführenden Struktur des historiographischen »Werkes« Müllers, der – zugespitzt formuliert – generell zu bezweifelnden Bedeutung der Inhalte dieses Werkes für seine erfolgreiche Karriere, erwies sich eine Analyse seines »Denkstils« als nur bedingt ergebnisreich. Vielfach in der Erarbeitung der Biographie Müllers angewandt wurden hingegen Konzeptionen von Generation, Generationalität bzw. generationellen Prägegemeinschaften, vor allem bezüglich des Verhältnisses von akademischer Lehrer- und Schülerschaft.73 Jedoch rechtfertigte die generationelle Eingruppierung des im Mittelpunkt stehenden Protagonisten keine Hervorhebung als vermeintlich die Untersuchung leitende Methode. Es wird zu zeigen sein, dass Müller selbst keiner einzelnen, scharf abzugrenzenden Generation angehörte, sondern an verschiedenen, teils konträren Generationsverbünden partizipierte. Die prägende Erfahrung seiner Alterskohorte, der sogenannten »Frontgeneration«, teilte er nicht. Hingegen sollte 66 Barkhoff u. a. (Hg.), Netzwerke; Boyer, Netzwerke und Geschichte; Derix, Vom Leben in Netzen; Lemercier, Netzwerkanalyse in den Geschichtswissenschaften. 67 Konzise zu Möglichkeiten und Problemen für Biographien vgl. Lenger, Netzwerkanalyse. 68 Vgl. Fangerau/Halling (Hg.), Netzwerke. Allgemeine Theorie oder Universalmetapher. 69 Einführend vgl. Ash, Wissenschaft und Politik als Ressource. 70 Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 71 Als eine begriffsgeschichtliche Einbettung vgl. Werle, Stil, Denkstil, Wissenschaftsstil. 72 Etzemüller, Conze sowie pointiert Etzemüller, Kontinuität und Adaption eines Denkstils. 73 Reulecke (Hg.), Generationalität und Lebensgeschichte; Jureit/Wildt (Hg.), Generationen; Parnes u. a., Konzept der Generation.

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Müller die folgende »Kriegsjugendgeneration« deutscher Historiker auch aufgrund gemeinsamer Erfahrungen im Ersten Weltkrieg stark beeinflussen. Als Angehöriger dieser Generation kann er jedoch, gut zwei Jahrzehnte früher geboren, nicht angesehen werden. Müller wirkte weitaus weniger als Bestandteil einer einzelnen generationellen Prägegemeinschaft denn als »Bindeglied« zwischen verschiedenen Generationen, suchte sich nicht zuletzt im Nationalsozialismus als »Moderator« von intergenerationellen Konflikten zu profilieren. Auch ein solcher Befund unterstreicht den aus dem Konzept der Generation zu erzielenden, historiographiegeschichtlichen Erkenntnisgewinn, wenn auch der Lebenslauf Müllers an dieser Stelle die Grenzen markiert.

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2. Aufbruch (1882 bis 1916) 2.1 Jugend- und Prägejahre im wilhelminischen Kaiserreich In einem kurzen, freundlichen Brief wandte sich Thomas Mann im Januar 1916 an Müller. Er dankte »herzlich für die Übersendung Ihres schönen, hochgestimmten Zwiegesprächs. Es ist ja von Kleist beeinflußt – ebenso fromm lapidar und gelöbnishaft, wie sein ›Katechismus der Deutschen‹, aber ohne dessen schrecklichen Haß, – milder und menschlicher, wie die heutige Lage Deutschlands es erlaubt.«1 Ein Artikel Müllers in den Süddeutschen Monatsheften hatte Manns Interesse geweckt.2 Seit dem Herbst des Vorjahres schrieb Mann an seinen »Betrachtungen eines Unpolitischen«, auch Kleists politische Schrift, ein gutes Jahrhundert zuvor entstanden, würde Aufnahme finden.3 Ob Müllers Artikel und dessen stilistische Nähe Mann zur Verwendung anregte, muss offen bleiben.4 Doch, was verhalf einem 33jährigen promovierten Historiker, Akteneditor der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und seit Kriegsausbruch Schriftführer sowie Referent des Frauenvereins des Münchner Roten Kreuzes, zum Vergleich mit Heinrich von Kleist? Im Folgenden soll der Weg Müllers bis zum lobenden Brief des Erfolgsschriftstellers und künftigen Nobelpreisträgers Mann nachgezeichnet, sollen Müllers Herkunft, Jugend, Studium und Berufswahl im wilhelminischen Kaiserreich beleuchtet werden. Ein Aufbruch, so wird zu zeigen sein. 2.1.1 Eine Jugend um 1900 Gemeinhin wird, von den Zeitgenossen wie retrospektiv, die Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert als krisenhaft wahrgenommen, in Vorahnung des Zeitalters der Weltkriege beschrieben. Neu war dieses Phänomen intensivierter Wahrnehmung nicht, bereits um 1800 erzeugte der »Übergang von einem Jahrhundert ins nächste […] eine besondere Art politischer Reflexion«, in »einer vielstimmigen und dissonanten Selbstbeschreibung des Fin-deSiÀcle war dies 1900 erneut der Fall, wenn auch unter umgekehrten Vorzei1 2 3 4

Thomas Mann an Müller, 21. 1. 1916, BayHStA, NL von Müller 474. Müller, Zwiesprach (1916). Mann, Betrachtungen eines Unpolitischen, S. 172. Die Entstehung der »Betrachtungen« über mehrere Jahre und in immer wieder überarbeiteten Fassungen gestaltete sich »sehr kompliziert«, jedoch schloss Mann das Kapitel »Gegen Recht und Wahrheit« in einer ersten Fassung im August 1916 ab, ein gutes halbes Jahr nach der Lektüre von Müllers Artikel, vgl. Mann, Betrachtungen eines Unpolitischen. Kommentar, S. 43, 50 f.

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chen. Zum Fortschrittsdenken im Bewußtsein wachsender Freiheit gesellte sich Zukunftsskepsis im Bewußtsein kapitalistischer Hörigkeit.«5 Die Wende zum 21. Jahrhundert hat eine umfangreiche Reflexion auch über die Zeit um 1900 angeregt. Betont wurde vor allem, die Jahrhundertwende markiere »nicht so sehr eine reale sozial-, wirtschafts- oder politikgeschichtliche Zäsur als vielmehr eine gigantische Verdichtung von Wahrnehmung, Deutungen und Ideen.«6 Der enorme Wandel der Jahrzehnte zuvor erzeugte jedoch nicht nur ein Lebensgefühl von abwechselnder »Allmacht oder Ohnmacht« ob der sich rasch wandelnden Alltagswelt7, vor allem ließen die Bürger des Kaiserreiches ein überaus erfolgreiches Jahrhundert hinter sich. Der Gewinn von staatlicher Einheit, wirtschaftliche Prosperität, hohes wissenschaftliches und kulturelles Ansehen: Die unmittelbare Jahrhundertwende vollzog die Elite des Kaiserreichs mit Optimismus.8 Dass dies rasch umschlug, dass die Suche nach Erhalt und Ausbau des Erworbenen bald in Verlust- und Bedrohungsszenarien mündete, verdeutlicht vor allem die Fallhöhe einer Generation des permanenten Aufstiegs. Zwar wird auch im engeren politischen Sinne die Zeit um 1900 als Phase des beginnenden Niedergangs interpretiert, mit dem Amtsantritt Wilhelms II. als »Anfang vom Ende«, als »Wende zum Schlechten«9 – doch erscheint dies eher als ein rückblickender, historischer Befund. Das Oszillieren der Zeitgenossen zwischen Aufbruch und Krise war nicht empirisch begründet, deshalb aber keineswegs weniger wirkmächtig: »Ausschlaggebend ist der zeitverdichtende Wahrnehmungshorizont.«10 Wie nahm der am 20. Dezember 1882 geborene, zur Jahrhundertwende 17jährige Müller diese vermeintliche Umbruchzeit wahr? Zeitgenössische Quellen, Briefe oder ein Tagebuch existieren nicht. Diesem Mangel wurde in den bisherigen Darstellungen seiner Jugendzeit mit der Konsultation der Erinnerungen, vor allem mit dem ersten bis 1914 reichenden Band »Aus Gärten der Vergangenheit«, begegnet.11 So verführerisch, nicht zuletzt angesichts der bildhaften Sprache Müllers, dieses Vorgehen erscheint, so wenig ist es hinreichend begründbar. Über die notwendige, allgemeine methodische Reflexion zur Autobiographik hinaus12, lassen die besonderen Entstehungsbedingungen der Memoiren Müllers vor einer Verwendung zögern. Einsetzend mit der Veröffentlichung eines Teils seiner Kindheitserinnerungen im unterge5 Hübinger, Säkulare Zeitwendung, S. 371; vgl. auch Lehmann u. a. (Hg.), Jahrhundertwenden. 6 Frevert, Jahrhundertwenden, S. 13. Vgl. zudem weitere Beiträge in diesem Sammelband: Frevert (Hg.), Das neue Jahrhundert. Europäische Zeitdiagnosen und Zukunftsentwürfe um 1900. 7 Vgl. entsprechend A. Schwarz, Allmacht und Ohnmacht. 8 Vgl. F. Möller, Aufbruch ins 20. Jahrhundert, hier S. 739. 9 Scholtyseck, Deutsches Kaiserreich, S. 527. 10 Hübinger, Säkulare Zeitwendung, S. 371. Vgl. zudem Ullrich, Die nervöse Großmacht. 11 Trotz des vorangestellten Hinweises, gegenüber Müllers Erinnerungen sei »größte Vorsicht geboten«, basiert Schellings Darstellung fast ausschließlich auf den Memoiren, vgl. Schelling, Müller, S. 1 – 17. Selbiges durchgehend bei Kinner, Müller. 12 Vgl. Günther, Prolegomena zur Autobiographie.

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henden Nationalsozialismus13, mithin ein Bestandteil seines fragwürdigen Reflexions- und Ablösungsprozesses, wurden die »Gärten der Vergangenheit« für Müller in den frühen 1950er Jahren zum Rückfahrschein in die bürgerliche Gesellschaft. Eine publizistische Karriere Müllers in der Bundesrepublik konnte erst beginnen, als mit der Veröffentlichung und wohlmeinenden Rezeption seiner Erinnerungen ein Gemeinsamkeit herstellendes Interpretament seines Lebenslaufes vorlag. Ihrem Entstehungskontext und Zweck entsprechend sind die Memoiren als interessegeleiteter, zugleich vielsagender Beitrag Müllers zur Wahrnehmung und Interpretation seiner eigenen Biographie zu lesen. Die Jahrhundertwende spiegelte sich in diesen »Gärten der Vergangenheit« mit eben jener Zerrissenheit, Unruhe, Bedrängnis und Nervosität, die ihr oftmals zugeschrieben worden ist. Der Autobiograph Müller »berichtete« von sich auflösender Traditionsgebundenheit und noch ziellosem Zukunftsdrang.14 Seine Teilhabe am in dieser Weise vielfach wiedergegebenen Zeitgeist muss nicht bezweifelt werden, es spricht für sich, dass seine Beschreibung auch als Gewähr für reflektierte Auseinandersetzungen mit der Wende zum 20. Jahrhundert geeignet erschien.15 Müllers Darstellung seiner Jugendwelt, die das »Alte« bedauernd hinter sich habe lassen müssen, deren »Neues« eruptiv die Welt eroberte, liest sich zwangsläufig als Erklärung für die folgende, vermeintlich unabwendbare »Entladung« in Weltkrieg und Kriegsbegeisterung. Doch aus welchem Milieu stammte der junge Müller, mit welchem Erfahrungshorizont trat er in das 20. Jahrhundert? Entnimmt man Müllers nachträglicher Beschreibung seines Aufwachsens die bestimmenden Pole – eine tief verwurzelte, aber nicht länger unverändert haltbare Tradition sowie eine zugleich befürchtete wie erhoffte Zukunft –, sind in seiner Biographie durchaus entsprechende Prägungen auszumachen.16 Das bayerische Königreich, in dessen Metropole München Müller 1882 geboren wurde, befand sich spätestens seit der Reichsgründung 1871 in einem politischen, wirtschaftlichen, aber auch kulturellen Veränderungs- und Modernisierungsprozess.17 Konfliktfrei vollzog sich die Integration Bayerns in das Kaiserreich nicht, der preußisch-norddeutsch geprägten »kleindeutschen« Reichseinigung stand 13 Müller, Aus einer Münchner Kinderzeit (1943). Zur Entstehung und Veröffentlichung des Beitrages in der von Müller mit herausgegebenen Zeitschrift Corona vgl. Kapitel 6.1.1. 14 Müller, Gärten (1951), S. 194 – 241. 15 So wird Müllers Selbstbeschreibung als »wir Heranwachsenden der Jahrhundertwende« zum Beleg für die Jahrhundertwende als »integratives Motiv […], in dem sich eine ganze Generation wiedererkannte« verwendet, vgl. Brendecke, Jahrhundertwenden, S. 252. Allerdings verschweigt Brendecke Müllers negative Konnotation dieser Erfahrungsgemeinschaft, vollständig lautet Müllers Satz: »Auch hier freilich hatten wir Heranwachsenden der Jahrhundertwende es ungut getroffen.« Anlass für Müllers Klage war die aus seiner Sicht zunehmend schwierige geistige Orientierung um 1900 – »Der Kunst wie der Erziehung um uns fehlte die sichere innere Zielsetzung.« Vgl. Müller, Gärten (1951), S. 198. 16 Vgl. ausführlich Müller, Gärten (1951), S. 9 – 172. 17 Vgl. Albrecht, Reichsgründung.

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eine bayerische Wahrnehmung zunehmender preußischer »Usurpation der deutschen Geschichte«18 skeptisch gegenüber, überdies bescherte die »Königskatastrophe« Bayern 1886 mit der Entmündigung und dem Tod des Regenten Ludwig II. eine veritable Staatskrise. Der Vater Müllers, Ludwig August von Müller, zählte als Kabinettssekretär Ludwigs II., Polizeipräsident Münchens und späterer Kultusminister zur politischen Elite des bayerischen Staates.19 Glich seine Tätigkeit für den König noch einer kurzen Episode20, galt der Karrierebeamte ab 1890 als der »eigentliche starke Mann im Kabinett«.21 Kurzum, Müllers Herkunft war groß- bzw. bildungsbürgerlich, von elitären Zügen gekennzeichnet, zugleich dezidiert leistungsorientiert. Leistung, Bildung, Kunstsinnigkeit22 – die Bürgerlichkeit der Herkunft Müllers fand vor allem in der selbstverständlichen Teilhabe an der Führung des Gemeinwesens ihren Ausdruck.23 Erblich war diese Teilhabe allerdings nur bedingt, Müllers Vater war erst 1891 nobilitiert worden. Adelige Bindungen und Standeswahrnehmungen können für den jungen Müller daher keine besondere Rolle gespielt haben. Die Verbindung aus bürgerlicher Leistungsaristokratie und für diese Leistung verliehenem, erblichem Adelstitel, ein im Kaiserreich Verbreitung findender Adelstypus24, allerdings prägte ihn sehr wohl. Unterstützung fand dies zudem in seiner Herkunft mütterlicherseits, sein Großvater Karl Alexander von Burchtorff entsprach als Polizeidirektor in München und langjähriger Regierungspräsident von Oberfranken eben jenem »doppelten« Adel.25 Während Müller in Bayern zweifellos als Teil der Mehrheitsgesellschaft aufwuchs, überdies der Ober- und Führungsschicht zugehörig, zählte er im preußisch und protestantisch dominierten Kaiserreich als Bayer wie Katholik in zweierlei Hinsicht zur Minderheit. Wie randständig diese Minderheit jedoch tatsächlich um 1900 noch gewesen ist, wird zunehmend in Frage gestellt. An die »Stelle der Dichotomie von Zentrum und Peripherie« sind »Aushandlungsprozesse, Aneignungsprozesse und Transferprozesse getreten«, weniger die Gegensätzlichkeit als das Ergänzende ist in den Fokus gerückt, die »Provinz und die Region waren das ›zweite Vaterland‹.«26 Mit zunehmendem 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Körner, Bayern, hier S. 142 – 151. Bosl (Hg.), Bosls bayerische Biographie, S. 536; Schärl, Beamtenschaft, S. 103. C. Botzenhart, Schattenkönig, S. 155 f. Albrecht, Reichsgründung, S. 403. Vgl. den Abschnitt »Kunstdebatten unter dem Kultusminister Ludwig August von Müller (1890 – 1895)« in: Ludwig, Kunst, Geld und Politik, S. 47 – 59. Vgl. zu Problemen und Abgrenzungen den Forschungsüberblick Thomas Mergels, der auch eine »Entdeckung der Vielfalt des Bürgertums« konstatiert, Mergel, Bürgertumsforschung, S. 516. Zur Entwicklung des Adels im 20. Jahrhundert vgl. Malinowski, Vom König zum Führer, zur Nobilitierungspraxis S. 122 – 127. Vgl. zudem E. Conze u. a. (Hg.), Aristokratismus. Vgl. anlässlich des 70. Geburtstages den Beitrag »Regierungspräsident Karl v. Burchtorff« in den »Academischen Monatsheften« sowie zur Karriere Burchtorffs: Bloss-Mannal u. a. (Hg.), Freistaat Bayern, S. 13 f. Weichlein, Nationalismus, S. 329. Zu diesem wechselseitigen Integrationsprozess, v. a. am Beispiel von Transport- und Kommunikationswegen vgl. auch Weichlein, Nation und Region.

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zeitlichen Abstand zum »Kulturkampf« verloren auch die konfessionellen Spannungen ihre Dringlichkeit27, bis zum Weltkrieg vollzog sich eine »Aussöhnung der katholischen Eliten wie Massen mit Nation und Nationalkultur«.28 Randständig war Müller als bayerischer Katholik im wilhelminischen Kaiserreich demnach nicht, auch wenn er dem klassischen Herkunftsmilieu der Historiker seiner Zeit – dem protestantischen, norddeutschen Pastorenhaushalt – nicht entstammte. Die »zwiespältige Stellung des Kaiserreiches zwischen Beharrung und Aufbruch«29 drückte den Jugendjahren Müllers fraglos ihren Stempel auf, ob und wie die skizzierten Prägungen seine Entwicklung als Historiker beeinflussten, wird zu zeigen sein. Diese sozial ausgesprochen gut gestellte, gesicherte und ihrer Traditionen versicherte Herkunft, die den Weg Müllers gleichsam vorzuprägen schien, bricht im persönlichen, familiären Leben mit dem frühen Tod des Vaters 1895. Von dominierendem Einfluss, erscheint der beruflich erfolgreiche, leistungsund durchsetzungsfähige Ludwig August von Müller in der Retrospektive der Erinnerungen Müllers auch als vermisster Vater, vor allem jedoch als drohendes Menetekel, vor dessen Hintergrund Müller seiner Persönlichkeit die gewünschten Konturen geben konnte: »Ich war im Gegensatz zu ihm eine viel weichere, anschmiegsamere Natur, die sich gern und leicht einem Bewunderten hingibt«.30 In den Jahrzehnten, die zwischen der hier beschriebenen Kinderzeit und dem Abfassen der Erinnerungen in den späten 1940ern liegen, würde Müller durchaus weniger devot, zielstrebiger und selbstbewusster agieren. Schwäche, Verführbarkeit, leichtsinniges Versagen – in der Beschreibung seiner vermeintlichen jugendlichen Prägungen suggerierte Müller die genehme Interpretation seiner Biographie, durchaus mit Erfolg.31 Unbenommen davon bleibt, dass der frühe Verlust nicht ohne tatsächliche Wirkung auf Müller geblieben sein wird. Löst man sich von den Erinnerungen und beschränkt sich auf die zeitgenössischen Spuren der Jugendjahre, erweist sich Müllers Reaktion auf die Erschütterungen und Krisenerfahrungen seiner privaten wie gesellschaftlichen Welt als wenig spektakulär. Er folgte den Wegen seines Vaters, elitäre Bildung und Kultur gaben Halt und Orientierung. Das Münchner WilhelmsGymnasium besuchte Müller seit 1893 mit hervorragendem Erfolg.32 Nach 27 Vergleichend zu Katholizismus und Protestantismus im Kaiserreich: Blaschke/Kuhlemann (Hg.), Religion im Kaiserreich. 28 F. Becker, Konfessionelle Nationsbilder, S. 416. Vgl. zum katholischen Bildungsbürgertum im wilhelminischen Kaiserreich zudem: Langewiesche, Gebildeten. 29 Michel/Scholtyseck, Deutsches Kaiserreich, S. 211. 30 Müller, Gärten (1951), S. 144. 31 Schelling folgte der Selbstbeschreibung, passend ergänzt: »Dieser Erfolgsmensch stand fordernd vor dem weichen Knaben, der Karl Alexander war […]. Müllers späterer Drang nach äußeren Ehren und Würden, sein Bedürfnis, ›jemand zu sein‹, mögen ihren Grund in dem stetigen Appell zum Erfolg gehabt haben, der von dieser übergroßen Vaterfigur ausging.« Vgl. Schelling, Müller, S. 7. 32 Vgl. Müllers Schulzeugnisse, BayHStA, NL von Müller 1. Im Gymnasial-Absolutorium des

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Abschluss der Schulausbildung absolvierte er den für angehende Akademiker üblichen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger33 und begann im Herbst 1901, ebenso wie einst sein Vater, an der Münchner Universität ein Studium der Rechtswissenschaften. Diesem »klassischen« Bildungs- und Karriereweg des bayerischen Bildungsbürgertums um die Jahrhundertwende weiter folgend, bewarb sich Müller zugleich mit Erfolg beim Maximilianeum, einer Stiftung für Begabtenförderung. Im Oktober 1901 bestätigte der Vorstand des Maximilianeums, der Historiker Sigmund von Riezler, die Aufnahme Müllers.34 An der Universität hörte Müller von Beginn an, auch dies keine Besonderheit, bei einem vielfältigen Spektrum von Lehrenden. Neben juristischen Vorlesungen und Seminaren besuchte Müller Veranstaltungen des Historikers Karl Theodor von Heigel und des Germanisten Friedrich von der Leyen.35 Auch die Vorlesung des Nationalökonomen Lujo Brentano im Wintersemester 1902/03 ist in Müllers Kollegienbuch vermerkt. Sein Studienfreund Franz Gürtner berichtete begeistert: »Die Vorlesungen haben allgemein heute begonnen; großartig war die Antrittsvorlesung Brentanos in der ökonomischen Politik«.36 Einer Korporation schloss sich Müller nicht an, in dieser Hinsicht entsprach er der Mehrheit katholischer Studierender. An deren Einbindung in die sich wandelnde, zunehmend differenzierte Gesellschaft des Kaiserreichs kann jedoch kein Zweifel bestehen, wie Müller waren katholische Studierende und Akademiker zuallererst »auch Bildungsbürger«.37 Zweifellos befand sich die bildungsbürgerliche Welt im späten Kaiserreich in einem nicht immer offensichtlichen, jedoch steten Fragmentierungspro-

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Königl. Wilhelms-Gymnasiums München vom 13. 7. 1901 sind sämtliche Fächer mit »sehr gut« benotet. Vgl. auch Müllers Beitrag in einer Festschrift zur Vierhundert-Jahr-Feier des WilhelmsGymnasiums: Müller, Gedanken eines Abiturienten von 1901 (1959). »Zeugnis über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Dienst«, ausgestellt vom Rektorat des Wilhelmsgymnasiums am 14. 7. 1898, BayHStA, NL von Müller 1; Auszug aus Müllers Militärpass vom 22. 3. 1918 (»Eingetreten am 1. Oktober 1901 als Einjährig-Freiwilliger im K. 1. Feldartillerie-Regiment ›P. R. L.‹, 4. fahr. Batterie. Entlassen: 30. September 1902 zur Reserve.«), BayHStA, MK 44052. Weiteres ließ sich nicht ermitteln, Stammrollen für die fraglichen Jahre sind nicht erhalten, auch Akten des 1. Feldartillerie-Regiments über EinjährigFreiwillige existieren nicht lt. Schreiben des BayHStA, Abt. Kriegsarchiv an den Autor vom 12. 8. 2008. Vgl. zudem: Mertens, Bildungsprivileg und Militärdienst. Vorstand des Maximilianeums (Dr. S. Riezler), 30. 10. 1901, BayHStA, NL von Müller 1. Beispielhaft zur Bedeutung des Maximilianeums für die bayerische Elitenförderung vgl. Rumschöttel, Maximilianeum sowie Gollwitzer (Hg.), 100 Jahre Maximilianeum, Eintrag Müllers S. 223, seines Vaters S. 214. Kollegienbuch, BayHStA, NL von Müller 1. Zu Studenten im Kaiserreich, auch unter Verwendung der Erinnerungen Müllers, vgl. S. Möller, »Burschenherrlichkeit«, v. a. S. 218 f. Franz Gürtner an Vater, 26./27. 10. 1902, BArch, NL Franz Gürtner 8. Der spätere Reichsjustizminister (1932 – 1941) war ebenfalls Stipendiat des Maximilianeums. Müller wertete retrospektiv : »Die größte Berühmtheit und der bedeutendste Lehrer, den ich in meinem ersten Winter hörte, war Lujo Brentano.«, vgl. Müller, Gärten (1951), S. 265. Dowe, Bildungsbürger, hier S. 298, zum geringen Korporierungsgrad katholischer Studierender S. 308 – 314.

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zess.38 Auf das Wanken seiner persönlichen Lebenswelt, fünf Jahrzehnte später erinnernd mit den Veränderungen der politischen, sozialen und kulturellen Umwelt parallelisiert, reagierte der junge Müller jedoch zunächst mit der Fortschreibung des ihm vorgezeichneten Lebensweges, vor allem mit Bildungserwerb.39 An aufkommenden Jugendbewegungen wie dem Wandervogel nahm Müller nicht teil, zu ihrem ersten Höhepunkt um 1910 war er, wenn auch nur wenige Jahre, zu alt.40 Müller orientierte sich am Berufsweg des früh verstorbenen Vaters, vor allem mit Studienwahl und Stipendium schlug er den Weg zu einer höheren Beamtenkarriere ein. Diesen ersten Lebensentscheidungen Müllers ist der fünf Jahrzehnte darauf in seine Memoiren eingewobene, manifeste Zweifel an der eigenen Entwicklung nicht zu entnehmen. Als ursprüngliches Ziel seines Studiums gab Müller im Abstand eines halben Jahrhunderts die »diplomatische Laufbahn«41 an, wollte mithin als Staatsdiener in die Fußstapfen des Vaters treten, den engeren Rahmen der bayerischen Heimat aber verlassen. Eine Chance hierzu bot sich unverhofft rasch: Zu den ersten fünf deutschen Stipendiaten der Rhodes Scholarships, im Herbst 1903 von Wilhelm II. ausgewählt, zählte auch Müller.42 Die Wahrnehmung des deutschen Kaisers in Großbritannien wechselte bald von anfänglicher Akzeptanz zur schroffen Abneigung, von der Aufnahme Deutschlands unter die geförderten Staaten hatte dies den britischen Politiker und Mäzenaten Cecil Rhodes nicht abgehalten.43 Bis zum Sommer 1904 studierte Müller am Oxforder Oriel College, im Rückblick gewann diese Zeit eine kaum zu überschätzende Bedeutung. Beinahe ein Fünftel des ersten Erinnerungsbandes, der immerhin bis zu Müllers 32. Lebensjahr reicht, widmete sich dem Jahr am Oriel College.44 Gibt dies vor allem Auskunft darüber, wie Müller um 1950 die Phasen seiner »Lebensgeschichte« gewichtet sehen wollte, würde für seine historiographische Karriere die hier begonnene und in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr unterbrochene Beschäftigung mit England, englischer Geschichte und englischer Politik von besonderer Bedeutung sein. Zuallererst aber bescherte seine Auswahl Müller eine außergewöhnliche Erfahrung. Trotz der seit Mitte des 19. Jahrhunderts rasant zunehmenden, insbesondere den ökonomischen Bereich prägenden Vernetzung der europäischen Welt, waren inter- oder transnationale Erfahrungen für die Mehrzahl 38 Vgl. vom Bruch, Funktionen sowie Jarausch, Krise des deutschen Bildungsbürgertums. 39 Zur »Herausforderung des protestantischen Bildungsanspruchs« für den deutschen Katholizismus vgl. C. Weber, Katholizismus. 40 Die umfangreiche Literatur zusammenfassend: Ferchhoff, Wandervogel. 41 Müller, Gärten (1951), S. 256. 42 Die tatsächliche Auswahl nahm Friedrich Schmidt(-Ott) vor, vgl. P. Ziegler, Legacy, S. 47 f. Die deutschen Stipendiaten von 1903 und der Folgejahre sind aufgeführt in: Register of Rhodes Scholars, S. 253 – 263. Müllers jüngerer Bruder Albert zählte 1910 zu den Stipendiaten. 43 Die Verleihung der Ehrendoktorwürde der juristischen Fakultät der Universität Oxford an Wilhelm II. anlässlich seines Staatsbesuches im November 1907 wurde explizit mit seiner Unterstützung der deutschen Rhodes-Stipendiaten begründet, vgl. Reinermann, Kaiser, S. 318 f. 44 Müller, Gärten (1951), S. 297 – 398.

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der Deutschen neu.45 Die Auseinandersetzung mit fremden Nationen und deren Kulturen hingegen war, insbesondere unter Historikern, durchaus keine Seltenheit. Diese, oftmals indirekt durch Bearbeitung verwandter Themen und gegenseitige Rezeption der Forschungsergebnisse geführten »Historikerdialoge« wurden durch das Selbstverständnis, einer »kosmopolitischen Gemeinschaft der Gelehrsamkeit« anzugehören, zusätzlich befördert.46 Die Vorstellung aber, was eine Universität zu leisten habe, die universitäre Praxis in Deutschland und England unterschieden sich in nicht unerheblichem Maße. Trotzdem erfreute sich das deutsche Universitätsmodell in Oxford eines gewissen, wenn auch zumeist kritischen Interesses. Müller allerdings traf auf einen sich dezidiert am deutschen Vorbild, nicht zuletzt in der Abhaltung von Seminaren, orientierenden Oxforder Lehrenden. Der Jurist Paul Vinogradoff attestierte dem deutschen Stipendiaten: »I have found him a most intelligent and zealous pupil«.47 Erstaunlich wenig Raum in Müllers Erinnerungen nahmen Erfahrungen mit englischen Studenten ein. Der Vergleich englischer und deutscher Studierender hat eine Reihe von Gemeinsamkeiten, vor allem in sozialer Herkunft, Gemeinschaftsbildung, Geschlecht und nationaler Orientierung, ergeben.48 Der Zuwachs deutscher Studenten in Oxford jedoch habe die wechselseitige Wahrnehmung nicht in adäquatem Maße befördert49, zumindest sei die Wirkung auf die »britische Deutschlandwahrnehmung […] begrenzt« geblieben.50 Man wird, ohne die lebensprägende Bedeutung der individuellen Erfahrung mindern zu wollen, die Reichweite dieses »transnationalen« Austausches nicht überschätzen dürfen.51 Zumeist, angesichts dominanter nationaler Perspektiven, blieb es bei gegenseitiger Akzeptanz. Gering zu schätzen ist diese jedoch keineswegs, das erworbene Wissen über den »Anderen« würde nach beiden Weltkriegen für eine neuerliche Annäherung von Bedeutung sein. In Oxford kam es im November 1908 zudem zur Gründung einer »German Scientific Society«, noch im Gründungsmonat trat

45 Vgl. Conrad/Osterhammel (Hg.), Kaiserreich transnational sowie mit Schwerpunkt auf ökonomischen Aspekten, Conrad, Globalisierung. Zur begrifflichen Abgrenzung von »inter/ transnational« vgl. S. Zimmermann, International – transnational. 46 Berger/Lambert, Intellektuelle Transfers, hier S. 65 ff. Hinzu traten institutionalisierte Begegnungen wie der deutsch-amerikanische Professorenaustausch, nur wenige Jahre nach Müllers Zeit in Oxford, vgl. Laitko, Weltbetrieb. 47 Professor Vinogradoff, 6. 2. 1904 sowie »Certificate« des Oriel College, Oxford, 17. 6. 1904, BayHStA, NL von Müller 1. Vgl. zudem Schalenberg, Rezeption, zu Vinogradoff S. 221 f. 48 Levsen, Elite, zur Zeit vor dem Ersten Weltkrieg v. a. S. 31 – 171. 49 T. Weber, Friend, S. 65 – 68. Weber misst dem gegenseitigen Austausch eine höhere Bedeutung bei und betitelt das entsprechende Kapitel treffend mit »Transnational Nationalists«. 50 Brechtken, Kaiser, S. 214. Brechtken verweist auch auf Müllers Erinnerungen, dieser habe ein »gefühlvolles, mitunter verklärtes Bild seiner Erfahrungen« in Oxford gezeichnet, ebd. 51 Nach Weichlein stellt »transnationale Geschichte kulturelle und politische Transferprozesse in den Mittelpunkt«, vgl. Weichlein, Nationalismus, S. 276 f. Bezüglich Müllers Englandaufenthalt von tatsächlichen Transferprozessen zu sprechen, erscheint jedoch zu weitgehend.

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Müller der Gesellschaft bei.52 Seinen eigenen Studienaufenthalt in England hatte Müller, nach einem körperlichen Zusammenbruch, bereits nach zwei Semestern abbrechen müssen. Die vorzeitige Rückkehr nach Deutschland ließ ihn bald auch seine beruflichen Pläne überdenken.53

2.1.2 Promotion und Kooptation Als Heranwachsender dürfte Müller spätestens bei der höheren Schulausbildung, im Geschichtsunterricht, mit Geschichte als Wissenschaft in Berührung gekommen sein. Rückblickend berichtete er von seiner am Gymnasium erwachenden, jugendlichen Begeisterung für antike Geschichte, die allerdings »vor allem vom ›Kampf um Rom‹ her geweckt« worden sei.54 Nach seiner überstürzten Heimkehr aus England war Müller vorerst den Rechtswissenschaften treu geblieben und absolvierte im März 1905 die juristische Zwischenprüfung mit »Auszeichnung«.55 Die Zweifel am eingeschlagenen Berufsweg, vor allem an der als nötig empfundenen Konstitution, blieben aber bestehen. Seinen Wechsel zur Geschichte »inszenierte« Müller in den Erinnerungen, ihrem Duktus entsprechend, als passiven Vollzug einer unabänderlichen Bestimmung, aber auch im wortwörtlichen Sinne als Erweckungserlebnis: »Und eines sonnigen Morgens im Juli 1906 wachte ich auf und war entschlossen, umzusatteln. Aber entschlossen ist wohl nicht der richtige Ausdruck; denn es handelte sich auch hier um keinen Willensakt, nicht einmal eine Überlegung. Es war, als ob übernacht plötzlich eine dunkle Hemmung weggefallen wäre, so daß ich mich wieder frei bewegen konnte.«56 Fortan widmete sich Müller dem Geschichtsstudium.57 Zu seinen Lehrenden zählten Hermann von Grauert und der spätere Konkurrent Michael Doeberl, vor allem aber Sigmund von Riezler.58 Als Vorstand des Maximilianeums kannte Riezler den Stipendiaten Müller bereits, als Historiker wurde der erste Inhaber des Münchner Lehrstuhls für bayerische

52 Vgl. Beilage der MNN Nr. 107 v. 3. 11. 1908 mit Meldung zur Gründung der German Scientific Society in Oxford, Baron Wernher von Ow-Wachendorf (Christ Church, Oxford) an Müller, 6.11. u. 23. 11. 1908, sämtlich in: BayHStA, NL von Müller 414. 53 Müller, Gärten (1951), S. 391 – 396. 54 Müller an Oberstudiendirektor Otto Veh, 28. 3. 1954, BayHStA, NL von Müller 76. Vgl. auch Frech, Felix Dahn sowie Rohlfes, Geschichtsunterricht. 55 »Zeugnis über die Ablegung der juristischen Zwischenprüfung« für Karl Alexander von Müller, 1. 3. 1905, BayHStA, NL von Müller 1. 56 Müller, Gärten (1951), S. 420. 57 Vgl. Hardtwig, Geschichtsstudium. 58 Kollegienbuch, BayHStA, NL von Müller 1. Im Lebenslauf in der für das Promotionsverfahren genehmigten Kurzfassung der Dissertation gab Müller an: »Vom Herbst 1906 ab wandte ich mich ausschließlich dem Studium der Geschichte zu.« Vgl. BayHStA, NL von Müller 268.

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Landesgeschichte zum überzeugten Förderer des Talents Müller.59 Keine zwei Jahre nach seinem morgendlichen Entschluss reichte Müller Anfang Juli 1908 seine Dissertation »Bayern 1866 und die Berufung des Fürsten Hohenlohe« bei der Philosophischen Fakultät der Universität München ein.60 Offenbar war Sigmund von Riezler sehr gespannt auf Müllers Werk, postwendend signalisierte er nach der ersten Lektüre seine Begeisterung und avisierte ihm die Benotung mit »summa cum laude«.61 Sein rasch folgendes Gutachten lobte die Arbeit in höchsten Tönen, zumal für Dissertationen die Wahl eines Themas aus dem »Gebiete der neuesten Geschichte« nicht üblich sei. Bei Müller habe ihn »die ungewöhnliche Reife seines Urteils« dazu bewogen, offenbar zu Recht, denn was von einer Doktorarbeit zu erwarten sei, werde »durch diesen ausgezeichneten Beitrag zur neuesten Geschichte Bayerns und Deutschlands weit überboten.« Riezler hob Müllers »klare und scharfe Auffassung« hervor, man stehe vor dem »seltenen Fall, daß in einer Erstlingsschrift sogleich eine voll ausgereifte Meisterschaft des Historischen« auftrete. Er habe gegen Müllers Wechsel zum Geschichtsstudium Bedenken gehegt, nun aber freue er sich über diesen »Entschluß, durch den unsere vaterländische Geschichtsschreibung eine ganz hervorragende, viel versprechende Kraft gewinnen wird.«62 Dieser euphorischen Bewertung pflichtete auch der zweite Gutachter Karl Theodor von Heigel bei, die »vorzügliche Arbeit« sei ihm schon durch Vorträge Müllers im Historischen Seminar bekannt geworden, sie werde der Fakultät »zu besonderer Ehre gereichen.«63 Zwei Wochen darauf bestand Müller auch das Examen rigorosum mit Auszeichnung, hatte den ersten Qualifikationsschritt seiner wissenschaftlichen Laufbahn absolviert und durchaus hohe Erwartungen geweckt.64 Die weitere Förderung Riezlers genoss Müller auch beim folgenden, für den ersten Auftritt in der geschichtswissenschaftlichen Öffentlichkeit eminent wichtigen Schritt. Nur eine rasche und zudem prominente, fachlich angesehene Veröffentlichung der Dissertation versprach einen Einstieg in die erwartete akademische Karriere. Angesichts des »besonderen Lobes«, welches Riezler über Müller und seine Arbeit ausgesprochen habe, wollte der Oldenbourg Verlag dem »jungen Gelehrten wenn möglich die ersten Schritte in die Öffentlichkeit« erleichtern.65 Umgehend setzte Riezler seinen Schüler von der

59 Zu Riezler vgl. K. Weigand, Lehrstuhl; K. Weigand, Riezler/Doeberl; zu Münchner Geschichtsprofessoren vor 1914 vgl. Simon, Geschichtswissenschaft, S. 147 – 192. 60 Müller an Dekan Phil. Fak., 3. 7. 1908, UAM, O-I-88p [Müller Karl Alexander von]. 61 Sigmund von Riezler an Müller, 8. 7. 1908, UBM, Autograph 33/1. 62 Gutachten Sigmund von Riezler, 9. 7. 1908, UAM, O-I-88p [Müller Karl Alexander von]. Unterstreichung im Original. 63 Gutachten Karl Theodor von Heigel, 13. 7. 1908, ebd. 64 Protokoll über das Examen rigorosum, 23. 7. 1908; Prüfer war neben Riezler und Heigel auch Lujo Brentano, als »Gesamtresultat wurde festgestellt: Note I«, ebd. 65 Verlag an Sigmund von Riezler, 19. 10. 1908, BWA, Oldenbourg Verlag 230.

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frohen Botschaft in Kenntnis.66 Nicht nur war Oldenbourg zur Übernahme der Dissertation Müllers bereit, diese sollte zudem als zwanzigster Band der Historischen Bibliothek erscheinen.67 Das notwendige Talent, aber auch die entsprechende Förderung vorausgesetzt, konnten die Wege in der Geschichtswissenschaft des späten Kaiserreichs ausgesprochen kurz sein. Noch wenige Jahre zuvor in der gesundheitlichen und beruflichen Krise, startete der 25jährige Müller nach knapp dreijährigem Studium mitsamt abgeschlossener Promotion seine Karriere als Autor nahe dem Gipfel der historischen Disziplin. Oldenbourg zählte seit Jahrzehnten zu den führenden geisteswissenschaftlichen Verlagen Deutschlands, für die Geschichtswissenschaft im Besonderen, nicht zuletzt erschien hier mit der Historischen Zeitschrift das führende Periodikum des Faches.68 Die Historische Bibliothek zumal wurde herausgegeben von der Redaktion der HZ, der als Herausgeber mit Friedrich Meinecke einer der prägendsten und einflussreichsten deutschen Historiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorstand.69 Besser hätte es Müller zum Beginn seiner Laufbahn kaum treffen können. Nur einen Tag nach Eingang des Angebotes bekundete er Oldenbourg »den Ausdruck dankbarer Genugtuung, mit welcher es mich erfüllt, durch Ihr liebenswürdiges Entgegenkommen so früh mit einem unserer ersten deutschen Verlage in eine Verbindung getreten zu sein«.70 Unter dem Titel »Bayern im Jahre 1866 und die Berufung des Fürsten Hohenlohe« erschien im Juni 1909 Müllers Dissertation beim Oldenbourg Verlag, wie vereinbart als zwanzigster Band der Historischen Bibliothek.71 Mit knapp dreihundert Seiten lag ein Erstlingswerk von überdurchschnittlichem Umfang vor. Müller widmete sich auf der Grundlage bereits gedruckter Quellen der Berufung Hohenlohes zum bayerischen Ministerpräsidenten. Dessen Amtszeit als letzter deutscher Reichskanzler des 19. Jahrhunderts lag keine zehn Jahre zurück. Nach heutigem Maßstab betrieb Müller ohne Zweifel Zeitgeschichte, denn auch die Regierungszeit Hohenlohes in Bayern fiel noch in den Erfahrungsbereich zahlreicher »Mitlebender«.72 Die politik- und ereignisgeschichtlich orientierte Arbeit erhielt ihre Spannung und Dynamik weniger aus Müllers minutiöser Darstellung der Berufung. Es war der unSigmund von Riezler an Müller, 20. 10. 1908, UBM, Autograph 33/2. Verlag an Müller, 24. 10. 1908, BWA, Oldenbourg Verlag 230. Zum Oldenbourg Verlag vgl. Wittmann, Wissen; Wesolowski, Verleger. Vgl. zu Meinecke im hier behandelten Zeitraum: Meineke, Meinecke sowie umfassend zur Historischen Zeitschrift: Gall (Hg.), 150 Jahre Geschichtsforschung. 70 Müller an Verlag, 25. 10. 1908, BWA, Oldenbourg Verlag 230. 71 Müller, Bayern im Jahre 1866 (1909). 72 In seinem für die Zeitgeschichtsforschung nach 1945 grundlegenden Aufriss wollte Hans Rothfels »Zeitgeschichte« verstanden wissen als »Epoche der Mitlebenden und ihre wissenschaftliche Behandlung«, vgl. Rothfels, Zeitgeschichte, S. 2. Auch den Gegenstand der Dissertation Müllers beschreibt diese Definition erstaunlich treffend, »Gegenwartsgeschichte« galt bereits seit längerem als akzeptable, nicht zuletzt öffentlichkeitswirksame historiographische Subdisziplin, vgl. Schulin, Zeitgeschichtsschreibung. 66 67 68 69

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mittelbare Bezug zur Reichseinigung, die mit Hohenlohe ab 1866 nach der Kriegsniederlage einsetzende Annäherung an Preußen, die Vorgeschichte zur Entstehung der 1909 noch gültigen staatlichen Verfasstheit Bayerns wie des Kaiserreichs, die der Arbeit Gewicht verlieh. Ursprünglich hatte Müller sich mit »Vorarbeiten für eine künftige Geschichte des Ministeriums Hohenlohe in Bayern (1867 – 1870)« befasst, bei diesen bewog ihn jedoch das Fehlen einer Darstellung der unmittelbar vorangehenden Ereignisse des Jahres 1866 zur Auseinandersetzung mit der Berufung Hohenlohes. Die Studie sei aus diesen Vorarbeiten »herausgewachsen«, sein Interesse sei daher »von vorneherein auf das für die Geschichte der folgenden Jahre Wesentliche gerichtet« gewesen, das Jahr 1866 habe ihn interessiert »als Einleitung zu dem, was darauf geschah.«73 In vier längeren Kapiteln beschäftigte sich Müller mit der Lage und öffentlichen Stimmung in Bayern nach dem verlorenen Krieg, skizzierte anschließend »Persönlichkeit und politische Anschauungen« Hohenlohes, seine Berufung im Herbst 1866 sowie abschließend das entworfene Programm seiner Regierung. Hohenlohes Streben nach Verständigung und engerer Verbindung mit Preußen, welches in Bayern durchaus auf Widerstand stieß74, sei der »Ausdruck zugleich der Lebenserfahrungen eines ehrlichen deutschen Patrioten wie der augenblicklichen Bedürfnisse der Lage des deutschen Süden und enthielt zweifellos die beste deutsche Politik, welche Bayern in diesem Zeitpunkt hätte einschlagen können.«75 In diesem wenig konfliktorientierten, fast staatstragenden und verständnisvollen Stil legte Müller die Grundlage für seine historiographische Karriere.76 Zum Lebensthema sollte der Fürst Hohenlohe für Müller nur bedingt werden. Die zunächst geplante Darstellung seiner Regierungszeit in Bayern verfasste er nicht, legte allerdings 1931 mit den »Denkwürdigkeiten« Hohenlohes aus seiner Reichskanzlerzeit eine weithin benutzte Quellensammlung vor77, der eine »kleine, instruktive Studie« zum Wirken Hohenlohes folgte.78 Als Ausgangspunkt einer Karriere als Historiker erwies sich die Wahl dieses Gegenstandes als glücklich, denn die Dissertation sicherte Müller den in seiner weiteren Laufbahn kaum noch verlierbaren Nimbus fachlicher Qualifikation.79

Müller, Bayern im Jahre 1866 (1909), S. IXf. Vgl. Volkert, Entwicklung, v. a. S. 301 – 308, unter Verwendung der Dissertation Müllers. Müller, Bayern im Jahre 1866 (1909), S. 132. Müller habe sich in seiner Dissertation um ein »differenziertes Urteil« bemüht, vgl. Stalmann, Hohenlohe-Schillingsfürst, S. 18. 77 Müller (Hg.), Hohenlohe-Schillingsfürst. Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit (1931), unverändert nachgedruckt 1967. 78 So Stalmann, Hohenlohe-Schillingsfürst, S. 22 über Müller, Dritte deutsche Reichskanzler (1932). 79 Müllers Veröffentlichungen zu Hohenlohe finden zudem bis heute einschlägige Verwendung, vgl. beispielhaft Neitzel, Hohenlohe-Schillingsfürst.

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Wie reagierte die deutsche Historikerschaft auf Müllers ersten Auftritt? Für die kleindeutsch-preußisch orientierte Elite der Disziplin war Müllers positive Einschätzung der Politik Hohenlohes fraglos anschlussfähig. Dem Zufall überließ Müller die Rezeption seiner Arbeit gleichwohl nicht, mögliche Förderer erhielten das Buch frei Haus. Ehrerbietig wandte sich Müller an Friedrich Meinecke, dankte für die Förderung und dafür, dass seine »Erstlingsarbeit unter der Ägide der Historischen Zeitschrift in die Welt gehen« dürfe.80 Auch Richard Fester, Ordinarius in Halle, erhielt Müllers Dissertation. Für diese »Tributleistung eines Anfängers«81 zollte Fester ausführlich Respekt, Müller bringe »ein ausgezeichnetes Talent mit und eine Reife des hist. politischen Urteils«.82 Müller schien mit dem Thema wie der Durchführung seiner Dissertation den geschichtswissenschaftlichen Zeitgeist getroffen zu haben. Für Walter Goetz war er dem »dankbaren Gegenstand in einer Weise gerecht geworden […], wie er es erfordert: Sie verbinden eindringliche Forschung mit vortrefflicher Darstellung«, auch Hermann Oncken zeigte sich erfreut über die Zusendung »Ihrer auf so gründlichen und umfassenden Studien aufgebauten Schrift«. Mit Erich Marcks, der ebenfalls seine Zustimmung bekundete, war das Tableau der die Karriere Müllers prägenden Historiker bereits zu diesem frühen Zeitpunkt nahezu komplett.83 Meinecke, Goetz, Oncken und Marcks wirkten sämtlich bis in die NS-Zeit, die ersteren beiden avancierten noch nach 1945 erneut zu Orientierungsgrößen für die Zunft. Das »Zeitalter der Extreme« scheint in der deutschen Geschichtswissenschaft nicht zuletzt ein Zeitalter extrem lang andauernder Karrieren gewesen zu sein, mit einer disziplinären Beharrungskraft über alle politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen hinweg. Die Jahrzehnte zwischen 1880 und 1920, so Jan Eckel, erscheinen »im Rückblick als eine ›Sattelzeit‹ der deutschen Geisteswissenschaften«, in diesem Zeitraum »bildete sich das institutionelle und intellektuelle Ensemble heraus, das in vieler Hinsicht […] bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts überdauern sollte.«84 Nicht zuletzt ist damit auch der Zeitraum der Karriere Müllers umrissen. Auch unter Berücksichtigung akademischer Höflichkeitsriten und Kommunikationsformen erstaunt der Zuspruch, den Müller für sein Erstlingswerk erhielt. Am Anfang seiner Karriere stand ein sicher sauber gearbeitetes, doch auch unspektakuläres, braves Buch. Deutlich zeigen die Reaktionen der dis80 Müller an Meinecke, 6. 7. 1909, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 173. 81 So formulierte Müller an Fester, 7. 7. 1909, vgl. BArch, NL Richard Fester 33. 82 Fester an Müller, 11. 7. 1909, BayHStA, NL von Müller 470. Fester ist weniger als Historiker denn als Gutachter im »Dolchstoßprozess« sowie durch seine Mitwirkung im Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands in Erinnerung geblieben. Zu einem seiner Forschungsgebiete vgl. H. Kraus, Reichskreise. 83 Goetz an Müller, 26. 7. 1909; Oncken an Müller, 28. 9. 1909; Marcks an Müller, 20. 8. 1909, BayHStA, NL von Müller 470. Nach erneuter Lektüre lobte Marcks nochmals Müllers Buch (»Ich fand es in Allem sehr gut u. sehr erfreulich.«), Marcks an Müller, 19. 2. 1911, ebd. 84 Eckel, Geist der Zeit, S. 12.

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ziplinären Elite, dass diese sich in eben jener Form von Geschichtsschreibung erkennen konnte und wollte, dass sie in Müller einen der »ihren« entdeckt hatte. Die historische Disziplin nahm Müller auf, sie kooptierte ihn in ihre Reihen. In der Historischen Zeitschrift zählte »Bayern im Jahre 1866« zu den »erfreulichsten Erstlingsarbeiten«, man könne »Schönes« erwarten, wenn Müller »seine weitere Entwicklung auf der jetzt beschrittenen Bahn festhält«.85 Lob fanden »Objektivität« und »der sichere, weite Blick«86 der »sorgfältigen und exakten Arbeit«87, Müller behalte immer »die sichere Führung«88, sein »Urteil ist ruhig und besonnen«89, er zeige »ausgezeichneten Takt bei der Behandlung teilweise heikler Dinge«.90 Die Ausdrucksformen, in denen sich die Anerkennung für Müller äußerte, zeichnen das Bild einer nach Sicherheit, Ruhe und Überblick strebenden, einer von Differenzen befreiten Geschichtswissenschaft. Verletzungen dieses Comments wurden hingegen entrüstet aufgenommen. Müllers Arbeit sei zwar fleißig, so die Kritik Martin Philippsons in der Frankfurter Zeitung, aber ihre Ergebnisse ließen zu wünschen übrig, da Müller »nach Art so vieler Historiker seit der Bismarckschen Aera, alle Wirksamkeit nur von den Fürstenhäusern und den leitenden Staatsmännern ausgehen sieht«.91 Erzürnt schrieb Georg Küntzel an Müller, es sei »ein Skandal, dass eine Zeitung wie diese einen so fanatisch-einseitigen Referenten gerade für diese wichtigen Fragen immer wieder bestellt.«92 Auch international rezipiert93, wurde Müllers Dissertation zur »Berufung des Fürsten Hohenlohe« zum mit Fleiß und Strebsamkeit erarbeiteten Eintrittsbillet in die Kreise professioneller Geschichtswissenschaft. Nach seinem ersten Aufbruch, dem Ausbruch aus dem vorgezeichneten Berufsweg des Vaters, war ihm dies in beeindruckender Geschwindigkeit gelungen. Es scheint, Müller selbst habe sich der rasanten Entwicklung im Austausch mit den Granden des Faches vergewissern müssen: »Bin ich doch, aus einer Beamtenfamilie stammend und selbst zuerst eine Beamtenlaufbahn anstrebend, erst nach mehrjährigem juristischem Studium vor ungefähr 2 12 Jahren in das historische Lager übergetreten.«94 Nun galt Müller als vielversprechendes Talent.

85 Busch, Bayern im Jahre 1866 (Rez.), S. 578 u. 584. In der Metaphorik sicherer Geschichtsführung durch den Historiker lobte Busch, es gelinge Müller, »stets fest den Faden in der Hand zu behalten«, er ginge »nie über die Grenze der ruhig abwägenden Besonnenheit hinaus«. 86 Buchner, Bayern im Jahre 1866 (Rez.), S. 627. 87 Müsebeck, Bayern im Jahre 1866 (Rez.), S. 586. 88 Bittner, Bayern im Jahre 1866 (Rez.), S. 557. 89 Salzer, Bayern im Jahre 1866 (Rez.), S. 201. 90 Joachimsen, Bayern im Jahre 1866 (Rez.), S. 223. 91 Philippson, Zur Geschichte des Kriegsjahres 1866 (Rez. zu: Bayern im Jahre 1866), S. 6. 92 Küntzel an Müller, 5. 4. 1910, BayHStA, NL von Müller 469. 93 Vgl. die Besprechungen von A.W. Ward in »The English Historical Review«, von Munroe Smith in »The American Historical Review« sowie von Paul Darmstaedter in »Revue Historique«. 94 Müller an Richard Fester, 16. 7. 1909, BArch, NL Richard Fester 33.

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2.1.3 Nachwuchshistoriker vor dem Ersten Weltkrieg Wissenschaftliche Profilierung bedarf passender Gelegenheiten, eine prominente und erfolgreich bestandene Kontroverse verschafft Aufmerksamkeit und Anerkennung. Die Publikation seiner Dissertation verhalf Müller zu einer solchen Auseinandersetzung. Noch während der Drucklegung war eine konkurrierende Interpretation der Entwicklungen in Bayern in den Jahren vor der Reichseinigung erschienen. Der Hallenser Historiker und Privatgelehrte Albert von Ruville hatte behauptet, ausgehend von vermeintlich bislang unbekannten Korrespondenzen bayerischer und württembergischer Minister mit der französischen Regierung, eine gegen Preußen gerichtete Allianz belegen zu können.95 In einem Nachtrag zu seiner Dissertation setzte sich Müller mit Ruvilles Behauptungen auseinander. Neue Quellen hätten diesem keineswegs zur Verfügung gestanden, vor allem aber die angewandten Methoden erschienen Müller vollkommen ungeeignet: »Wohin es führt, auf Grund völlig ungenügender Kenntnis des Materials tiefeinschneidende Hypothesen aufzustellen, damit dann einige weitere Quellen, so gut und schlimm es geht, zu kombinieren und den Rest des Materials einfach beiseite zu lassen, dafür scheint mir dieser ganze erste Abschnitt des R.schen Buches […] ein warnendes Beispiel.« Man möge es »uns« nicht verübeln, wenn »wir nach wie vor treuer und geduldiger Arbeit […] mehr Zutrauen entgegenbringen als laut angepriesenen romanhaften Zauberschlüsseln«.96 Auch in der weiteren Öffentlichkeit warnte Müller vor Ruvilles Ansichten, diese seien »romanhaft«, ihre Begründung »dürftig«.97 Weitaus mehr als die inhaltliche Auseinandersetzung mit Ruville, der in der Historiographie zur Reichseinigung kaum Spuren hinterlassen hat, verdeutlicht Müllers Wortwahl das Bestreben, an der unter den Historikern des Kaiserreichs kanonischen Sichtweise auf die Vorgeschichte der Reichseinigung keine Zweifel zuzulassen – im Namen treuer und geduldiger Arbeit an der deutschen Geschichte war vor romanhaften Auswüchsen zu warnen. Die aufgerufene, geschichtsschreibende Gemeinschaft sah dies ebenso, mit Recht habe Müller die »phantastischen Behauptungen«98 Ruvilles »gebührend zerpflückt«.99 Sein »kritischer Nachtrag gegen den Querkopf R.« überzeugte Marcks »völlig«, auch Riezler war voll des Lobes für die Replik.100 Die Kooptation Müllers in die Kreise deutscher Geschichts-

95 96 97 98

Ruville, Bayern und die Wiederaufrichtung des Deutschen Reichs. Müller, Bayern im Jahre 1866 (1909), S. 292. Vgl. den Beitrag in der Augsburger Abendzeitung: Müller, Papiere von Cercah (1909). So die Bewertung in der Historischen Zeitschrift, vgl. Notizen und Nachrichten, in: HZ 104 (1910), S. 221 f. 99 Vgl. die nicht namentlich gezeichnete Rezension von »Bayern im Jahre 1866« in der »Deutschen Rundschau«. 100 Marcks an Müller, 20. 8. 1909; Riezler an Müller, 8. 7. 1909, BayHStA, NL von Müller 470.

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wissenschaft war fraglos vollzogen, doch in welchem Zustand befand sich diese in der Abwehr äußerer »Feinde« so einige Gemeinschaft? Die Reflexionen über die Geschichtswissenschaft wie ihr weiteres Umfeld in den Jahrzehnten nach 1900 verbindet ein Wort: Krise. Krise des Historismus und des Geschichtsbewusstseins, Krise des Bildungsbürgertums und der Männlichkeit, Krise der Moderne und der Wirklichkeit.101 Die aus dieser multiplen Krise folgende, seit der Jahrhundertwende zunehmende Verunsicherung in der Geschichtswissenschaft – eine Verunsicherung über ihre Themen und Methoden, angesichts der Ansprüche der Naturwissenschaften auf Deutungshoheit für die Gesellschaft auch eine Verunsicherung über ihren disziplinären Rang102 – ist in der zeitgenössischen historiographischen Praxis jedoch weitgehend folgenlos geblieben. Die von Max Weber oder Ernst Troeltsch entworfenen Auswege aus der methodischen Sackgasse des Historismus wurden kaum beschritten.103 Bewusst geworden ist die krisenhafte Entwicklung durchaus, jedoch »verweigerte sich die ›Zunft‹ im Unterschied zu anderen Kulturwissenschaften weitgehend« und riegelte sich schließlich »mit langfristigen Folgen von sozial- und kulturhistorischer Modernisierung ab.«104 Wie auch immer Umfang und Wahrnehmung dieser Entwicklung gewichtet werden, zu fragen ist, ob Müller den eingeschlagenen Weg als krisenhaft empfand, ob er in seinem historiographischen Wirken auf den retrospektiv als mangelhaft konstatierten Zustand der deutschen Geschichtswissenschaft reagierte. In welchen Bahnen, institutionell und publizistisch, bewegte sich Müller als Nachwuchshistoriker? Nach dem Abschluss seiner Dissertation kam Müller das König Ludwig II.-Stipendium für Geschichte zu Gute.105 Im Jahr darauf beschloss der Senat der Universität München, die Neuordnung des Universitätsarchivs Müller zu übertragen. Ab Februar 1910 firmierte er als »Hilfsarbeiter am Universitätsarchiv München«, seine Dienststellung bis zum Ende des Jahres.106 Auch sein nächster Karriereschritt würde den klassischen Ausbildungswegen der Disziplin folgen. Am Anfang stand ein Hilferuf. Der 55. Band der Allgemeinen Deutschen Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, stand vor dem Abschluss, doch versagte kurzfristig ein Autor. Müller sprang ein und übernahm den Eintrag 101 Oexle (Hg.), Krise des Historismus; Hardtwig, Krise des Geschichtsbewusstseins; Jarausch, Krise des deutschen Bildungsbürgertums; Blaschke, Krise der Männlichkeit; vom Bruch u. a. (Hg.), Kultur und Kulturwissenschaften um 1900. Krise der Moderne; Oexle, »Wirklichkeit« – »Krise der Wirklichkeit« – »Neue Wirklichkeit«. Vgl. zudem: Mergel (Hg.), Krisen verstehen. 102 Neben den Ansprüchen der Naturwissenschaften auf Vorrang ihrer Erkenntnisse irritierte v. a. ihre zunehmende öffentliche Resonanz, vgl. Daum, Wissenschaftspopularisierung. 103 Vgl. Eckel, Geist der Zeit, S. 28 – 33. 104 vom Bruch, Geschichtswissenschaft, S. 127 f. 105 Müller, Gärten (1951), S. 452. Die Bewerbung hatte Sigmund v. Riezler vertreten, vgl. sein Gutachten, 9. 7. 1908, UAM, O-I-88p [Müller Karl Alexander von]. Vgl. auch: T. Adam, Stipendien. 106 Universitäts-Sekretariat »Auszug aus den Senatsakten«, 14. 3. 1918, BayHStA, MK 44052.

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»FranÅois Gabriel de Bray und Otto Graf von Bray-Steinburg«. Namens der Kommission dankte Alfred Dove »für die Bereitwilligkeit, […] in einer Notlage« zu helfen, auch der eingereichte Artikel sei »ganz so, wie wir ihn brauchen.«107 Die 1858 begründete Historische Kommission zählte zu den angesehensten außeruniversitären geschichtswissenschaftlichen Institutionen, ihre Editionstätigkeit bildete gleichsam das Rückgrat der frühneuzeitlichen und neueren Geschichtswissenschaft in Deutschland.108 Die Riege ihrer Mitglieder glich einem »Who’s Who« der Historikerzunft, in ihren Reihen fanden sich selbstredend auch die Förderer der Karriere Müllers: Riezler, Heigel, Meinecke, Goetz, Marcks und Oncken. Auf der Plenarversammlung im Mai 1910 wurde bereits erwogen, zur Förderung der Abteilung »Briefe und Akten zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges« Müller als neuen Mitarbeiter einzustellen. Mit Jahresbeginn 1911 schließlich begann seine Tätigkeit bei der Kommission, die Betreuung des Neulings übernahm der Tübinger Ordinarius Walter Goetz.109 Dieser hatte sich für die Einstellung engagiert, Müller dankte im November 1910 für »die so gütige und entscheidende Mitwirkung bei meiner Aufnahme« und bat, da »noch ohne Erfahrung in der Technik dieser Edition und in den Besonderheiten dieses geschichtlichen Stoffes«, nach Tübingen kommen zu dürfen.110 Die Verbindung zu Goetz, der 1912 auf Moriz Ritter als Abteilungsleiter der »Briefe und Akten zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges« folgte, insgesamt die Tätigkeit für die Historische Kommission drückte Müllers ersten Jahren als professioneller Historiker ihren Stempel auf. Im Januar und Februar 1911 wurde er in Tübingen angelernt, regelmäßige briefliche Meldungen an Goetz zeugen vom Fortgang der Editionstätigkeit.111 Auf die im Rückblick idyllisch erscheinende Tübinger Lehrzeit kam Müller im Abstand von Jahrzehnten immer wieder zurück. Im Dezember 1938 schwärmte er gegenüber Rudolf Stadelmann, er denke »mit besonderer Freude an eine Reihe von Wochen zurück, die ich 1911 dort zugebracht habe, um von Walter Goetz in 107 Dove an Müller, 5.11. u. 1. 12. 1909, BayHStA, NL von Müller 469. Vgl. Müller, de Bray/BraySteinburg (1910). 108 Umfassend zur Geschichte der Kommission u. der von ihr bearbeiteten Editionen vgl. Gall (Hg.), Geschichts- und Quellenforschung sowie Neuhaus, 150 Jahre Historische Kommission. 109 51. Plenarversammlung der HiKo (Bericht des Sekretariats), BayHStA, NL von Müller 431. Im März 1918 bestätigte Sigmund von Riezler die Beschäftigung Müllers »vom 1. Januar 1911 bis 30. November 1917 als Mitarbeiter der Historischen Kommission (Abteilung Briefe und Akten zur Geschichte des 30jährigen Krieges)«, vgl. Riezler »Bestätigung«, 18. 3. 1918, BayHStA, MK 44052. Zu Goetz vgl. W. Weigand, Goetz, hier v. a. S. 105 – 139. 110 Müller an Goetz, 10. 11. 1910, BArch, NL Walter Goetz 38, Bl. 36 – 38. Zu Goetz’ Wirken in der Kommission vgl. Neuhaus, Territorial- und Herrschergeschichte, v. a. S. 141 – 144. 111 Vgl. Müllers Postkarte aus Tübingen an Georg Leidinger, 27. 1. 1911, in: BSB, NL Georg Leidinger, Leidingeriana II. Müller, Karl Alexander von. Zurückgekehrt nach München dankte Müller Goetz für »alle Bemühung und alle Liebenswürdigkeit […], die Sie mir in Tübingen gewidmet haben.« Vgl. Müller an Goetz, 27. 2. 1911, BArch, NL Walter Goetz 38, Bl. 39/40. Ebd. knapp ein Dutzend weitere Briefe Müllers an Goetz von Juni 1911 bis Februar 1914.

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dreißigjährige Kriegsakten eingeweiht zu werden.«112 Auch zehn Jahre darauf und in gänzlich anderer Verbindung zur Kommission erinnerte sich Müller an »einige sehr schöne Wochen dort«.113 Die Arbeit in der Kommission bot Müller eine, wenn auch bescheidene, finanzielle Grundlage und sicherte zudem die institutionelle Anbindung des jungen Historikers an einen elitären wissenschaftlichen Kreis.114 Sie band aber auch Zeit und Kraft, gegenüber Meinecke klagte Müller : »Ließen mir nur die Historische Kommission und andern Verpflichtungen etwas mehr Zeit übrig, ich hätte wohl noch einiges von der Art des kleinen Vischer schon ziemlich weit vorbereitet im Kopf.«115 Der »kleine Vischer« und andere Forschungsgebiete hatten Müller seit dem Abschluss seiner Dissertation beschäftigt, die Fleißarbeit als Editor genügte für das weitere wissenschaftliche Fortkommen nicht. Es galt, gut abzuwägen, welcher Weg einzuschlagen wäre. Bereits 1909 hatte sich Müller an Meinecke gewandt und seine Pläne skizziert, nach einigem Schwanken habe sich »die nächste Richtung meiner Studien auf die Anfänge und die geistesgeschichtlichen Zusammenhänge unserer deutschen Parteientwicklung (zunächst etwa zwischen 1815 u. 1848), entschieden; und zwar liegen mir auf dem Münchner Boden natürlich die Anfänge der ultramontanen Parteibildung besonders nahe, und ich denke vorläufig an eine Untersuchung des Görresischen Kreises in München, wie er sich zuerst 1828/9 um die ›Eos‹, später dann um die ›Historisch-politischen Blätter‹ gesammelt hat.« Müller bat auch um Auskunft, ob Meinecke bereits einem eigenen Schüler diese Aufgabe gestellt habe oder eigene Pläne hege, das benannte Forschungsgebiet habe »Ihr tiefer und feiner Geist uns zuerst erschlossen«.116 Görres und sein Umfeld lag für einen katholischen Münchner Historiker fraglos nahe. Ein weiteres Vorhaben hatte Müller gegenüber Meinecke ebenfalls erwähnt, eine Biographie des liberalen württembergischen Politikers und Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung Paul Pfizer. Die seit der Dissertation geknüpften Kontakte in der Historikergemeinde nutzte Müller für die Entscheidungsfindung, Georg Küntzel riet ab: »Sie sehen: von mir droht Ihnen keine Gefahr. Wohl aber von Herrn Archivrat Dr. Krause.«117 Pfizer entfiel damit, doch hatte Müller selbst im Vorwort seiner Dissertation eine »Geschichte des Ministeriums Hohenlohe« als eigentliches Ziel seiner Bestrebungen angegeben, in zahlreichen Rezensionen des Buches war dies begrüßt worden. Auch der Oldenbourg Verlag hoffte auf diese Fortführung, Inhaber Rudolf Oldenbourg hatte in Müllers erstem Buch »eine Darstel112 Müller an Stadelmann, 15. 12. 1938, BArch, NL Rudolf Stadelmann 17. 113 Müller an Willy Andreas, 21. 12. 1949, BayHStA, NL von Müller 491. 114 Vgl. die Sekretariatsberichte zu den Plenarversammlungen der Kommission im Juni 1911, Mai 1912 und Mai 1913, in: BayHStA, NL von Müller 431. Im Mai 1913 sind als Gehalt für Müller 1.800 Mark aufgeführt. 115 Müller an Meinecke, 26. 12. 1912, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 29, Nr. 717. 116 Müller an Meinecke, 18. 12. 1909, ebd., Nr. 711. 117 Georg Küntzel an Müller, 5. 4. 1910, BayHStA, NL von Müller 469.

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lungsweise, die mich direkt an Sybel’s Kunst erinnert, die verworrensten Fäden der Geschichte glatt zu ordnen«, entdeckt. Nun, im Juni 1910, bot der Verlag entsprechende Verhandlungen an.118 Müller aber entschied sich anders. Er setzte Martin Spahn in Kenntnis, dass er sich mit dem Münchner Görreskreis beschäftige und plane, diese »Studien oder wenigstens einen Teil davon nun zu einer selbständigen historischen Arbeit zusammenzufassen.« Auch Spahn wurde um Auskunft ob etwaiger Konkurrenzunternehmungen gebeten und scheint in seiner Antwort freie Bahn gewährt zu haben.119 Nunmehr widmete sich Müller »eifrig« seinen Studien zum Görreskreis, er wolle »versuchen, den geistesgeschichtlichen Zusammenhängen dieser katholischen Restaurationsbewegung etwas nachzuspüren«.120 In seiner historiographischen Karriere schien Müller offenbar entschlossen, einen schulbuchmäßigen Weg als katholischer Nachwuchshistoriker einzuschlagen, mit einer politikgeschichtlichen Dissertation zur Vorgeschichte der Reichseinigung, der beruflichen Etablierung durch die Editionstätigkeit bei der Historischen Kommission und nun der Hinwendung zur geistesgeschichtlichen Beschäftigung mit Görres. Publizistisch erlaubte sich Müller einige Freiheiten mehr. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt Müllers Heimatstadt München in vielerlei Hinsicht als Zentrum von Kultur und Bildung121, nicht zuletzt ausgestattet mit einer reichhaltigen Verlags- und Buchlandschaft.122 Seine Prägung durch die »Münchner Moderne«, durch Münchens in künstlerischer, literarischer und intellektueller Hinsicht »große Zeit um 1900«, kann kaum überschätzt werden.123 Müller war Teil dieses Milieus, hatte bereits 1909 gemeinsam mit dem Germanisten Friedrich von der Leyen den ersten Band des »Deutschen Sagenbuchs« herausgegeben und wurde nicht zuletzt mit seinen Erinnerungen zum vielzitierten »Zeugen« der literarisch-politischen Salons, der Künstler- und Schriftstellerkreise.124 In einer der angesehensten Kulturzeitschriften mit dezidiert süddeutscher Ausrichtung, den Süddeutschen Monatsheften, publizierte Müller im Frühjahr 1911 einen Fund aus dem Münchner Geheimen Staatsarchiv : ein Teilstück zum scheiternden »Würzburger Plan« des Philosophen Arthur Schopenhauer, der Ende der 1820er Jahre eine Stellung in Bayern angestrebt hatte.125 Die Süddeutschen Monats118 Rudolf Oldenbourg an Müller, 6. 11. 1909, BayHStA, NL von Müller 470; Verlag an Müller, 10. 6. 1910, BWA, Oldenbourg Verlag 230. 119 Müller an Spahn, 29.9. u. 4. 10. 1910, BArch, NL Martin Spahn 41. 120 So berichtete Müller an Walter Goetz, 10. 11. 1910, BArch, NL Walter Goetz 38, Bl. 36 – 38. 121 Vgl. H. Möller, München um die Jahrhundertwende; Merlio/Pelletier (Hg.), München 1900 als Ort der Moderne sowie zur Stadtentwicklung Angermair, München; Hardtwig, Topographie. 122 Neben den Studien zum Oldenbourg Verlag vgl. Wittmann, Buchkultur, S. 43 – 104. 123 Vgl. Schmitz (Hg.), Münchner Moderne; Metzger/Brandstätter, München. 124 Vgl. Müller, Gärten (1951), S. 457 – 545 sowie unter umfangreicher Nutzung eben dieser zur Münchner Gesellschaft um 1900: Ch–tellier, Modernisierung. Auch in einer jüngeren Darstellung des Salons des Verlegerehepaars Bruckmann »beglaubigen« Müllers Memoiren Münchens kulturelle und politische Atmosphäre, vgl. Martynkewicz, Salon Deutschland. 125 Müller, Schopenhauers Würzburger Plan (1911).

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hefte waren 1904 mit »deutlicher Spitze gegen den politischen und kulturellen Hegemonialanspruch Berlins« gegründet worden.126 Ursprünglich stark von Friedrich Naumann geprägt, war die Zeitschrift seit 1910 zunehmend unter den Einfluss des langjährigen Hauptherausgebers Paul Nikolaus Cossmann geraten.127 An Selbstbewusstsein mangelte es dem frischgebackenen Publizisten Müller nicht, Änderungswünsche Cossmanns beschied er abschlägig: »Einmal habe ich es mir zum Grundsatz gemacht, nichts mit meinem Namen zu zeichnen, was nicht auch in der Form, wenigstens in allem Wesentlichen, wirklich von mir stammt. Und vor den Lesern der Süddeutschen Monatshefte insbesondere möchte ich, auch bei einer Kleinigkeit wie der vorliegenden, nicht in andern Gewandfalten erscheinen als meinen eigenen – so gut oder schlecht diese nun sein mögen.«128 Mit einer Reihe kleinerer Artikel deutete Müller bereits an, dass er diese Form öffentlicher Aufmerksamkeit anstrebte, ihm aber auch die darstellerischen Mittel zur Verfügung standen.129 Unterdes lag Müllers Dissertation bald drei Jahre vor, für eine Fortsetzung der wissenschaftlichen Karriere bedurfte es dringend historiographischer Veröffentlichungen. Im engeren Sinne wissenschaftlich würde Müller nicht nochmals so produktiv publizieren wie in der Zeit zwischen Frühjahr 1912 und Kriegsbeginn.130 Nachdem die Entscheidung für eine Beschäftigung mit Görres gefallen war, galt es, etwaige Konkurrenten auszumachen. Den befreundeten Hölderlinforscher Norbert von Hellingrath bat Müller um Auskünfte zu einem »Görres-Rivalen«, Hellingrath würde ihm »einen wertvollen Dienst leisten, wenn Sie einiges auskundschaften könnten: für wes Geistes Kind er gilt; was er schon geschrieben hat; wann sein Görres erscheinen soll; ob schon etwas über dessen Inhalt verlautet?«131 Schließlich besetzte Müller das vielversprechende Forschungsfeld mit einem eigenen Auftritt und legte im März 1912 eine kurz eingeleitete und knapp kommentierte Briefedition zu Joseph von Görres vor.132 Auf eigene inhaltliche Kommentare verzichtete Müller, trotzdem fiel die Reaktion der fachlichen Öffentlichkeit sehr positiv 126 127 128 129

Stegmann, Kulturzeitschriften, S. 53. H. Kraus, Kulturkonservatismus, hier S. 20 – 25. Müller an Cossmann, 22. 10. 1910, BayHStA, NL von Müller 469. So zum 91. Geburtstag des Prinzregenten Luitpold von Bayern, vgl. Müller, Zum 12. März (1912), auch den 70. Geburtstag des Historikers Karl Theodor von Heigel annoncierte Müller, vgl. Müller, Heigel (1912). Zur im Kaiserreich entstehenden historisch-politischen, an ein bildungsbürgerliches Leserpublikum gerichteten Essayistik, einhergehend mit dem »Verzicht auf eine wissenschaftliche Theorie- und Spezialsprache«, vgl. Hardtwig, Erinnerung, Zitat S. 234. 130 Nicht zuletzt rezensierte Müller fleißig, vgl. die Besprechungen im Schriftenverzeichnis. Nach 1918 rezensierte Müller selten in wissenschaftlichen Zeitschriften, gelegentlich aber in den Süddeutschen Monatsheften. Als Helmut Goetz eine Bibliographie seines Vaters erstellte und wegen etwaiger Rezensionen anfragte, gab Müller an, er »habe das Rezensieren in größerem Umfang sehr bald eingestellt.« Vgl. Müller an Goetz, 8. 7. 1958, BayHStA, NL von Müller 492. 131 Müller an Hellingrath, 14. 12. 1911, WLBS, NL Norbert von Hellingrath, Cod. hist. 48 626, V 616. Vgl. auch: Pieger, Norbert von Hellingraths Hölderlin. 132 Müller, Briefe von und an Joseph von Görres (1912).

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aus. Für diesen »wertvollen Beitrag zur Görres-Literatur« dankte Hermann von Grauert, alles sei »so vortrefflich und gediegen, wie man es von Ihnen erwartet«, befand Müllers Doktorvater Sigmund von Riezler. Auch Franz Schnabel bekundete sein besonderes Interesse, zudem sah der als GörresForscher ausgewiesene Literaturwissenschaftler Franz Schultz Müllers »weiteren Görrespublikationen […] mit den besten Hoffnungen entgegen.«133 Müller hatte Erwartungen geweckt, die Beschäftigung mit Görres galt nicht nur für katholische Historiker als vielversprechendes Thema.134 Der Herausgeber der Historisch-politischen Blätter, Georg Maria Jochner, erbat von Müller zur Veröffentlichung geeignetes Material135, Max Lenz schließlich hoffte auf eine Görres-Biographie: »Ich wünschte wohl, daß Sie diese wirklich schrieben – es gibt wenig Stoffe, die dankbarer u. wichtiger wären«.136 Mit Quelleneditionen war, das erkannte Müller, angesichts unbekannter oder nicht ausgewerteter Archivbestände publizistische Resonanz erzielbar. Die quellenpositivistisch ausgerichtete Geschichtswissenschaft des Kaiserreichs goutierte eine Präsentation des »Materials«. Bald konnte Müller, neben weiteren Schriftstücken von Görres, auch mit Briefen Heinrich von Treitschkes sowie des preußischen Ministers Johannes von Miquel erneut in Erscheinung treten.137 »Sie sind ja ein Schriftsteller!« – etwas unverhofft erhielt Müller im August 1912 mit diesem Zuruf des Berliner Historikers Max Lenz das seinen wissenschaftlichen Lebensweg fortan begleitende Etikett.138 Seine Tätigkeit für die Historische Kommission wie auch die vorgelegten Briefeditionen waren denkbar weit davon entfernt, Einschätzungen dieser Art auszulösen. Ein Aufsatz über das politische Wirken des Literaturwissenschaftlers Friedrich Theodor Vischer hatte Lenz zu seinem Ausruf motiviert.139 Erschienen in der Deutschen Rundschau, nach Müller »eine der vornehmsten Herdstätten unseres Geisteslebens«140, firmierte der »kleine Vischer« in den Schriftenverzeichnissen Müllers als wissenschaftliche Publikation, lag dem von Lenz vorgenommenen Verweis ins literarische Feld allerdings weitaus näher. Unter fast vollständigem Verzicht auf Anmerkungen oder Belege führte Müller seine Leser gleich einem historiographischen Reiseführer in sein Thema ein: »Wer durch Altwürttemberg reisen kann, ohne daß ihm das Herz im Leibe warm 133 Grauert an Müller, 14. 4. 1912; Riezler an Müller, 19. 3. 1912; Schnabel an Müller, 31. 3. 1912; Schultz an Müller, 4. 5. 1912, BayHStA, NL von Müller 469. 134 Vgl. Pittrof/Schmitz, Geschichtskulturen des deutschsprachigen Katholizismus. 135 Jochner an Müller, 19. 3. 1912, BayHStA, NL von Müller 469, vgl. auch: H. Kraus, Die Historisch-politischen Blätter, v. a. S. 96 – 99. 136 Lenz an Müller, 28. 3. 1912, BayHStA, NL von Müller 469. 137 Müller, Fünf Briefe von Joseph von Görres (1912); Müller, Drei Briefe Treitschkes (1912); Müller, Briefe Miquels an Marquardsen (1913). 138 Lenz an Müller, 14. 8. 1912, BayHStA, NL von Müller 469. 139 Müller, Friedrich Theodor Vischer (1912). 140 Müller an Georg Paetel, 15. 7. 1914, BayHStA, NL von Müller 469. Zur Zeitschrift vgl. Pachtner, Deutsche Rundschau.

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wird, der versteht wenig von Deutschland und von deutscher Art. Altwürttemberg! In sanften Hügeln zieht zwischen Weiden und Pappeln ein stiller Fluß, und in seinem weichen Spiegel malt sich ein anmutiges, fruchtbares Land – Rebenhänge und Obstgelände, goldene Kornfelder und üppiger Baumschlag, alte Städte voll spitzgiebligen Eigensinns und vertraulicher Enge, verschollene Klöster in grüner Waldeinsamkeit und von den Bergen die grauen Türme sagenumkränzter verfallener Burgen. Altwürttemberg!« Mit national gewärmtem Herzen und in gedämpft-altväterlichem Tonfall fragte Müller, wie aus dem »geistigen, literarischen und philosophischen Deutschland von 1800 das politische, wirtschaftliche der Bismarckischen Zeit herausgewachsen« sei, anhand der Entwicklung Vischers zeichnete Müller die »Jahre inneren Ringens, deren unsere Einigung noch bedurft hat«. Erneut sind der beschriebene historische Gegenstand und Müller eins – »wir« rangen um staatliche Einheit, und Hoffnung bestünde »solange sich nicht die ganze Nation in ein neues mechanisiertes Nomadendasein aufgelöst hat«.141 Die in literarischer Überformung idealisierte deutsche Geschichte, die mit der Reichseinigung ihren Bestimmungspunkt erreicht zu haben schien, war offenkundig in Gefahr.142 Doch drohte Heimatlosigkeit nicht nur der Nation, sondern auch ihren Historiographen. Was würde sein, wenn diese deutsche Geschichte nicht mehr so betulich und beherrschbar zu erzählen, wenn ersehnte und tatsächliche historische Entwicklung nicht länger zu parallelisieren waren? Wissenschaftlich argumentierte Müller in keiner Zeile, als Mangel empfanden das seine Rezipienten aus der historischen Disziplin jedoch nicht. Georg von Below dankte für das »Prachtstück«, für Erich Marcks war es »das Beste, was Sie bisher geschrieben haben, […] ganz ausgezeichnet, in Geist u. Gestaltung«, und Richard Fester fragte: »Woher haben Sie nur in Ihren jungen Jahren diese Reife des Gedankens und der Sprache?!«143 In Müllers Laufbahn erhielt der Aufsatz einen besonderen Rang, auch in die 1926 veröffentlichte Sammlung »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« wurde er aufgenommen. Dem Sohn Vischers hatte Müller bereits einige Monate nach Erscheinen beglückt mitgeteilt, der »kleine Aufsatz« habe ihm »Briefe und Erzählungen von Leuten eingetragen, die Ihren Herrn Vater noch persönlich gekannt und geliebt haben, daß die Freude, die ich seinem Gegenstand schon beim Schreiben verdankte, durch solche Zinsen mittlerweile gewiß schon aufs Doppelte angewachsen ist.«144 Auch seine Forschungen zu Görres hatte Müller inzwischen vorangetrieben. Erste Ergebnisse präsentierte er auf der Tagung des Gesamtvereins der 141 Müller, Friedrich Theodor Vischer (1912), S. 238 f, 244, 260. 142 Zur historiographischen Deutung der Nationalstaatsgründung als »natürliches Ergebnis und Ziel deutscher Geschichte« vgl. Fahrmeir, Geschichtsmythos. 143 Below an Müller, 20. 3. 1913; Marcks an Müller, 17. 8. 1912; Fester an Müller, 14. 9. 1912, BayHStA, NL von Müller 469. 144 Müller an Vischer, 29. 1. 1913, UBT, NL Robert Vischer Md 788 135.

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deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Würzburg im Herbst 1912. Allenthalben wurde Müller als vielversprechender Görres-Forscher wahrgenommen, mit dem selbstverständlichen Ziel der Habilitation.145 Durchaus erstaunliche Erwartungshaltungen wurden formuliert, Richard Fester erhoffte sich von Müllers Görres-Biographie »nach der Probe des jungen G.« eines »der lebendigsten Denkmäler deutscher Geistesgeschichte.«146 Im Archiv für Kulturgeschichte war eine erweiterte Fassung des Würzburger Vortrages erschienen, Müller schickte voran, er »hoffe das hier Angedeutete nächstens in strengerer Fassung und in größerem Zusammenhang im einzelnen begründet vorlegen zu können.«147 Mit mehr als vierzig Seiten von einigem Umfang und erneut eher literarisch als analytisch anmutend, bot Müllers Aufsatz eine bunte, vielfach psychologisierende Skizze des jugendlichen Görres mitsamt einer sprachlich ausschweifenden, assoziativen Inspektion seiner frühen Schriften. Er habe, so Hermann Oncken, von »neuem die reichen Gaben plastischer Vergegenwärtigung einer Individualität – und bei welcher wäre es schwieriger! – bei Ihnen bewundert.«148 Mit einer entstehenden und erwarteten Habilitation, der institutionellen Anbindung bei der Historischen Kommission und einer wachsenden Anzahl von Veröffentlichungen blieb Müller dem eingeschlagenen Karrierepfad treu. Auch eine der »klassischen« Aufgaben wissenschaftlichen Nachwuchses verdeutlicht dies: Müller gab die Festschrift zum 70. Geburtstag seines Doktorvaters Sigmund von Riezler heraus. Zwar hatte dieser gebeten, den »Tag unbeachtet vorübergehen«149 zu lassen, über die papierne Ehrung sich dann aber doch erfreut gezeigt. Vor allem für Müllers Geleitwort dankte Riezler, für die »meisterhafte Kunst, mit der Sie persönliche Züge und die Liebe zu unserem bairischen Lande darein zu verflechten verstehen«.150 In seiner Widmung verknüpfte Müller erneut politische Entwicklung und historiographische Erforschung derselben. Riezlers Arbeit habe sich einer »glücklichen Zeitlage der historischen Wissenschaft wie der vaterländischen Geschichte […] erfreuen dürfen«. Noch zu Lebzeiten Rankes wurde er »in jene historischkritische Methode eingeführt, die seitdem die zuverlässige Grundlage unserer Forschung geblieben ist […]. Und als Sie sich eben die ersten literarischen Sporen verdient hatten, war es Ihnen vergönnt, selbst teilzunehmen an dem großen Krieg, der den Deutschen wieder einen einigen, mächtigen Staat errang und unsere bayerische Heimat mit dem Kitt gemeinsam vergossenen Blutes in diesen hineinband. Von beidem durfte auch Ihr Werk den schönsten 145 Walter Goetz bat für das »Archiv für Kulturgeschichte« um den Würzburger Vortrag, falls dieser nicht bereits zur Habilitationsschrift werde, vgl. Goetz an Müller, 10. 9. 1912, BayHStA, NL von Müller 469. 146 Fester an Müller, 4. 4. 1913, BayHStA, NL von Müller 469. 147 Müller, Der junge Görres (1913), S. 414. 148 Oncken an Müller, 12. 3. 1913, BayHStA, NL von Müller 469. 149 Riezler an Müller, 20. 12. 1912, BayHStA, NL von Müller 471. 150 Riezler an Müller, 6. 5. 1913, BayHStA, NL von Müller 472.

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Nutzen ziehen.«151 Riezler habe sich, so ist Müller wohl zu verstehen, als Kriegsfreiwilliger 1870 wie als Historiker ein und demselben Werk gewidmet, die militärische und die historiographische Reichseinigung erschienen untrennbar vereint.152 Zusätzlich zur Festschrift der vor allem bayerischen Schüler hatte Müller ein Riezler gewidmetes Heft der Historischen Zeitschrift angeregt. Mit Erfolg, auch Müller selbst durfte einen Aufsatz beisteuern.153 Für »die große Ehre«, den nächsten Schritt zur Etablierung als Historiker, dankte er Friedrich Meinecke und erledigte für diesen zudem die Einwerbung der restlichen Beiträge.154 Bei seinem ersten Auftritt auf der großen Bühne der HZ ging Müller thematisch kein Risiko ein, mit »Bismarck und Ludwig II. im September 1870« widmete er sich nochmals und in minutiösen Schritten der bayerischen Teilhabe an der Reichseinigung. Je klarer die Ereignisse, so resümierte Müller, um »so gewaltiger wächst vor unseren Augen die Arbeit und das Verdienst Bismarcks.«155 Mit Bismarck war Müller in der deutschen Geschichtswissenschaft des wilhelminischen Kaiserreichs fraglos auf der sicheren Seite. Den Aufsatz habe er »mit großer Befriedigung gelesen«, lobte Alfred Dove, auch Oncken signalisierte Zustimmung.156 Nachdem ihm Meinecke zudem noch mitgeteilt hatte, er habe den Aufsatz zu Görres mit »Genusse« gelesen, konnte Müller seine Dankbarkeit und Freude kaum bremsen, bei »dieser Gelegenheit zum ersten Mal auch in den vorderen Teil der Historischen Zeitschrift eingerückt zu sein«.157 Das Verhältnis beider sollte in den folgenden Jahrzehnten einigen Wandlungen unterliegen, Meineckes kaum zu erschütterndes Vertrauen in die literarischen Fähigkeiten Müllers gründet in dieser frühen Zusammenarbeit. Ein solches Talent wollte gebunden sein, als wenige Wochen später für das von Meinecke gemeinsam mit Georg von Below herausgegebene »Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte« der säumige Erich Brandenburg endgültig absagte, durfte Müller als Autor des Bandes zur »Geschichte des europäischen Staatensystems seit 1815« einspringen.158 151 Müller (Hg.), Riezler-Festschrift (1913), S. VII. 152 Folgerichtig widmete sich Müllers umfangreicher Beitrag zur Festschrift ebenfalls der Vorgeschichte der Reichseinigung, offenbar ein Nebenertrag seiner Beschäftigung mit dem »Ministerium Hohenlohe«. Vgl. Müller, Tauffkirchensche Mission (1913). 153 Fritz Vigener an Müller, 20. 11. 1912, BayHStA, NL von Müller 472. 154 Müller an Meinecke, 11. 12. 1912, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 29, Nr. 718, sowie die weitere, vor allem organisatorische Korrespondenz zwischen beiden, ebd. 155 Müller, Bismarck und Ludwig II. (1913), S. 124. 156 Dove an Müller, 25. 5. 1913; Oncken an Müller, 22. 5. 1913, BayHStA, NL von Müller 472. Zur seit seinem Tod stetig anwachsenden Verklärung Bismarcks, auch in der deutschen Geschichtswissenschaft, vgl. zusammenfassend Hardtwig, Bismarck-Mythos. 157 Meinecke an Müller, 22. 4. 1913, BayHStA, NL von Müller 472; Müller an Meinecke, 2. 5. 1913, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 29, Nr. 715. 158 Meinecke an Verlag, 7. 7. 1913; Verlag an Meinecke, 31. 7. 1913; Verlag an Müller, 31. 7. 1913, BWA, Oldenbourg Verlag 5.

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Hat Müller den Zustand der deutschen Geschichtswissenschaft in den Jahren nach der Jahrhundertwende als krisenhaft, als veränderungsbedürftig empfunden? Zweifelte er am eingeschlagenen Weg einer Karriere als Historiker? Die für diesen Abschnitt formulierten Fragen sind klar zu verneinen. Als bedrohlich empfand Müller vielmehr mögliche Veränderungen, nur ein Verlust des errungenen Zustandes – staatlich wie historiographisch – beunruhigte ihn. Methodisch und thematisch folgte er den Spuren seiner Förderer : Politik- und Staatsgeschichte, vor allem zur Reichseinigung. Für einen katholischen Historiker kann die, zumal biographisch orientierte, Hinwendung zu Joseph von Görres ebenso wenig als innovativ angesehen werden. Institutionell schritt Müller als Mitarbeiter der Historischen Kommission, als Editor frühneuzeitlicher Akten auf einem ebenso erprobten Pfad, auch die Neigung zur Publikation von Quellen entsprach den gängigen Vorstellungen von wissenschaftlicher »Bewährung« des Nachwuchses. Als Mitglied des Verbandes Deutscher Historiker und Teilnehmer des Wiener Historikertages im September 1913159, mit Vorträgen und ersten Aufsätzen suchte Müller die fachliche Öffentlichkeit, ohne den Auftritt vor einem breiteren, bildungsbürgerlichen Publikum in Zeitschriften und Tageszeitungen zu scheuen. Als Nachwuchshistoriker im späten Kaiserreich war Müller auf dem besten Weg, zum »Kollegen« zu werden.160

2.2 Kriegsbegeisterung und fachliche Etablierung Seine nationale Gesinnung hatte Müller vor allem im Aufsatz über Vischer, begleitet vom Beifall der zukünftigen Kollegen, unter Beweis gestellt. Historiographisch und publizistisch reihte er sich nahtlos in die Gemeinschaft deutscher Historiker ein. Auf der Bismarckfeier der nationalen Vereine Münchens am 1. April 1914 durfte Müller die »Festrede zum Gedächtnis Bismarcks« halten, ein Beleg des erworbenen Ansehens als Lobredner deutscher Geschichte wie Geschichtsschreibung.161 Die Gegenwart zeichnete Müller in seiner Rede verhalten, in »solchen angespannten und undurchsichtigen Zeiten, wenn hier und da die Wege sich zu verwirren scheinen, da 159 Vgl. die Einträge Müllers als Tagungsteilnehmer und Verbandsmitglied, in: Bericht über die 13. Versammlung Deutscher Historiker zu Wien, S. 46 u. 57. 160 »Sehr geehrter Herr Kollege (oder wenn Sie’s nicht sind, werden Sie es wohl bald sein)«, so eine briefliche Anrede Hermann Onckens an Müller, 21. 3. 1914, BayHStA, NL von Müller 469. Zudem hatte Müller, nach eigener Auskunft, im Frühjahr 1913 einen Ruf auf eine »historische Lehrstelle« in Buenos Aires erhalten, aber abgelehnt, vgl. Müller, Gärten (1951), S. 520. 161 Anlass war der 99. Geburtstag Bismarcks, Veranstalter waren u. a. Alldeutscher Verband, Deutsche Kolonialgesellschaft und Deutscher Flottenverein, vgl. BayHStA, NL von Müller 469, »Festfolge zur Bismarckfeier am 1. April 1914«. Zur Bismarck-Verehrung v. a. der Alldeutschen vgl. Hering, Steuermann, v. a. S. 21 – 30.

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Aufbruch (1882 bis 1916)

ergreift uns heute wohl manchmal eine übermächtige Sehnsucht nach einem, auch nur jener großen wegweisenden Worte wie sie unseren Vätern in ihren Kämpfen voranleuchteten: einem jener Worte mit Stahl- und Eisenklang, die wie ein erlösender Blitz die Schwüle der Zeit durchschlugen […]. Was gäben wir alle für einen Mann, der es vermöchte, uns heute ein solches Wort zuzurufen!« Bismarck sei ein solcher Mann gewesen und dennoch war er »von unserer Art, Blut von unserem Blut. […] Er, der mehr als irgend ein anderer einzelner Mensch für unsere Einheit getan hat, er wenigstens soll uns allen gemeinsam sein!« Ausführlich skizzierte Müller Bismarck als gewaltige Gestalt, doch seine »größten Taten« habe er »vollbracht durch weise Mäßigung und vorsichtige, man möchte sagen: liebevolle Schonung.« Bismarck und die Nation setzte Müller in eins, denn darauf gründe man »die Zuversicht, daß Bismarcks Werk auch ohne ihn nicht nur dauern«, sondern »jeder kommenden Lage gewachsen sein werde.«162 Der Tonfall hatte sich gewandelt. Die schon im »Vischer« angedeutete Gefahr erschien drohender, die Zukunft zweifelhafter und nur durch Anrufung heldenhafter Vergangenheit zu bewältigen. Zugleich spricht aus Müllers Vortrag der Wunsch, Erworbenes nicht zu gefährden, Maß zu halten. Die retrospektiv sinnstiftende Deutung aus nervöser Jahrhundertwende, psychischem Überdruss und deshalb unaufhaltbarem Krieg griffe bei Müller zu kurz, sie verkennt die Offenheit seiner Einschätzung der Lage im Frühling 1914.163 Die Glorifizierung des Krieges 1870/71, die grundsätzliche Bereitschaft Müllers und der Mehrzahl seiner Fachgenossen zu kriegerischen Auseinandersetzungen soll nicht in Abrede gestellt, ebenso wenig die sich zuspitzende »imperiale Konfrontation« vernachlässigt werden.164 Fraglos war der Jubel im August 1914, der begeisterte Aufbruch in die Auseinandersetzung auch eine Kompensation des Zögerns und der Orientierungslosigkeit, nicht zuletzt unter den auf ihre politische und öffentliche Deutungskompetenz Wert legenden »Gelehrtenpolitikern« des Kaiserreichs.165 Im April 1914 jedoch war noch unklar, wohin die Entwicklung führen würde. Zumindest Müller erntete

162 Vgl. den Abdruck der Rede Müllers in der »Allgemeinen Zeitung«: Müller, Festrede zum Gedächtnis Bismarcks (1914). Zur »Allgemeinen Zeitung« in der preußischen und bayerischen Pressepolitik vgl. Stöber, Pressepolitik, S. 99 – 114. 163 Diese in Müllers Erinnerungen suggerierte Deutung übernimmt jedoch Joachim Radkau ohne zu zweifeln, eben weil Müller anbietet, was Radkau sucht. Müller habe, so Radkau, 1905 eine psychosomatische Lebenskrise erlebt, dann seine Weichheit durch Härte verborgen, war im Dienst der »Kriegshetzer« der Süddeutschen Monatshefte und schließlich »Entdecker und früher Verehrer Hitlers«. Müllers Memoiren seien, meint Radkau, »eine Fundgrube für die hier geschilderten Zusammenhänge« – ganz eben so, wie Müller es intendierte. Vgl. Radkau, Zeitalter der Nervosität, S. 512. Ebenfalls Müllers Angebot folgte W. J. Mommsen, vgl. Bürgerstolz und Weltmachtstreben, S. 834 u. 840. 164 Leonhard, Bellizismus, S. 759 – 784; Raphael, Imperiale Gewalt, S. 19 – 42. 165 Vgl. zu diesen umfassend vom Bruch, Gelehrtenpolitik.

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für seine Rede ungeteilten Zuspruch. Als »wirklich meisterhaft« empfand der Osteuropahistoriker Karl Stählin sie: »Es gibt eben auch junge Meister.«166 2.2.1 Publizistisches »Augusterlebnis« – Herausgeber der Süddeutschen Monatshefte Auch im Sommer 1914 schien die Nachwuchskarriere Müllers ihren geregelten Fortgang zu nehmen. Für die Aktenediton der Historischen Kommission plante er in den kommenden Monaten Reisen nach Paris und Brüssel.167 Am 1. August jedoch begann der Krieg, auch in Bayern wurde die Mobilmachung ausgerufen.168 Müller erhielt noch, ein letzter Gruß aus alter Zeit, einen Dank für seine Bismarck-Rede, verbunden aber bereits mit der Erwartung des Neuen: »Sie werden jetzt wohl auch bald einrücken müssen.«169 Eben dies tat Müller am 6. August, wurde jedoch keine zehn Tage später »feld- und garnisonsdienstunfähig« wieder entlassen.170 Seine militärische Karriere war beendet, während Jugendfreunde und Studiengenossen in den Krieg zogen.171 Ob sich Müller am 1. August über den Kriegsausbruch freute, ob sein Überdruss an der »Schwüle der Zeit« das in der Bismarckrede noch aufscheinende Zögern verdrängt hatte, ist aus zeitgenössischen Quellen nicht zu rekonstruieren. Auch nicht, ob ihn Kampfgeist, Pflicht oder Gruppendruck zur Meldung zum Militärdienst motiviert hatten. Die Konsequenzen aber, die Müller für seine berufliche Entwicklung zog, der rasante Wechsel in die zuvor nur angedeutete Rolle als historisch-politischer Publizist, sind ebenso präzise nachzuvollziehen wie ihre Auswirkungen für den Historiker Müller. Das tatsächlich erlebte, bald sprichwörtliche wie auch bewusst erzeugte »Augusterlebnis« 1914, die erzählte und erinnerte, in jüngerer Zeit auch relativierte »Begeisterung« über den Ausbruch des Krieges172, können in ihren Folgen für die wissenschaftliche Biographie Müllers nicht überschätzt werden. Der Akteneditor wurde zum 166 Stählin an Müller, 7. 5. 1914, BayHStA, NL von Müller 469. Vgl. auch das Lob von u. a. Erich Marcks, Sigmund von Riezler u. Max Buchner, ebd. 167 Vgl. das Protokoll der 55. Plenarversammlung der HiKo 3.–5.6.1914, HiKo I Band 105. 168 Zorn, Bayerns Geschichte, S. 81. Zum Kriegsausbruch vgl. Williamson Jr./May, Identity. 169 Margarete Rothbarth an Müller, 3. 8. 1914, BayHStA, NL von Müller 469. 170 Vgl. den Auszug aus Müllers Militärpass v. 22. 3. 1918: »Ist bei Kriegsausbruch (6. Aug. 1914) eingerückt. Am 15. Aug.1914 vom 1. Feldartillerie-Regiment, Rekr.Dep.Kdo. als Feld- und garnisonsdienstunfähig wieder entlassen.«, BayHStA, MK 44052. Unmittelbar zum Kriegsbeginn und der Entlassung nach sich wiederholenden Ohnmachtsanfällen vgl. seine knappe Darstellung: Müller, Mars (1954), S. 11 f. Er sei, so Müller rückblickend, bis »zum Kriegsende mindestens zehnmal nachgemustert, jedoch nie mehr eingezogen worden.« Vgl. ebd., S. 43. 171 Müllers Kommilitone Fridolin Solleder diente gemeinsam mit Hitler im »List-Regiment«, dessen Historiograph Solleder nach dem Krieg wurde, somit auch zum Zeugen von »Hitlers erstem Krieg«, vgl. T. Weber, Hitlers erster Krieg. Weber stützt sich umfassend auf Solleder, zitiert auch aus dessen Beitrag in der von Müller herausgegebenen Riezler-Festschrift, die spätere Verbindung zwischen Müller und Hitler entgeht ihm allerdings. 172 Vgl. Verhey, Geist; Raithel, Wunder ; Rohkrämer, August 1914.

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Aufbruch (1882 bis 1916)

Volksredner, der Nachwuchshistoriker zum öffentlich wirksamen Propagandisten, für Müller wurde der August 1914 zum Aufbruch. »Wunden zu schlagen, Wunden zu heilen – wir alle haben in den […] Monaten dieses Ringens diese beiden Aufgaben erfahren wie kein früheres Geschlecht unserer Väter jemals zuvor ; und glücklich nennt sich jeder von uns, dem es vergönnt ist, hier oder dort im Dienst des Ganzen seine Pflicht zu erfüllen.« Weitaus weniger metaphorisch als anzunehmen waren diese Zeilen Müllers, im Sommer 1916 berichtete er der »Heimatfront« vom Kriegseinsatz des Roten Kreuzes.173 Nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst zwei Jahre zuvor hatte Müller eine Tätigkeit beim Roten Kreuz angetreten. Er wurde erst Referent, dann auch Schriftführer und »Kassier« des Frauenvereins des Roten Kreuzes für München und Oberbayern.174 Gegenüber Max Lenz erläuterte Müller seine Tätigkeit ausführlich und plastisch: »Von mir ist wenig Gescheites zu melden, die Truppe, die ich kommandiere, besteht nur aus Frauenzimmern – Helferinnen des Roten Kreuzes, etwa 800 bis 900 in München, 1.100 in Oberbayern, über die ich allein ein bald sanftes bald drakonisches Regiment aufrechtzuerhalten versuchen soll. Es ist manchmal sehr erheiternd, manchmal sehr gallenerregend. 2 Regimenter Männer sind leichter einzuexerzieren als 1 solches Bataillon undressierter Frauen. Diese Diktatur nimmt mit allem drum und dran von Lazarettbesuchen usw. etwa 34 meiner RotenKreuz-Arbeit in Anspruch, und diese selber so ziemlich meinen ganzen Tag (in Anspruch). Lesen und Schreiben ist auf die Nacht beschränkt.«175 Müllers Tätigkeit für das Rote Kreuz war der auch erwartete, arbeitsintensive »Ersatz« für den nicht geleisteten Kriegsdienst.176 Jedoch war es ein anderes Engagement, das seinen Kriegsjahren den Stempel aufdrücken sollte. Die vor allem vom städtischen Bildungsbürgertum getragene Begeisterung des August 1914 hatte besonders überzeugte wie auch öffentlichkeitswirksame Vertreter in den Kreisen der deutschen Wissenschaft, nicht zuletzt unter den Historikern. Diese »geistige Mobilmachung«177 fand ihren sinnfälligen Ausdruck im berühmt-berüchtigten Aufruf »An die Kulturwelt!«, der »im Pathos gerechten Selbstgefühls« zumindest für die erste Hälfte des Krieges weitgehend Tonfall und Zielrichtung der publizistischen Auseinandersetzung bestimmte.178 Während die jüngere Historikergeneration an die Front zog179, 173 Müller, Im Zeichen des Roten Kreuzes (1916), S. 103. 174 Vgl. den Eintrag in Müllers Personalakte beim Kultusministerium: »16. 8. 1914 Referent u. ab 1. 7. 1915 Schriftführer u. Kassier d. bayer. Frauenvereins vom Roten Kreuz, Kreisausschuß Oberbayern, Zweigverein München«, BayHStA, MK 44052. 175 Müller an Lenz, 28. 12. 1914, SBB, NL Max Lenz 3. 176 Entsprechend wurde dieser Einsatz honoriert, vgl. Müllers Aufstellung v. 2. 5. 1937 von insgesamt sieben Auszeichnungen (»sämtlich für meine Tätigkeit beim Roten Kreuz im Weltkrieg«), in: UAM, E-II-2517. Vgl. auch Riesenberger, Deutsche Rote Kreuz, zum Weltkrieg S. 124 – 172. 177 Flasch, Mobilmachung, u. a. zu Friedrich Meinecke im August 1914 vgl. S. 48 – 54. Vgl. zudem zahlreiche Beiträge in: W. J. Mommsen (Hg.), Kultur und Krieg. 178 Ungern-Sternberg/Ungern-Sternberg, Aufruf »An die Kulturwelt!«, S. 54.

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wollten sich die daheim gebliebenen, zumeist älteren Geschichtsprofessoren nicht auf die Lektüre der in den ersten Wochen einlaufenden Erfolgsmeldungen beschränken.180 Besonders und neu an diesem Kriege sei seine Erstreckung »in das friedliche Gebiet der Kultur«, den Angriffen gegen »Geltung und Bedeutung von deutscher Art, Kultur und Wissenschaft« gelte es zu begegnen, so Otto Hintze, Friedrich Meinecke und Hermann Oncken als Mitherausgeber des Bandes »Deutschland und der Weltkrieg«.181 Noch mehr sah sich der ausgemusterte, erst 32jährige Müller in der Pflicht, an der heimatlichen Meinungsfront seinen Beitrag zum Kriegserfolg zu leisten. Bereits im September 1914 erschien das erste »Kriegsheft« der Süddeutschen Monatshefte, folgend von Paul Nikolaus Cossmann gemeinsam herausgegeben mit Josef Hofmiller, Hans Pfitzner und Karl Alexander von Müller. Mit der Redaktion der Kriegshefte und vor allem mit einem guten Dutzend eigener, zumeist eher kurzer Beiträge begründete Müller bis 1918 seinen Ruf als historisch argumentierender, politischer Publizist von Rang. Die Süddeutschen Monatshefte begannen, nachdem der zu Beginn einflussreiche Friedrich Naumann sich 1913 zurückgezogen hatte, vor allem unter dem Einfluss Cossmanns noch vor Kriegsausbruch ihre Ausrichtung zu ändern.182 Mit den Kriegsheften sollte sich die einst vorwiegend an kulturellen Fragen interessierte, trotz süddeutscher Orientierung national gesinnte, aber liberale Zeitschrift zu einem politischen, bald vor allem gegen den Reichskanzler Bethmann Hollweg gerichteten Kampfblatt wandeln.183 Müller, der in den Monatsheften mit kleineren Artikeln und Editionen bereits vor 1914 aufgetreten war, reihte sich schon im ersten Kriegsheft in eine illustre Schar deutscher Historiker ein. An der Seite von Karl Theodor von Heigel, Erich Marcks, Veit Valentin, Friedrich Meinecke, Hermann Oncken und Max Lenz beschwor Müller »das Erlebnis jener überwältigenden Tage, als das ganze Deutschland wirklich […] wie eine Pulvermine aufbrannte« und appellierte im September 1914 »An Preußen!«. Die zuvor in der Reichseinigung erlangte und unterdes in Zweifel geratene nationale Einheit sah Müller nun wieder erreicht, Nukleus dieses erneut gewonnenen Reiches war in seinen Augen Preußen. Dessen Aufstieg zur Macht gegen »Haß und Mißtrauen des Auslandes« sei zum Vorbild zu nehmen, für Müller sollte am preußischen Wesen nun das Kaiserreich genesen.184 179 Für den Kriegsfreiwilligen Hans Herzfeld »wurde jede Stunde in Halle ohne die Uniform mehr und mehr eine Qual.« Vgl. Herzfeld, Lebenserinnerungen, S. 145. 180 Karl Hampe notierte: »Die Nachrichten von Siegen und Erfolgen häufen sich«, Eintrag v. 23. 8. 1914, in: Hampe, Kriegstagebuch, S. 109. Vgl. auch Reichert, Hampe, S. 103 – 138. 181 Hintze u. a. (Hg.), Deutschland und der Weltkrieg, S. III. Beteiligt waren u. a. zudem Karl Hampe, Ernst Troeltsch und Erich Marcks. 182 Zu den Monatsheften und Cossmann vgl. H. Kraus, Kulturkonservatismus, S. 13 – 20. 183 Zur Entwicklung der Zeitschrift im Krieg vgl. Selig, Cossmann, u. a. mit einer ausführlichen Lebensskizze S. 13 – 80, allerdings stark gestützt auf Müllers Erinnerungen. 184 Müller, An Preußen! (1914), S. 824 u. 826.

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Aufbruch (1882 bis 1916)

Einen Monat später griff Müller den Gedanken eines »neuen Deutschland«, das nun entstünde, wieder auf. Die »Größe des Umschwungs«, den er zu erkennen glaubte, verweist auch auf seine Zweifel der Vorkriegszeit, ob die gerühmte staatliche Einheit nicht bereits bedroht sei. Nun erschien die Reichseinigung in etwas fahlerem Licht, denn in ihr kam »der Geist zu kurz; wie vorher fürs Politische fehlte jetzt fürs Geistige der belebende einigende Mittelpunkt.« Es klaffte ein »anscheinend unversöhnlicher Zwiespalt zwischen bürgerlicher und proletarischer Welt«, doch nun: »Keine Partei, kein Stamm, keine Schicht der Gesellschaft mehr, die es nicht im Innersten durchdrungen« habe.185 Müllers emphatische Begeisterung, seine in Worten der Erlösung formulierte, unzweifelhaft tief empfundene Befreiung vom Zweifel am Zustand der wilhelminischen Gesellschaft geben bereits die Fallhöhe der späteren Enttäuschung vor. Müllers Beiträge erfuhren umgehend eine breite Resonanz. Der nur wenige Jahre jüngere Franz Schnabel teilte vor allem die Sicht auf die zukünftige Gesellschaft: »Besonders der Aufsatz über das ›neue Deutschland‹ ist mir völlig aus der Seele gesprochen. Denn an unseren Erfolgen nach Aussen ist nicht zu zweifeln; dann aber kommt die andere, schwerere Aufgabe, die Arbeit an der Heranbildung der neuen nationalen Bildung, an dem Aufbau des neuen Staates und an der Erhaltung der alten Kraft.«186 Gegenüber dem bayerischen Kultusministerium, dem er die letzten beiden Ausgaben der Süddeutschen Monatshefte sandte, erläuterte Müller seine Motive. Gemeinsam mit Cossmann habe er angestrebt, dass »in dem Chor von Stimmen, der jetzt in Deutschland die gewaltigen Ereignisse und Entwicklungen begleitet, auch München, Bayern würdig vertreten sein sollte.« Mit Erfolg, das erste Heft erlebe bereits eine zweite Auflage. Sein eigener Beitrag habe ihm zudem eine besondere Anerkennung beschert: »Von meinem eigenen kleinen Aufruf ›An Preußen‹ darf ich vielleicht berichten, daß er durch einen Zufall im großen Hauptquartier unter die Augen des Herrn Reichskanzlers gekommen ist, der Gelegenheit nahm, ihn selbst seiner Majestät dem Kaiser zu unterbreiten, und daß mir dadurch die allerhöchste Auszeichnung eines besonderen kaiserlichen Dankes zuteil wurde.«187 Dem eingeschlagenen Weg folgte Müller beharrlich. Im Novemberheft beschwor er, nie sei der »Wille unseres Volkes einheitlicher, gewaltiger, unüberwindlicher gewesen als beim Ausbruch des heutigen Krieges.« Nun aber sei die erste Begeisterung abgeebbt, die Opfer träten zu Tage: »Durch die 185 Vgl. Müllers Beitrag im Oktoberheft der SM: Das neue Deutschland (1914), S. 88 f u. 90. 186 Franz Schnabel an Müller o.D., BayHStA, NL von Müller 473 (Unterstreichungen im Original). Vergl. auch: Hertfelder, Schnabel, hier v. a. Erster Teilband, S. 126 – 140. 187 Müller an Staatsminister Eugen von Knilling, 23. 10. 1914, BayHStA, MK 44052. Die Zuwendung scheint Müller zu weiteren Sendungen veranlasst zu haben: »Seine Majestät der Kaiser und König die Gnade gehabt haben, den von Ihnen dargebotenen Aufsatz anzunehmen. Ich freue mich, beauftragt zu sein, Ihnen den Allerhöchsten Dank zu übermitteln.« Vgl. Auswärtiges Amt, Großes Hauptquartier an Müller, 10. 12. 1914, BayHStA, NL von Müller 473.

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kargen Worte der amtlichen Berichte rieseln Bäche von Blut.« Es gelte jetzt, nicht schwach zu werden, die »Einheit in uns ist noch eben so stark wie in den ersten Kriegstagen.« Bereits im Vormonat hatte Müller hervorgehoben, dass England der Hauptgegner in dieser Auseinandersetzung sei, auch nun betonte er diese Frontstellung. Zu fürchten habe man in diesem Krieg aber vor allem eines, die »bloße Wiederkehr der Lage vor ihm. Wir würden sie nicht mehr ertragen.« Drohend zeichnete Müller die Folgen der befürchteten Rückkehr zum Status Quo, alle nationale Begeisterung würde zusammenbrechen, Deutschland hätte »die schwersten Stunden seiner Geschichte noch vor sich.«188 Nach drei Monaten Krieg, der sich nun im Westen in zermürbenden Stellungskämpfen unter Millionen Opfern für weitere knapp vier Jahre fortsetzen sollte, nach einem Vierteljahr Kriegspublizistik scheint es, als wollte Müller alle Brücken möglichen Abwägens oder Verhandelns vorsorglich abbrechen, jeden möglichen Zweifel unterdrücken. Doch wie weit reichte dieses »wir«, vor allem unter seinen Fachgenossen? Besonders jüngere Kollegen scheinen von Müllers unbedingtem Aufbruch angesprochen worden zu sein. Der fast gleichaltrige Fritz Vigener stimmte Müller zu, die »geistige und moralische Mobilmachung, die wir in ungeahnter Herrlichkeit sich erheben sehen, muss zu den ausdauernden Pflanzen der grossen Zeit gehören – sonst wird jeder Sieg nur ein kalter Sieg sein.« Auch der Altphilologe Paul Lehmann dankte, vor allem für Müllers »an Gedanken reichen Aufsatz über das neue Deutschland, das ich mit Ihnen ersehne.« Die Hoffnung Müllers könne er aber nicht teilen, er bezweifele, dass »in den führenden Kreisen ein neuer Bismarck« lebe. Nicht teilhaben an dieser, bei allen Bedenken doch den »Aufbruch« wünschenden Gemeinschaft konnte Müllers Doktorvater Sigmund von Riezler. Zwar wolle er sich an Müllers »Idealismus und Optimismus […] aufrichten, wenn uns Schwermut über die […] Opfer u. die Gräuel des Krieges zu übermannen« drohen. Doch Müllers heftiger Abscheu gegenüber der Vorkriegszeit konnte Riezler nichts abgewinnen: »Diese ›Lähmung‹ scheint mir doch recht leicht zu wiegen gegen die Gräuel u. Gefahr des Krieges«.189 Dem Schriftsteller Alfred Walter Heymel, der für die Süddeutschen Monatshefte einen Beitrag über seinen Fronteinsatz verfasst hatte, gestand Müller, er »beneide« ihn »um alles, was Sie erleben durften, zu erleben die Stärke hatten«.190 Die Achillesferse seiner schwungvoll formulierten Artikel, die angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten dieses Krieges offenkundige Leichtfertigkeit seines verbalen Willens zum Opfer, blieb zumeist unausgesprochen. Spurlos scheinen die Worte Riezlers an Müller nicht vorbei ge188 Müller, Unser Wille (1914), S. 243 f, 245, 247. Neben den SM veröffentlichte auch die Münchener Zeitung den Artikel Müllers, vgl. Schriftenverzeichnis. 189 Vigener an Müller, 30. 11. 1914 (Unterstreichung im Original); Lehmann an Müller, 9. 11. 1914; Riezler an Müller, 25.10. u. 28. 11. 1914, BayHStA, NL von Müller 473. 190 Müller an Heymel, 19. 11. 1914, DLA, A:Heymel. Wenige Tage nach Müllers Brief verstarb Heymel, allerdings an Tuberkulose. Sein Beitrag in den SM vgl. Heymel, Siegeslauf.

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Aufbruch (1882 bis 1916)

gangen zu sein, wie diese Zweifel abwehrend lobte er den auch bereits 64jährigen Max Lenz, es sei »in der ganzen älteren Generation unserer Historiker keiner, der so jung ist wie Sie, hochverehrter Herr Geheimrat. Bei so vielen spüren wir Jüngeren jetzt manchmal einen leisen Unterton von Fremdheit, von Stocken, Zweifel, Besorgnis, die wir nicht nachfühlen können oder wollen. Ihre Aufsätze sind die von Einem, der selber mit im Feld steht!«191 Müller wollte die Zweifel nicht nachfühlen, in seinem das Jahr abschließenden Beitrag für die Süddeutschen Monatshefte insistierte er auf seiner Diagnose der Vorkriegsjahre: »Es war eine Fäulnis, die das ganze Leben ergriff, das geistige wie das politische.« Zugleich nach einem positiven Bezugspunkt in der deutschen Vergangenheit suchend, beschwor er die vormoderne Welt eines »alten Deutschland«, das nur überdeckt worden sei durch die »unaufhaltsame Demokratisierung, Spezialisierung, Nivellierung, Verschlingung aller Verhältnisse«. Seinen Befund der Kriegsmonate ließ sich Müller nicht nehmen: »Der ganze Reichtum unseres Wesens ist zum erstenmal zusammengefaßt in einer wunderbaren Einheit.«192 Die Vielzahl seiner Beiträge in den ersten beiden Kriegsjahren unterstreicht, wie sehr Müller die Rolle als »eine Art ›historischer Beirat‹« der Süddeutschen Monatshefte zusagte.193 Die Auszeit als Historiker, sein Aufbruch in die politische Publizistik, verhalf ihm zu Lob und Ansehen auch in der Historikergemeinde. Müller addierte zur historiographischen Kompetenz nun auch seine Befähigung, politischen Überzeugungen mittels publizistischer Fähigkeiten Nachdruck zu verleihen. Georg von Below, einer der einflussreichsten Förderer, zog zum Neujahr 1915 eine erste Bilanz: »Ihre Artikel haben mich sämtlich in hohem Maß angesprochen. Sie gehören zweifellos zu dem schönsten und besten, was aus Anlaß des jetzigen Kriegs geschrieben worden ist.«194 Inhaltlich fügte sich Müller in den Reigen deutscher Kriegspropaganda ein, auch waren weitaus prominentere, einflussreichere Historiker an dieser beteiligt.195 Für Müllers weitere Karriere waren weniger einzelne Ansichten und Argumentionen als die erstaunlich emphatische Resonanz von Bedeutung. Eine zukünftige Brüche und Gräben überbrückende Erfahrungsgemeinschaft, die der bayerische Kultusminister Eugen von Knilling im Dezember 1914 auf den Punkt brachte: »Insbesondere ist mir und gleich mir wohl allen Deutschen Ihr ausgezeichneter Artikel ›Unser Wille‹ aus der Seele geschrieben.«196 Eine vom Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg angenommene Widmung197, der Dank Houston Stewart Chamberlains198 – Müllers

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Müller an Lenz, 28. 12. 1914, SBB, NL Max Lenz 3. Vgl. im Dezemberheft der SM: Müller, Das alte Deutschland (1914), S. 432, 437, 439. So Müller an Alfred Walter Heymel, 19. 11. 1914, DLA, A:Heymel. Below an Müller, 3. 1. 1915, BayHStA, NL von Müller 474. Vgl. weiterhin grundlegend: Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral. KM Staatsminister (Knilling) an Müller, 1. 12. 1914, BayHStA, NL von Müller 473. Hedy Dyck gratulierte Müller am 10. 7. 1915, daß »Hindenburg Ihre Widmung angenommen

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Ansehen war, verbunden mit zahlreichen Angeboten, durch die publizistische Präsenz enorm gewachsen.199 Als Thomas Mann im Januar 1916 seinen bereits zitierten Brief an Müller aufsetzte, dankte er einem Bekannten aus dem überschaubaren Umfeld des Münchner Bildungsbürgertums200, er dankte aber auch einem mittlerweile durchaus Prominenten.201 Das im Januar 1916 Manns Assoziation zu Kleists »Katechismus der Deutschen« auslösende »Zwiesprach« Müllers verdeutlicht aber auch eine Entwicklung seiner Ansichten. Genau anderthalb Jahre nach Kriegsbeginn erschienen, entwarf Müller ein Gespräch zwischen Vater und Sohn. Im Wechsel der Worte übernahm der Sohn die Rolle, die Müller in früheren Beiträgen selbst gespielt hatte, er betonte die vermeintliche Notwendigkeit der Opfer des Krieges, gerichtet gegen »Erblaster« wie »leidsame Trägheit« und »Krittelsucht«, gegen das »weiche Sichselbstaufgeben und das schnöde Verleugnen der eigenen Art«. Auf die Frage des Vaters antwortete der Sohn, man dürfe sich dieses Krieges freuen, weil »er eine gewaltige Probe unsres Wesens und Wachsens ist, die wir bestehen wollen.« Schließlich, mit welchem Gedanken solle der Vater »all mein Glauben, Lieben und Hoffen im Tode« zusammenfassen? Die Antwort des Sohnes, also Müllers, lautete: »Deutschland.«202 Im Unterschied zu ähnlich argumentierenden Beiträgen aus dem Herbst 1914 ist jedoch in »Zwiesprach« die Rolle des zögerlichen Vaters nachsichtiger, weniger verächtlich gezeichnet. Die Fortdauer des Krieges scheint Müller nicht zu versöhnlichen Ansichten, aber zu einer bedachter argumentierenden Rhetorik verholfen zu haben, nach Mann eben »milder und menschlicher, wie die heutige Lage Deutschlands es erlaubt.«203 Um diese Milde war Müller auch gegenüber Hermann Oncken bemüht, den er um einen Beitrag für die Süddeutschen Monatshefte bat. Er würde es begrüßen, wenn »neben der prononcierten und manchmal etwas landesüblich groben Tonart auch gemäßigtere und ›feinere‹ Stimmen darin wieder etwas mehr zu Wort kämen.«204

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hat«, vgl. BayHStA, NL von Müller 474. Der entsprechende Beitrag im Juliheft der SM vgl. Müller, Feldmarschall von Hindenburg (1915). Vgl. auch Pyta, Hindenburg, v. a. S. 91 – 359. Eva Chamberlain an Müller, 16. 10. 1915 mitsamt Dankeskarte von Houston Stewart Chamberlain, BayHStA, NL von Müller 474. Vgl. eine Reihe von Anfragen, u. a. vom Ullstein-Verlag, BayHStA, NL von Müller 436/437. So hatte Müller das Abitur am Münchner Wilhelmsgymnasium gemeinsam mit Katia Pringsheim, der späteren Ehefrau Manns, abgelegt, vgl. Müller, Gärten (1951), S. 240 u. 491 sowie Jens, Frau Thomas Mann, S. 39 – 41. Die Wahrnehmung Müllers durch Mann ist für einen weiteren Beitrag in den Süddeutschen Monatsheften anzunehmen, vgl. Müller, Opiumkrieg (1915). Verarbeitet hat Mann diesen Beitrag Müllers in seinen »Betrachtungen eines Unpolitischen«, vgl. Mann, Betrachtungen eines Unpolitischen, S. 390; zur Verwendung vgl. auch: Mann, Betrachtungen eines Unpolitischen. Kommentar, S. 457. Müller, Zwiesprach (1916), S. 670 – 672. Thomas Mann an Müller, 21. 1. 1916, BayHStA, NL von Müller 474. Müller an Oncken, 7. 1. 1916, NLA StA Oldenburg, NL Hermann Oncken, Nr. 377.

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Aufbruch (1882 bis 1916)

Bereits einige Monate zuvor hatte Müller in einem Beitrag seine Ansichten vorsichtig angepasst. Auch in »Die deutsche Not« formulierte er seine Thesen von einer unhaltbaren Vorkriegszeit, notwendigem Kriegsleid und geeinter »Volksgemeinschaft«. Nun aber, im Warnen vor sich vermeintlich einstellender Genügsamkeit, im Hinweis auf den unabänderlichen und irreversiblen Bruch mit der Vorkriegszeit, warb Müller deutlicher als zuvor für die Zeit nach dem Krieg, für Ziele über den militärischen Sieg hinaus. Dem zweiten, persönlichen »Augusterlebnis« Müllers bei den Süddeutschen Monatsheften, seiner so rasch auf Resonanz stoßenden Kriegspublizistik, hatte die Ernüchterung einer weniger prosaischen Realität des Krieges an der Front gefehlt. Seiner nationalistischen Begeisterung war als Ventil nur Steigerung und Zuspitzung geblieben. Unterdes war die »Gemeinschaft« des August 1914 jedoch nicht mehr ungebrochen, die in Deutschland einsetzende Debatte um Sinn und Ziele des Krieges hatte Müller erreicht.205 Auch den Fachgenossen stand der Sinn nun weitaus mehr nach Differenzierung, nach Abwägen. Die »Deutsche Not«, so Paul Lehmann, die »Sie so geistvoll und sprachschön schildern empfinde ich mit Ihnen. In einzelnen Anschauungen und Forderungen aber bin ich anderer Meinung.«206 Bis zum Kriegsausbruch war in der Karriere Müllers keine besondere Neigung zur politischen Publizistik erkennbar gewesen. Den eingeschlagenen Weg als aufstrebender, junger Historiker hatte er in den vorgezeichneten Bahnen der Geschichtswissenschaft des späten Kaiserreichs beschritten. In Müllers Lebensentscheidungen und seinen publizistischen Auftritten gibt es bis zum Frühjahr 1914 keinen Hinweis auf einen etwaigen Überdruss an der wilhelminischen Gelehrtengesellschaft, keinen Ausbruch über den Kreis der Zunftgenossen hinaus. Der Aufbruch Müllers im August 1914 zog seine Dynamik, seine Unerbittlichkeit vor allem aus seiner engen Bindung an die Zeit vor 1914. Zwei Jahre darauf, die brüchige Einigkeit der deutschen Kriegsgesellschaft begann sich aufzulösen, sandte Oncken einen Weckruf an den in Müller schlummernden Nachwuchshistoriker. Müller sei wohl »so tief in Kriegsarbeit«, dass er der bayerischen Geschichte nichts abgewinnen könne, oder »flieht Ihr Sinn manchmal in diese Gefilde?«207

2.2.2 Habilitation und Profession Mit Kriegsausbruch war Müllers wissenschaftliche Produktion zum Erliegen gekommen, nach einer Phase intensiver und ergebnisreicher Editions- und 205 Vgl. den Beitrag im Oktoberheft 1915 der SM: Müller, Die deutsche Not (1915). Zur Beteiligung an einem »vertraulichen politischen Zirkel« um Heinrich von Frauendorfer und Edgar Jaff¦, beide spätere Minister der Räterepublik, vgl. Müller, Mars (1954), S. 66 – 70, Zitat S. 66. 206 Lehmann an Müller, 17. 10. 1915, BayHStA, NL von Müller 474. 207 Oncken an Müller, 29. 6. 1916, ebd.

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Publikationstätigkeit.208 Zwischen 1912 und 1914 hatte er, den Ansprüchen an den wissenschaftlichen Nachwuchs folgend, das Thema seiner Dissertation erweitert und ausgebaut, sich neue Forschungsgebiete erschlossen, Vorträge gehalten und Quellen ediert.209 Auch wenn Müller in den Kriegsjahren kaum wissenschaftliche Veröffentlichungen vorlegen sollte, blieb doch seine Publizistik vor allem der ersten Kriegsmonate nicht ohne Folgen für seine Karriere als Historiker. Die Beiträge des Publizisten Müller für die Süddeutschen Monatshefte hatten unter seinen Fachgenossen eine breite Resonanz gefunden, sie mehrten aufgrund ihrer literarischen Qualitäten auch den Ruhm des Historikers Müller. Auch beim ihm ohnehin zugeneigten Friedrich Meinecke stieg Müllers Kurs. Der Berliner Historiker Friedrich Thimme berichtete von einem Gespräch mit Meinecke über »unsren Nachwuchs an Historikern«, dieser setze Müller, nicht zuletzt seiner Aufsätze wegen, mit »an allererste Stelle.«210 Seine öffentlichkeitswirksame Kriegspublizistik begann auch für Müllers eigentliche, wissenschaftliche Nachwuchskarriere Folgen zu zeitigen. Vor allem der seit 1913 in München lehrende Erich Marcks war von Müllers Fähigkeiten angetan und förderte seine Karriere. Noch vor dem Krieg hatte Marcks von einem »Bismarckplänchen« gesprochen, bei dem Müller helfen solle.211 Zwei Jahre darauf erschienen die »Erinnerungen an Bismarck«, gesammelt und herausgegeben von Arthur von Brauer, einem ehemaligen Mitarbeiter des Reichskanzlers, gemeinsam mit Marcks und Müller.212 In der sich mit Erinnerungen an Bismarcks Wirken von der trostlosen Realität des Jahres 1915 ablenkenden deutschen Öffentlichkeit wurde der Band ein voller Erfolg, noch im Erscheinungsjahr erlebte das Buch fünf Auflagen. Für Müller begründete die Sammlung zwei Beziehungen von langer Dauer, zu Erich Marcks und zur Deutschen Verlags-Anstalt. Auch beim Oldenbourg Verlag schätzte man, wie ausgeführt, Müller und hatte ihn für das »Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte« gewonnen. Nun, kurz nach Erscheinen des mit Marcks herausgegebenen Bismarck-Bandes, suchte man die Bindung an den Nachwuchsautor weiter zu festigen. Man erwäge, so bestätigte Oldenbourg gemeinsame Überlegungen, dem »Sybel’schen Werke über ›Die Begründung des deutschen Reiches durch Wilhelm I.‹ den ihm fehlenden Abschluss durch ein entsprechendes, die di208 Noch 1914 erschien eine auf Müllers Vorkriegsforschungen beruhende Edition, vgl. Müller, Bismarck und Ludwig II. Aktenstücke (1914). 209 Die Veröffentlichungen Müllers zu den von ihm bis zum Kriegsbeginn bearbeiteten Themen finden bis heute Verwendung, vgl. C. Botzenhart, Schattenkönig, S. XXV. 210 Thimme an Müller, 4. 12. 1914, BayHStA, NL von Müller 473. Vgl. auch: F. Thimme, Ein politischer Historiker, v. a. die biographische Einführung S. 15 – 62. 211 Marcks an Müller, 21. 3. 1914, BayHStA, NL von Müller 469. Zur Biographie Erich Marcks’ vgl. Nordalm, Marcks. 212 Zur Herausgabe vermerkte Marcks im Vorwort, das »Technische daran hat Herr v. Müller auf sich allein genommen.« Vgl. Erinnerungen an Bismarck (1915), S. VIII. Der Band enthielt auch einen Beitrag Müllers, vgl. Beiträge zur äußeren Politik Bismarcks (1915).

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Aufbruch (1882 bis 1916)

plomatischen und innerpolitischen Vorgänge des Kriegsjahres 1870/71 behandelndes Werk aus Ihrer sehr geschätzten Feder zu geben.«213 Das Angebot einer darstellerischen Nachfolge Sybels: Oldenbourgs wissenschaftliches, aber auch verlegerisches Vertrauen in Müller fand hier seinen deutlichen Ausdruck. Die erwiesene Fähigkeit, publizistische Präsenz jenseits von Akteneditionen zu erzielen, ohne dabei zu den misstrauisch beäugten Populärgeschichtsschreibern zu zählen, begann sich für Müller auszuzahlen. In den verlegerischen Überlegungen Oldenbourgs spielte Müller nun eine zunehmend gewichtige Rolle. In beiderlei Hinsicht, als Historiker wie als Publizist, wurde er in Überlegungen zur Verlagsausrichtung eine bedenkenswerte Größe. So plante Oldenbourg, angesichts der erfolgreichen Kriegspublizistik, eine stärkere Betonung der neueren Geschichte in der HZ bzw. die Gründung einer entsprechend ausgerichteten Zeitschrift. Allerdings sei das Vorhaben »inzwischen durch die Kriegsausgabe der ›Süddeutschen Monatshefte‹ zum Teil verwirklicht worden.« Auch die Bände zur Reichsgründung und des Meinecke-Belowschen Handbuchs standen erneut zur Debatte, schwierig sei jedoch, dass »unsere beiden literarischen Berater auf geschichtlichem Gebiet, Meinecke und Müller, gerade in diesen Fragen voreingenommen sind.« Müller sei Teil der Redaktion der Süddeutschen Monatshefte, werde »also den Plan einer historisch-politischen Zeitschrift nicht begrüssen«.214 Den von Oldenbourg angeregten, an Sybel anschließenden Band überließ Müller seinem Studienfreund Fritz Endres. Er selbst wolle sich im Rahmen des Handbuches »einer europäischen Geschichte vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart« widmen, so Oldenbourg. Allerdings wende sich dieses Werk »an ein sehr breites Publikum«, da dem Handbuch »eine etwas trockene Gelehrsamkeit« anhafte, erwäge man das Erscheinen in zwei Fassungen, was Müller sehr begrüße.215 Doch waren dies allenfalls zukünftige Meriten. Vorerst sah sich Müller angesichts seiner Präsenz in der Kriegspublizistik genötigt, ein Bekenntnis zu seiner Berufswahl abzugeben. Seinem Vorgesetzten in der Historischen Kommission, Walter Goetz, legte er seine Pläne ausführlich dar : »Daß ich daran dächte, der Geschichte Valet zu sagen, habe ich mit größtem Erstaunen (das reicht noch gar nicht) gelesen. Wer kann denn das gesagt haben?« Er denke nicht daran, im »Gegenteil, wenn etwas in diesen 20 letzten Monaten in mir ständig gewachsen ist, so ist es die Sehnsucht nach […] der Wissenschaft.« Seine Publikationspläne wolle Müller angehen, doch während »des Krieges ist an all dies nicht ernsthaft zu denken.« Die Kommissionsarbeit habe brachgelegen, auch diese Verpflichtungen, die durch »den Krieg nur um so größer 213 Oldenbourg Verlag an Müller, 25. 3. 1915, BayHStA, NL von Müller 436. 214 Vgl. die verlagsinternen Überlegungen: »Gedanken über Verlagsunternehmungen auf dem Gebiete neuerer Geschichte« o. D., BWA, Oldenbourg Verlag 38 (Unterstreichung im Original). 215 Oldenbourg »Besprechung mit Herrn von Müller am 2. Februar 1916«, ebd. Zu Endres vgl. Müller, Gärten (1951), S. 430, 441 – 444; Neuhaus, Territorial- und Herrschergeschichte, S. 142.

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Kriegsbegeisterung und fachliche Etablierung

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geworden sind«, seien zu erfüllen.216 Müller suchte den Weg zurück in die vor bald zwei Jahren verlassene Spur, seine Karriere als Nachwuchshistoriker bedurfte dringend des nächsten Schrittes. Zuvor allerdings war Müller der bereits erworbene Rang in der deutschen Geschichtswissenschaft bestätigt worden. Mit der Zuwahl als außerordentliches Mitglied in die Münchner Historische Kommission erfuhr Müllers Wirken, noch vor der Habilitation und ohne neuere wissenschaftliche Veröffentlichungen fraglos auch sein publizistisches Engagement, im Juni 1916 eine besondere Bestätigung.217 Nun zählte Müller zum Kreis seiner Lehrer und Förderer. Mit der Kooptation in die Kommission, eine durchaus persönliche Anerkennung der Zugehörigkeit218, setzte seine Historikerkarriere ihren »klassischen« Verlauf fort. Zudem nicht nur in institutioneller, sondern auch in historiographischer Hinsicht. Riezler hatte Müller aufgefordert, seine bis 1914 in acht Bänden vorliegende »Geschichte Baierns« weiterzuführen und zu vollenden. Dem Herausgeber der »Allgemeine Staatengeschichte«, Hermann Oncken, dankte Müller und bekräftigte mit »Freuden meine grundsätzliche Bereitwilligkeit, Fortsetzung und Abschluß des Riezlerschen Werkes in 3 Bänden zu übernehmen«. Er hoffe, die Erwartungen zu erfüllen, vor »Friedensschluß wird es mir allerdings nicht möglich werden, ernstlich an die Arbeit zu gehen«.219 Müller galt unzweifelhaft als eine herausragende, zunehmend etablierte Nachwuchshoffnung der deutschen Geschichtswissenschaft. Im engeren Sinne »Kollege«, wie es Oncken bereits einige Jahre zuvor erwartet hatte, war Müller aber noch nicht. Seine Promotion lag bald acht Jahre zurück, es drängte Müller : »Was mir an solcher Arbeitskraft in der nächsten Zeit bleibt, möchte ich darauf verwenden, um doch eine Habilitationsschrift endlich ganz abzuschließen. Ich habe freilich bei einem ersten Anlauf im Dezember gesehen, wie schwer es ist, gerade wissenschaftliche Arbeiten bei einer so zerstückelten und immer gleich wieder abgeschnittenen Arbeitskraft zu fördern.«220 Sein Engagement für die Süddeutschen Monatshefte reduzierte Müller in den kommenden Monaten deutlich und konnte schließlich im Februar 1917 sein Habilitationsgesuch einreichen, mitsamt der Habilitationsschrift »Joseph Görres in Straßburg 1819/20. Eine Episode aus dem Beginn der Demagogenverfolgungen«.221

216 Müller an Goetz, 23. 4. 1916, BArch, NL Walter Goetz 38, Bl. 83 – 88. 217 KM an HiKo, 29. 6. 1916, BayHStA, MK 44052. 218 »Das ist ein erster großer Erfolg Deiner Persönlichkeit«, schrieb Max Buchner an Müller, 23. 6. 1916, vgl. BayHStA, NL von Müller 474. 219 Müller an Oncken, 7. 1. 1916, NLA StA Oldenburg, NL Hermann Oncken, Nr. 377. 220 Müller an Goetz, 23. 4. 1916, BArch, NL Walter Goetz 38, Bl. 83 – 88. 221 Müller an Phil. Fak. UM, 6. 2. 1917, UAM, O-VII-225. Veröffentlicht wurde die Habilitationsschrift allerdings erst 1926, im Gedenkjahr anlässlich des 150. Geburtstages Görres’, inhaltliche Aspekte der Habilitation werden daher im entsprechenden Kapitel 3.2.3 behandelt.

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Aufbruch (1882 bis 1916)

Im Hauptgutachten vermerkte Marcks: »Die Anmeldung des Herrn von Müller haben wir seit Jahren erwartet u. gewünscht. Der Krieg hat seine Kräfte sehr stark in Anspruch genommen. Dass er neben der Arbeit für das Rote Kreuz und für die Süddeutschen Monatshefte noch eine stoffreiche Abhandlung auf so andersartigem Gebiete fertig stellen konnte, ist eine erhebliche Leistung.« Vor allem auf den bereits erworbenen Rang Müllers wies Marcks hin, mehr »als einmal haben auswärtige Fachgenossen bereits an eine Berufung von Müller gedacht; ich weiss, dass die besten unter den neueren Historikern, wie Lenz u. Meinecke, eine hohe Meinung von seiner Bedeutung ausgesprochen haben.« Müllers wissenschaftlicher Weg beginne mit der überzeugenden Dissertation, seit »dem Vischeraufsatze wissen die deutschen Fachgenossen, das hier eine Hoffnung ersten Ranges erblüht«, schließlich habe der Krieg »an die Stelle gelehrter archivalischer Forschung für ihn die Gegenwart gesetzt.« Sein rundum positives Gutachten beschloss Marcks mit der Aussicht, dass Müller »endlich zu einer volleren Verwertung u. Entfaltung seiner ungewöhnlich reichen, feinen u. starken Begabung gelangen« solle. Dem stimmten die anderen Gutachten zu, Riezler konstatierte: »Die bayerische und deutsche Geschichtsschreibung darf von ihm Grosses erwarten.«222 Auch die weiteren Habilitationsleistungen absolvierte Müller mit Erfolg, seine Probevorlesung habe »in wissenschaftlicher Hinsicht, die Fähigkeit zu eigenartiger, klarer u. tiefer Problemstellung, in formaler Hinsicht ein mehr als gewöhnliches künstlerisches Können« gezeigt.223 Nur die Bezeichnung seiner venia legendi blieb vorerst unklar. Auf Antrag Riezlers war die »zu erteilende Lehrbefugnis auf bayerische Geschichte, allgemeine u. deutsche neuere Geschichte bestimmt«. In einem Nachtrag zu seinem Gesuch bat Müller jedoch um die Venia für »allgemeine und deutsche neuere Geschichte sowie für bayerische Geschichte.« Im Verfahren wurde die von Riezler vorgegebene, die bayerische Geschichte vorziehende Erlaubnis vermerkt, erst im Antrag des Senats an das Kultusministerium wurde die von Müller erbetene Variante vorgeschlagen. Genehmigt schließlich wurde, Müller als »Privatdozent für allgemeine und deutsche neuere Geschichte sowie für bayerische Geschichte in die I. Sektion der philosophischen Fakultät der Universität München« aufzunehmen.224 Die bayerische Geschichte als wissenschaftlicher Gegenstand, so wird zu zeigen sein, rückte für Müller zunehmend in den Hintergrund, gleich der publizistischen war auch seine historiographische Perspektive national ausgerichtet.225 222 Vgl. die Gutachten: Erich Marcks, 9. 2. 1917; Hermann von Grauert, 20. 3. 1917; Sigmund von Riezler, 31. 3. 1917, UAM, E-II-2517. 223 Öffentliche Probevorlesung K.A.v. Müller, Protokoll, 25. 5. 1917, UAM, O-VII-225. 224 Notiz Marcks u. a., Müller an Phil. Fak. UM, 9. 5. 1917, UAM, O-VII-225; Senat UM an KM, 5. 6. 1917, BayHStA, MK 44052; KM an Senat UM, 28. 6. 1917, UAM, E-II-2517. 225 Wohin sich Müllers Blick wandte, verdeutlicht das dem Gutachten zur Nachfolge Riezlers beigefügte Schriftenverzeichnis, unterteilt u. a. in Schriften »A. Zur bayerischen Geschichte«, »B. Zur neuesten deutschen Geschichte und Weltgeschichte«, vgl. BayHStA, MK 44052.

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Kriegsbegeisterung und fachliche Etablierung

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Müllers Habilitation war erfolgreich vollzogen, doch wie stand es um seine Profession? Als Privatdozent war Müller nun Mitglied der Fakultät, jedoch vorerst unbesoldet. Es drohte der »akademische Hasard«.226 Neben dem publizistischen Engagement war Müller weiterhin für das Rote Kreuz tätig, dem Historiker blieb die Historische Kommission. Doch stand Müller weder angemessen Zeit für diese Tätigkeit zur Verfügung, noch konnte sie angesichts ihrer geringen Entlohnung die Grundlage für seine berufliche Etablierung bieten. Sie war Bestandteil akademischer Qualifikation, aber keine Profession.227 Rückblickend berichtete Müller zwar von möglichen Rufen nach Rostock und Karlsruhe im Sommer 1916 sowie von Verhandlungen über einen Ruf nach Konstantinopel im Jahr darauf, handfeste berufliche Perspektiven hatten sich jedoch nicht ergeben.228 Allerdings, im Gutachten zu Müllers Habilitationsschrift hatte Riezler berichtet, laut Georg von Below habe man in Freiburg nach dem Weggang Meineckes »darüber gesprochen, ob wir nicht v. Müller vorschlagen sollten, und man darf wohl sagen, dass er jeder Universität zur Zierde gereichen wird.«229 Mit Bedacht wird Riezler diese Bemerkung angefügt haben, denn er wusste bereits, welchen Lehrstuhl er mit Müller schmücken wollte – seinen eigenen. Am Ende des Sommersemesters 1917 stellte Riezler den Antrag auf seine Entpflichtung, zwei Tage nachdem die Ernennung Müllers zum Privatdozenten erfolgt war. Riezler wünschte sich seinen Schüler zum Nachfolger, mindestens ebenso sehr wollte er Michael Doeberl verhindern.230 Doch war der mehr als zwanzig Jahre ältere, wissenschaftlich bestens ausgewiesene Doeberl der gegebene Kandidat für den zu besetzenden Lehrstuhl. Auch wenn sich Riezler einsetzte231 und das Gutachten über Müller versprach, dieser werde »seine Hörer nicht nur belehren, er wird Geister wecken«232, es wurde Michael Doeberl berufen. Gänzlich unverhofft bot sich für Müller jedoch noch im Oktober 1917 eine Chance zur beruflichen Etablierung. Der Syndikus der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Karl Mayr war überraschend verstorben.233 Als Mitarbeiter und außerordentliches Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften stand Müller ohnehin bereits in enger Verbindung zur Akademie, in deren Historischer Klasse zudem Marcks und Riezler über einigen Einfluss verfügten. Kurzum, zum 1. Dezember 1917 226 So Martin Schmeiser über die »Risikopassage« der Privatdozentur, vgl. Akademischer Hasard sowie vom Bruch, Universitätsreform; Brenner, Habilitation als Sozialisation. 227 Als Gehalt bezog Müller 2.000 Mark, vgl. BayHStA, NL von Müller 431, Protokoll der 57. Vollversammlung der HiKo. Zur ähnlich prekären Lage der Mitarbeiter der »Monumenta Germaniae Historica« vgl. Fuhrmann, Gelehrtenleben, hier S. 77 – 90. 228 Müller, Mars (1954), S. 154 u. 196. 229 Gutachten Sigmund von Riezler, 31. 3. 1917, UAM, E-II-2517. 230 Vgl. zum Konflikt zwischen beiden: K. Weigand, Riezler/Doeberl, S. 174 – 183. Deutlich milder sieht das Verhältnis A. Kraus, Geschichtsschreibung. 231 Protokoll über die Sitzung der Phil. Fak., 18. 10. 1917, UAM, O-III-2. 232 Gutachten »Karl Alexander v. Müller« o.D., UAM, Y-XVII-15, Bd. 2. 233 Müller selbst hat Mayr einen ausführlichen Nachruf gewidmet, vgl. Müller, Mayr (1918).

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wurde Müller »zum Honorarprofessor an dieser Universität, ferner […] zum Syndikus der Akademie der Wissenschaften und der Verwaltung der wissenschaftlichen Sammlungen des Staates« ernannt.234 Die gleichzeitige Berufung zum Honorarprofessor, nur wenige Monate nach der Habilitation, war nicht unumstritten geblieben. In der Fakultätssitzung äußerte vor allem Hermann von Grauert Bedenken, dies müsste »bei den jüngeren Historikern Verstimmung hervorrufen«, doch votierte die Fakultät für die Ernennung.235 Die nun ausgeübte Profession war eine geteilte, als Syndikus stand Müller der Verwaltung von Akademie sowie Sammlungen vor und bezog ein Einkommen, als Honorarprofessor lehrte er Geschichte an der Münchner Universität. Insbesondere die Tätigkeit Müllers in der Bayerischen Akademie sollte als wissenschaftsorganisatorische Schlüsselstellung zum Ausgangspunkt und Rückgrat seiner institutionellen Karriere werden. Nicht auf den Wissenschaftsbetrieb beschränkt, wie der Dank Thomas Manns »für die Übersendung Ihres ergreifenden Nachrufs auf Karl Mayr« verdeutlicht236, bot das Amt als Syndikus die Chance zur institutionalisierten Fortschreibung einer von Müller bereits bei den Süddeutschen Monatsheften erprobten, in bildungsbürgerliche Kreise ausstrahlenden Rolle. Aber auch die Stellung als Honorarprofessor bot Aussichten, möglichst rasch den Ruf auf einen ordentlichen Lehrstuhl erlangen zu können. Als Historiker war Müller nun kein Nachwuchs mehr, er war »Kollege«. Für unbeschwerten Optimismus allerdings bestand zum Jahreswechsel 1917/18 kein Anlass, auch wenn der Direktor der Deutschen Verlags-Anstalt Gustav Kilpper sehr auf Müller hoffte: »Aller Voraussicht nach dürfen wir nun doch wohl bald einem Ende des Krieges entgegensehen, das Ihnen die Aufnahme Ihrer akademischen und literarischen Tätigkeit in vollem Masse wieder gestatten wird.«237 Doch keineswegs hatte Müller seine »zweite« Karriere beendet, die mit Verve im August 1914 übernommene Aufgabe forderte weiterhin sein Engagement. Der Aufbruch Müllers als sendungsbewusster politischer Publizist, welche Fortsetzung fand er in der zweiten Hälfte des Krieges?

234 König Ludwig III. an KM, 1. 12. 1917, UAM, E-II-2517. Die konkurrierende Bewerbung des Byzantinisten Paul Marc kam nicht zum Zuge, vgl. A. Müller, Paul Marc. 235 Protokoll über die Sitzung der Phil. Fak., 12. 11. 1917, UAM, O-III-2. Ohne Nennung Müllers wurde in der Tagespresse die »Bevorzugung eines jungen Dozenten« kritisiert, vgl. Bayerische Universitätspolitik, in: Bayerischer Kurier Nr. 60 v. 1. 3. 1918, S. 2. 236 Mann an Müller, 30. 5. 1918, SBB, NL 451 (Thomas-Mann-Sammlung), Mappe 51. 237 Kilpper (DVA) an Müller, 12. 12. 1917, BayHStA, NL von Müller 418.

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3. Enttäuschung (1916 bis 1928) 3.1 Publizistik zwischen Politik und Historie Wissenschaftliche Korrespondenzen hatten und haben ihren eigenen Stil, auch in der Zeit der deutschen »Mandarine« und ihres Niedergangs1 behielt die briefliche Ausdrucksform ihren Vorrang. Die von Hierarchien durchzogene Wissenschaftswelt verfügte von jeher über zumeist unausgesprochene, aber allen Beteiligten bekannte und von ihnen verinnerlichte Kommunikationsformen.2 Jenseits all dieser Konventionen bewegte sich jedoch ein Brief, den Müller im Oktober 1916 an Walter Goetz sandte. Dieser habe, so Müller, im Leipziger Tageblatt den Münchener »Volksausschuss für rasche Niederkämpfung Englands« in einer Art angegriffen3, die ihn »zu einer persönlichen Anfrage« zwinge. Um politische Gegner zu attackieren, habe Goetz »leider das Mittel nicht verschmäht, sie mit dem Vorwurf ›Felddienstuntaugliche Dilettanten‹ verächtlich und lächerlich zu machen. Sie hatten bei diesem Vorwurf die Liste der Unterzeichner unseres Aufrufes vor sich. Ich kann nicht annehmen, daß Sie Berufspolitiker […] im Gegensatz zu sich selber als politische Dilettanten bezeichnen wollen. Ich kann noch weniger annehmen, daß Sie deutsche Väter, die, wesentlich älter als Sie, Ihre Söhne im Schützengraben stehen haben […], mit dem Vorwurf der Felddienstuntauglichkeit lächerlich oder verächtlich machen wollen. Dann bleibt nur eine verschwindende Minderheit der Unterzeichner in der Schußlinie dieses Vorwurfes. Unter diesen bin ich. Sie berufen sich ferner […] ausdrücklich auf Ihre persönliche Kenntnis der Münchener Kreise. Von der oben genannten kleinen Minderheit bin ich derjenige, der Ihnen persönlich am besten bekannt ist. Ich bin deshalb gezwungen an Sie die Frage zu richten: Haben Sie die Absicht gehabt, mit diesen Worten einen Vorwurf persönlicher Feigheit und Drückebergerei gegen mich zu erheben?«4 Goetz kenne Müllers »militärische Verhältnisse« und wisse von seiner freiwilligen Tätigkeit beim Roten Kreuz, er bitte Goetz, sich zu erklären. Heftige, persönliche Auseinandersetzungen dieser Form sind in der umfangreichen Korrespondenz Müllers eine seltene Ausnahme geblieben, der seit dem August 1914 in seiner politischen Publizistik scharf formulierende Müller war offenbar tief getroffen. Die gemeinsame Wahrnehmung des Krieges als 1 2 3 4

Weiterhin grundlegend: Ringer, Gelehrten. Auch wenn das Lamento über deren Verlust aktuell geblieben ist, vgl. Knoll, Niedergang. Vgl. den wenige Tage zuvor erschienenen Artikel: W. Goetz, Volksausschüsse. Müller an Goetz, 14. 10. 1916, BArch, NLWalter Goetz 38, Bl. 89/91 (Unterstreichung im Original).

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Enttäuschung (1916 bis 1928)

Aufbruch, als einigenden »Angriff auf den Anderen«5, schien unter den deutschen Historikern verloren gegangen zu sein. Der »Andere« konnte plötzlich ein Kollege sein, der Weg vom »äußeren zum inneren Feind«6 wurde für Müller zu einer zutiefst verstörenden Erfahrung, einer die kommenden Jahre prägenden Enttäuschung.

3.1.1 Historiker in der Kriegszieldebatte Im März 1916 hatte Müller in einem öffentlichen Vortrag seine Ansichten über die »Stellung Deutschlands in der Welt« zusammengefasst, die Lage vor dem Krieg mit dem »Erreichten« kontrastierend – territorial, historisch, auch wirtschaftlich. Vor allem historisch argumentierte Müller, als Folie diente die Restauration durch den Wiener Kongress, die deutschen Gebiete seien geteilt, uneinheitlich und nicht souverän gewesen. Erneut pries Müller Einheit und Einheitlichkeit, mit der Reichseinigung durch Bismarck als vorläufigem Höhepunkt. Vorläufig, denn trotz aller aufgezählten Erfolge seit 1871 habe erst der laut Müller aufgezwungene Krieg eine wirkliche Gemeinschaft erzeugt. Doch wie sei nun mit dem Erreichten umzugehen, welche Ziele seien anzustreben? Müller wollte den Aufbruch fortsetzen: »Ein Stillstand, ein Beharren bei dem bisher Erreichten, ein bloßes Zurückkehren in die Lage vor dem Krieg ist unmöglich. Unser Weg geht vorwärts, darüber hinaus – oder zurück. […] Hammer oder Amboß: es bleibt uns in der Mitte Europas keine andre Wahl.«7 Die Entscheidung, die hier »einer der angesehensten Mitarbeiter der ›Süddeutschen Monatshefte‹«8 einforderte, erhielt Zuspruch, der »Weg war bisher im ganzen ein unaufhaltsamer Aufstieg, seine Fortsetzung ist eine Frage des nationalen Willens.«9 Die seit dem »Augusterlebnis« 1914 publizistisch beschworene Einheit stand nicht zuletzt Pate für Müllers eigenen Erfolg, für eine Anerkennung seiner Fähigkeiten. Eugen von Knilling, bayerischer Kultusminister, hatte bescheinigt: Die »Kriegshefte« der Süddeutschen Monatshefte gehörten »zum Besten, was deutsche Gelehrte und Schriftsteller zur Aufklärung unseres Volkes über die große Zeit, die es durchlebt, bieten konnten«. Müller dürfe »als historischer Mitarbeiter der Hefte einen starken Anteil an diesem Erfolge beanspruchen«.10 Nicht nur Deutschlands, auch Müllers persönlicher Kriegserfolg schien bedroht. In der heftig geführten, politischen Kriegsziel5 Beßlich, Zivilisationskritik, S. 4, belegt u. a. mit einem Zitat aus Müllers Erinnerungen, ohne jedoch Entstehungskontext und Motive Müllers zu reflektieren. Gleichwohl, der Erfolg der Memoiren erklärt sich auch daraus, dass Müller anschlussfähige, »richtige« Sichtweisen anbot. 6 Bruendel, Volksgemeinschaft, S. 177. 7 Müller, Stellung Deutschlands (1916), Zitat S. 50. 8 Offner, Stellung Deutschlands (Rez.), S. 150. 9 Rohrmann, Stellung Deutschlands (Rez.), S. 141. 10 KM (Knilling) an Müller, 11. 10. 1915, BayHStA, NL von Müller 474.

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Publizistik zwischen Politik und Historie

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debatte spielte Müller allenfalls eine Nebenrolle, für seine weitere politische und persönliche Entwicklung aber kam dem Bruch des vermeintlichen »Burgfriedens« eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Für die deutsche Historikerschaft wurde vor allem der »Fall« Veit Valentin zum augenfälligen Beleg für den Verlust äußerer disziplinärer Einigkeit angesichts politischer Differenzen. Auch Valentin hatte für die Süddeutschen Monatshefte Artikel verfasst und Müllers Beiträge wohlwollend kommentiert: »Ihren neuesten Aufsatz habe ich mit großer Anteilnahme und warmer Zustimmung gelesen.«11 Noch im Sommer 1915 berichtete Marcks seinem Schüler Valentin von einer lobenden Äußerung Müllers, die Gemeinde deutscher Historiker schien geeint.12 Ein Jahr später jedoch hatte der für das Auswärtige Amt tätige Valentin gegenüber Cossmann vertraulich Alfred von Tirpitz kritisiert. Die von Cossmann inszenierte und in die Öffentlichkeit getragene Indiskretion des Falles13 kostete Valentin auf Betreiben Georg von Belows die universitäre Karriere.14 Verteidigt durch Cossmann wurde Tirpitz, gezielt aber wurde auf den Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, den Cossmann wegen seiner vermeintlich zu nachgiebigen Politik in der Frage von Kriegsführung und Kriegszielen stellen wollte. Cossmann suchte auch Bethmanns Mitarbeiter Kurt Riezler in die erprobte Mischung aus Hintergrundgespräch, provozierter »Beleidigung« und öffentlicher, gegebenenfalls auch gerichtlicher Feststellung der »Wahrheit« zu verwickeln. Nachdem Riezler eine Eingabe Cossmanns an das bayerische Kriegsministerium als »erstunken und erlogen« zurückgewiesen hatte15, konterte dieser mit seinem »Beweis«: »Unmittelbar nach Ihrem Zusammensein mit Geheimrat Marcks Ende Juli ds. J., teilte mir mein Mitherausgeber Dr. Karl Alexander von Müller vertraulich als Ihre vertrauliche Aeusserung an Marcks über die gegenwärtige Richtung der Reichspolitik mit: Erschöpftheit Frankreichs im Herbst – England sieht ein, dass wir nicht zu besiegen sind – Möglichkeit der Verständigung mit England. Bei dieser Quelle erübrigte sich die Nachprüfung.«16 Riezlers erzürnte Antwort, die weitere Kriegszieldebatte, auch der im Juli 1917 folgende Rücktritt Bethmann Hollwegs sind an dieser Stelle nicht nachzuzeichnen.17 Seine Einbindung in die sich entfaltende Aus11 Veit Valentin an Müller o.D. [ca. Herbst 1914], BayHStA, NL von Müller 473. 12 »Von Ihrem Buch habe ich viel gehört; […] KAv Müller sprach sehr günstig«. Vgl. Marcks an Valentin, 7. 7. 1915, BArch, NL Veit Valentin. Marcks bezog sich wahrscheinlich auf: Valentin, Kolonialgeschichte. 13 Selig, Cossmann, S. 154 – 160; Flemming, Monatshefte, hier S. 173 f. 14 Cymorek, Below, S. 263 – 267, auch zum fachlichen Hintergrund des Vorgehens Belows. 15 Riezler an Cossmann, 6. 9. 1916, BBAW, NL Eduard Meyer, Nr. 329. Cossmann hatte den Althistoriker Eduard Meyer, heftiger Verfechter eines deutschen »Siegfriedens«, mit Abschriften seiner Korrespondenz mit Riezler versorgt, vgl. Cossmann an Meyer, 22. 9. 1916, ebd. 16 Cossmann an Riezler, 12. 9. 1916, ebd. Zu Riezler, einem Neffen von Müllers Doktorvater Sigmund von Riezler, vgl. auch K. Riezler, Tagebücher, Aufsätze, Dokumente. 17 In seinen Memoiren »berichtete« Müller von einer Besprechung mit Riezler im Februar 1915, auch vom Konflikt Riezlers mit Cossmann, vgl. Müller, Mars (1954), S. 33 – 42, 148 f. Müllers

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einandersetzung zwang auch Müller, eine Position zu beziehen in der »Ideenwende 1916/17«.18 Der Verlust vermeintlicher »Einigkeit« unter den deutschen Historikern aber sollte weit über den Krieg hinaus Folgen zeitigen. Noch zehn Jahre darauf, bemüht um einen Ruf an die Universität Köln, sah sich Müller zu Rechtfertigungen gezwungen: »Die Wahrheit ist die, daß meine außenpolitischen Ansichten mich im Krieg auf die Seite der Rechtsparteien führten, von denen mich innenpolitisch von je sehr viel getrennt hat. Ich glaube das auch, seit 1914, in meinen publizistischen Arbeiten ganz deutlich ausgesprochen zu haben.«19 Entschieden war die Position Müllers in den Debatten um »Siegfrieden« oder »Verständigungsfrieden« jedoch nicht von vornherein, auch wenn seine Einbindung in den Zirkel um Cossmann und die Süddeutschen Monatshefte eine Richtung vorgab. Nach dem Sommer 1916 war Müller offenbar gewillt, den zunehmenden Spalt zwischen Bevölkerung und Regierenden nicht nur mittels historisch unterlegter Kriegspublizistik zu schließen, sondern ausdrücklich auf die drohende Abwendung der Bevölkerung hinzuweisen. Seine familiäre Herkunft nutzend, wandte sich Müller an die bayerische Regierung, um »einige persönliche Beobachtungen über die gegenwärtige Stimmung der bäuerlichen Bevölkerung im bayerischen Gebirge« mitzuteilen. Weniges, so Müller, in »diesem Weltkrieg war mir erschütternder als die Stimmung, die ich unter diesen kernbayerischen, bisher grundkonservativ und königstreu gesinnten Bauern angetroffen habe. Sie äussert sich, in erschreckendem Umfang, unverhohlen in der Oeffentlichkeit«. Die Bevölkerung gebe sich vor allem »antipreußisch« und »antimonarchisch«, der »ursprüngliche Nährboden ist neben den schweren Kriegsopfern ohne Zweifel durch den Mangel eines greifbaren Kriegszieles für das breite Volk und durch die verhängnisvollen Folgen des gegenwärtigen Systems der politischen Zensur gegeben.«20 Müller, dem ein »Fronterlebnis« im Gegensatz zu fast allen seiner Alters- und Fachgenossen erspart geblieben war21, wusste um die tatsächliche Stimmung beim Eintritt in das dritte Kriegsjahr.22 Nicht Unkenntnis, sondern die Kollision von vielfach erzähltem Wunschbild und erfahrener Realität, der mühsam zurückgedrängte Zweifel an der eigenen Propaganda ließ Müller in den folgen-

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zumeist apologetische »Erinnerung« an seine politischen Positionen zwischen 1914 und 1918 bedarf hier keiner ausführlichen Darstellung, vgl. auch N. Becker, Lebenswelt, S. 129. Flasch, Mobilmachung, S. 279 – 289. Müller an Walter Goetz, 1. 11. 1926, BArch, NL Walter Goetz 227. Müller an Staatsrat, 31. 8. 1916, eine Abschrift des Briefes »des Sohnes des früheren Kultusministers« wurde weitergeleitet durch den Staatsrat (Kabinett des Königs von Bayern) an den Staatsminister des Königlichen Hauses und des Äußern Georg von Hertling, 1. 9. 1916, BayHStA, MA 97552. Von überwiegend beschwichtigenden Reaktionen berichtete Müller in seinen Memoiren, vgl. Mars (1954), S. 139 f. Vgl. zudem Ziemann, Front und Heimat, v. a. S. 265 – 289. Vgl. Cornelißen, Frontgeneration, v. a. die Aufstellung S. 316 f, die ausweist, wie singulär Müllers »Sanitätsdienst« unter den deutschen Historikern seiner Kohorte war. Zusammenfassend zur Entwicklung seit 1914: Ullrich, Kriegsalltag.

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den Monaten seine Sichtweise radikalisieren. Allein blieb er mit dieser Entwicklung nicht. Im selben Maße, in dem die Konflikte im »eigenen« Lager zunahmen, gewann die Auseinandersetzung mit dem Kriegsgegner an Bedeutung. Viele der seit Kriegsbeginn von Müller veröffentlichten Artikel hatten sich mit den Gegnern, vor allem mit England, auseinandergesetzt – dem »bittersten Feind«23, dessen wahres Gesicht in einem »Eroberungs-Kalender zum Hausgebrauch« enthüllt wurde24, gegen den in einer »Kraftprobe« das Recht auf eigene Kolonien zu erstreiten war.25 Zugleich als Kontrahent wie auch als imperiales Vorbild wahrgenommen, fokussierte sich die deutsche Öffentlichkeit seit langem auf England bzw. das britische Weltreich. Im Konflikt des Kriegs potenzierte sich diese Wahrnehmung als »Hauptfeind« nochmals.26 Die betonte eigene Stärke – »Dem englischen Wesen gegenüber, wie dieser Krieg es uns offenbart, fühlen wir uns höher, sprungkräftiger, männlicher, jugendlicher«27 – verriet den Respekt vor einem Gegner, den vor allem die deutschen Historiker aus intensiver Erforschung zumindest historisch gut zu kennen glaubten.28 Die »internationale Gelehrtenrepublik« war stets ein Ort des Austausches und Vergleiches, aber auch des Auftrumpfens gewesen, in geisteswissenschaftlichen, aber auch in den im Krieg weiter an Bedeutung gewinnenden naturwissenschaftlichen Fächern.29 Als »Nationalwissenschaft« befand sich die Geschichtswissenschaft jedoch zusätzlich im Konflikt, denn ihre Themen ließen sich nicht von der militärischen Auseinandersetzung um Territorien und Ansprüche auf diese lösen, sie befand sich in doppeltem Zugzwang, national und fachlich.30 Die Wahrnehmung Englands hatte sich bereits vor dem Krieg gewandelt, vom »Vorbild zum Rivalen«.31 Ausgangspunkt für die merkliche Zuspitzung im Laufe des Krieges war jedoch die schwelende innenpolitische Auseinandersetzung um Kriegsziele und Kriegsführung. Erneut profilierten sich deutsche Historiker in der ersten Reihe. Dietrich Schäfer, Alldeutscher und exponierter Befürworter umfangreicher deutscher Gebietsannexionen, hatte sich mit dem »Unabhängigen Ausschuß für einen deutschen Frieden« ein bereits bestehendes, aber erst im Sommer 1916 deutlicher in Erscheinung 23 Müller, Das neue Deutschland (1914), S. 94. 24 In welchem Müller seit 1871 erlangte Gebietsgewinne von England und Deutschland gegenüber stellte, vgl. Müller, Eroberungs-Kalender (1914). 25 Müller, England und die deutsche Kolonialpolitik (1915), S. 819. 26 Vgl. Angster, German Perceptions; Geppert, Pressekriege; S. Müller, Nation als Waffe. 27 Müller, England und die deutsche Kolonialpolitik (1915), S. 819. 28 Kaum ein deutscher Neuzeithistoriker von Rang wies sich nicht entsprechend durch Publikationen zur englischen Geschichte aus. Vgl. auch: Stibbe, German Historians’ Views. 29 Beispielhaft: Hoeres, Krieg der Philosophen; Metzler, Internationale Wissenschaft. 30 Zum Spannungsverhältnis zwischen dem »internationalistischen Selbstverständnis vieler professioneller Historiker« und nationalen Geschichtserzählungen vgl. Berger, Nation, Zitat S. 60. 31 Vgl. E. Ulrich, England, hier S. 233 – 240. Müller bezog nach eigenem Bekunden während des gesamten Krieges ein Abonnement der Times, vgl. Müller, Mars (1954), S. 120 f.

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tretendes Forum zur öffentlichen Propagierung seiner Ziele geschaffen.32 Zur Münchner Ortsgruppe des Ausschusses zählte auch Müller, während mit der Gründung des unter anderem von Hans Delbrück und Max Weber unterstützten »Deutschen Nationalausschuß für einen ehrenvollen Frieden« die gemäßigtere Richtung ihre Institutionalisierung erfuhr.33 Die Kriegszieldebatte erlebte durch die mit den Vereinsgründungen »offiziell« dokumentierte Frontstellung eine weitere Zuspitzung. Aus der Münchner Ortsgruppe des Schäferschen Ausschusses hervorgehend, formierte sich schließlich in München der »Volksausschuß für rasche Niederkämpfung Englands«, zu dessen Mitbegründern und Protagonisten Müller zählte.34 Die »Niederkämpfung« Englands durch einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg war das Hauptziel des Ausschusses, der zudem die Absetzung Bethmann Hollwegs anstrebte. Müller hatte sich entschieden, die Verständigung über den inneren – Reichskanzler Bethmann Hollweg – und mit England auch den äußeren Feind bot die Möglichkeit, zumindest in der Abgrenzung Einigkeit herzustellen. Als Befürworter einer Kriegsverschärfung allerdings, der Brief an Walter Goetz verdeutlicht dies, hatte sich Müller auch innerhalb der historischen Disziplin auf eine Seite des politischen Spektrums festgelegt. Andere deutsche Historiker wie Goetz, auch Friedrich Meinecke und Hermann Oncken, die zu Beginn des Krieges die Artikel Müllers noch mit Wohlgefallen aufgenommen hatten, beschritten nicht den Weg in die Radikalisierung.35 Die von Thomas Mann im Januar 1916 als der Lage angemessen empfundene »Milde« war verflogen, dem Aufbruch war die Enttäuschung gefolgt. Was konnte einen Ausweg bieten? Müller suchte Orientierung in »Deutschlands Geschichte«, im November 1916 sein erster längerer Beitrag in den Süddeutschem Monatsheften seit geraumer Zeit. Wie dem einzelnen, so setzte Müller ein, so sei »auch Völkern wohl die eigene Vergangenheit der sicherste Spiegel der Zukunft. Aber Völkern wie einzelnen ist auch dieser Weg der Selbsterkenntnis nicht leicht.« Was lehrte ihre Geschichte die Deutschen, das wollte Müller darstellen. In großzügigen Schritten durch die vergangenen tausend Jahre landete er punktgenau dort, wo er zu Beginn des Krieges bereits gestanden hatte: bei Preußen, das nach dem Zusammenbruch des Alten Reiches »das Fundament dieser Wiedergeburt unsres Vaterlandes« gewesen sei. Der Blick in die Vergangenheit gebe »einen guten Trost«, doch gelte es die Fehler der Vergangenheit wie »gutherzige Weichmütigkeit«, »unverbesserliche Vertrauensseligkeit«, »selbstmörderische Billigkeit gegen jeden Gegner«, »blinde Hingabe an die Partei« zu meiden.36 Müller wollte an den August 1914 anschließen, Ackermann, Schäfer, S. 166 – 186. Kraepelin, Kraepelin in München II, vgl. die Einleitung zur Edition S. 21 – 32. Vgl., auch zur Vorgeschichte deutscher »Anglophobie«, Stibbe, Anglophobia, S. 148 – 157. Zur Spannbreite der Disziplin von Oncken bis Below und zur fachlichen Langzeitwirkung der »Militarisierung des Denkens«, vgl. Cornelißen, Politische Historiker. 36 Müller, Deutschlands Geschichte (1916), S. 113, 121 u. 123.

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doch fehlte nun, verlorengegangen in der Kriegszieldebatte, der einstige Adressat. In den Münchner Neuesten Nachrichten stellte Müller zum »1000. Tage des Weltkrieges« im April 1917 die aus seiner Sicht entscheidende Frage: »Wo stehen wir?«. Es liege »alle Zukunft für uns noch in der ungeheuren Entscheidung der Gegenwart umschlossen«, die Auseinandersetzung der vergangenen Jahre habe viel gekostet, doch »mit dem unbeschränkten UBootskrieg« haben »wir […] das Gesetz des Handelns an uns gerissen […]. Militärisch stehen die Dinge so gut für uns, nein ungleich besser denn je.«37 Auch wenn Müller die Lasten des Krieges schilderte, den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten nicht verschwieg, den festen Glauben an den deutschen Sieg wollte und konnte, durfte er offenbar nicht verlieren. Die Auseinandersetzung Müllers mit dem Pädagogen Friedrich Wilhelm Foerster, dessen Werben für eine Beendigung des Kriegs im Herbst 1917 für heftige Konflikte unter Akademikern wie in der Münchner Studentenschaft sorgte38, verdeutlicht, wie sehr unterdes Kriegserfolg und Existenz miteinander verknüpft waren. Foerster habe nicht nur Tirpitz, sondern auch »Bismarck abgetan […] und mit ihm unser ganzes Reich, in dem wir alle leben und für das jetzt im vierten Jahre das beste deutsche Blut in Strömen fließt.« Wer mit den Gründen Foersters Tirpitz »verdammt, verdammt Bismarck und sein Werk mit.«39 Diesen »Ursprung« des Reiches jedoch galt es zu verteidigen. Die Bedrängnis des Kriegspublizisten Müller schien von Monat zu Monat zu wachsen. Zwei Vorträge, die Müller und der Bankdirektor Wilhelm Seitz Ende 1917 auf einer Veranstaltung des Münchner Vereins »Deutsche Wacht« gehalten hatten, erschienen als Broschüre unter dem endzeitlichen Titel »Deutschlands Kampf auf Leben und Tod«.40 Man müsse ein »Gefühl der Scham« überwinden, nicht an der Front zu stehen, so begann Müller seine Rede, aber »das ist das einzigartig Furchtbare, das ist das einzigartig Erhebende an diesem Ringen, daß es jeden von uns ergreift, wo er auch stehen mag, daß es an jeden von uns herantritt mit seinem Anspruch: Komm und hilf auch du, wo du’s vermagst.«41 Müller bewarb die neue Kriegsanleihe42, verwies auf die Übermacht des Feindes und erinnerte an die »unvergeßlichen Tage des August 1914«, jene »Tage, die immer zu den größten im Leben von uns allen zählen werden, weil sie zu den größten unseres Volkes zählen«. Aber auch das

Müller, Wo stehen wir? (1917), S. 1 f. W. J. Mommsen, Bürgerliche Kultur, S.167. Müller, Foerster gegen Tirpitz (1917), S. 1 f. Der Verein zählte zum Umfeld des Münchner Psychiaters Emil Kraepelin und widmete sich neben der Kriegszieldebatte auch »gesundheitspolitischer Volksaufklärung«, vgl. Kraepelin, Kraepelin in München II, S. 43; zu Müllers Vortrag vgl. auch Stibbe, Anglophobia, S. 186. 41 Vgl. den Beitrag Müllers: Forderung der Stunde (1917), S. 3. 42 Vgl. Zilch, Kriegsanleihen; Bruendel, Kriegsanleihe-Werbung.

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mit einer Niederlage Drohende führte Müller eindringlich an: »Den Krieg verlieren heißt heut auf lange hinaus auch den Frieden verlieren.«43 Als Propagandist für eine unverminderte Fortsetzung des Kriegs erreichte Müller nun öffentliche Präsenz in zuvor ungekanntem Ausmaß. Seine »Festrede« auf der von der Stadt München Anfang Oktober ausgerichteten »Hindenburgfeier« hatte laut Bayerischer Staatszeitung »gegen 100 000« Zuhörer.44 Müller exponierte sich, die Zuspitzung der politischen Auseinandersetzung führte ihn zumindest gelegentlich in die Nähe der oft apostrophierten, gleichwohl zumeist nicht anwesenden »Massen«. Im Herbst 1917 hatte sich, von den Alldeutschen geprägt, als Sammlungsbewegung aller in der Ablehnung eines »Verständigungsfriedens« Einigen, die Deutsche Vaterlandspartei gegründet.45 Müller gehörte zu den Gründungsmitgliedern ihres bayerischen Landesverbandes46, die Auftritte der DVLP stießen in München jedoch nicht immer auf ungeteilte Zustimmung. Eine im Januar 1918 zur Reichsgründungsfeier abgehaltene Versammlung der Münchner DVLP musste nach Zusammenstößen mit Arbeitern und Kriegsveteranen abgebrochen werden.47 Auch Müller hatte auf der Veranstaltung gesprochen, zudem gegenüber der Polizei »Befürchtungen über die zu gewärtigenden Störungen der Versammlung« zum Ausdruck gebracht.48 Intensiver als zu Beginn des Jahres 1918 war das politische Engagement Müllers kaum vorstellbar. Auch in den Süddeutschen Monatsheften war er nun erneut mit zahlreichen Beiträgen vertreten. Im Januarheft veröffentlichte Müller zwei separate und doch selbstverständlich zusammen zu lesende Artikel, deren bloße Titel Inhalt und Zielrichtung wiedergaben: »Wie die Deutschen Provinzen verlieren« und »Wie die Engländer Weltkriege gewinnen«. Vollkommen beschränkt auf historische Beispiele, allerdings nicht ohne erste Anzeichen von Fatalismus, verdeutlichte Müller auch in der Misere, wie stark er in seiner Analyse nationaler wie internationaler Politik am imperialen Vorbild und Feind England orientiert war, wie wenig sein Denken über das Eigene sich vom vermeintlich Fremden zu lösen vermochte.49 Ebenfalls im Januar wandte sich Müller gemeinsam mit Cossmann direkt »An die deutschen Arbeiter«. Es gebe zwei Arten eines möglichen Friedens, den der Pazifisten und den »durch Ausnützung des deutschen Sieges«. In didaktisch Müller, Forderung der Stunde (1917), S. 7 u. 14. Vgl. die redaktionelle Vorbemerkung zum Abdruck: Müller, Hindenburgfeier (1917), S. 5. Hagenlücke, Deutsche Vaterlandspartei, zur Gründung S. 143 – 164. Vgl. den »Gründungsaufruf« des bayerischen Landesvereins der Deutschen Vaterlandspartei vom 2. Oktober 1917; Hagenlücke zählt Müller zu den »führenden Persönlichkeiten der DVLP in Bayern«, vgl. Hagenlücke, Deutsche Vaterlandspartei, S. 231. 47 Kraepelin, Kraepelin in München II, S. 48; Hagenlücke, Deutsche Vaterlandspartei, S. 239. Zu den Januarstreiks in München vgl. Ay, Volksstimmung. 48 Zur Diskussion über den Abbruch, auch zu Müllers warnenden Hinweisen, vgl. Kriegsministerium an Ministerium des Innern, 6. 2. 1918, BayHStA, MInn 73625. 49 Vgl. Müller, Wie die Deutschen (1918); Müller, Wie die Engländer (1918).

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aufbereiteter Weise, mit unterstützenden »Merkhilfen« am Blattrand, schritten Cossmann und Müller die zu erwägenden Aspekte ab – den Pazifismus, den »Hauptfeind« England und sein »Weltreich«, die deutsche Geschichte und die deutsche Dummheit – ein etwaiger Frieden mit England sei »der Friede der Lämmer mit dem Wolf«. Vor allem aber warnten beide: »Den englischen Imperialismus werdet ihr damit so gestärkt haben, daß der englische Arbeiter, auch wenn er euch helfen wollte, machtlos zur Seite stehen müßte.«50 Bereits im Vortrag zur Werbung für die Kriegsanleihen hatte Müller als eine der Gefahren, die »unsere innere Einigkeit angreifen«, die vom Gegner verbreiteten »Lügen« bezeichnet, darunter auch die »vom unüberbrückbaren Gegensatz zwischen der deutschen Arbeiterschaft, den unteren Volksschichten und dem deutschen Staat.«51 Auch Cossmann und Müller fragten, ob das »deutsche Volk die ganze Erde dem englisch-amerikanischen Großkapital ausliefern« wolle.52 Es kann nicht verwundern, dass diese Anklänge an das, was Müller und Cossmann wohl für eine den »deutschen Arbeiter« ansprechende Klassenkampfrhetorik hielten, auf keine feststellbare Resonanz trafen. Der Kern der Argumentation blieb ohnehin unverändert, nur ein deutscher »Siegfrieden« vermochte den Untergang zu verhindern. Da ihre andauernden und geräuschvoll formulierten Warnrufe nicht erhört wurden, blieb für Cossmann und Müller nur ein Schluss: Die Deutschen träumten, von einer idealistischen Welt, von arglosen Feinden, von Besserung durch Friedfertigkeit. Im Aprilheft der Süddeutschen Monatshefte hatten die beiden Kriegspublizisten mit den »deutschen Träumern« alle Hoffnung auf Besserung aufgegeben: »Wenn wir immer noch hoffen, daß das deutsche Volk eines Tages die Traumhaftigkeit seines Denkens erkennen wird, so erwarten wir dieses Erwachen nicht von zuredenden Worten, sondern von den ungeheuren Erlebnissen, die uns bevorstehen«.53 Die letzte publizistische Veröffentlichung Müllers im Ersten Weltkrieg, im August 1918 in den Süddeutschen Monatsheften, scherte sich nicht mehr um Gebiete, Armeen und deutsche Arbeiter. Der Krieg gehe, so Müller in »Germania contra mundum«, um »unsre Seele«. Und dies sei fatal, denn so viel sei »gewiß, daß der moralische Krieg […] für uns am ungünstigsten steht; daß unsere moralische Einkreisung am besten gelungen ist; daß unser moralischer Widerstand ohne Vergleich der am schlechtesten geleitete« war. Doch es werde die »innere Widerstandsfähigkeit, die geistige Spannkraft […] unseres Wesens sein, die vielleicht schon den Ausgang, jedenfalls aber das Ergebnis dieses Krieges bestimmen.«54 Der Unwillen der deutschen Gesellschaft zum Weiterkämpfen, ihre »innere 50 Müller/Cossmann, An die deutschen Arbeiter (1918), S. 401 u. 416. 51 Müller, Forderung der Stunde (1917), S. 10 f. Laut Müller die zweite »Lüge« sei die »von dem unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Preußen und dem übrigen Deutschland.« 52 Müller/Cossmann, An die deutschen Arbeiter (1918), S. 416. 53 Cossmann/Müller, Die deutschen Träumer (1918), S. 66. 54 Müller, Germania contra mundum (1918), S. 349, 350 f.

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Revolutionierung«55, war für Müller enttäuschender als die drohende Kriegsniederlage. Allerdings, nicht zum ersten Mal kann Müllers publizistische Reaktion auch als Kompensation, als Verdrängung besseren, aber nicht gewünschten Wissens gelesen werden. Denn seine seit Monaten an das »Durchhalten« und »Zusammenstehen«, an die »deutschen Arbeiter« oder die Willenskraft appellierenden Texte beinhalteten die zu stellende Frage, ohne sie klar zu formulieren: Was hatte das wilhelminische Kaiserreich jenseits der nationalen Emphase der Bevölkerung anzubieten, für das weiterer Einsatz lohnte? Bereits in seiner Eingabe nach dem Sommer 1916 war sich Müller der Gefahr einer sich abwendenden Bevölkerung bewusst gewesen, hatte hingewiesen auf die Desorientierung, die »jetzt grosse Teile unseres Volkes zersetzt«. Zwei Jahre darauf, im Herbst 1918, erschienen seine Warnungen prophetisch: »Treiben die Dinge in der bisherigen Richtung weiter, so sind die Folgen, insbesondere bei einer längeren Dauer oder einem etwaigen halben Ausgang des Feldzugs, schwer zu übersehen. Jeder umstürzenden Agitation ist in dieser Stimmung ein Boden geboten«.56

3.1.2 Krieg im Frieden – Gegen Versailles und »Kriegsschuldlüge« »Der elendeste Tag meines Lebens!« – mit diesem Eintrag eröffnete Müllers Kollege Karl Hampe am 10. November 1918 sein Tagebuch.57 Die politische, soziale und nicht zuletzt militärische Erosion des Kaiserreichs fand im November 1918 ihren Abschluss mit der Abdankung des Kaisers und der Vereinbarung eines Waffenstillstandes, der de facto die Kriegsniederlage Deutschlands besiegelte. Die vorangegangenen innenpolitischen Reformen, deren Ergebnis im Grunde eine »parlamentarische Monarchie« gewesen wäre, kamen zu spät, um die beginnenden revolutionären Unruhen noch eindämmen zu können.58 In Bayern war die Entwicklung schon einige Tage zuvor in die selbige Richtung verlaufen, Ludwig III. war abgesetzt, Kurt Eisner von einem »Arbeiter- und Soldatenrat« zum Ministerpräsidenten der bayerischen Republik gewählt worden. Der »schlagartige Zusammenbruch der bayerischen Königs- und Militärmacht«59 war angesichts der allgemeinen Ereignisse im Kaiserreich unvermeidlich, Monarchie und König scheinen keine Anstalten zur Gegenwehr unternommen zu haben.60 Obwohl der Erste Weltkrieg vielfach als »Anfang vom Ende des bürgerlichen Zeitalters« beschrieben wird61, war er für Müller zunächst zum Aufbruch 55 56 57 58 59 60 61

Vgl. Ullrich, Zur inneren Revolutionierung. Müller an Staatsrat, 31. 8. 1916, BayHStA, MA 97552. Hampe, Kriegstagebuch, S. 775. Neitzel, Weltkrieg, S. 154 f. Vgl. Kluge, Revolution 1918/1919. Zorn, Bayerns Geschichte, S. 127, zu den Ereignissen insgesamt S. 123 – 136. Entsprechend vgl. Machtan, Abdankung, S. 239 – 262, zur Vorgeschichte: Ay, Entstehung. Vgl. in diesem Sinne W. J. Mommsen, Erste Weltkrieg, S. 15.

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geworden, leitete zudem eine publizistischen Karriere ein, auf die zuvor wenig hingedeutet hatte. Angesichts der folgenden Enttäuschung und seinem bis in die letzten Kriegsmonate anhaltenden publizistischen Engagement, wie reagierte Müller auf den Untergang der Monarchie, auf die Novemberrevolution auch in seiner Heimatstadt München? In seinen Erinnerungen zeichnete er sich als über die Entwicklung besorgten und zugleich von einer Lähmung befreiten, als kurzzeitig vom Schwung der Eisnerschen Machtübernahme angetanen, jedoch im Grunde das kommende Unheil ahnenden »Zeitzeugen«.62 Mit weniger zeitlichem Abstand, wohl auch anderer Motivlage, meinte Max Buchner 1932, dass Müller »sich mit Genugtuung sagen darf, in jenen Monaten und Wochen publizistisch wie auch persönlich alles versucht zu haben, um die Gefahr, die gleich einer schwarzen Gewitterwolke über Bayern und Deutschland heraufzog, abzuwenden«.63 In welcher Form und mit welchen Wandlungen Müllers Einstellung zur Kriegsniederlage und zur Errichtung der Republik retrospektiv auch beschrieben wurde, seine Aktivitäten in den ersten Monaten nach Kriegsende lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Der Historiker blieb im Ruhestand, die Tätigkeit als Syndikus sicherte Müllers Einkommen, im Mittelpunkt blieb die politische Publizistik.64 Vollkommen bruchlos setzte Müller sein Engagement fort, kämpfte nun seinen »Krieg im Frieden«.65 Noch im Dezember 1918 widmete er sich in den Süddeutschen Monatsheften dem »Ende der deutschen Flotte«. Die kaiserliche Kriegsmarine war kampflos an England übergeben worden, nachdem die Matrosen eine Fortführung des Krieges verweigert hatten. Für Müller war diese Weigerung, den Kampf fortzusetzen, unbegreiflich. Aus seiner Sicht wäre der Sieg auch im Herbst 1918 noch möglich gewesen. Es gäbe kein Beispiel dafür, dass »eine mächtige Flotte […] ungeschlagen, in voller Ordnung auf den Befehl des Feindes kampflos selbst in dessen Gefangenschaft zog und ihre Farben auf immer senkte, ohne sie zu verteidigen.«66 Aufgegeben, ohne geschlagen zu sein, die bereits vor der Kapitulation verbreitete Legende eines »Dolchstoßes« klang bei 62 Müller, Mars (1954), S. 257 – 275. 63 Vgl. den Beitrag in der Festschrift zu Müllers 50. Geburtstag: Buchner, Haltung, S. 44. Vgl. auch Weisz, Geschichtsauffassung, S. 54, der bezüglich Müllers Ansichten anmerkt, es müsse »bei Vertretern der Bildungselite […] mehr kritische Urteilskraft und größere Fähigkeit zu unabhängiger Entscheidung angenommen werden« als bei anderen Schichten, weshalb, bleibt offen. 64 Für den 20. 11. 1919 vermerkte Thomas Mann nach Lektüre der Süddeutschen Monatshefte: »das Beste geschichtliche Bemerkungen des Alex. v. Müller.« Vgl. Mann, Tagebücher 1918 – 1921, S. 322 f. Eine persönliche Begegnung mit Müller notierte Mann im Mai 1919, vgl. ebd., S. 252. 65 Vgl. umfassend B. Ulrich/Ziemann (Hg.), Krieg im Frieden. Hingegen begann Müller den dritten Erinnerungsband mit dem Satz: »Meine erste innere Erwiderung auf den Zusammenbruch 1918 war der Wunsch, in den stillen Bereich der Wissenschaft zurückzukehren«. Der »erinnerte« Wunsch diente als Kontrastfolie zur »äußeren« Erwiderung, deren Grund Müller bereits auf der folgenden Seite benannte: der »Vertrag von Versailles«. Vgl. Müller, Wandel (1966), S. 11 f. 66 Müller, Ende der deutschen Flotte (1918), S. 212.

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Müller bereits an.67 Schuld aber war Wilhelm II., dessen »persönliche Schöpfung« die Flotte gewesen sei: »Kampflos ist ihr oberster Kriegsherr aus seinem Land entflohen, kampflos ist seine Flotte in die Hände der Feinde übergegangen.« Auch den Hinweis, dass Tirpitz »seit Jahren auf Geheiß des Kaisers machtlos« habe zuschauen müssen, fügte Müller an.68 Die Frontstellung der Kriegszieldebatte war wieder hergestellt. Die Erfahrungen seiner Alterskohorte als Kriegsteilnehmer hatte Müller nicht geteilt, nahm hingegen als Publizist jene besonders radikale, nachholende Kampfhaltung ein, die gemeinhin der »Kriegsjugendgeneration« zugeschrieben wird.69 Der Krieg, so Müller im Lebenslauf zur Einreichung seiner Habilitation im Februar 1917, habe alle seine »Studien unterbrochen«. Was ihm neben der Tätigkeit für das Rote Kreuz an Zeit bliebe, widme er als Mitherausgeber und Mitarbeiter der Süddeutschen Monatshefte der »Kriegsarbeit«.70 Das Engagement für einen deutschen Sieg war Müllers »Arbeit«, mit dem Kriegsende drohte Müller gleichsam »arbeitslos« zu werden. Auch hatte sein Ausscheren aus dem engeren fachlichen Rahmen Müllers Ansehen in der Geschichtswissenschaft keineswegs geschadet, begeistert hatte die deutsche Historikerschaft wie auch eine breitere Öffentlichkeit die Beiträge aufgegriffen. Die in den »Kriegsheften« der Süddeutschen Monatshefte erschienenen Aufsätze wurden als Müllers Karriere programmatisch wie lebensweltlich verbindendes Band in den folgenden Jahrzehnten immer wieder, teils unter konträren politischen Bedingungen, veröffentlicht. Sie wurden zum »Markenzeichen« des historisch argumentierenden, politisch zuspitzenden und glänzend formulierenden Müller.71 Im Februar 1919 galt die Aufmerksamkeit der drohenden »Angelsächsischen Weltherrschaft«, drei Monate darauf berichtete Müller von den »Deutschen in Versailles«.72 Unterdes hatten sich in München die Ereignisse überschlagen, Kurt Eisner war ermordet worden, im April hatte die Räterepublik bis zu ihrer Niederschlagung durch Freikorps geherrscht.73 Der Krieg 67 Vgl. Barth, Dolchstoßlegenden, unter Bezugnahme auch auf Müllers Publizistik der 1920er, weitaus häufiger aber auf dessen Erinnerungen. Vgl. zudem Weisz, Geschichtsauffassung, S. 205; allerdings zitiert Weisz eine verschärfte Fassung des Artikels aus einem 1938 erschienenen Sammelband (»Vom alten zum neuen Deutschland«, erstmals veröffentlicht wurde diese Fassung im November 1930), im Dezember 1918 war Müller noch gemäßigter. Weisz’ Arbeit stützt sich fast ausschließlich auf die teils veränderten Wiederveröffentlichungen der Aufsätze in Sammelbänden. Die von Weisz nachgewiesene Unverbesserlichkeit in Müllers Denken ist deshalb zu Teilen auch ein Ergebnis seines Verzichts auf die Heranziehung der Originalbeiträge. 68 Müller, Ende der deutschen Flotte (1918), S. 212. 69 Vgl. Schulin, Weltkriegserfahrung, S.178 f, der Müller entsprechend seines Geburtsjahrgangs in die »Frontgeneration« aufnimmt, auf seine abweichende Erfahrung zwar hinweist, ihm aber eher die Erfahrungsgemeinschaft der »älteren Generation« zuweist. 70 Lebenslauf Karl Alexander von Müller, 5. 2. 1917, UAM, E-II-2517. 71 Vgl. Müller, Deutsche Geschichte und deutscher Charakter. Aufsätze und Vorträge (1926, weitere Auflagen 1936 u. 1943); Vom alten zum neuen Deutschland. Aufsätze und Reden (1938). 72 Vgl. die beiden entsprechend betitelten Aufsätze Müllers in den Süddeutschen Monatsheften. 73 Zu Eisner vgl. B. Grau, Eisner.

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als physische Auseinandersetzung hatte Müllers unmittelbares Lebensumfeld erreicht.74 Josef Hofmiller, Mitherausgeber bei den Süddeutschen Monatsheften, hat in seinem »Revolutionstagebuch« mit distanzierter Larmoyanz und unverhohlener Abscheu die Monate zwischen Kriegsende und Sommer 1919 festgehalten. Er sei überzeugt, resümierte Hofmiller, dass »es ein Verbrechen war, in der Nacht vom 8. auf 9. November die Revolution nicht mit Waffengewalt niederzuwerfen.«75 Für die nach der Niederschlagung der Räterepublik gebildete Einwohnerwehr Münchens war auch Müller geworben worden, sein tatsächliches Engagement ist nicht abzuschätzen. Zumindest für die Tage des Kapp-Putsches im März 1920 verfügte er über einen »ErsatzAusweis für Wehrmann Karl v. Müller«.76 Die Wirkung dieser Erfahrungen von sich auflösender Ordnung und Gewalt, nicht verknüpft mit dem Krieg, sondern mit der entstehenden Republik, ist nicht gering zu schätzen. Beide Phänomene korrespondierten: um die »Einheitssehnsucht« zu stillen, zur Wiederherstellung der »Ordnung« wurde für Teile des Bürgertums politische Gewalt akzeptabel.77 Für Müller galt es jedoch vor allem , sich mit der veränderten politischen Realität auseinanderzusetzen. An Rückblicken auf den August 1914, an Debatten über Kriegsschuld und Kriegsniederlage würde es nicht mangeln, zugleich aber verstärkte Müller die bereits im Krieg begonnene Diskussion um künftig zu vermeidende Fehler. Schon im Oktober 1915, auf die Kriegsbegeisterung war der zermürbende Dauerkrieg gefolgt, hatte Müller konstatiert: »Wir wissen alle, wir haben, als Volk, keine klaren weltpolitischen Pläne gehabt.«78 Während in Versailles verhandelt wurde, formulierte Müller in einer Rezension dies als »die allgemeine Erkenntnis des wilhelminischen Deutschlands seit 1890«. Ein Ziel habe gefehlt: »Unsre Politik mußte den Krieg verlieren, weil sie nicht gewusst hätte, was mit einem Sieg anzufangen.«79 Natürlich hatte Müller den Beginn des Niedergangs nicht zufällig auf das Jahr 1890 datiert, die Entlassung Bismarcks durch Wilhelm II. markierte den endgültigen Abschluss der »erfolgreichen« Reichseinigungszeit. Die Heroisierung Bismarcks wurde durch die im Laufe des Krieges stetig zunehmende Verachtung für Wilhelm II. komplettiert.80 Der sieglose, geflüchtete Kaiser hatte jedes Ansehen verspielt, der im Juni 1919 unterzeichnete Versailler 74 In seinen Erinnerungen stilisierte sich Müller als besonnenen Beobachter der Entwicklung, den April 1919 allerdings, nachdem er sich im Januar verlobt hatte, verbrachte er überwiegend außerhalb Münchens auf Hochzeitsreise, vgl. Müller, Mars (1954), S. 276 – 339. 75 Hofmiller, Revolutionstagebuch, S. 212. Mit Müller stand Hofmiller offenbar in engerem Kontakt, am 15. 2. 1919 gratulierte er zur Verlobung, vgl. BayHStA, NL von Müller 22. 76 Vgl. den Ausweis in: BayHStA, NL von Müller 16, Korrespondenz »Einwohnerwehr München 1919/1920«. Zu den Einwohnerwehren vgl. Fenske, Konservativismus, S. 76 – 112. 77 Vgl. entsprechend: D. Schumann, Einheitssehnsucht und Gewaltakzeptanz. 78 Müller, Die deutsche Not (1915), S. 8. 79 Müller, Jagow, Ursachen und Ausbruch des Weltkriegs (Rez.) (1919), S. 155. 80 Zum »mythischen« Status Bismarcks vgl. umfassend Gerwarth, Bismarck-Mythos.

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Vertrag schließlich besiegelte die Niederlage. Ein, so Müller an Angehörige des Roten Kreuzes, ein »Verwundeter ist unter uns, ein Kranker, der tiefbeschädigt aus diesem Krieg zurückgekommen ist […]; den vergessen Sie nicht: Unser Vaterland, unser gemeinsames deutsches Volk.«81 Der Genesung Deutschlands verschrieb sich Müller nun. In den ersten Jahren der Weimarer Republik blieb Müller, was er zu Beginn des Krieges bereits gewesen war. Als Mitherausgeber, vor allem aber als Autor der Süddeutschen Monatshefte unterwies er die bildungsbürgerliche Öffentlichkeit historisch fundiert in politischen Fragen, während die Geschichtswissenschaft sich von seiner Fähigkeit zur publizistischen Zuspitzung beeindruckt zeigte. Die »Süddeutsch. Monatshefte sind wirkliche Retter des Vaterlandes, sagen Sie das auch Prof. Cossmann«, lobte der Mediävist Aloys Schulte im Mai 1922, rückblickend dankte Siegfried Kaehler »für so manche Anregung, welche ich als ständiger, wenn auch nicht unkritischer, Leser der Süddeutschen Monatshefte Ihren besonders in den Jahren 1918 – 22 dort veröffentlichten Arbeiten entnommen habe«.82 Der Weimarer Republik stand Kaehler als »rechter Republikaner« mit Distanz, aber nicht vollkommen ablehnend gegenüber.83 Für Müllers pausierende Karriere als Historiker sollte die Anerkennung auch über die Grenzen politischer Unterschiede hinaus von eminenter Bedeutung sein. Deutlich intensiviert ab dem Sommer 1920, setzte Müller den eingeschlagenen Weg fort. In »Innere Politik«, einem kurzen Geleitwort zur Juli-Ausgabe der Süddeutschen Monatshefte, band Müller seine Argumente zusammen. Bereits vor und besonders im Krieg sei Deutschland von »zersetzenden inneren Parteiungen« geteilt gewesen, im Krieg wie auch jetzt mangele es an einem »schöpferischen Ziel«. Man müsse anerkennen, besiegt worden zu sein, denn »nur weil wir geschlagen waren, haben wir die heutige Form des Parlamentarismus angenommen.« Fehlende Einheit, fehlendes Ziel und eine ungeeignete, da »nicht aus eigener lebendiger Kraft« entstandene Herrschaftsform – Müllers Mantra der kommenden Jahre.84 Der kurze Text stand am Anfang einer Müller tief prägenden Entwicklung. Bereits im letzten Kriegsjahr hatte er sich gemeinsam mit Cossmann an die »deutschen Arbeiter« gewandt. Cossmann hatte Müller schon im Frühjahr 1920 zu einem weiteren Artikel bewegen wollen: »Was die deutschen Arbeiter von der deutschen Geschichte wissen sollten.« Man müsse verdeutlichen, dass »neues Klassenbewusstsein nicht Fortschritt« bedeute, sondern der die deutsche Geschichte »prägenden Zerklüftung entspreche – Dies sollte einmal durch einen Historiker an den Tatsachen gezeigt werden, und Sie könnten es 81 Müller, Feier-Ansprache im Odeon am 11. 7. 1919. Gedrucktes Redemanuskript, entnommen aus BayHStA, NL von Müller 569. 82 Schulte an Müller, 20. 5. 1922, BayHStA, NL von Müller 419; Kaehler an Müller, 27. 5. 1929, SUBG, NL Siegfried A. Kaehler 1.205:2, Nr. 16. 83 Bußmann, Kaehler, S. 64 f. 84 Müller, Innere Politik (1920), S. 165 f.

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jedenfalls am besten.«85 Nun knüpfte Müller in »Innere Politik« eben da an. Schon im Kriege sei es ihre Überzeugung gewesen, dass »der deutsche Arbeiter es sein werde, der die Zeche einer deutschen Niederlage bezahlen müsse.«86 Noch suchte Müller, eines aber war offensichtlich: sein Streben nach Einheit, Ziel und einer anderen Herrschaftsform brauchte einen Adressaten. In einem anlässlich des zweiten Jahrestages der »bayerischen Revolution« in den Münchner Neuesten Nachrichten publizierten Artikel vermerkte Müller, dass es im Krieg nicht gelungen sei, die Bevölkerung von Sinn und Ziel der Entbehrungen zu überzeugen. Dies habe die »innere Autorität des Staates« früh erschüttert, schon »im Sommer 1916 gaben ihre ersten Anzeichen auch in der Bauernschaft einsichtigen Beobachtern in Bayern Anlaß zur Sorge und Warnung.«87 Müller selbst hatte aus der seinerzeitigen Eingabe mit der Verschärfung der Kriegszieldebatte einen kaum als »einsichtig« zu bezeichnenden Schluss gezogen. Doch setzte sich sein Erkenntnisweg merklich fort, gegen eine ablehnende Haltung der Bevölkerung sei der Krieg erfolgreich nicht zu führen gewesen. Wenige Tage darauf veranstaltete der »Bayerische Ordnungsblock«, ein nach dem gescheiterten Kapp-Putsch gebildeter Zusammenschluss von republikfeindlichen Verbänden88, im Münchner Odeon eine »Deutsche Feier«. Das »Vaterland liegt niedergeschlagen zu Boden, mit der Bürde eines unmenschlichen Friedens beladen«, so eröffnete Müller seine Rede, den »alten Rhein entlang stehen Schwarze als Wächter des fremden Siegs.« In Deutschland sah Müller nur »Uneinigkeit, Verwirrung«, die Deutschen müssten sich neu orientieren – »Wo stehen wir eigentlich?« Müllers Bilanz fiel düster aus. Die »innere Verhetzung und Zersetzung« lasse die Rede von einem »einheitlichen deutschen Volke« zur Phrase werden, es fehle eine »innerste schöpferische Einheit«, von »allen Seiten umdrängt uns das Zerstörende und Zerschwätzende, das Willkürliche und Formlose, das Nivellierende und Mechanisierende dieser maschinellen Zeit, die methodische Zersetzung alles Gesunden und Edlen«. Auch die Historie bot keinen Trost, die deutsche Geschichte sei »die am tiefsten zerklüftete, die am verhängnisvollsten und häufigsten abgebrochene unter den großen Völkern«. Eine Wahrnehmung, die von jeglicher weiterer Abwägung enthob. Seinen Superlativen des Unglücks setzte Müller das »Wesen des Deutschtums« entgegen, dieses sei: »Ordnung inmitten des heillosesten Chaos, Gerechtigkeit inmitten der aufgewühlten Verwirrung.« Man brauche, dies gab Müller als Ziel aus, keine neuen Parteien, sondern »neue Charaktere«.89 Ordnung und Wiederaufstieg durch Persönlichkeitsbildung, Müllers Vorschläge blieben abstrakt. Doch glich die »Feier« 85 86 87 88 89

Cossmann an Müller, 23. 3. 1920, BayHStA, NL von Müller 247. Müller, Innere Politik (1920), S. 167. Müller, Geschichte der bayerischen Revolution (1920), S. 8 f. Vgl. Bauer u. a. (Hg.), München – »Hauptstadt der Bewegung«, hier S. 60 f. Müller, Rückblick und Ausblick (1921), S. 247 f, 252, 255.

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ohnehin mehr einer künstlerischen denn einer politischen Demonstration, Müllers Rede wurde durch Bach, Beethoven, Wagner, auch Goethe und Hölderlin gerahmt. Fritz Behn, Gründer des Ordnungsblocks, dankte Müller für die Mitwirkung, München »und mit ihm das ganze nationale Deutschland« sei stolz »auf seine Künstler«.90 Die Wahrnehmung Müllers als »Künstler«, nicht als Vertreter politischer Ansichten, nahm nach der frühen Zuschreibung als »Schriftsteller« in dieser zweiten Hochphase seiner politischen Publizistik ihren Anfang. Auch Cossmann hatte Müller in dieser Weise »erfahren«, er wisse, dass Müllers »Schaffen« von der »Gunst innerer und äusserer Umstände« abhänge, wie »das des Künstlers.«91 Weder als Politiker noch als Wissenschaftler, als künstlerischer Vergangenheits- und Gegenwartsdeuter verhalf Müller seinem Publikum zu Eindrücken, die es Erkenntnissen offenbar vorzog. Auf der »Deutschen Feier« hatte Müller auch formuliert, wen es nun in diese Gemeinschaft einzubinden galt. Es gäbe »keinen lügenhafteren Satz als den, daß das Proletariat keinen Anteil habe an seinem Vaterlande«, die »deutsche Revolution« sei ein »untrennbarer Teil unserer Geschichte, unser deutsches Proletariat ein wesensechter Teil unseres Volkes.«92 Müller hatte die Lektion des Januar 1918, aus den von Arbeitern gesprengten Versammlungen der Vaterlandspartei, gelernt. Das Proletariat, der »deutsche Arbeiter« war zu gewinnen für die »nationale Sache«. Das Ziel der im Krieg angestrebten, aber verfehlten »Volksgemeinschaft«93 verfolgte Müller nun mit publizistischer Konsequenz. Im Januar 1921 schlug er den Bogen zum August 1914, in den Süddeutschen Monatsheften fragte er »Los von Preußen?« Seine Antwort fiel deutlich aus: »Wir müßten uns selbst ins Gesicht schlagen, wenn wir dieser feindlichen Losung jetzt zustimmen würden.« Neben der sozialen hatte Müller die regionale Desintegration in den Blick genommen, eine »Einheit« Deutschlands war für ihn nur unter Führung Preußens denkbar. Auf preußischer Vorherrschaft habe das »Bismarckische Reich« gefußt, die »Tage des August 1914 waren der innere Höhepunkt dieses Reiches«. Der preußische Anteil an der deutschen Geschichte sei der ruhmreichste, doch habe auch Preußen schließlich versagt, mit der »Zeit Wilhelms II.« sei eine »von seiner stärksten politischen Gewalt ausgehende Zersetzung und Unterhöhlung, unpreußisch, wie undeutsch in ihrem Wesen, phantastisch und verschwenderisch, theatralisch« über Deutschland gegangen. Gewidmet war das Heft dem Jubiläum der Reichseinigung, Bismarcks Vorbild im Sinn suchte Müller »die

90 Bayerischer Ordnungsblock an Müller, 12. 11. 1920, BayHStA, NL von Müller 16. 91 Cossmann an Müller, 12. 2. 1919, BayHStA, NL von Müller 22. Auch Erich Marcks erfuhr diese Wahrnehmung, Nordalm nennt eines seiner Kapitel »Der Künstler«, vgl. Nordalm, Marcks. 92 Müller, Rückblick und Ausblick (1921), S. 251 f. 93 Zu »Burgfrieden« und »Volksgemeinschaft« im Weltkrieg vgl. Bruendel, Solidaritätsformel.

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einzelne geniale organisatorische Kraft« und »die staatliche Macht, auf die sie sich […] stützen kann«.94 Sein Anrufen einer »Schicksalsgemeinschaft« wiederholte Müller im Februar 1921 bei der »großen Einspruchsversammlung der Münchner Einwohnerschaft gegen das Pariser Diktat«. Anlass war die Forderung der Alliierten, dem Versailler Vertrag widersprechende Einwohnerwehren aufzulösen. Das Reich war dem nachgekommen, Bayern verweigerte sich.95 Müller begrüßte sein Publikum als »Bürger und Arbeiter, Angestellte und Beamte, […] deutsche Volksgenossen alle«, geeint durch den äußeren Feind. Es drohe die »vollständige Wehrlosmachung Deutschlands«, nach der weitere Reparationsforderungen um so leichter durchzusetzen seien. Der Ursprung liege im »unseligen Artikel des sogenannten Friedens von Versailles, der alle neuen immer weitergehenden Forderungen, die seither darauf aufgebaut worden sind, sozusagen als Schlußstein zusammenhält. Es ist der Artikel 231« – der Paragraph, der Deutschland und seinen Verbündeten die alleinige Kriegsschuld zuwies. Versailler Vertrag und »Kriegsschuldlüge« würden Müller noch oft beschäftigen, beschwörend schloss er : »Wir wollen keine Sklaven sein! Wir wollen Deutsche bleiben!«96 Als Redner war Müller nun vielgefragt. Der Deutsch-Nationale Jugendbund Augsburg bat um einen Vortrag zum Jubiläum der Reichsgründung, der Bayerische Ordnungsblock lud ein zur »2. Deutschen Feier«, und der die bayerischen Einwohnerwehren führende Forstrat Georg Escherich ließ um Mitarbeit an einem »Propagandaheftchen« werben.97 Aus den politischen Anfragen stach ein Vorschlag heraus, im Dezember 1920 trug die Alpenvereins-Sektion München Müller die Vorstandschaft an.98 Auch wenn es nicht zur Amtsübernahme kam, verdeutlicht das Angebot die Wahrnehmung eines der erfolgreichsten Sujets des »Künstlers« Müller. Beginnend im Oktober 1920 mit der Veröffentlichung des »Landtagebuch« in den Süddeutschen Monatsheften, erwarb sich Müller als Lobpreisender der bayerischen Landschaft ein über viele Brüche hinweg treues Publikum.99 »Blauer Himmel«, so begann Müller sein Landtagebuch, »grüne Erde 94 Müller, Los von Preußen? (1921), S. 226 f, 230 f, 233. Die Vossische Zeitung druckte, ebenfalls im Januar 1921, Auszüge des Artikels unter dem Titel »Die eigentlichen Preußen«. 95 Vgl. Fenske, Konservativismus, S. 100 – 108. 96 Müller, Volk in Not! (1921), S. 3 f, 8, 16. 97 Deutsch-Nationaler Jugendbund Ortsgruppe Augsburg an Müller, 13. 12. 1920; Bayerischer Ordnungsblock an Müller, 24. 1. 1921; Major a. D. (Küstermann) an Müller, 23. 5. 1921, BayHStA, NL von Müller 16. Zu Escherich vgl. Nußer, Konservative Wehrverbände. 98 Alpenvereins-Sektion München an Müller, 6. 12. 1920, BayHStA, NL von Müller 16. Zum Verein und seinen »vorwiegend in den Städten lebenden Mitgliedern«: Gidl, Alpenverein, Zitat S. 363. 99 Nach dem Erstabdruck im Oktober und Dezember 1920 bereits 1921 als Broschüre erneut erschienen, erfuhr das »Landtagebuch« nach 1945 eine veränderte, teils gekürzte Wiederauflage, vgl. die Fassung in: Müller, Unterm weissblauen Himmel (1952). Auch nach Müllers Tod fand das »Landtagebuch« Verwendung, vgl. den Abdruck in: Schubert/Hackl (Hg.), Oberland, S. 25 – 37.

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überall! Nur fern, ganz fern am Horizont im Norden hängt trüb eine wagrechte Rußwolke – der ganze traurige Dunst von Geschwätz, Lärm, Tumult des aufgewühlten Lebens, der aus dem öden Steinmeer der Großstadt aufsteigt. […] Welche Wonne, die Augen schweifen zu lassen über das alte Land, über die lieblichen Wiesenhügel und die dunklen Forste zu meinen Füßen, zwischen denen der alte Heimatfluß in herrlichem Bogen herausgezogen kommt, stolz und ungebrochen […]. Welche ruhige Stille ringsum! Die Schicksale der Zeiten scheinen hier keine tieferen Spuren zu hinterlassen als der Wind in den Wäldern, die Jahrhunderte scheinen darüber hinzugleiten wie Sonnenschein und Wolkenschatten über die Fluren. Hat sich dies Land seit Menschengedenken im Wesen verändert?« Was zuvor der idealisierten deutschen Geschichte, etwa der Reichseinigung, zugeschrieben wurde, hatten nun idealisierte Natur, Herkunft und Abstammung zu leisten. Bedroht war Müllers ländliches Paradies jedoch nicht nur von der Großstadt, explizit stellte er dem Idyll den politischen Zwist entgegen: »Ist es die alte grüne Heimat, die wir heute wiederfinden, – das Ohr noch gellend vom Lärm des Bruderstreits, in dem der eine Sieg nennt, was der andere Niederlage, der eine Recht, was der andere Unrecht, der eine Aufbau, was der andere Zerstörung – das Herz noch bebend von der Erschütterung, die dazu aufrief, alle Fäden der Vergangenheit zu zerreißen, alle Bande der Treue zu zersprengen, alle Mauern alter Ordnung einzustürzen?«100 Eindeutigkeit, Einigkeit, Konstanz und Unveränderlichkeit fand Müller in der oberbayerischen Landschaft, keine Fragen, keinen Disput, keine zu treffenden Entscheidungen, dies zeichnete er als Wunschbild vor dem Kontrast des städtischen, politischen Lebens. Als Beleg für Müllers Fähigkeit zur literarischen Naturbeschreibung im vermeintlichen Gegensatz zu seinen späteren Elogen auf den Nationalsozialismus zitiert101, blieb das besinnlich auftretende »Landtagebuch« den Themen und Wertungen der politischen Publizistik Müllers treu. Das antimoderne Ressentiment – »die Mechanisierung des ganzen Lebens, die Entseelung der Natur«, »das unaufhörliche Wandern und Verschieben von Menschenmassen, Gütermassen, Nachrichtenmassen, die Beweglichkeit alles Besitzes, die Entwurzelung alles Bodenständigen« – erfuhr seine Ergänzung durch das politische. Das deutsche Volk sei zersplittert und ohnmächtig, dies sei »der Sinn der Friedenschlüsse von Versailles und St. Germain, das Ergebnis des deutschen Zusammenbruchs und der deutschen Revolution. […] Von Westen her ist der Parlamentarismus, die Demokratie nach westlichem Muster, in unsern Staat eingebrochen […], von Osten droht der Bolschewismus auch diese neue Zwischenform schon wieder zu verschlingen. Beide Bewegungen in ihrer heutigen Gestalt sind undeutsch: eine geistige Fremdherrschaft auf unserm Boden wie eine materielle.«102 Müller entfloh der im wörtlichen Sinne »verkehrten« städtischen Welt von 100 Müller, Landtagebuch (1920), S. 40 f. 101 Schulze, Historiker, Syndikus und Akademiepräsident, S. 282 f. 102 Müller, Landtagebuch (1920), S. 43 f u. 201.

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»Revolution, Inflation und Moderne«.103 Bayerns späte Urbanisierung hatte zu einer verschärften Wahrnehmung des Gegensatzes von Stadt und Land geführt104, nach Müller habe man »erlebt, wie die geistige Rußwolke von Phrasen und Schlagworten, die über den Städten lagert, eindringlicher und zäher festklebend als die körperliche, sich von den Städten aufs Land hinauszog.«105 In der Kontrastierung von vermeintlicher ländlicher Unberührtheit und städtischer Rastlosigkeit, von geschichtlich gebundener Herkunft und fremdbestimmter Gegenwart wurde das »Landtagebuch« zu einem der beliebtesten, aber auch politischsten Texte Müllers. Als »anerkannter Historiker und wissenschaftlicher Politiker«106 war Müller seit Kriegsbeginn zunehmend prominent geworden. Eingebunden in die sich in der »bayerischen Ordnungszelle« seit der Novemberrevolution bildenden, politisch und publizistisch gegen Republik, Parlamentarismus und »Kriegsschuldlüge« agierenden Kreise, führte Müller diese Rolle in den frühen 1920er Jahren fort. Vor allem die Verantwortung für den Ausbruch des Weltkriegs, die im Versailler Vertrag dem Deutschen Reich zugewiesen worden war, beschäftigte Müller. Dass die »Geschichtswissenschaft in der Weimarer Republik […] zur eigentlichen Kriegsursachenforschung erstaunlich wenig«107 beitrug, mindert die Bedeutung dieses Engagements für Müllers Rang in Öffentlichkeit wie Wissenschaft nicht. Ob der die öffentliche Propaganda gegen die »Kriegsschuldlüge« koordinierende »Arbeitsausschuß Deutscher Verbände«108, der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband, die Polizeidirektion München oder eine »Freie Deutsche Akademie des Städtebaues«, die Anfragen nach Vorträgen zur »Schuldfrage« überstiegen bald Müllers Möglichkeiten zum Auftritt.109 Besondere Aufmerksamkeit erhielt Müller vom Deutschen Hochschulring bzw. Hochschulring Deutscher Art. Als »erfolgreichste und langfristig bei weitem einflußreichste hochschulpolitische Neugründung der Nachkriegsjahre« wurde dieser zur Sammlungsbewegung nationalistischer, völkischer Studenten.110 Nach einer ersten Einladung im Dezember 1921 durch den Münchner Hochschulring, forderte ihn das »Grenzlandamt« des Hochschulrings im nächsten Monat zu einem »Vortrag über die weitere Vorgeschichte des Krieges« auf. Müller nahm an und trug in einer Reihe von »Nationalpo103 Diese Aspekte für München zwischen 1914 und 1924 verbindend vgl. Geyer, Verkehrte Welt, unter Verwendung der Erinnerungen Müllers. Vgl. zudem Kittel, Provinz, S. 294 – 313. 104 Vgl. entsprechend Tenfelde, Stadt und Land. 105 Müller, Landtagebuch (1920), S. 198. 106 Herbert Engelmann an Müller, 22. 3. 1923, BayHStA, NL von Müller 16. 107 Heinemann, Niederlage, S. 105. 108 Arbeitsausschuß Deutscher Verbände an Müller, 19. 1. 1922, BayHStA, NL von Müller 16. Zur Arbeit des Ausschuss vgl. Heinemann, Niederlage, S. 120 – 154. 109 Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband an Müller, 17. 6. 1922; Polizeidirektion München an Müller, 7. 9. 1922, BayHStA, NL von Müller 16; Martin Mächler (Architekt) an Müller, 20. 9. 1922, BayHStA, NL von Müller 476. 110 Herbert, Best, S. 52 – 54, Zitat S. 52, vgl. auch Breuer, Völkischen, S. 208 f.

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litischen Vorträgen« des Münchner Hochschulrings unter dem Titel »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« vor.111 Der Vortrag, titelgebend für Müllers bis 1945 in drei Auflagen veröffentlichte Aufsatzsammlung, erschien im Jahr darauf in den Süddeutschen Monatsheften. Die deutsche Geschichte habe, so Müller, seit gut tausend Jahren einen deutschen Charakter, einen Charakter des deutschen Volkes geformt. Teils wörtlich an frühere Beiträge anschließend, zeichnete Müller den Weg dieses vermeintlich kontinuierlichen »Volkstums«. Deutschlands Geschichte sei unglücklich verlaufen, zersplittert und fremdbestimmt, aber auch von eigenem Versagen geprägt. Doch die »einzelnen Deutschen« seien nicht »schlechter als vorher oder später« gewesen, die »Summe von Fähigkeiten und Charakteren, die im Volke lag, war nicht geringer.« Das gelte auch für die Zeit der Französischen Revolution. Ist es, so Müller, wirklich »Blut von unserem Blut, das sich in diesem Elend abmüht? […] Sind es wirklich unsere deutschen Züge, die hier vor uns stehen? Ja, freilich sind sie’s!« Konsequent war Müllers am Volk orientierte Geschichtsbetrachtung nicht, den Ausweg aus Uneinigkeit und Fremdherrschaft wies nicht der deutsche Charakter : »In dieser Not war es der preußische Staat, der Deutschland gerettet hat.« Schließlich repetierte Müller die bekannte Erzählung vom August 1914, der Niederlage geboren aus Zwist und Ziellosigkeit sowie dem Versailler Vertrag. Auch ein Hinweis auf die Gesamtheit des Volkes fehlte nicht, »unser deutsches Proletariat ist ein wesensechter Teil unseres Volkes. […] Sie sind Blut von unserem Blut, Schicksal von unserem Schicksal.« So unklar noch schien, ob für Müller Volkscharakter oder Staatlichkeit den Gang der Geschichte prägten, auch wenn die Historie für die Nachzeichnung »deutscher Art« herangezogen wurde – sein Blick begann sich abzuwenden von bloßer Bewältigung der Vergangenheit. Müllers Streben richtete sich in die Zukunft. Ein Zurück gebe es in der Geschichte nicht, es habe »das Deutschland, welches die edelsten Deutschen aller Zeiten in ihrem Herzen getragen haben, noch nicht Gestalt gefunden […] auf der Erde.«112 Auch wenn Müllers Texte von Begriffen wie Volk und Blut zunehmend durchzogen waren, in seinem Geschichtsbild blieb er seiner historiographischen Prägung durch eine Staats- und Nationsgeschichte weitgehend treu.113 Jedoch darf zugleich die weniger historiographische denn politische Zielvorstellung nicht übersehen werden. Seit der sich abzeichnenden Kriegsniederlage im Sommer 1918 und der Novemberrevolution hatte sich Müller gleich 111 HDA München an Müller, 2. 12. 1921; DHR Grenzlandamt an Müller, 9. 1. 1922; »Einladung zu den Nationalpolitischen Vorträgen« o. D., BayHStA, NL von Müller 415. 112 Müller, Deutsche Geschichte und deutscher Charakter (1923), S. 373 f, 375, 379 f, 381. 113 Müller findet deshalb in der Untersuchung der seit 1918 aufstrebenden Volksgeschichte kaum Beachtung, vgl. Oberkrome, Volksgeschichte. Die Historikergeneration des Kaiserreichs war stärker auf die »nationalpolitische Nutzbarmachung des Rasse- und Volksgedankens« als auf eine tatsächliche inhaltliche Anwendung orientiert, vgl. W. Weber, Völkische Tendenzen, S. 852.

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anderen der Ansicht genähert, dass es einer umfassenderen, die sozialen, politischen und kulturellen Grenzen überbrückenden Mobilisierung bedürfe, um das Ziel politischer, wirtschaftlicher und militärischer Hegemonie Deutschlands künftig erreichen zu können. Eine an den »Volkscharakter« appellierende, an »völkischen Interessen« orientierte Gesellschaft sollte jene Kräfte mobilisieren, die aus Sicht ihrer Propagandisten dem von ständischen Schranken durchzogenen Kaiserreich nicht zur Verfügung stehen konnten. Müller war an der publizistischen Legimitierung dieses politischen Programms federführend beteiligt, seine wissenschaftliche Karriere ist von diesem Engagement nicht zu trennen. Die inhaltlich vage und deshalb anschlussfähige Vorstellung einer »völkischen Mobilisierung« entwickelte für bildungsbürgerliche Kreise besondere Bindekraft, denn der Wunsch, die beschränkten Mobilisierungschancen der Gesellschaft des Kaiserreiches zu überwinden, kollidierte mit dem Unwillen, soziale Unterschiede tatsächlich zu mindern. Einen Ausweg aus diesem Dilemma schienen »Volksgeschichte« und »Volkscharakter« zu bieten. Beides versprach die Erlangung der ersehnten »Volksgemeinschaft« in einer Art und Weise, die den eigenen sozialen Status nicht gefährdete und überdies in ihren Führervorstellungen eigene Elitenwahrnehmungen stützte. Wie rasch der nicht aufgelöste Widerspruch zwischen apostrophierter Gemeinschaft und sozialer Differenz zu Tage trat, verdeutlichte ein Artikel Müllers in den Münchner Neuesten Nachrichten. Er galt der »Tragödie des Mittelstandes«, der mit dem »Untergang« ringe. Während der »Pegel der Verelendung dieser Schicht von Woche zu Woche« steige, würden »die hochtrabenden Verheißungen sozialer Gerechtigkeit und sozialen Ausgleichs ausgerufen«. Der »vierte Stand« solle dies würdigen, der Mittelstand sei »mitten zwischen den zwei Mühlsteinen der großen Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, zwischen denen er zermalmt zu werden droht, der stärkste Rückhalt des deutschen Staates und der deutschen Bildung.«114 Während der Bankier Wilhelm von Pechmann entschieden zustimmte, hatte die sozialdemokratische »Münchener Post« nur Hohn für Müllers »Ahnungslosigkeit«.115 Mit dessen Vortrag zeigte sich der Hochschulring sehr zufrieden und dankte, dass Müller die Münchner Ortsgruppe seit längerem »geistig gefördert und unterstützt« habe. Im August 1922 konnte man vermelden, dass sich in »München eine Altherrnschaft des Hochschulrings Deutscher Art gegründet hat, deren erster Vorsitzender« Müller sei.116 Protagonisten und Vereinigungen der »konservativen Revolution« begannen, sich um Müller zu bemühen.117 Für den »Juni-Klub« warb Heinrich von Gleichen-Russwurm, man plane unter 114 Müller, Tragödie des Mittelstandes (1922), S. 1 f. 115 Vgl. Wilhelm Freiherr von Pechmann an Müller, 28. 10. 1922, BayHStA, NL von Müller 16 sowie die kurze Notiz in: Münchner Post Nr. 252 v. 28./29. 10. 1922, S. 5. 116 DHR, Vorsitzender Wilhelm Zietz an Müller, 27. 4. 1922; HDR (München) an Herr Baron, 1. 8. 1922, BayHStA, NL von Müller 415. 117 Vgl. einführend Schildt, Konservatismus, S. 131 – 181 sowie Bussche, Konservatismus.

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anderen mit Cossmann »eine politische Arbeitsstelle in München einzurichten, ähnlich wie dies in Berlin zusammen mit Professor Martin Spahn gelungen ist.«118 Spahn, Historiker in Köln und späterer Reichstagsabgeordneter der DNVP, führte mit dem »Politischen Kolleg« eine wesentlich vom jungkonservativen Ring-Kreis getragene »Schulungsanstalt der DNVP«, gegründet in Ablehnung von Versailler Vertrag und Weimarer Republik.119 Die auch mit Müller geführten Verhandlungen um einen Münchner Ableger des Kollegs scheiterten120, doch wollte man ihn unbedingt als Vortragenden gewinnen. Müller zögerte und ließ sich umwerben, für den April 1922 schließlich versprach eine Einladung des Juni-Klub in München: »Prof. K.A. von Müller stellt 8 Thesen aus der Geschichte des deutschen Volkes auf.«121 In den kaum zu überblickenden, auch miteinander konkurrierenden nationalen, konservativen und völkischen Vereinigungen war Müller ein stets gefragter Gast und Redner. Für eine Gruppierung sich entscheiden, als Repräsentant oder Vordenker einer Richtung sich profilieren wollte Müller indes nicht.122 Die gewählte Rolle des politischen Historikers, eines wissenschaftlich ausgewiesenen »Sachverständigen«123, vertrug sich nicht mit der engeren Anbindung an einzelne Vereinigungen. Müller argumentierte, so sein Gestus, nicht mit politischen Ansichten, sondern mit historischen Fakten. Auch sein Vortrag »Des deutschen Volkes Not und der Vertrag von Versailles« wurde als Broschüre mit dem Hinweis beworben, Müller sei »Professor der Geschichte an der Universität München«. Anlass für den Auftritt war ein Jubiläum des oberbayerischen christlichen Bauernvereins124, organisiert aber wurde die Veranstaltung von der »Gäa«, ein dem »Deutschen Herrenklub« ähnlicher, »adlig-bürgerlicher Zusammenschluss« mit Schwerpunkt in Süd-

118 Gleichen-Russwurm an Müller, 4. 1. 1922, BayHStA, NL von Müller 16. Zu Juni-Klub, Politischem Kolleg u. Akteuren wie Gleichen-Russwurm vgl. Petzinna, Erziehung, v. a. S. 118 – 189. 119 Bleek, Politikwissenschaft, S. 213. 120 G. Clemens, Spahn, S. 162. 121 Vgl. Spahn an Müller, 25. 2. 1922 sowie die Einladung des »Juniklub (Ring)« v. 18. 3. 1922 zum Vortrag Müllers, BayHStA, NL von Müller 16. 122 Entsprechend findet Müller in der einschlägigen Forschung keine Beachtung, vgl. neben den erwähnten Titeln auch Breuer, Ordnungen; V. Weiß, Moderne Antimoderne. Dass der Münchner Juni-Klub »sein Bestehen der Initiative« Müllers verdankte, ist daher kaum anzunehmen, ohne Beleg vermutet dies jedoch Schwierskott, Moeller, S. 68. 123 Als solcher wurde Müller für einen Beleidigungsprozess des früheren bayerischen Kriegsministers Philipp von Hellingrath gegen den Miesbacher Anzeiger angefragt, es sei damit zu rechnen, dass »wie beim Fechenbachprozess auch Historiker als Sachverständige zu Wort kommen dürften.« Vgl. RA Eduard Brinz u. Paul Rinck an Müller, 13. 8. 1922, BayHStA, NL von Müller 16. Zum von Cossmann in bewährter Manier provozierten Prozess gegen Felix Fechenbach, einem früheren Mitarbeiter Kurt Eisners, vgl. Hirschberg, Erinnerungen, S. 157 – 187. In seinen Memoiren zeichnete Müller, der für Cossmann ausgesagt hatte, ein diffamierendes Porträt Fechenbachs als »Fanatiker«, vgl. Müller, Wandel (1966), S. 98 – 101. 124 Oberbayerischer christlicher Bauernverein an Müller v. 7. 11. 1922, BayHStA, NL von Müller 16.

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deutschland.125 Für die »Gäa« sei Müllers Vortrag, hob ihr Geschäftsführer Franz von Gebsattel hervor, das »erste praktische Ergebnis, mit dem die Gäa an ihre Vertrauensleute herantreten kann.«126 Müller hatte betont, man könne zwar den Weltkrieg mit »früheren großen Zusammenstößen unseres Staatensystems« vergleichen, aber nicht den Friedensschluss. Dieser sei ein »Diktat« mit dem Ziel der »Zerstörung der politischen und wirtschaftlichen Macht Deutschlands«. Detailliert widmete sich Müller den Gebietsabtretungen und Reparationsforderungen, erfüllbar jedoch sei dieser Vertrag nicht. Da man ihn mit Waffengewalt nicht »abzuschütteln« vermöge, müsse man seine Begründung, die »Lüge« von der deutschen Kriegsschuld, angreifen. Nur auf dem »Weg der gleichen Agitation für die Wahrheit über die Schuld und über die Unmenschlichkeit dieses Vertrages […] – eine Agitation innerhalb und außerhalb unseres Volkes – können wir ihn wieder entwurzeln.«127

3.1.3 Von der Krise zur Hoffnung auf eine völkische Bewegung Als historisch argumentierender, zugleich dezidiert politischer Publizist hatte Müller seine »Agitation für die Wahrheit« beständig verschärft. Kein Bereich, kein Anlass blieb von seiner tief greifenden Politisierung unberührt. Auch nicht die Taufe seiner Zwillingssöhne im Januar 1923, wenige Tage nach der Ruhrbesetzung. Müller schlug den Bogen zurück zu einer früheren Verknüpfung politischer und privater Lebenswelt: »Unsre Hochzeit ist seinerzeit mitten in die Münchner Rätetage gefallen – in Wochen, in denen man Zweifel hegen konnte, ob von unserm alten Bayern politisch noch ein Stein auf dem andern bleiben würde. Diese Taufe fällt in einen Augenblick, in dem die Uhr ausgeholt hat zu einer neuen Schicksalsstunde für unser ganzes deutsches Volk […]. Die eigentliche Feier dieser Stunde gilt ihrer Weihe als Christen. Aber lassen Sie uns den heutigen Tag zum Anlaß nehmen, damit zugleich ihre Weihe als Deutsche zu verbinden.«128 In seinem Krisenempfinden war Müller nicht allein. Die »Krisenjahre der Klassischen Moderne« hangelten sich von der »Nachkriegskrise« über eine »trügerische Stabilisierung« zur »totalen Krise«.129 Jüngst kam der Krisenbegriff als vorherrschendes Interpretament für die Jahre von 1918 bis 1933 selbst in die Krise, es habe die »Krisenhaftigkeit von Politik, Gesellschaft und Kultur nicht objektiv gegeben; sie wurde konstruiert.«130 In der Tat lassen die 125 Malinowski, Vom König zum Führer, S. 456 – 460. Auch als »finanzstarke politische Loge im Hintergrund« fand die Gäa Beachtung, vgl. Vollnhals, Praeceptor Germaniae, S. 136. 126 Vgl. Gebsattel an Müller, 25. 1. 1923, BayHStA, NL von Müller 16. 127 Müller, Des deutschen Volkes Not (1922), S. 1 f u. 13 f. 128 Vgl. »Tischrede bei der Feier der Taufe von Albrecht und Otto Januar 1923«, BayHStA, NL von Müller 47. 129 So Detlev Peukerts Buchtitel und Kapitelüberschriften, vgl. Peukert, Weimarer Republik. 130 Föllmer u. a., Kultur der Krise, S. 38.

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von Müller in seinen Artikeln und Reden beschworenen Untergangsszenarien eine nüchterne Analyse vermissen, sie sind weniger Ausweis tatsächlicher Not als Seismograph für das subjektive Empfinden Müllers wie seiner Rezipienten. Müller konnte – und wollte – eine angemessene Bewertung von »Leistung und Versagen« der Republik von Weimar131 nicht vornehmen, ergänzten sich doch nicht zuletzt die laut Müller »historisch« begründeten Katastrophen und seine Deutungskompetenzen kongenial. Seit dem Januar 1923 und der Ruhrbesetzung, mit der grassierenden »Hyperinflation« als den sozialen Status zusätzlich bedrohender Begleitung, hatte Müller sein politisches Engagement nochmals verstärkt. Im Gegensatz zum früheren vielfältigen, aber auch punktuellen Mitwirken ließ er sich bei der »Gäa« nun fester einbinden. Als zeitweiliges Mitglied des Ortsausschusses bereitete er eine »Auslandsdeutschen-Tagung« mit vor, für die ein Vortrag von ihm über die »Friedensvertragsausstellung« vorgesehen war.132 Auch wenn der Vortrag entfiel, Müller engagierte sich für die »Gäa«. Diese dankte ihm für die Bereitwilligkeit, mit der »Sie jederzeit sich in den Dienst unserer Sache gestellt haben.«133 In Notizen zu einer Besprechung in den Münchner Neuesten Nachrichten, die nach einem Besitzerwechsel seit 1920 zum Einflussbereich Cossmanns zählten134, vermerkte Müller : »Aber wollen wir akad. Erörtergn pflegen, oder prakt. Politik treiben? Nicht zu viele Zeit mit Vorbereitgn verlieren! – Dringend gegen einen Namen! Warnendes Beispiel unsres ›Volksbundes zur raschen Niederkämpfg Englds‹.«135 Aus der gescheiterten, da die angestrebte Einigkeit nicht herstellenden Kriegszieldebatte wollte Müller die richtigen Schlüsse gezogen wissen. Deshalb kam es nun auf die »Lehren der Geschichte« an, die Müller einige Wochen darauf in den Münchner Neuesten Nachrichten präsentierte. Seinen Artikel eröffnete eine Frage: »Was ist das Erschreckendste an unsrer gegenwärtigen Lage?« Nicht Niederlage und Revolution, so Müller, sondern dass »der gleiche Geist, der uns in die Niederlage und die innere Zerrüttung geführt hat«, weiter herrsche, dass »dieses Volk, von Hunger erschöpft, an seinem ganzen Körper von Wunden blutend, mit Eiterbeulen bedeckt, gespensterhaft, als wenn nichts gewesen wäre, um das goldene Kalb weitertanzt«. Nun bestehe die »Gefahr des Auseinanderfallens«, die »Prediger des Klassenhasses und des Klassenkampfes wie die Vertreter des schrankenlosen Kapitalismus sind heute die eigentlichen und die wichtigsten Schrittmacher der Separation.« Es galt, so Müllers »Lehre« aus dem Weltkrieg, die Arbeiterschaft zu mobilisieren. Eine 131 Vgl. mit diesem Untertitel eine neuere, umfangreiche Gesamtdeutung: Büttner, Weimar. 132 Vgl. Gebhardt, »Ausstellung Deutschland und der Friedensvertrag« (1921), zudem Lorenz, Versailler Vertrag, S. 137 – 193. 133 Erster Vorsitzender Gäa an Müller, 6. 9. 1923, BayHStA, NL von Müller 16. 134 Zum Richtungswechsel der MNN, deren ständiger Autor Müller nun wurde, vgl. Morsey (Hg.), Gerlich, S. 20 f sowie Holz, Münchner Neueste Nachrichten, S. 198 f. 135 Vgl. »Besprechung in den MNN, 13. September 1923.« Nachträglich angefertigte Abschrift (»Ich (nach flüchtgn Notizen).«), BayHStA, NL von Müller 20. Abkürzungen im Original.

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»Rettung und Wiedererhebung Deutschlands« sei nicht möglich »ohne den Glauben an nationale Ehre«, aber auch nicht »ohne ein neues soziales Ideal.«136 Eine Verbindung von nationaler und sozialer »Idee« erschien nicht nur Müller vielversprechend, seit längerem drängten die »Nationalsozialisten« in die politische Öffentlichkeit. Bereits im Januar 1923 hatte Müller, wenn seinen Aufzeichnungen Glauben geschenkt werden darf, zu später Stunde notiert: »Die erste Rede Hitlers, die ich hörte, im Löwenbräu, 27. Jan.1923. (In der Nacht zuhause aus der Erinnerung niedergeschrieben).«137 In einem kurzen Vorsatz verwies Müller auf das Republikschutzgesetz, auf Grund dessen der öffentliche Parteitag der NSDAP verboten und Hitler zur Ansprache in mehreren Versammlungen gezwungen worden sei. Seine Notizen zur Rede versah Müller mit kurzen Kommentaren zum Tonfall Hitlers – »höhnisch«, »triumphierend«, »verächtlich« –, wie auch zu den Reaktionen des Publikums – »«Frenetischer Beifall«, »Lautes Gelächter«, »stürmender Beifall.« Auf inhaltliche Anmerkungen verzichtete Müller. Die persönliche Bekanntschaft Hitlers hatte Müller allerdings schon einige Jahre zuvor gemacht. Im Sommer 1919 trug in Aufklärungskursen, in denen Angehörige einer zukünftigen Reichswehr politisch-historisch gebildet werden sollten, Müller unter anderem zur »politischen Geschichte des Krieges« vor. In den Reihen seiner Zuhörer findet sich auch Hitler, auf dessen »rhetorisches Naturtalent« Müller aufmerksam geworden sein will.138 Kaum eine Darstellung Müllers, vor allem aber Hitlers, verzichtete auf eine Erwähnung dieser frühen Begegnung.139 Für Müllers weitere Entwicklung jedoch hatte sie vorerst wenig Bedeutung. Hitler war im München der frühen 1920er Jahre eine zwar zunehmend prominente, jedoch weder konkurrenzlose noch für die bürgerlich-elitären Kreise Müllers sonderlich interessante Figur.140 Zu diesem Zeitpunkt, so wäre das Verhältnis zu beschreiben, kennt nicht Müller Hitler, sondern Hitler kennt Müller, den prominenten und angesehenen Historiker. Als solcher jedoch war Müller, vor allem mit seinem Universitätsseminaren zur »Historischen Politik«, für eine Reihe früher Nationalsozialisten von In-

136 Müller, Lehren der Geschichte (1923), S. 1 f. 137 »Die erste Rede Hitlers, die ich hörte, im Löwenbräu, 27. Jan.1923. (In der Nacht zuhause aus der Erinnerung niedergeschrieben).« Vgl. eine vermutlich nach 1945 angefertigte Abschrift in: BayHStA, NL von Müller 19/1 sowie Müller, Wandel (1966), S. 144 – 148. 138 Deuerlein, Hitlers Eintritt, S. 182, belegt ausschließlich durch Müllers Erinnerungen, vgl. Müller, Mars (1954), S. 338 f. Zu Hitler als Hörer an der Münchner Universität vgl. zudem Plöckinger, Hitler, der die Darstellung Müllers in einigen Aspekten bezweifelt, vgl. S. 33 – 35. Ausführlicher vgl. zudem Plöckinger, Soldaten. 139 Beispielhaft: Kershaw, Hitler 1889 – 1936, S. 167; Herbst, Hitlers Charisma, S. 100 f. Vgl. zudem, auch unter mehrfacher Verwendung der Erinnerungen Müllers: Auerbach, Lehrjahre. 140 Aus der Begegnung im Sommer 1919, so Müller in den Erinnerungen, folgte »keine weitere Berührung, doch verlor ich ihn nicht mehr aus den Augen.« Vgl. Müller, Wandel (1966), S. 127.

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teresse, zu seinen regelmäßigen Hörern zählten unter anderen Hermann Göring und Baldur von Schirach.141 Auch Rudolf Heß saß im Seminar Müllers. Nachdem dieser im Januar 1923 zum ersten Mal eine Rede Hitlers gehört hatte, lud Heß einen Monat darauf »als Hörer Ihrer Donnerstags-Vorlesung […] zu Hitlers Ansprache« ein. Es müsse, »um die sittliche Genesung« einzuleiten, ein »Mann an der Spitze sein, der den Willen und die Macht hat, die entsprechenden Maßnahmen durchzuführen.«142 Ein weiterer früher Nationalsozialist hatte sich bereits im Herbst 1922 angekündigt: »Da wäre ich nun. […] Vielleicht schenken Sie mir doch ein mal das Vergnügen zum Lunch oder Tee?«143 Ernst Hanfstaengl, späterer »Auslands-Pressechef« der NSDAP, begann ein Studium bei Müller und wurde von diesem im Wintersemester 1927/28 an der Münchner Universität promoviert.144 Das politische und kulturelle Milieu Münchens in den 1920er Jahren wurde von Müller ebenso geprägt, wie es ihn selbst beeinflusste. Als späterer »Kronzeuge dieser Münchner Epoche«145 war Müller zugleich Beteiligter wie »Berichterstatter«146 einer Entwicklung, an deren Ende München »Hauptstadt der Bewegung« war.147 Eine nicht mehr voneinander zu trennende Doppelrolle148, die eine Einschätzung seiner tatsächlichen Partizipation an der frühen NS-Bewegung wesentlich erschwert. Begeisterte Reaktionen bald überzeugter Nationalsozialisten wie des Benediktiner-Abtes Alban Schachleiter – »Habe Ihnen noch gar nicht gedankt für die so ausgezeichnete Rede ›Volk in Not‹ […]. Was Sie sagten, ist mir aus dem Herzen gesprochen.«149 – verbanden sich mit engen, teils engsten persönlichen Bekanntschaften, etwa mit Theodor von 141 Vgl. Görings Eintrag in der Inskriptionsliste zu Müllers Seminar im WS 1922/23, in: BayHStA, NL von Müller 399 sowie Schirach, Ich glaubte an Hitler, S. 56. 142 Rudolf Heß an Müller, 23. 2. 1923, BayHStA, NL von Müller 19/1. Zu Heß’ Verhältnis zu Hitler um 1923 vgl. Plöckinger, Geschichte eines Buches, hier S. 144 f. Es ist anzunehmen, dass Hitler – auch angeregt von Heß – publizistische Beiträge Müllers aus den 1920er Jahren kannte, in einer Studie zur Bibliothek Hitlers fand Müller keine Erwähnung, vgl. Ryback, Hitlers Bücher. 143 Ernst Hanfstaengl an Müller, 14. 9. 1922, BayHStA, NL von Müller 257. 144 Vgl. die Promotionsakte: UAM, O-Np-1927/28 [Hanfstaengl Ernst] sowie seine Memoiren: Hanfstaengl, Zwischen Weissem und Braunem Haus, hier S. 186 f u. 205. Hingegen war die vielfach erwähnte Verbindung Müllers zu Gottfried Feder familiären Ursprungs, eine Schwester von Müllers Ehefrau Irma hatte Feder bereits vor dem Ersten Weltkrieg geheiratet. Vgl. Noller, Feder. 145 Prinz, Präludium, S. 38. Zur städtischen Entwicklung Münchens vgl. Rudloff, Notjahre. 146 Beispielhaft für das von Müller in seinem dritten Erinnerungsband durchweg gezeichnete Panorama persönlicher Bekanntschaften zwischen Kunst und Kultur, Wissenschaft und Politik siehe den Abschnitt »Familie und neue Freunde«, vgl. Müller, Wandel (1966), S. 43 – 85. 147 Vgl. einführend Hockerts, München; sowie Bauer u. a. (Hg.), München – »Hauptstadt der Bewegung«; Mensing/Prinz (Hg.), Nationalsozialismus in der »Hauptstadt der Bewegung«. 148 Vgl. in eben dieser Weise: Heusler, Braune Haus, zu Müller S. 84, 86 f, 99, 238. 149 Schachleiter an Müller, 8. 3. 1921, BayHStA, NL von Müller 262. Eine der frühen Begegnungen Müllers mit Hitler kam auf Wunsch Schachleiters zustande, vgl. Müller, Wandel (1966), S. 129. Vgl. zudem Bleistein, Schachleiter.

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der Pfordten, einem Studienfreund Müllers. Pfordten kam beim Putschversuch Hitlers im November 1923 ums Leben, an den zuvor von ihm initiierten Beratungen zu einer »Notverfassung« nahm sowohl Hitler als auch Müller teil.150 In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre sollte Müllers politische Entwicklung weniger eindeutig verlaufen als noch 1923 zu vermuten anstand, für seine Rolle im NS-Staat allerdings erwies sich die frühe »Nähe« zur NS-Bewegung als vertrauensbildend. Am Abend des 8. November 1923 war Müller in den Münchner Bürgerbräukeller gekommen, um eine Rede Gustav von Kahrs zu hören, er wurde Zeuge des als »Hitlerputsch« bekannt gewordenen Versuches, von München aus die Weimarer Republik zu stürzen. In die Putschpläne weder eingeweiht noch an diesen beteiligt, beschrieb Müller im posthum veröffentlichten, dritten Erinnerungsband »als Augenzeuge sehr lebendig« die Ereignisse, und sicherte sich seinen Platz in der Historiographie zum Putsch.151 Vor allem aber bei der Bewältigung der Folgen übernahm Müller eine durchaus bedeutende Aufgabe. In seinem Umfeld wurde der Putschversuch als schädlich aufgefasst, Hitler sei überschätzt und nicht fähig genug, man habe zuvor zu warnen versucht: »Es würde sonst namenloses Unglück geschehen und die Feinde der nationalen Wiedergeburt wären die lachenden Dritten.«152 Angeregt von seinem Studienfreund Franz Gürtner, unterdes als bayerischer Justizminister amtierend, wurde Müller gebeten, für den konsternierten Generalstaatskommissar Kahr einen ersten, die Öffentlichkeit beruhigenden Aufruf zu verfassen. Dieser, unter Kahrs Namen verbreitet, betonte vor allem die Handlungsfähigkeit sowie Legitimität seiner Herrschaft und rief zur Einigkeit auf.153 Seinen Zweck erfüllte der Aufruf, es gelang Kahr, das Heft des Handelns wieder zu übernehmen. Der Tonfall Müllers allerdings, nun Kahr zugerechnet, rief auch Erstaunen hervor: »Macht neuerdings in überraschend sentimentaler Pose«.154 Inwieweit Müllers in den späten 1950er Jahren verfassten Beschreibungen, auch der folgenden Tage, Glauben zu schenken ist, muss und kann offen bleiben.155

150 Auch in diesem Fall war Müller zugleich Beteiligter wie vielfach rezipierter Berichtender, vgl. die »Erinnerung« Müllers an Besprechungen mit Pfordten im Sommer 1923, zu denen Hitler hinzustieß: Müller, Wandel (1966), S. 152 f. Sehr kritisch wird Müllers Darstellung beurteilt von N. Becker, Lebenswelt, S. 329, 382 f. 151 Gordon, Hitlerputsch, S. 259. Müllers »Bericht« vgl. Wandel (1966), S. 160 – 166, kaum eine Beschreibung des Putsches verzichtet auf diesen, vgl. Large, Hitlers, S. 227 – 229. 152 Eduard v. Flottwell an Cossmann, 10. 11. 1923, BayHStA, NL Paul Nikolaus Cossmann 6. 153 Vgl. den Abdruck des Aufrufes in: E. Huber (Hg.), Dokumente, S. 372 f. sowie die weitgehend entsprechende Fassung in: Müller, Wandel (1966), S. 170 f. Im Nachlass liegen handschriftliche Notizen ein, versehen mit der Überschrift: »Mein Original-Entwurf zu der Proklamation Kahrs v. 9. od. 10. November 1923«, vgl. BayHStA, NL von Müller 19/1. 154 So ein Journalist, bezogen auf ein Zitat aus dem Aufruf, vgl. Bry, Hitler-Putsch, S. 159. 155 In den Erinnerungen »berichtete« Müller »wörtlich nach damaligen Aufzeichnungen«, vgl. Wandel (1966), S. 168 – 181. Als Grundlage für seine Ausführungen vgl. »Meine stenographi-

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Seine zeitgenössische Sicht auf die Ereignisse im November 1923 kann hingegen durch einen Brief an Cossmann konturiert werden, verfasst wenige Tage nach dem Putsch. Müller wandte sich gegen die Haltung der von Cossmann geführten Münchner Neuesten Nachrichten: »Der letzte Aufruf Kahrs ist, wie Sie vielleicht schon wissen, mit Ausnahme zweier kleiner Wortveränderungen gegen Schluß vom ersten bis zum letzten Buchstaben von mir verfaßt; ich habe die letzten 48 Stunden, zusammen mit Sauerbruch und dem Rektor, getan, was möglich war, um die Studenten zur Vernunft zu bringen – was ja auch bis jetzt leidlich geglückt ist. Aber unsere Methode dabei war nicht die unritterliche Verunglimpfung eines bereits entwaffneten Gegners […].« Müllers Hilfe für Kahr hatte dokumentiert, dass die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Präferenz für die staatliche Macht allen anderen seiner Wünsche vorging. Mit der Kritik an Cossmanns Schmähungen der Putschisten verdeutlichte Müller aber, dass er nun ein Ende aller auch von ihm beförderten Bemühungen fürchtete: »Gewiß, diese Propaganda wird ihren Eindruck nicht verfehlen, auf die Spießbürger, denen es schon gruselt, wenn sie von einem vorgehaltenen Revolver lesen. Aber die Leute von Charakter auf der Gegenseite, auf die es doch allein ankommt, werden dadurch abgestoßen. Der Gegensatz zwischen den national Entschlossenen wird vergiftet.« Einem revolutionären, die staatlichen Strukturen gefährdenden Umsturzversuch konnte Müller offenbar wenig abgewinnen, die verfolgten Ziele hingegen, die anzustrebende Möglichkeit einer »Einheit« der Bewegung wollte er nicht desavouiert sehen.156 Gegenüber Cossmann hatte Müller auf sein mäßigendes Einwirken auf die Studenten an der Münchner Universität hingewiesen. In seinem eigentlichen beruflichen Wirkungsfeld präsentierte sich Müller, der als Nichtordinarienvertreter Mitglied des Akademischen Senats war, jedoch weniger eindeutig als die briefliche Aussage suggeriert. Die Studenten seines Seminars ließ Müller sich »zu Ehren der Hitler-Toten von den Sitzen« erheben, was »einem weltanschaulichen Ueberfall auf die Hitler-Gegner gleichkam.« In dieser Weise von George Hallgarten als »schwere persoenliche Entgleisung Muellers« erinnert157, wurde Müllers als Einverständnis gedeutetes Gedenken von seinem späteren nationalsozialistischen Schüler Walter Frank zum prägenden Erlebnis stilisiert.158 Auch eine Ansprache Müllers an die Studenten im Lichthof der Universität beschrieb Frank retrospektiv als verständnisvoll159, während das Rektorat der zwischenzeitlich geschlossenen Universität unter anderen Müller dankte, sich dafür eingesetzt zu haben, dass »sich unsere Jugend von

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schen Notizen über den Hitler-Putsch (unmittelbar nachher aufgezeichnet).«, BayHStA, NL von Müller 20. Es handelt sich um eine vermutlich nach 1945 angefertigte Abschrift. Müller an Cossmann, 13. 11. 1923, BayHStA, NL von Müller 19/1. Hallgarten an Helmut Heiber, 12. 4. 1959, IfZ, ZS 2046 1 (Hallgarten, George). Zu seinem Studium in Müllers Seminar vgl. auch: Hallgarten, Schatten, S. 134 – 136. Frank, Nationalismus, S. 7. Frank, Epp, S. 117. Vgl. zur Versammlung im Lichthof auch: H. Böhm, Studium, S. 126.

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der Strasse und den Gefahren, die sie hier bedroht haben, fernhielt.«160 Beides schloss sich natürlich nicht aus, auch in einigen Verfahren gegen beteiligte Studenten erprobte Müller seine später vielfach eingenommene Rolle als »Vermittler«. Der Münchner Hochschulring unter dem angehenden Historiker Kleo Pleyer hatte sich auf die Seite der Putschisten gestellt161, die von Pleyer herausgegebene Zeitschrift »Deutsche Akademische Stimmen« war eingezogen worden. Müller setzte sich für Pleyer ein und bürgte für einige Ausgaben des Blattes, doch wurde Pleyer als tschechoslowakischer Staatsangehöriger aus Bayern ausgewiesen.162 Auch im Disziplinarverfahren gegen die Studenten Rüdiger Graf zu Starhemberg und Karl Ludwig zu Guttenberg, die bei Erscheinen des Kultusministers zur Rektoratsantrittsrede mit Störungen durch die Studentenschaft gedroht hatten, trat Müller als verständnisvoller Freund der akademischen Jugend auf. Als Mitglied des Akademischen Senats hatte Müller die Stellungnahme des Münchner Wehrkreiskommandos zu Guttenberg eingeholt, die diesem eine untadelige Führung attestierte. Auch dem den Senat beratenden Beirat gehörte er an, schließlich wurden die Studenten, bei einigen Gegenstimmen, aber unter Zustimmung Müllers, freigesprochen.163 Die unmittelbaren Folgen des Putsches in Müllers direktem Arbeitsumfeld, der Münchner Universität, waren damit bereinigt. Mittelbarer und tiefgreifender hingegen waren die, aus der politischen Zuspitzung vor und während des Herbstes 1923 resultierenden Differenzen innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft. Ludwig Quidde, Pazifist und späterer Friedensnobelpreisträger, aber auch seit Jahrzehnten Mitglied und Mitarbeiter der Münchner Historischen Kommission, hatte sich Ende September 1923 an Müller gewandt. Dieser amtierte als stellvertretender Sekretär der Kommission und hatte zur anstehenden Jahresversammlung eingeladen. Quidde sagte seine Teilnahme ab, er sei »auf das dringendste gewarnt worden, nach München zu gehen, weil ich auf der Hitlerschen Proskriptionsliste unter denen, die ›umgelegt‹ werden sollen, mit an erster Stelle stände; der Haß dieser Leute richte sich gegen wenige so stark wie gegen mich.«164 Auch Hermann Oncken hatte die politische Entwicklung zögern lassen, einen Ruf nach München anzunehmen. Er habe damals, so Oncken an Gerhard Ritter, noch »an Hamburg gedacht, aber nicht nach dem Hitlerputsch […] sondern mehrere Wochen vorher, als der Konflikt: Lossow-Seeckt-Reich schwebte und 160 Rektorat UM an Müller, 14. 11. 1923, BayHStA, NL von Müller 19/1. 161 Herbert, Best, S. 81 f. 162 Vgl. Müllers Aufzeichnungen in: BayHStA, NL von Müller 21. Zu Pleyers Ausweisung vgl. Regierung von Oberbayern an Polizeidirektion München, 29. 12. 1923, ebd. Erinnernd äußerte sich Müller eher abschätzig über Pleyer, es »zeigte sich rasch, daß Toleranz und Fanatismus sich nicht vor einen Wagen spannen lassen.« Vgl. Müller, Wandel (1966), S. 182 f. 163 Niederschrift über die Einvernahme, 22. 12. 1923; Müller vom 21. 1. 1924; Niederschrift über die ausserordentliche Sitzung des akademischen Senates, 21. 1. 1924, UAM, G-XVI-23. 164 Quidde an Müller, 30. 9. 1923, HiKo I Band 223.

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man wirklich auf alles gefaßt sein konnte und man sich schon auf einem heißen Boden fühlen konnte«. Doch mit »dem Hitlerputsch und der Art, wie die Parteien« auf diesen reagiert hätten, sei auch für ihn »jedes Bedenken gegen München geschwunden.«165 Auch wenn sich Oncken, nach dem Scheitern des Putsches, für München entschieden hatte, das vormalige »Gemeinschaftserlebnis des einhelligen Protestes war verflogen«.166 Die auch die deutschen Historiker einigende Empörung über den Versailler Vertrag und die »Kriegsschuldlüge« war politischen Lagern gewichen, von zunehmender Akzeptanz der Republik bis hin zu ihrer schroffen Ablehnung. »Dunkler war kaum eine Winternacht, die sie über ihrem Lande sahen, als in diesen Wochen die unsrige scheint.« Zur Weihnacht 1923 beließ es Müller bei Andeutungen zur politischen Lage, in besinnlichen Worten pries er die besondere deutsche Festlichkeit und beschwor einen weihnachtlichen Neubeginn: »Noch ist das Schicksal unseres Volkes nicht erfüllt.«167 Vorerst jedoch stand die juristische Bearbeitung des ereignisreichen November 1923 an. Auch Müller war bereits kurz nach dem Putschversuch als »Augenzeuge der Vorgänge im Bürgerbräukeller« von der Münchner Staatsanwaltschaft vorgeladen worden.168 Im folgenden Hochverratsprozess wurde Müller für den 9. Verhandlungstag, den 7. März 1924, in den Zeugenstand gerufen.169 In seiner Aussage gab Müller an, dass schon die ungewöhnliche Einladung durch einen Boten ihn habe ahnen lassen, dass es sich nicht um eine »ganz gewöhnliche Versammlung handeln dürfe«, vermutete aber einen »Schritt, den das Generalstaatskommissariat unternehmen wolle«. Nachdem erst Verwirrung und Abwehr vorgeherrscht habe, sei nach der zweiten Ansprache Hitlers im Saal ein Umschwung eingetreten, die Ansprache »war rednerisch ein Meisterstück. Sie hat eigentlich die Stimmung der Versammlung mit wenigen Sätzen umgedreht wie einen Handschuh. Ich habe so etwas noch selten erlebt.« Selbst bedroht habe Müller sich nicht gefühlt, ein Vorgehen gegen den Saal – »ich kannte ja Hitler persönlich« – habe er nicht angenommen. Der Handschlag zwischen Hitler und Kahr auf der Bühne war eine »Art Rütliszene dem äußeren Eindruck nach«, er habe nicht gedacht, dass »es nicht ernsthaft gewesen sei«. Er selbst sei »tief erschüttert« gewesen, hielt »das ganze Unternehmen […] für verhängnisvoll, vor allem aus außenpolitischen Rücksichten.« Allerdings wolle er offen sagen, dass »ich, als ich nach Hause ging, überlegte, was weiter zu tun ist, und daß ich mir sagte: Wenn morgen früh diese Herren zur Mitarbeit aufrufen, bleibt nichts anderes übrig, als mitzutun, auch wenn man die Sache für verhängnisvoll und unberechenbar in ihren Wirkungen hielt.«170 Was auch immer Müller tatsächlich auf seinem Heimweg in der Nacht zum 165 166 167 168 169 170

Oncken an Ritter, 29. 6. 1925, BArch, NL Gerhard Ritter 309. Unterstreichung im Original. Dülffer, Frieden, S. 36. Müller, Unser Weihnachtsglaube (1923), S. 1 f. Staatsanwalt, Landgericht München I an Müller, 26. 11. 1923, BayHStA, NL von Müller 19/1. Vgl. die Zeugenvorladungen an Müller, ebd. Gruchmann/Weber (Hg.), Hitler-Prozess, S. 596 – 599.

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Publizistik zwischen Politik und Historie

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9. November 1923 gedacht haben mag, seine Aussage vor Gericht fügte sich nahtlos ein in das Bild, das bereits sein Brief an Cossmann gezeichnet hatte. Müller stand der Art der Unternehmung mit Bedenken gegenüber, aber nicht ihren Zielen. Falls der Putsch erfolgreich gewesen wäre, hätte Müller nicht gezögert, sich den neuen Machthabern zur Verfügung zu stellen. Auch seine Beschreibung einer »Art Rütliszene« zwischen Kahr und Hitler, die im weiteren Verlauf des Prozesses aufgegriffen wurde171, erinnerte an die von Müller postulierte, notwendige »Einheit« der erhofften Bewegung zum »Wiederaufstieg« Deutschlands. Schließlich berichtete Müller in seiner Zeugenaussage auch von einer Begegnung mit Hitler einige Tage vor dem Putsch, bei der dieser gesagt habe, er »sehe seine Rolle in der ganzen nationalen Bewegung an einmal als die des Trommlers und dann als desjenigen, der die ganze Sache dauernd unter Feuer halte«. Als Hitler im Bürgerbräukeller auch die »Leitung der provisorischen Nationalregierung« ankündigte, habe Müller gedacht: »Herr Hitler hat noch niemanden; deshalb geht er hinaus über das, was er eigentlich als seine eigene Rolle betrachtete, wie er sie sich gedacht hatte.«172 Bereits die Aussage Müllers hatte kaum einen Eindruck von Distanz, gar Abwehr gegenüber Hitler und der nationalsozialistischen Bewegung hinterlassen, nach dem Abschluss des Prozesses sollte er seine Position noch unmissverständlicher markieren. In einem Artikel, der in der Münchener Zeitung und damit nicht im Cossmannschen Hausblatt Münchner Neueste Nachrichten erschien, formulierte Müller seine »Gedanken nach dem Hitlerprozeß«. Der Vergleich der »Münchener Novembertage« mit der Räterepublik gehe fehl, so Müller, wie immer man zu Hitler oder Ludendorff stehe, es seien »deutsche Männer, die aus leidenschaftlicher Liebe zu Deutschland gehandelt« hätten. Der »persönliche Mut, das unbedingte, rückhaltlose Sich-Einsetzen für die Ueberzeugung, die volle Uebernahme der Verantwortung« hätten auch im Gerichtssaal Eindruck hinterlassen. Man spreche offen aus, dass »es um Deutschland traurig bestellt wäre, wenn solche männliche Eigenschaften bei uns ihren Kurs verloren hätten.« Aber auch der Regierung, und damit ein wenig sich selbst, zollte Müller Respekt, sie sei »bei dem Bruderkampf in ihrem Lager mit ihren eigenen Machtmitteln in 24 Stunden wieder die unbestrittene Herrin der Lage gewesen«. Bei allseitiger Anerkennung aber wollte es Müller nicht belassen. Für den aufmerksamen Beobachter sei »die Vielgestaltigkeit der Antriebe, aus denen sich die völkische Bewegung heute in Deutschland nährt, die Fülle der Gegensätze, die sie umschließt, greifbar zu sehen gewesen.« Die »Mannigfaltigkeit« und »offenbare Unklarheit des Programms« sei keine Schwäche dieser Bewegung, sie bedeuten, wenn »nicht das alte deutsche Laster der Führerstreitigkeiten die Oberhand gewinnt, ihre eigentliche Stärke. Sie zeigen die 171 Kahr wies den Eindruck einer Verbrüderung zurück, ebd., S. 964. Auch Röhms Verteidiger, Justizrat Christoph Schramm, kam auf Müllers Beschreibung der Szene zurück, ebd., S. 1429. 172 Ebd., S. 601.

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lebendige Kraft, welche so viele und starke Gegensätze in sich vereint und überbrückt.« Wer nicht in der »völkischen Bewegung nur das Element des Umsturzes sehen« wolle, dem bleibe nur übrig: »zu helfen, daß diese völkische Bewegung und die lebendigen Kräfte des Staates, dessen organische Entwicklung 1918 abgebrochen wurde, sich finden und daß aus ihnen eine neue deutsche Staatsidee sich bilde.« Der eigentliche Träger des Staatsgedankens sei heute die Reichswehr, deshalb gehörten die »Schlußworte Hitlers, daß auch das Blut, das am 9. November geflossen ist, keine dauernde Trennung herbeiführen könne, […] zu den bedeutungsvollsten des ganzen Prozesses. Auch wir glauben, daß sich die Front derer, die Deutschland über alles lieben, eines Tages wieder schließen wird, weil kein anderes Mittel unser Volk retten kann.«173 In der politischen Publizistik Müllers seit dem Kriegsende war dieser Optimismus, ein solch eindeutiges Bekenntnis ein Novum.174 Sicher, die »völkische Bewegung« werde einsehen müssen, dass »großdeutsche Ziele und Kampf gegen den Katholizismus einen Widerspruch in sich selbst« bedeuteten.175 Aber es scheint, dass Müller nun die oftmals formulierten Ansprüche und Wünsche durch eine auch von den Nationalsozialisten geführte, völkische Bewegung für erfüllbar hielt. Gut zwei Jahre nach dem »Hitlerprozess« schrieb Max Buchner, Freund und Kollege, an Müller : »Vorgestern Abend war Hitler bei mir. Ich gestehe, dass ich mir nie einen so ungewöhnlich günstigen Eindruck von ihm gemacht hatte. Das Ungünstigste an ihm war noch das Parfum, das er hatte.«176

3.2 Populäre und wissenschaftliche Geschichtsschreibung Im Dezember 1917 war Müller, ein halbes Jahr nach der Habilitation, zum Syndikus der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und zugleich zum Honorarprofessor an der Münchner Universität berufen worden. Vor 173 Müller, Gedanken nach dem Hitlerprozeß (1924). Zur Münchener Zeitung vgl. Hoser, Tagespresse, S. 977 – 980. Für 1922 gibt Hoser eine Auflage von 100.000, für 1925 von 90.000 Exemplaren (MNN 120.000 bzw. 135.000) an, für 1924 liegen keine Angaben vor, ebd., S. 981. 174 Eine parteipolitische Bindung Müllers bzw. seine Wahlentscheidungen sind nicht überliefert, nach politischen Ansichten und persönlichem Umfeld zu urteilen kämen Bayerische Volkspartei sowie Bayerische Mittelpartei (DNVP) in Frage, vgl. auch Kiiskinen, Deutschnationale Volkspartei, S. 21; hier wird Müller als der DNVP nahe stehend bezeichnet. Im Auftrag Cossmanns warnte Müller im April 1924 Alfred von Tirpitz vor den Risiken seiner Kandidatur für die DNVP, vgl. Hoser, Tagespresse, S. 650. Zur Wahlentwicklung in Bayern vgl. Thränhardt, Wahlen, S. 125 – 180. 175 Müller, Gedanken nach dem Hitlerprozeß (1924). 176 Buchner an Müller, 26. 8. 1926, BArch, NL Max Buchner 106. Vgl. auch Hübner, Buchner. Nach der Haftentlassung traf Müller, gemeinsam mit seiner Frau, Hitler gelegentlich bei Bruckmanns zu geselligen Abenden. Seine »Erinnerung« an diese, wie an einige weitere Episoden mit NS-Größen, vgl. Müller, Wandel (1966), S. 301 – 308.

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Kriegsausbruch als vielversprechender Nachwuchshistoriker in eine vorgezeichnete, wenig aufregend erscheinende Karriere in der deutschen Geschichtswissenschaft gestartet, war seit dem August 1914 der Historiker zumeist hinter den Publizisten zurückgetreten. Am Umfang seines publizistischen »Kampfes« änderte sich auch nach dem Untergang des Kaiserreichs zunächst nichts. Der Weltkrieg hatte Müller mindestens zwei extreme Erfahrungen beschert. Dem Aufbruch der Kriegsbegeisterung war die Enttäuschung über die Kriegszieldebatte sowie schließlich die als Schmach empfundene Niederlage 1918 gefolgt. Aus beiden Erfahrungen, vor allem aus dem enormen Abstand zwischen ihnen, resultierte eine vom historischen Beispiel ausgehende, aber an politischen Prämissen orientierte Publizistik. Die Orientierungslosigkeit des in der Gesellschaft des späten Kaiserreichs fest verankerten Müller bedurfte Schuldiger, der schwankende Grund einer Basis. Beides fand Müller in der Ablehnung von Demokratie und Parlamentarismus. Die schon während des Krieges verlorene »Einheit« wurde nun der Republik zur Hypothek. Kompensation fanden das deutsche Bildungsbürgertum wie die Geschichtswissenschaft vorerst in der Bekämpfung von Versailler Vertrag und »Kriegsschuldlüge«. Doch trotz allen Engagements hatte Müller keine politische Karriere eingeschlagen177, sein publizistisches Wirken blieb stets vom Hinweis auf die wissenschaftliche Qualifikation und Berufsausübung begleitet. 3.2.1 Universitäre und historiographische Profilierung Die politischen Brüche 1933 und 1945 sowie ihre Folgen auch für die deutsche Wissenschaft haben den Blick auf eine mögliche Zäsur von 1918/19 weitgehend verstellt, das »Verhältnis von Kontinuität und Diskontinuität in den Geisteswissenschaften nach dem Ersten Weltkrieg ist im Einzelnen erst noch zu bestimmen«. Es scheine, dass während »die institutionellen und die intellektuellen Kernprobleme« der Disziplinen weitgehend fortbestanden, Veränderungen vor allem »die sozialen Statuseinbußen der Geisteswissenschaften, die Ansätze ihrer politischen Radikalisierung und die Verschärfung der fachlichen Krisenwahrnehmungen« betrafen.178 Auch Müller bescherte das Ende des Kaiserreichs einen politischen, kaum aber einen wissenschaftlichen noch einen institutionellen Bruch. Seit dem Wintersemester 1917/18 lehrte er an der Münchner Universität, im ersten Semester als Dozent mit den Veranstaltungen »Das britische Weltreich. Ein geschichtlicher Überblick« und 177 Hingegen war Martin Spahn seit 1924 Reichstagsabgeordneter für die DNVP, bevor er 1933 zur NSDAP übertrat, vgl. G. Clemens, Spahn, S. 168 – 206. Walter Goetz, Müllers Förderer in der Historischen Kommission, gehörte von 1920 bis 1928 als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei dem Reichstag an, vgl. W. Weigand, Goetz, S. 219 – 268. 178 Vgl. Eckel, Geisteswissenschaften, S. 364 sowie zur politischen und sozialen Entwicklung eine Reihe von Beiträgen in: Gallus (Hg.), Vergessene Revolution.

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»Neueste Geschichte Bayerns (seit 1799)«.179 Im Frühjahr 1918 übernahm er zusätzlich, wohl auch um seine Einkünfte aufzubessern, an der Akademie der bildenden Künste Münchens wöchentliche Vorträge über allgemeine Geschichte.180 Als Honorarprofessor an der Universität fand Müller mit seiner »Geschichte Österreich-Ungarns von 1815 bis zur Gegenwart« im Sommersemester 1918 mit 24 Hörern ein überschaubares Interesse.181 Deutlich mehr Zuspruch hingegen erfuhr im folgenden Semester, hochaktuell und noch während des Krieges begonnen, die mit einer Übung verbundene Vorlesung »Probleme des Weltkrieges«, an der 84 Studierende teilnahmen.182 Bereits als junger Historiker im Kaiserreich war Müller vor allem mit der neuesten Geschichte befasst. Auch in seiner politischen Publizistik blieb er auf Ausmessung und Erklärung des Verhältnisses von unmittelbarer Vergangenheit zur Gegenwart konzentriert. Weniger als Zeitraum denn als historiographische Perspektive verstanden183, war die Zeitgeschichte zu Müllers bevorzugtem historiographischen Zugang geworden. Als »Geschichte, sofern sie mit der Gegenwart zusammenhängt, sofern sie den gegenwärtigen Zustand erklärt« von Justus Hashagen umrissen184, wurde die Zeitgeschichte auch für den akademischen Lehrer Müller zum Erfolgsrezept. Seine Vorlesung »Deutsche Geschichte vom Ende des alten bis zum Ende des neuen Kaiserreichs (1806 – 1918)« im Wintersemester 1919/20 erfreute sich mit 162 Hörern für den noch wenig etablierten Honorarprofessor einer erstaunlichen Nachfrage.185 Müllers jahrelange publizistische Präsenz trug zu diesem Erfolg ebenso bei wie die ohnehin enge Verknüpfung von akademischem und politischem Engagement während des »langen November« 1918.186 Der Zuspruch zu seinen Lehrveranstaltungen fügte Müllers Profil als Historiker einen wesentlichen Aspekt hinzu, die Rolle als Universitätslehrer würde seine Karriere fortan wesentlich prägen. Auch schien Müller thematisch auf einem erfolgversprechenden Weg. Der Philosophischen Fakultät bekundete das Rektorat der Universität München, dass der Senat die »Errichtung eines Lehrauftrages für historische Politik […] durchaus« begrüße. Rasch beschloss die Fakultät, dass die »Erteilung eines Lehrauftrages für Historische Politik« an Müller nach »den Begründungen v. 179 LMU, Verzeichnis der Vorlesungen im Winterhalbjahr 1917/18, S. 44. Die Veranstaltung zum »britischen Weltreich« hatte 41 Hörer, vgl. Inskriptionsliste in: BayHStA, NL von Müller 399. 180 KM an Akademie der bildenden Künste München, 29. 3. 1918, BayHStA, MK 44052. 181 LMU, Verzeichnis der Vorlesungen im Sommerhalbjahr 1918, S. 23; Inskriptionsliste in: BayHStA, NL von Müller 399. 182 LMU, Verzeichnis der Vorlesungen im Winterhalbjahr 1918/19, S. 24; Inskriptionsliste in: BayHStA, NL von Müller 399. 183 Vgl. Große Kracht, Kriegsschuldfrage sowie zudem Sabrow, Zeitgeschichte, S. 6 f. 184 Hashagen, Zeitgeschichte (1915), S. 15. 185 LMU, Verzeichnis der Vorlesungen im Winterhalbjahr 1919/20, S. 39; Inskriptionsliste in: BayHStA, NL von Müller 399. 186 Vgl. entsprechend Schildt, November. Zum Übergang der Universitäten in die Republik vgl. Hehl, Universität.

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Marcks« als dringlich empfunden werde.187 Zum Wintersemester 1920/21, nachdem er im Sommer erneut englische Geschichte gelesen hatte188, erhielt Müller einen bald auch besoldeten Lehrauftrag zur »Historischen Politik«.189 Dies bedeutete eine finanzielle Verbesserung, auch wenn Müller durch die hohen Teilnehmerzahlen schon von entsprechenden Hörergeldern profitiert hatte. Vor allem aber wurden die Übungen zur »Historischen Politik«, wurde das Seminar Müllers zum Sammelpunkt einer »Gruppe politisch wacher Studenten, die an Fragen der Parteipolitik oder des Sozialismus interessiert waren – und zwar von links wie von rechts.«190 Die politisch heterogene Schülerschaft Müllers aus frühen Nationalsozialisten wie Göring und Heß, den späteren nationalsozialistischen Historikern um Walter Frank sowie den linken Historikern Wolfgang Hallgarten und Michael Freund hatte ihren Nukleus in diesen Übungen, die Müllers Ruf als charismatischer, politisierter, aber auch toleranter Lehrer begründeten. Schließlich wurden Müllers Lehrveranstaltungen nun auch zu gesellschaftlichen Ereignissen, seine Vorlesung »Zur Geschichte der modernen Parteien, vornehmlich in Deutschland« im Sommersemester 1921 besuchten 147 Hörer.191 Müllers Auftritte als politischer Publizist und Lehrender an der Universität beförderten sich in ihrem Erfolg gegenseitig. Als Dozent war es Müller rasch gelungen, sich zu etablieren. Drei Jahre nach seiner Habilitation schien die Übernahme eines Lehrstuhles nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Einen Ruf hatte Müller schon erhalten. Die Technische Hochschule Karlsruhe hatte sich im Frühjahr 1919 entschlossen, den vakanten Lehrstuhl für politische und Literaturgeschichte zu spezialisieren. Für den neuen Lehrstuhl für Geschichte schlug die Kommission an erster Stelle Willy Andreas, an zweiter Müller vor. Günstig, so das Gutachten, lauteten »die Urteile über K.A. von Müller, der in München eine große Lehrtätigkeit entfaltet. […] Kennt England gut, trat 1909 mit einem Buche über ›Bayern im Jahre 1866 und Hohenlohe‹, das als überraschend sichere geschlossene formvollendete Leistung bezeichnet wird, hervor.« Als Mitarbeiter der Historischen Kommission habe er »streng wissenschaftliche Vorarbeiten zu einer Edition von Akten des 30-jährigen Krieges geliefert.« Im 187 Rektorat UM an Phil. Fak., 28. 1. 1920, UAM, O-XIV-437; Protokoll über die Sitzung der Phil. Fak., 9. 2. 1920, UAM, O-III-2. 188 Vorlesung »Entstehung des britischen Weltreiches«, vgl. LMU, Verzeichnis der Vorlesungen im Sommerhalbjahr 1920, S. 39; die Inskriptionsliste weist 92 Teilnehmer aus, vgl. BayHStA, NL von Müller 399. 189 Zu seinen »im vorigen Jahr von der Fakultät in Aussicht genommenen Vorlesungen und Übungen zur ›Historischen Politik‹« vgl. Müller an Dekan Phil. Fak., 20. 6. 1921, UAM, O-II-18. Der Senat votierte für die Erteilung eines besoldeten Lehrauftrages an Müller, vgl. Rektor UM an KM, 5. 8. 1921, UAM, Y-I-19; der auch erteilt wurde, vgl. Auszug aus der Übersicht über die mit Ministerialentschliessung vom 16.XI.1921 […] neu erteilten Lehraufträge, UAM, E-II-2517. 190 Schulze, Historiker, Syndikus und Akademiepräsident, S. 287. Vgl. auch Müller, Wandel (1966), S. 29 – 31. 191 LMU, Verzeichnis der Vorlesungen im Sommerhalbjahr 1921, S. 14; Inskriptionsliste in: BayHStA, NL von Müller 399.

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Krieg sei er »in umfassender Weise publizistisch in hohem Stile« tätig gewesen. Müllers wissenschaftliches Profil mit einer hervorragenden Dissertation, der Editionstätigkeit, aber auch sprachgewandter Publizistik entsprach offenbar den Erwartungen einer kleinen, aber als Karrieresprungbrett nicht zu unterschätzenden Hochschule. Vor allem sein Lehrerfolg – »sowohl an der Universität (Kollegs bis 100 Hörer) als auch in seinen Vorträgen an der Akademie der bildenden Künste« –, aber auch das Lob einflussreicher Kollegen wie Meinecke, Marcks und Below sprachen für Müller.192 Der erstplazierte Willy Andreas, der bis 1916 in Karlsruhe eine außerordentliche Professur innehatte, zog es vor, in Rostock zu bleiben: »Ich vermute, dass der Karlsruher Ruf an Sie kommt: ich konnte unmöglich meine Lehrtätigkeit an der Universität mit der Wirksamkeit an einer Techn. Hochschule vertauschen, nachdem mir hier das Ordinariat verliehen wurde. Auch für Sie wird die Entscheidung nicht leicht sein.«193 Nachdem das badische Kultusministerium Ende Juni 1919 Müllers Dienstherrn, das bayerische Kultusministerium, über den Ruf informiert hatte194, reagierte die Bayerische Akademie der Wissenschaften umgehend. Als Syndikus war Müller seit gut 1 12 Jahren tätig, er schien sich unentbehrlich gemacht zu haben. Für den Akademiepräsidenten Hugo von Seeliger würde Müllers Wechsel »einen überaus schmerzlichen Verlust bedeuten. Abgesehen von seiner hervorragenden Tüchtigkeit nach jeder Richtung hat er in seinem Amt auch jene persönlichen Eigenschaften in hohem Grade gezeigt, die bei der Erledigung der zahlreichen Geschäfte innerhalb der Verwaltung der Akademie und der wissenschaftlichen Sammlungen des Staates gefordert werden müssen, wenn unangenehme Verwicklungen vermieden werden sollen.« Auch sei es nicht aussichtlos, Müller zu halten. Seeliger schlug eine finanzielle Verbesserung und einen anderen Amtstitel vor, um »auch in der nächsten Zukunft Herrn Professor Müller für lockende Berufungen nach auswärts, die bei seiner anerkannten Tüchtigkeit nicht ausbleiben dürften, unempfindlich zu machen.«195 Anders hingegen gestaltete sich die Motivlage der Fakultät, als Privatdozent mit einer Honorarprofessur befand sich Müller auf einer »Durchgangsstation« für eine universitäre Karriere. Man solle, so stellte die Fakultät fest, Müller »keine Aussichten im Fall seines Hierbleibens« eröffnen. Zwar betonte Marcks, wie »wertvoll ihm Herrn von Müllers Persönlichkeit für den ihm seiner Zeit versprochenen Ausbau des Seminars« sei. Doch wiesen das die anderen Fakultätsmitglieder zurück, für den Altphilologen Eduard Schwartz erfüllte sich so »das natürliche Streben nach einer mit Verantwortung verbundenen selbständigen Stellung, die eben das Ordinariat biete. De facto sei 192 TH, Allg. Abteilung »Die Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Geschichte«, 27. 5. 1919, GLA, 448/2375. 193 Andreas an Müller, 11. 7. 1919, BayHStA, NL von Müller 491. 194 Badisches Ministerium d. Kultus u. Unterrichts an KM, 28. 6. 1919, BayHStA, MK 44052. 195 Seeliger an KM, 10. 7. 1919, ebd.

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von Müller hier nur Privatdozent, dort könne er sich als Ordinarius eine glänzende Zukunft anbahnen.« Grundsätzlich, befand Karl Vossler, sei das »Kleben an der Münchner Universität […] ebenso wie für die Dozenten so auch für die Universität verhängnisvoll. Es sei gefährlich, für Müller die Entscheidung für München zu erleichtern.«196 Der Akademiepräsident hingegen präzisierte wenige Tage darauf seinen Vorschlag, man solle Müller als Kompensation zum Regierungsrat ernennen.197 Ob der Titel lockte oder Müller angesichts seines publizistischen Engagements nicht ins beschauliche Karlsruhe wechseln wollte, muss offen bleiben. Offiziell gab er dem Kultusministerium an, dass er aufgrund der »in Aussicht gestellten Verleihung des Regierungsratstitels und -ranges den Ruf nach Karlsruhe ablehne.« Noch im August 1919 wurde Müller zum Regierungsrat ernannt und blieb der Akademie wie München erhalten.198 Der Wahrnehmung Müllers als hervorragend qualifizierter, ebenso feingeistiger wie zu öffentlichkeitswirksamer publizistischer Zuspitzung fähiger Historiker, der zudem als Dozent rasch seine Eignung nachgewiesen hatte, wurde in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg eine zusätzliche Facette hinzugefügt. Für wissenschaftliche Institutionen wie die Akademie oder auch die Historische Kommission erwies sich Müller als sehr geeignet, sowohl die Geschäfte zu führen als auch ihre öffentliche Präsenz zu verbessern. Retrospektiv galt Müller keineswegs als Mann von Verwaltung und Arbeitsorganisation, seine Dienstführung sei als »das Gegenteil von Emsigkeit, Betriebsamkeit und efficiency« zu beschreiben.199 Als dieses Urteil nach 1945 seine Ausformung fand, war es auch für Müller günstiger, als nachlässig und wenig effizient zu gelten, denn unterdes hatte er seine Talente in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt. Zudem war Müller tatsächlich ein äußerst unzuverlässiger Autor, die nicht erfüllten Verlagsverträge füllen Ordner in seinem Nachlass. Doch wäre es ein Missverständnis, Gelehrtenvereinigungen wie Akademie und Kommission als zuvorderst mit straffer Hand zu führende Verwaltungseinheiten anzusehen. Die Historische Kommission als Versammlungsort fast aller einflussreichen deutschen Historiker tagte einmal jährlich und ergänzte sich durch Kooptation selbst. Ihre Editionsprojekte wurden von Ordinarien an ihren Heimatuniversitäten geleitet und von wenigen Mitarbeitern durchgeführt. Für die Führung der Geschäfte einer solch wenig verfestigten Institution bedurfte es vor allem kommunikativer Fähigkeiten, Konflikte waren zu moderieren, die öffentliche Präsenz der altehrwürdigen Vereinigung behutsam zu mehren. Müller erwies sich hierfür jahrzehntelang als besonders befähigt. Sicher, die alltäglich zu führenden und vielfach rein verwaltenden Geschäfte der Akademie waren für Müller zual196 197 198 199

Protokoll der Fakultäts-Sitzung, 11. 7. 1919, UAM, O-III-2. Seeliger an KM, 15. 7. 1919, BayHStA, MK 44052. Müller an KM, 8. 8. 1919, ebd.; KM an BAdW, 15. 8. 1919, UAM, E-II-2517. Gollwitzer, Karl Alexander von Müller 1882 – 1964. Ein Nachruf, S. 310.

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lererst eine sein Einkommen sichernde Anstellung, die ihm zudem ermöglichte, in München zu bleiben und nach dem knappen Scheitern 1917 auf einen Lehrstuhl in der Heimatstadt zu hoffen. Immerhin aber galt Müller nun auch als möglicher Kandidat für Aufgaben, die ohne Verwaltungserfahrung nicht zu meistern waren. Im Herbst 1920 berichtete Cossmann an Martin Spahn, Müller habe »einen Ruf als historischer Direktor des neu zu gründenden Reichsarchivs«, zudem wäre dieser für eine Auskunft Spahns dankbar, da er »die Berliner Verhältnisse viel zu wenig kennt. Im ganzen hat er keine Neigung, dorthin zu gehen.«200 Gegründet 1919 vor allem zur Aufnahme der kriegsgeschichtlichen Abteilungen des aufzulösenden Generalstabs, in einem »Moment der Schwäche der preußisch-deutschen Militärmacht«, bot das Reichsarchiv für Müller wenig Reizvolles.201 Zumindest aber sah sich die bayerische Kultusverwaltung gezwungen, den Wert des mittlerweile zum Oberregierungsrat beförderten Müller erneut zu taxieren. Dieser würde, so das Ministerium an die Universität, in München bleiben, wenn der ihm entstehende finanzielle Nachteil mit einer Verleihung von Titel und Rechten eines ordentlichen Universitätsprofessors ausgeglichen würde. Da das Kultusministerium Wert darauf lege, Müller zu halten, plädiere es für eine Gewährung.202 In der Fakultät stieß dieses Ansinnen auf wenig Gegenliebe, kurz und bündig beschloss sie, abzulehnen.203 Jedoch scheint das Kultusministerium Druck auf die Universität ausgeübt zu haben, dem Beschluss folgte eine Nachfrage des Rektorats, ob für die Ablehnung ausschlaggebend gewesen sei, dass »das Ordinariat f. bayerische Geschichte schon besetzt sei«. Nun wurde, nach »längerer Aussprache«, der Dekan zur Besprechung beim Rektor entsandt und im Protokoll vermerkt, die »Verleihung von Rang u. Rechten des o. Professors sei nur in außerordentlichen Fällen angezeigt«, ein solcher habe nicht vorgelegen. Schließlich hätte eine Verleihung andere »wissenschaftlich gleichwertige Kollegen« benachteiligt, freimütig wurde festgehalten: »Auch der Umstand habe eine Rolle gespielt, daß für Herrn v. Müller in der letzten Zeit ohnehin die Anerkennungen sich gehäuft haben.«204 Selbstbewusst sah Müller auf die ersten Schritte seiner wissenschaftlichen Karriere zurück, beantragte eine günstigere, seine Anstellung im Universitätsarchiv und für die Historische Kommission berücksichtigende Festsetzung seines Besoldungsdienstalters.205 Auch in der Öffentlichkeit war Müller als Vertreter wissenschaftlicher Institutionen präsent. Vor allem seit die Münchner Neuesten Nachrichten unter dem Einfluss Cossmanns standen, versorgte Müller – in eigenem oder im Namen der von ihm vertretenen In200 201 202 203 204 205

Cossmann an Spahn, 21. 10. 1920, BayHStA, NL Paul Nikolaus Cossmann 12. Pöhlmann, Kriegsgeschichte, v. a. S. 79 – 161, Zitat S. 158 sowie Herrmann, Reichsarchiv. KM an Senat UM, 22. 10. 1920, UAM, E-II-2517. Protokoll über die Sitzung der Phil. Fak., 28. 10. 1920, UAM, O-III-2. Protokoll über die Sitzung der Phil. Fak., 17. 12. 1920, ebd. Müller an KM, 21. 12. 1921, BayHStA, MK 44052.

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stitutionen – die Leser mit Meldungen aus der Welt der Wissenschaft. Im Dezember 1920, firmierend als Professor der Münchner Universität und als Syndikus der Akademie, berichtete Müller über das entstehende »neue Hamburger Universitätsgesetz.« Die Bedeutung der Verfasstheit von Universitäten in Zeiten des Umbruches sei nicht zu unterschätzen, so Müller, es »geht um die Seele der kommenden Generationen.« Die in Hamburg anstehende Reform der jüngst begründeten Universität sei nun die erste von einer »sozialistischen Mehrheit« getragene, vor allem die geplante »Hochschulbehörde« war Müller ein Dorn im Auge. In der Behörde wären bürgerschaftliche, dem »akademischen Leben völlig fern« stehende Mitglieder in der Überzahl. Die »zweite tiefeinschneidende Neuerung« sei die Entsendung studentischer Vertreter als »vollberechtigte regelmäßige Mitglieder« in den Senat der Universität. Ein fatales Vorhaben, doch habe die »radikale Mehrheit des Ausschusses« Einwände negiert, sie sehe nach der »sozialistischen Theorie« die Professoren als »geistige Kapitalisten«. Nicht als Liberalisierung, als »Unterwerfung der Hochschulen unter die herrschende Parteipolitik« empfand Müller den Gesetzentwurf. Noch seien die Universitäten »einer der wenigen Träger der erschütterten deutschen Einheit.«206 Müller argumentierte auch im eigenen Sinne, denn er begann sich in der Münchner Universitätspolitik zu engagieren. Im März 1921 war Müller noch unterlegen, zum Wintersemester aber wurde er als Vertreter der Nichtordinarien in die engere Philosophische Fakultät der Münchner Universität gewählt.207 Zudem war Müller bereits einer der Vertreter der Universität im Verband deutscher Hochschulen und als Nichtordinarienvertreter Mitglied des Akademischen Senats geworden.208 Noch war Müller kein Ordinarius und in den Gremien universitärer Selbstverwaltung ein Novize, doch kann sein Streben nach institutionellem Einfluss nicht übersehen werden. Auch die Münchner Neuesten Nachrichten nahmen Müller in dieser neuen Rolle wahr und warben heftig um seine Expertise.209 Auch in kleineren journalistischen Formaten, mit Artikeln zu Geburtstagen, Jubiläen und Veranstaltungen, präsentierte sich Müller als Vertreter von Geschichtswissenschaft und Wissenschaftsinstitutionen in der Öffentlichkeit – ob es nun galt, den siebzigsten Geburtstag eines einflussreichen Kollegen anzuzeigen oder zum 25. Todestag Heinrich von Treitschke zu preisen.210 Für die Historische Kommission verkündete Müller die Gründung ihrer »Gesellschaft von Freunden der deutschen Geschichte«, auch der Akademiepräsident sowie der frühe Förderer Friedrich 206 Müller, Hamburgische Universitätsgesetz (1920), S. 1 f. 207 Protokoll über die Sitzung der weiteren Fakultät, 15. 3. 1921; Protokoll über die Sitzung der engeren Fakultät, 18. 10. 1922, UAM, O-III-2. 208 Vgl. das Protokoll über die Sitzung der engeren Fakultät, 7. 7. 1922, UAM, O-III-2 sowie die Gratulation des bei Müller studierenden Kurt von Raumer zur Wahl in den Senat, Raumer an Müller, 4. 8. 1922, BayHStA, NL von Müller 475. 209 Tim Klein (MNN) an Müller, 18.4., 3.5. u. 9. 5. 1921, BayHStA, NL von Müller 259. 210 Müller, Hermann v. Grauert (1920); Heinrich v. Treitschke (1921).

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Meinecke erhielten Geburtstagsartikel.211 Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit für alle Beteiligten – die Zeitung erhielt Beiträge eines prominenten Autors und Müller erhöhte seinen öffentlichen Rang, verpflichtete sich die Geehrten und besserte zudem sein Einkommen auf. Nicht zuletzt profitierten auch die von Müller vertretenen Institutionen. Zur für die Tübinger Universität als »permanente Erfindung einer Tradition«212 bezeichneten, unablässigen Beschwörung von institutioneller Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft trug Müller für die Bayerische Akademie der Wissenschaften als öffentlich wahrnehmbarer Vertreter bei. Müllers institutionelles Profil hatte seit dem Ende des Weltkrieges eine stetige Differenzierung erfahren. Nach der publizistischen bot nun auch die universitäre Öffentlichkeit eine Bühne. Müllers Vorlesung im Wintersemester 1922/23 hatten 218 Hörer besucht213, so dass im Frühjahr sein Lehrauftrag auf vier Stunden im Studienjahr erweitert wurde.214 Hingegen hatte Müller sein historiographisches Profil seit dem Kriegsbeginn stark vernachlässigt, die Habilitation hatte das Licht der Öffentlichkeit noch nicht erblickt, den zahllosen publizistischen waren nur wenige wissenschaftliche Veröffentlichungen gefolgt.215 Entsprechende Verträge, so beim Oldenbourg Verlag, war Müller durchaus eingegangen. Doch die bereits vor dem Krieg als Beitrag zum Meinecke-Below-Handbuch erwogene, im Krieg dann erneut besprochene Darstellung zur deutschen und europäischen Geschichte im 19. Jahrhundert war bis Kriegsende nicht abgeschlossen worden. Im Februar 1919 unternahm Oldenbourg einen Versuch, das Verlagsprojekt zu retten, und schlug eine Erweiterung des Werkes vor, zudem außerhalb des Handbuches. Müller sei »dann nicht an die Darstellungsweise« der anderen Bände gebunden, sondern könne sich »schriftstellerisch frei bewegen, was Ihnen wahrscheinlich erwünscht sein wird und was dem Werke selbst nur zum Vorteil gereichen kann.«216 Trotz weiterer Bemühungen des Verlages, Müller stellte das Buch nicht fertig. Zu seinem historiographischen Profil zählen auch diese gescheiterten Versuche, die nicht erschienenen Bücher. Die Nachzeichnung wissenschaftlichen Wirkens erschöpft sich nicht in der Präsentation der Ergebnisse, auch der Entstehungsprozess von Wissenschaft, seine Bedingungen und Aporien sind offenzulegen. Nicht zuletzt in dieser Hinsicht bietet die wissenschaftliche Biographie Müllers reichlich Material zur Anschauung. 211 Müller, Gesellschaft von Freunden (1921); Seeliger (1922); Meinecke (1922). 212 Vgl. entsprechend Paletschek, Erfindung. 213 Müller las »Deutsche Geschichte vom Ende des ersten bis zum Ende des zweiten Kaisertums (1806 – 1918) im Überblick«, vgl. LMU, Verzeichnis der Vorlesungen im Winterhalbjahr 1922/ 23, S. 26; Inskriptionsliste in: BayHStA, NL von Müller 399. 214 Dekan Phil. Fak. an Rektorat UM, 9. 3. 1923, UAM, Y-I-19. 215 Bis Kriegsende hatte Müller neben seinem Habilitationsvortrag, vgl. Müller, Probleme der neuesten bayerischen Geschichte (1917), lediglich eine Sammlung von Artikeln Joseph und Guido von Görres’ ediert, vgl. Müller, Die beiden Görres (1918). 216 Verlag an Müller, 12. 2. 1919, BWA, Oldenbourg Verlag 38.

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Müller finanzierte sich nur zum Teil über sein Gehalt als Syndikus, wesentlicher Bestandteil seiner Einkünfte waren Hörergelder und Einnahmen aus Veröffentlichungen aller Art. Auch deshalb war Müller stets geneigt, den Avancen von Verlagen zu folgen oder selbst vermeintlich publikumsträchtige Vorhaben ins Leben zu rufen.217 Nach dem Weltkrieg, der die neuartige Erfahrung bereits im Namen führte, boomte die Welt- und Universalgeschichtsschreibung, nicht zuletzt für ein bildungsbürgerliches Publikum. Als historiographisches Sujet ohnehin fester Bestandteil traditionell historistischer Geschichtsschreibung218, kam die Weltdeutung durch die deutsche Geschichtswissenschaft nun nicht mehr ohne eine globale Perspektive aus.219 Neben den gemeinsam mit Erich Marcks herausgegebenen »Meistern der Politik«, die im nächsten Abschnitt zusammen mit dem enthaltenen Beitrag Müllers zur englischen Geschichte dargestellt werden, war Müller noch an einem weiteren »weltgeschichtlichen« Vorhaben beteiligt. Gemeinsam mit Otto Westphal, einem Schüler von Marcks220, beabsichtigte Müller, eine »Bibliothek der Weltgeschichte« herauszugeben. Im August 1921 avisierte Westphal einige Vorschläge für »unsere ›Bibliothek‹«, die er besprechen wolle.221 Noch im selben Jahr erschien eine längere Darstellung Westphals als erster Band der gemeinsam mit Müller herausgegebenen »Bibliothek der Weltgeschichte«.222 Konzeptionelle Überlegungen zur Reihe sind nicht überliefert, es scheint, dass Müller vor allem als Türöffner bei möglichen Autoren hinzu gebeten wurde. Auch wenn der »Bibliothek« kein Erfolg beschieden sein sollte, erlaubt sie doch Rückschlüsse auf Müllers Rang aus dem Blickwinkel der nachfolgenden Historikergeneration. Für Westphal war Müller prominent genug sowie hinreichend vernetzt, um seinem Projekt Möglichkeiten zu eröffnen. Als etwaigen Mitwirkenden sprach Müller im Dezember 1921 den ihm gut bekannten Hermann Oncken an. Angesichts der Entzweiung beider in der Kriegszieldebatte, auch der Position Onckens als einer der wenigen republikfreundlichen Ordinarien, mag dies erstaunen. Doch, die Fachgenossenschaft, die Zugehörigkeit zur »Zunft« deutscher Historiker verlor sich nicht über differierenden politischen Ansichten. Auf zahllosen Tätigkeitsfeldern traf sich diese überschaubare Gruppe, die gegenseitig anerkannte Eigenschaft 217 Zum Verhältnis von Historikern und Verlagen vgl. Blaschke/Schulze (Hg.), Geschichtswissenschaft und Buchhandel. 218 Eindrücklichstes Beispiel ist die neunbändige Weltgeschichte Leopold von Rankes, zum Verhältnis zwischen historistischer Geschichtsauffassung und Weltgeschichtsschreibung der 1920er Jahre vgl. Rößner, Europa marginal. 219 Vgl. einige Beiträge in: Hardtwig/Müller (Hg.), Weltgeschichte. Ob diese »globale Perspektive« ihrer Verengung auf eine nationale, allenfalls europäische Sichtweise tatsächlich entgehen konnte, ist hier nicht zu diskutieren, zum Problem vgl. Conrad/Eckert, Globalgeschichte. 220 Der sich im Nationalsozialismus stark engagierende Westphal war 1917 von Marcks promoviert worden; zur Karriere vor 1933 vgl. H. Goetz, Geschichtswissenschaft, hier S. 113 f. 221 Westphal an Müller, 5. 8. 1921, BayHStA, NL von Müller 497. 222 Vgl. Westphal, Philosophie der Politik.

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als »Kollege« ließ die politischen Unterschiede zurücktreten. Nun, Oncken werde demnächst den ersten Band der Reihe erhalten, die »in freier Folge Einzeluntersuchungen von allgemeinem Interesse aus dem ganzen Bereich der Geschichte, für Gebildete, aber in wissenschaftlicher Form bringen soll.« Weitere Beitragende würden Fritz Vigener und Richard Fester sein, Müller selbst wolle seine Vorlesung »Entstehung und Aufbau des britischen Weltreichs« dafür bearbeiten. Da er »selbst nicht von Anfang an die Herausgabe leitete«, könne er sich erst jetzt um Mitarbeiter bemühen. An Oncken richte er die erste Anfrage »außerhalb Münchens«, ob er »vielleicht aus Studien oder Vorlesungen einen Stoff« habe.223 Als Mitarbeiter ließ sich Oncken jedoch nicht gewinnen, es stand kein guter Stern über dem Unternehmen. Bald beschwerte sich der Geograph Karl Haushofer über die verzögerte Ausgabe seines Bandes in der Reihe, seine Arbeit sei »wenn auch auf strenger wissenschaftlicher Basis, so aktuell politisch gefärbt, dass sie ein langes Ablagern nicht verträgt.«224 Zudem erwies sich Westphal als schwieriger Partner, er sei beim Verlag »auf Schwierigkeiten sachlicher und persönlicher Art gestoßen«, schließlich verweigerte der Verlag jegliche Zusammenarbeit mit Westphal. Für einen der insgesamt fünf erschienenen Bände der »Bibliothek der Weltgeschichte« erhielt Müller im Oktober 1923, mitten in der auf ihren Höhepunkt zusteuernden Inflation, noch ein Herausgeber-Honorar von 2 Milliarden Mark, und damit war das Vorhaben mit eher bescheidenem Erfolg beendet.225 Für sein wissenschaftliches Profil bleibt dieser Fehlschlag gleichwohl von Interesse, Müller war nicht mehr zwingend der jüngere, zuarbeitende Beteiligte, sondern lieh dem Unternehmen seinen erworbenen Ruf. Zuvor hatte sich Müller in zweierlei Hinsicht eine Rückkehr in die eigene historiographische Vergangenheit gestattet, einmal in persönlicher, einmal in sachlicher Hinsicht. Die Karriere Müllers als Nachwuchshistoriker im Kaiserreich hatte ihren Ausgangspunkt in der Erforschung der Reichseinigung als des vermeintlichen Höhepunktes deutscher Staatlichkeit sowie in der entsprechenden Heroisierung des Reichskanzlers Bismarck genommen. Zum politischen, aber auch historiographischen Wendepunkt dieser »Erfolgsgeschichte« wurde die Entlassung Bismarcks durch Wilhelm II. im Jahr 1890. Dieser, von Müller wie der Mehrzahl seiner Fachgenossen als Menetekel der jüngeren deutschen Geschichte aufgefassten Entlassung widmete er im Dezember 1921 eine ausführliche Edition.226 Erst im November war ihm durch 223 Müller an Oncken, 15. 12. 1921, NLA StA Oldenburg, NL Hermann Oncken, Nr. 377. Auch Percy Ernst Schramm war als Autor ins Auge gefasst worden, vgl. D. Thimme, Schramm, S. 132 f. 224 Haushofer an Müller, o. D. (ca. Januar 1922), BayHStA, NL von Müller 492. Der Band ist als vierter der Reihe noch erschienen: Haushofer, Geopolitik der Selbst-Bestimmung. 225 Westphal an Müller, 11. 8. 1922; Rösl & Cie an Westphal, 10. 10. 1923, BayHStA, NL von Müller 497 sowie Rösl & Cie an Müller, 12. 10. 1923, BayHStA, NL von Müller 440. 226 Vgl. Müller, Entlassung (1921). Auch zu Müllers Edition vgl. Deuerlein, Briefwechsel HertlingLerchenfeld, S. 59.

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das bayerische Ministerium des Äußern »Einsicht in die Berichte gewährt worden, die von dem Bayerischen Gesandten in Berlin Grafen von Lerchenfeld im Jahre 1890 über die Entlassung des Reichskanzlers Fürsten von Bismarck erstattet worden sind.«227 Im Nachwort zur Edition legte Müller seine Sichtweise auf die Entlassung unmissverständlich dar, das Kaiserreich sei erst von Bismarck, dann von Wilhelm II. dominiert worden, ihr »Zusammenstoß 1890 bezeichnet den Wendepunkt, führte den Wandel herbei. Das System Wilhelm II. […] hat nach außen wie im Innern mit Katastrophen geendigt.«228 Das von Seiten des bayerischen Staates in Müller gesetzte Vertrauen, fraglos auch die damit verbundenen Erwartungen, hatte dieser erfüllt. Der bayerische Ministerpräsident Graf Lerchenfeld, ein Verwandter des berichtenden Gesandten, dankte mit der »Versicherung, daß die Verwertung der amtlichen Quellen das Vertrauen in Ihre Objektivität völlig gerechtfertigt hat. Für die Beurteilung der Vorgänge bei der Entlassung Bismarcks, die für den Werdegang des deutschen Volkes eine so einschneidende Bedeutung gewonnen haben, ist die Darstellung, wie sie aus den Gesandtschaftsberichten hervorgeht nicht zu entbehren.«229 Hingegen sehr persönlich motiviert war eine Veröffentlichung, der Müller nicht zuletzt durch seinen mittlerweile erworbenen Rang zum Erscheinen verhalf. Er werde, so Müllers Studiengenosse Adalbert von Raumer im September 1913, die »Reise nach Wien mitmachen«, um gemeinsam den dreizehnten deutschen Historikertag zu besuchen.230 Fast auf den Tag genau ein Jahr darauf war Raumer tot, gefallen an der Westfront. Seine Doktorarbeit über den Ritter von Lang und dessen Memoiren war ungedruckt geblieben, im Dezember 1921 bat Raumers Vater Müller um Mitwirkung bei der Herausgabe.231 Vor allem finanziell gestaltete sich das Vorhaben schwierig, der angefragte Verlag C.H. Beck zierte sich, unbedingt nötig sei ein Zuschuss der Notgemeinschaft.232 In einem wohl hierfür entstandenen Gutachten attestierte Müller, die Arbeit trage »das Signum des geborenen Historikers«, den Tod seines Freundes deutete er verstörend: »Die Erzählung gerade dieses Lebenslaufes trägt den Glanz und die Frische einer hochstrebenden Jugend, der es bestimmt – und vergönnt war, ihre reichen Hoffnungen fleckenlos dem Vaterland zu opfern.«233 Die Notgemeinschaft überzeugte Müller, zudem trat Adalbert von Raumers jüngerer Bruder Kurt, der in Müllers Seminar saß,

Freistaat Bayern, Min. d. Äußern an Müller, 10. 11. 1921, BayHStA, NL von Müller 347. Müller, Entlassung (1921), S. 174. Ministerpräsident Graf Lerchenfeld an Müller, 16. 12. 1921, BayHStA, NL von Müller 347. Raumer an Müller, 1. 9. 1913, BayHStA, NL von Müller 262. Zum Historikertag in Wien vgl. P. Schumann, Historikertage, S. 268 – 275. 231 Sigmund v. Raumer an Müller, 21. 12. 1921, BayHStA, NL von Müller 475. 232 C.H. Beck an Müller, 13. 4. 1922, ebd. Zur Notgemeinschaft vgl. Marsch, Notgemeinschaft sowie Kirchhoff, Wissenschaftsförderung. 233 Müller [Gutachten zu Raumers Ritter v. Lang], 22. 6. 1922, BayHStA, NL von Müller 475.

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hinzu.234 Unterdes war, da Beck sich nicht hatte bewegen lassen, der um Müller bemühte Oldenbourg Verlag ins Spiel gekommen. Im Frühsommer 1923 erschien »Der Ritter von Lang und seine Memoiren«, herausgegeben von Müller und Kurt von Raumer.235 Bewegt dankte Sigmund von Raumer für die Erfüllung dieses letzten Wunsches seines Sohnes, besonders »für die dem Buche vorangeschickte Lebensgeschichte«.236 Seine biographische Skizze eröffnete Müller just mit dem gemeinsam besuchten Wiener Historikertag, ein »fröhliches Dreiblatt junger Münchener Historiker«. Gemeinsam mit »deutschen und österreichischen Fachgenossen« sei man bewegt gewesen von »großdeutschen Gedanken, die eben unter den jüngeren Historikern wieder zu Leben erwachen wollten«. Nach dem Krieg blickten nun »wir Überlebende« zurück in die »verschwundenen Gärten der Kindheit.«237 Stipendiat des Maximilianeums, Schüler und Doktorand Sigmund von Riezlers, der Lebensweg Adalbert von Raumers glich frappierend dem Müllers – bis zum August 1914. Über die biographische Reflexion hinaus ist Müllers Engagement als weiterer Schritt wissenschaftlicher Profilierung zu lesen. Beginnend noch als Nachwuchshistoriker mit einem Nachruf auf den akademischen Lehrer, ebenso auf den Amtsvorgänger als Syndikus und den Doktorvater238, mit zahlreichen Artikeln zu Geburtstagen239, mit Widmungen240 und auch mit der posthumen Veröffentlichung der Dissertation eines Generationsgenossen – Müller schrieb sich mit Nekrologen und Lobpreisungen in die Fachgeschichte der Geschichtswissenschaft ein. Über Erinnerung und Anerkennung gewann Müller öffentlich Anteil an der Historie des Faches, als Historiograph bedeutender Historiker profilierte er sich als »Zunftgenosse«. Kaum zufällig bedurfte Müller dieser publizistischen Rückversicherung über die eigene wissenschaftliche Herkunft, als er im NS-Staat, zum Nachfolger des bedrängten HZ-Herausgebers Friedrich Meinecke auserkoren, in Gefahr geriet, nicht mehr als »Kollege« zu gelten. In den »Zwölf Historikerprofilen«, erschienen im Frühjahr 1935, bündelte Müller diese Nachrufe und Geburtstagsgrüße, sendete über die gleichsam zeitlosen Würdigungen das Signal ungebrochener fachlicher Kontinuität.241 Während Willy Andreas den Beitrag über Adalbert von Raumer »mit Erschütterung« las, schlug Friedrich Mei234 235 236 237 238 239 240 241

Schmidt-Ott an Müller, 16. 8. 1922; Kurt v. Raumer an Müller, 5. 9. 1922, ebd. Raumer, Ritter von Lang (1923). Raumer an Müller, 10. 6. 1923, BayHStA, NL von Müller 260. Müller, Adalbert von Raumer (1923), S. VIII – X. Erstaunlich auch die Persistenz der Metaphorik Müllers, der 1951 seine Erinnerungen »Aus Gärten der Vergangenheit« betitelte. Müller, Heigel (1915); Mayr (1918); Riezler (1927); weitere Nachrufe Müllers vgl. im Schriftenverzeichnis. Vgl. beispielhaft neben den bereits erwähnten Beiträgen: Müller, Dietrich Schäfer (1925); Erich Marcks (1931); Friedrich Meinecke (1932). Die Aufsatzsammlung »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« widmete Müller »Erich Marcks in dankbarer Verehrung«, die ebenfalls 1926 veröffentlichte Habilitationsschrift »Görres in Straßburg« Hermann von Grauert. Müller, Zwölf Historikerprofile (1935).

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necke nicht ohne Hintersinn den Bogen zur Entstehung der Beiträge, sie seien »bleibendes Zeugnis dafür, daß der Quell unserer Wissenschaft in den jetzt viel verkannten Vorkriegs- und Nachkriegszeiten noch immer munter weitergesprudelt hat, daß unsere Wissenschaft auch nicht bloß Gelehrte, sondern auch Menschen zu bilden vermocht hat.«242

3.2.2 Rückkehr in die »internationale Gelehrtenrepublik« Bereits das Gutachten im Karlsruher Berufungsverfahren im Frühjahr 1919 hatte zu Müller knapp vermerkt: »Kennt England gut«.243 Seine Wahrnehmung als »Kenner« des britischen Weltreiches fußte vor allem auf seinen dezidiert gegen England gerichteten, gleichwohl als sachlich und fundiert aufgefassten Beiträgen in den Süddeutschen Monatsheften. Die biographische Erfahrung des Studienjahres in Oxford, in welchem Maße auch immer dieses fünfzehn Jahre darauf noch zu Müllers Einschätzungen beitragen konnte, addierte einen lebensweltlichen Hintergrund. Auch die Münchner Universität wollte von diesem Erfahrungsschatz profitieren. Bevor nach dem Krieg »an die Ausarbeitung weitergreifender Pläne« für eine Umgestaltung der Universität herangegangen werde, wolle man »zunächst einen Überblick über den Stand der Probleme und über die zum Vergleich heranzuziehenden Verhältnisse an den Universitäten anderer Länder« gewinnen und bitte Müller, »über das englische Universitätswesen« zu berichten.244 Seine Lehrtätigkeit hatte Müller mit einer Vorlesung zum »britischen Weltreich« begonnen, die er bis zur Ausweitung des dotierten Lehrauftrages zur »Historischen Politik« 1923 noch zweimal mit nennenswertem Zuspruch aufgriff.245 Zwar sollte ein Verlagsangebot an Müller, aus diesen Vorlesungen eine Veröffentlichung hervorgehen zu lassen – »Ich glaube, dass eine solche Darstellung aus Ihrer Feder nicht nur von allen Ihren Schülern, sondern auch von weiteren Kreisen dankbar begrüsst würde« – nicht verwirklicht werden.246 Doch war es Müller unzweifelhaft gelungen, die vor allem kriegspublizistische Auseinandersetzung mit englischer Geschichte in der Gegenwart der frühen Weimarer Republik in eine nachgefragte Kompetenz umzumünzen. Für gemeinsame »Abendvorlesungen 242 Andreas an Müller, 7. 7. 1935; Meinecke an Müller, 10. 6. 1935, BayHStA, NL von Müller 479. 243 TH, Allg. Abteilung »Die Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Geschichte«, 27. 5. 1919, GLA, 448/2375. 244 Vgl. das von Karl Rothenbücher gezeichnete Rundschreiben des »Aktionsausschuss der Universität« vom 21. 6. 1919, BayHStA, NL von Müller 395. 245 Im Sommersemester 1920 las Müller über die »Entstehung des britischen Weltreiches« vor 92 Hörern, seine Veranstaltung im Wintersemester 1921/22 zu »Entstehung und Aufbau des britischen Weltreichs« besuchten 104 Teilnehmer, vgl. LMU, Verzeichnis der Vorlesungen im Sommerhalbjahr 1920, S. 39; Verzeichnis der Vorlesungen im Winterhalbjahr 1921/22, S. 15 sowie die jeweiligen Inskriptionslisten in: BayHStA, NL von Müller 399. 246 Verlagsbuchhandlung Quelle u. Meyer an Müller, 26. 5. 1920, BayHStA, NL von Müller 440.

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der Universität, der Technischen und der Handels-Hochschule« im Sommersemester 1922 übernahm Müller die Reihe »Volkstum und Weltmacht: Entstehung des englischen Imperiums«247, auch die bayerische Wirtschaft versprach sich von Müllers Anwesenheit bei einer Aussprache mit englischen Parlamentariern Günstiges: »Die Herren wünschen mit massgebenden Persönlichkeiten unseres politischen und wirtschaftlichen Lebens zusammenzukommen«.248 Während man von französischer Seite wenig Verständnis erwartete, verbanden sich mit Großbritannien Hoffnungen, vor allem da in der britischen Öffentlichkeit die Regelungen des Versailler Vertrages zumindest als diskussionswürdig, wenn auch zumeist berechtigt, angesehen wurden.249 Doch nicht nur politisch und wirtschaftlich, auch wissenschaftlich sah sich Deutschland nach dem Krieg isoliert.250 Befürchtete Folgen des Versailler Vertrages wie eine etwaige Auslieferung deutscher Wissenschaftler bewahrheiten sich nicht251, der Ausschluss vom internationalen Wissenschaftsbetrieb aber blieb bestehen. Noch 1908 hatte der internationale Historikertag in Berlin stattgefunden, die Tagung in London 1913 sollte für die deutschen Historiker für längere Zeit die letzte gewesen sein. Auf dem Brüsseler Kongress 1923 waren sie noch offiziell unerwünscht. Wenn dies auch bereits für Diskussionen gesorgt hatte, erst fünf Jahre darauf in Oslo durften sie die internationale Bühne wieder betreten.252 Für Müller eröffnete sich im August 1922 die erste Gelegenheit zum Anknüpfen an frühere Verbindungen. Francis Wylie, der als Sekretär der Rhodes Stiftung Müller bereits während des Studienaufenthalts in Oxford betreut hatte, wandte sich an ihn. Er bat Müller um Auskunft für den »Record of Rhodes Scholars«, die deutschen Stipendiaten »should have their place in this record along with the other past Scholars. Indeed, they were Rhodes Scholars just as much as any one else«.253 Seine Rückkehr in die »internationale Gelehrtenrepublik« jedoch vollzog Müller mit einer Veröffentlichung zur englischen Geschichte. Nach den erfolgreich gemeinsam herausgegebenen »Erinnerungen an Bismarck« hatten Marcks und Müller noch während des Krieges begonnen, eine weitere Sammlung zu planen. Wie die späteren Bände bereits als »Meister der Politik« betitelt, begann Müller in beider Namen im Mai 1917 um Beiträge für das Vorhaben zu bitten.254 Das Kriegsende und die unmittelbare Nach247 Vgl. die Ankündigung in: BayHStA, NL von Müller 395. 248 Handelskammer München / Bayerischer Industriellenverband an Müller, 21. 9. 1922, BayHStA, NL von Müller 16. 249 Vgl. Wittek, Feind?, v. a. S. 234 – 266. 250 Vgl. einführend: Metzler, Wissenschaftsbeziehungen, v. a. S. 69 – 80; Krumeich, Bruch. 251 Dies betraf u. a. den Chemiker Fritz Haber, vgl. Szöllösi-Janze, Fritz Haber, S. 426 – 430. 252 Vgl. Erdmann, Ökumene, S. 97 – 162. 253 Wylie an Müller, 4. 8. 1922, BayHStA, NL von Müller 15. Zum Umgang des Rhodes Trust mit den deutschen Scholars vgl. P. Ziegler, Legacy, S. 161 – 165. 254 Vgl. entsprechend Müller an Goetz, 10. 5. 1917, BArch, NL Walter Goetz 38, Bl. 92 – 94.

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kriegszeit jedoch sorgten für eine Verzögerung wie auch für eine Anpassung des Planes, wie Müller im August 1920 an Friedrich Meinecke schrieb. Er hoffe, so Müller, dass »Ihnen eine Anfrage noch gegenwärtig ist, die ich im Mai 1917 im Namen von Herrn Geheimrat Marcks und in meinem eignen an Sie zu richten mir erlaubt habe. Der beifolgende Plan der ›Meister der Politik‹ kommt auf den gleichen Gegenstand zurück«. Während ursprünglich »selbständige kleine biographische Bändchen« geplant waren, müsse man sich nun auf kürzere Beiträge beschränken, in denen eine Persönlichkeit »knapp und anschaulich geschildert« werde. Ob es Meinecke unter diesen Umständen reize, einen »kleinen Freiherrn vom Stein« beizusteuern, er brauche »ja nicht erst sagen, wie viel ein Beitrag von Ihrer Hand uns für diese Sammlung wert wäre.«255 Eine entsprechende Anfrage, ebenfalls Bezug nehmend auf den ursprünglichen Plan vom Mai 1917, richtete Müller zudem an Max Lenz.256 Im wenig später geschlossenen Vertrag mit der DVA sollte sich dieses Engagement Müllers widerspiegeln. Nachdem das Honorar ursprünglich hatte halbiert werden sollen, ergänzte Marcks nun, das »Herausgeberhonorar soll zwischen den beiden Herausgebern derart geteilt werden, daß Herr von Müller 60 %« zufielen, während Marcks 40 % erhalte.257 Auch wenn der Verlag dem ebenfalls geworbenen Erich Brandenburg mitteilte, Marcks werde das Sammelwerk »in Gemeinschaft« mit Müller herausgeben258, die Rollenverteilung entsprach dem jeweiligen Rang beider. Während Müller im Jahr darauf für die »Bibliothek der Weltgeschichte« den Part des prominenten Türöffners übernahm, war er bei den »Meistern der Politik« für die Arbeit zuständig.259 Die vorerst geplanten zwei Bände der »Meister der Politik« erschienen um den Jahreswechsel 1921/22, mit Beiträgen im ersten Band gespannt von Perikles und Alexander dem Großen, über Calvin und Karl V. bis zu Richelieu und Cromwell, im zweiten Band chronologisch fortführend von Prinz Eugen und Peter dem Großen über Napoleon und Metternich zu Lassalle und Bismarck.260 Für die voluminösen, zusammen an die 1400 Seiten starken Bände konnten Marcks und Müller fast alle namhaften deutschen Historiker gewinnen. Im vermutlich von Müller verfassten Vorwort261 verdeutlichten beide Herausgeber ihre Absichten. Es sollten die »entscheidenden Schicksalsstunden der Geschichte« erfasst werden »in dem Brennpunkt der mächtigsten 255 Müller an Meinecke, 10. 8. 1920, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 29, Nr. 716 (Unterstreichung im Original). 256 Als Gegenstand schlug Müller Friedrich den Großen oder Metternich vor, vgl. Müller an Lenz, 7. 8. 1920, SBB, NL Max Lenz 3. 257 Vgl. den Vertrag zwischen DVA, Marcks und Müller über »Meister der Politik«, Oktober 1920, handschriftliche Ergänzung von Marcks vom 18. 10. 1920, BayHStA, NL von Müller 434. 258 DVA an Brandenburg, 21. 12. 1920, UBL, NL Erich Brandenburg 4.2.3. 259 Müller besorgte auch die weitere Autorenkorrespondenz, vgl. die Briefwechsel mit Fritz Vigener, Erich Caspar, Otto Franke und Fritz Kern, in: BayHStA, NL von Müller 494. 260 Marcks/Müller (Hg.), Meister der Politik (1922). 261 Vgl. den Nachweis der Autorenschaft Müllers für einen Prospekt, der wortgleiche Formulierungen wie das gedruckte Vorwort enthielt, bei: Nordalm, Marcks, S. 341 f.

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handelnden Männer«, es fühlten »wir Deutsche das Bedürfnis, die großen Angelpunkte der bisherigen Geschichte der Menschheit deutlicher zu erkennen, dringender denn je. Und in der Ratlosigkeit, in der die ganze Staatenwelt, Sieger kaum anders als Besiegte, heute führerlos dahintreibt, empfinden wir deutlicher denn je die Aufgabe und die Bedeutung der großen politischen Gestalter.« Man wolle »in dem erschütternden historischen Schauspiel, dessen Zeugen und Teilnehmer wir selbst« seien, den »männlichen Trost der Geschichte« bringen.262 In populärer, zugänglicher Form wollten Marcks und Müller im historischen Beispiel die Gegenwart spiegeln, an Führungsfiguren der Vergangenheit die Notwendigkeit dieser auch für die jetzige Zeit untermauern. Ausgesprochen freundlich fiel die Besprechung Karl Brandis in der HZ aus, nur das Format der »lebensgefährlichen« Bände wurde beanstandet: »Ich glaube, wir kranken in Deutschland ganz besonders an der einschmeichelnden Handlichkeit der minderwertigen und an der Unhandlichkeit der wirklich guten Literatur. Der im Leben stehende Gebildete soll sie in die Eisenbahn und in den Sommeraufenthalt mitnehmen können.«263 Brandi hatte zudem das Fehlen einiger geplanter Beiträge bedauert, auch Marcks und Müller vermerkten im Vorwort, dass »durch die Schuld persönlicher Verhältnisse« unter anderem der ältere Pitt, Cecil Rhodes und Chamberlain nicht enthalten sein könnten.264 Alle drei Beiträge hatte Müller beisteuern wollen. Die »Meister der Politik« wurden ein Publikumserfolg, bereits im Januar 1922 hoffte die Deutsche Verlags-Anstalt bald an eine neue Auflage denken zu können, die dann auch die vorgesehenen Beiträge Müllers enthalten sollte. Während Marcks, nach Berlin berufen, im Frühjahr 1922 München verließ, versuchte Müller ein erneutes Versagen als Autor zu vermeiden. Doch die Verkaufszahlen drängten zur Eile, bereits im April terminierte der Verlag die Neuauflage für den Herbst. Zuvor wollte man aber einen dritten Band mit den neuen Beiträgen erscheinen lassen.265 Freundlich, aber nicht ohne Sarkasmus nahm Marcks die Hemmnisse seines Mitherausgebers auf, ein eigenes Versäumnis in der Korrespondenz kommentierte er, nun »bin in der Tat ich der Karl Alexander geworden!«266 Als Historiograph, hingegen kaum als Publizist, tat sich Müller schwer mit termingerechten Abgaben, zugleich dokumentiert das geduldige Beharren von Verlagen und Beteiligten auch die besondere Erwartung an seine Beiträge. So hoffte die DVA bis zum Herbst sowohl auf den Beitrag über den »Älteren Pitt« als auch auf einen Abschnitt über »Chamberlain, Cecil Rhodes und Disraeli«, zum Jahreswechsel zeigte sich Marcks »voll Sorge«, im Januar 1923 appellierte der Verlag an Müller : »Es ist unter den 262 263 264 265

Vorwort der Herausgeber im ersten Band, S. Vf. Brandi, Meister der Politik (Rez.), S. 286. Vorwort der Herausgeber im ersten Band, S. VI. DVA (Kilpper) an Müller, 28. 1. 1922; DVA an Marcks, 10. 4. 1922 (mitgeteilt von der DVA an Müller am 10. 4. 1922), BayHStA, NL von Müller 475. 266 Marcks an Müller, 24. 6. 1922, ebd.

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deutschen Historikern, wie Sie selbst genau wissen, im Augenblick keiner in der Lage, diesen wichtigen Abschnitt in kurzer Zeit so gut zu bearbeiten wie Sie.«267 Schließlich konnte Müller zumindest sein Porträt des älteren Pitt in den Druck geben. Im dritten Band der »Meister der Politik«, erschienen zur Jahresmitte 1923, war nun auch Müller endlich als Autor vertreten. Seine Studie »Der ältere Pitt« war mit mehr als hundert Seiten erheblich umfangreicher als die anderen Beiträge.268 Es würde Müllers einzige längere, aber viel gerühmte und mehrfach veröffentlichte Arbeit zur englischen Geschichte bleiben. Seine Darstellung des Wirkens William Pitts, britischer Premierminister und Begründer englischer Machtstellung im 18. Jahrhundert, war wie alle Beiträge in der Reihe für den interessierten Bildungsbürger geschrieben und frei von Anmerkungen. Einer historiographiegeschichtlichen Einordnung entzieht sich Müllers Studie, eben weil sie nicht als Forschungsbeitrag, sondern als an die historisch interessierte und Orientierung suchende Öffentlichkeit adressierte, leicht zugängliche Lebensbeschreibung gedacht war.269 In kräftigen Farben malte Müller das Bildnis seines Helden und seiner Zeit, voll »dramatischer Wechselfälle, voll bunten Lebens und leidenschaftlicher Kraft«. Auf nahezu jeder Seite sind historische Beschreibungen aus gegenwärtiger Perspektive zu finden: Pitts Großvater sei »vom ursprünglichen Saft der angelsächsischen Rasse«, ein »geborener Herrscher« gewesen. Aber dies, verwiesen sei auf das die ersten Bände einleitende Vorwort, war der offen benannte Zweck des Unternehmens.270 Allerdings war es nicht gleichgültig, wer diese Art populärer Geschichtsschreibung verfasst hatte. Die Beiträge der ersten Bände vereinten unter anderen Eduard Meyer, Karl Hampe, Erich Brandenburg, Willy Andreas, Arnold Oskar Meyer, Karl Stählin, Heinrich von Srbik und Hermann Oncken. Der fachliche Rang, das Ansehen als Universitätsprofessor ersetzte Fußnoten und Quellennachweise, es bürgte für die wissenschaftliche Qualität der »Meister der Politik«. Das Vorwort zum dritten Band hatte wiederum Müller verfasst, als »ausgezeichnet« empfand es Marcks.271 Vor den historischen »Meistern der Politik« verblasste auch das Jahr 1923, die »übergangsvolle Gegenwart, unser eigenes niedergebrochenes, aus der Bahn geworfenes deutsches Volk haben 267 DVA (Kilpper) an Müller, 9. 10. 1922, ebd.; Marcks an Müller, 30. 12. 1922, BayHStA, NL von Müller 492; DVA (Kilpper) an Müller, 13. 1. 1923, BayHStA, NL von Müller 439. 268 Müller, Der ältere Pitt (1923). Der Beitrag zu Disraeli, Chamberlain und Rhodes blieb unerwähnt, er wurde von Müller nicht fertiggestellt. 269 Schellings Kritik, der Beitrag könne »dem Bereich der Wissenschaft schwerlich zugerechnet werden. Müller hat nur gedrucktes Material verwertet und nichts berichtet, was nicht schon bekannt gewesen wäre«, verfehlt daher Intention und Veröffentlichungskontext. Die »Meister der Politik« waren nicht als wissenschaftlicher Beitrag gedacht, noch hätten sie als ein solcher zum Publikumserfolg werden können. Vgl. Schelling, Müller, S. 34. 270 Müller, Der ältere Pitt (1923), S. 299 f. 271 Marcks an Müller, 20. 5. 1923, BayHStA, NL von Müller 439.

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diesen neuen schöpferischen Gestalter noch nicht gefunden. Indem wir diese Bildnisse seiner Vorgänger aus der Vergangenheit sammeln, lauscht unsere Hoffnung in die Zukunft, […] auf das erste Blitzen, das ihn verkünden wird.«272 Ein »Gestalter« wurde gesucht, mit historischen »Vorgängern« vergleichbar. Ein halbes Jahr zuvor, in der »Tragödie des Mittelstandes«, war es »ein großer Organisator«, auf den Müller hoffte.273 Im Jahr darauf wiederum schloss Müller eine Rede über »Bismarcks Sturz« mit einer vielzitierten »Führererwartung«: »Wir erliegen in der Ohnmacht der Mittelmäßigkeit und schreien wie der Hirsch nach Wasser in unserer Not nach einem, der uns führen soll.« Dass Bismarcks »Geist noch nicht gestorben« sei, dass »er eines Tages in unserem Volk von neuem erstehe«274, hoffte Müller im März 1924. An seiner »Sehnsucht nach einer starken Führerpersönlichkeit« kann kaum ein Zweifel bestehen.275 Die »unmittelbare Gegenwartsstimmung« des Vorwortes hob auch Karl Brandi in seiner Besprechung des dritten Bandes der »Meister der Politik« hervor, die »Hoffnung auf den Gestalter, der das deutsche Volk erlösen möge. Tief innerlich bleibt doch der große Pitt dafür am meisten ergreifend.«276 Müllers erster längerer historiographischer Beitrag seit den Tagen als Nachwuchshistoriker vor dem Weltkrieg hatte vor allem »der Gegenwart viel zu sagen«, schrieb der Präsident der Notgemeinschaft und frühe Förderer Friedrich Schmidt-Ott.277 Durchweg positiv fielen die Reaktionen aus, vor allem der nun enthaltene Beitrag Müllers stieß auf Zuspruch. Gelobt wurde, was bereits seiner Publizistik attestiert worden war. Der »ältere Pitt« sei die »schriftstellerisch glänzendste Leistung des Bandes […], ein Prachtstück historischer Bildkunst«278, mit »hinreißendem Schwung geschrieben«279, das »Muster eines großzügigen historischen Essays«.280 Als »Künstler«281 galt Müller, weitaus mehr Darsteller denn Erforscher der Historie. Seine Fachgenossen scheinen dies begrüßt zu haben, nimmt man die Besprechungen der Widmung an Adalbert von Raumer, die mit dem »Ritter von Lang« ebenfalls im Frühjahr 1923 erschienen war, zum Maß. Mit »seiner bewährten feinsinnigen Kunst«282, in »feinsinnigster Weise«283 habe Müller »ein Kabinettstück 272 Vorwort der Herausgeber im dritten Band, S. VI. 273 Müller, Tragödie des Mittelstandes (1922), S. 2. 274 Müller, Bismarcks Sturz (1925), S. 108. Die Rede hatte Müller bereits im März 1924 gehalten, vgl. die Notiz zum Wiederabdruck in: Deutsche Geschichte und deutscher Charakter. Aufsätze und Vorträge (1926), S. 239. Vgl. auch Weisz, Geschichtsauffassung, S. 255 f. 275 Schulze, Historiker, Syndikus und Akademiepräsident, S. 290. 276 Brandi, Meister der Politik. 3. Band (Rez.), S. 452. 277 Schmidt-Ott an Müller, 19. 7. 1923, BayHStA, NL von Müller 490. 278 König, Meister der Politik. 3. Band (Rez.), S. 75. 279 Friedrich, Meister der Politik. 3. Band (Rez.), S. 267. 280 Wenck, Meister der Politik. 3. Band (Rez.), S. 232. 281 Müllers Pitt zeige, wie »verwandt die Aufgabe des Historikers der des Künstlers« sei, vgl. die Einzelbesprechung in der Deutschen Rundschau: Raff, Der ältere Pitt (Rez.), S. 259. 282 So Sigmund von Riezler in der HZ, vgl. S. Riezler, Ritter von Lang (Rez.), S. 103.

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für sich« geschaffen284, die Seiten aus der »ebenso geistvoll-lebendigen als warmherzigen Feder des hochgeschätzten Münchner Kollegen wird der Leser nur mit tiefer Bewegung in sich aufnehmen.«285 Die sich einstellenden Wiederholungseffekte in der Rezeption der Schriften Müllers verdeutlichen nicht zuletzt das eklatante Mangelempfinden in der Geschichtswissenschaft. Weniger der Niedergang fachlicher Standards als das drohende Ausbleiben des Publikums, der Verlust von »Lebensnähe«, beunruhigte die deutschen Historiker. Der als tiefgreifend und bedrohlich empfundenen »Krise des Geschichtsbewusstseins«286 wollte die Disziplin nicht nur mit ihrem herkömmlichen Methodenarsenal, sondern auch mit den »künstlerischen« Mitteln Müllers begegnen. Für Müller wurden die »Meister der Politik« zu einem weiteren Stein im Mosaik eines erfolgreichen Historikers. Nach diesem, gemeinsam mit einem der angesehensten Kollegen betreuten Gesellenstück, wurde Müller mit seiner »vielbewährten Herausgeberhand«287 zum von Verlagen wie Fachgenossen umworbenen Erfolgsgaranten für publikumsorientierte Sammelbände und Überblicksdarstellungen. Seine weitere Profilierung, als Publizist und Redner, als Dozent und Autor, ließ auch Müllers Selbstbewusstsein wachsen. Er sei, so an den Oldenbourg Verlag, leider »nicht imstande, der ohne mein Wissen vorgenommenen Kürzung nachträglich meine Genehmigung zu geben. Ich pflege meine Artikel nicht mit der Schere zu machen, und sie vertragen deshalb auch keine einfache Behandlung mit der Schere. Die Einleitung enthält die Zeittöne des Ganzen, die bis zum Schluß immer wieder durchklingen.« Nicht nur als Schreibender pochte Müller auf den erworbenen Rang: »Ich bin selbst seit 8 Jahren Mitherausgeber der Süddeutschen Monatshefte, habe mit Erich Marcks zwei größere Werke ediert: ich glaube, daß ich als Herausgeber eine gewisse Autorität für mich in Anspruch nehmen kann.«288 Doch wollte Müller sich nicht auf den Respekt einheimischer Verlage und Fachgenossen beschränken. Internationale Anerkennung für die deutsche Wissenschaft war nach dem Ersten Weltkrieg allerdings selten, errungene Erfolge erfuhren entsprechend besondere Aufmerksamkeit.289 Neben der wirtschaftlichen Bedrängnis galt vor allem die internationale Isolation der Wissenschaft als hinderlich für den ersehnten »Wiederaufstieg«, zumal angesichts des streng reglementierten militärischen Bereichs die Wissenschaft

283 284 285 286 287 288

Brandt, Ritter von Lang (Rez.), S. 385. E. Franz, Ritter von Lang (Rez.), S. 284. Stählin, Ritter von Lang (Rez.), S. 1196. Hardtwig, Krise des Geschichtsbewusstseins, v. a. S. 78 f, 81 f. Fritz Kern an Müller, 13. 3. 1922, BayHStA, NL von Müller 475. Vgl. den Briefentwurf Müllers an Oldenbourg, 6. 4. 1922, BayHStA, NL von Müller 440. Es gibt keinen Hinweis, dass die Beschwerde nicht an den Verlag ging, den Anlass bot offenbar: Müller, Das kulturelle Leben des 19. Jahrhunderts (1922). 289 Zur Verleihung der ersten Nobelpreise nach dem Weltkrieg vgl. Metzler, Nobelpreise.

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als besonders wertvolle Ressource angesehen wurde.290 Für die Geschichtswissenschaften der beteiligten Nationen stand vor allem die Frage der Kriegsschuld einer Annäherung im Wege. Ob der Versailler Vertrag nun in »erster Linie« eine »deutsch-französische Angelegenheit«, eine »Art Abrechnung zwischen beiden Nationen« gewesen war, mag man bezweifeln können.291 Historiographisch jedoch blieben die Fronten zwischen diesen beiden Ländern besonders verhärtet, während britische Historiker nach einiger Zeit begannen, an der alleinigen Kriegsschuld Deutschlands zumindest Zweifel zuzulassen.292 Seit den frühen 1920er Jahren begegneten sich deutsche und britische Historiker zudem in den »stark aufeinander Bezug nehmenden Aktenkriegen«293 um die Gründe für den Kriegsausbruch. Auch wenn die deutsche Edition »Die Große Politik der Europäischen Kabinette« wie ihr britisches Pendant der »British Documents on the Origins of the War« auf den Nachweis der eigenen Unschuld abzielten, stellte sich für die Bearbeiter durch die gegenseitige Anerkennung des wissenschaftlichen Ranges, durch eine gemeinsame Selbstwahrnehmung als wissenschaftliche Experten Verständnis ein.294 Auf britischer Seite bearbeitete die Dokumentation wesentlich der Historiker George Peabody Gooch, der auch in Berlin studiert hatte und im Zuge seiner Bearbeitung der diplomatischen Akten zu der Überzeugung gelangt war, dass keine Seite den Krieg gewollt habe. Das »System war falsch«, äußerte Gooch 1926 in einer in Deutschland veröffentlichten Selbstbeschreibung, nur »ein lebendiges Gefühl für die Einheit der europäischen Kultur kann uns vor einer weiteren Katastrophe retten.«295 Gooch und anderen englischen Historikern sandte Müller seine Studie über den »Älteren Pitt«, der in Oxford lehrende Reginald Lane Poole dankte für »your valuable Life of the Elder Pitt«.296 Vor allem aber erhielt Müllers Arbeit Beachtung in einer der führenden Publikationen englischer Bildungsöffentlichkeit und Gelehrsamkeit. Das Times Literary Supplement bedachte Müllers Rückkehrbillet in die »internationale Gelehrtenrepublik« mit einer kurzen, aber sehr freundlichen Notiz. Zwar sei auf die Vorarbeiten englischer Historiker zu verweisen, doch Müller »need not fear the comparison, and his work shows a clearness of presentation and a vigour of style which we do not often find in German historical works. It is all the better that he lets the story tell itself and does not attempt to draw from it any political deductions.«297 In den 290 Vgl. Hachtmann, Wissenschaftsmanagement, S. 102 – 137. 291 In diesem Sinne vgl. Beaupr¦, Trauma, v. a. S. 52 – 56, Zitat S. 52. Stärker vergleichend siehe Krumeich, Kriegsschulddebatte, zur Debatte über den Kriegsausbruch vgl. Jäger, Forschung. 292 Pogge von Strandmann, Britische Historiker, S. 934 f. 293 Berger, Nation, S. 61. 294 Entsprechend Lambert, Thimme. 295 Vgl. Goochs Beitrag in: Steinberg (Hg.), Geschichtswissenschaft der Gegenwart, S. 128. 296 Poole an Müller, 11. 10. 1923, sowie die Eingangsbestätigung der Ehefrau Goochs an Müller, 9. 9. 1923, BayHStA, NL von Müller 15. 297 Vgl. Der altere Pitt (Rez.), S. 687.

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folgenden Jahren sollte Müllers Beschäftigung mit England und englischer Geschichte nicht abreißen, auch eine der ersten von ihm betreuten Dissertationen war einem englischen Thema gewidmet.298 Den Drahtseilakt einer »transnationalen« Rückkehr allerdings würde Müller mehr als zwanzig Jahre darauf wiederholen müssen. Obwohl in der publizistischen Kriegsschulddebatte sehr präsent, beteiligte sich Müller nicht an der deutschen Aktendokumentation. Zwar wurde im Dezember 1921 erwogen, ihn hinzuzuziehen, jedoch ist dies letztlich nicht erfolgt.299 Abgesehen von einem für Marcks übernommenen Auftrag, einer Zusammenstellung »aller wichtigen englischen Meinungen zur Geschichte der Rheinfrage« für das Auswärtige Amt, scheint Müller sich an der amtlichen Abwehr der »Kriegsschuldlüge« nicht beteiligt zu haben.300 Gleichwohl blieb Müller Experte für historische wie gegenwärtige Aspekte der angelsächsischen Hemisphäre. Vor allem aber war er mit dem »Älteren Pitt«, nach dem geglückten Start im Kaiserreich und der intensiv betriebenen Publizistik, zur Geschichtswissenschaft zurückgekehrt. Nach der Etablierung als Universitätsdozent und ersten institutionellen Erfolgen war Müller, auch als erprobter Herausgeber popularisierter Geschichtsschreibung, auf dem Weg, seine disziplinäre Karriere fortzusetzen. Historiographisch wendete er sich nun der deutschen Geschichte zu.

3.2.3 Deutsche Vergangenheit als Gegenwart Nach fünfzehn Jahren reger Publikationstätigkeit hatte das Schriftenverzeichnis Müllers Mitte der 1920er Jahre einen respektablen Umfang erreicht. Eine weitere monographische Darstellung konnte er in diesem Zeitraum, seit dem Erscheinen der Dissertation 1909, jedoch nicht vorlegen. In vielerlei Hinsicht galt Müller als wichtiger, auch aussichtsreicher Vertreter der historischen Zunft, sein literarisches Können rief allenthalben Respekt, auch Bewunderung hervor. Müller bot Fähigkeiten an, die die deutsche Geschichtswissenschaft nachfragte. Allerdings, ohne »richtige« Bücher schien der nächste Schritt der Laufbahn, die Erlangung eines Lehrstuhls, schwierig. Es war Müller bewusst, dass er dringend mit Veröffentlichungen aufwarten musste. Bereits 1920 hatte er sich gegenüber Max Lenz, der den Nachwuchshistoriker Müller zu einem der vielversprechendsten Talente der Disziplin erklärt hatte, zerknirscht gezeigt. Lenz’ freundliche Nachfragen nach seinem 298 Die noch von Erich Marcks angeregte Dissertation »Macaulay’s historische und politische Anschauungsweise« war, so der Promovend, unter »Anleitung von Herrn Prof. K.A. v. Müller angefertigt« worden, vgl. Dekan Phil. Fak. »Promotionsgesuch Wolfram List«, 25. 6. 1923; Gutachten Müller, 29. 1. 1924; Lebenslauf Wolfram List o.D., UAM, O-II-13p [List Wolfram]. 299 Lambert, Thimme, S. 288. 300 Vgl. die Anfrage, ob der Auftrag bald erledigt sei: Auswärtiges Amt Presseabteilung der Reichsregierung an Müller, 13. 7. 1923, BayHStA, NL von Müller 16.

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Ergehen hätten ihn »gerührt und beschämt, da ich in den letzten Jahren so wenig getan habe, um sie zu verdienen.« Die »praktische Verwaltungsarbeit an der Akademie« habe ihn »ganz in Beschlag genommen, das große nationale Schicksal […] lange von den meisten Freunden und Bekannten in der Ferne fast ganz abgetrennt.«301 Mit seinem ersten Versuch einer historiographischen »Heimkehr« in die deutsche Geschichte sollte Müller allerdings sowohl thematisch als auch mit der gewählten Form dem seit Jahren beschrittenen Weg treu bleiben. Wie für die Zeit um die Jahrhundertwende wird auch die deutsche Geschichtswissenschaft der 1920er Jahre zumeist als von krisenhaften Erscheinungen erschüttert, am Mangel wissenschaftlicher Innovation leidend beschrieben. Weiterhin sei sie vorwiegend dem Historismus verbunden geblieben, doch dieser »schleppte in einem von Technik und Wissenschaft bestimmten Zeitalter eine Gesellschaftsvorstellung und eine Methode mit sich, die eher für gewisse Aspekte des politischen und geistigen Lebens in einer vordemokratischen Epoche geeignet gewesen wären.«302 Die Historiographie der Weimarer Zeit sei gekennzeichnet gewesen von einer ausgesprochenen »Persistenz der wissenschaftlichen Methoden, der Frageansätze, der Problemfixierungen sowie der Themenwahl.«303 Zugleich sah sich die universitäre Geschichtsschreibung einer »beispiellosen Zunahme populär- und pseudowissenschaftlicher Literatur« ausgesetzt, die »zum Teil die klassischen Themenfelder abdeckte, zum Teil neue Themenfelder erschloss.«304 Doch auch über den fachlichen Rahmen hinaus waren die Historiker mit Herausforderungen konfrontiert, denen sie nur bedingt gewachsen schienen. Die politischen und sozialen Veränderungen, die die Lebenswelt Müllers und seiner Fachgenossen umformten, führten zumindest vorerst »keineswegs zu entsprechend tiefgreifenden Veränderungen des historischen Denkens«.305 Traditionell begriffen die deutschen Historiker ihr Wirken als »Dienst an der Nation«, ihre »fachliche Leistung hatte in ihren Augen die quasi natürliche Nebenwirkung, den großen Gesamtinteressen des Staates bzw. der Nation zu dienen.«306 Während im Kaiserreich mit der Mythisierung bzw. Heroisierung von Reichseinigung und Bismarck der Zusammenhang zwischen Historiographie und nationalem Engagement unauflösbar erschien, waren Einigkeit und Eindeutigkeit nun verloren gegangen. Wie reagierte Müller als Histo-

Müller an Lenz, 17. 8. 1920, SBB, NL Max Lenz 3. Iggers, Geschichtswissenschaft, S. 365. Faulenbach, Ideologie, S. 298. Hardtwig, Krise des Geschichtsbewusstseins, S. 78. Schulin, Weltkriegserfahrung, S. 165. Für eine jüngere Historikergeneration sollte sich dies anders darstellen, die erwähnte Volksgeschichte zog aus den nach 1918 virulenten Diskursen um »Grenz- und Auslandsdeutschtum« sehr wohl Anregung, vgl. Oberkrome, Volksgeschichte. 306 Raphael, »Neue Geschichte«, S. 74. 301 302 303 304 305

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riograph der deutschen Vergangenheit auf diese »dreifache Krise der Geschichtsschreibung«307 ? Müller betrachtete sein Wirken in besonderem Maße als »Dienst an der Nation«, zunehmend auch als »Dienst am Volk«. In seiner Publizistik, auch in den Vorworten zu den »Meistern der Politik«, hatte Müller politische Hoffnungen an vage Vorstellungen einer gestaltenden und führenden Figur geknüpft. Die deutsche Geschichte hingegen diente ihm als überaus konkreter Erfahrungsspeicher, der Beispiele zur Rückbesinnung und Vergewisserung bot. Als Zeit nationaler »Bewährung« erfreuten sich die »Befreiungskriege« von der Napoleonischen Herrschaft seines besonderen Interesses, zumal sie mit ihrem Ende in der Restauration zugleich auch warnendes Exempel sein konnten. In einem Vortrag in der Industriellengruppe der Münchner DNVP im Dezember 1923, der allerdings erst im Mai 1924 zum Abdruck in den Süddeutschen Monatsheften kam, parallelisierte Müller deutsche Vergangenheit und Gegenwart unumwunden bereits im Titel: »Die deutsche Erhebung vor hundert Jahren und heute«. Nicht zum ersten Male erlebe »unser Volk sein heutiges Schicksal«, Aufstieg und Absturz seien »tiefe bleibende Grundzüge unseres Wesens und unseres Schicksals.« Nicht eine »Krise der Geschichtsschreibung« oder ihrer Erkenntnisgrundlagen, die scheinbar immerwährende »Krise« der deutschen Geschichte trieb Müller um. Die deutsche Geschichte sollte im Guten wie im Schlechten als Orientierungsgröße dienen, um die gegenwärtige Lage einzuschätzen und zu klären, was sich daraus »für unsere Gegenwart und unsere heutige Zukunft« ergebe. Sein Schluss war eindeutig, die »Grundvoraussetzungen einer deutschen Erhebung sind heute noch dieselben wie damals.«308 Nicht historiographische Erforschung der deutschen Geschichte, sondern ihr unmittelbarer Gegenwartsbezug waren im Fokus Müllers. Dieses Motiv bedurfte keiner Verbrämung, es war die Grundlage seines Erkenntnisinteresses. Auch in seiner zum Jahreswechsel 1924/25 erschienenen, ersten monographischen Darstellung seit langem sollte Müller sowohl der Zeit um 1815 als auch ihrer angestrebten Vorbildrolle für die politische Gegenwart der Weimarer Republik treu bleiben. Eine wissenschaftliche Publikation war Müllers Biographie Karl Ludwig Sands, des Mörders August von Kotzebues, sicher nicht.309 In der Reihe »Stern und Unstern. Eine Sammlung merkwürdiger Schicksale und Abenteuer« erschienen neben Müllers »Sand« Darstellungen zu Rasputin und Struensee, herausgegeben vom Redakteur der Münchner Neuesten Nachrichten Tim Klein. Um Müllers Mitarbeit warb Klein mit dem Hinweis, die Darstellung solle »weder rein dichterisch sein, noch soll sie unter die Mischgattung der 307 Reuveni, Geschichtsdiskurs, S. 169. Den »Orientierungsverlust der Geschichtsschreibung« verbindet Reuveni mit der Krise des Historismus, der Staatsauffassung sowie des Historikerstandes allgemein, ebd., v. a. S. 170 – 185. 308 Müller, Die deutsche Erhebung vor hundert Jahren und heute (1924), S. 131 f u. 142. Zur Deutung der »Befreiungskriege« auch in der Weimarer Republik vgl. Wenzel, Befreiung. 309 Vgl. Müller, Sand (1925).

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historischen Poesie fallen«, man habe es »auf künstlerische Darstellung eines historischen Phänomens abgesehen.«310 Diese Vorgabe scheint Müller überzeugt zu haben. Sein Streben, sich des engen Korsetts wissenschaftlicher Werke zu entledigen, war ohnehin ausgeprägt. An Friedrich Meinecke berichtete der Oldenbourg Verlag, just als Müller im Herbst 1924 den »Sand« verfasste, dass dieser auch als seinerzeit in Aussicht genommener Autor für das von Meinecke mit Georg von Below herausgegebene Handbuch es vorgezogen hätte, ein »unabhängiges und selbständiges Werk« zu verfassen. Für »Herren, die schriftstellerisch besonders begabt« seien, war dem Verleger »dieser Wunsch auch nicht ganz unbegreiflich.«311 War es jedoch bei den Verhandlungen mit Oldenbourg noch Ziel gewesen, einer wissenschaftlichen Darstellung zu möglichst breitem Publikum verhelfen zu können, wurde nun angestrebt, eine verkaufsträchtige Studie zu einem populären Gegenstand mit hinreichend »wissenschaftlichem« Anstrich zu versehen. Auf Anmerkungen verzichtete die Darstellung, allerdings wurde in einem mehrseitigen Anhang die Quellengrundlage offengelegt, auch diskutierte Müller in diesem »Forschungsbericht« die Literatur zu Sand.312 Solche »Insignien« ausgestellter Wissenschaftlichkeit sind in ihrer Wirkung auf das Publikum nicht zu unterschätzen, gleichwohl lag der Schwerpunkt des Unternehmens woanders. Trotz einer Erstauflage von immerhin 4.000 Exemplaren, war noch 1925 eine zweite Auflage des »Sand« vonnöten.313 Auch beim »Sand« waren weniger Müllers wissenschaftliche als seine »künstlerischen« Fähigkeiten gefragt. Beziehungsweise seismographische, denn das politische Attentat war in den ersten Jahren der Weimarer Republik keineswegs nur ein Gegenstand für den historisch Interessierten. Müller verhehlte keineswegs, dass ihn die Beweggründe wie die Rechtfertigung der Tat Karl Ludwig Sands mehr aus zeitgenössischen denn geschichtswissenschaftlichen Gründen fesselten. Bereits in den einleitenden Zeilen des Buches sprach er die jedem Zeitgenossen präsenten Parallelen an: »Wer möchte sagen, welchen Lauf die Geschicke Deutschlands nach dem Weltkrieg genommen hätten, hätten Erzberger, Rathenau, Eisner länger gelebt?« Auch wenn weder Sand noch Kotzebue ein vergleichbares Gewicht eigen gewesen wäre, habe doch der Anschlag ein unmittelbares wie auch ein bis heute anhaltendes Echo gehabt. Sand sei, wenn auch irrend, ein »Mörder aus Sittlichkeit« zu nennen, auch »unter die Mörder aus Vaterlandsliebe muss man ihn rechnen«, dessen Tat »ihre Wurzeln tief im allgemeinen Boden, in Verfehlungen und Sünden der 310 Klein an Müller, 14. 4. 1924, BayHStA, NL von Müller 477. 311 Verlag an Meinecke, 24. 10. 1924, BWA, Oldenbourg Verlag 6. 312 So sei Treitschkes Darstellung in seiner »Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert« wie »immer glänzend farbig und eindrucksvoll; aber nicht gerecht, oft vorschnell aburteilend, auch nicht ohne tatsächliche Irrtümer.« Vgl. Müller, Sand (1925), S. 203. 313 Vgl. Honorarabrechnung C.H. Beck, 4. 11. 1924, BayHStA, NL von Müller 434; für die Erstauflage erhielt Müller noch vor Erscheinen 880 Mark Honorar. Der »Sand« zählt zu seinen Veröffentlichungen, die bis heute Verwendung finden, vgl. Corino, Robert Musil, S. 1721.

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Zeit« gehabt habe. Und, überdeutlich zeichnete Müller den offenkundigen Vergleich, lebten »wir Deutsche von heute nicht wieder in einer jener schrecklichen Krisen unserer auf- und abstürzenden Entwicklung?«314 Eben so wie Sand nicht rechtens, aber nachvollziehbar sich im Recht wähnend gehandelt habe, schien Müller seinen Lesern suggerieren zu wollen, so wäre auch die gegenwärtige Bedrängnis für eben solche Taten verantwortlich zu machen. Nicht zuletzt exkulpierte sich Müller auf diese Weise selbst, hatte er doch in seiner politischen Publizistik die Attentatsopfer scharf angegriffen.315 Ausführlich widmete sich Müller der Lebensgeschichte des 1795 geborenen Sand, stets die politische Entwicklung mit beschreibend, seiner Beteiligung am Wartburgfest 1817 und dem Engagement in der Jenaer Burschenschaft, voller Verständnis für Sands nationale Emphase. Es war eben, und Müller verhehlte dies auch nicht, aus seiner Sicht die erste und für die Gegenwart vorbildhafte »deutsche Erhebung«. Auch dem Mord an Kotzebue sowie seinen Nachwirkungen gab Müller breiten Raum, es »war doch ein ernstes Zeichen der Zeit, daß selbst in dem sanftmütigen, der raschen Gewalttat wie dem Meuchelmord abgeneigten deutschen Volke in diesem Fall die allgemeine Zuneigung viel mehr auf der Seite des Mörders als auf der des Ermordeten war.«316 Wem Müllers Sympathie galt, historisch wie zeitgenössisch, bedurfte keines weiteren Hinweises. Schließlich bemühte sich Müller für seine Beschreibung des historischen Attentats auch um die Einschätzung eines zeitgenössischen Attentäters. Wenige Tage nach Erscheinen sandte er das Buch an Anton Graf von Arco auf Valley, der Kurt Eisner ermordet hatte. Im Januar 1925 dankte Arco für »das mir in so liebenswürdiger Weise überreichte Werk ›Karl Sand‹, das mich sehr interessiert.«317 Die Lektüre scheint Arco befriedigt zu haben, im April sandte er Müller ein mit Widmung versehenes Exemplar seines politischen Manifests »Aus fünf Jahren Festungshaft«.318 Für die Aufnahme des »Sand« in der Öffentlichkeit, beim lesenden Publikum, sprach der verlegerische Erfolg.319 Doch wie reagierten Müllers Fachgenossen? Auch wenn die Darstellung keinen wissenschaftlichen Anspruch erhob, zudem das Umfeld ihrer Veröffentlichung unzweifelhaft populärhistorisch war, über die weitere Karriere Müllers als Historiker entschieden die nun vorgelegten Veröffentlichungen. 314 Müller, Sand (1925), S. 7 u. 9. Vgl. v. a. zum Rathenau-Mord: Sabrow, Verschwörung. 315 An zahllosen Stellen Kurt Eisner, aber auch Matthias Erzberger : »Die Seele ihres Vaterlandes ist der Parteiprofit. Ihr Sammelname heißt nach wie vor Erzberger.« Vgl. Müller, Los von Preußen? (1921), S. 231. 316 Müller, Sand (1925), S. 175. 317 Arco an Müller, 19. 1. 1925, BayHStA, NL von Müller 477. Müller vermerkte nachträglich auf dem Schreiben: »Tony Arco – der Mörder Eisners (üb. d. Mörder Kotzebues)«. 318 Mitsamt Abdruck des Widmungsexemplars vgl. Lübbers, Beobachtungen, S. 232 f. 319 Vgl. auch Müllers Aufstellung »Sand-Besprechungen« mit fast vierzig Einträgen u. die aus Verlagsangaben gezogene Auflistung der Einzelbesprechungen der »Stern und Unstern«Bände, Müllers »Sand« mit 34 weit vor den anderen Bänden, in: BayHStA, NL von Müller 477.

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Den Ton der wissenschaftlichen Besprechungen gab Heinrich von Srbik vor, für dessen Rezension in der Deutschen Literaturzeitung Müller mit allen universitären Meriten vorgestellt wurde. Sein Misstrauen gegen das Programm der Reihe zerstreue die »Lektüre des Müllerschen Buches«, dem dieser »durch seine edle Sprache und seine feinsinnige Art […] hohe Anziehungskraft und beträchtlichen Erkenntniswert verliehen« habe. Eine »historischpsychologische Studie von besonderem Rang«, bedauerlich sei nur, dass »die zeitgeschichtlichen Ursachen und die schweren Wirkungen« der Tat bloß gestreift würden.320 Auch Georg von Below schlug in diese Kerbe, mit Müllers »Bändchen« erhalte man eine »ausgezeichnete Gabe«, eine »meisterhafte kritische Studie individualer wie zeitgeschichtlicher Psychologie«. Belows Gütesiegel war eindeutig: »K.A.v. Müller ist einer der besten Darsteller, die Deutschland z. Z. überhaupt besitzt.«321 Auf die »schöne kleine Biographie« wies Franz Schnabel hin322, in der HZ rezensierte mit Herman Haupt einer der Begründer der burschenschaftlichen Geschichtsschreibung. Es sei »ein Meisterwerk«, das »seine Vorgänger weiter hinter sich« lasse, in »edler Sprache« geschrieben.323 Persönlich schilderte Erich Marcks seinen Lektüreeindruck. Müller bringe »die Dinge trotz ihrer Sprödigkeit, seiner Sprödigkeit zum Klingen«, er urteile »menschlich mitfühlend u. dabei völlig gerecht.« Der Sand sei »eine mitreißende Studie«, Müller ein »Historiker im Sinne meines (veralteten) Empfindens u. Bedürfnisses.«324 In allen Phasen seiner Karriere wurde Müller als schriftstellerisch begabter Historiker von einem ungewöhnlich breiten Publikum rezipiert. Müller schrieb zuallererst »Geschichte für Leser«, deshalb prägte die »Spannung zwischen geschichtswissenschaftlicher Darstellung im engeren Sinn und Geschichtspräsentation für ein breiteres Publikum«325 die Wahrnehmung seines Werkes auch in der universitären, professionellen Geschichtswissenschaft. Lesbarkeit galt bei Müllers Fachgenossen keineswegs als Makel, zumal konkurrierende populäre Darstellungen auf dem begrenzten publizistischen Markt für Einkommenseinbußen bei Universitätshistorikern sorgten. Auch der mit den aufstrebenden Naturwissenschaften ausgefochtene Kampf um Deutungshoheit über gesellschaftliche Problemlagen erforderte, wollte man die Stellung als Leitwissenschaft nicht verlieren, öffentliche Präsenz. Nicht nur Müllers Qualitäten, auch die Angst der Geschichtswissenschaft vor einem Bedeutungsverlust verhalf zur herausgehobenen Wahrnehmung als literarischer »Retter«. Da er mit seiner Dissertation den Nimbus hervorragender fachlicher Qualifikation erworben hatte, konnte Müller populärhistorische Werke veröffentlichen, ohne den Verlust wissenschaftlicher Anerkennung zu 320 321 322 323 324 325

Srbik, Sand (Rez.), S. 976, 977 f. Below, Sand (Rez.), S. 760. Schnabel, Sand (Rez.), S. 684. Haupt, Sand (Rez.), S. 608. Marcks an Müller, 27. 12. 1924, BayHStA, NL von Müller 477. Vgl. Hardtwig, Geschichte für Leser, Zitat S. 14.

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riskieren. Die leisen, vorsichtig geäußerten Zweifel der Kollegen am Rang des Werkes blieben unterdes merklich. In seiner Besprechung nannte Below den »Sand« ein »Büchelchen«, Haupt sprach von einem »fesselnden Werkchen«, Willy Andreas schließlich wünschte, dass »Sie Ihre Kunst der Seelenzergliederung und der Darstellung an einen größeren Gegenstand und an eine bedeutendere Figur wie die von Karl Ludwig Sand gewandt hätten, der doch eigentlich nur ein bedauernswerter Kerl ist.«326 Noch während die Besprechungen zum »Sand«, seinem lang erwarteten Beitrag zur deutschen Vergangenheit, einliefen, wendete sich Müller wieder der deutschen Gegenwart zu. Sein publizistisches Engagement hatte er seit dem »Hitlerprozess« keineswegs eingestellt, im Herbst 1925 schien ihm die Zeit reif für eine erste Bilanz. In »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« versammelte Müller eine Auswahl seiner historisch argumentierenden, politischen Publizistik seit seiner Zeit als Nachwuchshistoriker im Kaiserreich. Klare Grenzen zog Müller, wie auch in den Beiträgen selbst, zwischen Geschichte und Gegenwart nicht. Neben politischen Ereignissen gewidmeten Beiträgen zum »Ende der deutschen Flotte« und dem von Thomas Mann gelobten »Zwiesprach« waren auch »historische« Beiträge zum Freiherrn vom Stein oder zum Sturz Bismarcks vertreten.327 Der »deutsche Zusammenbruch am Ende des Weltkrieges: dieses Erlebnis« überschatte die Sammlung, führte Müller im Vorwort aus, ihr verbindender Gedanke sei »die tiefe Verflochtenheit unseres Charakters mit unserem geschichtlichen Schicksal.« Da sie sich »ihrer Natur nach an einen weiteren Kreis« wende, habe auf wissenschaftliche Beiträge verzichtet werden müssen.328 Trotzdem war Müller bemüht, auch diese Veröffentlichung zumindest äußerlich seinem wissenschaftlichen Œuvre zuordnen zu können, er widmete den Band »Erich Marcks in dankbarer Verehrung« und vermerkte in den Hinweisen zu den ersten Druckorten Bezüge zu Fachkollegen.329 Den einzigen zuvor nicht veröffentlichten Beitrag »Das Erbe des neunzehnten Jahrhunderts« hatte Müller auf einem »nationalpolitischen Lehrgang« in Stuttgart, veranstaltet auch vom Politischen Kolleg, im Herbst 1925 vorgetragen. Martin Spahn hatte eingeladen, über »den gegenwärtigen Stand der Kriegsschuldfrage« zu sprechen.330 Es gelte, so Müller in dem Beitrag, angesichts der Rede vom »Aufbau Deutschlands« den »Grund zu prüfen, auf welchem der Bau stehen soll.« Dieser Grund sei das 19. Jahrhundert, dessen 326 Andreas an Müller, 2. 2. 1925, BayHStA, NL von Müller 477. 327 Müller, Deutsche Geschichte und deutscher Charakter. Aufsätze und Vorträge (1926), das Vorwort ist auf den September 1925 datiert. Die Beiträge blieben weitgehend unverändert, im Aufsatz zu Vischer tilgte Müller einige Fremdworte, vgl. Schelling, Müller, S. 81. 328 Vgl. das Vorwort in: Müller, Deutsche Geschichte und deutscher Charakter. Aufsätze und Vorträge (1926), S. VIIf. 329 So verwies Müller auf Johannes Hallers »Epochen der deutschen Geschichte« und betonte, seine Darstellung zu Vischer decke »sich in vielem mit Meineckes Auffassung«, ebd., S. 237 f. 330 Spahn an Müller, 1. 9. 1925, BArch, NL Martin Spahn 96.

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wirtschaftliche, kulturelle und politische Entwicklung Müller musterte. In vielerlei Hinsicht glich der Beitrag Müllers früheren Ausführungen, allerdings war sein Tonfall gedämpfter. Kernaspekt der Skizze blieb ein dem wirtschaftlichen Aufschwung vermeintlich inhärenter kultureller Verfall, die »Entwurzelung alles Bodenständigen.« Trotz des Werkes Bismarcks seien die »Gegensätze der Stände und Weltanschauungen« nicht überwunden worden, zurückblickend zeige sich »das Schauspiel einer großen, immer weitergreifenden inneren Zersetzung.« Mit dem Zusammenbruch 1918 endete Müllers Darstellung: »Wir aber glauben noch an Deutschland.«331 Der Furor der Jahre nach dem Krieg war gemildert, an Zukunftsvorstellungen jenseits von Glaubensbekenntnissen mangelte es noch. Der Rang und die Wirkung des Publizisten Müllers jedoch waren nun in einer leicht zugänglichen Sammlung zu überprüfen. Für die DVA war es, nach den mit Erich Marcks publizierten Sammelbänden, die erste mit Müller als alleinigem Autor verlegte Publikation.332 Künftig wurde man zum »Hausverlag« Müllers, die Partnerschaft ließ sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht gut an. Im ersten Jahr wurden 1.282 Exemplare von »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« verkauft, 1927 immerhin noch 440 Stück. Zusammen mit dem im selben Jahr veröffentlichten »Görres in Straßburg« bezog Müller 1926 von der DVA Honorare von fast 1.040 Reichsmark.333 Jenseits des pekuniären Erfolgs verdeutlichte die Rezeption des Bandes, wie sehr der Historiker und der Publizist Müller aufeinander angewiesen waren, wie sehr Erwartungshaltungen und Zuschreibungen an die eine auch die jeweils andere Rolle stärkten. In der Tagespresse wurde vor allem der Gegenwartsbezug betont, Müller behandele »akute Themen aus der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts«.334 Für Josef Hofmiller war es von »allen in letzter Zeit erschienenen geschichtlichen Sammelbänden […] der gegenwärtigste und anziehendste nicht zuletzt aus dem Grunde, weil er auch stilistisch von vollendeter Meisterschaft ist.«335 Die Bewunderung seiner literarischen Fähigkeiten verhalf Müller zu Erfolg, auch und gerade in den Reihen der deutschen Geschichtswissenschaft. Doch über die bloße Anerkennung seines Talents hinaus ermöglichten es die darstellerischen Qualitäten Müller, politische Differenzen zu überbrücken und Gemeinschaft herzustellen. Bewegt dankte Hermann Oncken für die Sammlung, die »in ergreifendem Einklang das von allen Erlebte und von Ihnen so tief 331 Müller, Erbe des neunzehnten Jahrhunderts (1926), S. 63, 70, 91. Vgl. auch, unter Verwendung des Aufsatzes Müllers: Faulenbach, Ideologie, S. 91 – 100 sowie Chun, Moderne, S. 50. 332 Vertrag zwischen DVA u. Müller, Januar/Juni 1925, BayHStA, NL von Müller 434. 333 Im Nachlass liegen die Abrechnungen der DVA für Müllers Veröffentlichungen zwischen 1926 und 1942 vollständig, danach bruchstückhaft vor, alle Angaben zu Verkaufszahlen vgl. ebd. 334 Vgl. die Besprechung in der Germania: S., Deutsche Geschichte und deutscher Charakter (Rez.). Distanziert notierte der Rezensent, Müller erweise sich als »völkisch gesinnter Historiker«, doch lese man »sein Buch mit innerer Spannung.« 335 Hofmiller, Deutsche Geschichte und deutscher Charakter (Rez.), S. 2.

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Empfundene zu künstlerischem Ausdruck bringt. Soeben habe ich den mir fremden Aufsatz über das Ende der deutschen Flotte mit Erschütterung gelesen.« Müller verbinde, seiner »innersten Anlage gewiß, Historie und Publizistik in einer vollendeten Art«.336 Politisch bewegten sich der »Vernunftrepublikaner« Oncken und Müller an gegensätzlichen Enden des disziplinären Spektrums, doch Müller fasste in Worte, was alle glaubten erlebt zu haben und stiftete damit die ersehnte Einigkeit. Wilhelm Mommsen bekannte, dass obwohl er »innenpolitisch auf einem […] sehr entgegengesetzten politischen Standpunkt« stehe, er sich »selten mit der Auffassung eines Buchs derart einig gefühlt« habe. Es bestätige »die leider manchmal bestrittene Tatsache, daß wirkliche historische Betrachtungsweise über alle Gegensätze hinweg doch zu starker Gemeinsamkeit« kommen könne.337 Die Aufsätze seien, so Max Buchner, ein »meisterhaftes Erzeugnis deutscher Geschichtsschreibung«.338 Auf diese Weise profitierten beide, Müllers publizistische Beiträge erfuhren eine »Verwissenschaftlichung«, die Geschichtswissenschaft gewann an erwünschter zeitgenössischer Urteilskraft. Für Müllers Karriere blieb von Belang, wie sehr die Geschichtswissenschaft seiner bedurfte, Heinrich von Srbik ließ daran keinen Zweifel: »Wir haben so wenig Historiker, die den Essay in seiner edelsten Art beherrschen.«339 Mit der Widmung des Buches an Marcks hatte Müller, wenn auch an seiner Verehrung kein Zweifel besteht, nicht zuletzt sich selbst in eine historiographische Traditionslinie eingeschrieben.340 Marcks empfand dies keineswegs als anmaßend, dieses »Zeichen der Gemeinschaft ist mir ein wahres Geschenk. […] Ich stehe sehr unter dem Zauber Ihrer Art, wie seit langen Jahren so oft«. Auch nach der Lektüre blieb Marcks gerührt, gelesen habe er mit »tiefem Eindruck u. nicht selten mit Tränen in der Seele. […] Es ist ein sehr schönes Buch, in allen seinen Stücken.«341 Der Reigen der Anerkennung ist mühelos fortzuführen, für Willy Andreas war die Sammlung ein »schöner Ausdruck Ihrer reichen Persönlichkeit«, auch Max Lenz empfand, die Aufsätze zeigten Müllers »Meisterschaft als Erzähler«.342 Kritische Ansichten blieben in der Minderheit – Adalbert Wahl teilte zwar Müllers negative Einschätzung des »alten Deutschland« nicht, aber seine Diagnosen zum »deutschen Charakter« sehr wohl343 – die Sehnsucht nach disziplinärer Einigkeit überwog. Einzig Gerhard Ritter in der Historischen Zeitschrift scherte aus, trotz der »farbenreichen rhetorischen Kunst, die man an dem Verfasser« kenne. Doch wo »die in sinnender Betrachtung schwelgende Darstellung in historisch-politisches 336 337 338 339 340 341 342 343

Oncken an Müller, 31. 1. 1926, BayHStA, NL von Müller 477. W. Mommsen, Deutsche Geschichte und deutscher Charakter (Rez.), S. 440. Buchner, Deutsche Geschichte und deutscher Charakter (Rez.), S. 297. Srbik an Müller, 7. 2. 1926, BayHStA, NL von Müller 477. Neben Nordalm, Marcks vgl. auch: Krill, Rankerenaissance. Marcks an Müller, 14.2. u. 5. 3. 1926, BayHStA, NL von Müller 477. Andreas an Müller, 9. 3. 1926; Lenz an Müller, 26. 9. 1926, ebd. Wahl, Deutsche Geschichte und deutscher Charakter (Rez.), S. 1 f.

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Räsonnement übergeht, fühle ich mich oft zu starkem Widerspruch gereizt: der politischen Kritik scheint es mir an Nüchternheit und positiven, ernst zu nehmenden Zielen, der politischen Fragestellung an Klarheit und begrifflicher Schärfe zu fehlen.« Das Buch werde »dank seiner literarischen Vorzüge« wirken, doch »eine glückliche politisch-pädagogische Wirkung« verspreche er sich nicht.344 Die Konkurrenz mit Ritter, der Müller in den vergangenen Jahren mit mehreren erfolgreichen Berufungen »überholt« hatte, nahm hier ihren Ausgang und prägte Müllers wissenschaftliche Biographie für Jahrzehnte.345 Müller selbst befürchtete Kritik vor allem aus seinem engeren Umfeld, an Martin Spahn schrieb er : »Hier in Bayern werde ich zurzeit nicht für alle Töne, die in diesen Reden angeschlagen sind, ein gleich freundliches Echo finden. Um so dankbarer bin ich für jeden Widerhall von ›draußen‹.«346 In der Tat hatte sich Müller in seiner Publizistik als Fürsprecher eines starken Preußens hervorgetan.347 Auch wenn die Befürchtungen sich als unbegründet erweisen sollten – selbst die offiziöse Bayerische Staatszeitung besprach »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« freundlich und der Ministerpräsident Bayerns Heinrich Held dankte Müller348 – als betont bayerischer Historiker war Müller seit der Habilitation nicht aufgetreten. Vorsichtig hatte Oncken als Reihenherausgeber im Februar 1919 die von Müller übernommene Fortführung von Riezlers »Geschichte Baierns« angemahnt: »Sie werden es wohl nicht unbescheiden von mir finden, wenn ich, nachdem der Krieg zu Ende gegangen, mir erlaube auf unseren vor drei Jahren abgeschlossenen Vertrag zurückzukommen […]. Im Januar 1916 haben Sie mit Recht geltend gemacht, daß Sie […] nicht vor dem Frieden ernstlich an die Bayrische Geschichte würden herantreten können.«349 Dies würde nicht die letzte Mahnung Onckens bleiben, Erfolg war ihnen allen nicht beschieden. Trotz der im »Landtagebuch« demonstrierten Bindung an die bayerische Heimat, auch des Engagements für die heimatliche Kultur350, in seinen politischen wie historiographischen Perspektiven blieb Müller partikularen Vorstellungen vorerst fern. Mit der Biographie Karl Sands und der Sammlung historisch-politischer Aufsätze hatte Müller sein historiographisches Profil in populärwissenschaftlicher Hinsicht geschärft, genuin wissenschaftliche Geschichtsschreibung blieb trotz allen Lobes für schriftstellerisches Können und politischen Spürsinn aber vonnöten. Müller selbst hatte solche Erwartungen geweckt, an eine positive Bewertung von »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« 344 345 346 347 348

G. Ritter, Deutsche Geschichte und deutscher Charakter (Rez.), S. 348. Umfassend zu Ritter vgl. Cornelißen, Ritter, zu Müller in den 1920ern S. 147, 173. Müller an Spahn, 2. 3. 1926, BArch, NL Martin Spahn 41. Vgl. beispielhaft zahlreiche Passagen in: Müller, Los von Preußen? (1921). B., Deutsche Geschichte und deutscher Charakter (Rez.); Held an Müller, 14. 4. 1926, BayHStA, NL von Müller 477. 349 Oncken an Müller, 14. 2. 1919, BayHStA, NL von Müller 493. 350 Seit 1917 war Müller Mitherausgeber des »Bayerland. Illustrierte Halbmonatsschrift für Bayerns Land und Volk«. Vgl. Vollhardt, »Das Bayerland«, S. 37 – 41.

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knüpfte Franz Schnabel den Wunsch, Müller möchte »diese Gedanken in einer breiter angelegten Geistesgeschichte des deutschen Volkes an dem Gang der Jahrhunderte prüfen und in ihm ausklingen lassen.«351 Die Dringlichkeit einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Monographie, die Dissertation lag über fünfzehn Jahre zurück, war Müller bewusst. Den Dank an Wilhelm Mommsen für die Besprechung von »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« hatte Müller lange versäumt, nun verband er seine Bitte um Entschuldigung mit dem Hinweis, er »steckte damals Hals über Kopf im Abschluss des kleinen Görresbuches, der mir alle verfügbare Zeit – ich bin ja leider durch Verwaltungsgeschäfte den guten halben Tag belegt u. genieße nur Beamten-, keine Universitätsferien – wegnahm«.352 Die 1917 eingereichte Habilitationsschrift über Joseph von Görres konnte Müller nun, im Herbst 1926, endlich veröffentlichen.353 Vor 1914 als Verfasser einer Görres-Biographie gehandelt, waren nach dem Krieg trotz des Ausbleibens neuerer Forschungsbeiträge die Erwartungen an Müller auch in dieser Hinsicht ungebrochen. Der Bonner Historiker Aloys Schulte erinnerte Müller im November 1921 an seine Zusage, sich der »reizvollen Aufgabe: Der junge Görres in knapper für weite Kreise berechneter Darstellung« widmen zu wollen, gedacht für die Vereinsschrift der GörresGesellschaft. Es sei für Müller »doch auch eine Kleinigkeit, das, was in Ihrem Kopfe lebt, niederzuschreiben, zu gestalten.«354 Doch Müller blieb den Beitrag schuldig, auch der für die neu begründete »Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte« vorgeschlagene Aufsatz »Goethe und Görres« kam nicht zustande.355 Allerdings präsentierte Müller im Januar 1922 in der Unterhaltungsbeilage der Münchner Neuesten Nachrichten in »Josef Görres. Ein deutscher Führer und Prophet« einige Auszüge aus Werken von und über Görres, dieser sei als »katholischer Führer« einer der »größten Vorkämpfer der geistigen und politischen Befreiung Deutschlands« gewesen.356 Wie schon in den Vorworten der »Meister der Politik« gewann auch hier der in Müllers Publizistik virulente Begriff des »Führers« seine Attraktivität aus seiner Unbestimmtheit wie aus der daraus resultierenden Anschlussfähigkeit. Weitere Ausführungen zu Görres’ »Führereigenschaften« folgten nicht, jedoch bewegte sich Müller mit seinen Zuschreibungen im zeitgenössischen Rahmen einer Sicht auf Görres als »nationalen Seher und Rufer«.357 Schnabel, Deutsche Geschichte und deutscher Charakter (Rez.), S. 604. Müller an Mommsen, 6. 11. 1926, BArch, NL Wilhelm Mommsen 398. Vgl. Müller, Görres in Straßburg (1926). Schulte an Müller, 9. 11. 1921, BayHStA, NL von Müller 494. Vgl. zur Görres-Gesellschaft in der ersten Hälfte der 1920er Jahre auch Morsey, Görres-Gesellschaft. 355 Paul Kluckhohn an Müller, 28. 9. 1922 u. 22. 1. 1923, BayHStA, NL von Müller 439; Müller an Kluckhohn, 29. 9. 1922, DLA, A:Deutsche Vierteljahrsschrift (Paul Kluckhohn). 356 Müller, Görres. Ein deutscher Führer (1922), S. 13. 357 Vgl. Krobb, Görres-Rezeption.

351 352 353 354

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Die ungedruckte Habilitation ersetzte dies natürlich nicht. Noch im Dezember 1921 hatte Müller gegenüber Oncken angekündigt, er wolle aus den »Görres-Arbeiten« demnächst ein »Bändchen« über »Görres in Straßburg« abschließen.358 Wenige Monate darauf warb Marcks bei der Notgemeinschaft um finanzielle Unterstützung: »Es ist eine Monographie von eigenem sachlichen u. künstlerischem Wert, deren Erscheinen mir dringend wünschenswert vorkommt.«359 Doch in den folgenden Jahren konzentrierte sich Müller auf die politische Publizistik, der im engeren Sinn katholischen Geschichtsschreibung verbunden war er ohnehin nicht.360 Allenfalls Trostpflaster waren die, in den von Müllers Freund Max Buchner herausgegebenen »Gelben Heften« edierten Görresbriefe, die überdies noch an »Stelle der im letzten Heft in Aussicht gestellten biographischen Skizze« erschienen.361 Müller klagte, es gelinge ihm »zurzeit nicht, einen allgemeinen Aufsatz« über Görres zu schreiben. Zumindest sei er »überhaupt wieder zu meinen Görres-Arbeiten zurückgekehrt«, doch ein »kurzer, allgemeiner Überblick fordert die größte innere Bestimmtheit u. Klarheit«.362 Seine Mängel als wissenschaftlicher Autor warfen zugleich ein bezeichnendes Licht auf den Historiker Müller wie auf die deutsche Geschichtswissenschaft, deren Wunsch nach Anteil an der von Müller erzielbaren, öffentlichen Wahrnehmung zumeist schwerer wog als dessen fachliches Versagen. Ein Jubiläum sollte es schließlich richten. Der 150. Geburtstag Joseph von Görrres’ stand 1926 an, Müller eröffnete das Jahr mit einem Beitrag in den Münchner Neuesten Nachrichten.363 Nun, bestärkte ihn Marcks, sei Müller »in erfreulicher Produktivität; vorwärts, Karl Alexander«, der Görres müsse nun in Buchform erscheinen.364 Das Jubiläum erzeugte Druck, mitten im laufenden Kölner Berufungsverfahren verwies Müller auf die kurz bevorstehende Veröffentlichung: »Ich bin im Augenblick in großem Arbeitsdrang, da die Deutsche Verlagsanstalt ein kleines Görresbuch, das ursprünglich im Herbst erscheinen sollte, wenn möglich – aus verlegerischen Gründen, noch zum 1. Juli herausbringen möchte«.365 Auch zur Festschrift der Görres-Gesellschaft war Müller eingeladen, angesichts der Hoffnung auf einen Lehrstuhl in Köln kam ein Ausfall nicht in Frage. Das geplante Thema »Görres und Metternich« wurde noch verworfen, doch Müller lieferte mit »Görres’ Berufung nach 358 Müller an Oncken, 15. 12. 1921, NLA StA Oldenburg, NL Hermann Oncken, Nr. 377. 359 Marcks an Notgemeinschaft, 30. 3. 1922, BayHStA, NL von Müller 492. 360 Müllers Einstellung zum Katholizismus und seiner Wahrnehmung als Katholik wird sich im folgenden Abschnitt, bei den Berufungsverfahren an der Universität Köln, gewidmet. 361 Müller, Drei unbekannte Görresbriefe (1924), S. 181. Vgl. zudem Flemming, Buchner. 362 Müller an Buchner, 11. 1. 1925, BArch, NL Max Buchner 106. Immerhin hatte er unterdes einen Verlagsvertrag zu »Görres in Straßburg« unterschrieben, vgl. Vertrag zwischen DVA und Müller, Dezember 1924 (Müller unterschrieb am 20. 12. 1924), BayHStA, NL von Müller 434. 363 Müller, Görres. Zu seinem 150. Geburtstag (1926). 364 Marcks an Müller, 5. 3. 1926, BayHStA, NL von Müller 477. 365 Müller an Friedrich von der Leyen, 2. 5. 1926, UAK, Zug. 44/41, Bl. 54/55.

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München« seinen Beitrag.366 Zusätzlich konnte Müller einen Artikel in der populären Sonntagsbeilage der Kölnischen Volkszeitung plazieren367, auch an der entstehenden Ausgabe der Gesammelten Schriften Görres’ war er beteiligt.368 Kurzum, Müllers »Görres in Straßburg 1819/20. Eine Episode aus dem Beginn der Demagogenverfolgung« erschien im Sommer 1926 zum passenden Zeitpunkt. Das Buch entsprach allen Regularien wissenschaftlicher Veröffentlichungen, mit einem umfangreichen Anmerkungsapparat, einem Verzeichnis »Benützte Archivalien« und einem längeren Quellenanhang. Trotzdem scheint Müller selbst vom Gewicht seines Werkes nicht überzeugt gewesen zu sein. Er habe sich lange »besonnen, dies Buch in seiner folgenden Form in die Welt hinausgehen zu lassen: ein historisches Genrestück […]. Aber warum sollte, neben so vielen gewichtigeren Dingen, nicht auch einmal ein Werklein dieser Art wieder sein Recht haben?«369 In der Tat beschränkte sich Müllers Darstellung auf Görres’ Aufenthalt in Straßburg, einsetzend mit dessen Ankunft im Oktober 1819 bis zur Abreise im Mai 1820. Wechselnd zwischen allgemeinen Ausführungen zur politischen Lage und präzise auf Görres’ Situation zugeschnittenen Abschnitten, entwarf Müller ein anschauliches Panorama eines Lebensabschnitts. Eben eine »Episode«, ohne diese jedoch tiefgehender in die Biographie Görres’ oder sein Wirken einzubetten. Eine biographische Skizze des »heißblütigen, wetterleuchtenden Rheinländers«, des »genialen Holzhändlersohnes«, eine »mächtige, eindrucksvolle Gestalt«, ein »Kämpfer für deutsche Einheit und Freiheit« – allein diese von einer einzigen Seite der Studie stammenden Zitate verdeutlichen, wie wenig Müller um problemorientierte Analyse bemüht war.370 Seine Fabulierlust ließ keinen Raum für nüchterne Fragestellungen, bereits im Gutachten von 1917 hatte Erich Marcks sich selbst rhetorisch gefragt: »Ist das korrekt genug für eine Habilitationsschrift? Ich denke ja; denn hinter der Anmut des Vortrages, die doch im Stoffe wurzelt, liegt alle erforderliche kritische Arbeit und alle vertiefte historische Befassung des Gegenstandes, und dieser Gegenstand selbst hat historischen Wert.«371 Die glänzend formulierte, keine fachlichen Kontroversen auslösende Darstellung Müllers bot eingängige Antworten, keine Fragen, sie entsprach einer in der Geschichtswissenschaft auch vorhandenen Sehnsucht nach Konsens. Historiographiegeschichtlich erscheint es müßig, den mangelnden wissenschaftlichen Gehalt der Ausfüh366 Müller, Görres’ Berufung (1926). 367 Müller, Görres/Doktortitel (1926). Zur Entwicklung populärer katholischer Historiographie vgl. Weichlein, Geschichtsschreibung. 368 Ein 1926 erschienener Band wies ihn als Mitherausgeber der Reihe aus, vgl. Görres, Geistesgeschichtliche. Müller war auch für eine Edition des Rheinischen Merkur vorgesehen, an den 1928 erschienenen Bänden aber nicht beteiligt, vgl. »Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Josef Görres« o. D., BayHStA, NL von Müller 281. 369 Vgl. sein Vorwort in: Müller, Görres in Straßburg (1926), S. VII. 370 Ebd., S. 9. 371 Gutachten Erich Marcks, 9. 2. 1917, UAM, E-II-2517.

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rungen Müllers nachzuweisen, wenn seine Fachkollegen, die über die disziplinäre Zugehörigkeit Müllers wie seiner Publikationen befanden, diese als Bestandteil professioneller Geschichtswissenschaft akzeptierten. Die wissenschaftliche wie die breitere Öffentlichkeit rezipierte Müllers »Görres in Straßburg« in gleicher Weise wie frühere Veröffentlichungen. In der HZ zeigte sich Julius Heyderhoff begeistert, unter den »zahlreichen Beiträgen zur Görresliteratur« sei »diese kleine Schrift die anmutigste Gabe, in glücklicher und heute selten gewordener Verbindung zugleich historisches Kunstwerk und tiefgründige Forscherleistung«. Müllers »Anschauungskraft und Schilderungsfreude« habe den »dankbaren Stoff völlig in geschautes Leben verwandelt; aller Aktenstaub ist verschwunden.«372 Auch Gerhard Kallen begrüßte die Wiedergabe von Archivalien, zudem erscheine es »kaum notwendig hervorzuheben, daß des Verf.s zum Ausdruck gekommene Eigenart, gründliche, gelehrte Forschung zu vereinigen mit einer künstlerischen Darstellung, sich auch in dem vorliegenden Werke in glänzendem Lichte« zeige.373 Eine »streng urkundentreu und doch mit einer gewissen epischen Anmut« schildernde, eine »als Kunstwerk wie als wissenschaftliche Leistung gleich erfreuliche Schrift« – die Verbindung von Wissenschaft und Kunst blieb Müllers vielfach wahrgenommenes Markenzeichen.374 Dem interessierten Literaturfreund legten Besprechungen den Band als »Detektivroman« ans Herz375, und auch im neuen Medium Radio fand das »liebenswürdige Büchlein« Zuspruch.376 Mit der Veröffentlichung von »Görres in Straßburg« schloss Müller in der Wahrnehmung der Disziplin die letzte Lücke in seinem historiographischen Profil. Im Glückwunsch zu einer »schlechthin vollendeten Leistung« fasste Willy Andreas den Wert Müllers für die deutsche Geschichtswissenschaft zusammen: »Die Kunst, in einem begrenzten Lebensausschnitt und einer kurzen Spanne der geschichtlichen Entwicklung alle lebendigen Kräfte der Zeit zur Darstellung zu bringen, ist heute im Aussterben; Sie aber sind darin Meister.«377

372 Heyderhoff, Görres in Straßburg (Rez.), S. 317 f. 373 Kallen, Görres in Straßburg (Rez.), S. 895. 374 Vgl. Unger, Görres in Straßburg (Rez.), S. 377; Stenzel, Görres in Straßburg (Rez.), S. 667 sowie Hardtwig, Geschichte als Wissenschaft oder Kunst. 375 Gleich zwei Rezensenten bedienten sich der Formulierung, vgl. Oehlke, Görres in Straßburg (Rez.), S. 180 sowie Eckstein, Görres in Straßburg (Rez.), S. 806. In der Frankfurter Zeitung glich Müllers Darstellung einer »Detektivgeschichte«, vgl. Kamper, Görres in Straßburg (Rez.). 376 Vgl. Sendemanuskript Westdeutscher Rundfunk Köln in: BayHStA, NL von Müller 514. 377 Andreas an Müller, 16. 9. 1926, BayHStA, NL von Müller 478.

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3.3 Institutionen und Konstitutionen »Von 1924 bis 1927 schlugen nicht weniger als vier deutsche Universitäten, eine nach der andern, mich für eine ordentliche Professur der neueren Geschichte vor: Kiel, Köln, Halle und Breslau, fast alle betont an erster Stelle.« Die »Rufe, die mich nicht erreichten«, erhielten in Müllers drittem Erinnerungsband einen eigenen Abschnitt. Zurückgewiesen vom »Weimarer Staat«, so Müller, habe er sich empfunden und einem Freund geschrieben: »Er will mich nicht haben, so brauche ich ihn auch nicht zu lieben.«378 In dieser doppelbödigen Form, die Raum für eine Unterscheidung zwischen seiner damaligen und nunmehrigen Sicht ließ, unterbreitete Müller ein gern angenommenes Angebot an seine Leser. Müllers Ablehnung der Weimarer Republik sei auch eine Reaktion auf deren Abweisung gewesen, sein Engagement für den Nationalsozialismus erkläre sich aus der Enttäuschung über eine ungerechtfertigte Benachteiligung. Die politische Ernüchterung durch die Kriegszieldebatte hatte Müller zu einer regen publizistischen Tätigkeit motiviert, auch sein Profil als Geschichtsschreiber hatte er in den 1920er Jahren schärfen können. Für beide Formen des öffentlichen Auftrittes erhielt Müller vielfache Zustimmung. Auch wenn zwischen wissenschaftlicher und populärer Geschichtsschreibung sich die Waage deutlich zu letzterer neigte, blieb seine Wahrnehmung als angesehener Vertreter der deutschen Geschichtswissenschaft ungebrochen. Doch institutionell trat Müller auf der Stelle, die abgelehnten Rufe nach Karlsruhe und Berlin lagen Jahre zurück, als Syndikus der Bayerischen Akademie der Wissenschaften war er als Verwaltungsbeamter tätig. Konkurrenten wie Gerhard Ritter waren an ihm vorbeigezogen. Eine enttäuschende »Nichtberufungskarriere« plagte Müller zwischen 1922 und 1928. Die sämtlich scheiternden Berufungsverfahren ermöglichen jedoch, jenseits persönlicher Briefe und öffentlicher Rezensionen den Rang und die Wahrnehmung Müllers in der Geschichtswissenschaft nachzuzeichnen.

3.3.1 Berufene und Berufungen – Universitätspolitik in der Weimarer Republik Auch die Universitäten blieben von der als krisenhaft empfundenen Entwicklung der deutschen Wissenschaft seit dem Weltkrieg nicht ausgenommen. Doch die allfälligen »Not- und Krisendiskurse waren keineswegs nur Ausdruck der Weimarer Problemlagen«, sie spiegelten auch tiefgreifende »Umgestaltungsprozesse mit entsprechenden Interessenkonflikten« wider.379 Be378 Müller, Wandel (1966), S. 255 – 257. 379 John, »Not deutscher Wissenschaft«, S. 123.

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reits seit Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich eine universitäre Karriere zunehmend als Illusion erwiesen, das »Endziel Ordinariat wurde für die Mehrheit ein utopischer Traum«.380 Allerdings erstreckte sich die Wahrnehmung eines Niedergangs nicht nur auf wenig aussichtsreiche Karrierewege und sozialen Abstieg. Auch das Prestige des Universitätslehrers sah man angesichts von »Vermassung« und Bildungsmisere im Schwinden, verstärkt in den Geisteswissenschaften durch den drohenden Verlust von Deutungskompetenz an die Natur- und Technikwissenschaften.381 Mögen die vielfach beklagten finanziellen Verluste einer Nachprüfung zumindest ab Mitte der 1920er Jahre nicht standhalten382, so blieb die Wahrnehmung einer bedrängten Lage zweifelsohne wirkmächtig. In ihrer Reaktion auf Veränderungsdruck und wandelndes politisches sowie soziales Umfeld »erwiesen sich die Universitäten als strukturkonservativ.«383 All dies wurde der ohnehin abgelehnten Demokratie zugerechnet, die ausgemachte scharfe Frontstellung zwischen »einer modernistischen Minderheit von Republikanern […] sowie einer orthodoxen Mehrheit von Monarchisten« unter den Ordinarien ist jedoch zu relativieren.384 Zwischen den politischen Lagern war keine Trennlinie, sondern eine Grauzone, die Raum bot für die Anerkennung fachlicher Übereinstimmung bei politischer Differenz, für die Rezeption der Veröffentlichungen Müllers war dies zu zeigen. Während seiner langjährigen Konzentration auf die politische Publizistik scheint Müller für einige seinem Rang entsprechende Berufungsverfahren nicht zwingend im Fokus gestanden zu haben, bei 1921 und 1922 anstehenden Nachfolgen an den Universitäten Münster und Göttingen fand Müller keine Beachtung. Nicht zuletzt erwiesen sich die früheren Absagen als folgenreich, eine Erstberufung scheuten beide Universitäten. Die Chance, den Lehrstuhl in Karlsruhe als Sprungbrett zu nutzen, hatte Müller 1919 ausgeschlagen. Der statt seiner nach Karlsruhe berufene Hermann Wätjen hingegen hatte eben diese Chance ergriffen und wurde nun Lehrstuhlinhaber in Münster.385 Bei der Nachfolge seines Förderers Erich Marcks in München langte es für Müller nur zu einer Nennung auf der ersten, noch siebzehn Namen umfassenden Vorschlagsliste, eine weitere Intervention Sigmund von Riezlers zum Verbleib Müllers im Kandidatenkreis blieb erfolglos.386 Müller saß in der Falle seiner 380 381 382 383 384 385

vom Bruch, Abschied, S. 41. Eckel, Geist der Zeit, S. 34 – 41. Vgl. entsprechend Jansen, Hochschullehrerschaft, v. a. S. 189. John, »Not deutscher Wissenschaft«, S. 138. Ringer, Gelehrten, S. 186 – 228, Zitat S. 187. Zu Münster vgl. UAMü, Bestand 62 Nr. B II 2b. In Göttingen stand die Nachfolge Max Lehmanns an, die A.O. Meyer antrat, vgl. die Beratungen in: UAG, II Ph 36 e. Zu den Universitätskarrieren deutscher Geschichtsprofessoren vgl. W. Weber, Priester, die Aufstellung der Lehrstuhlinhaber aller deutschen Universitäten von 1804 bis 1970, ebd., S. 533 – 577. 386 Vgl. »I. Sitzung der Kommission für die Nachfolge E. Marcks«, 15. 1. 1922; »2. Sitzung der Kommission zur Neubesetzung der Marcksschen Professur« o. D., UAM, O-XV-2i, Bd. 1. Berufen wurde letztlich Hermann Oncken, vgl. KM an Senat UM, 3. 2. 1923, ebd.

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zwar früh erfolgreichen, dann aber wenig orthodox verlaufenen Karriere. Während für hoch angesehene Universitäten wie München eine Erstberufung nicht in Frage kam, erschien Müller für kleinere Universitäten wiederum selbst zu hochrangig und profiliert, eine Ablehnung des Rufes oder ein rascher Fortgang bei besseren Angeboten wollte nicht riskiert werden. Die dargestellte historiographische Profilierung Müllers in den Jahren 1923 bis 1926 war noch nicht erfolgt, auch Marcks konnte nur trösten und zugleich den Finger in die Wunde legen: »Daß Sie v. d. Universität mit Bitterkeit schreiben, musste ich verstehen, aber es tut mir leid. Wie gesagt: Kränken Sie alle Gegner durch Meisterwerke«.387 Das erste der vier von Müller beklagten Berufungsverfahren an der Universität Kiel, dessen universitäre Überlieferung gänzlich verloren ist388, galt der Nachfolge Fritz Hartungs. In üblicher Weise war der scheidende Ordinarius an der Findung seines Nachfolgers beteiligt. Im Juli 1923 bat Hartung daher Willy Andreas um Meinungsäußerung auch zu Müller. Die Antwort von Andreas legte die erworbenen Meriten Müllers, aber auch alle problematischen Aspekte seines Profils offen: »Sich um Karl Alexander von Müller zu bemühen halte ich für so gut wie aussichtslos, denn er ist durch persönliche, wissenschaftliche Neigungen und Familie vollkommen im altbairischen Boden und in München verwurzelt, offenbar aber nicht im selben Masse in der Universität, der er auch durch seine Geschäftsführung bei der Akademie und durch eine gewisse Kränklichkeit etwas entzogen wird.« Müllers einst bei den Rufen nach Karlsruhe und Berlin erwiesene Unwilligkeit, München zu verlassen, hatte sich zum Urteil verfestigt. Aber auch das Ausbleiben wissenschaftlicher Beiträge monierte Andreas, habe er doch »von dieser lebensvollen, tiefangelegten Begabung, von ihrer flüssigen und glanzvollen schriftstellerischen Kraft« viel erwartet. Alle Hoffnungen hatte Andreas indes nicht fahren lassen, er wünsche »ihm und unserer Wissenschaft, dass Müller seine alte Kraft wiederfinde und nach diesen Jahren der Stockung neuen und gleichmässigen Aufschwung nehme.«389 Dieser eine Berufung Müllers nicht befürwortenden, zugleich aber zwiespältigen Beurteilung scheint die Stimmungslage in der Kieler Fakultät entsprochen zu haben. Einige Tage zuvor hatte Müller von Richard Fester die Mitteilung erhalten: »Ich hatte Sie auf eine Kieler Anfrage vor einiger Zeit an erster Stelle genannt, höre jetzt aber, daß die Fakultät sich über die Liste nicht einigen kann.«390 Während Hermann Oncken im erbetenen Gutachten seinen Schüler Gerhard Ritter vor Müller eingruppierte391, überbrachte Müllers Schüler Kurt von Raumer Nachrichten, die auf eine unmittelbar bevorste387 388 389 390 391

Marcks an Müller, 24. 6. 1922, BayHStA, NL von Müller 475. Mitteilung des Landesarchivs Schleswig-Holstein an den Autor vom 17. 6. 2009. Hartung an Andreas, 11. 7. 1923; Andreas an Hartung, 16. 7. 1923, GLA, NL Willy Andreas 750. Fester an Müller, 6. 7. 1923, BayHStA, NL von Müller 491. Vgl. die Mitteilung Onckens an Ritter, 28. 9. 1923, BArch, NL Gerhard Ritter 459.

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hende Berufung Müllers hoffen ließen. Aus Kiel berichtete Raumer, man hoffe »allgemein u. eindringlichst auf Ihr Kommen«, man sage, dass »der Vorschlag in einer Form abgefaßt sei, daß das Ministerium schwer ohne Skandal von seiner Reihenfolge abweichen könne.« Raumer hatte zudem Marcks in Berlin einen Besuch abgestattet, dieser empfehle den Gang nach Kiel. Müller solle »in den sich darbietenden Wirkungskreis eintreten; er sei der Ausgangs- oder Durchgangspunkt zu weiteren größeren Bereichen, aber ein notwendiger, die Voraussetzung für sie.«392 Es scheint, dass Müller für die Professur an erster Stelle genannt war, Andreas notierte auf der Rückseite seines Gutachtens: »Die Liste lautete dann: 1) K.A.v. Müller 2) Wolters – Schüssler 3) Ritter. Berufen wurde Wolters«.393 Der tatsächlich berufene Friedrich Wolters zählte zum engsten Kreis um Stefan George, dem mit Carl Heinrich Becker auch der Staatssekretär und spätere preußische Kultusminister nahestand. Die »starke Position der Georgeaner im wissenschaftlichen Feld wurde in den zwanziger Jahren maßgeblich getragen durch die hochschulpolitischen Aktivitäten« Beckers, der mit Wolters sehr gut bekannt war.394 Letztlich blieb das für Müller gleich, drei Jahre und weitere Enttäuschungen in Berufungsfragen später schrieb er Richard Fester, er sei in Kiel »primo loco vorgeschlagen« gewesen, aber das Ministerium »berief dann den an 2. Stelle genannten (Wolt.). Ich war damals entschlossen, nach Kiel zu gehen.«395 Im Frühjahr 1924 erfuhr Müller erneut bei einem Berufungsverfahren Aufmerksamkeit. Auch die nach dem Weltkrieg wieder gegründete Kölner Universität bat Willy Andreas um ein Gutachten. Man plane ein drittes eigenständiges Ordinariat, Müller werde von Friedrich von der Leyen empfohlen, doch »haben wir schon einmal mit einem Leyenschen Freundschaftskandidaten arg Pech gehabt.«396 In der Tat war Müller mit von der Leyen seit mehr als fünfzehn Jahren und der gemeinsamen Herausgabe des »Deutschen Sagenbuches« gut bekannt, der Germanist war seit 1920 Ordinarius in Köln. Andreas wiederholte sein Kieler Urteil, Müller sei eine »unserer lebensvollsten Begabungen, ein wirklicher Schriftsteller und als solcher nicht ohne Glanz.« Aber er sei München sehr verbunden, man könne auch nicht verschweigen, dass »Müllers Produktivität seit Jahren gering ist und offenbar unter schweren Hemmungen irgendwelcher Art leidet. Sein Pitt ist wunderschön, aber vieles Andere, worauf wir schon seit Jahren warten, bleibt aus. Möglich, dass er sich in der bairischen Politik und in den Süddeutschen Monatsheften verzettelt hat«. Andreas verwies auf den Band für das Handbuch 392 Raumer an Müller, 21. 9. 1923, BayHStA, NL von Müller 493. 393 Andreas an Hartung, 16. 7. 1923, GLA, NL Willy Andreas 750. 394 Vgl. Groppe, Bildung, zu Wolters in der Weimarer Republik S. 257 – 276, zu Becker S. 535 – 560 sowie zur engen Beziehung beider S. 556 f, Zitat S. 535. Zur besonderen Förderung Wolters’ als Grund für seine Zurücksetzung auch Müller, Wandel (1966), S. 255. 395 Müller an Fester, 10. 10. 1926, BArch, NL Richard Fester 12. 396 Brinckmann (Universität Köln) an Andreas, 27. 5. 1924, GLA, NL Willy Andreas 750.

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Meineckes und Belows wie auf die geplanten Beiträge zu Disraeli, Chamberlain und Cecil Rhodes in den »Meistern der Politik«.397 Doch scheinen nicht alle Begutachtungen Müllers so kritisch ausgefallen zu sein, denn für das auch durch die Wahl Martin Spahns in den Reichstag nötig erscheinende Ordinariat schlug die Philosophische Fakultät der Universität Köln, nach dem Erstplazierten Arnold Oskar Meyer, an zweiter Stelle neben Hermann Baechtold auch Müller vor.398 Die dem preußischen Kultusministerium vorgelegte Begründung listete die Verdienste Müllers auf, dieser habe sich mit einer »weit über den Durchschnitt emporragenden Dissertation […] aufs vorteilhafteste in die Wissenschaft« eingeführt. Auch die »spätere umfassende publizistische Tätigkeit während des Krieges und nach dem Kriege« fand lobende Erwähnung, vor allem aber habe sich Müller »schon vor dem Kriege mit der Erforschung der Persönlichkeit des grossen Joseph Görres der Problematik rheinischer Geschichte erfolgreich zugewandt«. Da schließlich darauf zu achten sei, dass »neben der deutschen auch die ausserdeutsche Geschichte zu ihrem Rechte kommt und den weltpolitischen Interessen der Studentenschaft gedient wird, so begrüssen wir es mit besonderer Freude, dass sich v. Müller seit längerer Zeit auch dem Studium der Geschichte des britischen Weltreichs und grösserer weltpolitischer Zusammenhänge gewidmet hat.« Auch blieb Müllers öffentliche Wirkung nicht unerwähnt, da »ihm das Wort bei öffentlicher Rede in hervorragender Weise zu Gebote steht, so darf man erwarten, dass er in Köln auch über die nächsten akademischen Kreise hinaus der für den geistigen Wiederaufbau Deutschlands unerlässlichen historischen Unterweisung neue Freunde gewinnen wird.«399 Offenkundig waren Müllers Vorzüge, trotz der Einwände von Andreas, in Köln angepriesen und aufgenommen worden. Es handelte sich allerdings noch nicht um den von Müller beklagten zweiten Fall seiner Zurücksetzung, im November 1925 wurde für den Lehrstuhl Heinrich von Srbik vorgeschlagen, der jedoch ablehnte.400 Müllers ausbleibender Erfolg bei Berufungsverfahren setzte sich fort. Bereits 1922 war in Hamburg mit Gerhard Ritter ein Generationsgenosse Müllers auf einen Lehrstuhl gelangt, als Kandidat war Müller nicht erwogen worden.401 Nur drei Jahre darauf konnte Ritter einen Ruf nach Freiburg annehmen. Für

397 Andreas an Brinckmann, 31. 5. 1924, ebd. Dass Andreas Kenntnis von Müllers ausgefallenen Beiträgen hatte, erklärt sich wohl aus dem Verhältnis zu Erich Marcks – seinem Schwiegervater. 398 Zur Tätigkeit Spahns im Reichstag, dem er gemeinsam mit seinem Vater angehörte, vgl. Mergel, Parlamentarische Kultur, S. 126, 327, 394 f. 399 Dekan Phil. Fak. Universität Köln an PrKM, 7. 7. 1924, UAK, Zug. 44/42, Bl. 31 – 37. 400 Kuratorium (Adenauer) an PrKM, 3. 12. 1925, UAK, Zug. 9/79, Bl. 128/129. 401 Bevor Ritter berufen wurde, war Oncken Wunschkandidat in Hamburg, vgl. Dekan Phil. Fak. Universität Hamburg an Hochschulbehörde Hamburg, 3. 5. 1922, StAH, 361 – 5 II, Ai 3/18. Oncken entschied sich jedoch für München, schließlich gab man Ritter den Vorzug, vgl. die Protokolle der Sitzungen der Phil. Fak. 1923/24, in: StAH, 364 – 13, Phil Fak P 5.

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die Nachfolge in Hamburg empfahl er auch seinen Konkurrenten Müller402, doch Oncken riet ab: »K.A.v. Müller ist ein vortrefflicher Redner (bei festl. Gelegenheiten) und glänzender Essayist, aber weder nach der wissenschaftlichen noch nach der polit. Seite eine Persönlichkeit von Gewicht, Eindruck, Führungsvermögen.«403 Oncken war, nach der Zustimmung im Kaiserreich, nun nicht zuletzt aus politischen Gründen kein Herold der Belange Müllers. Die Differenz zwischen beiden war jedoch wenig verfestigt, wie angesichts Onckens Dank für Müllers »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« zu zeigen war. Allerdings, die Türen der Universität Hamburg blieben für Müller verschlossen.404 Die Kölner Universität war im November 1925 mit ihren Berufungsversuchen vorerst gescheitert, für Müller bedeutete dies neue Hoffnung. Sein Kölner Vertrauter von der Leyen berichtete, in den bisherigen Verhandlungen sei ihm stets vorgehalten worden, dass Müller München nicht verlassen würde.405 In dieser Hinsicht hatte sich Müller schon im Falle Kiels eindeutig positioniert, auch Erich Marcks war nun sehr optimistisch. Müller könne in Köln »herrlich wirken.« Vor allem aber habe Windelband ihm gesagt, dass »er die Kölner Fakultät auf Sie als den ersten Kandidaten für Hashagens Stelle hinweisen werde.«406 Wolfgang Windelband, ein Schüler von Marcks, saß seit einigen Monaten im preußischen Kultusministerium als Personalreferent an entscheidender Stelle für Berufungsverfahren. Eine glückliche Fügung, denn Müller hatte im Jahr zuvor gemeinsam mit Windelband eine publizistische Broschüre veröffentlicht.407 Kurzum, in diesem Fall war das preußische Kultusministerium, mithin der »Weimarer Staat«, keineswegs gegen Müller eingestellt. Anfang April instruierte das Ministerium von der Leyen in eindeutiger Weise, er werde »die Historikerliste zurückerhalten und wenn Sie K. Alexander v. Müller vorschlagen, so würden Sie damit den Intentionen der Unterrichtsverwaltung nur entgegenkommen.«408 Auch offiziell wurde der Wunsch des Ministeriums wenig verhüllt an die Kölner Universität mitgeteilt, nach Absage Srbiks ersuche man, die Vorschlagsliste durch die Nennung von weiteren Gelehrten »zu ergänzen und hierbei sich auch über den Professor Dr. K.A. von Müller in München zu äußern.«409 Nun kam das Berufungsverfahren in für Müller aussichtsreicher Weise in Gang, zumal unterdes seine Biographie Karl Sands und die Sammlung »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« erschienen waren sowie der »Görres in Straßburg« sich ankündigte. 402 Cornelißen, Ritter, S. 173. 403 Oncken an Ritter, 29. 6. 1925, BArch, NL Gerhard Ritter 309. 404 Nach Hamburg kam Justus Hashagen, vgl. Dekan Phil. Fak. Universität Hamburg an Hochschulbehörde Hamburg, 25. 7. 1925, StAH, 361 – 5 II, Ai 3/18. 405 Friedrich von der Leyen an Müller, 5. 3. 1926, BayHStA, NL von Müller 477. 406 Marcks an Müller, 18. 3. 1926, ebd. 407 Müller/Windelband, Bismarck und Versailles (1925). 408 PrKM an von der Leyen, 7. 4. 1926, UAK, Zug. 44/41, Bl. 43. 409 PrKM an Kuratorium/Phil. Fak. Universität Köln, 19. 4. 1926, UAK, Zug. 9/79, Bl. 216.

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Für die »neuzeitliche Geschichtsprofessur in Köln scheint mir K.A.v. Müller an erster Stelle geeignet zu sein«, befand der von Köln nach Hamburg gewechselte Justus Hashagen.410 Auch Willy Andreas war erneut um eine Begutachtung gebeten worden, jetzt schienen sich Talent, Sprachkunst, historiographisches Werk und politisches Engagement Müllers bestens zusammenzufügen: »Was nun die geistige und wissenschaftliche Bedeutung v. Müllers betrifft, so kann ich allerdings mit gutem Gewissen versichern, daß er eines unsrer glänzendsten Talente ist und daß ihm an Fülle der Auffassung und schriftstellerischer Wärme, Anschaulichkeit und Eindringlichkeit wenige gleichkommen, in der jüngeren Generation in dieser Hinsicht gewiß gar keiner.« Auf »einer allgemein-geschichtlichen Professur an einer Grenzuniversität, und gerade im Rheinland, das ihm durch seine Görresstudien auch seelisch doch sehr nahe« stehe, so Andreas, würde Müller sich »sehr gut ausnehmen und die Aufgabe mit dem ihm eigenen nationalen Ethos erfüllen.«411 Wohl kaum zufällig plazierte Müller, der als Experte für englische Geschichte galt, in eben diesen Tagen in den Münchner Neuesten Nachrichten einen Beitrag zur »französischen Rheinpolitik«. Mehr noch, es handelte sich um eine ausführliche Vorstellung einer soeben erschienenen, dreibändigen Edition Hermann Onckens.412 Natürlich war auch Oncken zur Begutachtung Müllers aufgefordert worden, auch er zollte Müllers Begabung Respekt, blieb bezüglich der historiographischen Fähigkeiten aber distanzierter : »Die wissenschaftliche Persönlichkeit von K.A. von Müller ist durch ein reiches Talent gekennzeichnet, das sogleich bei seinem ersten Hervortreten die grössten Hoffnungen erweckte. In diesem Talent liegt der Schwerpunkt weniger nach der Seite der im engeren Sinne kritischen Fähigkeiten als nach der Seite der inneren und äusseren Form. Er vereint ungewöhnliche Gaben der bildhaft anschaulichen Darstellung mit einem feinen und empfänglichen Anschauungsvermögen. Wenige der jüngeren Historiker können sich mit seinen literarischen Fähigkeiten messen.« Allerdings könne man sagen »dass M. die Erwartungen, die man etwa vor zehn Jahren von ihm hegte, nicht ganz erfüllt« habe.413 Uneingeschränkt positiv äußerte sich Heinrich von Srbik, Müller sei »einer der wenigen deutschen Historiker, die Wissenschaft und Kunst in schönster Harmonie vereinen, ein feiner Geist, ein glänzender Stilist, ein Forscher, der die grossen Linien zu sehen weiss, und dem doch die Liebe zum Tatsächlichen kleinerer Art nicht fehlt, und ein Mann von tiefstem nationalen Gefühl. Wenn auch die Liste seiner Arbeiten keine sehr umfangreichen Werke aufweist – gewiss nicht das Wesentlichste! – so ist doch alles, was er veröffentlicht hat, von vorzüglicher Reife

410 411 412 413

Hashagen an Dekan Phil. Fak., 19. 4. 1926, UAK, Zug. 44/41, Bl. 52. Gutachten Willy Andreas, 22. 4. 1926, ebd., Bl. 53. Müller, Französische Rheinpolitik (1926); Oncken, Rheinpolitik (1926). Gutachten Oncken, 22. 4. 1926, UAK, Zug. 44/41, Bl. 62/63 (Unterstreichung im Original).

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und erlesenem Geschmack.«414 Berufungsgutachten sind fraglos spezifische Textformen, Kritik und Lob können nicht schlicht entnommen werden. In der Betonung der literarischen Fähigkeiten Müllers lag immer auch ein abwertendes Urteil seiner wissenschaftlichen. Im Vergleich aber wird die veränderte Einschätzung Müllers deutlich, auch als Historiker hatte er seit den frühen 1920er Jahren an Profil gewonnen, für einen Lehrstuhl an der angesehenen Kölner Universität galt er als erstrangiger Kandidat. Nicht überraschen kann, dass auch Erich Marcks pro Müller sprach, für keinen unter den Fachgenossen habe er seine »Stimme lieber oder ebenso freudig erhoben als für diesen.« Nun könne er wiederholen: »Müller ist unter der heute mittleren Generation; ja doch wohl unter allen lebenden deutschen Historikern der einzige Erbe Treitschkes nach Fülle der Anschauung, der Farbe, des Tones, der beseelenden Künstlerschaft.«415 Müllers Rang in der deutschen Geschichtswissenschaft im Frühjahr 1926 war hinreichend nachgewiesen, seine Berufung nach Köln schien festzustehen. Der Kölner Dekan von der Leyen informierte vertraulich das preußische Kultusministerium, dass »unsere Kommission gestern beschlossen hat und zwar einstimmig, in Ergänzung unserer Historikerlisten nur Karl Alexander von Müller vorzuschlagen.« Es sei »nicht anzunehmen, dass die Fakultät irgend welche Schwierigkeiten macht und ebensowenig das Kuratorium.«416 Auch der vermeintliche künftige Kollege Martin Spahn plante bereits, es werde ihm »sehr wertvoll sein, wenn wir uns über Köln und die Möglichkeiten unserer gemeinsamen Tätigkeit dort aussprechen könnten.«417 Doch drohte sich die Unterstützung des Ministeriums für Müller plötzlich ins Gegenteil zu verkehren. Aus der Kölner Philosophischen Fakultät wurde »Aufklärung« verlangt, es erscheine »nicht angängig, dass das Ministerium, unter Missachtung des Fakultätsvorschlages, uns einen Kandidaten aufoktroyieren will.«418 Dieser ernst zunehmende Einwand ließ sich offenbar entkräften – zumal aus München versichert wurde, dass Müller ein »vornehm denkender und taktvoller Mensch, kurz eine Persönlichkeit ist, deren Eintritt in ein wissenschaftliches Gremium auch menschlich einen Gewinn bedeutet«.419 Die Fakultät lege auf die nach der Absage Srbiks verbliebene »Rumpfliste« keinen Wert mehr, teilte der Dekan dem Kuratoriumsvorsitzenden mit, man beschränke sich darauf, in der Ergänzungsliste »als einzigen Namen den von K.A.v. Müller anzuführen.« Das geschehe, weil »dieser Name schon 1924 und 25 an sehr hervorragender Stelle auf der Liste für die damals geplante dritte historische Professur« gestanden habe und weil »das Minis414 415 416 417 418

Gutachten Srbik, 24. 4. 1926, ebd., Bl. 58 – 60. Gutachten Erich Marcks, 5. 5. 1926, ebd., Bl. 69/70. Dekan Phil. Fak. v. d. Leyen an PrKM, 4. 5. 1926, ebd., Bl. 56. Spahn an Müller, 15. 5. 1926, BArch, NL Martin Spahn 41. Mathematisches Seminar Universität Köln an Dekan Phil. Fak., 17. 5. 1926, UAK, Zug. 44/41, Bl. 76. 419 Walther Lotz an Kurator Universität Köln, 19. 5. 1926, UAK, Zug. 9/79, Bl. 236.

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terium uns diesmal zu einer besonderen Meinungsäusserung über K.A.v. Müller« aufforderte.420 Seitens der Universität war nun, bevor das Ministerium aktiv werden konnte, noch die formale Absegnung durch das Kuratorium vonnöten. In dessen Beratung jedoch kamen neue Zweifel auf, es wurde befürchtet, dass Müller »nach seiner Geschichtsauffassung eine Doublette Spahns sei, dass seine Auffassung vom historischen Werden der jüngsten Vergangenheit den Anschauungen weiter Kreise der Studierenden kaum Rechnung tragen werde.«421 Von der Leyen kämpfte um seinen Wunschkandidaten, dessen fachliche Eignung nun genügte, der aber politisch angezweifelt wurde: »Sehen Sie sich einmal die Reihen unserer namhaften Historiker an, die meisten stehen rechts.« Die »Historie verlangt, wie uns scheint, konservativ gesinnte Männer. Ein solch sachlich gerichteter, niemals in Parteiwesen befangener Historiker ist aber K.A.v. Müller, dafür kann ich mich verbürgen, ich kenne ihn seit langem.«422 Doch waren die Zweifel in der Welt, im Kuratorium sei vor allem der Vergleich mit Spahn vorgebracht worden, Müller »habe die gleiche rechtsradikale politische Einstellung und behandele die Darstellung der Geschichte vom Standpunkte eines bayerischen Liberalen in einer Weise, die gerade den Interessen unserer katholischen Studierenden nicht gerecht werde.«423 Der um Rat gefragte Heinrich Finke, Nestor der katholischen Geschichtsschreibung und Präsident der Görres-Gesellschaft, sah Müller in günstigerem Licht: »Antikatholisch ist er nicht, daß er ganz deutschnational ist, d. h. im radikalen Sinne, möchte ich bezweifeln.«424 Müllers politische Einstellung, aber auch seine persönliche Lebensführung waren nun auf der Agenda, auch beim bayerischen Ministerpräsidenten Heinrich Held wurde angefragt, inwieweit Müller »geneigt oder in der Lage ist, auch der katholischen Geschichtsauffassung Rechnung zu tragen, zum mindesten, ob er keine antikatholische Einstellung« habe. Held gab knapp, aber eindeutig Auskunft: »Dr. v. Müllers Katholizität ist gekennzeichnet durch seine Ehe mit einer geschiedenen Frau«.425 Wie katholisch war Müller? Müllers Ehefrau war nicht nur geschieden, sondern auch Protestantin. Weithin als das »zentrale Konfliktthema zwischen Katholizismus und Protestantismus« wahrgenommen426, stellte für das Ehepaar Müller die verschiedene Konfession offenbar kein Problem dar. Müller war in den Vorkriegsjahren persönlich mit einigen Protagonisten des Re-

Dekan Phil. Fak. v. d. Leyen an Kuratoriumsvorsitzenden, 19. 5. 1926, UAK, Zug. 44/41, Bl. 77. Eckert (Kuratoriumsvorsitzender) an Niessen (PrKM), 5. 6. 1926, UAK, Zug. 9/79, Bl. 245. Dekan Phil Fak. v. d. Leyen an Eckert, 4. 6. 1926, ebd., Bl. 247 – 252. Eckert an Heinrich Finke, 4. 6. 1926, ebd., Bl. 254 – 256. Finke an Eckert, 9. 6. 1926, ebd., Bl. 257 – 258. Eckert an Held, 5. 6. 1926; Held an Eckert, 8. 6. 1926, ebd., Bl. 259 – 262. Zur Zurücksetzung auch katholischer Lehrender bei Berufungen vgl. Pawliczek, Akademischer Alltag. 426 Bendikowski, Mischehen, S. 215.

420 421 422 423 424 425

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formkatholizismus bekannt, weitere Folgen zeitigte dies jedoch nicht.427 Schon während des Krieges rangierte für Müller die ersehnte politische, soziale und »völkische« Einheit Deutschlands über allem, sein nationales Bekenntnis überstrahlte sein konfessionelles bei weitem. Müller distanzierte sich nicht von seinem katholischen Glauben, aber auch in der Weimarer Republik schlossen seine politischen Bestrebungen einen religiösen Partikularismus im Grunde aus.428 Fraglos war Müller kulturell vom katholischen Milieu geprägt, emphatisch dankte er dem katholischen Schriftsteller Theodor Haecker, er habe dessen neues »Meister«-Heft »Tropfen für Tropfen geschlürft und genossen, und es drängt mich, Ihnen wenigstens auf diese prosaische Weise einmal auszusprechen, wieviele nachhaltige Freude, Belehrung und Anregung« er den Heften verdanke.429 Letztlich aber scheint Müller seinem konfessionellen Bekenntnis keine besondere Bedeutung beigemessen zu haben. Wissenschaftlich hatte er sich als Nachwuchshistoriker im Kaiserreich mit Görres ein Thema der katholischen Geschichtsschreibung gewählt, doch reichte es nach dem Krieg nur mit Mühen zur Veröffentlichung. Im Vorwort von »Görres in Straßburg« hatte Müller seine Hoffnung formuliert, er werde »in der Zukunft noch einiges zur Erkenntnis dieses denkwürdigen und einzigartigen Mannes« beitragen.430 Doch würde Müller in seiner noch vier weitere Jahrzehnte währenden Publikationskarriere keinen einzigen neuen Beitrag zu Görres vorlegen. Von einer Bewertung der wissenschaftlichen Eignung Müllers hatte sich das Berufungsverfahren an der Kölner Universität deutlich entfernt, folgerichtig änderten sich mit den Kriterien auch die Gutachter. Vermutlich von Friedrich von der Leyen gebeten, warb nun kein geringerer als Thomas Mann für den Kandidaten: »Was K.A.v. Müller betrifft, so haben Sie es mit Ihrer allgemeinen Bemerkung vollkommen getroffen, dass Historiker von Natur aus seelischgesetzmässig keine Revolutionäre sein können, sondern konservativ sind so gut wie immer. Da ich im Grunde meines Herzens ebenfalls ein geschichtlicher Mensch, also stimmungsmässig konservativ […] bin, so verstehe ich mich darauf […].« Deshalb sei es ihm »auch sehr leicht, Herrn von Müller in seinem menschlichen und wissenschaftlichen Wert zu würdigen und zu schätzen. Er ist ein geistiger Mensch, und bei einem solchen soll man mehr aufs Niveau als auf die Meinung sehen. Ein kultivierter, urbaner Mensch dazu, welcher selbst sehr wohl die Gesinnung von der Meinung zu trennen weiss […]. Wenn es gelingt, ihn nach Köln zu ziehen, so bin ich überzeugt, dass die Professorenschaft einen hochsympathischen Kollegen und die Studenten einen Lehrer 427 Vgl. Hastings, Catholicism, S. 117 u. 211. Zu Müllers Kontakt u. a. mit Phillip Funk vgl. Müller, Gärten (1951), S. 496 – 498 sowie Engelhart, Funk, S. 182 f. 428 Zur »Wertorientierung deutscher Katholiken« vgl. Stambolis, Nationalisierung; zum Katholizismus nach 1918 vgl. Hürten, Katholiken sowie Hürten, Bayern im deutschen Katholizismus. 429 Müller an Haecker, 8. 10. 1926, DLA, A:Haecker. 430 Müller, Görres in Straßburg (1926), S. VIII.

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in ihm haben werden, der sie fördern kann, wie wenige.«431 Müller war von seinen Fachgenossen als geeignet befunden worden, die Fakultät betrieb seine Berufung, die vom Kultusministerium angeregt und befördert worden war, schließlich war mit Mann ein überaus prominenter Intellektueller für Müller eingetreten. Trotzdem scheiterte die Berufung. Er wisse, so Srbik an von der Leyen, wie »sehr ich Herrn v. Müller schätze und werden mir glauben, daß ich von Herzen gern Ihrem Wunsch nachgekommen wäre und Adenauers Bedenken zerstreut hätte. Zu meinem großen Bedauern war es mir nicht möglich, mit dem Oberbürgermeister« zu sprechen.432 Wenige Tage später reichte der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer die vorgelegte Liste unter Bezugnahme auf die in der Kuratoriumssitzung geäußerten Bedenken – »die sich inzwischen verstärkt haben« – zurück und bat um Nennung weiterer Namen.433 Ob Zweifel an Müllers Einstellung zum Katholizismus oder sein politisches Profil letztlich den Ausschlag gaben, wird offen bleiben müssen. Nicht am preußischen Kultusministerium und auch nicht am Zweifel der Kollegen war Müller gescheitert. Offenbar noch in Unkenntnis des Ausganges schlug Meinecke vor: »An erster Stelle würde ich K.A.v. Müller nennen, der, wie ich höre, bei Ihnen schon in Erwägung gezogen ist.«434 An Max Buchner gab Müller den Grund für seine Ablehnung weiter, das »Berliner Ministerium war einverstanden, aber Adenauer (das Kuratorium) lehnt mich als zu ›konservativ‹ u. ›parteimännisch‹ ab«. Es treffe ihn die »wiederholte Ablehnung […] doch tiefer, als ich selbst gedacht hatte«. Für den mittlerweile 43jährigen Müller blieb vorerst nur die bescheiden besoldete Akademiestellung, er könne »ohne ständiges Dazuverdienen, durch Artikel u. Vorträge, meine Familie überhaupt nicht erhalten«.435 Zumindest war Müller die Solidarität der Kollegen gewiß, Marcks sei außer sich, dass »Sie nicht schon längst Ordinarius seien«, berichtete Otto zu Stolberg-Wernigerode.436 Müllers unterdes erschienener »Görres in Straßburg« müsse, so Andreas, »allen denen zur Beschämung gereichen […], die Ihre Kölner Berufung zu Fall gebracht haben«, auch Srbik zeigte sich empört »über das Verhalten Kölns Ihnen gegenüber«.437 Müller war erschüttert. Gegenüber Walter Goetz, früher Förderer, aber auch seit der Kriegszieldebatte politischer Kontrahent, bekannte er : »Was Sie über Köln schreiben (bayer. Antirepublikaner u. Konservativer) habe ich mit merkwürdigen Gefühlen gelesen, indem ich mich erinnerte, daß alle Knüppel, die mir seit Jahren hier in München zwischen die Beine geworfen 431 Mann an von der Leyen, 12. 6. 1926, UAK, Zug. 44/41, Bl. 92/93. 432 Srbik an Kollege (wohl: von der Leyen), 24. o. 29. 6. 1926, ebd., Bl. 103/104. 433 Adenauer an Dekan Phil. Fak., 30. 6. 1926, UAK, Zug. 9/79, Bl. 295. Auch für Müller war der Widerspruch Adenauers ausschlaggebend, vgl. Wandel (1966), S. 255. 434 Meinecke an von der Leyen, 5. 7. 1926, UAK, Zug. 44/41, Bl. 112. 435 Müller an Buchner, 21. 8. 1926, BArch, NL Max Buchner 106. 436 Stolberg an Müller, 10. 9. 1926, BayHStA, NL von Müller 477. 437 Andreas an Müller, 16. 9. 1926; Srbik an Müller, 15. 10. 1926, BayHStA, NL von Müller 478.

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werden, gerade von den Seiten (auch in der Fakultät) kamen, denen ich nicht konservativ, nicht bayerisch genug war.«438 Müllers universitäre Laufbahn befand sich in einem Schwebezustand, jedoch waren die Gründe für die bisherigen Absagen weniger eindeutig, als Müller in den Erinnerungen suggerierte. Über seinen weiteren Weg in der Weimarer Republik war noch nicht entschieden. Im September 1926 gab der Kurator der Universität Halle überraschend die Entpflichtung Richard Festers durch das Kultusministerium bekannt.439 Formal korrekt, sorgte die gegen den Willen Festers erfolgte Pensionierung für Empörung, die »Entlassung in der für Dienstboten gesetzten Minimalfrist« empfand Fritz Hartung als »einen offenen Skandal«.440 Fester war politisch eindeutig gegen die Republik positioniert, hatte ein Jahr zuvor im von Cossmann angestrengten »Dolchstoßprozess« als Gutachter assistiert.441 Die Republik »wehrte sich« gegen »einzelne rechtsradikale, alldeutsche und rassenantisemitische Professoren im Fach Geschichte«442, die Folge aber waren Solidarisierungsbewegungen über eben diese politischen Differenzen hinweg. Die Entscheidung des Ministeriums griff die fachliche und institutionelle Autonomie von historischer Disziplin wie Hallenser Fakultät an, die sich einig zeigten in der Verurteilung des Verfahrens.443 Gleichwohl war nun ein Nachfolger auszuwählen, in einer von Fester skizzierten Übersicht in Frage kommender Kandidaten wurde auch Müller genannt.444 Seit Müllers ersten Schritten in der deutschen Geschichtswissenschaft hatte Fester zu seinen Förderern gezählt, nun bot er seine Nachfolge an. Dankend bestätigte Müller, dass er bereit sei zu kommen, nachdem vor kurzem in Köln »das Kuratorium (Adenauer) Einspruch« erhoben habe, wegen »meiner ›konservativen, parteimännischen Einstellung‹; in Köln selbst sollen auch die konfessionellen Gründe (meine Frau ist Protestantin) geltend gemacht worden sein.«445 Wenige Wochen darauf beschloss die Fakultät die dem preußischen Kultusministerium vorzulegende Liste mit Müller als Erstplaziertem.446 Das Gutachten hatte Hans Herzfeld verfasst, ein Schüler Festers.447 Müllers »ausgedehnte literarische Tätigkeit« weise »gründliche archivalische Forschung, verbunden mit der Fähigkeit zu umfassender Durchdringung geschichtlicher Probleme« auf, dazu trete »eine starke Gabe psychologisch und künstlerisch feiner Darstellung, die in den Studien über Sand und Görres am anschau438 439 440 441 442 443 444 445 446 447

Müller an Goetz, 1. 11. 1926, BArch, NL Walter Goetz 227. Kurator Universität Halle-Wittenberg an Phil. Fak., 15. 9. 1926, UAH, Rep. 21 III Nr. 56. Hartung an Fester, 19. 9. 1926, BArch, NL Richard Fester 10. Vgl. Permooser, Dolchstoßprozess. So auch mit der Emeritierung Festers vgl. Barth, »Selbstzensur«, S. 75 f. Außerordentliche Sitzung Phil. Fak., 20. 9. 1926, UAH, Rep. 21 III Nr. 33. »Kommission Ersatz Fester«, Vorbesprechung, 23. 9. 1926, UAH, Rep. 21 III Nr. 56. Müller an Fester, 10. 10. 1926, BArch, NL Richard Fester 12. 2. Kommissionsitzung, 8. 11. 1926, UAH, Rep. 21 III Nr. 56. Zum Verhältnis zu Fester vgl. Herzfeld, Lebenserinnerungen, S. 132 – 137.

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lichsten zu Tage« trete. Unter den vorgeschlagenen Persönlichkeiten sei »Müller nach seiner wissenschaftlichen Gesamtleistung die unbestreitbar reichste und umfassendste und daher an erster Stelle genannt worden.«448 Schließlich schlug die Fakultät dem Ministerium für die Nachfolge Festers an erster Stelle Müller vor, vielfach war dieser in den vergangenen Jahren begutachtet worden, der Tenor blieb erstaunlich gleich: »Auch in der regen publizistischen Tätigkeit, die er im Weltkrieg entfaltete, ist er der Historie niemals untreu geworden. […] Durch alle diese Schriften hat sich v. Müller in die vorderste Linie der lebenden deutschen Schriftsteller und Historiker gestellt.«449 Erneut durfte Müller hoffen, als gebranntes Kind war er aber nur bedingt optimistisch gestimmt, noch vor Weihnachten 1926 schrieb er Fester, er habe von Windelbands Einsatz für ihn gehört, doch »bezüglich seines Chefs klangen die Nachrichten unsicherer.«450 Zum Jahresende hatten sich die Zweifel verdichtet, orakelte Müller : »Aus Berlin habe ich offiziell bis jetzt nichts gehört: ein ganz inoffizieller Unkenruf, der mir zukam, läßt mich aber nicht daran zweifeln, daß das Staatsministerium sich in der Tat eingemischt hat; ich sehe die Lage also sehr dunkel an.«451 Zu Recht, denn während Müller und die Hallenser Fakultät auf Antwort warteten, hatte das preußische Kultusministerium bereits eigene Pläne in Gang gesetzt. Bei Willy Andreas wurde nach dem politisch als liberal geltenden Berliner Privatdozenten Otto Becker gefragt.452 Auch dem Müller schon 1923 in Kiel vorgezogenen Friedrich Wolters war der Lehrstuhl in Halle angeboten worden, wenige Tage nach Neujahr schrieb Wolters an Stefan George: »Halle […] weil das Ministerium der fakultät die liste zurückgesandt hat: die genannten kandidaten waren ihm nicht genehm, vor allem der erste nicht aus rein politischen gründen. Die parteiherrschaft entscheidet auch hier schon völlig.«453 Schließlich erreichte die Fakultät auch die offizielle Aufforderung des Ministeriums, sich zur »Ergänzung Ihrer Vorschlagsliste« über weitere Gelehrte zu äußern, neben Becker und Wolters wurden auch Wilhelm Mommsen, Wilhelm Schüssler und Johannes Ziekursch genannt.454 Für Müller war dieser Konflikt nicht zu gewinnen, allerdings bescherte ihm die als ungerechtfertigt wahrgenommene Zurücksetzung den Zuspruch seiner Fachgenossen: »Ich wüßte kein wissenschaftliches Argument, das gegen K.A.v.

448 Herzfeld »Gutachten betr. Nachfolge von Herrn Geheimrat Prof. Dr. Fester«, 8. 11. 1926, UAH, Rep. 21 III Nr. 56. 449 Dekan Phil. Fak. an PrKM (über Kurator), 27. 11. 1926, ebd. 450 Müller an Fester, 15. 12. 1926, BArch, NL Richard Fester 12. Zu Windelbands »Chef«, dem preußischen Kultusminister Carl Heinrich Becker, vgl. auch Bonniot, Becker. 451 Müller an Fester, 30. 12. 1926, BArch, NL Richard Fester 10. 452 Andreas an Mommsen, 29.12. 1926, BArch, NL Wilhelm Mommsen 451. 453 Wolters an George, 4. 1. 1927, zitiert nach Groppe, Bildung, S. 557. 454 Kurator Universität Halle-Wittenberg an Phil. Fak., 22. 1. 1927, UAH, Rep. 21 III Nr. 56.

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Müller ins Feld geführt werden könnte.«455 Stets hatte es, wenn auch seit Mitte der 1920er Jahre abnehmend, Zweifel an der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit Müllers gegeben. Seine politisch motivierte Ablehnung durch das preußische Kultusministerium verhalf ihm nun, indem die deutschen Historiker auch die Deutungshoheit über das eigene Fach verteidigten, zur unbedingten Versicherung seines Ranges. Die Hallenser Philosophische Fakultät bestand auf der eingereichten Vorschlagsliste, das Ministerium solle nichts unversucht »lassen, um den dort an erster Stelle genannten K.A.v. Müller zu gewinnen.«456 Doch zum Sommersemester 1927 ernannte das Ministerium Becker.457 Die Reaktion der düpierten Fakultät fiel heftig aus, auch der Gang in die Öffentlichkeit wurde nicht gescheut.458 Für Müller änderte das nichts, eine weitere aussichtsreiche Berufung war ihm verweigert worden, in diesem Fall wurde in der Tat der politisch genehmere Kandidat vorgezogen.459 Auch im Berufungsverfahren der Universität Breslau, die einen Nachfolger für den anstelle Müllers nach Köln berufenen Ziekursch suchte, wurde er nicht berücksichtigt.460 Die »Rufe, die mich nicht erreichten« hatten sich für Müller addiert, doch war ihm zugleich eine besondere fachliche Solidarität zuteil geworden, seine Ablehnung stand nun für die Gefährdung der disziplinären Autonomie durch staatliche Eingriffe. Auch der Hallenser Mediävist Robert Holtzmann, der in den Fakultätsberatungen nicht für Müllers alleinige Erstnennung votiert hatte461, war erzürnt. Müller gehöre »zu den hervorragendsten neueren Historikern«, sein »beständiges Nichtberufenwerden« sei »ein Skandal«.462

3.3.2 Akademische Netzwerke Einen eigenen Lehrstuhl strebte Müller weiterhin an, doch zumindest hatte er zwischenzeitlich, als Syndikus der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und in anderen Institutionen, seine Verbindungen in der akademischen Welt pflegen können. Durch den Auftritt neuer, konkurrierender Wissenschafts455 456 457 458 459 460 461 462

Fritz Hartung an Fester, 29. 1. 1927, BArch, NL Richard Fester 12. Phil. Fak. an PrKM (über Kurator), 28. 2. 1927, UAH, Rep. 21 III Nr. 56. Vgl. die Mitteilung Kurator Universität Halle-Wittenberg an Phil. Fak., 14. 4. 1927, ebd. Die Fakultät beschloss, die ursprüngliche Liste zu veröffentlichen, vgl. Fakultätssitzung, 28. 4. 1927, UAH, Rep. 21 III Nr. 33 sowie »Dr. Becker und der Hallesche historische Lehrstuhl«. In seinen Erinnerungen vermerkte Müller, der preußische Ministerpräsident Braun habe eingegriffen, da Fester aus politischen Gründen emeritiert worden sei, könne man keinen Gelehrten »von derselben politischen Farbe berufen«, vgl. Müller, Wandel (1966), S. 255. Müller sei »nun auch in Breslau von der preußischen Staatsregierung abgewiesen worden, obgleich ihn die Fakultät an erster Stelle vorgeschlagen hat.« Vgl. München-Augsburger Abendzeitung Nr. 25 v. 26. 1. 1928, S. 4; zudem Müller, Wandel (1966), S. 255. Holtzmann hatte beantragt, Müller gemeinsam mit Justus Hashagen an erster Stelle zu nennen, wurde aber überstimmt, vgl. Fakultätssitzung, 18. 11. 1926, UAH, Rep. 21 III Nr. 33. Holtzmann an Ernst Bresslau, 17. 5. 1927, UAK, Zug. 44/41, Bl. 157.

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institutionen wie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft oder der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft sahen sich die wissenschaftlichen Akademien allerdings von einem fortschreitenden »Bedeutungsverlust« bedroht, ohnehin waren sie seit der Jahrhundertwende »immer stärker an den Rand des wissenschaftlichen Lebens gedrängt« worden.463 Die vor allem die finanzielle Ausstattung von Bayerischer Akademie der Wissenschaften, staatlicher Sammlung wie angeschlossenen Kommissionen und Instituten offenlegenden Akten des bayerischen Kultusministeriums zeugen, insbesondere in den Krisenjahren der Weimarer Republik bis Mitte der 1920er Jahre, vom zumeist mühseligen Kampf um kärgliche Mittel.464 Auch die seit 1923 voranschreitende Profilierung Müllers als Historiker und die drohende Gefahr seiner Berufung auf einen Lehrstuhl sorgten die Akademie ernstlich. Beim Ministerium wurde eine finanzielle Besserstellung des Syndikus beantragt, denn dessen Einstufung entspreche »weder dem Umfang noch der Verantwortlichkeit dieser einzigen höheren Beamtenstelle an der ersten wissenschaftlichen Körperschaft des Landes.« Allerdings war nicht nur Müllers Tüchtigkeit für diesen Wunsch ausschlaggebend: Da »nach der neuen Satzung der Akademie der Präsident und Generaldirektor in der Regel häufiger wechseln werden wie früher, besteht umsomehr das sachliche Interesse, daß daneben nicht auch die Syndikusstelle zu einer rasch wechselnden Übergangsstelle wird.«465 Bis zum Kriegsende hatte der jeweils regierende Monarch den Akademiepräsidenten ernannt, entsprechend lang währten die Amtszeiten, oftmals erst mit dem Tod des Inhabers endend. Seit 1919 nun konnten die Mitglieder der Akademie ihr Wahlrecht autonom ausüben, in Folge wechselte die Präsidentschaft nach jeder dreijährigen Amtsperiode.466 Durch diese bewusst in Kauf genommene institutionelle Diskontinuität gewann die Stellung des Syndikus stark an Bedeutung, für die laufenden Geschäfte der Akademie war der jeweilige Präsident auf das organisatorische Wissen und die Erfahrung des Verwaltungsbeamten angewiesen. In seiner mehr als zehnjährigen Tätigkeit wirkte Müller für vier verschiedene Präsidenten. Seine Amtsführung scheint die Dringlichkeit einer langfristigen Besetzung der Stelle unterstrichen zu haben, so dass der Wunsch nach einer möglichst attraktiven Ausstattung nach drei Jahren erneut vorgebracht wurde. Doch nicht nur finanzielle Mängel bedrohten die erwünschte institutionelle Kontinuität, sondern auch die Natur der Tätigkeit. Die Gefahr eines Wegganges sei besonders gegeben, da »der Inhaber zweckmässiger Weise immer aus den akademischen Kreisen selbst genommen werden muss 463 Nötzoldt, Wissenschaftsakademien, S. 237. 464 Da die Überlieferung der Akademie im Zweiten Weltkrieg fast vollständig verbrannt ist, liegen zu Müllers Tätigkeit nur Reste vor, vgl. v. a. BayHStA, MK 40340 (Etat 1921 – 1925) sowie MK 40341 (Etat 1928 – 1934). Zum Ministerium vgl. Rumschöttel, Geschichte, hier S. 77 – 85. 465 BAdW an KM, 15. 6. 1925, BayHStA, MK 40340. 466 Die neue Satzung wurde am 18. 7. 1923 erlassen, vgl. das Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Bayern Nr. 21 v. 3. 8. 1923.

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und daher für ihn in der Regel die grosse Wahrscheinlichkeit der Wegberufung an andere Hochschulen gegeben ist. So hat der derzeitige Inhaber mehrere Rufe […] abgelehnt und ist ferner in den letzten drei Jahren bereits an vier preussischen Universitäten an 1. Stelle für die ordentliche Professur für Geschichte vorgeschlagen gewesen.«467 Auf den ersten Blick erschien Müllers Tätigkeit als Syndikus wenig geeignet zur Profilierung – »der ganze schriftliche Dienstverkehr sowohl der Akademie selbst und ihrer wissenschaftlichen Kommissionen wie der 19 im Generalkonservatorium vereinigten Staatsanstalten läuft zunächst im Syndikat zusammen«468 –, doch stand er, wenn auch zumeist als ausführende Kraft, in stetem Kontakt mit einflussreichen Politikern, Verwaltungsbeamten und Wissenschaftlern, konnte sich als zuverlässig und lösungskompetent präsentieren.469 Als Syndikus der Akademie amtierte Müller fast ein Jahrzehnt und erwies sich als sehr geeignet für die Führung der Geschäfte einer wissenschaftlichen Institution. Für seine weitere Karriere als Historiker war jedoch eine andere wissenschaftliche Institution wesentlich bedeutsamer. In der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hatte Müllers Laufbahn ihren Anfang genommen, als Akteneditor und seit 1916 als außerordentliches Mitglied. Die Bedeutung der historischen Akademiekommissionen für geschichtswissenschaftliche Karrieren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird weithin unterschätzt. In einer personell wie institutionell deutlich überschaubareren Geschichtswissenschaft vereinten die Kommissionen in ihren Mitgliedschaften noch weite Teile der Disziplin, übernahmen mit ihren Publikations- und Quellenabteilungen wichtige Funktionen und boten mit ihren schlecht, aber immerhin bezahlten Editorenstellen in zahllosen Karrieren das Verbindungsglied zwischen Promotion, Habilitation und Erlangung eines Lehrstuhls. Die Münchner Historische Kommission war die einflussreichste und angesehenste unter den Kommissionen, geriet aber im Laufe der Weimarer Republik gegenüber neuen konkurrierenden Institutionen wie der Historischen Reichskommission »im Bewußtsein der Öffentlichkeit ins Hintertreffen«.470 Bereits zu Beginn der 1920er Jahre hatten vor allem finanziellen Engpässe die Vorhaben der Kommission gefährdet, auch die Mittel des bayerischen Staates »für solche Zwecke« 467 Landesverband der Bayerischen Staatsbeamten an KM, 28. 1. 1928, BayHStA, MK 40345. 468 Akademiepräsident Eduard Schwartz an KM, 20. 6. 1928, BayHStA, MK 40345. 469 Vgl. seine Korrespondenz als Syndikus mit dem Germanisten Elias von Steinmeyer (Müller an Steinmeyer, 7. 2. 1918, UBE, NL Elias von Steinmeyer Ms. 2616); dem Verwaltungspolitiker Friedrich von Brettreich (Müller an Brettreich, 2. 9. 1920, BayHStA, NL Friedrich von Brettreich 11); dem Geographen Gottfried Merzbacher (Müller an Merzbacher, 21. 2. 1923, BSB, NL Gottfried Merzbacher, Merzbacheriana II. Müller K.Av.); dem Literaturhistoriker Erich Petzet (Müller an Petzet, 7. 4. 1925, BSB, NL Erich Petzet, E. Petzetiana IV.b. Müller, K.A.v.); dem Germanisten Friedrich Behrend (Müller an Behrend, 17. 3. 1927, BBAW, NL Friedrich Behrend, Briefe) sowie den Abschnitt der Erinnerungen: Müller, Wandel (1966), S. 11 – 26, 239 – 254. 470 Vgl. Gall, 150 Jahre Historische Kommission, S. 31 f sowie Neuhaus, 150 Jahre Historische Kommission, v. a. S. 57 – 67.

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waren »außerordentlich knapp.«471 Auch eine von Walter Goetz für die Kommission initiierte »Gesellschaft von Freunden der deutschen Geschichte«472 warb keine nennenswerten Mittel ein. Trotz öffentlichkeitswirksamer Präsentation blieb Erich Marcks, bald Präsident der Kommission, nur die resignative Nachfrage: »Die Gesellsch. der Freunde ist also tot? Ich habe von Goetz nie wieder etwas darüber gehört.«473 Für Müller aber bot die Kommission, nach dem Einstieg als Nachwuchshistoriker im Kaiserreich, die Möglichkeit zur weiteren Partizipation an den Beratungen und Entscheidungen der fachwissenschaftlichen Elite, verbunden mit der Chance zur Präsentation eigener Fähigkeiten. Während der von ihm übernommene Band der »Briefe und Akten zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges« durch einen Mitarbeiter der Kommission bearbeitet wurde, übernahm Müller als Protokollant der jährlichen Vollversammlungen eine lästige Aufgabe, erwarb sich mit ihrer Erledigung aber zugleich institutionelles Wissen wie auch die Dankbarkeit der Kommissionsmitglieder.474 Als der Sekretär der Kommission Erich Marcks im Frühjahr 1922 einen Ruf an die Berliner Universität annahm und sein Amt vakant wurde, bat der Ortsausschuss Müller, »die Geschäfte der Kommission, bis zu Neuwahl eines Sekretärs durch das Plenum« zu führen. Eine Anerkennung, die Müller selbstredend nicht ausschlug.475 Da die Münchner Nachfolge von Marcks länger offen blieb, der Kommissionssekretär aber ortsansässig sein musste, amtierte Müller gut 1 1 Jahre als geschäftsführender Sekretär. Gleich seiner Stellung als Syndikus der 2 Akademie war Müller zuallererst Ausführender der Beschlüsse der Kommission, doch ergaben sich im alltäglichen Betrieb der Kommissionsgeschäfte unzählige Gelegenheiten zum Erwerb von Ansehen, zur Knüpfung von Kontakten, zur Etablierung Müllers als verlässlicher, klug agierender Konflikt- und Problemlöser. Auch Müllers Korrespondenz mit den Kommissionsmitgliedern blieb von den knappen finanziellen Mitteln dominiert, selbst die jährliche Versammlung der Kommission stand zur Disposition. Im Mai 1922 hoffte Aloys Schulte noch auf die Unterstützung der »Notgemeinschaft«, im Juni drängte Georg von Below zur Festlegung eines Termins, denn früher »rüstete ich mich um diese Zeit zur Fahrt nach München.«476 Doch waren die Umstände nicht wie früher, 471 So Kultusminister Franz Matt auf die Bitte um Förderung einer Edition, vgl. KM an BAdW, 14. 10. 1920, weiter von Müller an Aloys Schulte, 23. 10. 1920, ULBB, NL Aloys Schulte S 2755. 472 Vgl. den Aufruf zur Gründung und die Satzung: Goetz an Mitglieder HiKo, 12. 6. 1920, BayHStA, NL von Müller 419. 473 Marcks an Müller, 21. 12. 1922, BayHStA, NL von Müller 492. Zuvor hatte Müller einen Artikel in den MNN plazieren können, vgl. Müller, Gesellschaft von Freunden (1921). 474 Protokoll der 60. Vollversammlung der HiKo, Mai 1920, HiKo I Band 110; Protokoll der 61. Vollversammlung der HiKo, Mai 1921, BayHStA, NL von Müller 431. 475 Marcks an Müller, 4. 3. 1922, BayHStA, NL von Müller 492; Marcks an Mitglieder HiKo, 26. 3. 1922, BayHStA, NL von Müller 431. 476 Schulte an Müller, 20. 5. 1922, BayHStA, NL von Müller 419; Below an Müller, 4. 6. 1922, BayHStA, NL von Müller 491.

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die zunehmende Inflation verhinderte 1922 die Jahresversammlung der Historischen Kommission. Doch sollte sich auch 1923 die Situation vorerst kaum bessern, Müllers Vorgänger als Sekretär riet, abzuwarten bis zu »einer gewissen Klärung der allgemeinen Lage.«477 Im Frühjahr allerdings ergriff Müller als Sekretär die Initiative und wandte sich an das bayerische Kultusministerium. Im vergangenen Jahr habe es die Geldentwertung der Kommission »zum ersten Mal seit ihrem Bestehen unmöglich gemacht, ihre jährliche Vollversammlung aus eigenen Stiftungsmitteln zu decken.« Die gewährten Mittel für eine diesjährige Vollversammlung seien durch die weitere Teuerung erneut unzureichend, doch sei eine Tagung »ein dringendes Erfordernis«, eine »Lebensfrage.« Müller hob hervor, dass »die Historische Kommission, deren Werke z. T. Ruhmeswerke der deutschen Geschichtswissenschaft geworden sind, bisher alle ihre Arbeiten lediglich aus ihren eigenen Stiftungsmitteln finanziert und noch nie die Hilfe des bayerischen Staates in Anspruch genommen« habe.478 Die Initiative war von Erfolg gekrönt, zur Freude einflussreicher Mitglieder konnte Müller die Vollversammlung für den Herbst ankündigen.479 Auf Anerkennung für seine Amtsführung musste Müller nicht lange warten, auf der auch durch seine Mitteleinwerbung ermöglichten Vollversammlung wurde er einstimmig zum ordentlichen Mitglied der Kommission gewählt. Der Präsident »erhielt den Auftrag, Herrn v. Müller den Dank der Kommission für seine Geschäftsführung, welchen dieser einhellige Vorschlag ausdrücken wolle, noch besonders auszusprechen.«480 Als letzte Amtshandlung teilte der scheidende geschäftsführende Sekretär seine eigene Wahl zum ordentlichen Mitglied mit, Nachfolger wurde der unterdes nach München gewechselte Hermann Oncken, zum Präsidenten war Erich Marcks gewählt worden.481 In den kommenden Jahren sollte sich die Lage der Historischen Kommission entspannen, die gemeinsame, erfolgreiche Bewältigung einer in politischer, wissenschaftlicher und institutioneller Hinsicht als existenziell empfundenen Krise aber blieb mit Müllers Amtszeit verbunden. Doch beschränkte sich Müllers Engagement nicht auf die Historische Kommission. Kaum eine der in München bereits wirkenden oder in den 1920er Jahren entstehenden wissenschaftlichen oder wissenschaftsnahen Institutionen verzichtete auf seine Mitwirkung. Sein auf vielfältigen persönlichen Beziehungen beruhendes Netzwerk begann sich, seine eigene Etablierung begleitend, gleichsam zu institutionalisieren. Auch in die ersten Planungen für ein von wissenschaftlicher Expertise ausgehendes, aber vor allem die deutsche Kultur und Sprache im Ausland förderndes »Deutsches Institut«, 477 478 479 480 481

Marcks an Müller, 20. 2. 1923, HiKo I Band 34. HiKo (Müller als stellv. Sekretär) an KM, 24. 5. 1923, BayHStA, MK 40394. Vgl. entsprechend Max Lenz an Müller, 16. 8. 1923, BayHStA, NL von Müller 492. Vgl. Protokoll der Wahlsitzung, 2./3. 10. 1923, HiKo I Band 189. HiKo (Müller als stellv. Sekretär) an KM, 4. 10. 1923, BayHStA, MK 40394.

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die spätere »Deutsche Akademie«, war Müller eingebunden.482 Er begleitete die weiteren Gründungsvorbereitungen, wurde Mitglied eines Finanzausschusses und erwarb sich Verdienste als Vorsitzender der Statutenkommission, bis im Mai 1925 die »Akademie zur Wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums« in München begründet wurde.483 Gemeinsam mit Müller hatte sich auch Hermann Oncken für die Akademie eingesetzt, die »zum Studium, zur Förderung und zum Schutze deutscher Geisteskultur in der Welt« zu schaffen, deren Grundlage die »freie, unbefangene wissenschaftliche Forschung« sei.484 Oncken teilte die politischen Ansichten Müllers nicht, schätzte auch sein historiographisches Werk nur zu Teilen, doch unter diesem Banner konnten beide gemeinsam wirken. Müllers institutionelles Engagement wurde zum Rückgrat seines akademischen Netzwerkes, zum stützenden Gerüst seiner Laufbahn als Historiker. Nicht zuletzt die Münchner Universität zählte zu diesen Institutionen. Auch wenn Müller noch keinen Lehrstuhl innehatte, stand er doch als Lehrender, Förderer und Betreuer von Qualifikationsarbeiten am Beginn wissenschaftlicher Karrieren. Nicht zuletzt am Wechsel von der Rolle des Schülers zu der eines Lehrers wird akademischer Erfolg ablesbar. Die Ausbildung einer eigenen Schülerschaft gewann für Müller, gerade weil seine institutionelle Stellung an der Universität vergleichsweise schwach war, an Bedeutung. Schließlich erfreute sich seine universitäre Lehre von Beginn an eines regen Zuspruches, seit der Übernahme des besoldeten Lehrauftrages zur »Historischen Politik« verfügte er über eine kontinuierlich abgehaltene Lehrveranstaltung. Stets unter diesem Titel, ergänzt durch nähere Bezeichnungen wie zumeist »Übungen zur Parteigeschichte«, aber auch »Übungen über die großdeutsche Frage« oder »Übungen zur neuesten deutschen Geschichte (1890 – 1914)«, hielt Müller sein von 25 bis 60 Teilnehmern besuchtes Seminar ab.485 Durch diese feste Struktur gestützt, begann Müller bereits als Honorarprofessor einen eigenen Schülerkreis zu etablieren. Im Sommersemester 1923 zeichnete Müller zum ersten Mal als Erstbetreuer einer Promotion verantwortlich, mit dem späteren bayerischen Kultusminister Alois Hundhammer sollte Müllers erster Doktorand zugleich einer seiner wichtigsten, da nach 1945 einflussreichen sein. Die Dissertation zur »Geschichte des Bayerischen Bauernbundes«, so Hundhammer, wurde »insbesondere angeregt durch die bei Dr. K.A. von Müller besuchten Übungen zur Parteigeschichte.«486 Obwohl einem noch 482 Vgl. das Programm »Deutsches Institut« vom 16. 4. 1923, Müller ist enthalten in einer »Liste der Herren, die bisher an den Beratungen beteiligt waren.«, in: BayHStA, NL von Müller 430. Zur Gründung der Akademie vgl. Michels, Akademie, S. 11 – 31, zur Beteiligung Müllers S. 13, 15. 483 Akademie der Deutschen an Müller, 12.10. u. 11. 12. 1923, BayHStA, NL von Müller 430; Deutsche Akademie, General-Sekretariat an Müller, 24. 9. 1924, BayHStA, NL von Müller 103. 484 Karl Haushofer, Hermann Oncken, Georg Pfeilschifter (i. A. d. vorbereitenden Ausschusses) an KM, 28. 3. 1925, BayHStA, MK 40443. 485 Vgl. die Inskriptionslisten zu den Übungen in: BayHStA, NL von Müller 399. 486 Lebenslauf Alois Hundhammer o. D., UAM, O-II-12p [Hundhammer Alois].

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gegenwärtigen Gegenstand gewidmet, so begutachtete Müller, gehe die Studie »an ihre Aufgabe jedoch mit durchaus geschichtlichem Sinn und leidenschaftslosem Urteil heran.«487 In den folgenden Semestern übernahm Müller Dissertationen zu den »Landtagsauflösungen in Hessen 1833 und 34« und zu »Macaulay’s historischer und politischer Anschauungsweise«.488 Noch hielt sich der Andrang in Grenzen, jedoch betreute Müller in seinen ersten Jahren als akademischer Lehrer die Dissertationen einiger Schüler, die für die Entwicklung der deutschen Geschichtswissenschaft von Belang sein sollten. Mit Kurt von Raumer war Müller bereits länger bekannt. Gemeinsam hatten beide 1923 die unveröffentlichte Dissertation Adalbert von Raumers, älterer Bruder Kurts und Jugendfreund Müllers, herausgegeben. Als Ordinarius für neuere Geschichte war Hermann Oncken für Raumers Dissertation »Karl Brater und die Anfänge einer nationaldeutschen Bewegung in Bayern (1859 – 62)« zuständig, doch legte Raumer in seinem Promotionsgesuch die Lehrerschaft Müllers offen: »Meine Dissertation ist der Teil einer größeren Arbeit aus der Geschichte der deutschen Einheitsbewegung, die aus dem Seminar von Herrn Professor K.A. v. Müller über die Geschichte des Liberalismus hervorgegangen ist.«489 Müller lobte die Arbeit Raumers in seinem Gutachten sehr, sie rage »über das gewöhnliche Maß einer Dissertation hinaus«, dem stimmte Oncken zu.490 Für Raumers Thema war Müller keineswegs ein ausgewiesener Spezialist, doch entfaltete er in seinen Übungen jenseits thematischer oder methodischer Unterweisung eine bindende Wirkung, der sich auch Raumer nicht entziehen konnte. Wohl auch nicht wollte, die Veröffentlichungen Müllers las sein Schüler Korrektur, als Rezensent betätigte sich Raumer zudem als Herold des Ruhmes seines Lehrers.491 Die Übungen Müllers zur »Historischen Politik« prägten Biographien unterschiedlichster Couleur. In der politisierten Studentenschaft der Münchner Universität fand Müller einen Resonanzraum für seine publizistische wie historiographische Verknüpfung von Geschichte und Gegenwart, in diesen Jahren legte er die Grundlage für seinen Ruf als gefragter akademischer Lehrer. Bereits im Wintersemester 1922/23 waren in Müllers Seminar die Nationalsozialisten Hermann Göring und Ernst Hanfstaengl auf die politisch linksstehenden Michael Freund und Wolfgang Hallgarten getroffen.492 Hallgarten, obwohl ein Schüler Hermann Onckens, blieb Müllers Übungen treu und traf in diesen auch auf Walter Frank, einen historiographischen Antipo-

Gutachten Müller, 17. 6. 1923, ebd. Vgl. das Verzeichnis betreuter Dissertationen im Anhang. Raumer an Dekanat Phil. Fak., 10. 7. 1924, UAM, O-Np-1924 [Raumer Kurt von]. Gutachten Müller, 20. 7. 1924; Gutachten Oncken, 22. 7. 1924, ebd. Vgl. Müllers Dank an Raumer in: Deutsche Geschichte und deutscher Charakter. Aufsätze und Vorträge (1926), S. VIII, Görres in Straßburg (1926), S. VIII sowie die Besprechungen Raumer, Meister der Politik (Rez.) u. Deutsche Geschichte und deutscher Charakter (Rez.). 492 Vgl. die Inskriptionsliste in: BayHStA, NL von Müller 399.

487 488 489 490 491

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den.493 Frank war fraglos ein Schüler Müllers, im mit seiner Dissertation über den antisemitischen Hofprediger Adolf Stoecker eingereichten Lebenslauf maß er den Dank präzise ab: »Für die Anregung und Förderung vorliegender Arbeit ist er Herrn Professor v. Müller, für Unterstützung derselben Herrn Geheimrat Oncken zu besonderem Dank verpflichtet.«494 Ein knappes Jahrzehnt später würde Frank, nun einflussreicher Protagonist nationalsozialistischer Geschichtswissenschaft, Oncken aus seiner Professur drängen. Das Erstgutachten verfasste Müller, er verwies nochmals auf seine Anregung zur Arbeit, lobte diese sehr, zeigte sich aber unsicher über die Note: »Ich bin der Meinung, daß für sie – je nach der neueren Praxis der Fakultät, die ich nicht kenne – das Prädikat summa oder magna cum laude in Betracht kommt.« Es war nicht nur Onckens Zurücksetzung, wie Frank später meinte495, sondern auch Müllers Unentschiedenheit als Erstgutachter, die eine Auszeichnung Franks mit der Bestnote verspielte. Oncken lobte die Arbeit, es sei »ein sehr interessantes und zumal durch seinen neuen Stoff belehrendes Buch.« Einiges müsse überarbeitet werden, doch stehe er »nicht an, sie jetzt schon im Hinblick auf ihre positiven Qualitäten mit dem Prädikat ›magna cum laude‹ der Fakultät zur Annahme zu empfehlen.« Alle weiteren Mitglieder der Fakultät votierten ebenfalls für magna cum laude, auch in seiner Doktorprüfung erhielt Frank in allen Fächern diese Note.496 Als Betreuer von Doktorarbeiten war Müller offenkundig noch wenig erfahren, bis zum Wintersemester 1927/28 war er lediglich in acht Promotionsverfahren Erstgutachter.497 Zugleich aber hatte er mit Kurt von Raumer und Walter Frank zwei in späteren Jahren einflussreiche Historiker an sich binden können. Für eine breitere Schülerschaft allerdings bedurfte es eines Lehrstuhls, als dieser schließlich erlangt war, sollte Müllers Schülerschaft tatsächlich nicht nur qualitativ, sondern vor allem quantitativ Aufsehen erregen. Mit weit mehr als zweihundert betreuten Dissertationen schuf Müller sich einen dankbaren Kreis, auf den er in Zeiten der biographischen Krise würde zurückgreifen können. Ob in Akademie, Historischer Kommission oder universitärer Lehre, Müllers akademisches Netzwerk hatte erheblich an Dichte gewonnen. Nach dem Aufbruch Müllers als Nachwuchshistoriker und Kriegspublizist waren es vor allem zwei enttäuschende Erfahrungen, die seine Jahre seit 1916 geprägt hatten. Eine Enttäuschung über die politische Entwicklung Deutsch493 Beschreibungen des Seminars und der Rolle Franks vgl. Hallgarten an Helmut Heiber, 12.4. u. 29. 5. 1959, IfZ, ZS 2046 1 (Hallgarten, George). Zu Hallgarten als Müllers Student vgl. zudem Eakin-Thimme, Exil, S. 183 f. 494 Lebenslauf Walter Frank, 4. 12. 1926, UAM, O-Np-1926/27 [Frank Walter]. 495 Vgl. Heiber, Frank, S. 37 f. 496 Gutachten Müller, 16. 1. 1927; Gutachten Oncken, 21. 1. 1927; Protokoll über das Examen Rigorosum, 12. 2. 1927, UAM, O-Np-1926/27 [Frank Walter]. 497 Zu diesen zählte allerdings Alexander Scharff, der nach 1945 in Kiel Ordinarius werden sollte, vgl. Gutachten Müller u. Lebenslauf Scharff in: UAM, O-Np-1927/28 [Scharff Alexander].

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lands zwischen Kriegszieldebatte und Novemberputsch, eine weitere Enttäuschung über die gescheiterten Berufungsverfahren von Kiel, Köln, Halle und Breslau. Zugleich waren die Jahre zwischen 1916 und 1928 für Müller keineswegs eine Zeit des bloßen Misserfolgs. Der Zuspruch zur politischen Publizistik, die zustimmenden Rezensionen seiner historiographischen Veröffentlichungen, der in Gutachten und Briefen attestierte Rang in der historischen Disziplin, die Erfolge in wissenschaftlichen Institutionen und universitärer Lehre – Müllers Laufbahn als Historiker war durchaus vorzeigbar. Noch aber war er sowohl institutionell als auch politisch ortlos geblieben, sein Streben nach einer Professur wie nach politischer »Erlösung« hatte bislang keine Erfüllung gefunden. Im folgenden Kapitel wird sich daher der »Ankunft« Müllers zu widmen sein, in beiderlei Hinsicht.

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4. Ankunft (1928 bis 1935) 4.1 Historiker in der Weimarer Republik Seit dem Kriegsende wirkte Müller zwar in der Weimarer Republik, war als Syndikus der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Staatsdiensten, agitierte aber in seiner politischen Publizistik unmissverständlich gegen sie. Auch in seinem historiographischen Werk, in seiner Lesart deutscher Geschichte und den aus ihr zu ziehenden Schlussfolgerungen verblieb Müller weitgehend in Gegnerschaft zur Gegenwart der 1920er Jahre. Die teils vom preußischen Kultusministerium verhinderten Berufungen schienen die entsprechende Antwort zu geben, allenfalls in gegenseitiger Ablehnung waren Müller und die Weimarer Republik miteinander verbunden. Nach 1945 war Müller bemüht, diese Antipathie als möglichst weitgehend und alternativlos darzustellen. Als vermeintlich unerbittlicher, zudem selbst abgelehnter Gegner Weimars erschien sein Weg in den Nationalsozialismus umso nachvollziehbarer. Wenn auch nur für wenige Jahre und ohne seine politischen Überzeugungen grundlegend zu ändern, vollzog Müller jedoch seit der Mitte der 1920er Jahre eine späte Ankunft. Wesentlichste Voraussetzung war die Erlangung einer ordentlichen Professur. 4.1.1 Professur und Wissenschaftspolitik Vor allem die gescheiterte Hallenser Berufung hatte Müllers Lage deutlich werden lassen. In der Disziplin verhalf ihm die als politisch aufgefasste Ablehnung zu weiterer Unterstützung, zugleich aber verfestigte diese auch die Wahrnehmung Müllers als eines schwierig zu berufenden Kandidaten. Angesichts seiner zunehmenden Prominenz waren kleinere Universitäten wenig versucht, Müller als Sprungbrett in eine angesehenere Position zu dienen. Für hochrangige Lehrstühle hingegen war eine Erstberufung wenig wahrscheinlich. Als im Herbst 1927 an der Berliner Universität Erwägungen für eine Nachfolge der sich ihrer Emeritierung nähernden Erich Marcks und Friedrich Meinecke unternommen wurden, fand auch Müller Erwähnung, seine »Arbeiten auf dem Gebiete der Geschichte der Reichsgründung lassen es wünschenswert erscheinen, diesen Historiker für eine preussische Universität zu gewinnen.« Außerdem sei Müller »Mitarbeiter von Erich Marcks gewesen, er dürfte deshalb als Ersatz für diesen besonders in Frage kommen«.1 Zudem 1 Richard Schmitt an Phil. Fak. Universität Berlin, 16. 11. 1927, UAB, Phil. Fak. 1473, Bl. 296/297.

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Ankunft (1928 bis 1935)

benannten sowohl Marcks als auch Meinecke in einer Aufzählung Müller als möglichen Kandidaten.2 Doch traten in den Sitzungen der Berufungskommission rasch Historiker in den Vordergrund, die bereits über angesehene Lehrstühle verfügten. Nach »einer glänzenden Karriere« kehrte schließlich Hermann Oncken nach Berlin zurück und übernahm den Lehrstuhl von Marcks, auf den er bereits in München gefolgt war.3 Mag seine Nichtberücksichtigung bei der renommiertesten historischen Professur in Deutschland für Müller wenig überraschend und verschmerzbar gewesen sein, fügte sich seine Zurückweisung für die kaum als herausragend zu bezeichnende Geschichtsprofessur an der deutschsprachigen Prager Universität in das für ihn wenig erfreuliche Bild. Seinen profilierten politischen Ruf hatte sich Müller redlich verdient, nun stand dieser ihm erneut im Wege. Die tschechoslowakische Botschaft in Berlin warnte im Februar 1928 vor Müllers Berufung, dieser sei »deutsch-nationaler Gesinnung«. Wenn auch »kein ausgesprochener deutschnationaler Chauvinist«, vermute man doch eine alldeutsche Orientierung bei Müller.4 Mit Onckens Berufung nach Berlin war nun die Münchner Professur für neuere Geschichte vakant, ein Schüler Müllers äußerte Hoffnung: »Ich wünschte aufrichtig, dass der im Landtag angedeutete Wunsch nach Berücksichtigung bayrischer Dozenten nun schon in die Praxis umgesetzt wird«.5 Auch dieser Lehrstuhl war für eine Erstberufung kaum denkbar, aber an seiner Heimatuniversität, nicht zuletzt frei vom Einfluss des preußischen Kultusministeriums, erschienen Müllers Chancen deutlich besser. Neben dem weithin bekannten Lehrerfolg und seiner politischen, aber auch kulturellen Einbindung in die Münchner Kreise hatte sich Müller zudem um das nur ein gutes Jahr zurückliegende Universitätsjubiläum Verdienste erworben. Im November 1926 jährte sich die Verlegung der Universität von Landshut nach München zum einhundertsten Mal, die im Auftrag des Senats erarbeitete Chronik gab Müller heraus.6 Seit dem Sommer 1926 arbeitete Müller an dieser Fleißaufgabe, da »es an 100 Beiträge sind, sehr verschiedenartige Formate, […] war Sammlung der Beiträge, Korrektur etc. keine kleine Mühe u. hat mir in den letzten Wochen jede freie Zeit genommen.«7 Auch in seinem Vorwort als Herausgeber verwies Müller auf die Mühsal einer »solchen beitreibenden, ordnenden und überwachenden Tätigkeit«, zu erledigen in einer »verhältnismäßig kurz bemessenen Zeit.«8 Doch konnte die Münchner Universität nun 2 Kommissions-Sitzung »Nachfolge Meinecke und Marcks«, 7. 11. 1927, ebd., Bl. 301/302. 3 Vgl. Hardtwig, Neuzeit-Geschichtswissenschaften, S. 420. 4 Botschaft der Tschechoslowakischen Republik Berlin an Außenministerium, 24. 2. 1928, zitiert nach: Konrad, Geisteswissenschaften, S. 221. Vgl. zudem Müller, Wandel (1966), S. 256. 5 Eugen Franz an Müller, 19. 1. 1928, BayHStA, NL von Müller 404. 6 Vgl. Müller (Hg.), Ludwig-Maximilians-Universität (1926). 7 Müller an Goetz, 1. 11. 1926, BArch, NL Walter Goetz 227. Vgl. auch die Korrespondenz Müllers mit dem Verlag, in: BWA, Oldenbourg Verlag 102. 8 Müller (Hg.), Ludwig-Maximilians-Universität (1926), S. V.

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mit einem eindrucksvollen Band aufwarten. Für das Jubiläum als Ort »universitärer Selbstdarstellung«9 in der akademischen, aber auch breiteren Öffentlichkeit trat Müller als Herausgeber prominent in Erscheinung.10 Zur Bewährung des wissenschaftlichen Nachwuchs scheint die arbeitsintensive Mitwirkung am universitären Gedächtnis keine Ausnahme gewesen zu sein, für das Marburger Universitätsjubiläum 1927 wurde der ebenfalls als Privatdozent auf eine Professur hoffende Siegfried Kaehler engagiert.11 Für die Universitäten boten Jubiläumsfeiern im Wettstreit um knappe Mittel die Möglichkeit zu durchweg positiver, zudem steuerbarer Öffentlichkeitsarbeit, Gelegenheiten der Repräsentation, die man nicht verstreichen ließ.12 In der ersten Kommissionssitzung zur Nachfolge Onckens fand Müller vor allem seiner örtlichen Anbindung wegen Erwähnung, gemeinsam mit Paul Joachimsen zähle er zu den »beiden zu berücksichtigenden hiesigen Kollegen«.13 Joachimsen war ein sehr angesehener Historiker, aber bereits über sechzig Jahre alt und noch lange parallel zur universitären Karriere als Gymnasiallehrer tätig gewesen.14 Kurzum, ein aussichtsreicher Kandidat war er sicher nicht, die gemeinsame Nennung verhieß nichts Gutes für Müller. In einem zweiten, wohl die Besprechungsergebnisse zusammenfassenden Protokoll der ersten Sitzung war Müller folgerichtig in der Aufstellung vorrangiger Aspiranten nicht enthalten, unter diesen waren mit unter anderen Erich Brandenburg, Gerhard Ritter, A.O. Meyer und Heinrich von Srbik ausschließlich Inhaber angesehener Lehrstühle. Müller hingegen solle »in dem Vorschlag gewürdigt« werden, aber »mehr für den Lehrauftrag für bayerische Geschichte als für den allgemeinen«.15 Die Professur für bayerische Landesgeschichte jedoch war seit 1917 mit Michael Doeberl besetzt, diese Empfehlung bot keinen Ausweg aus Müllers Misere. Auf einen Unterstützer allerdings konnte Müller stets zählen, in einem an den Münchner Archäologen Paul Wolters gerichteten, der Fakultät vorgelegten Brief warb Erich Marcks eindringlich für seinen Schützling. Immer noch sei »diese unvergleichlich wertvolle historiographische Kraft durch das, ich fürchte, gering besoldete 9 Vgl. entsprechend zu Universitätsjubiläen T. Becker, Jubiläen; G. Kreis, Tradition. 10 Vgl. in einer Sonderbeilage der MNN: Müller, Wissenschaftliche Anstalten (1926) sowie zum Münchner Jubiläum: Schreiber, Ludwig-Maximilians-Universität, S. 487 – 493. 11 Kaiser, Universitätsjubiläum, v. a. S. 296 f zu Kaehler, der 1928 auf den Breslauer Lehrstuhl berufen wurde, für den ursprünglich Müller auserkoren war. 12 So durchbrach die Tübinger Universität die Tradition von Jahrhundertfeiern und beging 1927 ihr 450jähriges Bestehen als »Public-Relations-Veranstaltung«, vgl. Kotowski, Universität, S. 271. 13 1. Sitzung der Kommission für die Wiederbesetzung des Lehrstuhls für neuere Geschichte, 13. 2. 1928, UAM, O-XV-2i, Bd. 2. 14 Vgl. den Nachruf: Marcks, Joachimsen (1930) sowie Hammerstein, Joachimsen. Als zum Protestantismus konvertierter Jude waren Joachimsens Aussichten auf einen Lehrstuhl zusätzlich erheblich gemindert, vgl. umfassend Pawliczek, Akademischer Alltag. 15 Kommission zur Vorbereitung der Neubesetzung des Lehrstuhls für neuere Geschichte, 13. 2. 1928, UAM, O-XV-2i, Bd. 2.

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Ankunft (1928 bis 1935)

und ganz sicher arbeitsreiche Syndikat der Akademie« von »seinem wahren Beruf in unersetzlicher Weise abgezogen.« Trotzdem habe Müller »seit Jahren tapfer produziert – schöne Dinge; wie sie keiner aus seiner (oder auch meiner) Generation zu leisten vermag; Sand; Görres; auch eine Sammlung von Aufsätzen aus den Kampfeszeiten«. Marcks kenne keinen, der Müller »an Reichtum der Auffassungs- und Gestaltungskraft gliche. Er entgleist nicht ins Abstrakte, Blutleere; er empfindet und schaut die Dinge und Menschen, und kontrolliert seine Phantasie und sein Gefühl durch Forschung und Kritik.« Wenn Müller die »Last anderer Erwerbsarbeit ablegen und endlich frei publizieren« könne, wäre »der Gewinn für unsere Wissenschaft und deren Kunst, für unser Volk groß«.16 An Müllers Ansehen bei Marcks war seit langem nicht zu rütteln, ob allerdings die Intervention des Vorgängers Onckens in der Fakultät die Neigung zur Berufung Müllers steigern konnte, ob die Fakultät noch sechs Jahre nach dem Weggang von Marcks diesem in ihrer Personalpolitik folgen wollte, mag zu bezweifeln sein. In den folgenden Sitzungen der Kommission musste sich nun allerdings zur Personalie Müller verhalten werden. Gleich doppelt wurde in einem Protokoll vermerkt, Müller »bleibt besondere Begutachtung vorbehalten«, Müller »ist gesondert zu begutachten.«17 Schließlich war eine Positionierung nicht mehr aufschiebbar, Müllers Rang im Nachfolgeverfahren war eindeutig festzuhalten: »Nach eingehender Aussprache […] bleibt die Kommission bei ihrer ursprünglichen Haltung, Herrn v. Müller als den gegebenen und einzigen künftigen Inhaber des Lehrstuhls für bayerische Geschichte in Aussicht zu nehmen, andererseits zu betonen, daß er für die Aufgaben der zu besetzenden Professur zunächst nicht so viel an Leistungen aufzuweisen hat, daß er neben den Vorzuschlagenden in Frage käme.«18 Trotz des Werbens seiner Unterstützer und Müllers Ansehens, Konkurrenten wie Ritter oder Meyer nahmen seit Jahren angesehene Professuren wahr und hatten zudem wissenschaftlich weitaus gewichtigere Werke vorgelegt. Beide waren allerdings, dies gilt es zu betonen, keineswegs mit einer Professur an der Münchner, Freiburger oder Göttinger Universität gestartet. Die Absage an Karlsruhe von 1919 schien sich für Müller erneut zu rächen. Mitten in den Beratungen zur Nachfolge Onckens erkrankte im Februar 1928 Michael Doeberl, auch der vormalige Konkurrent hatte nicht für Müller votiert, er hielt A.O. Meyer für geeigneter.19 Völlig überraschend starb Doeberl am 24. März 1928.20 Nun ging alles rasch und reibungslos, war doch, auch um seine Nichtberücksichtigung bei der Nachfolge Onckens zu kompensieren, Müllers besondere Eignung für die bayerische Geschichte betont worden: »Die 16 Erich Marcks an Paul Wolters o. D., ebd. 17 Sitzung der Kommission zur Vorbereitung der Wiederbesetzung der Professur für neuere Geschichte, 28. 2. 1928, ebd. 18 Kommission für die Wiederbesetzung des Lehrstuhls für neuere Geschichte, 16. 3. 1928, ebd. 19 Michael Doeberl »Nachfolge Oncken« o. D., UAM, O-XV-2i, Bd. 2. 20 Vgl. den Nachruf in der MNN: Müller, Michael Doeberl (1928).

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Kommission einigt sich auf den Alleinvorschlag v. Müllers.«21 Auch seine Zurücksetzung konnte, da Folgen nicht mehr drohten, nochmals diskutiert werden. Die Professoren der Philosophischen Fakultät erwogen, ob die »fragliche Bemerkung über die Nichteignung« Müllers für den Lehrstuhl für neuere Geschichte zu streichen sei, sie verständigten sich auf einen positiv formulierenden Kompromiss. Andere »Persönlichkeiten (als Herr v. Müller)« kämen für eine der Universität München »würdige Vertretung des wichtigen Faches der bayer. Landesgeschichte nicht in Frage«, auch solle bei einem Ruf an Müller beim Ministerium erwirkt werden, dass diesem »die weitestgehende Auslegung seines Lehrauftrages gestattet wird.«22 Denn ausgerechnet in der bayerischen Landesgeschichte hatte Müller seit seiner Habilitation 1917 Zurückhaltung walten lassen. Noch Anfang Mai schlug die Fakultät Müller beim Kultusministerium als Nachfolger Doeberls vor, nun waren alle Vorzüge unstrittig zu präsentieren. Als einzigen Kandidaten Müller vorzuschlagen, sei durch »die Erwägung bestimmt, dass auch die Vertretung der bayerischen Geschichte unter allen Umständen auf der Grundlage einer allgemeinen und deutschen Geschichtskenntnis ruhen und ausgebaut werden muss, weil sie nur in dieser Verbindung über das lokal- und stammesgeschichtliche Niveau herausgehoben wird und eine fruchtbare Wirkung im vaterländischen Sinne auszuüben vermag.« Es liege im allgemeinen Interesse der Universität wie des bayerischen Staates, wenn »der Lehrstuhl für bayerische Geschichte durch eine Persönlichkeit ausgefüllt wird, die in der deutschen Geschichtswissenschaft einen allgemein anerkannten Namen besitzt«. Müller sei »ein literarisches Talent, in dieser Hinsicht von keinem lebenden deutschen Historiker übertroffen«, nicht zuletzt seine politische Publizistik verdeutliche, was dieser »Kraft seiner Stellung im Münchner Geistesleben und seiner tiefen Verbundenheit mit der bayerischen Heimat, Kraft seines künstlerischen Gestaltungsvermögens und seiner gewinnenden Persönlichkeit« leisten könne.23 In seltener wissenschafts- und universitätspolitischer Einigkeit erfolgte Müllers Berufung im Schnellverfahren, auch der Senat der Universität München schlug ihn »einstimmig an erster und einziger Stelle« vor.24 Zum 1. Juli 1928 wurde Müller ordentlicher Professor für bayerische Landesgeschichte an der Universität München, es bliebe ihm unbenommen, auch »künftig Vorlesungen im Rahmen seiner bisherigen venia legendi für allgemeine und neuere deutsche Geschichte abzuhalten.«25 Müller war eine der »populärsten Persönlichkeiten im München der 21 Kommission für die Wiederbesetzung der Lehrstühle für neuere und für bayerische Landesgeschichte, 30. 4. 1928, UAM, O-XV-2i, Bd. 2. 22 Protokoll über die Sitzung der Ordinarien der Phil. Fak., 4. 5. 1928, UAM, O-III-4 1/3. 23 Dekan Phil. Fak an KM, 7. 5. 1928, UAM, O-XV-2k, Bd. 1. 24 Senat UM an KM, 9. 5. 1928, UAM, Y-XVII-14, Bd. 6. 25 KM an Senat UM, 29. 5. 1928, UAM, E-II-2517.

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zwanziger Jahre«26, seine Berufung wurde ausdrücklich willkommen geheißen, öffentlich verkündeten Freunde und Begleiter die frohe Botschaft. Müller, erläuterte Max Buchner, sei »ja den weitesten Kreisen unseres Volkes seit langem kein Unbekannter«.27 Er sei »ein Münchner Kind«, so die Schriftstellerin Helene Raff, »ein guter Deutscher und echter Bayer.«28 In der Tat würde Müller in den folgenden Jahren weitaus »bayerischer« auftreten als zuvor. Auch in seinem Dank an den Sohn des bayerischen Schriftstellers Josef Ruederer betonte er, kein Glückwunsch habe ihm »lieber sein können als dieser, der mich aufs engste mit unserer bayerischen Heimat verbindet.«29 Dass die mit Beifall aufgenommene Entwicklung dem überraschenden Tod Doeberls zu »verdanken« war, blieb aber präsent. Müllers Jugendfreund Fritz Endres fand es »lächerlich und unwürdig, dass Carl nicht wenigstens an die Stelle Onckens berufen worden ist. Es ist echt bayrisch, dass das Ministerium an einem Bayern vorübergeht, der weit fähiger und verdienstvoller ist, als der Preusse, den man mühsam aufgetrieben hat. Aber die Wichtigkeit eines kulturellen Partikularismus hat man in Bayern nie verstanden.«30 Der »aufgetriebene Preuße« war Arnold Oskar Meyer, der auf dem Lehrstuhl für neuere Geschichte auf Oncken folgte. Den seine Berufung begleitenden Einwand, alle Kandidaten seien Norddeutsche und Protestanten, konnte die Fakultät unterdes mit dem Hinweis kontern, alle übrigen Vertreter historischer Fächer seien süddeutsch und katholisch – eben auch Müller.31 Als Universitätshistoriker war Müller angekommen. Zur Antrittsvorlesung fand sich eine »stattliche Zuhörerzahl« aus »Studenten, ebenso wie aus den verschiedensten Kreisen der Münchner Bevölkerung«32 zusammen, der Zuspruch zu Müllers Lehrveranstaltungen blieb hoch. In seinem ersten Semester als Lehrstuhlinhaber besuchten die Vorlesung über »Deutsche Geschichte im Spiegel der bayerischen Entwicklung« 179 und die Vorlesung über die »Epochen des britischen Weltreichs« 162 Zuhörer, die »Übungen aus der bayerischen Geschichte« hatten 98, das Seminar »Historische Politik: Übungen zur modernen Parteigeschichte (Sozialismus)« immerhin noch 74 Teilnehmer.33 26 27 28 29 30 31

Rehm-Deutinger u. a., Chronica Bavariae, S. 105. Buchner, Ordinarius für bayer. Geschichte. Raff, Ordinarius für Bayerische Geschichte. Müller an Hans Ruederer, 3. 6. 1928, Monacensia, NL Josef Ruederer, JR B 689. Endres an Irma von Müller, 24. 7. 1929, BayHStA, NL von Müller 262. Phil. Fak. an KM, 26. 7. 1928, UAM, O-XV-2i, Bd. 2. Für die Nachfolge Meyers in Göttingen war Müller nicht in Erwägung gezogen, vgl. UAG, Akten der Phil. Fak. »Nachfolge A.O. Meyer Prof. Dr. Hasenclever«. 32 Vgl. den Bericht im Völkischen Beobachter : Bayerns deutsche Mission, S. 3. 33 LMU, Verzeichnis der Vorlesungen im Winterhalbjahr 1928/29, S. 4; Inskriptionsliste in: BayHStA, NL von Müller 399. Schellings Hinweis, nur drei der bayerischen Geschichte gewidmete Lehrveranstaltungen Müllers bis 1928 belegten eine »mangelnde Vorbereitung für den bayerischen Geschichtslehrstuhl« übersieht, dass dieses Gebiet vom Lehrstuhlinhaber Doeberl beansprucht wurde. In seiner Lehre war Müller bis 1928 nicht »frei«, zumal die hohen Hörerzahlen für konkurrierende Dozenten Einbußen bedeuteten. Vgl. Schelling, Müller, S. 34.

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Im nächsten Semester erhöhte sich das studentische Interesse nochmals, im Sommersemester 1929 hatte die Vorlesung »Bayern und Deutschland im 19. Jahrhundert« 225 Zuhörer, in die Übung zur bayerischen Geschichte kamen 118 Teilnehmer. In der Folgezeit pendelte sich der Besuch der Veranstaltungen Müllers pro Semester bei 300 bis 400 Hörern ein, allerdings erreichte er im Sommersemester 1930 mit seinem Lehrangebot die rekordverdächtige Zahl von 579, nicht zuletzt auch zahlenden Interessenten.34 Auch auf den eingeführten Namen seiner Seminare zur »Historischen Politik« verzichtete Müller nicht, weiterhin gab er unter diesem Rubrum »Übungen zur neuesten deutschen Geschichte (1890 – 1910)«, zur »Vorgeschichte des Weltkrieges« oder zu »Entwicklungsformen des modernen Sozialismus«. Wenig überraschend schlug sich Müllers institutionelle Ankunft auch in einer Zunahme der engeren Schülerschaft nieder. In den ersten Jahren nach Übernahme der Professur betreute er zumeist fünf bis sechs Doktorarbeiten je Semester. Thematisch überwog die bayerische Geschichte, aber auch Dissertationsthemen wie »Die geistigen Grundlagen des Bolschewismus«, »Die pfälzische Presse im Abwehrkampf der Pfalz gegen Franzosen und Separatisten 1918 – 1924« oder »Die Stellung der deutschen Sozialdemokratie zur auswärtigen Politik der Reichsregierung im letzten Vorkriegsjahrzehnt« wurden betreut.35 Auch wenn Müller bei einer Dissertation argwöhnte, das »ursprüngliche Thema ›Die Heirat der bayer. Prinzessin Auguste mit Eugene Beauharnais‹ und die Tatsache einer weiblichen Bearbeiterin« könnten die Befürchtung einer »etwas allzu frauenzimmerlichen Dissertation« erwecken36, fanden sich unter seinen Promovenden immer wieder auch Frauen. Allerdings hat der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich in seinen Erinnerungen berichtet, Müller habe eine Übernahme seiner bei Paul Joachimsen begonnenen Doktorarbeit abgelehnt, denn »er nehme keine Arbeiten an, die unter jüdischer Leitung begonnen seien.«37 Mitscherlichs Darstellung, die nicht zuletzt den Tod Joachimsens vom Januar 1930 um zwei Jahre nach 1932 und damit in die Nähe der nationalsozialistischen Machtergreifung verlegte, ist bereits mehrfach im Zuge der biographischen Revision seiner Jugendjahre widerlegt worden.38 Auf Müllers Einstellung zu Juden, Judentum und Antisemitismus wird einzugehen sein, im Falle Mitscherlichs ist jedoch dessen Dissertationsthema – »Lutherdarstellungen im 19. Jahrhundert« – der wahr34 Vgl. die Hörerzahlen in der jeweiligen Inskriptionsliste in: BayHStA, NL von Müller 399. 35 Vgl. das Verzeichnis betreuter Dissertationen im Anhang. Bei allen drei genannten Arbeiten verzichtete Müller im Gutachten weitgehend auf eigene politische Positionierungen. 36 Gutachten Müller, 8. 7. 1930, UAM, O-Np-1930 [Mayer Maria]. Die Promovendin gehörte, nach ihrer Heirat als Maria Probst, von 1949 bis 1967 dem Bundestag an und war ab 1965 dessen erste Vizepräsidentin, vgl. Vierhaus/Herbst (Hg.), Biographisches Handbuch, S. 657 f. 37 Mitscherlich, Ein Leben für die Psychoanalyse, S. 95. 38 Vgl. Dehli, Leben, S. 33 f; Freimüller, Mitscherlich, S. 36 f. Hingegen schließt Hoyer nicht aus, dass »Müller eine von seinem jüdischen Kollegen angestoßene Luther-Arbeit zurückgewiesen hätte«, ohne dies jedoch hinreichend zu begründen, vgl. Hoyer, Mitscherlich, S. 76.

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scheinlichste Grund für eine mögliche Ablehnung durch Müller. Abgesehen von Walter Franks Arbeit über Adolf Stoecker findet sich unter den von Müller betreuten Dissertationen keine weiteren zu protestantischen Themen, auch war mit Meyer ein profilierter protestantischer Historiker Mitglied des Historischen Seminars. In der Tat aber erstreckte sich die vielfach gerühmte Toleranz des akademischen Lehrers Müller auch auf den rechten politischen Rand, die Ausbildung künftiger nationalsozialistischer Historiker setzte Müller als Ordinarius fort. Bereits seit längerem arbeitete unter seiner Anleitung Ottokar Lorenz, späterer Mitarbeiter des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands, an seiner Dissertation.39 Im August 1930 reichte Lorenz seine Arbeit »Der Begriff der Bourgeoisie bei Marx und Engels. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und Kritik der marxistischen Klassenkampftheorie« ein, Müllers Gutachten attestierte ihm »einen ausgezeichneten Verstand, […] der angetrieben wird von einem innerlich tiefleidenschaftlichen, zähen Willen und einem nervös angespannten, höchst empfindlichen Temperament.« Hauptergebnis sei die »Herausarbeitung der inneren Widersprüche im Begriff der Bourg. bei Marx u. Engels«.40 Während Lorenz seinen Doktorgrad erwarb, studierte Karl Richard Ganzer noch bei Müller.41 Bereits im November 1929 war Ganzer der NSDAP beigetreten42, über den Jahreswechsel 1932/33 wurde er von Müller mit einer sehr gut benoteten Dissertation über »Richard Wagner und die Revolution« promoviert.43 Auch durfte Müller seine Perspektive nun gelegentlich umkehren, er begutachtete Kandidaten für etwaige Berufungen. Gleich zwei Anfragen galten Clemens Bauer, der auch bei Müller studiert hatte.44 Das preußische Kultusministerium bat um seine Einschätzung ebenso wie der in Breslau Müller vorgezogene Siegfried Kaehler.45 Für eine noch einzurichtende Geschichtsprofessur an der Technischen Hochschule Stuttgart wiederum bat das württembergische Kultusministerium um Äußerung.46 Besonderes Engagement in der Begutachtung von Aspiranten für Professuren entfaltete Müller allerdings nicht, da es ihm noch für lange Zeit an zu plazierenden Schülern mangelte. Wegen der späten Erlangung einer Professur begann er erst mit der Ausbildung eines wissenschaftlich avancierten Schülerkreises. Nach Kurt von Raumer, der sich jedoch nicht bei Müller habilitiert hatte, war es vor allem 39 Zu Lorenz an zahllosen Stellen vgl. Heiber, Frank. 40 Gutachten Müller, 3. 12. 1930, UAM, O-Np-1930/31 [Lorenz Ottokar]. 41 Vgl. die Wünsche Ganzers zum Jahreswechsel v. 30. 12. 1929, in: BayHStA, NL von Müller 262 sowie Müllers Seminar-Zeugnisse 1929/30 für Ganzer in: BArch, R 1/68. 42 Parteistatistische Erhebung 1939, BArch, ehem. BDC, PK/ C 0389 [Ganzer Karl Richard]. 43 Vgl. das Gutachten Müllers, 18. 2. 1933, UAM, O-Np-1932/33 [Ganzer Karl Richard]. 44 Lebenslauf Clemens Bauer o. D., UAM, O-II-9p [Bauer Clemens]. 45 Windelband (PrKM) an Müller, 6. 3. 1929, BayHStA, NL von Müller 405; Kaehler an Müller, 27. 5. 1929, SUBG, NL Siegfried A. Kaehler 1.205:2, Nr. 16. 46 Württembergisches KM an Müller, 11. 11. 1930, BayHStA, NL von Müller 405.

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Fritz Wagner, der durch alle universitären Qualifikationsphasen von Müller geleitet wurde und bei diesem auch während des Zweiten Weltkrieges als Dozent tätig war. Der Dissertation Wagners jedoch stand Müller mit Befremden gegenüber, es falle ihm »nicht ganz leicht, ein abgewogenes Urteil« über die Arbeit »Der Liberale Benjamin Constant. Zur Geschichte seines politischen Wesens« abzugeben, sie sei eine »völlige Auflösung der Geschichte in Abstraktion.«47 Angesichts der Bedeutung von Begriffen wie »lebendig« und »organisch« in der positiv konnotierten Metaphorik Müllers kam dies einem Desaster gleich, doch lobte er Wagner persönlich und votierte für Annahme. Auch der Zweitgutachter A. O. Meyer fremdelte mit dem »esoterischen Charakter« der Arbeit, der zur Hilfe herangezogene Philosoph Richard Hönigswald konnte zur Klärung kaum beitragen.48 Nach der Überarbeitung durch Wagner blieb Müller weiter auf Distanz zur Studie, sie sei ein »ausgesprochenes Eigengewächs«. Müller gestand, dass ihm »persönlich das isolierende Verfahren des Vfs. nicht« liege, es hätte das »Bild des Politikers C. an Reichtum und Plastik noch gewonnen«, wenn »der ganze C. daneben sichtbar und wenn hinter diesem gelegentlich ein breiterer Zeithintergrund erkennbar würde.«49 Die kaum größer denkbare wissenschaftliche Differenz hinderte Müller und Wagner jedoch nicht, ein enges, für Jahrzehnte währendes Verhältnis als akademischer Lehrer und Schüler aufzubauen. Seiner universitären Ankunft in der Weimarer Republik ließ Müller eine beeindruckende Partizipation am Wissenschaftsbetrieb des so strikt abgelehnten Staates folgen. Im »Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft« von 1931 endete Müllers Eintrag mit einer elf Zeilen füllenden Aufzählung: »v.M. ist 2. Vorsitzender des Bayerischen Volksbildungsverbandes; ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; der Historischen Reichskommission in Berlin; der Deutschen Akademie; geschäftsführender Sekretär der gesamtdeutschen Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Kommission für bayerische Landesgeschichte; Leiter des 1930 errichteten Instituts für Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten; Fachreferent der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft.«50 Die Mehrzahl dieser wissenschaftlichen Ämter waren fraglos auch in Opposition zur republikanischen Staatsform auszuüben, doch wird zu zeigen sein, dass Müller mit seinem institutionellen Erfolg seit 1928 begann, sich mit »Weimar« zumindest in Teilen zu arrangieren. Nicht zuletzt wurde seine weitere Laufbahn von den in rascher Folge angetretenen Ämtern geprägt. Erlöst vom Alpdruck der ausstehenden Pro-

47 Gutachten Müller, 25. 1. 1932, BayHStA, NL von Müller 407. 48 Gutachten Meyer, 5. 2. 1932; Gutachten Hönigswald, 7. 2. 1932, ebd. Ein Teil des Verfahrens ist im Nachlass Müllers überliefert, der andere Teil hingegen im Universitätsarchiv München. 49 Gutachten Müller, 10. 7. 1932, UAM, O-Np-1932 [Wagner Fritz]. Unterstreichung im Original. 50 Vgl. Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, S. 1287 f.

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fessur gewann Müller die Freiheit für eine weitere Profilierung seiner Rolle in der deutschen Geschichtswissenschaft. Außerhalb des universitären Rahmens hatte Müller die erste, besonders ehrenvolle Anerkennung seines Wirkens noch vor der Berufung erhalten. Im Januar 1928 wurde er zur Wahl als ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften vorgeschlagen. Im Wahlvorschlag verwies Hermann Oncken nochmals auf Müllers Dissertation, deren »minutiöse Sorgfalt und geschmackvolle Darstellung ihn sofort als ein vielversprechendes Talent erscheinen ließen.« Müller sei »vor allem andern ein litterarisches Formtalent, der in seltener Weise lebendigste Anschauung, künstlerisch durchgebildete Formgebung und warmherziges Temperament miteinander vereinigt: eine Begabung, die von Haus aus schon auf die Kunstform des historischen Essays und daneben auf den rhetorischen Schwung vaterländischer Publicität hinweist.«51 In der Wahlsitzung der I. Abteilung erhielt Müller alle 19 abgegebenen Stimmen52 und wurde wenige Tage darauf in der Wahlsitzung der Gesamtakademie zum ordentlichen Mitglied gewählt.53 Bedeutsamer für die Karriere als Historiker war Müllers seit seiner Zeit als Nachwuchshistoriker ausgeprägte institutionelle Bindung an die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hier war Müller bereits mehr als ein Jahrzehnt »angekommen«, erhielt für die »langjährige Führung des Protokolls den Dank der Kommission«.54 Im September 1928 wurde Müller zum Sekretär der Kommission gewählt, führte nun die Geschäfte einer der angesehensten und einflussreichsten Institutionen der deutschen Geschichtswissenschaft.55 Noch im selben Monat wurde in Berlin die Historische Reichskommission begründet, mit ihrem Zweck einer »Erforschung der Geschichte des neuen Deutschen Reichs« wurde sie von der vor allem der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen deutschen Geschichte zugewandten Münchner Historischen Kommission abgegrenzt.56 Die Reichskommission war ein Kind der Weimarer Republik, ihre Führungsfiguren – Vorsitzender wurde Meinecke, erster Stellvertreter Oncken – zählten zu den »Vernunftrepublikanern« unter den deutschen Historikern.57 Im März 1929 zeigte Müller seine Wahl in die 51 Wahlvorschlag Oncken [1928], BAdW, Personalakt Karl Alexander von Müller. 52 Protokoll der Wahlsitzung der I. Abteilung, 4. 2. 1928, BAdW, Wahlakten. Der im Jahr darauf gewählte Arnold Oskar Meyer erhielt in der Abteilung bei 16 zustimmenden auch 3 ablehnende Voten, vgl. Protokoll über die Vorwahlen in der I. Abteilung, 9. 2. 1929, ebd. 53 »I. Zu ordentlichen Mitgliedern. a) Historische Klasse: Herr Dr. Karl Alexander von Müller […] mit 39 gegen 5 Stimmen.« Vgl. Protokoll über die Wahlsitzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 18. 2. 1928, BAdW, Wahlakten. 54 Vgl. Protokoll der 66. Vollversammlung der HiKo, 17.–19. 9. 1928, HiKo I Band 116. 55 Protokoll der Wahlsitzung, 17. 9. 1928, HiKo I Band 189. Der Vorgänger Hermann Oncken zeigte die Wahl beim Ministerium an, vgl. Oncken an KM, 19. 9. 1928, BayHStA, MK 40395. 56 Vg. die Satzung der Historischen Reichskommission, BArch, R 1501/127787, Bl. 316 – 323. 57 Vgl. eine Reihe von Beiträgen in: Wirsching/Eder (Hg.), Vernunftrepublikanismus.

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Reichskommission an.58 Auch wenn sein Engagement in dieser kaum Spuren hinterlassen hat59, so verstärkte die Mitgliedschaft doch seine Verankerung in den von der Republik begründeten Wissenschaftsinstitutionen. Ebenfalls im Frühjahr 1929 übernahm Müller als Fachreferent der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft eine weitere wissenschaftspolitisch einflussreiche Stellung. Seine Annäherung an den neuen Staat war eine pragmatische, gleich dem Weg der Institutionen von der »Not« zur Forschungspolitik60 entwickelte Müller sich von der bloßen Ablehnung zumindest zur wissenschaftlichen Mitarbeit. Nur wenige Jahre, zwischen Stabilisierung und Weltwirtschaftskrise, verfügte die Weimarer Republik über die für eine eigenständige Wissenschaftspolitik notwendigen Ressourcen. Die zeitweilige Akzeptanz nicht von Demokratie und Parlamentarismus, aber des Weimarer Staates und seiner gewachsenen Handlungsfähigkeit ist nicht zu überschätzen, wird am Beispiel Müllers aber besonders deutlich. Als Sekretär der Münchner Historischen Kommission befand sich Müller für den Bereich der Geschichtswissenschaft in einer Schlüsselstellung, mit der Gewährung eines Zuschusses durch das Reichsinnenministerium wuchs seit dem Herbst 1927 zudem die Einbindung der Kommission in das Wissenschaftssystem des Reiches.61 Konzentriert vor allem auf Quelleneditionen zur frühen deutschen Geschichte, war die von Marcks als Präsident und Müller als Sekretär geführte Kommission auf die Zusammenarbeit mit Förderinstitutionen und Ministerien angewiesen. Dank der Zuschüsse des bayerischen Staates und des Reichsinnenministeriums sei es der Kommission, so Müller anlässlich der Einreichung des Jahreshaushaltes, »nunmehr möglich gewesen, den Fortgang ihrer laufenden Arbeiten wieder zu beschleunigen und die Vorbereitung neuer, dringend erwünschter und bedeutsamer Unternehmungen« anzugehen.62 Doch blieb die Mitteleinwerbung, vor allem für Druckkostenzuschüsse, weiterhin Hauptaufgabe des Sekretärs. Nicht zuletzt die Aktivierung einflussreicher Kommissionsmitglieder oblag Müller. Es sei ihm unangenehm, Oncken »als Plagegeist zu belästigen«, aber die Kommission benötige »die Unterstützung der Notgemeinschaft«, er »vertraue der Kraft Ihres persönlichen Für-Wortes mehr als meiner papierenen Eingabe.«63 Auch öffentlich präsentierte sich Müller als für staatliche Unterstützung dankbarer Vertreter der Geschichtswissenschaft, diese sei durch die Notgemeinschaft

58 Müller an Phil. Fak. UM, 17. 3. 1929, BayHStA, MK 44052. 59 Bereits seine erste Jahressitzung im Frühjahr 1930 verpasste er, vgl. Müller an Brackmann, 8. 4. 1930, GStA, VI. HA, NL Albert Brackmann 22, Bl. 181 – 183. 60 Entsprechend vgl. vom Bruch, DFG sowie umfassend Flachowsky, Reichsforschungsrat. 61 HiKo (Müller) an KM, 27. 10. 1928, BayHStA, MK 40395. Die Kommission wurde auch in den 1929 gegründeten Allgemeinen Deutschen Historiker-Ausschuss aufgenommen, vgl. Protokoll der 66. Vollversammlung der HiKo, 17.–19. 9. 1928, HiKo I Band 116. 62 HiKo (Müller) an KM, 22. 11. 1928, BayHStA, MK 40395. 63 Müller an Oncken, 14. 12. 1928, NLA StA Oldenburg, NL Hermann Oncken, Nr. 377.

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imstande gewesen, in »den letzten zehn Jahren ihre alte Stellung in Deutschland selbst und in der Welt zu behaupten.«64 Das ohnehin eng geknüpfte akademische Netzwerk Müllers erfuhr nun eine weitere Verstärkung und Verdichtung, jedoch ließ die im Laufe des Jahres 1929 einsetzende wirtschaftliche Krise Müller rasch zum Verwalter des Mangels werden. Die »gespannte Finanzlage der Notgemeinschaft« begann »auch auf die Finanzen unsrer Kommission – durch knappere Bewilligungen – zu drücken«, zudem half die Lage in München nicht: »Aber inzwischen ist viel Wasser die Spree hinuntergeflossen, u. man ist hier sehr weit vom Schuß und stört nicht.«65 Die Initiativen Müllers, der sich erneut als fähiger Mittler zwischen den Interessen der Kommission, ihren Mitgliedern und den finanziellen Nöten erwies, sind nicht in ihrem gesamten Umfang darzustellen.66 Als Wissenschaftsorganisator aber erhielt Müller einen Zuspruch, der auch auf seine Karriere als Historiker zurückwirkte, Bindungen schuf und festigte. Müller löste Probleme, wurde zum Adressaten von Wünschen und Hoffnungen: »Ihre oft erwiesene freundliche Gesinnung, die mir sehr, sehr wertvoll ist, ermutigt mich.«67 Freundlichkeiten, fraglos, doch zu unterschätzen sind diese Formen von Verbundenheit, die Schaffung eines Netzwerks durch vertraute Kommunikation zugleich nicht. Als Sekretär hatte Müller die Beschlüsse der Kommission umzusetzen, doch diese tagte nur einmal jährlich, der Kommissionspräsident Marcks lehrte in Berlin und vertraute Müller. Der die Geschäfte der Kommission prägende Wandel wissenschaftlicher Institutionen bedurfte in Maßen eines »Wissenschaftsmanagers«.68 Zudem konfligierte Müllers organisatorisches Talent mit der vermeintlich konträren Wahrnehmung als »Künstler« nicht, literarische und verwaltende Fähigkeiten stützten einander. Müllers Begabung zur publizistischen wie organisatorischen Kommunikation half auch, das überschaubare historiographische Werk in den Hintergrund treten zu lassen. Der Einfluss Müllers nahm durch seine zentrale Stellung stetig zu, an den Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise konnte jedoch auch er nichts ändern: »Der Sekretär ist heute ein geplagter Zausel – die Verhandlungen mit Reich u. Staat […] u. Notgemeinschaft nehmen kein Ende.«69 Bereits die Jahresversammlung 1931 hatte aus Geldmangel entfallen müssen, weitere 64 Vgl. seinen Beitrag zu der anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Notgemeinschaft von den MNN veröffentlichten Sonderseite: Müller, Der Historiker spricht (1931). 65 Müller an Kehr, 7. 2. 1929, GStA, VI. HA, NL Paul Fridolin Kehr A I Nr. 8, Bl. 496 – 497. 66 Auch Müllers Tätigkeit als Gutachter der Notgemeinschaft/DFG eignet sich nicht für eine summierende Darstellung, die Gutachten werden themenbezogen herangezogen, v. a. nach 1933 konnten seine Schüler profitieren. Grundlage für die Auswertung der Überlieferung (BArch, R 73) war die von Sören Flachowsky erarbeitete »Datenbank über die von der DFG zwischen 1920 und 1945 geförderten Wissenschaftler«, für die Möglichkeit zur Einsicht danke ich herzlich. 67 Heinrich von Srbik an Müller, 23. 4. 1929, BayHStA, NL von Müller 494. 68 Am Beispiel der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vgl. Hachtmann, Wissenschaftsmanagement. 69 Müller an Goetz, 15. 2. 1932, BArch, NL Walter Goetz 227.

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Kürzungen könne die Kommission, so Müller an das Kultusministerium, nicht ohne »schwerste Schädigung« verkraften.70 Die Durchführung der Jahresversammlung 1932 gelang nur durch den Verzicht der Mitglieder auf die Zahlung von Tagegeldern.71 Die Zukunft der Kommission schien gefährdet, finanziell und damit institutionell. Man dürfe nicht vergessen, so der ernüchterte Paul Fridolin Kehr, dass »wir nur als eine Arbeitsgemeinschaft ein Recht auf Existenz haben«, dagegen verdürben »die immer langatmiger werdenden Sitzungen, die Kinderspielerei der Wahlen […] Stimmung und Appetit; das Opfer lohnt sich nicht mehr.« Nur Müller wollte Kehr ausgenommen wissen: »Ihnen aber werde ich immer eine wirklich freundschaftliche Erinnerung bewahren.«72 4.1.2 Angekommen in Weimar? Die universitäre und wissenschaftspolitische Ankunft Müllers wurde begleitet von einer kulturellen und gesellschaftlichen Ankunft in der Weimarer Republik, die jene retrospektiv nicht zuletzt von Müller selbst betonte Gegnerschaft zumindest für einige Jahre relativiert bzw. alternative Entwicklungswege aufzeigt. In der politischen Publizistik neigte Müller nach den Krisenjahren 1923/24 nun verstärkt zum Bilanzieren. Noch vor der 1926 erscheinenden Sammlung eigener Aufsätze hatte Müller gemeinsam mit Cossmann eine Auswahl ihrer Kriegsaufsätze aus den Süddeutschen Monatsheften erneut veröffentlicht. Man publiziere, so Cossmann und Müller im Vorwort der »Deutschen Träumer«, die Aufsätze unverändert, weil »gewisse große Wahrheiten, die wir in der Stunde des Bewußtwerdens der deutschen Lebensgefahr erkannt haben, heute noch den meisten Deutschen fremd sind.« Angesichts der Gefallenen »erwächst uns die Pflicht, das einzige festzuhalten, was der verlorene Krieg dem Vaterlande sein kann: eine Lehre.«73 In der Rückbesinnung wollten beide ihre Ansichten nicht revidieren, die kaum vergangenen Ereignisse sollten einer zutreffenderen Wahrnehmung der politischen Gegenwart dienen. Eine Annäherung an die Weimarer Republik war diesen Aufsätzen deshalb mitnichten zu entnehmen, aber zumindest auch keine verschärfte Ablehnung. Die einst gestiftete Gemeinschaft sollte erneut erzeugt werden. Es hätten ihm die »Aufsätze die Zeit wieder in die Erinnerung gerufen, in der wir mit allen Kräften, die uns zur Verfügung standen, versucht haben, unsere Politik in richtigere Bahnen zu lenken«, schrieb der Althistoriker Eduard Meyer.74 Max Buchner las den Band »mit innerer Anteilnahme«, während der spätere nationalsozialistische Reichsstatthalter in Bayern Franz 70 HiKo (Müller) an KM, 18. 1. 1932, BayHStA, MK 40395. 71 HiKo (Müller) an Mitglieder, 17.6. u. 19. 7. 1932, SUBG, NL Karl Brandi 55, Nr. 57 u. 59. 72 Kehr an Müller, 24. 9. 1932, GStA, VI. HA, NL Paul Fridolin Kehr A I Nr. 8, Bl. 495 (Unterstreichung im Original). 73 Cossmann/Müller, Die deutschen Träumer. Gesammelte Aufsätze (1925), S. 5 f. 74 Meyer an Cossmann, 9. 8. 1925 (Abschrift an Müller), BayHStA, NL von Müller 477.

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von Epp die erzieherischen Aspekte betonte: »Ich wünsche, daß dieses Buch, das so viele bittere Wahrheiten für das deutsche Volk enthält, weitgehendste Verbreitung finden möge.«75 Im Vorwort betonten Cossmann und Müller die Einschränkungen der Zensur, unter welcher man im Krieg gestanden habe und fügten zwei unveröffentlichte Briefe bei. Vor allem eine Eingabe an das bayerische Kriegsministerium vom September 1918 korrespondierte mit der beschworenen Notwendigkeit, die tatsächliche Lage zu erkennen. Im »gegenwärtigen ernstesten Augenblick« könne »nur rückhaltlose Wahrheit das deutsche Volk möglicherweise noch retten«, über die militärische Situation solle informiert werden, bevor die »schlimmen Nachrichten immer nur stückweise, schonend, entstellt« bekannt würden. Das deutsche Volk vertrüge die Wahrheit, nur »sie wird uns wieder zu einem Volk von Brüdern machen.«76 Nach der sich überschlagenden, stets verschärfenden Radikalisierung bis zum Novemberputsch 1923 versprach dieser Gestus des »Erkennens« eine zumindest potentiell sachlichere Einschätzung der Gegenwart. Eine Nüchternheit, zu der Cossmann jedoch offenbar nicht in der Lage war. Die in seiner Beschwörung des Augusterlebnisses deutlich werdende »Bedeutung des emotionellen nationalen Haushalts«77 für seine politische Agenda ließ ihn wenige Monate nach der Veröffentlichung der »Träumer« den berühmt-berüchtigten »Dolchstoßprozess« initiieren.78 Die Wege Cossmanns und Müllers trennten sich nicht, doch nahm die Anzahl der Beiträge Müllers für die Süddeutschen Monatshefte bis zur »Ankunft« 1928 nun stetig ab, beschränkten sich zumeist auf Buchanzeigen und Glossen. Allerdings, im Januar 1926 veröffentlichte Müller eben dort einen durchaus politisch intendierten Beitrag. Über die »Bedeutung der Ehre im Leben der Völker« sinnierte Müller und befand zunächst: »Über Deutschland liegt heute eine tiefe politische Müdigkeit.« Dies sei verständlich, doch bedürfe es des Heroischen und Heldischen, andernfalls wären die »ganzen Grundlagen der Sittlichkeit« aufgehoben. Es sei »das Zeichen der großen politischen Völker, daß sie solche Schicksalsstunden ihres Lebens fühlen«, der Aufstieg sei weniger vom »gesicherten Erfolg« denn vom »Widerstand gegen das Unglück und die Niederlage« ausgegangen. Vor allem an die Arbeiterschaft richtete Müller seinen Appell, an der »Ehre eines großen Volkes teilzunehmen, ist keine Pflicht, sondern ein Recht, das den deutschen Arbeitern bis heute« vorenthalten werde. Nicht »in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft richten sich diese Betrachtungen.«79 Damit war der Unterschied zu Cossmann benannt. Während dieser die Vergangen-

75 Buchner an Müller, 4. 10. 1925; Epp an Müller, 3. 9. 1925, ebd. 76 Vgl. den Abdruck in: Cossmann/Müller, Die deutschen Träumer. Gesammelte Aufsätze (1925), S. 172 f sowie zudem Cornelißen, Militärzensur. 77 B. Ulrich, Erinnerung, zu Cossmann mit Zitat S. 373. 78 Vgl. jeweils umfassend: Permooser, Dolchstoßprozess; Barth, Dolchstoßlegenden. 79 Müller, Bedeutung der Ehre (1926), S. 271 – 275.

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heit im Gerichtssaal zu korrigieren suchte, konzentrierte sich Müller auf das, was kommen sollte.80 In der Tat hatten viele deutsche Historiker »Schwierigkeiten mit der gesellschaftlichen Realität der Weimarer Republik und mit der eigenen Position in ihr«.81 Müller versuchte zumindest für einige Jahre, sich dieser Realität zu stellen. Weder minderte dies seinen Nationalismus noch die Ablehnung von Parlamentarismus und Demokratie, doch sehr viel mehr als nach 1945 »erinnert« war Müller bemüht, pragmatisch mit der Gegenwart Weimars umzugehen und Überlegungen für die Zukunft zu formulieren.82 Entsprechend entsetzt reagierte Müller, als im Herbst 1926 ein nicht genehmigter Abdruck seines Artikels über die »Bedeutung der Ehre im Leben der Völker« in der jungkonservativen, von Ernst und Friedrich Georg Jünger geprägten Zeitschrift Arminius erschien. Martin Spahn versicherte er : »Ich selbst stehe in keinerlei Beziehungen zu dem Blatt, von dem ich bis vorgestern nie eine Nummer gelesen habe, noch zu seinen Herausgebern oder Hinterleuten. Meine politische Richtung kennen Sie ja seit Jahren aus den Südd. Monatsheften. Sie hat sich in keiner Weise verändert, am allerwenigsten in der Richtung auf den Arminius zu.«83 Vermutlich war es die vom Jünger-Kreis propagierte »Revolutionierung«, zu der Müller ähnlich wie im November 1923 Distanz halten wollte.84 Für eine »Deutsche Zukunft«, unter dieser Überschrift versammelte Müller schließlich im Dezember 1926 in den Süddeutschen Monatsheften die Antworten eines illustren Kreises auf zwei Fragen – könne man von einem »Rückgang deutscher Leistungen in der Nachkriegszeit sprechen?« Und, habe man den Eindruck, dass die heutige Jugend »mit geringerer Hingabe als unsere eigene Generation sich ihrer beruflichen Ausbildung, dem Kampfe für die Selbständigkeit der deutschen Kultur und für die Erhaltung des Deutschtums widmet?«85 Zahlreiche Historiker, unter anderen Georg von Below, Erich Marcks, Dietrich Schäfer und Martin Spahn, aber auch Ferdinand Sauerbruch, Gustav Pauli, Hans Pfitzner, Carl Duisberg und Hans von Seeckt beteiligten sich. Bei allen Unterschieden war den Antworten eines gemein, sie formulierten Hoffnung.86 Es war der im Grunde wenig überraschende, jedoch erst in der jüngeren Forschung verstärkt beachtete Umstand einer historischen Of-

80 Zum Umgang mit der deutschen Kriegsniederlage vgl. auch Schivelbusch, Niederlage, S. 225 – 343, zu Cossmann S. 257. 81 Faulenbach, Historiker, S. 236. 82 Zur »Ankunft« in der Gegenwart Weimars vgl. Geyer, Zeitsemantik, v. a. S. 174 f. 83 Müller an Spahn, 8. 11. 1926, BArch, NL Martin Spahn 41. 84 Zum Arminius vgl. Morat, Haltung, S. 141 – 144. Als Müller den Artikel 1938 erneut veröffentlichte, war keine Distanzierung mehr vonnöten, auch der Abdruck im Arminius fand Erwähnung, vgl. Müller, Vom alten zum neuen Deutschland. Aufsätze und Reden (1938), S. 335. 85 Müller, Deutsche Zukunft (1926), S. 169 f. 86 Vgl. die Beiträge in: SM 24 (1926/27), Dezember 1926, S. 170 – 218.

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fenheit der Entwicklung auch der Weimarer Republik87, die Müllers Fragen und die gegebenen Antworten motiviert hatte. Wie würde die Zukunft sein, werden wir sie bewältigen? Auch in seiner »Vorbemerkung« zu den Antworten auf seine Fragen zur »Deutschen Zukunft« war Müller den altvertrauten Orientierungen treu geblieben, man benötige nationale Einheit und ein »vorwärtsweisendes Ideal«, der Kampf galt weiterhin der »Erhaltung des Deutschtums«.88 Keine Minderung der »nationalen Gesinnung«, aber eine denkbare Erfüllung des Wunsches nach nationalem Wiederaufstieg unter den Rahmenbedingungen des Jahres 1926, dies beschreibt die Ansätze zu einem vorsichtigen politischen Wandel Müllers. Bereits im Frühjahr des Jahres hatte Müller in einem Vortrag, trotz allen fortgesetzten Klagens über den verlorenen Krieg und den Versailler Vertrag, eine positive Tendenz wahrgenommen: »Und dennoch leben wir! Und dennoch glauben wir in den letzten 2, 21/2 Jahren, trotz aller Rückschläge im einzelnen, etwas wie einen langsamen Aufstieg zu fühlen.« Aus den referierten Bedrückungen und Zurücksetzungen zog Müller nun keinen fatalistischen Schluss, sondern einen nationalistisch gestimmten Optimismus: »Wir wollen noch leben, und deshalb werden wir leben.«89 Untrennbar verbunden war diese Einstellung allerdings mit der wirtschaftlichen und politischen Konsolidierung der Weimarer Republik, die geminderte Bedrängnis resultierte in einer geminderten politischen Radikalität. Deshalb aber blieb es auch eine Entwicklung weniger Jahre, mit der Rückkehr der Krise im Herbst 1929 kehrte auch für Müller der Zweifel zurück: »Die innenpolitische Entwicklung ist tief niederdrückend.«90 Vorerst aber setzte sich die »Ankunft« in der Weimarer Republik fort. Noch als Syndikus gratulierte Müller Ludwig Quidde zur Verleihung des Friedensnobelpreises, den dieser nicht zuletzt als Gegner der Kriegspublizistik Müllers für sein pazifistisches Engagement erhalten hatte.91 Allerdings stießen diese Annäherungsversuche nicht bei jedermann auf Begeisterung. Im August 1928 hatte Richard von Kühlmann, früherer Außenstaatssekretär und nun Präsident der deutschen Gruppe des Europäischen Kulturbundes, um die Teilnahme an der Jahrestagung in Prag geworben, Müllers »überaus wertvolles Interesse an den Bestrebungen des Deutschen Kulturbundes« lasse auf eine Zusage hoffen.92 In der Tat war Müller, gemeinsam mit Lujo Brentano, Thomas Mann oder dem Münchner Oberbürgermeister Karl Scharnagl, engagiert in der Münchner Sektion des Kulturbundes, einer zwischen liberalen Strömungen und konservativer Revolution schwankenden Vereinigung »euro87 Vgl. vor allem R. Graf, Zukunft, zu Müller S. 233. 88 Müller, Deutsche Zukunft (1926), S. 169 f. 89 Anlass war eine Veranstaltung der Deutschen Akademie, aus den Ausführungen ergibt sich die Datierung auf das Frühjahr 1926, vgl. das Manuskript in: BayHStA, NL von Müller 458. 90 So Müller an Meinecke, 2. 11. 1929, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 29, Nr. 722. 91 Müller an Quidde, 21. 3. 1928, Monacensia, A I/4 (Karl Alexander von Müller). 92 Kühlmann an Müller, August 1928, BayHStA, NL von Müller 246.

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päischer Rechtsintellektueller«.93 Die Müller eng verbundene Elsa Bruckmann jedoch reagierte entsetzt: »Das war ein Schlag für mich«. Nun stünde Müller »im Lager der Verderber, der stillen u. offenen Feinde, werden ihnen zum Schild, als ob es auch hier mit echten rechten deutschen Dingen zu geht!« Sie hoffe, es sei ein Missverständnis, ein Missbrauch des Namen Müllers: »Nein, ich verstehe es nicht! mit diesem Namen! Kühlmann!! Übelste Sorte, politisch ein Schädling, kulturell verjudet u. finanzieller Handlanger für Becker’sche Belange! Kurt Wolff: Internationalist, Literat, […] Halbjude. Th. Mann in schönster Einigkeit mit dem brüderlichen ›Bibi‹-Literaten. […] Fast alle mehr od. weniger, aeußerlich od. innerlich – Bolschewiki!«94 Die Liaison mit dem vermeintlichen »Gegner« würde nicht lange währen, auch das Verhältnis zu Bruckmanns ließ sich wieder kitten, noch aber setzte sich Müllers Annäherung an national gesinnte, dem Weimarer Staat jedoch nicht in unversöhnlicher Abneigung gegenüberstehende Kreise fort. Erneut gemeinsam mit Thomas Mann zählte Müller im November 1928 zu den Gründungsmitgliedern des Rotary Club München.95 Mit seiner nationalen Überzeugung konfligierte diese Mitgliedschaft nicht, im Gründungsstammbuch der Münchner Rotarier verewigte sich Müller mit einem, seiner politischen Publizistik der frühen 1920er Jahre fast wörtlich entnommenen Zitat: »Nicht neue Parteien brauchen wir, sondern neue Charaktere; nicht neue Programme, sondern eine neue Gesinnung; nicht neue Schlagworte von irgend etwas, was kommen soll, sondern lebendige Beispiele eines neuen Lebens, das da ist und mit sich reißt. – Alles andere sind bloße Schaumblasen der Zeit, ohne Dauer, ohne Bestand. Aus dem Gemeinen ist noch nie etwas Großes erwachsen.«96 Trotz der pathetischen Emphase: Kunst, Wissenschaft, bürgerliches Engagement, die Ziele des elitären, konservativen Honoratiorenklubs fügten sich ein in Müllers gewachsene Bereitschaft zur pragmatischen Mitwirkung. Doch hatte Müller weniger seine Ziele als die ihrer Erfüllung dienenden Formen des Engagements verändert, eben dies sollte in der Krise der frühen 1930er Jahre zur raschen Abkehr und erneuten Radikalisierung beitragen. Vorerst aber hatte der »Erfolg« der Republik Müller gemäßigt, wesentlichster Aspekt, auch Lohn dieser Entwicklung, war die erlangte Pro-

93 Vgl. G. Müller, Gesellschaftsbeziehungen, zu Müller S. 362 u. 443, zusammenfassend zum Kulturbund S. 437 – 456. 94 Bruckmann an Müller, 20. 3. 1929, BayHStA, NL von Müller 246. Zu Bruckmann vgl. Martynkewicz, Salon Deutschland. Der Wutausbruch Bruckmanns fand auch in Müllers Erinnerungen Aufnahme, er habe »offen, versöhnlich, aber bestimmt« geantwortet, dass »ich meiner Natur nach […] für alle parteimäßige Einseitigkeiten nicht geeignet sei, besser zu gebrauchen, Brücken zu schlagen als Brücken abzubrechen.« Vgl. Müller, Wandel (1966), S. 305. 95 Zur Gründung der Münchner Rotarier vgl. Meuschel, Gründung, S. 13 – 20. 96 Vgl. das Stammbuch »Die Münchner Rotarier ihren Freunden und Gästen zur Charterfeier 7. Februar 1929«, S. 30, in: StAM, RC München 1350. Zum Ursprung des Zitats vgl. Müller, Rückblick und Ausblick (1921), S. 255.

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fessur. An diese aber hatte Müller nun auch seine historiographische Ausrichtung anzupassen.

4.1.3 Geschichtsschreibung zwischen regionaler und internationaler Perspektive Vor allem in seiner politischen Publizistik seit dem August 1914 hatte Müller sich als ein Lobredner Preußens erwiesen, an diesem sollte Bayern sich orientieren und aufrichten. Anlässlich der Beratungen um die Nachfolge Onckens argwöhnte der Förderer Marcks: »In Preußen hat ihm sein ›Baierntum‹ geschadet, in Baiern könnte z. T. dies, z. T. sein Deutschtum wider ihn in die Waagschale fallen.«97 Nicht zuletzt Müller selbst sprach rückblickend und sich einschließend von den »süddeutschen Preußen«.98 Auch historiographisch war die bayerische Geschichte Müllers zumeist auf die Reichseinigung und den »Reichseiniger« Bismarck orientiert geblieben. Hingegen fehlte in kaum einer zeitgenössischen wie retrospektiven Beschreibung der Hinweis auf Müllers bayerische Herkunft, als »Verfasser liebenswürdiger Erinnerungen unterm weiß-blauen Himmel«99 galt und gilt er als vor allem bayerischer Historiker. Die Lücke zwischen öffentlicher Wahrnehmung und historiographischer Realität, seit dem Habilitationsvortrag hatte Müller kaum Beiträge zur bayerischen Geschichte vorgelegt100, versuchte er nach der Übernahme des Lehrstuhls zu schließen. In diesem Sinne »regionalisierte« Müller seine historiographische Perspektive. Jedoch blieb es bei essayistischen und publizistischen Skizzen, eine Monographie zur bayerischen Geschichte würde Müller nicht veröffentlichen. Noch 1927, als Oncken die zweite Auflage des ersten Bandes der »Geschichte Baierns« Riezlers vorlegte, wurde Müller als künftiger »Fortsetzer des Werkes« bezeichnet.101 Letztlich bewahrte ihn die wirtschaftliche Krise vor der Offenlegung seines Versagens, im Juli 1931 bat der Verlag um Aufhebung der Vereinbarung, dankte gar für Müllers verständnisvolle Aufnahme.102 Präsentiert wurde die Neuauflage des Riezlerschen Werkes zur ersten Sitzung der neubegründeten »Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften« im Oktober 1927.103 Angesichts der Bedeutung der bayerischen Landesgeschichte und ihrer Protagonisten für die deutsche Regional- und Landesforschung eine vergleichsweise 97 98 99 100 101

Marcks an Paul Wolters o. D., UAM, O-XV-2i, Bd. 2. Müller an Kaehler, 1. 10. 1940, SUBG, NL Siegfried A. Kaehler 1.222, Nr. 29. K. F. Werner, NS-Geschichtsbild, S. 95. Vgl. Müller, Probleme der neuesten bayerischen Geschichte (1917). Oncken an KommBayLG, 20. 10. 1927 (weitergeleitet von Müller an Leidinger, 21. 10. 1927), BSB, NL Georg Leidinger, Leidingeriana IV.b.1.d, Mappe 1. 102 F. A. Perthes Verlag (DVA) an Müller, 3.7. u. 7. 7. 1931, BayHStA, NL von Müller 434. 103 Vgl. Volkert, Kommission, zur Gründung S. 23 – 30.

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späte Institutionalisierung.104 Müller war bereits in einer Jahre vor der Gründung entstandenen Auflistung »Die ersten Mitglieder der Kommission für bayerisches Landesgeschichte« enthalten. Auch als die Errichtung der Kommission ins Auge gefasst wurde, war er beteiligt und wurde schließlich in die Kommission berufen.105 Wie in anderen wissenschaftlichen Institutionen gelang es ihm rasch, zu Einfluss zu gelangen. Bereits im Frühjahr 1929 wurde Müller mit »18 von 19 abgegebenen Stimmen« zum Schriftführer der Kommission gewählt, die Protokolle der folgenden Jahressitzungen verzeichnen die rege Mitarbeit Müllers in der Kommission.106 Auch an publizistischen Beiträgen mangelte es seit einiger Zeit nicht, zum »Süddeutschen Kulturboden«, zu bayerischen Hochschulen, auch zu verschiedenen bayerischen Persönlichkeiten.107 Anlässlich eines Empfangs der Stadt München für die Deutsche Akademie im Oktober 1927 bat der Oberbürgermeister Karl Scharnagl persönlich Müller um die Ansprache, es würden die »führenden Kreise der Wissenschaft und auch bedeutende Vertreter der Wirtschaft aus unserer Stadt« zusammengeführt.108 Müllers Rede »Münchens Eigenart einst und jetzt« bot einen geschichtlichen Abriss, betonte die umstürzenden Veränderungen und Nöte der letzten Jahre, verzichtete aber ganz im Duktus der »Ankunft« Müllers auch auf positive Erwartungen nicht.109 Auch in der bayerischen Landesgeschichte folgte Müller den bekannten Pfaden, die publizistische und institutionelle Präsenz blieb begleitet vom weitgehenden Verzicht auf wissenschaftliche Beiträge. An der öffentlichen Wahrnehmung Müllers als dezidiert bayerischer Historiker jedoch änderte dies nichts.110 Von seinem Vorgänger und früheren Konkurrenten Michael Doeberl setzte sich Müller deutlich ab. Gegenüber Oncken, der ihm das Manuskript eines Nachrufes auf Doeberl zur Einsicht übersandt hatte, bekannte Müller, er habe sich die »Hauptpunkte noch zusammengestellt, welche die Pietät […] vorläufig« hindere auszusprechen, die »aber doch zum Bild – auch des Gelehrten 104 Vgl. Friedrich, Institutionalisierung, zu Bayern S. 230 – 232 sowie umfassend: M. Werner, Landesgeschichtsforschung. 105 »Die ersten Mitglieder der Kommission […]«, 1923/24; Niederschrift über die Besprechung im KM, 22. 12. 1926; Niederschrift der 1. Gesamtsitzung der KommBayLG, 22. 10. 1927, BayHStA, MK 40399. 106 Vgl. die Niederschrift über die Wahlsitzung der KommBayLG, 29. 4. 1929 sowie die Niederschriften der Gesamtsitzungen 1929 bis 1932, BayHStA, MK 40400. 107 Müller, Süddeutscher Kulturboden (1926); Altbayerische Hochschulen (1927). Allein 1927 publizierte Müller, teils mehrfach, Artikel über Sigmund von Riezler, Ludwig Thoma und Wilhelm Heinrich Riehl, vgl. das Schriftenverzeichnis Müllers im Anhang. 108 Scharnagl an Müller, 6. 10. 1927, BayHStA, NL von Müller 457. Vgl. umfassend zur Kulturpolitik in München: Hermann, Kulturpolitik. 109 Vgl. den Abdruck in den MNN: Müller, Münchens Eigenart (1927); erneut veröffentlicht 1932 als »Ansprache auf München« in der Schweizer Literatur- und Kulturzeitschrift Corona. 110 Auch in der bayerischen Elitenförderung erhielt Müller mit der Aufnahme in das Kuratorium des Maximilianeums institutionellen Einfluss, der frühere Stipendiat befand nun über zukünftig zu Fördernde, vgl. Protokoll über die Sitzung der Engeren Fakultät, 8. 2. 1929, UAM, OIII-4 1/4; KM an Kuratorium des Maximilianeums, 18. 2. 1929, BayHStA, MK 44052.

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D. gehören: die Kleinlichkeit […], das nicht unerhebliche Talent zur Intrige, eine, durch das Gesamtgewicht der Person nicht gerechtfertigte Egozentrizität«.111 Auch eine von Müller betreute Dissertation über »Die Vorgeschichte des Vertrages von Ried« lasse den Vorgänger schlecht aussehen, das Bild sei »gegenüber den Grundlinien, die Doeberl aufgezeigt hat, ungleich vielfältiger und nuancenreicher geworden, an nicht wenigen Punkten […] in Wesentlichem ergänzt, aufgehellt und berichtigt.«112 Doch wo konnte Müller selbst, jenseits leichtgängiger Publizistik, die Erforschung bayerischer Geschichte ergänzen, aufhellen oder berichtigen? Für Müller galt es zuallererst, in der Betrachtung des Verhältnisses von bayerischer und deutscher Geschichte seine Perspektive zu wenden. War bislang die Entwicklung vor allem Preußens vorbildhaft, präsentierte er nun die »Bedeutung Bayerns für die geistige Kultur Deutschlands«. Im gleichnamigen Aufsatz, der anmerkungsfreie Abdruck eines Vortrages, offenbarte Müller, wie sehr seine Geschichtsauffassung an feststehende Formeln und Begriffe gebunden war. Überall schienen »die alten organischen Schichtungen des Lebens sich aufzulösen«, »Zahl und Gewicht beherrschen die Zeit«, was stehe »dieser gewaltigen Flut der Umwandlung, der Mechanisierung, der Nivellierung noch an Erdgebundenem, geschichtlich Erwachsenem« entgegen, fragte Müller in Formulierungen, die ebenso zehn Jahre zuvor hätten veröffentlicht werden können. Der als bedrohlich wahrgenommenen Beweglichkeit der Gegenwart setzte Müller die Unveränderlichkeit des Vergangenen, die Verlässlichkeit der Geschichte entgegen, die »Kräfte, die wir da in einer tausendjährigen Geschichte wirksam sehen, sind keineswegs alle erstorben, nicht einmal alle schon umgewandelt.« Die besondere bayerische Sendung, so führte Müller anhand von Herkunft, agrarischer Struktur, Kirche und Kultur aus, die Bedeutung Bayerns für Deutschlands »geistige Kultur« liege in seiner Verfügungsmacht über einen reichen Schatz an verlässlicher Herkunft, der sich mit dem neuen bayerischen Staat verbunden habe. Bedroht sei all dies, so Müller, durch »zunehmende Verstädterung und Industrialisierung« wie durch die »staatlichen Umbildungen« seit 1918. Schließlich fügte Müller noch einen weiteren Beitrag Bayerns zur deutschen Gegenwart an, es sei der »geistige Vorposten, der kulturelle Brückenkopf des politisch geeinten Volkskerns gegen Süd und Südost«. Der Rolle Bayerns als »deutsches Grenzland« widmete sich Müller in den kommenden Jahren mit der Etablierung und Institutionalisierung der Südostforschung. Einer seiner paradigmatischen »Wege in den Nationalsozialismus«, denen nachzugehen sein wird. Ob das »Natürliche, Erdgebundene, Bodenständige inmitten der neuen Massengewalten« lebendig bleiben könne, sei für »das Deutschtum«, so Müller , eine Frage »auf Leben und 111 Müller an Oncken, 5. 6. 1929, NLA StA Oldenburg, NL Hermann Oncken, Nr. 377. Hingegen in den Memoiren: »Der Nachruf, den ich ihm, […] in den Münchner Neuesten Nachrichten, schrieb, kam aus ehrlichem Herzen.« Vgl. Müller, Wandel (1966), S. 265. 112 Gutachten Müller, 12. 1. 1932, UAM, O-Np-1931/32 [Schwarz Hans W.].

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Tod. Aber möge das sein, wie es wolle.«113 Der ebenso dramatische wie zugleich lapidare Schluss verdeutlichte, Müller hatte sich noch nicht entschieden, welchen Weg seine Zukunftserwartung nehmen sollte. Als Ordinarius für bayerische Landesgeschichte erforschte Müller eben diese bayerische Geschichte nur in überschaubarem Umfang, doch verstand er es umso besser, sie zu präsentieren. Der bayerische Kultusminister Franz Goldenberger selbst warb, als Müller bei der Übernahme eines Beitrages zögerte, um dessen Einsatz: »Gerade Sie sind der geeignetste Gelehrte, um diesen wichtigen Abschnitt in der besten Weise zu bearbeiten.«114 Müller ließ sich erweichen und verfasste den Beitrag zur »Bayerischen Geschichte« in »Dem Bayerischen Volke. Der Weg der Bayern durch die Jahrhunderte«, einem aufwendigen, mit einem Beitrag des bayerischen Ministerpräsidenten Heinrich Held versehenen und für Bayern auf jedem denkbaren Gebiete werbenden Band.115 Zuvor hatte das Kultusministerium Müller bereits um Durchsicht eines Lehrbuchs gebeten, er möge prüfen, ob »die Darstellung vom politischen, konfessionellen und sozialen Gesichtspunkt aus einwandfrei und ob die bayerische Geschichte in entsprechender Weise und in ausreichendem Maße berücksichtigt« sei.116 Wenn auch nicht historiographisch, so doch als bayerischer Landeshistoriker verstand es Müller, seine Rolle auszufüllen, die bayerische Gegenwart durch publikumswirksame Präsentation der bayerischen Geschichte zu belehren, den bayerischen Staat als Geschichtsdeuter zu stützen. Und, als die in der Weimarer Verfassung angelegten Konflikte um den Einfluss der Zentralgewalt und die föderale Ordnung zu Auseinandersetzungen führten117, auch politisch Bekenntnis abzulegen. Im 1930 zur Abwehr des befürchteten »Einheitsstaates« unter dem Namen »Reich und Heimat« begründeten »Arbeitsausschuss zur Wahrung der föderalen Reichsgliederung« übernahm Müller den Vorsitz.118 Müller fand Gefallen an seiner neuen Rolle, nutze sie auch für andere Tätigkeitsfelder. Als Sekretär der Historischen Kommission warb er beim bayerischen Kultusministerium um die fortgesetzte Zahlung des Zuschusses, entscheidend sei vor allem »ein allgemeiner kulturpolitischer Gesichtspunkt. Die Hist. Kommission ist seit ihrer Begründung […] eine der angesehensten wissenschaftlichen Körperschaften in Deutschland und man darf wohl sagen ein ruhmvoller Aktivposten des bayerischen Staates auf kulturellem Gebiet. […] Ich brauche nicht auszuführen, wie wichtig im Interesse der bayerischen, ja der süddeutschen Kulturpolitik […] es ist, diese Positionen festzuhalten und nicht zu gefährden.« Der »bayerische Sachhaushaltsposten« sei »der 113 114 115 116 117 118

Müller, Bedeutung Bayerns (1929), Zitate S. 363 – 365, 385 – 388. KM (Staatsminister) an Müller, 14. 1. 1930, BayHStA, MK 44052. Müller, Bayerische Geschichte (1930). KM an Müller, 31. 10. 1929, BayHStA, NL von Müller 406. Funk, Föderalismus, S. 265 – 274. Vgl. den »Aufruf« des Arbeitsausschusses »Reich und Heimat«, 30. 4. 1930, BSB, NL Georg Leidinger, Leidingeriana VI.a.7.

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Anker, der die Kommission in München festhält«, noch könne man dem Berliner Zentralisierungsstreben widerstehen. Die geschickte Begründung verfing, die Unterstützung habe es der Kommission ermöglicht, so Müller ein Jahr darauf, ihre »alte Ehrenstellung unter den ersten historischen Körperschaften Deutschlands zu behaupten.«119 Als Argument für die Forschungsförderung diente »bayerisch« nun zunehmend, auch gegenüber der Notgemeinschaft verwies Müller darauf. Eine »gründliche, umfassende Geschichte des altbayerischen Barockschauspiels« sei ein »dringendes Bedürfnis der bayerischen Volkskunde wie der bayerischen Geistesgeschichte.«120 Für die historisch grundierte Werbung für bayerische Belange war Müller nicht zuletzt deshalb geeignet, weil er sich zuvor in seiner Historiographie keineswegs als besonders bayerisch oder partikular profiliert hatte. In Müllers geschichtswissenschaftlichem Werk war die bayerische Geschichte wesentlich auf Deutschland bezogen, als prononcierter Künder des Bismarckschen Ruhms war Müller nun geeignet, als unbillig empfundene Deutungen wie Ansprüche zurückzuweisen. Als 1931 der am Potsdamer Reichsarchiv tätige Historiker Hans Goldschmidt nachzuweisen suchte, dass »Bismarck in Wirklichkeit Unitarist war, und seine föderalistischen Bekenntnisse nur die wahren Absichten verschleiern«, wurde der bayerische Staat aktiv.121 Eine »Gegenwirkung im Sinne einer objektiven Untersuchung der Stellung Bismarcks zum Reichsgedanken« erschiene »vom Standpunkte der bayerischen Einstellung zur Frage des Reichsaufbaues unerlässlich.« Müller habe sich »in dankenswerter Weise bereit erklärt, diese Aufgabe zu übernehmen.«122 In welcher Form dies geschah, ist nicht überliefert, zusätzlich qualifiziert hatte Müller sich durch eine zuvor veröffentlichte Schrift, die sich mit dem »Bayerischen Problem in der deutschen Geschichte« beschäftigte. Gewidmet war die Broschüre dem Gedächtnis von Müllers Vater, der durch »lebendiges Beispiel und durch die fortwirkende Kraft seines Willens die vaterländische Grundeinstellung des Lebens bestimmt hat: Deutsche zu sein und Bayern zu bleiben.« Die Widmung gab den Tenor vor, die regionale war ohne die nationale Perspektive nicht zu denken, zugleich schien es geboten, die bayerische Eigenheit gegen die deutsche Selbstverständlichkeit zu verteidigen. Doch, fragte Müller eingangs, gebe es überhaupt »ein bayerisches Problem in der deutschen Geschichte?« Zeitgenössisch sei dies jedem klar, es handele sich um »den Widerstand, den Kampf eines der größten deutschen Einzelstaaten […] um seine politische Selbstbestimmung innerhalb des dritten deutschen Reiches.« Nun verfolgte Müller die Zeitleiste zurück, Kaiserreich, Napoleonische Zeit und Reformation, immer wieder konstatierte er eine 119 120 121 122

HiKo (Müller) an KM, 21. 12. 1929 u. 15. 10. 1930, BayHStA, MK 40395. Vgl. Gutachten Müller, 6. 3. 1931, BArch, R 73/13238 (Moser, Hans). Vgl. Goldschmidt, Reich und Preussen. Bayerisches Staatsministerium des Äußern an Generaldirektor der Staatlichen Archive, 18. 5. 1931, BayHStA, NL von Müller 17.

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Sonderstellung Bayerns. Im Grunde sei es ein immer wiederkehrendes Problem, das »Verhältnis von Teil und Ganzem, von Eigenleben und Gemeinschaft in einem größeren Staat.« Schließlich zeichnete Müller, dem Gang der Geschichte nun wieder in die Gegenwart folgend, die Besonderheiten Bayerns in den einzelnen Epochen nach. In den Umwälzungen der jüngsten Zeit habe Bayern »seine natürliche Eigenart« bewahren können, eben deshalb werde es »vielfach so leidenschaftlich und erbittert bekämpft«. Bayerns jetziges Streben sei kein partikulares Interesse, der Umgang mit der bayerischen Frage vielmehr »ein Prüfstein für das wahre Wesen der neuen deutschen Demokratie.« Es habe der »uralte germanische Trieb zur Selbstbestimmung […] in der Geschichte eine viel gewaltigere und fruchtbarere Kraft« dargestellt als der »romanische Trieb zur Unitarisierung.«123 Bayern als Vorbild für Jahrhunderte deutscher Geschichte, die »warmherzigen und bis aufs letzte durchgedachten Ausführungen des bayerischen Historikers sollte man in Berlin und in recht weiten Kreisen des deutschen Volkes aufnehmen«, urteilte ein begeisterter Rezensent.124 Unter den »Männern der Wissenschaft, die zur Pflege des bayerischen Gedankens und der bayerischen Geschichte berufen sind,« stehe Müller »in vorderster Linie«, denn nichts tue »dem föderalistischen Gedanken mehr not als Popularisierung, als offenes Bekenntnis zu ihm«.125 Es sei erfreulich, so Kultusminister Goldenberger, dass die »für die Vertiefung des föderalistischen Gedankens und für die Verteidigung der bayerischen Eigenstaatlichkeit so wertvollen Ausführungen« der »Allgemeinheit zugänglich werden.«126 Schließlich empfahl das Ministerium die Schrift zur Schullektüre.127 Auch als bayerischer Staatshistoriograph schien Müller angekommen. Einer anderen deutschen »Provinz« hatte sich Müller, wohl anschließend an seine Herausgabe der Universitätsfestschrift, unterdes ebenfalls gewidmet. Einer »Provinz des deutschen Vaterlandes«, deren »Lage nicht ohne weiteres leicht zu bestimmen« sei, denn wo war es zu suchen, das »Akademische Deutschland«?128 Bis heute eines der »wesentlichen Nachschlagewerke« der Hochschul- und Studentengeschichte129, entstand das vierbändige Sammelwerk »Das akademische Deutschland« über mehrere Jahre, den Beitrag zur Geschichte der Münchner Universität hatte Müller im September 1927 übernommen.130 Erst zum Jahreswechsel 1930 erschien der Band mit Müllers Beitrag, der auf zwanzig Seiten einen knappen Überblick über die, aufgrund der mehrmaligen Verlegung der Universität, nicht nur Münchner Universitätsgeschichte bot. Für die Jahrzehnte seit der Jahrhundertwende blieb keine 123 124 125 126 127 128 129 130

Müller, Bayerische Problem (1931), S. 5, 8, 12, 33, 35, 37. Schmeidler, Bayerische Problem (Rez.), S. 213. Vgl. die Besprechung von Max Spindler, Bayerische Problem (Rez.), S. 310. KM (Staatsminister Goldenberger) an Müller, 12. 12. 1930, BayHStA, MK 44052. KM an Direktorate der höheren Lehranstalten, 3. 9. 1931, ebd. Vgl. Eduard Sprangers Vorwort in: Doeberl (Hg.), Das akademische Deutschland, S. XIII. Lönnecker, Akademische Deutschland, S. 2. Vertrag zw. Verlag C.A. Weller u. Müller, Aug./Sept. 1927, BayHStA, NL von Müller 441.

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ganze Seite, nun sei die »geistige Welt durch die abenteuerliche Entwicklung der Technik, die hemmungslose Entfesselung des industriellen Kapitalismus, die empordrängende sozialistische Bewegung in gewaltiger Gärung«, Aufgabe der »alten bayerischen Landesuniversität« sei »die geistige Grenzwacht Deutschlands im Süden unseres Volkstums«.131 Gegenüber Albert Brackmann betonte Müller, der Beitrag habe Mühe gemacht, weil »die vorliegenden Vorarbeiten z. T. veraltet […]. z. T. nur sehr fragmentarisch sind, so daß ich vielfach selbst an die Quellen mußte, ohne, bei dem vorgeschriebenen Umfang u. Charakter der Darstellung, davon eigentlich Gebrauch zu können.«132 Die Mühe dieser Müller gemeinhin nicht zugesprochenen Quellenarbeit zahlte sich aus, nicht zuletzt der als Vorsitzender der landesgeschichtlichen Kommission in der bayerischen Geschichtsforschung einflussreiche Georg Leidinger zollte der »glänzenden Uebersicht« Müllers Respekt: »Ich habe die Abhandlung mit Bewunderung über die Art, wie Sie den ungeheuren Stoff bewältigt haben, gelesen.«133 Auch der Rektor zeigte sich begeistert von der Universitätsgeschichte »unseres Karl Alexander von Müller«, die »glänzend geschrieben, in bewunderungswürdiger Weise auf knappstem Raum einen großen Stoff bemeistert.«134 Als Historiograph seiner Heimatuniversität, als »unser Karl Alexander von Müller« hatte sich Müller erneut für eine in seiner wissenschaftlichen Karriere bedeutsamen Institution bewähren können.135 Trotz des Verweilens in bayerischer und akademischer »Provinz«, gänzlich verlor Müller auch in diesen Jahren seine ursprüngliche historiographische Perspektive nicht aus den Augen. Manches, wie die Geschichte von Reichseinigung und bayerischer Partizipation an dieser, war in erprobter Weise zu verbinden.136 Anderes, wie die Verehrung des »Reichsgründers«, wieder aufzugreifen.137 Schließlich war einst Begonnenes auch fortzusetzen. Die Laufbahn des von Müller in seiner Dissertation in den Mittelpunkt gerückten Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst hatte als bayerischer Ministerpräsident nur einen ersten Höhepunkt erreicht, zwischen 1894 und 1900 war Hohenlohe-Schillingsfürst als Reichskanzler einer der Nachfolger Bismarcks. Noch im Kaiserreich waren zwei Bände »Denkwürdigkeiten« HohMüller, Ludwig-Maximilians-Universität (1930), S. 342. Müller an Brackmann, 8. 4. 1930, GStA, VI. HA, NL Albert Brackmann 22, Bl. 181 – 183. Leidinger an Müller, 13. 4. 1930, UAM, D-X-15, 1/2, Bd. 4. Rektor UM an Wilhelm Kisskalt, 6. 5. 1930, UAM, D-X-15, 1/2, Bd. 4. Nachdem Müller die Rede zur Universitätsfeier anlässlich der »Befreiung« des Rheinlandes im Juli 1930 gehalten hatte, wurde ihm zudem die alljährliche Reichsgründungsrede angetragen, er musste aber absagen, vgl. Müller an Rehm, 10. 12. 1930, BSB, NL Albert Rehm, Rehmiana IV.A. Müller, K.A.v. Zu den Reichsgründungsfeiern vgl. Kotowski, Universität, S. 45 – 63. 136 Vgl. Müller, Unbekannte Briefe Bismarcks an Ludwig II. (1932); Bismarck und die Königskatastrophe 1886 (1932), S. 648 – 661. Diese Veröffentlichungen erfuhren bis in die jüngste Zeit Verwendung, vgl. Albrecht, Ludwig II., S. 61; C. Botzenhart, Schattenkönig, S. XXV. 137 Als Mitglied der Münchner Bismarck-Gesellschaft trug Müller auf dem »3. Deutschen Bismarck-Tag« im September 1929 in München vor, vgl. Müller, Bismarck und unsere Zeit (1929) sowie Gerwarth, Bismarck-Mythos, S. 130 u. 164; Hort, Bismarck in München.

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enlohes erschienen.138 Die Bearbeitung des dritten Bandes für seine Amtszeit als Reichskanzler übernahm Müller im Herbst 1925, erscheinen sollte die Edition in den von der Historischen Kommission herausgegebenen »Deutschen Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts«.139 Auf den Jahresversammlungen der Kommission blieb Müllers Vorhaben lange Zeit auf der Agenda, 1928 hoffte er den Band »im nächsten Jahr abzuschließen«, 1929 waren die Arbeiten »soweit fortgeschritten«, dass »der Druck im kommenden Berichtsjahr beginnen« könne, auch 1930 hoffte Müller weiter auf einen Abschluss »nächstes Jahr«.140 Schließlich aber lieferte Müller, befreite sich »endgültig von dieser Last«.141 Im Vorwort der »Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit« verwies er auf die sich aus der disparaten Quellenüberlieferung ergebenden Herausforderungen bei der Bearbeitung, auch war es gegenüber den früheren Bänden notwendig, den »wissenschaftlichen Charakter der Herausgabe zu verstärken.« Auf eigene Stellungnahmen als Herausgeber habe er verzichtet, im Band stehe der Leser »lediglich dem Fürsten und seinen Zeitgenossen gegenüber : er hört sie selbst reden, liest, was sie schreiben.«142 Doch fiel das Interesse des angesprochenen Leser weitaus schwächer aus als erhofft, man sei, so der Verlag, in eine wirtschaftlich ungünstige Zeit gekommen, der Verkauf bleibe hinter bescheidensten Erwartungen zurück.143 Die Edition zählte, wie auch ein ergänzender Akademievortrag144, zu den »wissenschaftlichsten« Publikationen in der Karriere des Historikers Müller. Erst durch die Veröffentlichung der »Denkwürdigkeiten« sei eine »fundierte Auseinandersetzung mit der Kanzlerschaft Hohenlohes« möglich gewesen, wurden Müllers Verdienste noch 2009 gewürdigt, unter den Studien zu »einzelnen Lebensphasen des Fürsten« sei der »lesenswerte, kleine Vortrag« hervorzuheben.145 Auch die zeitgenössische Kritik hat die wissenschaftliche Seriosität der »Denkwürdigkeiten« betont, sie bildeten in »ihrer vornehmen Sachlichkeit einen wohltuenden Gegensatz zu dem lügenhaften und tenden-

Vgl. Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1906). Protokoll der Sitzung des Finanzausschusses der HiKo, 7. 10. 1925, BayHStA, MK 11704. Protokolle der 66., 67. u. 68. Vollversammlung der HiKo, in: HiKo I Band 116 bis 118. DVA (Kilpper) an Müller, 24. 3. 1931, BayHStA, NL von Müller 442. Vgl. Müller (Hg.), Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten (1931), S. VII – IX. 143 DVA (Kilpper) an Müller, 3. 10. 1931, BayHStA, NL von Müller 442. Die im Nachlass vorliegenden Abrechnungen weisen zum 30. Juni 1931 1265 abgesetzte Exemplare aus, bis zum Jahresende wurden nur weitere 207 Bände verkauft, vgl. BayHStA, NL von Müller 434. 144 In dem Müller Hohenlohe gegen die v. a. von Wilhelm II. verbreitete Unterschätzung verteidigte, vgl. Müller, Dritte deutsche Reichskanzler (1932). 145 Stalmann, Hohenlohe-Schillingsfürst, S. 12, 22. Müllers Veröffentlichungen haben weitere Verwendung gefunden, vgl. Neitzel, Hohenlohe-Schillingsfürst, S. 86, die »Denkwürdigkeiten« sind zudem 1967 unverändert nachgedruckt worden.

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ziösen Brillantfeuerwerk Bülows.«146 In Müllers Edition werde »Rohmaterial geboten […], keine Verarbeitung, aber auch keine Retusche, keine Verherrlichung des eigenen Ich und Schmähung der anderen«.147 Ausgesprochen selten sind Auseinandersetzungen Müllers mit den Besprechungen seiner Werke zu verzeichnen, fielen diese doch ohnehin zumeist zustimmend aus. Müller publizierte wenig Kontroverses, das allseitige Lob seiner literarischen Fähigkeiten verwies nicht zuletzt auf den Mangel an anderen, kritikfähigen Aspekten. Nun aber, angesichts einer gewichtigen wissenschaftlichen Veröffentlichung, ereiferte sich Müller über die nicht kritischen, aber seine Mühen vermeintlich nicht genügend würdigenden Rezensionen. Gegenüber Karl Brandi klagte er : »Daß Ziekursch in der Hist. Zs. über die Edition […] hinwegging, nahm ich noch ruhig hin. Aber daß nun auch Hartung in dem gleichen Heft […], in dem er im Aufsatzteil die Denkwürdigkeiten ausgiebig benützt, eine in ihrer Kühle […] höchst unfreundlich wirkende Besprechung geschrieben hat, hat mich getroffen.« Ohne seine Bemühungen und Beziehungen wäre es nie gelungen, das »weitverstreute Material zusammenzubringen u. der sehr zurückhaltenden Familie eine im sachlichen unbeschränkte Veröffentlichung schmackhaft zu machen«, auch habe er an »die Edition selbst eine Summe anständiger u. gewissenhafter Arbeit gesetzt«.148 Als »Angriff auf die wissenschaftliche Ehre«149 nahm Müller die Rezension Hartungs wahr, »diese Bagatellisierung ist kränkend«.150 Auch musste Müller zur Kenntnis nehmen, dass der Band »leider durch die wirtschaftl. Erschütterung des letzten Sommers« gelitten hatte, »als die großen deutschen Blätter verhältnismäßig wenige eingesandte Besprechungen gebracht« hätten. Zumindest: »Die große ausländische Presse fängt jetzt an, mehr davon Notiz zu nehmen als die deutsche.«151 Als Reichskanzler unter der Regentschaft Wilhelm II. waren Hohenlohes »Denkwürdigkeiten« auch für ein politisch interessiertes Publikum außerhalb Deutschlands von Belang. Zwar verzichteten Daily Telegraph und Times auf den vom Verlag angebotenen Vorabdruck aus dem Band152, jedoch erhielt dieser eine ausführliche Besprechung im Times Literary Supplement. Es sei »perhaps the most important contribution made to our knowledge of the history of the last German Empire

146 v.B., Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten (Rez.), S. 269. Die »Denkwürdigkeiten« Bernhard von Bülows, Hohenlohes Nachfolger, waren kurz zuvor in vier Bänden erschienen. 147 Ziekursch, Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten (Rez.), S. 359. 148 Müller an Brandi, 27. 10. 1932, SUBG, NL Karl Brandi 55, Nr. 70. Vgl. zudem: Hartung, Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten (Rez.). 149 Entsprechend zu »Rezensionen als Ehrdiskurs« vgl. Scheutz, Rezensionen, Zitat S. 66. 150 Müller an Brandi, 27. 10. 1932, SUBG, NL Karl Brandi 55, Nr. 70. 151 Müller an Friedrich Thimme, 16. 4. 1932, BArch, NL Friedrich Thimme 8, Bl. 36/37. 152 DVA (Kilpper) an Müller, 24. 4. 1931, BayHStA, NL von Müller 442.

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since the publication of the diplomatic documents in the archives of the German Foreign Office.«153 Müllers publizistisches wie auch wissenschaftliches Interesse galt spätestens seit dem Weltkrieg neben der regionalen und nationalen auch der internationalen, vor allem der englischen Geschichte und Gegenwart. In seiner historiographischen Sichtweise bedingten sich alle drei Perspektiven, dienten einander als Vergleichs- und Kontrastfolien, waren einzeln weder denk- noch darstellbar. Folgerichtig stützte Müller im »Bayerischen Problem« seine Argumentation für den Vorzug einer föderalen Staatsordnung gegenüber einem lenkenden Zentralstaat mit dem Hinweis, es seien die »größten Staatsbildungen der Gegenwart, das britische Weltreich wie die Vereinigten Staaten, föderativ aufgebaut«.154 So wie für eine Kontur bayerischer Geschichte der größere Rahmen des Deutschen Reiches notwendig war, so bot englische Geschichte und Politik den Maßstab, an dem die deutsche Entwicklung gemessen wurde. Der seit Kriegsende bestehenden Isolation der deutschen Wissenschaft war Müller in den frühen 1920er Jahren durch persönliche Kontakte vor allem nach Oxford begegnet, unterbrochene institutionelle Verbindungen wurden durch persönliche Bekanntschaften ersetzt. Zudem hatte Müller mit seiner Darstellung des »Älteren Pitt« auch historiographisch einen beachteten Beitrag zur englischen Geschichte vorgelegt. Im September 1925 publizierte Müller einen Zeitungsartikel zu »Gladstone und Disraeli«155, ein Jahr darauf eröffnete er den »Hochschulvortragszyklus« des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes mit einem Vortrag über »Aufbau und Probleme des britischen Weltreiches«.156 Insgesamt jedoch ließ die Dringlichkeit der publizistischen Auseinandersetzung mit fortschreitender Stabilisierung der Weimarer Republik nach. Die Publizistik ruhte, die Beschäftigung mit englischer Geschichte hatte Müller jedoch keineswegs eingestellt. Bereits 1925 übernahm er die Einleitung zur deutschen Übersetzung eines klassischen Werkes der englischen Historiographie, des 1883 erstmals erschienenen »Die Ausbreitung Englands« von John Robert Seeley.157 Müller nutzte die Beschäftigung mit dem Werk Seeleys, um seine persönlichen Kontakte zu englischen Historikern aufzufrischen. Natürlich kenne er Müller – »Of course I know your name very well, & I am very glad you have written to me.« –, antwortete George Peabody Gooch, zu Seeley aber sei seines Wissens seit Gustav Adolf Reins Studie nichts erschienen.158 Auch verschiedene Colleges im englischen Cambridge bat Müller um 153 Vgl. Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten (Rez.), S. 180. Zur hohen Bedeutung des Auslandsabsatzes wissenschaftlicher Bücher vgl. Paletschek, »Weltgeltung«, S. 45 – 47. 154 Müller, Bayerische Problem (1931), S. 37. 155 Müller, Gladstone und Disraeli (1925). 156 Vgl. den Bericht in der Bayerischen Staatszeitung Nr. 251 v. 29. 10. 1926, S. 5. 157 Vgl. den Dank Willy Andreas’ an Müller, 2. 2. 1925, BayHStA, NL von Müller 477. 158 Gooch an Müller, 1. 5. 1927, BayHStA, NL von Müller 352. Vgl. Rein, Seeley (1912) sowie Goede, Rein, S. 25 – 27.

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Auskünfte zu Seeley.159 Als schließlich 1928 die Studie erstmals in deutscher Übersetzung erschien, widmete Müller sie »Meinen englischen Freunden«, dankte auch Gooch für seine Hilfe. In seiner Einleitung konzentrierte sich Müller auf die wissenschaftliche Biographie Seeleys. Auf die Frage, wozu »treiben wir eigentlich Geschichte«, habe dieser geantwortet: »weil wir sie für das Leben, für die Gegenwart brauchen.« Eine Antwort, die Müller zusagte, Politik und Geschichte seien für Seeley nur »zwei Seiten einer und derselben Sache.« Die »Ausbreitung Englands« sei rasch zur »Bibel des modernen englischen Imperialismus geworden«, mittels der historischen Darstellung des Aufbaues des britischen Weltreiches habe Seeley zugleich entwickelt, wie es erhalten werden könne. Müller zeigte sich beeindruckt, wie »feinnervig ist doch dieser Imperialist, bis in den abgewogenen Rhythmus seiner Sprache, wie empfindlich gegen alles Grobe, von wie streng beherrschtem Gefühl!«160 Es fiel dem ausgesprochen national orientierten Müller nicht schwer, die Bedeutung Seeleys für den englischen Imperialismus, für den politischen Gegner England anzuerkennen. Die mit seinem Gegenstand geteilte Selbstwahrnehmung als historiographisch geschulter Mahner für die jeweilige nationale Gegenwart, auch die oftmals apostrophierte »nüchterne« Einschätzung der Realität – am Beispiel Seeleys formulierte Müller ihm auch für sich selbst genehme Zuschreibungen. Otto zu Stolberg-Wernigerode, Schüler Müllers und Mitarbeiter der Süddeutschen Monatshefte, war beeindruckt: »Ein prachtvolles Buch, ich verstehe nur zu gut, dass Sie es nicht für zu spät gehalten haben, es übersetzen zu lassen. Wieviel könnte es zur politischen Erziehung Deutschlands beitragen.«161 Allerdings stieß die Übersetzung nur auf ein geringes Interesse, noch fast drei Jahre später klagte der Verlag, die gedruckte Auflage sei noch zu keinem Drittel verkauft.162 Im ersten Semester als Ordinarius an der Münchner Universität hielt Müller eine Vorlesung zu den »Epochen des britischen Weltreichs«.163 Immer wieder fanden auch englische Studierende den Weg in Müllers Veranstaltungen164, auch der britische Historiker Geoffrey Barraclough studierte zwei Jahre bei Müller.165 Zudem bestanden weiterhin Verbindungen nach Oxford und zu den Rhodes Scholars. Einer seiner Mitstipendiaten, der Reichstagsabgeordnete 159 Vgl. die Antworten: King’s College Cambridge (Librarian) an Müller, 17. 9. 1927; Grose (Tutor, Christ’s College Cambridge) an Müller, 21. 9. 1927, BayHStA, NL von Müller 352. 160 Müller, Einführung, in: Seeley, Ausbreitung (1928), S. XIX, XXII, XXV. 161 Stolberg an Müller, 11. 11. 1928, BayHStA, NL von Müller 404. 162 DVA (Kilpper) an Müller, 7. 7. 1931, BayHStA, NL von Müller 442. 163 LMU, Verzeichnis der Vorlesungen im Winterhalbjahr 1928/29, S. 4. 164 Vgl. zwei Briefe englischer Studentinnen: Ellen Squirell an Müller, 30. 10. 1925, BayHStA, NL von Müller 407; Joyce Godber an Müller, 31. 5. 1932, BayHStA, NL von Müller 477. 165 Stuchtey, Barraclough, S. 242. Dass Barraclough über Müllers nationalsozialistischen Ansichten fast zum Kommunisten geworden sei, berichtete in seinen Erinnerungen A.J.P. Taylor, der Barraclough in München besucht hatte, vgl. Taylor, Personal, S. 95. Vgl. zudem Impekoven, Ausländerstudium, v. a. S. 52 – 69.

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der DNVP Hans-Erdmann von Lindeiner-Wildau, bat Müller, der Einladung des Rhodes Trusts zum 25jährigen Jubiläum der Stiftung zu folgen: »Nach meiner Korrespondenz mit Mr. Wylie halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass eine grössere Teilnahme deutscher Herren zum Anlass werden würde, die deutschen Scholarships wieder ins Leben zu rufen«.166 Müller trat die Reise nicht an. Ohnehin ist sein Interesse an englischer Geschichte, sein Respekt für die englische Historiographie, nicht mit einer Abschwächung der tief empfundenen Konkurrenz zu verwechseln. Es zählte zu Müllers intellektuellem Gestus, die Anerkennung für »gegnerische« Leistungen nicht zu versagen, zugleich aber blieb die Bindung an eigene Vorzüge ungebrochen. Entsprechend vermerkte Müller zu einer Dissertation über »England und Preussen in der Schleswig-Holsteinischen Frage«, da die Promovendin die preußischen wie die englischen Akten eingesehen habe, trete die »diplomatische Überlegenheit Bismarcks gegenüber der unsicher schwankenden englischen Politik jener Jahre erst ins volle Licht.«167 Allerdings trat seit dem Kriegsende immer deutlicher ein neuer weltpolitischer Akteur ins Licht, die Vereinigten Staaten beschäftigten die deutsche Politik und Öffentlichkeit, aber auch die Wissenschaften.168 Transatlantische Verbindungen der deutschen Geschichtswissenschaften bestanden schon seit längerem, eine Reihe deutscher Historiker absolvierte noch vor dem Krieg Auslandssemester an amerikanischen Universitäten.169 Für die Süddeutschen Monatshefte stellte Müller im Frühjahr 1929 ein Themenheft zu »Amerika« zusammen. Der »Schatten« Amerikas liege seit Kriegsende über Europa »gleich dem Schatten eines Riesen, der sich unerwartet aufgerichtet hat«, so Müller in seiner Vorbemerkung. Doch habe sich die deutsche Aufmerksamkeit bislang zu wenig auf die »Einrichtung« von amerikanischem Staat und Gesellschaft gerichtet, obwohl diese bereits von einem »leidenschaftlichen Nationalgefühl durchdrungen« seien – »Müßte es uns nicht über alles fesseln, wie das möglich wurde?« Zumal das deutsche Volk sich durch die Auswanderung »blutmäßig« mit dem amerikanischen eng verbunden habe. Auch der amerikanische Föderalismus sei ein Thema von besonderem Interesse. In Amerika, der Leser werde erstaunt sein, gebe es wie »in allen gesunden Völkern« einen »tiefen konservativen Instinkt, eine Ehrfurcht vor ihrer Vergangenheit«. Aber, man glaube an die »Macht und die Ausbreitungsfähigkeit großer Ideen.«170 Wiederum diente das Andere vor allem zur Konturierung des Eigenen, Müller propagierte das Erkennen eigener »Größe« am fremden Bei-

166 Lindeiner-Wildau (MdR) an Müller, 24. 1. 1929, BayHStA, NL von Müller 490. 167 Gutachten Müller, 14. 7. 1931, UAM, O-Np-1931 [Sempell Charlotte]. Müllers Schülerin emigrierte 1933, vgl. Epstein, German-speaking, S. 302. 168 Vgl. Paulus, Amerikanisierung, S. 78 – 93. 169 Vgl. beispielhaft zu Hermann Onckens Aufenthalt in Chicago: Studt, »Luftkurort«. Zur Rolle der USA im Wissenschaftsbetrieb vgl. Fuchs, Wissenschaftsinternationalismus. 170 Müller, Einführung (1929), S. 623.

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spiel. Begeistert zeigte sich erneut Otto zu Stolberg-Wernigerode, Müller treffe »natürlich wieder den Nagel auf den Kopf.«171

4.2 Fünfzigster Geburtstag im Dezember 1932 Auch einen Beitrag über Oliver Cromwell hatte Müller in den späten 1920er Jahren publiziert. Dieser fiel, seinem Veröffentlichungsort entsprechend, feuilletonistisch aus, vielsagend aber war Müllers Wahrnehmung durch die Zeitschrift. Man habe bislang vergebens um seine Mitarbeit geworben, nun aber würde ein Thema vorgeschlagen, von »dem wir hoffen, daß es Sie als Historiker und Politiker gleichermaßen zur Bearbeitung reizen wird. Das Thema heißt ›Der Diktator‹.«172 Zwischen regionaler, nationaler und internationaler Geschichtsperspektive, zwischen publizistischen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen wurde Müller als »Historiker und Politiker« empfunden, seine auf die Gegenwart hin orientierte Historiographie wie im Gegenzug seine auf historischen Argumenten fußende Publizistik hatten ihm zu dieser ungewöhnlichen Einschätzung verholfen. Nach den ersten gut zwei Jahrzehnten seiner Karriere, welchen Rang bekleidete Müller, wie schätzte er sich selbst, wie Kollegen und Öffentlichkeit ihn ein? Der biographische Zufall bietet einen Zeitpunkt für diese Reflexion an, am 20. Dezember 1932 wurde Müller fünfzig Jahre alt. Auf Müllers fachliche Stellung ist eingegangen worden, seine öffentliche Präsenz korrespondierte stark mit dieser, zu Kollisionen kam es nur gelegentlich. Beim Werben für Müller als Münchner Ordinarius für neuere Geschichte berichtete Erich Marcks auch von der Ablehnung der Beiträge Müllers durch Hermann Oncken: »Er verlangt von historischer Publicistik direkte, aktuelle, aktive Programme. Ich finde, daß solche dem Historiker fast immer mißlingen; daß er sicher dann seinen Bereich verlässt; daß er nur mittelbar auf Willen und Gesinnung einzuwirken vermag, durch Erregung von Anschauungen und Stimmungen und allgemeinen Erkenntnissen, nicht durch bestimmte Ziele.«173 Präzise traf Marcks damit den Kern der Publizistik Müllers – »Willen und Gesinnung«, »Erregung von Anschauungen und Stimmungen« –, politische Programme waren nicht zu entdecken, auch nicht gewollt, wurden von Müller dezidiert abgelehnt.174 Auch wenn die »vielstimmigen Intellektuellen-Offensiven seit 1918«175 ein heterogenes Spektrum an 171 Stolberg an Müller, 29. 5. 1929, BayHStA, NL von Müller 494. 172 Vgl. Velhagen & Klasings Monatshefte an Müller, 24. 9. 1926, BayHStA, NL von Müller 441 sowie Müller, Der Diktator : Oliver Cromwell (1928). 173 Marcks an Paul Wolters o. D., UAM, O-XV-2i, Bd. 2. 174 Auch deshalb entsprach Müller nicht dem im Kaiserreich verbreiteten Typus des Gelehrtenpolitikers, vgl. vom Bruch, Gelehrtenpolitik, zusammenfassend S. 414 – 423. 175 Hübinger, Säkulare Zeitwendung, S. 381.

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Akteuren und Auftrittsformen hervorbringen sollten, als einen Intellektuellen wird man Müller nicht bezeichnen können. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern habe Deutschland, so Hans Manfred Bock »wahrscheinlich die konfliktreichste, sicherlich aber die widersprüchlichste Intellektuellengeschichte«, Begriff und Figur des Intellektuellen waren überwiegend negativ konnotiert, es ließen die »dominant ›unpolitische‹ Selbstauffassung der Kulturproduzenten und die gesellschaftsferne Methode der ›Geisteswissenschaft‹ lange nicht zu, dass sich der Intellektuellenbegriff einbürgerte«.176 Eben diese »unpolitische« Selbstwahrnehmung zeichnete Müller aus, sie diente ihm nicht zuletzt als Beleg dafür, keine Interessen, sondern geschichtlich untermauerte »Fakten« zu präsentieren. Müller suchte nicht die Auseinandersetzung, sondern die Gewissheit, sein Gestus der Betrachtung auch »gegnerischer« Ansichten sollte nicht in Meinungspluralismus, sondern in Eindeutigkeit münden.177 Zu sehr wollte Müller Teil eines, national und völkisch definierten, Ganzen sein, als dass er sich als kritischer Einzelner hätte exponieren wollen. Gleichwohl prägten der Weltkrieg und vor allem die Niederlage den politischen Erfahrungs- und Erwartungshorizont deutscher Historiker sehr. Wenn auch nicht als »Intellektuelle« auftretend, so darf der Einfluss der »Hochschullehrer mit ihren politisch-historischen Stellungnahmen auf die breite bildungsbürgerliche Öffentlichkeit« nicht unterschätzt werden.178 Müller galt seinen Zeitgenossen als herausragender Vertreter dieser die deutsche Geschichtswissenschaft nachhaltig formenden Verbindung von Geschichte und Politik. Dass dies auf Kosten historiographischer Beiträge gehen konnte, wurde gelegentlich kritisiert, zumeist aber als unvermeidlich angesehen. Die ältere Historikergeneration, befand der 1857 geborene Aloys Schulte, war »zum allergrößten Teile eine Kollektion von tüchtigen Stoffhubern, die neue zählt viel mehr Künstler der Darstellung in ihren Reihen. Es ist eine notwendige Folge der Zeitumstände, des dringenden Bedürfnisses weitere Kreise aufzuklären, dass diese Kräfte nicht immer Werke von langer Arbeitsdauer schreiben können, sondern in Essays an weitere Kreise sich wenden.«179 Die Anerkennung für Müllers Wirken als Publizist fand in seinem fünfzigsten Geburtstag eine gern genutzte Chance, kaum eine der Gratulationen verzichtete auf einen Hinweis auf Müllers zweite »Rolle« neben der des Historikers. Aus der »Fülle essayistischer und rednerischer Tätigkeit« Müllers hoffe man auf »eine ›Biographie‹ des deutschen Volkes«180, denn der »Hochschullehrer von heute ist nicht mehr der weltfremde Bücherwurm«, der »neue Professor muß ins Leben hinauswirken, er muß sein Wissen der Allgemeinheit 176 Vgl. Bock, Intellektuelle, S. 591 f sowie Bering, Epoche der Intellektuellen, v. a. S. 85 – 129. 177 Hingegen seien die Intellektuellen Weimars »radikal, oppositionell, nonkonform – und das aus Prinzip« gewesen, vgl. Bialas, Intellektuellengeschichtliche Facetten, S. 15. 178 Vgl. Iggers, Schlußbemerkungen, S. 450. 179 Schulte an Müller, 20. 12. 1929, BayHStA, NL von Müller 494. 180 Vgl. in der München-Augsburger Abendzeitung: Arens, Müller, S. 11.

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zur Verfügung stellen«, ein »Hochschullehrer dieser Art« sei Müller.181 Sein »glänzender Aufstieg als politischer Publizist großen Stils« stand im Mittelpunkt der Glückwünsche Josef Hofmillers in den Münchner Neuesten Nachrichten182, martialisch fasste es der Völkische Beobachter : »Der Krieg gab dem Historiker neue Waffen: Karl Alexander von Müller wußte sie wohl zu führen«.183 Als Historiker erfuhr Müller die Wertschätzung seiner Kollegen in einer überaus traditionellen, zum fünfzigsten Geburtstag jedoch nicht alltäglichen Ehrung – ihm wurde eine Festschrift gewidmet: »Den politischen Schriftsteller, den Redner, haben andere gefeiert. Hier sollten dem Gelehrten im besonderen und der deutschen Forschung überhaupt wissenschaftliche Ergebnisse unterbreitet werden.«184 Beteiligt hatte sich, neben Schülern Müllers und vor allem bayerischen Historikern, auch Willy Andreas sowie der Musikwissenschaftler Kurt Huber, ein enger Freund Müllers in den kommenden Jahren. In seinem Geleitwort grüßte Marcks, seit mehr als zwanzig Jahren emsiger Förderer, in Müller »den Vereiniger des Allgemeinen und des Besonderen: so in seinem historischen, künstlerisch-wissenschaftlichen Anschauen und Denken, so in seiner historisch-politischen Weltansicht«.185 Integrative Fähigkeiten, die bald in noch ungeahntem Ausmaß Müllers weitere Laufbahn als Historiker prägten. Im Gegensatz zu späteren Geburtstagen haben sich briefliche Glückwünsche von Kollegen kaum erhalten, hingegen gibt eine von Theodor Schieder betreute »Schülerstammrolle« beredten Ausdruck über die zumindest persönlich engen Bindungen zwischen dem akademischen Lehrer Müller und seinen Schülern.186 Die in ihrer Fülle und Vielfalt nicht wiederzugebenden Grüße dokumentierten zuallererst die Heterogenität des Schülerkreises um Müller. Ottokar Lorenz, als Adresse das Münchner »Braune Haus« angebend, feierte Müller als Führer: »Auch in der Wissenschaft habe ich mich gegen das Herrentum empört und habe das Führertum gesucht. Deshalb bin ich Ihr Schüler geworden.« Hingegen beschrieb Wolfgang Hallgarten, der sich wenige Monate später zur Emigration gezwungen sah, seine Erfahrungen als Schüler konträr, er danke seinem »Lehrer Karl Alexander von Müller, dass er mir die Freiheit gelassen hat, ›nach meiner Facon selig zu werden‹.« Während Günther Franz den eigenen Aufstieg zum Lehrer festhielt – »Er nahm im W.S. 1923 – 24 an Übungen über Bismarcks Sturz teil, denen er vor allem methodische AnVgl. in der Münchener Zeitung: G. Wolf, Müller, S. 2 f. Hofmiller, Geburtstagsbrief, S. 1 f. Vgl. »Karl Alexander von Müllers 50. Geburtstag«, S. 7. Vgl. das Vorwort des »Redaktions-Ausschuß«, in: Staat und Volkstum. Neue Studien zur bairischen und deutschen Geschichte und Volkskunde, S. V. 185 Marcks, An Karl Alexander von Müller, S. XI. Einen Geburtstagsartikel widmete Marcks dem Zögling zudem in den Süddeutschen Monatsheften, vgl. Marcks, Müllers 50. Geburtstag. 186 Die gesammelten Glückwünsche der Schüler liegen im Nachlass Müllers vor, ebenso das Grußschreiben Schieders an Müller, 19. 12. 1932, BayHStA, NL von Müller 24.

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regungen verdankt, die er sich freut, jetzt in eigenen Übungen verwenden zu können« – und Michael Freund den Übungen Müllers »zur Parteigeschichte unverlierbare Anregungen« verdankte, verwies Friedrich Cornelius auf Müllers Aufsätze in den Süddeutschen Monatsheften, diese hätten ihm »einen dauernden Antrieb gegeben: Geschichte nicht bloss als lebensferne Wissenschaft zu treiben, sondern als Kraftquelle, um die Verworrenheit der Gegenwart in befreitem Überblick zu durchschauen und zu meistern.« Müller sei, so Wilhelm Joost, »ein souveräner Geschichtskenner und erfahrener Menschenbehandler«, den späteren Kieler Ordinarius Alexander Scharff band »die eindringliche Kraft der gesamten Persönlichkeit.« Auch Fritz Wagner betonte die menschlichen Qualitäten Müllers: »Es ist mir immer so erschienen, als ob hinter Ihrem wissenschaftlichen Wort das verstehende Herz uns allen entgegenkomme.« Mit Götz von Pölnitz, Percy Ernst Schramm und Otto Vossler beteiligten sich auch angehende Kollegen, die keine engeren Schüler Müllers, aber Teilnehmer seiner Seminare gewesen waren. Der spätere Bibliothekar Max Hackelsperger schließlich schlug den Bogen vom Historiker zum Publizisten, Müller sei »als eine der bedeutendsten Kräfte bayerischer und deutscher Kulturpolitik nicht bloß zum Lehrer der Hochschule im engeren Sinn, sondern zu einem solchen des ganzen Volkes geworden«.187 Als Redner auf der akademischen Feier hingegen hatte Kurt von Raumer die menschlichen Aspekte des akademischen Lehrers auch erwähnt, wollte aber vor allem Müllers wissenschaftlichen Rang betonen: »Sie waren im Leben und Werk, Sie waren in Ihrer ganzen Persönlichkeit ein Träger und unerbittlicher Verkünder des Geists der Sachlichkeit, der zu dem höchsten Ruhm unsrer Hochschulen gehört.« Müller sei »Empiriker«, sei »Träger und Hüter der besten Münchner Tradition geworden, deren Stärke nicht zuletzt in der subtilen, streng fachgerechten Einzelforschung« liege.188 Einige Tage zuvor hatte Müller auf seiner Geburtstagsfeier in einer Ansprache zuallererst den Anlass der Feierlichkeit in Zweifel gezogen.189 Als Historiker müsse man doch der Frage nachgehen, ob die Hervorhebung des fünfzigsten Geburtstags »eine Folge des Dezimalsystems« sei, das er »persönlich gar nicht liebe, weil es im Grunde eine sehr künstlich ausgedachte, abstrakte, logische, sozusagen französische Erfindung ist, die mit den natürlichen Maßen unserer eigenen Sinne sehr wenig zu tun hat.« Doch fiel sein Resümee der vergangenen Jahre versöhnlich aus, die akademische Ankunft war noch gelungen, im Rückblick ließ sich auch Selbstkritik plazieren: »Die ersten akademischen Rufe […], 1918 schon und 1921, habe ich großartig abgelehnt, weil ich auf dem neuen Platz noch kaum warm und behaglich 187 Vgl. alle Grußadressen in der alphabetisch geordneten Stammrolle, ebd. 188 Rede zu Müllers 50. Geburtstag, 21. 12. 1932, ULBM, NL Kurt von Raumer A 12,2. 189 Die Feier wurde veranstaltet von Paul Nikolaus Cossmann, den Schriftstellern Wilhelm Dieß und Leopold Weber sowie dem Zoologen und »alten Kämpfer« Max Dingler, vgl. die Einladung zur Geburtstagsfeier vom November 1932, in: BayHStA, NL von Müller 25.

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geworden war und ihn auch in diesen kritischen Jahren nicht verlassen wollte. Dann bin ich aber für diese Sprödigkeit bestraft worden.« Die »Rufe, die ihn nicht erreichten: das eine Mal, weil ich ein zu konservativer Bayer sei, das andere, wegen eines mißliebigen Aufsatzes in den Süddeutschen Monatsheften«, wertete Müller nachsichtig, er betrachte »keinen dieser Umwege als verlorene Zeit«. Seine Generation sei nach dem Untergang des Kaiserreiches »noch nicht alt genug gewesen, um uns einfach aufs Altenteil der Erinnerung zurückzuziehen; und nicht mehr jung genug, um alles Frühere wirklich vergessen zu können: richtige Kinder einer Übergangszeit«. Doch, seit »14 Jahren versuchen wir, an dem werdenden Neuen mitzuarbeiten, ohne uns selbst untreu zu werden«. Nur wenige Wochen später würde Müller beginnen zu entscheiden, welchen Prägungen, Bindungen und Freunden er treu bleiben, welchen er untreu werden wollte.190

4.3 Wege in den Nationalsozialismus »Seit dem letzten Sommer lebt Deutschland in einer merkwürdigen Stimmung dahin: im Vorgefühl naher Katastrophen. Weitum […] herrscht das Empfinden, daß der gegenwärtige Zustand nicht lange mehr dauern könne; und niemand sieht ein Zeichen, daß er sich zum Bessern wende. Wo stehen wir?« Eine Frage, die Müller bereits im April 1917 in den Münchner Neuesten Nachrichten formuliert hatte, ein zweites Mal im Herbst 1920 auf der »Deutschen Feier« des Bayerischen Ordnungsblocks. Nun, im März 1932 wandte sich Müller mit dieser düsteren Zukunftserwartung an die Leser der Süddeutschen Monatshefte. In seinem Editorial zum Heft »Wo stehen wir?« fasste er, mehr enttäuscht bilanzierend als tatsächlich fragend, seine Sicht auf die politische Lage zusammen: »Waren die Jahre von 1924 bis 1931 nur eine kurze Atempause zwischen den Stürmen? Alle voreiligen Hoffnungen eines Aufstiegs jedenfalls hat das Jahr 1931 zerschlagen.«191 Befragt hatte Müller eine Reihe von Historikern, erneut sollte sich in der Betrachtung deutscher Vergangenheit auch die Gegenwart spiegeln lassen. Die Kollegen schritten das bekannte Panorama ab, von »Bismarcks Erbe« über das Verhältnis »Österreich und das Reich«, von »Unitarismus und Föderalismus« zum »Problem Preußen – Deutschland«, auch die politische und wirtschaftliche Entwicklung wurde gemustert.192 Eine Ernüchterung über den Verlauf der letzten Monate 190 Vgl. die Broschüre »Geburtstagsfeier in Oberbayern, Tegernsee, 17. 12. 1932«, ebd. 191 Müller, Wo stehen wir? (1932), S. 407. 192 Beteiligt waren Wilhelm Schüßler, Hans Herzfeld, Willy Andreas, Arnold Oskar Meyer, Ludwig Bergsträßer, Adalbert Wahl, Fritz Hartung, Martin Spahn, Edgar Salin u. Erich Marcks, eine heterogene, politisch vielfältige Gruppe, vgl. SM 29 (1931/32), März 1932, S. 408 – 455.

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war allen Beiträgen gemein, das von Müller vorangestellte Bewusstsein anstehender Veränderungen verblieb jedoch im Ungefähren. Die zaghafte Ankunft des deutschen Bildungsbürgertums in der Weimarer Republik hatte nur wenige Jahre gewährt, die wirtschaftliche Krise erschütterte diese ohnehin lose Verbindung. Der weder geradlinige noch zwangsläufige Weg Müllers in den Nationalsozialismus soll in drei Abschnitten nachgezeichnet werden. Längerfristige Entwicklungen, aber auch unmittelbare Entscheidungen des Jahres 1933 mündeten in seiner zweiten »Ankunft«, doch blieb diese nicht auf Müllers politischen Entschluss beschränkt. Auch an der Konstituierung einer an nationalsozialistischen Prämissen orientierten Universität war Müller als Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität München zwischen 1933 und 1935 beteiligt, der Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere im sich formierenden NS-Staat. Dem institutionellen Engagement und der politischen Entscheidung gingen jedoch, einsetzend bereits in den späten 1920er Jahren, paradigmatische »Innovationen« im Œuvre des Historikers Müller voraus.193

4.3.1 Neue Paradigmen – Südostforschung und »Judenforschung« Für die deutschen Historiker in der ausgehenden Weimarer Republik zählte die »Erhaltung des nationalen Identitäts- und Kontinuitätsbewusstseins« mittels einer entsprechend präsentierten deutschen Vergangenheit zu den Kernaufgaben geschichtswissenschaftlicher Forschung.194 Die politischen, sozialen, aber auch wissenschaftlichen und nicht zuletzt persönlichen Krisenerfahrungen beförderten auf traditionelle Themen und Methoden orientierte Beharrungskräfte in der Disziplin. Gleichwohl beschränkte sich die Entwicklung der Geschichtswissenschaft nicht auf eine langsame, aber stetige Erosion althergebrachter Konzeptionen. In »europäischer Perspektive zentrale Innovationsschübe«195 um 1930 erreichten die Disziplin durchaus, stießen allerdings auf erhebliches Misstrauen. Irritiert reagierten die Historiker der Münchner Universität, als Clemens Bauer im Sommer 1932 seine Habilitationsschrift zu »Hauptproblemen der mittelalterlichen Staatsfinanzentwicklung« vorlegte. Man habe »Bedenken gegen seine merkwürdige Entwicklung vom vielversprechenden Historiker zum soziologischen Konstrukteur«, bei den weiteren Habilitationsleistungen sei zu klären, ob Bauer »imstande ist, von seiner Selbstberauschung an Abstraktionen zu historischer Sachlichkeit zurückzufinden.« Müller lobte zwar »intellektuelle Schärfe u. Schulung, Leidenschaft des Forschertriebs« seines ehemaligen Seminarteil193 Zum Begriff des Paradigmas bzw. des Paradigmenwechsels vgl. Kuhn, Struktur. 194 Faulenbach, Ideologie, S. 304. 195 vom Bruch, Schlußbemerkungen, S. 404.

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nehmers, doch sei er stark ins »Soziologische geraten«.196 Für den Probevortrag besann sich Bauer, Müller hob nun die »ungewöhnlich gute Leistung« hervor, der Habilitand habe bewiesen, er sei »wirklich Historiker, nicht nur Soziologe.«197 Es war die »Beharrungskraft des […] Berufshabitus« der deutschen Historiker, die dazu führte, dass »sich die meisten Avantgarden an den Rändern des Faches herausbildeten«.198 Angesichts der tiefgreifenden Politisierung der Geschichtswissenschaft in der Weimarer Republik kann es kaum erstaunen, dass der Impuls für die Entwicklung von historiographischen Alternativen zur bislang bevorzugten Staats- und Politikgeschichte ein eminent politischer war. Mit den Gebietsverlusten nach dem Ersten Weltkrieg rückten die Grenzen des Deutschen Reiches, vor allem aber die jetzt außerhalb des Reichsgebietes lebenden Deutschen in den Fokus politischer und auch wissenschaftlicher Aufmerksamkeit. In Forschungen zum »Grenz- und Auslandsdeutschtum«, zum deutschen »Volks- und Kulturboden« wurden, da Nation und Staatlichkeit als alleinige Beschreibungsgrößen nunmehr zu eng gefasst schienen, Volk und Volkstum zu neuen Leitkategorien. Auch die Geschichtswissenschaft begann bald nach Kriegsende, sich diesen, interdisziplinär angelegten und international verbreiteten Forschungsmodellen zuzuwenden.199 Der Anteil der »Volksgeschichte« am Gesamtspektrum der Disziplin ist nicht zu überschätzen, die Verknüpfung von methodischer Innovation und völkischer Mobilisierung aber bot vielfältige Möglichkeiten der Beteiligung.200 In Müllers historiographischem »Weltbild« verblieb der Nationalstaat weiterhin im Zentrum, jedoch bediente er sich in seiner politischen Publizistik bereits seit längerem der Begriffe Volk und Volkstum, propagierte eine »völkische Mobilisierung« als unabdingbar für den ersehnten nationalen Wiederaufstieg. Als bayerischer Landeshistoriker richtete Müller seinen Blick vor allem auf die Tschechoslowakei, den neuen südöstlichen Nachbarn Bayerns. Dieses war, so Müller zu Beginn der 1930er Jahre, seit »1918 wieder Grenzland« geworden, im »größten Teil seines Hauptlandes ohnmächtiges Glacis unter den Geschützen bewaffneter Nachbarn.«201 Im »Grenzkampf« ließen sich politische Bestrebungen nach einer Revision des Versailler Vertrages, vorsichtige historiographische Innovationen durch das noch wenig erprobte Methodenarsenal der Volksgeschichte sowie die Etablierung neuer For196 Protokoll über die Habilitationsakte des Herrn Clemens Bauer, 10./18. 6. 1932; Gutachten Müller, 12. 1. 1932, UAM, O-VII-17. 197 Protokoll über die Sitzung der engeren Fakultät, 10. 6. 1932, UAM, O-III-7. 198 Raphael, »Neue Geschichte«, S. 61. In Deutschland, betont Raphael, sei »die Zahl solcher Grenzgänger angesichts des Nebeneinanders von Geschichtswissenschaft und historischer Nationalökonomie, nach 1918 dann auch der Soziologie besonders groß«. 199 Vgl. eine Reihe von Beiträgen in: Hettling (Hg.), Volksgeschichten. 200 Hierzu durchgehend Oberkrome, Volksgeschichte; zur etwaigen Fortschreibung der Volksgeschichte in der Bundesrepublik vgl. Welskopp, Grenzüberschreitungen. 201 Müller, Bayerische Problem (1931), S. 37.

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schungseinrichtungen verbinden. An der Münchner Universität erwog man im Herbst 1925 die »Einrichtung von Vorlesungen über Auslandsdeutschtum und Kolonien«, doch waren mit dem Stuttgarter Auslands-Institut wie auch der soeben gegründeten Deutschen Akademie bereits Institutionen auf diesem Feld tätig.202 Da sich die Leipziger »Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung«203 nicht ausschließlich, aber doch wesentlich auf den europäischen Osten konzentrierte, richtete man in München seine Aufmerksamkeit auf den Südosten, nicht zuletzt anknüpfend an die Verbindungen in das untergegangene Habsburgerreich. Im März 1927 lud eine »DeutschÖsterreichische Arbeitsgemeinschaft« ein, die seit dem Kriegsende erwogenen Überlegungen zur Gründung eines »Südosteuropäischen Institutes« ernsthaft zu prüfen.204 Rasche Fortschritte erzielte man allerdings nicht, erst im Jahr darauf konkretisierten sich die Pläne. Als neuer Ordinarius für bayerische Landesgeschichte übernahm nun Müller eine führende Rolle. Vor der Philosophischen Fakultät der Münchner Universität referierte er über das angestrebte »Institut zur Erforschung des Deutschtums in der Südmark« und berichtete von bereits bestehenden, ähnlichen Instituten. Für die Münchner Einrichtung seien 100.000 Mark aus Reichsmitteln in Aussicht gestellt, das Kultusministerium wünsche einen organisatorischen Anschluss an die Universität, da »hier wissenschaftliche Spezialarbeit geleistet werden« solle. Die Fakultät stimmte grundsätzlich zu.205 Weiterhin blieben wesentliche Fragen jedoch zu klären. Plante man im Juli 1928 die »Errichtung eines Südost-Europa-Institutes« in München, handelte es sich im folgenden Jahr, in Analogie zur Leipziger Stiftung, um ein Institut zur »Erforschung des Volks- und Kulturbodens im Süden und Südosten«.206 Vom sich darin ausdrückenden, gemeinsamen Ursprung – paradigmatisch, aber auch organisatorisch und finanziell – suchte man allerdings bald Abstand zu gewinnen.207 Die üppige finanzielle Förderung der Arbeiten zum »Grenz- und Auslandsdeutschtum«, ob direkt durch den Staatshaushalt oder über die Notgemeinschaft208, hatte dem neuen Forschungsfeld sich rasch verfestigende Konkurrenzen beschert. Als im Sommer 1930 in München die Institutsgründung anstand, verzichtete 202 An den Beratungen nahm auch Müller teil, vgl. Protokoll über die Sitzung der Engeren Fakultät, 31. 10. 1925, UAM, O-III-3. Zur Deutschen Akademie vgl. die dargestellte Gründung, zum Deutschen Auslands-Institut vgl. E. Ritter, Auslandsinstitut; Gesche, Ausland-Institut. 203 Vgl. Fahlbusch, Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung. 204 Deutsch-Österreichische Arbeitsgemeinschaft, 29. 3. 1927, BayHStA, NL von Müller 352. 205 Protokoll über die Sitzung der Engeren Fakultät, 6. 7. 1928, UAM, O-III-4 1/3. 206 Protokoll über die Sitzung der Engeren Fakultät, 20. 7. 1928, ebd.; Protokoll über die Sitzung der Engeren Fakultät, 5. 7. 1929, UAM, O-III-4 1/4. 207 Die Leipziger Stiftung diente bis 1931 der »gesamten deutschen Ostforschung als Dachorganisation«, aus der auch das SOI hervorging, finanziert wurde es aus dem »Grenzfonds« des Reichsinnenministeriums, vgl. Seewann, Südost-Institut, S. 49 f. 208 Vgl. hierzu Wagner, Forschungsförderung.

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man auf eine engere Einbindung der Leipziger Stiftung.209 Errichtet wurde eine »Stiftung zur Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten« mit einem Grundstock von 75.000 RM, die ein an der Münchner Universität anzugliederndes Institut zur »wissenschaftlichen Erforschung der Grundlagen des Volkstums und der Kultur im südlichen und südöstlichen Teile des deutschen Sprachgebietes« betreiben sollte, zum ersten Institutsleiter wurde Müller bestellt.210 Offiziell eröffnete das Institut am 28. November 1930 mit einer Ansprache Müllers und einem Vortrag Harold Steinackers über »Österreich und die deutsche Südostfront«, im begonnenen Wintersemester veranstaltete das Institut eine Vortragsreihe zum »Deutschtum« im Alpenraum und in Südosteuropa.211 Die territoriale Orientierung der Forschungen war indes weitaus unklarer, als der Institutsname suggerierte. Als »Schlüsselbegriff des Volksund Kulturbodendiskurses« zeigte »Südost« zuvorderst allgemein die Richtung an, welche »Expansion und Aggression« einschlagen sollten, als »politischer Kampfbegriff« war »Südost« zudem »nicht unbedingt mit dem Begriff Südosteuropa gleichzusetzen.«212 Die Beteiligung Müllers, der weder eine südnoch eine osteuropäische Sprache beherrschte und keinerlei entsprechende Forschungen betrieb oder betreiben würde, hatte zwei Ursprünge. Zum einen war Müller als Professor für bayerische Landesgeschichte qua Amt zur historiographischen Begründung der erhobenen Ansprüche berufen, denn »Südost« meinte auch, und in den ersten Jahren der Institutsarbeit sogar vorwiegend, das südöstliche Bayern mit seiner Grenze zur Tschechoslowakei. In der Stiftungsratssitzung vom Januar 1931 umriss Müller als Institutsleiter diese Aufgabe unmissverständlich: »Das Hauptgewicht der Arbeiten des Institutes liegt zur Zeit im Osten, im Abwehrkampf gegen das vordringende Tschechentum.«213 Zum anderen aber markierte die Institutsleitung durch Müller auch die Fortführung seiner Rolle als geeigneter Repräsentant wissenschaftlicher Institutionen, zumal wenn diese im kaum abgrenzbaren Bereich zwischen Politik und Wissenschaft angesiedelt waren. Müller vereinte wissenschaftliches Renommee und politische Expertise, bereits 1929 hatte er eine Ausgabe der Süddeutschen Monatshefte zur »Minderheitenfrage« entsprechend eingeleitet: Das »Minderheitenproblem […] ist eine Lebensfrage des Deutschtums. Es hat gar keinen Sinn, daraus ein Hehl machen zu wollen,

209 Nach einem internen Vermerk des KM hatten sich sämtliche Mitglieder des Stiftungsrates gegen eine Abhängigkeit von der Leipziger Stiftung ausgesprochen, vgl. die angefügte Bemerkung bei: KM an Staatsministerium des Äußern, 23. 6. 1930, BayHStA, MK 71459. 210 KM an Staatsministerium des Äußern, 23. 6. 1930, BayHStA, MK 44052. 211 Vgl. den Veranstaltungsplan des SOI im WS 1930/31, in: BayHStA, Südost-Institut 1. 212 Seewann, Südost-Institut, S. 52 f sowie einführend: Beer, Südostforschung. 213 Niederschrift über die Sitzung des Stiftungsrates der Stiftung zur Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten, 20. 1. 1931, BayHStA, MK 71455 (Unterstreichung im Original). Vgl. zudem: Seewann, Südostforschung und die Tschechoslowakei.

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denn alle diejenigen, auf welche es ankommt, wissen es längst«.214 Diese Wahrnehmung einer vermeintlich existentiellen Bedrohung teilte Müller mit vielen seiner Kollegen, im von Müller zusammengestellten Heft »Wo stehen wir?« sah Arnold Oskar Meyer die Gegenwart ebenso düster, diese werde in der »Geschichte unseres Volkstums […] dereinst als das Zeitalter der Deutschenverfolgung fortleben.«215 Frei von Kritik war die Berufung Müllers zum Leiter des Südost-Instituts nicht geblieben, in einem öffentlichen Angriff sprach ihm der bayerische Mediävist Ludwig Steinberger jegliche Eignung für das Amt ab. Man könne schwer sagen, ob Müller »in höherem Grad sich selbst in den Vordergrund zu inszenieren weiß oder von anderen geflissentlich in den Vordergrund inszeniert wird.«216 Den publizistischen Vorwurf verband er mit einer Eingabe beim das Südost-Institut finanzierenden Reichsinnenministerium. Er beantrage einen Druckzuschuss, da ein Gesuch an das Institut »mit meiner wissenschaftlichen Überzeugung und Ehre unvereinbar« erscheine.217 Das bayerische Kultusministerium, dem Steinbergers Eingabe zugeleitet wurde, widersprach in zweierlei Hinsicht. Zum einen lägen Aufgaben des Instituts nicht, wie von Steinberger behauptet, vorwiegend auf dem Gebiet der mittelalterlichen Geschichte, seine Aufgabe sei vielmehr »in erster Linie die wissenschaftliche Abwehr der nationalen Propaganda der östlichen Nachbarländer«. Zum anderen halte man Müller »für einen besonders feinsinnigen, stilistisch und methodisch hervorragenden Lehrer und Forscher«.218 Als Leiter des Südost-Instituts amtierte Müller nicht als bloßer Repräsentant. Er bewältigte die disparaten Anforderungen der Institutionalisierung in einem mit konkurrierenden Einrichtungen bereits gut bestückten Forschungsfeld, gab wissenschaftliche Legitimität für politische Konzepte und politisierte im Gegenzug die wissenschaftliche Arbeit. Nicht zuletzt verband er in seiner Person, in einer sich institutionell zunehmend auffächernden Wissenschaftslandschaft, die Universität mit außeruniversitären Einrichtungen, generierte mit diesen zudem teils erhebliche finanzielle Mittel. Müller betrieb selbst keine »Volkstumsforschung«, aber er wirkte wesentlich für die Grundlagen, auf denen diese stattfinden konnte. Zudem konnte sich Müller mit der Leitung des Südost-Instituts als Förderer des Nachwuchses profilieren, da vor allem jüngere Forscher sich in der »Volkstumsarbeit« engagierten. Zum fünfzigsten Geburtstag Müllers hob sein Schüler Wilhelm Wühr, der sich der »Deutschtumspflege der Bukowina« widmete, die Bedeutung sowohl der Aufgabe als auch des Lehrers hervor: »Grösser denn früher ist gerade in der Zeit heutigen Ringens um das deutsche Schicksal die Bedeutung eines Lehr214 Müller, Minderheitenfrage (1929), S. 697. 215 Meyer, Grenzdeutschtum, S. 428. Weiterhin grundlegend vgl. Burleigh, Germany Turns Eastwards, hier S. 11 – 33. 216 Vgl. den Artikel in der Münchner Post: Steinberger, Institut, S. 3. 217 Steinberger an RMInn, 3. 12. 1930, BayHStA, MK 44052. 218 Vgl. den Vermerk v. 25. 2. 1931 (»An Ref. 12«), ebd.

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stuhles für bayerische Geschichte […]. Dass an dieser Stelle ein Mann steht, der über Bayerns Grenzen hinaussieht und gerade die deutsche, ja man kann sagen, die mitteleuropäische Sendung des bayerischen Problems erkennt und in solch unübertrefflich klarer und feiner Weise der Schülerschaft und der deutschen Öffentlichkeit zu sagen weiss, […] das macht Sie nicht nur zum Lehrer, sondern mehr noch zum Führer und zum Meister der jungen Generation.«219 Doch jenseits der Elogen erforderte die tägliche Institutsarbeit Ressourcen. Bereits im Februar 1931 beantragte Müller über das bayerische Kultusministerium aus dem »Fonds zur Erhaltung des Deutschtums« für die allgemeine wissenschaftliche Arbeit 1.500 RM sowie zusätzlich 5.000 RM für die »wissenschaftliche Erforschung der bayerisch-tschechischen Grenzgebiete«, das Reichsinnenministerium bewilligte daraufhin für 1931 eine gesonderte jährliche Beihilfe von 10.000 RM.220 Von Beginn an war das Institut zudem bestrebt, mit seinen Forschungen eine breitere Öffentlichkeit im gewünschten Sinne zu bilden, seine betont »wissenschaftlichen Ergebnisse« umgehend zu popularisieren. Eine Schulungstagung im Juli 1931 über »Das Deutschtum im Süden und Südosten« richtete sich vor allem an Lehrer, die Referate würden, so Müller, vor allem »den Bedürfnissen der Lehrerschaft angepasst«.221 Auch in einer ersten Bilanz verwies der Institutsleiter auf die Akzeptanz der unterbreiteten Angebote, die Geschäftsstelle werde zunehmend von »Dozenten, Studierenden, studentischen Organisationen, Wandergruppen, Grenzlanddeutschen in Anspruch genommen.«222 Zwar lehnte die Philosophische Fakultät der Münchner Universität eine Habilitation des Institutsmitarbeiters Kurt Trampler für »Europäische Nationalitätenkunde, mit besonderer Berücksichtigung des Grenz- und Auslandsdeutschtums« ab, zugleich aber insistierten alle vier historischen Ordinarien in einem gemeinsamen Antrag auf der Vertretung der »Nationalitätenkunde« an der Universität, diese sei als »Gegenwartskunde« hochaktuell. Anzustreben sei, so Arnold Oskar Meyer in der Fakultätssitzung, eine vergleichende »Biologie der Staaten«.223 In der Tat beschränkte sich der interdisziplinäre Forschungsansatz der Volksgeschichte nicht auf die Rezeption der Ergebnisse von der Geschichtswissenschaft nahestehenden Fächern wie den Literatur- und Sprachwissenschaften oder der Volkskunde. Die seit der Jahrhundertwende gewonnene Deutungskompetenz der Naturwissenschaften 219 Vgl. Wührs Eintrag in der Schülerstammrolle, 18. 12. 1932, BayHStA, NL von Müller 24. 220 SOI (Müller) an KM, 5. 2. 1931; RMInn an KM, 24. 3. 1931, BayHStA, MK 71455. 221 Müller bat das KM auch um eine Teilnahmeempfehlung, eventuell auch in Lehrerzeitungen, vgl. SOI (Müller) an KM, 17. 6. 1931, ebd. 222 Niederschrift über die Sitzung des Stiftungsrates der Stiftung zur Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten, 2. 7. 1931, ebd. 223 »Antrag A. O. Meyer, K. A. v. Müller, Heinrich Günter, R. v. Heckel […] zur Frage der Anerkennung des Faches der Nationalitätenkunde.«, 18. 12. 1931, UAM, O-VIII-2, Bd. 14; Protokoll über die Sitzung der engeren Fakultät, 18. 12. 1931, UAM, O-III-7.

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sollte ebenso entlehnt werden, im Vokabular wie in der Forschungspraxis suchte das Südost-Institut von Beginn an Anschluss an anthropologische wie auch an »rassekundliche« Konzeptionen.224 Noch im ersten Jahr des Bestehens unterstützte das Institut eine »rassekundliche Untersuchung in Nordtirol«, auch regte Müller an, ob »nicht in einem Bezirksamt des bayerischen Ostgebietes (Regen) anthropologische und volkskundliche Untersuchungen […], vorgenommen werden sollen.«225 Diese Untersuchungen sollten, so das Kultusministerium an die örtlichen Behörden, auch »soweit die Merkmale rassentypisch sind, über die verschiedenen Rasseneinschläge aufklären.«226 Müllers wesentliche Rolle bei der Institutionalisierung der Südostforschung, seine engagierte Unterstützung neuer, vielversprechender historiographischer Paradigmen prägte seinen wissenschaftlichen Weg in den Nationalsozialismus. Das historiographische Werk Müllers blieb von diesen Forschungen weitgehend unberührt, das Potential der »heute so viel umstrittenen Fragen der Rasse« aber hatte er zweifellos erkannt.227 Allerdings war Müller bis 1933 weder in seiner Korrespondenz noch in seiner umfangreichen politischen Publizistik mit manifesten antisemitischen Ansichten auffällig geworden, im Vergleich mit seinen Münchner Fakultätsgenossen tritt dies deutlich zutage.228 Zwar bediente sich Müller einer teils antisemitisch grundierten Metaphorik von »Fremden« und »Wanderschaft« versus »Heimat« und »Sesshaftigkeit«, nahm auch die Existenz von »Judenfragen« ganz selbstverständlich an.229 In seiner vielfach publizierten Problemaufnahme von Kriegsniederlage und abgelehnter Weimarer Republik wie auch in seinen Vorstellungen zukünftiger Ordnungen jedoch bildeten, angesichts seines in dieser Hinsicht wenig zurückhaltenden politischen Umfeldes, Juden und Judentum eine auffällige Leerstelle. Gefüllt werden sollte diese rasch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, zum einen verbal230, zum anderen aber – und weitaus wirkmächtiger – paradigmatisch. Mit der Promotion seines Schülers Wilhelm Grau im Sommer 1933 begann die von Müller wesentlich beförderte Etablierung einer weiteren neuen historiographischen Forschungsrichtung – der »Judenforschung«. Ihre institutionelle Ausprägung und breitere öffentlichkeitswirksame Präsenz sollte diese erst ab Mitte der 224 Zum Forschungszusammenhang vgl. Töchterle, Südosten. 225 KM an SOI (Müller), 8. 2. 1931, BayHStA, MK 40444; Niederschrift über die Sitzung des Stiftungsrates der Stiftung zur Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten, 20. 1. 1931, BayHStA, MK 71455. 226 KM an Regierung Niederbayern, 12. 3. 1931, BayHStA, MK 71463. 227 So formulierte er im November 1930, vgl. Müller, Bayerische Problem (1931), S. 25. 228 Weisz arbeitet den Antisemitismus Doeberls und v. a. Buchners heraus, für Müller zitiert er eine antisemitische Bewertung Kurt Eisners, jedoch aus dessen Erinnerungsband von 1954, vgl. Weisz, Geschichtsauffassung, S. 222 – 224. Vgl. zudem Hammerstein, Antisemitismus. 229 Im Januar 1916 kündigte er für die Süddeutschen Monatshefte an: »Das Februarheft soll sich ausführlicher mit der Ostjudenfrage – […], wenn es gelingt, mit Judenfragen überhaupt befassen.« Müller an Oncken, 7. 1. 1916, NLA StA Oldenburg, NL Hermann Oncken, Nr. 377. 230 Vgl. Schönwälder, Akademischer Antisemitismus, zu Müller 1933 S. 203.

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1930er Jahre entfalten, zum Weg des Historikers Müller in den Nationalsozialismus aber zählt die frühe Förderung dieser vielversprechenden disziplinären Konjunktur unbedingt.231 Wilhelm Grau studierte, nach zwei Semestern an der Frankfurter Universität, seit dem Sommersemester 1931 in München bei Müller.232 Als aufstrebender »Judenforscher« beschrieb Grau im September 1936 rückblickend die Themenwahl für seine Promotion weniger als bewusste Entscheidung denn als sich aus den vorgefundenen Quellen vermeintlich ergebende Zwangsläufigkeit: »Es war im Sommer 1931, da wir als junger Student in der stillbesinnlichen, aber ebenso lebendigen Seminarstube Karl Alexander von Müllers geschichtlichen Studien oblagen und mit der Absicht, eine Kulturgeschichte des spätmittelalterlichen Regensburg zu schreiben, […] mit originalen Geschichtsquellen in Berührung kamen. […] Um eine allgemeine Sitten- und Kulturgeschichte zu schreiben waren wir gekommen und fanden die Spuren eines erbitterten Ringens einer kleinen geschlossenen Gemeinschaft unseres Volkes, die durch die Lösung der Judenfrage neu ihre Lebensordnung zu begründen suchte.«233 Noch im November 1932 allerdings war Grau bemüht, Deutschland zu verlassen, er bewarb sich beim Deutschen Akademischen Austauschdienst um eine »Freistelle an einer ausländischen Hochschule«.234 Dieser vorläufige Entschluss mag auch mit dem Erscheinen einer konkurrierenden Arbeit verbunden gewesen sein, der jüdische Historiker Raphael Straus veröffentlichte 1932 seine Darstellung zur Regensburger Judengemeinde, ein Quellenband sollte folgen.235 Graus Dissertation schien ernsthaft gefährdet. Doch unterstützte Straus den jungen Doktoranden und stellte ihm die für die Edition erarbeiteten Druckfahnen zur Verfügung.236 Als Straus bald nach der nationalsozialistischen Machtergreifung emigrieren musste, war der Weg frei für den Schüler Müllers. Die von Müller betreute Dissertation reichte Grau unter dem später auch für die Druckfassung verwendeten Titel »Antisemitismus im späten Mittelalter. Das Ende der Regensburger Judengemeinde 1450 – 1519« mitsamt seinem Promotionsgesuch am 31. Mai 1933 bei der Philosophischen Fakultät der Universität München ein.237 Seine zwischen vordergründig sachlicher Beschreibung und diffamierender, antisemitischer Wertung oszillierende Darstellung enthielt bereits den wesentlichen Kern seines späteren, zu einer 231 Vgl. zur »Judenforschung« im Nationalsozialismus Kapitel 5.1.3. Aus der Fülle der jüngeren Forschungsliteratur sei an dieser Stelle verwiesen auf: Rupnow, Judenforschung. 232 Vergleiche den Lebenslauf in seiner Promotionsakte, UAM, O-Np-1933 [Grau, Wilhelm] sowie den Eintrag in der Studentenkartei, UAM, Stud-Kartei-I [Grau, Wilhelm]. 233 W. Grau, Geschichte der Judenfrage, S. 163 f. 234 Dt. Akademischer Austauschdienst an Müller, Nov. 1932, BayHStA, NL von Müller 407. Vgl. auch Laitenberger, Austausch, S. 36 – 51. Zur Biographie vgl. Papen, Grau; M. Berg, Grau. 235 Straus, Judengemeinde Regensburg. 236 Vgl. Rupnow, Vernichten, S. 184 f. 237 Promotionsgesuch Wilhelm Grau, 31. 5. 1933, UAM, O-Np-1933 [Grau, Wilhelm].

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umfassenderen »Geschichte der Judenfrage« ausgearbeiteten Forschungsmodells. Im Mittelpunkt seiner Betrachtung lagen ausschließlich die sich vorgeblich aus dem Zusammenleben von Deutschen und Juden ergebenden Konflikte, die Nachzeichnung dieser »Judenfrage« im spätmittelalterlichen Regensburg sollte beispielgebend werden für seine Sichtweise auf alle historischen Epochen. Grau meinte, neben dem »wirtschaftlichen und religiösen Gegensatz«, auch »eine Art Widerwärtigkeitsgefühl« identifizieren zu können, welches der »Deutsche gegen den Juden als Angehörigen einer anderen fremden Menschenart« empfunden habe. Nur die Erkenntnis des »Rassengegensatzes« sei dem »naturwissenschaftlichen Zeitalter« vorbehalten geblieben, wirksam für die »Bekämpfung des Juden« sei dieses »Element« auch schon im Mittelalter gewesen. Aufgrund der religiösen Prägung der mittelalterlichen Welt war »es nicht immer leicht, für das Mittelalter die Bedeutung des Rassengegensatzes zu erkennen«, der »Trieb des Blutes lag noch in den Fittichen des Religiösen verborgen«.238 Dem offenkundigsten Einwand gegen die Dissertation seines Schülers suchte Müller gleich im ersten Satz seines Gutachtens zu begegnen, die »vorliegende Arbeit ist keine geschwinde konjunktur. Spekulation.« Grau habe sich den Gegenstand »schon vor 2 Jahren aus umfassenderen Studien über das spätmittelalterliche Regensburg herausgeschält«, es sei »eine ausgezeichnete Leistung, wie er sein besonderes Problem aus dem großen doppelten Hintergrund der allgemeinen Krise der spätmittelalterlichen Wirtschaftsordnung und des dogmatischen Streits zwischen Christen u[nd] Juden« heraus entwickelt habe. Neben der Entkräftung des Verdachts, die Dissertation sei eine eilfertige Anpassung an die nun herrschenden Nationalsozialisten, galt es für Müller, die Arbeit seines Schülers gegen die bereits publizierte Darstellung von Straus abzugrenzen und ihre gesonderte Berechtigung zu betonen. Da Graus »Fragestellung […] eine ganz andere u(nd) viel umfassendere, sein Geschichtsbild ein so viel weiteres« sei, werde seine Arbeit durch die vorliegende Studie Straus’ »nicht entwertet«, vielmehr könne diese »nicht selten berichtigt werden«. Schließlich füge Grau, so Müller summierend, »alle Einzellinien zu einem lebendigen Gesamtbild des spätmittelalterl[ichen] Antisemitismus […] mit einer für einen Anfänger seltenen Sicherheit u[nd] Reife der Linienführung, mit voller methodischer Sicherheit, in klarer, knapper Darstellung und mit einem bei diesem heikeln Stoff doppelt anerkennenswerten besonnenen und gerechten Urteil« zusammen. Die Arbeit sei eine »nach Forschung u[nd] geistiger Durchdringung ungewöhnliche Leistung.« Als Note empfahl Müller »loco dissertationis eximium opus«, die dem mündlichen »summa cum laude« entsprechende, bestmögliche Bewertung.239 Die weiteren Gutachter stimmten Müllers Urteil zu, auch wenn der Me238 W. Grau, Antisemitismus, S. 133 – 138, Zitate S. 134 u. 136 f. 239 Gutachten Müller, 15. 7. 1933, UAM, O-Np-1933 [Grau, Wilhelm].

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diävist Heinrich Günter anfügte, im Stil störe »zuweilen die heutige Fragestellung.«240 Dass die Darstellung »jede selbstständige und eindringendere Kenntnis des Judentums vermissen« lasse, Grau »seine Vorstellungen vom Judentum […] nie aus den Quellen« schöpfe und im Übrigen des Hebräischen nicht mächtig sei, bemängelte hingegen ein in der Promotionsakte enthaltenes Gegengutachten. Der Annahme der Arbeit könne nur zugestimmt werden, wenn »ihre völlige Einseitigkeit im Titel deutlich zum Ausdruck gebracht« werde. Autor des Gutachtens war der Orientalist Gotthelf Bergsträßer.241 Folgen für das Promotionsverfahren oder die beginnende Karriere Graus hatte das klare Votum Bergsträßers allerdings keine, noch im Juli 1933 folgte eine »glanzvolle Prüfung«, insgesamt mit »summa cum laude« absolvierte Grau sein Examen rigorosum.242 Der Einsatz Müllers hatte damit jedoch keineswegs bereits sein Ende gefunden. Nach einigen Absagen verhalf erst seine Empfehlung der Dissertation Graus zu einem Verlag. Auf Vermittlung seines Lehrers hatte sich Grau im Februar 1934 an den Lektor Ludwig Feuchtwanger gewandt, der für das traditionsreiche Verlagshaus Duncker & Humblot tätig war.243 Als der Verlag einwilligte, konnte Grau seine Erleichterung nicht verbergen, er wisse »zu würdigen, was es heißt, als völlig Namenloser und Unbekannter mit seiner Dissertation in die angesehene Publizität eines großen Verlages genommen zu werden.«244 Zudem setzte sich Müller für einen Druckkostenzuschuss ein, den er als unterdes amtierender Dekan der Philosophischen Fakultät der Münchner Universität seinem Schüler persönlich avisieren durfte.245 Schließlich lieh Müller der Dissertation Graus auch öffentlich sein erworbenes Renommee und stellte für das Buch ein auch im Titel aufgeführtes Geleitwort zur Verfügung.246 Dieses allerdings musste ihm mit erheblichem Nachdruck abgerungen werden: »Wir müssen übrigens damit rechnen, die Ausgabe auf Herbst zu verschieben, da Herr Professor v. Müller versagt hat.«247 Unzweifelhaft hielt Müller einen Erfolg der »Judenforschung« und seines Schülers Grau für wünschenswert, in der Fülle seiner Einflussmöglichkeiten seit 1933 war dies aber nur eine seiner Optionen zur Mobilisierung wissenschaftlicher 240 Gutachten Günter, 19. 7. 1933; Gutachten A. O. Meyer, 20. 7. 1933, ebd. 241 Gutachten, 27. 7. 1933, ebd. Ein Vergleich der Autographen der Fakultätsmitglieder ergab Bergsträßers Autorenschaft, zu dessen Biographie vgl. Otto, Bergsträßer. 242 Wilhelm Pinder an Dekan Phil. Fak., August 1933, BayHStA, MK 39698; Protokoll über das Examen Rigorosum, 31. 7. 1933, UAM, O-Np-1933 [Grau Wilhelm]. 243 Grau an Feuchtwanger, 27. 2. 1934, DHV, Bestand Grau. Der Bruder Lion Feuchtwangers wurde 1933 zum Ausscheiden gezwungen, blieb aber für den Verlag tätig. Zur Biographie vgl. Rieß, Nachwort; zur Zusammenarbeit mit Carl Schmitt vgl. Schmitt/Feuchtwanger, Briefwechsel. 244 Duncker & Humblot an Grau, 8. 5. 1934; Grau an Geibel (Verlagsinhaber), 14. 5. 1934, DHV, Bestand Grau. 245 Dekan Phil. Fak. (Müller) an Grau, 6. 7. 1934, UAM, O-Np-1933 [Grau Wilhelm]. 246 Unter Verweis auf die dadurch verbesserten Verkaufsaussichten hatte der Verlag darauf gedrungen, vgl. Duncker & Humblot an Müller, 8. 6. 1934, DHV, Bestand Grau. 247 Ludwig Feuchtwanger an Wilhelm Grau, 27. 6. 1934, ebd.

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Ressourcen. Allerdings, auch dies ist aus dem Geleitwort zu folgern, entschied sich Müller durchaus bewusst für ihre öffentliche Unterstützung. Die Geschichtswissenschaft, so Müllers Geleitwort, sei »vor andern verpflichtet, mitzuarbeiten an der politischen Erziehung unseres Volkes.« Sie tue dies erfolgreich »nur auf ihrem eigenen Wege«, durch »die gewissenhafte und gründliche Erforschung der geschichtlichen Fragen, mit denen unsere Gegenwart ringt.«248 Auch im Juni 1934 bemaß sich für Müller der Wert historischer Forschung zuallererst an ihrem Beitrag zu den Fragen der Gegenwart, an ihrem Beitrag zur »politischen Erziehung«. Dass vor allem an die deutschjüdische Geschichte nun neue, gegenwärtige Fragen zu formulieren wären, verdeutlichte Müller mit seiner Behauptung, es fehlten »für eine ernsthafte Geschichte des Judentums in Deutschland noch fast alle Vorarbeiten«. Für den Hamburger Ordinarius Justus Hashagen eine »merkwürdige Übertreibung«, für Ludwig Feuchtwanger eine »erstaunliche Behauptung« angesichts der »kaum übersehbaren und schwer zu ordnenden Fülle von Editionen, großen historischen Werken, Monographien, Beiträgen«.249 Doch beabsichtigte die »Judenforschung« keine Darstellung jüdischer Geschichte unter veränderten politischen Prämissen, ihr Ziel war ein konsequenter Paradigmenwechsel zu einer »Geschichte der Judenfrage«. Konkurrierende Ansichten waren hierbei nicht gefragt, die Mitwirkung jüdischer Historiker an der Erforschung der deutsch-jüdischen Geschichte wurde grundsätzlich in Frage gestellt und schließlich unterbunden.250 Allerdings sah sich Müller im Sommer 1934, während die von ihm geförderte Dissertation Graus erschien, als Leiter des Südost-Instituts mit einem eben solchen Ausschluss jüdischer Wissenschaftler konfrontiert. Die Tätigkeit seines Mitarbeiters Franz Arens habe »eine unvorhergesehene Stockung erfahren; im Hinblick auf seine nichtarische Abstammung wurde seine Einbürgerung widerrufen. Sonstige Widerrufsgründe liegen nicht vor. Der Aufforderung, ein Gutachten über seine wissenschaftliche Tätigkeit abzugeben, ist die Institutsleitung nachgekommen. Dem Vernehmen nach besteht die Absicht, den Widerruf der Einbürgerung rückgängig zu machen.«251 Müller war durchaus bereit, sich für seinen Mitarbeiter einzusetzen. Im Münchner Stadtrat berichtete der nationalsozialistische Oberbürgermeister Karl Fiehler, er habe »Erkundigungen bei dem bekannten Professor Karl Alexander v. Müller eingezogen, der uns dann einen Brief schrieb, in dem er dringend bat, 248 Müller, Geleit (1934), S. V. 249 Hashagen, Straus/Grau (Rez.), S. 119; Feuchtwanger, Forschungsaufgaben, S. 98 f. 250 Zu Reaktionen jüdischer Historiker auf Graus Forschungen, seiner Kontroverse mit Raphael Straus sowie zum wesentlich von Grau betriebenen Ausschluss jüdischer Wissenschaftler von der historischen Forschung vgl. M. Berg, Jüdische Historiker. 251 Niederschrift über die Sitzung des Stiftungsrates der Stiftung zur Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten, 12. 7. 1934, BayHStA, MK 71455. Zum »Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit« vom 14. Juli 1933 vgl. U. Adam, Judenpolitik, S. 60 f.

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von einem Widerruf der Einbürgerung des Dr. Arens Abstand zu nehmen«, dies wäre »ein nicht wieder gutzumachender Verlust für die Bekämpfung der tschechischen Bestrebungen auf Unterdrückung des Sudetendeutschtums«. Müller meine, dass »hier ganz besonders große nationale Interessen auf dem Spiele stehen«. Arens, so Müller, habe »erhebliche Verdienste um das Deutschtum erworben, welche Berücksichtigung verdienen, und daß es ein spürbarer Schaden in der grenzdeutschen Arbeit wäre, wenn er aus ihr ausscheiden müßte. Man sollte seine Kenntnisse und seine Arbeitskraft nicht verlieren.«252 Müllers wissenschaftlicher Weg in den Nationalsozialismus war geprägt von der Förderung neuer historiographischer Paradigmen. Die Südostforschung als Teilbereich der Volksgeschichte wie die antisemitische »Judenforschung« als genuin nationalsozialistische Wissenschaft verdankten seiner Unterstützung wesentlich ihre ersten Erfolge. Müller stellte nicht zuletzt sein wissenschaftliches und öffentliches Ansehen zur Verfügung, die Etablierung des Südost-Instituts oder die prominente Veröffentlichung der Dissertation Graus profitierten von diesen Ressourcen. Entsprechender eigener Forschungsbeiträge Müllers bedurfte es für diese Förderung nicht, auch eine antisemitische Überzeugung war nicht vonnöten. Deshalb konnte Müller, während Grau an seiner Dissertation schrieb, noch in den ersten Wochen des Jahres 1933 sich für seinen jüdischen Studenten Leo Philippsborn einsetzen und diesem schreiben, dass er »von Ihrer Willenskraft u. Begabung Bedeutendes erwarte u. Sie deshalb bitte auszuhalten in schwerer Zeit!«253 Jedoch, in den folgenden Monaten würde Müller sich entscheiden müssen. Die Begutachtung der Arbeit Graus im Sommer 1933 offenbart, wie diese Entscheidung ausfiel.

4.3.2 Verzicht und Gewinn – Politische Ankunft im NS-Staat Der vorsichtige Optimismus Müllers in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war mit der Weltwirtschaftskrise und der langsamen, aber stetigen Erosion des politischen Systems der Weimarer Republik verflogen.254 Trotzdem, eine 252 Vgl. die Sitzungsniederschrift des Hauptausschusses des Stadtrates, 4. 10. 1934, StdAM, Ratsprotokolle 707/4, sowie Hanko, Kommunalpolitik, S. 423. 253 Die Grüße waren auf einer Dankkarte vermerkt, die Müller in den ersten Wochen des Jahres 1933 versandte, vgl. Müller an Philippsborn o. D., UBF, Autogr. K. A. v. Müller. Philippsborn, der 1956 nach Deutschland zurückkehrte, wurde nach der »Machtergreifung« von der Münchner Universität verwiesen. Im Lebenslauf, der in seiner 1963 in Göttingen eingereichten Dissertation enthalten ist, dankte Philippsborn auch Müller, der »sich im Jahre 1933 bei dem damaligen nationalsozialistischen bayerischen Kultusminister Hans Schemm für mein Verbleiben an der Münchener Universität eingesetzt hat.« Vgl. Philippsborn, Carl von Noorden. 254 Vgl. den bezeichnend betitelten Abschnitt »der lange Untergang der Republik«, in: Büttner, Weimar, S. 397 – 509.

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mit seiner Zeit als vorwiegend politischer Publizist zwischen Kriegsende und Novemberputsch vergleichbare, öffentliche Politisierung Müllers ist vor 1933 nicht festzustellen. Die politischen Ziele, die Müller bereits zu Beginn der 1920er Jahre propagiert hatte, waren gleichwohl nur vorübergehend in den Hintergrund getreten. Eine umfassende und zugleich wenig konkretisierte »Einigkeit« sowie eine, oftmals am Beispiel Bismarcks konturierte, gleichsam selbstverständlich erscheinende Führungsfigur schwebten Müller vor. »Volksgemeinschaft und Führererwartung«, unschwer sind prägende, wenn auch vieldeutige und mit heterogenen Zuschreibungen gefüllte Leitvorstellungen der politischen Kultur seit dem Weltkrieg auszumachen.255 Zudem hatte Müller seit dem letzten Kriegsjahr vermehrt an die »deutschen Arbeiter« appelliert, sich weniger ihrer sozialen als ihrer »völkischen« Herkunft verpflichtet zu sehen. In der Verbindung von »nationaler Ehre« und »sozialem Ideal« hatte für Müller bereits im Herbst 1923 die Grundlage zu einem »neuen Reich« gelegen.256 Nun, ein knappes Jahrzehnt später, hatte Müller seiner Sorge über die zukünftige Entwicklung – etwa in »Wo stehen wir?« – öffentlich Ausdruck verliehen. Dezidierte Mobilisierungsvorstellungen angesichts der krisenhaften Erscheinungen des Jahres 1932 sind jedoch nicht festzustellen.257 Einem Lob der ländlichen Verhältnisse widmete sich Müller zum Jahresende und propagierte die »Geltung des Bauern in der Volksgemeinschaft«. Noch vor dem lesenden Publikum konnten die Hörer des Münchner Rundfunks den Vortrag im Oktober 1932 empfangen, am Aufstieg des Rundfunks in den 1920er Jahren partizipierte Müller bereits seit längerem.258 Bereits im Januar 1928 war durch das bayerische Kultusministerium seine Aufnahme in den »kulturellen Beirat für die Deutsche Stunde in Bayern« erwogen worden, ein Jahr darauf schließlich war diese erfolgt.259 Zur Tagespresse und den monatlichen Zeitschriften trat nun auch der Rundfunk als neues, noch ungewohntes Veröffentlichungsmedium Müllers.260 Zum fünfzigsten Geburtstag dankte bereits der Bayerische Rundfunk dem »bayerischen Historiker und Pfleger des bayerischen Gedankens im Reich, dem aus feinstem Verständnis für Wesen und Wirken des Rundfunks immer tatkräftig helfenden Kulturbeirat und Vortragenden«.261 Wenn auch noch selten genutzt, scheint der 255 Vgl. Wildt, Volksgemeinschaft; Schmiechen-Ackermann (Hg.), »Volksgemeinschaft« sowie einen eingehenden Literaturbericht: Steuwer, »Volksgemeinschaft«. 256 Müller, Lehren der Geschichte (1923), S. 1 f. 257 Auch Müller hatte im April 1932 den vom »Kampfbund für deutsche Kultur« initiierten »Aufruf an alle deutschbewußten akademischen Lehrer und an die deutsche akademische Jugend« unterzeichnet, auf Veranstaltungen des Bundes trat er gleichwohl bis zum Januar 1933 nicht auf, vgl. Gimmel, Organisation, S. 319. 258 Überblickend vgl. Dussel, Rundfunkgeschichte, hier S. 19 – 72. 259 KM an RMInn, 3. 1. 1928, BR, RV/ 19.3; KM an Müller, 7. 1. 1929, BayHStA, MK 44052. 260 Man hoffe, bald »über den Vortrag Ihres Gatten ›Deutscher Charakter und deutsche Geschichte‹ zu hören, den er heute im Rundfunk von Königswusterhausen halten wollte.« Vgl. Guidotto von Donnersmarck an Irma von Müller, 22. 10. 1931, BayHStA, NL von Müller 249. 261 Telegramm Bayerischer Rundfunk an Müller, 20. 12. 1932, BayHStA, NL von Müller 25.

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Rundfunk auf den geübten Redner Müller eine gewisse Faszination ausgeübt zu haben, in »Gedanken über den Rundfunkvortrag« erwog er dessen Besonderheiten. Zu wem spreche man im Rundfunk, zu allen oder zu niemandem? Die »neuartige Erfindung (sie hat zunächst etwas Unheimliches)« erwecke bei dem Vortragenden die Erkenntnis, es handele sich um »ein ganz neues, von allen bisherigen im Wesen abweichendes Mittel der Belehrung, der Erziehung«. Es böte der Rundfunk ein Mittel, an »alle heranzukommen«, kein »schönerer Gedanke, keine schönere Hoffnung für den Vortragenden, als daß sein Wort, auf der unsichtbaren Welle fortgetragen, in irgendeiner armseligen Dachstube« auf Gehör stoße.262 Im Oktober 1932 galt es, wie bereits zuvor für den Großgrundbesitz263, den Wert »des Bauern« für die »Volksgemeinschaft« zu unterstreichen. Für Müller lag dieser zuallererst in seiner geschichtlichen Dauer begründet. Die bäuerliche Schicht sei die älteste des Volkes, sei »so alt wie die Geschichte unseres Volkes selbst«, ein »Urgestein unseres Volkstums«. Die Beständigkeit des bäuerlichen Lebens pries Müller, wie hingegen wandelten sich in »diesen Jahrhunderten die großen Lebensbedingungen der ganzen Volksgemeinschaft!« Nun bedrohten die »Einbrüche der modernen, maschinellen, industriellen Zeit« das bäuerliche Leben wie auch »seine Geltung im Volk!« Der Bauer sei »eine Macht des Beharrens im Volksganzen«, das »deutsche Bauerntum ist das letzte große Bollwerk der Natur in dem überkünstelten und überfeinerten gesellschaftlichen Gebäude von heute.«264 Müllers Apologie des vermeintlich Ursprünglichen war nicht neu, allerdings hatte »Volk« als neue »Integrationsformel«265 seine früheren, ordnenden Leitbegriffe von Staat und Nation nun vollständig verdrängt. Nichts aber in dieser letzten dezidiert politischen Veröffentlichung Müllers vor dem Januar 1933 lässt ein Streben nach Umbruch oder Revolution erkennen. Machtergreifung, Machtübernahme, Machtübergabe – mit welchem Wort auch immer man den Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft bezeichnet, bereits seit langem erwartet oder befürchtet wurde diese von Müller nicht.266 Zum Jahresbeginn 1933 lud Müller gemeinsam mit anderen zum fünfzigsten Geburtstag seines Schwagers Gottfried Feder ein, am 27. Januar sollte »unser Verwandter, Freund und nationalsozialistischer Führer« gefeiert

262 Müller, Gedanken über den Rundfunkvortrag (1933), S. 92. Zur Rolle des Rundfunks im Kontext allgemeinen Bedeutungsgewinns der Massenpresse vgl. Schulz, Aufstieg, v. a. S. 84 f. 263 Im Dezember 1931 hatte Müller auf der Mitgliederversammlung des »Verbandes des größeren Grundbesitzes in Bayern« die »kulturelle und politische Bedeutung des Großgrundbesitzes« betont, dieser sei »in unserer Gesellschaft neben dem Bauerntum die am tiefsten geschichtlich verwurzelte Form.« Vgl. Müller, Bedeutung des Großgrundbesitzes (1932), S. 318. 264 Müller, Geltung des Bauern (1932), S. 89 f. Auf die Bedeutung ländlicher Mobilisierung für die »völkische Politik« der extremen Rechten verweist Kittel, Nationalismus, S. 127 f. 265 Vgl. entsprechend Wildt, Ungleichheit, S. 29 – 35. 266 Aus der Fülle der Forschungsliteratur : Broszat, Machtergreifung; Jasper, Machtergreifung.

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werden.267 Der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler drei Tage darauf jedoch schenkte Müller zunächst keine besondere Aufmerksamkeit. Ganz alltäglich verbrachte er den 31. Januar 1933, besuchte er zum Mittag das wöchentliche Treffen des Münchner Rotary Club, hörte und diskutierte dort einen Vortrag über »Seltenheitsbegriffe bei alten Büchern«.268 Für Müller war, ebenso wie für viele Zeitgenossen269, der 30. Januar 1933 vorerst »keine Epochenwende«, sondern lediglich der Amtsantritt einer weiteren »für kurzlebig gehaltenen Regierung«.270 Erst nach einigen Tagen entwickelte Müller Interesse, an Max Buchner schrieb er, man möchte »den Kopf frei haben für die Politik, die auf große Entscheidungen zudrängt.«271 Es würde sich zeigen, dass Müller gut vorbereitet war auf den Nationalsozialismus, in seinen politischen Vorstellungen, mit seiner Teilhabe an neuen und anschlussfähigen wissenschaftlichen Paradigmen, nicht zuletzt mit seinem persönlichen Ansehen in den Kreisen der neuen Herrscher. Seine politische »Ankunft« jedoch galt es erst zu vollziehen, auch Müller musste verzichten, um die Teilhabe am NS-Staat zu gewinnen. Die »preisgegebene Republik«272 war Müller fremd geblieben, in den letzten Monaten vor dem Januar 1933 erschien sie ohnehin kaum noch handlungsfähig. Revolutionäre, die »staatliche Ordnung« gefährdende Bestrebungen hatte Müller jedoch stets abgelehnt, die legal erscheinende Machtübernahme durch Hitler dürfte ihm in dieser Hinsicht keine Loyalitätskonflikte beschert haben. Allerdings, am 30. Januar 1933 war lediglich eine Entscheidung für die Ebene des Reiches gefallen, in Bayern blieb die Regierung Held, wenn auch ohne eigene parlamentarische Mehrheit, vorerst weiterhin im Amt. Der schließlich rasch gescheiterte Versuch, mit einer Ernennung des populären Kronprinzen Rupprecht zum König die Monarchie zu restaurieren und das bestehende Machtvakuum nicht den drängenden Nationalsozialisten zu überlassen, setzte Müller jedoch unter Druck.273 Denn am schon seit längerer Zeit erwogenen »Königsprojekt«274 waren eine Reihe enger Vertrauter beteiligt, nicht zuletzt Müllers Schüler Alois Hundhammer als Landtagsabgeordneter der Bayerischen Volkspartei und Funktionär des Bayerischen Christlichen Bauernvereins.275 Vor allem aber warteten die Süddeutschen Monats267 Zugleich wurde Feders Silberhochzeit begangen, vermutlich lud Müller als Verwandter ein, vgl. die Einladungskarte vom 9. 1. 1933, in: BayHStA, NL von Müller 458. 268 RC München, Wochenbericht Nr. 211 (31. 1. 1933), GStA, I. HA Rep. 228, Nr. 1314. 269 Carl Schmitt vermerkte in seinem Tagebuch zum Erhalt der Nachricht: »Aufgeregt, froh, vergnügt.« Am folgenden Tag hingegen: »Wut über den dummen, lächerlichen Hitler«. Vgl. die Einträge v. 30./31. 1. 1933 in: Schmitt, Tagebücher, S. 257. 270 Jansen, Professoren, S. 229. 271 Müller an Buchner, 7. 2. 1933, BArch, NL Max Buchner 106. 272 Vgl. das abschließende Kapitel in: Gusy, Reichsverfassung, S. 400 – 419. 273 W. Ziegler, Bayern im NS-Staat, S. 514 f. 274 Zur Rolle des Kronprinzen vgl. D. Weiß, Rupprecht, S. 263 – 272; sowie umfassend zur »Machteroberung« in Bayern mehrere Beiträge in: Wirsching (Hg.), Jahr 1933. 275 Braun, Hundhammer, S. 206 – 233.

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hefte, als deren Mitherausgeber Müller weiterhin firmierte, im Januar 1933 mit einem »König Rupprecht«-Heft auf, dessen vorangestellte Frage – »Republik oder Monarchie?« – im Lichte der Ereignisse zur Frage »Nationalsozialismus oder Monarchie?« zu werden schien.276 Ohnehin galt der Kreis um Cossmann, vor allem Erwein von Aretin, Redakteur der Münchner Neuesten Nachrichten und mit zwei Artikeln am »Rupprecht«-Heft beteiligt, als wichtiger Sammlungsort der konservativen, monarchisch orientierten Gegner des Nationalsozialismus.277 Nun befand sich Müller allerdings in einem Konflikt – sein seit Jahrzehnten gepflegtes, persönliches wie politisches Umfeld stand gegen die auf die Machtergreifung in Bayern drängenden Nationalsozialisten. Mehr noch, nachdem mit der Einsetzung Franz von Epps zum Reichskommissar am 9. März 1933 die Regierungsgewalt auch in Bayern auf die Nationalsozialisten übergegangen war, wurden Aretin und Cossmann, später auch Hundhammer inhaftiert.278 Für Müller galt es nun, sich zu entscheiden.279 Aretin wurde am 13. März, Cossmann am 5. April 1933 verhaftet, keine zwei Wochen zuvor hatte dieser Müllers Zwillingssöhne noch mit einem Geldgeschenk bedacht.280 Seltener als im und kurz nach dem Weltkrieg, aber weiterhin regelmäßig hatte Müller in den Jahren zuvor in den von Cossmann geleiteten Publikationen veröffentlicht. Seit 1930 waren in den Süddeutschen Monatsheften bzw. den Münchner Neuesten Nachrichten fast dreißig Artikel, Rezensionen oder Editionen Müllers erschienen, noch im März 1933 publizierte er in den Monatsheften einen Beitrag.281 Zudem findet sich in einem seiner Notizhefte unter der Überschrift »Heft für Arbeitspläne. Begonnen 27. November 1932« der Eintrag: »Rupprecht v. Bayern (f. S.M.)« – offenbar war Müllers Beteiligung am Heft erwogen worden.282 Sein engstes persönliches Umfeld war vom frühen Terror gegen politische Gegner betroffen, von Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft an wusste Müller um ihre Bereitschaft zur Gewalt. Nach 1945 informierte Müller über eine von ihm initiierte Unterstützungsaktion für eine Freilassung Cossmanns, die von Reinhard Heydrich unter direkter Androhung seiner Verhaftung unterbunden worden sei. Ein Beleg für diesen Einsatz existiert jedoch nicht.283 Hingegen ist in der Überlieferung der bayerischen Staatskanzlei eine unterstützende Anfrage 276 277 278 279

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Vgl. Republik oder Monarchie?, in: SM 30 (1932/33), Januar 1933, S. 193 – 198. Vgl. K. O. Aretin, Adel, S. 531 – 541; Hoser, Tagespresse, S. 1000 – 1044 sowie Langer, Reusch. Zur Machtergreifung in Bayern vgl. auch: Pridham, Hitler’s rise, S. 295 – 317. Fälschlich mit »März 1933« datiert Daniela Stöppel einen Auftritt Müllers mit dem neuen Kultusminister Hans Schemm und dem Kunsthistoriker Wilhelm Pinder, vgl. Stöppel, Politisierung, S. 151. Die Tagung »Die Erziehung im nationalsozialistischen Staat« fand erst im August 1933 statt, zu Müllers Vortrag vgl. Kapitel 4.3.3. Cossmann an Irma von Müller, 24. 3. 1933, BayHStA, NL von Müller 247. Zu den Verhaftungen vgl. Selig, Cossmann, S. 73 f. Müller, Bismarcks Glaube (Rez.) (1933). Zur Festschrift zum 60. Geburtstag Cossmanns hatte Müller eine Widmung beigesteuert, vgl. in: Cossmann zum sechzigsten Geburtstage (1929). »Heft für Arbeitspläne. Begonnen 27. November 1932«, BayHStA, NL von Müller 144. Müller, Cossmanns Ende (1950), S. 373.

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Franz Gürtners, seit 1932 Reichsjustizminister, enthalten, auch Hans Pfitzner, Komponist und Mitherausgeber der Süddeutschen Monatshefte, setzte sich für den gemeinsamen Freund ein.284 Doch erst im April 1934 wurde Cossmann freigelassen, bis zu seiner Einweisung in das »Sammellager Berg am Laim« 1941 und der Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt im Sommer 1942 hat Müller jede direkte Begegnung vermieden.285 Mit Josef Hofmiller verstarb im Oktober 1933 ein weiterer Mitherausgeber der Süddeutschen Monatshefte, der Nachruf sollte Müllers letzte Veröffentlichung in den Monatsheften sein.286 Als in der Schweizer Zeitschrift Corona schließlich ein nachgelassener Text Hofmillers angekündigt wurde, bat Müller den Redakteur Herbert Steiner : »Sie schicken doch auch ein Exempl. an Cossmann?«287 Müller hätte kaum auf die nationalsozialistische Vernichtungspolitik, der Cossmann zum Opfer fiel, Einfluss nehmen können. Doch ist sein umfangreiches Engagement für den Nationalsozialismus stets zu sehen vor seinem Wissen um die Verfolgung eines seiner engsten Weggefährten. Nach der Verhaftung Cossmanns und Aretins hatte Reinhard Heydrich im Juni 1933 in einem Vermerk die vermeintliche Bedrohung des nationalsozialistischen Staates durch deren dezidiert bayerisch-süddeutsche, monarchischadelige sowie katholische Orientierung betont.288 Orientierungen, die auch die bisherige Biographie Müllers zumindest mit geprägt hatten, Bindungen, die Müller an einer Karriere im NS-Staat hindern würden. Eine Karriere, die deshalb nicht umstandslos anzutreten war. Im Gegensatz zu vielen seiner langjährigen Begleiter aber war Müller bereit, auf seine katholischen, monarchischen sowie föderalen Überzeugungen zumindest partiell zu verzichten. Sein politischer Weg in den Nationalsozialismus ist daher nicht der bloße Vollzug von seit dem Weltkrieg erworbenen Prägungen, sondern auch ein bewusst in Kauf genommener Verlust, für den Müller mit dem Gewinn der Teilhabe am Nationalsozialismus entschädigt wurde. Am leichtesten wogen die selten betonten katholischen Bindungen, die in Müllers öffentlichen Auftritten oder in seiner Korrespondenz keine wesentliche Rolle eingenommen hatten. Weder konfessionelle Konflikte noch der politische Katholizismus prägten Müller, trotz der Beschäftigung mit Görres wird man ihn auch nicht im eigentlichen Sinne als katholischen Historiker

284 Reichsminister der Justiz Gürtner an Bayerische Staatsregierung, 14. 7. 1933, BayHStA, StK 7591; zu Gürtner vgl. umfangreich: Gruchmann, Justiz. In der Akte zur Schutzhaft Cossmanns, Aretins u. a. wird Müller nicht erwähnt. Zu Pfitzner vgl. dessen Eingabe an Reichspräsident Hindenburg, 13. 11. 1933, BArch, ehem. BDC, DS/ A 212 [Cossmann Paul Nikolaus]. 285 Müller, Cossmanns Ende (1950), S. 374. 286 Müller, Hofmiller (1933). Vgl. auch Müllers Kondolenzschreiben an Hulda Hofmiller, 11. 10. 1933, DLA, A:Hulda Hofmiller. 287 Müller an Steiner, 10. 9. 1934, DLA, A:Steiner. 288 Bayerische Politische Polizei (Heydrich), 26. 6. 1933, BayHStA, StK 7591.

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bezeichnen können.289 Enger waren, nicht zuletzt lebensweltlich, seine monarchischen Bindungen. Familiär vorgezeichnet, mit einer Vielzahl von historiographischen und publizistischen Veröffentlichungen wie auch persönlichen Kontakten zum »Haus Wittelsbach«.290 Doch eine politische Option sah Müller in der Restauration der Monarchie nicht, seine Führervorstellungen bevorzugten angesichts des Versagens der deutschen Königshäuser im Weltkrieg nicht die erbliche Auswahl.291 Vor allem dem abgedankten Kaiser stand Müller in, auch öffentlich in Publikationen bekundeter, Ablehnung gegenüber. Trotzdem wurde Müller eingeladen, Wilhelm II. im niederländischen Exil zu besuchen. Leicht tat er sich mit seiner Absage nicht, er sei »im Zweifel« gewesen, was auf »die gütige Anregung wegen eines Besuches in Doorn« zu antworten sei. Schließlich signalisierte Müller seinen Verzicht, habe er »doch, von Bismarck herkommend, in historischen Arbeiten mehr als einmal gegen den Kaiser Stellung genommen«. Unter diesen Umständen einen Besuch abzustatten, erschiene ihm »eine Halbheit, die letzten Endes nur zu einer Enttäuschung oder Verletzung des hohen Herrn führen könnte. Aus diesem Grund muß ich bitten, den Gedanken, so verlockend er für mich als Historiker wäre, nicht weiter zu verfolgen«.292 Deutlicher war die Trennlinie nicht zu markieren, allenfalls noch historisches Interesse verdiente Wilhelm II. in den Augen Müllers. Eine der von Heydrich als bedrohlich für den Nationalsozialismus benannten Bestrebungen jedoch war für Müllers Entwicklung in den Jahren vor 1933 tatsächlich von Bedeutung gewesen. Seit 1928 hatte er sich als bayerischer Landeshistoriker intensiv für föderale Strukturen im Allgemeinen wie für die bayerischen Belange im Speziellen eingesetzt, sie historisch zu begründen und politisch zu sichern gesucht. In den im November 1932 skizzierten Arbeitsplänen Müllers waren auch eine Untersuchung »Die bayer. Geschichte als Unterrichtsfach/stoff (mit Kultusmin. Akten)« sowie Biographien Montgelas’ wie Ludwigs II. aufgeführt.293 Auch anlässlich der Hundertjahrfeier des Hambacher Festes im Mai 1932 hatte sich Müller für den bayerischen Staat exponiert und eine Ansprache auf der Festkundgebung gehalten.294 Er betrachte, so Müller an den Münchner Oberbürgermeister Karl Scharnagl, alles, 289 Vgl. Fandel, Konfessionalismus sowie Heilbronner, Katholische Historiker, der Müller als »nationalistisch« orientiert von der zu untersuchenden Gruppe ausschließt, S. 219 f. 290 Zu Begegnungen mit dem Kronprinzen in den 1920er Jahren vgl. D. Weiß, Rupprecht, S. 194. Rückblickend stilisierte sich Müller zum »Herzensmonarchisten«, vgl. Wandel (1966), S. 296 f. Entgegen ihrer kritischen Sicht auf Müllers »Erinnerung« folgt Nikola Becker diesen, offenbar besonders glaubwürdigen Ausführungen, vgl. N. Becker, Lebenswelt, S. 79 f, 476. 291 Zum »Nachleben der Monarchie« und ihrer Rolle in den »Führer«-Debatten der 1920er Jahre vgl. Hofmann, Monarchismus; Kohlrausch, Monarch, S. 414 – 442. 292 Müller an Levetzow, 16. 12. 1932, BArch, NL Magnus von Levetzow 41. Percy Ernst Schramm hingegen fuhr nach Doorn, vgl. den Bericht, 17. 8. 1930, StAH, NL P. E. Schramm L 183. 293 »Heft für Arbeitspläne. Begonnen 27. November 1932«, BayHStA, NL von Müller 144. 294 Das Hambacher Schloss liegt im bis 1945 zu Bayern gehörenden Teil der Pfalz, neben Müller trat auch Theodor Heuß als Redner auf, vgl. W. Ziegler (Bearb.), Kabinett Held, S. 6.

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was er für seine Heimatstadt wie »für mein bayerisches Heimatland tun kann, nur als bescheidnen Zoll der Dankbarkeit«.295 Die Ausprägung seines Profils eines »vorbildlichen treubayerischen und deutschen Forscher[s] und Patrioten«296 hatte sich nicht zuletzt auf den Bereich der Politik erstreckt, seit 1930 war Müller als Vorsitzender des Arbeitsausschusses »Reich und Heimat« für den Föderalismus eingetreten. Als Propagandist bayerischer Eigenstaatlichkeit wurde Müller wahrgenommen, in positiver, aber auch in negativer Hinsicht. Ein »übler Wolf im Schafspelz, der Hetze unter dem Mantel der Wissenschaft« betreibe, sei Müller, urteilte im März 1933 das »Fränkische Volk«, Tageszeitung der NSDAP im »Gau Bayerische Ostmark«. Seine Schrift zum »Bayerischen Problem« sei ein »Lexikon separatistischer Unverschämtheiten.«297 Doch keine »Epoche der deutschen Geschichte war anti-föderalistischer als die nationalsozialistische«, in »staatsrechtlicher Hinsicht bedeutete das Ende der Weimarer Demokratie und die nationalsozialistische Revolution eine schlagartige Veränderung des historisch entwickelten Verhältnisses von Zentralismus, Föderalismus und Regionalismus.«298 Ein fortgesetztes föderales Engagement hätte Müller früher oder später in Widerspruch zum NSStaat und seinem Herrschaftsanspruch gebracht. Für eine nationalsozialistische Karriere jedoch genügte ein bloßer Verzicht nicht. Initiiert durch Rudolf Heß wurden im August 1933 alle »führenden Verbände der Volkstums- und Heimatbewegung« im »Reichsbund Volkstum und Heimat« zusammengefasst. Als »Einheitsbund«, berichteten die Münchner Neuesten Nachrichten, erfasse er bereits »fünf Millionen deutscher Volksgenossen«, seine Führung liege »in den Händen des verdienten Volkstumsforschers und Historikers« Müller.299 Sehr rasch war Müller, auf dessen kurz zuvor erfolgten Eintritt in die NSDAP noch einzugehen sein wird, zum Funktionär im NS-Staat aufgestiegen. In der öffentlichen Werbung für »Volkstum und Heimat« konnte Müller zudem an frühere Ansichten anknüpfen, weiterhin die »Entwurzelung alles Bodenständigen« beklagen. Doch musste es nun nicht mehr beim Benennen des Missstandes bleiben: »Aber gerade das ist das Große unserer nationalsozialistischen Revolution, der Revolution Adolf Hitlers, daß sie hinter allem maschinellen und technischen Fortschritt, den sie bejaht, dennoch die tiefen Gesetze der organischen Natur erkennt und auf sie aufbaut«. Der »Hauptträger« der »natürlichen Ordnung« sei das Volk, ihre Erneuerung gehe aus »von den Wurzeln des Blutes, vom schöpferischen Kern des Volkes selbst«.300 Es muss offen bleiben, ob Müller tatsächlich wie bekanntgegeben aus geMüller an Scharnagl, 21. 12. 1932, Monacensia, A III/1 (Karl Alexander von Müller). Reichspostminister a.D. Karl Stingl an Müller, 19. 12. 1932, BayHStA, NL von Müller 25. Vgl. die Notiz in: Fränkisches Volk Nr. 71 v. 24. 3. 1933. H. Möller, Regionalismus, S. 21 f. Vgl. »Zusammenfassung der Volkskulturbewegung. Reichsbund Volkstum und Heimat«. Seine Bereitschaft hatte Müller bereits im Mai 1933 erklärt, vgl. Bollmus, Rosenberg, S. 49. 300 Müller, Volkstum und Heimat (1933), S. 1.

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sundheitlichen Gründen zum Ende des Oktobers 1933 sein Amt niederlegte, zum Wintersemester begann auch seine Amtszeit als Dekan der Philosophischen Fakultät der Münchner Universität.301 Zumindest im Frühjahr 1934 amtierte er noch als »Landesführer« des Reichsbundes, es ist demnach zu vermuten, dass nicht die Rolle als Funktionär des nationalsozialistischen Deutschlands Müller zum Verzicht bewog.302 Angewiesen war Müller auf das Amt nicht, hingegen tat sich der ehemalige Geschäftsführer des Arbeitsausschusses »Reich und Heimat« schwer. Müller kenne »meine Einstellung und meine Fähigkeiten. Man möchte glauben, daß das neue Deutschland, das doch eine ganz große bevölkerungspolitische Propaganda entwickeln will, mich brauchen könnte und müßte.« Schon 1927 habe er, klagte Richard Korherr, Zwangssterilisierungen gefordert, doch nun müsse er sich beim Arbeitsamt melden.303 Als »Leiter der Statistischen Abteilung im SS-Hauptamt« und Statistiker der »Endlösung« würde Korherr die angestrebte Karriere im Nationalsozialismus jedoch nicht versagt bleiben.304 Müllers Expertise zum Verhältnis von Reich und Ländern wie zu ihrer zukünftigen Ordnung sollte noch ein weiteres Mal gefragt sein. In der »Chronik des deutschen Föderalismus« nehme das »Gesetz zum Neuaufbau des Deutschen Reiches« vom 30. Januar 1934 einen »ähnlichen Platz« ein wie das Ermächtigungsgesetz in der deutschen Parlamentsgeschichte, urteilte Martin Broszat. Die anschließende »regimeinterne Diskussion um die Reichsreformfrage« habe ihren Höhepunkt im Frühjahr 1934 erreicht, ohne größere Ergebnisse nach sich zu ziehen.305 Noch etwas nebulös dankte im März 1934 der bayerische Ministerpräsident Ludwig Siebert für die überreichten Ausführungen zur »Entwicklung der deutschen Einheit«, die »Darlegungen sind ganz ausgezeichnet und decken sich inhaltlich in ihrer politischen Beurteilung vollständig mit meiner Auffassung.« Müllers »Feststellungen« seien äußerst wertvoll, er werde »von ihnen Gebrauch machen.«306 Ein Zusammenhang mit der Debatte um die angestrebte Reichsreform kann angesichts der besonderen Profilierung bayerischer NSDAP-Politiker in dieser Frage vermutet werden307, wenige Wochen darauf bestand Klarheit. Als der Münchner Gauleiter und bayerische Innenminister Adolf Wagner im Mai 1934 zum »Beauftragten der Reichsleitung für die Reichsreform« ernannt wurde, 301 Seine Nachfolge trat Rosenberg an, vgl. den Bericht des Völkischen Beobachters: »Alfred Rosenberg Führer des Reichsbundes für Volkstum und Heimat«. 302 Vgl. die Einladung zum öffentlichen Schulungsabend der NSDAP in Rottach am 5. 5. 1934, BayHStA, NL von Müller 146. 303 Korherr an Müller, 28. 11. 1933, BayHStA, NL von Müller 292. Korherr hatte Müller auch einen Artikel zum 50. Geburtstag gewidmet, vgl. Korherr, Karl Alexander von Müller. 304 Wietog, Volkszählungen, S. 209 – 237; Aly/Roth, Erfassung, S. 40 – 43. 305 Broszat, Reichszentralismus, S. 178 u. 190. 306 Bayerischer Ministerpräsident an Müller, 7. 3. 1934, BayHStA, NL von Müller 479. 307 Vgl. entsprechend Hetzer, Personal, S. 172. Bayerns »Sonderstellung im Reich«, die »eindeutig auf Hitler selbst zurückgeht« betont auch: W. Ziegler, Hitler, S. 33 – 41, Zitat S. 33.

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engagierte er als Experten den Geographen Karl Haushofer sowie Müller.308 Zwei »prominente Berater«, mit deren Hilfe Wagner »den Anspruch der Partei auf die politische Führung der Reichsreform« gegen das Reichsinnenministerium durchzusetzen gedachte.309 Im Juli unterbreiteten Haushofer und Müller ihr Gutachten zu den »Reichsneubau-Vorfragen«, anzustreben sei die »Erhaltung im deutschen Daseinskampf bewährter Kernzellen und rassenmäßig wertvoller StammÜberlieferungen in ihrem Gefüge«. Der Anteil Müllers an dem überwiegend in naturwissenschaftlichem Duktus verfassten Vorschlag ist schwer zu bestimmen, einige Formulierungen erinnerten an zuvor ausgeführte Ansichten Müllers, nahmen im Gesamtplan jedoch keine bedeutende Rolle ein.310 In konkurrierenden Institutionen wurde die Beteiligung allerdings mit Argwohn beobachtet; dass Wagner den »Altmeister der Geopolitik« Haushofer und den »bekannten Historiker« Müller heranziehe, zeige, dass »sehr aktiv an der Reichsreform gearbeitet« würde.311 Letztlich aber blieb eine Neugliederung der föderalen Struktur des Reiches aus, wohl auch da eine Orientierung an den NSDAP-Gauen die Macht der Gauleiter zu sehr gestärkt hätte.312 Müllers politische Ankunft im NS-Staat jedoch war durch seine Beteiligung an diesen frühen »Ordnungsversuchen« – ob bei der Reichsreform oder in der »Volkstumsbewegung« – wesentlich beschleunigt worden, an seiner Bereitschaft zur Mitwirkung bestand kein Zweifel. Dem Gewinn seiner Teilhabe an der neuen Macht stand kein kompletter Rollenwechsel Müllers als notwendiger Verzicht gegenüber, im Gegenteil, seine Vielschichtigkeit würde Müllers Karriere befördern. Allerdings war insbesondere in den ersten Monaten der NS-Herrschaft vielfach unklar, welches Engagement toleriert, welches sanktioniert werden würde. Am Verhalten Müllers in dieser Hinsicht ist zum einen unmissverständlich ablesbar, dass er sich bewusst für den Nationalsozialismus entschied. Zum anderen verdeutlichen die nun zu lösenden Bindungen aber, wie wenig vorgezeichnet seine Entwicklung bis zum Januar 1933 gewesen war. Auch im Münchner Rotary Club, den Müller mitbegründet hatte, trennten sich nun die Wege. Im April 1932 noch teilte sich Müller auch mit Thomas Mann die Rolle des Vortragenden bei den wöchentlichen Treffen, während Mann »in charmanter, fesselnder Weise« über eine Vortragsreise berichtete, »erfreute uns Rot. K. A. von Müller mit einem oratorisch, stilistisch und inhaltlich ausgezeichneten Vor308 W. Ziegler, Gauleiter, S. 118. 309 Hartmannsgruber (Bearb.), Reichskanzlei, S. 71. Vgl. auch: Rebentisch, Verwaltung, S. 745 – 752. 310 »Obwohl die Verstädterung und Landflucht an sich als Erscheinung im Dritten Reich planmäßig bekämpft wird […].« Vgl. Gutachten Haushofer/Müller »Reichsneubau-Vorfragen.«, Juli 1934, IfZ, Stellvertreter des Führers, Fa 95 Band 1. 311 Vgl. Interne Vorlage für den Reichsinnenminister, 11. 9. 1934, enthalten in: Heiber (Bearb.), Akten der Partei-Kanzlei, Nr. 30209. 312 Funk, Föderalismus, S. 287 f.

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trag ›Über die deutsche Auswanderung nach Amerika‹.«313 Für die Glückwünsche zum fünfzigsten Geburtstag dankte Müller »mit einem feinen kleinen Gedicht« und versprach eine »Steigerung des Besuchseifers für 1933!!«314 Eine Zusage, die Müller wie erwähnt vorerst in die Tat umsetzen sollte, den ersten Tag nach der Machtergreifung Hitlers verbrachte er bei den Rotariern. Bald aber brach sich das Misstrauen der Nationalsozialisten auch gegen den Münchner Rotary Club Bahn, geäußerte Drohungen einer »Gleichschaltung« blieben gleichwohl vage.315 Doch reagierte der Club und strich Anfang April seine jüdischen sowie andere als »missliebig« vermutete Mitglieder, auch den von einer Vortragsreise nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrten Thomas Mann.316 Dies genüge nicht, wandte sich der Club an den Governor des gemeinsamen deutschen und österreichischen Distrikts, man könne »wirklich keinem Mitglied zumuten, dass es sich dem Odium nicht-nationaler Einstellung dadurch aussetzt, dass es einem Klub angehört über den man nichts weiss.« Man müsse die Nationalsozialisten über die Rotarier und ihre Ziele dringend aufklären.317 Müller aber hatte seine Entscheidung bereits gefällt, am 14. März nahm er zum letzten Mal an einem Treffen der Rotarier teil.318 Im Gegensatz zu Mann verließ Müller den Club freiwillig und schied Ende Mai 1933 aus.319 Dann gelang es den Rotariern jedoch, ihren Fortbestand vorerst zu sichern. Man hoffte sogar, einige vorsorglich ausgetretene Mitglieder wiederzugewinnen, auch Müller habe noch »keine definitive Antwort gegeben«, ob er wieder beitreten wolle.320 Ausgeschlossen schien dies nicht, in einer Aufstellung der Mitglieder des Jahres 1934 war Müller enthalten, der Architekt Theodor Fischer hoffte noch: »Ist es ganz unmöglich, daß man sich wieder einmal sieht? Rotary wartet immer noch auf Sie.«321 Vergebens, als im Herbst 1937 die deutschen Rotary Clubs sich zur Auflösung gezwungen sahen322 und das Kultusministerium die beamteten Hochschullehrer zur Aufgabe einer etwai-

313 RC München, Wochenbericht Nr. 169 (5. 4. 1932); Wochenbericht Nr. 172 (30. 4. 1932), GStA, I. HA Rep. 228, Nr. 1314. 314 RC München, Wochenbericht Nr. 206 (27. 12. 1932), ebd. 315 Hierzu sowie zu den folgenden Ausschlüssen vgl. Unschuld, Rückkehr, S. 75 – 90. 316 Julius Geyer an Governor Ernst Prinzhorn (Wien), 6. 4. 1933, StAM, RC München 1372. 317 Präsident Arendts an Governor Ernst Prinzhorn, 26. 4. 1933, ebd. 318 Unschuld, Rückkehr, S. 91. 319 Schriftführer RC München an Rotarier Alex Potter / Governor Ernst Prinzhorn, 2. 6. 1933, StAM, RC München 1372. Zum Ausschluss u. a. Thomas Manns vgl. Bäumler, Mann, S. 285 f. 320 Sekretärin RC München Heller an Governor Ernst Prinzhorn, 21. 12. 1933, StAM, RC München 1372. 321 Vgl. Broschüre »Die Rotary Klubs des 73. Distrikts« 1934, StAM, RC München 105; Fischer an Müller, 23. 9. 1934 BayHStA, NL von Müller 479. 322 Unschuld, Rückkehr, S. 112 – 114. Die Akten des RC München beschlagnahmte die Gestapo, RC München in Liquidation an Hugo Grille, 14. 10. 1937, GStA, I. HA Rep. 228, Nr. 1974.

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gen Mitgliedschaft aufforderte, konnte Müller lapidar notieren: »Fehlanzeige erstattet.«323 Die Wege Thomas Manns und Müllers hatten sich im Frühjahr 1933 noch in einer weiteren Hinsicht gekreuzt, um schließlich konträre Richtungen einzuschlagen. Den Anlass bot der fünfzigste Todestag Richard Wagners im Februar. Manns Vortrag »Leiden und Größe Richard Wagners« im Auditorium der Münchner Universität sollte sein letzter in Deutschland vor der Rückkehr aus der Emigration sein. Jedoch nicht nur, dass es Mann ratsam erscheinen musste, angesichts der fortschreitenden Machtübernahme der Nationalsozialisten im Ausland zu bleiben. Im April erschien zudem in den Münchner Neuesten Nachrichten ein gegen ihn gerichteter »Protest der Richard-WagnerStadt München«. Mann habe Wagner verunglimpft, so behauptete der vom Dirigenten Hans Knappertsbusch initiierte und auch von Hans Pfitzner unterschriebene Aufruf, der zum sinnfälligen Ausdruck des Bruches zwischen Mann und dem sich dem Nationalsozialismus zuwendenden deutschen Bildungsbürgertum wurde.324 Auch Müller hatte zur Wiederkehr des Todestages Wagners einen beachteten Vortrag gehalten, wenige Tage nach Mann, im Münchner Nationaltheater. Veranstaltet von der bayerischen Staatsregierung und der Stadt München, war die Gedenkrede »Richard Wagner und das 19. Jahrhundert« sein letzter Auftritt auf Einladung von Repräsentanten der Republik. Müller habe, dankten Kultusminister Goldenberger und Oberbürgermeister Scharnagl, in »formvollendeter Darlegung […] die Erscheinung Richard Wagners in die großen Zeitströmungen des 19. Jahrhunderts einzuordnen gewußt und ein überaus eindrucksvolles Bild der Gesamtpersönlichkeit und ihrer Bedeutung für das deutsche Kulturleben gezeichnet.«325 Der offenbar frühzeitig verabredete Druckort der Rede spiegelte Müllers Bindungen an bildungsbürgerliche Kreise. Bereits im April 1933 erschien sein Vortrag in der Schweizer Literaturzeitschrift Corona, deren Ausgabe im Februar noch ein Aufsatz Manns über »Goethes Laufbahn als Schriftsteller« geschmückt hatte.326 Müller nun bot ein emphatisches Lebensbild Wagners wie eine dem Stil zahlreicher seiner Veröffentlichungen verpflichtete Skizze des 19. Jahrhunderts – an dessen Beginn stünde noch ein Deutschland »ohne Eisenbahnen, ohne Maschinen, ohne Fabriken«, ein »Deutschland der Wälder und der romantischen Kleinstädte«. Im Kampf sei Wagner zum Propheten geworden: »Unser Geschlecht heute ist eingetreten in den allgemeinen Umsturz, den er aus den treibenden Kräften der Zeit vorhergesehen: Niemand von uns vermag mit Sicherheit vorauszu323 Vgl. KM an Rektoren, 28. 10. 1937, sowie die handschriftliche Notiz Müllers auf diesem Schreiben, BayHStA, NL von Müller 397. 324 Prater, Mann, S. 281 – 290; zum Kontext des »Protests« vgl. Bollenbeck, Tradition, S. 11 – 43 sowie Bäumler, Mann. 325 KM (Goldenberger), Scharnagl an Müller, 15. 2. 1933, BayHStA, MK 44052. 326 Vgl. die Korrespondenz Müllers mit dem Redakteur der Corona Herbert Steiner, 9.3. u. 4. 4. 1933, DLA, A:Steiner. Zur Zeitschrift vgl. Rall, »Corona«.

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sagen, zu welchem Ende er uns führe.«327 Mit diesem unentschiedenen, keineswegs freudetrunkenen Brückenschlag vom 19. Jahrhundert Wagners in das Frühjahr 1933 ragte in Müllers Vortrag gleichsam noch die Weimarer Republik in den NS-Staat hinein.328 Doch während Mann den Angriffen der »RichardWagner-Stadt München« ausgesetzt war, widmete sich Müller in den folgenden Monaten seiner politischen Ankunft und vollzog diese nicht zuletzt mit einem erneuten Abdruck der Rede. Zugleich seine erste Veröffentlichung in einer genuin nationalsozialistischen Zeitschrift, erschien »Richard Wagner und das 19. Jahrhundert« im November 1933 in »Wille und Macht«, der Zeitschrift der »Hitler-Jugend«.329 Im Juni 1933 schätzte die Fachschaft Geschichte der Münchner Universität auf Anfrage der Deutschen Studentenschaft die politische Einstellung der Dozenten ein. Als »einzigen sicheren Nationalsozialisten« benannte sie Otto zu Stolberg-Wernigerode, hingegen sei Müller zwar »aktiv national«, aber kein »Parteigänger«.330 Wenige Wochen später hatte Müller diesen Makel behoben: »Zur Begründung, warum ich erst jetzt um Aufnahme in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei bitte führe ich an, daß ich unter dem früheren Regime in meinem Amt als Universitätsprofessor besser und weiter (freier) für die Verbreitung nationalsozialistischer deutscher Staats- und Geschichtsauffassung zu wirken in der Lage war, wenn ich der Partei nicht offiziell angehörte, und so in aller Stille Historiker für das Dritte Reich heranbilden konnte.«331 An seinem Willen, im Nationalsozialismus anzukommen, kann kein Zweifel bestehen. Zugleich verdeutlicht Müllers Eintrittsgesuch jedoch auch den auf ihm lastenden Rechtfertigungsdruck, verdeutlicht die Notwendigkeit einer Erklärung für den späten Eintritt.332 Ungeschehen machen konnte Müller sein Zögern nicht, aber überbrücken. Über seine vorsichtige Ankunft in der Weimarer Republik, sein Arrangement mit der politischen Realität der zweiten Hälfte der 1920er Jahre hinweg schlug Müller den Bogen zum November 1923, gleichsam seinen zehnjährigen Verzicht auf einen Beitritt überspannend. Mit seiner »Gedenkrede auf Theodor von der Pford327 Müller, Wagner und das 19. Jahrhundert (1933), S. 414 u. 427. 328 Ebenso der erneut Müllers literarische Fähigkeiten hervorhebende Dank des Historikers Otto Brandt für die Rede, die »meine Frau und mich und alle, denen ich sie sonst zu lesen gab, aufs tiefste ergriffen hat. Sie gehört zum Schönsten, was ich, der ich selbst Wagnerianer bin, über Wagner gelesen habe.« Vgl. Brandt an Müller, 10. 6. 1933, BayHStA, NL von Müller 434. 329 Vgl. den Eintrag im Schriftenverzeichnis Müllers. Die Rede war gekürzt und leicht, aber nicht in signifikant nationalsozialistischer Hinsicht verändert. 330 Rösch, Münchner NSDAP, S. 445. 331 Handschriftliches Eintrittsgesuch Müller, 27. 8. 1933, BArch, ehem. BDC, PK/ I 0191 [Müller Karl Alexander von]. Sein Eintritt während der Aufnahmesperre sei »auf Wunsch des Stellvertreters des Führers erfolgt.« Vgl. Reichsschatzmeister NSDAP an Gauleitung MünchenOberbayern, 7. 9. 1933, ebd. Vgl. zudem eine Reihe von Beiträgen in: Benz (Hg.), NSDAP sowie zur Bedeutung der NSDAP-Mitgliedschaft: Nolzen, Inklusion. 332 Zu »Verbürgerlichungstendenzen« der NSDAP-Mitgliedschaft nach der Machtergreifung resp. den Eintritten von Akademikern vgl. Falter, »Märzgefallenen«.

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ten«, gehalten an dessen Grab im November 1933, schrieb sich Müller nachträglich ein in die nun erfolgreiche nationalsozialistische Bewegung. Als »Gefallener« des Novemberputsches zählte von der Pfordten zu Hitlers »Blutzeugen«.333 Im öffentlichen Gedenken an den Freund konnte Müller den Ruhm der nationalsozialistischen »Kampfzeit« mehren und zugleich durch seine persönliche Bindung zu einem ihrer Helden eigene Nähe erzeugen.334 Auf den »Sieg der Idee, für welche von der Pfordten als einer der ersten sein Leben hingegeben hatte«, habe »keiner von uns in jenen dunklen Tagen zu hoffen gewagt.« Pfordten habe zur »revolutionären nationalsozialistischen Bewegung« das »Heldische an ihr« geführt, die »unbedingte leidenschaftliche, unbedingte Liebe zum Deutschtum«, die »Opferbereitschaft« und »Einfachheit ihrer Grundgedanken«. Auf Pfordtens Grab lege man heute einen »Kranz der Dankbarkeit und des Sieges.«335 Ein öffentliches Bekenntnis zum Nationalsozialismus, welches Müller vielfach verkündet sehen wollte: Wiederholt wurde die Gedenkrede innerhalb weniger Wochen veröffentlicht.336 Im Gegensatz zu einer Reihe enger Begleiter bis 1933 verfügte Müller nicht über Residuen seiner Herkunft, die schwerer als die Aussicht einer Teilhabe an der ersehnten »Gemeinschaft« wogen. Seine monarchischen, katholischen, schließlich auch föderalen Prägungen waren weniger verfestigt, sie hinderten ihn nicht, sich nach der Machtergreifung rasch und engagiert dem Nationalsozialismus zuzuwenden. Seine politische »Ankunft« im NS-Staat war zweifellos geglückt, als Parteimitglied, Berater, Funktionsträger und publizistischer Lobredner. Zuallererst aber als Historiker und Universitätslehrer sollte Müller sich für den Nationalsozialismus einsetzen.

4.3.3 Für eine nationalsozialistische Universität »Lieber Karl Alexander!« Gürtners Anrede verdeutlichte es, mit dem NS-Staat und einigen seiner Repräsentanten war Müller gut vertraut.337 Nicht zuletzt sein persönliches Ansehen hatte an seiner Loyalität zu den neuen Machthabern keinen Zweifel entstehen lassen. Der »Stellvertreter des Führers«, frü333 Herbst, Hitlers Charisma, S. 212. 334 Vgl. den Dank der Tochter Elisabeth v. d. Pfordten an Müller, 28. 4. 1934, BayHStA, NL von Müller 479 sowie den Brief der Witwe kurz nach dem Tod Pfordtens: Elly von der Pfordten an Müller, 15. 11. 1923, BayHStA, NL von Müller 19/1. Wie Müller war Pfordten Stipendiat des Maximilianeums gewesen, vgl. zudem zahlreiche Einträge in den Erinnerungen Müllers. 335 Müller, Gedenkrede auf Theodor von der Pfordten (1934), S. 47 f, 50. Zum »Inneren Reich«, in dessen erster Nummer die Gedenkrede erschienen war, vgl. Mallmann, »Innere Reich«. Dass Müllers Rede »weder im Stil noch im Inhalt eine explizite Huldigung an das NS-Regime« gewesen sein soll, verbleibt allerdings unbegründet, ebd., S. 112. 336 Die Rede erschien zusätzlich u. a. in der Münchner Zeitung, im Sonntagsblatt sowie in der Zeitschrift »Deutsche Volksbildung«, vgl. das Schriftenverzeichnis im Anhang. 337 Müllers Jugendfreund Franz Gürtner, Reichsminister der Justiz, dankte für die Zusendung von Aufsätzen, vgl. Gürtner an Müller, 9. 5. 1934, BayHStA, NL von Müller 479.

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herer Seminarteilnehmer bei Müller, ermöglichte die Aufnahme in die Partei, selbst als bayerischer Kultusminister war Müller gehandelt worden.338 Sein Weg in den Nationalsozialismus war nicht vorgezeichnet, bedurfte dezidierter Entscheidungen, zu denen er auch andere aufforderte.339 Nachdem diese jedoch gefallen waren, blieb Müllers Engagement lange ungebrochen. Gefragt war sein Einsatz vor allem im Universitäts- und Wissenschaftsbetrieb, der gleich anderen Bereichen der deutschen Gesellschaft zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft eine »Anlaufphase«340 durchlief. Die Beteiligung erfahrener Hochschullehrer bei den ersten Schritten zur Schaffung einer nationalsozialistisch geprägten Universität war deshalb unverzichtbar, zumal die präzisere Ausrichtung und Zielsetzungen nationalsozialistischer Wissenschaftspolitik allenfalls grob abzusehen waren. Nicht zuletzt im einsetzenden »Generationskonflikt«341 zwischen etablierten Ordinarien und dem deutlich stärker nationalsozialistisch orientierten Nachwuchs bedurfte es eines mit Ansehen auf beiden Seiten ausgestatteten »Moderators«. Eine Rolle, die für Müller wie geschaffen schien in einer »Zeit, die an Karlo nun in allen Richtungen grosse Anforderungen stellt«.342 Nur wenige Wochen nach der nationalsozialistischen Machtergreifung begann, basierend auf dem im April erlassenen »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums«, an den Universitäten die Entfernung jüdischer und politisch missliebiger Hochschullehrer.343 An »meiner Brust weinen sich so ziemlich alle beurlaubten jüdischen Kollegen aus«, schrieb Fritz Hartung an den Hallenser Nationalökonomen Gustav Aubin, allerdings, man hatte »in der Tat Institute, die fast restlos verjudet waren. Insofern begreift man die Judenverfolgung. Aber sie hat, von der verheerenden aussenpolitischen Wirkung abgesehen, auch viel Tragik zur Folge, zumal unter den Jüngeren.«344 Offensive Unterstützung fand die Verfolgung der jüdischen Kollegen selten, Widerstand dagegen ist ebenso kaum festzustellen. Offiziell wurde zumeist weniger das Schicksal der Entlassenen als der Verlust an institutioneller Autonomie bedauert: »Die Fakultät bedauert den Eingriff in den Lehrkörper«.345 An der Münchner Universität war die Zahl jüdischer Hochschullehrer »nicht allzu hoch«, im ersten Jahr des »Berufsbeamtengesetzes« waren knapp 6 % des 338 Vgl. entsprechend Guidotto v. Donnersmarck an Irma von Müller, 17. 3. 1933, BayHStA, NL von Müller 249. Von einer Absage Müllers berichtet auch Zorn, Bayerns Geschichte, S. 363. Das Amt erhielt schließlich der frühe Nationalsozialist Hans Schemm, vgl. W. Müller, Gauleiter. 339 Im Juni 1934 ersuchte Müller Erwein von Aretin nach dessen Freilassung, sich dem »neuen Staat als Adliger zur Verfügung« zu stellen, Aretin lehnte jedoch ab, vgl. K. O. Aretin, Adel, S. 560. 340 Hausmann, Einführung, S. XV. 341 Vgl. entsprechend Grüttner, Machtergreifung. 342 So der befreundete Schriftsteller Leopold Weber an Irma von Müller, 30. 4. 1933, BayHStA, NL von Müller 256. 343 Vgl. umfassend Grüttner/Kinas, Vertreibung. 344 Hartung an G. Aubin, 14. 5. 1933, SBB, NL Fritz Hartung 79, Mappe 4. 345 Protokoll der Sitzungen der Phil. Fak., 29. 4. 1933, StAH, 364 – 13, Phil Fak P 10.

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Lehrkörpers betroffen.346 Nachdem im Laufe des Sommers erste Entlassungen vollzogen worden waren, bekundete der Dekan der Philosophischen Fakultät Paul Lehmann »menschliche Teilnahme an dem Schicksal der ehemaligen Kollegen […], die ihrer Wirksamkeit entrissen werden«.347 In der Fakultät hatte Müller noch keine herausgehobene Stellung, war daher in die Entlassungen nicht eingebunden.348 Offenbar aber wurde Müller als Kandidat für die anstehende Neubesetzung des Rektorenamtes erwogen, doch sagte er unter Verweis auf seine Gesundheit vorsorglich ab. Er erwarte ein ärztliches Gutachten, so Müller an den Rektor, welches derart ausfalle, dass »ich bitten muß, von meiner Person sowohl bei der Kandidatur für das Rektorat als auch bei der Vertretung unserer Universität beim Verband d. dt. Hochschulen vollständig unter den gegenwärtigen Umständen abzusehen.«349 Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal lehnte Müller die Übernahme von Aufgaben oder Ämtern unter Verweis auf seine körperliche Labilität ab. Vor allem bezüglich späterer Absenzen bei Auftritten der nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft ist Müllers gelegentlich passgenauen Erkrankungen auch eine strategische Absicht zugeschrieben worden.350 Es wird zu zeigen sein, dass Müller Ämter bevorzugte, die die angestrebte »Vermittlerrolle« ermöglichten, eine allzu enge Einbindung in die Administration des NS-Staates jedoch vermieden. Auch die bereits bewiesene Unwilligkeit, München zu verlassen, ist als Aspekt ebenso zu bedenken wie seine tatsächliche gesundheitliche Anfälligkeit. Dass Müller Pro und Kontra solcher Einbindungen sehr wohl abwog, verdeutlicht die Mitteilung an seinen Heidelberger Kollegen Willy Andreas. Er sei, so Müller, mit »Zustimmung des braunen Hauses, als Rektor für das kommende Jahr in Aussicht genommen worden«, habe wegen seiner Gesundheit aber absagen müssen, mit »einem lachenden u. einem weinenden Auge.«351 Offenbar lockte die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen auf die zukünftige Gestalt der Universität. Ein weniger forderndes Amt, das der angestrebten Rolle entsprach, nahm Müller daher an und ließ sich als »Hochschul-Obmann« des NS-Lehrerbundes für die Uni-

346 H. Böhm, Selbstverwaltung, S. 105 – 135, Zitat S. 130. Neben dieser Darstellung liegt keine monographische Bearbeitung der Geschichte der Münchner Universität in der NS-Zeit vor, viele Aspekte werden jedoch behandelt in zwei Bänden: E. Kraus (Hg.), Universität München. 347 Protokoll über die Sitzung der weiteren Fakultät, 29. 7. 1933, UAM, O-III-8. 348 Als geschäftsführender Sekretär der Historischen Kommission hingegen war Müller für die Umsetzung bezüglich der Kommissionsmitarbeiter zuständig, vgl. hierzu Kapitel 5.2.2. 349 Vgl. den Briefentwurf Müllers an den Rektor, 28. 5. 1933, BayHStA, NL von Müller 394. Jedoch wurde Müller zum Vertreter im Hochschulverband gewählt, vgl. H. Böhm, Selbstverwaltung, S. 152. Das ärztliche Gutachten stellte eine »übermässige Erregbarkeit des Herzens« fest, vgl. Friedrich Müller »Ärztlicher Bericht«, 29. 5. 1933, BayHStA, NL von Müller 1. 350 Heiber, Frank, S. 711; Schulze, Historiker, Syndikus und Akademiepräsident, S. 293. 351 Müller an Andreas, 12. 8. 1933, HiKo, NL Willy Andreas (NL 1), Band 3. 1938 zählte Müller erneut zu den für das Rektorenamt erwogenen Kandidaten, vgl. Heiber, Universität, S. 214.

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versität München einsetzen.352 Die Obmänner dienten, während »nationalsozialistische Fachleute noch nicht in genügender Zahl zur Verfügung standen«, als »fachkundige Berater in personellen und sachlichen Angelegenheiten.«353 Beratungsbedarf bestand vor allem bei der angestrebten politischen Umgestaltung der Münchner Universität im nationalsozialistischen Sinne. In einen hierfür Anfang Juni 1933 gebildeten Ausschuss wurde auch Müller berufen.354 Nicht zuletzt die stark nationalsozialistisch orientierte Studentenschaft drängte auf Veränderungen, für die wesentlich von ihren Vorstellungen geprägten »Vorschläge zur Universitätsreform« vom August 1933 zeichneten mit dem Kunsthistoriker Wilhelm Pinder und Müller aber auch zwei ordentliche Professoren verantwortlich. Das Memorandum betonte zuvorderst die grundlegende Bindung der Universität und ihrer Angehörigen an den NSStaat, politische Erziehung bedeute »Erziehung zur Nation, zum Volke, zur Gemeinschaft und zum Rassegedanken, heisst Auslese zum Führertum«. Kein Platz hingegen sei für Dozenten, die »diesen Voraussetzungen rasse- und empfindungsmässig nicht nachkommen« könnten.355 Gelegenheit für ein Resümee der Entwicklungen der letzten Monate, vor allem aber für einen Ausblick auf das nun notwendig Erscheinende bot das Stiftungsfest der Universität im Juni 1933, dessen Ansprache Müller übernahm. Von den Veränderungen, die »unser deutsches Volk jetzt in einem heroischen Ansturm« unternehme, seien die Universitäten besonders betroffen, weil »ihre Wurzeln im geschichtlichen Boden unseres Volkes besonders tief und verzweigt sind«. Müller betonte die universitären Traditionen, denen sich nun die »Sturmfahnen des Dritten Reiches, der nationalen und sozialen Revolution« zugesellten. Die begonnene Umgestaltung der Hochschulen habe, so Müller, historische Vorbilder, nun werde die Universität »organisatorisch und geistig straffer in einen straffen, zugleich nationalen und sozialen Staat eingefügt«. Auch in den Wissenschaften selbst sah Müller ein Streben nach Straffung, anstelle der fortschreitenden »Zersplitterung« die »Sehnsucht nach einer neuen Zusammenfassung aus einem inneren Mittelpunkt heraus.« Direkt wandte sich Müller an die Studentenschaft, diese wolle im »Universitätsdasein selbst Lebensnähe«, sie wolle »körperliche, sittliche, soldatische Gegengewichte gegen allzu viele Theorie.« Verbindendes Element sei das »neue Gefühl der Volksgemeinschaft«, eine Wissenschaft aus dem und

352 Erich Seidl (Leiter Fachschaft Hochschullehrer u. Wissenschaftler im NS-Lehrerbund) an Müller, 6. 7. 1933, BayHStA, NL von Müller 394. 353 H. Böhm, Selbstverwaltung, S. 192. 354 Ebd., S. 100 – 105. Zur Konzeption und Praxis der »politischen Universität« des Hamburger Historikers Gustav Adolf Rein vgl. Goede, Rein, S. 52 – 172. 355 Des Weiteren enthielt der Vorschlag u. a. Ausführungen zu Studieninhalten u. zur Gestaltung des Lehrbetriebes, vgl. Vorschläge zur Universitätsreform o.D., BayHStA, NL von Müller 394.

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für das Volk schwebe ihm vor, eine »überindividuelle Gewissenspflicht des Forschenden vor seinem Volk.«356 Mit diesen Prämissen versuchte sich Müller nicht zuletzt an der Beantwortung der dringlichen und zugleich offenen Frage, wie »nationalsozialistische Wissenschaft« zu fassen sei.357 Deutlich profilierte sich Müller als Verfechter einer nationalsozialistischen Universität, doch er beließ es nicht dabei. Zwar richte sich der »Hauptangriff« auf dem Gebiet der Wissenschaft gegen den die Universitäten prägenden Liberalismus des 19. Jahrhunderts, doch »Gerechtigkeit und Vernunft gebieten zu sagen, daß diese Gestalt der deutschen Universität« eine der »bedeutendsten und fruchtbarsten gewesen ist, mit Vorzügen und Stärken«. Seine Begründung für eine Umgestaltung ergänzte Müller mit einer vorsichtigen Apologie des Bestehenden, baute der noch mehrheitlich traditionell geprägten Dozentenschaft Brücken in die angestrebte nationalsozialistische Wissenschaft: »Nationaler Volksstaat und Wissenschaft aber sind keine Gegensätze. Liebe zur Wahrheit und Liebe zum eigenen Volk schließen sich gegenseitig nicht aus.«358 Begeisterung für seinen Vortrag erntete Müller vor allem in seiner Schülerschaft, Walter Frank hielt ihn »für das Beste und Tiefste was von den Universitäten her in dieser Krise nicht nur der Universitäten sondern der Bildung überhaupt gesagt werden konnte und gesagt worden ist«.359 Auch Theodor Schieder versicherte, wenige Tage nach Einreichung seiner von Müller betreuten Dissertation, unter den Äußerungen zur Hochschulfrage sei ihm Müllers »Ansprache, da sie zugleich der Vergangenheit und den neuen Anforderungen zukünftigen Hochschullebens gerecht zu werden vermochte, am wertvollsten geblieben.« Für den Nachwuchs habe es eine besondere Bedeutung, wenn »wir im Kreise unserer älteren Lehrer Verständnis und freudiges Mitgehen verspüren.«360 Schließlich dankte mit Rudolf Heß auch einer der frühesten Schüler für den Aufsatz, ein Exemplar habe er »wunschgemäss dem Führer zugeleitet.«361 Offenbar hatte Müller einen Nerv getroffen, die nationalsozialistische Universitätspolitik bedurfte einer argumentativen Legitimation ebenso wie einer anschlussfähigen Rückbindung an wirkmächtige universitäre Traditionen. Rasch wurde die Bildungspolitik zu einem Schwerpunkt nationalsozialistischen Gestaltungsanspruches, bald begann der NS356 Die Rede wurde im Dezember 1933 veröffentlicht, vgl. Müller, Gegenwärtige Lage der Universität (1933), S. 413, 419, 421, 423. 357 Müller benannte vier der von Michael Grüttner zusammengefassten Aspekte »nationalsozialistischer Wissenschaft« – Vorrecht des NS-Staates, Ganzheitlichkeit, Lebensnähe der Wissenschaft, Volk als zentrale Kategorie – den Rassenbegriff und die Verneinung internationaler Wissenschaft hingegen nicht, vgl. Grüttner, Universitäten, S. 94 – 96. Zur Umwidmung wissenschaftlicher Traditionen vgl. Hausmann, Geisteswissenschaften, S. 55 – 77, zu Müller S. 66. 358 Müller, Gegenwärtige Lage der Universität (1933), S. 417 u. 421. 359 Frank an Müller, 18. 12. 1933, BayHStA, NL von Müller 479. 360 Schieder an Müller, 8. 12. 1933, BArch, NL Theodor Schieder 1244. 361 Heß an Müller, 13. 1. 1934, BayHStA, NL von Müller 479.

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Staat, seine Macht auch mit gezielter Bildungs- und Erziehungspolitik zu festigen.362 Im Sommer 1933 beleuchtete Müller zudem auf einer Tagung zur »Erziehung im nationalsozialistischen Staat« in einem geschichtlichen Überblick die »Schattenseiten des deutschen Nationalcharakters«, die »ohne falsche Scham im Unterricht historisch« erläutert werden sollten.363 Die Verbindung von ersehnter »Volksgemeinschaft« und entsprechend orientierter Erziehung hatte Müller als Wirkungsfeld für sich entdeckt, durchaus anknüpfend an sein früheres Engagement in der Volksbildung.364 Die äußere Machtergreifung sollte durch eine innere komplettiert werden. Für Müllers Beiträge dankend, formulierte der bayerische Ministerpräsident: »Der nationale Umschwung hat mit manchem Erbübel der Deutschen nach außen aufgeräumt; dem nationalsozialistischen Geist wird es auch gelingen, das deutsche Volk innerlich von seinen Erbübeln freizumachen.«365 Alle Erziehung, so Müller im Frühjahr 1934, sei keine »persönliche, private Angelegenheit«, sondern »vor allem andern eine Aufgabe der Gesamtheit: unlösbar eingebettet in das Schicksal von Volk und Staat. Die nationalsozialistische Bewegung trat mit vollem Bewußtsein von dieser Totalität in den Kampf ein«. Selten hat Müller deutlicher dem totalen Anspruch des NS-Staates den Vorrang vor individuellen Wünschen eingeräumt, der Nationalsozialismus erfülle »die tiefe Sehnsucht nach einem Ideal, das jeder im Herzen tragen kann, nach einer wirklichen Volkwerdung«.366 Ein Ideal, das Müller seit dem August 1914 erstrebt hatte. Doch war Müllers Mitwirkung mit der Anpreisung einer nationalsozialistisch geformten, universitären »Volksgemeinschaft« nicht beendet, seine eigentliche Rolle galt es erst zu entwickeln. Im Herbst 1933 stand das erste unter nationalsozialistischer Ägide vorbereitete Semester an, Müller hatte »als doppelseitiger Vertrauensmann zwischen Regierung u. Universität zu verhandeln«.367 Der neue Rektor Karl Escherich war bereits vom Kultusminister eingesetzt worden, mit den Ende August erlassenen Vorschriften zur »Vereinfachung der Hochschulverwaltung« wurde auch an der Münchner Uni362 Einführend in den entsprechenden Band des »Handbuchs der deutschen Bildungsgeschichte« vgl. Langewiesche/Tenorth, Bildung, S. 20 sowie Horn/Link (Hg.), Erziehungsverhältnisse. 363 Vgl. den Bericht der Vossischen Zeitung: »Erziehung im neuen Staat«, S. 3. Müllers Beitrag war deutlich an seinen Ansichten der ersten Hälfte der 1920er Jahre orientiert, vgl. Müller, Deutsche Tugenden – deutsche Erbübel (1933). 364 Mit dem einflussreichen Pädagogen Georg Kerschensteiner war Müller noch vor dem Ersten Weltkrieg in Verbindung getreten, vgl. Müller an Kerschensteiner, 14. 7. 1913, Monacensia, NL Georg Kerschensteiner, GK B 680. Mitte der 1920er Jahre wurde Müller stellvertretender Vorsitzender des von Kerschensteiner geführten Bayerischen Volksbildungsverbandes, gab zudem dessen Zeitschrift »Deutsche Volksbildung« mit heraus. Zu den Kontinuitäten in Müllers bildungspolitischen Vorstellungen vgl. Müller, Volksbildung und Volksgemeinschaft (1931). 365 Siebert an Müller, 22. 12. 1933, BayHStA, NL von Müller 479. 366 Müller, Volkserziehung und Volksgemeinschaft (1934), S. 154 f. 367 Müller an Willy Andreas, 12. 8. 1933, HiKo, NL Willy Andreas (NL 1), Band 3.

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versität auf das »Führerprinzip« umgestellt, die Wahlen der Dekane wurden gestoppt.368 Der »Rektor als Führer« ernannte nun die Dekane, für die »Philosophische Fakultät I. Sektion« den allerdings von der Fakultät zuvor bereits gewählten Müller.369 Im gleichzeitigen Vertrauen von Kollegenschaft und Universitätsleitung ist die zukünftige Stellung Müllers ablesbar, vermittelnd und moderierend, als »doppelseitiger Vertrauensmann« verfolgte er das unmissverständlich formulierte Ziel – eine an nationalsozialistischen Prämissen orientierte Universität, eine »Volksgemeinschaft« der Wissenschaft und Bildung. Erneut aber scheute er die Übernahme eines Amtes, das ihn auf eine der beiden Seiten festgelegt, ihn aus der Rolle des Vermittlers in die des »Führers« versetzt hätte. Als stellvertretender Rektor der Universität München mochte Müller nicht amtieren.370 Als Dekan war Müller nun fast zwei Jahre mit allen Angelegenheiten der Fakultät befasst, nicht zuletzt standen in Folge der seit dem Sommer 1933 vorgenommenen Entlassungen eine Reihe von Berufungsverfahren an.371 Vor allem aber galt es für Müller, die beschworene universitäre Gemeinschaft auch angesichts konkurrierender Ansprüche in die Tat umzusetzen, den geteilten Loyalitäten zu entsprechen. Ihre erste diesbezügliche Belastungsprobe wurde der Philosophischen Fakultät durch den nationalsozialistischen Nachwuchshistoriker Wilhelm von Kloeber beschert, der noch vor Müllers Amtsantritt einen Lehrauftrag für neueste Geschichte, vorwiegend die Geschichte der NSDAP, erhalten hatte. Bereits Kloebers Promotion im Sommer 1931 hatte für wenig Freude gesorgt, Müller wies in seinem Gutachten dezidiert darauf hin, dass er die mangelhafte Arbeit keineswegs betreut, sondern nur das Thema gestellt habe.372 Zwei Jahre darauf sah sich die Fakultät mit einem Beschluss des Ministeriums konfrontiert, den nicht habilitierten Kloeber als Lehrenden aufzunehmen.373 Ohne Frage war damit eines der wesentlichen Vorrechte der Institution berührt, als Verfahren bildete die Habilitation für die Fakultät gleichsam die Schranke zwischen Außen- und Innenwelt. Ein Verzicht auf dieses Recht zur Auswahl möglicher »Kollegen« wog schwer, rundheraus ablehnen konnte man den ministeriellen Beschluss zugleich nicht. Die Fakultät akzeptierte Kloeber vorerst, verwies aber auf die noch zu erbringenden Habilitationsleistungen, deren Bedeutung der noch amtierende Dekan Paul 368 H. Böhm, Selbstverwaltung, S. 155 – 158. 369 Rektor UM an Müller, 11. 10. 1933, BayHStA, NL von Müller 2; H. Böhm, Selbstverwaltung, S. 159. Zur nationalsozialistischen Universitätspolitik: Seier, Rektor als Führer. 370 Vgl. den handschriftlichen Briefentwurf Müllers an Rektor UM, 16. 11. 1933, BayHStA, NL von Müller 2. Als Grund gab Müller erneut gesundheitliche Probleme an. 371 Die von Müller als Dekan begleiteten Verfahren sind hier nicht aufzuführen, vgl. beispielhaft seine Rolle bei den Berufungsversuchen für den Völkerkunde-Lehrstuhl: Smolka, Völkerkunde, S. 282 – 290 u. S. 351 – 353 sowie allgemein zur Fakultät: H. Böhm, Selbstverwaltung, S. 404 – 409. 372 Gutachten Müller, 22. 7. 1931, UAM, O-Np-1931 [Kloeber Wilhelm von]. 373 Protokoll über die Sitzung der engeren Fakultät, 12. 5. 1933, UAM, O-III-8.

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Lehmann geschickt verdeutlichte: »Nur wer selbst im Kampfe erprobt ist, wird anderen ein Führer sein.«374 Doch war sich Kloeber der Unterstützung durch das Ministerium sicher, der Fakultät fehle das Verständnis für die Notwendigkeit einer Vorlesung durch einen »historisch und wissenschaftlich geschulten Nationalsozialisten«, die Formsache einer Habilitation sei sekundär.375 An Konfliktstoff mit Kloeber mangelte es weiterhin nicht, den offenbar gerechtfertigten Vorwurf des Plagiats aus einem Aufsatz Müllers suchte dieser abzumildern, es sei nicht erheblich, wohl »4 – 5, allerdings fast wörtlich übernommene, grössere Stellen.« Viel erheblicher schien Müller anderes, sein Historikerkollege Arnold Oskar Meyer solle die mit Kloeber entstandenen Missverständnisse »mit einer ganz klaren Erklärung durchhauen«, damit »nicht die ganze Fakultät in diesen Schlingen hängen bleibt.«376 Beim Stiftungsfest der Universität wenige Wochen zuvor hatte Müller sein Credo verkündet, das »neue Gefühl der Volksgemeinschaft« wende sich gegen »jede kastenmäßige Absonderung von Gebildeten und Ungebildeten, gegen jeden geistigen Hochmut einer sich abkapselnden akademischen Zunft«.377 Doch nichts anderes strebte die Fakultät an, sie wollte – ganz traditionell – über den Zugang zur akademischen Lehre nach ihren Kriterien befinden, wollte Kloeber »deutlich an das Leistungsprinzip« erinnern.378 Der Konflikt mit Kloeber sollte sich noch über Jahre erstrecken, in denen die geforderte Habilitation ebenso ausblieb wie die Fakultät weitere Versuche der Teilhabe Kloebers, so seine Teilnahme an Fakultätssitzungen, abzuwehren hatte. Es wäre jedoch falsch, darin eine Abwehr nationalsozialistischer Lehrinhalte zu sehen, die Fakultät verteidigte die ihr verbliebene institutionelle Autonomie. Auf diese konnte und mochte auch der in Reden die neue universitäre Gemeinschaft beschwörende Müller nicht verzichten. Auf vergleichbare Herausforderungen stieß die Umsetzung des vielfach eingeforderten »Führerprinzips« in der aus formal gleichberechtigten Mitgliedern bestehenden Fakultät, deren Hierarchisierung sich in einer Vielzahl von Differenzierungen nach wissenschaftlichem Rang, Bedeutung des vertretenen Faches oder persönlicher Durchsetzungsfähigkeit vollzog. Die erstrebte Klarheit der Führung konfligierte mit der Vielschichtigkeit der universitären Realität, beispielhaft bei der im Frühjahr 1935 anstehenden Nachfolge des Mediävisten Heinrich Günter. Im Grunde keineswegs ein außergewöhnlicher Konflikt, die Beurteilungen der zu erwägenden Kandidaten waren umstritten, Müller hatte sich vor allem mit seinem Kollegen Arnold Oskar Meyer auseinanderzusetzen. Formal, nach »Führerprinzip« sprach alles für den Dekan Müller, zugleich aber bekleidete Meyer als Historiker fachlich 374 375 376 377 378

Dekan Phil. Fak. Lehmann an KM, 27. 6. 1933, BayHStA, MK 39698. Kloeber an KM / Schemm v. 20. 7. 1933, UAM, O-XIV-159. Müller an Prodekan, 11. 8. 1933, ebd. Müller, Gegenwärtige Lage der Universität (1933), S. 419. A.O. Meyer an Dekan Phil. Fak., 21. 8. 1933, UAM, O-XIV-159.

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einen höheren Rang, saß auf dem wichtigeren Lehrstuhl, hatte die angeseheneren Publikationen vorgelegt.379 Bei der entscheidenden Sitzung der Berufungskommission fehlte Müller, den Vorsitz führte der Prodekan Robert Spindler. Als engagierter Nationalsozialist ließ er eine Reihe vermeintlich politisch bedenklicher Kandidaten ausschließen.380 Dagegen nun rief Meyer die Führung des Dekans Müller an, dieser solle einige der ausgeschiedenen Kandidaten zumindest verbal rehabilitieren sowie auf die bestehende Berufungsliste Einfluss nehmen.381 Müller aber wollte nicht »führen«, wollte zwischen dem politisch argumentierenden Spindler und dem wissenschaftliche Meriten betonenden Meyer nicht entscheiden, wollte im Kern seine bereits erste Erfolge zeitigende Rolle nicht aufs Spiel setzen. Bei eigener Anwesenheit, so antwortete Müller, hätte er wohl versucht, Max Buchner »auf die Liste zu bringen, sei’s auch nur ehrenhalber«.382 Im Antwortschreiben Meyers spürt man förmlich den Durchsetzungswillen und das Unverständnis, er finde »keine Erklärung dafür, daß Sie als Dekan und Führer der Universität freiwillig abdanken, in dem Sie die Liste in der durch Ihren Vertreter – ohne Ihre Ermächtigung – vorgenommenen Zusammensetzung als etwas Gegebenes hinnehmen, an dem sich nichts mehr ändern läßt. Sie schreiben selber, daß Sie […] Buchner auf die Liste gesetzt haben würden. Warum nicht auch jetzt noch? Sie haben doch das entscheidende Wort zu sprechen!« Müller könne »noch eingreifen«, könne »Weisung« geben.383 Auch Meyers Gegenspieler berief sich auf Müller in eben dieser Rolle. Er habe sich, so Spindler, beim »Führer der Fakultät, dem hochangesehenen Historiker und Parteigenossen Prof. K. A. v. Müller, die Weisungen für die Besetzungsfrage« geholt.384 Doch Müller errang seine einflussreiche Stellung im Nationalsozialismus nicht durch »Weisungen«. Als er in seiner bevorzugten und erfolgreichen Rolle als kommunikativer Problemlöser beiden Lagern nicht gerecht werden konnte, als es zwischen den Polen in der Fakultät einer Entscheidung bedurfte, zog er sich aus dem Konflikt zurück.385 Müller war ein »Übergangsdekan«386, zu unterschätzen ist dieser »Übergang« jedoch keineswegs. Die Fakultät wurde von Müller in den sich festigenden NS-Staat geleitet, politische Ansprüche und wissenschaftliche Erfordernisse wurden soweit möglich vereint – stets im Sinne des formulierten 379 380 381 382 383 384 385 386

Zu Meyer vgl. Grebing, Göttinger Historiker; Faulenbach, Meyer. Verhandlungsbericht über die Kommissionssitzung, 24. 4. 1935, UAM, O-XV-2 h, Bd. 1. Meyer an Müller, 27. 4. 1935, SUBG, NL Arnold Oskar Meyer 554/7. Müller an Meyer, 2. 5. 1935, ebd. In der Korrespondenz beider wird auch deutlich, dass Müller den Kandidaten Philipp Funk nicht abgelehnt hatte (dies unterstellt Engelhart, Funk, S. 453 f), seine Berücksichtigung aber als politisch nicht durchsetzbar annahm. Meyer an Müller, 3. 5. 1935, SUBG, NL Arnold Oskar Meyer 554/7. Entgegnung des stv. Dekans R. Spindler, 14. 5. 1935, UAM, O-XV-2 h, Bd. 1. Müller an Meyer, 4. 5. 1935, SUBG, NL Arnold Oskar Meyer 554/7. H. Böhm, Selbstverwaltung, S. 484.

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Ankunft (1928 bis 1935)

Zieles einer universitären »Volksgemeinschaft«. Für eine fortan nationalsozialistisch geprägte Philosophische Fakultät der Münchner Universität war dieser Beitrag Müllers unverzichtbar, in der Tat, nun konnten andere übernehmen. Zum Nachfolger wurde im Sommer 1935 Walther Wüst bestimmt, der auf Müllers integrativen Vorarbeiten aufbauend als Dekan zum »Führer der Fakultät« wurde.387 In der Korrespondenz beider anlässlich der Amtsübergabe wurde die sich gegenseitig bedingende Entsprechung beider Arten von Führung deutlich. Während Wüst dankte für »die umsichtige, überlegene, ja geradezu künstlerisch feinsinnige Führung der Fakultät«, gab Müller zurück: »Eine Brücke zur Jugend und damit zur Zukunft der Fakultät zu schlagen, schien mir von Anfang an die eigentliche Aufgabe meines Dekanats zu sein.«388

387 Vgl. den entsprechend betitelten Abschnitt bei Schreiber, Wüst, S. 73 – 149. 388 Wüst an Müller, 8. 8. 1935; Müller an Wüst, 10. 8. 1935, BayHStA, NL von Müller 2.

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5. Erfolg (1935 bis 1943) 5.1 Historiker für den Nationalsozialismus Die Machtergreifung der Nationalsozialisten versprach Müller, die ersehnte »Volksgemeinschaft« nun endlich erleben zu dürfen. Während langjährige Weggefährten den Preis für diese gewaltsam erzeugte Gemeinschaft zahlten, engagierte sich Müller für den entstehenden NS-Staat. Als Historiker wirkte Müller seit mehr als zwei Jahrzehnten in der deutschen Geschichtswissenschaft, eine eigentliche Zielrichtung, ein persönlicher Grund seines Strebens war bis 1933 hingegen kaum auszumachen. Als beflissener Nachwuchshistoriker ganz in den Bahnen eines traditionell orientierten Faches, als politisierter Kriegspublizist weit über den Krieg hinaus, als schriftstellerisch begabter, aber wissenschaftlich wenig profilierter Historiker mit später institutioneller Ankunft, schließlich als bayerischer Landeshistoriker – keine dieser Rollen würde für sich Müllers gesonderte Beachtung rechtfertigen. Doch nun, und jede zuvor ausgefüllte Rolle trug dazu bei, hatte Müller auch als Historiker ein Ziel – die Einbindung der Geschichtswissenschaft in den NSStaat, die »Versöhnung« traditioneller Historiographie mit den Ansprüchen des Nationalsozialismus. Keine »Gleichschaltung« der Geschichtswissenschaft, nicht ihre bloße Anpassung an vorgegebene Ideologeme, sondern die Schaffung einer politisch, institutionell und paradigmatisch geeinten »Volksgemeinschaft« der Historiker erstrebte Müller. Die Spaltung nicht zuletzt der Geschichtswissenschaft in der Kriegszieldebatte hatte seit 1916 seine Wunschvorstellungen geprägt. Der Nationalsozialismus nun gab das politische Vorbild, dem der Historiker und Wissenschaftsfunktionär Müller folgte, mit durchaus weitgefassten Angeboten der Inklusion, zugleich aber auch konsequent betriebener Exklusion. Historiographische Konjunkturen folgen oftmals politischen Entwicklungen. Fragestellungen der jeweiligen Gegenwart werden in die Vergangenheit projiziert, nicht zuletzt um Zukünftiges extrapolieren zu können. Bereits für die Zeit um 1900, auch im Zuge wilhelminischer Weltpolitik, ist eine Zunahme welt- und universalgeschichtlicher Studien festgestellt worden.1 Das Empfinden, eine in umfassender Hinsicht neue Epoche breche an, evozierte den Bedarf nach ebenso breit ausgreifenden historischen Interpretationen. Eben ein solches »Bewußtsein, eine neue Epoche zu beginnen«, war »das übergeordnete Strukturmerkmal der heterogenen nationalsozialistischen Geschichtsideologien.« Der universale Anspruch des Nationalsozialismus – 1 Hardtwig/Müller, Universalgeschichtliches Denken, S. 18 f.

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Erfolg (1935 bis 1943)

global wie auch zeitlich – ließ die »Weltgeschichte« zum einzig angemessen erscheinenden, historischen Orientierungsrahmen werden.2 Kaum erstaunen kann es daher, dass der Knaur Verlag im Frühjahr 1933 seine entstehende »Weltgeschichte« vorerst aussetzte. Niemand »von den prominenten deutschen Professoren« könne wissen, ob »er mit seiner Auffassung nicht ganz erhebliche Interessen der heutigen Staatsführung« verletze, man benötige eine »gewisse Beruhigung gerade über die historische Wertung der Vergangenheit«.3 Ein knappes Jahr darauf schien zumindest klar, welcher deutsche Historiker über die notwendigen Kompetenzen verfügte. Der Verlag bat Müller, die Herausgeberschaft der »Weltgeschichte« zu übernehmen, gemeinsam mit dem bereits engagierten Berliner Historiker Peter Richard Rohden. Der Grundplan des Werkes, so ergänzte man, stehe keineswegs bereits fest, er solle vielmehr »eine Ergänzung in Richtung auf die notwendig werdenden Bedürfnisse der Zeit« finden. Auch die Mitarbeiter seien nur vorläufig ausgewählt, auf »die seinerzeit vorgesehenen Herren Mommsen und Huizinga haben wir schon verzichtet«.4 Müller übernahm die Herausgabe des Bandes sowie zudem die Abfassung des Abschnittes zum »Imperialismus«.5 Sein erstes »Werk« als zunehmend einflussreicher Historiker im nationalsozialistischen Deutschland erforderte, nachdem die Exklusion unerwünschter Beiträger bereits der Verlag übernommen hatte, vor allem seine Fähigkeit zur Inklusion, zum Einbinden noch zweifelnder fachlicher Autoritäten. Eine Anregung des Verlages, so Müller an Johannes Haller, sei nicht unberechtigt: »Es betrifft – natürlich, werden Sie vielleicht sagen – Karl den Großen u. die Sachsen. Könnten Sie da […] nicht ganz kurz die Gründe, die heute für die Sachsen u. gegen Karl angeführt werden, positiv angeben?« Er brauche »hoffentlich nicht zu sagen, daß ich mich eigentlich schäme, mit diesen Dingen an Sie heranzutreten.«6 Neben Haller waren mit Karl Hampe und Karl Brandi weitere hochangesehene Historiker beteiligt, Müllers zuvor erworbenes Ansehen in der deutschen Geschichtswissenschaft galt als Gewähr für die Seriosität des Unternehmens. Zugleich verstand es Müller, Klippen bei nationalsozialistischen Behörden wie den Schrifttumsstellen zu erkennen und zu umschiffen: »S. 817 (München 1923) ›Erhebung‹ anstatt ›Aufstand‹.«7 Sein Vorgehen erscheint paradox, doch Rolle und Intention Müllers wären missverstanden, hielte man eines dieser beiden Engagements für den eigentlichen Kern seines Strebens, das andere 2 Vgl. entsprechend K. Fischer, Weltgeschichte, Zitat S. 184. 3 Fritz Cohn (Knaur) an Wilhelm Mommsen, 16. 5. 1933, BArch, NL Wilhelm Mommsen 48. 4 Knaur an Müller, 22. u. 29. 3. 1934, BayHStA, NL von Müller 443. Zum Ausscheiden des niederländischen Kulturhistorikers Johan Huizinga vgl. Kaudelka, Rezeption, S. 407. 5 Vgl. Müller/Rohden (Hg.), Knaurs Weltgeschichte (1935). 6 Müller an Haller, 9. 8. 1934, BArch, NL Johannes Haller 23. Zur nach 1933 mehrfach gewendeten Sichtweise auf Karl den Großen vgl. Wolnik, Mittelalter, v. a. S. 75 – 85. 7 Müller an Knaur, 23. 9. 1934, BayHStA, NL von Müller 443. Vgl. auch: Barbian, Literaturpolitik, S. 155 – 248; C. Adam, Lesen, S. 15 – 44.

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Historiker für den Nationalsozialismus

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hingegen für vorgeschoben oder »angepasst«. Es bedurfte beiderlei Einsatzes, um sich dem Ziel einer nationalsozialistischen deutschen Geschichtswissenschaft anzunähern. Auch inhaltlich wurde versucht, Traditionelles und Gegenwärtiges zu vereinen. »Knaurs Weltgeschichte« solle, so die Herausgeber im Vorwort, vor »der großen Überlieferung der deutschen Geschichtswissenschaft« bestehen, ihrem »Ruf in der Welt keine Unehre« machen. Zugleich würden in zwei vorangestellten Beiträgen mit »Raumgesichtspunkt« und »Rassestandpunkt« die »Voraussetzungen allen geschichtlichen Geschehens« geklärt, fraglos bislang keine Bestandteile der »Überlieferung«.8 Ebenso verfuhr Müller in seinem Beitrag zum »Zeitalter des Imperialismus«. Weite Teile unterschieden sich nicht von früheren Aufsätzen – auch nicht im Ressentiment: »Die Technik löste sich jetzt vollends los aus den Schranken des organischen Lebens […]. Sie ersetzte in immer größerem Umfang die lebendige Natur durch die tote, das Natürliche überhaupt durch das Künstliche«. Zugleich erfuhr die von Müller vielfach beschriebene Vorgeschichte des Weltkriegs dezidierte Anpassungen, neue »Geldmächte« seien entstanden, vielfach »waren jüdische Familien ihre wichtigsten Träger, deren Versippungen sich über die verschiedenen Länder verzweigten.«9

5.1.1 Universitäre Karriere »Ich glaube, dem ist der Gaul aus Angst nach vorn durchgebrochen.« – plastisch beschrieb Gustav Aubin, Nationalökonom und Bruder Hermann Aubins, im Mai 1933 die vermeintliche Anpassung des Hallenser Historikers Siegfried Kaehler an den Nationalsozialismus.10 Das Wirken deutscher Historiker zwischen 1933 und 1945 ist seit längerem Gegenstand einer anhaltenden Forschungskonjunktur.11 Jedoch, wenn auch kaum eine der einschlägigen Veröffentlichungen auf die gelegentliche Nennung Müllers verzichtete, die Untersuchung seiner Rolle in der deutschen Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus blieb weitgehend aus.12 Im Mittelpunkt der Debatten stan8 Vgl. das Vorwort in: Müller/Rohden (Hg.), Knaurs Weltgeschichte (1935), S. 7 f. 9 Müller, Zeitalter des Imperialismus (1935), S. 718 f, 724 sowie 739: »Weite Kreise der Völker erkannten darin vor allem ein Werk des Judentums, das die Hochfinanz vielfach beherrschte.« 10 Aubin an Fritz Hartung, 3. 5. 1933, SBB, NL Fritz Hartung 79, Mappe 4. Tatsächlich aber zählte Kaehler, nicht zuletzt als Vertrauter Hans Rothfels’, zu den gegenüber dem NS-Staat eher reserviert eingestellten deutschen Historikern, vgl. Eckel, Rothfels, u. a. S. 191 – 197. 11 Neben zwei älteren Studien (K. F. Werner, NS-Geschichtsbild; Losemann, Antike), der erwähnten Arbeit Oberkromes und beschränkt auf die letzten beiden Jahrzehnte sei beispielhaft hingewiesen auf: Schönwälder, Historiker; U. Wolf, Litteris; Schöttler (Hg.), Geschichtsschreibung; Fahlbusch, Wissenschaft; Haar, Historiker. Auf die zahlreichen biographischen Studien sowie auf universitäts- und institutionsgeschichtliche Untersuchungen, deren Gegenstand auch Historiker sind, wird im Laufe der Arbeit Bezug genommen. 12 Dies trifft nicht auf die Arbeit Schönwälders zu, deren weitgehend auf publizierte Schriften konzentrierte Arbeit sich auch auf Müllers zahlreiche Ansprachen und Vorworte stützt.

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Erfolg (1935 bis 1943)

den hingegen vor allem Historiker, die während der NS-Herrschaft allenfalls zum aufstrebenden Nachwuchs zu zählen wären oder wie Hans Rothfels nach 1933 rasch jegliche Möglichkeit zur Einflussnahme verloren. Rothfels, Theodor Schieder, Werner Conze, Karl Bosl – es waren die einflussreichen Historiker der Jahrzehnte zwischen Mitte der 1950er und 1980er Jahre, die historiographische Elite der Bundesrepublik, deren NS-Vergangenheit nun thematisiert wurde. »Gefeierte und ausgezeichnete Historiker« des nationalsozialistischen Deutschlands waren jedoch Müller oder Heinrich von Srbik13, wichtige Lehrstühle besetzten Arnold Oskar Meyer, Willy Andreas und Wilhelm Schüssler. Namen, die in den Debatten um deutsche Historiker im Nationalsozialismus seltener gefallen sind. Zu fragen, wer als einflussreichster deutscher Historiker im Nationalsozialismus zu gelten habe, scheint der Komplexität des wissenschaftlichen Feldes in keiner Weise gerecht zu werden. Doch kann eine entsprechende Abwägung zur erkenntnisfördernden Reflexion von Möglichkeiten und Begrenzungen geschichtswissenschaftlichen Wirkens unter den Bedingungen des NS-Staates beitragen. In zwei Abschnitten sollen mit der Historischen Zeitschrift als wichtigstem traditionellen Publikationsorgan und der antisemitischen »Judenforschung« als dezidiert an den Prämissen des Nationalsozialismus orientierter historiographischer Subdisziplin gleichsam die zwei Extrempunkte dieses Feldes gemustert werden. Zuvor aber ist die Universität als weiterhin wesentlichste Wirkungsstätte von Historikern in den Blick zu nehmen. Nicht zuletzt die Besetzung von Lehrstühlen kann als Indikator für die Feststellung von Rang und Ansehen in der deutschen Geschichtswissenschaft dienen, auch für die Einschätzung möglicher Kandidaten durch die nationalsozialistische Wissenschaftsverwaltung. Auch in den Fakultäten der deutschen Universitäten bestand im Frühjahr 1933 weithin Unklarheit, welchen Weg die neuen Machthaber wissenschaftspolitisch einzuschlagen gedachten. Anstehende Berufungen boten demnach reichlich Gefahren, mangels fester Kriterien waren sicher erscheinende Kandidaten kaum auszumachen. In Leipzig erwog man, nachdem im November 1932 noch profilierte Fachhistoriker wie Fritz Kern, Willy Andreas oder Hermann Aubin zur Auswahl gestanden hatte, nun – »zumal die veränderte kulturpolitische Situation Gesichtspunkte in den Vordergrund gerückt hat, die zur Zeit des ersten Vorschlages weniger bestimmend waren« – eine Berufung Oswald Spenglers. Es brauche eine »Persönlichkeit, die genügend Selbständigkeit und Unbeirrbarkeit besitzt, um über Augenblickstendenzen hinweg führend und bildend zu wirken.«14 Wenig überraschend ließ sich die Berufung Spenglers nicht verwirklichen, der Rückgriff auf diesen aber lässt die Orientierungslosigkeit der Fakultät erahnen. 13 Schönwälder, Historiker, S. 117. 14 Phil. Fak. an Sächsisches Ministerium für Volksbildung, 18. 5. 1933, UAL, Phil. Fak. B2/20:49, Bl. 31 – 37.

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Historiker für den Nationalsozialismus

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Für Müller, Inhaber des Lehrstuhls für bayerische Landesgeschichte, schlugen sich die seit der Machtergreifung erworbenen Meriten zunächst in der Ausweitung seines Lehrauftrags nieder. Im Juni 1934 stellte die Bayerische Dozentenschaft den Antrag, diesen »von dem engeren Rahmen der Bayerischen Landesgeschichte auf allgemeine deutsche Geschichte« zu erweitern. Es solle zum einen der föderalistische Gedanke geschwächt, zum anderen ein »Gegengewicht« zum Konkordatslehrstuhl wie zum deutschnationalen Arnold Oskar Meyer geschaffen werden. Auf das, immerhin auch sein seit Jahren vertretenes Lehrgebiet attackierende Ansinnen reagierte Müller sehr erfreut: »Für meine Person würde ich die Erweiterung meines amtlichen Lehrauftrages, der in der Tat eine schmale Grundlage ist, mit lebhaftem Dank begrüssen. Tatsächlich habe ich ja seit meiner Berufung regelmässig neben meinen bayerischen Vorlesungen und Uebungen auch immer über Allgemeine und Englische Geschichte sowie über Historische Politik gelesen. Ich würde deshalb bitten, gegebenenfalls meinen Lehrauftrag in einen solchen für Mittlere und Neuere Geschichte, insbesondere für Bayerische Landesgeschichte umzuwandeln.« Nachdem auch der Dozentenschaftsführer es begrüßte, dem »ausgezeichneten Historiker und glänzenden Redner« einen erweiterten Lehrbereich zu geben, wurde Müllers Professur kurzerhand umbenannt.15 Allerdings, da nicht nur eine Aufwertung Müllers, sondern auch die gleichzeitige Abwertung der landeshistorischen Ausrichtung erreicht werden sollte, in »Mittlere und Neuere Geschichte mit Berücksichtigung der Bayerischen Landesgeschichte«.16 So unwägbar und unklar, wie die Entwicklung für die deutschen Historiker noch 1933 erschienen war, so präzise lässt sich der Beginn der Institutionalisierung einer genuin nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft datieren. Am 3. Februar 1935 publizierte Walter Frank im Völkischen Beobachter seinen Angriff auf Hermann Oncken.17 In den folgenden Monaten würde Oncken seinen – den wichtigsten historischen, einst mit Leopold von Ranke besetzten – Lehrstuhl an der Berliner Universität verlieren, die Historische Reichskommission aufgelöst und als von Frank geleitetes »Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands« fortgeführt werden, schließlich auch die Herausgeberschaft der Historischen Zeitschrift wechseln.18 Müller hätte kaum enger mit den Protagonisten verbunden sein können. Den ersten Zuspruch Onckens hatte er bereits zu seiner Dissertation 1909 erhalten, gemeinsam mit Oncken dann die Dissertation Franks begutachtet, der wiederum Müller als 15 Gall (Landesführer Bayerische Dozentenschaft) an KM, 15. 6. 1934; Müller an Rektorat UM, 24. 7. 1934; Führer der Dozentenschaft UM an Rektorat UM, 31. 7. 1934, UAM, E-II-2517. 16 KM an Rektor UM, 30. 8. 1934, UAM, O-XIV-437. Vgl. zur Geschichtswissenschaft an der Münchner Universität nach 1933 auch: W. Becker, Einbruch, zu Müller u. a. S. 532 f, 545. 17 Vgl. Frank, L’Incorruptible. 18 Die Entfernung Onckens, dessen Frank den Vorwand bietende Ansprachen, auch die Reaktionen aus der Historikerschaft, sind bereits hinreichend dargestellt worden, ausführlich vgl. Heiber, Frank, S. 201 – 241. Zur Biographie vgl. Schwabe, Oncken.

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Erfolg (1935 bis 1943)

seinen eigentlichen akademischen Lehrer betrachtete. In den 1920er Jahren hatte Oncken nicht mehr zu Müllers Unterstützern gezählt, ihre politischen Vorstellungen unterschieden sich zunehmend, auch war Oncken nach dem Versagen Müllers als Autor von dessen wissenschaftlichen Qualitäten nur noch bedingt überzeugt. Jedoch wird die, von Müller nach 1945 ausdrücklich betonte Abneigung auch nicht zu überschätzen sein.19 Die gegenseitige Anerkennung als Kollege überbrückte vielfach Differenzen. Seine Glückwünsche zum sechzigsten Geburtstag Onckens 1929 ergänzte Müller mit einer für das Wahren der Form kaum notwendigen Ergänzung, er wünsche, dass »die Entfernung BerlinMünchen menschlich und fachlich so wenig eine Trennung bedeuten möge wie politisch!«20 Noch wenige Tage vor Franks Angriff dankte Oncken brieflich für einen Sonderdruck von Müllers »Zeitalter des Imperialismus« und fügte hinzu: »Heute morgen las ich Ihren Ranke Aufsatz von 1862 – gerade etwas Derartiges habe ich immer gesucht.«21 Akademische Höflichkeiten, deren reibungsloser Austausch auch zwei Jahre nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten jedoch verdeutlichte, dass Müllers Streben nach einer »geeint« in den Nationalsozialismus zu führenden Geschichtswissenschaft wenig ideologische Vorbehalte kannte. Aus Müllers Sicht konnte diese »Konsenszone« nicht breit genug sein.22 Allerdings, eben nicht um der bloßen Einigkeit willen, sondern für eine umfassende Einbindung der deutschen Historiker in den Nationalsozialismus, für eine möglichst vollständige Inklusion in die erstrebte historiographische »Volksgemeinschaft«. Wo dies nicht bzw. nicht mehr möglich erschien, wer diesem Ziel entgegenstand, wurde ausgeschlossen. Im Falle Onckens erhielt Frank daher die lobende Zustimmung Müllers, man habe »selten einen größeren und vernichtenderen Angriff geführt«.23 Als Franks Gestaltungswille und Destruktionspotential jedoch ausuferten und den Zielen Müllers entgegen standen, entzog dieser seinem Schüler die Unterstützung.24

19 Vgl. Müller, Wandel (1966), S. 236 – 238. Während des Entstehens des Bandes hatte Müller unverblümt erwogen, »meine Abneigung gegen Oncken in der Fortsetzung der Erinnerungen einmal in einem ausführlicheren Vergleich mit Erich Marcks ausströmen zu lassen«. Vgl. Müller an Frl. Dr. von Ladiges, 10. 1. 1955, BayHStA, NL von Müller 78. Schelling übernahm ohne weitere Fragen Müllers Darstellung – »Oncken, dessen schlechtes Verhältnis zu Müller während seiner Münchner Jahre allgemein bekannt war und ist« – vgl. Schelling, Müller, S. 35. 20 Müller an Oncken, 14. 11. 1929, NLA StA Oldenburg, NL Hermann Oncken, Nr. 377. 21 Oncken an Müller, 15. 1. 1935, BayHStA, NL von Müller 479. Oncken bezog sich auf: Müller, Ein unbekannter Vortrag Rankes (1935). 22 »Die Überlappung der ›volksgeschichtlichen‹ Ziele mit nationalsozialistischen Intentionen wuchs sich schnell zu einer breiten Konsenszone aus.« Vgl. Wehler, Nationalsozialismus, S. 314. 23 Dies habe ihm Müller mitgeteilt, so Frank an Heinrich von Srbik, 14. 3. 1935, BayHStA, NL von Müller 396. Frank übersandte Müller Durchschläge der diesbezüglichen Korrespondenz. 24 Vor allem bei der Berufung Ulrich Crämers nach München ab 1937, vgl. Jedlitschka, Crämer, S. 121 – 128. Zum Verhältnis Müllers zu Frank vgl. auch Abschnitt 5.1.3.

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Historiker für den Nationalsozialismus

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Noch bevor Oncken förmlich beurlaubt oder emeritiert worden war25, offerierte das 1934 eingerichtete Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung diesen angesehensten Lehrstuhl für neuere Geschichte in Deutschland.26 Selbstverständlich dem Kandidaten, den man dafür als am wünschenswertesten erachtete, doch Müller sagte dem Reichswissenschaftsminister Bernhard Rust ab: »Ich bin mir wohl bewußt, daß dies die erste geschichtliche Lehrkanzel ist, welche Deutschland zu vergeben hat, und bitte für das außerordentliche Vertrauen und die außerordentliche Ehre, die in diesem Angebot liegen, meinen tiefgefühlten und gehorsamen Dank entgegenzunehmen.« Zwei Gründe hätten ihn zu dieser Entscheidung bewogen, neben seiner empfindlichen Gesundheit glaube er »auch rein sachlich hier, wo ich mit Volkstum und Boden eng verwachsen bin, in Verhältnissen, die ich seit meiner Jugend überblicke, unserm Führer und unsrem dritten Reich nützlicher sein zu können als irgendwoanders und als wohl ein andrer hier.«27 Wie bereits beim Rektorenamt scheute Müller Stellungen, die eindeutige Positionierungen nach sich ziehen würden, diese direkte Berufung durch den NSStaat hätte seine angestrebte Mittlerrolle konterkariert. Zudem hatte Müller wenige Tage vor seiner Absage bereits vom Oldenbourg Verlag die Nachricht erreicht, dass die seit längerem zur Diskussion stehende Herausgabe der Historischen Zeitschrift durch Friedrich Meinecke ihrem Ende zustrebe. Meinecke beabsichtige, im Herbst die Schriftleitung niederzulegen, so Wilhelm Oldenbourg, er hoffe, dass Müller ihn »in dieser schwierigen, auch für die deutsche Geschichtswissenschaft entscheidenden Lage mit Rat und Tat unterstützen werden«.28 Schließlich sind auch die von Müller mitgeteilten Gründe zu würdigen, vor allem den Weggang von München hatte er zuvor bereits zu vermeiden gesucht. Zugleich nutzte Müller die im Angebot des Ministeriums offen präsentierte Wertschätzung, um eigenen Wünschen Nachdruck zu verleihen. Wahrheitswidrig behauptete er, ihm sei in München 1928 der erste geschichtliche Lehrstuhl »aus parteipolitischen Gründen« vorenthalten worden, diesen würde er nun gern einnehmen. Für die Leitung der Historischen Reichskommission schlug Müller seinen Schüler Frank vor, der sich dem »sehr wichtigen Neuaufbau dieser zentralen geschichtlichen Körperschaft Deutschlands im neuen Geist« widmen könne, er vereine »in seltener Weise die drei Eigenschaften, die dazu vor allem nötig sind: weltanschauliche Zuverlässigkeit, genaue Fachkenntnisse und organisatorische Tatkraft.«29 Frank hatte bereits den Emissär Rusts gespielt und Müller das Berliner 25 Nach einer studentischen Demonstration wurden Onckens Lehrveranstaltungen abgesagt, schließlich wurde er im März von seinem Amt entbunden, vgl. Rektor (i.V. Bieberbach) an REM, 9. 2. 1935, UAB, UK O 32 (Oncken), Band 1, Bl. 99; REM an Oncken, 21. 3. 1935, ebd., Bl. 65. 26 Vgl. zum Ministerium nun umfassend: Nagel, Hitlers Bildungsreformer. 27 Müller an Reichsminister Rust, 17. 2. 1935, BayHStA, NL von Müller 2. 28 Oldenbourg an Müller, 13. 2. 1935, BWA, Oldenbourg Verlag 244. 29 Müller an Reichsminister Rust, 17. 2. 1935, BayHStA, NL von Müller 2.

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Erfolg (1935 bis 1943)

Angebot unterbreitet. Gemeinsam mit dem Verleger Hugo Bruckmann betrieb er nun die Regelung der Nachfolge Onckens. Um für beide Eventualitäten gerüstet zu sein – einen Verbleib Müllers in München oder seinen Weggang –, hatte Bruckmann beim Wiener Heinrich von Srbik angefragt, ob dieser die Annahme einer Berufung nach München oder Berlin zusichern könne. Srbik mochte sich nicht festlegen, er sehe im Nationalsozialismus eine »in den Tiefen des Volkes wurzelnde und von vielen grossen, auch von vielen allzu jugendlichen Antrieben bestimmte Bewegung, der eine gewaltige nationale Bedeutung innewohnt, die aber auch in Manchem noch geläutert werden muss, so in ihrem Verhalten zu den christlichen Kirchen.« Auch behagte ihm nicht, dass am Anfang dieser Berufung der Angriff Franks auf Oncken stand, angesichts der Einigkeit mit Oncken in vielen wissenschaftlichen Aspekten müsse Franks »Verdammungsurteil« doch auch ihn treffen.30 Am weiteren Werben um Srbik beteiligte sich Müller gern, konnte er doch – während Frank gleichsam den Nationalsozialismus vertrat – die bevorzugte Rolle als »versöhnender« Mittler einnehmen. Auch Bruckmann versprach sich von Müllers Beteiligung Erfolg in eben dieser Hinsicht, da »Srbik Ihrem vertrauten Wort und Ihren verwandten Gefühlen williger lauschen wird als dem Aufruf Franks.«31 Doch Srbik zögerte und zauderte. Eine Absage, so Müller, wäre »sehr schmerzlich, denn wir haben für Berlin keine andre Lösung, die auch nur halb so gut wäre.«32 Schließlich aber verzichtete Srbik. Der dem wissenschaftlichen Rang nach gegebene Kandidat war nun Arnold Oskar Meyer, der in München den von Müller gewünschten »ersten« Lehrstuhl innehatte und im Herbst 1935 den Ruf an die Berliner Universität annahm.33 Dieses erste große Revirement war für Müller durchaus ertragreich verlaufen. Der gewünschte Münchner Lehrstuhl war verfügbar und auch die Herausgabe der Historischen Zeitschrift blieb greifbar nahe. Nicht zuletzt aber hatte Müller sein universitäres Profil schärfen können, schließlich hatte das Reichswissenschaftsministerium ihn als wünschenswerten Kandidaten für die Berliner Professur auserkoren. Seit 1933 spiegelten die Berufungsverfahren auch für historische Lehrstühle den kaum auflösbaren Konflikt zwischen fachlicher und politischer Präferenz wider. Für die Nachfolge des emeritierten Erich Brandenburg an der Universität Leipzig fasste der als Dekan amtierende Althistoriker Helmut Berve im Mai 1935 das Problem zusammen: »Der künftige Inhaber der Professur soll nach Möglichkeit zwei Forderungen voll genügen: er muß als Lehrer und Forscher durch Leistungen bewiesen haben, daß er den hohen Aufgaben, welche ein Lehrstuhl wie der Leipziger seinem Inhaber stellt, gewachsen ist, er muß ferner in seiner politischen Haltung und 30 Srbik an Bruckmann, 10. 2. 1935, BayHStA, NL von Müller 396. Vgl. zudem Pesditschek, Srbik; Schönwälder, Srbik. 31 Bruckmann an Müller, 26. 2. 1935, BayHStA, NL von Müller 396. 32 Müller an Bruckmann, 2. 3. 1935, ebd. 33 Zur Berliner Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus vgl. Oberkrome, Leibgardisten.

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demgemäß auch in seinem Wirken sich eindeutig zum nationalsozialistischen Staat bekennen und als ein aktiver Mitarbeiter am Aufbau des dritten Reiches sich bewähren. Gerade für das Fach der Neueren Geschichte wird die Vereinigung dieser beiden Momente eine unabdingbare Forderung sein.«34 Derartig »doppelt« profilierte Kandidaten waren jedoch, dies hatte schon das Berliner Berufungsverfahren offenbart, Mangelware. Dass Müller »kaum zu gewinnen sein« dürfte, war angesichts der Absage an Berlin auch in Leipzig früh festgehalten worden.35 Doch, so weit war Müller durch die Berufungsanfrage nun in die erste Reihe deutscher Historiker vorgerückt, konnte durch seine Nennung zumindest der Willen dokumentiert werden, einen zugleich wissenschaftlich wie politisch erstrangigen Kandidaten berufen zu wollen.36 Den formalen Usancen entsprechend, wurde ein Gutachten bei der Münchner Universität erbeten, der Prodekan Robert Spindler zeichnete Müller als politisch unzweifelhaft geeignet: »Schon Jahre vor 1933 als gesinnungstüchtiger Nationalsozialist bekannt, konnte er zur Zeit der Machtübernahme mit reinstem Gewissen in die NSDAP eintreten. Unter den hiesigen Historikern ist er der einzige, der mit innerster Ueberzeugung den grossdeutschen und volksdeutschen Gedanken vertritt.«37 Bis ins folgende Jahr hinein verblieb Müller, ohne jede Aussicht auf Realisierung, im Leipziger Berufungsverfahren an erster Stelle, mit seiner Nennung als einer der »führenden, repräsentativen Historiker der Gegenwart« gleichsam ein wissenschaftspolitischer Schutzschild.38 Allerdings forderte Müller nun auch einen seinem Engagement entsprechenden Ertrag, beklagte sich bei Frank über das deutlich höhere Einkommen Meyers. Er sage sich »manchmal mit einiger Bitterkeit, daß ich zwar sachlich die gegnerischen Hindernisse, damals und jetzt, durchbrochen habe, daß sie aber materiell ihr Ziel noch heute vollständig erreicht haben und sich ins Fäustchen lachen können.«39 Zudem verzögerte sich Meyers Wechsel nach Berlin, solange blieb Müller in unverändert dotierter Position. Im Herbst 1935 insistierte er beim zuständigen Referenten des Reichswissenschaftsministeriums Wilhelm Engel: »Ich bin zehn Jahre lang von den Regierungen des alten Systems so ›systematisch‹ unterdrückt und materiell zurückgesetzt worden, daß ich jetzt nichts mehr zuzusetzen habe.«40 Nur wenige Tage nach dieser 34 Dekan Phil. Fak. Berve an Rektor Universität Leipzig, 8. 5. 1935 sowie an REM, 9. 5. 1935, UAL, Phil. Fak. B2/20:54 Bd. 2, Bl. 11 – 17. Vgl. auch: Friedrich, Brandenburg, S. 111 – 122. 35 Niederschrift über die Sitzung der Kommission für Wiederbesetzung der ordentlichen Professur für neuere Geschichte, 2. 4. 1935, UAL, Phil. Fak. B2/20:54 Bd. 2, Bl. 2. 36 Protokoll der Besprechung über Wiederbesetzung der ordentlichen Professur für Neuere Geschichte, 21. 8. 1935, ebd., Bl. 29 – 32. 37 Senat Universität Leipzig an Rektor UM, 28. 8. 1935; Spindler an Rektor UM, 6. 9. 1935; Prorektor UM Kölbl an Senat Universität Leipzig, 12. 9. 1935, UAM, E-II-2517. 38 Dekan Phil Fak. an REM, 20. 2. 1936, UAL, Phil. Fak. B2/20:54 Bd. 2, Bl. 77 – 81. 39 Müller an Frank, 23. 4. 1935, BayHStA, NL von Müller 396. 40 Müller an Engel, 28. 10. 1935, ebd. Zu Engel vgl. Grüttner, Lexikon, S. 44. Nach dem Lehrstuhlwechsel lag Müllers Grundgehalt auf dem Niveau Gerhard Ritters, besser gestellt waren

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Beschwerde wurden die Lehrstuhlwechsel öffentlich angekündigt. Mit »besonderer Freude und Genugtuung« begrüßte die Frankfurter Zeitung, dass »der erste historische Lehrstuhl in der Hauptstadt der Bewegung« Müller übertragen werde.41 Die Münchner Umberufung war nur eine Formsache, doch ließ es sich Meyer nicht nehmen, die Umstände des Aufstieges seines designierten Nachfolgers deutlich zu machen. Zwar sei keine andere Lösung als eine Berufung Müllers möglich, vielleicht »aber könnte man die formelle Ausgestaltung des Vorschlages dahingehend vornehmen, dass, wenn lediglich wissenschaftliche Erwägungen das Wort sprächen, pari passu mit v. Müller auch Ritter-Freiburg und Andreas-Heidelberg vorgeschlagen werden könnten. Gewiss sind beide Herrn in Berlin nicht genehm, und es wäre so eine Herausforderung, sie regelrecht auf die Vorschlagsliste zu bringen.«42 Selbstredend fand Meyers Vorschlag nicht die Zustimmung der von Walther Wüst als Dekan geführten Fakultät, es gebe nur eine Persönlichkeit, welche »dank politischer wie wissenschaftlicher Eignung den Erfordernissen des Universitätslehrstuhles und der geistesgeschichtlichen Bedeutung Münchens als Hauptstadt der Bewegung« genüge. Diese sei Müller, ihn schlagen »Fakultätsausschuss wie Dekan an erster und einziger Stelle vor, indem beide ausdrücklich darauf verzichten, durch Nennung anderer, nur rein wissenschaftlich zu wertender Namen die Bedeutsamkeit der vorgeschlagenen Kandidatur irgendwie schmälern zu wollen.«43 Wie Meyer, nur mit gegensätzlicher Intention, hob auch die Dozentenschaft die politischen Gründe für Müllers Berufung hervor. Seine Vorstandschaft des Historischen Seminars bedeute: »die nationalsozialistische Geschichtsauffassung übernimmt die Führung der Geschichtswissenschaft in München.«44 Zum Sommersemester 1936 verlieh das Reichswissenschaftsministerium Müller das freigewordene Ordinariat, als Lehraufgabe sei »die Mittlere und Neuere Geschichte sowie die Bayerische Geschichte« zu vertreten.45 Erkenntlich hatte sich das Ministerium jedoch bereits zuvor gezeigt. Noch vor dem Jahreswechsel wurde Müller der »durch das Königliche Patent vom 18. Juni 1844 zur Erinnerung an den Vertrag von Verdun […] ausgesetzte und jetzt erneuerte Preis von 3.000 RM […] für hervorragende deutschgeschichtliche Werke« verliehen, in Anerkennung seines Buches »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter«.46 Auch zur »Überraschung« der Preußischen Akademie der Wissenschaften hatte das Ministerium den »1914

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Arnold Oskar Meyer, Hermann Aubin, Walter Platzhoff und Johannes Ziekursch, vgl. Cornelißen, Ritter, S. 117. Vgl. den nicht gezeichneten Beitrag »Neubesetzung historischer Lehrstühle«. Niederschrift über die Beratende Ausschusssitzung, 5. 12. 1935, UAM, O-XV-2i, Bd. 3. Dekan Phil. Fak. (über Rektor) an REM, 23. 12. 1935, ebd. (Unterstreichung im Original). Führer (Dozentenschaft UM) an Rektorat UM, 4. 1. 1936, UAM, Y-XVII-15, Bd. 4. REM an Müller, 24. 3. 1936, BayHStA, NL von Müller 2. REM an Müller, 30. 12. 1935, BBAW, PAW (1812 – 1945) II – X-18, Verdun-Preis, Bl. 20.

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verstorbenen Verdun-Preis für deutsche Geschichte wiederbelebt«47, den Müllers Doktorvater Sigmund von Riezler 1909 für seine »Geschichte Baierns« erhalten hatte.48 Offenbar war eine Neuvergabe bereits länger geplant gewesen, im Mai 1935 forderte das Ministerium bei der Preußischen Akademie die Überlieferung früherer Verleihungen an.49 Treibende Kraft war Wilhelm Engel, das Preisgeld hatte das Preußische Finanzministerium bereitgestellt. Auf die in den früheren Statuten vorgesehene »Bildung eine neungliederigen Kommission« habe man, so wurde in einer 1941 erstellten Rekonstruktion der Verleihung festgehalten, aus »etatrechtlichen Gründen« verzichtet, da der Betrag »bei Ablauf des Rechnungsjahres« verfallen wäre. Deshalb habe das Ministerium den Preis auf Engels Vorschlag – »ohne dass sonst das Gutachten eines Fachgelehrten eingeholt worden wäre« – an Müller verliehen.50 Die »etatrechtlichen Gründe« für die rasche Verleihung jedoch erscheinen vorgeschoben, hatte doch Engel bereits im November 1935 Müller eine Sonderzahlung von exakt 3.000 RM avisiert.51 Kurzerhand hatte offenbar der Referent, in Ermangelung eines preußischen Königs, den Verdun-Preis verliehen. Mit einer vielsagenden Trias gratulierte der Reichswissenschaftsminister, es sei eine »verdiente Würdigung Ihrer wissenschaftlichen Gründlichkeit, künstlerischen Gestaltungskraft und nationalpolitischen Erziehergabe«.52 Schließlich erkannte auch die DVA die Gunst der Stunde, hatte Müller den Preis doch für ein – wenn auch vor fast zehn Jahren – bei ihr erschienenes Buch erhalten. Man habe anlässlich der Preisverleihung nachdrücklich auf »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« hingewiesen und hoffe auf entsprechenden Erfolg. Zu Recht, ein halbes Jahr darauf wartete der Verlag mit der Mitteilung auf, man habe »einen Neudruck von 1000 Exemplaren veranstalten« können.53 In vielfältiger Form erntete Müller Anerkennung für die seit 1933 erwiesene Bereitschaft zur Mitwirkung, seine Berufungslaufbahn hatte lediglich die von ihm selbst gewählte Grenze gefunden. Neben bedeutenden Lehrstühlen, finanziellen Zuwendungen und verliehenen Preisen zählt zu den Gradmessern universitären Ranges jedoch vor allem eines: Schüler. Müller hatte bereits zuvor Erfolge als Lehrender verzeichnen können, im Nationalsozialismus jedoch entwickelte er eine besondere Anziehungskraft auf den wissenschaftlichen Nachwuchs. Er glaube, so gratulierte Theodor Schieder zum Verdun47 So das Akademiemitglied Hans Lietzmann an seinen Münchner Kollegen Eduard Schwartz, 25. 1. 1936, abgedruckt in: Aland (Hg.), Glanz, S. 845 f. 48 Zur Preisgeschichte wie zur Verleihung an Riezler vgl. K. Weigand, Verdun-Preis. 49 REM an PadW, 11. 5. 1935, BBAW, PAW (1812 – 1945) II – X-18, Verdun-Preis, Bl. 18. 50 PadW, Zirkular, 31. 10. 1941, ebd., Bl. 24. 51 Vgl. entsprechend den Dank Müllers an Engel, 22. 11. 1935, BayHStA, NL von Müller 396. 52 Rust (REM) an Müller, 29. 1. 1936, BayHStA, NL von Müller 2. 53 DVA an Müller, 1.2. u. 25. 7. 1936, BayHStA, NL von Müller 434. Waren zuvor kaum ein Dutzend Exemplare pro Quartal verkauft worden, schoss mit der Preisverleihung der Absatz in die Höhe, laut Verlagsabrechnungen wurden bis Jahresende fast 500 Exemplare abgesetzt.

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Preis, es sei »für alle Ihre Schüler immer eine grosse Genugtuung Ihre grossen Verdienste heute anerkannt zu sehen.«54 Im Winter 1933 war Schieder von Müller mit einer Dissertation über »Die deutsche Fortschrittspartei in Bayern und die deutsche Frage 1863 – 1871« und mit hervorragenden Noten promoviert worden, jedoch ohne eine engere wissenschaftliche Begleitung erfahren zu haben.55 Wie viele seiner Schüler band Müller auch Schieder persönlich, gleich Fritz Wagner hinderte die geschichtswissenschaftliche Distanz Schieder nicht an der Entwicklung eines – in persönlicher Hinsicht – engen Verhältnisses zum Lehrer. Müllers Fähigkeiten lagen ohnehin auf anderen, für Schieders weitere Laufbahn gleichwohl wichtigen Feldern. Seine »ostdeutschen Pläne« waren in ein »akuteres Stadium« getreten, Schieder bat Müller um einige empfehlende Zeilen, auch »etwa über meine Beschäftigung mit volkspolitischen Fragen«.56 Der gewünschte Ortswechsel gelang rasch, bereits im März 1934 konnte Schieder aus Königsberg melden: »Professor Rothfels hat mich auf Ihren Namen hin sehr liebenswürdig aufgenommen und beraten, aber wielange er hier noch in der bisherigen Form tätig sein wird, weiss kein Mensch.«57 Schieders weitere Karriere im Nationalsozialismus bedurfte nur noch gelegentlich der Unterstützung Müllers, von Schaden war diese wissenschaftliche »Abkunft« jedoch mit Sicherheit nicht. Vor allem für den Druck seiner Dissertation bat Schieder mehrfach Müller um Hilfe.58 Als Fachgutachter der nunmehr als Deutsche Forschungsgemeinschaft firmierenden Notgemeinschaft verfügte Müller über den entsprechenden Einfluss. Er betrachte, so Müller in seinem Gutachten, Schieder »als einen der hoffnungsvollsten Schüler, die ich in den letzten Jahren hatte: einen jungen Mann von außergewöhnlicher Begabung, methodisch gründlich und mit sehr klarer, ruhiger Urteilskraft.«59 Die Dissertation erschien, gefördert von der DFG, in den von Müller mit herausgegebenen »Münchener historischen Abhandlungen«.60 In seinem Dank dokumentierte Schieder den wesentlichen Aspekt seiner Bindung, der Erstling werde ihn »in seiner gesamtpolitischen Ausrichtung wie in seiner Heimatbezogenheit« Müller immer verpflichten.61 Als spätberufener Ordinarius wie als wissenschaftlich wenig 54 Schieder an Müller, 17. 2. 1936, BArch, NL Theodor Schieder 1244. 55 Entsprechend zum Verhältnis des Doktoranden Schieder zu seinem Betreuer vgl. Nonn, Schieder, S. 32 – 39. Zum Promotionsverfahren vgl. UAM, O-Np-1933/34 [Schieder Theodor]. 56 Schieder an Müller, 16. 11. 1933, BayHStA, NL von Müller 494. 57 Schieder an Müller, 26. 3. 1934, BArch, NL Theodor Schieder 1244. Zu Schieder in Königsberg vgl. Nonn, Schieder, S. 55 – 115; Eckel, Rothfels, S. 179 f sowie Haar, Königsberger. 58 Schieder an Müller, 9. 7. 1935, BayHStA, NL von Müller 494; Schieder an Müller, 10. 10. 1935, BArch, NL Theodor Schieder 1244. 59 Gutachten Fachreferent Müller, 15. 11. 1935, BArch, R 73/14283 (Schieder, Theodor). Zur DFG in den ersten Jahren des NS-Staates vgl. Mertens, DFG-Forschungsförderung, zu Müller als Betreuer mehrerer Stipendiaten S. 190. 60 Vgl. Schieder, Die kleindeutsche Partei in Bayern (1936). 61 Schieder an Müller, 25. 7. 1936, BArch, NL Theodor Schieder 1244.

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avancierter Autor band Müller seine Schülerschaft vor allem durch Ausstrahlung, weitgehende Toleranz und hilfreiche Unterstützung bei der Einwerbung von Mitteln – im Grunde ein Abbild seines ohnehin gepflegten wissenschaftlichen Habitus zwischen anerkanntem literarischen Talent, Fähigkeit zur Einbindung heterogener Kreise und nicht zu unterschätzenden institutionellen Anbindungen. »Mit Begeisterung«, erinnerte sich ein Schüler, habe er Müllers Vorlesungen gehört: »Er besaß eine brillante Darstellungsgabe, aber was er bot, war alles andere als Schaum, es war Fleisch und Substanz. […] Von Müller genoß über alle politischen und weltanschaulichen Grenzen hinweg ein hohes persönliches und ein beachtliches wissenschaftliches Ansehen.«62 Die von Franz Josef Strauß gelobte Lehrtätigkeit Müllers erfuhr seit 1933 allenfalls moderate Veränderungen. Bis Anfang der 1940er Jahre rückläufige Studierendenzahlen63 wirkten sich auch auf seine Veranstaltungen aus, wenngleich er weiterhin bemerkenswerte Hörerzahlen vorweisen konnte.64 Auch bayerische Geschichte bot Müller fortgesetzt an, hier allerdings war der Rückgang des Interesses signifikant. Bereits vor 1933 nahmen die Hörerzahlen in den »Übungen zur bayerischen Geschichte« leicht ab, von 111 Teilnehmern im Wintersemester 1930/31 auf 74 zwei Jahre darauf, im letzten in der Weimarer Republik begonnenen Wintersemester. Für einige Jahre wurde dieses Niveau gehalten, dann brach das Interesse ein. Nur 14 Teilnehmer hatte die Übung im Wintersemester 1937/38, doch unterbot das anschließende Sommersemester mit 7 Teilnehmern dies noch.65 Die Themen der anderen Veranstaltungen blieben weitgehend unverändert, neben allgemeinen Vorlesungen zur deutschen Geschichte und der seit langem angebotenen »Geschichte des britischen Weltreichs« offerierte Müller die früher unter dem Rubrum »Historische Politik« bekannten Übungen, so zu »Entwicklungsformen des modernen Sozialismus« oder passend zur Veröffentlichung das »Zeitalter des Imperialismus«. Im Sommersemester 1938, den »Anschluss« Österreichs begleitend, lehrte Müller »Die Entwicklung des großdeutschen Gedankens 1848 – 1918«, weitergehende Neuerungen blieben aus.66 62 Strauß, Erinnerungen, S. 37. Strauß studierte Ende der 1930er Jahre in München und legte bei Müller sein Staatsexamen in neuerer und neuester Geschichte ab. 63 Die Gründe hierfür liegen weitaus weniger als lange angenommen in der NS-Wissenschaftspolitik, vgl. Grüttner, Studenten, S. 101 – 109. 64 Müllers Vorlesung »Europäische Geschichte im Zeitalter Bismarcks (1850 – 1890)« im WS 1936/ 37 hatte 138 Hörer, zwei Jahre darauf »Neueste deutsche Geschichte von Bismarck bis zur Gegenwart« noch 112 Besucher, hingegen waren die zeitlich entfernteren Themen weniger gefragt, »Deutsche Geschichte auf bayerischem Boden von den Sachsenkaisern bis zur Glaubensspaltung (Reichs- und Landesgeschichte)« (SS 1937) hörten 71 Besucher, im Sommer 1938 kamen in Müllers »Deutsche Geschichte von 1795 – 1815 (Ende des alten Reiches und Wiedererhebung)« 64 Teilnehmer. Vgl. die Inskriptionslisten in: BayHStA, NL von Müller 399. 65 Vgl. die jeweiligen Inskriptionslisten, ebd. 66 Die im Nachlass vorliegenden Vorlesungsmanuskripte sind kaum geordnet und in schlechtem Zustand. Mehrfach übernahm Müller Passagen aus Veröffentlichungen, so für die Vorlesungen

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Verblieb die universitäre Lehre Müllers im weitgehend bekannten Rahmen, kann selbiges von seiner Promotionsbetreuung nicht gesagt werden. Der Aufstieg zu einem der bekanntesten und einflussreichsten Historiker Deutschlands schlug sich in einer deutlich zunehmenden Zahl von Doktoranden nieder. Bis zu anderthalb Dutzend Promovenden führte Müller pro Semester zum Abschluss, eine eigentliche Betreuung kann für die Mehrzahl der Fälle ausgeschlossen werden. Verstärkt wurde der Zulauf durch längere Vakanzen der anderen historischen Lehrstühle an der Münchner Universität, zudem betreute Müller sowohl den klassischen Themenkanon als auch zeitgebundenen Fragestellungen nachgehende Arbeiten, aber weiterhin auch Dissertationen zur bayerischen Geschichte.67 Gleichwohl wurde Müllers rasche Profilierung als Historiker für den Nationalsozialismus auch durch seine Schüler wahrgenommen, bereits zum Geburtstag im Dezember 1933 gratulierte ein Doktorand des Sommersemesters 1932 doppelbödig: »Ich bin ja überzeugt, daß Sie […] mir es am wenigsten verargen, wenn ich den neuen Dingen etwas zurückhaltender gegenüber stehe als das für einen Schüler von Ihnen eigentlich angebracht wäre.«68 Bereits wenige Wochen darauf entsprach Müller der angedeuteten Erwartung, eine Dissertation über »Friedrich Naumanns Deutscher Sozialismus« sei »von einer warmen nat.soz. Gesinnung erfüllt, aber gerecht u. mit innerem Verständnis für N.s Eigenart. Die These, daß man bei N. von einem ›deutschen Sozialismus‹ sprechen darf, der in vielem eine Vorstufe des Nat. Soz. ist, scheint mir gut belegt.«69 Die weit überwiegende Mehrzahl der Gutachten wäre vor 1933 kaum anders verfasst worden, gelegentlich jedoch brachen sich nun Müllers politische Ansichten Bahn. Vor allem kaum historisch zu nennende, gleichsam Müllers Lebenslauf entstammende Themen zogen recht persönliche Begutachtungen nach sich. Zu einer Dissertation über »Die erste Regierung der Sozialdemokratie in Deutschland und die Ereignisse in Berlin vom 9. November 1918 bis zur Nationalversammlung« bemerkte Müller : »Außerordentlich durchsichtig wird die Verbindung von innerer Unehrlichkeit und hochausgebildeter taktischer Geschicklichkeit in der Führung der SPD; das Nebeneinander von vollständiger Hilflosigkeit im Großen und meisterhafter Ausnützung der Lage im Kleinen; […] die ohnmächtige Abhängigkeit von rechts und links, die aber zunächst immer wieder ausgeglichen wird, weil auch die radikalen Gruppen unter sich zerrissen und ohne Führer sind, weil die bürgerlichen Parteien an derselben inneren Unwahrheit leiden, und weil die Reste der Fronttruppen und die ersten Freiwilligenverbände, welche zur britischen Geschichte (vgl. BayHStA, NL von Müller 310, 311, 312). Abweichende Ansichten oder Wertungen waren bei einer Durchsicht nicht feststellbar. 67 Vgl. das Verzeichnis betreuter Dissertationen im Anhang. Auf die betreuten Arbeiten zur »Judenfrage« wird im Abschnitt 5.1.3 eingegangen. 68 Werner Uhde an Müller, 18. 12. 1933, UBR, Karl Alexander von Müller, Schuber 1. 69 Gutachten Müller, 25. 2. 1934, UAM, O-Np-1933/34 [Lohmann Gertrud].

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Deutschland damals wirklich vor dem Bolschewismus gerettet haben, noch keinerlei politischen Ziele besitzen.«70 Selbst Beteiligter an den Untersuchungsgegenständen seiner Schüler, konnte Müller der Versuchung nicht widerstehen, eigene Vorlieben zu betonen. So habe der bayerische Partikularismus »auch noch andre Wurzeln als den politischen Katholizismus«, auch BVP und Zentrum »mußten doch immer wieder auch mit dem ehrlichen Nationalgefühl vieler ihrer Mitglieder rechnen.«71 Auch glich politisches Engagement nicht etwaige fachliche Mängel aus, die Autorin einer Dissertation zum »Bayerischen Separatismus der Eisnerzeit« sei »alte Pgin und war lange im hiesigen Gau tätig«, doch wissenschaftlich »ist die Arbeit keine hervorragende Leistung«.72 Neben der Vielzahl betreuter Dissertationen wurde Müller, angesichts seines wachsenden Einflusses sowohl in traditionellen als auch in nationalsozialistischen Institutionen, zu einem erfolgreichen Unterstützer der Karrieren seiner Schüler. Vor allem in paradigmatisch dem NS-Staat entsprechenden Subdisziplinen reüssierten diese, Fritz Valjavec in der Südostforschung, Wilhelm Grau und Klaus Schickert in der »Judenforschung«. Doch auch für andere Vertreter der von Müller gewünschten Orientierung konnte sein Einfluss hilfreich sein. Einen Antrag Kleo Pleyers auf einen Druckkostenzuschuss durch die DFG unterstützte Müller vor allem mit einem Hinweis auf den Antragsteller : »Ich habe schon […] ausgesprochen, daß ich Herrn Dr. Pleyer für eine ungewöhnliche Kraft unsres histr. Nachwuchses halte, u. habe deshalb seine persönliche Förderung durch die N.G. befürwortet.« Der Zuschuss wurde gewährt.73 In der Unterstützung des Nachwuchses wurde die besondere Verschränkung universitärer und außeruniversitärer Rollen Müllers deutlich, seine Möglichkeit zum Auftritt als zugleich den Usancen der Disziplin wie des NS-Staates entsprechender Historiker. Die Ausbildung einer nationalsozialistischen Elite hatte die Hochschulpolitik seit 1933 wesentlich motiviert und – neben der mit dem Vier-Jahres-Plan einsetzenden Mobilisierung wissenschaftlicher Ressourcen – durchweg zu deren Hauptfeldern gezählt.74 Jedoch ist die Auswahl, Ausbildung und Entwicklung des geschichtswissenschaftlichen Nachwuchses im Nationalsozialismus, angesichts der Fülle entsprechend geprägter Biographien, bislang erstaunlich wenig beachtet worden.75 Allerdings war die Zeitspanne, in der nationalsozialistischer Wissenschaftsnachwuchs ausgebildet werden konnte, Gutachten Müller, 21. 2. 1938, UAM, O-Np-1937/38 [Klingmann Georg]. Gutachten Müller, 15. 7. 1939, UAM, O-Np-1939 [Hilpert Friedrich]. Müller an Dekan Phil. Fak., 11. 10. 1939, UAM, O-Np-1937 [Feil Jenny]. Gutachten Fachreferent Müller, 16. 10. 1934, BArch, R 73/16196 (Pleyer, Kleo). Die »Ausbildung von qualifiziertem und dabei parteitreuem Hochschullehrernachwuchs« wurde noch 1938 als »ungelöste Aufgabe angesehen«, vgl. Seier, Hochschullehrerschaft, S. 259. 75 Auch wenn sich viele Publikationen zur Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus mit diesem Aspekt beschäftigen, steht die engere Frage des wissenschaftlichen Nachwuchses selten im Mittelpunkt der Untersuchungen. Einführend vgl. Thiel, Akademikergeneration.

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auch eng begrenzt. Im kurzen Zeitraum zwischen der Konstituierung des NSRegimes und den im Krieg rasch verknappten Ressourcen hat kaum einer der Schüler Müllers sämtliche akademischen Qualifikationsschritte absolvieren können. Entweder war die Promotion noch wesentlich vor 1933 begonnen oder die Habilitation erst nach 1945 abgeschlossen worden. Eine Ausnahme war Karl Bosl, er absolvierte alle Schritte einer Nachwuchskarriere, mithin seine »Lehrjahre«, im Nationalsozialismus.76 In der ausgehenden Weimarer Republik hatte Bosl bei Müller studiert, dann aber eine Laufbahn als Gymnasiallehrer eingeschlagen. Zugleich jedoch strebte Bosl eine wissenschaftliche Karriere an und reichte im Frühjahr 1938 bei der Philosophischen Fakultät der Münchner Universität seine von Müller betreute Dissertation zum »Nordgaukloster Kastl« ein.77 Ausgesprochen lobend begutachtete Müller die Arbeit, diese ruhe »auf einer Fülle gewissenhaft durchforschter, zum großen Teil ungedruckter Quellen; das einschlägige Schrifttum ist ausgiebig herangezogen. Die Methode ist durchaus sicher, die Darstellung klar und trotz der Stofffülle lebendig. […] Das Ganze ist eine ungewöhnlich umfassend angelegte, vielseitige und gründliche Doktorarbeit mit sehr reichen Ergebnissen.« Als Note vergab Müller »sehr gut«, gedruckt erschien Bosls Dissertation im folgenden Jahr.78 Im Dank bat Bosl seinen Doktorvater, ihm auch künftig sein »helfendes Wohlwollen« zu schenken.79 Dieser Bitte war Müller bereits gefolgt, zuvor allerdings hatte Bosl sein politisches Engagement entsprechend anzupassen. In die NSDAP war Bosl noch 1933 eingetreten, ließ jedoch in den folgenden Jahren jegliches Engagement in der Partei vermissen.80 Die Chamer Kreisleitung von NSDAP und NSLB hielt im Januar 1938 fest: »Als er im Jahre 1934 seinen Dienst- u. Wohnsitz einige Male wechselte, kümmerte er sich um seine Mitgliedschaft nicht mehr, so daß er von der Reichsleitung der NSDAP als Mitglied gestrichen werden mußte. Erst am 1. 5. 1937 hat er seine Wiederaufnahme in die Partei beantragt. […] Bosl ist ein fähiger und gutmütiger Mensch, seine Einstellung zu den Bestrebungen der NSDAP ist jedoch nicht ganz geklärt. Die Tatsache, daß er unmittelbar nach der Machtübernahme seinen Eintritt in die NSDAP vollzogen hat, bald hernach aber die Mitgliedschaft scheinbar nicht mehr für notwendig hielt, beweist dies zur Genüge.«81 76 Zur NS-Karriere Bosls vgl. M. Berg, Lehrjahre; v. a. zu Bosls Umgang mit seiner NS-Vergangenheit Kedar/Herde, Historian. Vgl. zudem Walter, Bosl sowie F. Kramer, Lehrstuhl für bayerische Landesgeschichte, S. 391 – 393. Zum weiteren wissenschaftlichen Werdegang Bosls vgl. den entsprechenden Abschnitt in: J. Schwarz (Bearb.), Konstanzer Arbeitskreis, S. 55 – 79. 77 Lebenslauf Bosl, 6. 2. 1938, UAM, O-Np-1938 [Bosl, Karl]. 78 Gutachten Müller o. D., ebd.; Bosl, Nordgaukloster Kastl. 79 Bosl an Müller, 17. 12. 1939, UBR, Karl Alexander von Müller, Schuber 1. 80 Personalakte Bosl, BArch, ehem. BDC, DS/ B 51 [Bosl, Karl]. Er wurde zudem Mitglied des NSLehrerbundes sowie der SA, letztere Mitgliedschaft endete bereits 1934 wieder. 81 Gutachten, unterzeichnet vom Kreiswalter des NSLB sowie dem Kreisleiter der NSDAP Cham, 6. 1. 1938, BArch, ehem. BDC, PK/ B 0009 [Bosl, Karl].

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Kaum zufällig leitete Bosl, der mittlerweile als Studienassessor am Gymnasium Ansbach unterrichtete, die Wiederbelebung seiner Mitgliedschaft in der NSDAP in die Wege, als seine Beamtenernennung anstand, zudem aber auch seine Karriere als von Müller geförderter Nachwuchshistoriker an Fahrt aufnehmen sollte. Im Juni 1938 waren die ausstehenden Beiträge Bosls bezahlt und damit dieser Makel getilgt.82 Kurz zuvor hatte die SS-Forschungsgemeinschaft »Das Ahnenerbe« mit ihrem Projekt »Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte« das größte, auf ein Thema konzentrierte, über »bloße Absichtserklärungen und Vorplanungen hinausgehende geisteswissenschaftliche Forschungsvorhaben« im NS-Staat initiiert.83 Auch Bosl hatte sich beworben und darauf verwiesen, dass »Herr Präsident Prof. Dr. Karl Alexander v. Müller mich ermächtigt Ihnen mitzuteilen, daß er jeder Zeit gern bereit ist über meine wissenschaftliche Fähigkeit und Eignung Auskunft zu erteilen.«84 Als Schüler konnte Bosl die sich ergänzenden Rollen Müllers gewinnbringend einsetzen – für seine universitäre Karriere wie für die außeruniversitäre Förderung durch eine nationalsozialistische Wissenschaftsinstitution. Der Verweis auf den Doktorvater sollte sich auszahlen, Walther Wüst, Nachfolger Müllers als Dekan der Philosophischen Fakultät und zugleich Präsident des »Ahnenerbe«, unterstützte die Bewerbung.85 Bosl wusste, wem er den Einstieg in die Karriere als nationalsozialistischer Historiker zu verdanken hatte, und berichtete Müller von seiner »Arbeit über die Lehens- und Holzrechte im Berchtesgadener Land, die mir auf Ihre gütige Empfehlung hin das Ahnenerbe übertrug«. Die Teilhabe an außeruniversitär organisierter, mit der nationalsozialistischen Ideologie verbundener Projektforschung wurde zum unverzichtbaren Bestandteil der Karrieren einer Reihe von Schülern Müllers, sie führe ihn, so Bosl, »mitten hinein in die aktuellen Probleme der Volksforschung.«86 Nicht zuletzt im Zweiten Weltkrieg sollte die Förderung Bosls ihre Fortsetzung finden. Jedoch war Müller nicht nur für politisch eindeutig positionierte Nachwuchshistoriker der gegebene Ansprechpartner, weiterhin band er ein breites Spektrum von Schülern an sich. So konnte Johann Albrecht von Reiswitz, spezialisiert auf die Geschichte des Balkans, bei Müller seine Habilitation fortsetzen, nachdem ihm mit Hermann Oncken und Otto Hoetzsch beide Betreuer durch Maßnahmen des NS-Staates genommen worden waren.87 Offen thematisierte Müller den Vorgang, nachdem Reiswitz »seine Habilitation in 82 83 84 85

NSDAP Mitgliedschaftsamt an Gauschatzmeister Gau Bayerische Ostmark, 14. 6. 1938, ebd. Vgl. ausführlich Rusinek, Forschungsprojekt, Zitat S. 271 sowie Kater, »Ahnenerbe«. Bosl an Reichsgeschäftsführer »Ahnenerbe«, 13. 10. 1938, BArch, NS 21/ 336. Forschungswerk »Wald und Baum«, Protokoll der ersten Ausschußsitzung, 21. 10. 1938, BArch, NS 21/ 566; Zusage Wüsts an Bosl, 21. 10. 1938, BArch, NS 21/ 336. 86 Bosl an Müller, 17. 12. 1939, UBR, Karl Alexander von Müller, Schuber 1. 87 Lebenslauf Reiswitz o. D, UAM, O-VII-271. Der Osteuropahistoriker Hoetzsch war 1935 zwangsweise emeritiert worden, vgl. Bott, Resistenz, hier S. 148.

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Berlin eingeleitet hatte, seien die Referenten für seine Arbeit entpflichtet worden.« Müller erschiene es »natürlich, diesen Balkanforscher in München zu habilitieren, wo durch den Lehrstuhl für Byzantinistik eine Hinwendung nach dem Südosten gegeben sei.«88 Der integrative Ansatz Müllers erwies sich beim »Südost-Experten« Reiswitz auch für den NS-Staat von Vorteil, als Referent beim deutschen Militärbefehlshaber in Serbien sollte Reiswitz während des Krieges mit dem SS-»Ahnenerbe« im »Kunst- und Denkmalsschutz« zusammenarbeiten.89 Auch Fritz Wagner, Müllers engster Schüler während der NS-Zeit, konnte sich der Unterstützung sowohl bei der Förderung durch die DFG als auch in seinem Habilitationsvorhaben gewiss sein.90 Beides vorrangig, aber nicht ausschließlich wissenschaftliches Terrain, denn spätestens für die beantragte Dozentur benötigte Wagner nicht nur die Zustimmung wissenschaftlicher Institutionen, sondern auch der Administration des NS-Staates. Im Dezember 1934 hatte das Reichswissenschaftsministerium die für den wissenschaftlichen Nachwuchs im Nationalsozialismus folgenreichste Maßnahme verkündet, nun genügte die an einer Universität absolvierte Habilitation nicht mehr, um lehren zu dürfen. Nach den erlassenen Bestimmungen war »die Habilitation nur die Voraussetzung für eine Bewerbung um die Lehrberechtigung.« Fortan galt die Habilitation lediglich als akademischer Grad, über die Erteilung der Lehrerlaubnis entschied das Reichswissenschaftsministerium.91 Den Universitäten war somit die Auswahl ihres Lehrnachwuchses wesentlich entzogen, der wissenschaftliche Nachwuchs sah sich gezwungen, zusätzlich zur wissenschaftlichen Qualifikation auch den Ansprüchen des NS-Staates an seine zukünftige Elite zu entsprechen.92 Zugleich trug der Nationalsozialismus Sorge dafür, dass seine stetig steigende Nachfrage nach wissenschaftlichem Wissen auch zukünftig gestillt werden würde. Im Willen, eine selbst ausgebildete Wissenschaftselite zu fördern und bereits etablierte, dem Nationalsozialismus vermeintlich weniger verpflichtete Ordinarien langfristig abzulösen, förderte der NS-Staat den wissenschaftlichen Nachwuchs auch finanziell.93 88 Protokoll über die Sitzung des Fakultätsausschusses, 12. 6. 1936, UAM, O-III-10. 89 Vgl. Berichte Reiswitz an Walther Wüst, 14. 11. 1941; an Reichsführer »Ahnenerbe« Wolfram Sievers, 19.4. u. 27. 5. 1942, 31. 1. 1945, BArch, ehem. BDC, DS/ G 131 [Reiswitz J.A. v.]. 90 Mit Müllers Hilfe und Begutachtung erhielt Wagner für seine Habilitation eine Reisebeihilfe und einen Druckkostenzuschuss, vgl. Gutachten Müller, 22. 12. 1933, BArch, R 73/15447 (Wagner, Fritz). Der Fachausschussvorsitzende Albert Brackmann hielt Wagners Antrag für dürftig, befürwortete ihn aber angesichts Müllers Empfehlung, Gutachten Brackmann, 31. 12. 1933, ebd. 91 Vgl. die am 13. 12. 1934 erlassene »Reichs-Habilitations-Ordnung«, abgedruckt im Amtsblatt des Ministeriums, auch ein Lehrgang im Dozentenlager wurde obligatorisch. 1939 wurde eine überarbeitete Anordnung erlassen, vgl. Senger (Hg.), Reichs-Habilitations-Ordnung. 92 Vgl. allgemein Neumeier, Habilitanden sowie einige Angaben zu historischen Habilitationen bei Lerchenmueller, Geschichte. 93 Vor allem das im Februar 1939 erlassene »Gesetz über die Besoldung der Hochschullehrer« sorgte »beim wissenschaftlichen Nachwuchs für eine spürbare Verbesserung seiner materiellen Lage.« Vgl. Nagel, Hitlers Bildungsreformer, S. 261 sowie Pöppinghege, Leistungselite, S. 70.

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Fritz Wagner aber wollte der NSDAP trotz Aufforderung nicht beitreten, als Schüler Müllers erhielt er die Dozentur trotzdem. Allerdings trat Müller hierfür auf allen Ebenen als Unterstützer auf, gegenüber der Fakultät befürwortete er Wagners Antrag »aufs wärmste«, auch Wagner selbst verwies in seiner Bewerbung um eine Dozentur auf das »Schreiben meines verehrten langjährigen Lehrers«.94 Schließlich wurde Müllers Unterstützung auch dem Rektorat für die Beantragung beim Reichswissenschaftsministerium mitgeteilt und die Dozentur verliehen95, doch blieb Wagners politisches Bekenntnis weiterhin Thema. Wenige Wochen nach der Verleihung berichtete der Dekan Wüst an den Münchner Rektor, Wagner solle geäußert haben, dass »sein Eintritt in die Partei solange nicht in Frage komme, als die Stellung der NSDAP zum Christentum nicht völlig geklärt sei.« Bald wurde erneut ein Gespräch mit Wagner geführt, der nun seinen Willen zum Parteieintritt bekundete, dies werde »aber noch lange Zeit in Anspruch nehmen«. Wagners Ideal sei, als »Dozent im christlichen Sinne an den Aufgaben des nationalsozialistischen Staates mitzuarbeiten.«96 Der Eintritt in die NSDAP blieb aus, als Schüler Müllers konnte Wagner seine Karriere im nationalsozialistischen Deutschland trotzdem ungehindert fortsetzen. Dankbar schrieb Wagner, was Müller »uns Jungen« gebe, sei nicht »bloss das Vorbild der wissenschaftlichen Leistung, sondern hinter dem wissenschaftlichen Ethos der ganze Mensch, mit vollem warmen Herzen und einem von tiefer Erfahrung durchseelten Geist.«97 Enge, vertraute Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern sind wissenschaftshistorisch wohl eher die Regel denn eine Ausnahme. Die deutsche Geschichtswissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts war in besonderem Maße geprägt durch eine gleichsam genealogische Abfolge von Lehrer-Schüler-Bindungen.98 Traditioneller orientierte und explizit nationalsozialistisch motivierte Schüler verband Müller als akademischer Lehrer. Die Ausbildung einer vielfältigen Schülerschaft, die im NS-Staat wirkte, zählte zu seinen wichtigsten Beiträgen als Historiker für den Nationalsozialismus. Denn es bleibt zu betonen: Das Streben Müllers galt nicht der bloßen Einigkeit. Eine Beschwerde Karl Brandis über eine verständnislose Besprechung von Günther Franz – »Mir tut diese Generation wirklich leid, die jeden Tag das Bedürfnis hat ihre Gesinnungstüchtigkeit feierlich zu dokumentieren« – beantwortete Müller entsprechend unmissverständlich. Brandi habe zwar recht in dem, was er »über die ständige feierliche Dokumentierung der Gesinnungstüchtigkeit« sage, jedoch »völlig unrecht, wenn Sie meinen, daß Ihr Buch den jungen Gelehrten oder gar der jungen Generation überhaupt nichts mehr zu sagen habe. Wer heute auf dem 94 95 96 97 98

Müller, 14. 2. 1938; Wagner an Dekan Phil. Fak., 17. 2. 1938, UAM, O-VII-354. Dekan Wüst an Rektor UM, 29. 12. 1938; KM an Rektor UM, 29. 3. 1939, ebd. Dekan Wüst an Rektor UM, 9. 6. 1939; Aktenvermerk, 28. 7. 1939, ebd. Wagner an Müller, 15. 2. 1939, UBR, Karl Alexander von Müller, Schuber 1. Wolfgang Weber hat diese »Erblinien« umfassend nachgezeichnet, vgl. W. Weber, Priester.

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Katheder steht und keine Büffelhaut hat, fühlt jeden Tag, was in den Herzen der geistigen Jugend vorgeht.«99 Müller wollte teilhaben am NS-Staat, sein Engagement für eine möglichst umfassende Einbindung der Geschichtswissenschaft in den Nationalsozialismus sollte diesem zum Vorteil gereichen. Als Repräsentant wissenschaftlicher Traditionen, als renommierter Universitätshistoriker konnte Müller wirkmächtig werben, nicht zuletzt mit seinem vermeintlich frühen Wissen um den einzuschlagenden Weg. In einem schlicht mit »Der Führer« betitelten Beitrag griff Müller seinen im März 1922 gehaltenen Vortrag »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« auf und erinnerte: »Wir Historiker, die nicht allzuvielen, welche sich damals nicht auf den Boden der neuen Tatsachen stellten […], wir fragten uns damals, schon in den ersten Jahren nach dem Kriege, welche Voraussetzungen zu einer Wiedererhebung notwendig seien«. Er habe damals vier Thesen aufgestellt: Deutschland brauche ein neues Ideal, einen wehrhaften Staat, eine neue soziale Ordnung und einen »überragenden Führer« – nun konnte Müller seine politische »Prophetie« der frühen 1920er Jahre mit der Gegenwart vergleichen und gleichsam sich selbst wie dem Nationalsozialismus das Eintreffen attestieren. Jetzt sei zum ersten Mal der »Wille zur gemeinsamen Volkswerdung und zu einem einheitlichen starken Volksstaat von unten herauf, aus den Tiefen des Volkstums, der deutschen Rasse selbst, aufgestiegen.«100 Seine Begeisterung für Hitler konnte Müller kaum bremsen, in einem lyrischen Brief an Elsa Bruckmann schwärmte er vom gemeinsamen »Bund«, wieviele »unvergessliche Eindrücke meines Lebens habe ich ihm, habe ich Ihnen ganz persönlich zu verdanken – ich nenne in dieser Stunde einzig und allein den Führer.«101 Für dessen Staat wollte Müller sich gern zur Verfügung stellen, keineswegs ließ sich Müller »engagieren«. Nur zwei Tage vor seinem bekenntnishaften Brief an Bruckmann hatte Müller zwar gehofft, eine Festrede für die Jahreshauptversammlung der Deutschen Akademie, die »mir eben noch aufgehängt werden soll, noch einem andern weiterzugeben.«102 Der tatsächlich gehaltenen Rede war dieser Unwillen nicht anzumerken, wie in seiner Eloge auf den »Führer« deutete Müller den Nationalsozialismus im Vergleich zur Desorientierung, zur Düsternis zuvor. Im Titel »Probleme des Zweiten Reiches im Lichte des Dritten« waren die Zuschreibungen des Dunklen und Hellen bereits eingewoben, allerdings

99 Brandi an Müller, 8. 4. 1940; Müller an Brandi, 14. 4. 1940, SUBG, NL Karl Brandi 1, Nr. 748/749. 100 Müller, Der Führer (1934), S. 25 f u. 27. Im Juni 1934, als der »Führer«-Beitrag erschien, erhielt Müller zudem ein Dankschreiben – »Der Führer lässt Ihnen für Ihre Zeilen […] sowie für das übersandte Blatt seinen besten Dank aussprechen.« – ob für diesen Artikel, muss offen bleiben, vgl. Adolf Hitler Kanzlei an Müller, 4. 6. 1934, BayHStA, NL von Müller 479. 101 Müller an Bruckmann, 22. 2. 1935, BSB, Bruckmanniana I. Müller, Karl Alexander von. 102 Müller an Herbert Steiner, 20. 2. 1935, DLA, A:Steiner8Corona.

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war der Kontrast erst für den Druck hinzugefügt worden, eingeladen wurde zum Festvortrag »Probleme des Zweiten Reiches«.103 In der gedruckten Broschüre verwies Müller erneut auf seine Veröffentlichungen aus den 1920er Jahren, gesammelt in »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter«. Seine Altersgenossen und er, setzte Müller ein, seien »Angehörige zweier deutscher Reiche – Angehörige zweier Welten«, die sich »heute mit vollem Bewußtsein, mit Stolz und Hingabe zum dritten Reich, zum Reich Adolf Hitlers, bekennen, weil wir einst Angehörige des zweiten Reichs gewesen waren.« Als erstes »Problem des Zweiten Reichs« benannte Müller wenig überraschend das Fehlen von Zielen – ein »Ideal unseres völkischen Lebens« –, auch aus diesem Mangel erkläre sich der Zusammenbruch 1918. Folgend skizzierte Müller die Entwicklung seit dem Untergang des Alten Reichs. Schließlich sei es »auch damals ein Mann gewesen, der Ordnung in dieses Chaos, Helle in dieses Dunkel brachte.« Doch was immer Bismarck vollbracht und die politische Entwicklung erbracht habe, das 19. Jahrhundert sei für Deutschland vor allem die Zeit tiefgreifender Veränderungen der industriellen Revolution gewesen. Mit diesen Veränderungen, suggerierte Müller nun, sei das Fundament für den Staat Bismarcks bereits in Auflösung geraten. Zur »geistigen Begründung« hätte dieser Staat eine »starke einheitliche Weltanschauung« benötigt, doch die »hohe deutsche Bildung des Jahrhundertanfangs war erlahmt«, hatte sich in »feindliche Gegensätze aufgelöst und eben dadurch in dem aufkommenden wirtschaftlichen und politischen Denken dem westeuropäischen Einfluß und seinen demokratischen, parlamentarischen, radikalen Gedanken, dem jüdischen Einfluß und seiner zersetzenden Macht weithin das Feld geräumt.« Drei Aspekte hob Müller heraus – im Mittelpunkt des Denkens Bismarcks habe der Staat, nicht das Volk gestanden. Auch in der sozialen Frage habe der Staat, nicht das Volk, dominiert, resultierend in der Abwendung des Proletariats – die »tiefste und gefährlichste Schwäche dieses Reichs.« Schließlich, ein »Mangel einer schöpferischen geistigen Einheit«, eine »fortschreitende Arbeit der Zersetzung«. Doch sei dieses Reich nicht vergebens gewesen, im Zusammenbruch »erwachte auf den Trümmern […] das volle Bewußtsein der Gemeinschaft des deutschen Volkes: die volle Sprache des gemeinsamen Blutes, der gemeinsamen Heimat, der gemeinsamen Geschichte.« Es sei ein »einzelner Deutscher aus Österreich« gewesen, der die »Fahne des völkischen Widerstandes gegen den Untergang erhob.«104 Fast ohne über den Nationalsozialismus zu sprechen, hatte Müller diesem gehuldigt, angesichts der »Probleme des Zweiten Reiches« schien das Licht des »Dritten Reiches« umso heller. Eben dies erfreute seinen österreichischen Kollegen Harold Steinacker, Müller habe »in glücklichster Weise die Proble103 Vgl. die Einladungsbroschüre der DA zur »Hauptversammlung und Feier ihres zehnjährigen Bestehens«, 1. 3. 1935, BayHStA, MK 40445. 104 Müller, Probleme des Zweiten Reiches im Lichte des Dritten (1935), S. 10, 16, 22, 25 f, 27 f.

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matik des Bismarckreiches auf die Punkte zurückgeführt, die für die Aufgaben des neuen Reiches die entscheidenden sind.«105 Institutionell hatte sich Müllers frühes Eintreten für den Nationalsozialismus – als eine »den Regierungskreisen nahestehende Persönlichkeit106« – bereits zwei Jahre zuvor in der Deutschen Akademie niedergeschlagen, im Sommer 1933 war er in ihren »Kleinen Rat« berufen worden.107 In der Sektion Deutsche Geschichte erlangte Müller in den folgenden Jahren »große Bedeutung«108, schließlich übernahm er 1938 den Sektionsvorsitz, da »eine enge Zusammenarbeit gerade dieser Sektion mit der gesamtdeutschen Historischen Kommission unserer Akademie sachlich wünschenswert und nützlich« sei.109 Für Müllers zunehmenden Einfluss in der deutschen Geschichtswissenschaft war jedoch ein anderes Amt sehr viel bedeutender.

5.1.2 Herausgeber der Historischen Zeitschrift Der rasche Erfolg seit 1933 hatte Müllers Position in der Disziplin weiter gestärkt, barg aber auch das Risiko einer Entfremdung – Müller wollte der führende, das Fach einende Historiker im nationalsozialistischen Deutschland sein, nicht ein historiographisch einflussreicher Nationalsozialist. Manches Lob für Müllers Engagement drohte jedoch, dies zu konterkarieren. Erst jetzt, besprach ein Schüler den Vortrag vor der Deutschen Akademie, komme Müllers »Anschauung vom deutschen Volkscharakter als einer die verschiedenen Strömungen der Jahrhunderte überdauernden Kraft (und Gefahr!) zur Geltung, wo wir die einseitige Auffassung, daß jede Epoche nur aus sich selbst verstanden und beurteilt werden dürfe, ablehnen.«110 Diese unverhohlene Absage an den Historismus Rankescher Prägung, gleich ob dieser für die deutschen Historiker tatsächlich noch einen Orientierungsrahmen bot, war in der traditionell ausgerichteten historischen Disziplin keineswegs mehrheitsfähig. Müllers Rolle bedurfte nun, nach der intensiven Wahrnehmung als Lobredner des NS-Staates, einer Rückbindung an das Fach und seine Traditionsbestände. Bereits im September 1934 hatte Müller einen unbekannten Vortrag Leopold von Rankes der Historischen Zeitschrift zum Abdruck angeboten. Deren Herausgeber Friedrich Meinecke reagierte sehr angetan, er sehe mit »großer 105 Steinacker an Müller, 15. 4. 1935, BayHStA, NL von Müller 479. 106 Entsprechend begründete Willy Andreas als Rektor der Universität Heidelberg eine Anfrage an Müller, vgl. Andreas an Müller, 25. 9. 1933, GLA, NL Willy Andreas 858. 107 Deutsche Akademie (Friedrich Müller) an Müller, 30. 6. 1933, BayHStA, NL von Müller 2. 108 Fuhrmeister, Seminar, S. 184. 109 So Müllers Anzeige seines Nebenamtes an das KM, 4. 9. 1938, BayHStA, MK 44052. 110 Priesack, Probleme des Zweiten Reiches (Rez.), S. 52. Priesack war Anfang 1930 von Müller promoviert worden, vgl. O-Np-1929/30 [Priesack August] und u. a. im Hauptarchiv der NSDAP tätig, vgl. Beschäftigungs-Zeugnis August Priesack, 7. 12. 1942, HiKo I Band 204.

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Freude« dem Beitrag entgegen.111 Eine von Müller geschickt gewählte Form, die fortgesetzte Zugehörigkeit zur Disziplin zu dokumentieren, während sein Schüler Walter Frank mit der »Kämpfenden Wissenschaft« deren Grundlagen aufkündigte.112 Lange musste Müller auf den Abdruck nicht warten, schon um den Jahreswechsel 1934/35 lag die edierte Fassung in der HZ vor.113 Ein Angebot gegenseitiger gemeinschaftlicher Versicherung, dass nicht nur wie ausgeführt Hermann Oncken gern annahm.114 Der Zuspruch scheint Müller bestärkt zu haben, zuvor bereits erfolgreiche Formen der Einschreibung in die disziplinäre Tradition aufzugreifen. Gleichsam seine lang andauernde Zugehörigkeit zur Disziplin belegend, fasste Müller den Plan, seine vor allem in der Weimarer Republik publizierten Geburtstagsartikel und Nachrufe auf Fachkollegen erneut zu veröffentlichen. »Es sind in der Tat Kostbarkeiten, die das kleine Bändchen enthalten wird und es wäre nur zu wünschen, dass es in recht viele Hände käme. Ich fürchte nur, dass die jüngere Generation der geistigen Welt, die sich in Ihren Aufsätzen spiegelt, mehr oder weniger verständnislos gegenübersteht.« Diese Zweifel seines Hausverlages konnte Müller gut nachvollziehen, er liefere »kein eigentliches ›Zugstück‹ mit diesem Bändchen«, doch mussten die »Zwölf Historikerprofile« eben zuvorderst kein Verlagserfolg werden.115 Müller versammelte in den Beiträgen des Bandes ein Panoptikum seiner akademischen Lehrer und Förderer – Marcks, Lenz, Meinecke, Heigel, Riezler, Grauert –, widmete ihn jedoch seinen eigenen Schülern. Zwischen beiden Gruppen stehend, wurde Müller als Person und Autor zum historiographisch vereinenden Band der Jahrzehnte zwischen spätem Kaiserreich und Nationalsozialismus.116 Die Intention war unübersehbar, Hugo Bruckmann dankte mit dezenter Andeutung »für das Geschenk Ihrer Monographie über die dreizehn großen Historiker unserer Tage. Zwölf der Aufsätze habe ich gelesen, den dreizehnten überall zwischen den Zeilen erblickt.«117 Vor allem aber die Kollegen verstanden Müllers Wink, wie Andreas und Meinecke dankten auch Heinrich von Srbik – »Jeder dieser Aufsätze zeugt von Ihrer prachtvollen Gabe, die Menschen und ihr Werk ganz lebendig zu machen« – und Erich Marcks, der zudem hervorhob: »Und Sie haben es einfach mit 1933 enden lassen!«118 Doch fand der Band, wie erhofft, nicht nur bei der älteren Generation Widerhall. Dass Müller »in diesen Zeiten des erregten Fragens nach Aufgaben 111 112 113 114 115 116 117 118

Meinecke an Müller, 30. 9. 1934, BayHStA, NL von Müller 479. Franks Vortrag war im Herbst 1934 erschienen, vgl. hierzu den folgenden Abschnitt 5.1.3. Müller, Ein unbekannter Vortrag Rankes (1935). Vgl. den Dank Karl Brandis an Müller, 23. 1. 1935, SUBG, NL Karl Brandi 55, Nr. 93 sowie weitere Dankschreiben in: BayHStA, NL von Müller 479. DVA (Kilpper) an Müller, 28. 1. 1935; Müller an Kilpper, 30. 1. 1935, BayHStA, NL von Müller 479. Müller, Zwölf Historikerprofile (1935). Bruckmann an Müller, 10. 8. 1935, BayHStA, NL von Müller 479. Srbik an Müller, 7. 6. 1935; Marcks an Müller, 31. 5. 1935, ebd.

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und Wesen der Geschichtsschreibung das Wort« ergreife und einen »Beitrag zur Klärung des Selbstbewusstseins in der Geschichtswissenschaft« liefere, werde »sicher gerade bei allen Jüngeren Widerhall« finden, bestätigte mit Theodor Schieder eben einer jener Schüler, denen Müller die »Historikerprofile« gewidmet hatte.119 Schließlich erwies sich auch der Pessimismus des Verlages als unberechtigt, neben einem doch mindestens befriedigenden Absatz erfreute sich das Buch einer Reihe lobender Besprechungen.120 Der seit 1933 zunehmend von beruflichen Einschränkungen bedrängte Schriftsteller Wilhelm Hausenstein, später erster Botschafter der Bundesrepublik in Frankreich, widmete Müllers Sammlung eine ausführliche Besprechung in der Frankfurter Zeitung. Das Buch leiste, was die »am strengsten verpflichtende Obliegenheit des Historikers« sei, dem »Geist die gerechte Wahrheit mitzuteilen und über diese Brücke hin die Geschlechter zu verbinden – gewesene mit den gegenwärtigen und den künftigen.«121 Eine Brücke, die der Schüler Alexander Scharff noch zu überschreiten bereit war, denn Müller gehöre zu den »Geschichtslehrern der älteren Generation, die, in der großen Ueberlieferung der deutschen Geschichtsschreibung wurzelnd, dennoch dem kämpferischen Wollen der jungen Wissenschaft, die unter dem Erlebnis der nationalsozialistischen Revolution neuen Aufgaben und Zielen zustrebt, in mitfühlendem Verständnis Bahn gebrochen« habe.122 Hingegen stand der Journalist Wilhelm Rößle, ein treuer Lobredner der nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft, der erhofften Verbindung ablehnend gegenüber. Denn mit den Historikern der letzten Jahrzehnte wisse man »im heutigen Augenblick nicht allzuviel anzufangen. Sie sind für uns selbst schon ein Stück Historie«, ihre Geschichtsschreibung »ist uns, rein gefühlsmäßig, fragwürdig geworden«.123 Trotz lobender Zeilen, Rößle blieb der Band fremd, ihn hatte Müller dieses Mal aber auch nicht erreichen wollen. Als Müllers »Zwölf Historikerprofile« im Frühsommer 1935 erschienen, hatte einer der in diesen gepriesenen Historiker der »älteren Generation« über seinen weiteren Weg im Nationalsozialismus entschieden. Friedrich Meinecke legte die Herausgabe der Historischen Zeitschrift nieder, zum Herbst 1935 übernahm Müller die Leitung der angesehensten Zeitschrift der deutschen Geschichtswissenschaft.124 Als sinnfälliger Ausdruck für den »Weltanschauungs- und Generationenkonflikt unter den Historikern nach dem Umbruch von 1933« hat der Wechsel in der Herausgeberschaft bereits vielfach und erschöpfend Beachtung gefunden.125 Dies erlaubt es, zumal auch die Korre119 Schieder an Müller, 31. 5. 1935, BayHStA, NL von Müller 494. 120 Im ersten Jahr wurden 722 Exemplare abgesetzt, vgl. die Verlagsabrechnungen in: BayHStA, NL von Müller 434. 121 Hausenstein, Bildnisse deutscher Historiker (Rez. zu: Zwölf Historikerprofile), S. 17. 122 Scharff, Zwölf Historikerprofile (Rez.). 123 Rößle, Zwölf Historikerprofile (Rez.). 124 Zur Geschichte der HZ vgl. Gall (Hg.), 150 Jahre Geschichtsforschung; Stieg, Periodicals. 125 Vgl. umfassend G. A. Ritter, Verdrängung, Zitat S. 65.

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spondenz Meineckes als Herausgeber wie mit dem Oldenbourg Verlag umfassend publiziert wurde, sich auf Müllers Rolle zu konzentrieren.126 In dessen Laufbahn hatte Meinecke, beginnend mit der Veröffentlichung der Dissertation in der »Historischen Bibliothek«, zu den frühen Förderern gezählt. Trotz des Versagens als Historiograph und unterschiedlicher politischer Positionen blieb Müller Meineckes Respekt gewiss, noch 1931 erwog er Müllers Aufnahme in den Redaktionsausschuss der HZ.127 Bereits in der Weimarer Republik war es für Meinecke zur Herausforderung geworden, angesichts der politischen Differenzen die HZ »als repräsentatives Organ aller deutschen Historiker zu behaupten«.128 Nach 1933 kam es rasch zu einem ersten Konflikt um den Abdruck eines Vortrages Johan Huizingas, der zuvor als Rektor der Universität Leiden den deutschen antisemitischen Publizisten Johann von Leers des Hauses verwiesen hatte.129 Meinecke reagierte durchaus auf den Nationalsozialismus, kündigte Hedwig Hintze die Mitarbeit, suchte sein wissenschaftliches Credo und die neuen Ansprüche an die HZ zu vereinen: »Mein Grundsatz für ihre Weiterführung ist der, uns selbst getreu zu bleiben in der Wahrung des streng wissenschaftlichen Strebens nach reiner, tendenzfreier Erkenntnis, aber die Anregungen der Zeit, soweit sie auf stoffliche Erweiterungen und Erschließung neuer Forschungsgebiete gehen, dankbar aufzunehmen. So bemühe ich mich z. B. jetzt, von bewährten Forschern Aufsätze zur Klärung des Rassenproblems in der Geschichte zu erhalten.«130 Jedoch war dies nicht nur eine Konzession an den Nationalsozialismus, sondern auch eine Reaktion auf den zunehmenden Druck des Oldenbourg Verlages. Dieser fürchtete, angesichts der bekannten politischen Differenzen Meineckes mit dem NS-Staat, um den Fortbestand der renommiertesten geschichtswissenschaftlichen Unternehmung des Verlages. Im Februar 1934 kündigte der Mitherausgeber Albert Brackmann seinen Rückzug an, Verleger Wilhelm Oldenbourg hielt Meinecke aus Altersgründen und wegen »seiner politischen Einstellung in der heutigen Zeit als alleinige[n] Herausgeber der Zeitschrift« für nicht mehr geeignet.131 Oldenbourg fürchtete eine nationalsozialistische Konkurrenzgründung, primär wirtschaftliche Interessen ließen ihn eine intensive Suche nach einem Nachfolger Meineckes einleiten.132 126 Meinecke, Neue Briefe. Im ersten Briefband der Werkausgabe wurde die Abgabe der HZ nur sehr knapp berücksichtigt, vgl. Meinecke, Ausgewählter Briefwechsel. 127 Der Mitherausgeber Albert Brackmann hatte die Aufnahme zweier jüngerer Mediävisten angeregt, Meinecke dies um Müller ergänzt. Da die mittelalterliche Geschichte in der HZ gestärkt werden sollte, wurde Müllers Kooptation zurückgestellt, vgl. Meinecke an Oldenbourg Verlag, 20. 2. 1931, abgedruckt in: Meinecke, Neue Briefe, S. 587 f. 128 G. A. Ritter, Meinecke, S. 37. 129 G. A. Ritter, Verdrängung, S. 67 f. 130 Meinecke an Verlag, 25. 1. 1934, BWA, Oldenbourg Verlag 244. 131 Brackmann an Verlag, 7. 2. 1934; Oldenbourg an Bierotte (Filiale Berlin), 14. 2. 1934, ebd. 132 Vgl. zum Verlag die entsprechenden Abschnitte bei Wittmann, Wissen, S. 259 – 275 sowie Wesolowski, Verleger, S. 278 – 296, letzterer bezweifelt die ökonomischen Motive Oldenbourgs.

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Wenig überraschend fiel der Name Müllers bald. Der Berliner Verlagsvertreter berichtete von den Ansichten Brackmanns, nach welchem die HZ verschiedentlich bereits als veraltet angesehen werde, da sie »Errungenschaften der nationalsozialistischen Bewegung« nicht berücksichtige. Man könne, so Brackmann, diesen Bedenken durch die »Aufnahme eines jüngeren Historikers von Ruf« in die Schriftleitung begegnen. In dieser doppelten Hinsicht – »jünger« im Sinne von akzeptiert unter den aufstrebenden nationalsozialistischen Historikern und zugleich mit Ansehen in der Gesamtdisziplin versehen – qualifiziert erschiene Brackmann nur einer : Müller. Doch, so meine Brackmann, sei Müller zwar Parteigenosse, es »fehlten ihm aber die Führereigenschaften, die Herr Meinecke besässe.«133 Aus Erfahrung konnte Wilhelm Oldenbourg diese Charakterisierung Müllers aufgreifen: »Was die Persönlichkeit von Herrn Prof. K.A. von Müller anbelangt, so würde sein Name zweifellos eine Zierde für die H.Z. sein, aber wir müssen uns darüber im klaren sein, dass irgendwelche Arbeit, vor allem regelmässige und pünktliche Arbeit, von ihm nicht geleistet werden würde.«134 Dem pflichtete auch Meinecke gegenüber dem Berliner Vertreter Oldenbourgs bei, er schätze Müller sehr, nur »für die ihm zugedachte Stellung dürfte er ungeeignet sein, da er zu weich und zu wenig arbeitsam« sei. Möglicherweise erhoffte Konzessionen allerdings waren von Meinecke nur in sehr geringem Maße zu erwarten, einen grundsätzlichen Ausschluss jüdischer Mitarbeiter lehnte er ab, unmissverständlich schrieb er an Oldenbourg: »Ich werde die Position der freien und reinen Wissenschaft so lange zu halten versuchen, als es möglich ist und freue mich von Herzen, dass Sie ebenso denken. Man kann nicht wissen, was kommen wird. Lieber gehe ich dann mit Ehren ab, als dass ich meine zentralen Überzeugungen opfere.«135 Müller aber war nur vorerst aus dem Rennen. Es entfaltete sich ein reger Austausch zwischen Wilhelm Oldenbourg, dem Berliner Verlagsvertreter und einer Reihe von möglichen Kandidaten oder zumindest kompetent erscheinenden, jüngeren Historikern. Deren Ansichten über die aus dem Blickwinkel einer nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft wünschenswerte Entwicklung der HZ bedürfen nicht der Darstellung, eine stete Wiederholung erfuhr allerdings die Einordnung Müllers. Dieser komme neben Srbik, so Günther Franz, aus der älteren Generation zwar in Frage, sei aber »durch andere Pflichten wohl schon übermäßig in Anspruch genommen.« Trotz allseits bekannter und beklagter Säumigkeit, Müller war rasch wieder auf dem Tableau. Vor allem Wilhelm Oldenbourg wünschte Müllers Rat: »Sein Urteil ist mir unter allen Umständen von Wert. Es wäre mir ja auch an sich weitaus am liebsten, wenn er die Zeitschrift übernähme, wenn ich nicht andererseits

133 Bierotte (Filiale Berlin) an Verlag, 21. 2. 1934, BWA, Oldenbourg Verlag 244. 134 Oldenbourg an Bierotte (Filiale Berlin), 23. 2. 1934, ebd. 135 Bierotte (Filiale Berlin) an Verlag, 26. 2. 1934; Meinecke an Verlag, 26. 2. 1934, ebd.

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wüsste, dass er einerseits überlastet und andererseits sehr unpünktlich ist.«136 Oldenbourg zögerte, Meinecke als Herausgeber brüsk abzuservieren, erwog Varianten seiner Einhegung oder Anregungen zur Anpassung. Meinecke aber blieb standfest und stellte unter Beweis – er verfügte über die gefragten »Führereigenschaften«, verfolgte jedoch wissenschaftlich und politisch nicht die im NS-Staat damit verbundenen Ziele.137 Als mögliche Mitherausgeber erwogen, auch angesprochen wurden Rudolf Stadelmann und Helmut Berve. Stets aber kehrte Oldenbourg zu Müller zurück, versuchte ihn doch zu gewinnen. Diese immer wieder aufs neue verworfene Lösung lag für Oldenbourg nahe, da Müller »hier am Platze ist, ich ihn seit langer Zeit persönlich kenne und ihn sowohl als Gelehrten wie als Menschen sehr hoch einschätze.« Doch habe Müller selbst geraten, vorerst Meinecke als Herausgeber zu behalten und ihm jüngere, parteinahe Vertreter zur Seite zu stellen.138 Zunehmend ermatteten die Kombattanten allerdings, Oldenbourg sah weiterhin die HZ in Gefahr, Brackmann berichtete von drohender Konkurrenz, Kandidaten wie Berve verwiesen auf ihre nationalsozialistischen Bindungen. Im Februar 1935 schließlich kündigte Meinecke an, mit dem Abschluss des 152. Bandes im Herbst die Schriftleitung niederzulegen. Angesichts der nun ein Jahr währenden Suche nach einem Nachfolger hoffte Oldenbourg, dass ihn Müller »in dieser schwierigen, auch für die deutsche Geschichtswissenschaft entscheidenden Lage mit Rat und Tat unterstützen« werde.139 In zumindest einer Hinsicht schuf Oldenbourg bald Klarheit und kündigte dem Herausgeberstab der HZ, eine Entscheidung über die Nachfolge Meineckes stand aber weiterhin aus.140 Erneut drehte sich das Kandidatenkarussell, zwischenzeitlich war auch Fritz Hartung ins Spiel gebracht worden.141 Konstant blieb neben dem zunehmend dringenden Bedarf einer Regelung nur eines: »Die Persönlichkeit von Karl Alexander von Müller als Aushängeschild für die Redaktion sei sehr zu empfehlen. Man könne ja dann einen jüngeren Historiker mit der Arbeit beauftragen.«142 Passiv aber war Müller nur vordergründig, hatte er doch seit längerem dafür Sorge getragen, dass das nun offenbar werdende Anforderungsprofil auf ihn zutraf. In dieser Hinsicht unterschied sich die HZ weder von den Lehrstuhlvakanzen noch von der Präsidentschaft der Bayerischen 136 Franz an Verlag, 5. 3. 1934, Oldenbourg an Bierotte (Filiale Berlin), 8. 3. 1934, ebd. 137 Entsprechend auch Wilhelm Oldenbourg nach Meineckes fortgesetzter Weigerung, seine autokratische Stellung aufzugeben, dies entspreche »eigentlich ganz dem heute in so hohem Kurs stehenden Führerprinzip«. Vgl. Oldenbourg an Bierotte (Filiale Berlin), 31. 10. 1934, ebd. 138 Verlag an Günther Franz, 30. 10. 1934, ebd. 139 Verlag an Müller, 13. 2. 1935, ebd. 140 Verlag an Caspar, Marcks, Oncken, Rothfels, Schramm, 8. 3. 1935, ebd. Brackmann kündigte im März 1935 die Herausgeberschaft mit sofortiger Wirkung, unter Verweis auf die institutionelle Umgestaltung der Geschichtswissenschaft, vgl. Brackmann an Verlag, 11. 3. 1935, ebd. 141 Bierotte (Filiale Berlin) an Verlag, 19. 3. 1935, ebd. 142 Friedrich Stieve (Auswärtiges Amt) an Verlag, 22. 3. 1935, ebd.

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Akademie der Wissenschaften – die Verbindung wissenschaftlichen Ansehens mit der Akzeptanz durch den NS-Staat blieb rar. Schließlich sollte es dem selbst bereits als Kandidat erwähnten Walter Frank, dessen institutionelle Position durch die anstehende Überführung der Historischen Reichskommission in sein noch zu gründendes Reichsinstitut gestärkt war, vorbehalten bleiben, der einzig möglichen Lösung gleichsam das Plazet der nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft zu erteilen. Seinem Doktorvater schrieb Frank, er habe Otto Westphals Vorschlag einer Konkurrenzgründung abgelehnt, da »es mir viel besser scheine, die alte Zeitschrift mit ihrer gelehrten Tradition und ihrem Apparat in die Hände von Männern zu legen, die dem Neuen positiv gegenüberstehen, aber zugleich auch der Fachwelt gegenüber die Tradition und das Vertrauen aufrechterhalten.«143 Diese »Männer« sollten mit Müller, Erich Marcks und Heinrich von Srbik dieselben sein, die Frank parallel als Ehrenmitglieder des entstehenden Reichsinstituts auserkoren hatte. Dabei, so Frank an Oldenbourg, erschiene ihm Müller als »der gegebene Leiter« der HZ, Marcks und Srbik sollten als Mitherausgeber fungieren, der bereits unter Meinecke tätige Rezensionsredakteur Walther Kienast durch Karl Richard Ganzer ersetzt werden.144 Diese Parallelführung von HZ und künftigem Reichsinstitut jedoch konnte Frank nicht durchsetzen. Unterdes war Meinecke nicht von seinem seit Februar geplanten Vorhaben abzubringen, als Solidaritätsgeste für Oncken dessen Vortrag, der Frank als Anlass für seinen Angriff gedient hatte, in der HZ abzudrucken. Gegenüber Müller als designiertem Nachfolger verteidigte Meinecke seinen Wunsch. Eine Verweigerung des Abdruckes durch Oldenbourg ziehe seinen sofortigen Rücktritt nach sich, wie »mein wissenschaftliches Gewissen es fordert«.145 Als der Verlag sich tatsächlich weigerte, legte Meinecke die Herausgeberschaft der HZ bereits mit dem zweiten Heft des 152. Bandes nieder. Für das dritte Heft zeichnete Walther Kienast in Vertretung Meineckes. Entgegen Meineckes Wunsch erschien zudem ein für sein letztes Heft bereits vorgesehener Beitrag Heinrich von Srbiks im ersten von Müller herausgegebenen Heft.146 Eher »eine allerdings wichtige Figur auf dem Schachbrett als eine treibende Kraft«147 – Müllers Rolle bei der Übernahme der HZ verdeutlicht, dass auch zwei Jahre nach der Machtergreifung nicht geklärt war, wie sich eine nationalsozialistische Geschichtswissenschaft konstituieren sollte. An Willen und Fähigkeit zur Destruktion mangelte es Walter Frank oder Günther Franz, auf dessen publizistische Attacke gegen die Historischen Kommissionen noch einzugehen sein wird, sicher nicht. Eine den postulierten Ansprüchen genügende eigenständige Lösung konnten sie gleichwohl nicht präsentieren. ZuFrank an Müller, 12. 5. 1935, BayHStA, NL von Müller 396. Frank an Verlag, 24. 5. 1935, BWA, Oldenbourg Verlag 244. Meinecke an Müller, 17. 6. 1935, ebd. Vgl. Meineckes erbitterten Brief – »So was würde ich als Redakteur nie getan haben.« – an Srbik, 20. 8. 1935, abgedruckt in: Srbik, Korrespondenz, S. 422 f sowie Srbik, Schönbrunner. 147 G. A. Ritter, Verdrängung, S. 88.

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gleich waren aber breitere Kreise der deutschen Geschichtswissenschaft sehr wohl an einer Teilhabe am Nationalsozialismus interessiert, Meinecke als Herausgeber des wichtigsten Periodikums des Faches stand dieser im Wege. So wollte sich Willy Andreas erst wieder an der HZ beteiligen, wenn »deren Neuordnung vollzogen ist und diese selbst so ausfällt, dass mir innerlich die Mitarbeit daran möglich ist.«148 Gegenüber einem Schüler rekapitulierte Müller die Entwicklung der vergangenen Monate. Er werde »mit Briefen überschwemmt«, erst sei ihm der Lehrstuhl Onckens angeboten worden und nun stelle sich die Frage, »ob ich als Nachfolger Meineckes die Leitung der Hist. Zeitschr. übernehme; dazu hätte ich, wenn einiges mehr Äußerliche sich regeln läßt, schon große Lust und hoffe, wenn es dahin kommt, auf die eifrige Mitarbeit aller jungen Freunde, die einem Ehre machen«.149 Müller war keineswegs ambitionslos, die Herausgabe der HZ entsprach seinen Vorstellungen einer vorwiegend moderierenden, selbst möglichst wenig festgelegten Führungsrolle weitaus mehr als der Berliner Lehrstuhl oder ein Rektorat. Besonderen Druck musste er, angesichts der jahrelangen Suche nach einer Alternative, von keinem der Beteiligten befürchten. Und auch das »Äußerliche« ließ sich regeln, Walther Kienast blieb als Betreuer des Rezensionsteils im Amt.150 Allerdings wurde einigen der ständigen Mitarbeiter gekündigt, auch Rudolf Stadelmann wurde ersetzt. Er habe sich, so Kienast, erfolglos für Stadelmann eingesetzt, auch Müller wäre einverstanden gewesen. Auf Nachfrage riet Kienast dringend von weiteren Briefen ab: »Dass Sie zurücktreten mussten, war der Wunsch von W. Frank, der dieses Referat an Dr. Ganzer übertragen wünscht, einen Schüler Karl Alexander von Müllers. Müller selbst hätte Sie gern behalten.«151 Vor allem aber wurden die jüdischen Mitarbeiter der HZ entfernt. Es stecke mehr Mühe hinter dem ersten Heft, so Müller an Wilhelm Engel, als »man ihm ansieht, nämlich im Besprechungs- und Anzeigenteil: ich war selbst überrascht und erschreckt, wie viele Juden hier eingenistet waren, oft unter ganz harmlos klingenden Namen. Es war oft gar nicht leicht, Gewissheit zu erhalten; aber die Säuberung war dringend notwendig.«152 Wenige Tage darauf verwies Müller gegenüber Albert Brackmann nochmals auf die »Ausschaltung aller – nicht wenigen – nichtarischen Mitarbeiter«, diese reiße »erhebliche Lücken in den regelmäßigen Stab der Referenten und der sonstigen Mitarbeiter. Sie durch neue von mindestens derselben Qualität zu ersetzen, wird

148 Andreas an Müller, 7. 7. 1935, BayHStA, NL von Müller 479. 149 Müller an Fritz von Rummel, 5. 8. 1935, BayHStA, NL von Müller 496. 150 Den Vertrag mit Oldenbourg unterzeichnete Müller Ende Oktober 1935, vgl. BayHStA, NL von Müller 434, Herausgeber-Vertrag zw. Oldenbourg u. Müller über Herausgabe der HZ. 151 Kienast an Stadelmann, 19.9. u. 14. 10. 1935, BArch, NL Rudolf Stadelmann 12. 152 Müller an Engel, 22. 11. 1935, BayHStA, NL von Müller 396. Im selben Duktus an Erich Marcks, Meinecke habe ihm im »Bespr.Teil einen auch mir unerwarteten Prozentsatz von Nichtariern« übertragen, vgl. Müller an Marcks, 25. 3. 1936, HiKo I Band 36.

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eine der Hauptaufgaben der nächsten Monate.«153 Der Inklusion möglichst breiter Kreise der Disziplin für eine zukünftig nationalsozialistische Geschichtswissenschaft entsprach komplementär die Exklusion jüdischer bzw. als jüdisch stigmatisierter Historiker, die für Müllers erstrebte »Einigkeit« den Preis zahlten. In dieser Hinsicht musste Müller kaum Widerspruch befürchten. Auf seine Mitteilung reagierte Brackmann mit bereitwilliger Annahme des Angebotes zur Mitarbeit an der neuen HZ, noch vor Müllers Antritt bezeichnete Adalbert Wahl es als einen »schweren Fehler« Meineckes, die »Bearbeitung der Notizen 1789 – 1815 […] der widerlichen Jüdin Hedwig Hintze« anzuvertrauen.154 Hans Rothfels schließlich verzichtete, auch wenn ihn Müller über Kienast »zu weiterer Mitarbeit« aufgefordert habe. Er verkenne die freundliche Absicht nicht, mit der »Sie mir eine Eventualtür offenhalten wollen. Aber ich denke, Sie werden es verstehen, dass es für mich trotz äusserer Infamierung ein gleichbleibendes inneres Gesetz der Ehre giebt, nach dem ich nicht in vorsichtiger Dosierung und irgendwann einmal hereingelassen zu werden wünschen kann.«155 Begeistert hingegen zeigte sich Theodor Schieder, der nur wenige Jahre zuvor ausdrücklich zu Rothfels nach Königsberg gewechselt war. Müllers Übernahme der HZ sei eine »Entscheidung, die gerade wir Jüngeren aufs Wärmste begrüssen.«156 Zu werben hatte Müller vor allem um die Fachgenossen seiner eigenen Generation, die der Ablösung Meineckes zustimmend gegenüberstanden, auch Anschluss an den Nationalsozialismus suchten, zugleich aber der ungebrochenen fachlichen Tradition und Autonomie zu versichern waren: »Was mir vorschwebt, ist, die Zeitschrift wieder mehr in den Strom der lebendigen Gegenwart zu stellen und die geschichtlichen Probleme, die uns auf die Nägel brennen, soweit es irgend möglich ist, in unserm eigenen Kreis ernsthaft zu behandeln. Dabei will ich den jungen, neuaufstrebenden Kräften, hinter denen Talente stecken, allen Raum geben, den sie verdienen. Aber eben dazu brauche ich aufs dringendste das Gegengewicht der bewährten Forscher, die es an Talent mit den Jungen aufnehmen, jedoch zugleich die große Überlieferung unserer Wissenschaft noch in sich tragen.«157 Damit war der Rahmen abgesteckt, Raum für die jüngere, nationalsozialistisch orientierte Generation, legitimierende Absicherung durch die etablierten Älteren – vor allem aber alles »in unserm eigenen Kreis«. Noch defensiver argumentierte Müller gegenüber den Altersgenossen Meineckes. Er habe die HZ übernommen, weil »ich im Augenblick vielleicht mehr Aussichten wie ein anderer habe, noch eine Brücke bilden zu können. Daß ich mir der Schwierigkeiten bewußt bin, brauche ich wohl kaum zu sagen.« Den »jungen neu153 Müller an Brackmann, 2. 12. 1935, GStA, VI. HA, NL Albert Brackmann 51, Bl. 59. 154 Brackmann an Müller, 5. 12. 1935, ebd., Bl. 58; Adalbert Wahl an Wilhelm Oldenbourg, 18. 4. 1935, BWA, Oldenbourg Verlag 244. 155 Rothfels an Müller, 23. 2. 1936, BArch, NL Hans Rothfels 20b. 156 Schieder an Müller, 15. 8. 1935, BayHStA, NL von Müller 494. 157 Müller an Andreas, 6. 10. 1935, GLA, NL Willy Andreas 858.

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aufstrebenden Kräften« wolle er »soviel Spielraum geben als sie verdienen« – auch wenn er bei einem Aufsatz Kleo Pleyers »persönlich mit manchem nicht übereinstimme«.158 Mit seiner fachpolitischen Begründung begegnete Müller auch dem nicht formulierten, aber im Raum stehenden Verdacht, er habe die HZ nicht des wissenschaftlichen, sondern seines politischen Ranges wegen erhalten. Doch dem war fraglos so, eben deshalb suchte Müller die Notwendigkeit eines »Ausgleiches« zwischen den Generationen umso stärker zu betonen, suchte seiner speziellen Befähigung eine entsprechend gewichtige Aufgabe zuzuweisen. Nur Gerhard Ritter, der von Meinecke als möglicher Nachfolger ins Spiel gebracht worden war, wollte sich mit dieser Lösung nicht abfinden: »Die H.Z. sollte ich eigentlich haben. Meinecke wird Ihnen davon gesprochen haben. Nun kriegt sie (oder vielmehr den Titel davon) der Edle von Müller. München ist Hauptstadt der ›Bewegung‹.«159 Allerdings lehnte Ritter eine weitere Mitwirkung an der HZ, um die Müller ihn gebeten hatte, nicht wegen der Übernahme durch seinen Konkurrenten ab. Bis »zum Erscheinen der neuesten Nummer war mir die Fortsetzung meiner Mitarbeit selbstverständlich«, doch sei durch Franks Beitrag »Zunft und Nation« sein Lehrer Hermann Oncken erneut »in schwer kränkender Weise öffentlich herabgesetzt worden«, solange diese Kränkung nicht ausgeglichen sei, stelle er seine Mitarbeit ein.160 In der Tat, im ersten Heft der HZ unter dem Herausgeber Müller war die »Gleichschaltung […] doch etwas schärfer ausgefallen, als manche es zunächst erwartet haben.«161 In für die HZ bislang ungekannter Form hatte Müller in seinem Geleitwort die Geschichtswissenschaft wie die Zeitschrift in die politische Gegenwart einzubetten versucht, verwies auf den »großen schöpferischen Führer«, es klinge »seit zwanzig Jahren in jede Gelehrtenstube der harte Marschtritt der Soldaten und der Massen«, jedoch sei die »gegenwärtige Krise unserer Wissenschaft« keine »Krise ihrer Arbeitsweise.« An wen die Geschichtswissenschaft ihren Wunsch nach Teilhabe adressiere, stellte Müller in seiner wohl bekanntesten Formulierung klar : »Die deutsche Geschichtswissenschaft kommt nicht mit leeren Händen zum neuen deutschen Staat und seiner Jugend.«162 Derart eingestimmt, folgte als erster Beitrag Walter Franks »Zunft und Nation«, seine Rede zur Eröffnung des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands als auch zugleich seine programmatische Vorstellung einer nationalsozialistischen Geschichtswissen158 Müller an Johannes Haller, 21. 11. 1935, BArch, NL Johannes Haller 23. 159 Ritter an Arnold Berney, 27. 9. 1935, BArch, NL Arnold Berney, Bl. 1. Unterstreichung im Original. Zum Verhältnis Ritters zu Berney, der 1938 emigrieren musste, vgl. Matthiesen, Identität. 160 Ritter an Müller, 1. 12. 1935, abgedruckt in: G. Ritter, Historiker, S. 285 – 288. Vgl. auch Cornelißen, Ritter, S. 237 u. 332 sowie Cornelißen, Herausgeber. 161 Walther Kienast an Wilhelm Oldenbourg, 6. 12. 1935, BWA, Oldenbourg Verlag 244. 162 Müller, Zum Geleit (1935), S. 1 u. 3 f.

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schaft. Deren Anspruch wollte Frank keineswegs auf eine schlicht anderen Prämissen folgende Geschichtsschreibung beschränkt wissen: »Wenn wir die Kraft besitzen, die Geschichte wieder so zu schreiben, daß die Geschichtemachenden sie im Tornister mit sich führen, dann haben auch wir Geschichte gemacht.«163 Nicht minder die für den NS-Staat gefüllten Hände präsentierend, untersuchte im anschließenden Beitrag Erwin Hölzle das »Volks- und Rassenbewusstsein in der englischen Revolution«.164 In gewisser Weise traditionsgebunden eingehegt wurden beide Beiträge durch den Aufsatz Srbiks, doch war dieser noch von Meinecke angenommen worden. Offen dokumentierte das erste von Müller verantwortete Heft der HZ, wohin die »Brücken« führen sollten, die er zu bauen vorgab. Weitaus mehr als nur »ihr Papen«165, strebte Müller aus eigener Überzeugung, in der formulierten Hoffnung auf eine dem politischen Vorbild folgende, wissenschaftliche »Volksgemeinschaft« nach einer nationalsozialistischen deutschen Geschichtswissenschaft. Dabei war Müllers Werben um die ihm lange vertrauten, etablierten Fachgenossen keineswegs nur taktischer Natur, ihre Beteiligung sollte die angestrebte Gemeinschaft vollständiger, »gemeinsamer« machen. Und damit stieß Müller auf Zuspruch.166 Gegenüber Gerhard Ritter verteidigte Heinrich von Srbik das erste Heft der neuen HZ, Müller sei »ein Mann von Geist, von Wissenschaftlichkeit, Kunst und – nicht zuletzt – von Ethos«, der das »Niveau« halten wolle: »Wieviel übler stünde es, wenn ein anderer, der nur Parteimann ist, die H.Z. leitete?«167 Adalbert Wahl erfreute es vor allem, dass »eine so hervorragende Persönlichkeit« die Zeitschrift als Herausgeber übernommen habe, hingegen zeigte er sich mit dem Aufsatz Franks in keiner Weise einverstanden. Müller werde, entgegnete Wilhelm Oldenbourg, sein »Möglichstes tun, um auszugleichen und zu vermitteln.« Er bitte nicht zu vergessen, dass »die Revolution noch nicht beendet« sei. Ebenfalls von Oldenbourg um seine Einschätzung gebeten, skizzierte Kurt von Raumer die Wahrnehmung Müllers als Herausgeber der HZ. Dass der »neue Leiter nun aber kein homo novus, sondern eine wissenschaftliche gerade dem Kenner so bestens bekannte Gestalt« wie Müller sei, der »überdies als Oxfordianer wie als 163 Vgl. Frank, Zunft und Nation, Zitat S. 23. 164 Es sei an der Zeit, dass sich »die Geschichtswissenschaft diese neue wissenschaftliche Methode zu eigen« mache, vgl. Hölzle, Volks- und Rassenbewusstsein, S. 24. Den »schönen u. sehr anregenden Aufsatz« hatte Müller während der Verhandlungen zur Übernahme eingeworben, vgl. Müller an Hölzle, 21.9. u. 24. 9. 1935, BArch, NL Erwin Hölzle 14, Bl. 81/82. 165 »Karl Alexander v. Müller, der geschmeidige Weltmann unter den deutschen Historikern, ihr Papen gleichsam. Ihn fand man würdig, einen Meinecke aus der Leitung der ›Historischen Zeitschrift‹ zu verdrängen.« Vgl. den Beitrag im Pariser Tageblatt v. 14. 10. 1935: Aura, Klios Gleichschaltung. Im Reichsinstitut hielt man Wolfgang Hallgarten für den Autor, vgl. RI an Mitglieder des Sachverständigenbeirates, 12. 11. 1935, SBB, NL Fritz Hartung 51. 166 A.O. Meyer habe sich »sehr anerkennend über das 1. Heft des 153. Bandes ausgesprochen.« Vgl. Wilhelm Oldenbourg an Walther Kienast, 30. 12. 1935, BWA, Oldenbourg Verlag 244. 167 Srbik an Ritter, 18. 3. 1936, abgedruckt in: Srbik, Korrespondenz, S. 440 f.

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Historiker […] ausgezeichnete Beziehungen zur englischen gelehrten Welt besitzt, und der andererseits im Reich die Jugend hinter sich hat, könnte gar nicht besser sein.«168 Im zweiten Heft seiner Herausgeberschaft wiederholte Müller die Konstellation des ersten, den Part des traditionsversichernden, etablierten Ordinarius übernahm Arnold Oskar Meyer mit einer ausführlichen Besprechung zur »Aktenveröffentlichung über die auswärtige Politik Preußens 1858 – 1871«, wiederum zwei Beiträge – von Kleo Pleyer und Ernst Anrich – waren aber der dezidiert nationalsozialistischen Ausrichtung der Geschichtswissenschaft verpflichtet. Mit beiden Aufsätzen, diese Erläuterung erschien Müller offenbar notwendig, nehme er »wie im letzten Heft angekündigt, die Behandlung von Fragen auf, ›die unserem Volke heute auf die Nägel brennen: auch auf die Gefahr hin, daß Funken sprühen und Streit sich erhebt‹.«169 Auch erschien nun zum ersten Mal die von Wilhelm Grau betreute Rubrik »Zur Geschichte der Judenfrage«. In den ersten Heften der HZ unter der Leitung Müllers nahmen die Historiker des Reichsinstituts breiten Raum ein. Die Verve ihres Engagements verdeutlicht sowohl ihren rasch gewonnenen Einfluss als auch die Bereitschaft Müllers, diesem Rechnung zu tragen. Bald jedoch sollte sich dies relativieren, Frank und Grau verstrickten sich in interne Kontroversen und gerieten zudem mit ihrem Anspruch der selbst »Geschichtemachenden« in Konflikte mit Protagonisten und Behörden des NSStaates.170 Für Müllers Ziel einer die wissenschaftlichen Traditionen wahrenden, zugleich den Ansprüchen des Nationalsozialismus »geeint« folgenden Disziplin erwies sich ihr Wille zum Dissens als kontraproduktiv. Eben weil Müller zuallererst seinem Ziel einer möglichst weitreichenden Einbindung verpflichtet blieb, erfuhr Walter Frank ab 1937/38 eine gewisse Zurücksetzung, ohne jedoch ausgeschlossen zu sein. Dieser »qualitative« Anspruch auf Repräsentanz möglichst breiter Kreise der Disziplin beschreibt Müllers Wirken als Herausgeber der HZ weitaus zutreffender als eine quantitative Bestimmung der etwaigen »Identität« von Beiträgen »mit den nationalsozialistischen Geschichtsvorstellungen, die die NS-Ideologen entworfen hatten.«171 Abgesehen von der Inkonsistenz dieser Vorstellungen, ihrer zu bezweifelnden Relevanz für die Politik des NS-Staates und der strittigen Zuordnung einzelner Beiträge zu Kategorien wie »Identität, Partielle Identität, Resistenz, Oppositionell« verfehlt eine solche Quantifizierung die im Wesentlichen qualitative Wirkung einer Veröffentlichung im angesehensten Periodikum der deutschen Geschichtswissenschaft. Zur »Geschichte der Judenfrage« erschienen nur wenige, fast ausschließlich Rezen168 Wahl an Oldenbourg, 3. 12. 1935; Oldenbourg an Wahl, 4. 12. 1935, BWA, Oldenbourg Verlag 244 (Unterstreichung im Original); Raumer an Oldenbourg, 9. 1. 1936, ebd. 44. 169 Vgl. die Anmerkung Müllers zu Pleyer, Reichweite, S. 272. 170 Vgl. hierzu den folgenden Abschnitt 5.1.3 sowie ausführlich Heiber, Frank. 171 Hingegen, in einem Balkendiagramm der »Belastung« von Aufsätzen und Rezensionen kulminierend, vgl. Wiggershaus-Müller, Nationalsozialismus, Zitat S. 95, Diagramm S. 312.

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sionen beinhaltende Seiten, gleichwohl hat die Rubrik in der HZ zur Etablierung der »Judenforschung« als wissenschaftlicher Subdisziplin mehr beigetragen als umfängliche Veröffentlichungen an einschlägigen Orten nationalsozialistischer Publizistik. Zugleich halfen vermeintlich »oppositionelle« Beiträge in der HZ bei der Aufrechterhaltung der Illusion, die wissenschaftliche Tradition sei bruchlos fortgesetzt worden. Die HZ »spiegelte« sowohl die »Fortführung von Detailforschungen als auch die politischen Anpassungstendenzen« in einem für die »Geschichtswissenschaft typischen Nebeneinander« wider172, entsprach in diesem Sinne der von Müller angestrebten Rolle eines divergierende Tendenzen in »unserm eigenen Kreis« austragenden Mediums. Zudem war der Zeitraum zwischen Müllers Antritt und der Einstellung der HZ 1943, verschärft durch die im Krieg zunehmenden Einschränkungen des Wissenschaftsbetriebs, zu kurz, als dass »sich dieser Umstellungsprozeß in vollem Umfang hätte entfalten können«.173 Der partielle Wandel der HZ zu »einem Organ, in dem häufiger historische Appelle von geringem wissenschaftlichen Innovationsgrad und einer bemerkenswerten quellenkritischen Naivität erschienen«, folgte einer entsprechenden Entwicklung des Faches vor allem in der NS-Ideologie nahen Themenbereichen, auch in dieser Hinsicht bildete die Zeitschrift die Entwicklung der deutschen Geschichtswissenschaft ab.174 Fachliche Innovation zählte kaum zu Müllers Zielsetzungen für die HZ, zumindest nachdem wesentliche Bestandteile einer nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft wie »volksund rassengeschichtliche« Ansätze integriert waren. Vor allem Oldenbourg schätzte Müller, er betrachte es »als eine gnädige Fügung des Schicksals, dass bei der Wahl des Schriftleiters nach Meineckes Ausscheiden sich die Wünsche der hohen Obrigkeit mit meinen eigenen Wünschen in so erfreulicher Weise deckten.« Er wisse, dass die HZ Müller »stark in Anspruch nimmt, dass sie gerade in der heutigen Zeit besondere Anforderungen an Takt, Geduld und Ausgleichsfähigkeit stellt und dass sie wahrscheinlich auch mit manchen Anfechtungen verbunden ist.«175 Die Tätigkeit Müllers als Herausgeber der HZ über mehr als sieben Jahre ist nicht im einzelnen nachzuzeichnen, zumal seine Korrespondenz mit den Autoren nur bruchstückhaft überliefert ist. Allerdings hatten sich nach einiger Zeit ausreichend Konflikte um Veröffentlichungen in der HZ ereignet, um Müller zu einer Reflexion seiner Praxis als Herausgeber zu motivieren. Gegenüber Heinrich von Srbik erläuterte Müller im Frühjahr 1941 sein Vorgehen, er habe »manches aufgenommen, was ich persönlich nicht für richtig hielt oder was mir richtungsmäßig nicht lag. Denn es schien mir, gerade in unserer Zeit wichtig, in der H.Z. womöglich eine historische Fachzeitschrift zu er172 173 174 175

Schönwälder, Historiker, S. 87. Gall, 150 Jahre Historische Zeitschrift, S. 4 f. Fahrmeir, Ort des Konsenses, S. 203. Wilhelm Oldenbourg an Müller, 4. 1. 1939, BWA, Oldenbourg Verlag 244.

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halten, die grundsätzlich nicht das Organ einer einzelnen Gruppe, sondern, soweit sich das irgend noch verwirklichen läßt, ein Organ der Gesamtheit der deutschen Historie sei«. Er wolle, dass »Gegensätze, die heute nun einmal bestehen, innerhalb unseres eigenen Fachkreises und das heißt auf unserem Boden ausgetragen werden und nicht in verschiedene Lager auseinandertreten, deren Fehden dann in politischen Zeiten gleich den unsrigen notwendig auf die rein politische Ebene geraten.« Dies erschiene »notwendig, wenn das Band der Gemeinschaft und das Band der Überlieferung nicht zerrissen werden sollen.«176 Beispielhaft bot eine Kontroverse zwischen Gerhard Oestreich und Paul Schmitthenner, Militärhistoriker und zugleich amtierender badischer Kultusminister, Müller Gelegenheit, die Maßstäbe für seine Leitung der HZ zu verdeutlichen.177 Die den Usancen der Disziplin nicht entsprechenden Ausfälle Schmitthenners, so berichtete Kienast, hätten »in der Zunft sehr böses Blut gemacht«. Mehrere Kollegen äußerten »sich sehr kritisch über diese von Ihnen gezeigte zu grosse Nachgiebigkeit. […] Es besteht da eine Art Einheitsfront in der Zunft. Jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass wir einen ähnlichen Fall unter allen Umständen vermeiden müssen, wenn wir nicht riskieren wollen, dass die H.Z. boykottiert wird.« Er solle ihn, so antwortete Müller seinem Redakteur, nicht »für einen Zyniker« halten, wenn er über »die seltene communis opinio habe lächeln müssen. Ich glaube allmählich, daß es keine geschichtlichen Erfahrungen gibt, die den deutschen Geschichtsforscher zur Politik erziehen können. Ich nehme an, einige werden sich wieder beruhigen wenn sie im nächsten Heft die Erwiderung Oestreichs lesen und sehen, daß auch er volle Redefreiheit genießt – und vielleicht denken einige so weit, sich zu sagen, daß er diese Möglichkeit nicht gehabt hätte, wenn der Angriff an anderer Stelle, von außenher, gegen die Zunft erschienen wäre.« Fast wortgleich wie an Srbik ergänzte Müller, er werde »dahin trachten, daß Gegensätze, die heute nun einmal bestehen, innerhalb unseres eigenen Fachkreises und das heißt auf unserem eigenen Boden ausgetragen werden und nicht in verschiedene Lager auseinandertreten, deren Fehden dann in politischen Zeiten gleich den unsrigen notwendig auf die politische Ebene geraten. Und ich möchte die mutigen Redner sehen, wenn heute von irgendeiner politischen Stelle ein Anathema gegen die H.Z. geschleudert würde. Wieviele […] würden treu bleiben?«178 Unmissverständlich waren diese Erläuterungen, die »Einheit« der Disziplin, ihre Bewahrung vor vermeintlich stets drohender politischer Spaltung war das allem übergeordnete Ziel Müllers. Eine allerdings dezidiert politische Entscheidung, als Herausgeber der HZ wollte Müller die deutschen Historiker »zur Politik 176 Müller an Srbik, 6. 3. 1941, BayHStA, NL von Müller 468. 177 Zur Kontroverse vgl. Oestreich, Wesen der Wehrgeschichte; Schmitthenner, Wehrpolitik; Oestreich, Nachwort. Zu Schmitthenner vgl. Grüttner, Lexikon, S. 152. 178 Kienast an Müller, 12. 2. 1941, Müller an Kienast, 21. 2. 1941, BayHStA, NL von Müller 466.

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erziehen«, eine Berücksichtigung der Ansprüche des NS-Staates war aus seiner Sicht für die erhaltene »Einheit« kein zu hoher Preis. Beiden »Seiten«, der Geschichtswissenschaft wie dem NS-Staat, präsentierte sich Müller als verständiger Vertreter der jeweiligen Interessen. Als in dieser Weise moderierender Herausgeber der HZ befand sich Müller nicht in Distanz oder gar Opposition zum Nationalsozialismus, im Gegenteil, er suchte den aus seiner Sicht wünschenswerten Wandel erfolgreich zu begleiten und zu befördern. Sein Beitrag zu einer nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft kann deshalb nicht hoch genug eingeschätzt werden, gerade bei der stets »lösungsorientierten« Antizipation ideologischer Vorgaben des NS-Staates. Für einen Nachruf auf seinen im Herbst 1938 verstorbenen Förderer Erich Marcks schlug Müller dem Autor eine Änderung vor. Unter »den Malern, deren Bilder seine Wohnung schmückten, schien es mir zweckmäßiger, anstelle von Max Liebermann Hans Thoma zu nennen, von dem er, wenn ich mich nicht irre, auch eine Landschaft besaß. Ich habe es mir länger überlegt, glaube aber, daß wir damit in seinem eigenen Sinn handeln würden.«179 Schließlich, bei allem von Müller betonten Wirken für die Disziplin, als Herausgeber der HZ hatte er auch für sich selbst eine herausgehobene Position erreicht. Anlässlich einer diffamierenden Besprechung der von Willy Andreas herausgegebenen »Großen Deutschen« durch Erich Botzenhart, einem Mitarbeiter des Reichsinstituts, verwies der Verlag auf diese Macht. Müllers Position sei »sehr stark und weitreichend. Ich möchte deshalb irgend eine persönliche Animosität bei ihm gegen unsere verlegerische Arbeit auf historischem Gebiete garnicht erst aufkommen lassen, weil ich mir davon, auch bei der Annahme der grössten Fairness bei Herrn von Müller, nichts Gutes versprechen kann.«180 5.1.3 Nationalsozialistische Geschichtswissenschaft und »Judenforschung« »Müssen wir diese kritiklose Anbetung des Affenmenschen wirklich bringen?«181 – Müllers Frage an Walther Kienast legte im März 1941 eine der Spannungen offen, unter denen seine Karriere als Historiker für den Nationalsozialismus stand. Zum einen konnte Müller als auch vor 1933 bereits angesehener Historiker weite Kreise der Disziplin zur fortgesetzten Mitwirkung an der HZ motivieren, zum anderen hatte er sich frühzeitig offen gezeigt für nationalsozialistische Fragestellungen. In gewissem Sinne personifizierte Müller selbst die Bandbreite historischer Forschung im Nationalsozialismus, von den eigenen historistisch-essayistischen Beiträgen bis zur Förderung der antisemitischen »Judenforschung« als dezidiert an den Prämissen des NS179 Müller an Karl Stählin, 6. 6. 1939, GStA, VI. HA, NL Karl Stählin 1 b, Nr. 141. Im Nachruf wurde u. a. ein Bild Thomas erwähnt, Liebermann blieb ungenannt, vgl. Stählin, Marcks. 180 Hans Roeseler (Deutscher Verlag) an Andreas, 14. 2. 1941, GLA, NL Willy Andreas 818. Die inkriminierte Rezension vgl. E. Botzenhart, Die großen Deutschen (Rez.). 181 Man müsse »bei allem, was Rassen- und Germanenfragen angeht, mit den Referenten doppelt vorsichtig sein«, vgl. Müller an Kienast, 9. 3. 1941, BayHStA, NL von Müller 466.

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Staates orientierter Subdisziplin. Solange eine thematische, methodische, auch habituelle Annäherung zwischen diesen Extrempunkten des Faches, entgegen Müllers Bestrebungen, sich nicht abzeichnete, nahm er diese »Integration« vor allem ad personam vor. Deshalb jedoch ist seine Förderung Walter Franks und Wilhelm Graus, seine Unterstützung des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands und seiner »Forschungsabteilung Judenfrage« nicht als Zugeständnis oder persönliche Eitelkeit aufzufassen, beide waren vielmehr unverzichtbare Bestandteile seines Wirkens für eine nationalsozialistische Geschichtswissenschaft. »Wenn ich die begabtesten Nationalsozialisten unter meinen Schülern gegeneinander abwägen« soll, so begutachtete Müller mit dezenter Einschränkung, müsse er »nach natürlichem Talent u. vorliegender wissenschaftlicher Leistung an die 1. Stelle unbedingt Herrn Dr. Walter Frank stellen«. Bereits die Dissertation zu Adolf Stoecker sei »ein voll ausgereiftes, in seiner Art meisterhaftes Buch, das von der Fachkritik aller Lager einstimmig, sowohl als Forscherleistung wie als künstlerische Gestaltung, als eine seltene Leistung von großem Wurf anerkannt wurde u. seinen jungen Vf. mit einem Schlag als eine der stärksten Hoffnungen unseres historischen Nachwuchses bekannt gemacht hat.« Frank sei eine »ausgesprochene, leidenschaftliche Führernatur.«182 Die Werbung Müllers hatte Frank nötig, in den ersten Monaten nach der Machtergreifung war sein späterer Aufstieg keineswegs absehbar.183 Auch im Dezember 1933 war Frank noch auf der Suche, bei Erich Brandenburg antichambrierte Müller für die Interessen seines Schülers: »Er war schon, wie er 1923 vom Gymnasium zu mir kam, überzeugter Nationalsozialist und ist seinen Weg all die 10 Jahre seitdem völlig geradlinig fortgegangen, ohne Rücksicht auf alle Widrigkeiten, mit denen er deshalb zu ringen hatte. Er ist ein junger Mann von großer Tatkraft u. ausgezeichneten Führereigenschaften, der deshalb auch immer schon andre an sich gezogen u. beeinflußt hat.«184 Im zweiten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft setzte Müller sein Werben fort. Gegenüber Johann Achelis, Personalreferent im preußischen Kultusministerium, verwies Müller auf Frank185, bis zum Jahresende jedoch blieb die »Unterbringung des bekannten Schriftstellers und Historikers Dr. Walter Frank« akut.186 Der wenige Wochen darauf folgende, öffentliche Angriff auf 182 Müller [Erklärung], 12. 6. 1933, BayHStA, MK 39698 (Unterstreichung im Original). Zur Biographie Franks wie zum langjährigen Einfluss Müllers vgl. Heiber, Frank sowie Asch, Frank, der diesen geprägt sieht durch »three man who were to influence him decisively – Erich Ludendorff, Adolf Hitler, and Karl Alexander von Müller.« Ebd., S. 6. 183 Noch im Juli 1933 hoffte Frank lediglich, Direktor der Reichstagsbibliothek werden zu können und bat Müller um Fürsprache bei Göring – »Nun kennen Sie, verehrter Herr Professor, ihn von 1923 her.« Vgl. Frank an Müller, 5. 7. 1933, BayHStA, NL von Müller 407. Zum Werben Müllers bei Göring vgl. Heiber, Frank, S. 103 u. 115. 184 Müller an Brandenburg, 17. 12. 1933, UBL, NL Erich Brandenburg 2.1.2. 185 Müller an Achelis, 26. 2. 1934, BayHStA, NL von Müller 407. 186 RMInn Frick an REM Rust, 19. 12. 1934, BArch, R 4901/2591, Bl. 36/37.

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Hermann Oncken war nicht zuletzt auch der erzürnte Aufschrei eines »alten Kämpfers«, der um seinen Anteil an der nationalsozialistischen »Revolution« fürchtete. »Erkennend kämpfen und kämpfend erkennen, und im Erkennen und Kämpfen die Seele der Nation zu formen – das ist Inhalt und Wesen dieser Geschichtsschreibung«. Noch bevor sein institutioneller Aufstieg begann, hatte Frank im Herbst 1934 in militärischem Duktus, im »Gleichschritt« von Kampf und Erkenntnis das Werk Heinrich von Treitschkes umrissen und zugleich seine Vorstellung einer nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft konturiert. Auch bereits namentlich Oncken attackierend, weniger Programmschrift als Aufruf, wurde Franks »Kämpfende Wissenschaft« zum Schlagwort einer Historiographie, die sich dem NS-Staat verschrieb, vor allem aber mit der Geschichtswissenschaft des späten Kaiserreichs brechen wollte.187 Müller selbst jedoch entstammte eben dieser Tradition und setzte sich keineswegs von ihr ab, dokumentierte seine Bindung vielmehr öffentlich durch die Publikation der »Zwölf Historikerprofile«. Einer für den Nationalsozialismus geeinten Geschichtswissenschaft wollte Müller den Weg ebnen, in Frank und seiner »Kämpfenden Wissenschaft« sah er das Potential, jüngere, nationalsozialistische Historiker für dieses Ziel einzubinden. Frank und Grau waren eine Option, die Karrieren Theodor Schieders und Fritz Wagners blieben eine andere, ebenfalls förderungswürdige. Die Forschungen des Reichsinstituts waren eine historiographische Option, die von Müller zugleich geförderten Editionen der Historischen Kommission eine andere. In diesem Sinne wurde Müller durchaus von »persönlichen Überzeugungen« geleitet, als er im Herbst 1936 die Leitung der »Forschungsabteilung Judenfrage« des Reichsinstituts übernahm, den Prestigegewinn nicht verachtend.188 Als »Brückenträger«189 mochte sich Müller dabei selbst wahrnehmen, eine Brücke allerdings, die Müller perspektivisch in eine Richtung, in den Nationalsozialismus beschritten sehen wollte. Bereits die ersten Planungen für das künftige Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands beinhalteten ein »Ehrenpräsidium«, bestehend aus Erich Marcks, Heinrich von Srbik und Müller.190 Noch wurde auch erwogen, ob das Institut von Müller oder Frank zu leiten wäre, zudem sollte die Münchner Historische Kommission – als deren Sekretär Müller amtierte – Tätigkeits-

187 Anlass des Vortrages war der 100. Geburtstag Treitschkes im September 1934, vgl. Frank, Kämpfende Wissenschaft, S. 15. Vgl. auch: Hömig, Zeitgeschichte; Etzemüller, Geschichte. 188 Ob Müller »bei der Übernahme des Amtes von persönlichen Überzeugungen geleitet wurde oder ob er es nur aus Prestigegründen annahm, ist unklar.« Vgl. Jedlitschka, Crämer, S. 105. 189 Angesichts seiner vielfältigen Verpflichtungen sehe er sich »überall schon nach einem Nachfolger um, muß aber im Augenblick wohl noch als Brückenträger aushalten, so sehr ich oft seufze.« Vgl. Müller an Kilpper (DVA), 18. 10. 1936, BayHStA, NL von Müller 444. 190 Vgl. Walter Frank an REM (Hinz), 25. 2. 1935, BArch, R 4901/2591, Bl. 51.

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bereiche wie die ADB abgeben.191 An allen genannten, bestehenden oder geplanten Institutionen partizipierte Müller. Es scheint, als hoffte er auf diesem Wege, seine Interessen möglichst gut wahren zu können. Als Sekretär der Historischen Kommission schrieb er Karl Brandi, dass er wegen Erkrankung nicht zur Sitzung der Reichskommission kommen könne: »Die Sitzung selbst scheint ja nur die Auflösung der Reichskommission beschliessen zu sollen, aber es wäre mir natürlich höchst wichtig gewesen, bei dieser Gelegenheit etwas über die geplanten Neuorganisationen überhaupt und insbesondere soweit sie unsere hiesige Kommission betreffen, zu hören. Hier ist das schlechterdings ganz unmöglich geworden, auch unser (früheres) Ministerium weiss gar nichts über diese Dinge.«192 Auf Müllers Engagement für »seine« Münchner Kommission wird einzugehen sein, die Reichskommission hingegen wurde sang- und klanglos aufgelöst. Als Gründung der Weimarer Republik, erst von Meinecke und schließlich von Oncken geleitet, mangelte es ihr nun an Verteidigern. Ihre Mitwirkung am Reichsinstitut, an der Institutionalisierung nationalsozialistischer Geschichtswissenschaft, begründeten die Historiker der älteren Generation in einer offenbar naheliegenden Metaphorik. Auch Erich Marcks verstand sich, Srbik und Müller als »Brücken von Vergangenheit u. Zukunft«, die »Kontinuität« solle gewahrt werden.193 Zwar müsse, so der in den Sachverständigenbeirat berufene Fritz Hartung, Frank »die Eignung für seinen Posten doch noch etwas besser beweisen […]. Aber mit persönlichen Empfindlichkeiten nützen wir, wie ich glaube, der Wissenschaft gar nicht. Und die letzte Rede Hitlers auf dem Parteitag über die deutsche Geschichte, die eigentlich eine scharfe Polemik gegen Rosenberg war, erweckt sogar die Hoffnung, dass die Wissenschaft sich behaupten kann.«194 Derart gewunden musste Müller seine Mitarbeit nicht begründen, für die Berufung zum Ehrenmitglied konnte er auch mit dem Hinweis auf frühe Verdienste danken: »Es ist mir eine stolze Genugtuung, daß der größere Teil der jungen Historiker, die jetzt dem Reichsinstitut angehören, ebenso wie sein Präsident, meine Schüler gewesen sind: in Zeiten, in denen es für sie wie für mich noch nicht leicht war, diesen Kurs zu steuern und durchzuhalten.«195 Als Ehrenmitglied und Mitglied des Sachverständigenbeirates assistierte Müller der Eröffnung des Reichsinstitutes im Oktober 1935 zudem mit einer öffentlichen »Kundgebung«. Das Reichsinstitut sei des »neuen Deutschlands erstgeborene geschichtliche 191 Denkschrift über den Aufbau geschichtswissenschaftlicher Forschungsinstitute, ebd., Bl. 54 – 60. 192 Müller an Brandi, 22. 4. 1935, SUBG, NL Karl Brandi 47, Nr. 286. 193 Marcks an Müller, 31. 5. 1935, BayHStA, NL von Müller 479. In gleicher Diktion – »als Brücke zu dienen zwischen alter u. neuer Generation« – Marcks an Srbik, 3. 9. 1935, abgedruckt in: Srbik, Korrespondenz, S. 424 f. Vgl. auch Nordalm, Staatssozialismus, v. a. S. 69 f. Kritisch zur Beteiligung Srbiks am Reichsinstitut stand Gerhard Ritter, vgl. Cornelißen, Ritter, S. 283 f. 194 Hartung an Siegfried Kaehler, 21. 9. 1935, SBB, NL Fritz Hartung 59. 195 Müller an Reichsminister Rust (REM), 6. 10. 1935, BArch, R 4901/2591, Bl. 134.

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Körperschaft«. Es habe durch »Leistungen zu erweisen, daß die junge deutsche Geschichtswissenschaft, bei aller unerbittlichen Strenge der Wahrheitsforschung, volksnah und lebensnah ist, […] ein leidenschaftlicher und unentbehrlicher Vorkämpfer in dem gewaltigen nationalsozialistischen Aufbau.«196 Den weiteren Auftritten des Reichsinstituts würde Müller fernbleiben, die aufstrebende »Judenforschung« konnte seiner weiteren Förderung als »senior scholar« aber gewiss sein.197 »Hoffentlich« erkenne man, so Wilhelm Mommsen im Herbst 1933, dass »für uns Historiker die Rasse eine vielleicht bisher zu wenig beachtete, aber eben doch nur eine Linie in der Mannigfaltigkeit historischer Bildungen ist.«198 Trotz intensiver Bemühungen blieb die Aufnahme des »Rasseproblems« in den historiographischen Kanon mühevoll, wie auch »Herr von Müller zugab«, da »allen Anforderungen der Wissenschaft entsprechende Arbeiten […] nicht leicht zu bekommen« seien.199 Müller selbst verblieb bei einer metaphorischen, wenn auch gehäuften Verwendung von Begriffen wie »Rasse« oder »Blut«.200 Keinen Abbruch tat dies seiner Förderung entsprechender Studien respektive der Verhinderung unerwünschter Beiträge zum neu erschlossenen Forschungsfeld. Als sein Doktorand Alois Dürrwanger 1935 seine Dissertation zur Entwicklung des Augsburger Stadtteils Kriegshaber einreichte, hielt Müller fest: »Wissenschaftlich der wichtigste und bedeutendste Teil der Arbeit ist der über die Judengemeinde«. Auf Anraten Max Spindlers habe Dürrwanger vorgeschlagen, diesen Abschnitt einzureichen. Es sei, so Müllers Gutachten, »ohne Zweifel der ergiebigste und am meisten in sich abgeschlossene Teil. Aber er widerspricht in der ganzen ihm zugrundeliegenden Gesinnung so sehr der Weltanschauung unseres Staates, daß ich für meine Person nicht imstande bin ihn anzunehmen, und glaube, daß es auch für die Fakultät, von meiner Person abgesehen, nicht möglich ist, das zu tun. Ich beantrage im Gegenteil, dem Verf. ausdrücklich mitzuteilen, daß es der Fakultät nicht möglich ist, diesen Teil als Doktorarbeit anzunehmen. Er muß aus der Arbeit, soweit sie als Dissertation dienen soll, völlig ausscheiden.«

196 Vgl. den Bericht im Völkischen Beobachter: »Das Sturmfähnlein des Führers!«, S. 5. 197 Rupnow, Judenforschung, S. 69. Dem als »Judenforschung« subsumierten, »transdisziplinär ausgerichteten geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschungszusammenhang« (vgl. Rupnow, »Arisierung«, S. 352) ist bereits mehrfach Aufmerksamkeit zuteil geworden. Neben den Arbeiten Rupnows ist u. a. hinzuweisen auf eine lange unbeachtet gebliebene Studie: Weinreich, Hitler’s Professors (1946) sowie auf: Papen, »Scholarly« Antisemitism; Steinweis, Studying the Jew ; Junginger, Verwissenschaftlichung. 198 Mommsen an A.O. Meyer, 20. 10. 1933, BArch, NL Wilhelm Mommsen 397. 199 Wilhelm Oldenbourg an Günther Franz, 12. 3. 1934, BWA, Oldenbourg Verlag 244. 200 So pries Müller in seinem Geburtstagsglückwunsch an den Schriftsteller Max Halbe dessen Gesinnung, deren »lebendiger Blutstrom ja auch nicht wenige Ihrer schönsten Dichtungen erfüllt.« Vgl. Müller an Halbe, 3. 10. 1935, Monacensia, NL Max Halbe, MH B 194.

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Eben dies geschah, Dürrwanger wurde mit den restlichen Abschnitten seiner Arbeit promoviert.201 Hingegen sagte Müller die Arbeit seines Schülers Hans Oskar Laber über »Blut und Geist des Ausländers in der bayerischen Geschichte« weitaus mehr zu. Nur eine Woche vor seinem Gutachten zu Dürrwangers Dissertation befand Müller, Laber habe »mit erfreulicher Selbständigkeit sich an eine neuartige Aufgabe gewagt: die gelegentliche Durchdringung Bayerns mit fremdem Blut und fremdem Geist systematisch zu untersuchen.« Trotz der Mängel der Arbeit, ihr »Gegenstand erfaßt ohne Zweifel ein wichtiges Problem der bayerischen Geschichte, das in diesem Gesamtzusammenhang bisher noch nicht behandelt worden ist«.202 Als Lehrstuhlinhaber und einflussreiches Mitglied der Philosophischen Fakultät der Münchner Universität entschied Müller – nicht zuletzt mittels der Förderung oder Behinderung von Qualifikationsarbeiten – über wissenschaftliche Karrieren. Sein für diesen Forschungszweig aussichtsreichster Schüler Wilhelm Grau hatte unterdes im Sommer 1934 seine Dissertation zur Vertreibung der Juden aus dem spätmittelalterlichen Regensburg veröffentlicht und durchaus positive Besprechungen erhalten, eine Anstellung allerdings noch nicht gefunden.203 Im Frühjahr 1935 aber war die institutionelle Gestalt der deutschen Geschichtswissenschaft nicht zuletzt durch die Schüler Müllers als dringend veränderungsbedürftig ausgerufen worden. Walter Frank begann, sein Reichsinstitut zu planen: »Ich würde dann natürlich unter den sterilen Aktenpublikationen aufräumen – zumal einige von ihnen in Wahrheit nur der Unterbringung von Juden dienten«. Ob »Grau bereits eine finanzielle Grundlage für seine geplante Arbeit über die Judenfrage im 19. Jahrhundert« habe? Frank sei nicht abgeneigt, diese »wichtige Arbeit anstelle der Herren Goldschmidt und Rothfels zu setzen.«204 Zur Überbrückung, war Müller doch seit Jahren Fachgutachter, gewährte vorerst die DFG für einige Monate ein Forschungsstipendium für »Untersuchungen zur Judenfrage in Deutschland seit der Aufklärung«.205 Nachdem im Herbst 1935 schließlich das Reichsinstitut eröffnet worden war, erhielt auch Grau einen mit 400 RM monatlich dotierten Forschungsauftrag.206 Ebenfalls im Herbst 1935 publizierte Grau zwei für seine weitere Karriere als »Judenforscher« wichtige Veröffentlichungen. Vor allem die programma201 Gutachten Müller, 25. 6. 1935, UAM, O-Np-1935 [Dürrwanger Alois]. Unterstreichung im Original. 202 Gutachten Müller, 18. 6. 1935, UAM, O-Np-1935 [Laber Hans Oskar]. 203 Beispielhaft Percy Ernst Schramm: »Es ist sehr lohnend, nachzulesen, wie sich dies Wirtschaftsleben entfaltet und wie es Gegenkräfte auslöst, religiöse, wirtschaftliche und solche der Rasse, die der Verfasser im einzelnen analysiert.« Vgl. Schramm, Neue Bücher, S. 296. 204 Frank an Müller, 15. 3. 1935, BayHStA, NL von Müller 396. 205 DFG an Wilhelm Grau, 3. 5. 1935 (Karl Griewank an Brackmann zur Kenntnis), GStA, VI. HA, NL Brackmann 79, Bl. 192. Vgl. auch Mertens, DFG-Forschungsförderung, S. 190. 206 Präsident RI Walter Frank an Grau, 4. 10. 1935, BArch, R 4901/14105, Bl. 343.

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tische Schrift »Die Judenfrage als Aufgabe geschichtlicher Forschung« legte wesentliche Grundlagen für die »Judenforschung«, denn Grau präzisierte ihre Fragestellung: »Mit dem Begriff ›Judenfrage‹ sind alle jene Probleme gekennzeichnet, die in der Begegnung der Völker mit dem jüdischen Volk zu jeder Zeit in der Geschichte in Erscheinung getreten sind. Unter ›Judenfrage in Deutschland‹ verstehen wir also die Schnittfläche des deutschen und jüdischen Lebenskreises. Die Geschichte der Judenfrage ist somit nicht gleichbedeutend der Geschichte der Juden oder des Judentums.«Im Fokus der Betrachtung standen ausschließlich die mit dem Begriff »Judenfrage« beschriebenen, sich vermeintlich aus dem Zusammenleben von Deutschen und Juden ergebenden Probleme. Die Nachzeichnung dieser »Judenfrage« für alle historischen Epochen ergab für Grau eine »Geschichte der Judenfrage«, aus deren historiographischer Erforschung auch Erkenntnisse für die anstehende »Lösung der Judenfrage« zu generieren wären.207 Anwendung gefunden hatte diese Konzeption auch in Graus zweiter Monographie, der zugleich vorgelegten Untersuchung »Wilhelm von Humboldt und das Problem des Juden«.208 Grau wollte den »jüdischen Einfluss« auf Humboldt darstellen, reichte das Buch zudem noch vor Jahresende bei der Philosophischen Fakultät der Münchner Universität als Habilitationsschrift ein.209 Vor der Fakultät vertrat Müller das Ansinnen seines Schülers, Grau sei »ungewöhnlich begabt und von unermüdlichem Fleisse.« Auch habe ihn das neu gegründete Reichsinstitut bereits »als Leiter des an der Münchner Universität zu errichtenden Instituts für wissenschaftl. Erforschung der Judenfrage in Aussicht genommen«. Grau erstrebe daher zunächst keine Dozentur, sondern »die Vervollständigung seines wissenschaftl. Befähigungsnachweis durch den Dr. habil.«210 Eben diese Befähigung Graus jedoch zog das Gutachten Arnold Oskar Meyers in Zweifel. Für Meyer war Graus »These von der zerstörenden Wirkung des Judentums auf Humboldt unhaltbar«, in aller Deutlichkeit wies er für Humboldt den »Makel verjudeter Denkweise« zurück. Er hege »sehr ernste Bedenken gegen den wissenschaftlichen Geist des Buches«, Grau solle es als Habilitationsschrift zurückziehen. Nach diesem deutlichen Urteil ließ Müller den Habilitationsakt bis zum Januar 1937 »drei Vierteljahre ruhen«.211 Denn zu Recht durfte Müller im Frühjahr 1936 hoffen, dass sich sein Schüler, wenn auch die keine 21/2 Jahre nach der Promotion eingereichte Habilitationsschrift Mängel aufwies, in anderer Hinsicht würde profilieren können. Auch vermutete Müller, dass Meyer nicht nur aus wissenschaftlichen Gründen negativ über Graus Arbeit geurteilt hatte. Gegenüber Frank »rech207 208 209 210 211

W. Grau, Judenfrage als Aufgabe, Zitat S. 667. W. Grau, Wilhelm von Humboldt. Grau an Dekan Phil. Fak. UM, 5. 11. 1935, UAM, O-VII-103. Protokoll über die Sitzung des Fakultätsausschusses, 15. 11. 1935, UAM, O-III-10. Gutachten Meyer, 16. 3. 1936; Gutachten Müller, 27. 01. 1937, UAM, O-VII-103. Ausführlich zur Habilitation Graus vgl. Papen-Bodek, Judenforschung.

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nete« er mit dem langjährigen Konkurrenten ab, dieser werde »die Habilitation von Grau sehr erschweren, und ich muss erst noch sehen, wie ich diesen Streich parieren kann.« Meyer habe »hier durchwegs schließlich eine Art Mittelpunkt stiller Opposition gebildet«, es zuvor »verstanden, während des Weimarer Regimes hochzukommen, ohne sich zu kompromittieren.« Müller wollte nicht allein für den NS-Staat einstehen, es wäre richtig, wenn Meyer in Berlin »möglichst bald, ehe er noch Fuß gefaßt hat, gezwungen wird, etwa in einer öffentlichen Rede, unzweideutig Farbe zu bekennen.«212 Vorerst war Müller entschlossen, in diesem Wettbewerb die ihm zu Verfügung stehenden Ressourcen für Grau zu mobilisieren. Noch vor Müllers Übernahme der Herausgeberschaft hatte Frank für die HZ ein »Referat über Judenfrage« unter Leitung Graus vorgesehen213, tatsächlich erschien ab dem zweiten von Müller betreuten Heft die von Grau betreute Rubrik »Geschichte der Judenfrage«.214 Weitgehend auf Rezensionen beschränkt, bot sie der sich institutionalisierenden »Judenforschung« ein prominentes Forum, entlehnte das Ansehen der HZ wie auch das ihres Herausgebers für das neue Paradigma.215 Für den schwedischen Historiker Nils Ahnlund war der Wandel in der HZ – »Vieles, ja das meiste in der Zeitschrift ist wie vorher, auf einer hohen Ebene« – vor allem hier ablesbar, der »Umsturz« sei besonders »an der neu hinzugefügten periodischen Unterabteilung ›Geschichte der Judenfrage‹« zu erkennen.216 Als Patron der jüngeren, explizit als Nationalsozialisten auftretenden Historikerriege setzte sich Müller ein, nutzte auch seine Verbindungen in die Führungsebene des NS-Staates. An Rudolf Heß appellierte er, den vermeintlichen Angriffen gegen Frank Einhalt zu gebieten, zugleich verwob Müller seine eigene wissenschaftliche Biographie mit der des aufgestiegenen Schülers. Unter »den deutschen Gelehrten« sei er derjenige, der Frank »am längsten und genauesten kennt, der als akademischer Lehrer zuerst und dann als persönlicher Freund seinen außergewöhnlichen Weg vom Studenten der Geschichte bis zum Präsidenten des Reichsinstituts« miterlebt habe. Müllers Lob für Frank kannte keine Grenzen, vor allem aber schien ihn eines zu sorgen: »Das ganze Gebäude, das Walter Frank seit etwa zwei Jahren in mühseliger Arbeit aufgebaut hat, das wachsende Gebäude einer Neugestaltung unserer deutschen Geschichtswissenschaft im Geist der nationalsozialistischen Re212 Müller an Frank, 23. 3. 1936, BayHStA, NL von Müller 396. 213 Frank an Verlag, 24. 5. 1935, BWA, Oldenbourg Verlag 244. 214 Grau nutzte bereits das erste Erscheinen der Rubrik für einen Angriff auf eine an der Berliner Universität angenommene Dissertation (vgl. W. Grau, Um den jüdischen Anteil), in dessen Fortsetzung er sich mit Walter Frank gegen das noch bestehende Promotionsrecht für Juden engagierte, vgl. M. Berg, »Können Juden an deutschen Universitäten promovieren?«. 215 Das Referat erschien unter Leitung Graus regelmäßig bis einschließlich des dritten Heftes von Band 157 (1938), parallel dazu ein teils von Grau, teils vom Bibliothekar Volkmar Eichstädt verfasstes »Bücherverzeichnis zur Geschichte der Judenfrage«. Nach dem Zerwürfnis Graus mit Frank wurde nur die Bibliographie fortgeführt, bis Frank 1940 das Referat wiederbelebte. 216 Vgl. Ahnlund, Tysk historieforskning bzw. die Übersetzung seines Artikels durch das Reichsinstitut in: BArch, R 1/9, Bl. 29 – 35.

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volution, würde zusammenbrechen an dem Tage, an dem man den Mann herausnähme, der es geschaffen hat.«217 Auch die Planungen für das von Müller beim Habilitationsantrag Graus erwähnte Institut zur »Erforschung der Judenfrage« waren vorangeschritten. Zum April 1936 »errichtete« Frank eine »Abteilung Judenfrage für das Reichsinstitut«, die »Leitung übertrage ich Professor Karl Alexander von Müller, die stellvertretende Leitung und die Geschäftsführung« solle Grau übernehmen.218 Seit 1933 war Müller zum wichtigsten Förderer der »Judenforschung« geworden, vergleichbar seiner Leitung des Südost-Instituts begleitete er auch ihre Institutionalisierung, stellte sich als angesehener Repräsentant zur Verfügung und generierte für sich weiteren Einfluss bei der Etablierung einer neuen, vielversprechend erscheinenden historiographischen Subdisziplin. Angesiedelt in München, wurde die »Forschungsabteilung Judenfrage« des Reichsinstituts schließlich im November 1936 eröffnet. Den Festakt in der Großen Aula der Münchner Universität hatten Frank und Grau akribisch vorbereitet.219 Als Leiter der Abteilung übernahm Müller die begrüßende Ansprache, anwesend war auch sein früherer Schüler Rudolf Heß. Die Gründung der Forschungsabteilung, so Müller, sei mehr »als ein gewöhnlicher organisatorischer Akt der Wissenschaftspflege«, sie sei »auf dem Felde der Wissenschaft und der Hochschule selbst ein Akt der Revolution, der großen nationalsozialistischen Revolution Adolf Hitlers«. Mit der Ausrichtung der Abteilung breche man ein Tabu, man habe bereits viel Aufmerksamkeit erfahren, jedoch – »was dieses Institut leisten soll und leisten muß, ist wissenschaftliche Arbeit.« In kriegerischem Duktus, der seit 1933 zunehmend Müllers Ansprachen prägte, beantwortete er sich die Frage, was die »geschichtliche Forschung zum großen politischen Kampf ihres Volkes« beitragen könne: »Ihr Amt ist nicht, die unmittelbaren Kämpfe um die Macht zu führen. Aber Waffen kann sie schmieden für sie, Rüstungen kann sie liefern, Kämpfer kann sie schulen, den Geist kann sie erwecken und stählen für die Stunde des Ausharrens«. Als »Waffenstätte für den Kampf der Geister« erfülle die Forschungsabteilung ihren Zweck.220 Als Leiter würde Müller an der eigentlichen Tätigkeit der Forschungsabteilung kaum Anteil haben, in vielerlei Hinsicht allerdings unterschied sich sein weiteres Engagement für die »Judenforschung« nicht von dem für andere Forschungsrichtungen. Zuallererst spielte Müller weiter seine Hauptrolle als Beförderer wünschenswerter akademischer Karrieren. Wenige Wochen nach 217 Müller an Heß, 14. 7. 1936, enthalten in: Heiber (Bearb.), Akten der Partei-Kanzlei, Nr. 31004. Vgl. zudem ein fast wortgleiches Unterstützungsschreiben ein halbes Jahr darauf: Müller an Rust (REM), 9. 1. 1937, BArch, R 43 II/1228, Bl. 47 – 53. 218 Frank an Grau, 13. 2. 1936, BArch, R 1/6. 219 Vgl. die entsprechende Akte der Universität (UAM, Y-II-3, Bd. 1), so ließ auf Bitten Graus der Rektor für die Dauer der Eröffnung sämtliche Vorlesungen am 19. 11. 1936 ausfallen. 220 Müller, Ansprache (1937), S. 12 f. Zur Abteilung vgl. Rupnow, Judenforschung, S. 67 – 85; Papen, Schützenhilfe; M. Berg, Forschungsabteilung.

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der Eröffnung der Forschungsabteilung reichte Klaus Schickert seine von Müller betreute Dissertation »Jüdische Assimilation und antisemitische Bewegung in Ungarn« ein, in seinem Gutachten lobte Müller die Darstellung »der Madjarisierung des ungarländischen deutschen Bürgertums, die den eindringenden Juden sozusagen erst den Platz frei machte; der rassischen Voraussetzungen für die gegenseitige Assimilationsbereitschaft zwischen Ungarn und Juden.« Das letzte Kapitel zeige, wie »das Ergebnis von drei Menschenaltern Assimilation der Zusammenbruch Ungarns unter der Regierung Karolyis und die (überwiegend jüdische) ungarische Räterepublik waren, welche Volk und Staat von Ungarn zersetzten«. Müller bewertete die Dissertation als »eximium opus«, nur einige »kurze grundsätzliche Erörterungen über den Ritualmord […] würden m. Er. besser gestrichen, ich könnte sie jedenfalls nicht decken.«221 Als späterer Leiter des Frankfurter »Instituts zur Erforschung der Judenfrage«, Grau nachfolgend, zählte Schickert zu den einflussreichsten »Judenforschern«. Eine »Denkschule«, die sich in ihrer wissenschaftlichen Ausprägung fast ausschließlich aus Schülern Müllers zusammensetzte.222 Auch in den folgenden Jahren betreute Müller entsprechende Dissertationen – »Der Einfluss der Juden in der österreichischen Sozialdemokratie« und »Friedrich Schlegel und das Judentum«223 – oder merkte bei einer Arbeit über den »Einsatz einer ausserperiodischen Publizistik auf dem Gebiet der Weltkriegspropaganda« als Korreferent an: »Vermißt habe ich eine stärkere Herausarbeitung des jüdischen Anteils an der zersetzenden Propaganda, sowohl auf der deutschen wie auf der gegnerischen Seite.«224 Weiterhin hilfreich waren Müllers hervorragende Beziehungen zu Rudolf Heß, im Oktober 1937 empfing der »Führerstellvertreter« Müller und Grau zu »einem Bericht über die wissenschaftlichen Arbeiten und den Aufbau der Bibliothek zur Geschichte der Judenfrage in München.«225 Auch erschien Müller, nach der öffentlichkeitswirksamen Eröffnung der Forschungsabteilung, die Wiederaufnahme des Habilitationsverfahrens Graus nun aussichtsreicher. Zwar gestand er zu, auch sein Urteil zur Habilitationsschrift sei von der Wertschätzung der bisherigen Arbeiten Graus »abweichend«, ihn habe das Buch nicht »voll befriedigt«. Jedoch müsse man zugunsten Graus bedenken, dass »die bisherige Forschung Gutachten Müller, 16. 2. 1937, UAM, O-Np-1936/37 [Schickert Klaus]. Zu Schickert und zum Institut vgl. Papen-Bodek, Anti-Jewish Research; Rupnow, Institut. UAM, O-Np-1938 [Gerlach Aurelia]; UAM, O-Np-1938 [Busch Paul]. Gutachten Müller, 19. 2. 1938, UAM, O-Np-1937/38 [Spann Hans Joachim]. Während Müller auf diese Weise sein Profil als nationalsozialistischer Hochschullehrer schärfte, wurde seinem früheren Schüler Wolfgang Hallgarten der Doktorgrad entzogen, vgl. REM an Rektoren, 11. 2. 1938; Dekan Phil. Fak. Wüst an Rektor UM, 13. 4. 1938 UAM, O-Np-1924/25 [Hallgarten Wolfgang] sowie Harrecker, Degradierte Doktoren, hier S. 286 f. 225 Vgl. die Notiz »Forschungen zur Judenfrage« im Völkischen Beobachter. Die Konflikte um den Standort dieser Bibliothek mündeten 1941 in die Gründung des erwähnten Frankfurter Konkurrenzinstituts, vgl. Schiefelbein, Institut.

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[…] für dies wichtige, weitverzweigte Problem noch so gut wie keine Vorarbeiten geliefert« habe, die Studie sei ein »erster, bahnbrechender Versuch«, da könne die bemängelte Einseitigkeit des Verfassers nicht erstaunen. Für Müller handelte es sich bei aller berechtigten Kritik um »eine wissenschaftliche Leistung von Kaliber«, die »Flüchtigkeiten« könnten den »Gesamteindruck einer gründlichen und gewissenhaften Arbeit« nicht erschüttern. Vor allem aber verwies Müller auf die von Grau beim Aufbau der »Forschungsabteilung Judenfrage« geleistete Arbeit: »Da mir die wiss. Oberleitung über diese Abteilung übertragen ist, hatte ich Gelegenheit genug, ihn dabei genau kennen zu lernen. Seine Tätigkeit hat gezeigt, daß er den weiten Überblick über sein Arbeitsfeld nicht nur geistig besitzt, sondern auch organisatorisch aufbauend zu verwerten versteht.«226 Nachdem Grau in der wissenschaftlichen Aussprache jedoch einen desaströsen Eindruck hinterlassen hatte, musste Müller sein gesamtes Gewicht einsetzen, um zumindest den Erwerb des akademischen Grades durch seinen Schüler durchzusetzen.227 Bald jedoch sollten Frank und Grau vor allem an ihrem Anspruch, selbst zu »Geschichtemachenden« zu werden, scheitern. Bereits anlässlich der Initiative beider für ein Promotionsverbot für jüdische Absolventen hatte Martin Bormann bekundet, er wolle nicht, dass »die Durchführung rassischer Grundsätze, die auf der Weltanschauung des Nationalsozialismus beruhen, von dem guten Willen der Hochschulprofessoren abhängig gemacht« würde.228 Der von den Historikern des Reichsinstituts, federführend von Frank, angebotene historiographische Nachhilfeunterricht in Sachen nationalsozialistischer Weltanschauung war nicht gefragt. Vor allem dieses Missverständnis über ihre Rolle als Historiker im NS-Staat sollte Frank wie Grau noch während der NSHerrschaft sämtliche Ämter kosten. Zudem hatte sich zwischen beiden, nachdem Grau im Frühjahr 1938 eine »Denkschrift über die Aufgaben der deutschen Judenpolitik im Ausland« an Hitler gesandt hatte, ein heftiger Kompetenzstreit entsponnen, der die »Judenforschung« für Jahre beschäftigen und institutionell spalten sollte.229 Für Müllers Ziel einer für den Nationalsozialismus geeinten Geschichtswissenschaft erwies sich die Konfliktfreudigkeit Franks und Graus als kontraproduktiv. Als Grau im Mai 1938 doch noch eine Lehrerlaubnis beantragte, strich der zuständige Dekan Walther Wüst die zunächst vorgesehene Befürwortung: »Präs. v. Müller war am Anfang Juni bei mir und hat in anbetracht der ungeklärten Verhältnisse dilatorische Behandlung empfohlen.«230 Auch 226 Gutachten Müller, 27. 1. 1937, UAM, O-VII-103. 227 Vgl. die umfangreiche Überlieferung der Münchner Universität: UAM, Sen-II-428 sowie OVII-103; sowie ausführlich zum Verfahren Papen-Bodek, Judenforschung, S. 249 – 257. 228 NSDAP, Stellvertreter des Führers (gez. Martin Bormann) an REM/RMInn, 15. 10. 1936, BArch, R 4901/770, Bl. 41 f. 229 V. a. zur Denkschrift vgl. Rupnow, Judenforschung, S. 81 – 85. 230 Grau an REM (weiter an Phil. Fak. UM), 6. 5. 1938; Dekan Phil. Fak. über Rektor UM an REM, 11. 5. 1938 (mitsamt zitierter handschriftlicher Streichung und Notiz), UAM, O-VII-103.

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Frank hatte die unbegrenzte Unterstützung verloren, nachdem er für den vakanten zweiten historischen Lehrstuhl der Münchner Universität seinen Kandidaten Kleo Pleyer gegen den von Müller bevorzugten Ulrich Crämer durchzusetzen versuchte – erfolglos, Müller behielt die Oberhand.231 Gänzlich beenden würde Müller jedoch weder seine Unterstützung für die »Judenforschung« noch für Frank, schließlich hätte ein strikter Bruch die eigenen Zielsetzungen konterkariert. Im »Gesamtkanon« seines Wirkens im NS-Staat waren Reichsinstitut und »Judenforschung« bedeutsame Teilaspekte, die wesentlich zur Wahrnehmung Müllers als Historiker für den Nationalsozialismus beitrugen. Im Februar 1937 musste Müller zu seinem Bedauern einen Vortrag in Wien absagen: »Der heurige Winter, mit einem neuen Kolleg + Akademie + HZ + Judeninstitut hat mir […] doch so zugesetzt, daß der Arzt mir unbedingt einige Wochen gründliche Ausspannung befohlen hat.«232 Auf die Akademie wird im folgenden Kapitel einzugehen sein, mit der Universität, der HZ und der »Forschungsabteilung Judenfrage« hatte Müller jedoch die wesentlichen drei Säulen seiner Karriere als Historiker seit 1933 benannt. Als »gemässigte Persönlichkeit«233 gelang es Müller, die widersprüchlichen Anforderungen der von ihm eingenommenen Rollen – vom Gewährsmann der traditionellen bis zum Protagonisten der nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft – zumindest für eine gewisse Zeit zu vereinen. Zum einen bilde Müller, so Nils Ahnlund, schon »seit längerer Zeit ein Verbindungsglied zu der nationalsozialistisch orientierten Forschung«, durch »seine Verbindungen« sei er »gleichzeitig für das Regime brauchbarer Unterhändler mit anderen traditionellen Richtungen auf nationaler Basis.«234 Auftritte, die diese mindestens doppelte Loyalität auf eine nicht bestehbare Probe gestellt hätten, vermied Müller tunlichst. Sowohl den einzigen in der NS-Zeit veranstalteten Historikertag 1937 in Erfurt als auch den Internationalen Historikertag 1938 in Zürich sagte er wegen Erkrankung ab.235 In Erfurt trat das Reichsinstitut, neben dem Verband Deutscher Historiker, als Mitveranstalter auf. Frank war bemüht, die Tagung als traditionsgebundene Amtsübergabe an die nationalsozialistische Geschichtswissenschaft zu inszenieren, bezeichnete den Historikertag in Analogie zur Politik als »Tag von Erfurt«.236 Dass er, so Müller an Otto zu Stolberg-Wernigerode, Erfurt »fallen lassen mußte, war mir sehr schmerzlich«, doch konnte er eine Variation der bereits erprobten Auflistung als Grund anführen: »eine neue Professur, die Vgl. Jedlitschka, Crämer, S. 121 – 128. Müller an Heinrich von Srbik, 22. 2. 1937, HiKo I Band 288. Wilhelm Oldenbourg an Adalbert Wahl, 4. 12. 1935, BWA, Oldenbourg Verlag 244. Vgl. Ahnlund, Tysk historieforskning bzw. dessen Übersetzung durch das Reichsinstitut. Zu Erfurt vgl. P. Schumann, Historikertage, S. 406 – 434; zu Zürich vgl. Erdmann, Ökumene, S. 221 – 245. 236 Frank, Historie und Leben, S. 5. Vgl. auch Raßloff, Historikertag 1937. Müller war mit einem Vortrag über »Probleme der wilheminischen Zeit« eingeplant, vgl. Heiber, Frank, S. 711.

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Akademie, das Judeninstitut, 2 Kommissionen, dazu im letzten Semester 3 Hist. Habil. Arbeiten u. 12 Dissertationen, das reichte.«237 Die Fahrt nach Zürich als Teilnehmer des Internationalen Historikertags hingegen scheint Müller ernsthaft geplant zu haben, der Herausgeber der Corona Martin Bodmer hatte sich als Gastgeber angeboten, auch der Schriftleiter der Zeitschrift erwartete Müller.238 Unter den vom Reichswissenschaftsministerium genehmigten Teilnehmern war er aufgeführt239, in seiner Terminplanung berücksichtigte Müller, wenn auch in wenig begeistert erscheinendem Tonfall, die Tagung: »Ich habe dann Ende August / Anfang September als Mitglied der deutschen Abordnung am Internationalen Historikerkongreß in Zürich teilzunehmen.«240 Ob Müller tatsächlich erkrankte, sich kurzfristig gegen die Teilnahme entschied oder seinen festen Auftrittswillen vortäuschen wollte, er sagte ab.241 Die zahlreichen Ämter forderten ihren Tribut. Ein Blick in Müllers Schriftenverzeichnis verrät rasch, zwischen 1936 und dem Kriegsbeginn war seine Publikationstätigkeit fast vollständig zum Erliegen gekommen. Unter einigen Ansprachen, Geleitworten und Wiederveröffentlichungen verlieren sich kaum ein Dutzend neuer Beiträge, von wissenschaftlicher Produktion ohnehin zu schweigen. Weiterhin, wie bereits vor 1933, erhielt Müller vor allem aus den Reihen der traditionell orientierten Geschichtswissenschaft Zuspruch für seine literarischen Fähigkeiten. Auf dem Höhepunkt des Engagements Müllers für eine nationalsozialistische Geschichtswissenschaft dankte ihm Arnold Oskar Meyer, er habe »seit langem nichts gelesen, was sich an künstlerischer Gestaltungskraft, an Plastik und Farbe, an Tiefe und Zartheit der Charakteristik mit diesen beiden literarischen Portraits vergleichen ließe.« Daneben stehe »das Bedauern, daß Sie sich so viel u. vielerlei haben aufbürden lassen«, Müller solle »alles abstoßen«, um »Zeit zu gewinnen für das, was die Anderen eben nicht können!«242 Die Begeisterung Meyers hatte zwei kleinen biographischen Skizzen gegolten.243 Vor allem sein Beitrag zu Tirpitz scheint Müller selbst sentimental gestimmt zu haben. Dem ehemaligen Konteradmiral Adolf von Trotha sandte er den Aufsatz in Erinnerung an die

237 Müller an Stolberg, 1. 8. 1937, HiKo I Band 289. 238 Bodmer an Müller, 20. 7. 1938, BayHStA, NL von Müller 417; Herbert Steiner an Müller, 30. 6. 1938, BayHStA, NL von Müller 444. 239 REM »Betrifft den VIII. Internationalen Kongreß für Geschichtswissenschaft […] in Zürich«, 21. 7. 1938, BayHStA, NL von Müller 417. 240 Müller an Ratsherr (Stadt München), 2. 8. 1938, BayHStA, NL von Müller 299. Zudem hatte Müller sich der Mühe unterzogen, die Verwendung eines Vortragshonorars in Schweizer Franken für die Aufenthaltskosten seiner Frau zu beantragen, vgl. Genehmigungsbescheid Oberfinanzpräsident München an Müller, 26. 8. 1938, BayHStA, NL von Müller 417. 241 Müller an Hoffmann (Sekretär des Organisationskomitees), 25. 8. 1938; Müller an Nabholz (Präsident des Organisationskomitees), 25. 8. 1938, BayHStA, NL von Müller 417. 242 Meyer an Müller, 26. 11. 1937, BayHStA, NL von Müller 480 (Unterstreichung im Original). 243 Müller, Karl Haider (1937); Tirpitz (1937).

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»Zeit der ›Süddeutschen Monatshefte‹«, er hoffe Tirpitz »auch in unserem neuen Geschichtsbild« die gebührende Stellung zu sichern.244 Sein Aufstieg bescherte Müller zahllose Verlagsangebote, auf die freudige Annahme folgte jedoch zumeist keine Einlösung.245 Es wäre auch fraglich gewesen, in welcher historiographischen Gestalt Müller hätte auftreten sollen. Zwischen der postulierten »Volks- und Rassengeschichte« und seinen sich in traditionellen Bahnen bewegenden Veröffentlichungen konnte eine Verbindung kaum gelingen. Die Entscheidung für eine Ausrichtung aber widersprach Müllers Wunschrolle als die Strömungen der Geschichtswissenschaft in seiner Person vereinender Historiker für den Nationalsozialismus. Als Wissenschaftsorganisator nahm Müller zudem auf die historiographische Entwicklung tendenziell stärker Einfluss als durch eigene Forschungen. Doch auch hier wollte eine Auswahl getroffen sein. Sein Gesuch um Entbindung von der Leitung des Südost-Instituts im Januar 1936 verband Müller mit dem Hinweis auf »noch dringendere Aufgaben«, zudem bat er um Beurlaubung, da er mit der Festrede zur Reichsgründungsfeier der Münchner Hochschulen beauftragt worden sei.246 Die Fortführung der Reichsgründungsfeiern war für die Universitäten nach 1933 durchaus heikel, denn der NS-Staat etablierte einen eigenen, konkurrierenden Festtagskalender. Die Hamburger Universität folgte diesem: Feierte man 1934 zugleich den 18. Januar wie den 30. Januar, wurde sich ab 1935 auf den Jahrestag der Machtergreifung beschränkt.247 Auch die Münchner Feier fand am 30. Januar 1936 statt, zum dritten Jahrestag des Beginns nationalsozialistischer Herrschaft wollte Müller den Weg »Vom alten zum neuen Deutschland« nachzeichnen. Ein gern gewähltes Thema, auch in Müllers Rede vor der Deutschen Akademie ein knappes Jahr zuvor hatte vor der Folie der »Probleme des zweiten Reiches« das »Dritte Reich« leuchten sollen. Bereits am Abend des 30. Januar 1933, so führte Müller nun ein, sei sich jedermann einer »Wende« bewusst gewesen. Doch ihre Bedeutung habe man nicht erkennen können, mehr »wie ein Traum als wie eine Wirklichkeit« erschienen die vergangenen sechsunddreißig Monate, ein »neues Ideal völkischer Gemeinschaft auf allen Gebieten«. Historisch dienten Müller erneut die Jahre nach der Napoleonischen Zeit als Bezugspunkt, auch dem technischen, wirtschaftlichen 244 Vgl. Müller an Trotha, 26. 11. 1937 sowie den Dank Trothas an Müller, 30. 11. 1937, NLA StA Bückeburg, NL Adolf von Trotha, Dep. 18 A Nr. 224/1 u. 224/2. 245 Müller übernahm u. a. zwei Kapitel für das von A. O. Meyer herausgegebene »Handbuch der deutschen Geschichte«, den Abschnitt »Nationalitätenbewegung und Staatenbildung 1850 – 1890« in Willy Andreas’ »Neuer Weltgeschichte«, für die »Sammlung Göschen« zwei Bände (»Deutschland in der Welt- und Empire-Politik von 1871 bis heute« u. »Von der Reichskrise zum Zusammenbruch (1890 – 1919)«) sowie die Herausgabe der Sammlung »Weltrevolutionen in Dokumenten«, vgl. sämtliche Korrespondenz in: BayHStA, NL von Müller 434. 246 Müller an Stiftungsratsvorsitzenden K. A. Fischer, 19. 1. 1936, BayHStA, MK 71455. 247 Vgl. Schellack, Nationalfeiertage, S. 277 – 283 sowie zur Universität Hamburg: Guhl, Reichsgründungsfeiern, S. 97 f.

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und sozialen Wandel des 19. Jahrhunderts widmete er sich wiederum. Nun allerdings erschien der Fortschritt weniger bedrohlich – nicht »wie der heutige Reisende, rasch, bequem, im Vorüberfliegen eines einzigen Tages im Auto« sondern »in der mühseligen Postkutsche« bewegte sich das »alte Deutschland«. Noch ließ Müller den aus früheren Vorträgen bekannten, romantisierenden Reigen der Ursprünglichkeit dezent anklingen, das gezeichnete Gegenbild aber war gänzlich verschieden. Nun sehe man »ein politisch und wirtschaftlich aufs straffste zusammengefaßtes Volk: ein Führer hält alle Zügel seiner Herrschaft in der Hand, ein Heer schützt unter seinem Befehl die ganze Nation, eine einheitliche Bewegung von unerhörter Stärke trägt seinen Willen über das ganze Volk«. Herbeigeführt hätten diesen Wandel die »beiden mächtigsten Kraftströme« des letzten Jahrhunderts, Nationalismus und Sozialismus, doch über »beiden steht als gemeinsames höchstes Ideal das Volk.« Müller sprach auch über die Zeit Bismarcks und des Weltkriegs, doch war sein Fokus nun deutlich verändert, nicht mehr die »Probleme des alten«, sondern die Lobpreisung des »neuen Deutschland« prägte den Vortrag.248 Die Sammlung, der »Vom alten zum neuen Deutschland« den Titel gab, vereinte publizistische Beiträge Müllers seit den ersten Wochen des Weltkrieges und sollte seinen Weg in den Nationalsozialismus nachzeichnen. Entsprechend leitete Müller ein: »Wer im Jahr 1933 schon um die fünfzig war, kann vielleicht seinem Wesen nach als Nationalsozialist geboren sein; aber aufgewachsen ist er noch in einer anderen Welt und hat aus ihr seinen Weg zum neuen Deutschland finden müssen.« Auch beschrittene Umwege wolle er mit dem Buch offenlegen, er zeige »nur einen Weg zum neuen Deutschland unter vielen anderen, ein Rinnsal unter Hunderten, die erst der Führer zu einer neuen mächtigen Einheit zusammengefaßt hat.«249 An Heß sandte Müller den Band persönlich, es seien Aufsätze aus Jahren, in »denen es mir vergönnt war, zuerst persönlich mit Ihnen in Berührung zu treten«. Dies verkehrte die tatsächliche Perspektive der frühen 1920er Jahre ins Gegenteil, doch Heß dankte, mit »den begleitenden Zeilen haben Sie mir eine wirkliche Freude bereitet«.250 Müller wollte dokumentieren, früh auf dem richtigen Weg gewesen zu sein. Ohne ihn namentlich zu nennen, zitierte er im Vorwort aus Gerhard Ritters Kritik an seiner mehr als zehn Jahre zuvor veröffentlichten Sammlung »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter«. Ein »kluger Kritiker« habe damals die Beiträge als »zu gefühlsbetont« bezeichnet, ihre »politischen Ziele aber seien nicht ernst zu nehmen.« Der Vorwurf, so Müller, die »Grenzen des Zunftmäßigen überschritten zu haben«, sei ihm »jahrelang in meinem Beruf zum äußeren Hemmnis« geworden, doch »konnte kein Lob mir lieber sein (auch wenn es in der Absicht des Tadels gereicht wurde), als daß in diesen 248 Der Vortrag ist erst im Herbst 1938 in der gleichnamigen Sammlung gedruckt worden, vgl. Müller, Vom alten zum neuen Deutschland (1938), Zitate S. 300 f, 302, 305, 312. 249 Müllers Vorwort in: Vom alten zum neuen Deutschland. Aufsätze und Reden (1938), S. 7 f. 250 Müller an Heß, 21. 12. 1938; Heß an Müller, 5. 1. 1939, BayHStA, NL von Müller 480.

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Schriften etwas vom Herzschlag der Zeit und vom unverbildeten Gefühl des Volkes zu spüren war. Beides hat mich schon in jenen trüben Jahren des Weimarer Zwischenstaates mit der aufwachenden Jugend des Dritten Reiches verbunden und hat mir ermöglicht, unter ihr eine lebendige wissenschaftliche und politische Saat auszustreuen.« Als Historiker für den Nationalsozialismus sah sich Müller am Ziel.251

5.2 Institutionalisierte Wissenschaft und NS-Staat Im Juli 1935 musste Müller einen versprochenen Beitrag für das Sammelwerk »Die großen Deutschen. Neue deutsche Biographie« absagen, er sei schlicht überlastet: »Ich kann nur sagen, dass ich für meine Person hundertmal lieber schreiben als Verwaltungsgeschäfte erledigen würde, und dass es nur die grossen verantwortungsvollen Aufgaben der Gegenwart sind, die mich zwingend bisher auf meinen Verwaltungsposten festgehalten haben und dadurch verhinderten, meinen literarischen Aufgaben nachzukommen.«252 Entgegen dem ausdrücklich bekundeten Wunsch befand sich Müller allerdings kurz vor der Übernahme weiterer Verpflichtungen, zum einen war seine Herausgeberschaft der HZ so gut wie gesichert, zum anderen stand Müller als Kandidat für die vakante Präsidentschaft der Bayerischen Akademie der Wissenschaften vor einem einflussreichen wissenschaftsorganisatorischen Amt. Als Vertrauensmann der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik und zugleich respektierter Vertreter traditioneller wissenschaftlicher Institutionen verfügte Müller, der sich in seiner Karriere gegenüber institutionellem Einfluss ohnehin nicht abgeneigt gezeigt hatte, über eine ebenso gefragte wie seltene Eignung. Das Verhältnis von NS-Staat und institutionalisierter Wissenschaft ist, nachdem für lange Zeit vor allem die Universitäten untersucht worden waren253, in den vergangenen Jahren vermehrt in den Fokus wissenschaftshistorischer Untersuchungen gerückt. Institutionen der wissenschaftlichen Forschung254 beziehungsweise ihrer Förderung255 haben Aufmerksamkeit gefunden, weniger hingegen die Entwicklung der wissenschaftlichen Akademien.256 Müllers Vorwort in: Vom alten zum neuen Deutschland. Aufsätze und Reden (1938), S. 8 f. Müller an Willy Andreas/Wilhelm von Scholz, 15. 7. 1935, GLA, NL Willy Andreas 817. Vgl. zuletzt Grüttner u. a., Berliner Universität. Vor allem die Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ist umfassend erforscht worden, neben der Studie zur Generalverwaltung (Hachtmann, Wissenschaftsmanagement) vgl. überblickend Kaufmann (Hg.), Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. 255 Orth/Oberkrome (Hg.), Deutsche Forschungsgemeinschaft. 256 Allerdings ist die Preußische Akademie Gegenstand der Erforschung gewesen, vgl. W. Fischer (Hg.), Preußische Akademie. Als allgemeineren Überblick vgl. Seidler (Hg.), Elite.

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5.2.1 Der Präsident als Führer? Zur Bayerischen Akademie der Wissenschaften Der vielbeschworene »Rektor als Führer« hatte Müller nicht sein wollen, weniger aus Bescheidenheit denn aus Einsicht in eine zielführende Art der Leitung wissenschaftlicher Institutionen. Das seit 1933 auch für den Bereich der Wissenschaft postulierte »Führerprinzip« blieb oftmals eine leere Hülse, kollidierte zudem rasch mit den Ansprüchen wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit, die der NS-Staat nicht zuletzt im Rahmen der Ressourcenmobilisierung des »Vier-Jahres-Planes« benötigte.257 Die Vorstellung einer per Direktive gelenkten Wissenschaft – durch Männer, die »wir als Führer anerkennen«258 – blieb aber ein stets zu berücksichtigender Aspekt für wissenschaftliche Institutionen im Nationalsozialismus, auch wenn sie wie Akademien oder Kommissionen sich per Kooptation ergänzten und Beschlüsse in geheimer Abstimmung aller Mitglieder fassten. In den Jahren seiner zweifachen Ankunft, erst in der Weimarer Republik, dann vor allem im Nationalsozialismus, war Müller ein akzeptiertes, jedoch weitgehend unauffälliges Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften geblieben. Im Juni 1931 trug er vor der Philosophisch-historischen Abteilung zu den von ihm edierten »Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst« vor259, im Juli des folgenden Jahres berichtete er »über neu aufgefundene Briefe und Denkschriften Rankes und Sybels aus ihrem Verkehr mit König Maximilian II. von Bayern«.260 Ambitionen auf eine herausgehobene Stellung, etwa eines Klassenbzw. Abteilungssekretärs, hatte er nicht zu erkennen gegeben.261 Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten änderte sich für die Akademien in Deutschland strukturell vorerst nur wenig, auf die im April 1933 mit dem »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« beginnende Entlassung jüdischer Mitarbeiter der Akademiekommissionen wird einzugehen sein. Über ein »akademiepolitisches Konzept« verfügte die entstehende na-

257 V. a. zur Aufrüstung vgl. Maier (Hg.), Rüstungsforschung. 258 »Wir ringen besonders mit dem Problem, wie und ob eine aus der neuen Weltanschauung entstehende Umstellung aller kulturellen Bereiche erfolgt oder erfolgen kann. […] Wir wollen zu diesem Abend eine Reihe von Männern einladen, die uns auf verschiedenen Gebieten etwas zu sagen haben und die wir als Führer anerkennen.« Vgl. Staatl. Kameradschaftshaus der Dt. Studentenschaft München an Müller, 27. 1. 1936, BayHStA, NL von Müller 458. 259 Müller, Dritte deutsche Reichskanzler (1932). 260 Vgl. Sitzungsberichte der Philosophisch-historischen Abteilung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1931/32, Schlussheft, 15. 261 Die Philosophisch-historische Abteilung teilte sich in zwei Klassen, eine Historische und eine Philosophisch-philologische, die Mathematisch-naturwissenschaftliche Abteilung war nicht geteilt. Beiden Abteilungen standen je zwei Sekretäre zu, bei der Philosophisch-historischen Abteilung ist daher teils von Klassen-, teils von Abteilungssekretären die Rede.

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tionalsozialistische Wissenschaftsverwaltung zunächst nicht.262 Noch im Juni 1933 bestätigte das Kultusministerium: »Die Bayerische Akademie der Wissenschaften ist […] eine Gelehrtenvereinigung, die sich selbst ergänzt. Die Verleihung der Mitgliedschaft bei der Akademie als Staatsauszeichnung kommt nicht in Frage.«263 Offenkundig bestanden keine Vorstellungen, ob und wie auf Struktur wie Mitgliedschaft der Akademie Einfluss zu nehmen sei. So entstand der erste Vorstoß zu einer Änderung der Verhältnisse der Bayerischen Akademie auch nicht im Münchner Kultusministerium, sondern verdankte sich einer Initiative des aus Bayern stammenden, jedoch in Gießen lehrenden Zoologen Max Dingler. Dieser schlug ab 1934 in verschiedenen, teils an den »Stab des Stellvertreters des Führers«, teils an das Kultusministerium gerichteten Denkschriften eine Trennung der staatlichen Sammlungen von der Akademie mitsamt anschließender Neuordnung unter seiner Leitung vor.264 Zu einer Ende Mai 1935 im Kultusministerium deshalb abgehaltenen Besprechung wurde auch Müller, obwohl in der Akademie ohne Amt, hinzugezogen. Im Gegensatz zum anwesenden Akademiepräsidenten Leopold Wenger befürwortete Müller, wenn auch abwägend, die Abtrennung der Sammlungen: »Wenn ich aus meinen zehnjährigen Erfahrungen als Syndikus heraus sprechen darf, so ist grundsätzlich zu sagen: Die Verbindung der Akademie und der wissenschaftlichen Sammlungen ist nicht sachlich unbedingt notwendig, sondern ist historisch zufällig entstanden aus der Tatsache, daß die Akademie um 70 Jahre älter ist als die Universität«. Allerdings sei die Verbindung nun »ziemlich fest ineinandergewachsen und die Trennung muss sehr genau überlegt werden.« Früher »waren die Akademiepräsidenten lebenslänglich im Amt; formell sind sie zwar immer auf drei Jahre ernannt worden, doch die Amtszeit wurde stets verlängert. Nunmehr, seit 1918/19 haben wir aber den Zustand, daß die Präsidenten gewählt werden, und zwar alle drei Jahre. Der Zustand ist zweifellos für die Sammlungen ungünstig, das ist nicht zu bestreiten. In drei Jahren wird der Präsident kaum richtig warm«.265 Zweifellos erklärte vor allem Müllers langjährige Tätigkeit als Syndikus seine Anwesenheit, doch hatten sich bezüglich der Akademiepräsidentschaft zuvor weitere Entwicklungen ergeben, die auch andere Erwägungen überlegenswert erscheinen lassen.266 262 Entsprechend zur Preußischen Akademie vgl. Rebenich, Anpassung, hier S. 207. 263 KM (Schemm) an Josef Müller, 10. 6. 1933, BayHStA, MK 40332. Zum Kultusministerium in der NS-Zeit vgl. W. Müller, Staatsministerium; Willoweit, Hochschul- und Wissenschaftspolitik. 264 Die Verhandlungen zwischen Stab, Ministerium, Akademie und Dingler sind hier nicht zu referieren, ebenso wenig die Neuordnung der Sammlungen. Vgl. Litten, Trennung. Allerdings waren Müller und Dingler seit Jahren befreundet, siehe Teile ihrer Korrespondenz in BayHStA, NL von Müller 248. 265 Protokoll der »Besprechung über die Neuregelung der wissenschaftlichen Sammlungen des Staates«, 28. 5. 1935, BayHStA, MK 40405, hier S. 22 – 24. 266 Ausführlich zur Rolle Müllers in der Akademie vgl. M. Berg, Bayerische Akademie; zur Akademie im Nationalsozialismus eine Reihe von Beiträgen in Willoweit (Hg.), Denker sowie den entsprechenden Abschnitt in Heydenreuter/Krauß (Hg.), Helle Köpfe, S. 211 – 232.

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In der ersten öffentlichen Sitzung der Akademie im Nationalsozialismus im Mai 1933 hatte der seit dem Vorjahr amtierende Präsident Wenger betont, dass »die Wissenschaftspflege an dem Werke einer nationalen Erhebung immer teilgehabt hat und jetzt und in aller Zukunft daran teilzuhaben als vaterländische Pflicht empfinden muß.«267 Auch die alsbald einsetzenden Verhandlungen bezüglich der staatlichen Sammlungen führte Wenger als Präsident. Der ehemalige Syndikus der Akademie und seit Herbst 1933 als Dekan der Philosophischen Fakultät in der Münchner Wissenschaftslandschaft an Einfluss gewinnende Müller wurde nicht erwähnt.268 Doch wurde Anfang Mai 1935 bekannt, dass Wenger einen Ruf nach Wien angenommen hatte und infolgedessen eine Präsidentenwahl notwendig würde.269 Notwendig – aber aus anderer Perspektive betrachtet auch möglich. Für Müllers Anwesenheit bei der Besprechung zur geplanten Loslösung der staatlichen Sammlungen am Ende des Mai können demnach auch bereits andere Gründe als seine frühere Stellung als Syndikus gesprochen haben. Denn die für Anfang Juni von der Akademie anberaumte Präsidentenwahl wurde nun seitens des Kultusministeriums schlicht unterbunden, offenbar hatte die unerwartete Vakanz der Stelle des Akademiepräsidenten den Horizont für neue Überlegungen geöffnet. Ernst Boepple, geschäftsführender Kultusminister, fasste zusammen: »Es entspricht nach meiner Meinung den jetzigen Verhältnissen nicht mehr, daß der neue Präsident von der Akademie gewählt und vom Staat bestätigt wird. Ich halte es für richtig, daß künftig der Präsident vom Staat ernannt wird. Es würde damit angeknüpft an die frühere Regelung, die vom Jahre 1841 bis zum Jahre 1919 bestanden hatte, wonach der König den Präsidenten ernannte […]. Vorsorglich berichte ich, daß ich den o. Professor der Geschichte an der Universität München Dr. Karl Alexander von Müller für geeignet halte der Bayer. Akademie der Wissenschaften als Präsident vorzustehen.«270 Die kommissarische Führung der Geschäfte übernahm auf Anweisung des Kultusministeriums der älteste Klassensekretär, der Altphilologe Eduard Schwartz.271 Von allen weitergehenden Überlegungen und Planungen blieb die Akademie jedoch ausgeschlossen. Im Oktober wurde eine Initiative des Prorektors der Münchner Universität Leopold Kölbl bekannt, der die Akademiemitglieder der Philosophischen Fakultät aufgefordert hatte, einen »Antrag auf Besetzung der Präsidentenstelle« mit Müller zu stellen. Der Vorstand der Akademie lehnte dies umgehend ab.272 Wenig später musste Schwartz hingegen im Vorstand berichten: »Das Ministerium wird von sich aus die Besetzung 267 Vgl. den Abdruck der Rede im Jahrbuch der Bayerischen Akademie 1932/33, S. 12. 268 Vgl. eine ausführliche Stellungnahme des Ministeriums zur eventuellen Neuordnung: KM (Schemm) an Stab d. Stv. d. Führers, 13. 2. 1935, BayHStA, MK 40332. 269 Protokoll der Vorstandssitzung, 11. 5. 1935, Archiv BAdW. 270 KM (Boepple) an REM, 6. 6. 1935, BayHStA, MK 44052. 271 Protokoll der Vorstandssitzung, 26. 9. 1935, Archiv BAdW. 272 Protokoll der Vorstandssitzung, 25. 10. 1935, ebd.

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der Präsidentenstelle mit Univ. Prof. Dr. K.A.v. Müller beim Kultusministerium in Berlin anregen, da die Akademie durch die Erlasse des Reichskultusministeriums und des bayerischen Kultusministeriums gebunden ist.«273 Nicht nur war eine Wahl des Präsidenten durch die Akademiemitglieder obsolet, auch jeglicher Einfluss auf die auszuwählende Person schien nun wenig wahrscheinlich. Während die Akademie noch auf Möglichkeiten der Einflussnahme sann, schien Müller über den geplanten Fortgang bereits informiert: »Nach dem Wunsch des hiesigen Ministeriums soll ich in allernächster Zeit noch eine weitere, ehrenamtliche, aber zunächst ebenfalls zeitraubende Stellung auf mich nehmen.«274 Im November 1935 regte das bayerische Kultusministerium beim zuständigen Reichswissenschaftsministerium an, dass »nunmehr ein Präsident der Bayer. Akademie der Wissenschaften ernannt wird. Ich würde bei dieser Gelegenheit die entsprechende Änderung in der Organisation der Bayer. Akademie der Wissenschaften verfügen.« Für diesen »Präsidentenposten« schlage man Müller vor: »Dieser, Mitglied der Akademie, genießt sowohl wegen seiner wissenschaftlichen Bedeutung wie auch wegen seiner politischen Einstellung das Vertrauen der maßgebenden Kreise in Wissenschaft, Staat und Partei, er kennt auch aus seiner früheren Stellung als Syndikus der Akademie und der Verwaltung der wissenschaftlichen Sammlungen die Verhältnisse dieser Einrichtungen aufs genaueste. Professor Dr. v. Müller wäre zur Annahme des Amtes bereit.«275 Schließlich wurde im Januar 1936 eine entsprechende Änderung der Satzung verfügt, der Paragraph 3 lautete nun »An der Spitze der Akademie steht der vom zuständigen Reichsminister aus der Reihe der ordentlichen Mitglieder ernannte Präsident. Die Akademie kann eine geeignete Persönlichkeit vorschlagen.« Ebenfalls geändert wurde der vierte Paragraph der ansonsten weiterhin gültigen Satzung aus dem Jahr 1923, der nun die adäquate Ernennung der Abteilungssekretäre vorsah.276 Zwar war die Akademie gewillt, die wenig aussichtsreiche »Kann-Regelung« eines eigenen Vorschlages in Anspruch zu nehmen.277 Jedoch musste der Abteilungssekretär Jonathan Zenneck nur wenige Tage darauf nach einem Anruf des Ministeriums berichten, dass »die Verfügung über die Organisation der Akademie […] nicht so aufzufassen sei, dass die Akademie den Vorschlag zum Präsidenten von sich aus vorlegen könne. Die Akademie habe vielmehr eine Aufforderung zur Vorlage des Vorschlages durch das Reichskultusministerium über das bayerische Kultusministerium abzuwarten.« Im Grunde handlungsunfähig, beschloss der Vorstand, den »Vorschlag so vorzubereiten, dass er jederzeit 273 274 275 276

Protokoll der Vorstandssitzung, 13. 11. 1935, ebd. Müller an Wilhelm Engel, 28. 10. 1935, BayHStA, NL von Müller 396. KM (Boepple) an REM, 16. 11. 1935, BayHStA, MK 44052 (Unterstreichung im Original). Vgl. das »Gesetz- und Verordnungs-Blatt für den Freistaat Bayern«, Nr. 21 vom 3. 8. 1923 sowie Nr. 4 vom 23. 1. 1936. 277 Protokoll der Vorstandssitzung, 29. 1. 1936, Archiv BAdW.

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abgesandt werden« könne.278 Dass das »in der sozialistischen Revolution usurpierte, durch einen ephemeren Ministerialbeschluß sanktionierte Recht, den Präsidenten zu wählen nicht ein heiliges Privileg ist, für das bis zum Letzten gekämpft werden« müsse, gestand Eduard Schwartz durchaus zu.279 Die Chance auf einen selbst ausgewählten Präsidenten aber wollte die Akademie wahren, es wurde also gewählt. Nach 1945 berichtete der Abteilungssekretär Heinrich Tietze von dieser Wahl: »Sie ergab mit allen gegen einen leeren Zettel die Wahl von Ed. Schwartz. […] In der Vollsitzung hatte außer wenigen durch Krankheit oder hohes Alter verhinderten ein Mitglied gefehlt […] Karl Alexander v. Müller.«280 Denn Müller wurde, wie bereits in Aussicht genommen, am 2. März 1936 zum Präsidenten der Akademie ernannt.281 In welchem geringen Maße allerdings die verfügte Satzungsänderung das Ergebnis eines dezidierten Planes zur nationalsozialistischen Umgestaltung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewesen war, offenbart ein Blick auf andere wissenschaftliche Akademien. Ende Januar 1936 richtete der geschäftsführende Münchner Präsident Eduard Schwartz eine Anfrage an sämtliche mit der Bayerischen Akademie im »Kartell« verbundene Akademien.282 Unter Beilegung der verfügten Satzungsänderung fragte Schwartz an, »ob auch bei der dortigen Schwesterakademie ähnliche Satzungsänderungen verfügt wurden.«283 Umgehend gingen die Antworten der Sächsischen, der Heidelberger sowie der Preußischen Akademie ein, dass bei ihnen keinerlei Änderungen der Satzung vorgenommen worden seien.284 Zwar forderte das Reichswissenschaftsministerium folgend zur entsprechenden Abänderung der Satzungen auf, doch blieb die Durchführung den Akademien weitgehend überlassen. Dies führte zu mehr oder minder umfänglichen Einführungen des »Führerprinzips«, vorerst aber nicht zu strukturellen Veränderungen im Gefüge der Akademien285, weitere »ministerielle Eingriffe zwischen 1933 und 1937 blieben […] sporadisch«.286 Der in der Satzungsänderung manifestierte Eingriff in die Struktur der Münchner Akademie erklärt sich aus der unerwartet vakanten Präsidentschaft, die den nötigen Gestaltungsraum bot, sowie aus der Existenz eines für die NS-Wissenschaftspolitik akzeptablen Kandidaten, dessen Ansehen in der Akademie versprach, die unvermeidlichen 278 Protokoll der Vorstandssitzung, 1. 2. 1936, ebd. 279 Schwartz an Hans Lietzmann, 9. 2. 1936, abgedruckt in: Aland (Hg.), Glanz, S. 846 – 848. 280 Heinrich Tietze »Bericht über die Entwicklung der Verhältnisse in der Akademie […] in den Jahren 1933 – 1945«, 6. 7. 1945, BayHStA, MK 71097. 281 KM (Boepple) an Müller, 2. 3. 1936, BayHStA, MK 44052. 282 Zum »Kartell« vgl. Laitko, Preussische Akademie; C. Grau, Wissenschaftsakademien. 283 BAdW an kartellierte Akademien, 29. 1. 1936, Archiv BAdW, Satzung und Geschäftsordnung 1919 – 1953. 284 Sächsische Akademie der Wissenschaften an BAdW, 3. 2. 1936; Heidelberger Akademie der Wissenschaften an BAdW, 3. 2. 1936; PAdW an BAdW, 10. 2. 1936, ebd. 285 Zur Heidelberger Akademie vgl. Wennemuth, Wissenschaftsorganisation, S. 456 – 460. 286 P. Walther, Akademie, S. 99. Bei der Sächsischen Akademie erfolgte die Einführung einer »Präsidialverfassung« erst zum April 1940, vgl. Wiemers, Sächsische Akademie, S. 186.

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Friktionen des Eingriffes »moderieren« zu können. Und, nicht zuletzt, aus der Bereitschaft dieses Kandidaten, die gegen den Willen der Akademie erfolgte Ernennung anzunehmen. Nun war Müller, im Gegensatz zur HZ und auch zum Dekanat der Philosophischen Fakultät, gegen den Willen der zu leitenden Institution berufen worden. Trotzdem erreichten ihn auch Glückwünsche aus der Akademie, ihre Wörterbuchkommission sandte Willkommensgrüße: »Möge es Ihnen beschieden sein, dass Sie viele Jahre in Gesundheit und Schaffenskraft das Steuer der Akademie in Händen haben, damit auch in dieses Haus der Geist des dritten Reiches einziehen kann.«287 Auch der Slawist Erich Berneker, Mitglied der Akademie seit 1911, begrüßte Müllers Ernennung, das »lang Erwartete« sei »nun Ereignis geworden und wird allenthalben mit Freude begrüßt.«288 Erneut wurde Müllers besondere, doppelte Eignung betont, seine Auswahl sei erfreulich, da in Müllers »Person alte und neue Zeit sich aufs Glücklichste verbinden«, man müsse »der Stelle zu Ihnen […] gratulieren.«289 Dass Müller gleichwohl als der Kandidat des nationalsozialistischen Staates wahrgenommen wurde, verdeutlichten die Glückwünsche Robert Spindlers, Prodekan der Philosophischen Fakultät: »Das bedeutet wieder einen gewaltigen Schritt vorwärts in Richtung auf den Ausbau des Dritten Reichs.«290 Als Mittler zwischen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts – auch, aber eben nicht nur in der Geschichtswissenschaft – aufeinander treffenden Wissenschaftskulturen konnte Müller offenbar glaubwürdig agieren. Seine Vielschichtigkeit eignete sich für den Umgang mit widersprüchlichen, teils noch offenen Entwicklungen. Müller war selbst Protagonist der angestrebten Einbindung der Wissenschaft in den NS-Staat wie auch ein gefragter Moderator dieses Transformationsprozesses. Zweifel an seiner ideologischen Zuverlässigkeit hegte das NS-Regime nicht, jedoch bestand an überzeugten Nationalsozialisten, die sich dem Wissenschaftsbetrieb mit hohem Gestaltungsanspruch widmen wollten, ohnehin kein Mangel. Müller aber blieb zudem, trotz seiner bereitwilligen Übernahme von Ämtern der nationalsozialistischen Wissenschaft, ein gut bekannter, vertrauenswürdiger »Kollege«, der die Gewähr zu bieten schien, die Ansprüche »seriöser« Wissenschaft mit den Anforderungen des NS-Regimes zu versöhnen. Seine erste Ansprache in einer öffentlichen Sitzung der Akademie leitete der neue Präsident im Juni 1937 mit einer Eloge auf den NS-Staat ein: »Glücklich die Völker, die in solchen Zeiten große wegweisende Ziele haben, auf die alle Blicke sich vereinen, die jeden Willen anspannen! Doppelt glücklich ein Volk, dem in solcher Zeit ein großer Führer geschenkt ist, der 287 Wörterbuchkommission der BAdW an Müller, 6. 3. 1936, BayHStA, NL von Müller 421. 288 Berneker an Müller, 6. 3. 1936, BayHStA, NL von Müller 5. 289 R. F. Merkel an Müller, 7. 3. 1936; Anton Chroust an Müller, 9. 3. 1936, BayHStA, NL von Müller 421. Zu Chroust, gemeinsam mit Müller in der landesgeschichtlichen Kommission, vgl. Herde, Chroust. 290 Spindler an Müller, 5. 3. 1936, BayHStA, NL von Müller 421.

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ihm solche Ziele nicht nur weist, sondern selbst vorlebt, in seiner Gestalt und seinem geschichtlichen Ringen als Held vor seinen Augen verkörpert! So gilt auch in dieser Stunde unser erster Gedanke dem Führer, Adolf Hitler, und seinem gigantischen Kampf um die Zukunft unseres Volkes.« Doch beließ es Müller nicht bei der Lobpreisung, sondern kontrastierte den Zustand und die künftigen Aufgaben der Akademie, denn »in Zeiten gleich diesen, wo viele alte Gesetzestafeln zerbrechen, werden alle, Einzelne, Einrichtungen und Körperschaften, auf ihre Lebensfähigkeit neu geprüft.« Doch, fragte Müller, wie stehe es mit »Körperschaften gleich der unsrigen, Akademien, wissenschaftlichen Gesellschaften […]? Alte, manchmal altersgraue Gehäuse aus früheren Zeiten, einigermaßen abseits, wie es scheint, vom drängenden Fordern des Tages – pocht nicht doch der Totenwurm schon in ihren Wänden?« Wie die Akademie dieser düsteren Prophezeiung entgehen könne, liess Müller indes nicht unbeantwortet und formulierte eine rhetorische Frage: »Sind gelehrte Gesellschaften, Akademien an sich, ihrer Natur nach lebensfern, weltfremd?« Nein, lautete seine mit Beispielen aus der Akademiegeschichte gespickte, eine dezidierte Orientierung der Akademie am »praktischen Leben« einfordernde Antwort.291 Wie diese nicht erst seit 1933 erhobene Forderung nach Herstellung von »Lebensnähe« in einer unauflöslichen Verbindung von wissenschaftlicher Expertise und praktischer Anwendung kulminieren sollte, verdeutlichte im Anschluss der Klassensekretär Jonathan Zenneck in seiner Festrede. Auch Zenneck beschwor die Vergangenheit der Akademie, in der »von Anfang an der Gedanke des praktischen Nutzens betont worden« sei. Keineswegs lebensfern, verband Zenneck die in den Wissenschaften gebündelten Kompetenzen mit den Anforderungen der Gegenwart. So sei »eine hochentwickelte Medizin […] ein unentbehrlicher Teil der Landesverteidigung«, doch stehe man vor allem »unter dem Eindruck der großen Aufgabe, die der Führer uns gestellt und zu der uns die Verhältnisse gezwungen haben, der Aufgabe des Vierjahresplanes, uns nach Möglichkeit in den Rohstoffen vom Ausland unabhängig zu machen.« Im nüchternen Duktus des Naturwissenschaftlers umriss Zenneck, was »die Wissenschaft für das Volk leistet«, denn »über dem Eingang jeder Hochschule und jeder wissenschaftlichen Akademie« solle stehen: »Wissenschaft ist Dienst am Volk.«292 Mit Nützlichkeit und nationalem Ansehen argumentierte der Akademiepräsident Müller auch in Mittelverhandlungen mit dem Kultusministerium. So werde die Beteiligung der deutschen Akademien an drei »großen internationalen Unternehmungen« in zwei Fällen von Mitgliedern der Münchner Akademie geleitet. Es werde aber ein Zuschuss benötigt, denn man betrachte »es als unsere Pflicht, auch auf diesem Feld der Wissenschaft die Ehre und das 291 Vgl. Müller, Ansprache des Präsidenten (1937), Zitate S. 11 – 13. Die Sitzung des Vorjahres hatte nicht stattgefunden. 292 Zenneck, Wissenschaft und Volk, S. 4 f, 8 f, 19, 23.

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Ansehen unseres Volkes im Ausland zu wahren und zugleich den Anteil zu kräftigen, den wir in der Hauptstadt der Bewegung des Führers an diesem Anteil gewonnen haben und festhalten wollen.«293 Einen Antrag auf einen außerplanmäßigen Zuschuss für Druckschriften begründete Müller 1941 mit der nationalen wie außenpolitischen Bedeutung der Abhandlungen, deren »umfangreichste […] schlägt die Engländer auf ihrem eigenen Boden, indem sie Aufhellung über die Herkunft zahlreicher englischer Flußnamen bringt, die […] deutlich zeigen, daß die Ueberlegenheit unserer wissenschaftlichen Waffen nicht geringer ist als die unserer militärischen.«294 Argumentationen mit einer selbstredend weit vor die Zeit des NS-Staates reichenden, der Akademie keineswegs fremden Tradition.295 Wie auch auf anderen Feldern setzte Müller seine institutionellen Erfahrungen und guten Verbindungen in die nationalsozialistische Wissenschaftsverwaltung ein, engagierte sich für die Belange von Akademiemitgliedern, bewährte sich als kommunikativer Löser von Problemen.296 Betrachtet man die wissenschaftliche Arbeit in der Akademie und ihren Kommissionen, so sind erheblichere inhaltliche Veränderungen während der Präsidentschaft Müllers nicht festzustellen. Allerdings bestand auch vorerst wenig Interesse seitens des NS-Staates, besondere Beachtung, verglichen mit dem Zugriff auf die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft, erfuhren die wissenschaftlichen Akademien nicht. Ihr Nutzen für den Nationalsozialismus bestand vor allem im zuvor erworbenen, internationalen Ansehen, das nun zumindest teilweise auf den NS-Staat abstrahlen sollte. Forschungsinstitutionen von originär nationalsozialistischer Provenienz verfügten hingegen weder über Tradition noch wissenschaftliche Legitimation, kollidierten wie das Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands zudem bald mit dem ideologischen Alleinvertretungsanspruch der NSDAP. Für Aufrüstung, Raum- und Sozialplanung, auch für »Rassenhygiene« und Bevölkerungspolitik bediente sich der NS-Staat ohne zu zögern der Hilfestellung ausgewiesener Wissenschaftsinstitutionen, hierzu aber konnten die Kommissionen der Akademie kaum beitragen. Hingegen dezidiert an den Vorstellungen des Nationalsozialismus ausgerichtet waren strukturelle Anpassungen, welche unter der Akademiepräsidentschaft Müllers durchgesetzt wurden. Bereits im April 1933, durchaus forciert von der Akademie, hatte Albert 293 BAdW (Müller) an KM, 12. 12. 1937, BayHStA, MK 40342. 294 BAdW (Müller) an KM, 17. 11. 1941, BayHStA, MK 40343. 295 Vgl. die in den Jahrbüchern der Akademie in der Rubrik »Aus den Annalen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften« wiederholt enthaltene Formulierung »Die Kriegsjahre von 1914 – 1918 unterbrachen in Vielem die Arbeit der Akademie; andererseits aber blieben die Gelegenheiten nicht unbenützt, die der Krieg bot.« Enthalten unter anderem im Jahrbuch 1932/ 33, S. 3. 296 So setzte Müller einen Reiseantrag des Althistorikers Walter Otto durch, erneut unter Verweis auf eine etwaige schädliche Wirkung im Ausland, vgl. Seibert, Otto, S. 64.

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Einstein seine korrespondierende Mitgliedschaft streichen lassen. Nüchtern vermerkt das Protokoll der Philosophisch-historischen Abteilung: »Das korrespondierende Mitglied der II. Abteil. Herr Einstein ist aus der Akademie ausgeschieden.«297 Zur gleichen Zeit wurden die jüdischen Mitarbeiter der Akademie beziehungsweise ihrer Kommissionen unter Berufung auf das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« entlassen.298 Hingegen blieben bezüglich der jüdischen Mitglieder der Akademie, ob ordentlich oder korrespondierend, Anweisungen staatlicherseits lange aus. Erst 1937 erreichten die Akademie entsprechende Anfragen nach »Nichtariern« unter ihren Mitgliedern.299 Auf Aufforderung Müllers sollten die Abteilungssekretäre im Frühjahr berichten, ob und wer in ihren Abteilungen »nichtarisch« sei. Für die Philosophisch-philologische Klasse wies ihr Sekretär Eduard Schwartz auf den Philosophen Edmund Husserl hin, fügte aber hinzu: »Ein Vorgehen halte ich für undurchführbar.«300 Auch Georg Leidinger, Sekretär der Historischen Klasse, verknüpfte seine Meldung mit dem Hinweis, ein Vorgehen gegen die zwei jüdischen Klassenmitglieder sei »zwar durchführbar, erscheint aber vielleicht im Hinblick auf das hohe Alter Beider […] überflüssig.« Zudem genieße einer »in dem zur Zeit befreundeten Italien (und weit darüber hinaus) sehr hohes Ansehen, so dass ein Vorgehen gegen ihn dem deutschen Namen mehr schaden als nützen möchte.«301 Verweigert hatte eine Meldung der Sekretär der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Abteilung Heinrich Tietze, da hierfür »nur vollständige, unzweifelhafte Mitteilungen in Betracht kommen« könnten, wofür ihm »zur Zeit Unterlagen nicht zur Verfügung« stünden.302 Müller äußerte Verständnis für diese Haltung, jedoch könne man sich »der ministeriellen Weisung nicht entziehen, über die deutschen ordentlichen, auswärtigen und korrespondierenden Mitglieder zu berichten«. Selbiges habe die Berliner Akademie zudem bereits getan, da »wir, wie ich höre, gegenüber den andern Akademien bereits im Verzug sind, darf ich Sie um größtmögliche Beschleunigung dieses Berichtes ersuchen.«303 Schließlich koordinierten die deutschen Akademien ihr Vorgehen und reichten im Juni 1937 eine gemeinsame Eingabe beim Reichswissenschafts297 Protokoll der Philosophisch-historischen Abteilung, 6. 5. 1933, Archiv BAdW. Zum Vorgehen der Akademie gegen Einstein vgl. Stoermer, Akademie, S. 89 f. 298 Dem Mitarbeiter der Historischen Kommission Hans Baron hatte Müller selbst, als Sekretär der Kommission, gekündigt. Vgl. den folgenden Abschnitt 5.2.2. 299 REM an KM/BAdW, 10. 2. 1937, BSB, NL Georg Leidinger, Leidingeriana IV.a.3, Mappe 3. 300 Schwartz an Müller, 19. 3. 1937, BayHStA, NL von Müller 422. Gegenüber Hans Lietzmann klagte Schwartz, es müsse »dem Ministerium umgehend klar gemacht werden, daß jedes Vorgehen dazu führen muß, daß die Akademien sich auflösen und es einen europäischen Skandal gibt.« Vgl. Schwartz an Lietzmann, 19. 3. 1937, in: Aland (Hg.), Glanz, S. 875 f. 301 Es handelte sich um die korrespondierenden Mitglieder Ernst Bernheim und Robert Davidsohn, vgl. Leidinger an Müller, 20. 3. 1937, BayHStA, NL von Müller 422. 302 Auch Tietze verwies auf die »außenpolitische(n) Wirkungen«, vgl. Tietze an BAdW, 23. 3. 1937, ebd. Zur ablehnenden Haltung der Abteilung vgl. Stoermer, Akademie, S. 96. 303 Müller an Tietze, 5. 4. 1937, BayHStA, NL von Müller 422.

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ministerium ein.304 Es könne angesichts der geringen Zahl jüdischer Mitglieder »von einer Verjudung der Akademien nicht gesprochen werden«, ein Vorgehen gegen ausländische »nichtarische« Mitglieder würde aber »zu einem Austritt der meisten ausländischen korrespondierenden Mitgliedern führen […]. Auch ein Ausschlussverfahren gegen die wenigen, noch vorhandenen nichtarischen Mitglieder im Inland würde voraussichtlich im Ausland die gleichen Folgen für Aufbau und Bestand der Deutschen Akademien haben«.305 Im Bericht der Münchner Akademie hatte Müller, bei Nennung der jüdischen Akademiemitglieder, ähnlich argumentiert. Zudem sei »die Mitgliedschaft von Nichtariern in den deutschen wissenschaftlichen Akademien zwar durchaus unerwünscht«, doch gehe von ihnen kein »gefährlicher Einfluß« aus. Müller riet, »die Frage, wenn möglich, durch ihr Aussterben sich selbst erledigen zu lassen.«306 Die jüdischen Mitglieder verblieben vorerst in der Akademie. Mehr als ein Jahr darauf erteilte der Akademiepräsident Müller an den Kanzleisekretär Gottlob Klingel einen als »vertraulich« gekennzeichneten Auftrag: »Bitte stellen Sie in den nächsten Tagen nach den Frage- und Personalbogen zusammen, welche der gegenwärtigen Akademiemitglieder 1) Juden oder jüdische Mischlinge, 2) jüdisch versippt und 3) Mitglieder einer Freimaurerloge oder einer anderen logenähnlichen Organisation waren, bzw. sind. Auftrag und Zusammenstellung sind geheim zu halten.«307 Ursache und Folgen dieses Auftrages wurden in der Sitzung des Vorstandes am 14. November offenbar, das Protokoll vermerkt, aufgrund »einer allgemeinen Weisung des Reichskultusministers, die dem Präsidenten auf dem bayerischen Kultusministerium mündlich mitgeteilt wurde […], wird den nichtarischen Mitgliedern mitgeteilt, dass für reichsdeutsche Gelehrte der Nachweis arischer Abstammung für die Zugehörigkeit zu einer reichsdeutschen Akademie unumgänglich nötig ist.«308 Nur wenige Wochen später vermeldete das bayerische Kultusministerium beim Reichswissenschaftsministerium, dass noch vor dem Eintreffen des entsprechenden Erlasses309 vom 15. November 1938 den »4 nichtarischen ordentlichen Mitgliedern der Akademie (Scherman, Prings304 Protokoll der Vorstandssitzung, 8. 5. 1937; Protokoll der Plenarsitzung, 8. 5. 1937; Protokoll der Vorstandssitzung, 5. 6. 1937, Archiv BAdW. 305 Preußische, Bayerische und Sächsische Akademie der Wissenschaften sowie Gesellschaft der Wissenschaften Göttingen an REM, 10. 6. 1937, BayHStA, NL von Müller 422. 306 BAdWan KM, 10. 5. 1937, BayHStA, NL von Müller 422. Gemeldet hatte Müller die ordentlichen Mitglieder Lucian Scherman und Richard Willstätter sowie die korrespondierenden Mitglieder Edmund Husserl, Ernst Bernheim, Heinrich Liebmann und Robert Davidsohn. 307 Müller an Klingel, 3. 9. 1938, BayHStA, NL von Müller 422. 308 Protokoll der Vorstandssitzung, 14. 11. 1938, Archiv BAdW. 309 »Zu ordentlichen Mitgliedern können nur Reichsbürger gewählt werden. […] Für den bestehenden Mitgliedsbestand ist darauf hinzuwirken, daß die ordentlichen Mitglieder […], soweit sie den genannten Voraussetzungen nicht genügen, aus der Akademie ausscheiden. Zunächst wird den wenigen jüdischen Mitgliedern in geeigneter Form nahezulegen sein, ihre Mitgliedschaft von sich aus niederzulegen.« Vgl. REM an KM, 15. 11. 1938, BayHStA, MK 40332.

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heim, Willstätter und Liebmann) mitgeteilt« worden sei, dass »sie der Akademie nicht mehr angehören können.«310 Offenbar hatte Müller die jüdischen Mitglieder derart eilig zum Rückzug gedrängt, dass sein Vorgehen durch das Ministerium nur nachträglich gebilligt werden konnte.311 Den Mitgliedern der Philosophisch-historischen Abteilung wurden sowohl das »Ausscheiden des nichtarischen Mitgliedes Lucian Scherman« wie auch die entsprechenden Entschließungen am 10. Dezember 1938 mitgeteilt.312 Mit dem Betreff »Bayer. Akademie der Wissenschaften, Juden und jüdische Mischlinge« leitete das bayerische Kultusministerium im Sommer 1939 schließlich einen Bericht an das Reichswissenschaftsministerium weiter, den zuvor der Akademiepräsident nach Aufforderung erstattet hatte. Nach den »nichtarischen« waren nun auch fast alle »jüdisch versippten« Mitglieder »freiwillig aus der Akademie ausgeschieden.«313 Lediglich bezüglich der ausländischen korrespondierenden Mitglieder konnte mangels hinreichender Informationen kein vollständiger Ausschluss vollzogen werden. Soweit jedoch möglich, waren sämtliche jüdischen Mitglieder aus der Akademie gedrängt worden. Müllers Umgang mit der Forderung der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik nach einem strikten Ausschluss jüdischer Wissenschaftler hatte sich gewandelt. Noch 1933 setzte er sich, bei widerspruchsloser Umsetzung aller Anordnungen, für einzelne Betroffene ein. Als Herausgeber der HZ zählte die Entfernung jüdischer Mitarbeiter bereits zu seinen ersten Maßnahmen. In der Akademie schließlich zeigte sich Müller noch engagierter, griff teils den ministeriellen Erlassen vor. Als »Führer« der Akademie begriff Müller dieses Engagement offenbar als seiner Rolle entsprechend. Für eine nationalsozialistische Akademie allerdings bedeutete der Ausschluss ihrer jüdischen Mitglieder nur einen ersten Schritt, weiterhin galt es, die Strukturen der Akademie neu zu formen. Denn anlässlich der Ernennung Müllers zum Präsidenten waren im Januar 1936 lediglich die hierfür nötigen Paragraphen der Satzung der Akademie geändert worden, seitdem stand eine tatsächliche Überarbeitung von Satzung wie Geschäftsordnung aus. Ein heikles Vorhaben, galt es doch für das zuständige Reichswissenschaftsministerium, die zwar vielfach postulierten, gleichwohl aber in der präzisen Umsetzung weithin unklaren Anforderungen an eine »nationalsozialistische Akademie« nun schwarz auf weiß zu formulieren, und somit festgelegte, nicht wechselnden Gegebenheiten leicht anzupassende Regularien zu etablieren. Zudem bedurfte es hierfür auch 310 KM an REM, 5. 12. 1938, BayHStA, MK 40347. 311 KM an BAdW, 5. 12. 1938, BayHStA, MK 40332. 312 Protokoll der Sitzung der Philosophisch-historischen Abteilung, 10. 12. 1938, Archiv BAdW. Scherman hatte noch am 5. November an einer Abteilungssitzung teilgenommen, vgl. Protokoll der Sitzung der Philosophisch-historischen Abteilung, 5. 11. 1938, ebd. 313 Dies betraf die ordentlichen Mitglieder Johannes Sieveking und Walter Brecht sowie die korrespondierenden Mitglieder Eduard Norden, Otto Hintze, Ernst Bernheim, Kurt Hensel und Georg Bredig. Verschieden begründete Ausnahmen wurden für Max Förster, Erich von Drygalski und Rudolf Pfeiffer beansprucht, vgl. KM an REM, 22. 6. 1939, BayHStA, MK 40332.

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der Zustimmung der Akademie, wollte man doch ihr erworbenes Renommee entlehnen. Für diese »Versöhnung« wissenschaftlicher Tradition mit den Ansprüchen der NS-Wissenschaftspolitik jedoch galt Müller als prädestiniert. Noch im September 1938 äußerte Müller gegenüber dem Abteilungssekretär Jonathan Zenneck nur die vorsichtige Hoffnung, dass für dessen zum Druck anstehende Festrede »Wissenschaft und Volk« der »Zeitpunkt jetzt […] eher günstiger für einen allgemeinen Widerhall ist als im vorherigen Jahr. Veraltet ist ja – leider, muß man wohl sagen, – von Ihren Ausführungen inzwischen noch gar nichts.«314 Doch nur zwei Monate darauf konnte Müller in martialischem Triumph an Walther Wüst vermelden: »Für die Akademie ist gestern endlich die erbetene Entschließung des Herrn Reichswissenschaftsministers eingetroffen; morgen beginnen die ersten Detonationen beim Umbau.«315 Das bayerische Kultusministerium hatte der Akademie den von Müller ersehnten Erlass des Reichswissenschaftsministeriums übersandt, nach dessen »Richtlinien […] die Satzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften umzugestalten« wäre.316 Mit den nun formulierten Maßgaben wurde wie dargestellt die Zuwahl jüdischer Mitglieder unterbunden bzw. ihr Ausschluss aus der Akademie forciert, zudem vor allem die bereits mit der Ernennung Müllers zum Präsidenten begonnene Umwandlung der Leitungsstruktur zum »Führerprinzip« aufgegriffen.317 Auch sollten sämtliche Wahlen von Mitgliedern künftig der Bestätigung durch das Reichswissenschaftsministerium unterliegen. Müller hatte in seinem Schreiben an Wüst nicht übertrieben, die Struktur der Akademie wurde mit den angestrebten Änderungen wortwörtlich »detoniert«.318 Längere Diskussionen scheint es in den Beratungen innerhalb der Akademie nicht gegeben zu haben, bereits am 16. Januar 1939 konnte Müller einen ersten, zwei Tage zuvor in einer Gesamtsitzung der Akademie »einstimmig« angenommenen Entwurf vorlegen.319 In der schließlich vom Reichswissenschaftsministerium zum 12. Juli 1939 erlassenen neuen Akademiesatzung waren alle aufgeführten, tief greifenden Änderungen enthalten. Zudem war die zulässige Mitgliederanzahl deutlich erhöht worden.320 Die Zustimmung der Akademiemitglieder zu diesen strukturellen Veränderungen war möglicherweise, so kann angenommen werden, durch die erneute Abänderung des die Ernennung von Präsidenten und AbteilungsseMüller an Zenneck, 3. 9. 1938, BayHStA, NL von Müller 420. Müller an Wüst, 9. 12. 1938, UAM, O-XIV-437. KM an Präsident BAdW, 5. 12. 1938, BayHStA, MK 40332. »Die Zuständigkeiten sind stärker als bisher nach dem Führerprinzip in der Person des Präsidenten zusammenzufassen.« Vgl. REM an KM, 15. 11. 1938, ebd. 318 Müller zögerte denn auch nicht, der Akademie den Erlass umgehend bekanntzugeben, vgl. Protokoll der Vorstandssitzung, 10. 12. 1938, Archiv BAdW. 319 BAdW (Müller) an KM, 16. 1. 1939, BayHStA, MK 40332. 320 Die Zahl der ordentlichen Mitglieder wurde auf 66, die der korrespondierenden Mitglieder auf 160 erhöht, vgl. den Abdruck der Satzung im Akademiejahrbuch 1939/40.

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kretären regelnden Paragraphen gewonnen worden. Im Januar 1936 war, wie ausgeführt, das ohnehin aufgehobene Wahlrecht der Akademie zusätzlich dadurch entwertet worden, dass die Akademie geeignete Persönlichkeiten lediglich vorschlagen »kann«. Nun lautete der entsprechende Passus: »Der Präsident, der Vizepräsident und die Abteilungssekretäre werden aus der Zahl der ordentlichen Mitglieder vom Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung auf Vorschlag der Akademie ernannt«.321 Die Mitglieder hatten Einfluss auf die Ernennung des Präsidenten wie der Abteilungssekretäre zurückgewonnen. Nicht zuletzt wegen der mit der neu gefassten Satzung deutlich erhöhten Mitgliederzahl weckten die anstehenden Neuwahlen besondere Begehrlichkeiten. Offenbar sollte der Einfluss der bestehenden Mehrheit von noch nicht unter Aufsicht der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik gewählten Akademiemitgliedern durch die Zuwahl einer entsprechenden Anzahl neuer Mitglieder gemindert werden. Jedoch war das Vorwahlrecht der Abteilungen nicht suspendiert worden. Eben der von Müller freudig über die einsetzenden »Detonationen« informierte Wüst war in der Wahlsitzung der Philosophischhistorischen Abteilung am 3. Februar 1940 zur Wahl als ordentliches Mitglied vorgeschlagen worden – und gescheitert.322 Nach 1945 berichtete der Ägyptologe Alexander Scharff: »Bei der Abstimmung erhielt Wüst 11 schwarze, nur 8 weiße Kugeln. Ein derart vernichtendes Abstimmungsergebnis habe ich in der Akademie weder vor- noch nachher jemals erlebt.«323 Die Beratungen waren anschließend, entgegen allen Gepflogenheiten, dem abgelehnten Wüst zugetragen worden. Unverhofft sah sich daraufhin Scharff, der gegen Wüst votiert hatte, attackiert. Erzürnt schrieb Scharff an den Akademiepräsidenten Müller, dass man versuchen solle, »den schweren, ja unglaublichen Vertrauensbruch innerhalb unserer Akademie aufzuklären.« Es werde in »vertraulichen Verhandlungen bei Ernennungen oder Berufungen […] doch immer pro und contra geredet«, nach Ansicht Scharffs sei »Herr Wüst trotz all seiner hohen Ämter genau so ein Kollege wie die beiden andern Herren, und die Akademie sollte seine Wahl oder Nichtwahl allein vom wissenschaftlichen Gesichtspunkt abhängig machen ohne Rücksicht auf seine sonstigen Stellungen.« Für Scharff war Wüst »vom wissenschaftlichen Standpunkt aus […] infolge seines damaligen Einsatzes für die Uralindachronik nicht geeignet für unsere Akademie«, er »mußte dies wegen meines wissenschaftlichen Gewissens neulich zur Sprache bringen«. Schließlich benannte der wütende Scharff auch den vermuteten, eigentlichen Urheber der Kandidatur Wüsts: »Ich bin immer für Aufrichtig321 Vgl. Paragraph 7 der neuen Satzung, abgedruckt im Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1939/40, S. 16 – 22. Ein Vizepräsident wurde im Übrigen nicht ernannt. 322 Hierzu wie zu Wüsts Wirken in der Akademie vgl. Schreiber, Wüst, S. 185 – 189. 323 Scharff sagte im Spruchkammerverfahren gegen Wüst aus, vgl. Scharff an Vorsitzenden der Hauptkammer München, 2. 11. 1949, StAM, SpkA K 2015 Wüst, Walther. Nicht zu verwechseln ist Alexander Scharff, geboren 1892, mit dem gleichnamigen Schüler Müllers, geboren 1904.

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keit und gerade Wege: wenn das Ministerium durchaus wünscht, daß Herr Wüst in die Akademie kommt, so soll es die Satzungen der Wahlen ändern und von sich aus verfügen.«324 Obwohl die Vorwahlen – abgesehen vom Scheitern Wüsts – reibungslos verlaufen waren325, wurde die anstehende Wahlsitzung der Gesamtakademie auf »Weisung des Ministeriums« verschoben.326 Nach eingehender »Prüfung« teilte das Ministerium Ende Mai dem Präsidenten der Akademie mit, dass es, neben der Ablehnung einiger Wahlvorschläge, die Aufnahme von sechs nicht durch die Abteilungen ausgewählten Kandidaten »wünsche«: neben Wüst und dem Rektor der Technischen Hochschule Lutz Pistor wurden der Philologe Franz Dirlmeier, die Botaniker Friedrich Boas und Friedrich von Faber sowie der Physiker Rudolf Tomaschek benannt.327 Nachdem der Präsident die Vorstellungen des Ministeriums dem Vorstand bekanntgegeben hatte, beschloss die Akademie auf Antrag Müllers in einer Gesamtsitzung am 1. Juni, dem »Wunsche des Herrn Staatsministers Folge zu leisten« und »für die hiezu nötige Ergänzung der Vorwahlen, als für einen einmaligen, ausgesprochenen Ausnahmefall, ausnahmsweise und ohne Praejudiz von dem gewöhnlichen Wahlverfahren nach § 4 der Geschäftsordnung abzusehen und die Wahl über diese Ergänzungsliste ohne besondere wissenschaftliche Prüfung im Einzelnen en bloc in der Gesamtakademie vorzunehmen.«328 Nach 1945 berichtete Heinrich Tietze, Müller habe argumentiert, dass »eine starke Regierung mitunter mit starker Hand eingreife« und »jedes Mitglied, das dagegen stimme, zu gewärtigen habe, vom Ministerium zu einer eingehenden Begründung seines ablehnenden Votums veranlasst zu werden.«329 In der folgenden Wahlsitzung wurden, den »Wünschen« des Ministeriums folgend, neben den von den Abteilungen aufgestellten Vorschlägen auch Wüst, Pistor, Dirlmeier, Boas, Faber und Tomaschek zu ordentlichen Akademiemitgliedern gewählt.330 Der von Müller als Präsident geschickt kommunizierte Druck des Ministeriums hatte die zwangsweise Zuwahl der vom NS-Staat gewünschten Mitglieder ermöglicht. Denn die, das Prozedere der entscheidenden Abteilungsvorwahlen regelnde, Geschäftsordnung war bislang nicht angepasst worden, die formalen Einflussmöglichkeiten waren weiterhin begrenzt. Auch in den 324 Scharff an Müller, 7. 2. 1940, BayHStA, NL von Müller 425. Auch an den zuständigen Abteilungssekretär Georg Leidinger wandte sich Scharff: »Die Akademie sollte auf jede Weise versuchen, derartige Vertrauensbrüche ein für allemal unmöglich zu machen.« Vgl. Scharff an Leidinger, 7. 2. 1940, ebd. sowie zudem: Schwaab, Spindler, hier S. 1025 f. 325 Vgl. die Wahllisten beider Abteilungen vom 3. 2. 1940, in: BayHStA, NL von Müller 425. 326 Protokoll der Vorstandssitzung, 17. 2. 1940, Archiv BAdW. 327 Stabsleiter KM an Präsident BAdW, 23. 5. 1940, Archiv BAdW, Wahlakten. 328 Protokoll der Vorstandssitzung, 29. 5. 1940; Protokoll der Sitzung der Gesamtakademie, 1. 6. 1940, Archiv BAdW. 329 Heinrich Tietze »Bericht über die Entwicklung der Verhältnisse in der Akademie […] in den Jahren 1933 – 1945«, 6. 7. 1945, BayHStA, MK 71097. 330 Protokoll der Wahlsitzung, 15. 6. 1940, BAdW, Wahlakten. Eine »en bloc«-Wahl hatte im März 1939 auch in der Preußischen Akademie stattgefunden, vgl. Rebenich, Anpassung, 205 f.

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folgenden Jahren blieb eine Änderung aus. Die Frage, so der Reichsdozentenführer im April 1942, habe »uns wegen dringendster anderer Aufbauarbeiten bis vor etwa zwei Jahren nicht sonderlich interessiert, weil wir dieses Gremium von überspezialisierten und zum Teil reichlich überalterten Wissenschaftlern für ziemlich ungefährlich erachtet haben«.331 Nun, im Frühjahr 1942 schien das Thema doch auf die Agenda gelangt zu sein. Der 1940 ebenfalls en bloc zugewählte Lutz Pistor, wenige Wochen zuvor zum Abteilungssekretär ernannt, klagte: »In dieser Geschäftsordnung ist nun leider das bisher angewandte sehr parlamentarische Verfahren im vollen Umfange niedergelegt. Die Geschäftsordnung ist natürlich unter stärkster Mitwirkung des alten Mitgliederbestandes, der seine ›wohlerworbenen Rechte‹ im vollen Umfange sichern wollte, zustande gekommen und gibt dieser Majorität in politischer Hinsicht die Möglichkeit einer sorgfältigen negativen Auslese. Die Wahlen kommen auf Grund reiner Mehrheitsbeschlüsse […] zustande, von einem Führerprinzip des Präsidenten oder der Abteilungssekretäre ist nicht das geringste zu bemerken.«332 Doch verzichtete das Reichswissenschaftsministerium auch in den folgenden Jahren auf eine Neufassung der Geschäftsordnung333, die Führung der Akademie durch Müller stellte offenkundig die Erfüllung aller dringlichen Ansprüche sicher. Zudem konnte das Ministerium durch Bestätigung bzw. Nichtbestätigung von Kandidaten auch bei unverändertem Wahlprozedere Einfluss ausüben.334 Bis 1945 verliefen die weiteren Wahlen zumeist reibungslos.335 Als Akademiepräsident bewährte sich Müller vor allem für die nationalsozialistische Wissenschaftspolitik, durchaus war er sich seines diesbezüglichen Wertes bewusst, verwies auf die vergleichsweise niedrige Amtsentschädigung: »Wie stark der Aufgabenkreis gerade des Präsidenten durch die Neugestaltung der Akademie gewachsen ist, brauche ich wohl nicht auszuführen.«336 Der nur für das Vorschlagsrecht teilrevidierte Entzug des Wahlrechtes von Präsident und Abteilungssekretären, die Bestätigung gewählter Mitglieder durch das Ministerium, welche dieses gegebenenfalls verweigerte, die zunehmende Umsetzung des »Führerprinzips«, nicht zuletzt das Vorgehen gegen jüdische Mitglieder – in ihrer Struktur, ihrer Satzung war die Akademie auf dem Weg, in eine nationalsozialistischen Prämissen entsprechende wissenschaftliche Institution umgeformt zu werden.337 NSDAP Reichsdozentenführer an Klein (Stabsleiter KM), 23. 4. 1942, BayHStA, MK 40332. Pistor (Rektor TH) an Klein (Stabsleiter KM), 28. 4. 1942, ebd. Eine vorläufige Geschäftsordnung vom März 1941 ist abgedruckt im Jahrbuch 1942/43. So wurde 1942 die Zuwahl von Walter Goetz nicht bestätigt, vgl. Protokoll der Vorstandssitzung, 14. 3. 1942, Archiv BAdW. 335 Die Wahlen 1941 wurden nach Protesten von Pistor und Boas abgesagt, weiterhin wurden gewählte Mitglieder durch das Ministerium nicht bestätigt, vgl. Stoermer, Akademie, S. 105 – 107. 336 BAdW (Müller) an KM, 16. 1. 1941, BayHStA, MK 40343. 337 Vgl. M. Berg, Nationalsozialistische Akademie bzw. die Entgegnung: Stoermer, Kommentar.

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Doch setzte Müller diesen Wandel nur selten als »Führer« um, betrieb die Einbindung der Akademie in das nationalsozialistische Wissenschaftssystem als vermeintlicher Schutzschild vor noch stärkeren Eingriffen. Auch trat er weiterhin als wissenschaftlich anerkanntes Akademiemitglied auf, trug in den Sitzungen seiner Abteilung vor und publizierte in den Schriftenreihen der Akademie – setzte sich auch auf diese Weise von anderen, ausschließlich politisch ausgewiesenen Wissenschaftsorganisatoren ab.338 Geschickt präsentierte sich Müller gegenüber der Akademie als Sachwalter ihrer Interessen, zumal auch der NS-Staat – wollte er das Renommee der Akademie erhalten – zu Kompromissen gezwungen war. Das Reichswissenschaftsministerium verzichtete nach der Satzungsänderung 1939 auf weitere strukturelle Änderungen, gewünschte personelle Anpassungen konnten über die verweigerte Anerkennung von Wahlen oder geschickt kommunizierten Druck im Zusammenwirken mit dem Präsidenten Müller erreicht werden. Spätestens mit der Kriegswende 1941/1942, in deren Folge auch die Wissenschaft nahezu vollständig auf die Bedürfnisse von Kriegsführung und Rüstungsproduktion ausgerichtet wurde, gerieten die wenig beachteten wissenschaftlichen Akademien seitens der ministeriellen Wissenschaftsverwaltung endgültig in den Hintergrund. Ihre relative Randständigkeit ließ die Akademien ab 1940 jedoch zu bevorzugten Objekten von im Machtgefüge des nationalsozialistischen Wissenschaftssystems zunehmend an den Rand gedrängten Organen der NSDAP wie dem NS-Dozentenbund werden.339 Anderer Kompetenzen entbehrend, verlegten sich die Dozentenbundführer auf die Anprangerung vermeintlicher ideologischer Unzuverlässigkeit, auch die Bayerische Akademie geriet in den Fokus derartiger Expertisen. Im März 1940 bezeichnete Otto Hörner, Gaudozentenbundführer von München-Oberbayern340, in einem ausführlichen Gutachten die Akademie als »letzte Insel einer reaktionären antinationalsozialistischen Gelehrtenrepublik«, deren zumeist greise Mitglieder eine Umgestaltung im nationalsozialistischen Sinne zu verhindern suchten.341 Hörner, der durch die Betonung von Zurücksetzungen des Dozentenbundes dessen Mangel an Einfluss selbst belegte342, forderte vor allem die Zuwahl eindeutig 338 Im Oktober 1936 hielt Müller den Vortrag »Studien zur Bayerischen Königstragödie 1886«, vgl. Protokoll der Sitzung der Philosophisch-historischen Abteilung, 17. 10. 1936, Archiv BAdW. Ein weiterer Beitrag erschien in den Sitzungsberichten der Akademie, vgl. Müller, Nachträge zu den Briefen Leopold von Rankes (1939), schließlich steuerte er im Juli 1940 einen Vortrag »über den englischen Staatsmann Graf von Strafford und seine Zeit (1593 – 1641)« bei, vgl. Protokoll der Sitzung der Philosophisch-historischen Abteilung, 6. 7. 1940, Archiv BAdW. 339 Vgl. Nagel, Dozentenbund; Schilling, NS-Dozentenschaft. 340 Zur Biographie Hörners vgl. Grüttner, Lexikon, S. 77. 341 Vgl. den »Bericht des im Kriege gefallenen Gaudozentenbundführers Dr. Otto Hörner« vom 18. 3. 1940, in: BayHStA, MK 40332. 342 Hörner beklagte einen »Affront gegen den nat.soz. Dozentenbund« bei der vorläufigen Nichtberücksichtigung des Philologen Franz Dirlmeier. Auch Unterschiede im sozialen Status merkte Hörner neidvoll an, bezeichnete die die Akademie Führenden als »sozial durch

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nationalsozialistischer Kandidaten, hielt aber eine Änderung der Geschäftsordnung für eine »Frage zweiten oder gar nur dritten Ranges.« Nicht zuletzt gegen die für eine vermeintlich ausgebliebene »Gleichschaltung« der Akademie verantwortliche Behörde, das Reichswissenschaftsministerium, gerichtet, spiegelte sich in Hörners Gutachten auch eine der folgenreichsten institutionellen Konfliktlinien des NS-Staates, die zwischen staatlicher Bürokratie und parteiamtlichen Institutionen verlief. Als Beleg für den Umfang der nationalsozialistischen Umgestaltung der Akademie eignet sich diese interessegeleitete Kritik eines Akteurs der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik nicht, aber sie verdeutlichte die Ansprüche, die der Nationalsozialismus an die Akademie zu formulieren gedachte. Verglichen mit diesen, sich lautstark präsentierenden Alternativen, konnte Müller für lange Zeit als, wenn auch für den NS-Staat argumentierender, so doch »vernünftigen« Argumenten zugänglicher, verbal »einfühlsamer Führer« auftreten. Gewählter Präsident der Akademie war Müller jedoch nicht, mit der zunehmenden Erosion des NS-Staates ab 1943 sollte diese mangelnde Legitimation von den Akademiemitgliedern eingefordert werden. 5.2.2 Historische Kommission(en) In allen bislang dargestellten Ämtern und Funktionen konnte Müller, mit graduellen Abstufungen, erst im und durch den Nationalsozialismus wirksam werden, auch wenn sein Weg vor der Machtergreifung für den Erfolg danach keinesfalls zu unterschätzen ist. Zum Dekan der Philosophischen Fakultät der Münchner Universität wurde Müller vor der Ernennung noch durch die Fakultät selbst gewählt, gleichwohl kann für den Sommer 1933 von einer Wahrnehmung der jetzt besonderen Möglichkeiten Müllers und einer entsprechenden Auswahl des Kandidaten ausgegangen werden. Auch die Erlangung des »ersten« Münchner Lehrstuhls war von Müllers herausgehobener Stellung als Historiker im nationalsozialistischen Deutschland mindestens beeinflusst. Als Herausgeber der HZ genoss Müller das Vertrauen gänzlich konträrer Interessenten – für den Verlag versprach er eine sichere Fortführung der Zeitschrift, für die etablierte Geschichtswissenschaft eine angemessene wie zugleich für den nationalsozialistisch orientierten Nachwuchs eine möglichst umfangreiche Anpassung an den Nationalsozialismus –, als Nachfolger Meineckes wäre Müller aber vor 1933 kaum in Frage gekommen. Als aktiver Unterstützer des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands und ihrer »Forschungsabteilung Judenfrage« war Müller eindeutig Akteur der nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft. Als Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wurde er vom NS-Staat eingesetzt Höchsteinkommen eindeutig« bestimmte »Gruppe von Geheimräten«. Zu Rollenkonflikten von nationalsozialistischen Akademikern vgl. Thiel, Dozent.

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und betrieb, geschickt vermittelnd und doch konsequent, die Inkorporation der Akademie in das Wissenschaftssystem des Nationalsozialismus. Nur als Sekretär der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, wie auch als Schriftführer der Kommission für bayerische Landesgeschichte, erfuhr Müller den NS-Staat aus umgekehrter Perspektive. In beiden Fällen wurde er bereits amtierend mit den Ansprüchen der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, mit neuen, konkurrierenden Akteuren und Institutionen konfrontiert. Seit mehr als zwei Jahrzehnten war Müller der Historischen Kommission eng verbunden, als Mitarbeiter, seit 1916 als außerordentliches und seit 1923 als ordentliches Mitglied. Vor allem aber hatte er als Sekretär der Kommission seit 1929 ihre organisatorische Schlüsselstellung inne. Als dieser kündigte Müller 1933, entsprechend »der fernmündlichen Weisung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 15. Mai ds. Js.« dem Mitarbeiter der Kommission Hans Baron »gemäß §3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums mit Wirksamkeit vom 30. Juni«.343 Zwar hatte sich Müller nach eigenen Angaben zuvor noch für Baron eingesetzt, jedoch erfolglos.344 Auch auf der Sitzung der Abteilungsleiter im September 1933 war Barons Entlassung verkündet worden, die Sorge Müllers wie des für die Abteilung »Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe« zuständigen Willy Andreas galt jedoch vor allem der Zukunft des Editionsvorhabens.345 Dass die Zusammenkunft auf die Abteilungsleiter beschränkt blieb, nach 1931 damit erneut eine Vollversammlung entfiel, hatte Müller als Sekretär den Mitgliedern im Juli 1933 ohne weitere Begründung mitgeteilt. Präsident und Ortsausschuss hätten beschlossen, von der »vorjährigen Ermächtigung […] Gebrauch zu machen, heuer keine Vollversammlung der Kommission anzuberaumen«.346 Schon im April hatte Müller gegenüber Walter Goetz die für den Herbst geplante Vollversammlung unter Vorbehalt gestellt, vor allem wegen der unsicheren finanziellen Ausstattung. Allerdings: »Aber nun läuft alles ja wieder auf anderen Gleisen.«347 In den folgenden zwölf Jahren würden lediglich zwei Vollversammlungen stattfinden, als Tagungsgremium trat die Kommission während der NS-Zeit nur ausnahmsweise in Erscheinung. Bereits im März 1933 war der Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde, Mitglied der Kommission und seit mehr als vier Jahrzehnten Leiter der Abteilung »Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe«, in die Schweiz emigriert. Er sei, schrieb Quidde an Müller, von Schutzhaft bedroht gewesen, wolle aber möglichst bald zurückkehren. Nicht zuletzt wegen seiner Verpflichtungen gegenüber der Kommission, er bat Müller deshalb um seine Unterstützung: 343 HiKo (Müller) an KM, 19. 10. 1933, BayHStA, MK 71116. Zur Tätigkeit Barons vgl. Wolgast, Reichstagsakten, S. 106; Ladwig, Renaissancebild, S. 278 – 359. 344 Müller an Andreas, 12. 8. 1933, HiKo, NL Willy Andreas (NL 1), Band 3. 345 Niederschrift der Sitzung der Abteilungsleiter der HiKo, 21. 9. 1933, HiKo I Band 120. 346 Müller (Sekretär) an Mitglieder HiKo, 26. 7. 1933, ebd. 347 Müller an Goetz, 3. 4. 1933, BArch, NL Walter Goetz 227.

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»Würden Sie nun […] die Güte haben, durch Anfragen bei der zuständigen Stelle (wohl im Ministerium des Inneren) festzustellen, ob ich, ohne eine Verhaftung besorgen zu müssen, zurückkehren kann.«348 Quidde würde bis zu seinem Tod 1941 im Exil bleiben müssen, zunächst aber seine Tätigkeit für die Kommission fortsetzen.349 Im Oktober 1935 jedoch kündigte Müller die Mitarbeit Quiddes auf: »Die Münchener Historische Kommission hat mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, daß sie es angesichts Ihres dauernden Aufenthaltes im Ausland nicht mehr für möglich hält, daß Sie weiterhin die Leitung der Deutschen Reichstagsakten ält. Reihe beibehalten, um die Sie sich als Mitarbeiter und Leiter so lange Jahre verdient gemacht haben. Sie hat deshalb beschlossen, die Leitung dieser Abteilung mit sofortiger Wirksamkeit in andere Hände zu legen.«350 Diese Mitteilung traf Quidde nicht unvorbereitet, nach »den Grundsätzen, die im nationalsozialistischen Deutschland herrschen, musste ich als Demokrat und Pazifist, der seinen Anschauungen treu geblieben ist und deshalb zu der herrschenden Partei in unversöhnlichem Gegensatz steht, darauf gefasst sein.« Die Begründung für seine Entbindung könne er aber nicht akzeptieren, die Pflichten als Abteilungsleiter habe er erfüllt: »Beim Scheiden aus der Stellung tröstet mich das Bewusstsein, meiner Überzeugungstreue, die keine äussere ›Gleichschaltung‹ duldete, das Opfer bringen zu müssen.«351 Als Sekretär zeigte sich Müller in den folgenden Jahren gegenüber Quidde vor allem in finanzieller Hinsicht wenig konziliant. Auch nachdem dessen Nachfolger Hermann Heimpel berichtet hatte, ein Besuch bei Quiddes in München verbliebener Ehefrau habe den Eindruck hervorgerufen, dass »Bargeld dort bitter nötig ist. Eben wird die Bibliothek verkauft.«352 Lange verzögerte Müller die Auszahlung von Quidde zustehenden Erstattungen und einer vereinbarten Summe für von der Kommission aufgekaufte Manuskripte. Als noch im Januar 1938 Zahlungen ausstanden, zeigte Heimpel sich entsetzt.353 Allerdings verlief auch Heimpels Übernahme der Abteilungsleitung von Quidde nicht ohne Differenzen. Bei Müller beschwerte sich Heimpel über Quiddes Briefe, er könne »als ein den neuen Kräften unserer Zeit durchaus zugewandter deutscher Historiker« keine Schreiben empfangen, in denen er »als ein Emigrant im Inlande« erscheine. Notfalls wolle er sich die Korrespondenz verbitten und die Briefe durch Müller »der vorgesetzten Staatsbehörde übergeben« lassen: »Wichtiger ist, dass ich es ablehne, mich auf diese Weise in eine Art intellektuellen Landesverrats einzulassen.«354 Nicht ohne Quidde an Müller, 22. 4. 1933, BArch, NL Ludwig Quidde 59. Vgl. umfassend Holl, Quidde, S. 511 – 588. Müller (HiKo) an Quidde, 2. 10. 1935, BArch, NL Ludwig Quidde 59. Quidde an Müller, 11. 10. 1935, ebd. Heimpel an Müller, 22. 4. 1936, HiKo I Band 223. »Es verschafft mir […] peinliche Gefühle, dass ich entschlossen bin, Herrn Quidde […] die Summe aus meiner Tasche zu erstatten«. Heimpel an Müller, 19. 1. 1938, ebd. 354 Heimpel an Müller, 21. 9. 1936, ebd. Auch die »freundlich-herablassende Art« Müllers und

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Grund erwartete Quidde seine »Entfernung aus der Akademie und aus der Historischen Kommission«.355 Dazu jedoch sollte es nicht kommen, Quidde blieb Mitglied der Kommission. Unverkennbar angepasst an die nun herrschenden Prämissen der Wissenschaftsförderung hatte Müller als Sekretär der Kommission seine Begleitschreiben an Ministerien wie auch Bittbriefe um Unterstützung. Der bis 1933 unverzichtbare Verweis auf bayerische Belange entfiel ersatzlos.356 Hingegen dankte Müller für den gewährten Druckkostenzuschuss zum ersten Band der von Heinrich von Srbik bearbeiteten »Quellen zur deutschen Politik Österreichs 1859 – 1866«, da durch »diese neue Unterstützung der Notgemeinschaft gerade unsre Gesamtdeutsche Histor. Kommission in München in der Lage ist, das geistige Band mit unseren Volksgenossen in […] Österreich jetzt zu knüpfen.«357 Die Hinzufügung »gesamtdeutsch« zum Namen der Kommission sollte »den in der Unterscheidung zwischen großdeutsch und kleindeutsch immer mitschwingenden Konflikt des 19. Jahrhunderts überwölben und gleichzeitig neue Horizonte eröffnen«358, die Kommissionssatzung selbst blieb unverändert bestehen. Aber das Machtgefüge innerhalb der Kommission änderte sich. Vor allem Müller als in München ansässiger Sekretär wusste seine Position, nicht zuletzt als Vertrauensmann der nationalsozialistischen Wissenschaftsverwaltung, dezidiert zu verbessern. Der amtierende Präsident Erich Marcks vertraute Müller und war überdies nicht mehr bei bester Gesundheit.359 Nach Marcks’ Tod im November 1938 übte Müller das Präsidentenamt kommissarisch für vier Jahre aus, bis 1942 Heinrich von Srbik gewählt wurde. Dieser aber lebte in Wien, eine Vollversammlung fand nur noch 1943 statt, die zunehmend schwierigen Reise- und Postwege ließen die Kommission weitgehend ruhen. De facto führte Müller als Sekretär die Kommissionsgeschäfte im Nationalsozialismus. Auch er selbst empfand seine Rolle in dieser Weise und beantragte beim Kultusministerium eine Rückkehr zur höheren Sekretärsvergütung, es sei die »verbleibende Summe derart gering geworden, daß sie außer jedem Verhältnis zur Arbeitsleistung des Sekretärs steht, dem die alleinige

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Heimpels gegenüber Quiddes Verdiensten um die Reichstagsakten sei »keineswegs gerecht« gewesen, vgl. Wolgast, Reichstagsakten, S. 98 sowie zudem Rahn, Quidde. Quidde an Müller, 4. 11. 1936, HiKo I Band 223. Vgl. die Einreichung der Niederschrift der Abteilungsleitersitzung im September 1933, HiKo (Müller) an KM, 19. 10. 1933, in: BayHStA, MK 40395. Müller (HiKo) an Schmidt-Ott, 27. 10. 1933, BArch, R 73/14855 (Srbik, Heinrich von). Die Mittel stammten aus dem DFG-Fonds der Österreichisch-Deutschen Wissenschaftshilfe, einem Instrument dieser bereits in der Weimarer Republik intensiv betriebenen Förderung, vgl. Fengler/Luxbacher, Forschungsgemeinschaft. Gall, 150 Jahre Historische Kommission, S. 34. So eröffnete Müller für den erkrankten Marcks auch die Vollversammlung im Mai 1934, vgl. Niederschrift der 70. Vollversammlung der HiKo, 26. 5. 1934, HiKo I Band 121.

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verantwortliche Geschäftsführung der Kommission in allen ihren Abteilungen anvertraut ist.«360 Als »Schutzschild«361 der Kommission agierte Müller nicht ohne eigene Interessen, jedoch erfolgreich angesichts der massiven Eingriffe in die institutionelle Struktur der außeruniversitären deutschen Geschichtswissenschaft, denen die Historische Reichskommission gänzlich zum Opfer fiel. Als im September 1934 die Sperrung der Reichsmittel für die Kommission drohte, wandte sich Müller an das bayerische Kultusministerium. Die Kommission sei – »satzungsgemäß zur Pflege der gesamtdeutschen Geschichte« begründet – »die älteste und Kraft ihrer Leistungen angesehenste geschichtswissenschaftliche Körperschaft Deutschlands; ihr Eingehen liegt nicht im Interesse des deutschen Volkes.«362 Zugleich sandte Müller einen »Notschrei« an das Kommissionsmitglied Karl Brandi, der als institutionell vielfältig vernetzter Historiker Rat geben sollte.363 In der Tat war Brandi, unter anderem gemeinsam mit dem Gesamtverein für Geschichts- und Altertumsvereine, als Vorsitzender des Verbandes Deutscher Historiker aktiv geworden. Eine entworfene Denkschrift könne Müller, so Brandi, vielleicht »persönlich dem Herrn Stellvertreter des Führers vorlegen und erläutern.«364 Die Verbindungen in die nationalsozialistische Führungsspitze waren Müllers »Alleinstellungsmerkmal«, immer wieder aktivierte er diese Ressource. Auch nun erwog Müller, mit Rudolf Buttmann oder Reichsinnenminister Wilhelm Frick »Fühlung« aufzunehmen, die er »noch von hier kenne«.365 Doch ließ sich für lange Zeit keine Klärung der Lage erreichen, zumal ab dem Frühjahr 1935 mit Frank und seinem aus der Historischen Reichskommission hervorgehenden Reichsinstitut die institutionelle Statik der Geschichtswissenschaft erheblich verändert wurde. Auch für die Münchner Kommission begann sich der nun einflussreiche Frank zu interessieren. Müller solle ihm schreiben, woher die Kommission ihre Mittel beziehe: »Notfalls können Sie mich ja einstweilen […] in Ihr Gremium wählen und dadurch eine friedliche Verbindung mit dem ›Reichsinstitut‹ herstellen.«366 Doch die Kommission war Müllers Feld, eine Zuwahl Franks war nicht in seinem Interesse. Zudem verbanden die Kommissionsmitglieder mit ihrer Zugehörigkeit zuvorderst eine Bestätigung ihrer historiographischen Exzellenz, eine dezidiert politisch begründete Aufnahme hätte ihren Wert geHiKo (Müller) an KM, 24. 6. 1934, BayHStA, MK 71106. Gall, 150 Jahre Historische Kommission, S. 33. HiKo (Müller) an KM, 19. 9. 1934, BayHStA, MK 71106. Müller (HiKo) an Brandi, 23. 9. 1934, SUBG, NL Karl Brandi 55, Nr. 84. Brandi an Müller, 1. 10. 1934, ebd., Nr. 85. Zum Verband und der Denkschrift Brandis vgl. M. Berg, Fachvereinigung, S. 160 – 162. 365 Müller an Brandi, 5. 10. 1934, SUBG, NL Karl Brandi 55, Nr. 87. Buttmann war Ministerialdirektor im Reichsinnenministerium und leitete ab 1935 die Bayerische Staatsbibliothek, vgl. Grüttner, Lexikon, S. 34. 366 Frank an Müller, 12. 5. 1935, BayHStA, NL von Müller 396.

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schmälert. In umgekehrter Richtung wurden die institutionellen Fäden geknüpft, Müller wurde Ehrenmitglied des Reichsinstituts. Doch drohte nicht zuallererst von Frank Gefahr. Als Kritiker der historischen Kommissionen in Deutschland profilierte sich der auch zur Zukunft der Historischen Zeitschrift konsultierte Günther Franz. Im Oktober 1934 attackierte Franz in der Wissenschaftszeitschrift »Geistige Arbeit« die Kommissionen, auch explizit die Münchner, als »erstarrt«, als »Organisationen um ihrer selbst willen […], deren immerhin noch beträchtliche Mittel in keinem Verhältnis mehr zu der tatsächlich geleisteten Arbeit« stünden.367 Der »schlecht informierte Artikel« brauche nicht ernst genommen zu werden, meinte Karl Brandi, denn es sei »das Schicksal aller wissenschaftlichen Unternehmungen grossen Stils in allen Ländern, dass sie langsam von statten gehen«.368 Eine nicht ungefährliche Unterschätzung, sollte doch bald das Beispiel der Historischen Reichskommission zeigen, wie rasch bei entsprechender politischer Unterstützung einzelne nationalsozialistische Protagonisten zu Einfluss gelangen konnten. Auch der Hochschulreferent im Reichswissenschaftsministerium Karl August Eckhardt verknüpfte die ungewisse Zukunft der Kommission mit Franz’ Artikel. Zu Brandis Anfragen über »die Münchner Historische Kommission« könne er sich »im Augenblick noch nicht äußern. Die Vorwürfe, die von Günther Franz gegen sie erhoben worden sind, mahnen immerhin zur Vorsicht.«369 In der »Geistigen Arbeit« antwortete Walter Goetz auf Franz, sehr höflich die Vorzüge und Erfolge der Kommissionsarbeiten darstellend. Die »mit öffentlichen Mitteln und Stiftungen gespeisten Organisationen erfordern sowohl wissenschaftliche als auch praktische Erfahrung, und sie dürfen nicht zu Versuchsfeldern noch unerprobter Ideen werden.«370 Noch zurückhaltend, aber bereits die bezogene Frontstellung zwischen jüngeren, nationalsozialistischen Historikern und der älteren Generation weiter zuspitzend, äußerte sich Franz brieflich gegenüber Goetz.371 Die eigentliche Antwort gab er jedoch öffentlich. Franz attackierte nun vor allem Goetz persönlich, verwies auf dessen politisches Engagement in der Weimarer Republik. Nur »nebenher« sei Goetz Geschichtsprofessor gewesen, als »Historiker« wollte ihn Franz nur in Anführungsstrichen bezeichnen. Auch die Münchner Kommission rügte Franz gesondert, da ihr weiterhin der »bekannte Pazifist Ludwig Quidde« angehöre.372 Dem bayerischen Kultusministerium leitete Franz seinen Artikel direkt zu, offenbar auf Nachfrage berichtigte Müller, dass Goetz »rehabilitiert u. nun emeritiert« sei und Quidde »keine Funktionen mehr in der Kommis367 G. Franz, Über Historische Kommissionen, S. 4 f. 368 Brandi an Müller, 22. 11. 1934, SUBG, NL Karl Brandi 55, Nr. 92. 369 REM (Eckhardt) an Brandi, 26. 4. 1935, SUBG, NL Karl Brandi 47, Nr. 288. Zu Eckhardt vgl. Grüttner, Lexikon, S. 42; Nagel, Hitlers Bildungsreformer, S. 122, 216 f. 370 W. Goetz, Kommissionen, S. 8. 371 Vgl. W. Weigand, Goetz, S. 327 f. 372 Franz, Goetz (1935), S. 321 f. Vgl. auch Behringer, Bauern-Franz, S. 116 f.

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sion« habe.373 Folgen für die Kommission würde die Kontroverse nicht haben, Goetz beließ es bei einer knappen Entgegnung, die Müller als »sehr würdig und schlagend« lobte.374 Doch war deutlich geworden, wie wenig sicher sich die Kommission wähnen durfte, die weitere institutionelle Ausgestaltung einer nationalsozialistisch orientierten Geschichtswissenschaft barg Gefahren. Als Sekretär zog Müller den Schluss, öffentliche, unwägbare Diskussionen auslösende Auftritte der Kommission zu vermeiden. Dieser zunehmend informelle Führungsstil beförderte allerdings auch seine eigene Machtstellung. Während der im Laufe des Jahres 1935 anhaltend unklaren Situation hielt Brandi eine Sitzung für geboten, da »es sich doch vielleicht um die Existenz der Kommission handelt, scheine mir eine Aussprache und nötigenfalls Rechtfertigung, die in der Bilanz der bisherigen Arbeiten läge, angezeigt.«375 Dem konnte Müller kaum widersprechen und lud im Juni zur Vollversammlung ein376, um sie keinen Monat darauf abzusagen bzw. auf den Herbst zu verschieben. Die »bevorstehende Neuregelung der historischen Körperschaften Deutschlands«, so begründete Müller den Schritt, werde »voraussichtlich auch eine Stellungnahme unserer Kommission« erfordern, doch könne diese noch nicht erfolgen, für zwei Jahressitzungen aber genügten die vorhandenen Mittel nicht.377 Meinecke hingegen vermutete, die Absage der Vollversammlung hänge »mit dem Fall Oncken zusammen«. Müller habe »gehört, dass, wenn Oncken in der Sitzung erschiene und das Wort ergriffe, ein Regierungskommissar kommen und die Auflösungsordre verkünden werde.« Zudem müsse Müller nun die »unangenehme Botschaft« an Oncken richten, auch im Herbst nicht zu erscheinen, um die Kommission nicht zu gefährden.378 Ob tatsächlich die Gefahr einer Auflösung der Kommission bestand oder Müller mit diesem Hinweis einen genehmen Absagegrund erhielt, ist nicht zu klären. Zum einen verschaffte Müller die institutionelle und personelle Vernetzung wichtige Informationen, zum anderen aber band diese ihn an konkurrierende Loyalitäten. So hielt Wilhelm Engel den gewählten Weg einer Abteilungsleitersitzung379 für günstig, die von Frank »vermutete Vertrauenskundgebung für O. wird in dieser Form und in diesem Kreise bestimmt vermieden.«380 Ebenso begründete Müller gegenüber dem Ministerium seine Entscheidung, es be-

Franz an KM, 29. 7. 1935; Vermerk KM zur Mitteilung Müllers, BayHStA, MK 71106. Müller an Goetz, 23. 12. 1935, BArch, NL Walter Goetz 55; Goetz, Erklärung. Brandi an Müller, 2. 5. 1935, SUBG, NL Karl Brandi 55, Nr. 95. HiKo (Müller) an Mitglieder HiKo, 4. 6. 1935, ebd., Nr. 97. Rundschreiben Sekretär (Müller) an Mitglieder HiKo, 29. 6. 1935, BayHStA, MK 71106. Meinecke an Tochter Sabine Rabl, 7. 7. 1935, abgedruckt in: Meinecke, Neue Briefe, S. 368. Anfang September hatte Müller den Kommissionsmitgliedern mitgeteilt, dass in diesem Jahr im Einvernehmen mit den Kultusministerien nur eine Abteilungsleitersitzung stattfände, vgl. HiKo (Müller) an Mitglieder HiKo, 5. 9. 1935, SUBG, NL Karl Brandi 55, Nr. 101. 380 Engel an Müller, 11. 9. 1935, BayHStA, NL von Müller 396.

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stehe damit keine »Gefahr, daß etwa eine Demonstration zugunsten des Geheimrats Oncken stattfinde.«381 Für die folgenden Jahre war der Aktionsradius der Kommission vermessen. Erst 1943 fand wieder eine Vollversammlung statt, die Forschungstätigkeit wurde »auf einer in finanzieller Hinsicht stark reduzierten Basis, einigermaßen ungestört« fortgesetzt.382 Als Sekretär bemühte sich Müller weiter um die Sicherstellung der finanziellen Basis, verhandelte mit Frank »über die Abgrenzung gewisser Aufgaben zwischen unserer Kommission und dem genannten Reichsinstitut«383 und bedauerte alljährlich, erneut lediglich die Abteilungsleiter zur Sitzung einladen zu können.384 Die Kommissionsmitglieder reagierten mit Sarkasmus – »Das ›Heil Hitler‹ hat mich deshalb ganz besonders amüsiert, weil ich der Überzeugung bin, dass man in Berlin die bestimmte Absicht hat, unsere Kommission abzumurksen. Der Prozess verläuft bei der scheinbar zähen Lebenskraft des Opfers etwas langsam!«385 – oder Bedauern: »Ortsausschuß und die Versammlung der Abteilungsleiter werden die Vollversammlung wohl mit der Zeit ersetzen. Ich bedaure das ebenso wie Sie, halte aber den Verzicht auf diese einst so schönen und meist auch fruchtbaren Versammlungen immer noch eher für erträglich als vieles andere«.386 Müllers Stellung als Sekretär aber blieb unangefochten, zumal er die Zukunft der Kommission nach einigem Ringen hatte zumindest vorerst sichern können.387 Die institutionelle Neuordnung der Geschichtswissenschaft im Sinne des NS-Staates hatte die Kommission überlebt, im 1936 neu zusammengesetzten »Allgemeinen deutschen Historikerausschuß« wurde sie durch Müller vertreten.388 In den veränderlichen Konstellationen des nationalsozialistischen Wissenschaftsbetriebes blieb der Fortbestand der Kommission jedoch gefährdet, musste stets neu verhandelt werden. Im März 1939 war nach Müller das »endgültige Schicksal unserer Kommission« erneut »nicht entschieden«, ein Umstand, der nicht zuletzt den »Problemlöser« Müller dauerhaft erforderte.389 381 382 383 384

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Vermerk betr. HiKo, 19. 9. 1935, BayHStA, MK 71106. Gall, 150 Jahre Historische Kommission, S. 33. HiKo (Müller) an Kassenverwaltung BAdW, 28. 11. 1935, HiKo I Band 37. »Vorbesprechungen mit den amtlichen Stellen haben ergeben, dass eine Vollversammlung der Kommission zurzeit noch verfrüht erscheint.« Vgl. HiKo (Müller) an Mitglieder, 17. 9. 1936, HiKo I Band 122. »Zu einer Vollversammlung ist leider die Zeit noch nicht reif gewesen«, vgl. Müller an Srbik, 22. 2. 1937, HiKo I Band 288. Eine Vollversammlung wurde für Pfingsten 1939 geplant (vgl. Niederschrift über die Sitzung der Abteilungsleiter HiKo, 3. 10. 1938, HiKo I Band 122,), doch fand erst im März 1942 eine »erweiterte« Abteilungsleitersitzung statt. Hans Nabholz an Ludwig Quidde, 23. 9. 1936, BArch, NL Ludwig Quidde 61. A.O. Meyer an Willy Andreas, 17. 1. 1937, GLA, NL Willy Andreas 858. »Seit 1. April 1936 ist der volle Stiftungscharakter der Kommission wiederhergestellt unter Erhöhung des Staatszuschusses.« Vgl. Niederschrift über die Sitzung der Abteilungsleiter HiKo, 27. 2. 1937, HiKo I Band 122. REM an Müller, 25. 7. 1936, BayHStA, NL von Müller 2. Müller an Brandenburg, 9. 3. 1939, UBL, NL Erich Brandenburg 2.1.2.

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Intensiv förderte der NS-Staat Wissenschaft und Forschung, doch kam es seit dem ersten »Vier-Jahres-Plan« zunehmend zur Verschiebung von »Ressourcen zwischen den einzelnen Disziplinen – weg von den Geistes- und Kulturwissenschaften, hin vor allem zu den Natur-, Technik- und Agrarwissenschaften.«390 Mit Kriegsbeginn verschärfte sich diese Tendenz nochmals, auch die DFG lehnte nun früher genehmigte Förderanträge teils ab.391 Im November 1940 verwies Müller gegenüber dem bayerischen Kultusministerium auf die ungenügende finanzielle Ausstattung, es sei »nicht zu verantworten, eine der angesehensten gesamtdeutschen Kommissionen des Reichs lahm zu legen.«392 Eine Ende 1941 geplante und einberufene Vollversammlung wurde, da nach »reichsministerieller Verfügung« Tagungen in den folgenden Monaten zu unterbleiben hatten, auf eine »erweiterte Geschäftssitzung der Abteilungsleiter« reduziert.393 Auf dieser wurde, nachdem Müller der Kommission seit bald vier Jahren kommissarisch vorstand, die Wahl Heinrich von Srbiks zum neuen Präsidenten beschlossen, die Zustimmung der Mitglieder sollte brieflich erfolgen.394 Die Bestätigung der Wahl wurde an das Reichswissenschaftsministerium weitergereicht. Müller hoffte, dies erleichtere »für die Zukunft wohl auch die Gewährung eines Reichszuschusses.« Nach der Absetzung Franks als Präsident des Reichsinstituts scheide dessen Einspruch – »der bis zum Dezember sicher gewesen wäre« – wohl aus, eventuell jedoch würden seine Nachfolger Erich Botzenhart bzw. Karl Richard Ganzer in »allen solchen Fragen die Weisungen Franks einholen.« Er sei, führte Müller gegenüber Karl Brandi weiter aus, »sehr dankbar für jede Mitteilung oder jeden Rat; denn jetzt sind wir in den Engpaß eingetreten, um dessentwegen ich in den letzten Jahren […] an meinem Teil völlig bewußt temporisiert habe, auf die Gefahr hin, von manchen Mitgliedern mißverstanden zu werden; eine zeitweise im Winterschlaf liegende Kommission schien mir immer noch besser als eine endgiltig erledigte.«395 Wie Müllers »im nachhinein nur allzugern aufgegriffene beschönigende Formulierung« zu werten sei, ob die Kommission, »wesentlich durch Müller herbeigeführt, in einer erstickenden Umarmung« lag396, ob demnach sein Einfluss der Kommission mehr Nutzen oder Schaden zugefügt hatte, ist kaum festzulegen. Zumindest aber erscheint es bemerkenswert, dass 390 Vgl. Hachtmann, Wissenschaftslandschaft, Zitat S. 198. 391 So von der Kommission beantragte Mittel zum Druck von »Akten zur Politik des Kurfürsten Maximilian […] während des 30jährigen Krieges«, DFG an HiKo, 20. 9. 1939, BArch, R 73/ 13010 (HiKo). 392 HiKo (Müller) an KM, 23. 11. 1940, BayHStA, MK 71106. 393 HiKo (Müller) an Ord. Mitglieder, 17. 11. 1941 u. 24. 2. 1942, HiKo I Band 122. 394 Niederschrift erweiterte Abteilungsleitersitzung HiKo, 13. 3. 1942, HiKo, NLWilly Andreas (NL 1), Band 2. 395 Müller an Karl Brandi, 25. 6. 1942, HiKo I Band 36. 396 Gall, 150 Jahre Historische Kommission, S. 34. Hingegen folgte Theodor Schieder noch 1983 weitgehend der Wertung seines Lehrers Müller, vgl. Schieder, Organisation, S. 280 f.

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sich Müller zur Jahresmitte 1942 gegenüber einem einflussreichen Kommissionsmitglied wie Brandi mit einer nach 1945 vielfach verwendeten Apologetik – man habe Schlimmeres zu verhindern gesucht, auch wenn dies nun missverständlich aussähe – rechtfertigte. Müllers geteilte Loyalitäten, gegenüber den Fachgenossen wie gegenüber dem NS-Staat, bedurften wechselnder Zusicherungen. In dieser Hinsicht gewann die fortgesetzte Zustimmung der Disziplin für Müllers Karriere im Nationalsozialismus nachdrücklich an Wert. Gegen die ministerielle Wissenschaftspolitik war die Kommission nicht zu halten, gegen die fachliche Gemeinschaft jedoch ebenso nicht. Im Ergebnis gelang es Müller, für die Historische Kommission einen Ort innerhalb der Geschichtswissenschaft des nationalsozialistischen Deutschlands zu finden und diesen zu verteidigen.397 Nur kursorisch ist Müllers Wirken in weiteren historischen Kommissionen und Instituten anzufügen. Als Leiter des Südost-Instituts hatte Müller im Januar 1936 um seine Entpflichtung gebeten, seine »neuen dienstlichen Verpflichtungen« würden dies verlangen.398 Dem Stiftungsrat gehörte Müller weiterhin an, vor allem aber durch seinen Schüler Fritz Valjavec blieb er dem Institut verbunden. Neben Müllers Nachfolger als Institutsleiter, dem Geographen Fritz Machatschek, wurde Valjavec als Geschäftsführer des Instituts zum einflussreichsten Akteur der Südostforschung. Müllers Unterstützung erstreckte sich von der Betreuung seiner Promotion über die Förderung der DFG bis hin zur Habilitation Valjavec’ an der Münchner Universität.399 Auch mit der Betreuung zahlreicher einschlägiger Dissertationen unterstützte Müller die weitere Etablierung der Südostforschung.400 Im April 1937 war Müller zum korrespondierenden Mitglied der württembergischen Kommission für Landesgeschichte gewählt worden401, vor allem aber in der Kommission für bayerische Landesgeschichte war Müller als Gründungsmitglied und amtierender Schriftführer fest verankert. Seine nach 1933 rasch vollzogene Abkehr vom profilierten Fürsprecher bayerischer Eigenstaatlichkeit wirkte sich auf sein Engagement für die landesgeschichtliche Kommission nicht aus. Im Mai 1934 wurde Müller erneut zum Schriftführer der Kommission gewählt402, gemeinsam mit dem Vorsitzenden Georg Lei397 Im März 1943 fand, erstmals seit 1934, eine Vollversammlung statt, vgl. Niederschrift über die Vollversammlung der Gesamtdeutschen HiKo, 31. 3. 1943, BayHStA, NL von Müller 433. Die Namensanpassung war als vorläufige Satzungsänderung beschlossen worden. 398 Müller an Stiftungsratsvorsitzenden Fischer, 19. 1. 1936, BayHStA, MK 71455. Im Februar wurde dem Gesuch stattgegeben, vgl. KM an Müller, 22. 2. 1936, BayHStA, NL von Müller 2. 399 Zur Promotion vgl. UAM, O-Np-1934 [Valjavec Fritz]; zur DFG: BArch, R 73/15320 (Valjavec, Fritz) sowie zur Habilitation: UAM, O-VII-349. 400 Vgl. ein halbes Dutzend thematisch entsprechend ausgerichteter Arbeiten allein zwischen 1937 und 1939, siehe das Verzeichnis betreuter Dissertationen im Anhang. 401 Württembergische Kommission für Landesgeschichte an Müller, 2. 4. 1937, BayHStA, NL von Müller 2. 402 Niederschrift über die Vorschlagswahl-Sitzung, 9. 5. 1934; KM an KommBayLG, 29. 5. 1934 (Bestätigung der Wahl u. Ernennung für fünf Jahre), BayHStA, MK 40400.

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dinger führte Müller die Kommission durch den Nationalsozialismus, hielt »als Akademiepräsident die schützende Hand über das Landesgeschichtsgremium«.403 In dieser Form hatte Müller auch andere Institutionen in das nationalsozialistische Wissenschaftssystem zu integrieren gewusst, für eine nachdrückliche inhaltliche Anpassung aber bot die bayerische Landesgeschichte zu wenig Möglichkeiten.404 In den Protokollen der Jahressitzungen ist Müllers Engagement für die Unternehmungen der Kommission dokumentiert, bemerkenswert ist dieses angesichts seiner ohnehin angestrebten, möglichst breiten Einbindung historischer Forschung in den Nationalsozialismus nicht.405 Besonderen Gewinn aus Müllers Einflussmöglichkeiten erzielte die Kommission vor allem in finanzieller Hinsicht, als Präsident der Akademie sorgte er für Zuwendungen aus deren Etats.406 Dies wurde auch zunehmend notwendig, zur Jahressitzung 1940 konnten aus Geldmangel nur die Münchner Mitglieder geladen werden, zahlreiche Publikationsvorhaben entfielen oder wurden aufgeschoben.407 Gegenüber dem Kultusministerium argumentierte Müller, dass »nicht nur die landesgeschichtlichen Kommissionen der großen historischen Landschaften Preußens […], sondern auch diejenigen von Württemberg, Baden und Thüringen auch während des Krieges unverändert fortarbeiten«. Es erscheine ihm »dem gegenüber eine Ehrenpflicht des Landes Bayern, auch seine (sehr gute) landesgeschichtliche Kommission […] lebens- und arbeitsfähig zu erhalten.«408 Eine Besserung war jedoch nicht zu erreichen, im Jahr darauf konstatierte Müller als Schriftführer der Kommission: »Es ist der betrüblichste Abschluß, den die Kommission bisher gehabt hat.«409 Noch aber war der Tiefpunkt der beiden historischen Kommissionen der Bayerischen Akademie nicht erreicht. Der Krieg war »heimgekehrt«. Müller berichtete seinem Kollegen Siegfried Kaehler : »Wir Münchner leben seit dem letzten Angriff unter den Trümmern unserer schönsten Erinnerungen, es ist gerade das geistige und künstlerische München, das vernichtet wurde, auch unsere Akademie ist vollständig zer403 Volkert, Kommission, S. 61 – 70, Zitat S. 63. 404 Durchaus jedoch knüpfte die Kommission Kontakte zur nationalsozialistischen Forschung, Anton Chroust nahm an der Eröffnung des »Instituts zur Erforschung der Judenfrage« teil, vgl. BayHStA, Niederschrift über die 15. Jahressitzung der KommBayLG v. 24. 5. 1941, MK 71118. Auch erschien in der ZBLG eine an den Prämissen der »Judenforschung« orientierte Abhandlung: »Die Erforschung der neueren Geschichte der Judenfrage in der Oberpfalz lag bisher ausschließlich in jüdischen Händen.« Vgl. Koeppel, Judenfrage, S. 374. Eine Zusammenarbeit mit dem SS-Ahnenerbe bei der »Flurnamensammlung« ist in der Niederschrift der 17. Jahressitzung der KommBayLG am 26. 5. 1943 vermerkt, vgl. BayHStA, NL von Müller 431. 405 Vgl. die Niederschriften der Sitzungen in: BayHStA, MK 40400 bzw. MK 71118. 406 Vgl. den Dank Leidingers in der Niederschrift über die 13. Gesamtsitzung der KommBayLG, 20. 5. 1939, BayHStA, MK 71118 sowie Volkert, Kommission, S. 42. 407 Niederschrift über die 14. Jahressitzung KommBayLG, 25. 5. 1940, BayHStA, MK 71118. 408 BAdW (Müller) an KM, 19. 6. 1940, ebd. 409 Niederschrift über die 15. Jahressitzung der KommBayLG, 24. 5. 1941, ebd.

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Geschichtswissenschaft im Krieg

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stört.«410 In der Nacht auf den 25. April 1944 war das Gebäude der Akademie ausgebrannt, für die landesgeschichtliche Kommission bedeutete dies den Verlust von Teilen ihres Buchlagers.411 Die nun »gesamtdeutsch« genannte Historische Kommission war noch stärker betroffen, es seien »alle unsere früheren Akten, von der Gründung bis 1942/3, mit der Registratur der Akademie restlos vernichtet […], ein unersetzlicher Schaden. Ich kann zurzeit überhaupt nicht durch das alte München gehen, ohne daß das Herz mir blutet, es ist an mehr als einer Stelle tötlich getroffen.«412 Seit fünf Jahren befand sich auch die deutsche Geschichtswissenschaft erneut im Krieg, dessen Folgen Müller nun ebenso bitterlich beklagte wie er sich zu Kriegsbeginn bereit gezeigt hatte: »Zum zweitenmal in einem Menschenalter wird dieser Kampf um sein Leben unserem Volk aufgezwungen. Aber diesmal geht es in das Ringen unter einem großen Führer und als revolutionärer Vorkämpfer der Zukunft. Der Kampf der Seelen wird es diesmal nicht schwächer finden als der Kampf der Waffen. In diesem Kampf der Seelen liegt der Frontabschnitt, welcher auch der deutschen Geschichtswissenschaft anvertraut ist. Sie wird ihren Posten beziehen.«413

5.3 Geschichtswissenschaft im Krieg So wie der 160. Band der Historischen Zeitschrift geendet hatte, so begann auch der 161. – mit einem Geleitwort Müllers zum Krieg, der nach dem deutschen Sieg über Polen seiner Fortsetzung harrte. Noch sei »der eigentliche Waffenkampf im Westen nicht entfesselt«, alle Vergleiche mit 1914 aber gingen fehl, denn zwischen damals und heute liege »das Diktat von Versailles und seine Folgen.«414 Auf die Kontinuität des Kriegszustandes hatte Müller bereits 1934 verwiesen, die Deutschen lebten »im Grund seit über 20 Jahren im Krieg. Dieser Krieg hat zwar die Waffen und die Formen in seinen zwei Jahrzehnten mehrmals gewechselt, aber der Kampf selbst, der Kampf um unsere Stellung in der Welt ist uns geblieben.«415 Ein Kampf, den Müller in seinen Vorworten in der HZ fortführte. Es dürfe trotz des Krieges die »alltägliche Tagesarbeit […] mitten im Sturm keine Stunde« abreißen, auch in der HZ laufe deshalb die »Arbeit der deutschen Geschichtswissenschaft« weiter. »Auch wir«, so schloss 410 Müller an Kaehler, 6. 5. 1944, SUBG, NL Siegfried A. Kaehler 1.124 , Nr. 12. 411 Niederschrift über die Gesamtsitzung der KommBayLG, 25. 5. 1944, BayHStA, MK 71118. 412 Müller an Srbik o. D., BayHStA, NL von Müller 431; Müller schrieb tatsächlich »tötlich«. Auch in der letzten Sitzung im Krieg berichtete er von den Zerstörungen, vgl. Niederschrift über die Ausschusssitzung Gesamtdeutsche HiKo, 17. 8. 1944, BayHStA, NL von Müller 433. 413 Vgl. Müllers Nachwort in der HZ (1939), S. 680. Datiert auf den 5. 9. 1939, fügte er es dem bereits im Druck befindlichen dritten Heft des 160. Bandes auf der letzten Seite hinzu. 414 Müller, [Vorwort] (1940), S. 1. 415 Vgl. Müllers Ansprache zur »Eröffnung der Ernst Kreidolf-Ausstellung im Münchener Kunstverein«, 29. 9. 1934, BayHStA, NL von Müller 458.

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Müller sein Vorwort, »können und wollen in dieser Stunde nichts anderes sein als auf unserem Posten Soldaten und Arbeiter des deutschen Volkes und seines großen Führers.«416 Seit dem ersten, dezidiert politischen Geleitwort nutzte Müller als Herausgeber das Forum der HZ zu öffentlichen Lobpreisungen der NS-Politik. Für die Volksabstimmung am 10. April 1938 zur nachträglichen Legitimation des »Anschlusses« Österreichs an das Deutsche Reich konnte die HZ nicht werben, wie Müller dem Oldenbourg Verlag mitteilen musste, da ihr nächstes Heft erst danach erscheine. Doch werde er selbstverständlich in der HZ, die er »auf die Pflege des großdeutschen Volksgedanken eingestellt habe, der Wiedervereinigung Deutsch-Österreichs mit dem Reich durch den Führer ausdrücklich gedenken.«417 Einer Verbindung, der sich Müller in der Tat seit einiger Zeit widmete. Bereits 1932 hatte die Münchner Universität auf seinen Vorschlag die Ehrendoktorwürde an Edmund Glaise-Horstenau verliehen, einem frühen österreichischen Vertrauten der Nationalsozialisten.418 Auch der österreichische Historiker Heinrich von Srbik war Müller eng verbunden, der als Kuratoriumsmitglied der Goethe-Stiftung überdies an der Verleihung des Mozart-Preises 1935 an Srbik beteiligt war.419 Entsprechend begeistert leitete Müller den 158. Band der HZ mit seinem Vorwort »Zum 10. April 1938« ein. Es sei das erste Heft, welches »in dem neuen Großdeutschen Reich« erscheine, mit dem Anschluss werde »eine der bittersten Wunden unsrer Vergangenheit geheilt, ist das letzte schwere Vermächtnis der halbtausendjährigen einzelstaatlichen Zersplitterung unsres Volkes abgeschlossen.« Nun sei »wenigstens die einheitliche Kernmasse des deutschen Volkes im Herzen Europas zusammengefaßt in einem einzigen, rein in sich geschlossenen, völkischen deutschen Staat. Mit diesem Ausbau hat der nationalsozialistische Staat durch seine eigene unerhörte Kraftzusammenballung, nach fünf Jahren einen Höhepunkt der staatlichen Entwicklung unsres Volkes erreicht.« Krieg und Zusammenbruch erführen nun »einen völlig neuen Sinn.«420 Wenige Tage vor der Volksabstimmung hatte Müller zudem in einer Rede vor den »Dozentenschaften der Münchener Hochschulen« den 10. April 1938 in der deutschen Geschichte verortet und seine Begeisterung öffentlich bekundet. Gleich dem Vorwort in der HZ schlug er den Bogen zurück zum Weltkrieg und zur Niederlage, als »jene wunderbare, gefühlsgeborene Einheit von 1914 in vier furchtbaren Kriegsjahren völlig zerfallen war, weil ihr der Führer fehlte; als unser Volk, führer- und richtungslos, 416 Müller, [Vorwort] (1940), S. 2. 417 Müller an Verlag, 26. 3. 1938, BWA, Oldenbourg Verlag 244. 418 Die Initiative war von Max Graf Montgelas, Diplomat und Militärhistoriker, ausgegangen, auch der ehemalige Reichskanzler Wilhelm Marx wandte sich an Müller, vgl. BayHStA, NL von Müller 412. Auf Müllers Vorschlag stimmte die Fakultät zu, vgl. Protokoll über die Sitzung der engeren Fakultät, 5. 2. 1932, UAM, O-III-7. Vgl. auch Berger Waldenegg, Horstenau. 419 Vgl. J. Zimmermann, Kulturpreise, S. 94 – 107; Fahlbusch, Goethe-Stiftung, S. 26. 420 Müller, Zum 10. April 1938 (1938), S. 1 f.

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auseinanderbrach«. In seiner politischen Agenda blieb sich Müller treu – »Stufe um Stufe seit 1933« habe der »Führer Deutschland selbst wieder emporgehoben zu wirtschaftlicher, militärischer, politischer Macht.« Seine Ansprache schloss Müller mit dem »Kampfruf und Dankruf« von »75 Millionen Deutschen – Adolf Hitler – Sieg Heil!«421 Auch den nächsten außenpolitischen Erfolg bejubelte Müller. In den letzten Tagen, schrieb er an Brandi, habe man »hier mitten im Strom der grossen Geschichte gelebt und die vier Schicksalsmänner öfters und nah zu Gesicht bekommen. Ich habe nie recht an die Möglichkeit eines Krieges glauben können, aber das Maß dessen, was mit einem Schlag friedlich für uns gewonnen wurde, ging doch stark über das Wahrscheinliche hinaus.«422 Das »Münchner Abkommen« vom Herbst 1938 und zuvor der »Anschluss« Österreichs markierten Stationen des nationalsozialistischen Deutschlands auf dem »Weg in den Krieg«.423 Ein Krieg, der aus Müllers Sicht nie geendet hatte, »abgelöst von einem Frieden, der keiner war ; nun folgt diesem abermals der Krieg.«424 Gemeinsam mit Müller geprägt und publizistisch vertreten hatte diese Wahrnehmung eines anhaltenden »Krieges im Frieden« sein Freund und Mitherausgeber der Süddeutschen Monatshefte Paul Nikolaus Cossmann. Noch im Dezember 1932 hatte Müller zu seinem fünfzigsten Geburtstag an den gemeinsamen Weg erinnert: »Die Jahre kamen, die mich in großen und schönen und schweren Stunden mit den Süddeutschen Monatsheften und mit ihrem Führer, Professor Cossmann, zusammengeführt und verbunden haben – von meiner Seite auf lebenslang.«425 Doch währte dieses »lebenslang« nur noch wenige Monate, nach Cossmanns Entlassung aus der Gestapohaft im April 1934 mied Müller den Kontakt. Nur wenige Spuren finden sich in den folgenden Jahren, in einer Notiz Müllers über Freiexemplare seiner »Zwölf Historikerprofile« wurde Cossmann aufgeführt.426 Hingegen gab Müller in dem im März 1936 bei der Übernahme des Münchner Lehrstuhls eingereichten Schriftenverzeichnis zwar auch kleinere Aufsätze an, die gemeinsam mit Cossmann veröffentlichten »Deutschen Träumer« aber blieben ungenannt.427 Als schließlich im Dezember 1936 ein Schüler im Hochschulblatt der Frankfurter Zeitung ein Portrait Müllers publizieren wollte und auch seine Kriegspublizistik hervorhob – bei den Süddeutschen Monatsheften habe er 421 Müller, Der 10. April 1938 in der Deutschen Geschichte (1938), S. 7, 16, 21. 422 Müller an Brandi, 1. 10. 1938, SUBG, NL Karl Brandi 46, Beil., Nr. 12. Auch als Hochschullehrer folgte Müller der politischen Entwicklung: »Die Ausfälle gegen die Tschechoslowakei […] sind in dieser Form jetzt überholt und zu streichen.« Vgl. Müllers Gutachten zu einer Dissertation über »Bayern und Böhmen«, 9. 12. 1938, UAM, O-Np-1938/39 [Wild Karl]. 423 Vgl. Wildt, Nationalsozialismus, S. 134 – 144 sowie Zarusky/Zückert (Hg.), Abkommen. 424 Müller, [Vorwort] (1940), S. 2. 425 Ansprache Müller, Broschüre »Geburtstagsfeier in Oberbayern, Tegernsee, 17. 12. 1932«, BayHStA, NL von Müller 25. 426 Vgl. Müllers handschriftliche Notiz »12 Historikerprofile«, BayHStA, NL von Müller 479. 427 Müller an KM, 16. 3. 1936, BayHStA, NL von Müller 396.

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»Hand in Hand mit deren Herausgeber Paul Cossmann« gearbeitet – bat Müller »aufs dringendste«, den Aufsatz wieder zurückzuziehen.428 Über Cossmanns Schicksal aber war Müller trotz der gewahrten Distanz informiert. Im Dezember 1938 schrieb ihm Otto zu Stolberg-Wernigerode: »Schwere Sorge mache ich mir um das Schicksal von C., wenn man nur etwas näheres hören könnte!«429 Die »Tragödie C.« sei, antwortete Müller, in »ein Dunkel gehüllt, das noch niemand den ich kenne, hat durchdringen können. Ich habe heute nachmittag deswegen eine neue Besprechung – vermutlich so ergebnislos wie die früheren.« Zuvor war auch Erich Marcks gestorben, während das »eine Verhältnis« nun »der Tod friedlich abgeschlossen« habe, werde »am Ende des andern […], fürchte ich, immer ein Mißklang bleiben und eine innere Belastung, die schwer zu tragen ist.«430 Die Verfolgungs- und Vernichtungspolitik des NS-Regimes, die mit dem Novemberpogrom 1938 einen neuen Höhepunkt erreicht hatte – die »Tragödie C.« – war Müller überaus bewusst. Im Herbst 1942, als Müller mit der Verleihung der GoetheMedaille den Höhepunkt seiner Anerkennung durch den NS-Staat erreichen sollte, starb der wenige Monate zuvor deportierte Cossmann im Konzentrationslager Theresienstadt.431 Im November 1938 hatte Müller mit »Bruckmanns« Ulrich von Hassell besucht, in den Ruhestand versetzter deutscher Botschafter in Rom. Hassell vermerkte in seinem Tagebuch: »Das Entsetzen über die schamlosen Judenverfolgungen ist bei ihnen so groß wie bei allen anständigen Menschen.« Mit Bruckmann und Müller habe man erwogen, wie man »Abscheu gegen diese Methoden zum Ausdruck« bringen könne, ergebnislos, denn »ohne Macht hat man kein wirksames Mittel […]. Grade die Gelehrtenwelt, die anfangs in guter strategischer Position war, hat diese mit eigner Schuld längst verloren.«432

5.3.1 Gegen England Nachdem die eigene Position im privaten Kreise »längst verloren« gegeben worden war, verzichtete Müller auch nach dem November 1938 nicht auf seine Elogen auf das nationalsozialistische Deutschland. Mehr noch, der Kriegsausbruch sollte ihm zahlreiche neue Möglichkeiten zur öffentlichen Stellungnahme bescheren, anknüpfend an den Ersten Weltkrieg engagierte sich Müller vor allem in der Kriegspropaganda gegen England. Seine Entscheidung 428 Vgl. den Entwurf des Portraits von Werner Uhde sowie Müller an Uhde, 12. 1. 1937, in: BayHStA, NL von Müller 497. 429 Stolberg an Müller, 4. 12. 1938, HiKo I Band 289. 430 Müller an Stolberg, 6. 12. 1938, ebd. 431 Selig, Cossmann, S. 77 f. Vgl. Cossmanns Eintrag in: Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung, S. 539; zur Verfolgung und Deportation der jüdischen Münchner: Strnad, Zwischenstation. 432 Hassell, Hassell-Tagebücher, S. 63 f. Vgl. auch Longerich, Judenverfolgung, S. 123 – 144.

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für den NS-Staat blieb kein einmaliger Vorgang des Frühjahrs 1933, immer wieder musste und konnte Müller abwägen, wo und wie er mitwirken wollte. Auch nach 1933 betreute Müller eine Reihe von Dissertationen zur englischen bzw. deutsch-englischen Geschichte. Für ein »sehr nützliches Rüstzeug für unsere politische Abwehr« hielt er die in einer pressegeschichtlichen Arbeit erstellten »ausführlichen Auseinandersetzungen mit den englischen Presseberichten über Deutschlands angebliche Kolonialkriegsschuld, über seine vorgeblichen Welteroberungspläne, sein Versagen als Kolonialmacht und seine ›Greueltaten‹«.433 Weiterhin verschränkten sich wissenschaftliches Erkenntnisinteresse und politische Wertung, unzweifelhaft aber hielt Müller die Auseinandersetzung mit England für dringend geboten. Als Referent der Notgemeinschaft empfand er den Zweifel eines Gutachters, ob diese »überhaupt eine Arbeit unterstützen dürfte, welche die geistige Entwicklung eines englischen Historikers behandelt«, als »abwegig«. Er halte »es im Gegenteil für begrüßenswert, wenn die deutsche Forschung, wie sie es oft mit Ruhm getan hat, auch die Geschichte fremder Völker in ihren Bereich zieht. Das wäre für mich eher ein Grund für als gegen den Antrag.«434 Auch einen Vortrag über Cromwell im schweizerischen Luzern hatte Müller angenommen, schließlich jedoch nicht gehalten.435 Weiterhin suchte er auch persönlich Kontakt zur englischen Geschichtswissenschaft, sandte die »Zwölf Historikerprofile« an Gooch.436 Im Zweifel allerdings überwog die Loyalität zum NS-Staat. Als ihn im Oktober 1936 eine Sendung der New Yorker »New History Society« erreichte, legte Müller diese dem Rektor vor, da ihr »Inhalt, glaube ich, die Aufmerksamkeit der politischen Behörden verdient. Nach der Art der Anschrift und Absendung sind diese Druckschriften offenbar in größerer Anzahl nach Deutschland geschickt worden, sind also Teil einer feindlichen Propaganda, jüdischer Herkunft und vermutlich letzten Endes bolschewistischer Tendenz, welche versucht, in Deutschland einzudringen.«437 Vor allem aber publizierte Müller zur englischen Geschichte. Schon im Winter 1935 erwog er eine Wiederveröffentlichung seines Essays über den »Älteren Pitt«, vielleicht als »englisches Bändchen« der Corona, zusammen 433 Gutachten Müller, 19. 2. 1938, Dissertation »Die Stellungnahme der ›Times‹ zur deutschen Kolonialfrage während des Weltkrieges«, UAM, O-Np-1937/38 [Schmalzbauer Gottfried]. 434 Gutachten Fachreferent Müller, 10. 5. 1934, BArch, R 73/13415 (Noack, Ulrich). 435 Die »Freie Vereinigung Gleichgesinnter« in Luzern hatte Müller eingeladen, dem auch die ministerielle Genehmigung erteilt wurde, vgl. Müller an KM, 4. 2. 1935; KM an Rektor UM, 18. 2. 1935, UAM, E-II-2517; auch Müllers Absprachen mit dem Schweizer Redakteur der Corona, vgl. Müller an Steiner, 20. 2. 1935, DLA, A:Steiner8Corona. Ein Vortrag Müllers aber ist in der Aufstellung aller Veranstaltungen nicht vermerkt, vgl.: 40 Jahre Freie Vereinigung. 436 »Many thanks for the little book, which I shall read with the greatest interest. I have known Marcks, Lenz, Meinecke & Srbik personally & I wrote about Riehl long ago in my Historians of the 19th century.« Vgl. G.P. Gooch an Müller, 17. 6. 1935, BayHStA, NL von Müller 479. 437 Müller an Rektor, 29. 10. 1936, BayHStA, NL von Müller 397. Folgend erging Weisung, »deutsch-feindliche« Sendungen an das Rektorat zu senden, vgl. Rektorat UM an Lehrkörper, 6. 11. 1936, ebd. Auch zur Sendung an Müller vgl. Jedlitschka, New History Society.

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mit Cromwell, Seeley und einem »Aufsatz, der mir schon lang auf der Seele liegt, über Macaulay?«438 Der schweizerischen Literatur- und Kulturzeitschrift Corona war Müller seit ihrem Entstehen zu Beginn der 1930er Jahre verbunden, würde sie ab 1943 mit herausgeben. Für den »Pitt« allerdings benötigte Müller eine Freigabe der DVA, doch diese, antwortete der Verlagsdirektor Gustav Kilpper, wolle selbst die »besten Aufsätze unserer ›Meister der Politik‹ in schmucken und handlichen Einzelveröffentlichungen« herausbringen. Wenige Wochen darauf fragte Kilpper zudem nach einem von Müller »geplanten ›Cecil Rhodes‹-Buche«, das man wie den Pitt als Einzelband veröffentlichen würde.439 Müller ließ sich Kilppers Werben gern gefallen, plante aber mit der Corona.440 Schließlich akzeptierte Kilpper in der Hoffnung auf zukünftige Veröffentlichungen Müllers, zum Jahreswechsel 1937/38 erschien als siebzehnter Band der »Schriften der Corona« Müllers »Der Ältere Pitt« erneut.441 Anstatt eines Vorwortes war dem Band eine Widmung vorangestellt: »Oriel College in Oxford, der Jugendstätte Sir Walter Raleighs und Cecil Rhodes’, in dankbarer Erinnerung gewidmet von seinem ersten deutschen Rhodes-Stipendiaten«.442 Offenbar wollte Müller der nach England geknüpften Verbindungen nicht verlustig gehen, sandte das Buch nach Oxford und an den Rhodes Trust443, hoffte auf eine neuerliche Besprechung in der Times.444 Obwohl ein schlichter Wiederabdruck, erfuhr der Band euphorische Besprechungen. Die Neuausgabe, so die Frankfurter Zeitung, beziehe ihre Rechtfertigung aus der »hohen Bedeutung der Schrift selber.« Es gebe »im Schrifttum der letzten zwanzig Jahre wenig Werke, in denen das geschichtliche Leben so drängend Gestalt gewonnen« habe, die »kleine Schrift wiegt schwerer als manches dicke Buch«, auch um »ihrer künstlerischen Vollendung willen. Sie ist ein Meisterwerk.«445 Fast zeitgleich mit der Wiederveröffentlichung des »Pitt« legte Müller eine Einführung zur deutschen Ausgabe von George Macaulay Trevelyans »Edward Grey« vor. Der Verlag habe ihn, so Müller an Herbert Steiner, darum gebeten, da »das Buch in einigen Teilen die Vorkriegspolitik Greys verteidigt und deshalb bei uns schon von einigen Seiten angegriffen worden war«. Doch auch Trevelyan habe sich seine Zustimmung zur deutschen Einleitung ausdrücklich vorbehalten, nun »höre ich eben zu meiner großen Freude, daß er von Verlag 438 Müller an Herbert Steiner, 20. 2. 1935, DLA, A:Steiner8Corona. 439 Kilpper (DVA) an Müller, 16.6. u. 21. 9. 1936, BayHStA, NL von Müller 444. 440 »Kilpper ist erwacht.« Vgl. Müller an Steiner, 18. 10. 1936, ebd. Zur Corona vgl. Rall, »Corona« sowie den entsprechenden Abschnitt bei Wittmann, Wissen, S. 202 – 235. 441 Verlag an Steiner, 11. 12. 1937, BWA, Oldenbourg Verlag 154. 442 Müller, Der ältere Pitt (1937), S. 5. 443 Vgl. die Dankschreiben: C.K. Allen (Warden Rhodes House Oxford) an Müller, 28. 12. 1937; Francis Wylie an Müller, 29. 12. 1937; The Rhodes Trust London an Müller, 29. 12. 1937; Provost Oriel College Oxford an Müller, 27. 12. 1937, BayHStA, NL von Müller 480. 444 Müller an Times, 25. 2. 1938, ebd. 445 Se., Der ältere Pitt (Rez.), S. 26.

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zu Verlag antworten ließ that he likes this Introduction very much indeed – ich glaube deshalb, daß wir bei der gegenwärtigen politischen Lage auf eine freundliche Aufnahme und Wirkung dieser Übertragung auch in England rechnen dürfen, und meine, daß das zugleich ein ganz guter Aufnahmeboden für den Pitt sein wird.«446 In der Tat zollte Müller in seiner Einleitung dem früheren britischen Außenminister Respekt, wenn er auch Trevelyans Verteidigung der Motive Greys nicht akzeptieren wollte – wehe »in diesen Abschnitten des Buches nicht wirklich noch die unveränderte Luft von 1914«? Es sei wohl so, dass »uns Deutschen jene Zeit in der Tat bereits ferner gerückt ist als anderen, zumal westeuropäischen Völkern«. Beeindruckt aber zeigte sich Müller vom persönlichen Bild Greys. Trotz einer aus seiner Sicht fatalen Fehleinschätzung der Lage Deutschlands vor dem Krieg bewunderte Müller den Einfluss Greys auf die Politik des britischen Imperiums und die »Kraft seines Charakters«, er sei »nicht unwürdig des großen Volkes, dessen Geschicke in einer seiner schwersten Stunden zu leiten sein Amt war.«447 Wie mehr als zwanzig Jahre zuvor zielte Müllers Faszination für englische Geschichte vor allem auf im englischen »Nationalcharakter« vermeintlich enthaltene, diesen stärkende Eigenschaften, war zuvorderst eine dezidierte Bereitschaft zum Lernen von anderen »nationalen Perspektiven«. Steiner, dem Müller das Buch angekündigt hatte, zeigte sich begeistert: »Nein, Trevelyan musste das empfinden. Dieser englische Bereich ist wie ein Spiegel, der Ihnen Raum, Weite und Tiefe gibt – wohl Ihr eigentliches Sagenreich.«448 Erneut bedachte Müller seine englischen Bekannten mit dem Band, für diesen zeithistorischen Gegenstand aber begnügte er sich nicht mit den Historikern Englands. Seine politische Klasse wollte er erreichen und sandte den »Grey« dem amtierenden Premier Neville Chamberlain wie auch dessen Vorgänger Lord Baldwin of Bewdley.449 Als eine Besprechung der Times ausblieb, mahnte Müller : »Beide Veröffentlichungen waren von Anfang an nicht zuletzt dazu bestimmt, auch die Verständigung zwischen unsern beiden Ländern zu fördern«. Beide Bücher sollten »auch in England nicht ganz unbemerkt bleiben.« Auch der Hinweis der Times, man bespreche nur Erstauflagen bzw. sei die Originalausgabe Trevelyans angezeigt worden, genügte Müller nicht. Seine Einleitung sei »der erste Versuch, der Persönlichkeit Greys auch vom deutschen Standpunkt aus gerecht zu werden, und ich hatte gehofft, daß gerade dieser Ball in England aufgegriffen würde. Der halbe Sinn des Unternehmens ist sonst verloren.«450 Eine erstaunliche Hoffnung auf Wahrnehmung in England, deren Enttäuschung beigetragen haben mag zur konMüller an Steiner, 26. 11. 1937, BayHStA, NL von Müller 444. Müller, Einführung, in: Trevelyan, Grey (1938), S. IX, XX. Steiner an Müller, 24. 12. 1937, BayHStA, NL von Müller 444. Vgl. die Dankschreiben: [Büro] Prime Minister, 10, Downing Street an Müller, 23. 12. 1937; [Büro] Lord Baldwin of Bewdley an Müller, 3. 1. 1938, BayHStA, NL von Müller 480. 450 Müller an Times, 7. u. 19. 10. 1938; Times Literary Supplement an Müller, 17. 10. 1938, ebd.

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trären Bereitschaft Müllers, sich kein Jahr darauf intensiv der Kriegspropaganda gegen England zu widmen.451 Noch verständigungsbereiter, aber auch vom politischen Geschick des »Führers« überzeugt, formulierte Müller in einem im November 1938 publizierten, englischsprachigen Artikel. An die Opfer des Weltkrieges erinnernd, argumentierte er für eine friedliche Lösung politischer Differenzen. Von den wenige Tage zurückliegenden Münchner Verhandlungen inspiriert, spekulierte Müller : »Just supposing that at the height of the Servian crisis Sir Edward Grey had – like Neville Chamberlain – flown to Germany and been met by a leader like the Führer!« Zwar verzichtete Müller keineswegs auf die vielfach geäußerten Ansichten zum deutschen Zusammenbruch 1918 und zum Versailler Vertrag, doch hoffte er, die Geschichte möge sich nicht wiederholen: »Must the liquidation of the last war end in yet another and still more terrible holocaust?«452 Bewegt von Müllers Text zeigte sich der englische Jurist und Vorstand des Oxforder Rhodes House, C. K. Allen: »Much to my regret, we have never met, but I have always been interested in your work, and I should like to tell you how much I was impressed by the short article […]. Everything you say has the note of deep sincerity, and finds an echo in many minds both in your country and in this.«453 Nur wenige Tage vor Allens Dank hatte Müller seinem früheren Schüler Rudolf Heß den »Pitt« gesandt, der, in den »Jahren der Schmach und Sehnsucht geschrieben, jetzt merkwürdigerweise gerade auch im Ausland besonders zu wirken scheint, er ist gleichzeitig in der Schweiz herausgegeben worden und soll nun auch ins Englische übersetzt werden.«454 Der Carl Heymanns Verlag hatte sich für die Übersetzungsrechte am »Älteren Pitt« interessiert, Müller war hoch erfreut.455 In der letzten Augustwoche 1939, nur wenige Tage vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, erschien Müllers Essay zum »Älteren Pitt« in England.456 In eben jener Augustwoche 1939 trug Müller auf den Salzburger Wissenschaftswochen, veranstaltet vom Reichswissenschaftsministerium und dem SS-»Ahnenerbe«, vor. Sein Thema: »Das englische Weltreich und Großdeutschland im Wandel der Jahrhunderte«.457 Nahezu bruchlos wechselte Müller die Blickrichtung, vom Wunsch einer Rezeption des »Pitt« in England 451 Zur Wahrnehmung des Nationalsozialismus in Großbritannien vgl. D. Clemens, Herr Hitler. 452 Müller, Balance Sheet of Armageddon (1938), S. 150 u. 152. 453 Allen an Müller, 29. 12. 1938, BayHStA, NL von Müller 480. Zur Wahrnehmung und Debatten in Großbritannien vgl. Später, Vansittart; Kershaw, Hitlers Freunde. 454 Müller an Heß, 21. 12. 1938, BayHStA, NL von Müller 480. 455 Müller war auch zum Korrekturlesen bereit – »Ich habe in England studiert und beherrsche die Sprache.« Vgl. Müller an Heymanns, 15. 12. 1938, BayHStA, NL von Müller 444. 456 Vgl. Müller, Elder Pitt (1939). Den Zeitpunkt der Veröffentlichung vgl. Müller an Herbert Steiner, 23. 1. 1940, BayHStA, NL von Müller 497. 457 Die Wissenschaftswochen liefen vom 23.8.–2.9.1939 (vgl. das Programm in: BayHStA, NL von Müller 446) und sollten eine »repräsentative Darstellung deutscher wissenschaftlicher Leistung im nationalsozialistischen Staat durch hervorragende Wissenschaftler ermöglichen.« Vgl. REM Vermerk, 21. 2. 1939, BArch, R 4901/666, Bl. 18 – 20.

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zur Kriegspropaganda gegen England. Der Zufall war selbstredend mit im Spiel, denn weder die Veranstalter noch Müller konnten die sich zuspitzenden Ereignisse mitsamt dem deutschen Angriff auf Polen vorhersehen. Vollkommen ahnungslos freilich war man nicht, noch wenige Tage vor dem Vortrag suchte Müller nach Gründen für eine Absage. In einem nicht abgesandten Schreiben an Walther Wüst erwog er den Rückzug: »Aber die politische Lage ist im Augenblick so gespannt, daß ich mich doch frage, ob mein Vortrag nicht zu ›geschichtlich‹ ist – meine Absicht war gewesen, daß gerade aus einem solchen rein geschichtlich gehaltenen Vortrag die Schlußfolgerungen an seinem Ende um so wirksamer heraustreten. Aber in die Lage unmittelbar vor einem Zusammenstoß würde sein Ton natürlich nicht passen.«458 Im Juni hatte Müller für ein »historisches Thema« zugesagt459, war aber mit einer dem Piper Verlag zugesagten Einleitung zur Übersetzung einer Strafford-Biographie im Verzug und zögerte: »Ich habe deshalb gleich alles versucht, diese neue Last von mir abzuhalten, […] aber das Ergebnis war negativ – ich muß die Aufforderung, die vom ›Ahnenerbe‹ ausgeht, das dem Reichsführer SS untersteht, als Weisung betrachten, die ich nicht ablehnen darf.« Durchaus hatte Müller es in den Jahren zuvor verstanden, unliebsamen Auftritten zu entgehen, für dieses Mal sah er sich gebunden. Er wolle den Vortrag, bevor »ich ihn halte, vorlegen, weil ich nicht sicher bin, ob meine wissenschaftliche Ansicht in der gegenwärtigen Lage zweckmäßig ausgesprochen wird«.460 Doch Müller hielt den Vortrag und zeigte sich anschließend erneut bereit, zwischen konkurrierenden Bindungen und den an einen wissenschaftlichen Repräsentanten des nationalsozialistischen Deutschlands formulierten Ansprüchen zu entscheiden. Seine intensive Auseinandersetzung mit englischer Geschichte verlieh ihm Kenntnis und Renommee, minderte aber seine Bereitschaft zum Einsatz in keiner Weise. Die Zweifel, offenbar hatte Müller die enge Einbindung in einen Auftritt nationalsozialistischer Wissenschaft nicht behagt, wurden zurückgestellt. Wie auch zuvor entschied sich Müller für die Teilhabe und trat als Historiker für den Nationalsozialismus auf. Die deutsche Geschichtswissenschaft trat erneut ein in den Krieg, Müller engagierte sich »gegen England« und »für das Reich«. Das Vortragsmanuskript Müllers ist nicht überliefert – erste Presseberichte vermeldeten »Deutsche gegen englische Geschichte«461 –, sehr eindringlich bat der Orientalist Hans Heinrich Schaeder, »lassen Sie uns Ihre Worte lesen, zeigen Sie uns und allen denen, die noch auf das Wort eines großen deutschen Geschichtsschreibers hören wollen, welche tragischen Notwendigkeiten zu diesem heutigen Tag des Schicksals hingeführt haben!«462 Schaeder sollte Müller an Wüst, 19. 8. 1939 (mit Notiz »Nicht abgesandt«), BayHStA, NL von Müller 446. Ahnenerbe (Kaiser) an Führer (REM), 21. 6. 1939, BArch, R 4901/666, Bl. 36 – 38. Müller an Piper, 28. 7. 1939, DLA, A:Piper (Reinhard Piper / Piper Verlag). Vgl. in der Frankfurter Zeitung: Deutsche gegen englische Geschichte. Eröffnung der Salzburger Wissenschaftswochen; vgl. auch Kater, »Ahnenerbe«, S. 116 – 118. 462 Hans Heinrich Schaeder an Müller, 3. 9. 1939, BayHStA, NL von Müller 494.

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nicht vergebens hoffen, ein Druck des Vortrages war mit dem »Ahnenerbe« bereits besprochen. Zwar hätten ihn bereits zwei Verlage um diesen gebeten, so Müller, aber auf »der andern Seite könnte der Vortrag, so wie er gehalten wurde, jetzt vielleicht noch eine breitere Wirkung ausüben, wenn er sehr rasch als Flugschrift erschiene.«463 Der »Ahnenerbe-Stiftung Verlag« übernahm den Vortrag und bemühte sich zugleich, in Verbindung mit dem Auswärtigen Amt sowie mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zu treten, um »Ihre Broschüre in die augenblickliche Propagandawelle einzuschalten.«464 Gegenüber der SS-Zeitschrift Das Schwarze Korps warb das »Ahnenerbe« mit Müllers ausgewiesener Kennerschaft, der Vortrag sei »von besonderem Wert für die politische Propaganda«, da »er nicht von einem Propagandisten, sondern von einem Wissenschaftler stammt. Der Name Müllers ist auch geeignet, besonders im Auslande – bei den Neutralen – zu wirken, zumal sich von Müller auch in früheren Arbeiten schon mit dem englischen Problem beschäftigt hat.«465 Erneut ergänzten sich Müllers zuvor erworbene Meriten trefflich mit seiner Bereitschaft, für den NS-Staat auf- und einzutreten, sein Einsatz »Gegen England« erhielt durch frühere, differenzierend urteilende Beiträge zusätzliche Glaubwürdigkeit. Bereits Mitte September 1939 lag Müllers Broschüre »Deutschland und England. Ein weltgeschichtliches Bild« vor. In seinem Geleitwort betonte Rudolf Mentzel, unter anderem Präsident der DFG466, vor allem Müllers »frühere Arbeiten machen ihn besonders geeignet und befugt, das geschichtliche Bild und Wesen Englands zu deuten.« Einsetzend mit Völkerwanderung und Spätantike, kontrastierte Müller die Entwicklung deutscher und englischer Geschichte. Eben als die »deutsche Zersplitterung durch die Glaubenskämpfe ihren Tiefstand« erreicht habe, begann Englands Aufstieg zum »erdumspannenden Weltreich.« Immer wieder sei Deutschland aufgestiegen, anschließend zusammengebrochen, um »erst unter dem Führer […] die volle Geschlossenheit und Höhe zugleich zu erreichen.« Der englische Aufstieg sei langsamer, aber geschlossener verlaufen, die englische Geschichte unterscheide sich von anderen durch »die Unbarmherzigkeit, die Grausamkeit und die Blutigkeit, mit der sie fortschreitet.« Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sei »der deutsche Aufstieg zur Weltmacht auf die Gegnerschaft des englischen Weltreiches« gestoßen, eine Feindschaft, verkörpert in der »Einkreisung Deutschlands« und entladen im Weltkrieg. Das »wilhelminische Deutschland« aber unterlag, weil »seine Führung versagte: weil sie dem deutschen Volk und der Welt kein einheitliches wegweisendes Ziel zu geben vermochte.« 463 Müller an Friedhelm Kaiser (Ahnenerbe), 4. 9. 1939, BArch, NS 21/375. 464 Kaiser (Ahnenerbe) an Müller, 9. 9. 1939, BayHStA, NL von Müller 434. 465 Ahnenerbe an Schriftleitung »Das Schwarze Korps«, 14. 9. 1939, BArch, ehem. BDC, DS/ G 0128 [Müller Karl Alexander von]. 466 Grüttner, Lexikon, S. 117 f.

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»Und heute? Welche Wendung!« Die Macht Englands sei mit dem Kapitalismus verbunden gewesen, doch dessen Zeitalter – wie das der parlamentarischen Demokratie – »stürze« seit dem Weltkrieg dem Ende zu. Eben dies spräche für Deutschland, das »deutsche Volk ist seinem innersten Wesen nach nie ein kapitalistisches und nie ein parlamentarisches Volk gewesen […]. Heute ist ein Zeitalter des Sozialismus und einer neuen autoritären Staatsform auf der Erde angebrochen, und wir gehören zu ihren ersten Trägern.« Nachdem Müller die geschichtliche Entwicklung verglichen hatte, suchte er nun deren zukünftigen Verlauf, den Aufstieg Deutschlands zur Weltmacht zu begründen. Jetzt sei das deutsche Volk geeint, es stehe wo »sich England schon zweieinhalb Jahrhunderte vor uns befunden hatte.« Im Grunde wie »vor 1914«, aber »nun mit einer ganz anderen Stärke, mit ganz anderem Weltbewußtsein und Glauben an seine Zukunft, mit ganz anderer Entschlossenheit einer überlegenen Führung steht Deutschland unter Adolf Hitler wiederum an der Schwelle zur Weltmacht.« Nicht noch einmal wollte Müller die zuvor erfahrene Enttäuschung erleben, dieses Mal sollte der Aufstieg gelingen: »Unsere völkische Kraft ist heute stärker und – jünger, als die des Britentums rund um die Erde. Der härtere Wille und die Genialität der Führung sind heute auf unserer Seite.« Deutlicher war für den Krieg nicht einzutreten, dem pflichtschuldigen Verweis auf die Gefahren – »Niemand, der die englische Geschichte und den englischen Charakter kennt, wird trotzdem die Größe eines solchen Ringens unterschätzen« – folgte abschließend die Nibelungensage: »Und der Speer der Verträge zerbricht vor dem Schwert, von dessen Spitze die Zukunft glänzt.«467 Umgehend erfuhr Müllers »Prophezeiung« einer kommenden deutschen Weltmachtstellung zustimmende Resonanz.468 Die NS-Parteikorrespondenz hob den Rang des Autors – »Der in vielen Jahren durch seine Arbeiten gerade über England und die Probleme seiner Politik bekannt gewordene Gelehrte« – und seine sachliche Perspektive hervor. Ohne »jede Billigkeit und Oberflächlichkeit der Argumente, vor allem auch mit großzügiger Würdigung und Achtung gegenüber dem Gegner« zeige Müller die »Entwicklungsgeschichte der beiden Völker« wie die mögliche Weltwende auf.469 Der Absatz der Broschüre erreichte rasch auch für den Erfolgsautor Müller ungewohnte Höhen, bereits zur Veröffentlichung hatte das Auswärtige Amt 5.000 Exemplare bestellt, Mitte Oktober war zu Müllers Freude bereits eine Auflage von 30.000 Stück erreicht.470 Nicht nur der Absatzerfolg begeisterte Müller, auch die ersehnte »Volksgemeinschaft« schien sich in der Lektüre seines Aufsatzes widerzuspiegeln. Er bekomme »zu meiner großen Freude Zuschriften von 467 Müller, Deutschland und England (1939), S. S. 6, 12, 16, 31 f, 40 – 42, 44 – 47. 468 Vgl. in der Frankfurter Zeitung: Neuer oder alter Krieg? sowie in den MNN: W.K., Deutschland und England. 469 NS-Parteikorrespondenz »Englands Entscheidung«, 21. 9. 1939, BArch, NS 21/375. 470 Ahnenerbe an Müller, 16.9. u. 17. 10. 1939; Müller an Kaiser (Ahnenerbe), 22. 10. 1939, BayHStA, NL von Müller 446.

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ganz Unbekannten aus dem Feld, die den Vortrag irgendwie erhalten u. gelesen o. vorgelesen haben.« Zwei Wochen darauf berichtete Müller nochmals, dass er Briefe von »Soldaten und Unteroffizieren« erhalte, die »den Vortrag meistens gemeinsam gelesen« hätten. Neben dem ideellen Gewinn klang auch die erreichte Auflage Müller »zuerst ganz märchenhaft«, für einen Vorschuss vor Weihnachten wäre er dankbar.471 Diesem Wunsch kam das »Ahnenerbe« gern nach, war doch die Auflage unterdes auf 71.460 Stück gestiegen.472 Im September 1940 schließlich, ein Jahr nach Veröffentlichung, hatte »Deutschland und England« eine Gesamtdruckauflage von 127.934 Exemplaren erreicht.473 Insgesamt sind Müllers Einnahmen aus der keine fünfzig Seiten umfassenden Broschüre auf ca. 5.000 RM zu schätzen, sein jährliches Grundgehalt als Universitätsprofessor betrug 12.600 RM.474 Die Karriere Müllers als Propagandist des kriegführenden nationalsozialistischen Deutschlands nahm nun Fahrt auf. Die Schrift, warb das »Ahnenerbe« bei Rosenberg, müsse – »so sachlich fundiert, so gemeinverständlich, so knapp und gleichzeitig vielsagend wie sie nun einmal ist« – in »größten Mengen an alle deutschen Volksgenossen herangetragen werden […], um der Entscheidung zwischen Deutschland und England […] eine tiefe geistige Verankerung zu geben.«475 Der Beitrag sollte nur der Auftakt zu Müllers verstärktem Engagement in den ersten Kriegsjahren sein. Als Historiker trat er zuallererst, wenn auch sein wissenschaftliches Ansehen als stets wahrgenommene Ressource nutzend, in der Rolle des Propagandisten eines deutschen Sieges auf. Vor Bitten um publizistische Beiträge über »das englische Problem« konnte sich Müller kaum retten. Bereits kurz nach dem Erscheinen von »Deutschland und England« durfte Walter Frank für Müllers Bereitschrift danken, drei entsprechende Schriften auszuarbeiten, auf die das Oberkommando der Wehrmacht sehr dränge.476 Auch die Berliner Hochschule für Politik bat Müller um einen Beitrag für ihre Schriftenreihe »Das Britische Weltreich in der Weltpolitik«, gegenüber Frank verwies Müller auf seine Beanspruchung. Vielleicht könne er demnächst die Schrift »Das britische Weltreich und seine Probleme« abliefern – »der Titel könnte je nach der Lage noch irgendwie zugespitzt werden« –, als zweites dann »Der deutsch-englische Gegensatz von Bismarck bis Adolf Hitler«.477 Allerdings wollte Müller nicht allein für diesen Krieg eintreten, vor allem der langjährige Konkurrent Arnold Oskar Meyer solle für »eine publizistische Müller an Kaiser (Ahnenerbe), 10.11. u. 28. 11. 1939, BArch, NS 21/375. Ahnenerbe-Stiftung Verlag (Kaiser) an Müller, 1. 12. 1939, BayHStA, NL von Müller 434. Ahnenerbe-Stiftung Verlag an Müller, 4. 9. 1940, BayHStA, NL von Müller 446. »Feldgrau schafft Dividende«, vgl. den Abschnitt zur Tornisterliteratur bei C. Adam, Lesen, S. 293 – 307 sowie zudem Lokatis, Buchhändlerische Vermarktung. 475 Ahnenerbe-Stiftung Verlag an DBFU Rosenberg, 31. 5. 1940, BArch, NS 21/375. 476 Frank an Müller, 23. 9. 1939, BayHStA, NL von Müller 448. 477 Fritz Berber (Hochschule für Politik Berlin) an Müller, 6. 10. 1939; Müller an Frank, 8. 10. 1939, ebd. Die Frank zugesagten Schriften hat Müller im Übrigen nicht verfasst.

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Aufgabe gewonnen« werden, wie Müller gegenüber Frank vorschlug: »Ich halte es für wichtig, ja für notwendig, daß Sie ihn zwingen, sich gegen England festzulegen; man kann ihm selbst sagen, gerade sein Ansehen in England mache dies zu einer zwingenden Forderung. Es ist in der Tat merkwürdig und auffallend, wenn ein deutscher Gelehrter, zu dessen Lebensarbeit die englische Geschichte gehört, jetzt schweigt – dieses Schweigen ist soviel wie eine positive Äußerung für England«.478 Die Beteiligung an der nationalsozialistischen Kriegspropaganda gegen England war für Müller ein von einem deutschen Universitätsprofessor zu erwartendes, notfalls einzuforderndes Engagement, zuvor erworbenes Ansehen eignete sich besonders zur Profilierung der nationalen Identität. Müllers Sorge, er könne sich womöglich als Einziger exponieren, war unbegründet. Die deutschen Historiker waren gleich anderen Geisteswissenschaftlern sehr wohl gewillt, sich nicht auf den Rahmen ihrer traditionellen Institutionen zu beschränken, um einen Beitrag zum deutschen Kriegserfolg zu leisten. Im »Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaften« suchten sie die Existenzberechtigung ihrer angesichts der Kriegsumstände unter Rechtfertigungsdruck geratenen Disziplinen zu untermauern. Auf Tagungen und in Publikationen wurde versucht, paradigmatisch Anschluss an »kriegswichtige« Fragestellungen herzustellen. Als »Gemeinschaftswerk« konzipiert, griff der »Kriegseinsatz« zudem dem Nationalsozialismus eigene Vorstellungen wissenschaftlicher Organisationsformen auf.479 Vor allem für jüngere Historiker wurde der »Kriegseinsatz« zur willkommenen Chance einer innerfachlichen Profilierung, als prominenter Autor weniger wissenschaftlicher denn propagandistischer Schriften nahm Müller am Einsatz der Historiker nicht teil. Jedoch kam es, angesichts seiner jüngsten Veröffentlichungen, zu Versuchen, ihn für den Einsatz der Anglisten zu gewinnen. Im August 1940 bat ihn Robert Spindler um Teilnahme an einer Besprechung mit dem Bonner Anglisten Wolfgang Schmidt, der sich für den »Kriegseinsatz« engagierte. Nur wenige Tage darauf insistierte Spindler, man benötige Müllers Rat, zumal »ausgerechnet Mentzel […] begeistert von der Vorbildlichkeit Ihres Salzburgers Vortrages gesprochen« habe.480 Offenbar hatte Müller sich eingefunden, denn Mitte September dankte ihm eben jener Wolfgang Schmidt: »Es war für uns ein grosser Gewinn, dass wir am 9.9. den Arbeitsplan der Englandwissenschaft mit Ihnen durchsprechen durften. Über Ihre Zusage und Mitarbeit sind alle Anglisten besonders froh.«481 Folgend erschien Müller in einigen Arbeitsplänen des »Anglisteneinsatzes« als Leiter der Untergruppe »Die politische Stellung Englands in Europa« sowie als Verfasser des entsprechenden 478 Müller an Frank, 23. 10. 1939, ebd. 479 Umfassend zum »Kriegseinsatz« vgl. Hausmann, »Aktion Ritterbusch« sowie zur Gemeinschaftsforschung: Hausmann, Bedeutung. 480 Spindler an Müller, 29.8. u. 3. 9. 1940, BayHStA, NL von Müller 447. 481 Schmidt (Englisches Seminar Universität Bonn) an Müller, 17. 9. 1940, ebd.

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»Leitaufsatz: Das deutsch-englische Verhältnis«.482 Dabei aber beließ es Müller, die vereinbarten Beiträge lieferte er nicht. Seine Schüler hingegen nahmen teils regen Anteil am »Kriegseinsatz«.483 Stolz berichtete Karl Bosl: »Ich konnte auch an der letzten Tagung des Einsatzes der Geisteswissenschaften in Magdeburg teilnehmen.« An den folgenden Tagungen des »Kriegseinsatzes« der Historiker beteiligte sich Bosl, auch am, im Januar 1945 in Hitlers Geburtshaus in Braunau abgehaltenen, vermutlich letzten Treffen des »Gemeinschaftswerkes«.484 Im Gutachten zur Habilitationsschrift Bosls hob Müller diesen Erfolg seines Schülers gesondert hervor und berichtete vom Lob für Bosls Auftritte, das ihm der Leiter des Einsatzes der Mediävisten, der Präsident des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde Theodor Mayer, mitgeteilt habe.485 Doch selbst während dieser Phase intensiver propagandistischer Präsenz »gegen England« hatte Müller seine frühere Form der Beschäftigung mit englischer Geschichte nicht ad acta gelegt. Noch aus der Vorkriegszeit war eine mit dem Piper Verlag vereinbarte Einführung Müllers zur Übersetzung einer englischen Biographie Straffords, eines englischen Politikers des 17. Jahrhunderts, offen. Tatsächlich stellte Müller das Manuskript zeitgleich mit der Veröffentlichung von »Deutschland und England« fertig. Piper empfand die Einführung als »sehr gut gelungen«, allerdings seien »nun doch noch ernste Bedenken aufgetaucht, ob es tunlich ist, das Buch jetzt herauszubringen. […] Bücher über englische Themen sind augenblicklich nur dann willkommen, wenn sie zugleich kämpferisch gegen England eingestellt sind.«486 Zumindest die Korrekturfahnen erstellte der Verlag noch, datiert auf den 27. September 1939. Seiner eigentlichen Einführung hatte Müller noch eine kurze Bemerkung vorangestellt: »Soll man – kann man als Deutscher heute eine Darstellung aus der englischen Geschichte lesen, noch dazu eine, die von einem Engländer geschrieben ist?« Das eingeleitete Buch sei lange »vor der gegenwärtigen Krise« verfasst worden, es informiere jedoch über einige »Tatsachen« der britischen Vergangenheit, die »auch heute noch nachwirken«. Man glaube nicht, dass »ein Deutscher, der es liest, in seinem Widerstand gegen das England von heute schwächer wird.«487 Eben diese Passage, ergänzt durch einige Seiten der Einführung Müllers in die Biographie, erschien auch im

482 Vgl. Hausmann, Anglistik, S. 316 sowie Hausmann, »Aktion Ritterbusch«, S. 380. 483 Auch in einem SD-Bericht über die Weimarer Tagung des »Kriegseinsatzes« im Juli 1942 fanden mehrere Schüler Müllers Erwähnung – Alexander Scharff, Fritz Wagner, Kurt von Raumer und Theodor Schieder. Vgl. Lerchenmueller, Geschichtswissenschaft, S. 267 f. 484 Bosl an Müller, 2. 7. 1943, BayHStA, NL von Müller 491. Bosls Teilnahme ist für die Tagungen Weimar im Mai 1942, Magdeburg im November 1942, Erlangen im April 1944 und Braunau im Januar 1945 belegt, vgl. Hausmann, »Aktion Ritterbusch«, S.179 f, 185 f, 191 f, 193 f. 485 Müller »Betrifft: Habilitationsschrift Dr. Karl Bosls.«, 14. 6. 1944, UAM, O-VII-45. 486 Piper (Piper Verlag) an Müller, 21. 9. 1939, BayHStA, NL von Müller 359. 487 Vgl. die erste Seite des Fahnenabzuges in: BayHStA, NL von Müller 310.

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Almanach des Piper Verlages, mit Verweis auf die 1940 anstehende Veröffentlichung des Bandes.488 Recht scheint Müller diese Verzögerung nicht gewesen zu sein, offenbar bot er unter der Hand auch der Schweizer Corona seinen Text an. Dort war man »völlig beglückt«, gern wolle man den »Strafford« nehmen.489 Zuvor jedoch war die Einwilligung Pipers einzuholen, der aber sträubte sich zur Enttäuschung Müllers.490 Er sei, so Piper, nicht grundsätzlich gegen einen Vorabdruck in der Corona, nur solle der Abstand zum Erscheinen des Buches nicht zu groß sein, dieses aber könne vor Kriegsende nicht erscheinen. Doch sei mit einer längeren Kriegsdauer »bei dem gegenwärtigen schnellen Verlauf der Ereignisse erfreulicherweise wohl« nicht zu rechnen.491 Müller nutzte die Wartezeit und trug im Juli 1940 in seiner Abteilung der Bayerischen Akademie zu Strafford vor.492 Als jedoch im September 1940, nach einer Hochphase der »Luftschlacht um England«, ein baldiges Kriegsende in weite Ferne gerückt war, gab Piper nach. Nur die ersten Sätze müsse Müller ändern, für die »Buchausgabe kann die endgültige Fassung erst erfolgen, wenn wir wissen, wie der Krieg ausgegangen ist.«493 Im Frühjahr 1941 erschien Müllers »Strafford und seine Zeit« in der Corona, die auf zeitgenössische Vorbehalte eingehende Bemerkung war entfallen. Die literarische Beschreibung Straffords wie des frühmodernen England hätte Müller auch zehn oder zwanzig Jahre zuvor veröffentlichen können.494 Ebenso unverändert fielen die Reaktionen der Kollegen aus, für Heinrich von Srbik war die Studie »köstlich nach Inhalt und Form«, Willy Andreas las sie »mit Gewinn und Genuß« und Walther Kienast wünschte: »Hoffentlich lässt Ihre Überlastung einmal nach, dass Sie dazukommen, etwas grösseres über englische Geschichte zu schreiben.«495 Scheinbar unberührt vom Krieg wie von Müllers persönlichem Einsatz erfuhr seine Wahrnehmung als schriftstellerisch versierter Kenner Englands eine erneute Bestätigung. Vollkommen unverändert allerdings war die Welt der deutschen Historiker nicht geblieben. Als Sekretär der Historischen Kommission erwog Müller für eine anstehende Veröffentlichung die Wahl der Schrifttype: »Zu überlegen scheint mir immer noch Fraktur oder Antiqua. Ich persönlich neige auch zur Fraktur ; immerhin haben wir wohl, bis das Buch erscheint, mit einem größeren europäischen 488 Müller, Über Strafford (1939). 489 Herbert Steiner an Müller, 14. 1. 1940, BayHStA, NL von Müller 497 (Unterstreichung im Original). 490 Vgl. Müller an Steiner, 27. 4. 1940, DLA, A:Steiner. 491 Piper an Müller, 20. 5. 1940, BayHStA, NL von Müller 359. 492 Protokoll der Sitzung der Philosophisch-historischen Abteilung, 6. 7. 1940, Archiv BAdW. 493 Piper an Müller, 20. 9. 1940, BayHStA, NL von Müller 359. 494 Müller, Strafford und seine Zeit (1941). 495 Srbik an Müller, 23. 5. 1941, BayHStA, NL von Müller 494; Andreas an Müller, 25. 11. 1941, HiKo, NLWilly Andreas (NL 1), Band 3; Kienast an Müller, 15. 6. 1941, BayHStA, NL von Müller 466.

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Markt für deutsche Bücher zu rechnen als bisher.«496 Galt Müllers Engagement im ersten Kriegsjahr dem propagandistischen Kampf gegen England, folgte nun, ab dem Herbst 1940, sein gleichsam komplementärer Einsatz für die Neuordnung Europas im Sinne des nationalsozialistischen Deutschlands. 5.3.2 Für »Deutsche Größe« und das Reich Erstaunt reagierte das bei Rosenberg als »Beauftragter des Führers« angesiedelte Kulturpolitische Archiv, als die Gauleitung der NSDAP MünchenOberbayern eine gewünschte Auskunft nicht erteilen konnte, da »Professor von Müller unter der von uns angegebenen Anschrift: Mauerkircher Str. 20 noch nie gewohnt habe.« Es wohne Müller »allerdings Mauerkircher Straße 12. Davon abgesehen, erscheint uns Ihre negative Antwort nicht verständlich, da es sich bei Professor von Müller um den bekannten Historiker der Münchener Universität und Präsidenten der Bayerischen Akademie handelt, dessen soeben erschienenes Buch über England und Deutschland als eine der bedeutendsten Veröffentlichungen der jüngsten Zeit in einer sehr großen Anzahl von Exemplaren im deutschen Volke verbreitet ist.«497 Es schien schlechterdings undenkbar, mit Müller nicht vertraut zu sein. Die eingegangenen Gutachten verschiedener Parteigliederungen zeichneten das Bild eines mustergültigen Nationalsozialisten, schon »Jahre vor 1933 als Nationalsozialist bekannt, konnte er zur Zeit der Machtübernahme mit reinsten Gewissen in die NSDAP eintreten. Unter den hiesigen Historikern ist er der einzige, der mit innerster Überzeugung den großdeutschen und volksdeutschen Gedanken vertritt.«498 Müllers »nationalsozialistische Gesinnung« sei »in jeder Beziehung einwandfrei. Er ist ein eifriger Besucher der Parteiversammlungen. Bei Sammlungen hat er stets eine offene Hand und gibt reichlich.«499 Die begrenzte Aussagekraft solcher Begutachtungen bedarf keiner weiteren Erörterung, fraglos aber nahmen die NSDAP und ihre Gliederungen Müller als zuverlässiges Parteimitglied wahr. Müllers Aufstieg zum einflussreichsten Historiker im nationalsozialistischen Deutschland war begleitet von seinen persönlichen Verbindungen in die Führungsebene des NS-Staates, von seinem Ansehen als früher und verlässlicher Förderer einer nationalsozialistischen Geschichtswissenschaft. Gleichwohl vollzog sich Müllers Laufbahn, nachdem er das 1933 übernommene Amt im »Reichsbund Volkstum und Heimat« rasch wieder abgegeben hatte, in wissenschaftlichen Institutionen. Dort vertrat Müller als allseitiger 496 Müller an Otto zu Stolberg-Wernigerode, 10. 11. 1940, HiKo I Band 289. 497 NSDAP, DBFU, Kulturpolitisches Archiv an Gauleitung München-Oberbayern, 17. 10. 1939, BArch, ehem. BDC, PK/ I 0191 [Müller Karl Alexander von]. 498 Bergdolt (Dozentenbundführer UM) »Ausführliches Gesamturteil«, 2. 11. 1939, ebd. 499 NSDAP, Gauleitung München-Oberbayern an Ortsgruppe Steinhausen, 14. 11. 1939; Auskunftserteilung der Ortsgruppe auf Vordruck, 20. 11. 1939, ebd.

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Vertrauensmann die Wünsche des NS-Staates nach einer zunehmend nationalsozialistischen Wissenschaft, für die Fähigkeiten und Ansehen der traditionell orientierten Vertreter durchaus als nützlich empfunden wurden. Müller war nationalsozialistischer Historiker und Wissenschaftsorganisator, seine Mitgliedschaft in der NSDAP jedoch stand selten im Vordergrund. Als im April 1938 zu seinem Vortrag zur bevorstehenden Volksabstimmung über den »Anschluss« Österreichs eingeladen wurde und vor der Nennung seines Namens auch das Kürzel »Pg.« erschien, unterstrich der mit Müller gut bekannte Vorsitzende der landesgeschichtlichen Akademiekommission Georg Leidinger dieses mit zwei dicken Balken.500 Zwei Jahre darauf hätte Müllers Nähe zur NSDAP, ihren Organisationen und Auftritten weit weniger Erstaunen ausgelöst, seit Kriegsbeginn trat Müller deutlich erkennbarer außerhalb des engeren wissenschaftlichen Bereiches als Fürsprecher des nationalsozialistischen Deutschlands auf. »Ich freue mich, einen so namhaften Gelehrten für die notwendigen Arbeiten in der Partei gewonnen zu haben«. Dankbar zeigte sich Hans Hagemeyer, Leiter der Schrifttumspflege im Amt Rosenberg, für Müllers Bereitschaft, an der geplanten Ausstellung »Deutsche Größe« mitzuwirken.501 Trotz vielfacher Beanspruchung überwog erneut Müllers Wille zur Teilhabe, bald sandte er ein Konzept zur Darstellung des 19. Jahrhunderts und führte erste Planungen zur Raumgestaltung aus.502 Auch bestand die Hoffnung, Müllers schriftstellerische Fähigkeiten akquirieren zu können. Es wäre »schön, wenn Sie besonders Wert auf eine gute künstlerische Darstellung Ihres Materials legen könnten.«503 Gegenüber seinem Mitarbeiter Helmut Eckert, einem früheren Doktoranden, skizzierte Müller die Ausgestaltung des übernommenen Abschnitts: »Die Aufgabe der Gruppierung liegt in diesem Saal darin, deutlich zu machen, daß das 19. Jahrdt. eine Zeit großer, aber zersplitterter Einzelleistungen des deutschen Volkes war, die erst später im Nationalsozialismus zusammengefaßt werden«.504 Für die Abfassung seines Katalogbeitrages erbat Rosenbergs Amt bei der Münchner Universität eine Entlastung Müllers von universitären Pflichten, mit Erfolg.505 Zur Ausstellungseröffnung am 8. November 1940 im Deutschen Museum München wurde Müller im Namen Ro500 Vgl. Leidingers handschriftliche Unterstreichung auf der Einladung von Dozentenschaft u. Rektor UM, in: BSB, NL Georg Leidinger, Leidingeriana II. Müller, Karl Alexander von. 501 Hagemeyer an Müller, 16. 3. 1940, BayHStA, NL von Müller 449. 502 Müller an Hagemeyer, 8. 4. 1940, ebd. Zur Besprechung entsandte Müller einen Mitarbeiter, er habe ihn »schon bei der hiesigen Ausstellung ›Raubstaat England‹ sehr gut unterstützt.« In welcher Form Müller bei dieser 1939 von der NSDAP München-Oberbayern veranstalteten Ausstellung mitwirkte, ist unklar, im Katalog wird er nicht erwähnt (vgl. Raubstaat England). Jedoch erinnerte sich Fritz Wagner, im Auftrag Müllers »in München eine England betreffende Ausstellung« organisiert zu haben, vgl. Hausmann, »Aktion Ritterbusch«, S. 25. 503 Hagemeyer an Müller, 15. 4. 1940, BayHStA, NL von Müller 449. 504 Müller an Eckert, 7. 7. 1940, ebd. 505 Amt Schrifttumspflege an Rektor UM, 24. 9. 1940; Rektor UM an Müller, 26. 9. 1940; Müllers Erläuterung, 28. 9. 1940; Rektor UM an Müller, 4. 10. 1940, UAM, E-II-2517.

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senbergs eingeladen. Die erneute persönliche Begegnung mit der NS-Führung imponierte Müller, drei Tage nach der Eröffnung dankte er : »Die Eindrücke und Anregungen des gemeinsamen Essens haben mich noch lange begleitet. Wenn Sie den Herrn Reichsleiter sehen, darf ich bitten, ihm nochmals meinen wärmsten und ergebensten Dank aussprechen zu wollen.«506 Als »repräsentatives Zeugnis nationalsozialistischer Geschichtspropaganda«507 konzipiert, war die Ausstellung mit der Unterstützung einer Reihe von Universitätshistorikern entwickelt worden, neben Müller beteiligten sich Otto Brunner, Günther Franz, Fritz Rörig und Edmund Stengel.508 Den einführenden, titelgebenden Katalogbeitrag »Deutsche Größe« hatte Müller beigesteuert, in Thesen wie Formulierungen frühere Beiträge aufgreifend. Emphatisch führte er ein: Wer »könnte es ausschöpfen, was bei den zwei Worten ›Deutsche Größe‹ alles in uns anklingt, Gegenwart – Überlieferung – Sehnsucht und Wille der Zukunft!« Doch schon mit dem Weltkrieg seien »die Dämme und Mauern der alten Welt, die uns unerschütterlich gedünkt hatten« eingerissen worden, dann brach alles »ohne Führer, ohne gemeinsames wegweisendes Ziel, wie mit einem Schlag zusammen«. Trotz allem: »Nein, es war unmöglich, daß dieses Volk unterging!« Der »Führer« schuf »kaum vierzehn Jahre nach Versailles einen neuen starken, den ersten völkischen deutschen Staat«, und nun »erhebt er ihn, wie in der Zeit seiner größten Kaiser, zum Schöpfer und Bürgen einer neuen Ordnung Europas«, auf einer »neuen völkischen Grundlage« baue er »ein neues, germanisch-deutsches Reich.« Von dieser Apologie des vom nationalsozialistischen Deutschland entfesselten Krieges ausgehend, blickte Müller in die deutsche Vergangenheit zurück, in wohlbekannter Form die unstete Entwicklung und wiederkehrende »Zersplitterung« beschreibend. Schließlich aber stand das »großdeutsche Volksreich Adolf Hitlers vor uns«, es breite »die Macht und den Einfluß seines 80-Millionen-Volkes, zum zweitenmal in unserer Geschichte, aber auf einer neuen Stufe der eigenen wie der allgemeinen Entwicklung, aus über Europa.« Mit Schillers unvollendetem, lange nach dessen Tod mit »Deutsche Größe« betitelten Gedichtfragment endete Müller, jedes »Volk hat seinen Tag in der Geschichte, doch der Tag des Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit.«509 Die vermeintliche »Ernte« des Jahres 1940 hatte Müller bereits in der HZ bejubelt, nach dem erfolgreichen Feldzug gegen Frankreich. Seit der »letzte Band dieser Zeitschrift abgeschlossen wurde, hat sich das Antlitz Europas verwandelt.« Offenbar sah Müller die im Herbst zuvor in »Deutschland und England« erhoffte Entwicklung nun Realität werden, die »Epoche der vor506 Amt Schrifttumspflege an Müller, 20. 10. 1940; Müller an Hagemeyer 11. 11. 1940 sowie Müllers »Ehrenkarte« zur Ausstellungseröffnung, BayHStA, NL von Müller 449. Vgl. zum Ort der Ausstellung eine Reihe von Beiträgen in: Vaupel/Wolff (Hg.), Deutsche Museum. 507 Schönwälder, Historiker, S. 234, hier auch die Angabe von 657.000 Besuchern, S. 368. Vgl. zudem: Kivelitz, Propagandaausstellung, S. 205 – 208, zu »Raubstaat England«, S. 227 f. 508 Vgl. den Katalog: Ausstellung Deutsche Größe, S. 398. 509 Müller, Deutsche Größe (1940), S. 9, 12 f, 15, 24, 37.

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herrschenden Seemacht, die Epoche der kapitalistischen Weltwirtschaft und die Epoche der parlamentarischen Demokratie laufen gleichzeitig zu Ende.« Zweierlei, so Müller, bestimme Deutschlands »entscheidende Stärke« – seine »biologische Kraft ist ungebrochener und elementarer als die seiner heutigen Gegner«, und der »Führer« habe »diese Volkskraft von 80 Millionen Deutschen« zu einem »gemeinsamen Bewußtsein ihres Lebens und zu einem einheitlichen Willen ihrer Zukunft zusammengeschmolzen; auf dieser neuen völkischen Grundlage baut er ihr neues deutsch-germanisches Reich.« Auf »unserm Feld«, schließlich leitete Müller das Heft einer geschichtswissenschaftlichen Zeitschrift ein, gelte es, »jede Kraft einzusetzen, daß der Sieg des deutschen Geistes nicht kleiner werde als der Sieg der deutschen Waffen.«510 Geschichtswissenschaft im Krieg, das hieß für Müller zuallererst für den Krieg. Seine publizistische Mobilisierung kannte nun kaum noch ein Halten, der militärische Erfolg löste jede zuvor noch bewahrte Reserve auf. In ungekannter Pünktlichkeit, erst Ende Dezember hatte ihn die Bitte um Mitarbeit erreicht511, lieferte Müller für die Zeitschrift des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds einen Beitrag über die »deutsche Geisteswissenschaft im Kriege«. Es seien glücklich »alle diejenigen, die unmittelbar zur Teilnahme am Entscheidungskampf aufgerufen sind«, doch was wäre die Aufgabe »derer, die auf den Feldern der Geisteswissenschaften arbeiten«, hätten »sie überhaupt ein Lebensrecht, während ein Volk mit den Waffen um sein Dasein und seine Zukunft kämpft?« Selbstredend betonte Müller den Wert »geistiger Arbeit«, denn auf den Waffengang folgten »die geistigen und die sittlichen Entscheidungen: und auf ihrem Feld fallen die Würfel über die Dauer der endgültigen Ergebnisse.« Die »Erneuerung der deutschen Geisteswissenschaften« sei »eine Lebensnotwendigkeit für unser Volk«, sie »wiederzuerwecken […] kein genießerischer, zeitfremder Wunsch, sondern ein letztes Gebot der völkischen Macht.« Fast drohend mahnte Müller seine Kollegen, vielleicht auch ein wenig sich selbst, die »Träger der deutschen Geisteswissenschaften haben lange Jahre schwer dafür gebüßt, daß sie in ihrer übergroßen Mehrheit vor 1933 die wahren Kräfte der neuen Zeit nicht erkannten«.512 Dies sollte Müller nicht noch einmal widerfahren. Mit aller Konsequenz setzte er sich für das nationalsozialistische Deutschland ein, in einer Beilage des Völkischen Beobachters zum achten Jahrestag der Machtergreifung erklärte Müller : »Warum Deutschland siegen muß. Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Sieges«. Im Kern eine geraffte Zusammenfassung der seit Kriegsbeginn mehrfach ausgeführten historischen »Begründung« für die ersehnte deutsche Weltmachtstellung, zeichnete Müller auch sein Bild der sich formenden nationalsozialistischen Herrschaft in weiten Teilen Europas. 510 Müller, Vorwort (1940), S. 229 f. 511 »Die Bewegung« an Müller, 20. 12. 1940, BayHStA, NL von Müller 424. 512 Müller, Geisteswissenschaft im Kriege (1941), S. 11.

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Was »Form« gewinne, sei »das begrenzte Ziel eines von der verantwortlichen deutschen Mitte aus auf den neuen sozialen Grundlagen organisch geordneten Europas als einer Schicksalsgemeinschaft historisch erwachsener Völker, deren jedes nach seiner Kraft und nach seiner Eigenart Lebensraum und Freiheit zur eigenen schöpferischen Entfaltung besitzt und für deren Gesamtheit, bei der rassischen Stärke und Begabung unseres Erdteils, dadurch eine neue unerhörte Möglichkeit weltweiter Auswirkung sich eröffnet.« Das Ziel sei »Ordnung und Friede einer in ihren großen Völkern und natürlichen Völkergruppen zu neuer Arbeit gesammelten Welt.«513 Wie fern von der Realität deutscher Kriegsführung diese Vorstellungen eines »organisch« unter deutscher Ägide »geordneten« Europas waren, offenbarte ihm nur wenige Monate später der aus Norwegen zurückgekehrte Kollege Ulrich Noack. Sein Abschied werde ihm, so Noack »fast erleichtert durch die wachsende Erkenntnis, dass dort alles durch unbegreiflich kurzsichtige Fehler unserer leitenden Stellen […] bei fast dem gesamten norwegischen Volke verschüttet und verfahren worden ist. […] Und wenn wir noch zehn Griechenlande eroberten, daran ist nichts mehr gutzumachen.« Betroffen antwortete Müller, er habe mit »tiefem Kummer« den Brief gelesen, es sei »leider nicht das einzige Zeugnis dieser Art, und die verwandten Klagen betreffen mehr als ein Land.«514 Bereits kurz nach Kriegsbeginn war Müller an dessen Folgen auch für die Historiker der von Deutschland eroberten Länder erinnert worden. Durchaus sei er, so Albert Brackmann, zu einem Beitrag in der HZ bereit, habe auch, »als der Krieg ausbrach, gerade eine Auseinandersetzung mit den Posener Historikern niedergeschrieben«. Nun aber würde er »mit Rücksicht darauf, dass die Posener Historiker zum Teil verhaftet sind, meine Erwiderung in andere Formen kleiden und würde es für richtig halten, wenn gerade die Historische Zeitschrift einen solchen Aufsatz brächte, der zugleich die Mitschuld der polnischen Geschichtswissenschaft an den hinter uns liegenden Ereignissen aufzeigt.«515 Zögerlichkeiten, die Müller mit jedem militärischen Erfolg fremder zu werden schienen. Seine Geleitworte in der HZ wuchsen sich zu Elogen auf die militärischen Erfolge des »Führers« aus, zugleich galt es aber laut Müller, sich für den »Einsatz nach dem Kampf der Waffen zu rüsten«. Allerdings, so seine Kritik, hätten »die deutschen Geisteswissenschaften mit dem Umbruch der Zeit bisher noch am wenigsten Schritt gehalten«. In der HZ jedoch habe man versucht, auch »die Arbeit dieser Zeitschrift dem Aufbau des neuen Deutschlands nutzbar zu machen.« Deshalb eröffne diesen Band, wie vor fünf Jahren, ein Vortrag des »leidenschaftlichsten und stärksten Vorkämpfers aus 513 Müller, Warum Deutschland siegen muß (1941), S. 23. Treffend zu deutschen Historikern im besetzten Polen, vor allem zu Vorstellungen Reinhard Wittrams, vgl. die Formulierung »Utopie einer besseren Tyrannis« bei: Bialkowski, Utopie, hier S. 357 f. 514 Noack an Müller, 28. 4. 1941; Müller an Noack, 1. 5. 1941, BayHStA, NL von Müller 468. 515 Brackmann an Müller, 17. 11. 1939, GStA, VI. HA, NL Brackmann 22, Bl. 179. Vgl. auch: August (Hg.), »Sonderaktion Krakau«.

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der jüngeren Generation unserer Wissenschaft«.516 Müllers politische Mobilisierung im Zeichen des Krieges belebte das zwischenzeitlich stark abgekühlte Verhältnis zu Walter Frank, der nunmehr erneut in der HZ ein prominentes Podium erhielt.517 Seit dem Konflikt mit Wilhelm Grau hatte sich Franks Präsenz in der HZ auf kleinere Beiträge beschränkt, erst im Heft zuvor war die ausgesetzte Rubrik »Geschichte der Judenfrage« unter seiner Leitung zurückgekehrt. Bald allerdings standen sich die Kontrahenten aus Müllers Schülerschaft erneut gegenüber. Direktor des von Rosenberg gestützten, im März 1941 eröffneten Frankfurter »Instituts zur Erforschung der Judenfrage« wurde Grau.518 Rasch erreichte die Auseinandersetzung zwischen den konkurrierenden »Judenforschern« auch die HZ. Müller sei, so Frank an Richard Fester, »bereits wieder zu ängstlich« und werde eine Meldung des Frankfurter Instituts über die »Gründung der grössten Judenbücherei der Welt« in der nächsten HZ abdrucken.519 Eine Zuspitzung, von Frank gewünscht und gefördert, aber kollidierte mit der von Müller als Herausgeber angestrebten Ausrichtung der HZ. Er habe, so formulierte Müller in einem Briefentwurf an Frank, den Abdruck vorgenommen, um »jeden Eindruck einer passiven Resistenz vermeiden. Ein solcher hätte gerade in diesem Fall sicher zu einem sofortigen verstärkten Druck geführt, mit der unmittelbaren Gefahr einer grundsätzlichen Festlegung oder eines Konfliktes. Von einem solchen muß ich die H.Z., solang es irgend möglich ist, fernhalten.«520 Die nationalsozialistische Geschichtswissenschaft führte Krieg – auch mit sich selbst. Für Müllers Ziel einer im und für den Nationalsozialismus geeinten deutschen Historikerschaft waren diese Fehden hinderlich, er fürchtete, die HZ könne dabei Schaden nehmen. Für eine Seite Stellung beziehen wollte Müller nicht, er bat den Reichswissenschaftsminister um eine »unmittelbare Entscheidung«. Er habe 1936 die Leitung der HZ übernommen, um »sie in unserm neuen Staat als führende, allgemeine geschichtliche Fachzeitschrift zu erhalten. Eine meiner ersten Maßnahmen war, in dieser weit ins Ausland wirkenden Zeitschrift, die in der Systemzeit stark verjudet war, ein regelmäßiges, streng wissenschaftliches Referat zur ›Geschichte der Judenfrage‹ einzurichten.« Welche der beiden konkurrierenden Institutionen – München oder Frankfurt – das Referat erhalten solle?521 Müllers Frage verlor bald an Relevanz. Zwar betreute Frank für einige Ausgaben der HZ die Rubrik, doch gingen im Laufe des folgenden Jahres beide Kontrahenten sämtlicher Ämter

Müller, Vorwort des Herausgebers (1941), S. 1 f. Vgl. Frank, Die deutschen Geisteswissenschaften im Kriege. Rupnow, Institut, S. 291 f. Frank an Fester, 10. 3. 1941, BArch, NL Richard Fester 90. Wie von Frank befürchtet, nahm Müller die Meldung in die HZ auf, vgl. Die grösste Bibliothek zur Judenfrage. 520 Vgl. das durchgestrichene Brieffragment Müllers (ca. Mitte 1941), in: BayHStA, NL von Müller 466. Ob und in welcher Fassung Müller sich an Frank gewandt hat, bleibt offen. 521 Müller an REM Rust, 10. 6. 1941, BArch, R 4901/2596, Bl. 281.

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verlustig.522 Das Frankfurter Institut übernahm Klaus Schickert, ein weiterer Schüler Müllers, dessen Engagement für die »Judenforschung« sich fortsetzte. In einem Gespräch im Januar 1944 habe Müller, so Schickert an Rosenberg, vorgeschlagen, den »durch nichts gerechtfertigten Dualismus in der Judenforschung zu beenden.« München müsse in Frankfurt aufgehen – »Die Partei habe den unbedingten Führungsanspruch in der Erforschung der Judenfrage«.523 Auch schlug Müller im Frühjahr 1944 für den von Rosenberg geplanten »antijüdischen Kongress« in Krakau Schickert als Redner vor.524 In seinem »Kriegseinsatz« – »für den ich mich, ich darf wohl sagen jetzt seit bald 2 Jahren bis zur Grenze meiner Kräfte zur Verfügung gestellt habe und bis zum Kriegsende weiter zur Verfügung stellen werde«525 – ließ sich Müller vorerst nicht stoppen. In einer von Oldenbourg erbetenen »Charakterisierung« der HZ fasste er deren Wirken adäquat der ausgerufenen Notwendigkeit, die Geisteswissenschaften müssten mit dem militärischen Aufstieg gleichziehen, zusammen: »In unserer großen Zeit ist ihre besondere Aufgabe, den weltgeschichtlichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg des deutschen Volkes vom Boden der Geschichte her geistig zu unterbauen und zu befördern.«526 Ein »weltgeschichtlicher« Aufstieg, der einer Begründung jenseits der militärischen Erfolge bedurfte, der mit einer wissenschaftlich grundierten, historisch hergeleiteten Legitimation der nationalsozialistischen Herrschaft über Europa versehen werden sollte. Der Rückgriff auf das »Reich« lag in vielerlei Hinsicht nahe, rekurrierte doch der Nationalsozialismus bereits in seiner Selbstzuschreibung eines »Dritten Reiches« in wenig konsistenter, aber trotzdem wirkmächtiger Form auf eine vermeintlich überzeitliche »Reichsidee«.527 Nicht zuletzt der Bezug auf das »Heilige Römische Reich Deutscher Nation«, das »alte Reich«, erfreute sich unter den Historikern im Nationalsozialismus angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, deutsche respektive »germanische« Geschichte nun von ihren mindestens frühmittelalterlichen Ursprüngen her zu schreiben, einiger Beliebtheit. Die bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in imperialistischer Absicht eingeleitete »Entgrenzung der Reichsidee« nutzte der NS-Staat, um »seinen Herrschaftsansprüchen den Schein einer historischen Tradition zu stiften.«528 Umgekehrt sah die Geschichtswissenschaft, führend die Mediäv522 Ausführlich zum Konflikt bis zum Amtsverlust beider vgl. Heiber, Frank S. 972 – 1160. 523 Schickert an Reichsleiter, 29. 1. 1944, »Aufzeichnung über eine Unterredung mit Professor Karl Alexander von Müller am 26.I.1944 in München.«, IfZ, Stellvertreter des Führers, Fa 727 Band 1. Vgl. auch Rupnow, Judenforschung, S. 149 f. 524 Müller an Hans Hagemeyer, 23. 5. 1944, BayHStA, NL von Müller 7. 525 Müller an Archivdirektor (Stadtarchiv München), 15. 6. 1941, BayHStA, NL von Müller 299. 526 Müller an Wilhelm von Cornides, 24. 6. 1941, BayHStA, NL von Müller 466. 527 Kroll, Reichsidee; zudem zur »religiösen« Grundierung vgl. Bärsch, Religion. 528 Langewiesche, Reich, Nation und Staat, S. 214 f. Der Begriff »Imperium« bot sich, nicht zuletzt an Müllers einschlägigen Veröffentlichungen ablesbar, wegen der bemühten Abgrenzung von britischer »Weltherrschaft« nicht an. Um eigene Ansprüche zu untermauern, wurde die britische Politik zudem als »europafeindlich« gebrandmarkt, vgl. Kletzin, Europa, S. 63 – 71.

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istik, in der Erklärungsnotwendigkeit der deutschen Besetzung Europas eine Chance, historiographischen Konzepten des Reiches Aufmerksamkeit und Wirkungsmacht zu verleihen.529 Die auch von Müller beschworene, unter deutscher Führung herzustellende »Ordnung« in Europa, ein »legitimatorisches Versatzstück« auch zur Stilisierung Deutschlands als »Bollwerk Europas gegen den Bolschewismus«530, fand ihre wohl bekannteste, am weitesten verbreitete historiographische Verknüpfung mit dem Reichsbegriff in Karl Richard Ganzers 1941 erschienenem »Reich als europäische Ordnungsmacht«.531 Der Beitrag des Müllerschen Schülers war die prominent sichtbare Spitze einer historiographischen Konjunktur, die die deutsche Geschichtswissenschaft erfasste.532 Für Müller selbst begann die engere Teilhabe an der historiographischen Beschwörung des »Reichs« mit einem ungewohnten Fiasko, das verdeutlichte, welche Risiken Müllers Erfolg, seine seit Kriegsbeginn zunehmende Einbindung in die Propaganda des NS-Staates, barg. Im Juli 1940 beantragte die Reichsleitung der NSDAP bei der Münchner Universität, Müller von anstehenden Prüfungsverpflichtungen zu entlasten, damit dieser den Hauptbeitrag für den Schulungsbrief zum Thema »300 Jahre Kampf um die Wiedergeburt des Reiches« verfassen könne.533 Müller verfasste den Beitrag tatsächlich, betitelt mit »Vom Reich und seiner Wiedergeburt«. Doch Reichsorganisationsleiter Robert Ley sah sich »genötigt«, diesen wegen »völliger unnationalsozialistischer Betrachtungsweise« aus dem Manuskript des Schulungsbriefes zu entfernen. Dies gebe Veranlassung, so Ley, auch angesichts von Empfehlungen Müllers für Wilhelm Grau wie Götz von Pölnitz, die »Arbeiten des Herrn von Müller mit kritischeren Augen als bisher zu betrachten.«534 Der im September 1940 vorgelegte Artikel unterschied sich in keiner Weise von anderen, im selben Zeitraum mit sehr viel Zuspruch veröffentlichten Beiträgen Müllers.535 Offenkundig war dieser, die Kehrseite seiner erfolgreichen Partizipation an der Kriegspropaganda, in den Machtkonflikten innerhalb der NSDAP zwischen die Fronten geraten. Tatsächlich war Müller in dieser Hinsicht kaum eindeutig zuzuordnen. Im Laufe des Jahres 1940 hatte er – nicht zuletzt durch die Mitwirkung an der Ausstellung 529 Vgl. den Abschnitt »Vom Karolingerreich zum Deutschen Reich: Ein Blick zurück auf die Themen der dreißiger und vierziger Jahre«, in: Nagel, Mittelalterforschung, S. 51 – 91. 530 Kirsch, Europa, S. 192. 531 Ganzer, Reich als europäische Ordnungsmacht. Zur Auflage von 850.000 Exemplaren, auch als Tornisterschrift, vgl. Heiber, Frank, S. 378. Vgl. zudem Wadle, »Reich«, zu Ganzer S. 254 f. 532 Winkler, Westen, S. 77. Neben Ganzer nennt Winkler Srbik sowie Müllers Mitherausgeber von »Knaurs Weltgeschichte« Peter Richard Rohden. Vor allem das Reichsinstitut, dem auch Ganzer angehörte, versuchte den historiographischen Trend zu nutzen, vgl. die 1941 bis 1943 in drei Bänden erschienene Sammlung: Reich und Reichsfeinde. 533 NSDAP-Reichsleitung an Dekan Phil. Fak., 5. 7. 1940, UAM, O-XIV-437. 534 Reichsorganisationsleiter NSDAP Ley an Reichsleiter Rosenberg, 23. 4. 1941, IfZ, Kanzlei Rosenberg MA 597 Rolle 1. Grau wie Pölnitz, letzterer Dozent an der Universität München, wurden des NS-feindlichen Katholizismus verdächtigt. 535 Vgl. den Fahnenabzug des Beitrages in: BArch, NS 8/195, Bl. 46 – 58.

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»Deutsche Größe« – dem Bereich Rosenbergs zugearbeitet. Zugleich aber zählte er schon aus langjähriger Verbundenheit zum Kreis um Rudolf Heß. Als mindestens dritte »Machtsäule«, deren Vertrauen Müller genoss, wäre das Reichswissenschaftsministerium zu nennen. Seit dem Januar 1941 schrieb Müller zudem für das Reichspropagandaministerium »ein populär historisches Werk über die Entwicklung des Deutschen Reiches«, dessen vorläufiger Titel »Mehrer des Reichs« die Einbindung in die Propaganda zum »Reich« nahelegte.536 Auch dieses Werk Müllers sollte nicht erscheinen, allerdings gibt es keinen Hinweis auf andere Gründe als die bereits bekannte Säumigkeit des Autors. Die Geschichte des »Reichs« boomte auf vielen Feldern, auch für eine vom Reichssender München geplante »Reihe von gehobenen Plaudereien und Kurzvorträgen« bat man Müller um »Ausführungen über den tieferen Sinn des Reichsbegriffs.«537 Offenbar inspiriert vom Zuspruch zu »Deutsche Größe« entschloss sich das Amt Rosenberg, »an Hand des Materials der Ausstellung einen grösseren Bilderatlas zur deutschen Geschichte herauszubringen«, man hoffe auf die Mitarbeit Müllers.538 Offenbar zeigte dieser Interesse, nach gemeinsamen Planungen – »Der in München im Gespräch zwischen uns entstandene Titel ›Gestalt und Wandel des Reiches. Ein Bilderatlas zur deutschen Geschichte‹ scheint uns bislang immer noch der beste zu sein« – offerierte man Müller das stattliche Honorar von 3.000 RM.539 Erscheinen würde der umfangreiche Band allerdings erst 1944, in seinem einleitenden Aufsatz »Gestalt und Wandel des Reiches« orientierte sich Müller erneut an früheren Darstellungen. Es sei, so begann er, »etwas Ehrwürdiges um die Heimat« und »etwas Erhebendes um den Staat«, doch was lasse »beim Namen des Reiches das Herz noch höher und wärmer zugleich schlagen«? Nur wenige »Völker der Geschichte haben ausgreifenden Tatenmut und verantwortungsfrohe politische Bildungskraft genug besessen zur Schaffung eines Reichs«. Sei nicht, so fragte Müller, die deutsche Geschichte stetes »Ringen um Heimatboden, Staatseinheit und Reichsschöpfung«? Seine Antwort war bekannt, die deutsche Vergangenheit zeige keine »geradlinige Entwicklung«, nun aber sammele man sich aus der »alten Zersplitterung […] zur geballten Einheit«. Erneut durchschritt Müller zügig die Jahrhunderte – am Anfang des zehnten Jahrhunderts erscheine »der erste völkische deutsche Staat« –, über weite Strecken wortgleich dem Ausstellungskatalog zu »Deutsche Größe«. Einziger merklicher Unterschied war die Betonung des Kampfes an »zwei Fronten«, gegen den »marxistischen Bolschewismus« und die »demokratische Plutokratie«.540 Noch im Dezember 1944 verwies die SS, nachdem Walter Frank einen eigenen Beitrag zur Prüfung 536 Vgl. Bitte um Entlastung Müllers: Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda an Rektor UM, 9. 1. 1941, UAM, E-II-2517; Vermerk KM, April 1941, BayHStA, MK 44052. 537 Reichssender München an Müller, 27. 9. 1941, BayHStA, NL von Müller 486. 538 Hans Roeseler (Deutscher Verlag) an Müller, 9. 4. 1941, BayHStA, NL von Müller 439. 539 Roeseler an Müller, 16. 9. 1941, BayHStA, NL von Müller 434. 540 Müller, Gestalt und Wandel des Reiches (1944), S. 9 f, 14, 35.

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eingereicht hatte, lobend auf Müllers »zusammenfassende Schau« der »Reichsentwicklung«.541 Vollkommen einvernehmlich war der Band jedoch nicht mehr entstanden. Im März 1943 monierte Müller, ein Mitarbeiter habe berichtet, dass »gelegentlich anscheinend von einer Mitherausgabe des Werkes durch mich die Rede gewesen sei. Dazu kann ich nur sagen, daß in den nun über anderthalb Jahren mir gegenüber nie mit einem Wort davon die Rede war und daß es für mich wissenschaftlich natürlich jetzt ganz unmöglich wäre, ein Werk als Herausgeber zu zeichnen, an dem ich nicht mehr mitgearbeitet habe als wie an diesem.« Er finde, »bei flüchtiger Durchsicht, […] Bildauswahl und Bildtexte sehr gut gelungen«, könne »aber dafür natürlich jetzt nicht nachträglich eine wissenschaftliche Verantwortung übernehmen.« Einwände solcher Art hatte Müller zuvor bei publikumsträchtigen und auch finanziell lohnenden Publikationen, so bei »Knaurs Weltgeschichte«, keineswegs vorgebracht. Offenbar anderes motivierte ihn zu diesem teilweisen Rückzug – seinen Beitrag beließ er im Band. An den Verlagsleiter fügte Müller im selben Brief an: »Es hat sich viel Schicksalvolles ereignet, seit wir uns zuletzt begegneten.«542 Wenige Tage zuvor war Müllers langjähriger Freund Kurt Huber als Mitglied der »Weißen Rose« in München verhaftet worden, wiederum wenige Tag darauf sollte Müller von der Gefangennahme eines seiner Söhne an der Ostfront erfahren. Im Juni 1941 hatte Müller einem erwartungsvollen Beobachter der Szenerie geglichen: »Welche Woche von unheimlicher politischer Spannung durchleben wir jetzt wieder, die Luft ist so voll von Elektrizität, daß es einem manchmal in allen Gliedern zuckt. Jetzt erst steigt dieser Krieg auf seine weltgeschichtliche Höhe. Rußland – die Vereinigten Staaten – Japan: werden sie auch noch in [den] großen Strudel unmittelbar hereingerissen? oder wird es uns glücken, ihn vor dieser allgemeinen Konflagration zu beenden?«543 Nun erreichte der Krieg des nationalsozialistischen Deutschlands Müller auch persönlich. Ein Krieg, den Müller als Propagandist gegen England und für das »Reich« führte. Ein Engagement, das er ebenso bereitwillig leistete, wie er es von anderen erwartete. Wer »wie ich«, so hatte Müller gegenüber Frank den Einsatz Arnold Oskar Meyers gegen England eingefordert, an »der H.Z. sozusagen immer den Finger am Puls der deutschen Historikerschaft hat, konnte und kann wohl fühlen, wie schädlich das war: ›Weiter als der 1. Ordinarius für Geschichte in Berlin braucht man in der Zustimmung zum 3. Reich auch nicht zu gehen, warum päpstlicher sein als der Papst‹ – und der Pegel dieser Päpstlichkeit liegt nicht eben hoch.«544 Der »Pegel« Müllers als Historiker für den Nationalsozialismus allerdings hatte einen be541 542 543 544

SS-Hauptamt an Persönlichen Stab Reichsführer-SS, 16. 12. 1944, BArch, NS 19/480. Müller an Roeseler, 5. 3. 1943, BayHStA, NL von Müller 434. Müller an Kienast, 19. 6. 1941, BayHStA, NL von Müller 466. Müller an Frank, 23. 10. 1939, BayHStA, NL von Müller 448. Laut Dozentenbund habe Meyer vor 1933 als einer der wenigen Sympathisanten des Nationalsozialismus gegolten, sei jedoch zum »politischen Besserwisser« geworden, vgl. Vertreter Phil. Fak. Universität Berlin an Reichamtsleitung Dozentenbund, 4. 7. 1939, in: UAB, NS-Doz. 188 (A.O. Meyer), Bl. 5 – 8.

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trächtlichen Stand erreicht. Bevor sich seinem »Weg aus dem Nationalsozialismus« zu widmen ist, soll deshalb Müllers Rang auf dem Höhepunkt des Erfolges reflektiert werden, erneut unterstützt vom biographischen Zufall. Am 20. Dezember 1942 wurde Müller sechzig Jahre alt.

5.4 Sechzigster Geburtstag im Dezember 1942 Im nationalsozialistischen Wissenschaftsbetrieb hatte Müller sich prominent und umfassend profiliert, seinen Dank für die Glückwünsche zur Wahl zum Rektor der Münchner Universität verband Walther Wüst daher auch mit einem Verweis auf Müllers besondere Verdienste: »Warst Du es doch, der vor nunmehr sieben Jahren durch Hereinnahme von uns jungen Forschern in die Fakultät uns erst das Tor zur aktiven deutschen Kulturpolitik eröffnete.«545 Auch wenn entsprechende Habilitationen angestrebt wurden, so von SDMitarbeitern, galt Müller als »geeigneter Ansprechpartner an den Universitäten.«546 Schließlich trugen die persönlichen Beziehungen in die Führungsspitze des NS-Staates zur Wahrnehmung Müllers als nationalsozialistischer Wissenschaftler bei.547 Deren herkömmlichem Profil und Habitus entsprach er zwar kaum, seine Wirkungsmacht wurde von dieser gesonderten Stellung jedoch nur verstärkt.548 Zum 60. Geburtstag Müllers zeigten sich die Repräsentanten des NS-Staates deshalb für sein Wirken als »nationaler Historiker« erkenntlich.549 Müller solle, schlug der Bayerische Volksbildungsverband vor, eine besondere Auszeichnung erfahren, sei er doch »der führende Historiker des dritten Reiches«.550 Auch nach den präzisierten Vergabekriterien – »weniger die Anerkennung einer Einzelleistung als die Krönung eines Lebenswerkes«551 – erschien eine Verleihung der »Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft« als 545 Wüst an Müller, 12. 4. 1941, BayHStA, NL von Müller 419. 546 Rupnow, Judenforschung, S. 121. Die gescheiterte Habilitation des RSHA-Mitarbeiters Rudolf Levin hatte Müller unterstützt, vgl. Wildt, Generation, S. 376. Auch die Münchner Habilitation Hans Joachim Beyers erfreute sich Müllers Fürsorge, Gutachten Müller, 17. 12. 1939, UAB, UK B 212 (Beyer), Bl. 38 sowie Roth, Heydrichs Professor, S. 286. Zudem befürwortete Müller die Umhabilitierung des beim Münchner SD beschäftigten Friedrich Wagner, vgl. Gutachten Müller, 3. 11. 1941, UAB, UK W 15 (Wagner), Band 1, Bl. 13 – 15. 547 Im Herbst 1941 hielt Müller die Gedenkrede auf seinen Schwager Gottfried Feder, vgl. die Notiz der MNN: »Am Grabe Gottfried Feders. Gedächtnisrede Karl Alexander v. Müllers«. 548 Nach Michael Grüttners Kriterien – u. a. akademischer Status, Generations- und Fachzugehörigkeit sowie soziale Herkunft – unterschied sich Müller signifikant von der untersuchten Gruppe, vgl. Grüttner, Nationalsozialistische Wissenschaftler. 549 Telegramm Reichsminister Frick an Müller, 20. 12. 1942, BayHStA, NL von Müller 28. Vgl. Telegramme von Goebbels, 21. 12. 1942; Reichsstudentenführer Scheel, 20. 12. 1942, ebd. 550 BVV (Wahl) an Klein (1. Vorsitzender des BVV), 14. 3. 1942, BayHStA, MK 44052. 551 Vgl. »Verleihung der Goethe-Medaille und des Adlerschildes des Deutschen Reiches«, S. 40.

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adäquate Anerkennung des Einsatzes Müllers als Historiker für den Nationalsozialismus. Nachdem sich der »Führer« mit der Verleihung grundsätzlich einverstanden erklärt hatte552, legten die erstatteten Gutachten die breite Zustimmung des NS-Staates offen. Die Gauleitung München-Oberbayern erwartete von Müllers Wirken »noch viel Gutes im nationalsozialistischen Sinne«, seine »führende Stellung als Historiker wird nicht ohne nachhaltigen Einfluß auf den Nachwuchs sein und dessen nationalsozialistische Ausrichtung gewährleisten.« Zudem, offenbar eine besondere Fähigkeit, habe sich Müller in der Bayerischen Akademie »durch sein zielsicheres, dabei aber taktvolles Auftreten gegenüber den in dieser Körperschaft bei der Machtübernahme maßgebenden reaktionären Kreisen große Verdienste erworben.«553 Vorstellungen einer bloßen »Gleichschaltung« würden die Zielorientiertheit nationalsozialistischer Wissenschaftspolitik unterschätzen. Erwartet wurde von der Geschichtswissenschaft die an den Prämissen der NSIdeologie orientierte, historische Ausbildung des nationalsozialistischen Nachwuchses, zugleich sollte das wissenschaftliche Ansehen deutscher Historiker zur Legitimation der NS-Herrschaft entlehnt werden. Beide Ansprüche erfüllte Müller. Er gelte als »überzeugter Nationalsozialist«, stellte der Münchner Gauleiter Paul Giesler fest, und sei »einer der bedeutendsten lebenden deutschen Historiker.«554 Verliehen vom »Führer« und überreicht durch Giesler, erhielt Müller an einem vom Bayerischen Volksbildungsverband und der Universität München zu seinem 60. Geburtstag veranstalteten »Ehrenabend« die Goethe-Medaille.555 Dieser Geburtstag, so Müller an den Reichsstudentenführer Gustav Adolf Scheel, sei »mir durch die hohe Auszeichnung, deren mich der Führer gewürdigt hat, zum schönsten Ehrentag meines Lebens geworden.«556 Als verdienter Nationalsozialist erfuhr Müller die Würdigung seines Einsatzes für den NS-Staat. Sein Rang und seine Rolle sind damit jedoch nur zu einer Hälfte beschrieben. Vor allem die wissenschaftlichen Gutachten seiner Fachkollegen dokumentieren, in welchem Maße das von Müller bereits vor 1933 erworbene Ansehen seine Stellung als Historiker für den Nationalsozialismus unterstützte. Nach Heinrich von Srbik zeichne Müller sich unter »den lebenden deutschen Historikern vor allem durch die seltene Verbindung der Forscherpersönlichkeit mit den Gaben des Künstlers aus.« Aber, ein zwar selten gewählter, gleichwohl vor allem für die vergangenen Jahre überaus zutreffender Hinweis, Müller habe zudem »sein bedeutendes organisatorisches Talent stets in den Dienst der deutschen Geschichtswissenschaft ge552 Reichskanzlei/Führerhauptquartier an KM, 6. 7. 1942, BayHStA, MK 44052. 553 NSDAP Gauleitung München-Oberbayern an Gauamt für Beamte, 7. 10. 1942, BArch, ehem. BDC, DS/ B 36 [Müller Karl Alexander von]. 554 Begutachtung Gauleiter Paul Giesler, 20. 10. 1942, ebd. 555 Vgl. die Urkunde in: BayHStA, NL von Müller 2 sowie Mitteilung und Glückwünsche des Reichswissenschaftsministers Rust, 20. 12. 1942, BayHStA, NL von Müller 28. 556 Müller an Scheel, 21. 12. 1942, ebd.

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Erfolg (1935 bis 1943)

stellt«.557 Auch Willy Andreas hob die literarischen Fähigkeiten hervor: »Die Ausdruckskraft und der Reichtum seiner Sprache sichern dem Wort Karl Alexanders von Müller stets einen starken Widerhall auch ausserhalb der Zunftkreise, gehört er doch zu den wenigen Historikern, denen die Gabe einer fortreissenden auf weiteste Volkskreise wirkenden Darstellungsgabe verliehen ist.«558 Die spätestens seit Beginn der 1920er Jahre merklich wahrnehmbaren Forderungen nach einer öffentlichkeitswirksameren, »lebensnahen« Geschichtswissenschaft vermochte Müller ebenso zu erfüllen wie die Ansprüche der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik. Zwischen der Gelehrtenwelt des Kaiserreichs und den aufkommenden »Wissenschaftsmanagern« verschiedenster Prägung bezog er eine verbindende Position. Jedoch, dies ist ausführlich beschrieben worden, nicht ohne eigene Ziele – der Einbindung der deutschen Geschichtswissenschaft in den NS-Staat hatte sich Müller verschrieben. Folgerichtig ergänzte der Dekan der Münchner Philosophischen Fakultät die vorgelegten Gutachten: »K.A.v. Müller hat sich schon vor 1933 zum Nationalsozialismus bekannt. 1933 ist er daher in den schwierigen Übergangszeiten Dekan der Philosophischen Fakultät geworden.«559 Allerdings hatte Müller in den letzten Jahren der Weimarer Republik keineswegs derart eindeutig auf der Seite der Nationalsozialisten gestanden, musste sich erst für den NS-Staat entscheiden, um die nun vielfach gelobte Rolle einnehmen zu können. Müllers Stellung hatte zuvor weitere institutionelle Bestätigungen erhalten. Nachdem ihn bereits die Österreichische Akademie der Wissenschaften zum korrespondierenden Mitglied gewählt hatte560, schlugen im Mai 1942 die Mitglieder der Preußischen Akademie Albert Brackmann, Fritz Hartung, Ernst Heymann, Friedrich Meinecke und Hermann Oncken vor, Müller zum korrespondierenden Mitglied der Philosophisch-Historischen Klasse zu wählen. Es erscheine unnötig, so der Wahlvorschlag, seinen »wissenschaftlichen Werdegang und die literarischen Leistungen« darzustellen: »Tief und nachhaltig hat er auch durch seine zahlreichen historisch-politischen Reden und Aufsätze sowohl auf die Studenten wie auf eine breite Öffentlichkeit gewirkt. Gerade durch sie hat er sich in die vorderste Reihe der deutschen Historiker gestellt.«561 In der Klasse wie in der Gesamtsitzung der Akademie fand der Vorschlag Zustimmung562, nach der Bestätigung durch das ReichsSrbik (Präsident ÖAdW), 9. 8. 1942, UAM, E-II-2517. Andreas an Dekan Phil. Fak. UM, 8. 8. 1942, ebd. Dekan Phil. Fak. UM an REM (über Rektor UM), 13. 8. 1942, ebd. Vgl. die Verleihungsurkunde, 29. 12. 1939, in: BayHStA, NL von Müller 2. Präsident der Akademie war seit April 1938 der Müller verbundene Heinrich von Srbik, vgl. Matis, Anpassung, S. 14 – 23 sowie eine Reihe von Beiträgen in: Feichtinger u. a. (Hg.), Akademie. 561 Wahlantrag; Auszug aus dem Protokoll der Philosophisch-Historischen Klasse, 21. 5. 1942, BBAW, PAW (1812 – 1945) II – III-211, Personalia, Mitglieder: K. A. v. Müller, Bl. 1/2. 562 Auszug aus dem Protokoll der Philosophisch-Historischen Klasse, 11. 6. 1942; Auszug aus dem Protokoll der Gesamtsitzung, 18. 6. 1942, ebd., Bl. 3/4.

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wissenschaftsministerium gab die Akademie Müller seine Wahl bekannt.563 Angesichts der bereits ausgeübten Ämter recht überschwänglich dankte dieser, er betrachte »die mir dadurch erwiesene Auszeichnung als die höchste meines bisherigen wissenschaftlichen Lebens und hoffe, den Dank, den ich Sie hiermit bitte namens der Preußischen Akademie entgegenzunehmen, in meinen weiteren wissenschaftlichen Arbeiten bekräftigen zu können.«564 Die persönliche Zuwahl in einen Kreis von »Kollegen« schien eine besondere Anerkennung darzustellen. Auf der Feier zur Verleihung der Goethe-Medaille ergriffen zwei Schüler Müllers das Wort, während Fritz Wagner als Dozent für das Historische Seminar der Universität München sprach, überreichte Kurt von Raumer ein erstes Exemplar der mit Theodor Schieder herausgegebenen Festschrift für Müller. Unter dem Titel »Stufen und Wandlungen der deutschen Einheit« versammelte sie, ohne weiteres Geleitwort, Aufsätze von Generationsgenossen Müllers wie Albert Brackmann, Heinrich von Srbik und Arnold Oskar Meyer sowie Beiträge vom bereits etablierten Nachwuchs wie Hermann Heimpel, Rudolf Stadelmann und Kurt von Raumer. Letzterer war auch als Schüler Müllers vertreten, von denen zudem Fritz Wagner, Fritz Valjavec, Alexander Scharff und Theodor Schieder beigesteuert hatten. Von den im engeren Sinne nationalsozialistischen Historikern waren, überdies mit einschlägigen Themen, Günther Franz – »Geschichte und Rasse. Bemerkungen zur deutschen Geschichte in der Zeit der Glaubenskämpfe« – und Erich Botzenhart mit einem Aufsatz über Lagarde beteiligt.565 Seine Schüler, so Raumer in der Ansprache, hätten in Müller »den Historiker des jungen Deutschland« verspürt. Seine Forschung sei den »großen bewegenden Fragen des völkischen Schicksals zugewandt«, sie greife aber »in ihrer Reichweite stark über den Kreis der Fachgenossen« hinaus. Mit einer Verbindung von nationalsozialistischen »Prinzipien« und Dankbarkeit fasste Fritz Wagner die Rolle Müllers an der Münchner Universität, er sei »zum väterlichen Führer Ihres Seminars« geworden.566 Als »Historiker im Dienst der Zeit«, den der »nationalsozialistische Umbruch […] auf die Stelle gehoben« habe, zu »der er wohl schon immer vorbestimmt war«, feierten die Münchner Neuesten Nachrichten ihren früheren Autor.567 Wenn – so die Berliner Börsen-Zeitung – das »neue Deutschland über eine Garnitur junger Historiker« verfüge, die »von den Impulsen der nationalsozialistischen Revolution durchglüht« sei, wäre dies »das Verdienst der feinfühlig schirmenden und leitenden Hand« Müllers.568 Bei allem Lob, die 563 PAdW (Direktor Helmuth Scheel) an Müller, 24. 7. 1942, BayHStA, NL von Müller 2. 564 Müller an Präsident PadW, 4. 9. 1942, BBAW, PAW (1812 – 1945) II – III-211, Personalia, Mitglieder: K. A. v. Müller, Bl. 12. 565 Raumer/Schieder (Hg.), Stufen und Wandlungen der deutschen Einheit. 566 Vgl. die Redemanuskripte Raumers u. Wagners, in: BayHStA, NL von Müller 27. 567 Förtner, Historiker im Dienst der Zeit, S. 4. Vgl. auch die beeindruckend umfangreiche Auflistung kleinerer Zeitungsartikel zum Geburtstag Müllers, in: BayHStA, NL von Müller 29. 568 Rößle, Vom alten zum neuen Deutschland, S. 2.

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öffentliche biographische Rückschau barg auch die Gefahr, im Beschwören vermeintlicher Kontinuitäten die Brüche im Lebenslauf Müllers zumindest für den Eingeweihten zu markieren. Man habe Müller »zum bayerischen Partikularhistoriker machen« wollen, so Karl Richard Ganzer, doch seien dessen Vorlesungen zu einem »mächtigen gesamtdeutschen Schicksalsliede geworden«.569 Ungewollt hob Ganzer den 1933 erfolgten deutlichen Perspektivwechsel Müllers als bayerischer Historiker hervor. Noch eklatanter in dieser Hinsicht fiel der Beitrag eben jenes Schülers aus, dessen Portrait Müller sechs Jahre zuvor unterbunden hatte. Erneut waren Hinweise auf die Kriegspublizistik im Ersten Weltkrieg enthalten, nur der Name Cossmann fiel nicht – bei den Süddeutschen Monatsheften arbeitete Müller »Hand in Hand mit dem Herausgeber.« Man wird davon ausgehen können, dass einige Leser der Frankfurter Zeitung sich noch erinnerten, wer die Monatshefte jahrzehntelang herausgegeben hatte.570 Auch Müllers eigene Reflexion blieb von Andeutungen des Zweifels nicht frei, in seinen Dankschreiben erklärte sich der Jubilar : »Die Aufgabe meiner Generation in dieser Zeit scheint doch, vor allem Brücken zu schlagen und Wege organischer Weiterentwicklung offenzuhalten; solang wir dabei die lebendige Fühlung mit dem besten und lebendigsten Nachwuchs behalten, dürfen wir hoffen, daß diese Arbeit richtig läuft und Früchte tragen wird.«571 Noch fragender fiel diese Passage gegenüber dem Generationsgenossen aus, die Arbeit in den letzten Jahren »galt vor allem andern dem Bestreben, in diesen schweren Zeiten des Übergangs und Umbruchs einen Weg der Überleitung für unsere Wissenschaft zu finden. Noch haben wir das Ende unseres Weges nicht erreicht, und so steht auch das endgiltige Urteil über Erfolg oder Mißerfolg dieser Arbeit noch dahin. Aber daß mein Bemühen gerade unter den für mich selbst maßgebenden Fachgenossen soviele Billigung findet, wie ich in diesen Tagen dankbar erfahre, gibt mir den Ansporn, es nach meinen besten Kräften fortzusetzen, solange die Brücke des Vertrauens mich trägt.«572 Dass mit Arnold Oskar Meyer einer der in den vergangenen Jahren am argwöhnischsten beäugten Kollegen sich an der Festschrift beteiligt hatte, veranlasste Müller zu einem besonders herzlichen Dank. Durch Meyers Beitrag werde »ein altes persönliches Band neu bekräftigt, das leider durch die Unruhe der letzten Jahre wenig mehr hat fortgesponnen werden können.« Sein eigenes Wirken beschrieb Müller ebenso wie an Brackmann, das »Wohlwollen, das mein Streben gerade in diesen Tagen unter den Fachgenossen selbst gefunden« habe, sei ihm »doch ein starker Ansporn. Ich glaube auch Ihre Beteiligung an dem mir gewidmeten Bande in diesem Sinn deuten zu dürfen«.573 569 570 571 572 573

Ganzer, Karl Alexander von Müller, S. 8. Uhde, Karl Alexander von Müller. Müller an Fritz Valjavec, 2. 1. 1943, BayHStA, Südost-Institut 63. Müller an Albert Brackmann, 26. 12. 1942, BayHStA, NL von Müller 28. Müller an A. O. Meyer, 28. 12. 1942, ebd.

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Schließlich gratulierte auch Friedrich Meinecke in versöhnlichen Worten, geleitet von der Sehnsucht nach ungebrochenen Kontinuitäten: »Seit 30 Jahren stehen Sie und ich in einem menschlichen und geistigen Kontakt, der nie gestört worden ist. Ich habe auch meine Ablösung durch Sie in der H.Z. immer ›historisch‹ verstanden als die Wirkung von Mächten, die über unsere Köpfe ihren Weg gingen – die Differenz unseres politischen Denkens kennen wir, – wer weiß, ob sie sich nicht wesentlich zu verringern anschickt. Aber was die Gemeinschaft unsres historischen Denkens und Empfindens betrifft, so kommt mir der Gedanke, daß wir mit mehreren Anderen Ihrer und meiner Generation zusammen eine Gruppe Gleichstrebender bilden«.574 Wenige Wochen zuvor hatte Müller mit der Widmung eines Bandes der HZ an Meinecke den Weg für diese Zuwendung geebnet. In seinem Dank betonte auch Müller die Dauer der Bindung, Meineckes Glückwünsche »bekräftigen die ungestörte Kontinuität einer geistigen und menschlichen Verbundenheit über ein Menschenalter hin, das sie von außenher schweren Belastungen ausgesetzt hat.« Wie heikel für Müller die Darstellung dieser »Belastungen« war, verdeutlichen zwei Briefentwürfe. Im ersten skizzierte Müller seine Entwicklung wie folgt: »Ich habe mich seit 1933, z. T. gegen meinen Willen, jedenfalls ohne mein Bemühen, einfach in der Folge meiner früheren Entwicklung, unversehens in einer Lage gefunden, die mir an mehr als einer Stelle zugleich die Aufgabe zuwies, den Versuch zu machen, für unsere Wissenschaft in Jahren tiefer Umwälzungen eine Möglichkeit organischer Weiterentwicklung zu finden.« Offenbar glaubte Müller jedoch, gegenüber Meinecke diesen behaupteten »Unwillen« nicht vertreten zu können. Im zweiten Versuch war die Passage vernehmbar abgeschwächt: »Ich habe mich seit 1933, ohne mein Zutun, in der Folge meiner früheren Entwicklung, unversehens in einer Lage gefunden […].«575 In der schließlich abgesandten Fassung versuchte Müller zudem, die Nähe seiner Entwicklung zur nationalsozialistischen Machtergreifung zu mindern: »Ich habe mich seit fast zehn Jahren, ohne mein Zutun, in der Folge meiner früheren Entwicklung, unversehens in einer Lage gefunden, die mir an mehr als einer Stelle die Aufgabe zuwies, den Versuch auf mich zu nehmen, für unsere Wissenschaft in Jahren tiefer Umwälzungen eine Möglichkeit organischer Weiterentwicklung zu sichern.« Zudem, auch in dieser Hinsicht gegenüber Meinecke besonders tastend, hoffte Müller auf eine »zarte Brücke des Vertrauens«.576 Am Ende des Jahres 1942 schien Müllers Willen, sich der »alten« Bindungen zu versichern, zuzunehmen, gleichwohl waren die Briefversuche an Meinecke auch ein Vorgeschmack darauf, wie wenig selbstverständlich eine »Rückkehr« sein würde.

574 Meinecke an Müller, 10. 12. 1942, BayHStA, NL von Müller 5; ebenso abgedruckt in: Meinecke, Ausgewählter Briefwechsel, S. 211 – 213. 575 Vgl. beide Entwürfe Müllers, in: BayHStA, NL von Müller 426. 576 Müller an Meinecke, 31. 12. 1942, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 29, Nr. 724.

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6. Untergang (1943 bis 1951) 6.1 Wege aus dem Nationalsozialismus Die Frage, ob der Nationalsozialismus »sehr überwiegend eine ›Erfolgsideologie‹ war, deren Kraft mit den ersten Niederlagen rasch erlosch«1, kann mit Berechtigung auch für Müllers Entwicklung nach dem Ausbleiben weiterer militärischer Siege ab dem Winter 1941/42 formuliert werden. Noch im September 1941 schien Müller fast trunken von vermeintlichen Eroberungen: »Die bisherigen Erfolge auch auf diesem Schauplatz sind ungeheuer ; was man von unsern Neuordnungsplänen hört, geht in Perspektiven, bei denen einem schwindeln kann.«2 Im Spätherbst aber fiel Müllers jüngerer Bruder Albert3, vielleicht ein erster persönlicher Anlass, die umfassende propagandistische Unterstützung für den nationalsozialistischen Krieg zu überdenken.4 Im folgenden Kapitel soll Müllers Weg aus dem Nationalsozialismus nachgezeichnet werden, von seinem seit 1942 einsetzenden Rückzug über den Zusammenbruch 1945, der für Müller den Verlust sämtlicher Ämter bedeutete, seiner Entnazifizierung bis hin zu ersten Versuchen eines Wiederbeginns in der entstehenden Bundesrepublik. Am Beginn dieser »Ablösung« stand Müllers Übernahme der Herausgeberschaft der schweizerischen Literatur- und Kulturzeitschrift Corona wie auch die betonte Annäherung an seinen Vorgänger als Herausgeber der Historischen Zeitschrift.

6.1.1 Ein Nationalsozialist als »Schutzschild«? Herausgeber der Corona Als Herausgeber der HZ war Müller, abgesehen von seinen politisch intendierten Geleit- und Vorworten, in der Zeitschrift selbst kaum in Erscheinung getreten.5 Noch seltener versuchte sich Müller, im Grunde seit seiner Zeit als Nachwuchshistoriker, als Rezensent. Entsprechend auffällig war deshalb seine Besprechung einer kleinen Aufsatzsammlung Friedrich Meineckes im Som1 Van Laak, Umorientierung, hier S. 432. 2 Müller an Schieder, 17. 9. 1941, BArch, NL Theodor Schieder 1244. 3 Vgl. das Kondolenzschreiben des Rektors an Müller, 30. 10. 1941, UAM, E-II-2517. Albert von Müller war Redakteur der MNN, dann Leiter ihres Archivs, vgl. Hoser, Tagespresse, S. 1067. Auch er hatte in Oxford studiert, vgl. Register of Rhodes Scholars, S. 258. 4 Ab Herbst 1941 erschien kein neuer entsprechender Beitrag, vgl. das Schriftenverzeichnis Müllers. Die Einleitung zu »Gestalt und Wandel des Reiches« war wie ausgeführt bereits seit 1941 entstanden, später allenfalls noch überarbeitet worden. 5 Als eine Ausnahme vgl. Müller, Historisch-politische Denkschriften Sybels (1940).

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mer 1940.6 Vollends zur Demonstration für Meinecke wurde die Rezension aber durch eine just auf den Seiten davor abgedruckte Besprechung Srbiks, in der dieser Meinecke gegen eine diffamierende erziehungswissenschaftliche Dissertation in deutlichen Worten verteidigte.7 Noch bevor der im Kriegsverlauf zunehmende Mangel an Papier und Druckkapazitäten das Erscheinen der HZ erschweren und schließlich beenden sollte, hatten mehrere Jahre nationalsozialistischer Geschichtswissenschaft dazu beigetragen, ihre Gestaltung zu erschweren. Im April 1942 fragte Walther Kienast erneut bei Müller an, ob »man nicht Hoetzsch und einige andere, […] wieder zu Besprechungen heranziehen« könne, durch »die Einziehungen usw. ist unser Mitarbeiterstab so zusammengeschmolzen, dass man gern auf ausgezeichnete ältere Sachkenner zurückgriffe«. Im August schob Kienast nach, das ihm zur Verfügung stehende »Material« werde immer knapper, zumal »sich die Leichen der aus politischen Gründen auf der Strecke gebliebenen Manuskripte in letzter Zeit etwas gehäuft haben.« Es werde, da es an Rezensionen mangele, der »Aufsatzteil […] in Zukunft wohl erheblich umfangreicher werden müssen.« Man könne, so gab Müller zurück, nicht »zu viel von den Glücklichen bringen, die jetzt soviel Muße haben, ununterbrochen zu schreiben.«8 Für den im Herbst 1942 anstehenden achtzigsten Geburtstag Meineckes hatten Vertraute und Schüler deshalb wenig Hoffnung. Eine Festschrift sei, so Siegfried Kaehler an Wilhelm Mommsen, wegen Papierknappheit aussichtlos, auch eine Entgegnung auf kürzliche Angriffe erscheine kaum möglich: »Ich glaube, nicht einmal K.A.v. Müller wird die H.Z. dafür zur Verfügung stellen.«9 Letzteres schien Mommsen zwar unnötig – »da Müller und Srbik das eindrucksvoller, als es die Schüler machen könnten, bereits gemacht haben« –, aber auch er hielt eine Ehrung Meineckes für schwierig.10 Allerdings, Kaehlers Formulierung »nicht einmal K.A.v. Müller« deutete die Wahrnehmung des Herausgebers der HZ bereits an, nicht Müller wurde als hauptsächliches Hindernis angesehen. Wohl deshalb fühlte Mommsen wenige Tage später bei diesem vor, »ob und was man gegebenenfalls für den 80. Geburtstag von Meinecke im Oktober machen könnte.«11 Im Mai wandte sich auch Kaehler an Müller, Mommsen habe aus dem Gespräch mit Müller die Idee »einer Adresse oder einer ähnlichen Kundgebung« erwähnt: »Ob die Planung 6 Müller lobte die »sechs kleinen, aber außerordentlich feingeschliffenen« Aufsätze, die er ausführlich würdigte, vgl. Müller, Meinecke. Vom geschichtlichen Sinn (Rez.) (1940), S. 339. 7 Srbik, Schröder. Geschichtsschreibung (Rez.). Schröder war Geschäftsführer in Walter Franks Reichsinstitut, vgl. Heiber, Frank, S. 333 – 340. Der Abdruck durch Müller kann deshalb auch als kleine Schranke gegenüber dem sich wieder rührenden Frank gesehen werden. Vgl. zudem den Dank Meineckes an Srbik, 8. 7. 1940, abgedruckt in: Srbik, Korrespondenz, S. 516 f. 8 Kienast an Müller, 20.4. u. 4. 8. 1942; Müller an Kienast, 30. 8. 1942, BayHStA, NL von Müller 466. 9 Kaehler an Mommsen, 19. 1. 1942, BArch, NL Wilhelm Mommsen 396. 10 Mommsen an Kaehler, 26. 1. 1942, BArch, NL Wilhelm Mommsen 394. Zur erwähnten Kontroverse, mit dem Historiker Gerhard Krüger, vgl. Srbik an Meinecke, 9. 8. 1941, abgedruckt in: Srbik, Korrespondenz, S. 522 f. 11 Mommsen an Müller, 4. 2. 1942, BayHStA, NL von Müller 468.

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eines Sonderheftes der H.Z. unter den bestehenden Verhältnissen denkbar oder ausführbar wäre, entzieht sich meiner Beurteilung. Falls es nicht schon zu spät dafür sein sollte, könnte ich mir denken, daß immer noch eine stattliche Zahl von ›Freunden und Schülern‹ zur Mitarbeit mit kleinen Beiträgen sich bereit finden würden.«12 Dieser Brief Kaehlers würde Müller nicht erreichen, als er jedoch einige Wochen darauf vom Vorhaben erfuhr, ergriff er sofort die Chance, seine Bindung an die Fachgenossen und an seinen weiterhin sehr angesehenen Vorgänger unter Beweis zu stellen. Er habe schon immer, so Müller nun an Kaehler, geplant, das »Oktober-Novemberheft 1942 der H.Z. mit einem kurzen Widmungswort an Meinecke zu versehen; erst jetzt leider, sei mir der Gedanke gekommen, ihm vielleicht das ganze Heft zu widmen, falls es noch möglich sei, eine genügende Anzahl guter Beiträge zu erhalten.«13 Kaehler rührte nun die Werbetrommel. Müller war dankbar, durch Kaehlers Vermittlung sei »die Meinecke-Ehrung durch die H.Z. gesichert.«14 Schließlich nahm selbst Gerhard Ritter, der seit Müllers Übernahme der HZ aus Protest gegen Onckens Verunglimpfung die Mitarbeit verweigert hatte, mit einem Aufsatz teil. Über Ritters Beitrag, so Müller, habe er sich »besonders gefreut«. Allerdings war »an zwei Stellen eine kleine Retusche des Ausdrucks erwünscht, die bei übelwollenden Lesern, mit denen wir gerade bei der Meinecke-Ehrung doppelt rechnen müssen, ohne nähere Erläuterung mißdeutet werden könnten.«15 Ohne Klippen war ein solches Unterfangen offenkundig nicht zu denken. Doch erschien schließlich zu Meineckes Geburtstag das erste Heft des ihm gewidmeten Bandes, der neben Ritters Aufsatz auch Beiträge von Fritz Hartung, Karl Brandi, Heinrich von Srbik, Wilhelm Mommsen, Siegfried A. Kaehler, Rudolf Stadelmann und Willy Andreas enthalten sollte.16 Eine, verbunden mit einem Geleitwort Müllers, fast repräsentative Auswahl der deutschen Geschichtswissenschaft, jedoch unter Auslassung der ausdrücklich nationalsozialistischen Historiker. Müllers Vorstellung einer im und für den Nationalsozialismus geeinten Disziplin schien in weite Ferne gerückt. Zufrieden schrieb Müller an Kaehler, es sei ihm eine »herzliche und tiefe Genugtuung, daß ich für die H.Z. diesen Geburtstagsstrauß mitsammeln und binden« konnte, sein Gewinn aus dem Band, den er doch erst auf Anregung realisiert hatte, lag auf der Hand. Von Meinecke, so Müller nochmals an Kaehler, habe er einen herzlichen Dankbrief bekommen, es sei ihm »einer der liebsten Briefe, die ich je erhalten habe.«17 Müller habe, dankte Meinecke, »die Bande der geistigen Kontinuität, die uns beide seit einem Menschenalter –

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Kaehler an Müller, 19. 5. 1942, SUBG, NL Siegfried A. Kaehler 1.124 , Nr. 3. Müller an Kaehler, 13. 7. 1942, ebd., Nr. 4. Müller an Kaehler, 30. 7. 1942, ebd., Nr. 7. Müller an Ritter, 18. 10. 1942, BArch, NL Gerhard Ritter 358. Es handelte sich um das erste Heft des 167. Bandes der HZ. Müller an Kaehler, 25.10. u. 12. 11. 1942, SUBG, NL Siegfried A. Kaehler 1.124 , Nr. 9/10.

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trotz Allem – mit einander verknüpfen, neu befestigt.« Dieser Gruß der HZ habe ihm »sehr wohl getan.«18 Auch Wilhelm Oldenbourg, der sieben Jahre zuvor die Ablösung Meineckes durch Müller aktiv betrieben hatte, war mit dessen Wirken zufrieden und dankte für »Ihre ausgleichende, gemässigte Schriftleitung.«19 Zudem war Müller in eben diesen Wochen vor dem Jahresende 1942 für eine weitere Unternehmung Oldenbourgs zur rettenden Lösung geworden. Die seit 1930 bei Oldenbourg erscheinende Literatur- und Kulturzeitschrift Corona stand zur Disposition, nachdem ihr Schweizer Mäzen Martin Bodmer, der die Zeitschrift gemeinsam mit dem Redakteur Herbert Steiner herausgab, die Einstellung angekündigt hatte. Müller zählte seit einer guten Dekade zu den Autoren der Corona: »Ich sage Ihnen ehrlich u. ohne Phrase: Ich schreibe für keine andre Zeitschrift lieber als für die Corona, schon weil ich vor keiner andren einen solchen Respekt habe.«20 Die Zuneigung war gegenseitig, zu Müllers Anteil an Knaurs Weltgeschichte befand Bodmer, es sei »prachtvoll, einem Meister historischer Darstellung folgen zu können, der auf knappem Raum das Wesentliche überzeugend einfach zu sagen« vermöge.21 Während Müller zum führenden Historiker im nationalsozialistischen Deutschland aufstieg, wurde die Corona zum Residuum seiner literarischen Aspirationen. Ohne »Hemmung« sage er, so Steiner, dass »mir aus diesen Seiten ein sehr bestimmter, mich immer wieder neu ergreifender Ton entgegen klingt, der Ihnen eigene, Ihre Reden und Schriften so ganz unterscheidende Ton – dass ich sehr froh bin, dass Sie’s geschrieben, und dankbar, es von Ihnen zu haben.«22 Der Boden war demnach von allen Seiten bereitet, als der Verlagsmitarbeiter Manfred Schröter im März 1942 konstatierte, dass wegen der Mitarbeit eines Emigranten wie auch des Inhaltes einiger Beiträge das anstehende Heft »heute von einem deutschen Verlag nicht mehr tragbar« wäre.23 Orientiert an Hofmannsthal und Rilke hatte sich die Corona seit ihrer Gründung als »eine bildungsbürgerlich-ästhetizistische Spielart der ›Konservativen Revolution‹« etabliert. Ihre Herausgeber waren im »rechten Flügel der Kulturszene beheimatet«, der elitäre Zuschnitt schloss die gelegentlich auch »völkisch-nationalen Töne«, unter anderem von Hans Grimm beigesteuert, nicht aus.24 Nachdem die Zeitschrift eher zufällig als emigrantenfreundlich denunziert worden war, verwies bereits 1938 eine diesen Vorwurf entkräftende SelbstMeinecke an Müller, 7. 11. 1942, BayHStA, NL von Müller 5. Oldenbourg an Müller, 11. 12. 1942, BWA, Oldenbourg Verlag 244. Müller an Herbert Steiner, 10. 9. 1934, DLA, A:Steiner. Bodmer an Müller, 11. 11. 1934, BayHStA, NL von Müller 479. Steiner an Müller, 27. 10. 1937, BayHStA, NL von Müller 444. Steiner bezog sich auf Müller, Karl Haider (1937). 23 Gutachten Manfred Schröter »CORONA Heft 5 des zehnten Jahrganges«, März 1942, BWA, Oldenbourg Verlag 155. 24 Wittmann, Wissen, S. 206, 221, 223. Vgl. auch Wittmann, Verlag, S. 46 – 50.

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darstellung auf Müller.25 Seit Kriegsbeginn gab die Lage der Zeitschrift, auch die finanziellen Belastungen für den Mäzen Bodmer, zunehmend Anlass zur Sorge, zumal im Herbst 1941 der Redakteur Steiner in die USA abgewandert war. Oldenbourg lag einiges an der Corona, doch sei es aus »politischen Gründen« auf die Dauer unvermeidlich, dass »ein in Deutschland ansässiger Schriftleiter die Zeitschrift übernimmt.«26 Bodmer nun gedachte die Zeitschrift bis zum Kriegsende ruhen zu lassen, der Verlag hielt eine Unterbrechung hingegen für das faktische Ende der Zeitschrift. Auch sei, wie Schröter festgehalten hatte, bereits das anstehende Heft inhaltlich untragbar. Dies, so antwortete Bodmer, lasse ihn »ahnen, dass doch mit Schwierigkeiten zu rechnen ist, die den Charakter der Zeitschrift sosehr beeinflussen könnten, dass es schlechthin nicht mehr die Corona wäre. Dieser Name ist aber im Lauf der zehn Jahrgänge zu einem Programm geworden, […] so möchte ich doch lieber die Zeitschrift völlig einstellen, als sie in dieser Haltung beeinträchtigt wissen«.27 Oldenbourg benötigte jetzt einen Herausgeber, der die Belange des Verlages zu berücksichtigen wusste, politisch im nationalsozialistischen Deutschland vertretbar war sowie überdies bei Bodmer über genügend Ansehen verfügte, um die Zeitschrift einvernehmlich übernehmen zu können. Bereits der erste von Oldenbourg angefragte Ratgeber, der Berliner Orientalist Hans Heinrich Schaeder, meinte, es wäre »erwünscht, wenn ein Name von besonderem Klang für die Corona gewonnen werden könnte, entweder ein angesehener Gelehrter, der mehr ist als Gelehrter, oder ein Dichter.« In der »ersteren Hinsicht« denke man »gewiß sogleich« an Müller, doch sei »zu befürchten, daß er schon allzu viele Lasten und Verpflichtungen trägt, um noch etwas Neues übernehmen zu können.«28 Nachdem andere Kandidaten sich als nicht aussichtsreich erwiesen hatten, begann Oldenbourg um den zögernden Müller zu werben. Der Verlag würde für redaktionelle Unterstützung sorgen, so »würde es sich im Wesentlichen um die geistige Direktive des Ganzen« handeln: »Die europäische geistige Tradition im höchsten Sinn, nun losgelöst vom schweizerischen Ausgangspunkt, ins Reich und seine neue Stellung heimgekehrt als in das Geisteszentrum der sich neu bildenden Welt, die doch lebendig und bewusst auf dem fortzeugenden, inneren Erbe der grossen eng miteinander verflochtenen Kulturnationen Europas erwachsen ist und weiter wächst.« Ein Programm, nur durchführbar in »innerer Fühlungnahme mit den führenden Stellen von Partei und Staat«, es würden »die ideellen Linien dieses Programms in günstigster Weise eben in IHRER Herausgeberschaft sich kreuzen und versammeln […]. Wie ein Gewichtssystem sich ausbildet durch den richtig ausgewählten 25 Vgl. »Corona« o. D., BWA, Oldenbourg Verlag 154 sowie Rall, »Corona«, S. 130. 26 Horst Kliemann (Mitarbeiter) an Wilhelm, Alexander u. Eberhard Oldenbourg, 28. 10. 1941, BWA, Oldenbourg Verlag 155. 27 Bodmer an Verlag, 22. 11. 1941 u. 15. 4. 1942; Verlag an Bodmer, 2. 4. 1942, ebd. 28 Verlag an Schaeder, 23. 4. 1942, Schaeder an Wilhelm Oldenbourg, 27. 4. 1942, ebd.

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Schwerpunkt, würde durch das wissenschaftliche wie künstlerische Gewicht Ihres Namens und Werks und durch die zentrale Bedeutung Ihrer Stellung und Ihres Wirkens sozusagen ›Ihre‹ Kulturzeitschrift eo ipso zu einem führenden Organ des seinen inneren kulturellen Zusammenhalt neu suchenden Europas werden können.«29 Unter umgekehrten Vorzeichen wurde Müller erneut eine Rolle schmackhaft gemacht, die ihn bereits auf seinem Weg in den Nationalsozialismus ausgezeichnet hatte. Dieser Werbung konnte und wollte er nicht widerstehen, zumal ihm mit dem Schriftsteller Bernt von Heiseler als redaktionellem Mitherausgeber ein früherer Teilnehmer seiner Seminare an die Seite gestellt wurde. Nachdem auch Bodmer, wenig überraschend angesichts der bekundeten Bewunderung für Müller, zugestimmt hatte, wurde im Januar 1943 der Herausgebervertrag unterzeichnet. Eine Rückzugsmöglichkeit ließ sich Müller allerdings gesondert einräumen. Er sei berechtigt, den »Vertrag mit einer wesentlich kürzeren Frist zu kündigen, wenn Sie aus politischen Gründen veranlasst sein sollten, Ihrer Herausgebertätigkeit für die Corona einzustellen.«30 Im letzten von ihm herausgegebenen Heft hatte Bodmer die Übernahme der Herausgeberschaft durch Müller und Heiseler – es seien »zwei Freunde und Mitarbeiter der ›Corona‹ gewonnen« worden31 – angezeigt. Im Frühjahr 1943 erschien das erste Heft der »Corona 2. Folge«. Die Herausgeber Müller und Heiseler verwiesen in ihren beigefügten »Anmerkungen« ausdrücklich auf die Verdienste Bodmers und Steiners, man wolle die Zeitschrift in ihrem Geist fortführen: »Die Verantwortung gegenüber den geistigen, insbesondere dichterischen Bestrebungen Europas, welche hier einen Ort haben sollen, fühlen wir als Deutsche mit nicht geringerem Ernst – ja in einem kämpfenden Volk verschärft sich jede, also auch die auf ein geistiges Gut gerichtete Verantwortung.« Eine merkliche Akzentverschiebung und trotzdem, durchaus verwandt hatten Müllers Vorstellungen einer notwendigen deutschen Ordnungsmacht in Europa geklungen. Nun fühlte sich das »kämpfende« deutsche Volk »verantwortlich« für die geistigen Bestrebungen des Kontinents. Auch die in der früheren Corona einstmals angekündigte »gelassen entsagende« Haltung wolle man nicht einnehmen: »Wir sind voll Vertrauen auf unser Volk und auf die Zukunft des Abendlandes und wir wissen die eine mit der anderen unlösbar verbunden.«32 Die Übernahme einer zuvor in der Schweiz herausgegebenen, elitär ausgerichteten Zeitschrift markierte zweifellos einen wesentlichen Schritt der Abkehr Müllers von der Rolle als öffentlichkeitswirksamer Kriegspropagandist. Doch waren keineswegs alle bislang gehegten Vorstellungen ad acta gelegt worden. Einen Diskurs der Nachkriegszeit ein29 Manfred Schröter an Müller, 4. 8. 1942, ebd. 30 Verlagsvertrag zwischen Oldenbourg, Heiseler und Müller, Januar 1943; Verlag an Müller, 29. 1. 1943, BayHStA, NL von Müller 434. 31 Bodmer, Abschied vom Leser, S. 816. 32 Müller/Heiseler, Anmerkungen der Herausgeber (1943), S. 77 f.

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läutend, erfuhr der auch hier gewählte Begriff des »Abendlandes« bereits in den »letzten Kriegsjahren schlagwortartig« Gebrauch, angesichts mangelnder realistischer Perspektive auch das zuvor beschworene »Reich« ersetzend.33 Im dritten Heft der von Müller mit herausgegebenen, »neuen« Corona schloss Heinrich von Srbik mit dem Appell, dass »das Abendland eine große gemeinsame Verpflichtung trägt und daß sein Herz kraftvoll schlagen muß, wenn nicht die Kultur Europas vernichtet werden soll.«34 Keineswegs stand Müllers im ersten Heft seiner Corona geäußertes »europäisches und abendländisches Bekenntnis […] in krassem Widerspruch zu anderen Bekenntnissen während des Dritten Reiches«35, es war vielmehr eine dem Kriegsverlauf und der beginnenden Umorientierung Müllers angepasste Fortentwicklung. Eine vorsichtige Neuausrichtung, die zudem in der Corona ihren öffentlichen Ausdruck in der autobiographischen Reflexion fand. Müller steuerte zum ersten Heft den Beitrag »Aus einer Münchner Kinderzeit« bei.36 Bereits längere Zeit beschäftigte sich Müller mit dem eigenen Lebenslauf, erwog Zeitschriftenbeiträge über die Studienzeit in Oxford.37 Mindestens seit zwei Jahren schrieb er an »Erinnerungen«, unverkennbar auch als Rückzug von einer Gegenwart, an deren eigener Beteiligung sich erste Zweifel bereits einstellten. Er hatte, so Müller an seinen Bruder, »Besprechungen mit hohen Parteistellen […] in dem jetzt ganz umgebauten Kultusministerium, im alten Zimmer von Papa, ich mußte meine Gedanken manchmal sehr zusammenhalten. Gegen meine Erwartung ist mir gestern doch wieder die Lust gekommen, […] etwas an den Erinnerungen weiterzumachen«.38 Früh hatte Heiseler gedrängt, Müller möge eine Passage zur Verfügung stellen, an »der Spitze der ›Corona‹ stehen Sie ja nicht als Herausgeber im gewöhnlichen Sinn, sondern […] als ein Schutzherr und Schutzgeist.«39 Müller willigte ein. Allerdings bat Heiseler um Korrekturen, man müsse »den Ausländern nicht gerade das rote Tuch zeigen. Und ein rotes Tuch sind ihnen solche Erwähnungen wie ›Bauten des Dritten Reiches‹, ›große nat.soz. Revolution‹.« Die offenkundig von Müller gewählten Formulierungen sind in der Druckfassung getilgt, auch Heiselers Erleichterung – »Auch bin ich sehr froh, daß Sie bei der Erwähnung des reichen Geschäftsmannes, der Ihr Geburtshaus kaufte, die Rasse unerwähnt lassen.« – verdeutlichte, dass Müllers etwaiger Rückzug noch am Beginn stand.40 Fast wörtlich entsprach »Aus einer Münchner Kinderzeit« den ersten Seiten des 1951 erschienenen, ersten Erinnerungsbandes, wurde auch in der Corona 33 34 35 36 37 38 39 40

Vgl. V. Conze, Europa, S. 57 – 63, Zitat S. 57; Pöpping, Abendland. Vgl. Srbik, Vom Reichsgedanken, S. 233. So Schelling, Müller, S. 71 f. Müller, Aus einer Münchner Kinderzeit (1943). Velhagen & Klasings Monatshefte an Müller, 18. 5. 1928, BayHStA, NL von Müller 441. Müller an Albert von Müller, 29. 8. 1941, BayHStA, NL von Müller 75. Heiseler an Müller, 23. 12. 1942, BayHStA, NL von Müller 481. Heiseler an Müller, 26.1. u. 16. 2. 1943, ebd.

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als »aus einem werdenden Erinnerungsbuch« angekündigt.41 Eine Aussicht, die umgehend verlegerisches Interesse auslöste, Vater und Sohn Kilpper von der DVA zeigten sich beide begeistert.42 Auch Anton Kippenberg fragte für seinen Insel-Verlag an, der »anmutige Vortrag dieser Erlebnisse« wecke den Wunsch, das »ganze Buch Ihrer Erinnerungen kennenzulernen.« Ohnehin habe, so Kippenberg, die neue Folge der Corona »unter Ihrer Aegide« einen »verheissungsvollen Anfang genommen«.43 Die von Müller und Heiseler betreute, zweite Folge der Corona unterschied sich in ihren, bis zur kriegsbedingten Einstellung erschienenen vier Heften kaum von der ersten. Müller war wegen seines ungeteilten Ansehens auf allen Seiten als Herausgeber, als »Schutzschild« für die Corona geworben worden, entsprechend trat er als die Zeitschrift beschützende Macht auf. Als Heiseler im Mai 1943 einen Beitrag der katholischen Schriftstellerin Gertrud von le Fort avisierte, präsentierte Müller die geballte Erfahrung jahrelanger Herausgeberschaft im Nationalsozialismus. Man könne es sich »noch nicht leisten, diese wunderbare Dichtung zu bringen«, er müsse »die Historische Zeitschrift ja nun schon seit 8 Jahren durch diese Gewässer lotsen, und mein Gefühl betrügt mich nicht.« Ausführlich wog Müller die Beiträge der ersten Hefte ab, es könne nur »als Kampfansage wirken. Diese Kraftprobe aber kommt für uns zu früh. Ich fürchte weniger, daß man uns gleich offen den Hals umdreht, obwohl es durchaus möglich ist […]; aber wahrscheinlich wird man ein weniger heroisches und martyrerhaftes Ende vorziehen. Dazu gibt es viele Mittel.« Man werde es unmöglich machen, bei »uns mitzuarbeiten; man wird uns zur Gesinnungsprobe andre Autoren aufzuzwingen suchen, die für uns qualitätsmäßig unmöglich sind […]; man wird es über den Verlag machen, oder über die Papierbewilligung oder wer weiß wie: jedenfalls, wir würden, fürchte ich, mit diesem Heft jede Bewegungsfreiheit für die nächste Zukunft einbüßen und nur von Zugeständnis zu Zugeständnis oder von Schikane zu Schikane weiterleben können.« Man meint, einem seit Jahren dem NS-Staat Zugeständnisse Abringenden zu lauschen. Es gebe heute »nicht einen einzigen deutschen Historiker«, den er in der HZ »nicht zu Wort kommen lassen könnte; es war diesen Winter möglich, […] Friedrich Meinecke, der 1935 aus politischen Gründen zum Rücktritt gezwungen wurde und der inzwischen seine Haltung nicht im mindesten geändert hat, einen ganzen Band« zu widmen. Hätte er »1935/6 etwas auch nur entfernt ähnliches versucht, die H.Z. wäre darüber gefallen und hätte durch nichts ähnliches ersetzt werden können. Freilich, vielleicht fällt sie eines Tages doch noch, wer kann das sagen? Es gibt ganz bestimmte Grenzen, die ich nie überschreiten würde.«44 Wo sich 41 Müller/Heiseler, Anmerkungen der Herausgeber (1943), S. 78. 42 Kilpper (Sohn) an Müller, 21. 7. 1943; Kilpper (Vater) an Müller, 4. 8. 1943, BayHStA, NL von Müller 75. 43 Kippenberg an Müller, 5. 7. 1943, ebd. 44 Müller an Heiseler, 28. 5. 1943, BayHStA, NL von Müller 481.

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diese Grenzen allerdings befanden, legte Müller nicht offen, in der HZ hatte er sie mit der Aufnahme der Beiträge Walter Franks und dem Referat zur »Geschichte der Judenfrage« weit gezogen. Der Historiker für den Nationalsozialismus war zum »Schutzschild« vor Ansprüchen des Nationalsozialismus geworden – zumindest in der eigenen Rückschau.

6.1.2 Resignation und Rückzug Der vorsichtige Rückzug Müllers in den letzen zwei Kriegsjahren blieb vor allem von Inkonsistenzen geprägt, ein »Rollenwechsel« wurde weder konsequent vollzogen noch publik. Als die Deutsche Akademie, deren Senator und Vorsitzender der historischen Sektion Müller war45, um den Jahreswechsel 1942/43 eines neuen Präsidenten bedurfte, galt für das Auswärtige Amt auch Müller als möglicher Kandidat.46 Unter den Senatsmitgliedern der Akademie, so der Ministerialrat im Reichspropagandaministerium Wilhelm Ziegler im Februar 1943 zu seinem Staatssekretär Leopold Gutterer, sei nur eine Minderzahl als Nationalsozialisten zu bezeichnen, zu diesen zählte er Müller.47 Die Wahrnehmung als vertrauenswürdiger Vertreter der Interessen des NS-Staates blieb intakt, zumal Müller sich weiterhin engagiert zeigte. Noch 1943 hielt er vor Gauleiter Giesler und Reichsstatthalter von Epp im bekannten Duktus eine Rede über England.48 Auf einer »Jungakademiker-Tagung im Luftgaukommando VII« im März 1943 und im folgenden Jahr in der SS-Junkerschule Bad Tölz trug Müller zu »Gestalt und Wandel des Reiches« vor49, ebenso anlässlich der »Verpflichtung der jungen Studenten« über »die Entwicklung des Reiches«.50 Müllers scheinbar ungerührt fortgesetzte Vortragstätigkeit im Frühjahr 1943 erstaunt vor allem angesichts der Ereignisse an der Münchner Universität. Am 18. Februar waren Hans und Sophie Scholl beim Versuch, ein Flugblatt der »Weißen Rose« im Lichthof der Universität zu verteilen, gefasst und nur wenige Tage später hingerichtet worden. Am 27. Februar wurde Kurt Huber, außerplanmäßiger Professor an der Münchner Universität, als Mitglied 45 Vgl. die Bitte des Präsidenten der DA Siebert, die Tätigkeit als »Vorsitzender der Abteilung für deutsche Geschichte« fortzusetzen, an Müller, 25. 2. 1941, BayHStA, NL von Müller 2. 46 Allerdings verbat sich Hitler eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes, der Vorschlag Müller wurde deshalb nicht weiter erörtert, vgl. Michels, Akademie, S. 164. 47 Ziegler an Gutterer, 22. 2. 1943, IfZ, Leopold Gutterer, ED 880 Band 5. Gutterer war Vorsitzender der Gesellschaft der Berliner Freunde der Deutschen Akademie. 48 Vgl. das unvollständige Redemanuskript in: BayHStA, NL von Müller 461. Aus den Ausführungen Müllers lässt sich der Vortrag auf Mitte bis Ende Februar 1943 datieren. 49 Er habe »den Vortrag über ›Gestalt und Wandel des Reichs‹ […] im März 1943 für einen Luftsoldatenkurs in der Universität München, und 1944 […] in der SS-Junkerschule in Bad Tölz gehalten«. Vgl. Müller an Rektor UM, 7. 8. 1945, BayHStA, NL von Müller 3. 50 Um Abdruckerlaubnis bat der Völkische Beobachter an Müller, 16. 6. 1943, BayHStA, NL von Müller 440; vgl. auch den Dank Studierender, 11. 6. 1943, in: BayHStA, NL von Müller 397.

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der Widerstandsgruppe festgenommen.51 Huber, Musikwissenschaftler und Philosoph, zählte seit Jahren zum engeren Freundes- und Bekanntenkreis Müllers, bei dem er noch am Abend vor seiner Verhaftung zu Gast war : »Meine innere Erregung an jenem schönen letzten Freitag ist Ihnen nicht entgangen, ich wollte Ihnen […] alles sagen und mich selbst stellen. Ich brachte es angesichts Ihrer Sorge um die lieben Söhne nicht übers Herz und genoß den selten schönen Abend mit Ihnen beiden. Am anderen Morgen war ich verhaftet.«52 Bereits 1930 hatte Müller das Vorwort zu einem Band Hubers beigesteuert, im Gegenzug war Huber in der Festschrift zu Müllers fünfzigstem Geburtstag vertreten.53 Mit seinem Aufstieg im Nationalsozialismus wurde Müller zu einem der wichtigsten Fürsprecher und Unterstützer Hubers, dessen Karriere weitaus weniger erfolgreich verlief.54 Vor allem als Huber an das Berliner Institut für Deutsche Musikforschung wechselte, häuften sich die Konflikte ebenso wie die Hilferufe an Müller : »Aber Sie müssen ja doch um diese Dinge wissen, als die einzige wirkliche Autorität, die hier eingreifen kann.«55 Schließlich kehrte Huber, auch von Müller unterstützt, nach München zurück.56 Doch nach der Verhaftung seines Freundes im Februar 1943 unternahm Müller, ausweislich der vielfach untersuchten und gewendeten Quellen, nichts. Dem an der Universität München vom Rektor Walther Wüst mit den Dekanen zur Entziehung des Doktorgrades gebildeten Ausschuss, das hierfür übliche Gremium, gehörte Müller nicht an. Noch vor der Verurteilung entzog die Universität München Huber den Doktortitel, zuvor hatte das Reichswissenschaftsministerium das Beamtenverhältnis aufgehoben.57 Huber hatte bereits in der Haft festgehalten, er habe seine »eigene Auffassung […] wohl nirgendwo klarer und ausführlicher entwickelt als in Gesprächen mit dem Präsidenten der Akademie der Wissenschaften Prof. Dr. Karl Alexander von Müller. Ich bitte ihn als Zeugen dafür zu berufen, dass alle meine vorliegenden Angaben genau meiner ihm gegenüber vertretenen Auffassung entsprechen.« Fast wortgleich wiederholte Huber sein Gesuch vor dem Volksgerichtshof, er »rufe aber als Zeugen […] den Herrn Präsidenten Prof. Dr. K.A. v. Müller an. Ich habe ihm in vertrautem Gespräch meine Bedenken Vgl. einführend Scholl, Weiße Rose sowie jüngst: Zankel, Mit Flugblättern. Huber an Müller u. Frau, 18. 4. 1943, StdAM, NL Kurt Huber 69. Müller, Auf den Weg (1930); K. Huber, Weihnachtslied. Hubers Lebensweg hat eine umfangreiche Darstellung gefunden, in der auch Müller breite Beachtung findet, vgl. R. Schumann, Huber, v. a. S. 138 – 167. Allerdings wird Müllers Rolle im NS-Staat, obwohl überaus kritisch gemeint und ausführlich referiert, teils verharmlost bzw. verzerrt, so seien »von Müllers Lippen Naziparolen nicht zu vernehmen« gewesen, S. 142. 55 Huber an Müller, 21. 2. 1938, StdAM, NL Kurt Huber 68. Als Hubers »wohl besten Freund« bezeichnet Sönke Zankel Müller, jedoch ohne Begründung, vgl. Zankel, Weisse Rose, S. 45. 56 Im Februar 1939 initiierte das Ehepaar Müller eine Sammlung für Huber und seine Familie, vgl. den Aufruf, 24. 2. 1939, Monacensia, NL Max Dingler, MD B 201. 57 Rektor Wüst »Betreff: Entziehung des Doktorgrades; hier Kurt Huber«, 8. 3. 1943, UAM, Sen-II153. Vgl. Harrecker, Degradierte Doktoren, S. 293 – 296; Schreiber, Wüst, S. 338 – 346.

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und Beobachtungen in dieser Hinsicht laufend vortragen können.«58 Ob Müller – für den NS-Staat ein durchaus heikler, möglicher Entlastungszeuge Hubers – zu einer Aussage zugelassen worden wäre, muss dahingestellt bleiben, denn vor Gericht trat Müller nicht auf.59 »Ich brauche Ihnen, glaube ich, nicht zu sagen, wie tief die Tat Kurt Hubers, die ihn für uns alle auslöscht, gerade mich getroffen hat, der ich geglaubt hatte, ihn einigermaßen zu kennen.« Mit diesen Worten leitete Müller einen Brief der Ehefrau Hubers, den diese an Irma von Müller gesandt hatte, an den Dekan der Philosophischen Fakultät weiter. Offenkundig, dies ist den weiteren Ausführungen Müllers zu entnehmen, handelte es sich um ein Gesuch auf finanzielle Unterstützung der völlig mittellosen Familie Hubers. Ohne weitere Erläuterung fügte Müller an: »Ich muß sagen, daß neben unserer persönlichen Sorge auch die Vorgänge an der Universität mich in den letzten zwei Monaten tief bedrückt haben.«60 Beiläufig bemerkte Müller in dem Schreiben auch, gleichsam seine Ferienaktivitäten berichtend, er habe die Einführung »zu einem vom Stab Rosenberg herausgegebenen Bilderwerk zur deutschen Geschichte« abschließen können. Der Brief verdeutlichte unmissverständlich: Müller war schlicht kein Gegner des Nationalsozialismus. Er missbilligte zwar Facetten seiner Herrschaft, teilte auch einige Aspekte der nationalsozialistischen Ideologie nicht, für den Erfolg des NS-Staates aber war er auch zuvor bereit gewesen, dies hinzunehmen. Seine auch mit der Verurteilung und Hinrichtung Kurt Hubers61 beginnende Ablösung resultierte vor allem aus dem zunehmenden Misserfolg des Nationalsozialismus. Müllers Vorstellungen einer im NS-Staat geeinten »Volksgemeinschaft«, für die er seinen Teil als Historiker beizutragen sich bemüht hatte, gerieten angesichts der aufscheinenden Endlichkeit dieser Herrschaft in Zweifel.62 Er bedauerte das Schicksal Hubers, unterstützte auch seine Witwe bei Gesuchen um finanzielle Hilfe, wie Huber gegen den Nationalsozialismus wollte Müller sich nicht stellen.63 Persönlich, publizistisch, auch institutionell bediente Müller seit längerer 58 Vgl. »Mein politisches Bekenntnis, selbst diktiert von Prof. Huber, am 8. März 1943«; »Rede Kurt Huber vor dem Volksgerichtshof.«, StdAM, NL Kurt Huber 19; Zankel, Mit Flugblättern, S. 398. Huber hatte gegenüber der Gestapo auch ausgesagt, im Sommer 1942 – ohne Kenntnis der Herkunft – Flugblätter der »Weißen Rose« mit Müller besprochen zu haben, ebd., S. 327. 59 Der mitanklagte, aber freigesprochene Falk Harnack gab nach 1945 an, Müller »ließ sich entschuldigen, er sei dienstlich von München abwesend.« Vgl. Scholl, Weiße Rose, S. 162. Schumann weist auf den stärksten Beleg dafür hin, dass Müller sich tatsächlich nicht für Huber eingesetzt hatte: Nach 1945, als kein Entlastungsgesuch ohne Verweis auf Huber auskam, gab Müller ein solches Engagement an keiner Stelle an, vgl. R. Schumann, Huber, S. 161 f. 60 Müller an Dekan Phil. Fak. UM, 26. 4. 1943, BayHStA, NL von Müller 450. 61 Zum Verfahren vgl. Wagner, Volksgerichtshof, S. 201 – 205. 62 Vgl. entsprechend Thamer, Widersprüche. 63 Auf ein Gesuch Clara Hubers antworte der Dekan der Philosophischen Fakultät, er habe sich aufgrund »einer Vorsprache des Herrn Präsidenten K.A.v. Müller« bei den Universitätsbehörden erkundigt u. empfahl schließlich ein Gesuch beim KM, vgl. Huber an Dekan Phil Fak. UM Dirlmeier, 9. 6. 1943; Dirlmeier an Huber, 18. 6. 1943, UAM, E-II-1818.

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Zeit konkurrierende Loyalitäten. Das Wanken des NS-Staates setzte diesen »Spagat« zunehmenden Spannungen aus. Publizistisch hatte Müller in der HZ bereits 1942 begonnen, stärker den Erwartungen der traditionell orientierten Historikerschaft zu entsprechen. Auch in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften geriet Müllers Stellung als ernannter, aber nicht gewählter Präsident zunehmend unter Erklärungsdruck. Bereits zum Jahreswechsel 1940/41 nutzte Müller seinen Geburtstagsglückwunsch an den Sekretär der Historischen Klasse Georg Leidinger auch zur Reflexion der eigenen Rolle: »Zeiten der Kriege und großer Umwälzungen sind für die Wissenschaft meist keine leichten Zeiten. Wissenschaftliche Körperschaften in ihnen zu leiten und zu vertreten, ist keine einfache und meist auch keine dankbare Aufgabe; umso tiefer fühlen wir alle uns Ihnen verpflichtet«.64 Die vier Abteilungs- bzw. Klassensekretäre verfügten als Mitglieder des Akademievorstandes, vor allem aber aufgrund ihrer Vertrauensstellung innerhalb der Abteilungen, trotz des vielfach postulierten »Führerprinzips«, über einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Nach der Ernennung Müllers im März 1936 waren die gewählten Sekretäre Georg Leidinger, Eduard Schwartz, Heinrich Tietze und Jonathan Zenneck im Amt verblieben, auch wenn das Kultusministerium dies kritisch beäugte.65 Bis 1940, für immerhin vier Jahre der Präsidentschaft Müllers, übten diese Klassensekretäre ihre Ämter aus, eine angesichts der Friktionen innerhalb der Akademie erstaunliche Konstanz. Offenbar verfügten die Sekretäre, sämtlich hoch angesehene und machtbewusste Gelehrte mit jahrzehntelanger Mitgliedschaft in der Akademie, weiterhin über genügend Autorität, um den Verbleib im Amt einem Ausscheiden vorzuziehen.66 Nach dem Tod von Schwartz im Frühjahr 1940 und dem Wegzug Leidingers aus München wurde eine Neuwahl vorerst aufgeschoben.67 Als jedoch im Januar 1942 mit Mariano San Nicolo und Paul Lehmann zwei neue Sekretäre der Philosophisch-historischen Abteilung im üblichen Verfahren gewählt worden waren68, griff das Ministerium bei den Wahlen der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Abteilung ein und ersetzte den gewählten Fritz Machatschek durch Lutz Pistor.69 Dieser, ohnehin nur mittels ministeriellen Zwanges 1940 Mitglied der Akademie geworden, profilierte sich umgehend als Vordenker einer künftig deutlich stärker an den 64 Müller an Leidinger, 28. 12. 1940, BSB, NL Georg Leidinger, Leidingeriana I.j, Mappe 4. 65 »An der Spitze der beiden Klassen steht je ein Sekretär. Für die andere Abteilung sind […] ebenfalls 2 Sekretäre bestellt. Dieser Zustand, der dem Führerprinzip nicht entspricht, wird jedoch vorerst belassen werden können.« Vgl. den Entwurf zur Satzungsänderung, KM an Ministerium des Innern, der Finanzen sowie für Wirtschaft, 21. 12. 1935, in: BayHStA, MK 40332. 66 Ordentliche Mitglieder waren Leidinger seit 1916, Schwartz seit 1919, Zenneck seit 1920 und Tietze seit 1929. 67 Protokoll der Sitzung der Philosophisch-historischen Abteilung, 4. 5. 1940, Archiv BAdW. 68 Protokoll der Sitzung der Philosophisch-historischen Abteilung, 10. 1. 1942, ebd. 69 KM an Präsident BAdW, 12. 3. 1942, BayHStA, MK 40332.

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Prämissen der NS-Wissenschaftspolitik ausgerichteten Akademie und reichte, ohne die Akademie in Kenntnis zu setzen, im Herbst 1942 eine entsprechende Denkschrift beim Ministerium ein. Da Müller als Präsident gegen Pistor nicht einschritt, trat Tietze als Sekretär zurück.70 Die personelle Kontinuität in der Akademieführung, von der Müller als Präsident fraglos profitiert hatte, bröckelte weiter. Kurz nach Tietze reichte auch Lehmann, noch kein Jahr Sekretär der Philosophisch-historischen Abteilung, sein »Enthebungsgesuch« ein.71 Zuvor hatte sich Lehmann energisch gegen erhobene Vorwürfe verteidigt. Müller solle, forderte Lehmann, »beim Rektor (Herrn Wüst) und bei unserem Dekan (Herrn Dirlmeier) vorsprechen und erklären, daß der Abt.-Sekr. Lehmann in der Praesidialangelegenheit vom Anfang bis zum Ende völlig gradlinig gehandelt und bei männlicher Wahrung seines […] Standpunktes (vorläufige Fortsetzung des derzeitigen Praesidiums) dafür eingetreten ist, daß die Abteilungen, deren Bedenken er z. T. kenne, in der Abt.-Sitzung erklären möchten, ob sie die Fortsetzung des Praesidiums v. Müller wünschen oder unter Nennung eines tragfähigen Kandidaten auf einer Neuwahl beständen«.72 Die angeführten »Bedenken« der Abteilungen resultierten aus dem mit der Satzung von 1939 zurückerhaltenen Recht, bei der Ernennung des Präsidenten der Akademie einen Vorschlag vorlegen zu dürfen. Zwar wurden die Mitgliederwahlen weitgehend selbständig durchgeführt, doch hatte das Ministerium sein Bestätigungsrecht bereits ausgeübt und von der Akademie gewählten Mitgliedern die Bestätigung versagt. Ebenso waren die Wahlvorschläge zu den Sekretären im Falle Machatschek negiert worden. Die Auswahl eines Vorschlages für die Ernennung des Präsidenten gehörte zu den letzten verbliebenen »Wahlrechten« der Akademiemitglieder. Seit der Neuwahl der Abteilungssekretäre zu Jahresbeginn stand auch die unverändert bestehende Präsidentschaft Müllers auf der Tagesordnung. Im Herbst 1942 jedoch gab Müller dem Vorstand bekannt, er werde »in der Gesamtsitzung beantragen, dass während der Kriegsdauer auf eine neue Präsidentenwahl verzichtet wird.«73 Doch waren die Mitglieder der Philosophischhistorischen Abteilung nicht bereit, bis zu einem nicht absehbaren Kriegsende auf ihr Vorschlagsrecht gänzlich zu verzichten und beschlossen: »Die Abteilung ist in Anbetracht der Kriegsumstände bereit, die Wahl des Präsidiums auf ein Jahr zurückzustellen. Die Abteilung legt jedoch den größten Wert darauf, daß das bestehende Gefüge der Akademie, insbesondere das Wahlrecht, nicht angetastet wird.«74 Nachdem die zweite Abteilung zu selbigem Ergebnis gelangt war, konnte Müller lediglich einen Teilerfolg beim Kultusministerium 70 Protokoll der Vorstandssitzung, 10. 11. 1942, Archiv BAdW; Heinrich Tietze »Bericht über die Entwicklung der Verhältnisse in der Akademie […] in den Jahren 1933 – 1945«, 6. 7. 1945, BayHStA, MK 71097. 71 Protokoll der Vorstandssitzung, 28. 11. 1942, Archiv BAdW. 72 Lehmann an Müller, 25. 10. 1942, BayHStA, NL von Müller 424. 73 Protokoll der Vorstandssitzung, 13. 10. 1942, Archiv BAdW. 74 Protokoll der Sitzung der Philosophisch-historischen Abteilung, 17. 10. 1942, ebd.

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zur Zustimmung vorlegen, überdies musste er ausdrücklich hinzufügen, dass die Abteilungen auf dem ihnen verbliebenen Vorschlagsrecht bestünden.75 Im Januar 1943 stimmte das Reichswissenschaftsministerium der Rückstellung der Wahl zu76, die Mitglieder der Akademie aber hatten unmissverständlich erklärt, dass sie im Herbst dieses Jahres zu wählen gedachten. Müller hatte, auch mittels seiner sich moderat gebenden Amtsführung, durchaus persönliches Ansehen in der Akademie bewahren können. Zum sechzigsten Geburtstag Müllers dankte der Indologe Hanns Oertel dafür, dass es Müller gelungen sei »der Wissenschaft trotz allen Schwierigkeiten den nötigen Atemraum« zu erhalten, es würden »Ihnen alle Mitglieder der Akademie von Herzen dankbar sein und dabei auch die Opfer nicht vergessen, die Sie unter Hintansetzung persönlicher Interessen dabei oft gebracht haben«.77 Auch ließ Müller, offenkundig ein Zugeständnis an die Akademiemitglieder, im Januar 1943 die erste öffentliche Sitzung der Akademie seit bald fünf Jahren zu.78 Trotz des einhellig geäußerten Willens der Mitglieder scheint Müller im Herbst 1943 zudem einen letzten Versuch unternommen zu haben, die Wahl abzuwenden. Laut Sitzungsprotokoll wurde aufgrund eines »Beschlusses des Vorstandes […] an die Abteilung die Frage« gestellt, ob »die ablaufende Amtszeit des Herrn Präsidenten angesichts der besonderen Zeitumstände verlängert werden sollte oder ob die Abteilung eine satzungsgemäße Wahl wünscht. Die einhellige Entscheidung lautet auf eine rechtzeitig auszuschreibende Wahl.«79 Die ergebnisoffene Formulierung der Frage legt nahe, dass auch seitens des Vorstandes kein ernsthafter Zweifel mehr an der Entscheidung für eine Wahl bestand, Müller hatte vorsorglich auf eine Teilnahme an der Sitzung seiner Abteilung verzichtet.80 Zur Wahl durch die Mitglieder der Akademie, der sich Müller nicht stellen wollte, schlug im November die Philosophisch-historische Abteilung den amtierenden Sekretär San Nicolo vor.81 Dieser wurde in der Wahlsitzung mit sehr deutlicher Mehrheit gewählt und anschließend auch vom Reichswissenschaftsministerium bestätigt.82 Nach acht Jahren Akademiepräsidentschaft blieb für Müller nur, alsbald nach dem Amtsantritt seines Nachfolgers an der langlebigen Legende zu stricken, er habe sich freiwillig zurückgezogen.83 Bereits im Mai 1944 behauptete Müller gegenüber Hans Hagemeyer, dem Leiter des Amtes Schrift75 76 77 78 79 80 81 82 83

Müller an KM, 21. 10. 1942, Archiv BAdW, Ordner Präsidentenwahlen 1919 – 1967. KM an BAdW, 12. 1. 1943, ebd. Hanns Oertel an Müller, 19. 12. 1942, BayHStA, NL von Müller 5. Die letzte öffentliche Sitzung war, mit einer Ansprache des Präsidenten, am 15. 6. 1938 abgehalten worden. Zur Jahressitzung 1943 vgl. das Akademiejahrbuch 1942/43, S. 21 – 36. Protokoll der Sitzung der Philosophisch-historischen Abteilung, 23. 10. 1943, Archiv BAdW. Im Sitzungsprotokoll ist Müller nicht unter den Anwesenden aufgeführt, vgl. ebd. Protokoll der Sitzung der Philosophisch-historischen Abteilung, 12. 11. 1943, Archiv BAdW. BAdW an KM, 26. 11. 1943; KM an BAdW, 4. 4. 1944, Archiv BAdW, Ordner Präsidentenwahlen 1919 – 1967. »Ende 1943 trat Müller aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurück.« Vgl. Heydenreuter/Krauß (Hg.), Helle Köpfe, S. 212.

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tumspflege in der Dienststelle Rosenberg, er habe »aus diesem gesundheitlichen Grund vor kurzem auch bitten müssen, von einer neuen, dritten Verlängerung meiner Amtszeit als Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften abzusehen.«84 Müllers mühevolle, teils unfreiwillige Ablösung vom Wissenschaftsbetrieb des NS-Staates war unterdes fortgeschritten. In eben jenem Schreiben an Hagemeyer hatte Müller auch Rosenberg gedankt »für die hochauszeichnende Aufforderung, auf der geplanten Tagung einen Vortrag zu übernehmen. Zu meinem tiefen Bedauern bin ich aber nicht in der Lage, dieser ehrenvollen Aufforderung, wie ich so gern möchte, nachzukommen.« Abgesagt hatte Müller für den im Juni 1944 in Krakau geplanten, »antijüdischen« Kongress.85 Im Zuge der Vorbereitungen war im April festgehalten worden, dass nicht der slowakische Staatsminister Mach »einen Vortrag über die Judenfrage in ganz Europa halten« könne, für »dieses Thema wäre Prof. Karl Alexander von Müller besser geeignet.«86 Im Kongressprogramm war Müller noch mit einem Vortrag zur »Rolle des Judentums in der Geschichte Deutschlands und ihre Bekämpfung« aufgeführt, doch wurde schließlich die gesamte Tagung abgesagt.87 Müllers Wahrnehmung als führender Historiker im nationalsozialistischen Deutschland aber war, dies verdeutlicht die Einladung, ungebrochen. Müller selbst erneuerte sie zudem durch die Empfehlung seines Schülers und »Judenforschers« Klaus Schickert für den Krakauer Kongress, bewahrte damit nicht zuletzt auch für sich eine Option.88 Die Ablösung von der erworbenen Rolle blieb schwierig, zumal auch der publizistische Erfolg sich fortsetzte. Im Laufe des Jahres 1943 erlebte Müllers »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« ihre dritte Auflage, während zugleich für das 1938 veröffentlichte »Vom alten zum neuen Deutschland« bereits ein Neudruck beantragt war. Diesen sollte der zunehmende Papiermangel verhindern, doch wurde zugleich mit der DVA ein Aufsatzband »Männer, Völker und Revolutionen« geplant.89 Zudem lehrte Müller weiterhin als Professor an der Universität München, wenn auch – »bei dem widerlichen

Müller an Hagemeyer, 23. 5. 1944, BayHStA, NL von Müller 7. Piper, Rosenberg, S. 595 – 597; Weinreich, Hitler’s Professors, S. 219 – 235, zu Müller S. 232. Stichwort-Protokoll Hagemeyer beim Reichsleiter, 19. 4. 1944, BArch, NS 8/132, Bl. 35. Programm des internationalen Kongresses »Das Judentum in der Weltpolitik unserer Zeit« in Krakau, Juni 1944, BArch, NS 15/634. Müller gehörte auch, u. a. mit seinen Schülern Theodor Schieder, Kurt von Raumer und Fritz Wagner, einer von Rosenberg geleiteten »Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der bolschewistischen Weltgefahr« an, vgl. Nonn, Schieder, S. 107. 88 Vgl. hierzu das Kapitel 5.3.2. 89 Kilpper (DVA) an Müller, 4. 3. 1943; Kilpper jr. an Müller, 27. 5. 1943, BayHStA, NL von Müller 439. Zuvor hatte sich Theodor Heuss angesichts der mangelnden Verfügbarkeit seines ebenfalls bei der DVA erschienenen Naumann-Buches beklagt, nach einem Verlagsprospekt werde »es ja nicht zu den ›wertvollen Büchern aus früheren Zeiten‹ gerechnet, obwohl es, ganz bescheiden, wertvoller ist als […] die liebenswürdigen Aufsätze von K.A. von Müller«. Vgl. Heuss an Karl Pagel, 5. 12. 1940, abgedruckt in: Heuss, Defensive, S. 392 f.

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Trimestergehetz«90 – unter widrigen Bedingungen. Die nun wieder zunehmenden Studentenzahlen füllten Müllers ohnehin beliebte Seminare91, auch Doktorarbeiten betreute er in bekannt erheblichem Umfang. Unter seinen Schülern der letzten beiden Kriegsjahre waren zudem mit Heinz Gollwitzer und Wolfgang Zorn zwei in der Bundesrepublik erfolgreiche Universitätshistoriker, die Müller eng verbunden blieben. Gollwitzer war 1944 von Müller mit einer Dissertation zu Karl von Abel, einem bayerischen Politiker des Vormärz, promoviert worden.92 Als eine »der besten Abhandlungen, die in den letzten Jahren zur neueren Landesgeschichte geschrieben« wurden, empfahl Müller die Arbeit der landesgeschichtlichen Kommission zum Druck.93 Nur wenige Tage vor Kriegsende schloss Zorn seine Promotion ab. Zuvor hatte Müller dessen Gesuch auf mündliche Vorprüfung mit einer überaus positiven Einschätzung befürwortet: »Herr Zorn gehört zu den begabtesten Schülern, die ich in den letzten Jahren hatte, und die Doktorschrift […] verspricht eine ungewöhnliche Leistung zu werden. Er ist bereits mitten in der Ausarbeitung, die ersten Abschnitte hat er mir vor kurzem vorgelegt, sie haben meine Erwartungen noch übertroffen.«94 Die im Frühjahr 1945 eingereichte Dissertation zur »Reichspublizistik des späteren 18. Jahrhunderts (1763 – 1792)« enttäuschte nicht. Zorn sei »eine der besten Hoffnungen unseres historischen Nachwuchses«, die Arbeit bewertete Müller mit »Auszeichnung.«95 Sein Rigorosum musste Zorn allerdings in Müllers »Bombenfluchtwohnsitz bei Fürst Henckel-Donnersmarck in Rottach-Egern« ablegen.96 Seit dem Winter 1943/44 mied Müller das zunehmend zerstörte München, zumal auch seine eigene Wohnung nach einem Luftangriff unbewohnbar wurde: »München ist bitter schwer getroffen, Nationaltheater, Festsaalbau, Residenz, Nationalmuseum. Viele der Zerstörungen haben einen unheimlich symbolischen Charakter.«97 Schließlich war 1943 mit dem Band 168 auch die 90 Müller an Heinrich Mitteis, 14. 11. 1940, UBM, NL Heinrich Mitteis. Die Universität München hatte nach Kriegsausbruch das WS 1939/40 auf das »Halbjahr 1939/ III« gekürzt, um ab 1940 in Trimestern zu unterrichten, zum SS 1941 kehrte man zum alten Rhythmus zurück. 91 Bis zum SS 1943 blieben die Teilnehmerzahlen hoch, Müllers Vorlesung »Die europäischen Mächte an der Schwelle des imperialistischen Zeitalters« hatte 273, die Übung »Neueste deutsche Geschichte (1870 – 1939)« 192 Hörer, vgl. die Inskriptionslisten in: BayHStA, NL von Müller 399 sowie Universität München. Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1943, S. 70. 92 Die Promotionsakte Gollwitzers ist verloren, im April 1944 kündigte Müller sein Referat »über die (ausgezeichnete) Arbeit« an, vgl. Müller an Wüst, 12. 4. 1944, UAM, E-II-2517. Gollwitzer war, wie sein Lehrer, Stipendiat des Maximilianeums, vgl. das »Verzeichnis der Bewerber um Aufnahme […] 1936.«, S. 26 – 28, 115, in: BayHStA, NL von Müller 416. 93 Niederschrift über die Gesamtsitzung der KommBayLG, 25. 5. 1944, BayHStA, MK 71118. 94 Müller an Dekan Phil. Fak., 25. 10. 1944, UAM, O-Np-1945 [Zorn Wolfgang]. 95 Gutachten Müller, 24. 4. 1945, ebd. 96 Vgl. seine Erinnerungen: Zorn, Studium, S. 263. 97 Müller an Siegfried Kaehler, 10. 10. 1943, SUBG, NL Siegfried A. Kaehler 1.124 , Nr. 11. Im Herbst 1944 ist auch Müllers älterer Bruder Ludwig gefallen, vgl. die Kondolenzschreiben in: BayHStA, NL von Müller 227.

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Historische Zeitschrift eingestellt worden. Unter Verweis auf seine angeschlagene Gesundheit meldete sich Müller bis zum Kriegsende vom Universitätsbetrieb ab.98

6.2 Zusammenbruch 1945 Bereits im Herbst 1943 hatte Siegfried Kaehler in einem Brief an Müller die im Untergang des Nationalsozialismus aufscheinende biographische Parallele angesprochen. Seit einigen Wochen lese er die »deutschen Träumer«, Müllers gemeinsam mit Cossmann 1925 herausgegebene Sammlung ihrer Kriegsaufsätze in den Süddeutschen Monatsheften, deren »auf weite Strecken vorhandene Aktualität mich sehr erregt, fast noch mehr erschüttert hat.« Was Müller »über die Wirklichkeitsfremdheit der damaligen Deutschen« in den Aufsätzen geschrieben habe, behalte »eine unbestreitbare Gültigkeit auch für die Gegenwart, nur eben unter genau entgegengesetzten Vorzeichen. Es bleibt als Grundzug des Charakters die verhängnisvolle Anlage zur selbsttäuschenden Verkennung des Gegners, von dem man immer ein Wunschbild besitzt, das in Ueberschätzung oder Unterschätzung immer wirklichkeitsfremd ist. Wie mag Ihnen selbst zumute sein, wenn Sie diese Ihre alten Arbeiten in die Hand nehmen, die mir beim Lesen der Süddeutschen Monatshefte im Felde damals schon so starken Eindruck gemacht haben.«99 Wie war Müller zumute, angesichts des zweiten militärischen Untergangs, des zweiten gesellschaftlichen Zusammenbruchs seines Lebens? Wenige Tage vor Kriegsende, am letzten Geburtstag des »Führers«, war Müller gesundheitlich wieder an den Ausgangspunkt seiner nationalen Emphase zurückgekehrt, wie zu Beginn des Ersten Weltkriegs attestierte Müllers Arzt eine körperliche wie nervliche Überlastung.100 Reflexionen Müllers über seine Rolle im untergegangenen nationalsozialistischen Deutschland, jenseits von Entnazifizierung und Bemühungen um eine baldige Rehabilitierung, würden in den kommenden Jahren selten bleiben. Eine der deutlichsten gestattete er sich, noch bevor er eines seiner Ämter förmlich verloren hatte, in einem Brief an den ihm seit langem freundschaftlich verbundenen Karl August Fischer. Dieser, obwohl nationalsozialistischer Wissenschaftsfunktionär, stand in den ersten Wochen nach Kriegsende dem bayerischen Innenministerium vor. Müller bat, Fischer möge »ein aufklärendes Wort« mit dem neuen Kultusminister Otto Hipp reden, handschriftlich fügte Müller hinzu: »Was für eine Art ›Nazi‹ ich war.« Gegenüber Fischer bekannte Müller offen: »Ich war ein falscher Prophet und 98 Müllers Krankmeldungen an die Münchner Universität, teils mit Attesten, vgl. Müller an Dekan Phil. Fak., 4. 11. 1944, 5.1. u. 16. 3. 1945, BayHStA, NL von Müller 2. 99 Kaehler an Müller, 2. 9. 1943, SUBG, NL Siegfried A. Kaehler 1.124 , Nr. 10c. 100 Prof. Dr. A. Schittenhelm »Ärztliches Zeugnis«, 20. 4. 1945, BayHStA, NL von Müller 1.

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kann, was ich hier gefehlt habe, nicht auf diesem Weg mehr bessern.« Wenn er allerdings eine Pension erhielte, könne er »noch allerlei Nützliches arbeiten«, nur schwerere »körperliche Arbeit könnte ich nicht aushalten, vermutlich auch keine längere Haft«.101 Zuvor hatte sich Müller bereits offiziell zu seinem Wirken im NS-Staat äußern müssen, Ende Juni erreichte ihn die Aufforderung des neu eingesetzten Rektors der Universität München Albert Rehm, einen Fragebogen der amerikanischen Militärregierung »erschöpfend« auszufüllen.102 Den Erhalt bestätigte Müller mit schmeichelnden Worten – »Welche Beruhigung es für uns alle ist, die Geschicke unserer lieben Universität in diesen schweren Wochen in Ihren erfahrenen, treuen und sachlichen Händen zu wissen, werden Sie schon von vielen gehört haben«103 –, der Beginn seines drastischen Rollenwechsels vom machtbewussten Historiker im nationalsozialistischen Deutschland zum Bittsteller um Gehör und Bestätigung. Drei Wochen darauf legte er den Fragebogen sowie eine ausführliche Rechtfertigungsschrift vor, Illusionen über seine Zukunft schien Müller keine zu hegen: »Nach dem, was ich bisher höre, nehme ich an, daß es für mich nicht möglich sein wird, weiter Geschichte zu dozieren. So schwer mir die Trennung von der akademischen Jugend wird, auch von mir selbst bräuchte ich zum mindesten eine längere Pause, um neu Fuß zu fassen.« Auch sein enges Verhältnis zu Kurt Huber und die Unterstützung für dessen Frau – »worauf Konzentrationslager stand« – führte Müller auf. In den kommenden Jahren würde dieser Hinweis zum unverzichtbaren Bestandteil zahlloser Rechtfertigungen werden.104 Neben der bald notwendig werdenden Verteidigung gegen einen drohenden Ausschluss aus der Bayerischen Akademie würde dies Müllers ausführlichste Selbstdarstellung seines Wirkens sein, offenkundig auch ein Produkt längerer Reflexion und Selbstrechtfertigung. Unter dem nüchternen Titel »Meine Beziehungen zur NSDAP« widmete sich Müller seiner Karriere der vergangenen zwölf Jahre, jedoch beabsichtige er »keine Ent-schuldigung – jeder Deutsche, der den Nationalsozialismus irgendwie unterstützt hat und nun das namenlose Elend sieht, das er über Deutschland gebracht hat, trägt schwer an der Mitschuld, die ihn trifft«.105 Seine frühe Bekanntschaft mit »dem werdenden Nationalsozialismus und seinen Führern« räumte Müller unumwunden ein, seine Frau und er seien »bestürmt« worden, der NSDAP beizutreten. Beide hätten sie dies »immer abgelehnt«. Mit den »ursprünglichen programmatischen Grundsätzen der Partei, die damals noch national, christlich und sozial« waren, verbanden Müller »Anschauungen, die ich seit 1914 publizistisch vertreten hatte«, doch habe ihn »der leichtfertige Dilet101 Müller an Fischer, 1. 9. 1945, BayHStA, NL von Müller 5. 102 Rektor UM Albert Rehm an Mitglieder des Lehrkörpers, 25. 6. 1945, BayHStA, NL von Müller 4. Zu Rehm als erstem Nachkriegsrektor vgl. Schumak (Hg.), Neubeginn. 103 Müller an Rektor UM, 1. 7. 1945, BayHStA, NL von Müller 4. 104 Müller an Rektor UM, 20. 7. 1945, ebd. 105 Müller »Meine Beziehungen zur NSDAP« o. D., BayHStA, NL von Müller 3 (Trennung im Original).

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tantismus und der gehässige Fanatismus« abgestoßen. Zudem verwies Müller auf seine Bindung an den »bayerischen Heimatboden«, die Freundschaft mit dem »nichtarischen« Cossmann und seine Mitgliedschaft im Münchner Rotary Club – mithin auf eben jene biographischen Prägungen, von denen er sich 1933 gelöst hatte. »Meine persönliche Neigung und Einstellung ging immer dahin, zusammenzufassen und zu versöhnen.« Was bereits sein Engagement für den Nationalsozialismus hatte begründen sollen, diente nun zum Beleg für seine vermeintliche Distanz. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten sei legal erfolgt, er habe »im kulturellen Leben meiner Heimatstadt bereits seit Jahren eine angesehene akademische, publizistische und gesellschaftliche Stellung« eingenommen, sollte »ich versuchen, mich von dem Lehramt […] auf einen stillen Posten« zurückzuziehen, oder »versuchen, im neuen Staat auf meine Weise mitzuwirken«? Er habe sich zur »Mitarbeit« entschlossen, glaubte, »damit in der alten versöhnlichen und Brücken schlagenden Linie meiner Wirksamkeit zu verbleiben.« Der Parteieintritt sei auf Veranlassung von Heß erfolgt, doch habe er kein Parteibuch beantragt106 und das Abzeichen nur wenn nötig getragen.107 Dieses »halbe Verhältnis zur Partei« wollte er »im Interesse der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Anstalten, denen ich angehörte«, genutzt haben. Diesem, seinem wesentlichen Wirkungsbereich widmete Müller ausführlich seine Aufmerksamkeit: »Wenn es in dem ungeheuren deutschen Zusammenbruch von heute doch noch Reste der alten wissenschaftlichen deutschen Organisationen gibt, an welche die Zukunft anknüpfen kann, wenn man überhaupt noch wissenschaftliche deutsche Akademien und Universitäten auf unserm Boden vorfindet – ob nicht ein Teil des Verdienstes daran auch auf das Habenkonto derjenigen gesetzt werden muß, die 12 Jahre lang, aus irrigen Voraussetzungen, versucht haben, diese Institutionen innerhalb des ns Staates durch den Sturm der Zeit hindurchzuretten.« Wiederum wendete Müller schlicht die Zielsetzung seiner Bemühungen, nunmehr sei nicht die Ein- und Anpassung an den Nationalsozialismus, sondern das Überdauern Ziel gewesen. Als das »schwerwiegendste und von Anfang an drückendste Zugeständnis, das die Partei mir auferlegte«, bezeichnete Müller die Leitung der »Forschungsabteilung Judenfrage« des Reichsinstituts, doch habe er es 106 Im Nachlass liegt Müllers Mitgliedskarte Nr. 1.747.534, ausgestellt von der Ortsgruppe München, ein. Da er diese nicht, wie vorgesehen, nach Ablauf der einjährigen Mitgliedschaft einsandte, ist kein Mitgliedsbuch ausgestellt worden (BayHStA, NL von Müller 2). An der Gültigkeit der Mitgliedschaft änderte dies nichts, die Beiträge wurden entrichtet, zumindest sind keine gegenteiligen Hinweise überliefert, vgl. Reichsorganisationsleiter NSDAP/ Parteistatistische Erhebung 1939, 2. 7. 1939, BArch, ehem. BDC, PK/ I 0191 [Müller Karl Alexander von]. 107 Zum sechzigsten Geburtstag versandte Müller als Dank eine Fotographie, die ihn mit NSDAPParteiabzeichen zeigt. Während der Nachlass »gesäubert« wurde, hat sich eine der versandten Karten erhalten, vgl. Müller an Alexander Scharff, 2. 1. 1943, LaSH, NL Alexander Scharff Nr. 200. Auch in der Presse wurde das Foto genutzt, vgl. E. Böhm, Geschichtsforscher, S. 4.

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abgelehnt, sich »anders als durch gelegentliche wissenschaftliche Beratung daran zu beteiligen.« Für eine »wissenschaftliche Bearbeitung auch der Judenfrage« habe er sich schon vor 1933 eingesetzt, »durchaus nicht in antisemitischem Geist. Ich hoffte zuerst, diese überparteiliche, rein wissenschaftliche Richtung auch hier fördern zu können.« Die hier angedeutete, von Müller gezogene Trennlinie zwischen Nationalsozialismus und Wissenschaft sollte zu einer seiner wesentlichen Verteidigungsstrategien werden. In der behaupteten Dichotomie beider lag für Müller die Chance, sein Hauptwirkungsfeld in grundsätzlicher Weise vom NS-Staat zu separieren. Auch in der HZ habe er gehofft, auf »dem Boden der Wissenschaft eine Brücke zwischen der älteren und der jungen, z. T. ns. Generation der deutschen Historiker schlagen zu können«. In dieser Weise durchschritt Müller seine Laufbahn. Seine Ziele seien verbindender Natur gewesen, er habe lange an eine andere Entwicklung des Nationalsozialismus geglaubt, schließlich forderte der Krieg Loyalität für »die eigne Regierung«. Notfalls, angesichts weitverbreiteter Publikationen, ließ Müller wesentliche Angaben fort. Bei der ihm »vom Stab Rosenberg mit Drohungen abgepreßten Einführung zu ›Gestalt und Wandel des Reiches‹« habe er einen Schüler gebeten, sie aus »früheren Veröffentlichungen« zusammenzustellen. In der Tat, doch verschwieg Müller, dass diese frühere Veröffentlichung seine Katalogeinleitung zur Ausstellung »Deutsche Größe« gewesen war. Auch diese Darstellung schloss Müller mit dem Hinweis auf »das Gedächtnis unseres nahen Freundes Kurt Huber«. In einer Reihe von Beilagen entblätterte Müller seine Biographie, von der Herkunft seines Adelstitels über seinen Bildungsweg zu den zahlreichen Mitgliedschaften. Ausdrücklich vermerkte er zum »Institut zur Erforschung der Judenfrage«, er habe dem Münchner – »nicht dem Frankfurter Institut« – angehört, eine Unterscheidung, auf die noch einzugehen sein wird. Zum sechzigsten Geburtstag habe er die »von Hindenburg gestiftete« Goethe-Medaille erhalten, die Verleihung durch Hitler blieb ungenannt. Ein Beiblatt war schließlich seinen finanziellen Verhältnissen gewidmet, der deutliche Anstieg 1934 erkläre sich »aus schriftstellerischer Tätigkeit: dem Abschluß von Knaurs Weltgeschichte, d. h. der Entlohnung für eine Arbeit, die sich über mehrere der vorhergegangenen Jahre erstreckte«. Das allerdings war glatt gelogen, offenbar suchte Müller den Verdacht zu zerstreuen, er hätte materiell von der Machtergreifung profitiert.108 Wesentliche Argumentationslinien der Müller nun Jahre beschäftigenden Erläuterung und Verteidigung seines Wirkens im Nationalsozialismus waren damit vorgezeichnet. Müller ließ der Erklärung noch eine »Bestätigung« folgen, seinen ersten »Persilschein«. Der Maler Ernst Haider, als »Halbjude« verfolgt und an seiner Berufsausübung gehindert, bestätigte die Unterstützung, er »werde die Hilfsbereitschaft, die mir Professor v. Müller in der 108 Vgl. Müller »Meine Beziehungen zur NSDAP« o. D., BayHStA, NL von Müller 3.

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schweren Zeit erzeigt hat, in meinem Leben nicht vergessen.« Ergänzend bemerkte Müller, dass er sich »1933 für den mir befreundeten Professor Cossmann (Nichtarier) einsetzte, bis ich von der Gestapo vorgeladen und mit sofortiger Festnahme bedroht wurde.« Er sei, dies zeige »vielleicht meine grundsätzliche Haltung«, dem »nichtarischen Kolonialgeschäft Schwarz (an der Domfreiheit) auch als Pg« treugeblieben.109 Aus der Bayerischen Akademie hatte sich Müller nach der 1943 verweigerten Verlängerung seiner Amtszeit zurückgezogen, zumal er nun fast ununterbrochen in Rottach-Egern lebte. Seine letzte als noch amtierender Präsident, vor der Ernennung seines Nachfolgers, im Januar 1944 gehaltene Ansprache in der öffentlichen Sitzung der Akademie wurde nicht mehr gedruckt.110 Obwohl Müller bereits mehr als ein Jahr aus dem Blickfeld gerückt war, brauchte es nach Kriegsende nur wenige Wochen, bis die Akademie zu ersten, auch gegen Müller gerichteten Schritten fand. In einer Besprechung der ordentlichen Mitglieder, »die nicht Parteigenossen gewesen sind«, wurde Anfang Juli beschlossen, sowohl die Wahlen von 1940 zu überprüfen als auch »die Mitgliedschaft aller Funktionäre (Präsident, Sekretäre), die ihr Amt nicht auf Grund einer vom Vertrauen der Akademie getragenen Wahl übernommen haben.« Um Missverständnisse auszuschließen, wurde präzisiert, dieser Punkt betreffe »den in den Osterferien 1936 ohne Einholung eines Vorschlages der Akademie ernannten Präsidenten«.111 Wenige Tage darauf informierte San Nicolo alle ordentlichen Mitglieder der Akademie über die Ergebnisse der bisherigen Besprechungen, deren vorrangiges Ziel die Wiederaufnahme der Arbeit sei, doch ergebe sich »vorerst die Notwendigkeit, die Reihen unserer Mitglieder einer Überprüfung zu unterziehen, um gegebenenfalls Herren auszuscheiden, deren Verhalten mit Zielen und Interessen der Akademie in Widerspruch stehend sich erwiesen hätte«.112 Dass vor allem Müller im Fokus der Untersuchungen stehen würde, offenbarte auch ein Ende Juli aus dem bayerischen Kultusministerium bei der Akademie eingehendes Schreiben. Als »der Akademie für mehrere Jahre aufgezwungene(r)« Präsident habe sich Müller »zum Wortführer der ihm von den verschiedensten nationalsozialistischen Stellen aufgetragenen Wünsche« gemacht. Vor allem der Versuch, die freie Mitgliederwahl abzuschaffen, sowie die 1940 erzwungene Zuwahl nicht von der Akademie gewählter Mitglieder wurden Müller vorgeworfen, dessen Mitgliedschaft nun von der Akademie überprüft werden sollte.113 Unterdes hatte Müller als ordentliches Mitglied das Rundschreiben der Akademie erhalten, mit Verweis auf seine reguläre Wahl 1928 sowie auf die langjährige Verbindung zur Akademie fasste er das angedrohte Vorgehen 109 Haider Bestätigung, 27. 7. 1945, Müller an Rektor, 7. 8. 1945, BayHStA, NL von Müller 3. 110 Die Ansprache liegt als Fahnenabzug vor, vgl. BayHStA, NL von Müller 615. 111 Vgl. den von Heinrich Tietze unterzeichneten Bericht über die »Besprechung von ordentlichen Mitgliedern, die nicht Parteigenossen gewesen sind«, 6. 7. 1945, BayHStA, MK 71097. 112 Präsident BAdW an Ord. Mitglieder, 13. 7. 1945, BayHStA, NL von Müller 5. 113 KM (Dr. Hipp) an Präsident BAdW, 31. 7. 1945, BayHStA, MK 44052.

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knapp zusammen: »Dies ist also ein richtiges Ausschlussverfahren, und ich glaube, das betroffene Mitglied hat in diesem Fall das Recht, die Anklage, die erhoben wird, zu erfahren und zu ihr Stellung zu nehmen.«114 Eben dies billigten die Akademiemitglieder Müller zu, es »wurde […] mit 22 gegen 4 Stimmen das Ausschlußverfahren unter Einholung einer schriftlichen Stellungnahme des Herrn von Müller beschlossen.«115 Der Mitteilung an Müller waren die Vorwürfe gegen dessen Amtsführung beigefügt, auch die Akademiemitglieder warfen Müller vor allem die Übernahme der Präsidentschaft gegen den Willen der Akademie sowie eine zu sehr an den Interessen der Ministerien orientierte Ausübung seines Amtes vor. Sowohl gegen die erzwungenen Zuwahlen 1940 als auch gegen die Bestellung Pistors zum Sekretär habe sich Müller nicht gestellt. Schließlich wurden Müller auch die Elogen auf den NS-Staat in seinen öffentlichen Akademiereden vorgehalten.116 Wenige Tage darauf antwortete Müller mit einer sechzehn Seiten umfassenden Verteidigungsschrift. Im Begleitschreiben bat er San Nicolo »als langjährigen Kollegen in der Führung der Amtsgeschäfte der Akademie« auf einen gerechten Urteilsspruch zu achten – ein dezenter Hinweis Müllers, dass auch sein Nachfolger als Abteilungssekretär und Präsident das Vertrauen des NSStaates genossen hatte.117 Er habe, leitete Müller seine Rechtfertigung ein, als Präsident der Akademie alles nach seinem »besten Wissen und Gewissen in ihrem Interesse und zu ihrem Besten getan.« Vor allem gehe die »Anklage« fälschlich davon aus, man habe in diesen Jahren »in einem Rechtsstaat gelebt«, doch sei dies eben nicht der Fall gewesen. So war »die eigentliche Aufgabe der Leitung«, die Akademie »überhaupt am Leben und durch die augenblicklichen Stürme in ihrem wissenschaftlichen Grundcharakter unerschüttert zu erhalten.« Dieses Ziel habe er erreicht, die Akademie trete »als eine der wenigen überlebenden deutschen Institutionen ohne grundstürzende Veränderung in eine neue Zeit. Die Gegner werden vielleicht sagen: trotz meiner Amtsführung; meine Verteidigung sagt: durch meine Amtsführung; die Tatsache ist jedenfalls: nach meiner Amtsführung, welche ja die längste und gefährlichste Spanne der nationalsozialistischen Zeit umfasst.« Damit hatte Müller den Kern der Auseinandersetzung benannt, es galt abzuwägen, wem seine Loyalität als Akademiepräsident zuvorderst gegolten hatte – der Akademie oder dem NS-Staat. Ausführlich versuchte Müller anschließend für jeden Bereich seiner Amtsführung, sich als Vertreter der Interessen der Akademie darzustellen, nicht als ihr politisch motivierter und der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik ergebener »Führer«. 114 115 116 117

Müller an Präsident BAdW, 7. 8. 1945, BayHStA, NL von Müller 5. BAdW an KM, 19. 8. 1945, BayHStA, MK 71097 (Unterstreichung im Original). Präsident der BAdW an Müller, 22. 8. 1945 (nebst Beilagen), BayHStA, NL von Müller 5. Müller an Präsident BAdW, 29. 8. 1945 (mitsamt 16seitigem Verteidigungsschreiben), Archiv BAdW, Personalakt Karl Alexander von Müller.

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Auch seine grundsätzliche Position zum Nationalsozialismus erläuterte Müller, er habe wie andere »geglaubt, dem neuen Staat dienen zu sollen, jahrelang, ich leugne es nicht, in der Hoffnung, es würde möglich sein, das Positive, was in seinen ersten Grundsätzen enthalten war, mit den grossen Überlieferungen unserer Geschichte, in Staat, Religion und Kultur zu vereinigen.« Eine aufschlussreiche, bemerkenswert selbstbewusste Deutung, doch war dies, so Müller, ein »furchtbarer und verhängnisvoller Irrtum, für den ich innerlich schon seit Jahren büsse.« Im Grunde, so schloss die Verteidigung, sei es ihm gelungen, der Akademie »in allem Wesentlichen ihren Grundcharakter als selbständige wissenschaftliche Körperschaft zu bewahren.« Eben dies aber sahen die Mitglieder anders, angesichts des eingeschränkten Wahlrechts, des Ausschlusses jüdischer Mitglieder und der zunehmenden Etablierung des »Führerprinzips«. Die Verteidigungsschrift entfaltete deshalb in der Akademie keine Überzeugungskraft. Müller war nicht zuletzt in symbolischer Absicht vom NS-Staat zum Präsidenten ernannt worden, sein Ausschluss bot nun die Gelegenheit, nicht minder symbolträchtig die Akademie mit einem Schlag zu entnazifizieren. An den Rektor der Universität, auch Akademiemitglied, appellierte Müller, das Verfahren komme bei seiner »35jährigen Verbindung mit der Akademie […] einer Lebensentscheidung gleich. Sie trifft mich in der völligen Unsicherheit über das Schicksal meiner beiden, im Dunkel der russischen Gefangenschaft verschwundenen Söhne, nach dem Verlust meiner beiden Brüder, in der Ungewißheit auch über meine eigene weitere berufliche und materielle Zukunft und in geschwächter körperlicher Gesundheit.«118 Auch Müllers Frau war erzürnt, beklagte sich bei Clara Huber : »Man macht ihm den Vorwurf er wäre zu Nazi! gewesen!« Dies »heute, wo der Feind im Land« stehe, »Deutsche Nestbeschmutzung!«.119 Doch bestanden die Mitglieder der Akademie unverändert auf dem Ausschlussverfahren. Müllers Vertrauter und Freund Karl August Fischer schließlich bat Rehm, so ein Eintrag in dessen Tagebuch, er solle Müller »den Austritt aus der Akad. nahe legen.«120 Eben dies tat Rehm, offerierte Verständnis – die Vorwürfe seien »subtile Dinge« –, berichtete aber zugleich offen von den Gründen für die heftige Ablehnung: »Hingegen darf ich nicht verschweigen, daß an dieser Stelle augenscheinlich eine ziemliche Animosität gegen Ihre Person herrscht, die übrigens weniger auf Ihr Tun während der Präsidentschaft zurückzugehen scheint als auf den Gegensatz Ihrer Einstellung vor und nach der ›Machtergreifung‹.« Mit diesem Hinweis, dass auch weitere Verteidigungen den Kern der Vorwürfe nicht würden entkräften können, ebnete Rehm den für Müller gesichtswahrenden Ausweg: »Wenn Sie sich jetzt für den Austritt entscheiden 118 Müller an Albert Rehm, 6. 9. 1945, BayHStA, NL von Müller 5. 119 Irma von Müller an Clara Huber, 29. 8. 1945, StdAM, NL Kurt Huber 69. Vgl. auch: N. Kramer, Volksgenossinnen, v. a. S. 307 – 319. 120 Vgl. den Eintrag vom 11. 9. 1945, in: Schumak (Hg.), Neubeginn, S. 139.

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sollten, so würde dies im gegenwärtigen Augenblick m. E. nicht als Flucht vor der Verantwortung gedeutet werden können.«121 Müller folgte dem Ratschlag, am 23. September 1945 erklärte er gegenüber dem Präsidenten San Nicolo seinen »freiwilligen Austritt« aus der Akademie. Dies beinhalte jedoch keine Anerkennung der Vorwürfe, Müller hielt seine Verteidigung »im vollen Umfang aufrecht.« Auch solle die Akademie diesen Schritt nicht als »Flucht vor der Verantwortung auffassen«, wäre dies der Fall, nehme er seine Austrittserklärung zurück.122 Ohne zu zögern und Müllers Vorbehalte akzeptierend, bestätigte San Nicolo den Austritt123 und teilte dies umgehend dem Kultusministerium mit, er »erachte damit die Angelegenheit in einer auch für das Ansehen der Akademie günstigen und würdigen Weise erledigt.«124 Dass sein Austritt weniger der Einsicht in die Vorwürfe als der Erkenntnis, dass die Akademie ihn förmlich ausschließen würde, geschuldet war, verdeutlichte ein Dankbrief Müllers an Rehm. Er wisse, so Müller, es werde »nicht viel Zeit verstreichen müssen, daß auch das Urteil über mich und meine Amtsführung gerechter sein wird.«125 Die Hoffnung auf eine mögliche Rückkehr in die Akademie würde die letzten Lebensjahrzehnte Müllers begleiten. Die ausführlichen Verteidigungsschriften nur wenige Wochen nach Kriegsende verdeutlichen, dass der »Zusammenbruch«, der im Gegensatz zu 1918 auch Müllers beruflicher Laufbahn vorerst ein jähes Ende setzte, in einen längeren Prozess eingebettet war. Müller hatte sich offenkundig bereits einige Zeit vor dem Mai 1945 damit befasst, wie und weshalb er sich am Nationalsozialismus beteiligt hatte, Erklärungsmuster und Strategien der Abwehr möglicher Vorwürfe waren entwickelt. Eine Auseinandersetzung, die auch nach der Niederlage des NS-Staates fortgeführt, nicht zuletzt durch Müllers erste Erfahrungen als »Beschuldigter« beeinflusst wurde. Als die Erläuterung seiner »Beziehungen zur NSDAP« entstand, zeigte sich Müller zumindest in privater Korrespondenz von der eigenen Schuld gedrückt. Eine nicht präzisierte Reue, die bald dem Gefühl unangemessener Zurücksetzung weichen sollte. Die als ungerechtfertigt empfundenen Vorwürfe der Akademie, ihre strikte Haltung auch nach seiner Entgegnung, ließen Müller seine Vorgehensweise ändern. Gegenüber dem Physiker Jonathan Zenneck, während seiner Akademiepräsidentschaft langjähriger Abteilungssekretär, gab Müller an, er habe sich zum Austritt als »würdigste Lösung für beide Teile«, der vielleicht letzte »Dienst, den ich der Akademie leisten konnte«, entschlossen.126 Offenbar wollte Müller handlungsfähig bleiben, seine Verantwortlich121 Rehm an Müller, 10./14. 9. 1945, BayHStA, NL von Müller 5. Im Tagebuch vermerkte Rehm: »Scharfe Stimm(un)g gegen K.A.v. Müller.« Vgl. Schumak (Hg.), Neubeginn, S. 141. (Unterstreichungen im Original). 122 Müller an Präsident BAdW, 23. 9. 1945, BayHStA, NL von Müller 5. 123 BAdW (San Nicolo) an Müller, 28. 9. 1945, ebd. 124 BAdW (San Nicolo) an KM, 28. 9. 1945, BayHStA, MK 71097. 125 Müller an Rehm, 2. 10. 1945, BayHStA, NL von Müller 5. 126 Müller an Zenneck, 3. 10. 1945, BayHStA, NL von Müller 2.

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keit unter Beweis stellen und Zeit gewinnen. Eine Neueinschätzung seiner Rolle schien ihm nur eine Frage der Zeit zu sein. Deshalb bemühte sich Müller, seine prägende Rolle als Historiker für den Nationalsozialismus abzustreifen, auch um eine neue Position innerhalb der Disziplin vorbereiten zu können. Wichtigster Ausweis seines disziplinären Ranges in den vergangenen Jahren war fraglos die Herausgeberschaft der Historischen Zeitschrift. Auch wenn sein Mitarbeiter Walther Kienast zum sechzigsten Geburtstag bestätigte, Müller habe »entsagungsvoll der deutschen Wissenschaft gedient und wenigstens noch zu retten versucht, was zu retten war«127 – gegenüber weniger nachsichtigen Fachgenossen musste Müller seine Übernahme der HZ von Meinecke zu revidieren suchen. Im September 1945 bat Müller Wilhelm Oldenbourg, einen Brief an Meinecke weiterzuleiten, dieser enthalte »die Bitte an Meinecke, noch einmal die Leitung der Historischen Zeitschrift zu übernehmen […]. Ich selbst würde in der gegenwärtigen Lage nur eine Belastung für Sie wie für die Zukunft der H.Z. sein, und ich möchte, daß wir alle unsre Entschlüsse nicht gezwungen, sondern aus freiem Willen treffen können.« Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen, die »Fürsorge für die Historische Zeitschrift war mir in den letzten 10 Jahren ein Stolz und eine Freude.«128 Müller war bewusst, dass er die eingeübten Rollen nicht weiterführen konnte. Doch sah er die Gründe hierfür in der seit Mai 1945 grundlegend geänderten Situation, nicht in seinem Wirken zuvor. Die neu gefundene Rolle als verständig Abtretender sagte Müller vorerst zu. Erneut gegenüber Oldenbourg betonte er, wenn es gelänge, die »HZ gut in einen neuen Abschnitt Ihres Lebens hinüberzuführen«, werde er »das Gefühl haben, auch hier nicht umsonst gearbeitet zu haben.«129 Als ersten Erfolg seiner Bemühungen, den Rollenverzicht nicht als bloßes Schuldeingeständnis gewertet zu sehen, konnte Müller eine sehr verständnisvolle Reaktion Meineckes verbuchen: Müllers Schreiben zur HZ habe ihn »tief bewegt.« Meinecke bestätigte auch Müllers gewünschte Selbstwahrnehmung: »Sie haben in der Tat versucht, wie Sie sagen, die Kluft der Zeiten zu überbrücken, und ich insbesondere danke Ihnen für ritterliche Hilfe, als ich geschmäht wurde. Aber die Kluft war von vornherein zu unüberbrückbar! Darin differierten wir beide.«130 In den verschiedenen, teils vom ihm geleiteten historischen Kommissionen war Müller seit 1942, nachdem sich das Kriegsglück gewendet hatte, deutlich konzilianter als zuvor aufgetreten. Auch als Leiter der Historischen Sektion in der Deutschen Akademie. Auf die Aufforderung ihres stellvertretenden Präsidenten Walther Wüst zur »Nachprüfung der Zusammensetzung Ihrer Ab127 128 129 130

Vgl. Kienasts Glückwünsche, 16. 12. 1942, BayHStA, NL von Müller 5. Müller an Oldenbourg, 12. 9. 1945, ebd. Müller an Oldenbourg, 16. 11. 1945, BayHStA, NL von Müller 2. Meinecke an Müller, 18. 11. 1945, BayHStA, NL von Müller 5. Meinecke berichtete auch in privaten Briefen von Müllers »Rückgabe« der HZ, vgl. Meinecke, Ausgewählter Briefwechsel, S. 241 f; Meinecke, Neue Briefe, S. 440 f.

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teilung nach wissenschaftlichen, politischen und charakterlichen Gesichtspunkten« antwortete Müller im Herbst 1943. Bedenken könnten »aus politischen Gründen« allenfalls gegen Hermann Oncken und Walter Goetz erhoben werden, da »beide jedoch bereits über 70 Jahre alt und unbeanstandet Mitglieder anderer Akademien geblieben sind, ist es wohl nicht notwendig und nicht rätlich, die Frage aufzugreifen.«131 Während die Deutsche Akademie nach 1945 auf Weisung der Militärregierung abgewickelt wurde, die Frage der Stellung Müllers demnach obsolet war132, blieb die zwischenzeitlich als »gesamtdeutsch« firmierende Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften bestehen. Im Dezember 1945 informierte Walter Goetz ihre Mitglieder, dass ihm vom Kultusministerium die kommissarische Geschäftsführung übertragen worden sei, nachdem Srbik sein Amt als Präsident zur Verfügung gestellt habe und »Herr v. Müller als Sekretär der Kommission aus den gleichen Gründen sein Amt nicht mehr ausüben kann.«133 Auch wenn Müller sein Amt zur Verfügung gestellt hatte, in regem Kontakt mit Goetz als Sachwalter der Kommission war er geblieben. Es läge ihm, so Müller, »auch persönlich sehr viel daran, die Arbeiten, mit denen ich in der Historischen Kommission begonnen habe, zu einem guten Ende geführt zu sehen.«134 Wie schwer Müller sein Rollenwechsel tatsächlich fiel, verdeutlichte seine Antwort auf die von Goetz beiläufig mitgeteilten Überlegungen zur nötigen Ergänzung der Kommission.135 Ausführlich wog er verschiedene Kandidaten für eine Zuwahl ab, bat auch, ihn bei der Ranke-Ausgabe für die »Englische Geschichte« vorzumerken. Nach Jahren als stets gefragter »Multifunktionär« drängte es Müller nach Möglichkeiten zur Beteiligung.136 Es schien zunächst, als würde Müller das Wirkungsfeld der Kommission erhalten bleiben können. Allerdings hatte Goetz in seiner Mitteilung an die Mitglieder auf baldige Zuwahlen gedrängt, da von »massgebender Seite bezweifelt worden ist, ob diejenigen unserer Mitglieder, die der Partei angehört haben, auch nur als einfache Mitglieder bleiben dürfen. Es wird mein eifrigstes Bestreben sein, uns diese Mitglieder zu erhalten.«137 Noch vor dem Jahreswechsel nahm Müller an einer schriftlichen Zuwahl neuer Mitglieder teil, unter diesen Gerhard Ritter, für den auch Müller stimmte.138 Im Februar 1946 jedoch, auf Bitten von Goetz139, war auch dieses Amt für Müller nicht mehr 131 132 133 134 135 136 137 138 139

Wüst an Müller, 27. 10. 1943; Müller an Wüst, 30. 11. 1943, BayHStA, NL von Müller 430. KM an Leiter der Abwicklungsstelle der DA, 28. 12. 1945, BayHStA, MK 40446. HiKo (Goetz) an Ordentliche Mitglieder HiKo, 3. 12. 1945, HiKo I Band 124. Müller an Goetz, 10. 11. 1945, HiKo I Band 6. Goetz an Müller, 14. 11. 1945, BayHStA, NL von Müller 2. Müller an Goetz, 21. 11. 1945, HiKo I Band 6. HiKo (Goetz) an Ordentliche Mitglieder HiKo, 3. 12. 1945, HiKo I Band 124. Müller an Goetz, 7.12. u. 11. 12. 1945, BayHStA, NL von Müller 2. Goetz verwies auf die Vorgaben der Militärregierung, fügte allerdings hinzu: »Ich sehe in der Niederlegung Ihrer Mitgliedschaft nur ein Provisorium, das in einiger Zeit erlöschen kann«. Vgl. Goetz an Müller, 14. 2. 1946, ebd.

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haltbar : »Selbstverständlich stelle ich meine Mitgliedschaft bei der Historischen Kommission zur Verfügung, wenn es für diese von Nutzen ist. Das Wesentliche bleibt auch jetzt, die Kommission am Leben und in ihrer alten organisatorischen Selbständigkeit zu erhalten.«140 Nach fünfunddreißig Jahren waren alle formalen Verbindungen zwischen Müller und der Kommission gekappt, an ihrem Neubeginn – »faktisch eine Neugründung«141 – durfte er nicht teilhaben. Auch die Kommission für bayerische Landesgeschichte hatte Müller wegen »politischer Belastung« verlassen müssen.142 Es scheint jedoch, dass auch das Ausscheiden aus beiden historischen Akademiekommissionen von Müller als allenfalls zeitweilige, dem beginnenden Entnazifizierungsverfahren geschuldete Unterbrechung angesehen wurde. In erstaunlich selbstgewisser Form nahm er gegenüber Goetz eine Bewertung der Entwicklung in der Historischen Kommission vor. Mit Lob – »Ich beglückwünsche Sie […], daß es Ihnen gelungen ist, […] mit der tiefgreifenden Erneuerung und Verjüngung ein neues Kapitel in ihrem Leben einzuleiten« –, leichtem Tadel – »Daß Sie selbst das Präsidium übernehmen, ist zwar vielleicht nicht ganz im Sinn der Satzung« – und gönnerhaftem Glückwunsch, er habe »immer erwartet, Sie einmal an der Spitze der Kommission zu sehen!«143 Nur selten, zumeist in persönlichen Briefen, schimmerte Müllers Erschütterung durch die Fassade, die er rasch nach Kriegsende aufgebaut hatte: »Wir sind tief vereinsamt und dürsten nach einem Wort der Menschlichkeit.« In bitteren Worten beschrieb Müller dem amerikanischen Philosophen und Theologen Douglas Van Steere seine Lebenssituation. Wie »schwer das Erlebte auf mir liegt«, brauche er wohl nicht zu sagen: »Ich habe, trotz allem, immer noch an Deutschland geglaubt, dessen Geschichte ich gelehrt habe; nach dem Grauenvollen, was jetzt zu Tage getreten ist, weiß ich nicht, ob dieser Glaube noch einmal wieder kommen kann. Das letzte Jahr hat ihn nicht gebracht.«144 Seine letzten beiden Lebensjahrzehnte war Müller durchweg mit der »Bewältigung« seiner Vergangenheit befasst, mit Schuldeingeständnissen und Schuldabwehr, freiwilligen Rücktritten und Entlassungen, Rehabilitierungen und fortgesetztem Ausschluss. Auch sein betont »verantwortliches« Auftreten gegenüber Akademie und historischen Kommissionen war Bestandteil des andauernden Versuches, die eigene Vergangenheit einer Deutung zu unterziehen, die in der Gegenwart akzeptabel war und für die Zukunft eine Rückkehrmöglichkeit offen hielt. Tatsächlich aber war Müller in den ersten Jahren nach dem Krieg weitgehend isoliert, nicht zuletzt seitdem er auch seine eigentliche Berufsstellung als beamteter Hochschullehrer verloren hatte. 140 Müller an Goetz, 17. 2. 1946, ebd. 141 Gall, 150 Jahre Historische Kommission, S. 36. 142 Niederschrift über in der Sitzung der KommBayLG vorgenommene Neuwahlen, 3. 10. 1946, BayHStA, MK 71118. 143 Müller an Goetz, 7. 10. 1946, BArch, NL Walter Goetz 177. 144 Müller an Douglas Van Steere, 15. 6. 1946, BayHStA, NL von Müller 488.

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Müller hatte an der Münchner Universität studiert, wurde an ihr promoviert und hatte sich hier habilitiert, war zwischenzeitlich für ihr Archiv tätig und seit 1917 Mitglied ihrer Philosophischen Fakultät. Erst Honorarprofessor, war er seit 1928 Inhaber eines ordentlichen Lehrstuhls an dieser Universität, mehrfach auch Vertreter in ihrem akademischen Senat. In der Tat, Müller hatte in München einige »Bruchstellen in der Geschichte der deutschen Universität« passiert.145 Die meisten Universitäten hatten bis zum Kriegsende den Lehrbetrieb aufrechterhalten und blieben danach, angesichts der baulichen und vor allem personellen Destruktion, vergleichsweise kurz geschlossen. Etwaige »Bestrafungskonzepte« gegen die dem Nationalsozialismus weitgehend ergebene Hochschullehrerschaft hatten die Alliierten verworfen, die als Nationalsozialisten identifizierten Professoren wurden vorerst entlassen. Vor allem ältere, noch vor 1933 einflussreiche Ordinarien übernahmen die Rektorate und Dekanate.146 Auch die Münchner Universität folgte dieser Entwicklung, allerdings sollte sich ihre Wiedereröffnung bis weit in das Jahr 1946 hinziehen.147 Müller scheint keineswegs fest mit einer Entlassung gerechnet zu haben. Ende August 1945 übersandte er ein weiteres Beurlaubungsgesuch, fügte aber auch Überlegungen für die Zukunft des Historischen Seminars an. Seit Jahren versuche die Fakultät, Hermann Aubin zu berufen, da »er im ns Staat viele Schwierigkeiten hatte, kann ich mir nicht denken, daß gegen ihn jetzt Bedenken vorliegen könnten.«148 Allerdings amtierte als Prodekan und anschließend Dekan der Philosophischen Fakultät der Ägyptologe Alexander Scharff. Eben jenes Akademiemitglied, das unter Müllers Präsidentschaft von Walther Wüst angegriffen worden war. Bereits Ende November schlug Scharff vor, da nach der »zu erwartenden Entlassung« Müllers alle drei historischen Lehrstühle unbesetzt seien, die Professur für bayerische Geschichte an Max Spindler zu übertragen.149 Zum Jahresbeginn 1946 wurde Müller schließlich auf »Weisung der Militärregierung […] mit sofortiger Wirkung von Ihrem Dienst als ordentl. Professor der Phil. Fakultät der Universität München enthoben.«150 Bei »Herren«, ergänzte Scharff nachträglich, die »überzeugte Nationalsozialisten waren, ist jedes Einspruchverfahren selbstverständlich zwecklos.«151 Nach der Entlassung von der Münchner Universität meldete sich Müller arbeitslos und wurde der Heilkräutersammlung zugeteilt.152 Der Zusammen145 146 147 148 149 150 151 152

Vgl. unter Hinzufügung einer dritten Passage: Ash, 1933, 1945, 1989. Schildt, Hochschulen, S. 224; vgl. auch Scholtyseck, Universitäten; Paletschek, Universität. Vgl. Wiecki, Denazification, kurz zu Müller S. 533 sowie W. Müller, Universitäten. Müller an Dekan Phil. Fak., 23. 8. 1945, UAM, O-XIV-437. Zur Entwicklung des Seminars in der unmittelbaren Nachkriegszeit vgl. Herde, Kontinuitäten, zu Müller u. a. S. 23 – 26. Prodekan Phil. Fak. Scharff über Rektor UM an KM, 30. 11. 1945, UAM, FakGuK-IX-22. KM an Müller, 2. 1. 1946, UAM, E-II-2517. Dekan Phil. Fak. (Scharff) an Müller, 21. 2. 1946, BayHStA, NL von Müller 2. Es handelte sich um eine mit seinem Namen ausgefüllte Vorlage, kein gesondertes Schreiben an Müller. Meldekarte Arbeitsamt Holzkirchen/Obb, ausgestellt 26. 3. 1946, ebd.

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bruch war nun vollständig, alle Ämter waren verloren. Müllers Sturz war kaum tiefer vorstellbar, für den Erhalt von Lebensmittelkarten und andere Zuwendungen sammelte der ehemals führende Historiker im nationalsozialistischen Deutschland nun Heilkräuter.153 Beide Söhne waren während des Kriegs an der Ostfront in Gefangenschaft geraten, das Schicksal des einen blieb ungeklärt, er war »spurlos im asiatischen Dunkel verschwunden«.154 Gegenüber seinem Schüler Michael Freund bekannte Müller offen, zunächst sei »der Übergang von dem ununterbrochenen Arbeitstrubel der Universität und Akademie in die hiesige Stille nicht ganz einfach« gewesen, aber »ebenso lehrreich wie der Kopfsprung vom Akademiepräsidenten zum Heilkrauterer.«155 Schmerzlich entbehrte Müller eine Aufgabe, zwischen Reue und tastender Neupositionierung blieb vieles im Ungefähren. Gegenüber Herbert Steiner, dem ihm früher eng verbundenen Schriftleiter der Corona, erwog Müller, ob nicht jene, die wie »wir den Irrweg unserer Generation (und damit das Ende eines über zweihundertjährigen Fehlweges unserer Geschichte) ganz mitgemacht haben, doch noch erzählen, wie das möglich war, und wenn’s nur wäre, um für sich selber nach dem Rechten zu sehen.«156 Die Frage blieb vorerst unbeantwortet. Mit Paul Alverdes hingegen, Schriftsteller und früherer Herausgeber des »Inneren Reichs«, begann Müller im Frühjahr 1947 einen Briefwechsel. Alverdes sandte Müller auch Schreiben Hans Grimms. Dieser habe ihn, erinnerte sich Müller, wegen seiner 1935 vor der Deutschen Akademie gehaltenen Festrede in »persönlichem Kreis« getadelt. Er jedoch, so Müller, »glaubte damals, trotz allem, noch an einen positiven geschichtlichen Sinn dessen, was wir erlebten, und sprach das aus.« Grimms Einspruch sei ihm »sehr nachgegangen; aber ich habe doch noch Jahre gebraucht, bis ich ihn wirklich verstand. Ich hatte vor lauter teleologischer Geschichtsbetrachtung die Magnetnadel des sittlichen Gewissens stumpf werden lassen und verschloß allzugern meine Ohren vor dem, was mich aufgestört hätte. Und hier liegt ein andres Stück tiefe Schuld des deutschen Gelehrtentums, vor allem der deutschen Historie«.157

153 Der Umfang der Beanspruchung des 63jährigen Müller durch diese Tätigkeit ist schwer abzuschätzen, der anleitende Betreuer zeigte sich rücksichtsvoll: »Das Gewinnen von Wurzeln ist sehr umständlich und in der jetzigen Jahreszeit für Sie, zumal Sie doch längere Zeit krank waren, kaum durchzuführen.« Vgl. Otto Roos an Müller, 2. 12. 1946, BayHStA, NL von Müller 263. Protokolle über durchgeführte Kräutersammlungen vgl. in: BayHStA, NL von Müller 5. 154 Müller an Carl Jacob Burckhardt, 9. 4. 1950, BayHStA, NL von Müller 482. Müller bemühte sich intensiv um Nachrichten über den verschwundenen Sohn Albrecht, vgl. einen Steckbrief sowie zahlreiche Schreiben, auch an Franz von Papen, in: BayHStA, NL von Müller 48. 155 Müller an Freund, 15. 7. 1947, BArch, NL Michael Freund 5. 156 Müller an Steiner, 27. 5. 1947, DLA, A:Steiner. 157 Müller an Alverdes, 4. 7. 1947, DLA, A:Alverdes sowie zuvor Alverdes an Müller, 23.4., 8.5. u. 28. 6. 1947; Müller an Alverdes, 3. 5. 1947, ebd.

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Konsolidierung und Wiederbeginn

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6.3 Konsolidierung und Wiederbeginn »Das Schmerzlichste ist nun, daß es einen in allen Fingern brennt, mit anzugreifen und zu helfen, und man kann nicht.«158 Auch wenn ohne Amt, Funktion oder Einkommen, Müller war keineswegs gewillt, sich für alle Zeit in sein Schicksal zu fügen. Waren in den ersten zwei Jahren nach Kriegsende Bekenntnisse der Reue, zumeist recht allgemein formuliert, notwendiges Präludium jeder wieder begonnenen Korrespondenz, nahm diese Bereitschaft Müllers mit der stetig wachsenden Anzahl von Versicherungen seiner Unschuld beständig ab. Vor allem um seine Stellung in der Geschichtswissenschaft war Müller bemüht. Als Hochschullehrer würde er aus Altersgründen kaum reüssieren können, Ansehen und Verdienstmöglichkeiten versprach vor allem eine Rückkehr als Autor historischer Werke. Frei von Zweifeln war Müllers historische Deutungskompetenz jedoch bereits vor Kriegsende nicht geblieben. Im März 1945 hatte Siegfried Kaehler erneut »Deutschland und England« gelesen, er habe Müller »seine Prophetie schon damals nicht abgenommen; aber wenn ein so kluger Historiker, der sogar in Oxford studiert hat, einer solchen Täuschung in der Abmessung der Weltkräfte verfallen kann«, sei der Irrtum Anderer kaum erstaunlich.159 Im Jahr darauf griff Kaehler sein Erstaunen über Müllers Fehlinterpretation des Weltlaufes in einem Bericht zur Lage der deutschen Geschichtswissenschaft an Hans Rothfels auf. Müller habe »im Sommer 1939 völlig den Kopf verloren und eine Rede über die nächste Zukunft gehalten, die man dem guten Kenner Englands früher nicht zugetraut haben würde.« Ein halbes Jahr später, erneut an Rothfels, lobte Kaehler, dass Müller auf seine Anregung zu einer Würdigung Meineckes in der HZ bereit gewesen sei. Müller hatte »wohl inzwischen aus dem braunen Nebel herausgefunden, der ihm im Jahre 1939 sein sonst gutes Urteil getrübt und ihn zu einer fast wahnsinnigen Englandrede veranlaßt hatte.«160 Zum Nachfolger Müllers als Herausgeber der HZ war, vor allem auf Empfehlung Meineckes, der Marburger Ludwig Dehio auserkoren worden. Fachlich ein Außenseiter, aber politisch und menschlich »unbelastet«. Fast entschuldigend wandte Dehio sich an Müller, als Nachfolger werde er »im Interesse der Kontinuität der Geschäftsführung« Müller gelegentlich mit Fragen behelligen müssen, er hoffe, dass »Sie dieser sachlichen Notwendigkeit ein wohlwollendes Verständnis nicht werden versagen wollen: handelt es sich doch letztlich nicht nur um eine Kontinuität der Redaktion der H.Z. sondern auch ein wenig um die der Wissenschaft überhaupt, die bedroht genug ist.« 158 Müller an einen Kameraden seines Sohnes Otto, mit dem in der Kriegsgefangenschaft Kontakt bestand, vgl. Müller an Sachse, 19. 6. 1947, BayHStA, NL von Müller 263. 159 Kaehler an Lina Mayer-Kulenkampff, 16. 3. 1945, abgedruckt in: Kaehler, Briefe, S. 291 f. 160 Kaehler an Rothfels, 29. 7. 1946, abgedruckt in: ebd., S. 336 – 346, Zitat S. 346; Kaehler an Rothfels, 19. 12. 1946, abgedruckt in: ebd., S. 353 – 356, Zitat S. 354.

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Auch ein Lob für Müllers Schriften fügte Dehio an, »unabhängig von politischen Divergenzen.«161 So rasch Müllers Sturz aus allen Ämtern sich vollzogen hatte, sein erworbenes institutionelles Wissen und die jahrelange Wahrnehmung als einflussreicher Akteur waren nicht im selben Tempo entwertet worden. Vor allem in den ersten, von Unsicherheit über den einzuschlagenden Weg geprägten Jahren nach 1945 erhielt Müller oftmals einen seiner faktischen Einflusslosigkeit kaum noch entsprechenden Respekt. Zutreffender schien Müller selbst seine zukünftige Rolle zu sehen. Die Auswahl Dehios habe er »mit aufrichtiger Freude begrüßt«162 – allenfalls in der lobenden Zustimmung konnte Müller noch illusionieren, seine Ansicht über den zukünftigen Herausgeber der HZ wäre von Belang. Die nicht zu unterschätzende Verunsicherung über die Zukunft der Disziplin verhalf Müller zu Zuspruch. Seine Redaktion der HZ »blieb doch fast ganz in der alten guten Überlieferung«, wurde von dem im NS-Staat aus seiner Professur gedrängten Justus Hashagen bestätigt, eine Beurteilung, aus der auch die Hoffnung auf ein Anknüpfen an diese »Überlieferung« spricht.163 Müller selbst bekannte gegenüber Meinecke, nicht ohne Selbstbewußtsein, in der »Diagnose« der Irrtümer sei er, von »einem ganz andern Ausgangspunkt her, scheint mir, zu einem sehr verwandten Ergebnis gekommen wie Ihre ›Deutsche Katastrophe‹, nur daß ich, wie das bei Konvertiten üblich zu sein pflegt, geneigt bin, schärfer zu urteilen.« Er nehme, so Müller betont bescheiden, den »Verlust von Amt und Würden […] als Sühne bewußt auf mich« und wünsche nur ein Ruhegehalt »als notwendige Voraussetzung der Möglichkeit wissenschaftlicher Arbeit.«164 Meinecke dankte freundlich und wünschte, dass Müllers »Schicksal sich zum Guten wende«165, die ostentative Reue und Bescheidenheit trugen als Gestus vorerst. Auch Wilhelm Hausenstein lobte Müller, er respektiere die »ruhige, souveräne Haltung […], mit der Sie Ihre gegenwärtige Situation annehmen.«166 Wie souverän Müller tatsächlich seine Lage annahm, ist kaum einzuschätzen. Auf einen offenkundig dramatischen Brief Müllers reagierte Bernt von Heiseler, einstiger Mitherausgeber der Corona, bestürzt. Er habe sie beide als »Insassen des gleichen Sammellagers Deutschland« gesehen, doch in der Tat, für Müller sei es »wie eine Einzelzelle.« Doch dürfe dieser niemals von seiner »Stimme« als einer

161 Dehio an Müller, 30. 8. 1946, BayHStA, NL von Müller 466. Vgl. auch Beckers, Dehio. 162 Müller an Dehio, 9. 10. 1946, BayHStA, NL von Müller 466. 163 Hashagen an Müller, 6. 5. 1947, BayHStA, NL von Müller 467. Zu Hashagen vgl. H. Goetz, Geschichtswissenschaft, v. a. S. 111, 116 – 118. 164 Müller an Meinecke, 10. 11. 1947, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 275. Vgl. Meinecke, Die deutsche Katastrophe (1946) sowie zur Wirkungsgeschichte Wippermann, »Deutsche Katastrophe«; Clark, Beyond catastrophe, zu Meinecke S. 15 – 47. 165 Meinecke an Müller, 16. 11. 1947, BayHStA, NL von Müller 493. 166 Hausenstein an Müller, 15. 8. 1947, BayHStA, NL von Müller 257. Zum gemeinsamen Studium beider vgl. J. Werner, Hausenstein, S. 38, 46 f, 51.

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»entwerteten« denken.167 Im aufmunternden Widerspruch Heiselers ist die tiefe Niedergeschlagenheit Müllers ablesbar, ein auch larmoyantes Selbstmitleid, dem er gegenüber Meinecke und Hausenstein selbstredend nicht nachgeben durfte. Nicht zuletzt, da er sich der vermeintlich entscheidenden Prüfung gegenübersah. Ein Studienfreund aus gemeinsamen Tagen als Nachwuchshistoriker im Kaiserreich sprach Müller Mut zu: »Bei der Ihnen eigenen Gabe, die schon Ihren Herrn Vater auszeichnete, Gegner zu versöhnen und zu entwaffnen, bin ich fest überzeugt, daß Sie im Spruchkammerverfahren gut abschneiden werden.«168

6.3.1 Entnazifizierung und Pensionierung Den ersten Fragebogen der Militärregierung hatte Müller im Juli 1945 beantworten müssen, seitdem beschäftigte ihn die Erklärung seines Wirkens im Nationalsozialismus, bislang aber vornehmlich gegenüber Kollegen und wissenschaftlichen Institutionen. Bis zum Frühjahr 1946 hatte er sämtliche Ämter und Funktionen verloren. Im März wurde auch in Bayern unter Zustimmung der Militärregierung das »Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus« erlassen, Grundlage für die folgenden Spruchkammerverfahren und für Müller Beginn einer nochmals intensivierten Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit.169 Dieser Prozess einer interessegeleiteten, biographischen Reflexion und Neuerfindung, im steten Austausch mit möglichen Entlastungszeugen, soll im Mittelpunkt stehen, weniger das im Frühjahr 1948 gefällte Urteil über Müllers »Belastung«. Nicht zuletzt boten die Verfahren für Müller die nun seltene Chance zur gemeinschaftlichen Klage – über kaum etwas bestand soviel Einigkeit wie über die Missbilligung dieser »ominösen Entlausungsverfahren«170, unisono abgelehnt wurde die »endlose politische Verfolgung«.171 Für Müller galt es zuallererst, Klarheit über die zu erwartenden Vorwürfe zu gewinnen. In den öffentlichen Verlautbarungen der gesetzlichen Grundlagen der Entnazifizierung markierte er zu seinen Gunsten ausschlagende Regelungen172, deutlich häufiger jedoch hatte er sich seinen »Belastungen« zuzuwenden. Unter »Belastete« zählten nach dem Gesetz, so strich Müller an, »alle Mitglieder der NSDAP vor dem 1. Mai 1937« sowie alle »Mitglieder der NSDAP 167 Heiseler an Müller, 20. 10. 1947, BayHStA, NL von Müller 258. 168 Fridolin Solleder an Müller, 28. 9. 1947, BayHStA, NL von Müller 494. 169 Vgl. grundlegend Niethammer, Entnazifizierung; überblickend Henke, Trennung sowie v. a. für den Wissenschaftsbetrieb: Ash, Entnazifizierung. 170 Siegfried Kaehler an Theodor Schieder, 19. 8. 1946, BArch, NL Theodor Schieder 88. 171 Gerhard Ritter an Willy Andreas, 14. 3. 1946, GLA, NL Willy Andreas 761. 172 Vgl. die Anstreichungen beim Punkt »Zu Gunsten der Betroffenen« im »Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus«, in: Bulletin of the Landkreis Miesbach, 15. 3. 1946, S. 3, einliegend in: BayHStA, NL von Müller 7.

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ohne Rücksicht« auf den »Zeitpunkt des Eintritts, sofern sie einer der nachstehenden Organisationen« angehörten, unter diesen und deshalb von Müller unterstrichen waren die Deutsche Akademie München, das Institut zur Erforschung der Judenfrage sowie NS-Dozentenbund, NS-Volkswohlfahrt, NSLehrerbund und NS-Altherrenbund.173 Müllers tiefe Verankerung in der »Volksgemeinschaft« des Nationalsozialismus fand nun ihre unvermeidliche Entsprechung, ihm drohte deshalb eine Eingruppierung als »Belasteter«. In seinem »Meldebogen« behauptete Müller daher mit dem Vermerk »kein Parteibuch«, er sei nur Anwärter der NSDAP gewesen. Erneut verwies er zudem darauf, Mitglied der »Forschungsabteilung Judenfrage« in München, nicht in Frankfurt gewesen zu sein. Als entlastende Umstände gab Müller die »enge Verbindung« mit Kurt Huber und seinen Schutz für rassisch Verfolgte an, deshalb ordne er sich selbst in die Gruppe 4 der Mitläufer ein.174 Schließlich begann Müller, entlastende Zeugnisse in großer Zahl zu sammeln, ein Konvolut an redundanter Korrespondenz, das seine Entlastungsstrategien präzise offenlegt. Die früheste Beglaubigung stammte von Clara Huber. Ihr Bericht über Müllers finanzielle Hilfe sollte eine drohende »Beschlagnahme seiner Bücher und Sachwerte« abwenden, bei individueller Prüfung werde sich erweisen, dass Müllers Fall »anders gelagert ist, als es zunächst formell den Anschein hat.«175 Formell, das hatte sich Müller durch seine Markierungen im Gesetzestext bildhaft selbst belegt, war seine Belastung in keiner Weise fraglich. Es galt demnach, ausgleichende Belege für sein Verhalten aufzubieten. Bei der Zoologin Ruth Beutler erbat Müller eine Bestätigung für »jene damalige gemeinsame Hilfsaktion für Herrn Professor v. Frisch«. In diesem ersten Bittschreiben Müllers waren zwei der fortan festen Bestandteile aller Gesuche bereits aufgeführt – er habe nie ein Parteibuch besessen und strebe lediglich eine Ruhestandsregelung an.176 Vermutlich sprach für ein Zeugnis Beutlers, dass dieses sich auf die Präsidentschaft der Bayerischen Akademie beziehen würde, dem seit Kriegsende am heftigsten inkriminierten Amt Müllers. Als Akademiepräsident war dieser, so Beutler im Gutachten, »stets hilfsbereit, unermüdlich im Auffinden neuer Wege und stets nur bedacht einen so bedeutenden Gelehrten der Universität, der Akademie der Wissenschaften und seiner bayerischen Heimat zu erhalten.« Die »Rassenpolitik der damaligen Regierung« habe er nicht unterstützt.177 Müllers Sammlung von »Persilscheinen« wies eine allerdings eklatante, 173 Vgl. die Anstreichungen in der »Anlage zum Säuberungsgesetz«, in: Bulletin of the Landkreis Miesbach, 18. 3. 1946, S. 1, einliegend in: BayHStA, NL von Müller 5. 174 Meldebogen auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus, 5. 3. 1946, unterzeichnet 1. 5. 1946, StAM, SpkA K 3494 Müller, Karl A. v. 175 Clara Huber, 15. 3. 1946, BayHStA, NL von Müller 3. 176 Müller an Beutler, 6. 5. 1946, BayHStA, NL von Müller 5. 177 Ruth Beutler, 12. 5. 1946; Zoologisches Institut UM, Karl von Frisch, 22. 5. 1946, BayHStA, NL von Müller 3.

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vielsagende Leerstelle auf – es sind keine Zeugnisse von Kollegen enthalten. Sämtliche Gutachten von Historikern stammen von seinen Schülern bzw. jüngeren Fachgenossen. Aus der eigenen Generation scheint Müller niemanden um diese weit verbreitete Unterstützung gebeten zu haben. Freundliche, aber unverbindliche Korrespondenzen waren offenbar um vielfaches einfacher zu bewältigen als zu bestätigen, dass Müllers Wirken als Historiker nicht dem nationalsozialistischen Deutschland gedient habe. Die in persönlicher Hinsicht enge Verbindung zwischen Müller und seinen Schülern wiederum erfuhr durch deren Begutachtungen eine einschneidende Veränderung, das Lehrer-Schüler-Verhältnis verlor seine Selbstverständlichkeit. Die Lebensläufe von Müller und seinen Schülern erfuhren eine Homogenisierung, sie alle hatten sich in den Spruchkammerverfahren ihrer Vergangenheit im Nationalsozialismus zu stellen. Diese Gemeinsamkeit im »Kampf« um die berufliche und persönliche Existenz löste jedoch die Hierarchie zwischen Lehrer und Schülern auf. Müller war nun auf Bestätigungen durch seine Schüler angewiesen. Für sein Spruchkammerverfahren würden die Gutachten nur bedingt ausschlaggebend sein, für die Wahrnehmung seiner Rolle im Nationalsozialismus noch weniger Belang haben, doch bedeutete für Müller seine Bittstellerei nicht zuletzt, erneut auf einen zuvor erworbenen Rang verzichten zu müssen. So argumentierte Müller in seinem Bittgesuch an Fritz Wagner gegenüber dem eigenen Schüler gleichsam für seinen Rang in dessen Biographie. Wagner möge bezeugen, dass »unser menschlicher wie dienstlicher Verkehr in den Jahren seit 1933 genau derselbe war wie vorher«, dass er Habilitation und Fortkommen trotz Wagners christlicher Einstellung gefördert habe.178 Die Anfragen baten stets um die Bestätigung, dass sich Müllers Handeln nach 1933 nicht geändert habe, sowie um eine Aussage, wörtlich orientiert an den Formulierungen des Gesetzes, ob er »überhaupt zu Fanatismus, insbesondre rassischer oder religiöser Art, neige.«179 Ernst Bock, Mitarbeiter der Historischen Kommission, bezeugte: »Obwohl Herr von Müller wusste, dass ich ein ausgesprochener Gegner des Nationalsozialismus war, hat er sich doch, nachdem ich im Sommer 1933 meine bisherige Stellung verloren hatte, für mich verwandt und gegen starken Widerstand meine Anstellung […] durchgesetzt.« Dass Bock die Stelle Hans Barons übernommen hatte, zuvor vom Kommissionssekretär Müller wegen seiner jüdischen Herkunft entlassen, blieb unerwähnt. Desweiteren berichtete Bock, wenn die Kommission »die kritischen 12 Jahre des nationalsozialistischen Regimes ohne nennenswerte personelle Veränderungen und Minderung ihres internationalen Ansehens überdauern« konnte, so sei dies »größtenteils der umsichtigen und diplomatischen Geschäftsführung« Müllers zu danken.180 Sein Führungsstil, zuvor wesentlich für den Erfolg bei der Einbindung der Geschichtswissenschaft in 178 Müller an Wagner, 11. 5. 1946, BayHStA, NL von Müller 5. 179 Müller an Ernst Bock, 3. 7. 1946, ebd. 180 Ernst Bock, 5. 7. 1946, BayHStA, NL von Müller 3.

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den Nationalsozialismus, erfuhr nun die konträre Zuschreibung, galt als Beleg für Müllers Distanz. Vor allem aber – auch Fritz Wagners Gutachten hatte hier seinen Schwerpunkt181 – betonten die Zeugnisse den Vorrang der Wissenschaftlichkeit im Wirken Müllers. Insbesondere sein Engagement für die »Judenforschung« schien Müller einer entsprechenden Bewertung zu bedürfen. Den ehemaligen Mitarbeiter der »Forschungsabteilung Judenfrage« Wilfried Euler bat Müller um Nachricht, ob »unsre Münchner Forschungsabteilung […] grundsätzlich anders bewertet wird als das Frankfurter Institut.«182 Auch diese von Müller immer wieder aufgegriffene Unterscheidung sollte vor allem der Betonung seiner »Wissenschaftlichkeit« dienen, war doch das Frankfurter »Institut zur Erforschung der Judenfrage« im besonders beachteten Bereich Rosenbergs angesiedelt gewesen, während das Reichsinstitut mit dem Dienstherrn Reichswissenschaftsministerium weitaus ferner von originären Gliederungen der NSDAP erschien. Der angefragte Euler, selbst als »Judenforscher« aktiv, konnte sich nach 1945 als genealogisch interessierter Experte »neu« erfinden.183 Auch diesem selbst »Belasteten« stellte Müller im Sommer 1946 die stets wiederholte Frage: Ob »Sie je von mir ein Wort der Rasse- oder Religionsverfolgung oder des Fanatismus überhaupt gehört haben.« Nicht nur griff die Formulierung die Vorgaben der Militärregierung auf, sie half auch, die vielfach zur Entlastung genutzte Unterscheidung von »rationaler« Wissenschaft und affektgeleitetem, »fanatischem« Nationalsozialismus zu etablieren. Bereits in seinem Begleitschreiben attestierte Euler, im Reichsinstitut habe »echtestes wissenschaftliches Wahrheits- und Erkenntnisstreben in reichem Maße« bestanden, im Gutachten betonte er, soweit von Müller »überhaupt Anregungen […] ausgingen, vertraten sie immer die Belange echter historischer Forschung gegenüber politischen Tageswünschen.«184 Der nützlichen Dichotomie von Wissenschaft auf der einen und Nationalsozialismus auf der anderen Seite, von wissensgeleiteten Experten und fanatisierten Amateuren, würde sich auch Hans Rothfels fast zwanzig Jahre darauf in seiner Formulierung bedienen, dass diese »ganze sehr peinliche Literatur nicht Universitätslehrer zu Autoren hatte, sondern wildgewordene Studienräte oder Außenseiter.«185 Entsprechend bat Müller einen Schüler, auszuführen, ob »Sie mich mehr als einen Wissenschaftler oder als einen Nationalsozialisten kennen gelernt haben«.186 181 Wagner betonte die »streng methodische wissenschaftliche Schulung« Müllers, den Geist »echter deutscher wissenschaftlicher Tradition, in welchem er sein Seminar leitete«. Vgl. Fritz Wagner »Eidesstattliche Erklärung«, 20. 6. 1946, ebd. 182 Müller an Euler, 30. 6. 1946, BayHStA, NL von Müller 5. 183 Vgl. beispielhaft Eulers Auskünfte zur »Herkunft« Reinhard Heydrichs, in: Aronson, Heydrich, S.18, 331. 184 Euler an Müller, 22. 7. 1946; Euler »Eidesstattliche Erklärung«, 22. 7. 1946, BayHStA, NL von Müller 3. 185 Rothfels, Geschichtswissenschaft, S. 99. 186 Müller an Johann Albrecht von Reiswitz, 3. 7. 1946, BayHStA, NL von Müller 5.

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Es galt zu scheiden, was zuvor nur im Zusammenwirken Müller zur herausragenden Karriere verholfen hatte. Die Entnazifizierung war mehr als ein kurzes, zumeist unspektakulär verlaufenes Rechtsverfahren – sie zwang die Entnazifizierten, sich in ihrem Wirkungsfeld nach veränderten Kriterien taxieren zu lassen, sie erforderte, eine weiterhin tragfähige Erzählung der eigenen Karriere zu entwickeln. Müller sei »Zuflucht aller nicht nationalsozialistischen Studierenden an der Universität« geworden187, war »von nationalsozialistischem Gedankengut nicht angekränkelt«188, diesen »begeisternden Lehrer und Wegweiser der Jugend wagte der Nazismus nicht auszuschalten, so versuchte er ihn zu seinen Gunsten zu verbuchen.«189 Zu diesen Müllers Distanz zum NS-Staat beteuernden Aussagen trat zudem mit Clara Huber eine besonders wertvolle Zeugin. Müller sei, so Huber, die »frühe und mit den Jahren immer leidenschaftlichere Gegnerschaft meines Mannes gegen den Nationalsozialismus in vollem Umfang« bekannt gewesen, ihre Freundschaft sei trotzdem »bis 1943 immer enger und fester geworden, und Prof. von Müller hat meinen Mann in den Kämpfen dieser Jahre in jeder Weise unterstützt.« Am festen Willen Hubers, für Müller einzutreten, kann kaum gezweifelt werden. Allerdings markierte sie, vermutlich unbeabsichtigt, auch Müllers Versagen: »Mein Mann benannte Prof. von Müller auch in seinem Prozeß als Zeugen, weil er wußte, daß er sich auch in dieser Notlage darauf verlassen konnte, daß dieser für ihn eintreten würde.«190 Im Frühjahr 1948 schließlich konnte Müller ein beeindruckendes Album an »Persilscheinen« vorweisen, mittlerweile jedoch rotierte die sprichwörtliche »Mitläuferfabrik« auf Hochtouren. Im Spruchkammerverfahren wurde weder auf Müllers Rolle im Nationalsozialismus noch auf seine Entschuldungsversuche auch nur Bezug genommen. Während Müller bangte – »Freilich muß man nach dem, was ich von Bekannten höre, auf manche Überraschungen gefaßt sein.«191 – war die Entscheidung bereits gefallen. Müller werde, so der Sühnebescheid der Spruchkammer Miesbach, in »die Gruppe der Mitläufer eingereiht. Belastung: NSDAP 33/45, NSDOB 39/45.« Als Geldsühne wurden 2.000 RM festgesetzt, Müllers Entnazifizierungsverfahren war ohne jede weitere Begründung, Abwägung oder Diskussion beendet.192 Die Kostenrechnung erreichte Müller im April und stellte diesen, seit seiner Entlassung weitgehend ohne Einkommen, vor Probleme. Eine Lösung versprach die Freundschaft zu Clara Huber : »Mein Spruchkammerbescheid scheint rechtskräftig zu werden und dann muß ich in sehr kurzer Zeit die Sühne einbezahlen. Ich wäre Ihnen Anna Lore Bühler »Bestätigung«, 9. 6. 1946, BayHStA, NL von Müller 3. Wilhelm Oldenbourg »Erklärung«, 9. 7. 1946, ebd. Ludwig Turtur (Pfarrer) »Bezeugung«, 18. 7. 1946, ebd. Clara Huber »Eidesstattliche Erklärung«, 8. 3. 1947, ebd. Ein Brief legt nahe, dass Müller die Erklärung teils vorformulierte, vgl. Müller an Huber, 3. 3. 1947, StdAM, NL Kurt Huber 70. 191 Müller an Fridolin Solleder, 19. 2. 1948, BayHStA, NL von Müller 7. 192 Sühnebescheid der Spruchkammer Miesbach, 12. 2. 1948, BayHStA, NL von Müller 4.

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deshalb sehr dankbar für eine kurze Nachricht, ob noch eine Möglichkeit besteht, ›Mein Kampf‹ und ev. auch Hans Grimms Volk ohne Raum so günstig zu verkaufen. Das erstere Buch (schöne Halblederausgabe, völlig neu) liegt hier bereit«.193 Offenbar bezahlte Müller seine Sühneleistung zumindest teils durch den Verkauf nationalsozialistischer Werke an die Witwe Kurt Hubers.194 »Mein Spruchkammerbescheid ist nunmehr rechtskräftig – ich bin als Mitläufer eingestuft, meine Sühne ist entrichtet«.195 Nach bald drei Jahren wollte Müller endlich seinen Blick nach vorn richten, keinen Monat nach der Zahlung der Sühneleistung beantragte er bei der Philosophischen Fakultät der Münchner Universität die »Wiedereinsetzung in die Beamtenrechte zum Zwecke der Emeritierung«. Er habe »der Wissenschaft im Dienste der Universität München und des bayerischen Staates von 1909 – 1945/6« nach »meinem besten Wissen und Können ein Menschenalter lang gedient.« Auf die »als Universitätsprofessor erworbene Altersversorgung« sei er angewiesen, er hoffe, sich »der wiederhergestellten Beamtenrechte durch wissenschaftliche Arbeit nicht unwert zu zeigen.«196 Die Zeit der Reue war vorbei, die »Sühne entrichtet«, Ansprüche wurden formuliert. Eine Emeritierung allerdings, dies hatte der Dekan zuvor beim Kultusministerium erfahren, sei ausgeschlossen, in Frage käme nur die Pensionierung. Zumindest solle man, so forderte Albert Rehm, »eine Wendung einfließen« lassen, dass es »sich immerhin auch um einen besonderen Gelehrten handle.«197 Doch nicht alle Fakultätsmitglieder standen Müller uneingeschränkt positiv gegenüber, der vom Dekan Rudolf von Ficker formulierte Antrag betonte durchaus Müllers Engagement: »Im Parteileben nahm er sofort eine prominente Stellung ein und avancierte bald zum Historiker des 3. Reiches. Allerdings scheint es dabei der Fall gewesen zu sein, dass Prof. v. Müller mehr geschoben und gedrängt wurde, als dass er mit voller Überzeugung tätig gewesen wäre.« Dagegen stünden Müllers ausgeprägtes Geltungsbedürfnis, zunehmende Distanz in den letzten Kriegsjahren und sein Einsatz für Kurt Huber. Deutlich markierte die Fakultät zusammenfassend, welche Rolle Müller noch zuzudenken sei. Einer Emeritierung könne man nicht zustimmen, da »einem Mann, der im nationalsozialistischen Regime an so exponierter Stelle tätig gewirkt hat, die Möglichkeit verschlossen bleiben muss, künftig als Erzieher der Jugend zu wirken«. Da es sich bei Müller um einen »Gelehrten von besonderer Bedeutung« handele, mit Verdiensten auch um die Erforschung

193 Müller an Clara Huber, 21. 4. 1948, StdAM, NL Kurt Huber 70. 194 Sie gebe Müllers Frau, so Huber, »1.500,– Mark für Ihre Spruchkammersühne mit. Später will ich dann sehen, wie ich die Bücher anbringe.« Vgl. Huber an Müller, 25. 4. 1948, ebd. 195 Müller an Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, 27. 5. 1948, BayHStA, NL von Müller 2. 196 Müller an Phil. Fak. UM, 21. 5. 1948, UAM, O-XIV-437. 197 Protokoll der Fakultätssitzung, 28. 5. 1948, UAM, O-III-18.

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der bayerischen Landesgeschichte, beantrage man die Wiedereinsetzung in seine Beamtenrechte zum Zwecke der Pensionierung.198 Als am 18. Juni 1948 die Bevölkerung über die anstehende Währungsreform informiert wurde, sah sich Müller zum Handeln gezwungen. Bereits am Folgetag begann er, alle Beteiligten mit Nachfragen zum Stand seines Antrages zu überschütten. Sowohl den Rektor der Münchner Universität – »Da ich zurzeit keinerlei Einnahmen und auch kein Vermögen besitze, gibt die Währungsreform dieser Frage für mich eine große, ich darf sagen lebenswichtige Dringlichkeit.« – als auch das Kultusministerium. Er erlebe »zum ersten Mal, wie das Leben sich ansieht, wenn man nicht sicher ist, in wenigen Tagen nicht vor dem blanken Nichts zu stehen.«199 Sowie, nicht zuletzt, seinen Schüler und jetzigen Kultusminister Alois Hundhammer, den Müller auch bat, bei der zu bemessenden Höhe die »Ablehnung dreier vorteilhafter Rufe nach auswärts« zu berücksichtigen. Offenbar meinte Müller die Rufe nach Karlsruhe und Berlin um 1920 sowie erneut nach Berlin 1935, eine Erwähnung der vielfach beklagten, vier verweigerten Professuren in der Weimarer Republik erschien ihm offenbar inopportun.200 Schließlich, der vierte Brief in dieser Sache an einem Tag, wandte sich Müller an einen Vertrauten, der ihm zuvor ein Gespräch mit Hundhammer ermöglicht hatte. Man möge doch dem Minister »meine unmittelbare Notlage« erklären, er habe Hundhammer zwar ebenfalls geschrieben, fürchte aber, es sei »nicht leicht für jemand, der nicht in derselben Haut steckt, sich eine Vorstellung zu machen, was es heißt, mit 66 Jahren auf einmal nicht mehr zu wissen, ob man mit den Seinigen in 8 oder 10 Tagen nicht vor dem blanken Nichts steht.«201 Doch war Hundhammer mit einer solchen Lage sehr wohl vertraut. Als Müllers Aufstieg im NS-Staat begann, wurde Hundhammer als Politiker der Bayerischen Volkspartei im Juni 1933 verhaftet und einen Monat im KZ Dachau festgehalten. Nach seiner Entlassung war die »berufliche wie wirtschaftliche Existenz […] völlig zerschlagen«, Hundhammer musste eine »kleine Schnellsohlerei« übernehmen.202 Die eigene, als ungerechtfertigt empfundene Zurücksetzung ließ Müllers Wahrnehmung anderer Perspektiven beständig in den Hintergrund treten. Eine Zwischenlösung versprach ein Schüler Müllers, Heinz Gollwitzer, seit 1947 bei der Historischen Kommission als Mitarbeiter tätig.203 Auf Empfehlung Müllers war Gollwitzer seit 1943 persönlicher Referent bei Walther Wüst gewesen, erst für dessen Rektorenamt, dann in der Deutschen Akademie204, 198 Dekan Phil. Fak. an KM (über Rektor UM), 7. 6. 1948, UAM, E-II-2517. 199 Müller an Rektor UM, 19. 6. 1948; Müller an KM, 19. 6. 1948, BayHStA, NL von Müller 4. 200 Müller an Hundhammer, 19. 6. 1948, ebd. Zu Hundhammers Rolle in der bayerischen Nachkriegspolitik vgl. W. Müller, Schulpolitik; Schlemmer, Christlich-Soziale Union. 201 Müller an Franz Xaver Wahl, 19. 6. 1948, BayHStA, NL von Müller 4. 202 Braun, Hundhammer, S. 56 f. 203 Wolgast, Reichstagsakten, S. 110. 204 Mehrfach wechselten Schüler Müllers zu Wüst, etwa Karl Bosl als Stipendiat zum SS-»Ahne-

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dort im Herbst 1945 mit ihrer Auflösung entlassen.205 Nach der Ankündigung der Währungsreform hatte Müller auch an Walter Goetz geschrieben und gebeten, bis zur Ruhestandszahlung seine Arbeiten für die Historische Kommission zu vergüten.206 Gollwitzer solle, bat Müller, bei Goetz werben: »Immerhin hoffe ich, die Nothilfe der Hist. Kommission, der ich 35 Jahre angehört und die ich 17 Jahre als geschäftsführender Sekretär geleitet habe, nicht länger als 2 – 3 Monate beanspruchen zu müssen.«207 Tatsächlich sprang die Kommission ein und billigte Müller für seine Arbeiten an den Reichstagsakten eine monatliche Vorauszahlung zu.208 Nur einen Tag darauf verfügte Hundhammer die Wiederernennung und gleichzeitige Ruhestandsversetzung Müllers, wohl nicht alle Betroffenen wurden durch ein persönliches Schreiben des Kultusministers in Kenntnis gesetzt.209 Nach seinem umfassenden Abstieg hatte Müller einen wichtigen Schritt zur Konsolidierung getan, zumindest die finanzielle Basis für eine etwaige Rückkehr war gesichert. Den Dank an Gollwitzer verband Müller sogleich mit der Hoffnung auf weitere Schritte der Annäherung. Die Mitteilung über Goetz’ Haltung zu seinem Gesuch habe ihn sehr gefreut: »Es scheinen sich jetzt manche Fesseln der letzten Jahre wieder zu lösen, und man rückt langsam wieder in die Zusammenhänge ein, denen man sich immer verbunden empfand.«210 Noch aber war Müller nur pensioniert worden, die akademischen Rechte eines Emeritus hatte man ihm verweigert, er war weder Mitglied der Akademie noch einer ihrer historischen Kommissionen. Nur kleinere Spuren in privater Korrespondenz legen offen, wie sehr Müller der steten Abhängigkeit und Bittstellerei überdrüssig geworden war. Einer Bekannten berichtete er fälschlich, nach dem Spruchkammerverfahren sei er »wieder als Professor bestellt und auf meinen Antrag in den Ruhestand versetzt worden.«211 Müller, das lässt die beiläufige Unrichtigkeit vermuten, wollte wieder selbst zum Akteur werden. Möglich erschien dies vor allem durch Veröffentlichungen.

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nerbe«. Vor 1945 nahm es sich wenig, in welchen Bereich man empfohlen wurde, ggf. bat Müller bei zwei Vorhaben Wüst zu entscheiden, ob »sie mehr in den Bereich des Ahnenerbes oder der Deutschen Akademie fallen«, vgl. Müller an Wüst, 6. 8. 1940, UAM, O-XIV-437. Vgl. H. Kraus, Einführung. Gollwitzer, hier S. 13. Zur Entlassung vgl. Headquarters Regional Military Government an KM, 21. 8. 1945; KM an DA, 29. 8. 1945, BayHStA, MK 40446. Müller an Goetz, 19. 6. 1948, BayHStA, NL von Müller 4. Müller an Gollwitzer, 19. 6. 1948, BArch, NL Heinz Gollwitzer 41. Max Spindler an Müller, 4. 7. 1948, BayHStA, NL von Müller 4. KM (Hundhammer) an Rektorat UM, 5. 7. 1948, Hundhammer an Müller, 5. 7. 1948, ebd. Müller an Gollwitzer, 6. 7. 1948, BArch, NL Heinz Gollwitzer 41. Müller an Dorothee v. Podewils, 1. 10. 1948, BayHStA, NL von Müller 259.

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6.3.2 Publizistische Rückkehr und institutioneller Ausschluss Seit 1944 hatte Müller keine einzige Zeile unter seinem eigenen Namen veröffentlicht. Der nach der erfolgreichen Pensionierung angestrebte Wiederbeginn als Historiker fand seinen Ausdruck vor allem in Müllers publizistischer Rückkehr. Die Tätigkeit als Heilkräutersammler, so hatte Müller es empfunden, sei ein »nicht eben lukrativer, aber sonst schöner Beruf, der mir Muße zum Denken und auch noch zum Schreiben läßt.«212 Bald nach seiner Pensionierung sollten die »Früchte« dieser Auszeit veröffentlicht werden. Hierfür gewannen, Ausgangspunkt wie Rückzugsort in der biographischen Krise, die bayerische Herkunft und Geschichte für Müller besonderen Rang. Sein, zumindest als Historiker, widersprüchliches Verhältnis zur seiner bayerischen Heimat, sein Weg vom »süddeutschen Preußen« über den Landeshistoriker bis zur dezidierten Abkehr von föderalen Prinzipien zugunsten seiner Karriere im NS-Staat erfuhr eine neuerliche Wendung. Als Ort für den ersten schriftstellerischen Auftritt nach 1945 nahm Müller eine Veröffentlichung in einer regionalen Kulturzeitschrift, dem »Zwiebelturm«, in Aussicht. Vor der Pensionierung zögerte Müller noch, weil »alle Eingeweihten noch raten, nicht zu geschwind ins Licht treten.«213 Doch im Januar 1949 versprach er, ein »Stück aus seinen Erinnerungen, Fischhausen 1903« beizusteuern.214 Der wenige Seiten umfassende Beitrag erschien im Juni, eine besinnlich-literarische Reminiszenz an einen Sommer, eben im ländlichen Fischhausen im Jahr 1903. Müller knüpfte durchaus an frühere Beschreibungen an, in »jener glücklichen Zeit ging die Bahn erst bis Schliersee; noch kein Auto raste auf den schmalen Landstraßen«.215 Die Leitlinien seines publizistischen Wiederbeginns waren gezogen, die bayerische Heimat und die eigene Biographie waren die Quellen, derer sich Müller in den kommenden Jahren bedienen sollte. Auch trat er seit Ende der 1940er Jahre erneut als Redner in Erscheinung, im heimatlichen Rottach-Egern trug er, gegen Eintritt, über bayerische Geschichte vor.216 Auch versuchte er, an bereits erprobte Erfolge anzuschließen. Wenig überraschend zählte deshalb zu den Veröffentlichungen des Jahres 1949 ein, um die explizit politischen Passagen gekürzter Auszug aus dem »Landtagebuch«.217 Im engeren Sinne politische Aussagen würde sich Müller weitgehend Müller an Richard Geis, 16. 1. 1947, BayHStA, NL von Müller 5. Müller an Clara Huber, 29. 6. 1948, StdAM, NL Kurt Huber 70. Clara Huber an Inge Köck, 17. 1. 1949, StdAM, NL Kurt Huber 56. Müller, Fischhausen (1949), S. 133. »Persönlich helfe ich meinem Dozierbedürfnis zurzeit dadurch, daß ich sozusagen meine eigene Fakultät hier aufmache: ich habe einen kleinen Vorlesungszyklus versucht«. Vgl. Müller an Willy Andreas, 21. 12. 1949, GLA, NL Willy Andreas 860 sowie verschiedene Einladungskarten von November/Dezember 1949 bis Februar/März 1951, in: BayHStA, NL von Müller 709. 217 Müller, Altbayern (1949).

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versagen, gleichwohl wiesen die Grundlagen seines historischen Denkens naheliegende Kontinuitäten auf. Im Werben um Heinrich von Srbiks Mitarbeit an einem vom Bayerischen Schulbuch-Verlag geplanten historischen Atlas betonte Müller, dieser sei »nicht nur für die bayerischen Schulen bestimmt: um so wichtiger erschien es mir, hier die gesamtdeutsche Einstellung, die wir gewonnen haben, nicht wieder verloren gehen zu lassen.« Noch deutlicher hatte Müller in einem Entwurf des Briefes geklagt: »Man begegnet zurzeit, keineswegs nur hier, überraschend vielen und verbissenen kleindeutschen Restaurationsversuchen.«218 Zuvor aber hielt Müller »der Abschluß einer etwas kuriosen Spezialarbeit fest«, die er des Geldes wegen »übernommen habe: eine ziemlich umfangreiche Gedenkschrift zum 100jährigen Bestehen unserer größten bayerischen Papierfabriken«, nicht für den Buchhandel bestimmt. Diese werde »hoffentlich noch im Lauf dieses Jahres erscheinen, sodaß ich wenigstens wieder eine Visitenkarte vorlegen kann.«219 Auch die weitgehend anmerkungsfreie Chronik blieb nicht frei von Reminiszenzen Müllers an frühere Urteile – es legte sich 1918 ein »erdrückender Waffenstillstand […] lähmend über das erschöpfte und betäubte Volk« –, doch blieb die Entwicklung der Papierfabrik im Zentrum der erzählenden Darstellung.220 Eine erste »Visitenkarte« hatte Müller damit vorgelegt, freundlich besprochen durch seinen Schüler Wolfgang Zorn in der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte221, war aber damit zugleich tatsächlich »ins Licht« getreten. Prompt hatte Wilhelm Treue in der HZ die Arbeit rezensiert als »Wirtschafts- und Sozialhistoriker, der sich Einzelheiten wünscht«, anstatt »der schönen Beschreibungen von Situationen genauere Einzelangaben« forderte sowie eine »Beratung durch einen Wirtschaftshistoriker« für wünschenswert hielt.222 Deutlicher war Müller sein Rang kaum zuzuweisen, entsprechend fasste er die Rezension auf. Treue habe, so Müller an Hermann Aubin, die Chronik »vermöbelt«, dabei aber »ignoriert, daß ich sie ausdrücklich nur als ›Familienund Werkchronik‹ bezeichnet habe«. Er habe sich »lebhaft an einige Briefe erinnert, die derselbe Herr mir schrieb, als ich die H.Z. leitete«.«223 Aber Müller leitete die HZ nicht mehr, so blieb ihm nur, seinem Ärger brieflich Ausdruck zu verleihen. So »einsiedlerisch bin ich noch nicht, daß subalterne Schulmeistereien mir nicht doch noch die Galle aufregen«, schrieb er an Theodor Schieder, zudem an Wolfgang Zorn: »Das Mißgünstige und also Ungerechte empfinde ich darin, daß er tut, als ob ich vorgäbe, eine wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung zu bieten.«224 Ein offenbar mühsamer 218 219 220 221 222 223 224

Müller an Srbik, 10. 10. 1949; Erstfassung, 5. 10. 1949, BayHStA, NL von Müller 518. Müller an Max Spindler, 20. 1. 1949, BayHStA, NL von Müller 4. Müller, Chronik der G. Haindlschen Papierfabriken (1949), Zitat S. 107. Zorn, Haindlsche Papierfabriken (Rez.). Treue, Haindlsche Papierfabriken (Rez.), S. 659 f. Müller an Aubin, 26. 12. 1950, BayHStA, NL von Müller 491. Müller an Schieder, 23. 12. 1950; Müller an Zorn, 30. 12. 1950, BayHStA, NL von Müller 494.

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Lernprozess für Müller, einer als unfair empfundenen Rezension wehrlos gegenüberzustehen. Treues Kritik habe er »als ungerecht und deshalb als kränkend« empfunden, ließ Müller schließlich auch Walther Kienast wissen, zumal angesichts des »besonders noblen Verhalten des Herrn Kollegen Dehio bei der Wiederaufnahme der H.Z.«. Nach einer kurzen Unterbrechung war es Kienast gelungen, seine Stellung bei der HZ zu behalten, sodass er nun auch unter Ludwig Dehio den Rezensionsteil betreute und seinem früheren Herausgeber kühl mitteilte: »Daß die Rezensenten etwas anderes wollen, als der Autor wollte, ist ja leider das Ur- und Grundübel aller ungerechten Rezensionen.«225 Der Ärger über Treues Besprechung hatte es verdeutlicht, noch war Müller bestrebt, als seriöser Historiker zu reüssieren. Nach Kriegsende hatte sein Hausverlag, die Deutsche Verlagsanstalt, das »gesamte Schrifttum von Marcks und Müller« einstampfen müssen.226 Allerdings, zum »Gesicht des Verlags, wie es sich in den Jahrzehnten vor 1933 geformt« hatte, wurde auch ausdrücklich Müller gezählt. Aus Restbeständen wurden ältere Werke Müllers weiterhin angeboten, im ersten Halbjahr 1946 von »Deutsche Geschichte und deutscher Charakter« noch 18 Stück abgesetzt.227 Im Winter 1948 hatte Müller einen »umfangreichen Aufsatz über Danton« abgeschlossen, es reife »mit der Zeit doch vielleicht allerlei heran, wozu ich sonst kaum gekommen wäre.«228 Doch Müller war unsicher, ob er diesen zum Druck bringen sollte und befragte einige Schüler nach deren Eindruck. Für Gollwitzer hatte Zorn »unser aller Meinung wiedergegeben, als er ihn ein Gegenstück zum Älteren Pitt« nannte, er selbst wolle »hinzufügen: Der Dantonaufsatz ist noch um so viel reicher, als sein Verfasser seit dem Erscheinen des Älteren Pitt an Erkenntnis und Leid hinzuerworben hat.«229 Das Lob aufgreifend, bot Müller den Danton – »etwa im Stil meines Älteren Pitt« – der DVA an.230 Der Verlag zeigte sich bereit und beglückwünschte Müller »zum Gelingen dieses Kabinettstückchens historischer Essayistik«, es sei »etwas vom Schönsten«, was man »seit langen Jahren im Bereich der geschichtlichen Darstellung gelesen habe.«231 Müller war erfreut, aber auch ungeduldig. Nach einigen Verzögerungen legte er offen, weshalb ihm an einer raschen Veröffentlichung lag: »Alle Fachgenossen und wer mich sonst kennt, wissen, daß ich nach den langen Jahren erzwungenen Schweigens jetzt wieder die Möglichkeit zu publizieren habe. Bleibe ich stumm, so folgert man mit Recht, daß ich in der Zwischenzeit nichts getan habe und schreibt mich ab.« 225 Müller an Kienast, 16. 3. 1951; Kienast an Müller, 31. 3. 1951, BayHStA, NL von Müller 492. 226 Fritz Wagner an Theodor Schieder, 27. 12. 1945, BArch, NL Theodor Schieder 367. 227 »Mitteilungen der Deutschen Verlagsanstalt Nummer 1«, Juni 1946; DVA an Müller, 6. 8. 1946, BayHStA, NL von Müller 439. 228 Müller an Fridolin Solleder, 19. 2. 1948, BayHStA, NL von Müller 7. 229 Gollwitzer an Müller, 24. 6. 1948, BayHStA, NL von Müller 4. 230 Müller an Hermann Maier (DVA), 6. 10. 1948, BayHStA, NL von Müller 451. 231 Maier (DVA) an Müller, 5. 2. 1949, ebd.

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Müller sah sich auf dem Weg zurück in die Disziplin, er sei »in der vollen Rehabilitation begriffen: die Akademien von Wien und Berlin haben mir wieder meinen alten Platz eingeräumt«, auch die landesgeschichtliche Kommission habe ihm eine ihrer wichtigsten Unternehmungen übertragen.232 Auf Erfolge und Misserfolge seiner institutionellen Rückkehr wird einzugehen sein, fraglos aber benötigte Müller ein vorzeigbares, wissenschaftliches Werk. Auch seine Selbstwahrnehmung als Autor schien wieder intakt, eine vorgeschlagene Änderung lehnte er ab, die Formulierung entspreche »einer persönlichen Diktion, die in jahrzehntelanger Übung erworben worden ist und als solche Anerkennung gefunden hat«.233 Im Herbst 1949 erschien Müllers »Danton«. Über die Auswahl seines Gegenstandes ist keine Äußerung Müllers überliefert. Zum einen knüpfte er an seine Lehrveranstaltungen zur »Historischen Politik«, insbesondere zu »Revolutionen«, an.234 Auch war noch vor Kriegsende mit der DVA ein Sammelband »Männer, Völker und Revolutionen« erwogen worden. Zum anderen hatte Müllers Beschäftigung mit Görres auch dessen Begeisterung für die Französische Revolution, vor allem aber seinem Exil in Straßburg gegolten. Nicht zuletzt, so scheint es, sollte der »Danton« den Weg bereiten für die Wiederauflage früherer, erfolgreicher Publikationen. Noch während seines Erscheinens schlug Müller der DVA vor, unter dem Titel »Aus der Zeit der Demagogenverfolgung« seine Bücher zu Karl Sand und Görres zusammenzufassen.235 Die Darstellung Dantons versah Müller mit einer abschließenden »literarischen Anmerkung«, die Studie habe »die freiere Form eines geschichtlichen Essays, dem die Rüstung quellenmäßiger Einzelbelege nicht zu Gesicht« stehe.236 Dergestalt befreit, konzentrierte sich Müller auf eine farbenfrohe, literarische Skizze, fragend: »Drängt es uns nicht immer wieder, zu wissen, wie es in einem solchen Mann selbst ausgesehen haben mag? Wie ein solches Leben, von Stufe zu Stufe, aufwuchs und zerbrach? Wie sein geschichtliches Wirken sich, Schritt für Schritt, mit einem solchen Werdegang verknüpft?« Scheinbar mühelos knüpfte Müller an seine historiographische Orientierung der 1920er Jahre an, einzelne, mehr oder weniger »große« Männer als Protagonisten, deren Schicksal und Wirken das historische Geschehen prägten. Auch die Wertungen blieben, abgeschwächt und sublimiert, ähnlich. Danton habe »die wirklichen Menschen und Dinge und nicht nur ihren Widerschein in Schlagworten und Begriffen« gesehen, Leben gegen Abstraktion, die Vorlieben Müllers blieben konstant. Gewalttätigkeit und Revolutionsfuror, Dantons Reden als Volkstribun, die zeitgenössischen Parallelen hob Müller dezidiert 232 Müller an Maier (DVA), 8.4. u. 30. 7. 1949, ebd. 233 Müller an DVA, 10. 8. 1949, ebd. 234 Im Jahr darauf steuerte Müller auch ein kurzes Vorwort bei zu Edmund Burkes »Gedanken über die Revolution«, vgl. Müller, Vorwort, in: Burke (1950). 235 Müller an Maier (DVA), 9. 11. 1949, BayHStA, NL von Müller 451. 236 Müller, Danton (1949), S. 140.

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hervor, es seien eigenartige »Töne für unser Ohr, abgebraucht und mit einem abstoßenden Klang der Lüge und Selbsttäuschung, beladen mit soviel Opfern und Blut! Aber damals waren sie neu.« Den Weg der Französischen Revolution in einen »leidenschaftlichen, waffenstarrenden Nationalismus« parallelisierte Müller nun mit der »Umwandlung der menschenverbrüdernden Internationale des vierten Standes in den Imperialismus der russischen Macht«, Dantons Beitrag zum »Terreur« lasse »im Licht unserer eigenen jüngsten Erlebnisse« darüber nachdenken, wie »eng verschwistert schon bei ihrem ersten Aufflammen die edelsten und die schmählichsten Züge der modernen Vaterlandsliebe sich zeigen«, wie kurz der Weg zur »Bestialität« war. Für »uns Heutige und uns Deutsche vor allem aber«, schloss Müller, umgebe Danton »jetzt noch ein neues Licht.« Der »Gedanke der modernen Nation« habe seine »geschichtliche Stunde durchlaufen«, das »Zeitalter der Masse« steige »heute auf zum Gipfel seiner geschichtlichen Wirkung«. Danton verkörpere »die Größe und das Grauen der Verbindung von beiden, deren volles Ausmaß unsere Lebenszeit erschüttert« habe, in »Strömen von Blut und Elend, neben denen jene wie dürftige Rinnsale erscheinen.«237 Für Müllers raunende Zeitdiagnose vor dem Hintergrund der Französischen Revolution scheint es im Deutschland der späten 1940er Jahre durchaus einen Markt gegeben zu haben. In den letzten beiden Monaten des Jahres setzte die DVA insgesamt 424 Exemplare ab, im folgenden Jahr 1950 nochmals rund 170 Stück, dies lag im Bereich früherer Monographien Müllers.238 Auch die Besprechungen beschritten wohlbekannte Pfade, vermerkten gleichwohl deutlicher als früher fachliche Mängel. Es sei, so Martin Göhring in der HZ, ein »Bild mit eindrucksvollen Schattierungen«, doch lasse der »Drang zur plastischen Formulierung […] manches doch sehr überspitzt erscheinen«. Auch »was den historischen Hintergrund – fast möchte man sagen, das Beiwerk – betrifft«, könne man »kaum in allen Punkten mitgehen«.239 Ebenso Max Braubach, der Müller als »Meister des historischen Essays« lobte, zugleich aber anmerkte, er »zweifle indessen« nicht, dass Müller außer den benannten »doch mehr literarisch als historisch gerichteten Vorläufern« weitere Literatur bekannt sei, eine freundlich verhüllte Kritik an der dünnen Grundlage der Studie.240 Müller hatte bekannt, welchen Zweck er mit der Veröffentlichung des »Dantons« verfolgte. Seine Fachgenossen sollten nicht glauben, man könne ihn »abschreiben«, in der Geschichtswissenschaft wollte er wahrgenommen werden. In dieser Hinsicht entsprachen die Reaktionen, auch wenn sie auf den literarischen Gehalt der Studie konzentriert blieben, seinen Erwartungen. Der Danton, so Walter Goetz, zeige »alle Vorzüge Ihrer Darstellungskunst«, es 237 238 239 240

Ebd., S. 11, 21, 41 f, 60, 67, 137 f. Vgl. die Abrechnungen der DVA, in: BayHStA, NL von Müller 451. Göhring, Danton (Rez.), S. 428. Braubach, Danton (Rez.), S. 451 f.

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entstehe »unter Ihren Händen ein Gemälde von höchster Feinheit, das die deutsche historische Forschung bereichert.«241 Auch Heinrich von Srbik, gleich Müller aller Ämter enthoben, lobte die »unvergleichliche Feinheit Ihrer Gedankenarbeit und künstlerischen Gestaltungskraft«, für Franz Schnabel zeigte der Danton »den Meister des historischen Essays auf seiner Höhe«.242 Fünfundzwanzig Jahre nach der Veröffentlichung des ähnlich rezipierten »Sand«, nach einer herausragenden Karriere im Nationalsozialismus und dem folgenden Abstieg schien Müller sich zumindest auf die Anerkennung seiner literarischen Fähigkeiten verlassen zu können. Die entscheidende Instanz der Disziplin für eine Bewertung des Wiederbeginns Müllers, auch aus dessen eigenem Blickwinkel, war jedoch Friedrich Meinecke. Verbunden mit einem Bekenntnis sandte Müller den »Danton« an Meinecke, dieser habe schon »seit der ersten Katastrophe die Konsequenzen gezogen; für mich hat es auch noch die zweite, mit all ihrem Grauen und Elend gebraucht um mich sehend zu machen.«243 Auf dieses Geständnis folgte nur ein kurzer Dank, sodass Müller das Erscheinen des zweiten Erinnerungsbandes Meineckes für einen neuerlichen Versuch, Absolution zu erhalten, nutzte.244 Nach ausführlichem Lob – »Und wunderbar, wie hinter dem allem die unbeschreibliche Atmosphäre der Kultur immer gegenwärtig bleibt, die unsre eigentliche Lebensluft war« – kam Müller zum eigentlichen, zu seinem eigenen Weg: »Sachlich von besonderem Interesse und Wert war mir alles, was Sie über Ihre politische Entwicklung im 1. Weltkrieg sagen, vor allem von jenem Zeitpunkt 1915/6 ab, wo meine eigene Entwicklung – von einer sehr verwandten Ausgangsstellung und ich möchte wagen zu sagen: aus sehr verwandten Grundmotiven – in die entgegengesetzte Richtung ging: von Bethmann weg und Schritt für Schritt zu den militärischen Führern – nicht wegen der Kriegsziele, hier habe ich wohl immer wie Sie empfunden, sondern wegen der vermeintlichen Möglichkeit, den Krieg zu einem glücklichen Ende zu bringen. Ich verhehle mir heute freilich nicht, daß dieser Weg mich in seiner Konsequenz schließlich, trotz tiefster Bedenken und Gewissensnöte, auch noch ins 3. Reich hineingeführt und daß er für unser Vaterland mit einer vollen Katastrophe, und zwar einer ebenso tiefen inneren wie äußeren Katastrophe, geendet hat.« Sein Rang wie das Vertrauen, das Müller zu ihm hegte, ließ Meinecke zum Adressaten dieses Eingeständnisses Müllers werden.245 In seiner Antwort beließ es Meinecke jedoch bei freundlichen Zeilen.246 Schließlich bot die Veröffentlichung des »Danton« auch Gelegenheit, die Verbindung zu den eigenen Schülern zu festigen. Diese begrüßten das publizistische Lebenszeichen ihres Lehrers, Kurt von Raumer war »sehr gefesselt, 241 242 243 244 245 246

Walter Goetz an Müller, 6. 12. 1949, BayHStA, NL von Müller 482. Srbik an Müller, 6. 12. 1949; Schnabel an Müller, 23. 12. 1949, ebd. Müller an Meinecke, 9. 11. 1949, ebd. Meinecke, Strassburg, Freiburg, Berlin. Müller an Meinecke, 5. 1. 1950, BayHStA, NL von Müller 482. Meinecke an Müller, 6. 2. 1950, ebd.

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bereichert und beglückt darüber, Sie wieder vernehmen zu dürfen.« Auch Theodor Schieder zeigte sich »tief beeindruckt von der Lektüre«, er wüsste nicht, wer »heute noch so wie Sie historische Problematik in der Form eines durchgestalteten dramatischen Berichts darzustellen vermöchte.« Mehr noch, es sei »darüber hinaus ein historischer Deutungsversuch eines höchst gegenwärtigen Problems: des Problems der Revolution, und ich denke, hier wird eine wissenschaftliche Position sichtbar, die uns in den nächsten zehn Jahren beschäftigen muß«.247 Es wäre zu kurz gegriffen, Schieders Anerkennung für Müllers »wissenschaftliche Position« als bloße Freundlichkeit abzutun. Das Verhältnis zwischen dem Lehrer Müller und seinen Schülern war geprägt von vielfältigen gegenseitigen Erwartungshaltungen – und Theodor Schieder entbehrte eines vorzeigbaren akademischen Lehrers. Auf den emigrierten Hans Rothfels konnte er vorerst nicht verweisen, ohne Fragen nach seiner eigenen Laufbahn auszulösen. Eine fachliche Renaissance Müllers wäre Schieder zupass gekommen, gegenüber Raumer bekannte er : »Auch ich freue mich über die wiedergewonnene Aktivität und über die Wiedereinführung in der historischen Literatur, die mit dem Danton so glücklich begonnen hat. Was steckt darin auch an Verarbeitung von eigenen Gegenwartserlebnissen und Erfahrungen! Diese Art der Abrechnung mit der Zeit und mit sich selbst ist mir jedenfalls weit sympathischer als die von Wittram«.248 Auch die jüngere Schülergeneration nahm regen Anteil am Wiederauftritt und steuerte ehrerbietige Rezensionen bei.249 Ungebrochen jedoch gab sich diese Verehrung auch zu diesem Zeitpunkt nur gegenüber Müller selbst. Ironisch merkte der mit Forschungen zur jüngsten deutschen Geschichte auf Widerstand stoßende Wolfgang Zorn an: »Unser guter Müller wird ja auch ungern an die Rede erinnert, die er am 10. 11. 1923 im Lichthof der Münchner Universität hielt«.250 Der erste publizistische Rückkehrversuch schien geglückt. Müllers Arbeit, so Willy Andreas, werde »der Welt zeigen, daß die für Sie so schlimmen Jahre Ihre Vitalität nicht gemindert haben. Keiner der Jüngeren ist dieser Leistung fähig.«251 Allerdings hatte sich Müller eines wenig riskanten Gegenstandes bedient, auch die gewählte Form bedeutete vertrautes Gebiet. Der Preis hierfür, dies hatten die Besprechungen bei aller Freundlichkeit offenbart: Weder vermochte Müller zur Geschichte der Französischen Revolution relevante Erkenntnisse beizusteuern noch wurden solche von ihm erwartet. Deutlich mehr Interesse hingegen versprachen Beiträge, die sich aus Müllers eigener Biographie speisten. Der Rekurs auf frühere Rollen und einstiges Ansehen barg Risiken, versprach im Gegenzug aber eine Aufmerksamkeit, die 247 Raumer an Müller, 17. 11. 1949; Schieder an Müller, 31. 12. 1949, ebd. 248 Schieder an Raumer, 1. 1. 1950, ULBM, NL Kurt von Raumer A 2,53. Wittram, sehr engagiert als Volkstumshistoriker, hatte sich nach 1945 dezidiert zu seiner Schuld bekannt und eine Abkehr von nationalen Perspektiven befürwortet, vgl. Volkmann, Wittram, hier S. 45. 249 Gollwitzer, Danton (Rez.); Zorn, Danton (Rez.). 250 Zorn an Heinz Gollwitzer, 23. 12. 1949, BArch, NL Heinz Gollwitzer 52. 251 Andreas an Müller, 6. 1. 1950, BayHStA, NL von Müller 482 (Unterstreichung im Original).

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weder Danton noch die Haindlsche Papierfabrik erzielen konnten. Müller begann, als publizistischer Sachwalter des Vermächtnisses von ihm einst verbundenen Opfern des NS-Staates aufzutreten. Nach der Hinrichtung Kurt Hubers hatte das Ehepaar Müller seine Witwe Clara Huber persönlich, vor allem finanziell unterstützt, in den ersten Jahren nach 1945 zählten beide zu den engsten Vertrauten Hubers. Rasch wurde aber deutlich, dass diese Unterstützung eine gegenseitige war, dass auch Müller seine fortgesetzte Verbindung mit einem Opfer des Nationalsozialismus zum Vorteil gereichen sollte. Er ordnete den Nachlass Hubers, beriet Clara Huber bei Verlagsverhandlungen und bearbeitete Manuskripte Hubers, die aus dem Nachlass veröffentlicht werden sollten.252 Auf eine öffentlich wahrnehmbare Mitwirkung an der ersten Publikation Clara Hubers über ihren Mann musste Müller, da noch nicht entnazifiziert, verzichten, jedoch war er an der Erstellung des einleitenden, biographischen Textes beteiligt.253 Schließlich nutzte Müller seine wiederum hervorragenden Beziehungen in die politische Führungsebene und warb beim Kultusminister Hundhammer für eine Förderung der unveröffentlichten Leibniz-Biographie Hubers. Es habe zu »den bittersten Erfahrungen gehört, daß es mir nach 1945 nicht möglich war, mich in der Öffentlichkeit für ihn und seinen Nachlaß einzusetzen«.254 Öffentlich zu Huber wie zur »Weißen Rose« äußern würde sich Müller erst in den 1950er Jahren, dann allerdings sollte ihr entstehender »Mythos« auch auf ihn abstrahlen.255 Weniger prominent, jedoch mit Müllers Lebenslauf deutlich intensiver verwoben war Paul Nikolaus Cossmann. Im Sommer 1949 beriet Müller eine Doktorandin, die sich mit den Süddeutschen Monatsheften vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte.256 Auch Müller selbst war seit längerem mit einer Darstellung zu Cossmann befasst, ein Arbeitsplan vom April 1948 führte unter anderem auf: »Cossmann-Aufsatz reinschreiben«.257 Erst anderthalb Jahre darauf jedoch sollte Müller das gewagte Unternehmen einer Veröffentlichung angehen. An Alois Weiner, einen überlebenden Mithäftling Cossmanns, wandte sich Müller im September 1949. Er habe von Erwein von Aretin »Ihre erschütternde Aufzeichnung über das Ende Professor P. N. Cossmanns« erhalten, sei Cossmann »lange Jahre nahegestanden« und wolle nun zu seinem Gedächtnis einen Aufsatz veröffentlichen. Dafür bitte er um Erlaubnis, vom 252 Vgl. die Korrespondenz in: StdAM, NL Kurt Huber 69/70; R. Schumann, Huber, S. 212. 253 Vgl. C. Huber (Hg.), Kurt Huber zum Gedächtnis sowie eine von Müller bearbeitete Fassung der Einleitung »Kurt Hubers Schicksalsweg« in: BayHStA, NL von Müller 450. 254 Müller an Hundhammer, 17. 11. 1950, StdAM, NL Kurt Huber 71. 255 Zum Begriff des »Mythos« und der Rezeption der Widerstandsbewegung in der frühen Bundesrepublik vgl. Schüler, »Weiße Rose«, hier S. 159 – 169 sowie Hikel, Sophies Schwester. 256 Vgl. Felicitas Vogler an Müller, 7. 6. 1949; Müller an Vogler, 15.6. u. 31. 12. 1949, BayHStA, NL von Müller 263 sowie Vogler, Monatshefte. 257 Vgl. Müllers handschriftliche Notiz »Arbeitspläne 7. April 1948«, in: BayHStA, NL von Müller 9 (Unterstreichungen im Original).

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Bericht Weiners Gebrauch machen zu dürfen.258 Weiner war einverstanden und sandte weitere Aufzeichnungen, bewegt antwortete Müller : »Die erregte Zeit ist zu raschlebig und geneigt, dies Furchtbare, was in unser aller Namen und unter all unserer Mitschuld hat geschehen können, in den Hintergrund zu schieben und zu vergessen.«259 Zuerst bot Müller seinen Aufsatz über Cossmann dem seit zwei Jahren erscheinenden Merkur an. Über einen baldigen Auftritt Müllers im Merkur, so Mitherausgeber Hans Paeschke, wäre man erfreut, jedoch sei der angebotene Gegenstand »sehr speziell«.260 Sodann wandte sich Müller an Franz Josef Schöningh, Herausgeber der katholischen Monatsschrift »Hochland«, für die er den Aufsatz nur anzubieten wage, weil er »zugleich ein ausdrückliches Schuldbekenntnis« ausspreche.261 Schöningh sagte zu, jedoch sei ein Vorwort der Schriftleitung nötig, in »dem betont wird, daß es sich hier um ein rein menschliches Dokument handle, das keiner politischen Bewertung unterliegen könne.«262 Dies akzeptierte Müller, bat aber nach Vorlage des Entwurfs, in einem Satz – »Dies müsste aus grösserem geschichtlichem Abstand durch einen Berufenen geschehen.« – die Worte »durch einen Berufenen« zu streichen.263 Müller hielt sich durchaus für berufen, seinem Wunsch wurde entsprochen. Erschienen im Frühjahr 1950, sei »Paul Nikolaus Cossmanns Ende«, so die Schriftleitung, die »confessio eines Mannes, der Cossmann und seinem Werk viele Jahre hindurch nahestand«.264 Der Beitrag bestand vor allem aus der Wiedergabe sowohl des Berichtes von Alois Weiner über Cossmanns letztes Lebensjahr als auch eines bereits publizierten, offenen Briefes Müllers an Cossmann zu dessen sechzigstem Geburtstag im April 1929. Dessen erneuter Abdruck bot die Möglichkeit, Müllers langjährige Bindung an Cossmann aus einem, da bereits vor 1933 erschienenen, jeder Verfälschung unverdächtigen Text zu entlehnen. Überdies lieferte er das entscheidende Stichwort. Denn angesichts des unbedingten Einsatzes Cossmanns, so Müller in der Tat bereits 1929, war er in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg »überzeugt davon, daß Ihre Bestimmung sein würde, irgendwie einmal als Märtyrer zu enden.«265 Eben so wollte Müller im Frühjahr 1950 Cossmann zeichnen – als einen Märtyrer, mit dem er »befreundet war, von Anfang an mit einer Ahnung, wozu er bestimmt war«. Den Abdruck seines Beitrages von 1929 ergänzte Müller mit einigen biographischen Angaben zu Cossmann, »diesem Deutschen, der aus der abstrakten Denkform des Ju258 Müller an Weiner, 22. 9. 1949, BayHStA, NL von Müller 483. Auch zu Cossmann vgl. die wenige Jahre darauf erschienenen Erinnerungen: E. Aretin, Krone und Ketten. 259 Müller an Weiner, 10. 10. 1949, BayHStA, NL von Müller 483. 260 Müller an Merkur, 1. 10. 1949; Paeschke (Merkur) an Müller, 13. 10. 1949, DLA, D:Merkur. 261 Müller an Schöningh (Hochland), 30. 10. 1949, BayHStA, NL von Müller 483. 262 Schöningh an Müller, 29. 11. 1949, ebd. 263 Müller an Schöningh, 26. 1. 1950, ebd. Vgl. zu Schöningh auch Harbou, Wege und Abwege. 264 Vgl. das Vorwort zu Müller, Cossmanns Ende (1950), S. 368. 265 Müller, Widmung, in: Cossmann zum sechzigsten Geburtstage (1929), Zitat S. VI.

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dentums gekommen war«.266 Noch im stilisierten Epitaph konnte sich Müller vom eingeübten, antisemitisch grundierten Denkstil der vergangenen Jahrzehnte nicht lösen.267 Doch stand Cossmann ohnehin nur vordergründig im Mittelpunkt des Beitrages. Die Verhaftung Cossmanns nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, so Müller, »war der Anfang seiner Ablösung aus unserer Welt, aber alles weitere geschah langsam und fast unmerkbar«. Die Beschwörung eines vermeintlich überweltlichen Schicksals, dies war der Kern der Erzählung, entzog Cossmanns Verfolgung und Ermordung einer nicht zuletzt für Müller zugänglichen und beeinflussbaren Realität: »Ich kann sein Emporsteigen im Martyrium hier nur an meinem eigenen Versagen ermessen.« Die unterwürfige Formulierung entsprach diesem Schema ebenso wie die Zumutung, Deportation und entkräftetes Sterben eines 73jährigen in Theresienstadt – das laut Müller »als verhältnismäßig bestes jüdisches Konzentrationslager bezeichnet wurde« – als religiösen Aufstieg zu zeichnen. Weitaus weniger transzendental als detailgenau fiel hingegen Müllers Darstellung seines Einsatzes für Cossmann nach der Verhaftung aus. Auch an Weiners betont nüchternen, Cossmanns Religiosität gleichwohl nicht aussparenden Bericht fügte Müller die für ihn nützliche Überhöhung Cossmanns an. Müller habe »am eigenen Leibe erlebt, daß ein Weltmensch wie ich der nahe Zeitgenosse, ja der Freund eines Märtyrers sein kann und doch nicht imstande ist, sein Los zu teilen.«268 Welche Reaktionen erhielt Müller auf dieses Deutungsangebot? Erwein von Aretin, Mitglied des Kreises um Cossmann und ebenfalls im März 1933 verhaftet, wurde bei der Lektüre »bewußt«, wie »gnädig Gott mit mir verfuhr, daß er mich gleich am ersten Anfang verhaften ließ und mir so jede Entscheidung abnahm. Wäre dies nicht der Fall gewesen: wieviel Kompromisse mit dem 3. Reich hätte ich bestimmt abgeschlossen«. Wenig überraschend dankte Müller für »Ihre ritterlichen Worte«, dieser »Klang wird so selten in unserer Welt.«269 Auch Arthur Hübscher, Redakteur der Süddeutschen Monatshefte wie der Münchner Neuesten Nachrichten, war erfreut, dass Cossmanns »Andenken ein so würdiges Denkmal gesetzt« werde. Dass er, so Müller an Hübscher, den »Aufsatz über Cossmann aus innerer Not geschrieben habe, werden Sie beim Lesen wohl gefühlt haben.«270 Schließlich hatte Müller den Aufsatz auch an 266 Müller, Cossmanns Ende (1950), S. 368, 372. 267 Vgl. auch die fast wortgleiche Formulierung in: Müller, Mars (1954), S. 56. 268 Müller, Cossmanns Ende (1950), Zitate S. 373 – 374, 379. Vollkommen frage- und kritiklos übernahm Kinner die Darstellung Müllers: »Mit welcher gläubigen Ergebenheit er das Konzentrationslager ertrug und sein aufopferungsvolles Verhalten gegenüber seinen Mitgefangenen brachte Karl Alexander von Müller in seinem Nachruf ›Paul Nikolaus Cossmanns Ende‹ mit einem Augenzeugenbericht menschlich sehr nahe.« Vgl. Kinner, Müller, S. 24. 269 Aretin an Müller, 25. 3. 1950; Müller an Arentin, 30. 3. 1950, BayHStA, NL von Müller 483. 270 Müller ergänzte eine neue Version seiner Pensionierung: »Ich selber erhielt im Sommer 1948 meine Professur wieder, habe aber als 65er meinen Abschied erbeten, die Erfahrungen von

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Cossmanns Schwester gesandt, die nach England emigriert war. Nicht mit Vorwürfen, mit Dankbarkeit reagierte Lulu Cossmann. Sie sei »glücklich, daß ich Sie wieder als sein Freund« sehen könne, sei dankbar zu wissen, dass »Sie die Versuche, ihm zu helfen, erst aufgegeben haben, als Ihre Familie bedroht war.«271 Das Umfeld Cossmanns akzeptierte Müllers Darstellung, mehr noch, es schien fast, als gebühre Müller Dankbarkeit für seine publizistische Zuwendung.272 Nicht zuletzt jenen, die nicht seinem Weg in den Nationalsozialismus gefolgt waren, bot Müller ersehnte Antworten, bot ihnen die Erneuerung einer vermissten Gemeinschaft an. Der Aufsatz sei, so Bekannte Müllers, wertvoll, da sie daraus erfahren hätten, dass »Sie anders wie wir und Dr. Hübscher Cossmann in Ebenhausen aus zwingenden Gründen nicht mehr besuchen konnten. Merkwürdigerweise hat er mir über diesen Zusammenhang nichts erzählt.«273 Solche knappen Zweifel – »Ich gestehe Ihnen offen, dass ich selbst auch zu den Vielen gehört habe, die Ihre Einstellung und Ihren Weg nicht verstanden haben« – wiederum gaben Müller die Möglichkeit, rückhaltlos seine Schuld einzugestehen, um anschließend im Detail eben dieses Eingeständnis aufzulösen, auf die zahlreichen entlastenden Schreiben und Zeugnisse zu verweisen. Und gegebenenfalls auch schlicht zu lügen – er sei kein formelles Parteimitglied gewesen und erhielt »im September 1933, gegen meinen Willen, die Partei-Anwärterkarte zugestellt«.274 Mit einem ebenso zwiespältigen Geständnis reagierte Müller auf die Vorwürfe der Witwe des Romanisten Karl Vossler. Es sei ihm, so Müller, »bewusst, dass mein Verhalten nach 1933 nicht verständlich war, und trage schwer an dem, was darin an wirklicher Schuld gelegen ist.« Das war ebenso allgemein formuliert wie es noch offen ließ, worin die »wirkliche Schuld« gelegen habe.275 Müllers Engagement im Nationalsozialismus, so öffentlich wie in dezidierter Abwendung von früheren Bindungen es stattgefunden hatte, war allgemein bekannt, die vorsichtig geäußerte Kritik jedoch wurde vom Angebot einer wieder herzustellenden Gemeinschaft mühelos überstrahlt. Nicht zuletzt mit immer zahlreicheren regional- und kulturgeschichtlichen Veröffentlichungen bestätigte Müller öffentlich seinen Willen zur Rückkehr, er »brodle von Plänen«.276 Sein publizistischer Wiederbeginn war gelungen.

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1945 waren zu widerwärtig.« Vgl. Müller an Hübscher, 1. 4. 1950; zuvor Hübscher an Müller, 30. 3. 1950, ebd. Vgl. zudem die Erinnerungen: Hübscher, Erlebt – gedacht – vollbracht. Cossmann an Müller, 4. 4. 1950, BayHStA, NL von Müller 483. Wie wenig selbstverständlich Müllers »Rückkehr« in den 1933 verlassenen Kreis war, offenbart sein sehr vorsichtiges Schreiben an die Witwe Josef Hofmillers: »Aber das Schweigen von zwei Jahrzehnten ist doch eine Kluft, über die man nicht leicht springt.« Vgl. Müller an Hulda Hofmiller, 7. 10. 1955, Monacensia, NL Hofmiller, HH B 103. Ernst und Julie Reisinger an Müller, 3. 5. 1950, BayHStA, NL von Müller 483. Ludger Rid an Müller, 17. 4. 1950; Müller an Rid, 18. 4. 1950, ebd. Müller an Emma Vossler, 5. 4. 1950, ebd. Müller an Wilhelm Diess, 21. 2. 1950, BayHStA, NL von Müller 257.

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Weniger zufrieden war Müller mit seinem institutionellen Status, die Versetzung in den Ruhestand empfand er als »Unrecht« und hoffte, diese noch in eine Emeritierung umzuwandeln.277 Trotz der bereits erlangten und noch folgenden publizistischen Erfolge gestaltete sich Müllers institutionelle Rückkehr schwierig. Nicht zuletzt seine vormalige Prominenz stand einer unauffälligen Reintegration im Wege. Auf eine Einladung zu einem Grußwort anlässlich des fünfzigsten Geburtstages von Kultusminister Alois Hundhammer erwiderte Müller, dass er gern komme, aber »mit einer Festansprache müßte ich fürchten, den Gefeierten zu belasten: also nein.«278 Dass dieser Teil seines Weges aus dem Nationalsozialismus mühselig werden würde, erkannte Müller jedoch erst mit der Zeit, da ihm nach der Pensionierung erste kleinere Erfolge den Eindruck vermittelten, seine auch institutionelle Rehabilitierung würde unisono gewünscht. Noch 1948 teilte ihm die Österreichische Akademie der Wissenschaften mit, dass »minderbelastete« ehemalige Parteiangehörige als korrespondierende Mitglieder in der Akademie verbleiben könnten. Erfreut berichtete Müller von seiner entsprechenden Eingruppierung, und war als Mitglied offiziell wieder anerkannt.279 Ein halbes Jahr darauf sandte er auf Bitten der Wiener Akademie einen Lebenslauf, der die gewonnene Selbstdeutung konzise zusammenfasste. Im Sommer 1914 schien er, so Müller, auf »gesichertem Weg zu einer erfreulichen akademischen Laufbahn«, dann aber folgte »die Wendung zur historischpolitischen Publizistik«. Zunächst hielt er diese »nur für die Anforderung des Kriegs, aber die allgemeine Erschütterung, die mit diesem begann, pflanzte sich unaufhaltsam weiter« fort. Schließlich sei 1933 »die Politik auch in das wissenschaftliche Leben des einzelnen Historikers« eingebrochen, die »Geschichte der sechzehn folgenden Jahre« läge zu nahe, »um sie mit wenigen Worten sicher zu umreißen«. Entsprechend vage blieben die Ausführungen zur NS-Zeit, Müllers »Trachten« in der HZ war »zunächst, Altes und Neues auf dem gemeinsamen Boden sachlicher kritischer Wissenschaft zusammenzuführen«. Eine nicht gänzlich falsche Behauptung, die allerdings seine Ziele als nationalsozialistischer Historiker verschwieg. Boten Müllers Ausführungen zum Beginn seiner Karriere aufschlussreiche Deutungen, nahm mit der jüngsten Vergangenheit ihr Wahrheitsgehalt stetig ab: »1948 erbat ich als über 65jähriger meinen Abschied.«280 Auch seine historiographischen Ziele hatte Müller der Österreichischen Akademie erläutert. Er habe versucht, die bayerische Landesgeschichte »enger als dies bisher geschehen war, in den großen Zusammenhang der gesamt277 So Müller an Wilhelm Reif, einen ehemaligen Akademieangestellten, 23. 11. 1950, BayHStA, NL von Müller 264. 278 Müller an Franz Xaver Wahl (BVV), 24. 1. 1950, BayHStA, NL von Müller 476. 279 ÖAdW (Generalsekretär Josef Keil) an Müller, 27. 12. 1948; Müller an Keil, 4. 1. 1949, BayHStA, NL von Müller 4. 280 Müller »Aus meinem wissenschaftlichen Lebenslauf«, 4. 8. 1949, übersandt an ÖAdW am 11. 8. 1949, BayHStA, NL von Müller 430.

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deutschen Geschichte einzubauen – und ebendadurch in dieser gesamtdeutschen Geschichte den süddeutsch-südostdeutschen Anteil stärker hervorzuheben, als dies seit der Vorherrschaft der kleindeutschen Geschichtsschreibung in Deutschland üblich geworden war.« Diese Selbstdeutung verschwieg die oftmals betonte, ausdrückliche Vorbildrolle Preußens in Müllers Geschichtsbild, die gesondert herausgehobene Bedeutung der bayerischen Geschichte in diesem »wissenschaftlichen Lebenslauf« verweist aber auf ihre Bedeutung für Müllers Wiederbeginn nach 1945. Vor allem institutionell bot die bayerische Landesgeschichte Müller einen Rückzugsraum in seiner anhaltenden biographischen Krise, deren Ende durch eine umfassende Rehabilitierung nicht absehbar war. Im Januar 1949 erhoffte Max Spindler, seit 1946 Vorsitzender der Kommission für bayerische Landesgeschichte, von Müller »Gaben aus der bayerischen Geschichte«, es müsste »sich ermöglichen lassen, dass Sie wieder in der Kommission tätig werden.«281 Dies wäre, so Müller, ein »Herzenswunsch«, auch übernähme er gern die »Vollendung der Chroustschen Edition«.282 Im April musste Spindler jedoch eingestehen, dass eine Wiederaufnahme »nicht von kurzer Hand durch den Ortsausschuß der Kommission in Ordnung gebracht werden« könne, sondern der Jahressitzung bedürfe.283 Müller zeigte sich einsichtig, wollte diese erste institutionelle Rückkehr von Rang aber offenbar nicht den Unwägbarkeiten einer Gesamtsitzung der Kommission überlassen und begann, für sich zu werben. Auch Walter Goetz möge, bat Müller, seine Wiederaufnahme befürworten, von den »älteren Mitgliedern, die meine Tätigkeit in der Kommission kennen«, könne er sich nicht denken, dass »sehr viele dagegen sein sollten.« Erich Freiherr von Guttenberg, Leiter der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, den Würzburger Theologen Andreas Bigelmair sowie den ihm seit Jahrzehnten verbundenen Fridolin Solleder bat Müller um entsprechende Voten.284 Alle drei folgten Müllers Wunsch. In ihrer zweiundzwanzigsten Gesamtsitzung erklärte sich die Kommission, auf Anregung Solleders sowie unterstützt von Bigelmair und Guttenberg, damit einverstanden, dass Müller »seine Tätigkeit als Kommissionsmitglied wieder aufnimmt.«285 Umgehend verkündete Spindler die gute Nachricht, besonders befriedigt zeigte sich Müller davon, dass der Antrag »widerspruchslos« angenommen sei. Schon deshalb begrüße er, dass »die Wiederaufnahme durch eine ausdrückliche Entscheidung der Gesamtkommission erfolgte; aber dieser modus war sicher auch

281 Spindler an Müller, 13. 1. 1949, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller. Zu Spindler wie seinem Nachfolger, dem Müller-Schüler Karl Bosl, vgl. F. Kramer, Spindler/Bosl. 282 Müller an Spindler, 20. 1. 1949, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller. 283 Spindler an Müller, 27. 4. 1949, BayHStA, NL von Müller 4. 284 Müller an Goetz, 30. 4. 1949; Müller an Guttenberg, 26. 5. 1949; Müller an Bigelmair, 26. 5. 1949; Müller an Solleder, 26. 5. 1949, ebd. 285 Niederschrift über die 22. Gesamtsitzung der KommBayLG, 18. 6. 1949, KommBayLG, Sitzungsprotokolle.

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sonst, aus mehr als einem Grund, der richtige.«286 Die ungeteilte Anerkennung durch die »Kollegen«, die erneute Kooptation in den Kreis der Disziplin, nicht zuletzt gleichbedeutend mit einer Revision seines Ausschlusses: Es war dieses Ziel, welches Müllers Versuche einer institutionellen Rehabilitierung vorrangig prägte. Als Vertreter der Interessen Müllers in der landesgeschichtlichen Kommission profilierte sich vor allem Solleder, der noch vor der Rückkehr gar Müllers Wahl zum zweiten Vorsitzenden angeregt hatte. Ein entsprechender Antrag war, nachdem Solleder die Initiative wiederholte, von Spindler unterbunden worden.287 Bei aller Freude über die Rückkehr, Müller war sich ihrer heiklen Aspekte bewusst. Er dankte Solleder für seinen Antrag, der Rückzug aber sei richtig gewesen. Müller warb, seine frühere Rolle einnehmend und zugleich möglicher Kritik an dieser begegnend, um Verständnis für Spindler. Man komme »als Vorsitzender manchmal in merkwürdige Zwangslagen, und muß nur froh sein, wenn sie einem später nicht als politische Verbrechen ausgelegt werden.«288 Für die Kommission begleitete Müller den Abschluss der »Gesandtschaftsberichte aus München 1814 – 1848«, verfasste für die Reihe auch ein Nachwort.289 Wegen Erkrankung musste Müller die Jahressitzung 1950 ausfallen lassen, im folgenden Jahr jedoch nahm er, zum ersten Mal seit Kriegsende, teil. Der Vorstand hieß Müller besonders willkommen, es sei ihm zu verdanken, dass »die Kommission in den schwierigen Jahren 1933 – 1945 weiterarbeiten konnte.«290 »Eben höre ich, daß Mitte September […] in München ein allgemeiner deutscher Historikertag« stattfinde, wenn der »Danton« dann »in den Läden liegen könnte, wäre es sehr schön, und vermutlich auch für den Verkauf ganz günstig.«291 Keineswegs war Müller, als er sich die Orte seiner Auftritte und Mitwirkung noch hatte aussuchen können, als ein emsiger Besucher der Historikertage aufgefallen. Im Gegenteil, in seiner mehr als fünf Jahrzehnte währenden Karriere nahm Müller an genau zwei Historikertagen teil, 1913 in Wien als engagierter Nachwuchshistoriker und 1949 in München als in diesem Rahmen geduldeter Rekonvaleszent.292 Müller suchte Möglichkeiten, sich und seine jüngsten Veröffentlichungen zu präsentieren, wollte an den Unternehmungen der Disziplin teilhaben. Ein Besuch auf dem Historikertag in Mün286 Spindler an Müller, 20. 6. 1949; Müller an Spindler, 22. 6. 1949, BayHStA, NL von Müller 4. 287 Vgl. Solleder an Müller, 28. 5. 1949, ebd.; Solleder an Spindler, 27. 9. 1949, KommBayLG, Sitzungsprotokolle; Solleder an Müller, 12. 6. 1950, BayHStA, NL von Müller 429. 288 Müller an Solleder, 15. 6. 1950, ebd. 289 Vgl. Müller, Nachwort, in: Gesandtschaftsberichte (1951). 290 Niederschrift über die 24. Gesamtsitzung der KommBayLG, 25./26. 5. 1951, KommBayLG, Sitzungsprotokolle. Vgl. dort auch eine Reihe von Unternehmungen, an denen Müller sich beteiligte. 291 Müller an Maier (DVA), 4. 7. 1949, BayHStA, NL von Müller 451. 292 Zur Neugründung des Historikerverbandes u. zum ersten Nachkriegshistorikertag, beides wesentlich unter der Ägide Gerhard Ritters, vgl. Schulze, Geschichtswissenschaft, S. 159 – 182.

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chen wie auch die Mitgliedschaft im Verband der Historiker Deutschlands war, im Vergleich zur ordentlichen Emeritierung oder zur Rückkehr in den auserwählten Kreis der Historischen Kommission, von vergleichsweise niedrigem Rang und deshalb auch durch jene zu tolerieren, die Müllers institutioneller Rehabilitierung weniger freudig gegenüberstanden als die Kommission für bayerische Landesgeschichte.293 Zudem bot die Münchner Tagung für Müller die seltene Chance zur Rückkehr in eine vermisste Rolle. Waren seine Einschätzungen zur Lage der Geschichtswissenschaft einst gefragt gewesen, streute er nun seine Wertung unter Schülern und Freunden. Das »Ergebnis des Historikertages« komme ihm, so Müller an Kurt von Raumer, im »Rückblick nicht so gewichtig und vor allem nicht so lebendig vor, wie ich erhofft hatte. Beides gilt auch von Ritters Reformplänen: etwas kurzstilig und zünftlerisch, so als ob wir in einem festen Schiff mit friedlichen Winden führen. Ich fürchte, wir werden nicht so billig durchkommen.«294 Vor allem der Vortrag von Rothfels – »jetzt Prof. i. Chikago« – über Bismarck hatte Müller imponiert, alles andere »hätte vor 40 Jahren gerade so gesagt werden können, einschl. der angepriesenen Reformpläne für die deutsche Geschichtswissenschaft. Ich hatte manchmal das Gefühl als ob ›wir‹ mit unsern Irrtümern noch lebendiger gewesen wären als die jetzige selbstüberzeugte Schulmeisterei. Aber vielleicht ist dies der Eindruck eines laienhaften Heilkräutersammlers aus den Bergen.«295 Dass der langjährige Konkurrent Gerhard Ritter nun das Fach anführte und auch den Historikertag dominiert hatte, setzte dem trotz allem keineswegs ambitionslosen Müller zusätzlich zu.296 Der geglückte publizistische Wiederbeginn und erste Schritte zurück in historische Institutionen nährten die Hoffnung Müllers, eine vollständige Rehabilitierung könnte möglich sein. Zudem erhielt er durchaus Bestätigungen für die Auffassung, sein Ausschluss sei unberechtigt und deshalb zu revidieren: »Auch ich habe in den letzten Jahren oft an Sie und Ihr schweres Schicksal gedacht. Und nicht vergessen kann ich es Ihnen, daß Sie in den Jahren des Naziterrors in der ›H.Z.‹ so mutig für mich eingetreten sind.«297 Nicht nur der Müller nun nachsichtig bewertende Friedrich Meinecke, auch der in die Emigration gezwungene Wolfgang Hallgarten ließ sich trotz Müllers Engagement für den NS-Staat nicht von einer freundlichen, fast jovialen Korrespondenz abhalten: »Unter dieser leichten Vermummung werden Sie 293 Müller blieb nach dem Münchner Historikertag Mitglied des Verbandes, vgl. die Mitgliederverzeichnisse in: Bericht über die 21. Versammlung deutscher Historiker in Marburg/Lahn 1951, S. 54; Bericht über die 22. Versammlung deutscher Historiker in Bremen 1953, S. 58; Bericht über die 23. Versammlung deutscher Historiker in Ulm 1956, S. 112, danach unterblieb ein Abdruck. 294 Müller an Raumer, 26. 9. 1949, ULBM, NL Kurt von Raumer A 2,4. 295 Müller an Karl August Fischer, 27. 9. 1949, BayHStA, NL von Müller 258. 296 Vgl. Müller an Heinrich von Srbik, 27. 9. 1949, BayHStA, NL von Müller 494. 297 Meinecke an Müller, 22. 11. 1949, BayHStA, NL von Müller 482.

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wohl unschwer Ihren ehemaligen Schueler wiedererkennen, den es inzwischen tuechtig durch die Welt geschuettelt hat.«298 Über Müllers Position und Rang in der Geschichtswissenschaft der frühen Bundesrepublik war noch nicht entschieden, chancenlos waren seine Bemühungen offenbar nicht. Der Aufstieg seiner Schülerschaft, auch wenn mit Kurt von Raumer und Theodor Schieder bereits zwei ordentliche Professuren innehatten, sollte erst Mitte der 1950er Jahre an Schwung gewinnen. Doch auch die weniger ambitionierten unter Müllers Doktoranden fanden ihren Weg in der sich neu formierenden institutionellen Landschaft der Disziplin, gelegentlich mit Unterstützung ihres Lehrers. So erreichte Müller im März 1948 eine Anfrage zu Anton Hoch, von ihm promoviert im Sommersemester 1939 mit einer Dissertation über den »politischen Umsturz 1918/19 im deutschen Westböhmen«. Als Bewerber für den Archivdienst sollte Hoch begutachtet werden. Zwar war die Dissertation im Krieg verloren gegangen, doch wäre seinerzeit das Gutachten auch an Müller gesandt worden.299 In der Tat sorgte nicht nur der Titel der Dissertation für Nachfragen, in seinem Gutachten von 1939 hatte Müller moniert, nicht immer glücklich sei »die Beurteilung der damaligen Vorgänge und Persönlichkeiten; hier scheint der Vf. manches doch zu sehr aus Voraussetzungen zu messen, die zwar 1938/39, aber nicht zwanzig Jahre früher gegeben waren.«300 Angesichts der Wertungen Müllers zu anderen Doktorarbeiten muss Hochs Arbeit, deren Inhalt nicht mehr überprüfbar war, dezidiert an den politischen Vorgaben des Jahres 1939 orientiert gewesen sein. Für die Anfrage der Archivdirektion jedoch ließ sich Müller mit Notizen von Hoch ausstatten. Dieser beschrieb das Problem unumwunden, die Frage sei, war es »eine ›Heim in’s Reich Arbeit‹?« Die von Hoch zusammengestellten Gegenargumente übernahm Müller nahezu wörtlich.301 Auch als im Jahr darauf eine Bewerbung Hochs als Archivar am entstehenden Institut für Zeitgeschichte anstand, assistierte sein Lehrer mit Fürsprache und Gutachten.302 Im folgenden Jahr verkaufte Müller, stets über seinen Schüler Hoch, an das Institut für Zeitgeschichte aus seiner Bibliothek die fast »geschlossene Reihe der Veröffentlichungen des ›Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands‹« sowie auch seine gesammelten Bände der Historischen Zeitschrift.303 298 Hallgarten zeichnete seit seiner Emigration als »George W. F. Hallgarten«, vgl. Hallgarten an Müller, 5. 12. 1949; Müller an Hallgarten, 7. 12. 1949, BayHStA, NL von Müller 492. 299 Generaldirektor der staatlichen Archive Bayerns Hösl an Dekan Phil. Fak. UM, 11. 2. 1948; Dekan Phil. Fak. UM an Müller, 4. 3. 1948, BayHStA, NL von Müller 496. 300 Gutachten Müller, 8. 7. 1939, BayHStA, NL von Müller 395. 301 Müller an Generaldirektor der staatlichen Archive Bayerns Hösl, 9. 3. 1948; Anton Hoch »Notizen für Herrn Univ. Prof. Dr. K.A. v. Müller« o. D., BayHStA, NL von Müller 496. 302 Vgl. den Dank Hochs an Müller, 13. 7. 1949, ebd. Dass Müller Hoch beim Institut für Zeitgeschichte »unterbringen« konnte (vgl. Rupnow, Judenforschung, S. 366), überschätzt seine Rolle jedoch, kaum dürften die an der Einstellung beteiligten Schnabel und Goetz sich von Müller haben instrumentalisieren lassen, hinderlich war seine Fürsprache allerdings nicht. 303 Vgl. die Korrespondenz zwischen Hoch und Müller, Juli u. September 1950, in: BayHStA, NL von Müller 496. Müllers Bibliothek erwarb nach seinem Tod die neu gegründete Universität

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Dies alles waren nützliche und auch erwünschte Verbindungen, doch angesichts des früheren Ranges Müllers kein befriedigender Ersatz für die seit 1945 entbehrte Teilhabe an einflussreichen Gremien des Faches. In den Mittelpunkt der Bestrebungen Müllers sollte daher bald die Münchner Historische Kommission rücken. In ihr hatte er seine Karriere als Historiker im Kaiserreich begonnen, als Sekretär seit 1928 die Kommission wesentlich geprägt. Vor allem aber entsprach eine Zugehörigkeit, kooptiert durch die führenden Fachvertreter, einer Bestätigung herausragenden fachlichen Ranges. Diesen Ausweis seiner disziplinären Rehabilitierung erkor sich Müller zum Ziel. Noch vor der Pensionierung bot er der Kommission seine Mitarbeit an304, auch war Müllers institutionelles Wissen gefragt.305 Schließlich war die Kommission eingesprungen, als Müller zwischen Währungsreform und erster Rentenanweisung dringend Geld benötigte. Entsprechend zählte es zu Müllers ersten Initiativen, zu klären, »wie nun eigentlich meine Stellung zur Historischen Kommission ist oder sich entwickeln läßt.« Gern möchte er seine »Erfahrungen und Kenntnisse der Kommission wieder als Mitglied zur Verfügung stellen«.306 Allerdings hatte Müller im Frühjahr 1946 seine Mitgliedschaft in der Kommission auf Goetz’ Bitten zur Verfügung gestellt, der damit verbundene Hinweis auf ein etwaiges »Erlöschen« dieses Austrittes war unbestimmt geblieben. Angesichts der Rückkehr Müllers in die landesgeschichtliche Kommission über eine Bestätigung der Gesamtsitzung, im Grunde entsprechend einer regulären Wahl, schien dieser Weg auch bei der Historischen Kommission der gegebene zu sein. Eine erste Gelegenheit zur Wiederwahl Müllers bot sich im Herbst 1949. Das Sitzungsprotokoll vermerkt jedoch, Goetz habe zwar »unter Ausführungen« über Srbik und Müller bemerkt, dass »Wahlen statutengemäß möglich« seien. Indes habe »Heimpel beantragt keine Wahlen vorzunehmen und die Aussprache […] nicht fortzusetzen. Der Antrag wird gegen die Stimme von Herrn Andreas angenommen.«307 Gegenüber Goetz konnte Müller seine Enttäuschung verbergen, er werde »mit einigen mir nahestehenden Herrn« sprechen, es werde sich ergeben, ob »der Zeitpunkt schon jetzt der richtige ist, oder ob noch etwas Geduld besser ist.«308 Als treibende Kraft hinter der Verlegung der Wahlen

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Regensburg, deren Gründungsrektor sein Schüler Götz von Pölnitz war, vgl. Lübbers, Beobachtungen, S. 216 – 219. »Ich wiederhole gern und bindend meine Bereitschaft zur Bearbeitung sowohl ›meines‹ alten Bandes der 30jährigen Kriegsakten als auch der kritischen Neuausgabe von Rankes Englischer Geschichte.« Vgl. Müller an Goetz, 27. 8. 1947, HiKo I Band 6. So gab Müller Auskunft zu einer haushaltsrechtlichen Regelung, vgl. Müller an Goetz, 6. 10. 1947, ebd. Goetz bediente sich der Auskunft – »wie der damalige Sekretär, Herr Prof. Dr. von Müller, ausdrücklich bestätigt.« – vgl. HiKo (Goetz) an KM, 10. 3. 1948, BayHStA, MK 71106. Müller an Goetz, 18. 10. 1948, BayHStA, NL von Müller 4. Niederschrift über die Sitzung der HiKo, 15./16. 9. 1949, HiKo I Band 127. Müller an Goetz, 10. 10. 1949, BayHStA, NL von Müller 4.

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Untergang (1943 bis 1951)

identifizierte Müller schließlich Gerhard Ritter.309 Als sein Gewährsmann in der Kommission riet Willy Andreas, Müller solle versuchen, für seine »Schaffenskraft Raum zu gewinnen und die Enttäuschungen der akademischen Welt, deren Kredit ohnedies im Sinken ist, in ein Plus für sich zu verwandeln.«310 Dies jedoch fiel Müller sichtlich schwer, wäre die Kommission doch »genau wie die Hist. Reichskommission mit einem Federstrich beseitigt« worden, wenn er und Erich Marcks nicht »Walter Frank aufgehalten hätten; das kümmert freilich keinen von den tapfern Männern, die jetzt die politischen Tugendwächter spielen.«311 Erneut galt es, Müllers Wirken als Historiker für den Nationalsozialismus zu werten – hatte die Kommission wegen oder trotz seines Einsatzes überlebt, war Müllers Engagement als nationalsozialistischer Wissenschaftsfunktionär zu ihren Gunsten oder ihrem Schaden ausgeschlagen. Müller hoffte zudem, eine Rückkehr in die Akademie selbst könnte gelingen. Zwischenzeitlich waren auch die Spruchkammerverfahren anderer suspendierter Akademiemitglieder abgeschlossen worden. Umgehend beantragte die Akademie eine Wiederaufnahme ihrer Mitgliedschaft, ob für die als »Entlastete« eingestuften Johannes Heckel und Helmut Berve oder den gleich Müller als »Mitläufer« bewerteten Theodor Mayer.312 Dass es für Müller vorerst keinen Weg zu einer neuerlichen Mitgliedschaft in der Akademie gab, lag demnach nicht allein an seinem Engagement im NS-Staat. Es war die ihm bereits 1945 vorgeworfene Mitwirkung an der Einschränkung der institutionellen Autonomie der Akademie, die Müller zum Verhängnis wurde. Entsprechend hatte die Akademie seinem Amtsnachfolger bestätigt, dieser sei trotz der Mitgliedschaft in der NSDAP »in sehr energischer Weise gegen die Eingriffe der Nazi-Regierung in die Rechte der Akademie aufgetreten […], also keineswegs ein aktiver Nationalsozialist« gewesen.313 Während das nicht auf die Akademie bezogene nationalsozialistische Engagement einzelner Mitglieder toleriert beziehungsweise marginalisiert werden konnte, bedurfte die Wiederherstellung der institutionellen Integrität der Akademie des fortgesetzten, nicht zuletzt symbolisch bedeutsamen Ausschlusses Müllers. Doch verfügte Müller noch über eine Reihe persönlicher Kontakte in der Akademie. Mit dem ehemaligen Abteilungssekretär Jonathan Zenneck tauschte sich Müller aus, nüchtern sondierte Zenneck die Möglichkeiten: »Rein formell liegen die Verhältnisse doch wohl so: Sie sind freiwillig aus der Akademie ausgeschieden. Sie befinden sich also in der Lage eines Professors, der der Akademie nicht angehört, aber gerne hereinkommen möchte.« Müller solle ein Vgl. entsprechend Müller an Heinz Gollwitzer, 16. 11. 1949, ebd. Andreas an Müller, 3. 12. 1949, BayHStA, NL von Müller 491. Müller an Andreas, 21. 12. 1949, GLA, NL Willy Andreas 860. Vgl. den Antrag auf Wiederzulassung Heckels als ordentliches Mitglied: Präsident der BAdW an KM, 20. 4. 1948, BayHStA, MK 71097. Selbiges zu Berve, vgl. Präsident der BAdW an KM, 13. 9. 1948, ebd. sowie zu Mayer, vgl. Präsident der BAdW an KM, 26. 1. 1949, ebd. 313 Vgl. den Antrag auf Wiederzulassung von Mariano San Nicolo als ordentliches Mitglied: Präsident BAdW (Walther Meißner) an KM, 12. 11. 1947, ebd. 309 310 311 312

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Konsolidierung und Wiederbeginn

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ihm nahestehendes Mitglied bitten, sich für seine Wahl einzusetzen. Ob der richtige Zeitpunkt hierfür erreicht sei, lasse sich schwer beurteilen, doch gehe die Entwicklung in die Richtung, »die ›politische Vergangenheit‹ immer milder zu beurteilen, zu denken, dass die ›Betroffenen‹ ihr Missverständnis wirklich genügend ›abgebüsst‹ haben & dass es endlich Zeit ist, einen Strich unter das Vergangene zu machen.«314 Dass er genug »abgebüsst« habe, davon war Müller fest überzeugt, als Mitglied seines Vertrauens wählte er den Byzantinisten Franz Dölger.315 Er sei 1945, so Müller, »sehr gegen meine innerste Einstellung« ausgetreten, den letzten Ausschlag hätten Erkrankung und die Gefangennahme auch seines zweiten Sohnes gegeben: »Aber ich darf sagen, daß dieser Schritt bei meiner langen, vielseitigen Verbindung mit der Akademie eine Wunde in mir hinterlassen hat, die mit der Zeit nicht weniger, sondern heftiger schmerzt.«316 Ob Dölger Möglichkeiten für seine Rückkehr sehe bzw. den Zeitpunkt für gegeben halte? Müllers Hoffnungen musste Dölger enttäuschen, er selbst würde die Rückkehr sehr begrüßen, doch habe Müller in der Akademie »Gegner von einer eigentümlichen Vehemenz und Zähigkeit.«317 Die publizistische Rückkehr Müllers erfuhr zunächst keine weitere institutionelle Entsprechung. Sein anhaltender, noch im Nationalsozialismus einsetzender »Untergang« hatte in den späten 1940er Jahren fraglos eine Umkehr erfahren. Müller war durch seine Pension finanziell abgesichert wie mit ersten schriftstellerischen Erfolgen vorsichtig wieder »ins Licht« getreten. Seine Versuche, in der deutschen Geschichtswissenschaft auch in einem breiteren Rahmen wieder als satisfaktionsfähig zu gelten, gleichsam durch die neuerliche Kooptation seinen Ausschluss zu revidieren, waren keineswegs beendet. Seine eigentliche Rolle in der frühen Bundesrepublik sollte Müller jedoch auf einem anderen Feld finden.

314 Zenneck an Müller, 3. 10. 1949, BayHStA, NL von Müller 4. 315 Neben Universität und Akademie verband beide der Beginn ihrer akademischen Laufbahn, auch Dölger war, zehn Jahre nach Müller, Stipendiat des Maximilianeums gewesen. 316 Müller an Dölger, 27. 11. 1949, BayHStA, NL von Müller 4. 317 Dölger an Müller, 23. 12. 1949, BayHStA, NL von Müller 2.

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7. Rückkehr (1951 bis 1962) 7.1 Versuche der Annäherung Auch wenn sich Müller nach seiner Entnazifizierung um die erneute, über freundliche Korrespondenzen hinausreichende Anerkennung durch andere Historiker bemühte, auf eine ausschließliche Resonanz in fachwissenschaftlichen Kreisen angewiesen war er bereits vor seiner Karriere im Nationalsozialismus nicht. Sein Publikumserfolg wie die Anerkennung als wissenschaftlich ausgewiesener Historiker bedingten einander. Die populäre Geschichtsschreibung profitierte von der einem Universitätsprofessor zugeschriebenen Kompetenz, die Position innerhalb der Disziplin wiederum wurde durch den öffentlichen Erfolg gestärkt. Es lag daher nahe, nachdem die universitäre Geschichtswissenschaft Müllers Rückkehr nur bedingt duldete, sich seinem komplementären Wirkungsfeld als öffentlichkeitswirksamer Autor verstärkt zuzuwenden. Allerdings, ein Wiederbeginn erschien auch in dieser Hinsicht heikel. Vorsichtig hatte Müller bereits 1947 an Herbert Steiner, zuvor als Schriftleiter der Corona wichtigster Vertrauter für seine literarischen Ambitionen, ein Lebenszeichen gesandt, eine Antwort blieb jedoch aus. Zwei Jahre darauf startete Müller einen neuen Versuch, es liege ihm sehr an dieser Verbindung, die »mir im Leben viel bedeutet hat«.1 Etwaige Befürchtungen waren unberechtigt, die Fortführung der Corona »verargte« Steiner nicht und auch die von Müller übersandten »Erinnerungen« lese er gern, in »derselben Gesinnung und mit derselben Vorfreude mit der ich alle Ihre Schriften gelesen und wiedergelesen habe.«2

7.1.1 Selbstdeutung auf offener Bühne – Müllers Erinnerungen Lange bevor 1943 in der ersten der neuen Folgen der Corona mit »Aus einer Münchner Kinderzeit« ein Auszug aus seinen späteren Erinnerungen erscheinen sollte, hatte Müller autobiographische Pläne gehegt. Bereits 1930 erwog er als Vortragsthema bei den Münchner Rotariern seine Studienzeit in Oxford3, zwei Jahre darauf notierte er als Arbeitspläne »Autobiographisches« beziehungsweise »Erinnerungen (eines dt. Studenten) an Oxford«.4 Auch in 1 2 3 4

Müller an Steiner, 5. 4. 1949, DLA, A:Steiner. Steiner (State College, Pa.) an Müller, 14. 8. 1949, BayHStA, NL von Müller 494. Vgl. Müllers schwarzes Notizheft 1930, S. 44, in: BayHStA, NL von Müller 459. »Heft für Arbeitspläne. Begonnen 27. November 1932«, BayHStA, NL von Müller 144.

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seiner Ansprache zum fünfzigsten Geburtstag bekannte Müller, man beginne zurückzuschauen, werde »empfänglicher für den Bazillus autobiographicus.«5 Vor allem das Jahr in England blieb als Gegenstand autobiographischer Reflexion präsent, während Müller als Historiker für den Nationalsozialismus überaus gegenwärtig wirkte, bot er der Schweizer Corona mehrfach einen »kleinen Aufsatz über Oxford« an.6 Der Drang zur persönlichen Rückbesinnung und Rückversicherung verstärkte sich mit dem beginnenden Untergang des NS-Staates erneut, auch nach dem ersten publizierten Ausschnitt setzte Müller die Arbeit an seinen Kindheitserinnerungen fort. Angesichts der Kriegszerstörungen in München, so schrieb Müller an Siegfried Kaehler, versuche er sich durch diese Arbeit zu »zerstreuen« – »Alterserscheinung?«7 Eine berechtigte Annahme, die nach langem, entsagungs- wie ergebnisreichem Gelehrtenleben gehaltene Rückschau zählte zu den beliebtesten Sujets deutscher Historiker jenseits der Ruhestandsgrenze.8 Doch in diesem Alter befand sich Müller, im Dezember 1942 hatte er seinen sechzigsten Geburtstag begangen, bei weitem noch nicht. Es scheint, dass die sich abzeichnende Kriegsniederlage, die schiere Unvorstellbarkeit dessen, was auf sie folgen könnte, als nahendes Lebensende aufgefasst, zur biographischen Reflexion vor allem der vermeintlich unberührtesten Erinnerungen, der Kindheitstage, verführte. Durchaus unabhängig vom Alter, auch Hans Herzfeld, genau zehn Jahre jünger als Müller, verfasste in den letzten Kriegsjahren Erinnerungen an seine Jugend wie Schul- und Studienzeit.9 In drastischer Weise untrennbar verknüpft waren schließlich Untergangserfahrung und Rückbesinnung in einem Brief, den Müller im April 1945 von Hermann Heimpel erhielt. Er wolle, solange man »noch hoffen kann, einen Brief nach Bayern durchzubringen«, einen letzten Bericht geben. Nach Göttingen oder Tübingen werde er nicht mehr kommen, verbleibe daher vorerst im »Schwarzwälder Volkssturm.« Unvermittelt, nicht zuletzt angesichts der offenbar nervenaufreibenden Wochen, wechselte Heimpel das Thema: »Ich arbeite seit einigen Monaten an einem autobiographischen Roman, von dem sechs Kapitel fertig sind. Der erste Band handelt von München (1904 – 1920)«. Seine letzte Mitteilung an Müller vor dem Kriegsende schloss Heimpel so dramatisch wie er sie begonnen hatte: »Verzweifeln aber will ich nie, auch nicht in der Vernichtung.«10 Der befürchteten Ver5 Ansprache Müller, Broschüre »Geburtstagsfeier in Oberbayern, Tegernsee, 17. 12. 1932«, BayHStA, NL von Müller 25. 6 Müller an Steiner, 25. 9. 1934, DLA, A:Steiner; Müller an Steiner, 23. 1. 1936, BayHStA, NL von Müller 444. 7 Müller an Kaehler, 10. 10. 1943, SUBG, NL Siegfried A. Kaehler 1.124 , Nr. 11. 8 Vgl. beispielhaft Schäfer, Mein Leben; Meinecke, Erlebtes. 9 Herzfeld, Lebenserinnerungen, zur Entstehungszeit S. 75, 140. Zur Autobiographie Herzfelds vgl. Liebmann, Erinnerungen. 10 Heimpel an Müller, 4. 4. 1945, BayHStA, NL von Müller 2. Nach Kriegsende ist Heimpel schließlich doch nach Göttingen gelangt, vgl. Linnemann, Ostforschung, S. 86 f.

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Rückkehr (1951 bis 1962)

nichtung sollte Heimpel entgehen und auch seine im Untergang begonnenen Erinnerungen veröffentlichen.11 Müller befand sich demnach in guter Gesellschaft. Vor allem in den Jahren zwischen Zusammenbruch, Amtsverlust und Spruchkammerverfahren dienten die Lebenserinnerungen als Halt, der Sinnstiftung in Aussicht stellte. Noch 1945 sprach Heinz Haushofer, Sohn des Geographen Karl Haushofer und Bruder des ehemaligen Schüler Müllers Albrecht Haushofer, Mut zu, es sei ein Vorhaben »solcher Zeiten würdig«.12 Im Frühjahr 1946 waren die Abschnitte zu Oxford im Entwurf abgeschlossen, im Herbst entwickelten sie sich zum »Bandwurm«, im Dezember schließlich konnte Müller vermelden: »Die Erinnerungen sind bis 1914 geschrieben«.13 Der Einsatz als Heilkräutersammler ließ Müller »noch Muße«, sodass er erwog, sich auch dem »dreißigjährigen Krieg der Zerstörung von 1914 bis 1945« zu widmen. Zunächst aber galt es äußere Hindernisse zu überwinden, ihm waren »Mund und Druckmöglichkeit verschlossen«, das Spruchkammerurteil war abzuwarten.14 Offen bekannte Müller, dass es »die erzwungene Muße«15 war, die ihn zur Autobiographie geführt hatte. Nach seiner Pensionierung begann er deshalb umgehend, die Lage für eine Veröffentlichung zu sondieren, kehrte zu Angeboten aus Kriegszeiten zurück16, zweifelte aber auch am Erfolg, denn seine Erinnerungen waren unterdes ein »ziemlich unhandlicher Brocken geworden, sodaß ich selbst als Verleger mir bedenklich die Stirn kratzen würde.«17 Vorerst aber erschien der »Danton« und Müller widmete sich der ersehnten Rehabilitierung durch die Geschichtswissenschaft. Als diese weniger selbstverständlich zu erlangen war als erhofft, wurden die Memoiren zum Notanker Müllers, der zwischen publizistischer Rückkehr und institutionellem Ausschluss einer konsistenten Rolle entbehrte. Für den 23. November 1950 lud der Historische Verein von Oberbayern in den kleinen Sitzungssaal des Münchner Rathauses, Müller lese »aus seinen Erinnerungen das Kapitel ›Eine Münchner Kinderund Jugendzeit.‹«18 Die Lesung musste, da Müller erkrankte, ausfallen, doch zeigte der geplante, erste größere Auftritt seit vielen Jahren – die Veröffentlichung seiner Erinnerungen würde Müller eine lange nicht gekannte Bühne bieten. Im Sommer 1950 waren Müller und sein früherer Verleger Gustav Kilpper wieder in Verbindung getreten, der gleichnamige Sohn plante eine Verlags11 Vgl. die 1949 erschienenen Jugenderinnerungen: Heimpel, Die halbe Violine. 12 Haushofer an Müller, 26. 12. 1945, BayHStA, NL von Müller 492. 13 Müller an Bernt von Heiseler, 23. 5. 1946, BayHStA, NL von Müller 5; Müller an Pfarrer Turtur, 11. 9. 1946, ebd.; Müller an Hermann Rinn, 6. 12. 1946, BayHStA, NL von Müller 440. 14 Müller an Ulrich Noack, 12. 6. 1947, BayHStA, NL von Müller 5. 15 Müller an Meinecke, 10. 11. 1947, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 275. 16 Auch Anton Kippenberg wollte weiterhin »das Erscheinen des Buches im Insel-Verlag sorgfältig erwägen.« Vgl. Kippenberg an Müller, 29. 10. 1948, BayHStA, NL von Müller 439. 17 Müller an Kurt von Raumer, 21. 11. 1949, ULBM, NL Kurt von Raumer A 2,5. 18 Vgl. die gedruckte Einladung in: BayHStA, NL von Müller 709.

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gründung. Selbstredend, so Kilpper an Müller, würde er es sehr begrüßen, wenn »Ihre Erinnerungen unter dem Verlagsnamen Kilpper erscheinen könnten«.19 Mit den unterbreiteten Kürzungsvorschlägen jedoch zeigte sich Müller wenig einverstanden, griff ein allerdings zwiespältiges Lob anlässlich seines sechzigsten Geburtstages auf: »Meinecke hat einmal als mein Besonderes innerhalb der letzten Historikergenerationen bezeichnet, daß in mir noch etwas vom bayerischen Barock lebendig sei: d. h. eine gewisse blühende, je nach Geschmack wird man sagen: überschüssige Fülle.« Nun, da die Erinnerungen den Weg zum Verlagsprodukt einschlagen sollten, wurde Müller ihre besondere Bedeutung bewusst, sie »waren in schweren Jahren meine liebste Arbeit und mein bester Trost«.20 Eine für die Gestalt wie die Rezeption des Buches bedeutende Entscheidung verdankte Müller seinem Verleger. Um den notwendigen Kürzungen zu entgehen, hatte Müller erwogen, den Band mit dem Kapitel über seine Zeit in England abzuschließen. Energisch widersprach Kilpper, die »Vorkriegswelt, die sich in Ihren Erinnerungen spiegelt und ihnen ihre besondere Atmosphäre und ihren Reiz verleiht, ist eine begriffliche und gefühlsmässige Einheit, die im Jahre 1914 ihr Ende findet.«21 Müller pflichtete bei, im September wurde ein Vertrag über »Lebenserinnerungen 1882 – 1914« unterzeichnet.22 Das klang noch reichlich nüchtern, es galt, einen möglichst zutreffenden und zugleich verkaufsträchtigen Titel zu finden. Müllers Überlegungen verdeutlichen, wie sehr ihm die Memoiren auch als Ersatz für den vorerst nicht zurückerlangten Rang in der historischen Disziplin dienen sollten. Er erwog »Jugenderinnerungen eines Historikers« und »Vergangenheit als Gegenwart«, aber auch den später gewählten Titel »Aus Gärten der Vergangenheit«.23 Im Februar 1951 wurde die Lesung im Münchner Rathaus nachgeholt. Zufrieden wurde die erfolgreiche Rückkehr auf eine öffentliche Bühne registriert, die »Vorlesung« sei gelungen – offenbar vermisste Müller die frühere Rolle als Universitätslehrer.24 Auch hatte er, noch bevor der Kontakt zu Kilpper wiederhergestellt war, den Herausgebern des Merkur sein Manuskript angeboten, die Interesse an einem Vorabdruck zeigten, jedoch eine gelegentlich zu ausführliche »Beschäftigung mit Wissenschaftlern Ihrer Zeit, die vergessen sind und, man darf vielleicht sagen, zum Teil mit Recht vergessen sind«, monierten.25 Auf diesen Einwand reagierte Müller reserviert, vor allem aber zeitliche Verzögerungen ließen ihn auf eigene editorische Erfahrungen verweisen: »Ich bin selbst 20 Jahre lang Mitherausgeber der ›Süddeutschen Monatshefte‹ geKilpper an Müller, 8. 6. 1950, BayHStA, NL von Müller 453. Müller an Kilpper, 25. 7. 1950, ebd. Kilpper an Müller, 28. 7. 1950, ebd. (Unterstreichungen im Original). Vertrag Gustav Kilpper-Verlag u. Müller, September 1950, BayHStA, NL von Müller 435. Müller an Kilpper, 27. 10. 1950, BayHStA, NL von Müller 453. »Die Münchner Vorlesung war insofern gelungen, als viele alte Freunde, Schüler, Bekannte auftauchten«. Vgl. Müller an Wilhelm Diess, 15. 3. 1951, BayHStA, NL von Müller 483. 25 Hans Paeschke (Merkur) an Müller, 29. 11. 1950, DLA, D:Merkur.

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wesen und kenne die Schwierigkeiten der Schriftleitung aus eigener Erfahrung«.26 Gewidmet »Heinrich Ritter von Srbik zum Gedächtnis« erschien schließlich im April 1951 ein Vorabdruck aus den Erinnerungen. In »Drei Städte« skizzierte Müller seine Besuche in Berlin 1909, Tübingen 1910 und Wien 1913, auch auf den dort besuchten Historikertag ging Müller ein.27 Die Reaktionen auf den kurzen Ausschnitt gaben eine Ahnung von der späteren Aufnahme des gesamten Bandes. Müllers Schüler Kurt von Raumer begeisterte der »unwiderstehliche Zauber […], den Leser ganz in diese Welt zu bannen«.28 Der Germanist Hermann Uhde-Bernays schlug den gewünschten Bogen zum früheren Schaffen, seit Müllers »schönen Schilderungen unserer bayerischen Heimat, vor etwa dreißig Jahren, sind mir Form und Inhalt Ihrer Diktion stets vorbildlich gewesen.«29 Drei Jahrzehnte zuvor, darauf spielte Uhde-Bernays an, hatte Müller das »Landtagebuch« veröffentlicht, dessen Verknüpfung lyrischer Landschaftsbeschreibung mit eminent politischer Wertung als exemplarisch für seine Publizistik der frühen 1920er Jahre gelten konnte. Nach 1945 wurde das »Landtagebuch«, der politischen Passagen weitgehend entkleidet, zu einer der wenigen älteren Veröffentlichungen Müllers, die erneute Aufmerksamkeit fanden.30 Wesentlich war, die gelobten stilistischen Fähigkeiten von den nun weniger gefragten politischen Intentionen zu lösen, ein Vorgang, der in vielerlei Hinsicht auch Niederschlag im ersten Erinnerungsband fand. Anfang September 1951 erschien Müllers »Aus Gärten der Vergangenheit. Erinnerungen 1882 – 1914« im neu begründeten Gustav Kilpper Verlag. Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse, zur Zufriedenheit des Verlegers: »Ihr Buch ist schon schön bestellt worden, und ich hoffe, daß es sich zu einem richtigen Weihnachtsbuch entwickelt.«31 Fast ein Jahr vor dem Erscheinen hatte Müller gegenüber Kilpper, nach der Lektüre konkurrierender Erinnerungswerke, seine Erwartungen an die Aufnahme seiner Memoiren formuliert. Es sei ihm »von neuem sehr klar geworden, daß unsere Chance darin liegt, daß wir das ausgesprochen NichtAktuelle, Friedliche, Harmlos-Entspannende meiner Erinnerungen affichieren.«32 Der von Müller gewünschte Reiz des »Harmlos-Entspannenden« aber entfaltete sich nur vor dem Hintergrund der zeitlich folgenden, im Band nicht mehr enthaltenen »Urkatastrophe« des Ersten Weltkriegs. Erst vor der Folie des weiteren Lebenslaufes Müllers, dem die Biographien seiner Leser oftmals entsprachen, gewannen seine Memoiren ihre Wirkmächtigkeit. Die »Gärten« 26 Müller an Joachim Moras (Merkur), 12. 12. 1950, ebd. 27 Müller, Drei Städte (1951). Im Dezember erschien ein weiterer Auszug, vgl. Müller, Westminsterabtei und St. Paul (1951). Zum Merkur vgl. Reitmayer, Politisch-literarische Feld, S. 82 – 90, vergleichend verweist Reitmayer u. a. auf die Süddeutschen Monatshefte, S. 74. 28 Raumer an Müller, 24. 4. 1951, BayHStA, NL von Müller 493. 29 Uhde-Bernays an Müller, 3. 7. 1951, BayHStA, NL von Müller 261. 30 Vgl. beispielhaft: Müller, Leibhaftiges Bayern (1951). 31 Kilpper jun. an Müller, 3. u. 25. 9. 1951, BayHStA, NL von Müller 453. 32 Müller an Kilpper, 22. 11. 1950, ebd.

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dienten der Verständigung Müllers mit der Gegenwart der 1950er Jahre, ihr Erfolg basierte auf einer zwischen Autor und Leser erzielten Übereinkunft, eine Autobiographien im Besonderen eigene Kommunikationsbeziehung.33 Für den Erfolg Müllers als Deuter einer tatsächlich oder vermeintlich gemeinsamen geschichtlichen Erfahrung war die Kontur seines Publikums und dessen Erwartungshaltung ebenso wichtig wie die Glaubwürdigkeit seiner Ausführungen. Ob sie indes zutrafen, war und bleibt für eine Einschätzung der Bedeutung der Memoiren in Müllers letztem Lebensjahrzehnt irrelevant. Auf fünfhundertfünfundvierzig Seiten »erinnerte« Müller sein Leben bis zum Ersten Weltkrieg, beginnend mit einer erweiterten Fassung der 1943 in der Corona veröffentlichten »Münchner Kinderzeit«, einem Abschnitt zur Jugend bis zum Studium, darauf das vielfach rezipierte Kapitel über seinen Aufenthalt in Oxford. Im Rückblick aus den frühen 1950er Jahren gewann jene Zeit in England an kaum zu überschätzendem Rang in Müllers biographischer Selbstdeutung. Seine »zitative Erinnerung« war, dies verbindet sie mit anderen Memoiren, selektiv und instrumentell, in ihr wurde »erlebte Geschichte zum beglaubigenden Argument.«34 Das vierte Hauptkapitel schließlich stellte die Verbindung her zum Hintergrund, vor dem die »harmlos-entspannenden« Gärten durchschritten wurden – »Dem Katarakt entgegen«. Bereits im Dank für den 1949 erschienenen, zweiten Band der Erinnerungen Meineckes und bezogen auf diesen hatte Müller den Grund für den späteren Erfolg seines ersten Memoirenbandes formuliert: »Stärker als alles Schwere, was er enthält, fühlte ich zunächst die beglückende Erinnerungsluft jener entschwundenen Zeit, die vielleicht niemand mehr ganz nachfühlen kann, der erst nach 1914 ins volle Leben eingetreten ist.«35 Fast wortgleich formulierte Müller im Vorwort zu den »Gärten« – »Wir Älteren können des Gefühls nicht Herr werden, daß niemand mehr weiß, wie schön die Welt sein kann, der die Jahre vor 1914 nicht erlebt hat.«36 Formen und Inhalte populärer Geschichtsschreibung geben nicht zuletzt Auskunft über Zustand sowie Wandel bildungsbürgerlichen Selbstverständnisses, noch verstärkt, wenn dieses prekär und begründungsbedürftig geworden ist. In seiner Verklärung der »Welt vor 1914« bot Müller sich wie dem verunsicherten deutschen Bildungsbürgertum ein historisches Interpretament an, dass zum einen die Zeit des Nationalsozialismus gänzlich ausblendete und zum anderen trotzdem historische Kontinuität zu wahren verstand. Die Rückbesinnung auf die Zeit vor 1914 entsprach dem verbreiteten Bedürfnis nach einer von der Zeit der Weltkriege unbeschadeten Traditionsbildung, diese über die Zeit von Weimarer Republik und NS-Staat geschlagene, 33 »Autobiographien nehmen eine öffentliche Kommunikationsfunktion wahr«. Vgl. Heinze, Autobiographie, S. 99. Als Forschungsüberblick vgl. Depkat, Autobiographieforschung sowie zahlreiche Beiträge in: Niggl (Hg), Autobiographie. 34 Sabrow, Objektivierung, Zitat S. 31, zu Müllers drittem Erinnerungsband S. 34 – 36. 35 Müller an Meinecke, 5. 1. 1950, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 217. 36 Müller, Gärten (1951), S. 5.

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nicht zuletzt disparate Entwicklungen einebnende Brücke überquerten Müllers Leser gern. Im »Totalitätsanspruch der Autobiographie«37, in der erzeugten Kohärenz ihrer Lebensbeschreibung und Lebensdeutung wurde die Welt vor dem von Müller als Autobiograph vorerst gemiedenen »dreißigjährigen Krieg der Zerstörung« zu einem von Verfasser wie Lesenden geteilten, idealisierten Sehnsuchtsort.38 Müllers Erinnerungen boten jedoch keineswegs nur seinen Altersgenossen Anknüpfungspunkte zur Vergemeinschaftung. Im November 1951 hatte sich ein junger Historiker an Müller gewandt. Er habe von seinem akademischen Lehrer den ersten Band der Erinnerungen Müllers zur Besprechung für eine Tageszeitung erhalten, müsse aber »um Nachsicht bitten: eigentlich bin ich Mediävist und kenne gerade die von Ihnen geschilderte Zeit nur oberflächlich«, doch habe er einiges »aus den alten Bierzeitungen des Maximilianeums gelernt, an denen v. d. Pfordten, Gürtner und Sie selbst eifrig mitgewirkt haben.«39 Beiläufig hatte der junge Rezensent, der 26jährige Arno Borst, eine biographische Verbindung zum fast 70jährigen Müller hergestellt. Beide waren Stipendiaten des Münchner Maximilianeums gewesen, Borst 1948 und Müller 1902. Dieser zeigte sich begeistert über seine Resonanz in der jüngeren Generation, es sei bisher die »eindringendste, gehaltreichste und feinste Besprechung meines Buches«.40 Ein Erfolg seiner Erinnerungen lag Müller sehr am Herzen, warnend schrieb er an Kilpper zur Frage eines Rezensenten im Merkur : »Es ist wichtig, daß das Buch dort nicht in die Hände Gerhard Ritters oder seiner Anhänger fällt: er hat Srbik zu Tode verfolgt und würde es auch mit mir gern tun, wenn ich mich dazu hergäbe.«41 Die Sorge erwies sich als unberechtigt, nicht der ewige Kontrahent besprach die »Gärten« im Merkur.42 Die Aufnahme seines Buches in der Disziplin hatte für Müller, angesichts seiner vorerst nur unvollständigen Rehabilitierung, eine besondere Bedeutung, die zugleich seine bereits beim »Danton« geäußerten Befürchtungen, man könne ihn »abschreiben«, wieder aufleben ließ: »Wenn Gesundheit und Arbeitskraft mir erhalten bleiben, hoffe ich im nächsten Jahr auch einiges streng Wissenschaftliche vorlegen zu können.«43 Zunächst aber durfte Müller die breite Zustimmung zu seinen Memoiren als Gewinn verbuchen, eine Zustimmung, die frappierend den Besprechungen seiner Veröffentlichungen drei Jahrzehnte zuvor glich. Es sei ein Buch, so Hermann Heimpel, in »dem besten Deutsch, 37 Mittermayer, Autobiographie, S. 73. 38 Vergleichbare, rückblickende Sichtweisen in den Autobiographien bürgerlicher Politiker siehe Depkat, Lebenswenden, hier S. 339 – 348, v. a. 345 f. 39 Borst an Müller, 30. 11. 1951, BayHStA, NL von Müller 75. 40 Müller an Kurt von Raumer, 29. 11. 1951, ULBM, NL Kurt von Raumer A 2,13. Vgl. Borst, Vergangen, nicht verloren (Rez. zu: Aus Gärten der Vergangenheit). 41 Müller an Kilpper, 18. 9. 1951, BayHStA, NL von Müller 453. 42 Vgl. Lautensach-Löffler, Münchner Erinnerungen (Rez. zu: Aus Gärten der Vergangenheit). 43 Müller an Generalsekretär der ÖAdW, 10. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 4.

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das unsere Zunft schreiben kann«.44 Erzählt, schwärmte Willy Andreas, von einem »Historiker, der selber künstlerisch begnadet ist«.45 Wie bereits in den 1920er Jahren schien Müllers literarische Begabung die Wortwahl der Besprechungen gleichsam zu diktieren. In wortwörtlicher Übereinstimmung lobten diese die »sprachliche Meisterschaft«46 der Darstellung, die HZ räumte den Erinnerungen ihres früheren Herausgebers fast acht Seiten ein.47 Es gehöre, so Müller an Günther Franz, zu den »schönen Überraschungen, die dies Erinnerungsbuch mir bisher eingetragen hat, daß so viele alte Beziehungen aus allen Lebensperioden, über den Sturm der Zeit hinweg, neu aufgefrischt werden.«48 Als Mitlebendem der beschworenen Epoche, der noch ausgesparten Zeit der Weltkriege wie auch der Biographie Müllers seit seinen Anfängen als Nachwuchshistoriker, kam erneut Friedrich Meinecke ein besonderer Rang zu.49 Müllers darstellerische Fähigkeiten beeindruckten Meinecke ohnehin, es sei »ein fabelhaftes Buch«, wenn es auch »mir offen gestanden, oft des Guten zu viel geboten« habe. Diese freundliche Kritik schwächte Meinecke sogleich wieder ab, als »wir zu Ende waren, wünschte ich mir gleich meine einsamen Abendstunden versöhnt und belebt durch die Fortsetzung der Erinnerungen! Sie sind ein Schönheitssucher höchsten Grades und befähigt das Schöne in Natur, Leben und Menschenantlitz prachtvoll wiederzugeben.« Auch, für Müller von besonderer Bedeutung, ordnete ihn Meinecke in seinem Rang als Historiker ein. Alfred Dove und er seien »beide der Meinung« gewesen, dass »Sie und Andreas damals die beiden stärksten Talente seien.«50 Eine allerdings Jahrzehnte zurückliegende Einschätzung. Müller jedoch genügte Meineckes Zuspruch nicht. In Abschriften des Originalschreibens, genutzt für seine weitere Rehabilitierung, schwächte Müller den Einwand Meineckes deutlich ab. Nun wurde lediglich »manchmal des Guten zu viel geboten«.51 Als schließlich im Herbst 1958 für den Briefband der Werkausgabe Meineckes Abschriften der in Müllers Besitz befindlichen Briefe erbeten wurden, assistierte Müller gern.52 Auf diesem Wege gelangte die gefälschte, abgeschwächte Formulierung in den Briefband und in die Öffentlichkeit.53 44 Heimpel, Aus Gärten der Vergangenheit (Rez.), S. 15. 45 Andreas, Versunkene Welt (Rez. zu: Aus Gärten der Vergangenheit). 46 Vgl. entsprechend Spörl, Aus Gärten der Vergangenheit (Rez.), S. 355 sowie Miller, Aus Gärten der Vergangenheit (Rez.), S. 387. 47 Vgl. Solleder, Aus Gärten der Vergangenheit (Rez.). 48 Müller an Franz, 22. 1. 1952, BayHStA, NL von Müller 75. 49 Zu Meineckes Leben zwischen Bismarck und Adenauer vgl. vom Bruch, Gelehrtenleben. 50 Meinecke an Müller, 4. 11. 1951, BayHStA, NL von Müller 76. 51 Vgl. die Abschrift in: BayHStA, NL von Müller 5. Mit dem Originalbrief liegt zudem eine Abschrift Müllers ein, die den Satz gänzlich ausspart, vgl. BayHStA, NL von Müller 76. 52 Peter Classen an Müller, 1. u. 20. 10. 1958; Müller an Classen, 17. 10. 1958, BayHStA, NL von Müller 491. 53 Vgl. den Abdruck des Briefes in: Meinecke, Ausgewählter Briefwechsel, S. 310 f. Gegenüber Ludwig Dehio hatte Meinecke seine zwiespältige Einschätzung bereits zuvor formuliert, es sei

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Ein Altersgenosse Meineckes, der Germanist und frühere Lehrer Müllers Friedrich von der Leyen, zeigte sich ungetrübt begeistert. Fast scheine ihm, als »erlebte ich selbst Ihre Kämpfe, Ihre Beglückungen, Ihre Schmerzen und alle Erfahrungen. Und welche Gabe besitzen Sie, zu sehen, zu beobachten, zu fühlen und zu schildern!« Detailliert glich von der Leyen eigenes Erleben und Erinnerung mit Müllers Band ab, eignete sich dessen Perspektive für seine Biographie an.54 Auch für ehemalige Hörer und Schüler Müllers boten seine Memoiren nicht zuletzt Gelegenheit, auf eigene Erlebnisse zurückzublicken: »Ein Glanzstück Ihres Buches […] sind die Englandkapitel. Da dachte ich lebhaft an mein Nachkriegssemester im Sommer 1921 in München, als ich in Ihrer England-Vorlesung alles Schreibzeug beiseite schob und mich nur dem Genuß des Hörens hingab.«55 Die gemeinsam erinnerte Vergangenheit barg auch für jüngere Historiker die Möglichkeit zur biographischen Rückversicherung, denn Müller habe es »in einzigartiger Weise« verstanden, eine »vergangene Zeit wieder lebendig werden zu lassen, in der meine Generation zutiefst wurzelt – und glücklich war.«56 Für die Bindung an seine Schüler, für eine Festigung und Erneuerung dieser durch die zumeist konträre Entwicklung seit 1945 gelockerten Erlebens- und Erinnerungsgemeinschaft waren Müllers Memoiren von unschätzbarem Wert. Was an den historiographischen Versuchen nur mit Mühe und Verständnis lobensfähig war, konnte nun ohne Zögern gepriesen werden, nicht zuletzt ein Gewinn für seine seit Jahren »lehrerlosen« Schüler.57 Als Autobiograph mehrerer Generationen deutscher Bildungsbürger fand Müller eine weithin akzeptierte Rolle in der frühen Bundesrepublik. »Eine Sensation ist der überaus lebhafte Verkauf von Karl Alexander von Müllers Lebenserinnerungen«, vermeldete die Münchner Abendzeitung im Oktober 1951, die »Gärten« führten die Sachbuchliste an.58 Auch Müller empfand den Absatz als »überraschend«, das Buch werde, so der Verleger, zu »der kleinen Spitzengruppe der diesjährigen Biographien« gehören. Zum Jahresende wurde ein Absatz von 2.500 Stück erwartet.59 Abgesehen von »Deutschland und England«, als Propagandaschrift für den nationalsozialis-

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ein »fabelhaftes Buch mit seinem – oft ermüdenden – embarras de richesse, aber trotz der hohen Begabung, ja Überbegabung des Verfassers fehlt mir ein gewisses Etwas an ihm«. Vgl. Meinecke an Dehio, 26. 10. 1951, abgedruckt in: Meinecke, Neue Briefe, S. 474 f. Friedrich von der Leyen an Müller, 17. 1. 1952, BayHStA, NL von Müller 76. Erich Freiherr von Guttenberg an Müller, 26. 12. 1951, BayHStA, NL von Müller 75. Ernst Bock an Müller, 18. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 32. Vgl. beispielhaft Fritz Wagner an Müller, 21. 12. 1951, BayHStA, NL von Müller 30 sowie an den Mitschüler : Wagner an Theodor Schieder, 25. 11. 1951, BArch, NL Theodor Schieder 367. Müllers Schüler widmeten dem Buch eine Reihe von Besprechungen, vgl. Freund, Garten vor dem Dschungel (Rez. zu: Aus Gärten der Vergangenheit); Gollwitzer, Aus Gärten der Vergangenheit (Rez.); Scharff, Spiegelbild einer Epoche (Rez. zu: Aus Gärten der Vergangenheit). Str., Münchner Bestseller im Oktober, S. 5. Müller an Kurt von Raumer, 17. 11. 1951, BayHStA, NL von Müller 493; Kilpper an Müller, 6. u. 19. 12. 1951, BayHStA, NL von Müller 453.

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tischen Krieg in hunderttausenden Exemplaren verbreitet, wurde der erste Band der Erinnerungen zum größten Publikumserfolg in der Karriere Müllers. In bemerkenswerter Analogie zur Kriegsbroschüre bewegten sich auch die Rezeptionsformen. Es beschäftigte Müller, auf »was die einzelnen Briefe, manche von ganz Unbekannten, jeweils eingehen.« Der Schauspieler Gustav Waldau habe ihm mitgeteilt, ein »befreundeter Münchner Kaufmann habe 200 oder 300 Stück gekauft, um sie an Weihnachten unter seinen Angestellten zu verteilen.«60 In der Lektüre der Memoiren Müllers schien sich eine neue Gemeinschaft zu bilden – im erhofften Konsens das »verlorene Paradies«61 erinnernd, von »Jüngeren, ja ganz Jungen«62 bis zum Bundestagspräsidenten.63 Die »Gärten der Vergangenheit« glichen einer »Oase«, das Buch sei »allein vom Stil her ein Ereignis«, es gehöre »ohne Zweifel zur besten deutschen Prosa, die in diesem Jahrzehnt geschrieben worden ist.«64 In zahllosen Besprechungen wurde neben Müllers Sprachgefühl – »eine ungemein künstlerische Darstellung«65 – vor allem die einende Erfahrung der Lektüre betont. Die »Heimkehr in die Gärten der Vergangenheit« sei ein »tiefes menschliches Bedürfnis, nicht nur ein Bedürfnis des einzelnen, sondern auch der Gemeinschaft, der Familie, der Gemeinde, des Volkes.«66 Der Erfolg der Erinnerungen schien vollkommen unzweifelhaft, im März 1952 wurde eine Nachauflage notwendig, zusammengenommen waren nun 6.400 gedruckte Exemplare erreicht.67 Misstöne erklangen nur selten. Im Frühjahr 1952 bat der Sohn Sigmund von Riezlers, seinen Vater in kommenden Auflagen nicht mehr zu erwähnen. Müller zeigte sich erschüttert, natürlich wolle er dem Wunsch der Familie entsprechen, aber Riezler, dem »ich so viel verdanke und der mein erster historischer Lehrer war, mit Stillschweigen zu übergehen«, wäre ihm nie möglich. Die Erinnerungen, so warb Müller um Verständnis, stammten »aus den schwersten Jahren meines bisherigen Lebens, nach 1945«, sie seien entstanden, um »mich selbst innerlich über Wasser zu halten, zunächst ohne Gedanken an Veröffentlichung«.68 Über Erwin Riezlers Gründe kann nur spekuliert werden, während Müllers Präsidentschaft der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hatte er zu jenen von der Akade-

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Müller an Kilpper, 28. 1. 1952, ebd. Vgl. auch: Thießen, Schöne Zeiten? Vgl. in der Süddeutschen Zeitung: Hohoff, Das verlorene Paradies. Müller an Kilpper, 29. 2. 1952, BayHStA, NL von Müller 453. »Daß […] Bundestagspräsident Ehlers in einem politischen Rundfunkvortrag erwähnte, daß er zurzeit das Buch lese und einiges aus dem Oxfordkapitel aufnehme, haben Sie vielleicht schon gehört.« Vgl. Müller an Kilpper, 21. 3. 1952, ebd. u.l., Aus Gärten der Vergangenheit (Rez.), S. 9. Uhde-Bernays, Aus Gärten der Vergangenheit (Rez.), S. 109. Berner, Aus Gärten der Vergangenheit (Rez.), S. 649. Kilpper an Müller, 22. 3. 1952, BayHStA, NL von Müller 453. Riezler an Müller, 30. 4. 1952; Müller an Riezler, 3. 5. 1952, BayHStA, NL von Müller 76.

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mie Gewählten gezählt, deren Zulassung das Reichswissenschaftsministerium verweigert hatte.69 Wie dünn manches Eis war, auf dem die Einigkeit zwischen dem Autor und seinen Lesern zelebriert wurde, zeigte auch Müllers Reaktion auf eine Besprechung durch seinen Schüler Wolfgang Zorn.70 Er habe, nachdem ihm Zorn die Besprechung vorab zugesandt hatte, sie »ziemlich melancholisch aus der Hand« gelegt, ohne »genau zu wissen, warum.« Nach Zorns »Anzeige hatte ich zum ersten Mal wieder das Gefühl: du hättest das Buch besser doch nicht veröffentlicht; was vielleicht Künstlerisches daran sein mag, ist doch nicht stark genug, das Ganze zu tragen, es bleiben Erinnerungen eines abgedankten Professors, und dafür ist es zu breit – 1 Band mehr in einer schon viel zu langen Reihe von Altersgeschwätzigkeit und Eitelkeit.« Es komme ihm, so Müller weiter, vor, als habe er »irgendwie einen Kontakt mit Ihnen – mit der jüngeren Generation überhaupt? – eingebüßt. Vielleicht ist es, weil ich keine Ahnung habe, was Sie aus Amerika zurückgebracht haben«.71 Auch wenn Zorn mehrfach seine Verehrung bekundete72, Müller hatte den Selbstzweifel über seine Rolle offengelegt. Trotz des gern aufgeführten Zuspruches zu den Erinnerungen, nur das Alterswerk eines »abgedankten Professors« zu präsentieren, das schien ihm zu wenig. Der mit seinen Schülern zunehmend nicht mehr geteilte Erfahrungshorizont, angesichts der von vielen in den 1950er Jahren absolvierten Forschungsaufenthalte in den USA, war nur ein Aspekt dieser Verunsicherung Müllers über seinen Platz und Rang in der Wissenschaftslandschaft der frühen Bundesrepublik. Er habe, so Müller an einen Leser, die Erinnerungen zu »meiner eigenen inneren Befreiung« geschrieben.73 Nun, nachdem diese geglückt schien, nahm Müller einen neuerlichen Anlauf, um seine »äußere« Befreiung, die Rehabilitierung als Historiker zum Erfolg zu führen.

7.1.2 Rekonstruktion eines wissenschaftlichen Netzwerkes In den »Gärten der Vergangenheit« hatte Müllers Studienjahr in Oxford breiten Raum eingenommen und umfangreiche Beachtung bei Lesern wie Rezensenten gefunden. England sei ihm, so Müller in seinen Erinnerungen, eine »zweite geistige Heimat geblieben; ich habe einen guten Teil meiner wissenschaftlichen und akademischen Lebensarbeit angelsächsischen Dingen 69 Riezler wurde daher nach 1945 erneut zugewählt, vgl. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1944/48, S. 43. 70 Zorn, Aus Gärten der Vergangenheit (Rez.). 71 Müller an Zorn, 27. 10. 1951, BayHStA, NL von Müller 76. Noch bevor Zorn geantwortet hatte, sandte Müller ein Versöhnungsangebot: »Lassen Sie dadurch das Band zwischen uns nicht zerreißen. […] Ihr alter Lehrer«. Vgl. Müller an Zorn, 29. 11. 1951, ebd. 72 Zorn an Müller, 30. 11. 1951, ebd.; Zorn an Müller, 30. 12. 1951, BayHStA, NL von Müller 30. 73 Müller an Hermann Schneider, 10. 10. 1953, BayHStA, NL von Müller 76.

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gewidmet«, zugleich aber habe er »in beiden Weltkriegen […] geistig gegen England gekämpft, und das einzige, was mich dabei vielleicht von anderen unterschied, war, dass ich nie die Kraft dieses Gegners gering schätzte und dass keine politische Gegnerschaft das Gefühl tiefer innerer Verbundenheit überwand.«74 Angesichts des Einsatzes Müllers für die nationalsozialistische Kriegspropaganda erschien kaum etwas ferner als eine Wiederbelebung seiner Verbindungen nach England bzw. Oxford. Für die angestrebte Rehabilitierung jedoch war eine Rekonstruktion seines früheren wissenschaftlichen Netzwerkes von eminenter Bedeutung. Im Mai 1946 hatte ein Akademiemitarbeiter einen Zeitungsausschnitt an Müller gesandt – »Oxford nimmt Verbindung mit deutschen ›Rhodes Scholars‹ wieder auf«. Müller sei doch »selbst auch in Oxford […] als Rhodes Stipendiat« gewesen.75 Dessen Kontaktaufnahme zur früheren Studienstätte blieb jedoch unbeantwortet.76 Im folgenden Jahr allerdings erreichten ihn Grüße eines ehemaligen englischen Studenten, der von 1937 bis 1939 bei Müller studiert hatte. Müller zögerte keinen Tag und schrieb nach Blackpool, man könne sich »draußen in der freien Welt gar nicht ganz vorstellen, mit welcher Art Heißhunger und mit welcher Dankbarkeit wir heute jedes solche Zeugnis fortdauernder menschlicher Verbundenheit begrüßen«.77 Zwei Wochen darauf verfügte Müller über ein Entlastungszeugnis des englischen Studenten: »I know him as a warm friend and admirer of England, who was very much worried by the political trends of National Socialism.«78 Zwischenzeitlich war auch die Verbindung nach Oxford wiederbelebt worden. Im März 1947 hatte sich Müller nach den Anschriften früherer Bekannter erkundigt, sein Schreiben war auch an Francis Wylie gegangen, der bereits 1903 als Repräsentant der Rhodes Stiftung mit Müller bekannt geworden war : »My dear von Müller, it was with pleasure and relief that I heard this morning […] that you are alive«.79 So banal der Hinweis auf den verminderten Umfang des transnationalen Informationsflusses während des Krieges ist, so hilfreich erwies sich eben dieser Umstand für Müllers Versuche, seine Verbindungen nach England erneut zu etablieren. Denn an den kaum über seinen Werdegang als Historiker im nationalsozialistischen Deutschland informierten Wylie konnte er eine besondere Variante seiner universitären Amtsenthebung berichten: »In April 44 I laid down my office in the Academy, in September 44 I stopped lecturing at the University – because I did not know any longer what to tell my pupils.«80 In 74 Müller, Gärten (1951), S. 386. 75 Sekretariat BAdW (Höh) an Müller, 23. 5. 1946, BayHStA, NL von Müller 2, dort einliegend die zugesandte Notiz in der Neuen Zeitung. 76 Müller an Höh, 3. 7. 1946, BayHStA, NL von Müller 5. 77 Müller an Leonard Thornton Wilde, 2. 8. 1947, BayHStA, NL von Müller 263. 78 Leonard Thornton Wilde (Blackpool), 15. 8. 1947, BayHStA, NL von Müller 3. 79 Wylie an Müller, 20. 3. 1947, BayHStA, NL von Müller 15. 80 Müller an Wylie, 11. 4. 1947, ebd.

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den kommenden Jahren entspann sich ein reger, vor allem persönlicher Briefwechsel, das Schicksal der Söhne Müllers und seine berufliche »Auszeit« standen im Mittelpunkt. Weiterhin aber nutzte Müller die Möglichkeit, sich nicht als Ausgeschlossenen, sondern als eigentlich Handelnden darzustellen: »For my part, I have been rehabilitated and got again my old Professorship; but, after a short while, I sent in my resignation.«81 Zwischen Unwahrheit und Wunschdenken bot diese Korrespondenz eine nun seltene Gelegenheit, Herr über den eigenen Lebenslauf zu sein. Müller versuchte auch, erneut publizistische Präsenz in England zu erlangen, sandte den »Danton« an die Times unter Verweis auf jahrzehntelange Treue.82 Der »neubegründeten Verbindung der deutschen Rhodes-Stipendiaten« war Müller beigetreten, dem greisen Friedrich Schmidt-Ott, 1903 entscheidend beteiligt an der Auswahl der ersten deutschen Rhodes Scholars, versicherte er, seine »herzlichen Beziehungen […] zu Oriel College und einer Reihe englischer Freunde haben alle Erschütterungen der Zeit überstanden.«83 Persönliche Anerkennung allein konnte jedoch die angestrebte Wiederbelebung des wissenschaftlichen Netzwerkes in England nicht ersetzen. Allerdings, im März 1948 war mit George Norman Clark ein Müller gut bekannter Historiker zum Provost des Oxforder Oriel College gewählt worden. Umgehend hatte Müller Kontakt aufgenommen und zur Wahl gratuliert.84 Clark reagierte und erinnerte an frühere Begegnungen – »we met in Munich 1930 and talked about Oriel and a number of other things that we had in common. The last authentic news of you that I had was when I met Srbik in the spring of 1939.« Als er 1945 in Berlin gewesen sei, habe er versucht, Müller ausfindig zu machen, jedoch ohne Erfolg. Durchaus mit sentimentaler Note schlug Clark den erhofften Bogen zu Müllers früheren Beiträgen zur englischen Geschichte: »I have in my hand a copy of your translation of Seeley’s ›Expansion of England‹ which you gave me in Munich on the 23rd July, 1930. I have often had occasion to recommend the introduction of it as the best estimate of Seeley.«85 Clark schien als an der deutschen Geschichtswissenschaft sehr interessierter englischer Historiker geeignet, Müllers Reputation in England zu befördern sowie vor allem die gewünschte, wiedererlangte Zugehörigkeit bestätigen zu können. Seinen Wunsch nach dieser offenbarte Müller stetig, dankte für die Zusendung des aktuellen »Oriel Record«: »I read them with the lively interest of one who still belongs to the family.«86 Im Gegenzug ließ er Clark seine 81 Müller an Wylie, 7. 3. 1949, ebd. 82 »For unfortunately I can’t afford now to subscribe to the ›Times‹, as I did for more than 30 Years between my Rhodes Scholarship in Oriel College and 1939.« Vgl. Müller an Times, 17. 3. 1950, BayHStA, NL von Müller 482. 83 Müller an Schmidt-Ott, 10. 6. 1950, BayHStA, NL von Müller 490. Zur Sicht der Rhodes Stiftung und des College auf die deutschen Rhodes Scholars vgl. P. Ziegler, Legacy, S. 212 – 216. 84 Müller an Clark, 5. 3. 1948, BayHStA, NL von Müller 15. 85 Clark an Müller, 24. 3. 1948, ebd. 86 Müller an Clark, 5. 11. 1949, ebd.

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Darstellungen zu Danton und zur Haindlschen Papierfabrik zukommen, der erstaunt reagierte. Ein »surprising change of subject«, er sei gespannt, ob Müller auch über dieses Thema mit der «depth and colour and brilliance« schreiben könne, die er im »Danton« genossen habe.87 Lange jedoch blieb zwischen beiden ein Thema beharrlich ausgespart, das Engagement Müllers im Nationalsozialismus. Die wiederhergestellte Zusammengehörigkeit blieb unter Vorbehalt. Im Herbst 1951 übersandte Müller seine Erinnerungen, für die Clark, auch angesichts des Kapitels über Oxford, herzlich dankte. Ausführlich ging Clark auf erwähnte Dozenten und Beschreibungen des Colleges ein. Müllers Rückgriff auf die scheinbar unversehrte Zeit vor 1914, die gemeinsam unternommene Erinnerung an Studienzeiten boten die Chance zur Überbrückung von Zeiten und Ereignissen, über die wesentlich schwieriger Einigkeit hätte erzielt werden können. Da jedoch für 1953 eine Feier anlässlich des Jubiläums der Rhodes Scholarships geplant war, sah sich Clark, einen möglichen Auftritt Müllers vor Augen, doch zur Nachfrage genötigt: »Among English historians there are some who have publicly criticized you for accepting the editorship of the ›Historische Zeitschrift‹ when Meinecke ceased to be editor. […] Knowing your work as I do, I naturally cannot imagine that the change of editorship represented sacrifices of academic standards to political considerations. This, I gather, has been alleged, and perhaps there is something you would care to tell me about the incident which would help me to disprove the allegation. […] If there has been any misunderstanding or misrepresentation affecting you personally, I should think it especially desirable to clear it before the time of the Rhodes Scholars’ re-union.«88 Es fiel Müller nicht schwer, die von Clark gleichsam vorformulierte »Erklärung« seines Handelns zu übernehmen. Er dankte für die Frage, denn von der Kritik an seiner Übernahme habe er nichts gewusst und gebe gern Auskunft. Teils unpräzise, teils falsch zeichnete Müller den Wechsel der Herausgeber. So habe Meinecke im Herbst 1935 keine weitere Nummer der HZ vorbereitet, Müller sei in die Bresche gesprungen, um einen Kandidaten der Partei oder das Ende der Zeitschrift zu vermeiden. Müller bekannte: »Why, at that time, some influential leaders of the Party had some confidence in me it would be rather a long-winded tale to tell. […] For my own part, I believed then (1935) with many of my countrymen in the possibility of keeping the National Socialism within human bounds if all the sound and responsible forces of the nation would hold together. I know now, this was a grave and dreadful error«. Als Herausgeber der HZ sei sein Ziel gewesen, ältere und jüngere, parteinahe Historiker zusammenzubringen – »as far as both stood on the ground of our scientific standards. […] I certainly do not believe, all I did as editor was right. Those years between 1935 and 1944 were an incessant struggling against the 87 Clark an Müller, 7. 11. 1950, BayHStA, NL von Müller 482. 88 Clark an Müller, 5. 10. 1951, BayHStA, NL von Müller 8.

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danger of interference or prohibition. More than once I had in decide, in short time, what I regarded as the minor evil. But my first aim […] was to maintain the scientific standards and I never should have given my hand to sacrifice them.«89 Auf dem so bereiteten Boden fiel es Clark, der ohnehin Müller mit großem Willen zum Einverständnis gegenübergetreten war, nicht schwer, gemeinsame Herausforderungen zu identifizieren: »I will only say that my own experiences have given me much more opportunity of insight into your point of view than might be imagined. At the time when you were trying to make a bridge between the two generations I found myself unexpectedly again in charge of the English Historical Review, which I had ceased to edit twelve years before.«90 Denkbare Differenzen waren über das Selbstbild des akademischen Forschers, mit gemeinsamen Erfahrungen und Problemstellungen überbrückt. Für Müllers internationale Verbindungen und deren Rekonstruktion war der Transfer solcher Erfahrungen von besonderer Bedeutung. Die Selbstwahrnehmung als »Gelehrte« prägte diese transnationale, im Grunde »übernationale« Perspektive. Als deutscher Historiker mit Beiträgen zur englischen Geschichte konnte Müller nun reüssieren. Mehr als zwanzig Jahre nach den »Denkwürdigkeiten« Hohenlohes und nach einem vor allem gegen England gerichteten Kriegseinsatz wurde Müller erneut im angesehenen Times Literary Supplement besprochen, vor allem seine positiven Erfahrungen in Oxford hervorgehoben.91 Auch seine Rückkehr in die »Familie« des Oriel College stellte Müller sicher, sandte seine Erinnerungen an den Vorstand des Oxforder Rhodes House, an Francis Wylie sowie auch an seinen früheren Tutor.92 Dieser widmete den »Gärten« eine ebenso ausführliche wie lobende Besprechung im »Oriel Record«.93 Begeistert dankte Müller : »As an old ›romantic‹ I find it a wonderful, not to say a touching occurence that nearly half a century after my Oxford year – and what a century and what a half of it! – my then tutor whom I, in juvenile impudence, has stamped as ›rationalist and prosaic‹ sings the praise of my English Recollections in the Record of my old College!«94 Die Informationsdefizite englischer Historiker hatten es Müller, zusammen mit einer verbindenden Rollenwahrnehmung, ermöglicht, eine in England akzeptable Variante seines Engagements im Nationalsozialismus zu unterbreiten. In Deutschland hingegen war unter Historikern wie anderen Wissenschaftlern seine Rolle im NS-Staat gut bekannt, Schritte zur weiteren Rehabilitierung erwiesen sich als weitaus schwieriger. Angesichts der eigenen, 89 Müller an Clark, 10. 10. 1951, ebd. 90 Clark an Müller, 16. 10. 1951, ebd. (Unterstreichung im Original). Vgl. auch: Kleinschmidt, English Historical Review. 91 Vgl. A German Student (Rez. zu: Aus Gärten der Vergangenheit). 92 Müller an C.K. Allen (Warden Rhodes House Oxford), 18. 9. 1951, BayHStA, NL von Müller 75; Müller an Wylie, 7. 10. 1951; Müller an R.W. Lee, 20. 10. 1951, BayHStA, NL von Müller 76. 93 Lee, A German at Oriel (Rez. zu: Aus Gärten der Vergangenheit). 94 Müller an Lee, 8. 9. 1952, BayHStA, NL von Müller 76.

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vor allem eben prominenten »Belastung« geriet Müller nur selten in die Position, selbst als Begutachtender tätig zu werden. Im Spruchkammerverfahren Walther Wüsts allerdings wurde auch Müller als Zeuge befragt. In vielfältiger Hinsicht waren beider Karrieren im Nationalsozialismus miteinander verbunden gewesen – als Dekane der Philosophischen Fakultät, bei der erzwungenen Aufnahme Wüsts in die Akademie, auch bei der Verhaftung und Hinrichtung Kurt Hubers, der Wüst als Rektor den Entzug des Doktorgrades noch vor der Verurteilung hinzugefügt hatte. In seiner eidesstattlichen Erklärung betonte Müller vor allem seine Ferne zu den Amtsgeschäften Wüsts als Rektor. Im Frühjahr 1943 habe er ihn »nur sehr selten und im Vorübergehen gesehen und war in keinem Gremium, das mit jenen traurigen Angelegenheiten befaßt war.« Müller belastete Wüst nicht zusätzlich, im Mittelpunkt seiner Aussage stand die eigene Entlastung. Ausführlich berichtete er von seiner Freundschaft zu Huber, von der Aberkennung des Doktortitels habe er erst in einer »späteren Fakultätssitzung, kurz und formell« gehört.95 Der heikle Vorgang schien bewältigt, doch dann wurde Müller für die Verhandlung als Zeuge geladen und mit Vorwürfen zu seinem Verhalten bei der Habilitation Wilhelm Graus konfrontiert. Müller bestritt, dass er »eine politisch-tendenziöse Drohung unter Hinweis auf Walter Frank und Rosenberg ausgesprochen habe. Die damalige Hab.-Sitzung habe ergeben, dass nach erfolgreicher schriftlicher Arbeit Dr. Grau im Colloquium versagt habe. Er sei trotzdem für Dr. Grau, der sein Schüler gewesen sei, eingetreten unter Hinweis auf das positive Ergebnis der schriftl. Arbeit.« Wüst insistierte jedoch, sodass Müller zur Abwehr der Vorwürfe aussagte, die besondere Nähe zur NSDAP habe Wüst zum Dekanat der Philosophischen Fakultät verholfen.96 Das gemeinsame, entschuldende Schweigen nach 1945 hielt nur, wenn die eigene Position nicht gefährdet wurde. In dieser Hinsicht blieb Müller ob seines umfangreichen Engagements stets gefährdet und entsprechend zurückhaltend. Mit Heinz Gollwitzer, der als ehemaliger Mitarbeiter Wüsts in der Deutschen Akademie mehrfach für diesen ausgesagt hatte97, hielt Müller nach dieser Auseinandersetzung eine vielsagende Nachlese. Er habe, so Müller, als Zeuge »die unangenehme Überraschung« der Vorwürfe Wüsts erleben müssen, nehme es diesem aber »nicht weiter übel, wer weiß, was er in den vergangenen Jahren alles durchgemacht hat.«98 In der Tat dürfte das Verfahren gegen Wüst, der nach 1945 drei Jahre in Haft verbracht hatte, Müller seine glimpflich verlaufene Entnazifizierung vor Augen geführt haben. Doch, erwog Gollwitzer, was könne man Wüst »eigentlich – nicht vom Standpunkt der 95 Müller an Spruchkammer, 27. 10. 1949 mitsamt »Betrifft: Spruchkammerverfahren gegen den ehemaligen Rektor […] Wüst. Eidesstattliche Erklärung.« StAM, SpkA K 2015 Wüst, Walther. 96 Hauptkammer München, Protokoll der öffentlichen Sitzung, 2., 3. u. 4. 11. 1949, ebd. 97 Gollwitzer »Eidesstattliche Versicherung«, 29.4., 8.5., 25.8., 28. 10. 1947, 12. 10. 1948, ebd. 98 Müller an Gollwitzer, 9. 11. 1949, BArch, NL Heinz Gollwitzer 41.

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Spruchkammer, aber unter vernünftigen Menschen – vorwerfen? Ehrgeiz, dem zwar nicht der Leistungswille, wohl aber die nötige menschliche Festigkeit abgeht, um ihm großes Format zu geben, Intriganz, etliche Taktlosigkeiten, ein paar Fehlentscheidungen. Dem steht gegenüber ein echter wissenschaftlicher Impuls, beachtliche wissenschaftsorganisatorische Begabung, viel Fleiß und positive Arbeit«. Müller pflichtete seinem Schüler bei, ein »gesunder Staat würde W.s großen Fähigkeiten, wissenschaftlicher und wissenschaftsorganisatorischer Art, seiner ungewöhnlichen Arbeitskraft und Arbeitslust Raum geben und seine gefährlichen Eigenschaften (Intriganz aus Ehrgeiz) durch gesellschaftliche Dämme auf ein nicht zu schädliches Maß einschränken.«99 In der harschen Kritik am mangelhaften Verständnis für das Wirken von Wissenschaftlern im Nationalsozialismus waren sich Müller und sein Schüler vorerst einig. Zum Jahreswechsel 1949/50 gratulierte Müller Willy Andreas zur »vollen äußeren Rehabilitierung«, nachdem dieser seine ordentliche Wiedereinsetzung durch das badische Kultusministerium erreicht hatte.100 Für seine eigene, 1948 von der Fakultät verweigerte Emeritierung nahm Müller im Frühsommer 1950 eine erste, vorsichtige Erkundung vor. Seine Frau überbrachte dem als Rektor der Münchner Universität amtierenden Physiker Walther Gerlach eine formlose Anfrage, ob die Pensionierung – »die Prof. v. Müller als unwürdigen Abschluß eines langen akademischen Lebens sehr schwer empfindet« – nachträglich in eine Emeritierung umgewandelt werden könne. Müller strebe dies nicht wegen der damit verbundenen Rechte an, sondern wolle »wieder der akademischen Körperschaft« angehören.101 Gerlach berichtete Franz Dölger, der Müller bereits bezüglich der Akademie beraten hatte, vom Besuch Irma von Müllers. Er kenne, so Gerlach, »ziemlich viel von Vorfällen des 3. Reiches, die Herrn von Müller zum Vorwurf gemacht« würden, dieser habe es »für richtig gehalten allen möglichen Wünschen nachzugeben.« Eine propagandistische Betätigung jedoch habe er nicht bemerkt, zum Beleg verwies Gerlach auf Müllers Vortrag im Deutschen Museum. Er habe damals den Eindruck gewonnen, dass Müller vermied, bis »auf die vorgeschriebenen Führersätze bei einer Hochschulfeier irgend welche nationalsozialistischen Dinge vorzutragen.«102 Noch, so scheint es, zweifelte Müller, ob er das Risiko einer Ablehnung eingehen sollte. Im August 1950 wandte sich der im Nationalsozialismus stark engagierte Staatsrechtler Otto Koellreutter an Müller, er vermute, gleich ihm sei auch Müller zwar in den Ruhestand versetzt, aber nicht emeritiert worden. 99 Gollwitzer an Müller, 13. 11. 1949; Müller an Gollwitzer, 16. 11. 1949, BayHStA, NL von Müller 4. Wüst wurde zunächst als Belasteter eingestuft, nach Einspruch jedoch in die Gruppe der Minderbelasteten eingereiht, vgl. StAM, SpkA K 2015 Wüst, Walther. 100 Müller an Andreas, 21. 12. 1949, GLA, NL Willy Andreas 860. 101 Vgl. Schreiben »Von Irma Rektor Gerlach überbracht.« o.D., BayHStA, NL von Müller 4. 102 Gerlach an Dölger, 15. 6. 1950, UAM, E-II-2517. Eine, angesichts des Vortrages Müllers – »Vom alten zum neuen Deutschland« – eigenwillige Wahrnehmung, vgl. Kapitel 5.1.3.

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Auf Koellreutters Vorhaben, den Anspruch auf Emeritierung gerichtlich klären zu lassen, reagierte Müller freundlich, aber ausweichend. Koellreutter drängte weiter, aber Müller beschränkte sich auf allgemein zustimmende Aussagen – »Auch ich bin nicht gesonnen, mich mit der gegenwärtigen Diffamierung abzufinden« –, für das Einklagen seines »Rechtes« konnte er sich nicht erwärmen.103 Fraglos sah sich Müller kaum weniger zu Unrecht zurückgesetzt. Doch war es nicht nur ein mögliches Scheitern, das ihn diesen Weg nicht beschreiten ließ. Der rechtliche Aspekt fand auch bei Müller gelegentlich argumentative Verwendung, im Kern jedoch handelte es sich für ihn um die Anerkennung seiner persönlichen Unschuld durch die Fachgenossen und andere Universitätskollegen: Eine Anerkennung seiner fortgesetzten und zuvor unberechtigt unterbrochenen Zugehörigkeit zur wissenschaftlichen »Körperschaft«. Diese neuerliche Kooptation Müllers konnte durch ein »außerwissenschaftliches« Gericht in keiner Weise ersetzt werden.104 Einfach hinnehmen wollte Müller die »Niedertracht der Behörden und einiger Kollegen«, die »noch heute« seine Emeritierung verhinderten, aber nicht.105 Erneut wurde Franz Dölger zum Ansprechpartner. Müller empfand »die Regelung meines Falls« als »ungerecht und der Fakultät wie meiner unwürdig«, zumal er doch »keine Rückkehr in irgend eine aktive Lehrtätigkeit mehr anstrebe, sondern nur die Aufhebung der Ausstoßung aus dem Kreis, dem ich zugehöre.«106 Dölger bat um Geduld, es sei an der Münchner Universität ein entsprechender Ausschuss eingesetzt worden.107 Einige Wochen darauf konnte sich Müller bei Hans Rheinfelder, Romanist und seit 1947 Hochschulreferent im bayerischen Kultusministerium, für »die große Menschlichkeit und Güte, mit der Sie mich vorgestern empfingen«, bedanken.108 Rheinfelder nahm sich der Emeritierung Müllers an und wurde in den folgenden Jahren, denn allzu rasch sollte der Initiative kein Erfolg beschieden sein, zu seinem wichtigsten Unterstützer. Selbstverständlich war das nicht, war Müller doch wesentlich für Rheinfelders Entlassung als Leiter des Maximilianeums im Herbst 1935 verantwortlich gewesen.109

103 Vgl. Koellreutter an Müller, 25.8., 15.9., 19. 10. 1950; Müller an Koellreutter, 26.8., 3. 11. 1950, BayHStA, NL von Müller 4. Zu seinem Engagement für eine Rehabilitierung vgl. Koellreutter an A. Hueck (Dekan Jur. Fak. UM), 16. 9. 1950, BayHStA, MK 68940 – »Ich bin nicht gesonnen mein wissenschaftliches und akademisches Leben ohne völlige Rehabilitation abzuschließen und werde dafür rücksichtslos, wenn es sein muß, kämpfen.« Weitaus ähnlicher dem Vorgehen Müllers agierte der Verfassungshistoriker Ernst Rudolf Huber, vgl. Grothe, Rückkehr. 104 Entsprechend hatte Müller es auch abgelehnt, die Präsidentschaft des von Herbert Grabert gegründeten »Verbands der nicht-amtierenden (amtsverdrängten) Hochschullehrer« zu übernehmen, vgl. Goede, Rein, S. 200. Zum Verband vgl. auch: Jedlitschka, Network. 105 Müller an Karl August Fischer, 20. 10. 1950, BayHStA, NL von Müller 258. 106 Müller an Dölger, 30. 11. 1950, BayHStA, NL von Müller 4. 107 Dölger an Müller, 3. 12. 1950, ebd. 108 Müller an Rheinfelder, 18. 1. 1951, ebd. 109 Vgl. Jedlitschka, Crämer, S. 350 sowie ausführlich zum Wirken Jedlitschka, Rheinfelder.

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Bald wandte sich Dölger an den Rektor, er habe Müller zur Einreichung eines Antrages ermutigt. Nach Durchsicht der Akten der Akademie berichtete Dölger, Müller habe diese »durch seine ungewöhnliche Geschicklichkeit und mit einem Mindestaufwand an Zugeständnissen an das Regime« durch den Nationalsozialismus gebracht, hier wäre »Joh. 8.7 einschlägig«.110 Seinem Schützling berichtete Dölger von den Zweifeln eines Historikers, Müller könne durch »Abhaltung von Vorlesungen, Vergeben von Dissertationen u. dgl. die […] schon als reichlich stark empfundene Klangfülle des historischen Orchesters unserer Universität« vermehren, er solle möglichst eine diesen Argwohn entkräftende Erklärung abgeben.111 Er werde dies tun, so Müller, nur erschiene es ihm »unwürdig, eine förmliche Wahlkapitulation einzugehen«. Dölger persönlich aber gebe er gern die Erklärung, dass »mein Sinn nur mehr auf wissenschaftliche Arbeit gerichtet und daß von mir kein akademischer Wettbewerb, auch nicht als Promotionsvater« zu erwarten sei.112 Seine Emeritierung, darauf kam es Müller an, sollte keinem Gnadenakt gleichen, sie sollte ihrem eigentlichen Sinne entsprechend als Anerkennung seines Rechtes auf Zugehörigkeit zählen. Entsprechend formulierte Müller das Begleitschreiben an den Dekan. Er ersuche, »mich moralisch wieder in die Körperschaft« einzureihen, eine Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit als Emeritus plane er nicht. Selbiges führte Müller im Gesuch an die Fakultät an: »Was mich bewegt, ist einzig das Verlangen, mich wieder als Mitglied der Körperschaft fühlen zu dürfen, der ich seit dem Beginn meiner Studien vor bald 50 Jahren angehört habe und die mich bereits sechzehn Jahre vor 1933 in ihren Lehrkörper aufgenommen hatte.«113 In der nächsten Fakultätssitzung wurde Müllers Gesuch auf Umwandlung der Pensionierung in eine Emeritierung befürwortet.114 Noch am Abend teilte Dölger die guten Nachrichten mit, es seien »dabei von verschiedenen Seiten sehr erfreuliche Urteile abgegeben worden.«115 In dieser Hinsicht war Müllers Verlangen nach Rehabilitierung entsprochen worden. Angesichts der »bedeutenden wissenschaftlichen Verdienste […] und der weitgehenden Entlastung und der Bewährung seit 1945« reichte die Fakultät seinen Antrag weiter.116 Dann jedoch geriet das Verfahren für längere Zeit ins Stocken, Müllers Wahrnehmung eines Anspruches auf die Emeritierung aber pausierte nicht. Im Gegenteil, sie gewann deutlich an Dringlichkeit. Das »Finanzministerium huldigt uns gegenüber offenbar dem Hitlerschen Grundsatz der Euthanasie für die Alt- und Unbrauchbar-Gewordenen«, man habe »doch 110 »Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein«. Vgl. Dölger an Rektor UM Gerlach, 20. 1. 1951, UAM, E-II-2517. 111 Dölger an Müller, 20. 1. 1951, BayHStA, NL von Müller 4. 112 Müller an Dölger, 22. 1. 1951, ebd. 113 Müller an Dekan Phil. Fak., 22. 1. 1951, ebd.; Müller an Phil. Fak., 22. 1. 1951, UAM, E-II-2517. 114 Protokoll der Fakultätssitzung, 9. 2. 1951, UAM, O-III-21. 115 Dölger an Müller, 9. 2. 1951, BayHStA, NL von Müller 4. 116 Dekan Phil. Fak. über Rektor UM an KM, 14. 2. 1951, BayHStA, MK 44052.

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schon einmal erlebt, wohin die Mißachtung des Rechtes führt.«117 Als Müller im November 1951 mitgeteilt wurde, aufgrund der nun vorgenommenen gesetzlichen Regelungen zum Grundgesetzartikel 131 könne seine »Emeritierung leider nach wie vor nicht in Betracht gezogen« werden118, verschärfte er die Formulierung: »Vielleicht tue ich wie manche meiner Schicksalsgenossen dem Finanzministerium den Gefallen, vor der Erledigung durch den Tod abzugehen, und ich vermag den Eindruck nicht abzuweisen, daß diese Art der Erledigung […] mit im Kalkül steht. Es könnte dann freilich sein, daß ein künftiger Historiker dieses Kalkül noch mit unter dem furchtbaren Kapitel der Euthanasie von Staats wegen behandelt.«119 Wohlgemerkt, Müller verfügte über eine, wenn auch gekürzte, Pension und sämtliche bürgerlichen Rechte. Nach Jahren biographischer Rechtfertigung war auch der letzte Rest an ohnehin schütterer Reue aufgebraucht. Rheinfelder assistierte zudem Müllers Wahrnehmung, er gebe »den Kampf noch nicht auf. Wenigstens möchte ich erreichen, daß unsere in den letzten sechs Jahren wahrlich schwer genug heimgesuchten Kollegen wieder im Vorlesungsverzeichnis an ihrer alten Stelle stehen.«120 Sechs Jahre Heimsuchung, seit 1945. Allerdings scheint sich Müller rasch besonnen zu haben, auf welche Weise die bisherige, teils erfolgreiche Rückkehr gelungen war. Rheinfelders Vorschlag zum Vorlesungsverzeichnis erschiene ihm »ausgezeichnet«, dies würde »schon die Erfüllung eines guten Teils dessen bedeuten, was mir vor allem am Herzen liegt«.121 Erst im Herbst 1952 keimte neue Hoffnung. Er habe, so Müller an Max Spindler, vom Dekan mitgeteilt bekommen, dass ihm die bayerische Ergänzungsbestimmung zum Artikel 131 ermögliche, seinen Emeritierungsantrag erneut zu stellen. Ob Spindler dies unterstützen könne – »Einstweilen, als ausgestoßenes Schaf, zeige ich mich ungern in Ministerien und andern Amtsstellen; das werden Sie sicher verstehen.«122 Schließlich wurden Müller durch das Kultusministerium rückwirkend zum April 1951 »statt der bisher gewährten Versorgungsbezüge die Emeritenbezüge […] zugebilligt«.123 Während die finanzielle Genugtuung somit abschließend erreicht war, lag in universitätsrechtlicher Hinsicht der Ball erneut im Feld der Fakultät. Die Gesetzgebung zum Artikel 131 habe, so wurde festgehalten, nur »die versorgungsrechtliche Stellung der Betroffenen« geregelt, die Wiederverleihung der sonstigen »Emeritiertenrechte« sei Sache der Fakultäten. Nun, anderthalb Jahre nach ihrer Zustimmung, wollte die Fakultät Müllers Emeritierung nicht 117 Müller an F. X. Wahl (BVV), 22. 9. 1951, BayHStA, NL von Müller 476. 118 KM (Rheinfelder) an Müller, 22. 11. 1951, BayHStA, NL von Müller 4. Zum »Artikel 131« vgl. Frei, Vergangenheitspolitik, S. 69 – 100. 119 »Die Bestrafung soll erst mit dem Tod endigen.« Vgl. Müller an Rheinfelder, 4. 12. 1951, BayHStA, NL von Müller 4. 120 KM (Rheinfelder) an Müller, 5. 12. 1951, ebd. 121 Müller an Rheinfelder, 10. 12. 1951, ebd. 122 Müller an Spindler, 14. 10. 1952, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller. 123 Rektor UM an Universitätskasse, 21. 11. 1952, BayHStA, NL von Müller 4.

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erneut umstandslos befürworten. Es könnten »Fälle der Art wie der zur Verhandlung stehende nur von Herren sachgemäß beurteilt werden […], die während der fraglichen Zeit Mitglied der Fakultät waren«, daher wurde eine Kommission aus Fakultätsmitgliedern gebildet, die »ihr in den Jahren nach 1933« angehörten.124 Enttäuscht vom unwägbaren Fortgang verwies Müller auf seinen Briefwechsel mit Oxford, dort seien alle Vorwürfe »in sich zusammengesunken«. Sei dies »nicht auch bei uns möglich?«125 Nach Oxford allerdings hatte Müller eine geschönte Darstellung seines Engagements im Nationalsozialismus berichten können, dieser Weg war ihm gegenüber der Münchner Universität selbstredend versperrt. Auch jenseits der noch nicht geglückten Wiederaufnahme in die universitäre »Körperschaft« gestaltete sich die Rekonstruktion des wissenschaftlichen Netzwerkes Müllers schwierig. Zudem trat seit Beginn der 1950er Jahre ein sich stetig verstärkendes Problem seiner Rückkehrversuche zu Tage. Die »akademische Vergangenheitspolitik« erschöpfte sich, zumal nach dem Abschluss der Entnazifizierung, nicht im gemeinschaftlichen Beschweigen der NS-Zeit. Sie war zugleich von einer »Kontinuität des Wissenschaftswandels«126 geprägt, der bald auch die Geschichtswissenschaft erfasste.127 Ein Wandel, der sowohl bereits im Nationalsozialismus gelegte Grundlagen, beispielsweise in der »Volksgeschichte«, paradigmatisch fortführte als auch personelle und institutionelle Kontinuitäten überdecken half.128 An beiden Phänomenen jedoch konnte Müller nicht partizipieren. Jenseits propagandistischer Reden hatte er an einer Ablösung von der Staats- und Politikgeschichte nicht teilgenommen, zudem blieb er als herausragend prominenter Historiker mit seiner »Vorgeschichte« unauflösbar verbunden. Die Frage nach einer möglichen Wiederbelebung des wissenschaftlichen Netzwerkes Müllers bedarf deshalb zuallererst der Feststellung, dass es für dieses bald in weiten Teilen kaum noch Bedarf gab. Nur einige Jahre konnte eine inhaltliche Restauration in der deutschen Geschichtswissenschaft zumindest teilweise Geltung beanspruchen. Ein brieflicher Austausch Müllers mit Franz Schnabel zum »Bismarck-Problem« jedoch war weitaus mehr eine Reminiszenz an frühere Fragen als von historiographischer Dringlichkeit.129 Wenn Müller fürchtete, man werde sich »nicht leicht tun, den alten Stand der wissenschaftlichen Akribie aufrecht zu erhalten«, da sich »die großen soziologischen Erdrütsche« auswirkten, verdeutlichte dies seine wissenschaftliche Sozialisation im KaiserProtokoll der Fakultätssitzung, 21. 11. 1952, UAM, O-III-22. Müller an Spindler, 24. 11. 1952, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller. Weisbrod, Transformierung, Zitat S. 22. Zu »zum Teil auch bewusst versteckten Umorientierungen und Neujustierungen […], die die eigentlichen Spannungen im geisteswissenschaftlichen Betrieb der fünfziger Jahre ausmachen«, vgl. Eckel, Übergänge, Zitat S. 294. 128 Vgl. ausführlich Schulze, Geschichtswissenschaft, v. a. S. 302 – 311. 129 Müller an Schnabel, 6. 1. 1950 (richtig: 1951), BSB, NL Franz Schnabel, Schnabeliana II.b.2 (Müller, Karl Alexander von); Schnabel an Müller, 17. 2. 1951, BayHStA, NL von Müller 494. 124 125 126 127

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reich.130 Diese hatte seine fachlichen Veröffentlichungen bis in die NS-Zeit geprägt und setzte seinem wissenschaftlichen Neubeginn enge Grenzen. Keineswegs aber war Müller selbst der Ansicht, seine früheren wissenschaftlichen Veröffentlichungen wären nun obsolet. Intensiv bemühte er sich um ihre erneute Publikation. Für den bereits zweifach und zudem noch in englischer Übersetzung erschienenen »Älteren Pitt« konnte Müller im Juli 1950 den Münchner Verlag Hermann Rinn interessieren, der jedoch unter Verweis auf die »wahre Friedhofsstille im Buchhandel bei der ganzen historischen Literatur« schließlich absagte. Dem Interesse Rinns an einer deutschen Geschichte auf der Grundlage früherer Vorlesungen, soweit waren Müller deren Blickwinkel und Wertungen durchaus erinnerlich, begegnete er mit dem Hinweis, es sei schwer, »eine Geschichte in dem Augenblick zu schreiben, da ihre bisherigen Grundlagen u. Voraussetzungen aufgehoben sind.«131 Eine Neuabfassung scheute Müller, stattdessen bot er zum Jahresende dem Stuttgarter Koehler Verlag den bereits zuvor erwogenen Band »Aus der Zeit der Demagogenverfolgung«, bestehend aus seinen Monographien zu Sand und Görres, an. Beide Bücher gehörten »nach dem Urteil der Fachkritik […] zu meinen besten kleineren Arbeiten, die ich nicht gern schon begraben sähe.«132 Doch war der Verlag weitaus mehr an den entstehenden Memoiren interessiert. Im Juli 1951 startete Müller einen neuerlichen, jedoch ebenso erfolglosen Versuch. Er habe gehört, man plane eine Neuausgabe von Erich Marcks’ »Königin Elisabeth« – »Wäre dazu nicht mein ›Älterer Pitt‹ ein ganz gutes Gegenstück? […] Der Gedanke kam mir, weil Marcks ihn besonders gern hatte.«133 Auch der Beck Verlag konnte sich für den Doppelband aus Görres und Sand nicht erwärmen. Letzterer war »in bester Erinnerung«, auch den Essay »über ›Görres in Straßburg‹ haben wir früher einmal gelesen«, doch seien »Reprisen« schwer durchzusetzen, »selbst wenn es sich um einen so namhaften Stilisten handelt.«134 Schließlich suchte Müller Rat bei Gustav Kilpper, dem Erstverleger der nun vergeblich angebotenen Bände. Neben einem zweiten Erinnerungsband erwog Kilpper eine Sammlung »sehr in weiß-blauer Atmosphäre«, die im Jahr darauf im Verlag des Sohnes erscheinen würde.135 Müllers Veröffentlichungswille, bei gleichzeitigem Mangel an geeignetem Material, kannte kaum Grenzen. In den geplanten Sammelband »Männer, Völker, Revolutionen« wollte er gar seinen

130 Müller an Kurt von Raumer, 17. 11. 1951, ULBM, NL Kurt von Raumer A 2,12. 131 Müller an Rinn, 11., 21. u. 23.7. sowie 9. 8. 1950; Rinn an Müller, 18. u. 25.7. sowie 19. 9. 1950, BayHStA, NL von Müller 440. 132 Müller an Koehler Verlag, 26. 12. 1950, BayHStA, NL von Müller 439. 133 Müller an Koehler Verlag, 2. 7. 1951, ebd. 134 C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung an Müller, 15. 3. 1951, BayHStA, NL von Müller 438. 135 Kilpper an Müller, 26. 10. 1951, BayHStA, NL von Müller 439. Zu dieser sehr bekannten Sammlung Müllers – »Unterm weiß-blauen Himmel« – vgl. Kapitel 7.3.1.

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Salzburger Vortrag »Deutschland und England« aufnehmen, dieser müsse allerdings »überarbeitet und ergänzt werden.«136 Müller publizierte in der ersten Hälfte der 1950er Jahre durchaus rege. Wissenschaftliche Beiträge jedoch blieben seltene Ausnahmen, sein Reservoir waren die bayerische Heimat und die eigene Biographie. Neben der weiterhin engen Bindung an seine Schüler, auf deren Verhältnis zu ihrem akademischen Lehrer noch einzugehen sein wird, gelang Müller eine Rekonstruktion seines wissenschaftlichen Netzwerkes in der frühen Bundesrepublik in institutioneller Hinsicht allenfalls in den neu gegründeten Einrichtungen der politisch »Verfemten« beziehungsweise in Nachfolgeinstitutionen der »Volksforschung«. Die Gründung der »Ranke-Gesellschaft« 1950 unterstützte Müller von Beginn an,137 auch versuchte Müller dem Merkur einen Beitrag über Ranke mit dem Hinweis schmackhaft zu machen, dass »zurzeit eine große RankeGesellschaft in Gründung« sei.138 Dass Müller allerdings mehrfach zu den »führenden Mitglieder(n)« der Gesellschaft gezählt wurde139, verdankt sich nur seiner vormaligen Prominenz, an ihrer Tätigkeit selbst nahm er nicht teil. Zumindest in diesen Kreisen schmückte Müllers Name noch, sowohl im Göttinger Arbeitskreis140 als auch in einer Fachgruppe des Herder-Forschungsrates war er erwünscht.141 Wirklich beteiligt aber blieb Müller nur am von ihm als Gründungsleiter geprägten Südost-Institut. Dessen Stiftungsrat hatte bereits im März 1945 vorausschauend gehandelt und bekundet, das Institut habe es »im Laufe der letzten 12 Jahre stets vermieden, in den Dienst politischer Anschauungen zu treten und durch seine Forschungsarbeiten politische Bestrebungen gleich welcher Richtung zu unterstützen.« Man wolle nun, eine Rückkehr zu den Anfängen unter Müller, die Tätigkeit im ursprünglichen Rahmen auf »kulturkundliche Forschungsaufgaben in Süddeutschland« beschränken sowie sich in »Münchner Institut für Kulturforschung« umbenennen.142 An dieser Sitzung hatte Müller nicht teilgenommen, doch ruhte das Institut in den kommenden Jahren ohnehin. Erst im Januar 1949 wurde festgestellt, dass auch Müller weiterhin dem Stiftungsrat angehöre.143 Müller selbst allerdings war im 136 Müller an Kilpper, 3. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 453. 137 »Von der älteren Generation haben die Herrn Schüssler, K.A. von Müller, Srbik […] ihre grundsätzliche Zustimmung ausgesprochen.« Vgl. Gustav Adolf Rein an Fritz Valjavec, 31. 5. 1950, BayHStA, Südost-Institut 73. Vgl. auch Reins Verweis auf Müllers Zuspruch in: Goede, Rein, S. 234 sowie im Überblick Salewski, Ranke-Gesellschaft. 138 Müller an Joachim Moras (Merkur), 3. 11. 1950, DLA, D:Merkur. 139 Schulze, Geschichtswissenschaft, S. 205; Asendorf, Ranke-Gesellschaft, zu Müller S. 48 f. 140 Linnemann, Ostforschung, S. 132. 141 Petersen, Bevölkerungsökonomie, S. 297. 142 Stiftungsratsprotokoll, 1. 3. 1945, BayHStA, Südost-Institut 11. Die Beschlüsse wurden jedoch, nachdem die politische Entwicklung diese bestätigt hatte, erst im Oktober 1945 dem Kultusministerium überreicht, vgl. entsprechend den Eingangsstempel des KM vom 16. 10. 1945 u. die Notiz »Von Prof. Machatschek heute übergeben 16.X.45«, in: BayHStA, MK 71456. 143 Fritz Machatschek (Leiter des Instituts) an KM, 10. 1. 1949, ebd.

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Jahr darauf bemüht, Abstand zu halten, er habe die Leitung bereits 1935 abgegeben und sei »die folgenden zehn Jahre nur als Mitglied des Stiftungsrates in einem sehr lockeren Verhältnis zum Institut geblieben.«144 Grund für die Zurückhaltung war sein Schüler Fritz Valjavec, dessen Initiative zur Wiederbelebung des Instituts Müller zwar unterstützte, Valjavec’ Engagement im Nationalsozialismus aber mit einem Fragezeichen versah: »Was Fähigkeiten, Kenntnisse, Verbindungen im Osten, was Arbeitseifer und Organisationsgabe betrifft, würde ich Herrn V. die Leitung des Instituts voll zutrauen; dagegen hat seine Persönlichkeit im letzten Grund für mich immer etwas Undurchsichtiges behalten, und ich könnte mich auch nicht verbürgen, wie weit er in einer exponierten Stellung vor Anschüssen völlig sicher ist.«145 Jedoch befand sich Müller in einer durchaus vergleichbaren Lage. Folgerichtig bekannte wiederum Valjavec gegenüber dem Ministerium, dass Müller »als Leiter des Instituts […] sachlich am geeignetsten wäre, daß jedoch der Genannte augenblicklich aus politischen Gründen noch nicht zur Leitung des Instituts berufen werden könne.«146 An dieser jedoch war Müller nicht interessiert, den Platz im Stiftungsrat hingegen behielt er gern und besuchte in den folgenden Jahren gelegentlich die Sitzungen.147 An der Institutsarbeit nahm Müller nicht teil, den mitgeprägten Paradigmen blieb er zumindest sprachlich treu, lobte in der Begutachtung von vorgeschlagenen Forschungsvorhaben Valjavec’ deren Bedeutung für »die Geschichte des deutschen Volkstums in Mitteleuropa«.148 Während Müller der Ranke-Gesellschaft oder dem Südost-Institut zur Zierde gereichte, blieb er der Akademie eine Last aus ihrer institutionellen Vergangenheit.149 Jedoch war Müller schon vor seiner Ernennung zum Präsidenten für die Akademie »kein Fremder«150 gewesen, persönliche Verbindungen und institutionelles Wissen behielt er auch nach dem Austritt. So musste die Akademie im Juni 1950 ihren ehemaligen Präsidenten um Auskunft zur Stiftungsurkunde bitten, da anderweitige Nachforschungen erfolglos geblieben waren. Behilflich konnte Müller nicht sein, doch das Schweigen war zumindest unterbrochen worden.151 Zur Jahressitzung im November 1950 wurde Müller eingeladen, seine krankheitsbedingte Absage versah er mit fast drohenden Hinweisen auf seine Bindung an die Akademie: »Seit ich vor 40 Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter, 1916 Mitglied der Historischen Kommission wurde, 1917 bis 1928 Syndikus, ab 1928 o. Mitglied der Gesamtakademie und ständiger geschäftsführender Sekretär ihrer beiden geschichtlichen 144 145 146 147 148 149 150 151

Müller an Verwaltungsausschuss UM, 22. 3. 1950, ebd. Müller an Elmenau (KM), 17. 1. 1951, BayHStA, NL von Müller 490. Notiz des KM, 18. 1. 1951, BayHStA, MK 71456. Niederschrift über die Sitzung des Stiftungsrates, 26. 7. 1951, ebd. Nochmals anwesend war Müller im November 1953 und im Juli 1958. Müller an KM (Meinzolt), 2. 9. 1951, ebd. Zur Akademie nach 1945 vgl. F. W. Graf, Wissensmacht. L. Boehm, Langzeitvorhaben, S. 417. BAdW an Müller, 12. 6. 1950; Müller an BAdW, 14. 6. 1950, BayHStA, NL von Müller 4.

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Kommissionen, bin ich dieser Körperschaft von so vielen Seiten her verknüpft, daß ich ihr innerlich zugehöre, wie immer die äußeren Verhältnisse liegen.« Heinrich Mitteis, der amtierende Präsident, versicherte Müller, er wisse, dass »Sie mit der Akademie innig verbunden sind und sich große Verdienste erworben haben.«152 An Müllers Status als Nichtmitglied jedoch änderten die freundlichen Worte nichts. Sein Gewährsmann Franz Dölger riet zum Abwarten, noch würden »massgebende Mitglieder ehrwürdigen Alters ihrer Abneigung immer noch unentwegt und unter Aufwand erheblicher Stimmmittel Ausdruck geben, sobald nur Ihr Name fällt.« Zudem sei, so ergänzte Dölger bald, die rechtliche Lage »ja dort auch so, dass Sie neu gewählt werden müssten.«153 Es blieb Müller vorerst kein anderer Weg, als auf eine Änderung zu hoffen sowie derweil mit pragmatischen und freundlichen Schritten sich selbst im Spiel zu halten, keinesfalls jedoch als »Problem« zu erscheinen.154 Auch gegenüber der Historischen Kommission bemühte sich Müller, seiner Enttäuschung keinen Ausdruck zu geben, zugleich mit jedem Zuspruch aber auch die Bindung zu betonen. An Goetz, den noch amtierenden Präsidenten, schrieb er im April 1950 in dieser zwiespältigen Form, es sei »sehr erfreulich, dass es Ihrer Tatkraft gelungen ist, die Historische Kommission über alle Fährnisse wieder in normale Bahnen zu lenken. Ich fühle mich ihr in guten wie in bösen Tagen so engverbunden wie je.«155 Gegenüber Heinrich von Srbik, in derselben Lage wie er, erwog Müller, dass »eine gute Vorbereitung« doch »G.Rs. organisierten Widerstand« lahmlegen können müsse.156 Den ewigen Konkurrenten Gerhard Ritter hatte Müller als hauptsächlichen Widersacher ausgemacht, im Vergleich erschien ihm der fortgesetzte Ausschluss unbegründet: »Wenn ich sehe, was sich sonst ringsum an Rehabilitierungen begibt, will mir der dauernde Ausschluß von Srbik und mir gerade aus der Hist. Kommission doch schwer eingehen.«157 Doch ebenso wie Müllers Engagement für den Nationalsozialismus nicht zuletzt von hohem symbolischen Gehalt gewesen war, so blieb auch seine mögliche Rehabilitierung vor allem ein Symbol. Im Frühjahr 1951 stand die nächste Jahressitzung der Kommission an. Vorab wandte sich Hermann Heimpel, der unter dem Sekretär Müller seine 152 Einladung BAdW an Müller zur Jahressitzung; Müller an Mitteis, 24. 11. 1950; Mitteis an Müller, 30. 11. 1950, BayHStA, NL von Müller 419. 153 Dölger an Müller, 3. 12. 1950 u. 20. 1. 1951, BayHStA, NL von Müller 4. 154 Im Februar 1952 trat Müller der »Gesellschaft der Freunde der Bayerischen Akademie der Wissenschaften« bei, mit der Einschränkung, dass »mein Beitrag öffentlich nur unter der Schiffer v.M. erscheint, denn es liegt mir daran, jede Mißdeutung auszuschließen.« Der Bitte kam die Akademie nach. Vgl. Müller an Mitteis, 7. 2. 1951; Gesellschaft der Freunde der BAdW an Müller, 13. 2. 1951, BayHStA, NL von Müller 419; Mitgliederverzeichnis »Gesellschaft der Freunde der BAdW«, 1. 5. 1953, BayHStA, MK 71097. 155 Müller an Goetz, 15. 4. 1950, BayHStA, NL von Müller 492. 156 Müller an Srbik, 9. 9. 1950, BayHStA, NL von Müller 494. 157 Müller an Goetz, 10. 9. 1950, BayHStA, NL von Müller 4.

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Versuche der Annäherung

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ersten Schritte in der Kommission absolviert hatte, an diesen. Er habe vor zwei Jahren die Wahlen nur verhindert, da er »nicht sicher war, ob damals Ihre und v. Srbiks Wahl glatt gegangen wäre.«158 Die Anerkennung, die Heimpels Rechtfertigung beinhaltete, ließ Müller sofort dankbar reagieren. Er glaube, der Kommission »gerade in den Jahren nach 1933 durch ganz persönlichen Einsatz, von dem ich allerdings nie ein Aufheben gemacht habe, manchen Schaden und manche unmittelbare Gefahr fern gehalten zu haben, das war freilich einige Jahre nur möglich durch Stillhalten und indem ich allein zwischen der Kommission und Walter Frank stand.«159 Eine Wahl Müllers kam jedoch auch im Frühjahr 1951 nicht zustande, dem scheidenden Präsidenten Goetz offenbarte Müller seine tiefe Enttäuschung: »Marcks, Srbik und ich waren zwischen 1933 und 1945 die Schutzwand, welche die Kommission vor den nicht wenigen totalitären Ansprüchen der Partei bewahren mußten.« Die Kommission habe damals, »trotz mancher Vorstöße, keines Ihrer alten Mitglieder preisgegeben«. Seitdem allerdings, nur so war Müllers Hinweis zu verstehen, durchaus.160 Nur einen Monat später zog Müller einen neuerlichen Vergleich, nun gegenüber unterschiedlichen Entwicklungen seit 1945. Er habe die »persönliche Entscheidung des Jahres 1945 als Sühne für das, was Sie zutreffend als Mangel an politisch-ethischer Einsicht bezeichnen, in meinen eigenen freien Willen aufgenommen« und tue dies weiterhin, doch werde dies nicht »berührt von der oft schreienden Ungleichmäßigkeit […] in der tatsächlichen Durchführung der Denazifizierung und von dem Pharisäertum, das dabei oft sich breit machte.«161 Auch wenn diese Klage Müllers nicht unberechtigt erscheint, wer, ganz abgesehen vom unbelasteten Goetz, sollte ihm darin folgen? Wer nach der zumeist glimpflich überstandenen Entnazifizierung sich nun für eine »gerecht« verteilte Sühne einsetzen? Zunehmend kämpfte Müller an Fronten, die seine ehemaligen Kollegen tunlichst meiden wollten, sein Insistieren auf einer erneuten Bewertung seines »Falles« stieß nicht zuletzt auf den Unwillen, sich überhaupt nochmals mit dem endlich überstandenen Thema befassen zu müssen. Stolz schlug Müller das Angebot zur Mitarbeit an einem »DreißigjährigenKriegs-Band« aus, er könne für die Kommission ohne Mitgliedschaft »nicht wieder ihr wissenschaftlicher Hilfsarbeiter werden wie vor 42 Jahren«. Wenige Monate darauf argumentierte er erneut detailliert für sein Recht: »Aus dem jüngsten Jahrbuch der Akademie sehe ich, daß sich unter den 23 derzeitigen o. Mitgliedern der H.K. nur noch 8 befinden, die meine Tätigkeit in der Kom158 Hermann Heimpel an Müller, 29. 3. 1951, BayHStA, NL von Müller 492. 159 Müller an Heimpel, 2. 4. 1951, ebd. Auch aus der Kommission für württembergische Landesgeschichte war Müller unterdes »ohne jeden Laut, ja sogar ohne Mitteilung« gestrichen worden, doch er »geize nicht mehr nach Ehren.« Vgl. Müller an Hermann Haering, 23. 4. 1951, BayHStA, NL von Müller 495. 160 Müller an Goetz, 16. 4. 1951, BayHStA, NL von Müller 4. 161 Müller an Goetz, 10. 5. 1951, ebd.

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mission miterlebt haben […]. Ich staune etwas, woher die 15 seit 1946 neu Hinzugekommenen den Mut nehmen, entweder über eine Wirksamkeit zu urteilen, die sie nicht kennen, oder – wenn die Ablehnung meiner wissenschaftlichen Person im ganzen gilt – sich für so viel einsichtiger zu halten als die seinerzeitigen Mitglieder 1916, 1923 und 1928, die mich der Reihe nach zum ao. und o. Mitglied und dann zum geschäftsführenden Sekretär gewählt haben.«162 Ob Verkaufserfolge und Zuspruch zu seinen Erinnerungen, ob die Rückkehr in den Kreis der Oxforder Rhodes Scholars oder die finanzielle Gleichstellung, die ausbleibende neuerliche Akzeptanz durch Universität, Akademie und Historische Kommission blieb der Makel in seiner Rehabilitierung, über den zuallererst Müller selbst nicht hinwegsehen konnte. Selten, dann jedoch heftig, brach die Verunsicherung über seine unklare Rolle aus Müller heraus. Als ein früherer Bekannter vermeintlich mit Absicht einen Kontaktversuch unbeantwortet ließ, forderte Müller die Nennung der Gründe: »Als Aussätziger, der niemand seine Hand reichen darf, fühle ich mich nicht.«163

7.2 Siebzigster Geburtstag im Dezember 1952 Müllers Jahre seit 1945 hatten einem permanenten, aus eigener wie äußerer Perspektive erstellten »Zwischenfazit« seiner Biographie geglichen. Doch sträubte sich Müller dagegen, dass diese Einschätzungen als Schlussbilanz seines Lebens verbleiben sollten. Die Herausforderung, auf eine Karriere zurückzublicken, deren wesentlicher Antrieb und Erfolg diskreditiert war, prägte Müllers letzte Lebensjahrzehnte. Im Kampf um Anerkennung und Rehabilitierung blieben freimütige Bekenntnisse rar, eines aber gestattete sich Müller im Briefwechsel mit Wilhelm Hausenstein, der das Angebot gemeinsamer Erinnerung aufgegriffen hatte.164 Hausenstein übersandte seine »Schrift gegen moderne Kunst«165, bewegt antwortete Müller. Es sei »das Schicksal unserer ganzen Generation, […] aus bedrängtem Gewissen überprüfen zu müssen, was uns von all den Dingen bleibt, an die wir in jüngeren Jahren geglaubt, für die wir uns eingesetzt haben.« Das Christentum habe, so Müller ungewohnt religiös, auf jede große Krise bisher »mit neuen Ordensgründungen« geantwortet, er warte »seit Jahren mit einer oft angstvollen Sehnsucht auf einen solchen neuen – allerdings: ganz neuen, d. h. völlig neuartigen – Orden, der eine Brücke über den Abgrund der Säkularisierung zu schlagen 162 Müller an Goetz, 9.6. u. 3. 11. 1952, HiKo I Band 6. 163 Müller an Hans Mollier, 19. 3. 1951, BayHStA, NL von Müller 259. Die ausbleibende Antwort Molliers stellte sich als Missverständnis heraus. 164 »Ich denke so manchesmal an die gemeinsamen Studienzeiten […]; eine Verbundenheit dieser Art löst sich nicht.« Vgl. Hausenstein an Müller, 11. 11. 1949, BayHStA, NL von Müller 482. 165 Hausenstein an Müller, 11. 11. 1949, ebd. (Unterstreichung im Original). Vgl. Hausenstein, Was bedeutet die moderne Kunst?

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übernimmt, einen Orden, dem jeder von uns anzugehören sich gezwungen fühlen würde, sobald sein Ruf erklingt.«166 Ähnlich äußerte sich Müller zwei Jahre darauf gegenüber dem Schweizer Diplomaten und Historiker Carl Jacob Burckhardt, mit dem Müller seit der Veröffentlichung des »Danton« in Verbindung stand.167 Er warte, so Müller, seit »etwa zwanzig Jahren […] als geborener Katholik auf einen neuen Orden, der sonst jeder schweren Krise, oft zunächst gegen Papst und Kirchenleitung entsprang. Aber wo wäre heute ein Benedikt, ein Franziskus, ein Ignaz? Gibt es noch einen Nährboden für sie?«168 Unschwer sind diesen Überlegungen frühere Vorstellungen Müllers von Gemeinschaft und berufener Führung zu entnehmen. Der zuvor ungekannte religiöse Tonfall lässt seine Orientierungslosigkeit erahnen, fügt sich aber auch in das zeittypische Phänomen einer erhofften »Rechristianisierung« ein.169 Wiederum gegenüber Karl August Fischer gestand Müller : »Ich brüte oft über meine eigene Schuld in diesen Jahren und schäme mich, unter uns, entsetzlich.«170 Anderthalb Jahrzehnte zuvor, angesichts ihres nationalsozialistischen Engagements, hatte Ludwig Quidde gefragt: »Ob Gelehrte wie Marcks, Srbik und A. Müller gar kein Gefühl der Scham haben bei der Rolle, zu der sie sich hergeben, und keine Ahnung von der Verachtung, der sie einmal, wenn die Welt wieder normal geworden ist, anheimfallen werden?«171 Entgegen dieser Erwartung war Müller, als die »Welt wieder normal geworden« war, nicht der Verachtung anheimgefallen. Trotz der unvollendeten Rehabilitierung, eigener Zweifel und oftmaliger Rechtfertigung, sein 70. Geburtstag im Dezember 1952 bot Anlass für Zustimmung und Verehrung. Dem »Künstler unter den Gelehrten, dem weitherzig allem Menschlichen sich öffnenden Forscher« sandte Friedrich Meinecke seine Glückwünsche.172 Ohne Vorüberlegungen allerdings war eine Ehrung Müllers, zumal mit öffentlichen Bekundungen, nicht zu bewerkstelligen. Den Anfang übernahm Heinz Gollwitzer, Müllers ältestem Schüler Kurt von Raumer unterbreitete er die Idee einer Festschrift. Blättere »man die Festgaben zum 50. wie zum 60. Geburtstag durch, so möchte man annehmen, daß eine nicht unbeträchtliche Zahl der Beiträger bereit wäre, sich auch im kommenden Jahr zu einem Geburtstagsgeschenk in dieser Form zusammenzuschließen.«173 Wohl unbeabsichtigt hatte Gollwitzer mit seinem Vorschlag das wesentliche Pro166 Müller an Hausenstein, 20. 12. 1949, BayHStA, NL von Müller 482. 167 »Durch die so gütige Übersendung Ihres wundervollen Danton-Essays haben Sie mir viel Belehrung und Einsicht vermittelt.« Vgl. Burckhardt an Müller, 31. 7. 1950, ebd. 168 Müller an Burckhardt, 12. 10. 1951, BayHStA, NL von Müller 75. 169 Vgl. Große Kracht, Wandlungen sowie Großbölting, Himmel, S. 21 – 94. 170 Müller an Fischer, 22. 4. 1951, BayHStA, NL von Müller 258. Zur Nachkriegsdiskussion um »Schuld« vgl. eine Reihe von Beiträgen in: Dutt (Hg.), Schuldfrage. 171 Quidde an Hans Wehberg, 23. 10. 1935, abgedruckt in: Holl, Quidde, S. 555. 172 Telegramm Meinecke an Müller, 19. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 31. 173 Gollwitzer an Raumer, 20. 6. 1951, ULBM, NL Kurt von Raumer A 1,67.

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blem einer Ehrung Müllers offenbart – man würde kaum an frühere Ehrungen und Meriten anschließen können. Müllers wissenschaftliche Biographie entzog sich angesichts ihres extremen Bruches 1945 einer im einvernehmlichen Rückblick auf ertragreiche Jahre hergestellten Kontinuität. Entsprechend meldete Raumer, der Rücksprache mit Theodor Schieder gehalten hatte, seine Zweifel an. Eine Festschrift könne »dem von uns erstrebten Zweck nicht so dienen […], wie wir dies gerade im Gefühl der Verbundenheit« wünschen, da diese »keinesfalls weniger gut und für die Stellung Müllers in unserem Fach weniger zeugend sein dürfte als die vorige«.174 Der Rang Müllers in der Geschichtswissenschaft der frühen 1950er Jahre vertrug keinen Vergleich mit früheren Jubiläen, eine Festschrift wäre dafür zum gedruckten Beleg geworden. Einen Monat vor Müllers Geburtstag trat Gollwitzer erneut auf den Plan, nun nahm er die geäußerten Bedenken selbst vorweg, eine Ehrung Müllers »in großem Rahmen, vergleichbar der Feier im Künstlerhaus von 1942« sei »aus bekannten Gründen« ausgeschlossen. An deren Stelle hätten Schüler Müllers eine gemeinsame Grußadresse in Angriff genommen, zudem plane Max Spindler eine Veranstaltung.175 Die eigentliche Feier wurde von Müllers Frau für den 20. Dezember organisiert, private und wissenschaftliche Ehrung mussten sich den Rahmen teilen. Doch auch die Vorbereitung dieser Veranstaltung blieb heikel. Müller fragte Spindler, ob er eine Einladung Franz Schnabels wagen solle. Er würde, so Müller, es »persönlich gern tun, möchte mir aber, wie Sie verstehen werden, gerade nach den letzten Entwicklungen in der Historischen Kommission und der Fakultät nichts vergeben. Ich möchte nicht in den Verdacht kommen, um jemand zu werben, der vielleicht gegen mich ist.«176 Schließlich wollte Theodor Schieder den Geburtstag seines Lehrers der Öffentlichkeit doch nicht vorenthalten, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schlug er – »bei der Bedeutung dieses Gelehrten« – einen Artikel vor, den Schieder selbst verfasste.177 Auch Raumer gratulierte seinem Lehrer öffentlich.178 Gleich ihm blieben die Lobredner in der Presse auf Müllers Erinnerungen konzentriert, betonten seine literarischen und essayistischen Fähigkeiten als »historischer Schriftsteller und Dichter.«179 Als – nun wieder – dezidiert bayerischer Historiker 174 Raumer an Gollwitzer, 15. 8. 1951, BArch, NL Heinz Gollwitzer 43. Raumer selbst hatte nach 1945 wegen seines vorherigen Engagements Abbitte leisten müssen, dadurch aber seinen Lehrstuhl in Münster sichern können, vgl. Fausser, Geschichtswissenschaft, hier S. 61 – 67. 175 Gollwitzer an Kurt von Raumer, 23. 11. 1952, ULBM, NL Kurt von Raumer A 1,69. 176 Müller an Spindler, 25. 11. 1952, BayHStA, NL von Müller 38. Schnabel sagte schließlich zu, vgl. Schnabel an Irma von Müller, 4. 12. 1952, ebd. 177 Schieder an FAZ, 26. 11. 1952, BArch, NLTheodor Schieder 1244. Vgl. Schieder, Karl Alexander von Müller. Zum 70. Geburtstag. Die NS-Zeit blieb in Schieders Beitrag ausgespart. 178 Raumer, K.A. von Müller 70 Jahre alt. Zudem widmete er Müller einen Aufsatz, vgl. Raumer, Saint-Pierre und Rousseau. 179 Dieß, Karl Alexander von Müller ; Hohoff, Karl Alexander von Müller 70 Jahre.

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konnte Müller auch die Glückwünsche des offiziellen Bayern entgegennehmen, vom Ministerpräsidenten Hans Ehard über den Münchner Oberbürgermeister bis zum Haus Wittelsbach.180 Dem Anlass entsprechend blieben Hinweise auf Brüche im beglückwünschten Leben eine Ausnahme. Der frühere Münchner Oberbürgermeister Karl Scharnagl vermerkte, Müllers »bedeutsame Forschung« habe »jene bedauerliche Zeit überstanden, in der unser liebes Heimatland zum großen Teil Mitträger einer Bewegung war, die mit dieser ruhmreichen Tradition Bayerns kaum zu vereinbaren war.«181 Wenig dezent erinnerte ein früherer Mitstreiter vom Bayerischen Volksbildungsverband an jene von diesem veranstaltete »Verleihung der Goethe-Medaille in dem herrlichen Festsaal des Künstlerhauses, der sobald darauf in Schutt und Asche versank«.182 Müllers Kollege Willy Andreas spendete einen kaum willkommenen Trost – »Im Grunde müssen wir froh sein, in diesen ›Betrieb‹ nicht eingespannt zu sein« –, vom »allzufrühen gewaltsamen Abbruch Ihrer Lehrtätigkeit« schrieb Günther Franz.183 Zumeist aber wurden die Brüche dieser Biographie ausgespart, eine Fülle von freundlichen, aber weitgehend allgemeinen Glückwünschen zeugt von der Schwierigkeit, angemessene Worte der Würdigung zu finden.184 Eine Nachfrage Meineckes, ob sein Glückwunsch eingetroffen sei, bot Müller mit dem Abstand einiger Wochen Anlass zur Rückschau. Angesichts der Arbeiten am nächsten Erinnerungsband wurde er grundsätzlich: »Es ist schon eine große Odyssee, die unsere Generation im letzten halben Jahrhundert zurückgelegt hat, und es ist eines der gedrängtesten welthistorischen Schauspiele, dessen Zeugen wir geworden sind. Ich weiß noch nicht, ob meine Kraft ausreichen wird, von meinem individuellen Standpunkt her ein einigermaßen zureichendes Bild dessen festzuhalten, was ich davon miterlebt und zu verstehen gesucht habe. Noch stecke ich im ersten Weltkrieg: wie klein erscheinen heute die Differenzen, die unser Volk damals so leidenschaftlich zerspalteten, wie viel war uns allen, von den Mehrheitssozialdemokraten bis weit nach rechts noch selbstverständlich gemeinsam!«185 Solche dezidiert politischen Rückblicke versagte sich Müller in seiner persönlichen Geburtstagsansprache, wob allerdings einige allgemeine Sätze zum eigenen Versagen ein. Wenn »in diesen letzten 20 Jahren zeitweise das Schlimme das Gute überwog, so bin ich mir wohl bewusst, dass ein gerüttelt Mass davon auch auf meine persönliche Verantwortung geht«.186 Immer wieder betonten die Redner der Geburts180 Telegramm Ehard an Müller, 20. 12. 1952; Oberbürgermeister München an Müller, 20. 12. 1952; Telegramm Albrecht von Bayern an Müller, 20. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 31. 181 Scharnagl an Müller, 19. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 36. 182 F. X. Wahl (BVV) an Müller, 17. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 37. 183 Andreas an Müller, 25. 12. 1952; Franz an Müller, 20. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 32. 184 Vgl. u. a. die Glückwünsche von Fritz Hartung, Hermann Heimpel, Erwin Hölzle, Walther Hubatsch, Walther Kienast u. Fritz Wagner, in: BayHStA, NL von Müller 33 bis 37. 185 Müller an Meinecke, 19. 2. 1953, BayHStA, NL von Müller 31. 186 Tischrede Müller, 20. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 38.

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tagsfeier den seit dem fünfzigsten Geburtstag im Dezember 1932 vergangenen Zeitraum von zwanzig Jahren, die zwei Jahrzehnte selbst aber blieben im Ungefähren. Auch bei Theodor Schieder : »Es ist lange her, daß wir zu Ihren Füßen sitzen durften: vor 20 Jahren haben wir Sie in einem Hörsaal der Münchner Universität zum ersten Mal bei einer Geburtstagsfeier begrüßt. Wenn ich diesen Tag des Jahres 1932 mit dem heutigen vergleiche, so will mir fast scheinen, als läge nur ein kurzer Traum dazwischen, ein Traum von all den Dingen, Ereignissen, Verhängnissen, die dazwischen über uns hinweggebraust. Aber das Wesentliche, Ihr Verhältnis zu uns und das unsrige zu Ihnen, ist unverändert: das Band ist nicht zerrissen, und ich glaube fast, darin ist alles enthalten, was überhaupt sagenswert ist.«187 Schließlich veranstaltete Max Spindler im Januar 1953 eine Feier im Institut für Bayerische Geschichte, die den Schülern Müllers vorbehalten war. In seiner Ansprache skizzierte Heinz Gollwitzer den Lehrer Müller, es gebe »sehr verschiedene Typen von Schülerschaften und jede spiegelt etwas vom Wesen ihres Lehrers wider.« In diesem Sinne, auch seine eigene Bindung an Müller begründend, beschrieb Gollwitzer den anwesenden Kreis: »Die Müllerschüler wurden nie zusammengeschweißt, ihre Begegnung mit dem Lehrer und unter sich vollzog sich ganz im Lichte der Freiheit.« Müller habe »nach allen Seiten Anregungen ausgestreut […] und er hat in allen Fällen und immer nur Wohlwollen gekannt.«188

7.3 Rehabilitierung zwischen Erfolg und Scheitern Nach der frühen Anerkennung zum fünfzigsten Geburtstag im Dezember 1932 und dem Höhepunkt der Karriere Müllers im nationalsozialistischen Deutschland 1942 blieb der siebzigste Geburtstag, zwischen dem Erfolg der Erinnerungen und den Überresten seines wissenschaftlichen Netzwerkes, geprägt von Müllers nur teils geglückter Rückkehr. Ohne seine Bemühungen um neuerliche institutionelle Anerkennungen aufzugeben, begann Müller bereits Anfang der 1950er Jahre, sich auf das offenkundig weitaus erfolgsträchtigere Feld der historischen und regionalen Publizistik zu konzentrieren. Der sich langsam, dann aber konstant einstellende Erfolg gab zudem Gelegenheit, die unerfüllten Wünsche zur selbsterwählten Entscheidung umzuwidmen. Er habe, so Müller auf Anfragen nach einem möglichen institutionellen Engagement im Bereich der Volksbildung, seit »den Erlebnissen von 187 Rede Schieder, 20. 12. 1952, BArch, NLTheodor Schieder 1244. Müller hatte Schieder bereits als den aussichtsreichsten unter seinen Schülern ausgemacht: »Sie wissen, welche große Freude mir gerade Ihr Kommen gemacht hat und mit welcher innerlichen Beteiligung und mit welchem Lehrerstolz ich Ihre Arbeit verfolge.« Vgl. Müller an Schieder, 31. 1. 1953, ebd. 188 Ansprache Gollwitzer, 13. 1. 1953, BayHStA, NL von Müller 31.

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1945 grundsätzlich jede organisatorische Stellung abgelehnt und werde davon nicht abgehen. […] Rat, Mitarbeit ja, aber nichts anderes.« Er müsse die »Kräfte für meine Arbeiten zusammenhalten«.189 Dass im Gegenzug eben jene Institutionen, in die Müller mit Nachdruck strebte, auf seine Mitgliedschaft und Mitarbeit verzichteten, solle er nicht schwer nehmen, riet Willy Andreas: »Nehmen Sie möglichst, wie ich es mir selber oft predigen muss, Academica nicht mehr zu ernst!« Das »letzte Wort« werde doch »das eigene Schaffen u. Werk« haben.190 Ein Werk, dessen endgültige Kontur im Falle Müllers noch unklar war. Die Aufnahme des ersten Erinnerungsbandes wies den Weg für die weitere, zumindest publizistische Rückkehr.

7.3.1 Populärer Autor in der frühen Bundesrepublik Auf einen Hinweis des Stuttgarter Koehler Verlages, anstatt der erneuten Veröffentlichung früherer Beiträge wünsche man von Müller »neue Bücher«, reagierte dieser pikiert. Es bildete doch, so Müller zu seinem geplanten Sammelband, die »Tatsache, daß viele Leser den einen oder anderen Essay kennen und gern haben, den Hauptanreiz, daß sie das ganze Buch« kaufen.191 In der Tat hatte Müller einige bekannte kleinere Aufsätze vorzuweisen. Auch sein langjähriger Verleger Gustav Kilpper bezog erste Überlegungen zu einer bayerisch ausgerichteten Sammlung Müllers auf einen solchen, auf das vor drei Jahrzehnten erschienene »Landtagebuch«.192 Eine »Art Supplement der Erinnerungen […] in weißblauer Atmosphäre«, angesichts des Erfolges der Memoiren schien dies Müller eine überlegenswerte Idee zu sein.193 Das »Landtagebuch« überdies als die Tonart bestimmender Beitrag, auch dem stimmte Müller zu. Allerdings müsse das »besonders Zeitgebundene von 1921« gestrichen werden.194 Wie wenig es sich bei diesem frühen »bayerischen« Aufsatz Müllers um harmlose Naturbeschreibungen handelte, verdeutlichten die von Kilpper angezeigten, nun zu streichenden Passagen. Er habe zwar »alle Stellen politischer Art mit roten Klammern und Strichen angemerkt« und »die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen des bayerischen Landes« weitgehend unberührt gelassen, aber vielleicht könne Müller »noch einiges, was von der Bitterkeit der politischen Stellen hineingeflossen ist, ein wenig mildern.«195 Dies tat Müller zur Begeisterung Kilppers, eine »wundervolle Einführung« bilde jetzt das »von bitteren politi189 Müller an F. X. Wahl (BVV), 26. 8. 1951, BayHStA, NL von Müller 476. 190 Andreas an Müller, 2. 11. 1952, BayHStA, NL von Müller 484. 191 Koehler Verlag an Müller, 12. 4. 1951; Müller an Koehler Verlag, 16. 4. 1951, BayHStA, NL von Müller 439. 192 Kilpper an Müller, 26. 10. 1951, ebd. 193 Müller an Kilpper, 28. 10. 1951, ebd. 194 Müller an Kilpper, 28. 1. 1952, BayHStA, NL von Müller 453. 195 Kilpper an Müller, 16. 2. 1952, ebd.

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schen Erinnerungen und Betrachtungen befreite Landtagebuch«.196 Die dezidierte Entschärfung und Verharmlosung seines publizistischen Werkes schien der Preis zu sein, den Müller für eine fortgesetzte Rezeption zahlen musste. Gleichwohl, trotz des Plaudertons der »weiß-blauen« Geschichten, vollkommen frei von Deutungen früherer Geschichtsbilder Müllers blieb auch dieser Band nicht. Der von Kilpper hymnisch gelobte »Zusammenklang von Landschaft, Volks- und Menschentum und Geschichte« fand fast wörtlich Abdruck auf dem Einband des Buches, Müller sah in der »Pflege des heimatlichen Mutterbodens« einen »Grundakkord des Buches.«197 Im Herbst 1952 erschien mit »Unterm weissblauen Himmel« das zweite Buch Müllers im Kilpper Verlag. Ohne jegliches Zögern aber wollte Müller die sich abzeichnende Rolle als bayerischer Heimatschriftsteller nicht einnehmen. Gegenüber Kilpper verwies er auf sein im »Landtagebuch« enthaltenes »historisches Glaubensbekenntnis«.198 Die kurze Passage – »Ich glaube an den langsamen und im Grunde immer unveränderlichen Gang der geschichtlichen Bildungen, an die Notwendigkeit langsamen, schrittweisen, gesetzmäßigen Wandels auch bei den gewaltsamsten Umwälzungen« – war wortwörtlich bereits in der Erstveröffentlichung enthalten.199 Ihr Abdruck sollte nicht zuletzt belegen, dass Müller in den vergangenen Jahren keineswegs grundsätzliche Überzeugungen habe revidieren müssen. Die Wiederveröffentlichung nach drei Jahrzehnten signalisierte eine zumindest behauptete Kontinuität, die politisch weder denkbar noch präsentabel war. Deutlich nüchterner sah der Verleger, in welcher Weise der »weißblaue Himmel« zum Erfolg werden könne, der Band werde sich »als Geschenkbuch durchsetzen«.200 Wohl weniger Müllers historischer Bekenntnisse als seines freundlich-besinnlichen Inhaltes wegen wurde das Buch, wenn auch nicht in dem Maße wie die Erinnerungen, zum Verkaufserfolg.201 Das »Heimatbuch edelster Art«202 fand freundliche Aufnahme, doch schien es Müller insgesamt nicht zu genügen.203 Erneut versprach er, wenn »Gesundheit und Arbeitskraft mir erhalten bleiben, auch noch einiges streng Wissenschaftliche vorzulegen.«204 Dies wurde auch, bei aller positiven Resonanz, von Müller zumindest noch erwartet. Dem Rezensenten der Süddeutschen Zeitung drängte sich »ein Gefühl Kilpper an Müller, 29. 5. 1952, ebd. Kilpper sen. an Müller, 7. 2. 1952; Müller an Kilpper jun., 16. 2. 1952, ebd. Müller an Kilpper, 3. 11. 1952, ebd. Vgl. Müller, Landtagebuch (1952), S. 31; Landtagebuch (1920), S. 199. Kilpper an Müller, 10. 9. 1952, BayHStA, NL von Müller 453. Unter den »Oktober-Bestsellern« in der Münchner Abendzeitung rangierte es auf Platz zwei der Sachbücher, vgl. den Abdruck vom 27. 10. 1952, S. 5. 202 Kilpper an Müller, 10. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 439. 203 Vgl. das briefliche Lob von Willy Andreas, Walter Goetz, Kurt von Raumer u. Friedrich Schmidt-Ott in: BayHStA, NL von Müller 484 sowie die sehr lobende Besprechung von Schieder, Unterm Weißblauen Himmel (Rez.). 204 Müller an Schwäbische Landeszeitung, 5. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 519.

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des Bedauerns auf, daß dieser historische Schriftsteller und kluge Gelehrte eine Aufsatzsammlung aus dem Stoff gemacht hat und nicht eine Darstellung von Bayerns Anteil an der deutschen Geschichte. Keiner wäre so berufen wie Karl Alexander von Müller«.205 Doch nur wenige, zudem kaum als »streng« zu bezeichnende wissenschaftliche Veröffentlichungen würde Müller in den kommenden Jahren vorlegen. Allenfalls sein Beitrag zur 1953 von Walter Goetz herausgegebenen »Festgabe« für Kronprinz Rupprecht206 und die zu Müllers Anfängen als Historiker zurückkehrende, kleinere Edition in einem Max Spindler gewidmeten Band der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte können entsprechend aufgefasst werden.207 Noch begonnene wissenschaftliche Projekte208 oder übernommene Artikel209 wurden nicht vollendet. Eine vom alten Vertrauten Wilhelm Oldenbourg angetragene »Geschichte des bayerischen Stammes« mochte Müller nicht übernehmen, auch »weil doch nun sehr viel neue Literatur nachzulesen wäre.«210 Eine Eintrübung seines Sehvermögens behinderte Müller zusätzlich, angesichts der Fülle populär- und regionalhistorischer Veröffentlichungen im letzten Lebensjahrzehnt scheint es jedoch, dass Müller der fortschreitende Wandel geschichtswissenschaftlichen Arbeitens bewusst geworden war. Die frühere Rolle konnte nicht wiederbelebt werden, über Müller als Fachhistoriker war die Zeit hinweggegangen. Seiner Popularität als Autor in der frühen Bundesrepublik tat dies keinen Abbruch, in dieser Hinsicht war der über Siebzigjährige keineswegs im Ruhestand. Seit 1953 gehörte Müller dem Redaktionsstab des »Tegernseer Tals« an, ein »Versuch, den ich mit einigen hiesigen Bekannten unternommen habe, eine zunächst rein als Fremdenverkehrs-Veröffentlichung gedachte Monatsschrift auf ein etwas höheres heimatgeschichtliches Niveau zu heben«.211 Bis zum Sommer 1963 blieb Müller Teil der Redaktion und veröffentlichte zahllose kleinere und kleinste Beiträge. Auch im »Merian« und der »Schöneren Heimat«, der Zeitschrift des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, pu205 Hohoff, Unterm weißblauen Himmel (Rez.), S. 12. 206 Müller, Zwei Münchener Doktordiplome (1953). Der Beitrag widmete sich Joseph von Görres und Julius Langbehn, Müllers Ausführungen zu letzterem vgl. Stern, Kulturpessimismus, S. 149; zum Band vgl. D. Weiß, Rupprecht, S. 347 f. 207 Müller, Zwei bayerische Denkschriften (1955). 208 Für die nach seiner Rückkehr in die landesgeschichtliche Kommission 1950 übernommene Edition der Symposien Max II. von Bayern bat Müller Hans Rall erst um Mitarbeit, dann um Teilung der Arbeit, schließlich übernahm Rall die Edition, vgl. Müller an Rall, 11. 9. 1956; Rall an Müller, 18. 9. 1956, BayHStA, NL von Müller 493; Müller an Max Spindler, 11. 3. 1957, BayHStA, NL von Müller 494. 209 Einen Beitrag für die NDB zu Alexander Berrsche gab Müller zurück, ebenso den Eintrag zu Kurt Eisner, vgl. Otto zu Stolberg-Wernigerode an Müller, 16. 3. 1952, BayHStA, NL von Müller 76; Müller an Stolberg, 10. 2. 1958, BayHStA, NL von Müller 494. 210 Oldenbourg an Müller, 20. 4. 1955; Müller an Oldenbourg, 27. 4. 1955, BayHStA, NL von Müller 484. Zur Fortführung entsprechender Konzeptionen vgl. Oberkrome, Stämme, S. 30 f. 211 Müller an Raumer, 8. 1. 1954, ULBM, NL Kurt von Raumer A 56,35.

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blizierte Müller regelmäßig. Enthusiastisch berichtete eine frühere Schülerin von ihrem Leseerlebnis unterm »weißblauen Himmel« Müllers: »Wie einst saß ich inmitten Ihrer großen Hörerschar und es klangen bis in Redewendungen getreu Einzelheiten aus Ihren Vorlesungen auf. Nur sind die Wände Ihres Hörsaales weit hinausgerückt und Ihr Auditorium ist das ganze Volk geworden.«212 In nicht unerheblichem Maße wurden populäre Geschichtsbilder für breitere Bevölkerungskreise nach 1945 von Historikern wie Müller geprägt, denen aufgrund ihres nationalsozialistischen Engagements wissenschaftliche Ämter verwehrt waren, die eben deshalb auf verkaufsträchtige Publikumserfolge auswichen. Für Müller wurde vor allem der Bayerische Rundfunk zur prominenten Bühne. Bereits zuvor, in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, war Müller im Rundfunk aufgetreten. Nach seiner Rückkehr in die Kommission für bayerische Landesgeschichte wurde Max Spindler als amtierender Landeshistoriker für Müller auch in dieser Hinsicht aktiv : »Wenn Sie beim Rundfunk anregen wollen, daß ich dort einmal etwas lese oder vortrage, so werde ich Ihnen außerordentlich dankbar sein, ich würde es sehr gern tun.«213 Ohne Hürden aber war für Müller kaum etwas zu erlangen, Spindlers Gewährsmann beim Rundfunk sei »doch auf Widerstand gestoßen«, so teilte er Müller mit. Einer der Einwände laute, Müller habe ein »Gnadengesuch der Universität für die Geschw. Scholl, das 30 Dozenten unterzeichnet« hätten, nicht mitunterschrieben.214 Wenn es »beim Rundfunk glatt gegangen wäre«, gab Müller zurück, hätte es ihn »nach den Erfahrungen der letzten Jahre gewundert.« Vom Gnadengesuch habe er, gleich vielen Kollegen, nichts erfahren. Doch war er durch Kurt Huber, behauptete Müller nun, über »die Aktion der ›Weißen Rose‹ zwar nicht in allen Einzelheiten, aber im ganzen im Bilde.« Auch auf Hubers Antrag, ihn als Entlastungszeugen zu berufen und auf seine Unterstützung der Witwe wies Müller hin: »Ich weiß nicht, ob viele ord. Professoren der Universität sich damals so exponiert haben wie ich, jedenfalls war ich dem Kz. mehr als einmal näher als manche die mich anklagen.«215 In seiner Selbstwahrnehmung rückte Müller Jahr für Jahr näher an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Der erste Auftritt Müllers im Bayerischen Rundfunk sollte sein Nachwort zum Abschluss der Gesandtschaftsberichte zum Gegenstand haben, welches im August 1951 von einem Sprecher verlesen wurde.216 Folgend jedoch trat Müller zumeist selbst als Sprecher in Erscheinung, die Sendungen wurden 212 Ida Wallner an Müller, 7. 11. 1952, BayHStA, NL von Müller 484. 213 Müller an Spindler, 19. 12. 1950, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller (Unterstreichung im Original). 214 Spindler an Müller, 16. 2. 1951, ebd. 215 Müller an Spindler, 20. 2. 1951, ebd. 216 BR, Kulturspiegel, 28. 8. 1951, BayHStA, NL von Müller 54. Vgl. neben Dussel, Rundfunkgeschichte, S. 179 – 212, zur Mediengeschichte der frühen Bundesrepublik Hodenberg, Konsens, S. 101 – 228 sowie zum BR: Saur, Geschichte, v. a. S. 95 – 138.

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vorab aufgezeichnet. Für Ende September offerierte ihm der BR die Übernahme einer Sendung zum 300. Todestag des Kurfürsten Maximilian I.217 Erfreut nahm Müller das Angebot an, zu Recht, wie die zahlreichen lobenden Zuschriften erwiesen. Nun hatte der Hochschullehrer außer Diensten erneut ein Publikum gefunden, das seine Belehrung genoss. Es war der Abend des Vortrages, so ein früherer Schüler Müllers, an »dem ich im Radio plötzlich, ohne darauf gefaßt zu sein, ›die Stimme meines Herrn‹ vernahm – als Sie Ihren herrlichen Vortrag über den Kurfürsten Maximilian hielten. Da wurde die Erinnerung wieder lebendig an so viele schöne, erlebnisreiche Stunden in Ihren Vorlesungen. Wer je das Glück gehabt hat, Ihr Hörer zu sein, wird diese Stunden nie mehr vergessen können. Wenn wir Sie doch öfter im Radio hören könnten!«218 Auch der Maler Gerhard von Haniel zeigte sich überzeugt, dass Müller »der ganzen Hörerschaft, jedenfalls aber denen, die überhaupt historisches Interesse besitzen, eine wirkliche Freude und eine fruchtbare Belehrung gebracht« habe.219 Auf einen Schlag erreichte Müller sehr viel mehr Zuhörer als Leser – Unbekannte und Bekannte.220 Die anhaltende Popularität in den fünfziger und sechziger Jahren basierte wesentlich auf Müllers nun regelmäßigen Radioauftritten. Nur wenige Tage nach dem ersten selbst gesprochenen Vortrag hatte Müller eine Einladung des BR zu einer größeren Sendereihe erhalten. Sein Dank galt Spindler, es sei »sehr schön, daß die bayerische Geschichte im Bayer. Rundfunk einmal ausgiebig zu Wort kommt, und ich werde mit großer Freude dabei mitwirken.«221 In den »Bildern aus der bayerischen Geschichte« war Müller allein bis zum April 1952 mit drei biographischen Beiträgen – Ludwig der Bayer, Kurfürst Maximilian und Ludwig II. – vertreten, zudem durfte er noch im Januar einen Vortrag zum »Stielerhaus in Tegernsee« zum Programm beisteuern.222 In diesem öffentlichen Rahmen war Müller fraglos ein Prominenter, sein Vortrag über Ludwig II. wurde mit einem Hinweis auf die Ämter seines Vaters beworben.223 In diesem Rahmen verfügte Müller aber auch über gefragte Fähigkeiten, für »einen Vortrag, den nur Sie halten können und der einmal vor der breiten Öffentlichkeit gehalten werden muß, über Ludwig II. als psychologisches Problem, über Ludwig als Mensch und König.«224 Bis Ende der 1950er Jahre trug Müller knapp zwei Dutzend Beiträge im Bayerischen 217 218 219 220 221 222 223 224

Alois Fink (BR) an Müller, 22. 8. 1951, BayHStA, NL von Müller 438. Wilhelm Fichtl an Müller, 29. 12. 1951, BayHStA, NL von Müller 30. Haniel an Müller, 30. 9. 1951, BayHStA, NL von Müller 264. Müllers Vortrag, meldete sich Ernst Hanfstaengl, habe ihn an »leider längst entschwundene, abendliche Seminare in der guten alten Vor- und Nachputschzeit« erinnert. Vgl. Hanfstaengl an Müller, 28. 9. 1951, BayHStA, NL von Müller 257. Müller an Spindler, 4. 10. 1951, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller. Vgl. die Manuskripte, teils auch Sende- und Aufzeichnungspläne, in: BR, HF/10039 (Bilder aus der bayerischen Geschichte) sowie Vollhardt, Heimatpolitik, S. 240. Zu Müllers Beitrag »Ein Winteridyll. Besuch im Stielerhaus in Tegernsee« vgl. BR, HF/10070.2. BR »Programmhinweise […] 27. April – 3. Mai 1952«, BayHStA, NL von Müller 374. Spindler an Müller, 25. 3. 1952, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller.

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Rundfunk vor, die zudem wiederholt sowie in Sammelbänden und ab 1954 auch in »Gehört-Gelesen«, der Zeitschrift des Senders, abgedruckt wurden.225 Thematisch blieb Müller der bayerischen Geschichte und Heimat treu, sein Beitrag zur Identitätsfindung Bayerns nach 1945 ist nicht zu unterschätzen.226 Im Januar 1963, für Glückwünsche zu seinem achtzigsten Geburtstag dankend, betonte Müller die Bedeutung des Rundfunks für seine Karriere als populärer Autor in der frühen Bundesrepublik: »Daß meine Beziehungen zum Bayerischen Rundfunk […] seit 1951 so glücklich wieder aufgelebt sind, hat mir in der damaligen Lage sehr viel bedeutet und hat seither nicht wenig beigetragen, daß ich die etwas zu frühe Altersmuße einigermaßen nutzbar machen konnte.«227 Lediglich in zwei Fällen hatte sich Müller in seinen Rundfunkbeiträgen auf thematisch riskanteres Terrain gewagt. Gemeinsam mit seinem Sohn Otto Alexander von Müller gestaltete Müller im Sommer 1958 eine Sendung zu Kurt Huber. Doch, so Müllers Sohn, dieses »Eisen ist ja nach wie vor recht heiss, allerdings kann m. E. eine rein sachliche Beurteilung und Würdigung, auch wenn sie nicht in allen Punkten mit der vorhandenen Legendenbildung konform geht, der Sache im Grunde nur nützen.«228 Hingegen erhob Müller für die Biographie Paul Nikolaus Cossmanns einen eigenen Deutungsanspruch. Dass Cossmann »bis 1933« in seinem »persönlichen Leben eine sehr große, zeitweise überragende Rolle gespielt« hatte229, motivierte Müller trotz des offenkundigen Bruchs eben 1933, eine ihm genehme Sichtweise auf Cossmanns Verfolgung durch den Nationalsozialismus zu etablieren. Die bereits 1950 im »Hochland« begonnene Transzendierung der Ermordung Cossmanns in eine vermeintliche Heiligenerfahrung, ihre Loslösung von der Realwelt des NS-Staates, erfuhr bereits in Müllers Geburtstagsrede im Dezember 1952 eine Fortführung. Nun war Cossmann, in den Worten Müllers, auf »grossartige und geheimnisvolle Weise […] entschwunden«.230 Eine Formulierung, die in groteskem Widerspruch zum Wissen Müllers stand. Ein Wissen, das Müller offenbar verdrängt und mit seiner Deutung ersetzt hatte, um sich anschließend als Sachwalter des Andenkens der Biographie Cossmanns zu bemächtigen. Der frühere Redakteur der Süddeutschen Monatshefte Otto zu StolbergWernigerode, nun für die NDB tätig, bot ebenfalls im Dezember 1952 Müller 225 Vgl. Müllers Schriftenverzeichnis im Anhang, der Sammelband zu den »Bildern aus der bayerischen Geschichte« erschien 1953. 226 Noch 1959 zählte Jakob Fischbacher, Mitbegründer der Bayernpartei, Müller zu den »einflussreichsten« Landeshistorikern, vgl. C. Walther, Fischbacher, S. 265. Jedoch schien diese Wahrnehmung vor allem der anhaltenden Popularität Müllers geschuldet zu sein, in der neueren Forschung spielt er allenfalls eine periphere Rolle, vgl. v. a. Vollhardt, Heimatpolitik. 227 Müller an Wallenreiter (Intendant BR), 31. 1. 1963, BayHStA, NL von Müller 44. 228 Otto v. Müller an Müller, 23. 6. 1958, BayHStA, NL von Müller 381. Zur Sendung vgl. »Kurt Huber – der Gelehrte, der Mensch, der politische Kämpfer«, 13. 7. 1958, BR, HF/10094.2. 229 Müller an Verlagsdirektor Betz, 3. 1. 1952, BayHStA, NL von Müller 75. 230 Tischrede Müller, 20. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 38.

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die Abfassung des Eintrages zu Cossmann an.231 Immer wieder bestätigte Stolberg in den folgenden Jahren die besondere Kompetenz Müllers, es gebe »kaum jemand […], der Cossmann so gut gekannt« habe, denn dieser solle »auch als Mensch gewürdigt werden«.232 Schließlich erschien 1957 Müllers Beitrag, der Cossmanns politisches Wirken in ein nachsichtiges, nicht zuletzt auch entsprechend auf Müller fallendes Licht rückte. Im Konzentrationslager Theresienstadt starb Cossmann, so Müller, »innerlich zur reinen menschlichen Güte gereift, […] von manchen gleich einem Heiligmäßigen verehrt.«233 Für den Bayerischen Rundfunk hatte Müller bereits zwei Jahre zuvor Cossmann porträtiert. Zusammen mit Josef Hofmiller und Hans Pfitzner präsentierte er an einem Samstagnachmittag des August 1955 ein »Freundestrio« aus »dem Kreis um die Süddeutschen Monatshefte«. Der Vortrag kreiste vor allem um die Arbeit der Monatshefte sowie die Persönlichkeiten Hofmillers, Pfitzners und Cossmanns, dessen Tod die bereits bekannte Verklärung erfuhr – »mildtätig und hilfreich bis zuletzt, von seinen Mitgefangenen wie ein Heiliger verehrt.«234 Der im Nationalsozialismus hoch engagierte Schriftsteller Josef Magnus Wehner notierte in seinem Münchner Funktagebuch: »Der Historiker Karl Alexander von Müller erzählte, von Pfitznermusik illustriert, aus seinen Erinnerungen von dem hochnoblen Trio Hofmiller, Cossmann und Pfitzner, die einander ihr Leben lang treu blieben. […] Cossmann starb in edelster Fassung in einem Krankenhaus in Auschwitz«.235 Müller sprach zu Hörern, die seiner Deutung der Ermordung Cossmanns folgen wollten, die sie teilen konnten. Vor allem im zweiten Erinnerungsband Müllers nahm Cossmann als Herausgeber der Süddeutschen Monatshefte breiten Raum ein, das Entstehen des Buches allerdings gestaltete sich von Beginn an schwierig. Nur Wochen nach Erscheinen der »Gärten der Vergangenheit« berichtete Müller seinem Verleger vom langsamen Fortgang, zurückkommen auf einen zweiten Band wolle er erst, wenn »ich mindestens das 1. Buch (1914 – 1919) geschrieben habe.«236 Erwartungen erreichten Müller aber durchaus, er möge »uns aus den Gärten der Vergangenheit in die Ruinenwelt der Gegenwart führen.«237 Tatsächlich waren Müllers Pläne sehr viel ausgreifender als das veröffentlichte Ergebnis. Im Mai 1953 berichtete er Kilpper vom Abschluss des Rohentwurfs bis Stolberg an Müller, 18. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 36. Stolberg an Müller, 7. 1. 1953 u. 16. 11. 1955, BayHStA, NL von Müller 367. Müller, Cossmann (1957), Zitat S. 375. Vgl. das Manuskript »Hofmiller, Cossmann, Pfitzner. Ein Freundestrio. Aus dem Kreis um die Süddeutschen Monatshefte«, 13. 8. 1955, BR, HF/10089. Müller publizierte den Beitrag zweifach unter dem Titel »Ein Freundestrio«, vgl. Schriftenverzeichnis 1956 und 1957. 235 Vgl. Wehner, »Der Tyrann und die dienenden Geister. Münchner Funktagebuch.«, in: Monacensia, NL Josef Magnus Wehner, JMW M 495. Zur Biographie vgl. Hohmann, Wehner. 236 Müller an Kilpper, 19. 1. 1952, BayHStA, NL von Müller 453. 237 Karl Thums an Müller, 6. 7. 1952, BayHStA, NL von Müller 76. Thums, früher Assistent Ernst Rüdins, erinnerte Müller auch an Begegnungen im Münchner »Dozentenbund-Kreis«.

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Sommer 1919, die zweite Hälfte des Bandes solle dann »Sommer 1919 bis Januar 1933« umfassen. Die »Zeit von 1933 bis 1953 möchte ich anschließend auch schreiben, aber es schadet vielleicht nichts, wenn noch einiges Wasser unsere Flüsse inzwischen hinabrinnt.«238 Müller plante eine sein gesamtes Leben umfassende Autobiographie, in der auch der Nationalsozialismus enthalten sein sollte – zu gegebener Zeit. Ein halbes Jahr darauf war Müller klar, dass er diesen Plan nicht würde verwirklichen können. Er überlege, so erneut an Kilpper, ob nicht der fertige Teil bereits einen Band unter dem Titel »Mars und Venus« ergäbe, was danach käme, sei »dem gegenüber eine Einheit für sich, und würde […] sicher in einen Band gehen, der mit dem Aufkommen und dem Sturz des Nationalsozialismus einen sehr einheitlichen Charakter hätte«.239 Im März 1954 war dieser verkürzte Plan auch mit einer Begründung versehen, es sei die »erste Überschwemmung der ›Gärten‹.« Müller gab dem die Veröffentlichung befürwortenden Verleger recht, es sei »in der Tat der den Zeitgenossen noch undurchsichtige Übergang vom Alten, was damit versinkt, zu dem Neuen, was damals am Horizont heraufsteigt.«240 Als mit »Mars und Venus« die Erinnerungen der Jahre 1914 bis 1919 im Herbst 1954 erschienen, begleitete sie der Autor selbst mit erheblichen Zweifeln. Der Band, so Müller, umfasse »eine merkwürdig in sich geschlossene Zwischenzeit, zwischen der alten, die 1914 versank, und der neuen, die 1919 erst einsetzte; eine spätere Zäsur wäre sehr unnatürlich geworden. Ich bin selbst nicht zufrieden mit diesem Stück, wollte es aber endlich hinter mich bringen, um weiter zu kommen.«241 Wenige Tage später fast wortgleich an Willy Andreas, es habe sich gezeigt, dass »diese Wegstrecke […] eine so geschlossene Einheit ist, daß ich die Komposition hätte sprengen müssen, um noch einen weiteren Teil anzufügen. Dazu konnte ich mich nicht entschließen, so lebhaft ich auch die Nachteile der jetzigen Lösung empfinde.«242 Hauptproblem dieses zweiten Erinnerungsbandes, im Unterschied zum ersten, war jedoch, dass Müller sich nun zu Aspekten seiner Biographie verhalten musste, die auch als Vorgeschichte seines Engagements im Nationalsozialismus gelesen werden konnten. Schon im Vorwort versuchte Müller, eine zuallererst passive Erfahrung zu beschreiben: »Die erste Springflut, die über diese Gärten kam, war der sogenannte erste Weltkrieg«. Eine fortgeführte Metaphorik, die mit dem Willen, das eigene Handeln in ebenso gutes wie glaubwürdiges Licht zu rücken, kollidieren musste. Vor allem aber fehlte »Mars und Venus«, wiederum im Gegensatz zum ersten Band, eine konsistente, Autor wie Leser vereinende Sinnstiftung. So schwankte Müller auf einer einzigen Seite zwi238 239 240 241 242

Müller an Kilpper, 14. 5. 1953, BayHStA, NL von Müller 453. Müller an Kilpper, 15. 11. 1953, ebd. Müller an Oberstudiendirektor Otto Veh, 28. 3. 1954, BayHStA, NL von Müller 76. Müller an Gertrud u. Kurt von Raumer, 5. 9. 1954, ULBM, NL Kurt von Raumer A 2,17. Müller an Andreas, 14. 9. 1954, GLA, NL Willy Andreas 859.

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schen begeisterter »Erinnerung« – »Unvergeßliche erste Wochen des Krieges! Die größten Tage im politischen Leben der meisten unserer Generation« – und gestelzter Einordnung: »Es wird nicht die kleinste Aufgabe dieser Erinnerungen sein, an einem persönlichen Beispiel sichtbar zu machen, wie fest die Scheuklappen von Zeit und Nation […] uns anhafteten und wie mühsam es […] wird, sie abzustreifen.«243 Die widersprüchlichen Ziele der Darstellung mündeten in eine widersprüchliche Erzählung, bei Müllers retrospektiv erzeugtem »harmonischen Mobilmachungspanorama« konnte es sich »nur um ›Kunst‹, niemals aber um Erlebtes handeln.«244 Was zuvor in den »Gärten« die insgesamt positive Deutung der erlebten und beschriebenen Zeit ermöglichte, die nachfolgende »Katastrophe« des Ersten Weltkriegs, konnte nun schwerlich idealisiert werden. Zudem verwob der Band eine nur gelegentlich selbstkritische, zumeist aber Müller und die Süddeutschen Monatshefte sehr günstig wertende Darstellung ihrer Kriegspublizistik mit einem ausführlichen Bericht der amourösen Irrungen und Wirrungen Müllers, kulminierend in der Parallelisierung von Untergang des Kaiserreichs und Eheschließung. Erneut erscheint es müßig, Müllers »Erinnerung« gleichsam zu benoten oder zu korrigieren, der zweite Erinnerungsband böte reichlich Gelegenheit. Deutlich wurde, wie tief manche Erfahrungen noch Müllers Weltbild prägten. Die Ausgabe der Süddeutschen Monatshefte »An die deutschen Arbeiter« vom Januar 1918 schien ihm auch 1954 noch »ein großer Wurf« gewesen zu sein, hingegen kaum verhüllt antisemitisch wurde Kurt Eisner beschrieben: »Jedoch etwas tief Zweideutiges, ahasverisch Gehetztes atmete doch um ihn und belastete von nun an alles, was er sagte und tat.«245 Der Erfolg des ersten Bandes half auch dem zweiten, einen neuerlichen Schub erhielt Müllers Karriere als populärer Autor in der frühen Bundesrepublik durch »Mars und Venus« jedoch nicht. Seine bereits eingeführte Wahrnehmung wurde fortgeschrieben: »An Ihren Büchern bewundert man ohne Zweifel die Fülle des Geschehens, die Sie mit der vorsichtigen Hand eines Historikers, der man die Übung anmerkt, zu ordnen wissen, wobei Sie jedem Menschen und jedem Geschehen den ihm gebührenden Platz anweisen.«246 Die Aufnahme des Bandes als »Weltgeschichte – privat gesehen«247 und »Drama außen – Drama innen«248 war vor allem in der Tagespresse durchaus positiv, es »paaren sich fein geschliffener Ausdruck und gefühlsbetonte Anschaulichkeit«.249 Das Rollenbild aber war nun festgelegt, Müller zählte zu dem »ständig sich vergrößernden Kreise von Schriftstellern, die in ihren Lebenserinnerungen nach den Schilderungen der glücklichen Zeit vor dem Jahre 243 244 245 246 247 248 249

Müller, Mars (1954), S. 5, 12. Vgl. diese Einschätzung des Bandes bei: Schöning, Versprengte Gemeinschaft, S. 36. Müller, Mars (1954), S. 220, 291. Theodor Ascher an Müller, 18. 12. 1954, BayHStA, NL von Müller 264. Gablentz, Weltgeschichte – privat gesehen (Rez. zu: Mars und Venus). Trumm, Drama außen – Drama innen (Rez. zu: Mars und Venus). Mahlmann, Mars und Venus (Rez.).

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1914 auch über die späteren Ereignisse während des Krieges und nachher« schrieben.250 Lobende Worte für den Schriftsteller Müller fand auch der Rezensent der Süddeutschen Zeitung, der Historiker Müller hingegen hinterlasse »kein entscheidendes wissenschaftliches Werk«.251 Geradezu erschrocken über »Mars und Venus« schien Kurt von Raumer : »K.A.’s allzurasch gefolgter Band konsterniert mich einigermaßen; eine Alters-Durchlässigkeit, der niemand und nichts entgegenwirkte u. die mir für ihn und uns tief leid tut.«252 Jedoch gewichtete Raumer die Bindung an den akademischen Lehrer offenbar höher als seine Kritik und schrieb an Müller : »Zuletzt haben Sie von solcher Einheit des Lebens, vom Vergangenen zum Gegenwärtigen, in Ihrem Buche gezeugt. Die vielen vielen Freunde Ihrer Kunst und die kaum wenigeren, denen Sie als Mensch helfend oder bereichernd begegnet sind, haben damit ein Stück von Ihnen selber empfangen.«253 Theodor Schieder widmete dem Band eine ausführliche Besprechung und bemühte sich erneut, Müllers Rang herauszustellen, die Darstellung der Novemberrevolution werde »als ein Stück erzählter Zeitgeschichte Bestand behalten.«254 Das Interesse der wissenschaftlichen Rezensenten galt, trotz freundlicher Zustimmung zum Band, vor allem der Aussicht auf das nun anstehende Kapitel der Biographie Müllers. Man hoffe, so Günther Franz, auf eine Fortsetzung »durch die Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus bis an die Schwelle der Gegenwart«.255 Ebenso für die Jahre, in denen der Verfasser »etwa als Präsident der Bayerischen Akademie« in den »Gang der deutschen Wissenschaft entscheidend mit einzugreifen hatte.«256 Dies allerdings war ein wenig wahrscheinliches Sujet für den Populärhistoriker Müller, Johannes Spörls im Historischen Jahrbuch geäußerter Wunsch eher ein bewusster Seitenhieb für Eingeweihte. Wohl aufmunternd gemeint, stellte schließlich Fritz Wagner die Entscheidung Müllers für das Populäre deutlich aus: »Sie sind über das Wissenschaftliche, das immer Begrenztheit bedeutet und das Sie freilich innerhalb seines Rahmens schaffend durchmessen haben, hinausgeschritten in die freie Wildbahn, wenn Sie mir diesen Ausdruck erlauben, hinaus aus dem ängstlichen Hausgarten der Zunft.«257 Auch Müller war weitaus weniger als bei den »Gärten« von der Qualität des Bandes überzeugt. Dieser sei »viel eintöniger als der erste«258, er hoffe, der 250 251 252 253

254 255 256 257 258

Uhde-Bernays, Mars und Venus (Rez.), Zitat S. 572. Lachner, Mars und Venus (Rez.). Raumer an Theodor Schieder, 13. 10. 1954, BArch, NL Theodor Schieder 1250. Raumer an Müller, 20. 12. 1954, BayHStA, NL von Müller 78. Erneut gegenüber Schieder erläuterte Raumer seine Umkehr : »An KA habe ich geschrieben, trotz dem Verdruß über sein Buch […], tut er mir leid, und ich möchte mich gerade jetzt nicht dislocieren.« Vgl. Raumer an Schieder, 22. 12. 1954, BArch, NL Theodor Schieder 1250. Schieder, Mars und Venus (Rez.), S. 186. Vgl. auch Zorn, Mars und Venus (Rez.). Franz, Mars und Venus (Rez.), S. 152. Spörl, Mars und Venus (Rez.), S. 504. Wagner an Müller, 29. 9. 1954, BayHStA, NL von Müller 78. Müller an Herbert Steiner, 18. 4. 1955, DLA, A:Steiner.

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»dritte (und letzte) Teil, wenn ich dazu komme, ihn abzuschließen, wird wieder voller und interessanter.«259 Doch Müller würde, obwohl ihm noch ein weiteres Lebensjahrzehnt beschieden sein sollte, diesen dritten Band zu Lebzeiten nicht mehr abschließen. Als letztes eigenständiges Buch veröffentlichte er unter dem Titel »Am Rand der Geschichte« einen weiteren Band mit zuvor bereits erschienenen, populärhistorischen Beiträgen.260 Den eingeschlagenen Weg verließ Müller nicht mehr, auch wenn er gegenüber der Süddeutschen Zeitung betonte, aus verlegerischen Gründen »konnten leider ein paar größere Aufsätze nicht aufgenommen werden, die das Bändchen meinem Gefühl nach etwas gewichtiger gemacht hätten.«261 Mit seinen Erinnerungsbänden, zwei Sammlungen und zahllosen Beiträgen in Zeitschriften wie auch im Bayerischen Rundfunk konnte Müller als populärer Autor in der frühen Bundesrepublik, als »Meister der Prosa«262 reüssieren. Als Historiker hingegen blieb das Engagement auf seine Rehabilitierung, auf eine Revision des institutionellen Ausschlusses konzentriert. 7.3.2 Rückkehr in die »akademische Provinz«? Im November 1950 beantwortete Müller eine Bitte um Unterstützung bedauernd, aber unmissverständlich. Er werde sich einsetzen, bitte aber, »sich vorläufig noch keine Hoffnungen zu machen – ich bin ohne jedes Amt«.263 Daran hatte sich auch nach seinem siebzigsten Geburtstag im Dezember 1952 im Wesentlichen nichts geändert, weder seine Emeritierung noch eine Rückkehr in Akademie oder Historische Kommission hatte Müller erreichen können. Sein publizistischer Erfolg war von einem anhaltenden institutionellen Ausschluss begleitet, sieht man von der landesgeschichtlichen Kommission und einigen kleineren Ämtern ab. Obwohl Müller durch seine Erinnerungen und andere populäre Veröffentlichungen keinen Mangel an Zuspruch zu verzeichnen hatte, die jenseits freundlicher Besprechungen und Korrespondenzen ausbleibende disziplinäre Bestätigung durch eine neuerliche, auch förmliche Kooptation schmerzte und ließ Müller nicht ruhen. Er gewöhne sich zwar, so Müller an Kurt von Raumer, an »den Gedanken, wie Srbik in der Verfemung zu sterben«, wenn er jedoch für den nächsten Erinnerungsband seinen Briefwechsel durchgehe, sei er in »Versuchung, auf meine alten Tage noch zum Menschenverächter zu werden.«264 Vorerst bildeten weiterhin Raumer und andere Schüler, teils auf dem Weg in einflussreiche Positionen, Müllers wissenschaftliches Netzwerk. 259 260 261 262 263 264

Müller an Max Dingler, 14. 9. 1954, Monacensia, NL Max Dingler, MD B 201. Vgl. Müller, Am Rand der Geschichte (1957). Müller an Sperr (SZ), 19. 9. 1957, BayHStA, NL von Müller 440. Pörnbacher, Literatur, S. 595. Müller an Viktor von Geramb, 19. 11. 1950, BayHStA, NL von Müller 492. Müller an Gertrud u. Kurt von Raumer, 10. 12. 1954, ULBM, NL Kurt von Raumer A 2,19.

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»Die Sonne Californiens ist fast zu schön für die Arbeit in der Hoover Library.«265 Während Müller vor allem mit seiner Vergangenheit und einer möglichst günstigen Deutung dieser beschäftigt war, blickten seine Schüler in die Zukunft. Der bereits mit der Entnazifizierung und der Begutachtung des Lehrers begonnene Rollenwechsel setzte sich, je mehr seinen Schülern ihre Ankunft in der frühen Bundesrepublik gelang, weiter fort. Rückblickend war noch geteiltes Bangen zu erinnern – »Ich habe oft in den vergangenen Jahren in Sorge und Anteilnahme Ihrer gedacht, […] auch mein eigenes Schicksal lag ja völlig auf der Waage und ich wußte nicht, wohin sie ausschlagen würde«266 –, doch ohne Frage blickten Müller und seine Schüler in unterschiedliche Richtungen. Für Müller aber waren die wissenschaftlichen Nachkommen nun der wichtigste Ertrag seiner Karriere, auch da er andere Meriten umzudeuten oder gänzlich abzustreiten hatte: »Mir ist im Lauf des Lebens manchmal vorgekommen, als sei die unmittelbare, zugleich wissenschaftliche und charakterliche Auswirkung z. B. des Lehrers auf seine Schüler, als sei die unmittelbarste menschliche Ausstrahlung im engsten Kreis ein dankbarerer und gewisserer Lohn.«267 Nur noch selten erhielt Müller die Möglichkeit, als Förderer und Wegbereiter zu agieren. In Erwartung der Feier im Institut für Bayerische Geschichte anlässlich seines siebzigsten Geburtstages monierte er, wie »spärlich im jüngeren Nachwuchs die ganz starken Talente sind; ich bin gespannt darauf, ob eine kleine Nachfeier, […] in der ich nun auch den jüngsten Nachwuchs überblicken werde, den Eindruck verändert. Gott geb’ es!«268 Doch für Müllers Sorge um den wissenschaftlichen Nachwuchs gab es kaum noch eine Adresse. Eine seltene Ausnahme bildete ein Berufungsverfahren an der Universität Kiel, im Juni 1951 wurde Müller um Abgabe eines Gutachtens für die Besetzung der Professur für Schleswig-Holsteinische und Nordische Geschichte, auch zu seinem Schüler Alexander Scharff, gebeten.269 Neben Scharff hatte Müller auch Walther Hubatsch zu bewerten, vorab aber signalisierte er seinem Schüler : »Es wird mir eine aufrichtige Freude sein, wenn ich Ihnen mit meinem Gutachten irgendwie nützlich sein kann. Soweit ich die Lage überblicke, sind Sie der gegebene Mann für diesen Lehrstuhl.«270 Zwar antichambrierte Hubatsch, um seine Veröffentlichungen gebeten, freundlichst bei Müller, ihm seien »die Münchener Zeiten, als ich bei Ihnen hören durfte, noch in ganz lebendiger Erinnerung. Ihre Art zu lehren – ich sage nicht zuviel, wenn ich sie bezaubernd nenne, und zu einer Vorlesung wie über das britische Weltreich pflegte sich Münchens geistige Welt bei Ihnen einzufinden«.271 Doch Müller 265 266 267 268 269 270 271

Fritz Wagner (aus San Francisco) an Raumer, 11. 11. 1952, ebd. A 3,22. Theodor Schieder an Müller, 24. 11. 1949, BayHStA, NL von Müller 494. Müller an Gertrud von Raumer, 18. 1. 1951, BayHStA, NL von Müller 493. Müller an Gustav Kilpper, 3. 1. 1953, BayHStA, NL von Müller 34. Gmelin (Phil. Fak. Universität Kiel) an Müller, 12. 6. 1951, BayHStA, NL von Müller 492. Müller an Alexander Scharff, 18. 6. 1951, BayHStA, NL von Müller 494. Hubatsch an Müller, 20. 6. 1951, BayHStA, NL von Müller 492.

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votierte für seinen Schüler272, der 1952 erst außerplanmäßiger Professor und schließlich von 1957 bis 1972 Ordinarius für Schleswig-Holsteinische und Nordische Geschichte an der Universität Kiel werden sollte. Zumeist jedoch war im Verhältnis zwischen akademischem Lehrer und Schüler, trotz aller devoten Treuebekenntnisse, de facto Müller derjenige, der auf Zuspruch angewiesen war. Zum Jahreswechsel 1954/55 wandte er sich an Heinz Gollwitzer, er habe »den Eindruck gehabt, als ob Sie mir etwas übel genommen hätten, ohne daß mir klar gewesen wäre, was […]. Um so erwünschter ist mir dies Zeichen, daß zwischen uns alles beim alten bleiben soll.«273 Das Verhältnis zwischen Müller und seinen Schülern wurde fragil, gemeinsame Perspektiven waren nur noch in erinnerter Vergangenheit zu erzielen. Eine rege Korrespondenz zwischen Müller und seinen Schülern zeugt von diesem mühseligen Prozess des gegenseitigen Versicherns der Vertrautheit. Irritiert fragte Raumer bei Schieder an: »Was mit KAvMüller eigentlich los ist?, ich weiß mir keinen Vers daraus zu machen […] Die Frage: was kann man tun? und: was tat man vielleicht falsch? beschäftigt mich viel: aber auch sie bleibt ungelöst.«274 Wenige Tage darauf jedoch bat Müller um Verzeihung für sein Schweigen und Raumer konnte erleichtet vermelden, der Brief sei »sehr positiv im Klang, vermeldet kleinere und große Arbeiten […]. Ich habe auf jeden Fall aufgeatmet«.275 Wurden persönlich die Brüche immer wieder gekittet, offenbarten sich die Schüler untereinander ihre kritische Perspektive auf Müllers publizistische Rehabilitierung ohne Scheu. Seine Zweifel am zweiten Erinnerungsband ließen Kurt von Raumer früh mit Sorge auf den kommenden fünfundsiebzigsten Geburtstag Müllers blicken. Eine Ehrung des akademischen Lehrers drohte mit dessen nunmehrigen Status peinlich zu kollidieren. Er müsse, so Raumer an Heinz Gollwitzer, bekennen, dass »mich sein letztes Buch geschmerzt hat; gerade weil ich die Bedeutung Müllers als Geschichtsschreiber würdige und den Zauber des Menschen voll empfinde, war mir die Verdrängung der eigentlichen Mitte, eben des Historikers, in diesem Buch ebenso bekümmernd wie eine gewisse Profanisierung durchs Private«. Zudem sei Müller »bisher nicht nur in Kommission und Akademie, sondern auch Universität und Fakultät nicht wieder aufgenommen«, einer Ehrung jedoch müsse man »durch strenge Abgrenzung fachliches Gewicht« geben.276 Nicht zuletzt den eigenen Rang hatte Raumer dabei im Blick, seine wissenschaftliche Herkunft drohte als wenig vorzeigbar zu erscheinen. Auch Gollwitzer zeigte sich nun deutlich weniger als fünf Jahre zuvor vom Werdegang Müllers erfreut. Während er »den 272 Müller (Gutachten zu Alexander Scharff), 26. 6. 1951, LaSH, Staatskanzlei Nr. 908. 273 Müller an Gollwitzer, 28. 12. 1954, BArch, NL Heinz Gollwitzer 41. Zuvor war Müller den zugesagten Beitrag zur einem von Gollwitzer herausgegebenen Band schuldig geblieben. 274 Raumer an Schieder, 4. Advent 1953, BArch, NL Theodor Schieder 1250. 275 Müller an Raumer, 8. 1. 1954, ULBM, NL Kurt von Raumer A 56,35; Raumer an Schieder, 14. 1. 1954, BArch, NL Theodor Schieder 1250. 276 Raumer an Gollwitzer, 28. 12. 1955, BArch, NL Heinz Gollwitzer 43.

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I. Band noch gern besprochen habe, lehnte ich eine Rezension des II. ab. Nun sehe ich aber mit Bangen dem III. Bd. entgegen. Ich fürchte KA wird hier nicht mannhaft und nüchtern erklären, wieso er sich dem 3. Reich verbunden hat«. Dabei wäre der dritte Band »eine einmalige Gelegenheit einmal klipp und klar zu sagen, ›wie es eigentlich gewesen.‹ Aber was er bisher zu diesen Problemen von sich gegeben hat, insbesondere sein Coßmannaufsatz im Hochland, läßt mich befürchten, es wird das Gegenteil daraus.«277 Raumer pflichtete bei, vermutete der »eingetretene, geradezu selbstzerstörende Orientierungsverlust« gehe »a conto einer Verbitterung«. Er hielte es »für eine Katastrophe, wenn in zeitlicher Nachbarschaft mit einer umfassenden Festgabe, in der sich unsere persönliche Dankbarkeit gegen KA ausdrücken soll, ein 3. Band erschiene, der dem, was wir sachlich wollen, ins Gesicht schlüge.«278 Deutlicher war es nicht mehr zu formulieren. Während Müller sich kontinuierlich von einer kritischen Sicht auf sein Engagement im Nationalsozialismus entfernte, hatten sich seine Schüler in die entgegengesetzte Richtung entwickelt, waren kaum noch bereit, entsprechende Unklarheiten zu dulden, fürchteten diese auch ob ihres eigenen wissenschaftlichen Renommees. Mit ihren Zweifeln an Müllers Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion hatten Gollwitzer und Raumer eine bedenkenswerte Frage aufgeworfen. Wie stand Müller, jenseits der seinen Lebenslauf verteidigenden Selbstdarstellungen und Entlastungsbelege, zum Nationalsozialismus? Eine befriedigende Antwort ist mangels entsprechender Aussagen Müllers nicht zu geben, zumindest jedoch scheint er im persönlichen Kontakt wenig Scheu vor dem Umgang mit früheren Bekannten dieser Couleur gehabt zu haben. Im Oktober 1950 hatte sich Ilse Heß an Müller gewandt, an frühere Treffen bei Bruckmanns erinnernd. Sie habe »öfters als Sie vielleicht glauben, an Sie denken müssen, da mein Mann sowohl von England aus als auch noch von Nürnberg Bücher von Ihnen verlangte (in Spandau darf er Bücher von Ihnen nicht lesen!!!!).« Müller reagierte keineswegs reserviert. Oft »haben wir Ihrer und Ihres Mannes gedacht. Darf ich Sie bitten, wenn die Gelegenheit sich schickt, ihm meine besten Empfehlungen und Wünsche zu übermitteln?«279 Für das bald nach Kriegsende entstehende »Bedürfnis, die deutsche Katastrophe und den Weg dorthin« zu erklären, fühlten sich die Historiker durchaus zuständig, doch »für die eben noch erfolgreichen – etwa Karl Alexander von Müller – war es am besten zu schweigen«.280 An den geschichtswissenschaftlichen Kontroversen über den Nationalsozialismus konnte Müller in der Tat nicht teilnehmen281, lediglich schweigend verblieb er 277 278 279 280 281

Gollwitzer an Raumer, 1. 1. 1955 (richtig: 1956), ULBM, NL Kurt von Raumer A 3,66. Raumer an Gollwitzer, 7. 1. 1955 (richtig: 1956), BArch, NL Heinz Gollwitzer 43. Heß an Müller, 25. 10. 1950; Müller an Heß, 28. 10. 1950, BayHStA, NL von Müller 258. Benz, Wissenschaft, S. 11. Zu den Debatten seit 1945 vgl. Cornelißen, »Historikerstreit« sowie N. Berg, Holocaust, zur Nachkriegszeit v. a. S. 64 – 142.

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indes auch nicht. Müller reüssierte als Zeitzeuge.282 Bereits 1948 hatte ihn sein früherer Schüler Michael Freund für die Zeitschrift »Die Gegenwart« um einen Zeitzeugenbericht gebeten: »Diese zugleich großartige und schauerliche Zeit, geschaut durch das Auge eines Historikers, wird sicherlich etwas Erhebendes an sich haben.« Er vermute, dass man »Ihre Eindrücke von der Bürgerbräurevolution des Jahres 1923 als ein historisches Dokument gern bringen würde.«283 Zwei Jahre danach startete Freund einen zweiten Versuch, ihm schien »damals Ihre Zeugenaussage vor Gericht das lebendigste und erregendste dessen, was danach als Historie dieses schicksalschweren Tages gegeben wurde.«284 Müllers Darstellung des Putschversuchs Hitlers würde erst posthum, zwei Jahre nach seinem Tod im dritten Erinnerungsband erscheinen, dann aber aufgrund der vermeintlichen Belegkraft des Augenzeugen, einer gut lesbaren und nicht zuletzt die Vorstellungen seiner Leser zutreffend antizipierenden Schilderung tatsächlich zu dem »Dokument« der Ereignisse des November 1923 werden.285 Eine erste, durchaus heikle Anfrage zur eigenen Tätigkeit erreichte Müller im Frühjahr 1950. Der aus der Emigration zurückgekehrte, jüdische Journalist Hans Lamm bat Müller für seine Dissertation über das »Schicksal der Juden im Dritten Reich« um Auskunft über die Tätigkeit des »NS Forschungsinstitutes ueber die Judenfrage«, er wisse nicht einmal, ob es ein oder zwei Institute in München oder Frankfurt gab.286 Müller nutzte die Chance, die bereits für seine Entnazifizierung mehrfach wiederholte, strikte Trennung zwischen Münchner und Frankfurter »Judenforschung« zu betonen. Die Münchner Forschungsabteilung sei »keine Gründung und Einrichtung der Partei, sondern des Staates« gewesen, durch seine »persönliche Verbindung« mit Walter Frank sei er »eine Zeit lang selbst in dies Institut mithereingezogen« worden, dessen ursprüngliches Ziel »wissenschaftlich« gewesen sei. Doch erschien dieses Institut der »Partei alsbald zu ›Wissenschaftlich‹ und zu wenig ›Praktisch aktiv‹«, deshalb wurde ein Institut in Frankfurt gegründet, das »unmittelbar dem Stab Rosenberg unterstand.«287 Müllers Bestreben war deutlich, zum einen Abgrenzung von der NSDAP, zum anderen Verweis auf die »Wissenschaftlichkeit« seiner Beteiligung. Wenig erfreut dürfte Müller über die Mitteilungen gewesen sein, die ihm sein früherer Schüler und jetzige Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte Anton Hoch zugehen ließ. Er sei auf Müllers Namen gestoßen, so »mehrmals 282 Vgl. eine Reihe von Beiträgen in: Sabrow/Frei, Zeitzeugen. 283 Freund an Müller, 25. 11. 1948, BArch, NL Michael Freund 7. Zur Rolle Freunds in der entstehenden Politikwissenschaft vgl. Meinschien, Freund, zum Verhältnis zu Müller u. a. S. 30, 100. 284 Freund an Müller, 12. 7. 1950, BayHStA, NL von Müller 491. 285 Vgl. die Kapitel 3.1.3 und 8. 286 Lamm an Müller, 15. 4. 1950, BayHStA, NL von Müller 496. 287 Müller an Lamm, 21. 4. 1950, ebd. Vgl. die Dissertation Lamm, Entwicklung des deutschen Judentums; sowie zur Biographie Sinn, Lamm, v. a. S. 47 – 92.

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in dem in Amerika von einem jüdischen Institut / New York herausgegebenen Buch WEINREICH, HITLER’S PROFESSORS, dann in einer amerik. Dr. Dissertation über Walter Frank, von dem gesagt wird, dass drei Männer auf ihn besonderen Einfluß hatten: Adolf Hitler, Ludendorff und K.A. von Müller«. Bei seiner Lektüre der Müller betreffenden Stellen, so Hoch, wurde er »immer wieder in der Überzeugung bestärkt, daß es doch sehr schön wäre, wenn Sie […] einmal auch Ihre Erinnerungen an das ›Reichsinstitut‹ niederschrieben und dem Institut zur Verfügung stellten.«288 Selbstredend würde Müller seine mühsam hergestellte Distanz zur »Judenforschung« nicht durch ohne Not verfasste Schriftstücke gefährden. In der Rolle des Zeitzeugen aber blieb er im Spannungsfeld zwischen gern gesehenem Interesse an seiner Person, geschätzter Möglichkeit zur Einflussnahme auf entstehende Darstellungen und zugleich drohender Problematisierung des eigenen Wirkens gefangen. Letzteres widerfuhr ihm zum siebzigsten Geburtstag, sein Doktorand Luis Dürrwanger sandte einen »Gratulationsbrief, der aus dem Rahmen fällt.« Müller hatte 1935 die Entfernung eines Kapitels über die Augsburger Juden aus Dürrwangers Dissertation durchgesetzt. Aber »nachdem der von Ihnen so warm vertretene Nationalsozialismus tot – für immer tot« sei und Müller »nun auf Grund des heutigen Zeitgeistes zur Überzeugung kommen« sollte, dass »ich ein Opfer des damaligen Zeitgeistes« geworden sei, frage er, ob »nicht – als Schadenersatz – Ihre ausländischen Beziehungen ein Mäcenat für die Drucklegung mobil machen könnten.«289 Eine Antwort Müllers ist nicht überliefert. Als Zeitzeuge blieb Müller gefragt. Im Juni 1951 bat sein Schüler Georg Franz um ein Gespräch, er arbeite an einem »Forschungsauftrag des Instituts für Geschichte der NS-Zeit« über die Frühgeschichte der NSDAP wie Hitlers.290 Auch Ernst Deuerlein wandte sich an Müller, allerdings mit einer Anfrage zu den Berichten des Grafen Lerchenfeld bzw. zur geplanten Edition des Briefwechsels mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Georg Graf von Hertling.291 In der mit dem Institut für Zeitgeschichte entstehenden, bundesdeutschen Zeitgeschichtsforschung erfreute sich der »Augenzeuge« Müller einiger Beliebtheit. Zum siebzigsten Geburtstag gratulierte Helmut Krausnick herzlich, verwies auf seinen unter Müllers Herausgeberschaft erschienenen, ersten Beitrag in der HZ und sandte seine Glückwünsche zu »einem weiteren erfolgreichen Schaffen, für dessen sachlichen Gehalt Sie immer eine künstlerische Darstellungsform zu finden wußten, die zu erreichen uns Jüngeren kaum je gegeben sein wird.« Diese Verbindung wollte Müller aufrechterhalten, gern würde er für die Fortsetzung der Memoiren »das bei Ihnen gesammelte 288 Anton Hoch an Müller, 23. 7. 1951, BayHStA, NL von Müller 496. Zur Arbeit Weinreichs und der erwähnten Dissertation von Walter Asch vgl. Kapitel 5.1.3. 289 Dürrwanger an Müller, 20. 12. 1952, BayHStA, NL von Müller 32 (Unterstreichungen im Original). 290 Franz an Müller, 5. 6. 1951, BayHStA, NL von Müller 495. Zu Franz vgl. H. Möller, Institut, S. 43. 291 Deuerlein an Müller, 7. 6. 1951, BayHStA, NL von Müller 495.

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Material« nutzen, außerdem stehe er »immer gern zur Verfügung […], wo ich Ihnen dienlich sein kann«.292 Auch beriet Müller den Historiker Helmut Neubauer bei einer Arbeit, die die bayerische Räterepublik mit der russischen Revolution verglich293, zugleich war der erste Band seiner Erinnerungen nun »völlig vergriffen!«294 Seine Doppelrolle als Zeitzeuge und autobiographischer Zeitdeuter verlieh Müllers Aussagen offenbar besonderes Gewicht, denn auch seine Unterstützung der frühen Erforschung des Nationalsozialismus setzte sich fort. Zu Ernst Deuerleins Aufsatz über »Hitlers Eintritt in die Politik und die Reichswehr« trug er mit einer schriftlichen Aussage bei295, zudem hatte er zuvor Reginald H. Phelps beraten.296 Schließlich gab Müller auch Helmut Heiber für dessen Studie zu Walter Franks Reichsinstitut Auskunft, mit einer überraschenden Aussage: »Die Freundschaft Müllers mit Coßmann habe Frank übrigens veranlaßt, Müller an die Spitze der Judenabteilung im Reichsinstitut zu stellen. Es sei dies eine ausgesprochene Überrumpelung durch Frank gewesen, der ihm gesagt habe, die Übernahme dieser Funktion sei notwendig, da Müller in gewissen Parteikreisen als Judenfreund gelte.« Eine Variation, die Müller trotz vielfacher Darstellung seiner Rolle im NS-Staat zuvor noch nicht präsentiert hatte.297 Im November 1959 schließlich, weiterhin arbeitete er am dritten Band der Erinnerungen, las Müller in München aus seinem Manuskript den Abschnitt »Persönliche Begegnungen mit Hitler im Jahre 1923«.298 In der Rolle des Zeitzeugen erhielt Müller Aufmerksamkeit und Deutungsmacht, seine institutionelle Stellung hingegen hatte er seit den enttäuschenden Rückkehrversuchen zu Beginn der 1950er Jahre nicht verbessern können. Vor allem die Emeritierung hatte Müller noch nicht aufgegeben, der Unterstützer Hans Rheinfelder formulierte gegenüber der Fakultät seine Sicht. Es bestehe kein Zweifel, dass man Müller »eine Menge von Unterlassungen, Fehlern und Schwächen nachweisen kann. Er war gewiß ein gefügiges Werkzeug des Nationalsozialismus und hat als erster Nazi-Dekan dem Ansehen unserer Fakultät mehr geschadet als genützt.« Rheinfelder selbst habe »unter der Schwäche« Müllers gelitten und bitte trotzdem, dem Antrag auf Emeri-

292 Krausnick an Müller, 19. 12. 1952; Müller an Krausnick, 20. 1. 1953, BayHStA, NL von Müller 31. 293 Neubauer an Müller, 28. 7. 1957; Müller an Neubauer, 31. 7. 1957, BayHStA, NL von Müller 489; Neubauer an Müller, 6. 10. 1958, BayHStA, NL von Müller 496. Vgl. Neubauer, München. 294 Gustav Kilpper an Richard Schmidt, 22. 4. 1958, BayHStA, NL von Müller 265. Die Neuausgabe – acht- bis zehntausend – erschien 1958 bei der DVA (Unterstreichung im Original). 295 Vgl. Deuerlein, Hitlers Eintritt, S. 180, Fußnote 13. 296 Phelps wandte sich im Mai 1958 an Müller, dieser erinnere sich vielleicht an ihr Treffen 1954 in München, bei dem Müller »einiges aus den zwanziger Jahren in München und Bayern« erzählt habe, vgl. Phelps an Müller, 28. 5. 1958, BayHStA, NL von Müller 489. 297 Vgl. Heiber »Aktennotiz«, 31. 7. 1959 (»Betr. Besuch bei Professor Karl Alexander von Müller in Rottach-Egern am 28. 7. 1959«), IfZ, ZS 1716 1, Müller, Karl Alexander von. 298 Otto v. Müller an Max Spindler, 13. 11. 1959, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller.

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tierung stattzugeben, Müller habe »bitter und reichlich sühnen müssen.«299 Schließlich stimmte die Fakultät im Januar 1953 zu, den Antrag Müllers auf Emeritierung an das Ministerium zu richten. Doch als Rektor amtierte Mariano San Nicolo, Müllers Nachfolger als Präsident der Bayerischen Akademie. Das Verfahren, so intervenierte dieser, bedürfe der Zustimmung durch den Senat, der Dekan müsse den Antrag dort vertreten. Aus nicht bekannten Gründen, möglicherweise eine Abstimmungsniederlage befürchtend, zog die Fakultät daraufhin den Antrag zurück.300 Als entschiedenster Gegner Müllers in der Fakultät galt der klassische Philologe Rudolf Pfeiffer, der 1937 wegen seiner jüdischen Ehefrau von der Universität vertrieben worden war und nach England hatte emigrieren müssen. Den Ausschluss Pfeiffers aus der Bayerischen Akademie hatte Müller als Präsident federführend betrieben.301 Persönlich warb Johannes von Elmenau, Ministerialdirigent im Kultusministerium, bei Pfeiffer um Verständnis. Elmenau hatte bei Müller studiert, dieser habe »weit mehr Konzessionen an das damalige Regime gemacht« als nötig war, doch hätten ihn »Hilfsbereitschaft und menschliches Gefühl […] gegenüber politisch anders Denkenden und Verfolgten nie verlassen.«302 Ein ungewöhnlicher Einsatz, doch waren vorerst die Gremien der Münchner Universität mit Müllers Antrag befasst. Im Mai richtete der Senat eine Kommission ein, die der Fakultät auftrug, von ihren Historikern eine Erklärung zu erbitten, dass Müller »weder in seinem Schrifttum noch in seinen sonstigen Verlautbarungen ideologische und propagandistische Thesen verfochten hat, die geeignet wären, bei seiner Wiedereinsetzung als Emeritus im In- oder Ausland Protest hervorzurufen.«303 Entsprechend befragt, erklärte Müller gegenüber Max Spindler, keine der bisherigen Aufnahmen habe einen Einspruch erfahren, gegen seine »rein formelle Wiederaufnahme in die Körperschaft der Universität« werde kaum eine »berechtigte Beanstandung erhoben werden« können.304 Doch sollte bald Widerspruch gegen die Emeritierung eingelegt werden. Im Vorjahr hatte Müller seine Darstellung des Philologen Eduard Wölfflin in den »Gärten der Vergangenheit« nach heftigem Protest des Sohnes Ernst Wölfflin korrigiert. Wölfflins Anwalt jedoch hatte zudem angemerkt, dass in München Müllers »Ausführungen über Eduard Wölfflin auch in den dortigen Univer-

299 Rheinfelder an Dekan Phil. Fak, 15. 12. 1952, UAM, O-XIV-437. 300 Protokoll der Fakultätssitzung, 16. 1. 1953, UAM, O-III-23; Dekan Phil. Fak. an KM (über Rektor UM), 26. 1. 1953, mit Vermerk »Antrag in Senatssitzung vom 19.II.53 durch Fakultät zurückgezogen«; Rektor UM an Dekan Phil. Fak., 29. 1. 1953, UAM, E-II-2517. 301 Zu Pfeiffer vgl. Schreiber, Altertumswissenschaften, S. 201 – 204, zu Müller S. 204. 302 Elmenau an Pfeiffer, 25. 2. 1953, UAM, O-XIV-437. 303 Dekan Phil. Fak. UM an Franz Schnabel, Max Spindler, Johannes Spörl, 26. 5. 1953, ebd. 304 Hoffnung schöpfte Müller auch aus der Neuwahl des Rektors, der sein Schüler sei, vgl. Müller an Spindler, 18. 6. 1953, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller.

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sitätskreisen sehr unliebsames Aufsehen erregt haben.«305 Nun verknüpfte Wölfflin eine Stiftungsgewährung an die Münchner Universität mit der Bedingung, dass »Müller bis zum Ende seines Lebens weder von der Universität München noch von der Akademie der Wissenschaften in seine frühere Stellung wieder aufgenommen wird u. daß er außerdem von jetzt ab keine irgendwie verletzenden oder beleidigenden Äußerungen gegen Herrn Wölfflins Vater sich zu schulden kommen lässt.« Die, wie Rudolf Pfeiffer berichtete, von Wölfflin in Gedenken an seinen Vater Eduard Wölfflin und seinen Bruder Heinrich Wölfflin vorgesehene Stiftung umfasse eine »sechsstellige Zahl«.306 Gegenüber Spindler verwies Müller auf sein Entgegenkommen, nun verbinde Wölfflin die »private und erledigte Angelegenheit mit einer schwebenden internen Rechts- und Ermessensfrage unserer Universität«. Er bedauere, dass die Universität nun »die Rechtsfrage eines alten Mitgliedes gegen Schweizer Franken abwiegen soll.«307 Müllers Emeritierung war endgültig ins Stocken geraten, das Verfahren ruhte. Erst im Januar 1955 wagte Müller einen neuerlichen Vorstoß und verwies gegenüber Rheinfelder auf seine Eingabe »unterm 14. Oktober 1952 an die Fakultät«, auf welche er bis »heute keinen amtlichen Bescheid erhalten« habe. Solle nun, spielte Müller wohl auf Pfeiffer an, die »Unversöhnlichkeit eines einzigen Fakultätsmitgliedes, das in der Zwischenzeit zurückgekehrt war, imstande sein, dauernd alles zu verhindern? Eines Mitgliedes zudem, das kaum etwas von all dem weiß, was ich zwischen 1933 und 1945 getan habe, um Übles zu verhindern«. Unter der »Schuld des politischen Irrtums, dem ich verfallen« war, leide er schwer, er habe »deshalb seit 1945 manche Buße freiwillig und gern auf mich genommen«. Es handle sich nur um die Frage, ob er »als Mitglied der Körperschaft sterben darf, der ein gutes Teil meiner Lebensarbeit gegolten hat.« Man habe ihm geraten, sich mit der Freundschaft der »angesehensten Fachgenossen« und der »Dankbarkeit meiner Schüler« zu begnügen, doch sei »das Band, das mich mit meiner alten Universität verbindet, zu stark.«308 In der Tat, Müller war finanziell mit einem Emeritus gleichgestellt, publizistisch erfolgreich, genoss durchaus Ansehen und die Verbundenheit seiner Schüler. Doch aus seiner Sicht ersetzte all dies nicht die angestrebte, vollständige Rehabilitierung. Seine vorbehaltlose Aufnahme in den Kreis der »Kollegen« hatte am Anfang der Karriere Müllers gestanden, 1916 in die Historische Kommission, 1917 in die Philosophische Fakultät der Münchner Universität, 1928 in die Bayerische Akademie – erst die neuerliche Bestätigung dieser Kooptationen würde Müller im Wortsinne »rehabilitieren«, ihn wiederherstellen. 305 Vgl. Rechtsanwalt Hans Staehelin an Müller, 26. 3. 1952, BayHStA, NL von Müller 5 sowie die gesamte Korrespondenz in: BayHStA, NL von Müller 5, 76. 306 Nach Telefongespräch auf Wunsch des Dekans nun schriftlich, was Pfeiffer dem Dekan u. a. bereits mündlich mitgeteilt habe, vgl. Pfeiffer an Dekan Phil. Fak., 9. 8. 1953, UAM, O-XIV-437. 307 Müller an Spindler, 12. 7. 1953, BayHStA, NL von Müller 4. 308 Müller an Rheinfelder, 11. 1. 1955, ebd.

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Zwischen dem Eingeständnis erworbener, aber abgetragener Schuld und der Wahrnehmung als unberechtigt Ausgeschlossener blieb Müller unentschieden, man könne ihn »kaum unter die Nutznießer des NS rechnen.« Gegebenenfalls bitte er um die Möglichkeit, seinen Fall vor der Fakultät vorzutragen.309 Immer wieder formulierte Müller dieses Ansinnen – seinen »Fall« vortragen zu dürfen. Mit einer detaillierten Prüfung, an »Persilscheinen« mangelte es ihm nicht, hoffte Müller, seine Wiederaufnahme zu erreichen. Dieser Wunsch allerdings konnte kein Gehör finden, denn wer sollte interessiert sein, einen »Fall« wie Müller aufzuarbeiten und abzuwägen, mit einer solchen Prüfung gar, jenseits der Spruchkammerverfahren, belastbare Kriterien für die Bewertung von Engagement im Nationalsozialismus festzulegen? Müllers institutionelle Rolle respektive »Nichtrolle« nach 1945 entsprach dem, was er in vielerlei Hinsicht auch im Nationalsozialismus repräsentiert hatte. Er war eine Symbolfigur, deren Ausschluss eine »Reinigung« symbolisch vollzog, die ansonsten zumeist ausblieb. Auf entsprechenden Hinweis Rheinfelders erneuerte Müller, auch wenn er »die Annahme meines Antrages nicht durch eine Art Wahlkapitulation« erkaufen wolle, den Verzicht auf die Wahrnehmung der Rechte eines Emeritus.310 Im Juli 1955 schließlich beantragte Rheinfelder die Wiederaufnahme Müllers, wie des Kunsthistorikers Hugo Kehrer, in das Vorlesungsverzeichnis.311 Die universitären Mühlen mahlten langsam, doch sie hatten sich in Gang gesetzt. Im November stimmte die Fakultät über den Antrag ab – für Müller stimmten neunzehn, gegen ihn zwölf Fakultätsmitglieder, drei enthielten sich der Stimme.312 Nun galt es, den Senat zu gewinnen. Müller wandte sich an ihm vertraute Mitglieder, er wolle »wenigstens zum Lebensende wieder der Körperschaft« angehören, das »Bewußtsein, von ihr bis zum Tod diffamierend ausgeschlossen zu bleiben, würde mich innerlich schwerer treffen als alles, was ich bisher ohne Bitterkeit in meinen eignen freien Willen aufnahm.«313 Der Staatsrechtler Johannes Heckel verknüpfte in seiner Antwort unumwunden die noch offene mit einer erfolgreichen Rückkehr Müllers. Er werde sich für ihn einsetzen und versichere, dass er »Ihre unter so bedrängten äusseren und inneren Verhältnissen entstandenen Erinnerungs-Werke mit großer Anteilnahme und aufrichtiger Verehrung für einen im Unglück ungebeugten Mann gelesen habe.«314 Der Senat aber reichte den Antrag an die Fakultät zurück, da eine Einschränkung der Emeritenrechte unzulässig sei, die abgegebenen Müller an Rheinfelder, 28. 3. 1955, ebd. Müller an Rheinfelder, 30. 3. 1955, ebd. Protokoll der Fakultätssitzung, 30. 7. 1955, UAM, O-III-25. Kehrer erhielt 16 Ja-Stimmen, 14 Nein-Stimmen, 4 Stimmenthaltungen. Vgl. Protokoll der Fakultätssitzung, 18. 11. 1955, ebd. 313 Müller an Dölger, 24. 11. 1955, BayHStA, NL von Müller 4. Vgl. Schreiben selbigen Datums an Josef Nikolaus Köstler, Max Spindler und Johannes Heckel, ebd. 314 Heckel an Müller, 26. 11. 1955, ebd. Zur Selbstwahrnehmung als eigentliche »Opfer« vgl. den Eintrag in: Eitz/Stötzel, »Vergangenheitsbewältigung«, hier S. 288 – 292. 309 310 311 312

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Verzichtserklärungen daher als unverbindlich zu betrachten wären. Die notwendige zweite Abstimmung, nun über eine reguläre Emeritierung, fiel deutlich knapper aus. Müller erhielt dreizehn Ja-Stimmen, elf Nein-Stimmen und 4 Stimmenthaltungen.315 Zwei Tage darauf beantragte der Rektor beim Kultusministerium die Verleihung der akademischen Rechte an Müller.316 Doch das besondere Engagement Müllers im Nationalsozialismus spiegelte sich ein weiteres Mal in der Vielfalt möglicher Klippen wider. Eilig bat Rheinfelder um eine Erklärung »zu dem ›Vorwurf‹: ›War er nicht Direktor des ›Reichsinstituts zur Erforschung der Judenfrage‹?«317 In der postwendend erstellten Rechtfertigung griff Müller die bereits erprobten Argumente auf, vor allem habe er es »sofort grundsätzlich abgelehnt, mich anders als durch gelegentliche wissenschaftliche Beratung daran zu beteiligen.« Im Begleitbrief an Rheinfelder verwies er noch zusätzlich auf seinen Briefkontakt zur Schwester Cossmanns – »gleich diesem rassisch von beiden Eltern jüdischer Herkunft: ich stehe mit ihr, wie mit meinen andern nichtarischen Freunden von früher, in völlig ungetrübter Freundschaft.«318 Im Februar 1956 verlieh das bayerische Kultusministerium Müller »die akademischen Rechte eines entpflichteten ordentlichen Professors.«319 Dieses Ziel war erreicht, in universitärer Hinsicht war Müller rehabilitiert.320 Die erlangte Genugtuung minderte Müllers Wahrnehmung einer ungerechtfertigten Zurücksetzung vorerst. Gegenüber dem ehemaligen Staatssekretär und zeitweiligen Nachfolger Gürtners als Justizminister Franz Schlegelberger bedauerte er zwar eine Passage über Gürtner in den Erinnerungen. Jedoch, dass Gürtner, gegen »seinen Willen und Schritt für Schritt zähen Widerstand leistend, dennoch mit dazu beigetragen hat, daß das ›Rechtsgefühl in unserem Volk abgedrosselt wurde‹ – das könnte ich kaum ändern. Denn das Recht wurde doch unzählige Male gebeugt; das war weithin sichtbar […]. Ich würde mir nicht getrauen, so scharf zu urteilen, wenn ich das gleiche Urteil, auf meinem viel kleineren Feld, nicht auch genau so über mich selbst fällen würde. Ich glaube sagen zu dürfen, daß ich als Dekan meiner Fakultät und dann als Präsident der Bayer. Akademie der Wissenschaften getan habe, was ich konnte, Unrecht zu verhindern oder seine Folgen abzuschwächen; aber viel Unrecht ließ ich eben doch geschehen und deckte es, indem ich meine Ämter weiterführte.« Müllers präziseste, vor allem seine hilfreiche Funktion für den NS-Staat reflektierende Darstellung seines Engagements im Nationalsozialismus, zudem gegenüber einem persönlich nicht Vertrauten. Seine Einsicht nach 1945 allerdings zeichnete Müller freundlich, er habe »deshalb 315 316 317 318 319 320

Protokoll der außerordentlichen Fakultätssitzung, 20. 12. 1955, UAM, O-III-25. Rektor UM an KM, 22. 12. 1955, UAM, E-II-2517. Rheinfelder an Müller, 23. 1. 1956, BayHStA, NL von Müller 4. Müller »Erklärung«, 24. 1. 1956; Müller an Rheinfelder, 24. 1. 1956, ebd. KM an Rektor UM, 15. 2. 1956, UAM, E-II-2517. Von einem »beachtliche(n) Reintegrationstempo« kann allerdings wohl kaum gesprochen werden, vgl. in diesem Sinne Jedlitschka, Crämer, S. 344.

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1945 freiwillig« seine Mitgliedschaft in der Akademie niedergelegt und sich »nicht gewehrt, daß die Universität […] mir erst heuer wieder die vollen akademischen Rechte zuerkannt hat.«321 Unterdes hatten sich weitere, eine Rehabilitierung gleichwohl nicht ersetzende institutionelle Erfolge eingestellt. Neben der Kommission für bayerische Landesgeschichte, in der sich Müller vor allem durch die Teilnahme an den jährlichen Sitzungen engagierte322, hatte die ehemalige Preußische Akademie der Wissenschaften, nun als Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin Repräsentant der DDR, Müllers korrespondierende Mitgliedschaft wiederhergestellt bzw. nie unterbrochen.323 Zudem wurde Müller von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München »in ihrer Vollversammlung vom 6. Mai 1953 auf Vorschlag der Abteilung Schrifttum zum ordentlichen Mitglied gewählt.«324 Die »richtige« Akademie konnte dies nicht ersetzen, doch wählerisch durfte Müller mit institutionellen Anerkennungen nicht sein. Es freue ihn, so Müller an seinen Verleger, weil er bisher neben Carl Jacob Burckhardt der »einzige Historiker in diesem poetischen Gremium« sei.325 Im Sommer 1954 traf er in der Akademie auch auf den Bundespräsidenten Theodor Heuß, eine Gelegenheit, die Müller zur Korrespondenz und Übersendung seiner Erinnerungen nutzte.326 Gelegentlich nahm Müller an den Sitzungen der Akademie teil und hielt Festreden in ihren Veranstaltungen.327 Eine angebotene »Direktorstelle« jedoch lehnte er trotz Lob – es sei Müllers »gelassen überschauende, ausgewogene, nicht so leicht sich verbitternde Art […] weit geeigneter und segensreicher« – mit Verweis auf seine Gesundheit ab.328 Sein Vertrauter in der Akademie war der Illustrator und Bühnenbildner Emil Preetorius, seit langem mit Müller bekannt und auch für die äußere Gestaltung der Erinnerungsbände verantwortlich. Als Akademiepräsident amtierte Preetorius von 1948 bis 1968, im Dank für die Glückwünsche zu 321 Müller an Schlegelberger, 7. 11. 1956, BayHStA, NL von Müller 76. 322 Müller nahm teil an den Sitzungen im Juni 1952, Juni 1953, Mai 1956, Mai 1958, Mai 1959, Oktober 1960, Mai 1962, vgl. die Sitzungsprotokolle in BayHStA, MK 71120, MK 71121 bzw. KommBayLG, Sitzungsprotokolle. 323 Vgl. Einladungen und Schreiben der Akademie an Müller sowie dessen Antworten, zumeist Absagen für Veranstaltungen, in: BayHStA, NL von Müller 430 sowie einen den Bruch 1945 aussparenden »Fragebogen für die Presseakte«, 13. 8. 1958, in: BBAW, Akademiebestände nach 1945, AKL Personalia Nr. 323 – K. A. v. Müller. Eine Überprüfung Müllers durch das Ministerium für Staatssicherheit war nicht feststellbar, lt. Auskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR an den Autor v. 11. 7. 2012. 324 Emil Preetorius (Präsident) an Müller, 7. 5. 1953; Wahlannahme Müller, 9. 5. 1953, BAdSchK, Mappe Karl Alexander von Müller. 325 Müller an Kilpper, 14. 5. 1953, BayHStA, NL von Müller 453. 326 »In der Bayerischen Akademie der Schönen Künste waren Sie so unvorsichtig, mir zu erlauben, Ihnen meine Jugenderinnerungen – als eine Art Gegenstück zur Heimpelschen ›Halben Violine‹ – zu übersenden.« Vgl. Müller an Heuß, 30. 7. 1954, BayHStA, NL von Müller 75. Vgl. auch Radkau, Heuss, S. 199. 327 Vgl. Müller, Ansprache an den Kiem Pauli (1957). 328 Müller an Hanns Braun, 12. 2. 1958; Braun an Müller, 15. 2. 1958, BayHStA, NL von Müller 430.

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seinem fünfundsiebzigstem Geburtstag betonte Müller die Bedeutung seiner »Zugehörigkeit zur Bayerischen Akademie der Schönen Künste«, er wolle »gern noch lange Mitglied der Akademie unter Ihrer Führung bleiben«.329 Zu eben diesem fünfundsiebzigsten Geburtstag im Dezember 1957 veranstaltete das Institut für Bayerische Geschichte eine Feier, eine Festschrift jedoch kam erneut nicht zustande.330 Ehrungen dieser Art blieben heikel. Für Kurt von Raumer aber überwog »der positive Eindruck, der darin besteht, daß nichts ›passiert‹ ist und KA sich von der besten Seite gab, sowie darin, daß es uns ebenfalls ohne Rad- oder Deichselbruch möglich war, bei diesem Anlaß zugegen und vernehmbar zu sein.«331 In der Geschichtswissenschaft blieb Müllers Position, zumal angesichts seines früheren Ranges, weiterhin zumindest vage, auch da trotz seiner Emeritierung eine Rückkehr in die Historische Kommission weiterhin ausstand. Bereits 1953 war Theodor Schieder in die Kommission gewählt worden. Über die Reaktion seines Lehrers auf diese Bevorzugung eines Schülers zeigte Schieder sich besorgt.332 Doch Müller zog es vor, Schieders Wahl zu begrüßen und zugleich auf seine nicht anerkannten Verdienste für die Kommission zu verweisen. Überdies bezweifelte Müller die Rechtmäßigkeit seines Status: Als »Srbik und ich im Herbst 1945 freiwillig unsre Ämter zur Verfügung stellten, dachte keiner von uns dabei an einen Rücktritt, sondern lediglich […] an ein einstweiliges Ruhen der Mitgliedschaft, bis unsre Denazifizierung abgeschlossen sei.«333 Die im Februar 1946 gegenüber Goetz erklärte Niederlegung der Mitgliedschaft, mitsamt der unbestimmten Rückkehrregel, fasste Müller nun als lediglich zeitweilig auf und stellte die Notwendigkeit einer formalen Wiederwahl in Frage. Doch weder fand er in dieser Hinsicht Zustimmung, noch hätte eine nur geduldete, nicht ausdrücklich von den Kommissionsmitgliedern bekundete Zugehörigkeit seiner gewünschten, rückhaltlosen Rehabilitierung entsprochen. Allerdings waren mittlerweile mächtige Fürsprecher auf Müllers Seite. Im Juli 1958 fragte Hermann Heimpel bei Schieder an, ob man angesichts von fünf freien Plätzen in der Kommission die »letzte Gelegenheit ergreifen« wolle, Müller »zur Geltung zu bringen. Sollte nicht die Jubiläumsstimmung über die früheren Bedenken hinweghelfen?«334 Im Herbst stand das hundertjährige Gründungsjubiläum der Kommission an, auch Schieder war gewillt, »Müller etwas Gutes zu tun.«335 329 Müller an Preetorius, 7. 1. 1958, BSB, NL Emil Preetorius, Ana 674 Müller, K.A. 330 Vgl. Heinz Gollwitzer an Kurt von Raumer, 5. 4. 1957, ULBM, NL Kurt von Raumer A 64,95 sowie die gedruckte Einladungskarte, ULBM, NL Kurt von Raumer A 5,4. 331 Raumer an Theodor Schieder, 27. 12. 1957, BArch, NL Theodor Schieder 1250. Schieder widmete Müller zum Geburtstag »als ein Zeichen einer seit drei Jahrzehnten fortdauernden Verbundenheit« einen Sammelband, vgl. Schieder, Staat und Gesellschaft (1958), Zitat S. 7. 332 Schieder an Raumer, 3. 1. 1954, ULBM, NL Kurt von Raumer A 2,68. 333 Müller an Schieder, 26. 1. 1954, BArch, NL Theodor Schieder 1244. 334 Heimpel an Schieder, 7. 7. 1958, BArch, NL Theodor Schieder 370. 335 Schieder an Heimpel, 9. 7. 1958, ebd. Vgl. zum Jubiläum: Historische Kommission (1958).

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Ob von Schieder ermutigt oder auf eigene Gefahr, im September wandte sich Müller an den Kommissionspräsidenten Franz Schnabel. Diesen, so Müller im Begleitschreiben, wolle er darauf hinweisen, dass der »Akademiebrand auch die 17 dicken Akten- und Brieffaszikel verschlungen hat, die über meine Tätigkeit als Sekretär bis ins kleinste hätten Aufschluß geben können: es war kein Blatt darin, das der Kommission oder mir selbst zur Unehre gereichen würde.« In Gesuch selbst vereinte Müller erneut die seit einem Jahrzehnt geschliffenen Argumente. Er habe der Kommission mehr »als ein Drittel dieses Jahrhunderts, von 1910 bis 1945« angehört, seine »innere Verbundenheit mit ihr« werde »nicht erlöschen […], wie immer ihre Mehrheit über diesen Antrag in eigner Sache entscheiden mag.«336 Zur Festveranstaltung der Kommission war Müller eingeladen worden, hatte zugesagt und auch teilgenommen.337 In der Sitzung der Kommission am Tag zuvor aber war Müller nicht gewählt worden.338 Als im Jahr darauf die Bayerische Akademie der Wissenschaften ihr zweihundertjähriges Bestehen beging, widmete sich ihr Präsident Friedrich Baethgen in seiner Festrede auch der NS-Zeit. Betont distanziert führte Baethgen aus, es habe nur »der von der Regierung ernannte, nicht ein von der Akademie gewählter und von ihrem Vertrauen getragener Präsident […] in seinen Ansprachen bei Öffentlichen Sitzungen die neue Zeit, das herrschende Regime und seinen obersten Repräsentanten mit tönenden Worten« gefeiert.339 Weder in die Akademie noch in die Historische Kommission würde Müller je zurückkehren. »Wir hatten seit Wochen fast nur Familienbesuche, ich bin durstig wie ein Schwamm auf Nachrichten aus dem wissenschaftlichen und akademischen Leben.«340 Was Müller blieb, waren die Schüler, die trotz allem Entsetzen über die publizistischen Wege des Lehrers ihre persönliche Bindung an Müller aufrechterhielten. Theodor Schieder stieg in den 1950er Jahren zu einem der einflussreichsten deutschen Historiker auf, 1957 übernahm er auch die Herausgeberschaft der Historischen Zeitschrift. Die Kontinuität, nur unterbrochen von Ludwig Dehio, erfreute Müller. In seiner Gratulation schlug er auch den Bogen zur eigenen Laufbahn: »Die Schwierigkeiten, die vor Ihnen liegen, glaube ich einigermaßen abschätzen zu können, wenngleich alles sich verändert hat: unangenehmer als die, unter denen ich seinerzeit einzuspringen hatte, können sie nicht sein, und das ist kein kleiner Trost.«341 Bald aber waren, 336 Müller an Schnabel, 6. 9. 1958 sowie »An die Historische Kommission«, HiKo I Band 8. 337 Einladung HiKo an Müller, Okt. 1958, BayHStA, NL von Müller 419; 100-jähriges Jubiläum der HiKo, Liste der »Teilnehmer am Festakt und Festessen«, HiKo I Band 211. Im Jahr darauf wandte sich Müller an Max Braubach unter Verweis auf das »Gespräch bei der vorjährigen Festtagung der Historischen Kommission«, vgl. Müller an Braubach, 2. 11. 1959, UABo, NL Max Braubach 206. 338 Vgl., auch zum Antrag Müllers, Neuhaus, 150 Jahre Historische Kommission, S. 94 f. 339 Baethgen, Bayerische Akademie, S. 13. 340 Müller an Heinz Gollwitzer, 25. 9. 1959, BArch, NL Heinz Gollwitzer 41. 341 Müller an Schieder, 21. 3. 1957, BArch, NL Theodor Schieder 1244.

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Müllers vormalige Karriere blieb steter Anlass dafür, erneut heikle Momente zu bewältigen. Im Juli 1958 feierte der Oldenbourg Verlag sein hundertjähriges Jubiläum, Schieder übernahm den Festvortrag. Es habe ihm, gestand Schieder dem Verlag, etwas »Schwierigkeiten gemacht, über die Zeit nach 1935, also nach dem Abgang von Friedrich Meinecke, zu sprechen.« Er habe Rücksprache mit Kienast gehalten, beide waren »einig, daß das verdiente Lob für die HZ und ihren damaligen Herausgeber nur dann ein Gewicht bekommt, wenn man die Schattenseiten nicht verschweigt.«342 Seinen Umgang mit diesen Schattenseiten sandte Schieder vorab an Müller, seine Rede basiere auf in der HZ erschienenen Beiträgen, »d. h. also, nur mit den Zitaten, die ich dort gefunden habe. […] Natürlich konnte ich auch nicht an der Zeit des Dritten Reiches vorübergehen und mußte dazu ganz offen Stellung nehmen. Da Sie am meisten Einblick in die Entwicklung der HZ in jenen Jahren hatten, möchte ich Ihnen das Manuskript mit der Bitte zusenden, es dahin zu überprüfen, ob die Darstellung der Wahrheit entspricht.«343 Müller reagierte mit Lob, die eigene Rolle jedoch empfand er nicht angemessen gewürdigt: »Das einzige, was mich schmerzen könnte, ist, daß mein Namen ausgespart wird, wie ein pudendum: ich trage die Verantwortung hier wie sonst, und scheue mich nicht.« Erneut verwies er auf seine Verteidigung Meineckes und den ihm gewidmeten Band, vielleicht komme er selbst noch dazu, die »innere Geschichte der H.Z, nach den Korrespondenzen« zu schreiben.344 Schieder schien erschrocken, dem Verlag wie auch Hermann Heimpel versicherte er : »Das bekümmert mich nun sehr, denn ich wollte ihn wirklich nicht kränken, […] aber es stellt sich wieder einmal heraus, wie schwer es ist, daß wir alle innerlich diese Zeit verkraften. Ich suche nun nach einer Form, Müller zu beruhigen.« Ein weiteres Jubiläum sollte bald die Gelegenheit bieten.345 Im Jahr darauf beging die Historische Zeitschrift ihr hundertjähriges Erscheinen. Als Herausgeber verantwortete Schieder den Festband wie auch die Darstellung ihrer Geschichte. Falls Schieder, so Peter Classen, »auch die heißen Eisen der jüngsten Zeit anfassen« wolle, verweise er auf Briefe, die ihm Müller für den Briefband Meineckes überlassen habe, Müller wäre »vermutlich mit einer Publikation sehr einverstanden«.346 Schieder würde diese »heißen Eisen« kaum umgehen können, doch hatte er aus der Verstimmung Müllers gelernt. Schon Monate vor dem Erscheinen teilte er dem Verlag mit, er »möchte hier zu größter Zurückhaltung neigen, so lange in irgendeiner Weise noch lebende Persönlichkeiten wie mein verehrter Lehrer K.A. von Müller berührt werden.«347 Nach Abschluss des Manuskriptes legte Schieder dieses seinem Lehrer zur Prüfung vor, 342 343 344 345

Schieder an Kliemann (Oldenbourg Verlag), 1. 7. 1958, BArch, NL Theodor Schieder 489. Schieder an Müller, 1. 7. 1958, BayHStA, NL von Müller 494. Müller an Schieder, 3. 7. 1958, BArch, NL Theodor Schieder 1244. Schieder an Heimpel, 9. 7. 1958, BArch, NL Theodor Schieder 370; Schieder an Kliemann (Oldenbourg Verlag), 16. 7. 1958, BArch, NL Theodor Schieder 489. 346 Classen an Schieder, 21. 1. 1959, BArch, NL Theodor Schieder 109. 347 Schieder an Verlag (Kliemann), 18. 4. 1959, BWA, Oldenbourg Verlag 1624.

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zufrieden gab er dem Verlag Nachricht: »In meinem Beitrag habe ich noch einige kleinere Ergänzungen vornehmen müssen, die zum Teil auch auf eine ausführliche Stellungnahme von Herrn Prof. von Müller zurückgehen. Sein Schreiben klang sehr beglückt über die Form meiner Darstellung und seine wenigen Ergänzungsvorschläge sind wirklich wertvolle Hinweise, an denen ich nicht vorübergehen konnte. So sind vor allem auch noch ein paar Sätze aus dem Briefwechsel Müller – Meinecke im Herbst 1945 aufgenommen worden.«348 In der Tat fielen Schieders ohnehin knapp gehaltene Bemerkungen zur HZ im Nationalsozialismus bezüglich Müllers freundlich aus. Eine »völlige Durchdringung« sei den Nationalsozialisten um Walter Frank nicht gelungen, Müller habe sich gegenüber den »Fanfaren« Franks auf die »Kräfte der Überlieferung« berufen und »die tiefen Klüfte zwischen den Generationen überbrücken« wollen. Zur Ehre der HZ wie ihrer Schriftleitung müsse man, so Schieder, sagen, dass »die Untersuchungen, die auch heute noch der wissenschaftlichen Kritik standhalten, überwogen.«349 Kritik am Umgang mit der Herausgeberschaft seines Lehrers wollte Schieder jedoch nicht akzeptieren, den »Vorwurf der Befangenheit« könne er nicht anerkennen. Den »Mut, dem damaligen Herausgeber etwas anzukreiden oder etwas von ihm zu verlangen, was wir Mitarbeiter, zu denen Sie, glaube ich, auch gehört haben, nicht geleistet haben, den Mut jedoch habe ich nicht gehabt. Wie soll unsere Glaubwürdigkeit der jüngeren Generation gegenüber begründet werden, wenn wir auch nur den Anschein erwecken, in unser Anathema nicht stets auch uns selbst einzuschließen?«350 Auch wenn Müller in der Geschichtswissenschaft der frühen Bundesrepublik keine Rolle finden, seine institutionelle Rehabilitierung nur teils gelingen sollte, die Treue seiner Schüler war ihm gewiss. Zugleich aber ist, trotz berechtigter Debatten um die ausgebliebenen, »versäumten Fragen«351, der Wandel der Geschichtswissenschaft seit den 1950er Jahren nicht zu unterschätzen.352 Ein grundlegender methodischer und thematischer Wandel des Faches, dem nicht zuletzt der »Historiker« Müller jenseits aller politischen »Belastungen« zum Opfer fiel. Allerdings blieb dieser bis weit in die 1960er Jahre andauernde Veränderungsprozess begleitet von betonter kollegialer Solidarität. Lobreden auf den akademischen Lehrer jedoch sind fester Bestandteil eines wissenschaftlichen Habitus, sind ein akademisches Ritual. Insbesondere in Zeiten wissenschaftlicher Diskontinuität erfüllen betonte Schülerschaften und vorgebliche Schulenbildungen nicht zuletzt konstruktive Zwecke, sie sollen Kontinuitäten herstellen und vermeintlich ungebrochene wissenschaftliche Traditionen dokumentieren. 348 Schieder an Verlag (Kliemann), 5. 12. 1959, ebd. 349 Schieder, Geschichtswissenschaft, S. 36, 69 f. 350 Schieder an Peter Scheibert, 3. 5. 1960, BArch, NL Theodor Schieder 566. Vgl. auch Nonn, Schieder, S. 218. 351 Vgl. Hohls/Jarausch (Hg.), Versäumte Fragen; Leggewie, Mitleid. 352 Eckel setzt für die Geisteswissenschaften eine, selbstredend fließende, Grenze um 1960 an, im Übergang von langsamer »Umorientierung« seit 1945 zu »Neue Aufbrüche, neue Unübersichtlichkeit, neue Krisen«, vgl. Eckel, Geist der Zeit, S. 99 – 127.

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8. Ende (1962 bis 1964) »Gottlob kann ich noch arbeiten, wenn auch mit langsamerem Tempo. In der Hauptsache ist es die Fortsetzung der Lebenserinnerungen, die mich beschäftigt, und ich habe vor allem zu sehen, daß die Fülle des disparaten Stoffes nicht über den Rand des Tellers läuft.«1 Seit Mitte der 1950er Jahre arbeitete Müller an einer Fortsetzung seiner Erinnerungen über das Jahr 1919 hinaus, den geplanten Gesamtband bis in die unmittelbare Gegenwart hatte er jedoch verworfen. Allerdings schien er entschlossen, die NS-Zeit ebenfalls darzustellen. Seine Notizen, so Müller an Karl August Fischer, von »1933/34 wären mir nun sehr wichtig, weil ich sehr offen meine Eindrücke eintrug. Aber gerade deshalb habe ich sie nach dem 30. Juni 1934 in die Akademie gebracht, und dort sind sie 1944 verbrannt.« Eine gefahrlos zu tätigende, da unüberprüfbare Behauptung, auf jeden Fall wolle er nun mit einem Band auskommen, auch weil »zwischen 1923 und 1932, wie mir jetzt vorkommt, nicht viel los war.«2 Schließlich aber, so Müller im September 1962, sollte der dritte Band nur bis zum Frühjahr 1933 reichen, der Stoff sei »viel unförmlicher und trüber, und ich setzte mich manchmal nicht ohne innere Zweifel an den Schreibtisch.« Weiterhin überstrahlte der Erfolg des ersten Bandes – »Der 2. ist seinem Gegenstand nach spröder und hat es bisher zu keiner 2. Auflage gebracht« – den seitdem mühevollen Fortgang.3 Im Dezember 1962 las Müller im Münchner Rathaus aus dem noch unveröffentlichten Band4, im Februar des folgenden Jahres kündigte er dessen Erscheinen gegenüber Carl Orff für Weihnachten an5, doch forderte bald darauf das Alter seinen Tribut und die Arbeit kam zum Stillstand.6 Zur nur bedingt erfolgreichen Karriere Müllers nach 1945 zählt auch, dass sein ohne Frage bekanntestes Buch, bis heute vielfach rezipiert, erst zwei Jahre nach seinem Tod erschien. Mit dem dritten Band seiner Erinnerungen – »Im Wandel einer Welt« – schrieb sich Müller wirkmächtig in die Historiographie zur nationalsozialistischen Bewegung der 1920er Jahre ein. Während die erste umfassende biographische Studie über Hitler in den 1950er Jahren noch gänzlich ohne Nennung Müllers auskam7, übernahm er in der neuesten Müller an Antonie Meinecke, 9. 11. 1960, GStA, VI. HA, NL Friedrich Meinecke 217. Müller an Fischer, 22. 9. 1954, BayHStA, NL von Müller 78. Müller an Ernst Jaffe, 2. 9. 1962, Monacensia, A III/3 (Karl Alexander von Müller). Einladung Historischer Verein von Oberbayern für 4. 12. 1962, BayHStA, NL von Müller 41. Müller an Orff, 8. 2. 1963, BayHStA, NL von Müller 44. Vgl. die Schlussbemerkung seines Sohnes, der den dritten Band 1966 posthum herausgeben sollte: Müller, Wandel (1966), S. 321. 7 Vgl. Bullock, Hitler (im Original 1952 erschienen, im Jahr darauf in deutscher Übersetzung).

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Ende (1962 bis 1964)

Darstellung, wie in der Mehrzahl der seit dem Erscheinen des dritten Erinnerungsbandes veröffentlichten, eine tragende Rolle als »Augenzeuge« des Aufstieges Hitlers.8

8.1 Achtzigster Geburtstag im Dezember 1962 Im Mai 1961 hatte Müller für seine tatkräftige Mitwirkung an der erneuten »Erfindung« Bayerns in der frühen Bundesrepublik eine hochrangige Anerkennung erfahren, ihm wurde der Bayerische Verdienstorden verliehen.9 In seinem Dank an den vermuteten Urheber der Auszeichnung, den Ministerialdirigenten im Kultusministerium Johannes von Elmenau, gestand Müller aber auch, die Haltung der Akademie zur 200-Jahr-Feier habe ihn »tief getroffen«.10 Eine anhaltende Enttäuschung, die »schnöde Behandlung« durch die Akademie, so Müller an Theodor Schieder, liege »als schwerer Schatten« über ihm, der »auch durch die jüngste Verleihung des Bayer. Verdienstordens« nicht habe aufgehellt werden können.11 Trotz aller Ehren und allen Zuspruchs12, das Ausbleiben seiner Rehabilitierung durch jene Institutionen, auf die es aus Müllers Sicht ankam, konnte er nicht verwinden. Im zeitlichen Abstand zum Austritt war das Verhältnis zur Akademie, entgegen seiner Hoffnung, weiter zerrüttet. Müller war Teil einer Vergangenheit, mit der sich die Akademie nur in strikter Abgrenzung beschäftigen wollte. Eine Anfrage des Präsidenten Friedrich Baethgen an Karl Bosl im Frühjahr 1962 verdeutlichte die Scheu, auch nur in Kontakt mit Müller zu treten. Er habe, so Baethgen, eine Bitte, die eine »etwas diskrete Behandlung« erfordere. Man benötige Informationen über das im Krieg verbrannte Mitgliederverzeichnis der Akademie, Auskunft könne wahrscheinlich nur Müller geben: »Ich kann aber bei den Differenzen, die er mit der Akademie gehabt hat und auch aus persönlichen Gründen nicht gut selber an ihn schreiben.« Ob Bosl gegenüber Müller die Frage anschneiden könne?13 Eine Wiederherstellung seines disziplinären Ranges auch in institutioneller Hinsicht wäre für Müller zu seinem anstehenden achtzigsten Geburtstag fraglos eine willkommene Genugtuung gewesen. Eben diese wollten ihm seine Schüler verschaffen, auch wenn »die Neuwahl von Müller in die Kommission 8 Vgl. Ullrich, Hitler. 9 Vgl. die amtliche Bekanntmachung im Bayerischen Staatsanzeiger Nr. 19 v. 12. 5. 1961 sowie die Verleihungsurkunde, in: BayHStA, NL von Müller 10. 10 Müller an Elmenau, 19. 4. 1961, ebd. 11 Müller an Schieder, 24. 8. 1961, BArch, NL Theodor Schieder 366. 12 Müller wurde zudem 1962 Ehrenmitglied des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, vgl. Pledl (Red.), Landesverein, S. 344; Vollhardt, Heimatpolitik, S. 298. 13 Baethgen an Bosl, 12. 3. 1962, KommBayLG, Personalakt Karl Alexander von Müller. Wenige Tage darauf fragte Bosl entsprechend an, vgl. Bosl an Müller, 20. 3. 1962, ebd.

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bisher immer gescheitert« sei. Er habe daher, so Otto zu Stolberg-Wernigerode, angeregt, auf eine Wahl zu verzichten und Müller mitzuteilen, er werde wieder in der Liste der Mitglieder geführt.14 Einer Rehabilitierung Müllers, einer gleichberechtigten Aufnahme entsprach dies nun gerade nicht, trotzdem wurde die Idee weiter verfolgt. Auch Schieder hatte seit längerem mit Heimpel und Pölnitz ein solches Vorgehen erwogen, eine »Neuwahl zu vermeiden und einfach davon auszugehen, daß K.A.v.M. niemals rechtens aus der Kommission ausgeschieden ist.«15 Zudem gehörte Müller, wie ergänzend in einem Antragsentwurf an den Präsidenten Hermann Aubin formuliert wurde, der Kommission seit Jahrzehnten als »Mitarbeiter und Mitglied an und wir glauben, daß seine früher um die Kommission erworbenen Verdienste es in jeder Hinsicht rechtfertigen, wenn er am Ende seines Lebens wieder als formelles Mitglied […] erscheint.«16 Doch musste Stolberg schließlich von der Sitzung mitteilen, dass der Antrag nicht zur Abstimmung gebracht werden konnte. Gerhard Ritter sei so ablehnend gewesen, dass seine weitere Tätigkeit in der Kommission vom Ergebnis abhänge. Müller habe nach Ritter als einziger »von der älteren Schule Verrat an der deutschen Geschichte begangen«.17 Eine Ehrung Müllers zu seinem achtzigsten Geburtstag trieb seine Schüler seit einiger Zeit um, nicht zuletzt war seit 1942 keine weitere Festschrift zustande gekommen. Eine solche regte erneut Heinz Gollwitzer an, eventuell als Sondernummer der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte.18 Auch Wolfgang Zorn und Theodor Schieder hatten etwaige Ehrungen erwogen, an Bosl gab Schieder die Überlegung weiter, »ein Symposium zu veranstalten und seine Ergebnisse dann zu veröffentlichen.«19 Müller schien auf eine Anerkennung durch seine Schüler zu hoffen. Wenig begeistert berichtete Zorn von einem »wehmütigen Brief« Müllers, dieser habe geschrieben, daß »ein Baum, der sieben Ordinarien als Früchte hervorgebracht habe, doch nicht so schlecht gewesen sein könne, wie es heute behauptet werde.«20 Schließlich, trotz gelegentlicher Zweifel, entschieden sich die Schüler dafür, den Rang ihres Lehrers zu betonen und veranstalteten sowohl das Symposium als auch eine Festschrift. Zu dieser lud Bosl als Vorsitzender der landesgeschichtlichen Kommission ein, Müller sei das »einzig überlebende Gründungsmitglied der Kommission«, man wolle ihn mit einem Sonderheft der ZBLG bedenken.21 Erscheinen allerdings würde die Festschrift erst 1964, neben den Schülern

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Stolberg an Schieder, 24. 8. 1962, BArch, NL Theodor Schieder 366. Schieder an Stolberg, 31. 8. 1962, ebd. Antrag an Präsident HiKo Aubin, 10. 9. 1962, ebd. Stolberg an Schieder, 7. 10. 1962, ebd. Gollwitzer an Karl Bosl, 10. 4. 1962, BSB, NL Karl Bosl, Ana 572, KommBayLG, Mappe 1. Schieder an Bosl, 3. 5. 1962, BArch, NL Theodor Schieder 1239. Zorn an Heinz Gollwitzer, 29. 6. 1962, BArch, NL Heinz Gollwitzer 52. Bosl an Mitglieder der KommBayLG, 26. 7. 1962, BayHStA, NL von Müller 41.

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Bosl, Zorn, Raumer und Gollwitzer trugen überwiegend bayerische Landeshistoriker bei.22 Einige Wochen vor Müllers Geburtstag kam Bosl auch auf das von Schieder angeregte Symposium zurück, zwar gebe »es immer noch Widerstände gegen den Gefeierten, aber mir scheint in der deutschen Historikerschaft mehr als in München.«23 Müller selbst, so gab sein Sohn Auskunft, sagte nach »einigen Bedenken« zu, als Thema schlug er »Der Umbruch des Geschichtsbildes seit 1914« sowie als Teilnehmer vor allem seine Schüler mit historischen Lehrstühlen vor.24 Der zugleich ehrende wie dezidiert wissenschaftliche Auftritt reizte Müller offenbar. Eine in den vergangenen Jahren seltene Möglichkeit, sich selbst als Fachhistoriker wie auch als erfolgreichen akademischen Lehrer zu präsentieren, zumal im Münchner Amerikahaus an prominentem Ort.25 Am 21. Dezember, einen Tag nach seinem achtzigsten Geburtstag, eröffnete Müller das zu seinen Ehren veranstaltete Symposium mit einigen einleitenden Bemerkungen. Auch prägende Themen seiner frühen Publizistik wurden zumindest angerissen, so hätten die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges ihn erkennen lassen, dass »keine weitere nationale Entwicklung mehr möglich sei ohne eine neue Lösung der sozialen Frage«, die folgende Inflation ließ ihn »die Unentrinnbarkeit der sozialistischen (ich sage nicht: marxistischen) Welt« einsehen.26 Als weitere Redner nach Müller traten Schieder, Wagner, Bosl und Wolfgang Zorn auf.27 Letzterer allerdings, so teilte er Heinz Gollwitzer mit, empfand die »Müller-Sache […] als etwas peinlich. Im Publikum, das den Saal etwa füllte, fehlten betont alle ›Schnabel-Anhänger‹ sowie Spindler.« Müller habe durchaus »sehr geschickt« eingeleitet, allerdings sei »nach meiner eigenen Erinnerung der Nationalsozialismus im Sozialismus-Seminar als die ideale Endlösung bezeichnet worden […]. All das wurde mit einer Beflissenheit kaschiert, die irgendwie unwürdig war.«28 Trotzdem bot auch dieser Geburtstag für Müllers Schüler Gelegenheit, sich der eigenen wissenschaftlichen Herkunft zu versichern, die in den 1950er Jahren einsetzenden Wandlungsprozesse der geschichtswissenschaftlichen Inhalte und Methoden mittels persönlicher Verbundenheit zu »heilen«. Fritz Wagner wählte eine öffentliche Bühne und verfasste für den bayerischen Rundfunk eine halbstündige Würdigung Müllers, zur besten Sendezeit am 22 Die Festschrift erschien als Band 27 der ZBLG unter dem Titel »Land und Volk, Herrschaft und Staat in der Geschichte und Geschichtsforschung Bayerns«. 23 Bosl an Schieder, 27. 10. 1962, BArch, NL Theodor Schieder 366. 24 Otto v. Müller an Sandberger (KommBayLG), 20. 11. 1962, KommBayLG, K.A.v. Müller, Akte zum Geburtstag 1962 und zur Festschrift 1964. 25 Offenbar bewusst ausgewählt: »Daß wir im Amerikahaus zelebrierten, nahm allen bösen Gemütern ein wenig den Atem zum Geifern.« Vgl. Bosl an Müller, 28. 12. 1962, BayHStA, NL von Müller 44. Vgl. auch: R. Kreis, Amerikahäuser. 26 Vgl. Referat Müller auf Symposium zum 80. Geburtstag, BSB, NL Karl Bosl, Ana 572, B.II.1. Müller, Karl Alexander von. 27 Vgl. den Bericht der SZ: Münchner kritisches Register. Ein Professor und seine Schüler. 28 Zorn an Gollwitzer, 8. 1. 1963, BArch, NL Heinz Gollwitzer 52 (Unterstreichung im Original).

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Sonntagnachmittag verbreitet und selbstredend dem Anlass entsprechend vor allem lobend. In einem Beitrag dieser Länge waren jedoch weniger zu preisende Passagen der Biographie Müllers nicht gänzlich zu übergehen. Gegenüber der »nationalen Bewegung« sei Müllers »adeliger Sinn […] der raffiniert getarnten Lüge nicht gewachsen« gewesen, über die »Grenzen, die er im einzelnen zog, mag man streiten und hat man gestritten«.29 Vor allem aber Karl Bosls persönlicher Geburtstagsgruß an Müller zeigte unverkennbar, welchen Rang in dieser Verbindung die eigene Perspektive, die eigene Anbindung an historiographische Traditionen einnahm: »Der Name K.A.v. Müller lebt vor allem im Gedächtnis vieler, die heute der deutschen Jugend in Bayern Geschichte lehren. Ich bin dankbar für alles, was Sie uns gegeben haben, für alle Hilfen, die mir den Start ebneten. Sie leben in Ihren Schülern weiter, mehr noch aber durch Ihr eigenes, höchst individuelles Werk.«30 Auch wenn, so Heinz Gollwitzer, »heute noch über Ihrem Leben manche Schatten der Mißgunst, des Mißverstehens und des Nichtverstehenwollens liegen, so werden Sie es doch tröstlich und versöhnend empfinden, daß Ihre Schüler, darunter immerhin eine beträchtliche Anzahl von Hochschullehrern, zu Ihnen stehen und ein lichteres Bild Ihres Wirkens und Ihrer Persönlichkeit bewahren.«31 Im gegenseitigen Versichern von Verbundenheit und Rang fanden Müller und seine Schüler zu einer Gemeinsamkeit, die wissenschaftlich längst verloren war. Vollkommen unbeschwert agieren konnte Müller allerdings nicht. Seinen Dank an Theodor Schieder verband er zwar, da sein Schüler als Kandidat für einen Lehrstuhl gehandelt wurde, mit dem Angebot, »in der Münchner Universitätsfrage etwas« zu tun. Vielleicht, zählte Müller seine Einflussmöglichkeiten auf, ein »Wort bei Elmenau«, der eine Zeitlang sein Schüler gewesen sei, auch habe ihm der Minister mit einem langen Schreiben gratuliert und die Frau des Ministerpräsidenten Hans Ehard bei ihm promoviert. Doch zugleich musste Müller einschränken, bislang habe er sich zurückgehalten, um »keine Gegenwirkungen hervorzurufen, denen ich von hier aus schwer begegnen kann.«32 Auch auf den Glückwunsch Hermann Aubins als Präsident der Historischen Kommission reagierte Müller erfreut, wollte aber auf eine Einschränkung nicht verzichten – in seinen Dank seien »einige Tropfen Bitterkeit gemischt«.33 Selbst zu seinem achtzigsten Geburtstag blieb die unvollständige Rückkehr präsent, der Verbitterung über die

Vgl. »Karl Alexander von Müller zum 80. Geburtstag«, 16. 12. 1962, BR, HF/10105. Bosl an Müller, 28. 12. 1962, BayHStA, NL von Müller 44. Gollwitzer an Müller, 8. 12. 1962, ebd. Müller an Schieder, 10. 1. 1963, BArch, NLTheodor Schieder 366. Schieder widmete Müller, da er zur Festschrift keinen Beitrag liefern konnte, einen Aufsatz in der HZ, vgl. Schieder, Entstehung. Müller dankte »auch für die Ehre, mich wieder in der Historischen Zeitschrift erscheinen zu lassen!« Vgl. Müller an Schieder, 6. 6. 1964, BArch, NL Theodor Schieder 366. 33 Aubin an Müller, 11. 12. 1962; Müller an Aubin, 8. 2. 1963, BayHStA, NL von Müller 44. 29 30 31 32

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ausbleibende Rehabilitierung in der Geschichtswissenschaft konnte auch öffentliche Wertschätzung nicht abhelfen.34 Nur wenige Wochen darauf, im Februar 1963, erarbeitete das bayerische Kultusministerium eine Darstellung der Karriere Müllers im Nationalsozialismus. Anlass waren die Versuche Ulrich Crämers, Ende der 1930er Jahre Nachfolger Müllers auf dem zweiten neuzeitlichen historischen Lehrstuhl an der Münchner Universität, gerichtlich seine Rückkehr in den Hochschulbetrieb zu erzwingen. Müller hatte seinerzeit das für Crämers Berufung entscheidende Gutachten verfasst.35 Im Hinblick auf eine zu erwartende, gegebenenfalls pro Crämer ausfallende Zeugenaussage fasste das Ministerium für die Staatsanwaltschaft über Müller zusammen: »Nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus stellte er sich der Partei zur Verfügung. Sein Entschluß wurde von der Partei außerordentlich begrüßt, zumal sich Professor von Müller durch sein Verhalten im sog. Hitler-Prozeß 1924 – er sagte als einziger bayerischer Beamter für Hitler aus – das Vertrauen der Partei erworben hatte. Hinsichtlich seiner Person wurde die damals (1933) bestehende Aufnahmesperre in die Partei außer Kraft gesetzt. Im Parteileben nahm er sofort eine prominente Stellung ein und avancierte bald zum Historiker des 3. Reichs.« Auch wenn zu Gunsten Müllers angenommen werden dürfe, dass er »in diese Position mehr geschoben und gedrängt wurde, so hat er sich doch als führender Historiker der Universität München und als Präsident der Bayer. Akademie der Wissenschaften […] zum Wortführer der ihm von den verschiedensten nationalsozialistischen Stellen aufgetragenen Wünsche gemacht.« Der gesamte Passus wurde zwar von Müllers früherem Schüler Johannes von Elmenau gestrichen, versandt wurde eine sehr viel weniger präzise Darstellung. An Kenntnissen über Müllers Karriere jedoch bestand offenkundig kein Mangel.36 Seit 1945 hatte es Müller an Unterstützern wie in diesem Falle Elmenau nicht gefehlt, sein Engagement für den Nationalsozialismus jedoch begleitete ihn bis in seine letzten Lebensjahre. Ab dem Frühjahr 1963 ging die zuletzt ausschließlich regionalgeschichtliche und heimatkundliche Veröffentlichungstätigkeit merklich zurück, auch die intensiv gepflegte Korrespondenz ruhte weitgehend. Nach längerer Alterskrankheit verstarb Karl Alexander von Müller am 13. Dezember 1964. Sein besonderer Rang als öffentlicher Historiker fand einen letzten Ausdruck in der Meldung seines Todes in allen größeren Tageszeitungen – »Die große alte Generation der deutschen Historiker geht dahin, wie immer Generationen dahinschwinden.«37

34 Vgl. die Geburtstagsartikel in der SZ (Lachner, Müller), der FAZ (Historisches Leben) sowie im Münchner Merkur (i.k., Müller). 35 Vgl. Jedlitschka, Crämer, S. 292 – 330, zu Müller v. a. 323 f, 343 – 348. 36 KM an Staatsanwaltschaft beim Bayer. Verwaltungsgericht, 19. 2. 1963 (Entwurf mit Streichungen sowie versandte Fassung), BayHStA, MK 68932. 37 Vgl. das Zitat in der »Welt«: K.A.v. Müller, S. 7 sowie FAZ (K.A. von Müller. Zum Tode des Historikers) und SZ (Go, Der Historiker als Erzähler. Zum Tode von K.A. von Müller).

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8.2 Fazit – Karl Alexander von Müller und die deutsche Geschichtswissenschaft Im August 1967 beantwortete Hermann Heimpel eine Anfrage Hans Wolfram von Hentigs, der für seine Darstellung Müllers in der NDB recherchierte. Eine Auskunft falle ihm schwer, »eigentlich deswegen, weil ich zuviel über Müller weiß (dies nicht im negativen Sinne gemeint).« Müller hatte, so Heimpel, ein »sehr reichhaltiges Wörterbuch, in welchem nur das Wort nein fehlte. Er war ein weicher Mann, der sich mit harten Dingen einließ. Dabei von einem heute gar nicht mehr wiederzugebenden Zauber der Persönlichkeit.«38 Das Bild Müllers und seiner Rolle in der deutschen Geschichtswissenschaft sollte lange geprägt bleiben von solchen, in den ersten Jahren nach seinem Tod gewonnenen Wertungen seiner Zeitgenossen. Bereits unmittelbar nach Müllers Tod hatten seine Schüler begonnen, sich mit dem Leben ihres akademischen Lehrers auseinanderzusetzen. Den Nachruf des Bayerischen Rundfunks verfasste wiederum Fritz Wagner, Müller habe »in so manche sonstige Aufgabe, die er im Lauf der Zeit übernahm, jederzeit eine Zuversicht auf echten menschlichen Gehalt mit eingebracht, die ihn an den Rand der politischen Verwirrung führen konnte.« Jedoch, seine »Schüler und alle, die ihn näher kennen lernen durften, halten fest, dass er überall den Adel seines Herzens in die Waagschale legte«.39 Die Herausforderung, die ein Nachruf auf Müller darstellen würde, war nur wenige Tage nach seinem Tod bereits zu erahnen. Auf dem Begräbnis ergriffen neben dem Rektor der Münchner Universität40 die Schüler Theodor Schieder und Karl Bosl das Wort. Letzterem dankte Müllers Sohn vor allem dafür, dass er »als einziger Redner beim Rückblick auf das Wirken meines Vaters auch die Präsidentschaft der Bayerischen Akademie der Wissenschaften erwähnt« habe. Sein Vater habe dieses Amt »in schwerer Zeit ausgeübt und sich keine Selbstprüfung erspart; er hat es solange ausgeübt, als er glaubte, mit seiner Person eine völlige Durchdringung der Akademie mit Parteielementen verhindern zu können. Gerade aus diesem Grund hat es ihn in den letzten Jahren bitter belastet, daß von der Akademie aus auch nach Jahr und Tag keinerlei Schritt unternommen wurde, das Verhältnis wieder zu ordnen.«41 Auch sein Tod hatte die Gräben, die Müllers Jahre seit 1945 geprägt hatten, nicht schließen können. Wenige Wochen darauf wandte sich der Studienfreund Fridolin Solleder direkt an die Akademie: »Herr v. Müller war immer die 38 Heimpel an Hentig, 1. 8. 1967, IfZ, Hans Wolfram von Hentig, F 173 Band 1. 39 Die Moderation führte aus: »Professor von Müller, der sich 1933 mit der neuen Macht identifizierte, zog 1945 die Konsequenz daraus und hielt keine Vorlesungen mehr.« Vgl. »Der Kulturspiegel«, 16. 12. 1964, BR, HF/5179, Manuskript Wagners einliegend. 40 Grabrede der Universität; Dank Otto v. Müllers an Rektor, 18. 12. 1964, UAM, E-II-2517. 41 Otto v. Müller an Bosl, 18. 12. 1964, BSB, NL Karl Bosl, Ana 572, B.II.1. Müller, Otto A.v.

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vermittelnde, wohlwollende, ideenspendende Persönlichkeit, welche alle Härten ausgleichen half.«42 Eine Einschätzung Müllers, die die Akademie nicht teilen konnte. Die Schüler versuchten in den folgenden Jahren, wie bereits zu Lebzeiten Müllers, zwischen persönlicher Verbundenheit und zugleich eingenommener kritischerer Perspektive, ein konsistentes Bild ihres Lehrers zu finden. Gegenüber Heinz Gollwitzer verband Schieder diese Abwägung mit eigener Reflexion, er habe »in Müller immer so etwas wie die Tragödie der nationalen Intelligenz in Deutschland gesehen, die sich selbst um ihre geschichtliche Bedeutung gebracht hat. Das sage ich nicht, ohne vieles einzuschliessen, was mir selbst in meiner Jugend wert und teuer gewesen ist.« Wer, so Schieder, habe »den furchtbaren Abgrund, der sich mit Auschwitz auftat, in dieser Klarheit sehen können?«43 Sprach Schieder noch über Müller oder bereits über sich selbst? Ebenso wenige Tage später, nun an Kurt von Raumer. Die Beerdigung, so Schieder, sei ergreifend gewesen, doch war »auch der späte Müller gegenwärtig, der […] von furchtbaren Depressionen heimgesucht wurde. Es kostet fast unmenschliche Kraft, in diesem Jahrhundert fest auf den Füssen zu stehen, wo alles wankt. Und dann wird […] von moralischem Versagen gesprochen. Ich hoffe, denen, die dies sagen, mögen ähnliche Prüfungen erspart bleiben.«44 Es waren eben nicht nur die heiklen Passagen der Biographie Müllers, die einer öffentlichen Auseinandersetzung mit seiner Karriere im Wege standen. In der Erinnerung an den Lehrer diskutierten seine Schüler zugleich ihre eigene Entwicklung, in der nachsichtigen Darstellung der »Verfehlungen« Müllers erteilten sie auch den eigenen Biographien Absolution. Zusätzlich wurde diese frühe Beschäftigung mit der Laufbahn Müllers von der beginnenden Auseinandersetzung der deutschen Universitäten mit ihrer NS-Vergangenheit beeinflusst. Im Rahmen der Tübinger Ringvorlesung »Deutsches Geistesleben und Nationalsozialismus« hatte Hans Rothfels den Vortrag zur Geschichtswissenschaft gehalten.45 Nicht nur in der Formulierung der »wildgewordene(n) Studienräte oder Außenseiter« zeichnete der Remigrant Rothfels ein die universitäre Geschichtswissenschaft weitgehend entlastendes Bild. Von »außen her kam« der »stärkste Einbruch in die Zunft«, von Müllers Schüler Walter Frank, doch auch diesem gestand Rothfels »ein echtes Bedürfnis nach Überwindung der Kluft zwischen Geist und Macht, zwischen der Bildungsschicht und den breiteren Volksmassen« zu.46 Im ursprünglichen Manuskript war noch eine Passage zu Müller enthalten, dieser habe – wenn auch »von Haus aus mehr künstlerisch als politisch orientiert« – die Leitung 42 43 44 45 46

Solleder an Präsident BAdW, 19. 1. 1965, BAdW, Personalakt Karl Alexander von Müller. Schieder an Gollwitzer, 26. 12. 1964, BArch, NL Heinz Gollwitzer 46. Schieder an Raumer, 31. 12. 1964, BArch, NL Theodor Schieder 1250. Rückblickend vgl. Flitner, Tübinger Vortragsreihe. Rothfels, Geschichtswissenschaft, S. 99 f.

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des Reichsinstituts für die Geschichte des neuen Deutschlands übernommen. Hier intervenierte Theodor Schieder, dem Rothfels den Vortrag gesandt hatte. Müller habe den Vorsitz des Reichsinstituts nicht innegehabt, sondern sei neben anderen Mitglied des Sachverständigenbeirats und »Ehrenmitglied« des Instituts gewesen: »Ich bin dem Andenken Müllers schuldig, dies ausdrücklich zu sagen.«47 Rothfels folgte dem Hinweis für die Druckfassung. Ein halbes Jahr darauf wandte sich Schieder erneut wegen seines Lehrers an Rothfels, nun galt seine Aufmerksamkeit der kurz vor Vollendung stehenden Untersuchung Helmut Heibers zum Reichsinstitut.48 Insgesamt hatte Müller bislang, angesichts seines tatsächlichen Einflusses in der Geschichtswissenschaft im NS-Staat, günstige Bewertungen erhalten. Doch das Thema stand nun fraglos auf der Agenda, mit der aufziehenden Studentenbewegung sollte die Rolle der Eltern- und Großelterngeneration im Nationalsozialismus zusätzlich in den Mittelpunkt allgemeiner Aufmerksamkeit rücken.49 Auch der erste ausführliche Nachruf auf Müller, zuvor war ein kürzerer in den »Südost-Forschungen« erschienen50, konnte diesen Teil seiner Biographie nicht ignorieren. In der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte widmete sich Karl Bosl dem Lebenslauf seines Lehrers, konzentriert auf dessen bayerisches Wirken. In der ausführlichen Aufzählung der akademischen und institutionellen Meriten traten die Ämter Müllers im Nationalsozialismus perspektivisch in den Hintergrund: »In gerechter Würdigung aller Vorwürfe, die vor allem gegen die Nachgiebigkeit des Toten erhoben wurden, kann man nicht sagen, daß er je ›Nationalsozialist‹ war«. Nun war dies, gleich anderen Ausführungen Bosls zu Müllers vorgeblich in keiner Weise nationalsozialistischen Anschauungen, nicht zutreffend. Doch konnte im Gegensatz zu früheren Beiträgen das Thema auch nicht mehr schlicht ausgespart werden. Seinen Nachruf beschloss Bosl mit einer Beschwörung historiographischer Kontinuität: »In seinem Werk wird K.A.v. Müller weiterleben. Alles Erbe aber bleibt lebendig, wenn es weiterführt und anregt zu neuer schöpferischer Tat, die die Generationen darnach setzen.«51 Bosl verdeutlichte, welche Art wissenschaftshistorischer Traditionsbildung von anhaltender Bedeutung sei, die Rezeption und Fortführung eines wissenschaftlichen Werkes. Wohl unbeabsichtigt hatte er somit zugleich die Grenzen des »Fortlebens« Müllers präzise 47 Schieder an Rothfels, 16. 2. 1965; Manuskript Rothfels, BArch, NL Theodor Schieder 111. 48 Es handele sich um Heibers Vorwurf, Müller habe »nichts gegen das Schicksal von Cossmann unternommen. Hier habe ich etwas ganz anderes in Erinnerung, kann es leider nicht selbst verifizieren und habe deshalb noch einmal an einen Dritten geschrieben«. Vgl. Schieder an Rothfels, 10. 8. 1965, ebd. 49 Vgl. auch Müllers Erwähnung 1966 bei Abendroth, Unpolitische, S. 203. 50 Bernath, Karl Alexander von Müller 1882 – 1964. Zum »Genre« Nachruf vgl. Nagel, Nachrufe; F. W. Graf, Polymorphes Gedächtnis. 51 Bosl, Karl Alexander von Müller. In Memoriam, S. 924, 928. Auch in einer im folgenden Jahr erschienenen Aufsatzsammlung Spindlers erfuhr Müller als bayerischer Historiker mehrfach Erwähnung, vgl. Spindler, Erbe, zu Müller u. a. S. 51, 117, 156, 161 f, 168 f, 319.

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umrissen. In Gesten privater Sentimentalität blieben seine Schüler Müller verbunden, die Ablösung von seinem wissenschaftlichen Werk jedoch war längst vollzogen. Als Historiker hatte Müller wesentlich durch seine Persönlichkeit gewirkt, hingegen nur selten durch sein historiographisches Werk – Müller konnte deshalb nur sentimental, als Mensch, aber kaum noch als Historiker erinnert werden. Weitaus schwieriger gestaltete sich die Anzeige seines Ablebens in der Historischen Zeitschrift. Als früherer Herausgeber war Müller ohnehin nicht zu übergehen, zudem leitete mit Theodor Schieder seit einigen Jahren einer seiner Schüler die Zeitschrift. Offenbar hatte Schieder für den Nachruf Hermann Heimpel gewinnen können, im Herbst 1965 gestand dieser jedoch ernsthafte Schwierigkeiten ein. Er »lese und lese wieder«, so Heimpel, die »beiden Erinnerungsbücher, die dadurch freilich nicht besser« würden. Sein Bemühen suchte er mit einer Entwurfsprobe zu dokumentieren, die jedoch weniger einem Nachruf als einer Anklage glich. Zwar kenne niemand »die einsamen Jahre« Müllers, niemand dürfe »ihm die Vermutung versagen, daß er sich wieder und wieder ins Gebet genommen hat, mit sich ins Gericht gegangen ist«. Doch, in »allem Fragen, Verstehenwollen, Nachgrübeln, bei dem ängstlichen Sichhüten vor der Pharisäerrolle hält sich doch ein ›Unbegreiflich‹. Diese feine Mann Ehrenmitglied der Bande des groben Walter Frank, der Empfindsame vor dem Karren der Brutalen […]. Aber er entzog sich nicht, wahrlich nicht, sondern ließ sich hinstellen.« Und, fast mit Abscheu, wie »primitiv ist jener Münchner Mars von 1914 mit seinen Rot-KreuzPrinzessinnen und den professoral-patriotischen Krankenpflegern.«52 Ein halbes Jahr darauf warf Heimpel das Handtuch, er »komme mit dem Mann und demgemäß mit der Aufgabe einfach nicht zurande. Manches ist so verklungen, daß es die heutigen Leser zum Teil nicht mehr berührt.« Als er gelesen habe, dass Müller auch den Aufruf Kahrs von 1923 verfasste habe, »wußte ich mir gegenüber so viel verwandlungsfähiger Ästhetik einfach keinen Rat mehr.« Heimpel riet zur offensichtlichen Lösung, als Schüler Müllers und zugleich Herausgeber der HZ solle doch Schieder einen »mehr oder weniger routinemäßigen Nachruf« verfassen.53 Doch Schieder wusste, und Heimpels Scheitern bestätigte ihn geradezu, weshalb er dieser naheliegenden Variante auswich. Kurzum, Schieder wandte sich an Heinz Gollwitzer, berichtete auch von den missglückten Versuchen Heimpels und bot die Übernahme des Nachrufs an. Er nehme bei Gollwitzers »Haltung zu Müller« an, daß dieser nichts verschweigen wolle, aber einem »doch im ganzen ungewöhnlichen Repräsentanten unserer Wissenschaft gegenüber volle Gerechtigkeit zuteil werden« lasse. Selber wolle Schieder es nicht übernehmen, da sein persönliches Verhältnis zu Müller zu bekannt sei.54 52 Heimpel an Schieder, 16. 9. 1965, BArch, NL Theodor Schieder 241. 53 Heimpel an Schieder, 9. 2. 1966, ebd. 54 Schieder an Gollwitzer, 17. 2. 1966, BArch, NL Heinz Gollwitzer 46.

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Gollwitzer empfand die »Aufgabe« als »ungewöhnlich heikel«, wollte sich aber versuchen.55 Bald ein Jahr benötigte er für die Abfassung des Nachrufes, mit welchem er sich »unvermeidlich zwischen zwei Stühle« setzen werde. Einige »werden mir Taktlosigkeit gegenüber meinem Doktorvater vorwerfen, eine andere, größere und böswilligere Gruppe wird mir verdeckte ›profaschistische‹ Stimmungsmache unterstellen. Ich war mir darüber von Anfang an im klaren und mache mich auf einiges gefaßt.«56 Tatsächlich würde Gollwitzer wegen seines Nachrufes auf Müller heftig öffentlich attackiert werden, seine akademische Karriere sollte von diesen Angriffen gezeichnet bleiben.57 In seiner Ausführlichkeit ist der fast dreißig Seiten umfassende Nachruf nicht zu referieren, vor allem in der längeren Darstellung aller Aspekte der Laufbahn Müllers außerhalb der NS-Zeit lag jedoch eine wesentliche, bereits wertende Gewichtung. Auch Gollwitzer umging diese »heikle« Passage nicht, bezeichnete Müller als bis 1933 parteipolitisch nicht gebunden, zugleich habe er sich aber als »wohlwollender Mentor vieler junger Nationalsozialisten bei diesen einen so hervorragenden Ruf erworben, daß er beinahe als einer der ihren angesehen wurde.« Auch Müllers frühe Kontakte zur NS-Bewegung sparte Gollwitzer nicht aus, die Hinwendung ab 1933 sah er als Bestreben, die »geschichtliche Stunde zu erkennen und nicht zu versäumen«. Es waren weniger die verständnisvollen Wertungen als die Auslassungen Gollwitzers, die dem Bild zur Unschärfe verhalfen. So benannte er zwar den Rang Müllers als Abteilungsleiter im Reichsinstitut, aber den Gegenstand dieser Abteilung – der »Forschungsabteilung Judenfrage« – verschwieg er.58 Schieder aber zeigte sich erleichtert. Dass Gollwitzer »sich damit zwischen zwei Stühle setzen« werde, sei »nur ein Beweis dafür, daß Sie in der Sache recht haben.« Es gehöre zu diesem Nachruf, so Schieder, ein »beachtliches Maß von Zivilcourage«.59 Die Bindung Gollwitzers an Müller hatte dessen Tod überdauert, nach der Veröffentlichung des Nachrufes berichtete er an Kurt von Raumer : »Wegen meines Müller-Nachrufes werde ich mittlerweile als ›Neonazist‹ verfolgt […]. Ich sehe den Dingen mit Ruhe entgegen; daß der Aufsatz derartige Reaktionen auslösen würde, habe ich erwartet.«60 Müller hatte zu den einflussreichsten deutschen Historikern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gezählt. Trotzdem gelang es der deutschen Geschichtswissenschaft nach seinem Tod nicht, seine Rolle hinreichend zu erfassen, zumal mit dem Erscheinen des dritten Erinnerungsbandes 1966 sich wiederum Müller selbst als erfolgreichster Interpret seiner eigenen Biographie erwies.61 Wer war Müller in der deutschen Geschichtswissenschaft zwischen 55 56 57 58 59 60 61

Gollwitzer an Schieder, 22. 2. 1966, BArch, NL Theodor Schieder 240. Gollwitzer an Schieder, 10. 1. 1967, ebd. H. Kraus, Gollwitzer, hier S. 299. Gollwitzer, Karl Alexander von Müller 1882 – 1964. Ein Nachruf, Zitate S. 307 f. Schieder an Gollwitzer, 18. 1. 1967, BArch, NL Theodor Schieder 240. Gollwitzer an Raumer, 19. 3. 1968, BArch, NL Heinz Gollwitzer 43. Wie ausgeführt war das Abbrechen 1932 von Müller zumindest ursprünglich nicht intendiert. Es

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spätem Kaiserreich und Bundesrepublik? Nicht nur die Zeitgenossen Müllers taten sich mit einem passenden Etikett schwer. Bis in die jüngere Zeit reproduzierten die Zuschreibungen oftmals die vom Beschriebenen selbst bevorzugte Sichtweise seines Wirkens – Müller als der »überall und stets auf Harmonie und Ausgleich bedachte Mann.«62 Als Nachwuchshistoriker hatte Müller bis zum Ersten Weltkrieg einen durchaus üblichen Karrierebeginn vollzogen, mit einer politikgeschichtlichen Dissertation, vielfacher Anerkennung durch arrivierte Ordinarien und einer ersten Anstellung als Akteneditor bei der Münchner Historischen Kommission. Die nationale Emphase, das vermeintliche Gemeinschaftserlebnis des »August 1914« wurde für Müller zum Wendepunkt, die Historiographie trat hinter die politische Publizistik zurück. Auf das Zerbrechen dieser vielfach beschworenen »Einheit« in der Kriegszieldebatte reagierte Müller mit einer Radikalisierung seiner politischen Ansichten. Diese sollten geprägt bleiben von der als traumatisch empfundenen Erfahrung der »Zersplitterung«. Sein publizistischer Kampf endete jedoch nicht mit dem Krieg, in der Republik und dem Versailler Vertrag fanden sich neue Feinde. Müllers weitere publizistische Karriere verlief parallel zu den Krisenschüben der Weimarer Demokratie. Zugleich hatte sich Müller den Ruf eines hervorragenden Stilisten erworben und zudem institutionell engagiert, begann als Syndikus der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Mitglied ihrer Historischen Kommission eine institutionell einflussreiche Laufbahn. Jedoch musste er erkennen, dass seine profilierte Rolle als politischer Publizist, aber auch die Vernachlässigung seines historiographischen Werkes, die Erlangung einer ordentlichen Professur deutlich erschwerten. Nach mehreren, aus vielfältigen Gründen gescheiterten Berufungen wurde Müller erst 1928 auf den Münchner Lehrstuhl für bayerische Landesgeschichte berufen. Zuvor hatte er mit Sammelbänden wie durch monographische Studien zu Karl Sand und Joseph von Görres den Makel mangelnder Produktivität zumindest als Darsteller ausgeglichen. Müller wurde nun zum prononcierten Historiker Bayerns, vertrat dessen föderale Interessen sowohl politisch als auch wissenschaftlich. In beiderlei Hinsicht war im Laufe der 1920er Jahre für Müller an die Stelle von Staat und Nation zunehmend Volk und Volkstum gerückt, wenn auch seine diesbezüglichen Vorstellungen vage blieben. Allerdings verhalf ihm diese Entwicklung zur Beteiligung an neuen, im Laufe der Weimarer Republik an Einfluss gewinnenden Forschungsrichtungen wie der Volksgeschichte. Die erneute Krise der Weimarer Republik um 1930 erschütterte diese erste muss selbstredend offen bleiben, ob Müller zu einer Darstellung seiner Rolle ab 1933 bereit bzw. fähig gewesen wäre. Im dritten Band verblieb es bei der Formulierung, er sei »eine Beute des Nationalsozialismus« geworden, vgl. Müller, Wandel (1966), S. 316. Zum Nationalsozialismus in den Autobiographien deutscher Historiker vgl. zudem N. Berg, Gedächtnis, hier S. 202. 62 Heiber, Universität, S. 444.

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Ankunft Müllers, keineswegs aber war er zum Jahreswechsel 1932/33 in dem weithin kolportierten Maße auf den Nationalsozialismus festgelegt. Im Gegenteil, mit der Machtergreifung sah er sich gezwungen, rasch wesentliche Aspekte seiner bisherigen Biographie, seine föderalen, monarchischen und katholischen Bindungen zumindest teilweise zu kappen. Diese dezidierte Entscheidung für den Nationalsozialismus aber bescherte Müller eine Karriere als einflussreichster Historiker im NS-Staat. Zwischen 1935 und 1942 erlebte seine Laufbahn fraglos ihren Höhepunkt. Die als Ausgangspunkt des Niedergangs empfundene politische Spaltung der deutschen Geschichtswissenschaft im Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik suchte Müller nun zu revidieren, orientiert am politischen Vorbild der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« setzte er sich für eine historiographische Gemeinschaft möglichst breiter Kreise der Disziplin ein.63 Den vom NS-Staat eingeforderten Ausschluss jüdischer und politisch missliebiger Historiker vollzog Müller hierfür klaglos. Weder der langjährigste noch der überzeugteste Nationalsozialist in der deutschen Geschichtswissenschaft, wurde Müller für den NSStaat zum wichtigsten Historiker, weil er auch sein vor 1933 erworbenes Ansehen in die Waagschale für den Nationalsozialismus legen konnte. Der Mann, der vermeintlich nicht nein sagen konnte, hatte laut und deutlich ja gesagt, ja zum Nationalsozialismus. Erst mit dem ausbleibenden Kriegserfolg begann Müller einen langsamen, resignativen Rückzug, auf den 1945 ein vollständiger Zusammenbruch mitsamt dem Verlust aller Ämter folgen sollte. Seine beiden letzten Lebensjahrzehnte waren einer möglichst günstigen Interpretation seiner bisherigen Biographie gewidmet. Während Müller vor allem durch seine Erinnerungen als populärer Autor in der frühen Bundesrepublik reüssieren konnte, blieb seine institutionelle Rehabilitierung unvollständig. Jedoch war sein fortgesetzter »Ausschluss« weniger einer allgemein kritischen Perspektive seiner früheren Kollegen auf die nationalsozialistische Vergangenheit als vielmehr weit überwiegend dem erneut hohen symbolischen Gehalt der Person Müllers geschuldet. Die Basis für Müllers Karriere waren seine schriftstellerischen Fähigkeiten, die ihm vielfaches Lob aus der Disziplin sicherten wie ihn zugleich von diesem Zuspruch unabhängig stellten. Als »Meister der […] ästhetischen Erzählung und blendender Stilist«64 konnte Müller, die Belege sind vielfach aufgeführt worden, seinem Werk in einer allgemein als bedeutend anerkannten Hinsicht Aufmerksamkeit sichern.65 In einer Geschichtswissenschaft, die in der »Ver63 Zudem korrespondierten die abstrakten Gemeinschaftsvorstellungen Müllers mit Ansichten, die auch konkurrierenden Historikern wie beispielsweise Gerhard Ritter keineswegs fremd waren, ihre Anschlussfähigkeit war Voraussetzung für Müllers Erfolg als »Bindeglied« im NSStaat. Entsprechend zu Ritter vgl. Cornelißen, Einsatz für die »wahre Volksgemeinschaft«. 64 W. Becker, Einbruch, S. 521. 65 Deshalb stellt Schelling die Karriere Müllers auf den Kopf, wenn er meint, Müller habe es »seiner Sprachbegabung […] zu verdanken, wenn manche Kollegen aus der historischen Zunft auch seine wenigen wissenschaftlichen Werke zur bloßen Literatur erklärten.« (Vgl. Schelling, Müller,

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einigung von Kunst und Wissenschaft« ein »Lebenselement der Geschichtsschreibung« ansah66, verfügte Müller über eine unschätzbare Ressource. Nicht zuletzt in dieser Hinsicht begrenzte der wissenschaftliche Wandel in der frühen Bundesrepublik die Rückkehrmöglichkeiten Müllers. Dass »der Geschichtsschreiber im Geschichtsforscher noch wichtigste Funktion, ein echtes Amt und eine großartige Aufgabe« habe67, verlor zunehmend an Relevanz. Gleichsam grundiert wurde dieser Aspekt seines Wirkens durch Müllers intensives, seine Laufbahn von Beginn an prägendes institutionelles Engagement. Müller gewann, auch bereits vor dem Erfolg im Nationalsozialismus, durch »die Wahrnehmung von Funktionen im Wissenschaftsbetrieb zunehmend an Einfluß«.68 In einem seiner letzten, die eigene wissenschaftliche Position erläuternden Schreiben verknüpfte Müller beide Aspekte unmittelbar : »Aber das Bestreben wenigstens, der Wissenschaft […] in organisatorischer wie in schriftstellerischer Tätigkeit nach meinen besten Kräften zu dienen hat mich mein ganzes Leben lang immer erfüllt«.69 Zuallererst aber war Müller der Historiker für den Nationalsozialismus. Diese prägende Rolle seiner Karriere jedoch stellte seine Biographen vor Herausforderungen. Müller sei, erinnerte sich eine frühere Hörerin, sicher Parteigenosse gewesen, jedoch »nie aufdringlich in seinen Interpretationen.«70 Dem herkömmlichen Bild eines Nationalsozialisten, eines nationalsozialistischen Historikers entsprach Müller nicht. Dies beförderte zunächst seine zeitgenössische Wirkmächtigkeit wie anschließend die retrospektive Verunsicherung über eine zutreffende Bezeichnung. In einer Vielzahl von Zuschreibungen bildete sich dieses Spannungsverhältnis ab. Müller war das »Aushängeschild des Regimes«71, ein »Paradehistoriker der älteren Generation«72, ein Mann, der »der Partei breiten Raum gab, aber kein fanatischer Gefolgsmann war.«73 In zahlreichen Abstufungen fand seine Stellung zum Nationalsozialismus Ausdruck. Hatte Müller ohne »im Innersten Nationalsozialist zu sein, […] durch seine Haltung zweifellos zum Ansehen des Systems« beigetragen?74 Blieb über seine »innere Zugehörigkeit zum National-

66 67 68 69 70 71 72 73 74

S. 79). Im Gegenteil, Müllers auch zeitgenössisch nur bedingt als wissenschaftlich wahrgenommenen Werke erfuhren mit der Anerkennung seiner Darstellungsfähigkeit eine fachliche Aufwertung, die ihrer Quellenbasis und analytischen Tiefe nicht zukam. A.O. Meyer an Willy Andreas, 3. 4. 1939, Vgl. GLA, NL Willy Andreas 858. Kurt von Raumer an Heinz Gollwitzer, 27. 7. 1955, BArch, NL Heinz Gollwitzer 43 (Unterstreichungen im Original). F. Klein, Historiker und Politik, S. 55. Müller an Präsident ÖAdW, 7. 2. 1963, BayHStA, NL von Müller 44. Höß, Studien, S. 104 f. Müller war »zweifellos Nationalsozialist aus Überzeugung, nur daß er dabei eben nicht doktrinär, nicht engstirnig war.« Vgl. Heiber, Frank, S. 576. Schönwälder, Kommentatoren, S. 140. Maurer, Geschichtsschreibung, S. 463. W. Ziegler, Bayern im NS-Staat, S. 566. Franz, Müller, Karl Alexander, S. 1958.

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sozialismus schon vor 1933 kein Zweifel mehr erlaubt«75 oder war er schlicht »der überzeugte Nationalsozialist Karl Alexander von Müller«?76 Während Walter Frank, dem die Rolle des führenden Historikers im Nationalsozialismus gemeinhin zugeschrieben worden ist, als eindeutiger Protagonist des NS-Regimes scheiterte, gelang es Müller aufgrund seines fachlichen Ansehens weitaus besser, die Strömungen der Disziplin für eine nationalsozialistische Geschichtswissenschaft zumindest partiell zu vereinen. Ganz im Gegensatz zu Frank war Müller der für die traditionsgeprägte, aber mitwirkungswillige deutsche Historikerschaft passende Vertreter, ihre Einbindung in den Nationalsozialismus zu begleiten, zu befördern, gegebenenfalls auch zu moderieren. Zugleich erwies sich für die nationalsozialistische Wissenschaftspolitik, die aus ihrer polykratischen Struktur weniger das oft kolportierte »Ämterchaos« denn ihre Dynamik zog, der in vielfältigen Rollen ansprechbare Müller als besonderer Gewinn. Dass Müller auch diesen Abschnitt seiner Karriere mit einem fast ausschließlich publizistischen Werk bestritt, verdeutlicht nur seine Rolle – seine Person bot für alle Seiten die ausreichende Gewähr seiner Zuverlässigkeit, sie war das von Geschichtswissenschaft wie NS-Staat nachgefragte Angebot. Ein Angebot jedoch, für das nach 1945 die Nachfrage ausblieb. Nur als Deuter der eigenen Biographie konnte Müller reüssieren, im Gegensatz zu seinen Schülern entbehrte er in der Geschichtswissenschaft der frühen Bundesrepublik einer Rolle. Folgerichtig waren es auch lediglich die persönlichen Erinnerungen Müllers, die blieben. Weniger der Historiker als der Mensch hatte ein Nachleben. Der zunehmende Wandel der deutschen Geschichtswissenschaft seit der Mitte der 1950er Jahre hatte den Historiker Müller seines Ortes beraubt. Für seine Form der Geschichtsschreibung blieb alsbald nur noch die Zuweisung der Schriftstellerei. Angesichts des schmalen, aus heutiger Sicht kaum als wissenschaftlich zu bezeichnenden historiographischen Werkes ist Müller oftmals eine Bedeutung als Historiker per se abgesprochen worden. Dies aber verkennt, wie sehr die Jahrzehnte seines Wirkens von einer tiefgreifenden Verunsicherung über das Berufsbild eines Historikers geprägt waren. Für das vielfach geäußerte und tief empfundene Krisenempfinden der Historiker des späten Kaiserreichs waren Müllers darstellerische, öffentlichkeitswirksame Fähigkeiten deshalb eine gern angenommene Offerte. Müllers Erfolg vor wie nach 1933 basierte auf der ihm zugeschriebenen wie tatsächlich vorhandenen Fähigkeit, die von der deutschen Geschichtswissenschaft zunehmend vermisste öffentliche Wirkung zu erzielen, ohne jedoch dabei die Usancen der »Zunft« zu verletzen. Ebenso entsprach sein institutionelles Engagement der zunehmenden Auffächerung der Wissenschaftslandschaft seit dem Ersten Weltkrieg. Müller, so ein Zeitungsartikel anlässlich seines siebzigsten Geburtstages, habe dem Wort »Historiker« eine »ganz neue Be75 Schulze, Geschichtswissenschaft, S. 34. 76 Wallraff, Regional- und Landesgeschichte, S. 257.

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deutung gegeben, indem er, der ganze Mensch, in das Gewand des Amtes und Titels trat und es mit Rundung und Gestalt erfüllte.«77 Nicht mit Quellen und Fußnoten, mit seiner Persönlichkeit und ihren Facetten belegte Karl Alexander von Müller seinen Rang als Historiker, nicht seine Bücher und Aufsätze, sondern seine Biographie – er selbst war sein Werk.

77 Vgl. den Artikel im Münchner Merkur : Trumm, Der weißblaue Himmel.

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Abkürzungen ADB BAdW BBAW Bl. BR BVV DA

Allgemeine Deutsche Biographie Bayerische Akademie der Wissenschaften Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Blatt Bayerischer Rundfunk Bayerischer Volksbildungsverband Deutsche Akademie (Akademie zur Wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums) DBFU Der Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft DHR Deutscher Hochschulring DNVP Deutschnationale Volkspartei DVA Deutsche Verlags-Anstalt DVLP Deutsche Vaterlandspartei FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung GWU Geschichte in Wissenschaft und Unterricht HDA Hochschulring Deutscher Art Hg. Herausgeber HiKo Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften HZ Historische Zeitschrift KM Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus KommBayLG Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften LMU Ludwig-Maximilians-Universität München MNN Münchner Neueste Nachrichten NDB Neue Deutsche Biographie NL Nachlass NPL Neue Politische Literatur NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSLB Nationalsozialistischer Lehrerbund ÖAdW Österreichische Akademie der Wissenschaften o.D. ohne Datum PAdW Preußische Akademie der Wissenschaften Phil. Fak. Philosophische Fakultät

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464 PrKM RC Rez. REM RI RMInn SM SOI SS SZ TH Übers. UM VB VfZ WS ZBLG ZfG

Abkürzungen

Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Rotary Club Rezension Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands Reichsinnenministerium Süddeutsche Monatshefte Südost-Institut Sommersemester Süddeutsche Zeitung Technische Hochschule Übersetzung Universität München Völkischer Beobachter Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Wintersemester Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

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Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller 1909

Bayern im Jahre 1866 und die Berufung des Fürsten Hohenlohe, München u. Berlin 1909 (Historische Bibliothek 20). Zum Gedächtnis Max von Pettenkofers (Aus Anlaß der Enthüllung seines Denkmals, 23. Mai), in: Der Sammler (Belletristische Beilage z. Augsburger Abendzeitung) Nr. 61 v. 22. 5. 1909, S. 2 – 4. Die Papiere von Cercah und die Gründung des Deutschen Reiches, in: Augsburger Abendzeitung Nr. 186 v. 7. 7. 1909, S. 1 f.

1910

FranÅois Gabriel de Bray und Otto Graf von Bray-Steinburg, in: ADB 55 (1910), S. 680 – 687. (Rez.) Otto Bandmann, Die deutsche Presse und die Entwicklung der deutschen Frage 1864 – 66, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 55 (1910), S. 372 – 377. Bayern und die Papiere von Cercah (Von einem Freunde der Münchn. Neuest. Nachr.), in: MNN Nr. 411 v. 3. 9. 1910, S. 1.

1911

Schopenhauers Würzburger Plan, in: SM 8 (1911), S. 150 – 152. (Rez.) Rem. Stölzle, J.M. Sailer, seine Maßregelung an der Akademie zu Dillingen und seine Berufung nach Ingolstadt, in: HZ 107 (1911), S. 449. (Rez.) P. Bailleu, Mitteilungen aus dem Nachlaß der Kaiserin Augusta; Erich Marcks, Bismarck und die 48er Revolution; H. Friedjung, Österreichisch-Deutsche Zollunionspläne 1849/53; Martin Spahn, Zur Vorgeschichte der Zentrumspartei; Wilhelm Maurenbrecher, Die Gründung des Deutschen Reiches 1859 – 1871; in HZ 107 (1911), S. 685 – 687.

1912

Briefe von und an Joseph von Görres, in: Archiv für Kulturgeschichte 9 (1911/12), S. 438 – 474. Zum 12. März. (1821 – 1912), in: Wehrkraftzeitung Nr. 11 v. 11. 3. 1912, S. 2 – 6. (Rez.) Erich Brandenburg (Hg.), Briefe und Aktenstücke zur Geschichte der Gründung des Deutschen Reiches (1870 – 1871), in: HZ 109 (1912), S. 378 – 385. (Rez.) Karl Ruckstuhl, Der Badische Liberalismus und die Verfassungskämpfe 1841/43, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 66 (1912), S. 167 – 175. (Rez.) Alfred Fischel, Die Protokolle des Verfassungsausschusses über die Grundrechte. Ein Beitrag zur Geschichte des österreichischen Reichstags im Jahre 1848, in: Historische Vierteljahrsschrift 15 (1912), S. 429 f. (Rez.) Nadeschda Wrasky, A.G.F. Rebmann. Leben und Werk eines Publizisten zur Zeit der großen französischen Revolution, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 56 (1912), S. 376 – 378.

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Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

(Rez.) Ludwig Bergsträsser, Studien zur Vorgeschichte der Zentrumspartei, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 56 (1912), S. 378 – 388. Fünf Briefe von Joseph von Görres, in: Euphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte 19 (1912), S. 284 – 290. Erinnerungen der Freiin von Hedemann (Rez. zu: Ein Blatt der Liebe. Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst und seine Freundin »Alex«), in: SM 9 (1911/12), S. 500 f. Friedrich Theodor Vischer als Politiker, in: Deutsche Rundschau 152 (1912), S. 238 – 260. Karl Theodor von Heigel (Zu seinem 70. Geburtstag: 23. August), in: MNN Nr. 427 v. 23. 8. 1912, S. 1 f. (Rez.) Ein Blatt der Liebe. Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst und seine Freundin »Alex«, in: HZ 109 (1912), S. 675 f. Drei Briefe Treitschkes an Heinrich von Marquardsen, in: SM 10 (1912/13), Dezember 1912, S. 390 – 396.

1913

Der junge Görres, in: Archiv für Kulturgeschichte 10 (1912/13), H. 4, S. 414 – 454. Die Briefe Miquels an Marquardsen, in: SM 10 (1912/13), März 1913, S. 807 – 816, April 1913, S. 90 – 96, Mai 1913, S. 163 – 171. (Hg.) Riezler-Festschrift. Beiträge zur bayerischen Geschichte, Gotha 1913. enthält: Geleitwort, S. V – VIII. Die Tauffkirchensche Mission nach Berlin und Wien. Bayern, Deutschland und Österreich im Frühjahr 1867, S. 352 – 440. (Rez.) Ludwig Bergsträßer, Studien zur Vorgeschichte der Zentrumspartei, in: HZ 110 (1913), S. 134 – 137. (Rez.) Ludwig Steinberger, Die Gründung der baierischen Zunge des Johanniterordens. Ein Beitrag zur Geschichte der Kurfürsten Max II. Emanuel, Max III. Joseph und Karl Theodor von Baiern, in: HZ 110 (1913), S. 394 – 396. (Rez.) Edgar Richter, Konrad Engelbert Oelsner und die französische Revolution (Notizen und Nachrichten. Neuere Geschichte seit 1789), in: HZ 110 (1913), S. 449 – 451. (Rez.) Heinrich Wölfflin, Das Problem des Stils in der bildenden Kunst (Notizen und Nachrichten. Allgemeines), in: HZ 110 (1913), S. 639 f. Bismarck und Ludwig II. im September 1870, in: HZ 111 (1913), S. 89 – 132. Karl Theodor von Heigels neuestes Buch (Rez. zu: Heigel, Zwölf Charakterbilder aus der neueren Geschichte), in: SM 11 (1913/14), Dezember 1913, S. 375 – 378.

1914

Eine Quellensammlung zur Deutschen Geschichte (Rez. zu: Brandenburg/Seeliger, Quellensammlung zur Deutschen Geschichte), in: SM 11 (1913/14), März 1914, S. 807 f. Aus den Papieren eines bayerischen Ministers (Eduard von Bomhard 1809 – 1886), in: Bayerische Staatszeitung Nr. 63 v. 17. 3. 1914, S. 2 f u. Nr. 64 v. 18. 3. 1914, S. 2 f. (Rez.) A. Schagen, J. Görres und die Anfänge der Preußischen Volksschule am Rhein 1814 – 1816, in: HZ 113 (1914), S. 219 f. Bismarck und Ludwig II. im September 1870. Aktenstücke aus den Papieren des Grafen Karl von Tauffkirchen, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 27 (1914), S. 572 – 592.

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Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

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Festrede zum Gedächtnis Bismarcks, gehalten bei der Bismarckfeier der nationalen Vereine Münchens am 1. April 1914, in: Allgemeine Zeitung (München) Nr. 15 v. 11. 4. 1914, S. 232 – 235 u. Nr. 16. v. 18. 4. 1914, S. 249 – 251. Notizen und Nachrichten. Deutsche Landschaften, in: HZ 113 (1914), S. 463 f. An Preußen!, in: SM 11 (1913/14), September 1914, S. 824 – 828. Das neue Deutschland, in: SM 12 (1914/15), Oktober 1914, S. 88 – 95. Eroberungs-Kalender zum Hausgebrauch in deutschen und englischen Familien, in: SM 12 (1914/15), November 1914, S. 213 – 217. Unser Wille, in: SM 12 (1914/15), November 1914, S. 243 – 250. ebenfalls abgedruckt in: Münchener Zeitung Nr. 275 v. 25. 11. 1914. (Übers.) George Canning, Rede über Neutralität, in: SM 12 (1914/15), November 1914, S. 253 – 259. Selbstachtung vor den Neutralen, in: SM 12 (1914/15), Dezember 1914, S. 415. Deutsche Weihnachtsbücher, in: SM 12 (1914/15), Dezember 1914, S. 430 f. Das alte Deutschland, in: SM 12 (1914/15), Dezember 1914, S. 432 – 440.

1915

Der Opiumkrieg, in: SM 12 (1914/15), Januar 1915, S. 546 – 553. Achtung den feindlichen Soldaten!, in: SM 12 (1914/15), Januar 1915, S. 580. Unser deutscher Standpunkt gegenüber Karl Spitteler, in: SM 12 (1914/15), Februar 1915, S. 734 f. Erinnerungen an Bismarck. Aufzeichnungen von Mitarbeitern und Freunden des Fürsten, mit einem Anhang von Dokumenten und Briefen. In Verbindung mit Arthur von Brauer gesammelt von Erich Marcks und Karl Alexander von Müller, Stuttgart u. Berlin 1915. (1. bis 5. Auflage) enthält: Beiträge zur äußeren Politik Bismarcks in den achtziger Jahren. (Nach zeitgenössischen Aufzeichnungen), S. 239 – 282. Viktor Hugo über Deutschland und Frankreich, in: SM 12 (1914/15), März 1915, S. 784 f. Frankreich, in: SM 12 (1914/15), März 1915, S. 846 – 852. Zum hundertsten Geburtstag Bismarcks, in: Bayerische Staatszeitung Nr. 76 v.1.4.1915, S. 1. Die belgische Neutralität, in: SM 12 (1914/15), April 1915, S. 94 – 96. Zum Gedächtnis Bismarcks, in: SM 12 (1914/15), April 1915, S. 178 – 186. Karl Theodor v. Heigel, in: Neue Freie Presse Wien (Morgenblatt) v. 24. 4. 1915, S. 1 – 5. (Übers.) Ein Amerikaner an seine Landsleute, in: SM 12 (1914/15), Mai 1915, S. 341 – 347. Erprobtes Mittel, in: SM 12 (1914/15), Mai 1915, S. 368. Aus den Tagen der deutschen Besetzung Frankreichs 1870, in: Deutsche Revue 40 (1915), Juni, S. 318 – 333. Karl Theodor von Heigel, in: SM 12 (1914/15), Juni 1915, S. 558 – 560. An Feldmarschall von Hindenburg, in: SM 12 (1914/15), Juli 1915, S. 561 f. Hindenburg (Rez. zu: Paul von Hindenburg. Ein Lebensbild von Bernhard von Hindenburg), in: SM 12 (1914/15), Juli 1915, S. 716 – 720. England und die deutsche Kolonialpolitik, in: SM 12 (1914/15), August 1915, S. 787 – 819. Die deutsche Not, in: SM 13 (1915/16), Oktober 1915, S. 6 – 19. Deutsche Sprüche von Friedrich von Logau, in: SM 13 (1915/16), Oktober 1915, S. 45 – 47.

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468

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Tagebuch, in: SM 13 (1915/16), Oktober 1915, S. 160. Kriegsziele, in: SM 13 (1915/16), Dezember 1915, S. 281 f. Kriegsgreuel unserer Feinde, in: SM 13 (1915/16), Dezember 1915, S. 389. Zur Jahrhundertfeier der Vereinigung der Rheinlande mit Preußen, in: SM 13 (1915/16), Dezember 1915, S. 412. Conrad Ferdinand Meyer über das Verhältnis der Schweiz zu Deutschland, in: SM 13 (1915/16), Dezember 1915, S. 459. (Rez.) Karl Theodor Heigels Deutsche Reden, in: SM 13 (1915/16), Dezember 1915, S. 479 f.

1916

Zwiesprach, in: SM 13 (1915/16), Januar 1916, S. 670 – 672. Die deutsche Mentalität, in: SM 13 (1915/16), Februar 1916, S. 855 f. (Übers.) Rede eines englischen Ministers im Kino, in: SM 13 (1915/16), April 1916, S. 76 – 78. Sir Edward Carson, Die allgemeine Wehrpflicht und Irland, in: SM 13 (1915/16), April 1916, S. 79 – 85. Über die Stellung Deutschlands in der Welt, München 1916. Im Zeichen des Roten Kreuzes, in: Bayerischer Heimatschutz. Monatsschrift des bayerischen Landesvereins für Heimatschutz / Verein für Volkskunst und Volkskunde in München 14 (1916), S. 103 – 116. Deutschland und die Schweiz, in: SM 13 (1915/16), Mai 1916, S. 249 – 252. Hindenburg-Tirpitz-Zeppelin, in: SM 13 (1915/16), September 1916, S. 681 f. Eine Kriegsgedenkmünze für die Auslandsdeutschen, in: SM 13 (1915/16), September 1916, S. 709. Tagebuch, in: SM 13 (1915/16), September 1916, S. 750. Tatsachen, in: SM 13 (1915/16), September 1916, S. 773 f. Lloyd-George, Der gegenwärtige Stand des Weltkrieges, in: SM 13 (1915/16), September 1916, S. 777 – 780. Asquith, Der Wirtschaftskrieg gegen Deutschland, in: SM 13 (1915/16), September 1916, S. 781 – 789. Ein europäischer Friede, in: München-Augsburger Abendzeitung Nr. 497 v. 10. 9. 1916, S. 1. Die Größe der Stunde, in: MNN Nr. 545 v. 25. 10. 1916, S. 1. (Übers.) Dankgebet. Von Rabindranat Tagore, in: SM 14 (1916/17), Oktober 1916, S. 111. Aus Deutschlands Geschichte, in: SM 14 (1916/17), November 1916, S. 113 – 124. Tagebuch, in: SM 14 (1916/17), Dezember 1916, S. 334.

1917

(Übers.) Über die englische Weizenversorgung für 1917. Von Walter Runcimann, in: SM 14 (1916/17), Januar 1917, S. 479 f. (Übers.) Die Lage Irlands. Von John Redmond, in: SM 14 (1916/17), Januar 1917, S. 518 – 525. »Preußen kann nicht kolonisieren!«, in: SM 14 (1916/17), Februar 1917, S. 529 f. Der Gewinn aus den europäischen Kontinentalkriegen, in: SM 14 (1916/17), April 1917, S. 32 – 35.

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469

Einführung zu: Johann Gustav Droysen, Vom Geist der englischen Kriegführung, in: SM 14 (1916/17), April 1917, S. 63. Aus der englischen Geschichte. Kommentar zu: Vom Charakter englischer Kriege, in: SM 14 (1916/17), April 1917, S. 143. Zeppelin, in: SM 14 (1916/17), April 1917, S. 180 – 184. Wo stehen wir? Zum 1000. Tage des Weltkrieges am 27. April 1917, in: MNN Nr. 209 v. 26. 4. 1917, S. 1 f. Kommentar zu: Allgemeines Wahlrecht und Demokratie. Von Lord Grey, in: SM 14 (1916/ 17), August 1917, S. 689. Das Korfuabkommen über das südslavische Königreich, in: SM 14 (1916/17), September 1917, S. 851 f. Festrede bei der Hindenburgfeier der Stadt München am 2. 10. 1917, in: Bayerische Staatszeitung Nr. 230 v. 4. 10. 1917, S. 5. Politische Rundschau, in: SM 15 (1917/18), Oktober 1917, S. 151 – 160. Foerster gegen Tirpitz, in: München-Augsburger Abendzeitung Nr. 597 v. 18. 11. 1917, S. 1 f. Professor W. Foerster und die Münchner Neuesten Nachrichten, in: München-Augsburger Abendzeitung Nr. 600 v. 20. 11. 1917, S. 1. Probleme der neuesten bayerischen Geschichte (1799 – 1871), in: HZ 118 (1917), S. 222 – 249. Die Forderung der Stunde, in: Deutschlands Kampf auf Leben und Tod. Zwei KriegsVorträge (mit Wilhelm Seitz), München 1917, S. 3 – 16.

1918

Wie die Deutschen Provinzen verlieren, in: SM 15 (1917/18), Januar 1918, S. 371 – 374. Wie die Engländer Weltkriege gewinnen, in: SM 15 (1917/18), Januar 1918, S. 374 – 376. An die deutschen Arbeiter (mit Paul Nikolaus Cossmann), in: SM 15 (1917/18), Januar 1918, S. 401 – 416. Die deutschen Träumer (mit Paul Nikolaus Cossmann), in: SM 15 (1917/18), April 1918, S. 61 – 66. Zur Erinnerung an Karl Mayr, in: SM 15 (1917/18), Mai 1918, S. 144 – 152. Germania contra mundum, in: SM 15 (1917/18), August 1918, S. 349 – 357. Die beiden Görres und die Allgemeine Zeitung, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 61 (1918), S. 164 – 192. Das Ende der deutschen Flotte, in: SM 16 (1918/19), Dezember 1918, S. 210 – 212.

1919

Angelsächsische Weltherrschaft, in: SM 16 (1918/19), Februar 1919, S. 354 – 356. Die Deutschen in Versailles, in: SM 16 (1918/19), Mai 1919, S. 89 – 94. (Rez.) G. v. Jagow, Ursachen und Ausbruch des Weltkriegs, in: SM 16 (1918/19), Mai 1919, S. 155. Revolutionsgespräche, in: SM 16 (1918/19), Juni 1919, S. 235 f. Feier-Ansprache (Rotes Kreuz) im Odeon am 11. 7. 1919, Augsburg 1919. Geschichtliche Randglossen, in: SM 17 (1919/20), November 1919, S. 89 – 101.

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1920

England nach dem Weltkrieg, in: SM 17 (1919/20), Mai 1920, S. 75 – 77. Innere Politik, in: SM 17 (1919/20), Juli 1920, S. 165 – 167. Aus amerikanischen Briefen und Zeitschriften, in: SM 17 (1919/20), August 1920, S. 242 – 245. Notizen zu Büchern, in: SM 17 (1919/20), September 1920, S. 340 f. Hermann v. Grauert, in: MNN Nr. 364 v. 3. 9. 1920, S. 1 f. Landtagebuch, in: SM 18 (1920/21), Oktober 1920, S. 40 – 45 u. Dezember 1920, S. 192 – 202. Aus der Geschichte der bayerischen Revolution, in: MNN Nr. 465 v. 8. 11. 1920, S. 8 f. Das neue Hamburgische Universitätsgesetz, in: MNN Nr. 532 v. 21. 12. 1920, S. 1 f.

1921

Los von Preußen?, in: SM 18 (1920/21), Januar 1921, S. 226 – 233. Rückblick und Ausblick, in: SM 18 (1920/21), Januar 1921, S. 247 – 255. Volk in Not!, München 1921. Eine Geschichte der neuesten Zeit (Rez. zu: Gottlob Egelhaaf, Geschichte der neuesten Zeit vom Frankfurter Frieden bis zur Gegenwart), in: SM 18 (1920/21), März 1921, S. 443. Die Rheinlande und Deutschland, in: MNN Nr. 100 v. 8. 3. 1921, S. 1 f. ebenfalls abgedruckt als: Los Territoritos del Rhin y Alemania, in: MNN. Gaceta de Munich Nr. 10 v. 7. 4. 1921, S. 4. Der Frankfurter Friede, in: SM 18 (1920/21), April 1921, S. 91 – 93. Voltaire in Berlin, in: SM 18 (1920/21), April 1921, S. 94. Deutsches Leben in Estland, in: MNN Nr. 161 v. 16. 4. 1921, S. 1. Heinrich v. Treitschke. Gestorben am 28. April 1896, in: MNN Nr. 179 v. 28. 4. 1921, S. 1 f. Die Franzosen am Rhein, in: SM 18 (1920/21), Mai 1921, S. 144. Leukothea (Gedicht), in: Jugend. Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben, 1921, Nr. 4, S. 74. Winternacht (Gedicht), in: Jugend. Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben, 1921, Nr. 31, S. 871. Landtagebuch, München 1921 (= Heimatbilder 1. Folge, 2. Heft). (zuerst: 1920) Die Wittelsbacher, in: Die Propyläen (Beilage zur Münchener Zeitung) Nr. 38 v. 17. 6. 1921, S. 299 – 301 u. Nr. 39 v. 22. 6. 1921, S. 306 – 308. Neue Urkunden, in: SM 18 (1920/21), Juli 1921, S. 293 – 296. Neue Schriften über den Versailler Frieden, in: SM 18 (1920/21), Juli 1921, S. 313. Veraneo en las montanas de Baviera [Sommerleben in den bayerischen Bergen], in: MNN. Gaceta de Munich Nr. 37 v. 13. 10. 1921, S. 4. König Ludwig III., in: Münchner Zeitung Nr. 287 v. 19. 10. 1921, S. 1. Eine Gesellschaft von Freunden der deutschen Geschichte, in: MNN Nr. 471 v. 8. 11. 1921, S. 1 f. Die Entlassung. Nach den bayerischen Gesandtschaftsberichten, in: SM 19 (1921/22), Dezember 1921, S. 138 – 178.

1922

(Hg. mit Erich Marcks) Meister der Politik. Eine weltgeschichtliche Reihe von Bildnissen. Erster und zweiter Band, Stuttgart u. Berlin 1922.

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enthält: Vorwort (mit Erich Marcks), S. Vf. Josef Görres. Ein deutscher Führer und Prophet, in: Die Einkehr. Unterhaltungsbeilage der MNN Nr. 4 v. 28. 1. 1922, S. 13 – 16. Offener Brief an Bruno Walter, in: MNN Nr. 119 v. 20. 3. 1922, S. 1. Hugo v. Seeliger. Zum 28. Mai 1922, in: MNN Nr. 223 v. 27./28. 5. 1922, S. 1. Das kulturelle Leben des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart, in: Münchener Bund und Bayerischer Landesverein für Heimatschutz (Hg.), Bayerisches Wanderbuch. 1. Band: München, München u. Berlin 1922, S. 13 – 33. Morgen in der Bahn (Gedicht), in: Jugend. Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben, 1922, Nr. 8, S. 294. Erweckung (Gedicht), in: Jugend. Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben, 1922, Nr. 14, S. 530. Tragödie des Mittelstandes, in: MNN Nr. 437 v. 25. 10. 1922, S. 1 f. Des deutschen Volkes Not und der Vertrag von Versailles, München 1922. Friedrich Meinecke, in: MNN Nr. 445 v. 3. 11. 1922, S. 2.

1923

Des deutschen Volkes Not und der »Vertrag« von Versailles. Eine Zusammenfassung, in: SM 20 (1922/23), Januar 1923, S. 354 – 360. (zuerst: 1922) Freiherr vom Stein, in: MNN Nr. 5 v. 6./7. 1. 1923, S. 1. Deutsche Geschichte und deutscher Charakter, in: SM 20 (1922/23), Februar/März 1923, S. 367 – 381. Friedrich Hebbel und die Politik, in: MNN Nr. 70 v. 13. 3. 1923, S. 1 f u. Nr. 71 v. 14. 3. 1923, S. 1 f. (Hg. mit Kurt von Raumer) Adalbert von Raumer, Der Ritter von Lang und seine Memoiren. Aus dem Nachlaß, München u. Berlin 1923. enthält: Vorwort (mit Kurt von Raumer), S. III – V. Adalbert von Raumer, S. VIII – XXVI. (Hg. mit Erich Marcks) Meister der Politik. Eine weltgeschichtliche Reihe von Bildnissen. Dritter Band, Stuttgart u. Berlin 1923. enthält: Vorwort (mit Erich Marcks), S. Vf. Der ältere Pitt, S. 297 – 408. Die Befreiung (Rez. zu: Tim Klein, Die Befreiung 1813, 1814, 1815), in: MNN Nr. 181 v. 7. 7. 1923, S. 1 f. Lehren der Geschichte, in: MNN Nr. 276 v. 11. 10. 1923, S. 1 f. (Hg. mit Erich Marcks) Meister der Politik. Eine weltgeschichtliche Reihe von Bildnissen. Erster und zweiter Band, 2. Auflage, Stuttgart u. Berlin 1923.1 enthält: Vorwort (mit Erich Marcks), S. Vf. (zuerst: 1923) Der ältere Pitt, S. 553 – 664. (zuerst: 1923) Unser Weihnachtsglaube, in: MNN Nr. 349 v. 24. 12. 1923, S. 1 f.

1 Die Beiträge der drei Bände wurden neu geordnet, im Herbst 1923 erschienen die Bände 1 und 2 der zweiten Auflage, der dritte Band der zweiten Auflage erschien 1924.

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Erinnerungen. Hamanns Bilder aus der letzten Kaiserzeit, in: SM 21 (1923/24), Dezember 1923, S. 79 – 81. Deutsche Gedanken zum Jahresende, in: München-Augsburger Abendzeitung Nr. 358 v. 31. 12. 1923, S. 1 f.

1924

Neue Bücher über England, in: SM 21 (1923/24), Januar 1924, S.143 f. Die Pfalz bayerisch und deutsch!, in: Die Einkehr. Unterhaltungsbeilage der MNN Nr. 7 v. 17. 2. 1924, S. 25. Gedanken über Volksbildung, in: MNN Nr. 69 v. 10. 3. 1924, S. 1 u. Nr. 70 v. 11. 3. 1924, S. 1. (Hg. mit Erich Marcks) Meister der Politik. Eine weltgeschichtliche Reihe von Bildnissen. Dritter Band, 2. Auflage, Stuttgart u. Berlin 1924. Hermann von Grauert, in: MNN Nr. 73 v. 14. 3. 1924, S. 1. Ein bedeutender deutscher Botaniker. Zum 80. Geburtstage von Adolf Engler, in: MNN Nr. 84 v. 25. 3. 1924, S. 2. Gedanken nach dem Hitlerprozeß, in: Münchener Zeitung Nr. 100 v. 10. 04. 1924. Ostern 1924, in: Ost und Süd. Illustrierte Wochenschrift der MNN für das Ausland, Nr. 16/ 17 v. 26. 4. 1924. Nobel-Stiftung, in: MNN Nr. 127 v. 12. 5. 1924, S. 2. Die deutsche Erhebung vor hundert Jahren und heute, in: SM 21 (1923/24), Mai 1924, S. 131 – 145. ebenfalls abgedruckt in: Wissen und Wehr. Monatsschrift der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften 5 (1924), H. 2, S. 81 – 101. Der deutsche Charakter in den letzten zehn Jahren, in: SM 21 (1923/24), Juli 1924, S. 282 – 287. Zum 1. August, in: Münchner Zeitung Nr. 211 v. 1. 8. 1924, S. 1. Erinnerungen an Bismarck. Aufzeichnungen von Mitarbeitern und Freunden des Fürsten, mit einem Anhang von Dokumenten und Briefen. In Verbindung mit Arthur von Brauer gesammelt von Erich Marcks und Karl Alexander von Müller, 6. Auflage, Stuttgart u. Berlin 1924. (zuerst: 1915) (Rez.) Der Anteil Badens an der Reichsgründung, in: SM 21 (1923/24), September 1924, S. 403. (Rez.) Egelhaafs »Geschichte der neuesten Zeit«, in: SM 21 (1923/24), September 1924, S. 408. Das geistige und literarische München unter Maximilian II., in: Das Bayerland 35 (1924), September, S. 254 – 258. [Auszug aus: Das kulturelle Leben des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart, zuerst: 1922] Drei unbekannte Görresbriefe, in: Gelbe Hefte 1 (1924/25), H. 2, S. 181 – 18. (Rez.) Ein Wörterbuch der Diplomatie, in: SM 22 (1924/25), November 1924, S. 56. Das Unglück Deutschlands, in: MNN Nr. 333 v. 6. 12. 1924, S. 1 f. ebenfalls abgedruckt in: Fränkischer Kurier Nr. 340 v. 7. 12. 1924, S. 2 f.

1925

Die Gründung des neuen bayerischen Staates, in: Bayerischer Hauskalender der MNN 1925, München 1925, S. 123 – 133. Karl Ludwig Sand, München 1925.

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Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

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Karl Sands Wanderung nach Tübingen, in: Tübinger Chronik Nr. 2 v. 3. 1. 1925. La Historia Alemana, in: El Mercurio, Valparaiso Nr. 30, 964, 18. 1. 1925, S. 16. Die deutsche Geschichte, in: Deutsche Monatshefte für Chile 5 (1925), Nr. 2 v. Februar, S. 34 – 36. Versailles und Deutschlands Stellung in der Welt, in: Bismarck und Versailles. Zwei Vorträge (mit Wolfgang Windelband), München 1925, S. 29 – 56. 75. Geburtstag Ernst Bernheims, in: MNN Nr. 49 v. 19. 2. 1925, S. 3. 75. Geburtstag Wilhelm Braunes, in: MNN Nr. 50 v. 20. 2. 1925, S. 2. Die hebräische Universität in Jerusalem, in: MNN Nr. 55 v. 25. 2. 1925, S. 2. Ein Altmeister der deutschen Geschichtsschreibung. Dietrich Schäfer zum 80. Geburtstag, 16. Mai, in: MNN Nr. 134 v. 16. 5. 1925, S. 1. Volkslieder aus vier Jahrhunderten, in: MNN Nr. 149 v. 31. 5. 1925, S. 2. Bismarcks Sturz, in: Die Einkehr. Unterhaltungsbeilage der MNN Nr. 26 v. 1. 4. 1925, S. 105 – 108. Der Maler Karl Haider. Ein Nachwort zur Münchner Ausstellung, in: Die Einkehr. Unterhaltungsbeilage der MNN Nr. 54 v. 8. 7. 1925, S. 227 f. (mit Paul Nikolaus Cossmann) Die deutschen Träumer. Gesammelte Aufsätze, München 1925. enthält: Vorwort (mit Paul Nikolaus Cossmann), S. 5 f. Aus Deutschlands Geschichte, S. 17 – 27. (zuerst: 1916) An die deutschen Arbeiter (mit Paul Nikolaus Cossmann), S. 43 – 64. (zuerst: 1918) Wie die Deutschen Provinzen verlieren, S. 66 – 70. (zuerst: 1918) Wie die Engländer Weltkriege gewinnen, S. 70 – 72. (zuerst: 1918) Die deutschen Träumer (mit Paul Nikolaus Cossmann), S. 84 – 90. (zuerst: 1918) Deutschland gegen die Welt, S. 97 – 108. (zuerst: 1918 als »Germania contra mundum«) Das Ende der deutschen Flotte, S. 159 – 162 (zuerst: 1918) Anhang: Briefe 1918 (mit Paul Nikolaus Cossmann), S. 169 – 173. Gladstone und Disraeli. Eine Skizze, in: Fränkischer Kurier Nr. 260 v. 19. 9. 1925, S. 5. Machiavelli, in: MNN Nr. 308 v. 7. 11. 1925. Benediktinisches Klosterleben in der Großstadt. Zum 75jährigen Bestehen von St. Bonifaz, in: MNN Nr. 322 v. 21. 11. 1925, S. 1 f. Aus unserem Tagebuch, in: SM 23 (1925/26), November 1925, S. 176. Anekdoten / Aus unserem Tagebuch, in: SM 23 (1925/26), Dezember 1925, S. 250.

1926

Über die Bedeutung der Ehre im Leben der Völker, in: SM 23 (1925/26), Januar 1926, S. 271 – 275. ebenfalls abgedruckt in: Arminius 1926, H. 37/8. Görres. Zu seinem 150. Geburtstag, 25. Januar, in: MNN Nr. 23 v. 23. 1. 1926, S. 1 f. Deutsche Geschichte und deutscher Charakter. Aufsätze und Vorträge, Stuttgart u. Berlin 1926. enthält: Vorwort, S. VIIf. Deutsche Geschichte und deutscher Charakter, S. 1 – 29. (zuerst: 1923) Die deutsche Erhebung vor hundert Jahren und heute, S. 30 – 55. (zuerst: 1924)

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Das Erbe des neunzehnten Jahrhunderts, S. 56 – 91. Friedrich Theodor Vischer als Politiker, S. 92 – 123. (zuerst: 1912) Zwiesprach, S. 124 – 127. (zuerst: 1916) Fichte und Machiavelli, S. 128 – 143. (zuerst: 1917 als »Politische Rundschau«) Geschichtliche Randglossen, S. 144 – 164. (zuerst: 1919) Das Ende der deutschen Flotte, S. 165 – 169. (zuerst: 1918) Weihnachtsansprache, S. 170 – 175. (zuerst: 1923 als »Unser Weihnachtsglaube«) Nachruf auf Ludwig den III. von Bayern, S. 176 – 182. (zuerst: 1921) Freiherr vom Stein, S. 183 – 187. (zuerst: 1923) Heinrich von Treitschke, S. 188 – 192. (zuerst: 1921) Bismarck (Festrede am 1. April 1914), S. 193 – 211. (zuerst: 1914) Bismarcks Sturz (Rede zum 1. April 1924), S. 212 – 236. (zuerst: 1925) Moderner Mystizismus [Aphorismus], in: SM 23 (1925/26), Februar 1926, S. 426. Gedanke, in: SM 23 (1925/26), März 1926, S. 494. Gedanken, in: SM 23 (1925/26), April 1926, S. 50. Französische Rheinpolitik. Deutsche Selbstbestimmung, in: MNN Nr. 102 v. 13. 4. 1926, S. 1 f u. Nr. 103 v. 14. 4. 1926. Gedanken, in: SM 23 (1925/26), Mai 1926, S. 130. Görres’ Berufung nach München, in: Karl Hoeber (Hg.), Görres-Festschrift. Aufsätze und Abhandlungen zum 150. Geburtstag von Joseph Görres, Köln 1926, S. 216 – 246. Görres in Straßburg 1819/20. Eine Episode aus dem Beginn der Demagogenverfolgung, Stuttgart u. Berlin 1926. Wie Joseph Görres den Doktortitel erhielt, in: Kölnische Volkszeitung Nr. 520 v. 18. 7. 1926 (Im Schritt der Zeit. Sonntagsbeilage, S. 1 f). Englisches / Gedanken, in: SM 23 (1925/26), August 1926, S. 352. (Hg. im Auftrag des akademischen Senats) Die wissenschaftlichen Anstalten der LudwigMaximilians-Universität zu München. Chronik zur Jahrhundertfeier, München 1926. enthält: Vorwort, S. Vf. Wissenschaftliche Anstalten der Universität, in: 100 Jahre Universität München. Sonderbeilage der MNN zum Universitätsjubiläum am 26./27. 11. 1926, S. 1. Münchens Wandlungen, in: Münchener Hochschulführer Winter 1926/27. Jubiläumsausgabe zur Jahrhundertfeier der Universität, München 1926, S. 169 – 178. (veränderter Auszug aus: »Das kulturelle Leben des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart«, zuerst: 1922) Selbstbestimmungsrecht für Polen / Kulturpolitik in Polen, in: SM 24 (1926/27), Oktober 1926, S. 58. (Rez.) Ein Wörterbuch der Diplomatie, in: SM 24 (1926/27), November 1926, S. 142. (Rez.) Ein Handbuch deutscher Politik, in: SM 24 (1926/27), November 1926, S. 146. Deutsche Zukunft, in: SM 24 (1926/27), Dezember 1926, S. 169 f. Altbayrisches Land, in: Josef Hofmiller (Hg.), Das deutsche Antlitz. Ein Lesebuch, München 1926, S. 19 – 29. (Auszug aus: »Landtagebuch«, zuerst: 1920) Süddeutscher Kulturboden, in: Süddeutsche Sonntagspost v. 25./26. 12. 1926, S. 4.

1927

Der Altmeister der bayerischen Geschichtsschreibung. Sigmund von Riezler zum Gedächtnis, in: MNN Nr. 30 v. 31. 1. 1927, S. 1.

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Sigmund von Riezler, in: SM 24 (1926/27), März 1927, S. 449 – 451. Geleitwort, in: Richard Breitling, Paul de Lagarde und der großdeutsche Gedanke, Wien u. Leipzig 1927, S. III. Altbayerische Hochschulen, in: Erich Köhrer (Hg.), Alt-Bayern. Seine Entwicklung und seine Zukunft. Ein Sammelwerk unter Mitwirkung führender Persönlichkeiten Bayerns und mit besonderer Förderung des Staatsministeriums, Berlin 1927, S. 16 – 20. Ludwig Thomas Briefe, in: MNN Nr. 63 v. 5. 3. 1927, S. 1 u. Nr. 64 v. 6. 3. 1927, S. 1. Treitschke als Journalist, in: HZ 135 (1927), S. 382 – 412. Gedanken, in: SM 24 (1926/27), Mai 1927, S. 122. (Rez.) Das Kriegstagebuch Friedrichs III., in: SM 24 (1926/27), Juni 1927, S. 222. Bayerische Geschichte. Die neue Kommission für Landesgeschichte, in: MNN Nr. 170 v. 25. 6. 1927, S. 1 f. Ueb’ Aug’ und Hand fürs Vaterland! Beginn des 18. Deutschen Bundesschießens in München. Die deutschen Schützen in München, in: Münchener Zeitung Nr. 185/186 v. 9./10. 7. 1927, S. 1. Bismarck in Frankfurt, in: SM 24 (1926/27), August 1927, S. 335 f. (Rez.) Anmerkungen zu Bismarck-Büchern, in: SM 24 (1926/27), August 1927, S. 385. Aus anderen Zeitschriften, in: SM 24 (1926/27), August 1927, S. 386. Münchens Eigenart einst und jetzt. Ansprache beim Empfangsabend der Stadt München für die Deutsche Akademie am 13. 10. 1927, in: MNN Nr. 280 v. 14. 10. 1927, S. 4. Bayerische Landesgeschichte. Erste Sitzung der Kommission in München, in: MNN Nr. 292 v. 26. 10. 1927, S. 3. Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode (Rez. zu: Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode, Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode, ein Freund und Ratgeber König Friedrich IV.), in: SM 25 (1927/28), November 1927, S. 122 f. Der Erforscher des deutschen Volkstums. W. H. Riehl zum 30. Todestag, 16. Nov., in: Die Einkehr. Unterhaltungsbeilage der Münchner Neuesten Nachrichten Nr. 84 v. 16. 11. 1927, S. 333 f.

1928

Unsere italienische Literaturgeschichte (Notiz zu: Karl Vossler, Italienische Kulturgeschichte), in: SM 25 (1927/28), Januar 1928, S. 290. Ein bayerischer Geschichtsforscher. Michael Doeberl zum Gedächtnis, in: MNN Nr. 85 v. 27. 3. 1928, S. 1 f. Zur Familiengeschichte Karl Sands, in: Jubiläumsschrift der Stadt Wunsiedel zur Erinnerung an die Verleihung des Stadtrechtes durch Friedrich IV., Burggrafen von Nürnberg und Kaiser Ludwig den Bayern 1326 und 1328, Wunsiedel 1928, S. 61 f. (Hg.) John Robert Seeley, Die Ausbreitung Englands, Stuttgart u. Berlin 1928. enthält: Einführung, S. IX – XLIII. Der Diktator: Oliver Cromwell, in: Velhagen und Klasings Monatshefte 42 (1927/28), H. 10, S. 409 – 416. Bayerns Bedeutung für die Deutsche Kultur, in: MNN Nr. 314 v. 17. 11. 1928, S. 5. in Auszügen ebenfalls abgedruckt in: Bayerische Staatszeitung Nr. 267 v. 17. 11. 1928, S. 8.

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1929

(Eintrag), in: Die Münchner Rotarier Ihren Freunden und Gästen zur Charterfeier 7. Februar 1929, München 1929. Wie Sachsen zum Deutschen Reich kam. Aus unveröffentlichten Akten Bismarcks, in: Dresdner Neueste Nachrichten Nr. 62 v. 14. 3. 1929. Tirpitz, in: Münchner Zeitung Nr. 76/77 v. 18./19. 3. 1929, S. 1 f. Widmung, in: Paul Nikolaus Cossmann zum sechzigsten Geburtstage am 6. April 1929, München u. Berlin 1929, S. V – VII. Deutschland und Flandern, in: SM 26 (1928/29), Mai 1929, S. 549. 25 Jahr-Feier der Süddeutschen Monatshefte, in: SM 26 (1928/29), Mai 1929, S. 607 – 609. Zur Einführung (in Heft »Amerika«), in: SM 26 (1928/29), Juni 1929, S. 623. (Rez.) Zur bayerischen Geschichte, in: SM 26 (1928/29), Juni 1929, S. 678 f. Michael Doeberl, in: Karl Winkler (Hg.), Oberpfälzisches Heimatbuch, Kallmünz 1929, S. 112 – 117. Georg Kerschensteiner, in: Münchener Zeitung Nr. 205/206 v. 27./28. 7. 1929, S. 2 f. Die Minderheitenfrage, in: SM 26 (1928/29), Juli 1929, S. 697. Ludwig II., in: SM 26 (1928/29), August 1929, S. 767. Bismarck und unsere Zeit. Ein Vortrag, in: Die Einkehr. Unterhaltungsbeilage der MNN Nr. 43 v. 27. 10. 1929, S. 169 – 171. Die Bedeutung Bayerns für die geistige Kultur Deutschlands, in: Bernhard Harms (Hg.), Volk und Reich der Deutschen. Vorlesungen, gehalten in der Deutschen Vereinigung für Staatswissenschaftliche Fortbildung. Erster Band, Berlin 1929, S. 363 – 388. (Rez.) Sigmund von Riezler, Geschichte Baierns. 2. Aufl., in: ZBLG 2 (1929), S. 337 f. (Rez.) Bismarckerinnerungen, in: SM 27 (1929/30), November 1929, S. 128. Die Abwendung vom Buch, in: MNN Nr. 340 v. 14. 12. 1929.

1930

Bismarck und die heutige Zeit, in: Bismarck-Blatt. Zeitschrift des Vereins zur Errichtung eines Bismarck-National-Denkmals, Januar 1930, S. 3 – 8. (zuerst: 1929 als »Bismarck und unsere Zeit«) Vorwort, in: Walter von Rummel, Ludwig II. Der König und sein Kabinettchef, 2. erw. Aufl., München 1930, S. 5 – 7. Bismarck und unsere Zeit, in: Schlesische Zeitung Nr. 167 v. 1. 4. 1930, S. 1 f. (zuerst: 1929) (Rez.) Ein Lebensbild Georg von Belows, in: SM 27 (1929/30), Mai 1930, S. 561 f. Das Wesen Münchens, in: Deutsche Presse 20 (1930), Festnummer zum Verbandstag 1930 in München, S. 244 – 246. Der Kampf um den Rhein: Kampf um die deutsche Seele, in: MNN Nr. 178 v. 3. 7. 1930. Prinzregent Luitpold, in: SM 27 (1929/30), Juli 1930, S. 657. Dokumente zur Geschichte der Entmündigung Ludwigs II., in: SM 27 (1929/30), Juli 1930, S. 679 – 682. Ludwig-Maximilians-Universität München, in: Michael Doeberl u. a. (Hg.), Das akademische Deutschland. Band 1: Die deutschen Hochschulen in ihrer Geschichte, Berlin 1930, S. 323 – 342. Historische Kommission. Jahrestagung in München, in: MNN Nr. 254 v. 18. 9. 1930, S. 2.

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Festliche Ansprache des Studiengenossen, Univ.-Professors Dr. Karl Alexander v. Müller bei der Wiedersehensfeier der Studiengenossen im Grünen Saal des Augustiners zu München am 25. Oktober 1930, München 1930. Die Übergabe der deutschen Flotte. Zum Gedächtnis des 21. November 1918, in: Die Einkehr. Unterhaltungsbeilage der MNN Nr. 47 v. 23. 11. 1930, S. 185 f u. Nr. 48 v. 30. 11. 1930, S. 191. (erweiterte Fassung von »Das Ende der deutschen Flotte«, zuerst: 1918) Bayerische Geschichte, in: Georg Jacob Wolf (Hg.), Dem Bayerischen Volke. Der Weg der Bayern durch die Jahrhunderte, München 1930, S. 14 – 40. Auf den Weg, in: Kurt Huber/ Paul Kiem (Hg.), Oberbayerische Volkslieder mit Bildern und Weisen, München 1930, S. 3 – 6.

1931

Das Bayerische Problem in der deutschen Geschichte, München u. Berlin 1931. Volksbildung und Volksgemeinschaft, in: Jahrbuch für soziale Pädagogik 2 (1931), S. 11 – 17 (=Münchener Volksbildungskalender 1931). Der Historiker spricht, in: MNN Nr. 32 v. 3. 2. 1931, S. 11. Das Schicksal der Staatsbibliothek, in: MNN Nr. 111 v. 25. 4. 1931, S. 1 f. Kommission für bayerische Landesgeschichte, in: MNN Nr. 123 v. 7. 5. 1931, S. 3. Die Denkwürdigkeiten des Fürsten Hohenlohe, in: MNN Nr. 139 v. 24./25. 5. 1931, S. 7. (Hg.) Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, Stuttgart u. Berlin 1931. enthält: Vorwort, S. VII – IX. Oberschlesiens Not, in: Bayerische Hochschulzeitung v. 4. 6. 1931, S. 1. Die Denkwürdigkeiten des Fürsten Hohenlohe. Vortrag von Rot. Karl Alexander von Müller, in: Rotary Club München. Beilage zum Wochenbericht Nr. III/51. Das Protektorat der Bayreuther Festspiele, in: SM 28 (1930/31), Juli 1931, S. 747 – 753. Freiherr vom Stein, in: Deutsche Volksbildung 7 (1931), H. 1, S. 5 – 8. Dem siebzigjährigen Erich Marcks. Ein Geburtstagsbrief, in: MNN Nr. 313 v. 17. 11. 1931, S. 1 f. Ein deutsches Wanderbuch (Rez. zu: Josef Hofmiller, Deutsches Wanderbuch), in: SM 29 (1931/32), Dezember 1931, S. 262.

1932

Die kulturelle und politische Bedeutung des Großgrundbesitzes. Eine Ansprache, in: SM 29 (1931/32), Januar 1932, S. 316 – 323. Gesamtdeutsche Geschichtsauffassung. Zum heutigen Vortrag Heinrich von Srbiks, in: MNN Nr. 10 v. 12. 1. 1932. August Jaksch, Ritter von Wartenhorst, in: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1931/32, S. 60 f. Der dritte deutsche Reichskanzler. Bemerkungen zu den »Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit« des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Abteilung, 1931/32, Nr. 3), München 1932. Der Geschichtsschreiber Friedrichs des Großen. Reinhold Koser zum Gedächtnis, in: MNN Nr. 37 v. 8. 2. 1932, S. 3. Wo stehen wir?, in: SM 29 (1931/32), März 1932, S. 407.

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Georg Kerschensteiner zum Gedächtnis (Ansprache), München 1932, S. 7 f. Der Historiker Max Lenz. Zu seinem Gedächtnis, in: MNN Nr. 103 v. 16. 4. 1932. (Rez.) Doeberls Entwicklungsgeschichte Bayerns vollendet, in: SM 29 (1931/32), Mai 1932, S. 597 f. Friedrich Meinecke, in: MNN Nr. 128 v. 12. 5. 1932, S. 1. Kommission für bayerische Landesgeschichte, in: MNN Nr. 140 v. 25./26. 5. 1932, S. 1 f. Unbekannte Briefe Bismarcks an Ludwig II., in: SM 29 (1931/32), Juni 1932, S. 632 – 647. Bismarck und die Königskatastrophe 1886, in: SM 29 (1931/32), Juni 1932, S. 648 – 661. Unbekannte Briefe Bismarcks an Prinzregent Luitpold von Bayern, in: SM 29 (1931/32), Juli 1932, S. 701 – 707. Aus der Historischen Kommission. Jahrestagung in München, in: MNN Nr. 255 v. 19. 9. 1932, S. 2. Staat und Persönlichkeit. Zu Friedrich Meineckes 70. Geburtstag, in: MNN Nr. 298 v. 2. 11. 1932, S. 1. Die Geltung des Bauern in der Volksgemeinschaft, in: Die Heimat. Unterhaltungsbeilage der MNN Nr. 23 v. 16. 11. 1932, S. 89 f. Das Unglück Deutschlands / Münchens Wandlungen / Gedanken über Volksbildung, in: Deutsche Volksbildung 8 (1932), H. 3, S. 32 – 44. (Wiederabdrucke anlässlich des 50. Geburtstags) (Rez.) Nürnberg, Kaiser und Reich. Zu einem Buche von Dr. Eugen Franz, in: Die Heimat. Unterhaltungsbeilage der MNN Nr. 26 v. 28. 12. 1932, S. 101 f. Ansprache auf München. Gehalten im Alten Rathaussaal, in: Corona 3 (1932/33), H. 2, S. 264 – 271.

1933

Gedanken über den Rundfunkvortrag, in: Das Bayerland 44 (1933), H. 3/4, Februar, S. 92 – 94. Bismarcks Glaube, in: SM 30 (1932/33), März 1933, S. 379 f. Kommission für bayerische Landesgeschichte, in: MNN Nr. 147 v. 30. 5. 1933, S. 2. Richard Wagner und das 19. Jahrhundert. Gedenkrede im Münchner Nationaltheater, in: Corona 3 (1932/33), H. 4, S. 411 – 427. Deutsche Geschichte, in: MNN Nr. 208 v. 1. 8. 1933, S. 4. Deutsche Tugenden – deutsche Erbübel, in: Die Erziehung im nationalsozialistischen Staat. Vorträge, gehalten auf der Tagung des Pädagogisch-psychologischen Instituts in München (1.–5. August 1933), Leipzig 1933, S. 38 – 63. Volkstum und Heimat, in: Der Reichsbote. Unabhängige Tageszeitung für deutsche protestantische Politik Nr. 232 v. 10. 10. 1933, S. 1. Richard Wagner und das 19. Jahrhundert, in: Wille und Macht 1 (1933), H. 21, S. 2 – 7. Josef Hofmiller, in: SM 31 (1933/34), November 1933, S. 112 – 117. Die gegenwärtige Lage der Universität, in: Zeitwende 9 (1933), H. 12, S. 412 – 424. zugleich eigenständig gedruckt: Die gegenwärtige Lage der Universität, München 1933.

1934

Volkserziehung und Volksgemeinschaft, in: Velhagen und Klasings Monatshefte 48 (1933/ 34), H. 8, S. 153 – 156.

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ebenfalls abgedruckt in: Unitas. Zeitschrift des Verbandes der wissenschaftlichen christlichen Studentenvereine, 74 (1934), Nr. 3, S. 73 – 76. Gedenkrede auf Theodor von der Pfordten. Gefallen am 9. November 1923 an der Feldherrnhalle zu München, in: Das Innere Reich 1 (1934/35), H. 1, 47 – 50. ebenfalls abgedruckt in: Sonntagsblatt Nr. 176 v. 8. 4. 1934. Münchner Zeitung Nr. 100 v. 10. 4. 1934, S. 2. Deutsche Volksbildung 17 (1934), H. 3/4 Mai, S. 25 – 27. Der Führer, in: Deutsche Volksbildung 9 (1934), H. 2, S. 23 – 28. Zum Geleit, in: Wilhelm Grau, Antisemitismus im späten Mittelalter. Das Ende der Regensburger Judengemeinde 1450 – 1519, München u. Leipzig 1934, S. V. Deutsche Geschichte – Rückblick und Ausblick, in: Ernst von Eisenhart Rothe (Hg.), Deutsche Gedenkhalle. Das neue Deutschland. Sturz und Erhebung. Bilder aus der vaterländischen Geschichte, Berlin u. München 1934, S. 357 – 378. Aus dem Werdenfelser Land (Rez. zu: Leopold Weber, Mit Ernst Kreidolf in den bayerischen Bergen 1889 – 1895), in: Deutsche Zeitschrift. Monatshefte für eine deutsche Volkskultur 47 (1934), H. 11, S. 703 – 708.

1935

Machiavelli, in: Corona 5 (1934/35), H. 3, S. 253 – 261. [zuerst: 1925] Probleme des Zweiten Reiches im Lichte des Dritten, München 1935. Ein unbekannter Vortrag Rankes aus dem Jahr 1862, in: HZ 151 (1935), S. 311 – 331. (Hg. mit Peter Richard Rohden) Knaurs Weltgeschichte. Von der Urzeit bis zur Gegenwart, Berlin 1935. enthält: Vorwort (mit Peter Richard Rohden), S. 7 f. Zeitalter des Imperialismus, S. 717 – 777. Zwölf Historikerprofile, Stuttgart u. Berlin 1935. enthält: Vorwort, S. 9 – 11. Erich Marcks, S. 13 – 20. (zuerst: 1931) Max Lenz, S. 21 – 27. (zuerst: 1932) Der Geschichtsschreiber Friedrich des Großen: Reinhold Koser, S. 28 – 33. (zuerst: 1932) Friedrich Meinecke, S. 34 – 39. (zuerst: 1932) Gesamtdeutsche Geschichtsauffassung: Heinrich Ritter von Srbik, S. 40 – 47. (zuerst: 1932) Der Erforscher des deutschen Volkstums: Wilhelm Heinrich Riehl, S. 48 – 60. (zuerst: 1927) Karl Theodor von Heigel, S. 61 – 71. (zuerst: 1913 bzw. 1915) Sigmund von Riezler, S. 72 – 79. (zuerst: 1927) Hermann von Grauert, S. 80 – 87. (zuerst: 1920 bzw. 1924) Maximilian Fastlinger, S. 88 – 95. Karl Mayr, S. 96 – 115. (zuerst: 1918) Adalbert von Raumer, S. 116 – 150. (zuerst: 1923)

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480

Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

Der Historiker Max Lenz. Zu seinem Gedächtnis, in: Max Lenz zum Gedächtnis. Verzeichnis seiner Schriften von Friedrich Graefe. Mit zwei Erinnerungsblättern von Erich Marcks und Karl Alexander von Müller, Berlin 1935, S. 18 – 22. (zuerst: 1932) Zum Geleit, in: HZ 153 (1936), S. 1 – 5. (erschienen: 1935) in Auszügen ebenfalls abgedruckt als: Wissenschaft der neuen Zeit, in: Dresdner Neueste Nachrichten Nr. 279 v. 30. 11. 1935, S. 2.

1936

Festrede zu Leopold Webers 70. Geburtstag, gehalten in Tegernsee am 25. Januar 1936, o.O. 1936. Deutsche Geschichte und deutscher Charakter. Aufsätze und Vorträge, 2. Auflage, Stuttgart u. Berlin 1936. Gedanken zur deutschen Erhebung, in: Akademische Blätter 51 (1936), H. 3, S. 65 f. Heinrich von Treitschke, in: Deutsch-Chinesische Nachrichten Nr. 1828 v. 13. 9. 1936.

1937

Zum Geleit, in: Hermine Kühn-Steinhausen (Hg.), Die Korrespondenz Wolfgang Wilhelms von Pfalz-Neuburg mit der römischen Kurie, Köln 1937. Ansprache des Präsidenten in der Öffentlichen Sitzung am 16. Juni 1937, in: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1936/37, S. 11 – 21. Ansprache, in: Forschungen zur Judenfrage 1 (1937), S. 11 – 15. ebenfalls abgedruckt in: Walter Frank, Deutsche Wissenschaft und Judenfrage. Rede zur Eröffnung der Forschungsabteilung Judenfrage des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands, Hamburg 1937, S. 5 – 15. Der ältere Pitt, München u. Berlin 1937 (Schriften der Corona 17). (zuerst: 1923) Karl Haider. Zu seinem 25. Todestag 29. Oktober 1912, in: Die Kunst für Alle 53 (1937), Oktober, S. 1 – 11. Tirpitz, in: Peter Richard Rohden (Hg.), Gestalter deutscher Vergangenheit, Potsdam u. Berlin 1937, S. 485 – 501.

1938

Zur Einführung, in: George Macaulay Trevelyan, Sir Edward Grey. Sein Leben und Werk. Eine Grundlegung englischer Politik, Essen 1938, S. VII – XX. Sir Edwar Grey, in: Germania (Beilage Kultur und Wissen) Nr. 34 v. 4. 2. 1938. Zum 10. April 1938, in: HZ 158 (1938), S. 1 f. Der 10. April 1938 in der Deutschen Geschichte. Rede, gehalten vor den Dozentenschaften der Münchener Hochschulen, München 1938. Ansprache des Präsidenten in der Öffentlichen Sitzung am 15. Juni 1938, in: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1937/38, S. 11 – 23. Vom alten zum neuen Deutschland. Aufsätze und Reden 1914 – 1938, Stuttgart u. Berlin 1938. enthält: Vorwort, S. 7 – 9. Das neue Deutschland, S. 11 – 19. (zuerst: 1914) Das alte Deutschland, S. 20 – 30. (zuerst: 1914) Deutschland und Frankreich, S. 31 – 39. (zuerst: 1915)

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Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

481

Die deutsche Not, S. 40 – 56. (zuerst: 1915) Die deutsche Mentalität, S. 57 f. (zuerst: 1916) Fichte und Machiavelli, S. 59 – 73. (zuerst: 1917) Germania contra mundum, S. 74 – 89. (zuerst: 1918) Die Übergabe der deutschen Flotte, S. 90 – 107. (zuerst: 1918 bzw. 1930) Die Deutschen in Versailles, S. 108 – 119. (zuerst: 1919) Der Vertrag von Versailles, S. 120 – 133. (zuerst: 1922) Innere Politik, S. 134 – 138. (zuerst: 1920) Deutsche Feier, S. 139 – 147. (zuerst: 1921) Los von Preußen?, S. 148 – 160. (zuerst: 1921) Lehren der Geschichte, S. 161 – 166. (zuerst: 1923) Über die Bedeutung der Ehre im Leben der Völker, S. 167 – 176. (zuerst: 1926) Deutsche Zukunft, S. 177 – 180. (zuerst: 1926) Die Räumung des Rheinlandes, S. 181 – 185. Oberschlesiens Not, S. 186 – 191. (zuerst: 1931) Machiavelli, in: S. 192 – 199. (zuerst: 1925 zw. 1935) Oliver Cromwell, S. 200 – 210. (zuerst: 1928) Bismarck und unsere Zeit, S. 211 – 224. (zuerst: 1929) Richard Wagner und das 19. Jahrhundert, S. 225 – 239. (zuerst: 1933) Die Geltung des Bauern in der Volksgemeinschaft, S. 240 – 247. (zuerst: 1932) Die gegenwärtige Lage der Universität, in: S. 248 – 264. (zuerst: 1933) Volkserziehung und Volksgemeinschaft, in: S. 265 – 274. (zuerst: 1934) Gedenkrede auf Theodor von der Pfordten, S. 275 – 278. (zuerst: 1934) Probleme des Zweiten Reiches im Lichte des Dritten, S. 279 – 299. (zuerst: 1935) Vom alten zum neuen Deutschland, S. 300 – 315. Der 10. April 1938 in der deutschen Geschichte, S. 316 – 331. (zuerst: 1938) The Balance Sheet of Armageddon, in: Deutsch-Englische Hefte, H. 5, November 1938, S. 150 – 153.

1939

Das Bühnenbild bei Richard Wagner. Betrachtungen aus der Gegenwart, in: MNN Nr. 166 v. 15. 6. 1939, S. 4. Vom Bühnenbild bei Richard Wagner, in: Corona 9 (1939/40), H. 3, S. 337 – 345. Zum 2. August 1939, in: Velhagen und Klasings Monatshefte 53 (1938/39), H. 12, S. 529 – 532. The Elder Pitt, London 1939. Deutschland und England. Ein weltgeschichtliches Bild, Berlin 1939. in Auszügen ebenfalls abgedruckt in: Die Bewegung. Zentralorgan des NSD-Studentenbundes, H. 39 v. 26. 9. 1939, S. 1. Schlesische Zeitung Nr. 518 v. 13. 10. 1939, S. 2. (als »Einer begehrt, der Herr zu sein«) Rundschau Deutscher Technik. Wochenzeitung des Nationalsozialistischen Bundes Deutscher Technik, Nr. 46 v. 16. 11. 1939, S. 1. Nachwort, in: HZ 160 (1939), S. 680. Nachträge zu den Briefen Leopold Rankes an König Maximilian II. von Bayern, in: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Abteilung, 1939, Nr. 10.

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482

Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

Über Strafford, den englischen Staatsmann zwischen Krone und Volk, in: Almanach zum 35. Jahr des Verlages Piper & Co, München 1939, S. 75 – 77.

1940

[Vorwort], in: HZ 161 (1940), S. 1 f. Nachruf (auf Walther Schultze), in: HZ 161 (1940), S. 448 f. Historisch-politische Denkschriften Sybels für König Maximilian II. von Bayern aus den Jahren 1859 – 1861, in: HZ 162 (1940), S. 59 – 95, 269 – 304. Vorwort, in: HZ 162 (1940), S. 229 f. (Rez.) Friedrich Meinecke, Vom geschichtlichen Sinn und vom Sinn der Geschichte, in: HZ 162 (1940), S. 339 – 346. 100 Jahre Münchener Universität, in: Münchener Mosaik. Kulturelle Monatsschrift der Hauptstadt der Bewegung, 3 (1940), August, S. 221 – 224. Ich fasse Dich, England!, in: Die Weltliteratur. Berichte, Leseproben und Wertung 15 (1940), H. 8 August, S. 143 – 145. Deutsche Größe, in: Ausstellung Deutsche Größe. Unter Schirmherrschaft des Stellvertreters des Führers Reichsminister Rudolf Heß veranstaltet von der Dienststelle des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulischen Schulung und Erziehung der NSDAP. Durchgeführt vom Amt Schrifttumspflege. München 8. Nov. 1940, Berlin 1940, S. 9 – 37.

1941

Die deutsche Geisteswissenschaft im Kriege, in: Die Bewegung. Zentralorgan des NSDStudentenbundes, H. 1/2 v. 14. 1. 1941, S. 11. Warum Deutschland siegen muß. Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Sieges, in: VB (Süddeutsche Ausgabe) Nr. 30 v. 30. 1. 1941, S. 23. Strafford und seine Zeit, in: Corona 10 (1940/41), H. 2, S. 117 – 147. Das neue Zeitalter, in: Pariser Zeitung Nr. 48 v. 3. 3. 1941. Deutsche Größe, in: Berliner Börsen-Zeitung Nr. 127 v. 16. 3. 1941, S. 7. (Auszug) Deutsche Größe, in: Deutsche Volksbildung 15 (1941), H. 5/6, S. 33 – 42. (Auszug) Vorwort des Herausgebers, in: HZ 163 (1941), S. 1 f.

1942

Das ist Kiem Pauli. Ein Nachwort zum 60. Geburtstag, in: Miesbacher Anzeiger Nr. 255 v. 30. 10. 1942. Vorwort, in: Alexander Berrsche, Trösterin Musika. Gesammelte Aufsätze und Kritiken, München 1942, S. 5 – 14. Fünf Gedichte, in: Münchener Mosaik 5 (1942), H. 12, S. 297. Die Universität München und ihr geschichtliches Bild, in: Europäischer WissenschaftsDienst 2 (1942), Dezember, S. 9 f.

1943

Zur Erinnerung an Helene Raff, in: Münchener Mosaik 6 (1943), H. 1, S. 10. Ansprache des Präsidenten in der Öffentlichen Sitzung am 15. Januar 1943, in: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1942/43, S. 21 – 36.

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Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

483

Deutsche Geschichte und deutscher Charakter. Aufsätze und Vorträge, 3. Auflage, Stuttgart u. Berlin 1943. An Friedrich Meinecke, in: HZ 167 (1943), S. 1 f. Aus einer Münchner Kinderzeit, in: Corona 2. Folge 1 (1943), H. 1, S. 64 – 76. Anmerkungen der Herausgeber (mit Bernt von Heiseler), in: Corona 2. Folge 1 (1943), H. 1, S. 77 f. Dankesworte beim Festabend des Bayerischen Volksbildungsverbandes in Verbindung mit der Universität München im Festsaal des Künstlerhauses am 19. 12. 1942, in: Deutsche Volksbildung 17 (1943), H. 3/4 Mai, S. 18 – 28. (mit Abdruck einiger Gedichte und einem Auszug aus »Görres in Straßburg«) Deutsche Größe, in: Volk und Welt. Deutschlands Monatsbuch, Dezember 1943, S. 3 – 6. (Auszug)

1944

Im Wandel der Jahrhunderte, in: Michael Bäuml (Hg.), Geliebtes Oberbayern, München 1944, S. 23 – 38. Gestalt und Wandel des Reiches, in: Hans Hagemeyer (Hg.), Gestalt und Wandel des Reiches. Ein Bilderatlas zur deutschen Geschichte, Berlin 1944, S. 9 – 35.

1949

Fischhausen im Jahre 1903, in: Der Zwiebelturm 4 (1949), H. 6, S. 133 – 137. Von den bayerischen Gebirgs- und Antlaßschützen, in: Tag des Alpenländischen Volkstums. Festschrift, Treffen der historischen Gebirgs-, Antlaß-, Pranger- und Weihnachtsschützen des bayerischen Oberlandes mit den Tiroler Heimat-Verbänden am 11./12. Juni 1949 in Rottach-Egern, o.O. 1949, S. 3 – 8. ebenfalls enthalten: Das Grab des Geheimschreibers von Andreas Hofer in Egern, S. 10 f. Kloster Tegernsee, S. 12 f. Unser Kiem Pauli, S. 15 u. 18. Chronik der G. Haindlschen Papierfabriken, in: G. Haindlsche Papierfabriken (Hg.), Hundert Jahre G. Haindlsche Papierfabriken. Eine Gedenkschrift, Augsburg 1949, S. 15 – 179. Altbayern, in: Friedrich Springorum (Hg.), Leibhaftiges Baiern. Itinerarium für Liebhaber, München 1949, S. 15 – 27. (Auszug aus »Landtagebuch«, zuerst: 1920) Danton. Ein historischer Essay, Stuttgart 1949.

1950

Das Stielerhaus, in: Der Zwiebelturm 5 (1950), H. 1, S. 1 – 5 u. H. 2, S. 26 – 30. Vorwort, in: Edmund Burke, Gedanken über die Revolution, Wien 1950 (Stifterbibliothek Bd. 4), S. 6 – 11. Das Erbe, das es zu pflegen gilt, in: See-Geist (Tegernseer Zeitung) Nr. 84/85 v. 25./26. 3. 1950. Paul Nikolaus Cossmanns Ende. Ein Erinnerungsblatt von historischer Bedeutung, in: SZ Nr. 75 v. 30. 3. 1950, S. 3. Paul Nikolaus Cossmanns Ende, in: Hochland 42 (1949/50), S. 368 – 379. Das Stielerhaus, Lichtenfels 1950.

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484

Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

Lied ohne Worte für Jospehine. Ein bisher unbekannter Brief Felix Mendelssohns an die Münchner Freundin, in: SZ Nr. 185 v. 12./13. 8. 1950, S. 7. Leutholds Penthesilea, in: Deutsche Beiträge 4 (1950), H. 5, 338 – 345. Briefe bayerischer Künstler aus Rom, in: Der Zwiebelturm 5 (1950), H.10, S. 227 – 231. Auf gut tegernseerisch. Aus einem Skizzenbuch von Karl Stieler, in: Bayerische Heimat (Feuilletonbeilage zur Tegernseer Zeitung) v. 14./15. 10. 1950. Der Moos-Maxl. Zum 125. Todestag Königs Max Joseph I. von Bayern am 13. Oktober, in: See-Geist (Tegernseer Zeitung) Nr. 177 v. 14./15. 10. 1950 u. Nr. 178 v. 16. 10. 1950. Kiem Pauli Ehrenbüger der Gemeinde Kreuth, in: See-Geist (Tegernseer Zeitung) Nr. 243 v. 30./31. 12. 1950.

1951

Leibhaftiges Bayern, in: Kalender für das Jahr 1951 der Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker München, München 1951, 4 – 26. (Auszug aus »Landtagebuch«, zuerst: 1949 als »Altbayern«) Nachwort zur gesamten Reihe, in: Gesandtschaftsberichte aus München 1814 – 1848. Dritte Abteilung: Die Berichte der preussischen Gesandten. Bearbeitet von Anton Chroust, Vierter Band: Vom »Verfassungsverständnis« bis zur Thronentsagung König Ludwigs I. (vom August 1843 bis zum März 1848), München 1951, S. V – XV. Christentum und germanische Sage. Zur Erinnerung an Leopold Weber, in: Zeitwende 22 (1951), H. 6, S. 524 – 533. Leutholds Penthesilea, in: Neue Schweizer Rundschau N.F. 18 (1950/51), H. 10, S. 603 – 611. (zuerst: 1950) Drei Städte, in: Merkur 5 (1951), S. 334 – 349. (Auszug aus »Aus Gärten der Vergangenheit«) Johann Stadler, in: Schönere Heimat 40 (1951), H. 3/4, S. 111 f. Aus Gärten der Vergangenheit. Erinnerungen 1882 – 1914, Stuttgart 1951. Begegnung mit Stefan George. Aus »Aus Gärten der Vergangenheit«, in: Welt und Wort. Literarische Monatsschrift 6 (1951), H. 10, S. 395 f. Ludwig Thoma. Ansprache bei der Gedenkstunde des Bayerischen Volksbildungsverbandes zu seinem 30. Todestag, in: Deutsche Volksbildung 21 (1951), H. 1/2 Oktober, S. 1 – 8. Schöpferische Harmonie über tiefen Spannungen, in: See-Geist (Tegernseer Zeitung) Nr. 286 v. 29. 11. 1951. Dankspende des deutschen Volkes (Leserbrief), in: SZ 282 v. 6. 12. 1951, S. 3. Westminsterabtei und St. Paul. Aus einem Londoner Tagebuch 1904, in: Merkur 5 (1951), S. 1151 – 1156. (Auszug aus »Aus Gärten der Vergangenheit«)

1952

Die Familie Haindl, in: Götz von Pölnitz (Hg.), Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben, München 1952, S. 371 – 394. Maimorgen im Isartal, in. Deutsche Volksbildung 22 (1952), H. 1/2 Februar, S. 4 f. Bei den Süddeutschen Monatsheften, in: Neue Literarische Welt Nr. 12 v. 25. 6. 1952, S. 7. Johann Georg von Dillis (auch Rez. zu: Waldemar Lessing, Johann Georg von Dillis als Künstler und Museumsmann), in: Zwiebelturm 7 (1952), H. 9 S. 214 – 217.

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Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

485

Unterm weissblauen Himmel, Stuttgart 1952. enthält: Landtagebuch aus dem Isartal, S. 9 – 33. (Auszug, zuerst: 1920) Tausend Jahre bayerische Landkarte, S. 34 – 60. Tegernsees erste kulturelle Blütezeit, S. 61 – 95. Aus der schweren Zeit des großen Krieges, S. 96 – 118. Der Moos-Maxl, S. 119 – 126. (zuerst: 1950) Das Stielerhaus, S. 127 – 151. (zuerst: 1950) König Ludwig II., S. 152 – 172. Der Maler Karl Haider, S. 173 – 185. Zu Ludwig Thomas 30. Todestag, S. 186 – 200. Der Kiem Pauli und das bayerische Volkslied, S. 201 – 211. Ein oberbayerischer Dorffriedhof, S. 212 – 238. Verwirkte Krone, in: Die Zeit Nr. 46 v. 13. 11. 1952, S. 4.

1953

Aus dem alten England. Ein Besuch auf der Insel Wight im Jahre 1904, in: Gestalt und Gedanke. Ein Jahrbuch, Hg. von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste 2 (1953), S. 144 – 160. Zum Geleit, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 1, S. 3. Auf winterlichen Pfaden. In den Weißachauen, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 2, S. 26 f. Künstler am Tegernsee. Thomas Baumgartner, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 2, S. 40 f. Eine Künstlerfamilie am Tegernsee, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 4, S. 84 – 87. Olaf Gulbransson zum 80. Geburtstag, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 5, S. 104 – 106. Max Dingler 70 Jahre, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 5, S. 112. Künstler am Tegernsee. Paul Mathias Padua, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 6, S. 128 – 130. Jugendreisen in Altbayern, in: Der Zwiebelturm 8 (1953), H. 6, S. 137 – 139. Max Dingler, in: Schönere Heimat 42 (1953), S. 32 f. Persönlichkeiten am Tegernsee. Beim Kiem Pauli und seinen Büchern, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 7, S. 154 – 156. Ludwig Thoma, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 8, S. 176 – 178. Persönlichkeiten am Tegernsee. Emil Karl Frey, der Chirurg und der Mensch, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 9, S. 202 f. Persönlichkeiten am Tegernsee. Reiter Hansl, der Musikant, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 10, S. 227 f. Ein Dorffriedhof, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 11, S. 248 – 250. Ein alter Chorstuhl, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 11, S. 252 f. Vor unserer Weihnachtskrippe, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 12, S. 270 – 272. Ein Jahr »Tegernseer Tal«, in: Das Tegernseer Tal 1 (1953), H. 12, S. 284. Kaiser Ludwig der Bayer, in: Alois Fink (Hg.), Bilder aus der bayerischen Geschichte, Nürnberg 1953, S. 94 – 103. ebenfalls enthalten: Kurfürst Maximilian, S. 162 – 170. König Ludwig II., S. 249 – 258.

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486

Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

Zwei Münchener Doktordiplome, in: Walter Goetz (Hg.), Festgabe für Seine Königliche Hoheit Kronprinz Rupprecht von Bayern, München 1953, S. 180 – 193.

1954

Von Heinrich dem Heiligen bis Gulbransson, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 1, S. 8 – 10. Der Moos-Maxl, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 2, S. 34 f. Die verlassene Residenz, in: Merian 7 (1954), H. 3, S. 10 – 15. Von der Mundart, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 3, S. 60 – 63. Der Nanga Parbat am Tegernsee, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 4, S. 84 f. ebenfalls abgedruckt in: Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung 3 (1954), Nr. 5, S. 37 f. Gehört-Gelesen 1 (1954), H. 11, S. 71 – 74. Ein Tafelklavier, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 5, S. 106 f. Wilhelm Diess (70. Geburtstag), in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 5, S. 117. Vor 800 Jahren, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 6, S. 127 f. Künstler am Tegernsee. Willy Preetorius, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 7, S. 155 – 157. Künstler am Tegernsee. Wolfgang Witschel und Ilse Hausner-Witschel, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 8, S. 179 f. Ein Altbayer erzählt, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 8, S. 183 f. Gebirgsschützen, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 9, S. 198 – 201. Sieg über den Tod, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 9, S. 206. Mars und Venus. Erinnerungen 1914 – 1919, Stuttgart 1954. Auf den Weg, in: Kiem Pauli (Hg.) Oberbayerische Volkslieder (erw. Neuausgabe der von Kurt Huber und Paul Kiem hg. »Oberbayerischen Volkslieder mit Bildern und Weisen«), München 1954, S. 104 – 107. (zuerst: 1930) Der Saliterer, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 10, S. 220 – 222. Jade und Seide, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 11, S. 250 – 253. Der Mönch Froumund, in: Das Tegernseer Tal 2 (1954), H. 12, S. 276 f. Zum Geleit, in: Deutsche Volksbildung 24 (1954), H. 3/4 Dezember, S. 1 f.

1955

In der Fürstenstraße, in: Das Tegernseer Tal 3 (1955), H. 1, S. 12 – 15. Kleinstadtidylle. Erinnerung an Murnau, in: Merian 8 (1955), H. 2, S. 17 f. Am Tegernsee begann’s, in: Das Tegernseer Tal 3 (1955), H. 3, S. 80 – 82. An Dora Stieler, in: Das Tegernseer Tal 3 (1955), H. 4, S. 120 – 122. Das königliche Hof- und Nationaltheater in München, in: Schönere Heimat 44 (1955), S. 12 u. 21. Zwei bayerische Denkschriften zur deutschen Frage aus dem Jahr 1867, in: ZBLG 18 (1955), S. 490 – 503.

1956

Erinnerungen an Heinrich Spoerl, in: Das Tegernseer Tal 4 (1956), H. 1, S. 20 f. Mordweihnacht 1705, in: Das Tegernseer Tal 4 (1956), H. 1, S. 25. Gäste am Tegernsee. Von Heinrich dem Heiligen bis Olaf Gulbransson, in: Merian 9 (1956), H. 1, S. 21 – 25. Die Furtwänglers auf Tanneck, in: Merian 9 (1956), H. 1, S. 89 – 93.

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Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

487

Der erste abendländische Roman, in: Das Tegernseer Tal 4 (1956), H. 2, S. 58 – 60. Pfälzer und Bayern. Portraits der Familie Kobell, in: Gehört-Gelesen 3 (1956), H. 4, S. 332 – 345. Ein Freundestrio, in: Mitteilungen der Hans-Pfitzner-Gesellschaft 3 (1956), Mai, S. 1 – 9. Funde am Weg, in: Das Tegernseer Tal 4 (1956), H. 3, S. 80 f. Künstler am Tegernsee. Paul Mildner, in: Das Tegernseer Tal 4 (1956), H. 3, S. 88 – 91. Geschichte in Medaillen, in: Das Tegernseer Tal 4 (1956), H. 4, S. 122 – 124. Pfälzer und Bayern. Porträts der Familie Kobell, in: Verborgene Heimat. Unbekanntes Bayern 2. Folge, München 1956, S. 45 – 60. ebenfalls enthalten: Die Landshuter Hochzeit, S. 101 – 109. Fridolin Solleder, in: Schönere Heimat 45 (1956), S. 256 f. Der Feichten-Franzl und sein Tagebuch. Eine ländliche Chronik, in: See-Geist (Tegernseer Zeitung) Nr. 300 v. 15./16. 12. 1956.

1957

Tausend Jahre Heilkräutergarten, in: Das Tegernseer Tal 5 (1956/57), H. 1, S. 19 – 21. Ein altbayerisches Kloster und der älteste Ritterroman des Abendlandes, in: GehörtGelesen 4 (1957), H. 3, S. 244 – 252. Ein bayerischer Hieronymus im Gehäus. Zum Gedenken Ludwig Thomas, in: Das Tegernseer Tal 5 (1957), H. 2, S. 53 f. Von Adele Spitzer bis zum Wildschütz Jennerwein. Das Ende von Nikolaus Bartls Chronik, in: See-Geist (Tegernseer Zeitung) Nr. 83 v. 6./7. 4. 1957. »Wenn der Zieler schö juchazt, brav springt und brav schreit«. Von den oberbayerischen Gebirgsschützen und ihrer Geschichte, in: Gehört-Gelesen 4 (1957), H. 5, S. 432 – 437. Funde am Weg, in: Das Tegernseer Tal 5 (1957), H. 3, S. 83. Künstler am Tegernsee. Willi Schmid, in: Das Tegernseer Tal 5 (1957), H. 4, S. 116 – 119. Geistige Heimat des Volksliedes, in: Der Zwiebelturm 12 (1957), H. 11, S. 285. (Hg. mit Rudolf Pikola) Karl Stieler, Ausgewählte Werke. 2 Bände, Hausham 1957. Paul Nikolaus Cossmann, in: NDB 3 (1957), S. 374 f. Am Rand der Geschichte. Münchner Begegnungen und Gestalten, München 1957. enthält: Geleitwort, S. 5 – 7. Leutholds Penthesilea, S. 9 – 18. (zuerst: 1950) Cosima Wagner und das Protektorat der Bayreuther Festspiele, S. 19 – 32. (zuerst: 1931) Der Prinzregent, S. 33 – 43. Ein Freundestrio, S. 44 – 52. (zuerst: 1956) Christentum und germanische Sage. Zur Erinnerung an Leopold Weber, S. 53 – 65. (zuerst:1951) Geschichte im Zimmer, S. 66 – 76. Maler und Galeriedirektor, S. 77 – 84. Ein Tafelklavier, S. 85 – 88. (zuerst: 1950) Lola Montez und ein Münchner Polizeidirektor, S. 89 – 116. Von Oskar von Miller und seiner Familie, S. 117 – 127. Vater und Sohn Furtwängler, S. 128 – 141. (zuerst: 1955)

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Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

Ansprache an den Kiem Pauli bei der Feierstunde der Bayerischen Akademie der Schönen Künste am Vorabend seines 75. Geburtstages am 24. Oktober 1957, in: Schönere Heimat 46 (1957), S. 386 – 390. Ein einfaches, braunes Tafelklavier, in: Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung 6 (1957), H. 11, S. 87 f. Ludwig Thoma. Ein bayerischer Hieronymus im Gehäus, in: Gehört-Gelesen 4 (1957), H. 12, S. 1057 – 1062. Ludwig und Lola. Aufzeichnungen eines Münchner Polizeidirektors, in: Merkur am Sonntag. Illustrierte Unterhaltungsbeilage des Münchner Merkur v. 30.11./1.12. , 7./ 8.12. u. 14./15. 12. 1957. (Abdruck aus »Am Rand der Geschichte«) 800 Jahre München, in: Merian 10 (1957), H. 12, S. 6 – 11. Vor unserer Weihnachtskrippe. Vom Tegernseer Tals aus wandern weihnachtliche Gedanken, in: Altbayerische Heimatpost Nr. 51 v. 22. 12. 1957, S. 16.

1958

Zum 6. Jahrgang, in: Das Tegernseer Tal 6 (1957/58), H. 1, S. 6. Der Kiem Pauli, in: Das Tegernseer Tal 6 (1957/58), H. 1, S. 21 f. Das Antlitz Bayerns, in: Das Parlament Nr. 1 – 2 v. 15. 1. 1958, S. 3. Der Hofmaler Joseph Stieler, in: Gehört-Gelesen 5 (1958), H. 4, S. 299 – 308. Max Dingler, in: Der Zwiebelturm 13 (1958), H. 5/6, S. 138. München. Rhythmus einer Stadtgeschichte, in: Gehört-Gelesen 5 (1958), H. 6, S. 481 – 493. Ein verborgener Schatz, in: Das Tegernseer Tal 6 (1958), H. 3, S. 80 – 82. Der »Alte Peter« – Ein Tegernseer, in: Das Tegernseer Tal 6 (1958), H. 4, S. 104 f. Kurt Huber zum Gedächtnis, in: Das Tegernseer Tal 6 (1958), H. 4, S. 114. Aus Gärten der Vergangenheit. Erinnerungen 1882 – 1914 (Neuausgabe), Stuttgart 1958. (Übers.) Thomas de Quincey »Das dunkle Tor«, in: SZ Nr. 261/262 v. 31.10./1./2. 11. 1958. Im Spiegel der Wissenschaften, in: Rolf Flügel (Hg.), Lebendiges München. 1158 – 1958, München 1958, S. 231 – 254. Am Rand der Geschichte. Münchner Begegnungen und Gestalten, 2. Auflage, München 1958.

1959

Olaf Gulbransson zum Gedächtnis, in: Das Tegernseer Tal 7 (1958/59), H. 1, S. 10. Schicksale im Tal. »Der Baron Hans«, in: Das Tegernseer Tal 7 (1958/59), H. 1, S. 26. Künstler am Tegernsee. Leo Slezak, in: Das Tegernseer Tal 7 (1959), H. 2, S. 58 – 60. Die Töpferscheibe dreht sich, in: Das Tegernseer Tal 7 (1959), H. 2, S. 62 f. Der Hofmaler Joseph Stieler, in: Alois Fink (Hg.), Unbekanntes Bayern. Band 3: Porträts aus acht Jahrhunderten, München 1959, S. 181 – 190. Gedanken eines Abiturienten von 1901, in: Festschrift zur Vierhundert-Jahr-Feier des Wilhelms-Gymnasiums, München 1959, S. 209 – 213. Thoma und Hofmiller. Erinnerungen, in: SZ Nr. 225 v. 19./20. 9. 1959.

1960

Funde am Weg, in: Das Tegernseer Tal 8 (1959/60), H. 1, S. 8 – 10. Ein Brief Ludwig Thomas, in: Das Tegernseer Tal 8 (1959/60), H. 1, S. 21 f.

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Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

489

Menschlichkeit ist das Kernstück seiner Therapie. Professor Karl Alexander von Müller dankt Dr. Adolf Schlemmer zum 65. Geburtstag, in: See-Geist (Tegernseer Zeitung) Nr. 90/91 v. 14./15. 4. 1960. »Für die Hochzeiterin 13 Maß Bier«, in: Das Tegernseer Tal 8 (1960), H. 2, S. 72. Ansprache für das Sängertreffen am 27. 3. 1960 zum Gedenken an das 1. Volksliederpreissingen am 30. 3. 1930 in der »Überfahrt« zu Egern am Tegernsee, in: Schönere Heimat 49 (1960), S. 200 f. Reiter-Holl-Kiem, in: Schönere Heimat 49 (1960), S. 228 f. Zu guter Letzt. Begegnungen mit dem Kiem Pauli, in: Gehört-Gelesen 7 (1960), H. 12, S. 1031 – 1035. Einführung, in: Klaus Brantl, Strahlendes München, München 1960, S. 5 – 12.

1961

Letzte Lieder übers Grab, in: Das Tegernseer Tal 9 (1960/61), H. 1, S. 10 f. Im Zeichen schlagen, in: Das Tegernseer Tal 9 (1960/61), H. 1, S. 14 f. (mit Carl Amery) Das Spiel vom Antichrist, in: Unbekanntes Bayern. Band 6: Das Komödi-Spielen, München 1961, S. 9 – 23. Ein Weltuntergangsdrama vor 800 Jahren (ein Zwiegespräch), in: Gymnasium mit Oberrealschule Tegernsee. Jahresbericht 1960/61, Tegernsee 1961, S. 5 – 8. Ein Marschall Napeolons in der Tegernseer Gruft, in: Das Tegernseer Tal 9 (1961), H. 2, S. 58 – 60. Auch D.H. Lawrence am Tegernsee, in: Das Tegernseer Tal 9 (1961), H. 2, S. 74 f. Nachruf für Max Dingler. Gesprochen bei der Trauerfeier am 1. 7. 1961, in: Schönere Heimat 50 (1961), S. 312. Begegnung mit Georg Kerschensteiner und Oswald Spengler, in: SZ Nr. 294 v. 9./10. 12. 1961.

1962

Schicksale im Tal. Lord Ponsonby, in: Das Tegernseer Tal 10 (1961/62), H. 1, S. 16 f. Altbayrisch in Ton und Bild, in: Das Tegernseer Tal 10 (1962), H. 2, S. 58 f. Noch einmal Lord Ponsoby, in: Das Tegernseer Tal 10 (1962), H. 2, S. 62. Forschung und Zufall, in: Das Tegernseer Tal 10 (1962), H. 2, S. 82. Nachwort zur neuen Auflage, in: Pauli Kiem (Hg.), Sammlung Oberbayerischer Volkslieder, 2. Auflage, München 1962, S. 441 – 444. Wanderungen um den Staffelsee, in: Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung 11 (1962), Nr. 12, S. 93 f.

1963

Persönlichkeiten im Tal. Dr. Paul Jaeger, in: Das Tegernseer Tal 11 (1962/63), H. 1, S. 12 – 14. Karl Stieler zum Gedächtnis (Geboren 15. Dezember 1842), in: Das Tegernseer Tal 11 (1962/63), H. 1, S. 27 – 29. Schicksale im Tal. Maria Anna Vorkirchner und Johann Baptist Truchner, in: Das Tegernseer Tal 11 (1962/63), H. 1, S. 30. Vom Charakter des Altbayern / Eine neue Epoche der Menschheit (Karl Alexander von Müller zum 80. Geburtstag), in: Das Tegernseer Tal 11 (1962/63), H. 1, S. 34 f.

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490

Schriftenverzeichnis Karl Alexander von Müller

Die einstigen »Fortifikationswerke« bei Kreuth, in: Das Tegernseer Tal 11 (1963), H. 2, S. 68 – 70. Schicksal im Tal. Zum letzten Mal: Lord Ponsoby, in: Das Tegernseer Tal 11 (1963), H. 2, S. 82 f. Kaiser Ludwig der Bayer, in: Unbekanntes Bayern. Band 8: Bilder aus der bayerischen Geschichte, München 1963, S. 94 – 103. (zuerst: 1953) ebenfalls enthalten: Kurfürst Maximilian, S. 162 – 170. (zuerst: 1953) König Ludwig II., S. 249 – 258. (zuerst: 1953)

1964

Herzog Ludwig Wilhelm in Bayern, in: Schönere Heimat 53 (1964), S. 194. München. Rhythmus einer Stadtgeschichte, in: Unbekanntes Bayern. Band 9: Städte am Fluss, München 1964, S. 142 – 155. (zuerst: 1958)

Posthum

Im Wandel einer Welt. Erinnerungen Band 3. 1919 – 1932 (hg. v. Otto Alexander von Müller), München 1966.

Neuauflagen selbständiger Veröffentlichungen

(Hg.) Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten der Reichskanzlerzeit, Osnabrück 1967. Danton. Ein historischer Essay, Stuttgart 1980. (Hg.) John Robert Seeley, Die Ausbreitung Englands, Hannover 2008 (Nachdruck).

Herausgegebene Zeitschriften

Süddeutsche Monatshefte (Mitherausgeber 1914 – 1933) Das Bayerland. Illustrierte Halbmonatsschrift für Bayerns Land und Volk (Mitherausgeber 1917 – 1939) Deutsche Volksbildung (Mitherausgeber 1925 – 1929) Historische Zeitschrift (Herausgeber 1935 – 1943) Corona. Zweite Folge (Mitherausgeber 1943/44) Tegernseer Tal (Mitherausgeber 1953 – 1963)

Herausgegebene Reihen

Deutsches Sagenbuch (Mitherausgeber der Erstauflagen von Teil 1 »Die Götter und Göttersagen der Germanen«, München 1909; Teil 2 »Die deutschen Heldensagen«, München 1912; Teil 4 »Die deutschen Volkssagen«, München 1910) Bibliothek der Weltgeschichte (Mitherausgeber 1921 – 1923) Joseph Görres Gesammelte Schriften (Mitherausgeber von Band 3 »Geistesgeschichtliche und literarische Schriften I (1803 – 1808)«, Köln 1926; Band 12 »Das Heldenbuch von Iran aus dem Schah Nameh des Firdussi«, Köln 1942) Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung des deutschen Volkstums im Süden und Südosten (Mitherausgeber 1933 – 1935) Münchener Historische Abhandlungen (Mitherausgeber 1933 – 1939)

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Verzeichnis betreuter Dissertationen Im Nachlass Müllers wie bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte liegen von Schülern für Müllers Geburtstage erarbeitete Aufstellungen von Doktoranden vor.1 Ausgehend von diesen, wurden im Universitätsarchiv München die Promotionsakten der Philosophischen Fakultät zwischen 1920 und 1945 eingesehen. Als von Müller betreute Dissertationen wurden aufgenommen, für welche er als Erstgutachter fungierte sowie jene vor 1928, bei denen Müller nur das Korreferat innehatte, durch die Promovenden jedoch ausdrücklich als Betreuer der Arbeit benannt wurde. SS 1923

Alois Hundhammer, Geschichte des Bayerischen Bauernbundes Wilhelm Joost, Die Landtagsauflösungen in Hessen 1833 und 34. (Ein Beitrag zur Geschichte des Liberalismus.)

WS 1923/24

Wolfram List, Macaulay’s historische und politische Anschauungsweise

SS 1924

Kurt von Raumer, Karl Brater und die Anfänge einer nationaldeutschen Bewegung in Bayern (1859 – 62)

WS 1926/27

Richard Breitling, Paul de Lagarde und der Grossdeutsche Gedanke Walter Frank, Hofprediger Stoecker und die christlich-soziale Bewegung

WS 1927/28

Ernst Hanfstaengl, Das Oesterreichische-Bayerische Fusionsproblem im 18. Jahrhundert. Beiträge und Materialien zum österreichischen Machtproblem von 1685 – 1788 unter besonderer Berücksichtigung der Belgisch-Bayerischen Austausch-versuche Josephs II. in den Jahren 1777 – 1787 Alexander Scharff, Preussisch-hegemonische Strömungen in der Frühzeit der Deutschen Einheitsbewegung

SS 1928

Joseph Gmeinwiser, Die bayerische Politik im Jahre 1805 Franz Renz, Der Bayerische Landtag von 1827/28 1 Dissertationen 1928 – 1942, BayHStA, NL von Müller 403; KommBayLG, K.A.v. Müller, Akte zum Geburtstag 1962 und zur Festschrift 1964.

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492

Verzeichnis betreuter Dissertationen

WS 1928/29

Adolf Scheffbuch, Die geistigen Grundlagen des Bolschewismus. Ein Beitrag zur entstehungsgeschichtlichen Erkenntnis des Bolschewismus

SS 1929

Alban Geiger, Die Stellung der deutschen Sozialdemokratie zur auswärtigen Politik der Reichsregierung im letzten Vorkriegsjahrzehnt Wolfgang Krämer, Geschichte des Steinkohlenbergbaues zu St. Ingbert. Mit besonderer Berücksichtigung der Frühzeit nach archivalischen Quellen P. Winfrid von Pölnitz , Ludwig I. und Johann Martin Wagner, ein Beitrag zur Geschichte der Kunstbestrebungen des Königs P. Placidus Sattler, Die Wiederherstellung des Benediktinerordens durch König Ludwig I. von Bayern Ildefons Stegmann, Anselm Desing, Abt. von Ensdorf 1699 – 1772. (Ein Beitrag zur Geschichte der Aufklärung in Bayern.) Bernhard Walcher, Beiträge zur Geschichte der bayerischen Abtswahlen mit besonderer Berücksichtigung der Benediktinerklöster

WS 1929/30

August Priesack, Die bayerischen Abgeordneten in der Frankfurter Nationalversammlung Ferdinand Weckerle, Geschichte der Ministerverantwortlichkeit in Bayern bis z. Tode Maximilians I.

SS 1930

Erwin Goebel, Die pfälzische Presse im Abwehrkampf der Pfalz gegen Franzosen und Separatisten 1918 – 1924 Wilhelm Heinloth, Die Münchner Dezemberunruhen 1830 Maria Mayer, Die Familienpolitik des bayerischen Herrscherhauses zu Beginn des 19. Jahrhunderts Georg Raubold, Die bayerische Landtagsberichterstattung vom Beginn des Verfassungslebens bis 1850. Ein Beitrag zur Geschichte Bayerns und der Presse

WS 1930/31

Valeria Dcsacsovszky, Das Ministerium des Fürsten Ludwig von Öttingen-Wallerstein 1832 – 1837 Walter Decker, Die wirtschaftliche und soziale Lage des oberpfälzischen Landsassenadels, insbesondere der Notthaft nach dem 30-jährigen Krieg Ferdinand Koeppel, Ignatz von Rudhart. Eine politische Biographie Franz Krebs, Das deutsche Schulwesen Ambergs von den Anfängen im 15. Jahrhundert bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts Ottokar Lorenz, Der Begriff der Bourgoisie bei Marx und Engels. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und Kritik der marxistischen Klassenkampftheorie Carl Mailer, Die Wahlbewegungen des Jahres 1848 in Bayern Hugo Schnell, Einflüsse des Konzils von Trient auf die Kunst in Altbayern mit besonderer Berücksichtigung des bayerischen Volkstums

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Verzeichnis betreuter Dissertationen

493

M. Lioba Schreyer, Geschichte des Franziskanerinnenklosters in Dillingen 1241 – 1830 Georg Völkl, Kirchdorf, eine Pfarreigeschichte aus dem Ampertal

SS 1931

Wilhelm von Kloeber, Die Entwicklung der deutschen Frage 1859 – 1871 in grossdeutscher und antiliberaler Beurteilung. (Die Zeitläufte Dr. Jörgs in den Historisch-Politischen Blättern für das katholische Deutschland.) Otmar Doerr, Forschungen zur Geschichte des Instituts der Inclusen in Süddeutschland, vornehmlich in Regensburg Hans Gstettner, Aus 300 Jahren Regensburger Publizistik (Regensburger ReichstagsKorrespondenzen. Ein Stück Pressepolitik des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation) Michael Hörmann, Die Augustiner Chorherren in Augsburg im Mittelalter Charlotte Sempell, England und Preussen in der Schleswig-Holsteinischen Frage. Vornehmlich nach den diplomatischen Akten

WS 1931/32

Erhard Hauck, Die Presse als Vorkämpferin der Eisenbahn (m. bes. Berücksichtigung der bayerischen Presse) Kurt Hägele, Die Chamoische Liste, ihre Bedeutung für die Pfalz und ihre Auswirkungen in der kurpfälzischen Religionsdeklaration von 1705 Albert Haider, Scherstetten-Erkhausen im Quellgebiet der Schmutter. Beiträge zur Geschichte des Schmuttertales Dietrich von Langen, Anzeigen und Reklame in den »Neuesten Nachrichten«. Ein Spiegelbild des Münchner Bürgertums 1848 – 52 Herta Mittelberger, Johann Christian von Hofenfels 1744 – 1787. Ein Kämpfer für die bayerische Eigenstaatlichkeit Hans W. Schwarz, Die Vorgeschichte des Vertrages von Ried

SS 1932

Hans Fleischmann, Die pfälzische Presse und der bayrische Landtag 1848 Karl Habenschaden, Der Münchner Nuntiaturstreit in der Publizistik Georg Hahn, Der Nachrichtendienst von Pfalz-Neuburg von den Anfängen bis zum Zerfall der geschriebenen Zeitung Josef Köstler, Geschichte des Waldes in Altbayern Theodor Neuhofer, Gabriel von Eyb. Fürstbischof von Eichstädt 1455 – 1535 Werner Uhde, Hermann von Rotenhan. Eine politische Biographie Fritz Wagner, Der Liberale Benjamin Constant. Zur Geschichte seines politischen Wesens

WS 1932/33

Karl Richard Ganzer, Richard Wagner und die Revolution Hans Karl von Zwehl, Der Kampf um Bayern 1805

SS 1933

Hermann Endrös, Reichsunmittelbarkeit und Schutzverhältnis des Benediktinerstiftes St. Ulrich und Afra in Augsburg vom 11.–17. Jahrhundert

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Verzeichnis betreuter Dissertationen

Anton Grassl, Lorenz von Westenrieders Briefwechsel und innere Entwicklung Wilhelm Grau, Antisemitismus im späten Mittelalter. Das Ende der Regensburger Judengemeinde. 1450 – 1519 Alois Helmbrecht, Die Kunst der Kalt- und Kupferschmiede in Oberbayern. Ein Beitrag zur Geschichte des Zunftwesens Gottfried Hobus, Wirtschaft und Politik in Österreich-Ungarn 1908 – 1914 Martha Schmidt, Die Aufklärung im Fürstbistum Passau August Stengel, Die kulturelle Physiognomie des französischen Sozialismus Otto Veh, Bayern und die Einigungsbestrebungen im deutschen Postwesen

WS 1933/34

Rudolf Böhl, Die Einverleibung Aschaffenburgs in Bayern und ihre Auswirkung vornehmlich auf das Verwaltungswesen Heinrich Buchner, Hinterglasmalerei in Südbayern, im bayerischen Wald und im österreichischen Grenzgebiet Dietmunda Kagermeier, Joseph Moritz, sein Leben und seine Arbeit (1769 – 1834) Alfons Königer, Georg Friedrich Zentner und sein Anteil an der bayerischen Aussen- und Innenpolitik Heinrich Kraft, Der Anteil der 11. bayer. Inf.-Div. an der Durchbruchschlacht von GorliceTarnow und an den anschliessenden Verfolgungskämpfen bis zum Übergang der Division über den San Gertrud Lohmann, Friedrich Naumanns Deutscher Sozialismus Walther A. Ricklinger, Die Geschichtsschreibung im 19. Jahrhundert mit besonderer Betonung der nationalliberalen Schule. (Untersucht an der Entwicklung der Historischen Zeitschrift unter Heinrich von Sybel). Karl Rüdinger, Die Arbeiterbewegung in Bayern 1848 – 1850 Theodor Schieder, Die deutsche Fortschrittspartei in Bayern und die deutsche Frage 1863 – 1871 Oskar Splett, Die grosssen deutschen Mächte und das Kölner Ereignis 1838 – 42

SS 1934

Walter Gebhardt, Die deutsche Politik der Augsburger Allgemeinen Zeitung von 1859 – 1866 Franz-Xaver Schlecht, Die Geschichte des Benediktinerklosters Oberaltach bis zur Zeit des 30jährigen Krieges Fritz Valjavec, Karl Gottlieb von Windisch. (1725 – 1793) Das Lebensbild eines südostdeutschen Bürgers der Aufklärungszeit M. Bernarda Wagner, Die Säkularisation der Klöster im Gebiet der heutigen Stadt Passau

WS 1934/35

Hermine Kühn-Steinhausen, Beiträge zur Geschichte der politischen Agenten des 17. Jahrhundert (Pfalz-Neuburg und die Kurie) Kurt Wirth, Der grossdeutsche und der mitteleuropäische Gedanke in ihrer Wechselwirkung von 1815 – 1862 Marie-Luise Wolf, Die Tätigkeit des Botschafters Graf Hatzfeld in London 1885 – 1901

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495

SS 1935

Rudolf Böhmer, Die Vierherzogzeit in Oberbayern-München und ihre Vorgeschichte Alois Dürrwanger, Augsburg – Kriegshaber. Beiträge zur Ortsgeschichte mit kulturellen, agrarhistorischen und wirtschaftsgeschichtlichen Streiflichtern Herta Gallas, Wittelsbach und die Reichsreformbewegung 1459 – 1467 Hans Oskar Laber, Blut und Geist des Ausländers in der bayerischen Geschichte Philomena Lehner, Emilie Linder und ihr Freundeskreis Eva Peiffer, Wilhelm Joseph Behr. Studie zum bayerischen Liberalismus der MetternichZeit Ida Rindfleisch, Die politische Tätigkeit des Freiherrn von Lori Fritz Frhr. v. Rummel, Das Ministerium Lutz und seine Gegner. 1871 – 82. Ein Kampf um Staatskirchentum, Reichstreue und Parlamentsherrschaft in Bayern Joseph Saller, Straubing und Umgebung im österreichischen Erbfolgekrieg 1741 – 45 Albert Schwarz, Die wichtigsten katholischen Zeitschriften Deutschlands, besonders Bayerns, zur Handwerkerfrage in den Jahren 1848 bis 1870 Hella Seidenzahl, Die politische Geschichte der englischen Arbeiterpartei seit dem Weltkrieg

WS 1935/36

Silvia von Brockdorff, Frauenchiemsee im 17. Jahrhundert Karl Dinklage, Münnerstädter Geschichte im Mittelalter. Die Entwicklung von Verfassung und Wirtschaft in Dorf und Stadt Münnerstadt bis zum Ausgang des 15. Jhd. Irene Grill, Coelestin Steiglehner, letzter Fürstabt von St. Emmeran Regensburg Karl Friedrich Grosse, Die politische und militärische Bedeutung des U-Boot-Krieges 1914 – 1918 Sebastian Hiereth, Ein niederbayerisches Landgericht. Landgericht Moosburg Max Huber, Ludwig I. von Bayern und die Ludwig-Maximilians-Universität in München (1826 – 1832) Anni Huber, Die Hofmark Planegg Edgar Krausen, Die Wirtschaftsgeschichte der ehemaligen Cistercienserabtei Raitenhaslach bis zum Ausgang des Mittelalters Hans Küsswetter, Studien zu Fürst Bülows Denkwürdigkeiten Kurt Müller, Zur Beurteilung der Revolution in der französischen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts Johannes Siemer, Geschichte des Dominikanerklosters St. Magdalena in Augsburg 1225 – 1803 M. Veneranda Wiest, Abt Honorat Kolb von Seon

SS 1936

Hermann Schöberl, Pater Bonaventura Oberhuber von Tegernsee als Prokurator der bayerischen Benediktinerkongregation in Rom 1690 – 95 Christian Wolff, Amerikanischer Sozialismus

WS 1936/37

Ruth Bösenecker, Die schwäbische Reichsstadt Memmingen im Kriegsjahr 1796 Gertrud Brück, Die Bedeutung Justus Mösers für das Leben und Denken Thomas Abbts

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496

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Helmut Eckert, Die Wirkung der politischen Gestalt Friedrich des Grossen 1756 – 1806 Hans Ludwig Hartdegen, Die Vatikanische Frage und die Entstehung des Dreibundes Otto Puchner, Die Ortsnamen im Bezirksamt Dinkelsbühl als Zeugen germanisch-deutscher Besiedlung Klaus Schickert, Jüdische Assimilation und antisemitische Bewegung in Ungarn Ferdinand Strobel, Der Katholizismus und die liberalen Bestrebungen in Baden vor 1848 (Ein Beitrag zu den Ursachen und Anfängen des politischen Katholizismus in Deutschland)

SS 1937

Jenny Feil, Bayerischer Separatismus der Eisnerzeit Liselotte von Hoermann, Der bayerisch-badische Gebietsstreit (1825 – 1832) Wilhelm Lettenmeyer, Der Niedergang der reichsstädtischen Finanzwirtschaft Nördlingens und die Tätigkeit der kaiserl. Subdelegationskommission im 18. Jahrhundert Franz Niedermayer, Johann Philipp von Lamberg, Fürstbischof von Passau (1651 – 1712). Reich, Landesfürstentum und Kirche im Zeitalter des Barock Karl Schasching, Jugendbewegung und Freikorps als Zeit-Problem. Ein historisch-politischer Versuch

WS 1937/38

Anita Brittinger, Die bayerische Verwaltung und das volksfromme Brauchtum im Zeitalter der Aufklärung Sturmius Drexel, Reichsstift und Reichsstadt. Eine Darlegung der rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Reichsstift St. Ulrich und Afra in Augsburg und der Reichsstadt Augsburg im 17. und 18. Jahrhundert Hanneliese Haffner, Das Dominikanerinnenkloster St. Katharinen in Augsburg im 18. Jahrhundert Antonie Hornig, Wilhelm Heinrich Riehl und König Maximilian II. von Bayern Georg Klingmann, Die erste Regierung der Sozialdemokratie in Deutschland und die Ereignisse in Berlin vom 9. November 1918 bis zur Nationalversammlung Maria Angela König, Weihegaben an U.L. Frau von Altötting vom Beginn der Wallfahrt bis zum Abschluss der Säkularisation. Eine Quellenstudie zur deutschen Votivgeschichte Sigfrid Kuhn, Der Aufstand der Kleinindustriearbeiter im Stadt- und Landkreis Solingen am 16. und 17. März 1848, seine Ursachen und seine Ergebnisse Karl Schädle, Sigmund Gossenbrot, ein Augsburger Kaufmann, Patrizier und Frühhumanist Ludmilla Schlereth, Die politische Entwicklung des ungarländischen Deutschlands während der Revolution 1918/19 Hedwig Schwind, Jakob Pleyer, der Führer des ungarländischen Deutschtums. Ein Lebensbild Kurt Uebe, Der Stimmungsumschwung in der bayerischen Armee gegenüber den Franzosen 1806 – 1812 Karlheinz Zechner, Die Rechte der Kärtner Städte im Mittelalter und ihr Zusammenhang mit den Stadtrechten ausserhalb Kärntens

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SS 1938

Friedrich Blendinger, Die Bevölkerungsbewegung in der ehemaligen Reichsstadt Weissenburg am Nordgau von rd. 1580 – 1720 Karl Bosl, Das Nordgaukloster Kastl. (Gründung, Gründer, Wirtschafts- und Geistesgeschichte) Paul Busch, Friedrich Schlegel und das Judentum Ahmet Cevat, Das Nationalgefühl der Türken Aurelia Gerlach, Der Einfluss der Juden in der österreichischen Sozialdemokratie Franz Johann Hoedl, Das Kulturbild Altbayerns in den Predigten des P. Jordan von Wasserburg O.M. Cap. (1670 – 1739) Hermann Kessler, Politische Bewegungen in Nördlingen und dem bayerischen Ries während der deutschen Revolution 1848/1849 Helmut Schläfer, Die bayerisch-französischen Beziehungen in der Zeit des 30-jährigen Krieges (1622 – 1625) Franz Joseph Schmid, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der Herrschaft und Hofmark Winhöring Heinrich Schnitger, Die deutschen Bischöfe aus der Königssippe von Otto I. – Heinrich V. Friedrich Steck, Das Münchner Loden- und Tuchmachergewerbe bis zum 18. Jahrhundert Alois Weißthanner, Tschechische Einfälle und Grenzstreitigkeiten in der bayerischen Ostmark von den Hussitenkriegen bis zum Beginn des 30-jährigen Krieges, mit besonderer Berücksichtigung siedlungsgeschichtlicher Verhältnisse Karl Winkler, Die Schlacht bei Hiltersried im Jahre 1433 Alfred Zeilmann, Die bayerische Kavalleriedivision 1915 in Litauen und Kurland

WS 1938/39

Margarete Baur, Benedikta Winterholler. Priorin des Dominikanerinnenklosters St. Ursula zu Augsburg (1829 – 1857) Erich Emmerling, Die Ansichten über die Entstehung des Sudentendeutschtums in der Geschichtsschreibung der Sudetenländer Anne Heidrich, Der Kampf um Volkstum und Staat in der Untersteiermark 1900 – 1919 Frieda Rieder, Geschichte des Hl. Geist-Spitals in Ingolstadt bis zum 30-jährigen Krieg Edith Ringelmann, Die Säkularisation des Hochstifts und des Domkapitels Passau Gertrud Roth, Die gefürstete Probstei Berchtesgarden in der Zeit ihres letzten gefürsteten Probstes 1780 – 1803 Isolde Schmidt, Beiträge zur Geschichte des Parteiwesens beim Südostdeutschtum 1848 – 1918 Senta Schulz, Wilhelm IV. der Weise, Landgraf von Hessen-Kassel (1532 – 92) Werner Schulze, Die Gleve. Ein Beitrag zur Heergeschichte des späten Mittelalters Karl Wild, Bayern und Böhmen. Beiträge zur Geschichte ihrer Beziehungen im Mittelalter Rudolf Wollmeringer, Die geistige Auseinandersetzung zwischen Weiss und Farbig. Von Engelbert Kämpfers »Amoenitates Exoticae« (1712) zu Georg Forsters »Reise um die Welt« (1777)

SS 1939

Friedrich Hilpert, Die Grundlagen der bayerischen Zentrumspolitik 1918 – 1921. Politischer Katholizismus und Reichsgedanke

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Anton Hoch, Der politische Umsturz 1918/19 im deutschen Westböhmen Friedrich Koob, Aventin als Erzieher Elfriede Kristek, Bauernlage und Bauernnot in der kurpfälzischen Grafschaft Leiningen (1400 – 1525) Grete Lang, Die Nationalitätenkämpfe in Klausenburg im ausgehenden Mittelalter. (Als Beispiel für die Entdeutschung einer mittelalterlichen Stadt.) Sieglinde Odörfer, Die Okkupation und Annexion Bosniens und der Herzegowina im Spiegel der österreichisch-ungarischen Volksvertretungen. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Abwehrkampfes in der Donau-Monarchie Dierk Gerhard Puls, Die »Los-von-Rom«-Bewegung im Habsburgerreich Rudolf Thiersch, Otto von Bismarck im Urteil englischer Politiker und Diplomaten seiner Zeit 1862 – 1890 Horst Witte, Die Ansichten Jakobs I. von England über Kirche und Staat mit besonderer Berücksichtigung der religiösen Toleranz Fritz Zimmermann, Vorgeschichte und Entstehung der Bayerischen Constitution von 1808

Drittes Fachsemester 19392

Alfred Ernstberger, Geschichte des Vaterstammes der Dorfner in Hirschau (Bayerische Ostmark) Josef Knott, Eduard Simson in der Revolution von 1848/49 Julius Schmidt, Die Kontinuität der englischen Aussenpolitik als Ergebnis der englischenpuritanischen Weltanschauung. Mit sieben Beispielen englischer politischer Führung: Cromwell – Marlborough – Der Ältere Pitt – Canning – Palmerstone – Gladston – Grey Edith Sokolowsky, Maximilian Harden und die wilhelminische Zeit Hermine Stiefenhöfer, Philipp von Flersheim, Bischof von Speyer (1529 – 1552) und gefürsteter Propst von Weißenburg 1456 – 1552. Ein Beitrag zur Geschichte der Reformation und der deutschen Westmark Winand Vogel, Spenglers staatsmännisches Denken

II. Trimester 1940

John H. Muller, Der amerikanische Einfluss auf Friedrich List

III. Trimester 1940

Ed. Lautenschlager, Das deutsche und französische Königtum und der Feudalismus

19403

Herbert Loew, Die Geschichte des Studententums an der Universität Ingolstadt im Zeitalter der Gegenreformation und des 30-jährigen Krieges (1550 – 1630) Sofie Rupprecht, Geschichte des Hl. Geist-Spitals in Neumarkt / Oberpfalz

2 Einführung von Kriegstrimestern zum Herbst 1939, es entfällt das WS 1939/40, Rückkehr zur Einteilung in Semester allerdings bereits zum Sommer 1941. 3 Ab 1940 sind umfangreiche Aktenverluste wegen Kriegsschäden bzw. einem Diebstahl im Dekanat zu verzeichnen, die Mehrzahl der Promotionen ist nur noch Jahren zu zuordnen.

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Dieter Schulze, Das politisch-geographische und geopolitische Kräfteverhältnis zwischen den drei chinesischen Südwest-Provinzen (Jün-nan, Kwang-si, Kwang-tung), BritischBirma und Französisch-Indochina im Spiegel der Geschichte Anton Uhl, Peter von Schaumburg, Kardinal und Bischof von Augsburg 1424 – 1469. Ein Beitrag zur Geschichte des Reiches, Schwabens u. Augsburgs im 15. Jhd.

1941

Hans Walter Berg, Studien zu Problemen der amerikanischen Neutralitätspolitik. Eine historisch-politische Untersuchung Anna Lore Bühler, Karoline, Königin von Bayern. Beiträge zu ihrem Leben und zu ihrer Zeit Wilhelm-Lothar Diehl, Das Ringen um die politische Universität in der unvollendeten Revolution 1848 Karl Hans Ertl, Eduard Glatz. Das Lebensbild des ersten Vorkämpfers für das ungarische Deutschtum Wilhelm Fichtl, Das bayerische Bücherzensurkollegium Petronella Friedrich, Die Geschichte des Studententums an der Universität Ingolstadt im Zeitalter des Humanismus und der Reformation (1472 – 1550) Barbara Groneweg, Die Anfänge der volkspolitischen Arbeit Edmund Steinackers 1914 – 18 Albrecht Knaus, Die »Münchner Post« während des Weltkrieges. Ein zusammenfassender Überblick über die Haltung eines sozialdemokratischen Blattes in den Jahren 1914/18 Alfred Kolb, Johann Joachim Becher in Bayern Ilse-Marie Marquardt, Volk im Mittelalter. Seine Spiegelung im historischen Schrifttum von Herder bis Burkhardt Franz Karl Weber, Wirtschaftsquellen und Wirtschaftsaufbau des Reichsstiftes Ottobeuren im beginnenden 18. Jahrhundert

1942

Ingeborg Bittler, Die italienische Kirchenpolitik der sächsischen Kaiser. Mit besonderer Berücksichtigung Heinrichs II. Juliane Breunig, Das Journal von und für Deutschland. 1784 – 1792. Eine deutsche Zeitenwende im Spiegel einer deutschen Zeitung Wilhelm Kissel, Bismarcks und Nietzsches Verhältnis zu ihrer Zeit und Nietzsches Verhältnis zu Werk und Person Bismarcks Gregor Prokoptschuk, Die österreichische Kirchenpolitik in der Westukraine in der Zeit Maria Theresias von 1772 – 1780 Hans Heinrich Rohde, Deutschland, England und die portugiesischen Kolonien 1911 – 14. Ein Beitrag zur Geschichte der deutsch-englischen Beziehungen vor dem Weltkrieg Gertrud Vorwerk-Semler, Ferdinand von Schill und seine Wirkung auf seine Zeit Erwin Zeh, Benjamin Disraeli und die Rassenfrage

1943

Martin Coulin, Machtbestrebungen des Kaisers und der Kurfürsten im Dreissigjährigen Kriege bis zum Kurfürstentag von Regensburg 1630

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500

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Dora Herzog, Kurfürstin Adelheid von Bayern. Ein Beitrag zur Geschichte des höfischen Absolutismus Clemens Köttelwesch, Die koloniale Schuldlüge im Urteil Englands Eugen Oskar Rindt, Salomon Idler. Grundlagen für ein Lebensbild des »Fliegenden Schusters von Augsburg« Ludwig Rogl, Der Anteil Adam Müller-Guttenbrunns am völkischen Erwachen des Donauschwabentums Heinrich Seibert, Die französische Pfalzpolitik und die Loslösungsbestrebungen in der Pfalz während des Waffenstillstandes (1918/19)

1944

Hans Eberhard Bayrhoffer, Die Organisation der Rechtspflege im Gebiete der heutigen Pfalz durch die Franzosen vom Beginn der Französischen Revolution 1789 bis zum 2. Pariser Frieden vom 20. November 1815 Liselotte Bechtel, Die Fugger in Danzig und im nordosteuropäischen Raum Glauco Boico, Die Folgen des Versailler Vertrages Hildegunde Dietrich, Die Neuangliederung Augsburgs an Bayern 1806 und die Augsburger öffentliche Meinung Gabriele Glashauser, Das Entstehen der politischen Parteien bei der Revolution von 1848 in Bayern Heinz Gollwitzer, Carl August von Abel und seine Politik 1837 – 1847 Gudrun Herbst, Bayern und Österreich im Zeitalter der deutschen Reformation Hanns Robert Huber, Corbinian von Prielmaier (1643 – 1707), ein tragischer Staatsmann der Barockzeit Edith Kugler, Der Politiker Clemenceau Hildegard Lipp, Kurfürst Maximilian II. Emmanuel von Bayern und die Künstler Berta Müller, Die Ausländer im Fridericianischen Heer Julia Römhild, Herzogtum Lothringen und Kaiser und Reich zur Zeit der Christine von Dänemark Michael Schattenhofer, Julius Langbehn, der Rembrandtdeutsche Ingeborg Schweiger, Marchese D’Ormea und die italienische Gleichgewichtspolitik (1732 – 1745) Gunther Stoll, Königin Viktoria und Kaiser Wilhelm II. Lioba Throner, Die Diepoldinger und ihre Ministerialien

1945

Annaliese Bergner, Heldenverehrung und Ruhm bei Friedrich dem Grossen Paula Fischer, Pater Frank Georg Franz, Erzherzog Franz Ferdinand und seine Reformpläne Hermine Freisinger, Die Geschichte des Donau-Schiffahrtvertrages von 1840 Irmgard Gierl, Bauernleben und Bauernwallfahrt in Altbayern. Eine kulturkundliche Studie auf Grund der Tuntenhausener Mirakelbücher Heinrich Hochreither, Die nationalsozialistische Bewegung im Kampf um die Macht im Lichte der französischen Zeitschriften Else Mayer, Die Einwanderung von Pfälzern nach Altbayern zu Beginn des 19. Jhd.

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501

Elisabeth Rothlauf, Die Beziehungen zwischen den Landesfürsten von Bayern und Tirol von 1369 – 1504 Irene Stuckert, Salisbury und Deutschland Friedrich Weilenmann, Rumänien auf dem Berliner Kongress 1878 Wolfgang Zorn, Zur Reichspublizistik des späteren 18. Jahrhunderts (1763 – 1792)

Nach 1945 vollzogene Promotionen

August Gemperlein, Konrad Gross, der Stifter des Nürnberger Heiliggeistspitals und seine Beziehung zu Kaiser Ludwig Helene Laible, Wilhelm Dönniges als Berater König Maximilians II. Max Mehringer, Franz Schuselka (1811 – 1886). Ein publizistischer Vorkämpfer der Donaumonarchie

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Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Bayerische Akademie der Schönen Künste München (BAdSchK) Mappe Karl Alexander von Müller

Bayerische Akademie der Wissenschaften München (Archiv BAdW)

Personalakten Protokolle der Vorstandssitzungen Protokolle der Philosophisch-historischen Abteilung Satzung und Geschäftsordnung 1919 – 1953 Wahlakten

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA)

Ministerium (bis 1918: des Königlichen Hauses und) des Äußern (MA) Ministerium des Innern (MInn) Ministerium für Unterricht und Kultur (MK) Nachlass Friedrich von Brettreich Nachlass Paul Nikolaus Cossmann Nachlass Karl Alexander von Müller Staatskanzlei (StK) Südost-Institut (SOI)

Bayerischer Rundfunk Historisches Archiv München (BR)

Hörfunk (HF) Rundfunkvorläufer (RV)

Bayerische Staatsbibliothek München (BSB)

Nachlass Karl Bosl (Ana 572) Nachlass Elsa und Hugo Bruckmann (Bruckmanniana) Nachlass Georg Leidinger (Leidingerianna) Nachlass Gottfried Merzbacher (Merzbacheriana) Nachlass Erich Petzet (Petzetiana) Nachlass Emil Preetorius (Ana 674) Nachlass Albert Rehm (Rehmiana) Nachlass Franz Schnabel (Schnabeliana)

Bayerisches Wirtschaftsarchiv München (BWA)

Oldenbourg Verlag: Corona / Historische Bibliothek / Historische Zeitschrift / Below, Meinecke (Hg.) »Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte« / K.A.v.

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Ungedruckte Quellen

503

Müller »Geschichte des Dt. – Französ. Krieges 1870/71« / K.A.v. Müller »Das Bayerische Problem« / Kurt v. Raumer »Die Zerstörung der Pfalz« / Theodor Schieder (Hg. der HZ, 100 Jahre HZ) / Universitätsfestschrift

Berlin-Brandenburgische (Preußische) Akademie der Wissenschaften (BBAW) Akademiebestände nach 1945 Historische Abteilung, Preußische Akademie der Wissenschaften 1812 – 1945 Nachlass Friedrich Behrend Nachlass Eduard Meyer

Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (BArch)

R 1 Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands R 43 Reichskanzlei R 73 Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft / DFG R 1501 Reichsministerium des Innern R 4901 Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung NS 8 Kanzlei Rosenberg NS 15 Der Beauftragte des Führers (DBFU) NS 19 Persönlicher Stab Reichsführer-SS NS 21 Lehr- und Forschungsgemeinschaft Das Ahnenerbe ehem. BDC (Berlin Document Center) Nachlass Arnold Berney (N 2019) Nachlass Veit Valentin (N 2314)

Bundesarchiv Freiburg, Militärarchiv (BArch) Nachlass Magnus von Levetzow (N 239)

Bundesarchiv Koblenz (BArch)

Nachlass Max Buchner (N 1088) Nachlass Richard Fester (N 1107) Nachlass Michael Freund (N 1394) Nachlass Walter Goetz (N 1215) Nachlass Heinz Gollwitzer (N 1612) Nachlass Franz Gürtner (N 1530) Nachlass Johannes Haller (N 1035) Nachlass Erwin Hölzle (N 1323) Nachlass Wilhelm Mommsen (N 1478) Nachlass Ludwig Quidde (N 1212) Nachlass Gerhard Ritter (N 1166) Nachlass Hans Rothfels (N 1213) Nachlass Theodor Schieder (N 1188) Nachlass Martin Spahn (N 1324) Nachlass Rudolf Stadelmann (N 1183) Nachlass Friedrich Thimme (N 1058)

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504

Quellen- und Literaturverzeichnis

Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA)

Paul Alverdes (A:Alverdes) Deutsche Vierteljahrsschrift (Paul Kluckhohn) Theodor Haecker (A:Haecker) Alfred Walter Heymel (A:Heymel) Hulda Hofmiller (A:Hulda Hofmiller) Merkur (D:Merkur) Reinhard Piper / Piper Verlag (A:Piper) Herbert Steiner, Redakteur der Corona (A:Steiner / A:Steiner8Corona)

Duncker & Humblot Berlin, Verlagsarchiv (DHV)

Bestand Wilhelm Grau, Antisemitismus im späten Mittelalter

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem (GStA)

Nachlass Albert Brackmann Nachlass Paul Fridolin Kehr Nachlass Friedrich Meinecke Nachlass Karl Stählin Bestand Rotary International, Distrikt 73 (I. HA Rep. 228)

Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA)

Nachlass Willy Andreas TH Karlsruhe / Fakultät für Natur- und Geisteswissenschaften

Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften München (HiKo)

Präsidenten-Korrespondenzen: Walter Goetz 1945/46 – 51 / Franz Schnabel 1951 – 1959 Sekretariat-Korrespondenzen: Karl Alexander von Müller 1922/23 (kommissarisch) / Karl Alexander von Müller 1928 – 45 Gremien: Plenarversammlung Mitglieder : Wahlen und Jubiläen Mitarbeiter Jubiläen Abteilungen und Projekte: Reichstagsakten (Ältere Reihe) / Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts Nachlass Willy Andreas (NL 1)

Institut für Zeitgeschichte München (IfZ)

Leopold Gutterer (ED 880) Hans Wolfram von Hentig (F 173) Zeugenschrifttum George Hallgarten (ZS 2046 1) Zeugenschrifttum Karl Alexander von Müller (ZS 1716 1) Kanzlei Rosenberg Stellvertreter des Führers

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Ungedruckte Quellen

505

Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften München (KommBayLG) Personalakt Karl Alexander von Müller K.A.v. Müller, Akte zum Geburtstag 1962 und zur Festschrift 1964 Sitzungsprotokolle

Landesarchiv Schleswig Holstein (LaSH) Nachlass Alexander Scharff (Abt. 399.110) Staatskanzlei (Abt. 605)

Monacensia (Münchner Stadtbibliothek – Literaturarchiv)

Einzelstücke (Karl Alexander von Müller) Nachlass Max Dingler Nachlass Max Halbe Nachlass Josef und Hulda Hofmiller Nachlass Georg Kerschensteiner Nachlass Josef Ruederer Nachlass Josef Magnus Wehner

Niedersächsisches Landesarchiv, Staatsarchiv Bückeburg (NLA StA)

Nachlass Adolf von Trotha

Niedersächsisches Landesarchiv, Staatsarchiv Oldenburg (NLA StA) Nachlass Hermann Oncken

Staatsarchiv Hamburg (StAH)

Schul- und Hochschulverwaltung / Hochschulwesen II Wissenschaftliche Anstalten und Institute / Universität I Wissenschaftliche Anstalten und Institute / Fakultäten Nachlass Percy Ernst Schramm (Familienarchive 622 – 1/151 Familie Schramm, P. E. Schramm)

Staatsarchiv München (StAM) Spruchkammerakten Rotary Club München

Staatsbibliothek zu Berlin (SBB) Nachlass Fritz Hartung Nachlass Max Lenz Thomas-Mann-Sammlung

Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUBG)

Nachlass Karl Brandi Nachlass Siegfried A. Kaehler Nachlass Arnold Oskar Meyer

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506

Quellen- und Literaturverzeichnis

Stadtarchiv München (StdAM) Nachlass Kurt Huber Ratsprotokolle

Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin (UAB)

Philosophische Fakultät Universitätskuratorium NS-Dozentenschaft

Universitätsarchiv Bonn (UABo) Nachlass Max Braubach

Universitätsarchiv Halle (UAH) Philosophische Fakultät

Universitätsarchiv Göttingen (UAG)

Akten der Philosophischen Fakultät Dozenten-Generalia

Universitätsarchiv Köln (UAK)

Sitzungen des Kuratoriums Berufungen Akten der Philosophischen Fakultät

Universitätsarchiv Leipzig (UAL) Philosophische Fakultät

Universitätsarchiv München (UAM)

Akademischer Senat: Geschichte der Universität / Personalakten / Disziplinargeschichte Starhemberg, Guttenberg / Lehraufträge / An-Institute des 3. Reiches (1933 – 45) / Institute und Fächer der Philosophischen Fakultät Philosophische Fakultät (Sektion I): Lehraufträge / Sitzungsprotokolle / Habilitationsakten / Seminare und Institute der Fakultät / Personalakten / Berufungen / Promotionsakten

Universitätsarchiv Münster (UAMü)

Philosophische Fakultät

Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg (UBE) Nachlass Elias von Steinmeyer

Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt am Main (UBF) Autogr. K. A. v. Müller

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Gedruckte Quellen und Literatur

507

Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) Nachlass Erich Brandenburg

Universitätsbibliothek München (UBM)

Autogr. Sigmund von Riezler Nachlass Heinrich Mitteis

Universitätsbibliothek Regensburg (UBR) Bestand Karl Alexander von Müller

Universitätsbibliothek Tübingen (UBT)

Nachlass Robert Vischer

Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (ULBB) Nachlass Aloys Schulte

Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULBM)

Nachlass Kurt von Raumer

Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (WLBS) Nachlass Norbert von Hellingrath

Gedruckte Quellen und Literatur Abendroth, Wolfgang: Das Unpolitische als Wesensmerkmal der deutschen Universität, in: Universitätstage 1966. Nationalsozialismus und die deutsche Universität, Berlin 1966, S. 189 – 208. Ackermann, Jens P.: Die Geburt des modernen Propagandakrieges im Ersten Weltkrieg. Dietrich Schäfer, Gelehrter und Politiker, Frankfurt am Main 2004. Adam, Christian: Lesen unter Hitler. Autoren, Bestseller, Leser im Dritten Reich, Frankfurt am Main 2013. Adam, Thomas: Stipendien und Stipendienstiftungen an deutschen Universitäten im 19. und 20. Jahrhundert, in: ZfG 55 (2007), S. 793 – 821. Adam, Uwe Dietrich: Judenpolitik im Dritten Reich, Düsseldorf 2003. Ahnlund, Nils: Tysk historieforskning i bryntningstider, in: Svensk Tidskrift 23 (1936) Nr. 7, S. 462 – 477. Aland, Kurt (Hg.): Glanz und Niedergang der deutschen Universität. 50 Jahre deutscher Wissenschaftsgeschichte in Briefen an und von Hans Lietzmann (1892 – 1942), Berlin u. New York 1979. Albrecht, Dieter : Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1871 – 1918), in: Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Band 4: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Erster Teilband: Staat und Politik, München 2003, S. 318 – 438.

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508

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Personenregister

Abel, Karl von 347 Achelis, Johann 259 Adenauer, Konrad 143f., 397 Ahnlund, Nils 265, 269 Albrecht Herzog von Bayern 419 Alexander der Große 113 Allen, C.K. 306, 308, 404 Alverdes, Paul 360 Andreas, Willy 44, 101f., 110, 115, 125, 127, 132, 135–137, 139, 143, 145, 181, 186, 188, 215, 218, 226, 232, 244f., 251f, 258, 271, 273, 291, 297, 315, 328, 334, 363, 371, 377, 387f., 397, 406, 419, 421f., 428, 460 Anrich, Ernst 255 Arco auf Valley, Anton Graf von 123 Arens, Franz 199f. Aretin, Erwein Freiherr von 204f., 214, 378, 380 Ascher, Theodor 429 Aubin, Gustav 214, 225 Aubin, Hermann 225f., 232, 359, 372, 449, 451 Auguste von Bayern (de Beauharnais) 161 Bach, Johann Sebastian 82 Baechtold, Hermann 137 Baethgen, Friedrich 444, 448 Baldwin of Bewdley, Stanley Earl 307 Baron, Hans 282, 291, 365 Barraclough, Geoffrey 182 Bauer, Clemens 162, 189f. Baur, Margarete 497 Bayrhoffer, Hans Eberhard 500 Beauharnais, EugÀne de 161 Bechtel, Liselotte 500 Becker, Carl Heinrich 136, 145, 171 Becker, Otto 145f.

Beethoven, Ludwig van 82 Behn, Fritz 82 Behrend, Friedrich 148 Below, Georg von 21, 48, 50, 58, 62, 65, 69, 72, 102, 106, 122, 124f., 137, 149, 169 Berber, Fritz 312 Berg, Hans Walter 499 Bergdolt, Ernst 316 Bergner, Annaliese 500 Bergsträßer, Gotthelf 198 Bergsträßer, Ludwig 188 Berneker, Erich 279 Berney, Arnold 253 Bernheim, Ernst 282–284 Berrsche, Alexander 423 Berve, Helmut 230f., 249, 388 Bethmann Hollweg, Theobald von 55f., 69, 72, 376 Betz, Anton 426 Beutler, Ruth 364 Beyer, Hans Joachim 326 Beyerle, Konrad 18 Bigelmair, Andreas 383 Bismarck, Otto Fürst von 40, 48, 50–53, 57, 61, 68, 73, 79, 82, 108f., 113, 116, 120, 125f., 172, 176, 178, 188, 201, 243, 272, 312, 397, 410 Bittler, Ingeborg 499 Blendinger, Friedrich 497 Boas, Friedrich 287f. Bock, Ernst 365, 398 Bock, Hans Manfred 185 Bodmer, Martin 270, 335–337 Böhl, Rudolf 494 Böhmer, Rudolf 495 Boepple, Ernst 276–278 Bösenecker, Ruth 495 Boico, Glauco 500 Bormann, Martin 268

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Personenregister

Borst, Arno 396 Bosl, Karl 18, 20, 226, 238f., 314, 369, 383, 448–451, 453, 455, 497 Botzenhart, Erich 258, 298, 329 Brackmann, Albert 165, 178, 240, 247–249, 251f., 263, 320, 328–330 Brandenburg, Erich 21, 50, 113, 115, 157, 230, 259, 297 Brandi, Karl 114, 116, 180, 224, 241, 261, 294–296, 298f., 303, 334 Brandt, Otto 212 Brater, Karl 152 Braubach, Max 375, 444 Brauer, Arthur von 61 Braun, Hanns 442 Braun, Otto 146 Bray, FranÅois Gabriel de 43 Bray-Steinburg, Otto Graf von 43 Brecht, Walter 284 Bredig, Georg 284 Breitling, Richard 491 Brentano, Lujo 32, 36, 170 Brettreich, Friedrich von 148 Breunig, Juliane 499 Brittinger, Anita 496 Brockdorff, Silvia von 495 Broszat, Martin 208 Bruckmann, Elsa 45, 98, 171, 242, 304, 434 Bruckmann, Hugo 45, 98, 230, 245, 304, 434 495 Brück, Gertrud (verh. Sandberger) Brunner, Otto 318 Buchner, Heinrich 494 Buchner, Max 18, 53, 63, 77, 98, 127, 130, 143, 160, 167, 195, 203, 221 Bühler, Anna Lore 367, 499 Bülow, Bernhard Fürst von 180 Burchtorff, Karl Alexander von (Großvater) 30 Burckhardt, Carl Jacob 360, 417, 442 Burke, Edmund 374 Busch, Paul 267, 497 Buttmann, Rudolf 294

Calvin, Johannes 113 Caspar, Erich 113, 249 Cevat, Ahmet 497 Chamberlain, Eva 59 Chamberlain, Houston Stewart 58f. Chamberlain, Neville 114f., 137, 307f. Chroust, Anton 279, 300, 383 Clark, George Norman 402–404 Classen, Peter 397, 445 Cohn, Fritz 224 Constant, Benjamin 163 Conze, Werner 25, 226 Cornelißen, Christoph 15f. Cornelius, Friedrich 187 Cornides, Wilhelm von 322 Cossmann, Lulu 381, 441 Cossmann, Paul Nikolaus 46, 55f., 69f., 74f., 80–82, 88, 90, 93f., 97f., 104, 144, 167f., 187, 204f., 303f., 330, 348, 350, 352, 378–381, 426f., 434, 437, 441, 455 Coulin, Martin 499 Crämer, Ulrich 228, 269, 452 Cromwell, Oliver 113, 184, 305f. Cymorek, Hans 21 Danton, Georges Jacques 373–378, 384, 392, 396, 402f., 417 Davidsohn, Robert 282f. Dcsacsovszky, Valeria 492 Decker, Walter 492 Dehio, Ludwig 361f., 373, 397, 444 Delbrück, Hans 72 Deuerlein, Ernst 436f. Diehl, Wilhelm-Lothar 499 Diess, Wilhelm 187, 381, 393 Dietrich, Hildegunde 500 Dingler, Max 187, 275, 431 Dinklage, Karl 495 Dirlmeier, Franz 287, 289, 342, 344 Disraeli, Benjamin 114f., 137, 181 Doeberl, Michael 18, 35, 65, 157–160, 173f., 195 Dölger, Franz 389, 406–408, 414, 440 Doerr, Otmar 493 Donnersmarck, Guidotto Fürst von 201, 214, 347

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Personenregister Dove, Alfred 43, 50, 397 Drexel, Sturmius 496 Drygalski, Erich von 284 Dürrwanger, Alois 262f., 436, 495 Duisberg, Carl 169 Dyck, Hedy 58 Eckel, Jan 21, 39 Eckert, Helmut 317, 496 Eckhardt, Karl August 295 Ehard, Hans 419, 451 Ehard, Sieglinde (geb. Odörfer) 451, 498 Ehlers, Hermann 399 Eichstädt, Volkmar 265 Einstein, Albert 281f. Eisner, Kurt 76–78, 88, 122f., 195, 423, 429 Elmenau, Johannes von 413, 438, 448, 451f. Emmerling, Erich 497 Endres, Fritz 62, 160 Endrös, Hermann 493 Engel, Wilhelm 231, 233, 251, 277, 296 Engelmann, Herbert 85 Engels, Friedrich 162 Epp, Franz Ritter von 168, 204, 340 Ernstberger, Alfred 498 Ertl, Karl Hans 499 Erzberger, Matthias 122f. Escherich, Georg 83 Escherich, Karl 218 Etzemüller, Thomas 25 Eugen, Prinz von Savoyen 113 Euler, Wilfried 366 Faber, Friedrich von 287 Fechenbach, Felix 88 Feder, Gottfried 92, 202, 326 Feil, Jenny 237, 496 Fester, Richard 39f., 48f., 108, 135f, 144–146, 321 Feuchtwanger, Lion 198 Feuchtwanger, Ludwig 198f. Fichtl, Wilhelm 425, 499 Ficker, Rudolf von 368 Fiehler, Karl 199 Fink, Alois 425

563

Finke, Heinrich 141 Fischbacher, Jakob 426 Fischer, Karl August 271, 299, 348, 354, 385, 407, 417, 447 Fischer, Paula 500 Fischer, Theodor 210 Fleck, Ludwik 25 Fleischmann, Hans 493 Flottwell, Eduard von 93 Foerster, Friedrich Wilhelm 73 Förster, Max 284 Frank, Walter 94, 101, 152f., 162, 217, 227–231, 245, 250f., 253–255, 259f., 263–266, 268f., 294–298, 312f., 321, 324f., 333, 340, 388, 405, 415, 435–437, 446, 454, 456, 461, 491 Franke, Otto 113 Franz, Eugen 156 Franz, Georg 436, 500 Franz, Günther 186, 241, 248–250, 262, 295, 318, 329, 397, 419, 430 Frauendorfer, Heinrich von 60 Freisinger, Hermine 500 Freund, Michael 101, 152, 187, 360, 398, 435 Frick, Wilhelm 259, 294, 326 Friedrich II. (der Große) 113 Friedrich, Cathrin 21 Friedrich, Petronella 499 Frisch, Karl von 364 Frisch, Max 11 Funk, Phillip 142, 221 Gallas, Herta 495 Ganzer, Karl Richard 162, 250f., 298, 323, 330, 493 Gebhardt, Walter 494 Gebsattel, Franz von 89 Geiger, Alban 492 Geis, Richard 371 Gemperlein, August 501 George, Stefan 145 Geramb, Viktor von 431 Gerlach, Aurelia 497 Gerlach, Walther 406 Gierl, Irmgard 500

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Personenregister

Giesler, Paul 327, 340 Gladstone, William Ewart 181 Glaise-Horstenau, Edmund 302 Glashauser, Gabriele 500 Gleichen-Russwurm, Heinrich von 87 Gmeinwiser, Joseph 491 Godber, Joyce 182 Goebbels, Joseph 326 Goebel, Erwin 492 Göhring, Martin 375 Göring, Hermann 92, 101, 152, 259 Görres, Joseph von 44–51, 63, 106, 126, 129–132, 137–139, 142–144, 158, 205, 374, 411, 423, 458 Goethe, Johann Wolfgang von 82, 129, 211 Goetz, Helmut 46 Goetz, Walter 39, 43, 45, 49, 62f., 67, 70, 72, 99, 112, 143, 149, 156, 166, 288, 291, 295f., 357f., 370, 375f., 383, 386f., 414–416, 422f., 443 Goldenberger, Franz 175, 177, 211 Goldschmidt, Hans 176, 263 Gollwitzer, Heinz 18, 347, 369f., 373, 377, 388, 398, 405f., 417f., 420, 433f., 443f., 449–451, 454, 456f., 460, 500 Gooch, George Peabody 118, 181f., 305 Grabert, Herbert 407 Grassl, Anton 494 Grau, Wilhelm 195–200, 237, 255, 259f., 263–268, 321, 323, 405, 494 Grauert, Hermann von 35, 47, 64, 66, 105, 110, 245 Grey, Edward 306–308 Griewank, Karl 263 Grill, Irene 495 Grimm, Hans 335, 360, 368 Groneweg, Barbara 499 Grosse, Karl Friedrich 495 Gstettner, Hans 493 Günter, Heinrich 194, 198, 220 Gürtner, Franz 32, 93, 205, 213, 396, 441 Guttenberg, Erich Freiherr von 383, 398 Guttenberg, Karl Ludwig Freiherr von und zu 95 Gutterer, Leopold 340

Habenschaden, Karl 493 Haber, Fritz 12, 112 Hackelsperger, Max 187 Haecker, Theodor 142 Hägele, Kurt 493 Haering, Hermann 415 Haffner, Hanneliese 496 Hagemeyer, Hans 317f., 322, 345f. Hahn, Georg 493 Haider, Albert 493 Haider, Ernst 351f. Haider, Karl 270, 335 Halbe, Max 262 Haller, Johannes 125, 224, 253 Hallgarten, Wolfgang (George W. F.) 94, 101, 152f., 186, 254, 267, 385f. Hampe, Karl 55, 76, 115, 224 Hanfstaengl, Ernst 92, 152, 425, 491 Haniel, Gerhard von 425 Harnack, Falk 342 Hartdegen, Hans Ludwig 496 Hartung, Fritz 135, 144, 146, 180, 188, 214, 249, 261, 328, 334, 419 Hashagen, Justus 100, 138f., 146, 199, 362 Hassell, Ulrich von 304 Hauck, Erhard 493 Haupt, Herman 124f. Hausenstein, Wilhelm 246, 362f., 416 Haushofer, Albrecht 392 Haushofer, Heinz 392 Haushofer, Karl 108, 151, 209, 392 Heckel, Johannes 388, 440 Heckel, Rudolf von 194 Heiber, Helmut 437, 455 Heidrich, Anne 497 Heigel, Karl Theodor von 32, 36, 43, 46, 55, 110, 245 Heimpel, Hermann 292f., 329, 387, 391f., 396f., 414f., 419, 442f., 445, 449, 453, 456 Heinloth, Wilhelm 492 Heiseler, Bernt von 337–339, 362f., 392 Held, Heinrich 128, 141, 175, 203 Hellingrath, Norbert von 46 Hellingrath, Philipp von 88

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Personenregister Helmbrecht, Alois 494 Hensel, Kurt 284 Hentig, Hans Wolfram von 18, 453 Herbst, Gudrun 500 Hertfelder, Thomas 21 Hertling, Georg Graf von 70, 436 Herzfeld, Hans 55, 144f., 188, 391 Herzog, Dora 500 Heß, Ilse 434 Heß, Rudolf 92, 101, 207, 212–214, 217, 265–267, 272, 294, 308, 324, 350, 434 Heuß, Theodor 206, 346, 442 Heyderhoff, Julius 132 Heydrich, Reinhard 204–206, 366 Heymann, Ernst 328 Heymel, Alfred Walter 57f. Hiereth, Sebastian 495 Hilpert, Friedrich 237, 497 Himmler, Heinrich 309 Hindenburg, Paul von 58, 205, 351 Hintze, Hedwig 247, 252 Hintze, Otto 55, 284 Hipp, Otto 348, 352 Hitler, Adolf 17, 53, 91–98, 203, 207, 210, 213, 229, 242f., 253, 259, 261, 266, 268, 272, 280f., 301–303, 308, 310–312, 318–320, 327, 340, 348, 351, 408, 435–437, 447f., 452 Hobus, Gottfried 494 Hoch, Anton 386, 435f., 498 Hochreither, Heinrich 500 Hoedl, Franz Johann 497 Hölderlin, Friedrich 82 Hölzle, Erwin 254, 419 Hönigswald, Richard 163 Hoermann, Liselotte von 496 Hörmann, Michael 493 Hörner, Otto 289f. Hösl, Ignaz 386 Höß, Irmgard 460 Hoetzsch, Otto 239, 333 Hofmannsthal, Hugo von 335 Hofmiller, Hulda 205, 381 Hofmiller, Josef 55, 79, 126, 186, 205, 381, 427

565

Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu 37–39, 178–180, 274, 404 Holtzmann, Robert 146 Hornig, Antonie 496 Hubatsch, Walther 419, 432 Huber, Anni 495 Huber, Clara 342, 349, 354, 364, 367f., 371, 378, 424 Huber, Ernst Rudolf 407 Huber, Hanns Robert 500 Huber, Kurt 24, 186, 325, 340–342, 349, 351, 364, 367f., 378, 405, 424, 426 Huber, Max 495 Hübscher, Arthur 380f. Huizinga, Johan 224, 247 Humboldt, Wilhelm von 264 Hundhammer, Alois 151, 203f., 369f., 378, 382, 491 Husserl, Edmund 282f. Jaff¦, Edgar 60 Jaffe, Ernst 447 Joachimsen, Paul 157, 161 Jochner, Georg Maria 47 Joost, Wilhelm 187, 491 Jordan, Stefan, 16 Jünger, Ernst 169 Jünger, Friedrich Georg 169 Kaehler, Siegfried A. 80, 157, 162, 172, 225, 261, 300, 333f., 347f., 361, 363, 391 Kagermeier, Dietmunda 494 Kahr, Gustav von 93f., 96f., 456 Kaiser, Friedhelm 310–312 Kallen, Gerhard 132 Karl V. 113 Karl der Große 224 Kehr, Paul Fridolin 166f. Kehrer, Hugo 440 Keil, Josef 382 Kern, Fritz 113, 117, 226 Kerschensteiner, Georg 218 Kessler, Hermann 497 Kienast, Walther 250f., 253f., 257f., 315, 325, 333, 356, 373, 419, 445 Kilpper, Gustav sen. 66, 114f., 179f., 182,

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Personenregister

245, 260, 306, 339, 346, 392–394, 411, 421f. Kilpper, Gustav jun. 339, 346, 394, 396, 398f., 411, 422, 427f., 437, 442 Kinner, Margareta 19 Kippenberg, Anton 339, 392 Kissel, Wilhelm 499 Kisskalt, Wilhelm 178 Klein, Emil 288, 326 Klein, Tim 105, 121 Kleist, Heinrich von 27, 59 Kliemann, Horst 336, 445 Klingel, Gottlob 283 Klingmann, Georg 237, 496 Kloeber, Wilhelm von 219f., 493 Kluckhohn, Paul 129 Knappertsbusch, Hans 211 Knaus, Albrecht 499 Knilling, Eugen Ritter von 56, 58, 68 Knott, Josef 498 Köck, Inge 371 Kölbl, Leopold 276 Koellreutter, Otto 406f. König, Maria Angela 496 Königer, Alfons 494 Koeppel, Ferdinand 492 Köstler, Josef Nikolaus 440, 493 Köttelwesch, Clemens 500 Kolb, Alfred 499 Koob, Friedrich 498 Korherr, Richard 208 Kotzebue, August von 121–123 Krämer, Wolfgang 492 Kraepelin, Emil 73 Kraft, Heinrich 494 Krausen, Edgar 495 Krausnick, Helmut 436 Krebs, Franz 492 Kristek, Elfriede (verh. Blendinger) 498 Krüger, Gerhard 333 Kühlmann, Richard von 170f. Kühn-Steinhausen, Hermine 494 Küntzel, Georg 40, 44 Küsswetter, Hans 495 Kugler, Edith 500 Kuhn, Sigfrid 496

Laber, Hans Oskar 263, 495 Laible, Helene 501 Lamm, Hans 435 Lang, Grete 498 Lang, Karl Heinrich Ritter von 109f., 116f. Langbehn, Julius 423 Langen, Dietrich von 493 Lassalle, Ferdinand 113 Lautenschlager, Ed. 498 Lee, R.W. 404 Leers, Johann von 247 le Fort, Gertrud von 339 Lehmann, Max 134 Lehmann, Paul 57, 60, 215, 219f., 343f. Lehner, Philomena 495 Leibniz, Gottfried Wilhelm 378 Leidinger, Georg 43, 172, 178, 282, 287, 299f., 317, 343 Lenz, Max 47, 54f., 58, 64, 113, 119, 127, 150, 245, 305 Lerchenfeld-Köfering, Hugo Graf von (Bayerischer Gesandter) 109, 436 Lerchenfeld-Köfering, Hugo Graf von (Bayerischer Ministerpräsident) 109 Lettenmeyer, Wilhelm 496 Levetzow, Magnus von 206 Levin, Rudolf 326 Ley, Robert 323 Leyen, Friedrich von der 32, 45, 130, 136, 138, 140–143, 398 Liebermann, Max 258 Liebmann, Heinrich 283f. Lietzmann, Hans 233, 278, 282 Lindeiner-Wildau, Hans-Erdmann von 183 Lipp, Hildegard 500 List, Wolfram 119, 491 Loew, Herbert 498 Lohmann, Gertrud 236, 494 Lorenz, Ottokar 162, 186, 492 Lotz, Walther 140 Ludendorff, Erich 97, 259, 436 Ludwig der Bayer 425 Ludwig II., König von Bayern 30, 50, 178, 206, 425

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Personenregister Ludwig III., König von Bayern 76 Luitpold, Prinzregent von Bayern 46 Macaulay, Thomas Babington 306 Mach, Alexander 346 Machatschek, Fritz 299, 343f., 412 Maier, Hermann 373f., 384 Mailer, Carl 492 Mann, Thomas 27, 59, 66, 72, 77, 125, 142f., 170f., 209–212 Marc, Paul 66 Marcks, Erich 18, 21, 39, 41, 43, 48, 53, 55, 61, 64f., 69, 82, 101f., 107, 110, 112–115, 117, 119, 124–127, 130f., 134–138, 140, 143, 149f., 155–158, 165f., 169, 172, 184, 186, 188, 245, 249–251, 258, 260f., 293, 304f., 373, 388, 411, 415, 417 Marquardt, Ilse-Marie 499 Marx, Karl 162 Marx, Wilhelm 302 Matt, Franz 149 Maximilian I., Kurfürst von Bayern 425 Maximilian II., König von Bayern 274, 423 Mayer, Else 500 Mayer, Maria (verh. Probst) 161, 492 Mayer, Theodor 314, 388 Mayr, Karl 65f., 110 Mehringer, Max 501 Meinecke, Antonie 447 Meinecke, Friedrich, 21, 37, 39, 43f., 50, 54f., 61f., 64, 72, 102, 106, 110, 113, 122, 125, 137, 143, 155f., 164, 170, 229, 244–254, 256, 261, 290, 296, 305, 328, 331–335, 339, 356, 361–363, 376, 385, 391–393, 395, 397f., 403, 417, 419, 445f. Meineke, Stefan 21 Mentzel, Rudolf 310, 313 Merkel, R.F. 279 Merzbacher, Gottfried 148 Metternich, Klemens Wenzel Nepomuk Lothar Fürst von 113, 130 Meyer, Arnold Oskar 115, 134, 137, 157f., 160, 162–164, 188, 193f., 198,

567

220f., 226f., 230–232, 254f., 262, 264f., 270f., 297, 312f., 325, 329f., 460 Meyer, Eduard 69, 115, 167 Miquel, Johannes von 47 Mitscherlich, Alexander 161 Mitteis, Heinrich 347, 414 Mittelberger, Herta 493 Mollier, Hans 416 Mommsen, Wilhelm 129, 145, 224, 262, 333f. Montgelas, Max Graf 302 Montgelas, Maximilian Joseph Graf von 206 Moras, Joachim 394, 412 Moser, Hans 176 Müller, Albert von (Bruder) 33, 332, 338 Müller, Albrecht von (Sohn) 89, 360 Müller, Berta 500 Müller, Friedrich 215 Müller, Irma von (Ehefrau) 92, 141, 144, 201, 204, 214, 270, 341f., 349, 354, 378, 406, 418 Müller, Josef 275 Müller, Kurt 495 Müller, Ludwig von (Bruder) 347 Müller, Ludwig August von (Vater) 30–33, 70, 176, 338, 425 Müller, Otto (Alexander) von (Sohn) 18, 20, 89, 360f., 426, 437, 447, 450, 453 Muhlack, Ulrich 16 Muller, John H. 498 Nabholz, Hans 270, 297 Napoleon I. 113, 121, 176, 271 Naumann, Friedrich 46, 55, 236, 346 Neubauer, Helmut 437 Neuhofer, Theodor 493 Niedermayer, Franz 496 Noack, Ulrich 305, 320, 392 Nordalm, Jens 21 Norden, Eduard 284 Oertel, Hanns 345 Oestreich, Gerhard 257 Oldenbourg, Alexander 336 Oldenbourg, Eberhard 336

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Personenregister

Oldenbourg, Rudolf 44f. Oldenbourg, Wilhelm 229, 247–250, 253f., 256, 262, 269, 335f., 356, 367, 423 Oncken, Hermann 18, 39, 43, 49–51, 55, 59f., 63, 72, 95f., 107f., 115, 126–128, 130, 134f., 137–139, 150–153, 156–158, 160, 164f., 172f., 183f., 195, 227–230, 239, 245, 249–251, 253, 260f., 296f., 328, 334, 357 Orff, Carl 447 Otto, Walter 281 Ow-Wachendorf, Wernher Baron von 35 Paeschke, Hans 379, 393 Paetel, Georg 47 Papen, Franz von 254, 360 Pauli, Gustav 169 Pechmann, Wilhelm Freiherr von 87 Peiffer, Eva 495 Perikles 113 Peter I. (der Große) 113 Petzet, Erich 148 Pfeiffer, Rudolf 284, 438f. Pfeilschifter, Georg 151 Pfitzner, Hans 55, 169, 205, 211, 427 Pfizer, Paul 44 Pfordten, Elisabeth von der 213 Pfordten, Elly von der 213 Pfordten, Theodor von der 92f., 212f., 396 Phelps, Reginald H. 437 Philippsborn, Leo 200 Philippson, Martin 40 Pinder, Wilhelm 204, 216 Piper, Reinhard 309, 314f. Pistor, Lutz 287f., 343f., 353 Pitt, William (der Ältere) 114–116, 118f., 136, 181, 305–308, 373, 411 Platzhoff, Walter 232 Pleyer, Kleo 95, 237, 253, 255, 269 Pölnitz, Götz Freiherr von 187, 323, 387, 449 Pölnitz, Winfrid von 492 Podewils, Dorothee von 370 Poole, Reginald Lane 118 Preetorius, Emil 442f.

Priesack, August 244, 492 Pringsheim, Alfred 283f. Pringsheim, Katia (verh. Mann) Prinzhorn, Ernst 210 Prokoptschuk, Gregor 499 Puchner, Otto 496 Puls, Dierk Gerhard 498 Quidde, Ludwig 297, 417

59

95, 170, 291–293, 295,

Raff, Helene 160 Raleigh, Walter 306 Rall, Hans 423 Ranke, Leopold von 49, 107, 227f., 244, 274, 289, 357, 387, 412 Raphael, Lutz 15 Rasputin, Grigori Jefimowitsch 121 Rathenau, Walther 122 Raubold, Georg 492 Raumer, Adalbert von 109f., 116, 152 Raumer, Gertrud von 428, 431f. Raumer, Kurt von 105, 109f., 135f., 152f., 162, 187, 254, 314, 329, 346, 376f., 385f., 392, 394, 396, 398, 411, 417f., 422f., 428, 430f., 433f., 443, 450, 454, 457, 460, 491 Raumer, Sigmund von 109f. Rehm, Albert 178, 349, 354f., 368 Reif, Wilhelm 382 Rein, Gustav Adolf 181, 216, 412 Reisinger, Ernst und Julie 381 Reiswitz, Johann Albrecht von 239f., 366 Renz, Franz 491 Rheinfelder, Hans 407, 409, 437–441 Rhodes, Cecil 33, 114f., 137, 306 Richelieu (Kardinal) 113 Ricklinger, Walther A. 494 Rid, Ludger 381 Rieder, Frieda 497 Riehl, Wilhelm Heinrich 173, 305 Riezler, Erwin 399 Riezler, Kurt 69 Riezler, Sigmund von 32, 35–37, 41–43, 47, 49f., 53, 57, 63–65, 69, 110, 116, 128, 134, 172f., 233, 245, 399

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Personenregister Rilke, Rainer Maria 335 Rindt, Eugen Oskar 500 Ringelmann, Edith 497 Rinn, Hermann 392, 411 Ritter, Gerhard 16, 95, 127f., 133, 135–137, 157f., 231f., 253f., 261, 272, 334, 357, 363, 384f., 388, 396, 414, 449, 459 Ritter, Moriz 43 Röhm, Ernst 97 Römhild, Julia 500 Rörig, Fritz 318 Roeseler, Hans 258, 324f. Rößle, Wilhelm 246 Rogl, Ludwig 500 Rohde, Hans Heinrich 499 Rohden, Peter Richard 224f., 323 Roos, Otto 360 Rosenberg, Alfred 208, 261, 312, 316–318, 321–324, 346, 366, 405 Roth, Gertrud 497 Rothbarth, Margarete 53 Rothenbücher, Karl 111 Rothfels, Hans 16, 21, 37, 225f., 234, 249, 252, 263, 361, 366, 377, 385, 454f. Rothlauf, Elisabeth 501 Ruederer, Hans 160 Ruederer, Josef 160 Rüdin, Ernst 427 Rüdinger, Karl 494 Rummel, Fritz von 251, 495 Rupprecht, Kronprinz von Bayern 203f., 206, 423 Rupprecht, Sofie 498 Rust, Bernhard 229, 233, 259, 261, 266, 321, 327 Ruville, Albert von 41 Salin, Edgar 188 Saller, Joseph 495 San Nicolo, Mariano 343, 345, 352f., 355, 388, 438 Sand, Karl Ludwig 121–125, 128, 138, 144, 158, 374, 376, 411, 458 Sandberger, Adolf 450 Sattler, Placidus 492

569

Sauerbruch, Ferdinand 169 Schachleiter, Alban 92 Schaeder, Hans Heinrich 309, 336 Schädle, Karl 496 Schäfer, Dietrich 71, 110, 169, 391 Scharnagl, Karl 170, 173, 206, 211, 419 Scharff, Alexander (Ägyptologe) 286f., 359 Scharff, Alexander (Historiker) 153, 187, 246, 314, 329, 350, 398, 432f., 491 Schasching, Karl 496 Schattenhofer, Michael 500 Scheel, Gustav Adolf 326f. Scheel, Helmuth 329 Scheffbuch, Adolf 492 Scheibert, Peter 446 Schelling, Werner 18 Schemm, Hans 200, 204, 214, 275f. Scherman, Lucian 283f. Schickert, Klaus 237, 267, 322, 346, 496 Schieder, Theodor 186, 217, 226, 233f., 246, 252, 260, 298, 314, 329, 332, 346, 363, 372f., 377, 386, 398, 418, 420, 422, 430, 432f., 443–446, 448–451, 453–457, 494 Schiller, Friedrich 318 Schirach, Baldur von 92 Schläfer, Helmut 497 Schlecht, Franz-Xaver 494 Schlegelberger, Franz 441 Schlereth, Ludmilla 496 Schmalzbauer, Gottfried 305 Schmid, Franz Joseph 497 Schmidt, Isolde 497 Schmidt, Julius 498 Schmidt, Martha 494 Schmidt, Wolfgang 313 Schmidt-Ott, Friedrich 33, 110, 116, 293, 402, 422 Schmitt, Carl 198, 203 Schmitt, Richard 155 Schmitthenner, Paul 257 Schnabel, Franz 21, 47, 56, 124, 129, 376, 386, 410, 418, 438, 444, 450 Schneider, Hermann 400 Schnell, Hugo 492

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570

Personenregister

Schnitger, Heinrich 497 Schöberl, Hermann 495 Schöningh, Franz Josef 379 Scholl, Hans und Sophie 340, 424 Scholz, Wilhelm von 273 Schopenhauer, Arthur 45 Schramm, Christoph 97 Schramm, Percy Ernst 21, 108, 187, 206, 249, 263 Schreyer, Lioba 493 Schröder, Gerhard 333 Schröter, Manfred 335f. Schüssler, Wilhelm 136, 145, 188, 226, 412 Schulte, Aloys 80, 129, 149, 185 Schultz, Franz 47 Schulz, Senta 497 Schulze, Dieter 499 Schulze, Werner 497 Schwartz, Eduard 102, 148, 233, 276, 278, 282, 343 Schwarz, Albert 495 Schwarz, Hans W. 174, 493 Schweiger, Ingeborg 500 Schwind, Hedwig 496 Seeckt, Hans von 169 Seeley, John Robert 181f., 306, 402 Seeliger, Hugo von 102f., 106 Seibert, Heinrich 500 Seidenzahl, Hella 495 Seidl, Erich 216 Seitz, Wilhelm 73 Sempell, Charlotte 183, 493 Siebert, Ludwig 208, 218, 340 Siemer, Johannes 495 Sieveking, Johannes 284 Sievers, Wolfram 240 Sokolowsky, Edith 498 Solleder, Fridolin 53, 363, 367, 373, 383f., 397, 453f. Spahn, Martin 45, 88, 99, 104, 125, 128, 137, 140f., 169, 188 Spann, Hans Joachim 267 Spengler, Oswald 226 Spindler, Max 177, 262, 359, 370, 372,

383f., 409f., 418, 420, 423–425, 437–440, 450, 455 Spindler, Robert 221, 231, 279, 313 Splett, Oskar 494 Spörl, Johannes 397, 430, 438 Spranger, Eduard 177 Squirell, Ellen 182 Srbik, Heinrich Ritter von 115, 124, 127, 137–140, 143, 157, 166, 226, 228, 230, 245, 248, 250, 254, 256f., 260f., 269, 293, 297f., 301f., 305, 315, 323, 327–329, 333f., 338, 357, 372, 376, 385, 394, 396, 402, 412, 414f., 417, 431, 443 Stadelmann, Rudolf 43, 249, 251, 329, 334 Staehelin, Hans 439 Stählin, Karl 53, 115, 258 Starhemberg, Rüdiger Graf zu 95 Steck, Friedrich 497 Stegmann, Ildefons 492 Stein, Karl Reichsfreiherr vom und zum 113, 125 Steinacker, Harold 192, 243 Steinberger, Ludwig 193 Steiner, Herbert 205, 211, 242, 270, 305–308, 315, 335–337, 360, 390f., 430 Steinmeyer, Elias von 148 Stengel, August 494 Stengel, Edmund 318 Stiefenhöfer, Hermine 498 Stieve, Friedrich 249 Stingl, Karl 207 Stoecker, Adolf 153, 162, 259 Stolberg-Wernigerode, Otto Graf zu 143, 182, 184, 212, 269, 304, 316, 423, 426f., 449 Stoll, Gunther 500 Strafford, Thomas Wentworth, Earl of 289, 309, 314f. Straus, Raphael 196f., 199 Strauß, Franz Joseph 235 Strobel, Ferdinand 496 Struensee, Johann Friedrich 121 Stuckert, Irene 501 Sybel, Heinrich von 45, 61f., 274 Szöllösi-Janze, Margit 12f.

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Personenregister Taylor, A.J.P. 182 Thiersch, Rudolf 498 Thimme, David 21 Thimme, Friedrich 61, 180 Thoma, Hans 258 Thoma, Ludwig 173 Throner, Lioba 500 Thums, Karl 427 Tietze, Heinrich 278, 282, 287, 343f., 352 Tirpitz, Alfred von 69, 73, 78, 98, 270f. Tomaschek, Rudolf 287 Trampler, Kurt 194 Treitschke, Heinrich von 47, 105, 122, 140, 260 Treue, Wilhelm 372f. Trevelyan, George Macaulay 306f. Troeltsch, Ernst 42, 55 Trotha, Adolf von 270f. Turtur, Ludwig 367, 392 Uebe, Kurt 496 Uhde, Werner 236, 304, 330, 493 Uhde-Bernays, Hermann 394 Uhl, Anton 499 Valentin, Veit 55, 69 Valjavec, Fritz 237, 299, 329f., 412f., 494 Van Steere, Douglas 358 Veh, Otto 35, 428, 494 Vigener, Fritz 50, 57, 108, 113 Vinogradoff, Paul 34 Vischer, Friedrich Theodor 44, 47f., 51f., 125 Vischer, Robert 48 Völkl, Georg 493 Vogel, Winand 498 Vogler, Felicitas 378 Vorwerk-Semler, Gertrud 499 Vossler, Emma 381 Vossler, Karl 103, 381 Vossler, Otto 187 Wätjen, Hermann 134 Wagner, Adolf 208f. Wagner, Bernarda 494 Wagner, Friedrich 326

571

Wagner, Fritz 163, 187, 234, 240f., 260, 314, 317, 329, 346, 365f., 373, 398, 419, 430, 432, 450f., 453, 493 Wagner, Richard 82, 162, 211f. Wahl, Adalbert 127, 188, 252, 254, 269 Wahl, Franz Xaver 326, 369, 382, 409, 419, 421 Walcher, Bernhard 492 Waldau, Gustav 399 Wallenreiter, Christian 426 Wallner, Ida (geb. Rindfleisch) 424, 495 Weber, Franz Karl 499 Weber, Leopold 187, 214 Weber, Max 42, 72 Weckerle, Ferdinand 492 Wehner, Josef Magnus 427 Weilenmann, Friedrich 501 Weiner, Alois 378–380 Weißthanner, Alois 497 Weisz, Christoph 18 Wenger, Leopold 275f. Westphal, Otto 107f., 250 Wiest, Veneranda 495 Wild, Karl 303, 497 Wilde, Leonard Thornton 401 Wilhelm II., Deutscher Kaiser 28, 33, 56, 76, 78f., 82, 108f., 179f., 206 Willstätter, Richard 283f. Windelband, Wolfgang 138, 145, 162 Winkler, Karl 497 Wirth, Kurt 494 Witte, Horst 498 Wittram, Reinhard 320, 377 Wölfflin, Eduard 438f. Wölfflin, Ernst 438f. Wölfflin, Heinrich 439 Wolf, Marie-Luise 494 Wolff, Christian 495 Wolff, Kurt 171 Wollmeringer, Rudolf 497 Wolters, Friedrich 136, 145 Wolters, Paul 157 Wühr, Wilhelm 193 Wüst, Walther 222, 232, 239–241, 268, 285–287, 309, 326, 341, 344, 347, 356, 359, 369f., 405f. Wylie, Francis 112, 183, 306, 401f., 404

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572

Personenregister

Zechner, Karlheinz 496 Zeh, Erwin 499 Zeilmann, Alfred 497 Zenneck, Jonathan 277, 280, 285, 343, 355, 388f. Ziegler, Wilhelm 340

Ziekursch, Johannes 145f., 180, 232 Zietz, Wilhelm 87 Zimmermann, Fritz 498 Zorn, Wolfgang 347, 372f., 377, 400, 449f., 501 Zwehl, Hans Karl von 493

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Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 87: Barbara Wolbring Trümmerfeld der bürgerlichen Welt Universität in den gesellschaftlichen Reformdiskursen der westlichen Besatzungszonen (1945–1949) 2013. 488 Seiten, mit 1 Abb. und 12 Tab., geb. ISBN 978-3-525-36014-9 eBook: ISBN 978-3-647-36014-0

86: Marko Kreutzmann Die höheren Beamten des Deutschen Zollvereins Eine bürokratische Funktionselite zwischen einzelstaatlichen Interessen und zwischenstaatlicher Integration (1834–1871) 2012. 404 Seiten, mit 1 Abbildung, 3 Diagrammen und 20 Tabellen, gebunden ISBN 978-3-525-36005-7 eBook: ISBN 978-3-647-36005-8

85: Michael Puchta Mediatisierung »mit Haut und Haar, Leib und Leben« Die Unterwerfung der Reichsritter durch Ansbach-Bayreuth (1792–1798) 2012. 813 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36078-1 eBook: ISBN 978-3-647-36078-2

84: Marion Kreis Karl Hegel Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort 2012. 406 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36077-4 eBook: ISBN 978-3-647-36077-5

83: Winfried Becker Frederic von Rosenberg (1874–1937) Diplomat vom späten Kaiserreich bis zum Dritten Reich, Außenminister der Weimarer Republik 2011. 362 Seiten mit 4 Abb. und 3 Stammbäumen, gebunden ISBN 978-3-525-36076-7 eBook: ISBN 978-3-647-36076-8

82: Nicole Kramer Volksgenossinnen an der Heimatfront Mobilisierung, Verhalten, Erinnerung 2011. 392 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36075-0 eBook: ISBN 978-3-647-36075-1

81: Martin Hille Providentia Dei, Reich und Kirche Weltbild und Stimmungsprofil altgläubiger Chronisten 1517–1618 2010. 672 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36074-3 eBook: ISBN 978-3-647-36074-4

80: Susan Richter Fürstentestamente der Frühen Neuzeit Politische Programme und Medien intergenerationeller Kommunikation 2009. 541 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36073-6 Mehr Informationen zu den Bänden finden Sie auf unserer Homepage www.v-r.de

www.v-r.de

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525360132 — ISBN E-Book: 9783647360133

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Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 79: Folker Reichert Gelehrtes Leben

74: Cornel Zwierlein Discorso und Lex Dei

Karl Hampe, das Mittelalter und die Geschichte der Deutschen 2009. 476 Seiten mit 24 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-36072-9

Die Entstehung neuer Denkrahmen im 16. Jahrhundert und die Wahrnehmung der französischen Religionskriege in Italien und Deutschland 2006. 900 Seiten mit 4 Abb., 10 Grafiken und 6 Tab., kartoniert ISBN 978-3-525-36067-5

78: Dietmar Willoweit (Hg.) Grundlagen der modernen bayerischen Geschichte Staat und Politik im Spiegel der Regierungsprotokolle des 19. und 20. Jahrhunderts 2007. 133 Seiten mit 4 Abb. und 3 Tab., gebunden. ISBN 978-3-525-36070-5

73: Maximilian Lanzinner / Arno Strohmeyer (Hg.) Der Reichstag 1486–1613: Kommunikation – Wahrnehmung – Öffentlichkeiten

77: Heinz Gollwitzer Weltpolitik und deutsche Geschichte

2006. 540 Seiten mit 16 Abb., 2 Karten, 1 Grafik und 1 Tab., kartoniert ISBN 978-3-525-36066-8

Gesammelte Studien 2008. 624 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36071-2

76: Stephen Schröder Die englisch-russische Marinekonvention Das Deutsche Reich und die Flottenverhandlungen der Tripelentente am Vorabend des Ersten Weltkriegs 2006. 790 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36069-9

75: David Thimme Percy Ernst Schramm und das Mittelalter Wandlungen eines Geschichtsbildes 2006. 670 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36068-2

72: Stefan Ehrenpreis Kaiserliche Gerichtsbarkeit und Konfessionskonflikt Der Reichshofrat unter Rudolf II. 1576–1612 2006. 350 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-36065-1

71: Jürgen Müller Deutscher Bund und deutsche Nation 1848–1866 2005. 637 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-36064-9

Mehr Informationen zu den Bänden finden Sie auf unserer Homepage www.v-r.de

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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525360132 — ISBN E-Book: 9783647360133