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German Pages 447 Year 2000
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht
Band 15
Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union Bedeutung, Inhalt und Umfang, Weiterentwicklung, Auswirkung auf Völkerrecht und nationales Recht Von
Johannes C. W. Müller
Duncker & Humblot · Berlin
JOHANNES C. W. MÜLLER
Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nümberg durch die Professoren Dr. Wolfgang Blomeyer und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 15
Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union Bedeutung, Inhalt und Umfang, Weiterentwicklung, Auswirkung auf Völkerrecht und nationales Recht
Von Johannes c. W. Müller
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Müller, Johannes C. W.: Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union: Bedeutung, Inhalt und Umfang, Weiterentwicklung, Auswirkung auf Völkerrecht und nationales Recht I von Johannes C. W. Müller. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Beiträge zum europäischen Wirtschaftsrecht ; Bd. 15) Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09825-0
n2 Alle Rechte vorbehalten @ 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 3-428-09825-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8
Meinen Eltern
Vorwort Die Kapitalverkehrsfreiheit erlangt in der Europäischen Union Bedeutung als selbständige Grundfreiheit, als Grundlage der Gemeinschaft und in ihren Auswirkungen auf nationales und internationales Recht. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wurden diese Aspekte nur zum Teil diskutiert. Eine umfassende Auseinandersetzung mit der juristischen und ökonomischen Bedeutung und Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten stand bisher aus. Die vorliegende Schrift möchte einen Beitrag dazu leisten, diese Lücke zu schließen. Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Schrift im Wintersemester 1998/99 als Dissertation anerkannt. Literatur und Rechtsprechung sind bis Oktober 1998 berücksichtigt. Die Artikelnumerierung des EGV und EUV wurde für die Drucklegung gemäß der Numerierung des Amsterdamer Vertrages, der am 1. Mai 1999 in Kraft trat, aktualisiert. Herzlicher Dank gebührt meinem akademischen Lehrer Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, der die Arbeit an seinem Lehrstuhl ermöglicht und den interdisziplinären Ansatz nachhaltig unterstützt hat. Danken möchte ich auch Professor Dr. Harald Herrmann für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie Professor Dr. Wolfgang Blomeyer für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe und Professor Dr. Norbert Simon vom Verlag Duncker & Humblot. Dank sagen möchte ich des weiteren der Bayerischen Landesbank, die diese Dissertation auf Vorschlag der Universität mit dem Förderpreis 2000 ausgezeichnet hat. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Familie, meiner Frau Maria Isabel und meinen Eltern, meiner Schwester Eva, die das zeitintensive und sorgfältige Korrekturlesen übernommen hat, und meiner Schwester Ursula. Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern, denen ich die Freude an Wissenschaft und Studium verdanke. Nürnberg, im Februar 2000
Johannes C. W. Müller
Inhaltsübersicht
Erster Teil
Einleitung 1. Kapitel:
1
Grundlegung .............................................................................................. 2
2. Kapital:
Zielsetzung und Vorgehensweise im Überblick ......................................... 5
3. Kapitel:
Diskussionsstand ........................................................................................ 7
Zweiter Teil
Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
10
1. Kapitel:
Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung ..................... 12
2. Kapitel:
Stellung und Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit im Zielsystem des EGV und EUV ................................................................................... 67
3. Kapitel:
Ergebnis des zweiten Teils ..................................................................... 123
Dritter Teil
Kapitalverkehrsfreiheit im EGV· Inhalt und Umfang des Beschränkungsverbotes
127
1. Kapitel:
Auslegungsmethodik .............................................................................. 127
2. Kapitel:
Normenwerk und Rechtsprechung zur Kapitalverkehrsfreiheit im Überblick ................................................................................................ 132
3. Kapitel:
Rechtswirkung der Kapitalverkehrsfreiheit: Unmittelbare Geltung und Anwendbarkeit; Drittwirkung ......................................................... 139
4. Kapitel:
Subjektiver Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ................ 149
5. Kapitel:
Europarechtlicher Begriff des Kapitalverkehrs ...................................... 152
6. Kapitel:
Umfang der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 [73b] EGV ............... 160
7. Kapitel:
Ausnahmen vom Beschränkungsverbot ...... ;.......................................... 168
X
Inhaltsübersicht
8. Kapitel:
Interdependenzen der Kapitalverkehrsfreiheit mit den anderen Grundfreiheiten ...................................................................................... 190
9. Kapitel:
Ergebnis des dritten Teils ....................................................................... 197
Vierter Teil Kapitalverkehrsfreiheit . Europäischer Finanzmarkt . Währungsunion: Weiterentwicklung der Kapitalverkehrsfreiheit und Interdependenzen
201
1. Kapitel:
Entwicklung eines integrierten Europäischen Finanzmarktes ................ 201
2. Kapitel:
Interdependenz von Kapitalverkehrsfreiheit und Währungsunion ......... 240
3. Kapitel:
Ergebnis des vierten Teils ...................................................................... 263
Fünfter Teil Wirkung der Vorschriften zum freien Kapitalverkehr auf völkerrechtliche Verträge und aufRecht, Gesetzgebung und Staatlichkeit der Mitgliedstaaten
267
1. Kapitel:
Nationales Recht und Recht der Europäischen Union ........................... 268
2. Kapitel:
Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union und völkerrechtliche Verpflichtungen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten ................................................................................. 302
3. Kapitel:
EU-Kapitalverkehrsfreiheit und Außenwirtschafts- und Währungsrecht der Mitgliedstaaten am Beispiel Deutschland ............... 314
4. Kapitel:
Freier Kapitalverkehr versus Steuerhoheit der Mitgliedstaaten ............ .327
5. Kapitel:
Ergebnis des fünften TeiIs ...................................................................... 347
Sechster Teil Schlußbetrachtung
350
Literaturverzeichnis
353
Sachwortregister
399
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil
Einleitung
1
1. Kapitel: Grundlegung ................................................................................................. 2 2. Kapitel: Zielsetzung und Vorgehensweise im Überblick ............................................ 5 3. Kapitel: Diskussionsstand ........................................................................................... 7
Zweiter Teil
Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
10
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung ........................ 12 I. Fonnen und Ursachen internationaler Kapitalbewegungen .............................. 13 1. Kapital und internationale Kapitalbewegungen: Begriffsinhalte ................. 13 a) Kapital ..................................................................................................... 13 b) Internationale Kapitalbewegung ............................................................. 19 c) Zahlung und Zahlungsverkehr ................................................................ 21 2. Fonnen und Klassifikation internationaler Kapitalbewegungen ................. 22 a) Fonnen internationalen Kapitalverkehrs ................................................. 22 b) Einteilungskriterien internationaler Kapitalbewegungen ........................ 23 3. Ursachen internationaler Kapitalbewegungen ............................................. 26 a) Gesamtwirtschaftliche Betrachtung der Grunde internationalen Kapitalverkehrs ....................................................................................... 26
XII
Inhaltsverzeichnis b) Motive der Anleger als Ursachen internationalen Kapitalverkehrs ......... 27 aa) Ursachen privater Kapitalbewegungen ............................................. 28 bb) Ursachen öffentlicher Kapitalbewegungen ...................................... 31 4. Tatsächlicher Umfang von Kapitalbewegungen und internationaler Kapitalverflechtung ..................................................................................... 32 11. Wirkungen eines freien internationalen Kapitalverkehrs ................................. 33 1. Primäre ökonomische Effekte der Liberalisierung des Kapitalverkehrs: Betrachtung der Wirkungsebenen ............................................................... 33 2. Zahlungsbilanzwirkungen ........................................................................... 35 a) Wirkungen autonomer Kapitalbewegungen auf die Zahlungsbilanz (Transfertheorie) .................................................................................... 36 aa) Monetäre Wirkungen ....................................................................... 37 bb) Güterwirtschaftliche Wirkungen ..................................................... 37 b) Induzierte Kapitalbewegungen als Auswirkung von Zahlungsbilanzänderungen (Zahlungsbilanzausgleich) .......................... 39 3. Wirkungen auf den Außenhandel ................................................................ 41 4. Wohlstands- und Wachstumswirkungen .................................................... .41 5. WeUbewerbswirkungen ............................................................................... 43 6. Wirkungen auf die Konjunktur und Bedeutung für die nationale Geld- und Fiskalpolitik ................................................................................ 44 a) Feste Wechselkurse ................................................................................ 45 aa) Konjunkturwirkungen ...................................................................... 45 bb) Geldpolitische Maßnahmen ............................................................. 45 ce) Fiskalpolitische Maßnahmen ............................................................ 46 b) Flexible Wechselkurse ........................................................................... 46 aa) Konjunkturwirkungen ..................................................................... 47 bb) Geldpolitische Maßnahmen ............................................................ 47 ce) Fiskalpolitische Maßnahmen ........................................................... 47 c) Konjunkturübertragung durch freien Kapitalverkehr ............................. 48 7. Zusammenhang zwischen Kapital- und Personenverkehr ........................... 48 III. Kontrollen und Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs ........................ .49
1. Arten von Kapitalverkehrsbeeinflussung und -beschränkungen ................. 51
a) Ertragsbeeinflussende Maßnahmen ........................................................ 51 b) Mengenmäßige Beschränkungen ........................................................... 52 c) Devisenmarktspaltung ............................................................................ 52 d) Rechtsgrundlagen ................................................................................... 53
Inhaltsverzeichnis
XIII
2. Begründungen und Effektivität von Kapitalverkehrskontrollen .................. 54 a) Wahrung monetärer Souveränität. .......................................................... 54 b) Abwehr spekulativer Kapitalbewegungen .............................................. 55 c) Exkurs: Finanzderivate ........................................................................... 57 d) Abwehr einer Verstärkung realwirtschaftlicher Ungleichgewichte ........ 59 e) Verhinderung von Investitionsverlagerungen und Kapitalflucht ........... 60 Sonstige Begründungen .......................................................................... 61 g) Zur Kosten-Nutzen-Relation von Kapitalverkehrskontrollen ................ 62
o
3. Wirkungen und Bewertung von Kapitalverkehrsbeschränkungen .............. 62 IV. Abschließende Betrachtung und Folgerungen für die Europäische Union: Institutionelle Voraussetzungen freien Kapitalverkehrs .................... 65 2. Kapitel: Stellung und Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit im Zielsystem des EGV und EUV ............................................................................................ 67
I. Kapitalverkehrsfreiheit als Grundlage der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union ...................................................... 68 11. Verwirklichung der Vertragsziele des EGV und EUV durch freien Kapitalverkehr ....................................................................................... 71 1. Ziel system des EGV und EUV .................................................................... 71 2. Zielsetzungen im einzelnen ......................................................................... 72 3. Bedeutung der Zielbestimmungen aus Sicht der Kapitalverkehrsfreiheit. ... 75 4. Beitrag der Kapitalverkehrsfreiheit zur Verwirklichung der Ziele des EGV und EUV ............................................................................................ 78 a) Wohlstandswirkungen durch optimale Kapitalallokation ...................... 79 b) Erleichterter Zahlungsbilanzausgieich ................................................... 81 c) WeUbewerbsintensivierung .................................................................... 82 d) Förderung der Stabilität durch wirtschaftspolitischen Disziplinierungsdruck und verbesserte Finanzstruktur .......................... 84 5. Abschließende Betrachtung zur Verwirklichung ökonomischer Ziele durch freien Kapitalverkehr in der Europäischen Union ............................. 85 III. Vertragssystematische Stellung der Kapitalverkehrsfreiheit .......................... 89 1. Kapitalverkehrsfreiheit als Grundfreiheit .................................................... 89 a) Freier Kapitalverkehr als vierte Grundfreiheit ....................................... 89 b) Materialisierung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes ................ 90 c) Grundrechtsähnlichkeit .......................................................................... 91 d) Sicherung der Grundrechte und Grundfreiheiten ................................... 92
XIV
Inhaltsverzeichnis 2. Kapitalverkehrsfreiheit als Teil des Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarktes; Bezug zu anderen Grundfreiheiten .................................... 93 a) Kapitalverkehrsfreiheit als Element des Gemeinsamen Marktes und des Binnenmarktes ................................................................................. 93 b) Abgrenzung Gemeinsamer Markt - Binnenmarkt im Hinblick auf den Kapitalverkehr ................................................................................. 95 c) Ergänzung der anderen Grundfreiheiten ................................................ 95 d) Außendimension der Kapitalverkehrsfreiheit ........................................ 99 3. Kapitalverkehrsfreiheit und einheitlicher Europäischer Finanzmarkt ......... 99 4. Kapitalverkehrsfreiheit als konstitutives Element der Wirtschafts- und Währungsunion ............................. :........................................................... 100 a) Zeitliche Verknüpfung des vertraglichen Inkrafttretens von Kapitalverkehrsfreiheit und Vorschriften zur Wirtschafts- und Währungsunion .................................................................................... 100 b) Ökonomische Zusammenhänge ........................................................... 102 c) Kapitalverkehrspolitisches Instrumentarium im EGV .......................... 107 IV. Kapitalverkehrsfreiheit als Element einer europäischen Wettbewerbsordnung ................................................................................... 107 1. Ermöglichung und Verwirklichung von Wettbewerb durch freien Kapitalverkehr ........................................................................................... 107 2. Abwehr von Gefährdungen und Beschränkungen des Wettbewerbs ......... 110 V. Kapitalverkehrsfreiheit als ordnungspolitische Grundentscheidung einer europäischen Wirtschaftsverfassung .................................................... 113 1. Wirtschaftsverfassung: Begriff und rechtliche Verankerung .................... 113 a) Staatsrechtlicher und wirtschaftswissenschaftlicher Begriff ................ 113 b) Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes ........................................... 116 c) Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union ................................... 118 2. Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit in der europäischen Wirtschaftsverfassung ............................................................................... 120
3. Kapitel: Ergebnis des zweiten Teils ........................................................................ 123
Inhaltsverzeichnis
xv
Dritter Teil
Kapitalverkehrsfreiheit im EGV - Inhalt und Umfang des Beschränkungsverbotes
127
1. Kapitel: Auslegungsmethodik ................................................................................. 127 I. Interpretationsmethoden ................................................................................. 127 11. Parallelität der Grundfreiheiten ...............................•..................................... 129 III. Interpretationsrelevanz der Richtlinie 88/361/EWG .................................... 131 IV. Interpretation der Verträge durch den Europäischen Gerichtshof ................ 132 2. Kapitel: Normenwerk und Rechtsprechung zur Kapitalverkehrsfreiheit im Überblick ............................................................................................. 132
I. Gesetzliche Regelungen bis 31.12.1993: Art. 67bis 73,106 EWGV ............ 132 11. Gesetzliche Regelungen ab 01.01.1994: Art. 56 bis 60 [73b bis 73g] EGV .135 III. Einheitliche Regelung von Kapital- und Zahlungsverkehr in den neuen Vorschriften ................................................................................................. 136 IV. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs .......................................... 137 3. Kapitel: Rechtswirkung der Kapitalverkehrsfreiheit: Unmittelbare Geltung und Anwendbarkeit; Drittwirkung ............................................................ 139
I. Unmittelbare Geltung des Art. 56 [73b] Abs. 1 EGV ..................................... 140 11. Unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 56 [73b] Abs. 1 EGV ........................ 142 III. Drittwirkung des Art. 56 [73b] Abs. 1 EGV? .............................................. 143 IV. Vergleich zu Art. 67 EWGV ........................................................................ 146 V. Vergleich zur Richtlinie 88/361/EWG .......................................................... 147 4. Kapitel: Subjektiver Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit. .................. 149 I. Begünstigte ..................................................................................................... 149
XVI
Inhaltsverzeichnis 11. Adressaten ..................................................................................................... 150
5. Kapitel: EuroparechtIicher Begriff des Kapitalverkehrs ......................................... 152 I. Wirtschaftswissenschaftlicher Begriff ............................................................ 152
11. Begriffsabgrenzung im EGV und in den Richtlinien ..................................... 152 III. Begriffspräzisierung durch den Europäischen Gerichtshof und Abgrenzung zu Warenverkehr und Zahlungsverkehr ................................... 154 1. Abgrenzung zum Warenverkehr ................................................................ 154 2. Abgrenzung Kapitalverkehr - Zahlungsverkehr ........................................ 155 IV. Definition ..................................................................................................... 156 V. Begriff des Zahlungsverkehrs ........................................................................ 158 6. Kapitel: Umfang der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 [73b] EGV .................. 160 I. Frühere Liberalisierungsverpflichtung ............................................................ 160 11. Absolutes Beschränkungsverbot des Art. 56 [73b] EGV .............................. 161 III. Ergänzendes zum Umfang des Beschränkungsverbotes im Hinblick auf die Parallelität der Grundfreiheiten ........................................................ 166 7. Kapitel: Ausnahmen vom Beschränkungsverbot .................................................... 168 I. Mögliche Ausnahmen in Form einer Bereichsausnahme oder einer immanenten Schranke ..................................................................................... 168
1. Bereichsausnahme ..................................................................................... 168 2. Vorliegen einer immanenten Schranke? .................................................... 169 11. Ausnahmen nach Art. 58 [73d] EGV ............................................................ 171 1. Art. 58 [73d] Abs. 1 u. 2 EGV .................................................................. 171 a) Anwendung nationalen Steuerrechts (Art. 58 [73d] Abs. llit. a EGV) 171 b) Innerstaatliche Vorschriften, Aufsichtsbestimmungen und ordre public (Art. 58 [73d] Abs. llit. b EGV) .............................................. 174 c) Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit (Art. 58 [73d] Abs. 2 EGV) .................................................................. 177
Inhaltsverzeichnis
XVII
2. Relativierung der Ausnahmevorschrift nach Art. 58 [73d] Abs. 3 EGV ... 177 3. Ausnahmeumfang und Beschränkungswirkungen: Offenheit des Art. 58 [73d] EGV ................................................................................................. 180 III. Beschränkungen des Kapitalverkehrs nach Art. 73e EGV a. F .................... 182 IV. Beschränkungen durch Schutzmaßnahmen nach Art. 119 [109h] und 120 [109i] EGV ............................................................................................ 183 V. Einschränkungen aus den Zusatzprotokollen zum EUV ............................... 184 VI. Zulässige Beschränkungen im Kapitalverkehr mit Drittländern nach Art. 57 [73c] EGV ............................................................................... 185 1. Art. 57 [73c] Abs. 1 EGV .......................................................................... 185 2. Art. 57 [73c] Abs. 2 EGV ......................................................................... 186 3. Beurteilung unter dem Aspekt des Beschränkungsverbotes aus Art. 56 [73b] EGV ..................................................................................... 187 VII. Schutzmaßnahmen gegenüber Drittländern nach Art. 59 [73f] EGV ...................................................................................... 188 VIII. Kapitalverkehrsbeschränkungen gegenüber Drittländern als Wirtschaftssanktion nach Art. 60 [73g] EGV ........................................... 189 IX. Vergleich zu früheren Ausnahmebestimmungen ......................................... 189 8. Kapitel: Interdependenzen der Kapitalverkehrsfreiheit mit den anderen Grundfreiheiten ......................................................................................... 190 I. Verhältnis zum Warenverkehr ........................................................................ 192
11. Verhältnis zum Personenverkehr - Niederlassungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit ............................................................................ 192 III. Verhältnis zur Dienstleistungsfreiheit .......................................................... 193 IV. Ergebnis im Hinblick auf die Zulässigkeit mittelbaret Beschränkungen des Kapitalverkehrs .............. ~ ............................................ 196 9. Kapitel: Ergebnis des dritten Teils .......................................................................... 197
2 Müller
XVIII
Inhaltsverzeichnis
Vierter Teil Kapitalverkehrsfreiheit - Europäischer Finanzmarkt Währungsunion: Weiterentwicklung der Kapitalverkehrsfreiheit und Interdependenzen
201
1. Kapitel: Entwicklung eines integrierten Europäischen Finanzmarktes ................... 201 I. Begriffsabgrenzung ......................................................................................... 202 1. Begriff des Finanzmarktes ......................................................................... 203 2. Abgrenzung zu den Euromärkten .............................................................. 205 II. Motive für die Errichtung eines einheitlichen Finanzmarktes ....................... 206 III. Vertragliche Grundlagen .............................................................................. 211 1. Grundlage in den Vertragszielen ............................................................... 211 2. Kompetenzen zur Finanzmarktregulierung ............................................... 214 3. Beachtung des Subsidiaritätsprinzips ........................................................ 214 4. Zwei Varianten der Rechtsangleichung ..................................................... 216 IV. Ordnungspolitische Grundsätze für einen einheitlichen Finanzmarkt.. ........ 217 1. Widerstreitende ordnungspolitische Grundlagen im EGV ........................ 218 a) Offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb .................................. 218 b) Gefährdungen einer freiheitlichen Wirtschaftsverfassung des Finanzmarktes durch regulative Gemeinschaftspolitiken .................... 220 2. Wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundprinzipien ................................... 221 3. Anforderungen an eine Finanzmarktordnung der Europäischen Union .... 223 V. Rechtsangleichungsaufgaben im einzelnen ................................................... 224 1. Überblick über die Regelungsaufgaben ..................................................... 224 2. Das Konzept der Europäischen Union zur Errichtung eines integrierten Finanzmarktes ........................................................................................... 225 3. Rechtsangleichung im einzelnen ............................................................... 226 a) Banken und Versicherungen ................................................................ 226
Inhaltsverzeichnis
XIX
b) Wertpapier-, Börsen- und Investmentrecht sowie Gesellschaftsrecht .. 228 c) Steuerrecht ............................................................................................ 230 VI. Kritische Würdigung und offene Fragen ...................................................... 231 1. Entwicklung eines Europäischen Finanzmarktrechts ................................ 232 2. Positive Auswirkungen auf nationales Finanzmarktrecht ......................... 233 3. Kritische Entwicklungen im Hinblick auf eine wettbewerbliehe Verfassung des Finanzmarktes .................................................................. 233 4. Mangelnde ordnungspolitische Orientierung ............................................ 236 5. Zukünftige Tätigkeitsgebiete ..................................................................... 238 6. Weiteres Vorgehen .................................................................................... 239 2. Kapitel: Interdependenz von Kapitalverkehrsfreiheit und Währungsunion ............ 240 I. Vertragliche Grundlagen und Ziele der Währungsunion ................................ 241
1. Begriffsabgrenzung und grundlegende Positionen .................................... 241 2. Ziele der Währungsunion .......................................................................... 243 3. Währungsunion als politische Entscheidung ............................................. 245 4. Vertragliche Grundlagen der Währungsunion ........................................... 247 a) Entwicklung bis zum Vertrag von Maastricht ...................................... 247 b) Vertragsziel der Währungsunion .......................................................... 248 5. Verfassungsrechtliche Aspekte .................................................................. 249 11. Grundlegende Zusammenhänge zwischen Kapitalverkehrsfreiheit und Währungsunion ............................................................................................. 251 III. Denkbare Gründe für eine Währungsunion aus Sicht der Kapitalverkehrsfreiheit ................................................................................. 253 IV. Kapitalverkehrsfreiheit als Wegbereiter der Währungsunion ...................... 255 1. Stabilisierungs- und Koordinationsdruck durch freien Kapitalverkehr ..... 255 2. Freier Kapitalverkehr als Gradmesser der Konvergenz ............................. 255
2·
xx
Inhaltsverzeichnis V. Erfordernis einer stabilen Währungsunion im Hinblick auf die Sicherung der Kapitalverkehrsfreiheit ............................................................................ 257 VI. Kapitalverkehrsfreiheit als Stabilitätsgarant in der Währungsunion ............ 258 VII. Sonstige Aspekte ........................................................................................ 262 VIII. Ergebnis ..................................................................................................... 263
3. Kapitel: Ergebnis des vierten Teils ......................................................................... 263
Fünfter Teil Wirkung der Vorschriften zum freien Kapitalverkehr auf völkerrechtliche Verträge und auf Recht, Gesetzgebung und Staatlichkeit der Mitgliedstaaten
267
1. Kapitel: Nationales Recht und Recht der Europäischen Union ............................... 268 I. Staatiichkeit und Verfassung der Europäischen Union und Gemeinschaft ................................................................................................... 268 1. Verfassung als Grundlage der Staatlichkeit. .............................................. 268 2. Verfassung und Staatiichkeit Europas ....................................................... 272 3. Ausübung übertragener Hoheitsrechte und Vorrang der Rechtsordnung .. 273 4. Grenzen der Kompetenzübertragung ......................................................... 276 II. Kompetenzen und gegenseitige Pflichten ...................................................... 280 1. Arten von Kompetenzen ............................................................................ 280 2. Gegenseitig bestehende Pflichten .............................................................. 282 a) Subsidiaritätsprinzip ...•......................................................................... 283 b) Gemeinschaftstreue .............................................................................. 284 3. Lückenschließungskompetenz nach Art. 308 [235] EGV ......................... 285 4. Implied Powers .......................................................................................... 287 5. Effet utile ................................................................................................... 289
Inhaltsverzeichnis
XXI
6. Folge der Kompetenzverteilung ................................................................ 290 111. Außenbeziehungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten ...... 291 1. Stellung der Europäischen Gemeinschaft im Völkerrecht Völkerrechtsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft ............................. 291 2. (Besondere) Kompetenzen im Außenverhältnis ........................................ 293 a) Zugewiesene Kompetenzen .................................................................. 293 b) Doktrin vom Parallelismus zwischen Innen- und Außenkompetenz .... 294 3. Aufteilung der Vertragsschlußkompetenzen ............................................. 297 2. Kapitel: Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union und völkerrechtliche Verpflichtungen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten ..................... 302
I. Kapitalverkehrsrelevante völkerrechtliche Verpflichtungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten .............................................. 302 1. Internationaler Währungsfonds (IWF) ...................................................... 302 2. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ..................................................................................................... 303 3. Welthandelsorganisation und Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (WTO/GATS) .......................................................... 305 4. Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) ...................................................... 307 5. Europa-Abkommen ................................................................................... 309 11. Berücksichtigung der völkerrechtlichen Verpflichtungen durch die Regelungen zur Kapitalverkehrsliberalisierung der Europäischen Union und deren gegenseitiges Verhältnis .................................................... 311
1. Vergleich der völkerrechtlichen Verpflichtungen mit dem Liberalisierungsgrundsatz aus Art. 56 [73b] EGV im innergemeinschaftlichen Verhältnis .......................................................... 311 2. Denkbare Konflikte zwischen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen und völkerrechtlichen Verpflichtungen im Verhältnis zu Drittstaaten ............. 311 111. Würdigung (unter ökonomischen, politischen und völkerrechtlichen Aspekten) ..................................................................................................... 313
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Inhaltsverzeichnis
3. Kapitel: EU-Kapitalverkehrsfreiheit und Außenwirtschafts- und Währungsrecht der Mitgliedstaaten am Beispiel Deutschland ........................................... 314
I. Nationale Regelungen und Kompetenzen zur Regulierung des Kapital- und Zahlungsverkehrs ....................................................................... 315 1. Außenwirtschaftsgesetz und Außenwirtschaftsverordnung ....................... 315 a) Allgemeine Beschränkungsmöglichkeiten und Bardepotpflicht .......... 316 b) Besondere Beschränkungsmöglichkeiten ............................................. 317 c) Meldepflichten ..................................................................................... 318 2. Bundesbankgesetz ..................................................................................... 319 3. Währungsgesetz ........................................................................................ 321 11. Kompetenzübertragung auf die EU und faktisch verbliebene Regelungsbefugnisse der Mitgliedstaaten ..................................................... 321 1. Außenwirtschaftsgesetz und Außenwirtschaftsverordnung ....................... 321 2. Bundesbankgesetz ..................................................................................... 324 3. § 3 WährG ................................................................................................. 325 III. Fazit und kritische Würdigung, auch unter dem Gesichtspunkt der StaatIichkeit ............................................................................................ 326 4. Kapitel: Freier Kapitalverkehr versus Steuerhoheit der Mitgliedstaaten ................ 327
I. Kapitalverkehrsbeschränkung und Wettbewerbsverzerrungen durch Steuerunterschiede ............................................................................... 327 1. Kapitalverkehrsbeschränkende und wettbewerbsverzerrende Steuervorschriften ..................................................................................... 328 2. Beseitigung steuerlicher Beschränkungen ................................................. 331 11. Steuerhoheit der Mitgliedstaaten ................................................................... 332 1. Existentielle Staatlichkeit der Steuerhoheit ............................................... 332 2. Verbleiben der Steuerhoheit bei den Mitgliedstaaten ................................ 334 3. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und Grenzen der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten ............................................................... 336
Inhaltsverzeichnis
XXIII
4. Einfluß der Kapitalverkehrsfreiheit auf die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten .......................................................................................... 338 III. Kritische Würdigung der Konfliktlösung nach Art. 58 [73d] EGV ............. 339 1. Art. 58 [73d] Abs. 1 Iit. a i. V. m. Abs. 3 EGV ......................................... 339
2. Interpretationsspielräume und Widersprüchlichkeit der Kollisionsnorm .. 340 3. Alternativen ............................................................................................... 342 a) Übertragung von Hoheitsrechten im Bereich der direkten Steuern auf die Organe der Europäischen Union ............................................... 343 b) Abschaffung des Art. 58 [73d] Abs. 1 Iit. a EGV oder des Art. 58 [73d] Abs. 3 EGV .................................................................... 345 c) Änderung des Art. 58 [73d] Abs.1 lit. a EGV ..................................... 345 4. Fazit ........................................................................................................... 346 5. Kapitel: Ergebnis des fünften Teils ......................................................................... 347
Sechster Teil
Scblußbetracbtung
350
Literaturverzeicbnis
353
Sacbwortregister
399
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
AaP
Auszüge aus Presseartikeln der Deutschen Bunde~bank (Zeitschrift)
abgedr.
abgedruckt
ABlEG
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
a. F.
alte Fassung
AG
Aktiengesellschaft
Anm.
Anmerkung
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)
APuZ
Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament (Zeitschrift)
ARSP
Archiv für Rechts- und Sozial philosophie (Zeitschrift)
Art.
Artikel
AStG
Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) v. 08.09.1972
Aufl.
Auflage
AuslInvestmG
Auslandinvestmentgesetz v. 09.09.1998; ursprünglich: Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen v. 28.07.1969
AWD AWG
Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift)
AWV
Außenwirtschaftsgesetz Außenwirtschaftsverordnung
Az.
Aktenzeichen
BB
Betriebs-Berater (Zeitschrift)
BBankG
Gesetz über die Deutsche Bundesbank v. 26.07.1957
BBPS
B. Beutler/R. Bieber/J. Pipkom/J. Streil: Die Europäische Union, 4. neubarb. Aufl., Baden- Baden 1993
Bd.
Band
Abkürzungsverzeichnis bearb.
bearbeitet
Bek.
Bekanntmachung
Bem.
Bemerkung
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch v. 18.08.1896
BGBI.
Bundesgesetzblatt
BIS
Bank for International Settlements
BIZ
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
BR
Bundesrat
BReg.
Bundesregierung
BT
Bundestag
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
C.F.E.
Confederation Fiscale Europeenne
CMLR
Common Market Law Review (Zeitschrift)
DB
Der Betrieb (Zeitschrift)
ders.
derselbe
d. h.
das heißt
dies.
dieselbe, dieselben
xxv
Diss.
Dissertation
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung - Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik
Drucks.
Drucksache
DStR
Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
DSWR
Datenverarbeitung Steuer Wirtschaft Recht (Zeitschrift)
EA
Europa-Archiv (Zeitschrift)
EAG
Europäische Atomgemeinschaft
EAGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft v. 25.03.1957
ebd.
ebenda
ed.
Edition, editor
eds.
editors
EEA
Einheitliche Europäische Akte v. 28.02.1986
EG
Europäische Gemeinschaft
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGKSV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl v. 18.04.1951
XXVI
Abkürzungsverzeichnis
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der konsolidierten Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam
EGVa.F.
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i. d. F. des EUV vor den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam
ELR
European Law Review (Zeitschrift)
endg.
endültig
Erg.
Ergänzung
erw.
erweitert, erweiterte
EStG
Einkommensteuergesetz 1997 vom 16.04.1997
ESZB
Europäisches System der Zentralbanken
et al.
et alteri
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EuGH
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
EuGRZ
Europäische Grundrechtezeitschrift
EuR
Europarecht (Zeitschrift)
EUV
Vertrag über die Europäische Union v. 07.02.1992
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschafsrecht
evtl.
eventuell
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft v. 25.03.1957
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
EWRA
Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum
EWS
Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht (Zeitschrift)
EZB
Europäische Zentralbank
F. FAZ
Fach
ff.
folgende
FG
Festgabe
Fn.
Fußnote
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FS
Festschrift
GA
Generalanwalt
GATS
General Agreement on Trade in Services
GATT
General Agreement on Tariffs and Trade
gern.
gemäß
Abkürzungsverzeichnis
XXVII
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23.05.1949
GMH
Gewerkschaftliche Monatshefte (Zeitschrift)
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Grp.
Gruppe
GS
Gedächtnisschrift
GTE
H. v. Groeben/J. Thiesing/.C.-D. Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag
Halbs.
Halbsatz
HdER
Handbuch des Europäischen Rechts, hrsg. v. C.-D. Ehlermann/R. Bieber
HdEG-WiR
Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, hrsg. v. M. A. Dauses
HdEStAbgR
Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, hrsg. v. D. Birk
HdFW
Handbuch der Finanzwissenschaft, hrsg. v. H. E. Büschgen
HdStW
Handwärterbuch der Staatswissenschaften, hrsg. v. L. Elster/A. Weber/F. Wieser
HdSW
Handwärterbuch der Sozialwissenschaften, hrsg. v. E. v. Beckerath et al.
HdWW
Handbuch der Wirtschaftswissenschaft, hrsg. v. W. A1bers et al.
h. L.
herrschende Lehre
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg.
Herausgeber
hrsg.
herausgegeben
HStR
Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. J. IsenseelP. Kirchhof
HVerfR
Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel
HWInt
Handwärterbuch Export und Internationale Unternehmung, hrsg. v. K. Macharzina/M. K. Welge
i. d. F.
in der Fassung
i. d. S.
in diesem Sinne
i. E.
im Erscheinen
IMF
International Monetary Fund
insb.
insbesondere
IStR
Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)
i. V. m.
in Verbindung mit
IWB
Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift)
IWF
Internationaler Währungsfonds
JA
Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)
XXVIII
Abkürzungsverzeichnis
JöR
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart
JuS
Juristische Schulung (Zeitschrift)
JZ
Juristenzeitung
Kap.
Kapitel
KOM
Kommision der Europäischen Gemeinschaften (so zitiert in ihren Dokumenten)
KSE
Kölner Schriften zum Europarecht
LIST
Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik (Zeitschrift)
lit.
litera
LPG
Landwirtschaftliche Pr~duktionsgenossenschaft
M.F.
Maastrichter Fassung (des EGV)
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
neubarb.
neubearbeitete
Nachdr.
Nachdruck
N.F.
Neue Folge
n.F.
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)
Nr.
Nummer, Nummern
NWB
Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift)
ÖBA
Bankarchiv , früher Österreichisches Bankarchiv (Zeitschrift)
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
OEEC
Organization for European Economic Cooperation
OHG
Offene Handelsgesellschaft
o.J.
ohne Jahr
0.0.
ohne Ort
ORDO
Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft
o.V.
ohne Verfasser
p.
page
Pkt.
Punkt
RabelsZ
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht
Rdnr.
Randnummer , Randnummern
RlW
Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)
RL
Richtlinie
Rs.
Rechtssache
RuP
Recht und Politik (Zeitschrift)
RWI-Mitteilungen
Zeitschrift für Wirtschaftsforschung des RheinischWestfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung
Abkürzungsverzeichnis
XXIX
S.
Satz, Seite
s.
siehe
Slg.
Amtliche Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften
sog.
sogennante, sogenannter, sogenanntes
Sp.
Spalte
Spstr.
Spiegelstrich
StabG
Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft v. 08.06.1967
Tz.
Textziffer
u.
und
u. a.
und andere, unter anderem
überarb.
überarbeitete
Univ.
Universität
Unterabs.
Unterabsatz
u. U. v.
vom, von
unter Umständen
VEB
Volkseigener Betrieb
VEG
Volkseigene Genossenschaft
vgl.
vergleiche
VO
Verordnung
Vorbem.
Vorbemerkung
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
WährG
Währungsgesetz vom 20. Juni 1948
WEGS
E. Wohlfarth/U. Everling/H. J. GIaesner/R. Sprung, Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft - Kommentar zum Vertrag
w.h.M.
wohl herrschende Meinung
WiSt
Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift)
WM
Wertpapiermiueilungen - Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht
WTO
World Trade Organization
z.B.
zum Beispiel
ZBR ZEuP
Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht
ZGesStW
Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
xxx
Abkürzungsverzeichnis
Ziff.
Ziffer
zugl.
zugleich
ZSfNatÖk
Zeitschrift für Nationalökonomie
Erster Teil
Einleitung "Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten." (Art. 56 [73b] Abs. 1 EGV1)
Seit dem 1. Januar 19942 ist nach Art. 56 [73b] Abs. 1 EGV der internationale Kapitalverkehr unter den Mitgliedern der Europäischen Union3 und zwi1 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.03.1957, BGBI. 1957 11 S. 766, in der konsolidierten Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam vom 02.10.1997, BGBI. 199811 S. 386/465.
Der Vertrag von Amsterdam ist nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten am 1. Mai 1999 gemäß Art. 14 Abs. 2 des Vertrages in Kraft getreten. Im Text werden die Artikel gemäß der Numerierung des Amsterdamer Vertrages zitiert, in Klammem ist die frühere Artikelnumerierung angegeben. Die frühere "Europäische Wirtschaftsgemeinschaft" (EWG) war mit dem Vertrag von Maastricht (durch Art. 8 [G] EUV) in "Europäische Gemeinschaft" (EG) umbenannt worden; durch Art. 12 des Vertrages von Amsterdam wurde die Umnumerierung der Artikel, Titel und Abschnitte des EUV und EGV beschlossen. Für die Regelungen des Vertrages vor der Änderung durch den Vertrag von Maastricht wird die Bezeichnung EWG-Vertrag bzw. das Kürzel EWGV verwendet, für die Regelungen vor der Umnumerierung durch den Amsterdamer Vertrag das Kürzel EGV a. F. und für die Regelungen in der Fassung des Amsterdamer Vertrages das Kürzel EGV. 2 Nach Art. 73a EGV a. F. wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1994 die Art. 67 bis 73 EGV a. F., die bis dahin den Kapitalverkehr regelten, durch die Art. 73b bis 73g EGV a. F. ersetzt. Der Vertrag von Amsterdam brachte außer redaktionellen Anpassungen (Streichung der Art. 67 - 73 EGV a. F. sowie der durch Zeitablauf obsoleten Bestimmungen der Art. 73a, 73e und 73h EGV a. F. und Umnumerierung der übrigen Artikel in Art. 56 bis 60 EGV) keine Änderungen für das Recht des Kapitalverkehrs. Zum Amsterdamer Vertrag vgl.: M. HilflE. Pache, Der Vertrag von Amsterdam, NJW 1998, S. 705 - 713; R. Streinz., Der Vertrag von Amsterdam, EuZW 1998, S. 137 - 147; kritisch: H. H. Rupp, Ausschaltung des Bundesverfassungsgerichts durch den Amsterdamer Vertrag?, JZ 1998, S. 213 - 217. 3 Die Vorschriften zum Kapitalverkehr sind solche des EG-Vertrages, durch den die Europäische Gemeinschaft gegründet wird (Art. 1 [1] EGV), und des dayon abgeleiteten Sekundärrechts. Mit der Europäischen Union stehen sie insofern im Zusammenhang als die Europäische Gemeinschaft selbst eine der Grundlagen der Europäischen Union ist (Art. 1 [A] EUV). Daher ist es for-
2
1. Teil: Einleitung
sehen diesen und dritten Ländern liberalisiert. Art. 56 [73b] EGV verbietet alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs und ersetzt die bis dahin geltende Regelung des Art. 67 EWGV, der die Liberalisierung des Kapitalverkehrs (nur) vorschrieb, "soweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig ist. "
1. Kapitel Grundlegung
Die Gewährung eines freien internationalen Kapitalverkehrs nimmt eine zentrale Stellung in der Wirtschaftsverfassung eines Staates und einer Staatengemeinschaft ein. Sie sichert die Freiheit des Wirtschaftens ihrer Mitglieder auf internationaler Ebene. Darüber hinaus steht die Regelung des internationalen Kapitalverkehrs in engem Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik, insbesondere der Außenwirtschafts-, Währungs- und Steuerpolitik eines Staates. Die Befugnis zur Regulierung des internationalen Kapitalverkehrs ist Kernelement staatlicher Hoheit. In einer offenen und international verflochtenen Gesellschaft ist die Freiheit internationaler Kapitalbewegungen Grundlage und Folge der Internationalität dieser Gesellschaft zugleich. Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung fordert nicht zuletzt die Freiheit der internationalen wirtschaftlichen Betätigung und damit die Freiheit grenzüberschreitenden Wirtschaftens, also auch grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs. International sind die Kerngrundrechte wirtschaftlicher Betätigung - Wirtschaftsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Berufsfreiheit und Eigentum - nur zu sichern, wenn und soweit die Kapitalverkehrsfreiheit gewährleistet ist. Freier Kapitalverkehr entspricht den Grundprinzipien einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung. Die Entscheidung für oder gegen Kapitalverkehrsmal und material korrekt, im Zusammenhang mit der Kapitalverkeh/Sfreiheit von der Europäischen Union und nicht (nur) von der Europäischen Gemeinschaft zu sprechen. Zum Verhältnis zwischen Europäischer Gemeinschaft und Europäischer Union vgl. etwa: B. Beutler, in: BBPS, Die Europäische Union, 1993, S. 41, 73, 74. Vgl. auch: 5. Teil, 1. Kap., I. EUV: Vertrag über die Europäische Union vom 07.02.1992, BGBl. 1992 II S. 1253, in der konsolidierten Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam vom 02.10.1997, BGBI. 1998 II S. 386/454.
1. Kapitel: Grundlegung
3
freiheit bestimmt die Ausprägung der Wirtschaftsverfassung eines Landes oder einer Staatengemeinschaft. Die Gewährung oder Nichtgewährung eines freien Kapitalverkehrs ist Kennzeichen einer offenen oder einer abgeschlossenen Volkswirtschaft. Sie ist Zeichen für das Wirtschaftssystem eines Staates oder einer Staatengemeinschaft. Die Sicherung der Kapitalverkehrsfreiheit ist ein Teil der Sicherung der Freiheit privaten Wirtschaftens4 • Internationale Kapitalbewegungen sind wesentlicher Bestandteil der grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen eines Landes. Die Freiheit des internationalen Kapitalverkehrs ermöglicht die Teilnahme der Bürger eines Staates und einer Staatengemeinschaft am internationalen Wirtschaftsleben. Die Verfügbarkeit von Kapital ist Voraussetzung für unternehmerisches Tätigwerden. Es ist Grundlage für die Herstellung und das Angebot von Gütern und Dienstleistungen. Die Gründung und der Betrieb von Unternehmen oder Zweigniederlassungen sind ohne Kapital nicht denkbar. Der Zu- und Abfluß von Direktinvestitionen ist ein Maßstab für die Bedeutung und internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes5 • Im Rahmen der Europäischen Union gehört der freie Kapitalverkehr zu den Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft6 • Als eine der vier Grundfreiheiten konstituiert er nach Art. 3 [3] lit. c und Art. 14 [7a] Abs. 2 EGV gemeinsam mit dem freien Waren-, Personen- und Dienstleistungsverkehr den Binnenmarkt.
4 Der Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung findet hierin seinen Ausdruck. Eine Einschränkung kann daher, im Sinne dieses Vorrangs, nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig sein. VgI. dazu: 2. Teil,!. Kap. III. u. 3. Teil, 7. Kap.
Zum Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung vgl.: K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, 1994, S. 195 - 200, 386 - 392; K. A. Schachtschneider, Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: ders. (Hrsg.), Wirtschaft, Gesellschaft und Staat im Umbruch, 1995, S. 440 - 442; J. [sensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HStR, Bd. III, 1988, § 57 Rdnr. 165 - 169 (als Subsidiaritätsprinzip); auch: O. v. NellBreuning, Gerechtigkeit und Freiheit, 1985, S. 56 (Subsidiarität). 5 Vgl. etwa: Deutsche Bundesbank, Entwicklung und Bestimmungsgründe grenzüberschreitender Direktinvestitionen, Monatsbericht August 1997, S. 63; Deutsche Bundesbank, Zur Problematik internationaler Vergleiche von Direktinvestitionssträmen, Monatsbericht Mai 1997, S. 79. 6 Die Qualifizierung der Kapitalverkehrsfreiheit als Grundlage der Gemeinschaft beruht auf der (früheren) Zuordnung zum gleichnamigen 2. Teil des EWG-Vertrages. Vgl. dazu: EuGH Rs. 203/80 (Casati), Slg. 1981,2595 (2613); auch: M. Seidel, Freiheit des Kapitalverkehrs und Währungspolitik, 1982, S. 3.
3 MUlIer
4
1. Teil: Einleitung
Die Kapitalverkehrsfreiheit ist ein wesentliches Ziel zur Verwirklichung der in Art. 2 [2] EGV formulierten Aufgabe der Gemeinschaft, insbesondere der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion 7 • Zugleich ist sie als gemeinsame Politik nach Art. 3 [3] EGV Mittel zur Förderung dieser Ziele. Sie muß im Rahmen einer Wettbewerbswirtschaft verwirklicht werden und ist dabei eines ihrer Elemente. "Darüber hinaus ist in der Praxis die Freiheit bestimmter Kapitalbewegungen eine Voraussetzung für die wirksame Ausübung anderer vom Vertrag garantierter Freiheiten, namentlich des Niederlassungsrechts."s Sie ist dabei nicht auf eine ergänzende Funktion im Hinblick auf die übrigen drei Grundfreiheiten beschränkt, sondern stellt eine eigenständige Liberalisierungsverpflichtung dar. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft sieht die Freiheit des Kapitalverkehrs gleichwertig mit der Entwicklung eines Europäischen Kapitalmarktes 1o ; gemeinsam mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für den Finanzsektor soll sie den europäischen Finanzraum verwirklichen 11. Trotz der Wertung als Grundfreiheit und als Grundlage der Gemeinschaft waren mehr als dreißig Jahre ohne vollkommene Liberalisierung des Kapitalverkehrs vergangen. Über das - zunächst nicht unmittelbar anwendbare l2 - Gebot zur Liberalisierung "soweit es der Gemeinsame Markt erfordert" (Art. 67 EWGV) hinaus, lag es im wesentlichen in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, inwieweit sie weitergehende Liberalisierungsschritte unternahmen. Erst
7 Von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft wurde bereits 1966 die Kapitalverkehrsfreiheit als Kernstück der Bemühungen um eine Wirtschafts- und Währungsunion gesehen: Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Der Aufbau eines Europäischen Kapitalmarktes (Segre- Bericht), 1966, S. 44 - 46; vgl. auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Schaffung eines europäischen Finanzraums, 1988, S. 7,9.
8
EuGH v.11.11.1981- Rs. 203/80 (Casati), Slg.1981, 2595 (2614).
Vgi. EuGH v. 11.11.1981 - Rs. 203/80 (Casati), Slg. 1981,2595 (2614), zu den Zweifeln, die daran bestanden (wesentlich auf der Formulierung des Art. 67 EWGV beruhend), sei auf die Stellungnahmen zum Fall Casati hingewiesen (EuGH v. 11.11.1981 - Rs. 203/80 (Casati), Slg. 1981, 2595 (2601 - 2610». 9
10
Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Der Aufbau eines Europäischen Kapi-
talmarktes (Segre-Bericht), 1966, S. 39. 11 Etwa Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Schaffung eines europäischen Finanzraums, 1988, S. 10; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, lahreswirtschaftsbericht 1988 1989, S. 133. 12
EuGH v. 11.11.1981 - Rs. 203/80 (Casati), Slg. 1981,2595 (2596).
2. Kapitel: Zielsetzung und Vorgehensweise im Überblick
5
mit der Einführung des Art. 56 [73b] EGV wurde primärrechtlich das Verbot jeglicher Kapitalverkehrsbeschränkung festgelegt.
2. Kapitel Zielsetzung und Vorgehensweise im Überblick Ziel der vorliegenden Schrift ist die Untersuchung der Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union in ihrer juristischen und ökonomischen Bedeutung und Wirkung. Aufbau, Inhalt und Gliederung der Schrift ergeben sich aus der Tatsache, daß bisher keine umfassenden Versuche vorliegen, die Kapitalverkehrsfreiheit in ihrem juristischen und ökonomischen Gehalt in der Europäischen Union systematisch zu diskutieren. Sowohl in der wirtschaftswissenschaftlichen als auch in der juristischen Analyse stand bisher die Beziehung der Kapitalverkehrsfreiheit zur Währungsunion sowie die geschichtliche Entwicklung im Vordergrund. Selbst neuere Werke, die sich vorwiegend mit der Kapitalverkehrsfreiheit beschäftigen, beschränken sich auf historische Entwicklungen und die Gesamtschau mit der Währungsunion. Dabei wird die eigentliche Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit als selbständige Grundfreiheit, als Grundlage der Gemeinschaft und in ihren Auswirkungen auf nationales Recht nur unzureichend gewürdigt. Bedeutung eines freien Kapitalverkehrs (zweiter Teil), Inhalt und Umfang (dritter Teil), Weiterentwicklung (vierter Teil) und Auswirkung auf Staats- und Völkerrecht (fünfter Teil) sind die wesentlichen Aspekte, die aufzuzeigen sind B . Der zweite Teil "Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit" befaßt sich mit den ökonomischen Grundlagen der Kapitalverkehrsfreiheit und mit der Einbindung dieser in das Vertragswerk des EGV und EUV. Vor dem Hintergrund einer mehr als dreißigjährigen nur zögerlichen Verwirklichung eines freien Kapitalverkehrs, ist die Darlegung seiner Bedeutung grundlegend für die weitergehende Auseinandersetzung mit der Thematik. Die Erfassung der ökonomischen iJ Im gegebenen Rahmen wird auch auf die Vorschriften zum Zahlungsverkehr eingegangen, der in der Regelung des Art. 56 [73b] Abs. 2 EGV eine lex specialis zum Kapitalverkehr darstellt. Dazu: 3. Teil, 5. Kap., VI.; auch: 1. Teil, 1. Kap., 1.
3"
6
1. Teil: Einleitung
Gründe für die Realisierung freien Kapitalverkehrs (1. Kapitel) ist ebenso wichtig wie deren Wirkung im Vertragssystem der Europäischen Union und der Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der Europäischen Verträge (2. Kapitel). Im dritten Teil "Kapitalverkehrsfreiheit im EGV - Inhalt und Umfang des Beschränkungsverbotes" wird die Umsetzung der Kapitalverkehrsliberalisierung in den Vorschriften des EGV behandelt. Die Reichweite des Beschränkungsverbotes aus Art. 56 bis 60 [73b bis 73g] EGV wird diskutiert anhand der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit der Normen, des Kreises der Begünstigten und Adressaten, des Kapitalverkehrsbegriffes, Umfang des Beschränkungsverbotes, Ausnahmevorschriften und der Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten. Die Auslegung der Vorschriften erfolgt im Kontext mit dem Gesamtvertrag und den anderen Grundfreiheiten . Gegenstand des vierten Teils ist die Interdependenz zwischen freiem Kapitalverkehr und einer weitergehenden finanziellen Integration in der Europäischen Union zu einem einheitlichen Europäischen Finanzmarkt (1. Kapitel) und zu einer Währungsunion (2. Kapitel). Unter anderem stellt sich die Frage, ob und inwiefern freier Kapitalverkehr und weitergehende finanzielle Integration sich gegenseitig bedingen oder zwingend auseinander folgen und wie sie für die Errichtung eines einheitlichen Finanzmarktes - aus dem Vertrag hergeleitet werden kann. Ebenso ist zu klären, ob die von der Europäischen Union beschrittenen Wege die zur Zielerreichung geeigneten sind. Im fünften Teil werden die Auswirkungen der Kapitalverkehrsfreiheit als Grundfreiheit des EGV auf bestehendes Völkerrecht und auf das Recht der Mitgliedstaaten dargelegt. Auswirkungen ergeben sich auf zwischenstaatliche Regelungen, welche die Mitgliedstaaten oder die Europäische Gemeinschaft mit anderen Völkern getroffen haben (2. Kapitel). Betroffen sind im übrigen das nationale Außenwirtschafts- und Währungsrecht der Mitgliedstaaten (3. Kapitel). Einen Sonderbereich nimmt das Steuerrecht ein (4. Kapitel). Es erfahrt bereits in der Ausnahmeregelung des Art. 58 [73d] EGV eine Sonderbehandlung. Dafür ist vorab zu erörtern, wie und inwieweit Kompetenzen an die Gemeinschaft übertragen wurden (1. Kapitel).
3. Kapitel: Diskussionsstand
7
3. Kapitel Diskussionsstand Im Gegensatz zur Diskussion der übrigen Grundfreiheiten der Europäischen Gemeinschaft verlief die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Kapitalverkehrsfreiheit weniger intensiv.
Es gibt kaum Monographien zu dieser Thematik, großteils existieren nur Diskussionsbeiträge, Vorträge oder Aufsätze in Festschriften sowie die einschlägigen Kommentare 14 zum europäischen Recht. Die (ökonomische) Theorie der internationalen Kapitalbewegungen wurde bisher weitgehend zugunsten der Diskussion der rechtlichen Regelungen im Hinblick auf eine finanzielle Integration vernachlässigt. Die europarechtliche Literatur befaßt sich vorwiegend mit der Herausbildung eines einheitlichen europäischen Kapital- bzw. Finanzmarktes, der Bedeutung von Kapitalverkehrskontrollen bzw. deren Abbau und der Währungsunion. Sie widmet sich weniger der Kapitalverkehrsfreiheit selbst als zentralem Bestandteil der Europäischen Union. Dabei droht die Gefahr, den normativen Aspekt einer Kapitalverkehrsliberalisierung zu vernachlässigen. Technische Aspekte und der Verweis auf den engen Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Währungspolitik der Mitgliedstaaten standen im Vordergrund, die elementaren Ursachen und Wirkungen wurden als Diskussionsgrundlage kaum aufgenommen, geschweige denn erörtert. Auswirkungen der Kapitalverkehrsliberalisierung im Hinblick auf völkerrechtliche Verträge und nationales Außenwirtschafts- und Steuerrecht haben nur wenig Beachtung gefunden. Der Versuch einer umfassenden Auseinandersetzung mit der viertj::n Grundfreiheit ist bisher unterblieben. Aufschluß über Ursachen, Bedeutung und Wirkung freien internationalen Kapitalverkehrs geben einige grundlegende Werke aus früherer Zeit. Bertil Ohlin 15 , earl Iversen 16 und Ragnar Nurkse 17 haben schon in den 30er Jahren in
14 Für die Kommentare vgl. v.a.: U. Everling, in: WEGS, Kommentar, 1960; G. Ress, in: E. Grabitz (HlSg.), Kommentar; G. ResslJ. Ukrow, in: E. Grabitz/M. Hilf (HlSg.) Kommentar; W. Kiemel, in: GTE, Kommentar; H. J. HahnlK. P. Follak, in: M. A. Dauses (HlSg.), HdEG-WiR; R. H. Weber, in: C. O. Lenz, Kommentar, 1994. IS B. Ohlin, Interregional and International Trade (1933),1967; B. Ohlin, Die Beziehung zwischen internationalem Handel und internationalen Bewegungen von Kapital und Arbeit, ZsfNatÖk 2 (1931), 5.161 - 199. 16
C. [versen, Aspects of the Theory of International CapitaJ Movements, 1935.
8
1. Teil: Einleitung
ihren nach wie vor grundlegenden Werken auf die zentrale Bedeutung eines freien Kapitalverkehrs für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen hingewiesen (daran anschließend Kurt Brüderlin 18 , Franz Heidhues l9 , Richard Groß1iJ, Hermann-Josef Dudler21 ). Für die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes und später des Binnenmarktes stand die Bedeutung der Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit außer Frage. Das haben sowohl Bela Balassa 22 als auch Hans O. Lundström 23 in ihren Werken zur Integration betont, wenngleich vor allem Lundströrn, bereits in Abweichung zu den früheren Schriften von Ohlin, Iversen und Nurkse, eher eine beschränkte Liberalisierung befürwortete. Auch der Segre-Bericht zur Errichtung eines Europäischen Kapitalmarktes24 betonte die Notwendigkeit einer Kapitalverkehrsliberalisierung als Grundlage einer finanziellen Integration. Gegen Ende der 60er Jahre bis zu Beginn der 90er Jahre überwogen bezeichnenderweise die Beiträge, die sich mit Kapitalverkehrskontrollen befaßten 2S • Darin spiegelte sich die tatsächliche Situation auf den Märkten ebenso wieder wie das beschränkte Liberalisierungsgebot aus Art. 67 EWGV, daß erst durch die Richtlinie 88/361/EWG vom 24.06.1988 in ein striktes Beschränkungsverbot weiterentwickelt wurde. In dieser Zeit haben u. a. Leonhard Gleske und 17 R. Nurlcse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935; R. Nurlcse, Ursachen und Wirkungen der Kapitalbewegungen, btNatÖk 5 (1934), S. 78 - 96. 18
K. Brüderlin, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942.
19
F. Heidhues, Zur Theorie der internationalen Kapitalbewegungen, 1969.
:1J)
R. Groß, Freiheit und Intervention im Kapitalverkehr zwischen Industrieländern, 1970.
21
H.-J. Dudler, Kurzfristige internationale Kapitalbewegungen, 1966.
22
B. Balassa, The Theory of Economic Integration, 1961.
23
H. O. Lundsträm, Capital Movements and Economic Integration, 1961.
24 KDmmission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Der Aufbau eines Europäischen Kapitalmarktes, Bericht einer von der Kommission eingesetzten Sachverständigengruppe [SegreBericht],1966.
25 Zu dieser fast durchwegs kritischen Auseinandersetzung mit den herrschenden Kapitalverkehrskontrollen vgl. u. a.: H. Werner, die Kontrolle internationaler Kapitalbewegungen, 1976; S. Schmidt, Kapitalverkehrskontrollen und ihre Wirkung, 1977; A. Han, Die Schutzklausein des Kapital- und Zahlungsverkehrs im EWGV, 1985; L. Weniger, Kapitalverkehrskontrollen im Europäischen Währungssystem, 1988; vgl. auch die Beiträge der 2nd Conference of the International Center for Monetary and Banking Studies, Geneve, abgedr. i.: K. A. Swoboda (ed.), Capital Movements and their Control, 1976.
3. Kapitel: Diskussionsstand
9
Martin Seidel in ihren Beiträgen nachdrücklich die Bedeutung einer Liberalisierung betont. Die Kommission hat im Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes26 und in ihrem Dokument "Schaffung eines europäischen Finanzraums"27 eine weitergehende Liberalisierung gefordert. Strittig aber war stets die Frage, wie weit die Liberalisierung des Kapitalverkehrs reichen sollte. Selbst ausgesprochene Befürworter der Kapitalverkehrsfreiheit hielten eine nur begrenzte Liberalisierung, auch gemeinschaftsintern, für sinnvoll. Insbesondere im Vergleich zum Warenverkehr sollte die Hoheit über den Kapitalverkehr, nicht zuletzt aufgrund der engen Verbindung mit der Wirtschafts- und Währungspolitik und ihrem Einfluß auf die nationalen Zahlungsbilanzen und Konjunkturen, zu weiten Teilen den Mitgliedstaaten verbleiben. Dem entsprach die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - besonders im Urteil Casati vom 11.11.1981 28 - und über lange Zeit die Haltung der Kommission. Man hielt sich an die Formulierung des Art. 67 EWGV, nach dem der Kapitalverkehr nur soweit liberalisiert werden sollte, wie es der Gemeinsame Markt erfordert. Die Literatur aus den 80er und 90er Jahren konzentrierte sich im wesentlichen auf den Zusammenhang von Kapitalverkehr und Währungsintegration und drohte dabei außer Acht zu lassen, daß es sich bei der Kapitalverkehrsfreiheit um eine eigenständige Grundfreiheit handelt, deren Bedeutung über den Zusammenhang mit der Währungsintegration hinausgeht. Selbst neuere Monographien befassen sich vorwiegend mit historischen Aspekten der Kapitalverkehrsliberalisierung und ihrem Zusammenhang mit der Währungsintegration. Eine umfassende Auseinandersetzung mit der ökonomischen und vertragssystematischen Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit für die Europäische Union, die die Darstellung der vertraglichen Umsetzung der Kapitalverkehrsfreiheit ebenso umfaßt wie die Finanzintegration und die Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit auf Gesetzgebung und Staatlichkeit der Mitgliedstaaten, steht noch aus. Die vorliegende Schrift möchte einen Beitrag leisten, diese Lücke zu schließen.
26 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vollendung des Binnenmarktes. Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, 1985. 27 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Schaffung eines europäischen Finanzraunis, in: Europäische Wirtschaft 1988 (36),1988. 28
EuGH v. 11.11.1981 - Rs. 203/80 (Casati), Slg. 1981, 2595.
Zweiter Teil
Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit Ziel der europäischen Integration durch die Europäische Union ist die Sicherung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts und die stetige Besserung der Lebensbedingungen der beteiligten Völker!. Dieses Ziel streben die Mitgliedstaaten durch den Zusammenschluß ihrer Wirtschaftskräfte zu einem Raum ohne Binnengrenzen und zu einer Wirtschafts- und Währungsunion an (Art. 2 [B] EUV; Art. 2 [2], 3 [3],4 [3a] EGV). Sie sind dabei ihren eigenen Verfassungen verpflichtee und dem allgemein gültigen Prinzip des Vorrangs der Privatheit der Lebensbewältiguni. Dieses findet seinen Ausdruck in einer freiheitlichen, marktwirtschaftlichen Ordnung, deren wesentliches Kennzeichen die Freiheit des privaten wirtschaftlichen Tätigwerdens ist 4 • Ein essentieller Teil dieser ist die Freiheit des internationalen Kapitalverkehrs. Internationale Kapitalbewegungen sind wesentliches Element der Außenwirtschaftsbeziehungen eines Landes. Ein liberalisierter Kapitalverkehr ermöglicht 1
Vgl. Art. 2 [B] EUV, Art. 2 [2] EGV und Präambel des EGV.
2
Dazu: 5. Teil, 1. Kap. I.
3
Vgl. dazu: K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, 1994, S. 195 - 200, 386 - 392; K.
A. Schachtschneider, Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: delS. (HlSg.), Wirtschaft, Gesellschaft und Staat im Umbruch, 1995, S. 440 - 442; J. Isensee, Gemein-
wohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HStR, Bd. 111, 1988, § 57 Rdnr. 165 - 169 (als Subsidiaritätsprinzip); O. v. Nell-Breuning, Gerechtigkeit und Freiheit, 1985, S. 56 (Subsidiarität).
• Vgl. 1. Teil, 1. Kap.; die besonderen Grundrechte der Wirtschaft - die Freiheitsrechte und die Eigentumsgarantie - gewährleisten den Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung ebenso wie den Grundsatz der Privatheit unternehmerischer Wirtschaft und damit einer marktwirtschaftlichen und wettbewerblichen Ordnung. Vgl.: K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, 1994, S. 387 - 389; H.-J. Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, HVerfR, 1994, § 18 Rdnr. 14 - 16; R. Schmidt, Staatliche Verantwortung für die Wirtschaft, HStR, Bd. 111, 1988, § 83 Rdnr. 8, 20; vgl. auch: W. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik (1952), 1990, S. 126, 176 (Verwirklichung der Freiheit nicht in zentraler, sondern in dezentraler Lenkung der Wirtschaft). Die Europäische Union verpflichtet ihre Mitgliedstaaten ausweislich des Art. 4 [3a] EGV auf den "Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" (auch in Art. 98 [102a] u. 105 [105] EGY).
2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
11
das ungehinderte grenzüberschreitende Tätigwerden der Wirtschaftsteilnehmer. Die Kapitalverkehrspolitik ist Teil der Außenwirtschaftspolitik, die sich weiterhin in die Außenhandeispolitik5 und die Währungspolitik aufteilt, wobei sie mit der Währungspolitik besonders eng verbunden ist6 • Ein freier Kapitalverkehr gehört zu den Kennzeichen eines einheitlichen Wirtschaftsraumes7 • Für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist in Art. 56 [73b] EGV die Freiheit des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs in Form eines Beschränkungsverbotes gewährleistet8 • Zuvor waren mehr als dreißig Jahre ohne eine vollkommene Liberalisierung des Kapitalverkehrs vergangen. Art. 67 EWGV hatte die Beseitigung von Beschränkungen nur verlangt, "soweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig ist." In seinem Urteil "Casati" vom 11.11.1981 hatte der Europäische Gerichtshof zwar festgestellt, daß der Kapitalverkehr nicht auf eine ergänzende Funktion im Hinblick auf die übrigen Grundfreiheiten beschränkt ist, sondern eine eigenständige Liberalisierungsverpflichtung darstellt9 • Dennoch lehnte er für die Kapitalverkehrsfreiheit - dem Wortlaut des Vertrages folgend - eine unmittelbare Anwendbarkeit ab 10 • Der Europäische Gerichtshof rechtfertigte diese im Vergleich mit den anderen Grundfreiheiten restriktive Auslegung der Vertragsvorschriften mit der engen Beziehung der Kapitalbeweguilgen zur Wirtschafts5 Bei der Außenhandelspolitik läßt sich zwischen der Außenhandelspolitik im engeren Sinne und der im weiteren Sinne unterscheiden, vgl.:M. Borchert, Außenwirtschaftspolitik, in: O. Issing (Hrsg.), Allgemeine Wirtschaftspolitik, 1988, S. 161 - 162. 6 Vgl.: M. Borchert, Außenwirtschaftspolitik, in: O. Issing (Hrsg.), Allgemeine Wirtschaftspolitik, 1988, S. 161 - 166. 7 Vgl. G. Ress, in: E. Grabitz (Hrsg.), Kommentar, 1992, Art. 67, Rdnr. 1; Internationale Abkommen wie der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbankgruppe und das Allgemeine Zollund Handelsabkommen (GATr) bzw. die Welthandelsorganisation (WfO) haben die Liberalisierung des Kapitalverkehrs, vor allem der laufenden Zahlungen, zum Ziel. Aus diesen internationalen Zusammenschlüssen, denen sämtliche Mitgliedstaaten der EG angehören, ergeben sich MindestveIpflichtungen, welche die EG zu berücksichtigen hat.
8
Vgl. im einzelnen im 3. Teil.
9
EuGH Rs. 203/80 (Casati), Sig. 1981,2959 (2614).
10
Vgl.: EuGH Rs. 203/80 (Casati), Sig. 1981,2959 (2619).
Dazu auch: W. Kiemei, in: G'I'E, Kommentar 1991, Art. 67 Rdnr. 15 m. w. N.; H. J. Hahn/K. P. Follak, in: Dauses, Kommentar 1994, F. 11 Rdnr. 5, m. w. N.; G. Ress, in: E. Grabitz (Hrsg.), Kommentar 1992, Art. 67 Rdnr. 11, m. w. N. Ausführlich vgl. 3. Teil.
2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
12
und Währungspolitik der MitgliedstaatenlI. Damit wurde letztlich auch die Aufrechterhaltung von Kapitalverkehrsbeschränkungen durch die Mitgliedstaaten gerechtfertigt. Die Bedeutung einer Grundfreiheit des Kapitalverkehrs erschließt sich für die Europäische Union in zwei zentralen Aspekten. Zum einen zeigt sie sich in den ökonomischen Motiven für eine Kapitalverkehrsliberalisierung, die sowohl in den Ursachen der Kapitalbewegungen selbst als auch in deren Wirkungen zu finden sind. Zum anderen läßt sich darauf aufbauend die Bedeutung eines freien Kapitalverkehrs von dessen Stellung in der Wirtschaftsordnung der Europäischen Union erfassen.
1. Kapitel Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
Für die Erfassung der Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit sind die ökonomischen Gründe für ihre Verwirklichung ebenso zentral wie deren Wirkung. Die Motive für eine Liberalisierung des Kapitalverkehrs liegen sowohl in den Ursachen des internationalen Kapitalverkehrs als auch in den Wirkungen einer Liberalisierung. Dabei sind die Ursachen eher aus einer einzelwirtschaftlichen, also betriebswirtschaftlichen Perspektive heraus zu verstehen: sie beruhen auf den Überlegungen der Marktteilnehmer, d. h. der Unternehmen und Haushalte, welche die verschiedenen Kapitaltransaktionen durchführen. Die Wirkungen, die sich aus den Kapitalbewegungen ergeben, erschließen sich eher aus einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung der Folgen eines liberalisierten Kapitalverkehrs. Diese Untersuchung der Bedeutung internationaler Kapitalbewegungen für die wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Länder ist Teil der monetären Außenwirtschaftstheorie 12 • Eine Zwischenrolle nehmen die Kapitalverkehrskontrollen ein, die im Regelfall gesamtwirtschaftlich - über die Wirkungen des Kapitalverkehrs - begründet werden, die aber genau daher die Ursa-
11
Vgl.: EuGH v.11.11.1981- Rs. 203/80 (Casati), Sig. 1981,2959 (2614).
Vgl.: M. Borchert, Außenwirtschaftslehre - Theorie und Politik; 1992, S. 107; H.-J. JarchowlP. Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft, 1994, S. 5; K. RoselK. Sauernheimer, Theorie der Außewirtschaft, 1992, S. 33, 160. 12
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
13
chen des Kapitalverkehrs beeinflussen (sollen) und in diesen somit ihren Auslöser finden. I. Formen und Ursachen internationaler Kapitalbewegungen
Internationale Kapitalbewegungen treten in verschiedenen Formen auf und gründen in unterschiedlichen Ursachen. Maßgeblich für die Diskussion internationalen Kapitalverkehrs ist die inhaltliche und formale Klärung dieses Begriffes und d.es damit verbundenen Begriffes des Kapitals. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die später vorzunehmende Präzisierung des gemeinschaftsrechtlichen Begriffinhaltes J3 von Bedeutung. 1. Kapital und internationale Kapitalbewegungen: Begriffsinhalte In den europäischen Verträgen ist weder der Begriff "Kapital" noch derjenige des "Kapitalverkehr" definiert. Anstelle einer formalen Definition hat man sich auf eine enumerative Definition des Begriffes geeinigt14 • Aus Gründen der unterschiedlichen inhaltlichen Regelung der Grundfreiheiten des EGV und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit einer klaren Einstufung grenzüberschreitender Vorgänge, kann auf eine Klärung der Begriffsinhalte nicht verzichtet werden. Kapital kann im wesentlichen in drei verschiedenen Arten verstanden werden: als Geldkapital, als Sach- bzw. Realkapital oder als Produktionsfaktor. a) Kapital Die Auffassung der verschiedenen Autoren über den Begriff "Kapital" und das Wesen von Kapital gehen nach wie vor weit auseinander. Je nach Zielsetzung der einzelnen Autoren und ihrer Untersuchungen im Bereich des Kapitals und des Kapitalverkehrs definieren sie Kapital und Kapitalbewegungen unterschiedlich. Es gilt, was Eugen von Bähm-Bawerk bereits 1914 feststellte: "Die Definitionen gehen so stark auseinander, nicht so sehr, weil die eine zu definierende Sache jedem in einem andern Licht erscheint, als vielmehr deshalb, weil jeder eine ganz andere Sache definiert, wobei die sachfremden Definitionen einan-
IJ
Vgl.: 3. Teil, 5. Kap.
14
Vgl.: 3. Teil, 5. Kap., H.
14
2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit der nur deshalb ins Gehege kommen, weil jeder den Terminus 'Kapital' als Etikette für den von ihm definierten Gegenstand in Anspruch nimmt. I01S
Wesentliche Beiträge zur Definition des Kapitals in seinen diversen Ausprägungen wurden u. a. von Adam Smith 16 , Eugen von Böhm-Bawerk17 , Irving Fisher 18 , Carl Menger 19 , Gustav Cassel w , Joseph Alois Schumpeter 21 und Walter Eucken 22 geleistet 23 • Auch gegenwärtig wird eine Vielzahl verschiedener Inhalte dem Begriff Kapital zugeordnet. In der Betriebswirtschaftslehre wird unter Kapital das im Unternehmen investierte Kapital verstanden, welches auf der Passivseite der Bilanz. als Eigenund Fremdkapital des Unternehmens ausgewiesen ist 24 • Es ist identisch mit dem 'auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesenen Vermögen des Unternehmens, also der Gesamtheit aller Sach- und Finanzmittel25 • Volkswirtschaftlich kann Kapital im wesentlichen in drei verschiedenen, aber zusammenhängenden Begriffsinhalten verstanden werden: als Produktionsfaktor neben den Produktionsfaktoren Arbeit und Boden, als Realkapital bzw. Sachkapital, d. h. Kapitalgüter bzw. Produktionsmittel (wie Maschinen, Ge-
IS E. v. Böhm-Bawerk, Positive Theorie des Kapitals, 1914/1921, S. 52, 53 - zit. nach K. Brüderlin, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S.19. 16
A. Smith, The Wealth of Nations, (1776) 1991, Book 11, I u. III, p. 243 - 250, 294 - 312.
E. v. Böhm-Bawerk, Kapital und Kapitalzins 11: Positive Theorie des Kapitals, 1921; E. v. Böhm-Bawerk, Kapital, HdStW V, 1923, S. 576 - 582. 11
18
J. Fisher, The Nature of Capital and Income, (1906) 1927.
19
C. Menger, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, 1871.
G. Casse/, The Nature and Necessity of Interest, 1903; G. Cassel, Theoretische Sozialökonomie, 1927, S. 184. 1D
21 J. A. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, (1912) 1952; J. A. Schumpeter, Kapital - Nachtrag, HdStW V, 1923, S. 582 - 584. 22
W. Eucken, Kapitaltheoretische Untersuchungen, (1934) 1954
23 Für einen Überblick vgl. L. Männer, Kapital I: Theorie, volkswirtschaftliche, HdWW, 1988, S. 348 - 349; A. P. Lerner, Capital, Int. Enc. Soc. Sc. Vol. 2, 1972, p. 270 - 271; F. A. Lutz, Kapital, Staatslexikon 4. Bd., 1959, Sp. 798 - 800. 24
Vgl. etwa: G. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 1990, S. 983.
2S
Vgl. etwa: G. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 1990, S. 983.
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
15
bäude etc.) und als Geldkapital bzw. Kapitaldisposition 26 . Im Bezug auf die Bedeutung des Begriffs "Kapital" im Zusammenhang mit Kapitalverkehr gilt weiterhin, was Fritz Machlup schon 1931 für den Kapitalbegriff im allgemeinen beschrieb: "Die unterbliebene Namensgebung hat nun dazugeführt, daß man sowohl die produzierten Produktionsmittel als auch die zur Bildung von solchem 'Sachkapital' verfügbaren Mittel und schließlich noch die bereits in Sachkapital investierten Mittel mit dem gleichen Wort 'Kapital' bezeichnete.,,27 Eine endgültige Klärung des Kapitalbegriffes im Zusammenhang mit (internationalen) Kapitalbewegungen ist nicht erfolgt. Für die Behandlung der Kapitalverkehrsfreiheit in der Europäischen Union ist es jedoch notwendig zu klären, welche "Sache" inhaltlich unter das Beschränkungsverbot der Art. 56 bis 60 [73b bis 73g] EGV fällt. Zum Begriff des Kapitals im Hinblick auf den Kapitalverkehr gaben vor allem earl Iversen 28 , Ragnar Nurkse 29 und Fritz Machlup 30 in ihren heute noch grundlegenden Beiträgen wertvolle Antworten, die in den späteren Schriften zu internationalen Kapitalbewegungen übernommen wurden 3!. Wesentlich im Bezug auf den Kapitalverkehr ist die Unterscheidung zwischen Realkapital bzw. Sachkapital - dessen Begriff vor allem von Eugen von Böhm-Bawerk geprägt wurde32 - einerseits, und Geldkapital, nicht in Sachgütern gebundenem Kapital, also freiem Kapital - als Begriff der Kapital-
26 Vgl. dazu: L. Männer, Kapital I, HdWW Bd. IV, 1988, S. 347-348; H. C. Recktenwald, Wörterbuch der Wirtschaft, 1987, S. "286. 27
F. Machlup, Begriffliches und Terminologisches zur Kapitalstheorie, ZSfNatÖk, 1931, S.
633. 211
C. [versen, Aspects of the Theory of International Capital Movernents, 1935.
29
R. Nurkse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935.
:.0 F. Machlup, Begriffliches und Terminologisches zur Kapitalstheorie, ZSfNatÖk, 1931, S. 632 - 639. 11 Vgl. v. a.: K. Brüderlin, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S. 19 - 30; H. O. Lundström, Capital Movements and Economic Integration, 1961, p. 16, 169· 171; F. Heidhues, Zur Theorie der internationalen Kapitalbewegungen, 1969, S. 6; R. Groß, Freiheit und Intervention im Kapitalverkehr zwischen Industrieländern, 1970, S. 8, 9.
12 Vgl.: E. v. Böhm-Bawerk, Kapital und Kapitalzins II: Positive Theorie des Kapitals, 192, S. 16; E. v. Böhm-Bawerk, Kapital, HdSt V, 1923, S. 576.
16
2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
verfügung bzw. der Kapitaldisposition wesentlich von Carl Menger 3 bzw. Gustav CasseP4 geprägt - andererseits35 • Soweit sich der Begriff Kapital auf Kapitalgüter bezieht, ist die konkrete Bezeichnung Realkapital oder auch Sachkapital. Oft wird dieser Begriff als identisch mit dem Produktionsfaktor Kapital angenommen 36 • Unter Kapital in diesem Zusammenhang wird der Bestand an Produktionsausrüstung einer Volkswirtschaft, also der Bestand an sachlichen Produktionsmitteln wie Maschinen, Gebäuden, Zwischenprodukten etc., verstanden, der neben Arbeit und Grund und Boden zur Güter- und Dienstleistungsproduktion eingesetzt werden kann 37 • Für die Betrachtung von internationalen .Kapitalbewegungen ist aber der Begriff des Realkapitals ungeeignet: wenn Realkapital - also Kapitalgüter - bewegt werden, handelt es sich um Warenverkehr 8 • Dieser ist gemeinschafts,rechtlich nach den Vorschriften zur Warenverkehrsfreiheit der Art. 28 bis 31 [30 bis 37] EGV zu behandeln. Wenn aber Kapitalgüter - etwa eine Fabrik mit ihren gesamten Produktionsanlagen - beispielsweise in Spanien verbleiben und von einem englischen Unternehmen gekauft werden, um in Spanien weiterzuproduzieren, so liegt kein Warenverkehr vor: nicht die Kapitalgüter überqueren die Grenze, sondern die Verfügungsrechte über diese. Im Gegenzug wird Geldkapital an die bisherigen Eigentümer gegeben oder es entsteht eine Forderung in der Höhe des (vereinbarten) Geldwertes der Sachkapitalgüter. Es erfolgt ein grenzüberschreitender Tausch von Verfügungsrechten an Sachkapital gegen 33
C. Menger, Grundsätze der Volkswinschaftslehre, 1871, S. 131.
34
Vgl.: G. Cassel, Theoretische Sozialökonomie, 1927, S. 184.
c.
Vgl. grundlegend: R. Nurkse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935, S. 14 - 15; [versen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, p. 20,26,27. Zur Abgrenzung der einzelnen Begriffe im Detail vgl.: F. Machlup, Begriffliches und Terminologisches zur Kapitalstheorie, ZSfNatÖk, 1931, S. 632 - 639. Im Anschluß daran wurde die Abgrenzung bei den neueren Autoren wieder entsprechend aufgenommen. Vgl.: K. Brüder/in, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S. 19 - 30; H. O. Lundströrn, Capital Movements and Economic Integration, 1961, p. 16, 169 - 171; F. Heidhues, Zur Theorie der internationalen Kapitalbewegungen, 1969, S. 6; R. Groß, Freiheit und Intervention im Kapitalverkehr zwischen Industrieländern, 1970, S. 8, 9. 35
36 Vgl. etwa: L. Männer, Kapital I: Theorie, volkswinschaftliche, HdWW, 1988, S. 347; F. A. Lut'l., Kapital, Staatslexikon, 1959, Sp. 799,800. 37 Vgl. u. a.: L. Männer, Kapital I: Theorie, volkswirtschaftliche, HdWW, 1988, S. 347; F. A. Lul'l., Kapital, Staatslexikon, 1959, Sp. 799, 800; grundlegend: E. v. Böhrn-Bawerk, Kapital, HdStW Bd. V, 1923, S. 776.
38 So bereits übereinstimmend: C. [versen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, 1935, p. 27; R. Nurkse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935, S. 13, 14.
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
17
freie Kapitaldisposition. Für die Mobilität des Kapitals kann also nicht der Begriff des Realkapitals der richtige sein, sondern vielmehr jener der Kapitalverfügung und des Geldkapitals. Bereits Joseph Alois Schumpeter stellte fest: "So erfolgt z. B. der Uebergang des Kapitals von einer Industrie in die andere, welcher eine der wichtigsten Voraussetz4ngen einer ganzen Reihe fundamentaler Theoreme ist, nur ausnahmsweise durch Uebergang von Sachkapitalien zur anderen Verwendung, vielmehr in der Regel, wie schon die Vulgärauffassung sagt, durch Uebergang des in einer Industrie investierten 'Geldes' in eine andere, und dieser Uebergang ist es, der bewirkt, daß sich die ursprünglichen Produktionsmittel, also Arbeits- und Bodenleistungen von einer Verwendung ab- und einer anderen zuwenden.,,39 Dasselbe gilt für die Betrachtung internationaler Kapitalbewegungen, also für den Übergang von Kapital von einer Nation in eine andere. Dazu Fritz Machlup: "Die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen der der Zukunft gewidmeten Verfügungsrnacht über Güter (Kapitaldisposition) und Kapitalgütem (Realkapital) zeigt sich bei allen Untersuchungen, die über die natural wirtschaftliche Betrachtungsweise hinausgehen. Wenn in manchen Darstellungen vom 'Kapitalangebot' gesprochen wird, bleibt der Leser oft vollkommen im Ungewissen, ob es sich um das Angebot von Sachkapital oder um das Angebot von Kapitaldisposition handelt. Besonders unangenehm ist dies, wenn vom Kapitalmarkt selbst die Rede ist, denn hier werden Sachkapital (bzw. Anteilscheine an Sachkapital) und Kapitaldisposition gegeneinander ausgetauscht. ... Auf dem Kapitalmarkt findet also ein Tausch von Kapital im Böhm-Bawerkschen Sinne gegen Kapital im Menger-Casselschen Sinne statt. Es ist natürlich ganz einerlei, welche der beide Parteien des Kapitalmarktes als Angebots- oder Nachfragepartei betrachtet wird: die eine Partei bietet Kapitaldisposition an und fragt nach Sachkapitalanteilen, die andere Partei bietet Sachkapitalanteile an und fragt nach Kapitaldisposition."40 Gleiches gilt für die Übertragung von monetärem Kapital, dem regelmäßig eine Übertragung von Wertpapieren - also Verfügungsrechten über Kapital gegenübersteht. Es findet also eine Kapitalbewegung in zwei Richtungen statt. 39
J. A. Schumpeter, Kapital- Nachtrag, HdStW Bd. V, 1923,S. 583.
F. Machlup, Begriffliches und Tenninologisches zur Kapitalstheorie, ZSfNatÖk, 1931, S. 634 - 635. 40
18
2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
Dieser Begriff der Kapitaldisposition, der Kapitalverfügung, ist für das weitere Vorgehen entscheidend. Sie drückt sich aus in Wertrechten an Kapital und in Geldkapital. Das Kapital, das sich im Falle von internationalem Kapitalverkehr bewegt, ist somit freie Kapitaldisposition, frei verfügbares Kapital in jeglicher Form, Geldkapital und Anteilscheine bzw. Verfügungsrechte an Sachkapital41 • Niemals jedoch ist es das Realkapital, also das Anlagegut bzw. Sachgut selbst, das die Grenze überschreitet. Seine Eigenschaft als abstrakter Produktionsfaktor äußert das Kapital in diesem Sinne, wenn es zur Produktion neuer Kapitalgüter eingesetzt wird. So ist auch im Kapitalverkehr eine Wanderungsbewegung des Produktionsfaktors Kapital zu sehen: wenn Kapitaldisposition zur Produktion neuer Sachgüter verwendet und in Realkapital umgesetzt wird, äußert Kapitaldisposition ihre Eigenschaft als abstrakter Produktionsfaktor42 • Wenn also monetäres Kapital
41 Bisweilen wird Kapital in diesem Sinne auch als "Warten" bezeichnet. Vgl. etwa: C.lversen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, 1935, p. 22, 23 m. w. N.; H. O. Lundström, Capital Movements and Economic Integration, 1961, p. 16, 169 - 171. (Der Schwerpunkt dieser Autoren liegt aber auch auf dem Begriff "Kapitaldisposition ", den er allerdings weitgehend mit "Warten gleichsetzt".)
"Warten" bezieht sich aber eher auf die Entstehung von Kapital als auf den eigentlichen Begriffsinhalt. So auch die Kritik von Brüderlin am Begriff "Warten" für Kapital: K. Brüderlin, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S. 20 - 21. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer Begriffe, die versuchen den Gegenstand "Kapital" weiter zu beschreiben, aber im vorliegenden Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung sind. Vgl. zu den Begriffen im Hinblick auf Kapitalbewegungen selbst (grundlegend): F. Machlup, Begriffliches und Terminologisches zur Kapitalstheorie, ZSfNatÖk, 1931, S. 632 - 639; C.lversen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, 1935, p. 19 - 30; R. Nurkse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935, S. 13 - 16; K. Brüderlin, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S. 20 - 26. Zu den Begriffen selbst: L. Männer, Kapital I: Theorie, volkswirtschaftliche, HdWW, 1988, S. 347, 348; F. A. Lutz, Kapital, Staatslexikon, 1959, Sp. 798 - 800; grundlegend: F. Machlup, Begriffliches und Terminologisches zur Kapitalstheorie, ZSfNatÖk, 1931, S. 632 - 639. Zu den Begriffen im Bezug auf Kapitalbewegungen: 42 In diesem Sinne bereits: F. Gutmann, Kapitalverkehr, internationaler, HdSW 5. Bd., 1956, S. 525. Kapital im Sinne eines abstrakten Produktionsfaktors wird im wesentlichen durch langfristige Kapilalbewegungen zur Verfügung gestellt, kurzfristige Kapitalbewegungen haben einen stärkeren Finanzcharakter; vgl. grundlegend: C. lversen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, 1935, p. 19 - 30; R. Nurkse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935, S. 13 - 16;
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
19
exportiert wird und im Zielland zur Erstellung von Realkapital verwendet wird, hat ein Export des Produktionsfaktors Kapital stattgefunden43 • Es ist dabei vollkommen unbeachtlich, aus welcher Quelle das Kapital stammt, ob aus Verfügungsrechten über Sachkapital (als Wertpapier) oder auch aus Kreditschöpfung 44 • Der für die Kapitalbewegungen relevante Kapitalbegriff ist somit ein abstrakter Kapitalbegriff, der streng vom Begriff des Sachkapitals zu unterscheiden ist: Kapital ist Geldkapital 45 und Kapitalverfügung (Kapitaldisposition) als in Geld bewertetes Verfügungsrecht. Kapital ist folglich Kapital als Geldkapital oder Kapital als Kapitalverfügung über Geld- oder Sachkapital. b) Internationale Kapitalbewegung Aus der Abgrenzung des Kapitalbegriffes ergibt sich auch der Begriffsinhalt internationaler Kapitalbewegungen. Er bedeutet, daß Geldkapital bzw. Kapitaldisposition, also Verfügung über Kapital in Geldeinheiten ausgedrückt, von einem Land auf ein anderes übertragen wird 46 • Dem entspricht die gängige Definition des Begriffes Kapitalverkehr in der Außenwirtschaftslehre. Danach erfaßt der Kapitalverkehr im weiteren Sinne alle Transaktionen, durch welche die Ansprüche und Verbindlichkeiten von Inländern gegenüber Ausländern ihrer Höhe oder Zusammensetzung nach geändert werden 47 • Ein Kapitalexport liegt vor, wenn sich die Forderungen von
vgl. dazu auch weiter unten bei den Ursachen und Wirkungen von Kapitalbewegungen: 2. Teil, 1. Kap., I. 2. - 4. u. 11. 4-' Vgl. dazu auch: J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale, II: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 391. 44 So bereits Schumpeter: "Unter diesen Kapitalbegriff fällt daher nicht nur effektives Geld in weitester Bedeutung, so weit es nicht dem konsurntiven Güterverkehr dient sondern auch alle Formen von aus dem Kreditverkehr geborenen Kaufkraftsummen." J. A. Schumpeter, HdStW Bd. V, 1923, S. 584; vgl. C. [versen, Aspects of the Theory of International Capital Movernents, 1935, p.25.
45
In Geld materialisiertes Kapital ist ebenfalls Kapitalverfügung.
46
Vgl. C. [versen, Aspects of the Theory of International Capital Movernents, 1935, p. 26, 27.
47 Vgl. einheitlich: K. Rose/K. Sauernheimer, Theorie der Außenwirtschaft, 1992, S. 8; H.-J. Jarchow/P. Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft - I. Monetäre Außenwirtschaftstheorie, 1994, S.
4 Müller
20
2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
Inländern gegenüber Ausländern erhöhen oder sich die Verbindlichkeiten der Inländer gegenüber den Ausländern verringern. Bei einer Zunahme der Verbindlichkeiten bzw. bei einer Abnahme der Forderungen gegenüber Ausländern liegt ein Kapitalimport vor. Diese Abgrenzung für Zwecke der Zahlungsbilanz darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß genaugenornmen eine Kapitalbewegung in beide Richtungen stattfindet. So erfolgt beispielsweise bei der Erhöhung von Forderungen im Ausland gleichzeitig zum monetären Kapitalexport ein wertmäßiger Kapitalimport (etwa in Form eines Wertpapiers). Es kann sich hier sowohl um kurzfristige als auch um langfristige Kapitalbewegungen handeln. Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten und zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern nach Art. 56 bis 60 [73b bis 73g] EGV ist streng zu unterscheiden von der internationalen Bewegung von Kapitalgütern, die unter Art. 28 bis 30 [30 bis 36] EGV fallt. Sie ist auch klar abzugrenzen von Zahlungsverkehr, der die Gegenbewegung zum Waren-, Dienstleistungs- oder Kapitalverkehr darstellt, die monetäre Begleichung einer entstandenen Schuld48 • Die internationale Kapitalbewegung bedeutet, daß - nach der Bezahlung - ein Wirtschaftssubjekt eines Landes seine Kapitaldisposition in ein anderes Land verlagert hat. Es hat eine - wie auch immer geartete - Vermögensposition in einem anderen Land aufgebaut, die in Aktien, fremder Währung, Unternehmen, Grundstücken, Gebäuden, Maschinen etc. bestehen kann. Diese nun im Ausland bestehende Kapitaldisposition kann Realkapital sein und dem Land als Kapital im Sinne des Produktionsfaktors zur Verfügung stehen. Sie kann aber auch weiterhin einfach Verfügungsrnacht sein, beispielsweise als Guthaben auf einem Bankkonto. Doch auch in dieser Form steht das Kapital dem anderen Land zur Verfügung, etwa zur Produktion oder zum Kauf von Produktionsfaktoren, aber auch zu Konsumzwecken.
19; O. Issing, ffint:Ubrung in die GeldpoTitik, 1996, S. 138; M. Borchert, Außenwirtschaftslehre Theorie und Politik, 1992, S. 13, 14; J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale, 11: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 389; H. C. Recktenwald, Wörterbuch der Wirtschaft, 1987, S. 286,287; H. AdebahrlW. Maennig, Außenhandel und Weltwirtschaft, 1987, S. 282; H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 43; P. B. Kenen, International Monetary Economies IV: Capital Movements, Int. Enc. Soc. Sc. Vol. 8, 1972, p. 27. 411
Vgl.: 2. Teil, 2. Kap., I. 1. c) und 3. Teil, 5. Kap., III. 2.
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
21
So auch Peter B. Kenen: "Private international capital movements are transactions that create or transfer financial claims between the residents of different countries. Tbe participants are banks, individuals, and corporations. Tbe claims are common stock, bonds, moneymarket instruments, deeds to real property, promissory notes, and bank deposits."49
So schließt sich der oben dargestellte Kreis zwischen Kapital als Produktionsfaktor, als Realkapital und als Kapitaldisposition. Wesentlich ist, daß Kapitalbewegung immer die Bewegung von Kapitaldisposition und nie diejenige von Realkapital ist. Letztere ist immer als Warenbewegung zu betrachten. Eine typische internationale Kapitalbewegung ist etwa die Investition50 eines italienischen Unternehmens in ein französisches, also ein grenzüberschreitender Unternehmenskauf. Dabei ist Kapitalbewegung sowohl die Transferierung des Geldbetrages an die bisherigen Unternehmenseigentümer 1 - diese stellt die Kapitaltransferierung in die eine Richtung dar, und ist nach Art. 56 [73b] Abs. 1 EGV von allen Beschränkungen befreit52 - als auch der Übergang der Verfügungsrechte über das französische Unternehmen an das italienische Unternehmen. Der grenzüberschreitende Erwerb der Rechte am Unternehmen ist internationale Kapitalbewegung in beide Richtungen - für die Kaufpreiszahlung (Kapitalanlage im eigentlichen Sinne) und für die gegenläufige Übertragung der Wertrechte am Unternehmen; für beide gilt das Beschränkungsverbot des Art. 56 [73b] Abs. 1 EGV. Es handelt sich um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. c) Zahlung und Zahlungsverkehr Im EGV wird zwischen Kapitalverkehr nach Art. 56 [73b] Abs. 1 EGV und Zahlungsverkehr nach Art. 56 [73b] Abs. 2 EGV unterschieden. Nicht unter
49 P. B. Kenen, International Monetal)' Economics IV: Capital Movements, Int. Enc. Soc. Sc. Vol. 8,1972, p. 27.
50 Unter Investition kann generell die Transformation von Geldkapital in Sachkapital verstanden werden, die zur Kapazitätsausweitung der Anlagen und der sonstigen Sachgüterbestände also des Realkapitals führt. H. O. Lundström, Capital Movements and Econornic Integration, 1961, p. 16; H. C. Recktenwald, Wörterbuch der Wirtschaft, 1987, S. 279.
4*
51
Die Übertragung von Geld entspricht der Übertragung von Verfügungsmacht, also Kapital.
52
Zum genau gleichen Verständnis im Europarecht vgl. 3. Teil, 5. Kap.
2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
22
den Kapitalbegriff internationaler Kapitalbewegungen fällt damit Kapital, das als Zahlung qualifiziert wird 5J • Art. 56 [73b] Abs. 2 EGV definiert "Zahlung" bzw. "Zahlungsverkehr" nicht, eine Hilfe für den europarechtlichen Begriffsinhalt bietet aber Art. 106 EWGV bzw. Art. 73h EGV a. F., die vor dem 1. Januar 1994 den Zahlungsverkehr regelten. Danach ist zwischen Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr einerseits und darauf bezogenen Zahlungen andererseits zu unterscheiden. Damit ist beispielsweise ein Geldbetrag, der in ein anderes Land überwiesen wird, um eine dort in Anspruch genommene Dienstleistung zu bezahlen, nicht als Kapital, sondern als Zahlung zu qualifizieren. Der Vorgang selbst ist nicht Kapitalverkehr, sondern Zahlungsverkehr. Kapital, das für Konsumzwecke, als Entgelt, als Begleichung eines Preises, die Grenze überschreitet, ist als Zahlungsmittel anzusehen 54 • Bei einer Dienstleistung ist es der Preis für die Dienstleistung, bei dem Kauf einer Ware der Preis der Ware. Ebenfalls Zahlungsverkehr ist die Dividendenzahlung für eine Aktie. Die Übertragung des Geldkapitals einerseits und der Verfügungsrechte über die Aktie bzw. der Aktie selbst ist jedoch Kapitalverkehr . 2. Formen und Klassifikation internationaler Kapitalbewegungen
a) Formen internationalen Kapitalverkehrs Typische Formen internationaler Kapitalbewegungen, hier am Beispiel des Kapitalexports, sind der Erwerb von Eigentum an Immobilien und Sachgütern, die sich im Ausland befinden und dort verbleiben, die Errichtung von Niederlassungen und Zweigstellen im Ausland, der Erwerb ausländischer Aktien oder ganzer Unternehmen, die Gewährung langfristiger Kredite aller Art an das Ausland durch Unternehmungen (Exporteure, Kreditinstitute), den Staat und öffentliche Körperschaften sowie Privatpersonen,
53
Vgl. im einzelnen: 3. Teil, 5. Kap., insb.III., IV. u. V.
So bereits grundlegend: J. A. Schumpeler, Kapital - Ergänzung, HdStW Bd. V, 1923, S. 584; C. Iversen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, 1935, p. 25; i.d.S.: R. Nurkse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935, S. 13 - 16. 54
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
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der Kauf ausländischer Schuldverschreibungen im Ausland, die Emission privater und öffentlicher Anleihen im Inland zugunsten ausländischer Staaten, Gemeinden oder Wirtschaftsunternehmungen (Auslandsanleihen) , die Emission von Aktien ausländischer Gesellschaften im Inland 55 • b) Einteilungskriterien internationaler Kapitalbewegungen Internationale Kapitalbewegungen können nach verschiedenen Kriterien systematisiert und in Gruppen unterteilt werden. Die wesentlichen Unterscheidungskriterien sind der zeitliche Horizont der Kapitalanlage, der Träger bzw. Wirtschaftssektor, die Verursachung, die Anlageform, die Entgeltlichkeit und die Erfassung in der Zahlungsbilanz56 • Bei der Einteilung nach dem zeitlichen Horizont wird in kurz- und langfristige Kapitalbewegungen unterschieden (ursprüngliche Laufzeit der Forderungen und Verbindlichkeiten kürzer oder länger als ein Jahr), bei der Unterscheidung nach Trägem wird zwischen Anlegern aus dem privaten (Unternehmen und Privatpersonen) und öffentlichen Sektor (Regierungen und Notenbanken, sonstige öffentliche Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) etc.) differenziert.
55 Vgl. zu den verschiedenen Formen internationalen Kapitalexports und Kapitalimports auch die überalisierungslisten der OECD und der EG: OECD, Kodex der überalisierung des Kapitalverkehrs 1995, S. 25 - 42; Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 24.06.1988, 88/361/EWG, ABlEG L 178 S. 5. 5. Vgl. dazu: H.-J. JarchowlP. Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft - I. Monetäre Außenwirtschaftstheorie, 1994, S. 19,20; J. Schräder, Kapitalbewegungen, internationale II: Theorie und Politik, HdWW Bd. IV, 1988, S. 389 - 391; H. AdebahrlW. Maennig, Außenhandel und Weltwirtschaft, 1987, S. 282 - 284; H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 215, 221 - 238; H. G. Grubei, The Theory of International Capital Movernents, p. 2 - 5; F. Heidhues, Zur Theorie der internationalen Kapitalbewegungen, 1969, S. 6 - 17; J. H. Adler, Internationale Kapitalbewegungen, Lexikon Geld-, Bank- und Börsenwesen, 1968, S. 808 - 809; F. Gutmann, Kapitalverkehr, internationaler, HdSW V. Bd., 1956, S. 526 - 530; R. Nurlcse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935, S. 219 - 231. Speziell zu den kurzfristigen Kapitalbewegungen vgl. grundlegend: H.-J. Dudler, Kurzfristige internationale Kapitalbewegungen, 1966, S. 74 - 86; C. P. Kindleberger, International Short-Term Capital Movements, (1937) 1965, p. 3 - 16. Zur Beteiligungshöhe, ab der eine Direktinvestition in Abgrenzung zur Portfolioinvestition angenommen wird vgl. die zitierte üteratur; die Höhe schwankt zwischen 10 % und 25 % Beteiligung am Kapital des betreffenden Unternehmens.
24
2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
Nach ihrer Verursachung werden Kapitalbewegungen, die unabhängig von anderen Transaktionen der Zahlungsbilanz vorgenommen werden, als autonom bezeichnet (beispielsweise ein Unternehmenskauf im Ausland); Kapitalbewegungen, die Ausgleichsbewegungen zu Saldenänderungen anderer Positionen der Zahlungsbilanz darstellen, sind induzierte Kapitalbewegungen (z. B. Devisentransaktionen zur Vermeidung von Leistungsbilanzungleichgewichten durch die Zentralbank, Übersendung von Devisen zur Finanzierung von Warenimporten, monetäre Gegenbuchungen zu den in der Handels- und Dienstleistungsbilanz registrierten Käufen und Verkäufen von Waren und Dienstleistungen). Nach der Anlageform wird zwischen Direktinvestitionen und Portfolioinvestitionen unterschieden. Direktinvestitionen sind solche Kapitalanlagen im Ausland, die dem Zweck der Herstellung dauerhafter wirtschaftlicher Beziehungen zu einem Unternehmen und der Erlangung einer tatsächlichen Einflußmöglichkeit auf die Betriebsführung dienen; es kann sich dabei um eine Beteiligung an einem neuen oder bereits bestehende Unternehmen, um eine Gründung oder den Erwerb neuer Unternehmen oder um die Gewährung eines langfristigen Kredits handein 57 • Unter Portfolioinvestitionen versteht man die Kapitalanlage in ausländischen Wertpapieren, ohne daß beim Investor die Absicht und die Möglichkeit gegeben ist, Einfluß auf das Investitionsobjekt auszuüben; es handelt sich also um die Kapitalanlage in festverzinslichen Wertpapieren und Aktien 58 •
57 Detailliert zu den Direktinvestitionen und zu den dazugehörigen Kapitalbewegungen vgl. u. a.: OECD, Kodex der Liberalisierung des Kapitalverkehrs, 1995, S. 27 - 28; Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 24.06.1988, 88/361/EWG ABlEG L 178 S. 5 (Begriffsbestimmungen); R. Jungnickel, Direktinvestitionen, internationale, HWInt, 1989, Sp. 308; J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale 11: Theorie und Politik, HdWW Bd. IV, 1988, S. 391 - 392; H. AdebahrlW. Maennig, Außenhandel und Weltwirtschaft, 1987, S. 284; H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 234 - 235. Der Unterposten "Direktinvestitionen" der Kapitalbilanz der Bundesrepublik Deutschland umfaßt über die oben genannten Unternehmensbeteiligungen hinaus auch kurzfristige Finanzbeziehungen verbundener Unternehmen sowie den grenzüberschreitenden Erwerb und die Veräußerung von Immobilien. Vgl.: Deutsche Bundesbank, Änderungen in der Systematik der Zahlungsbilanz, Monatsbericht März 1995, insb. S. 37 40; W. Lachmann, Volkswirtschaftslehre I, 1997, S. 287.
58 Vgl. dazu u. a.: R. Jungnickel, Direktinvestitionen, internationale, HWInt, 1989, Sp. 308; J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale 11: Theorie und Politik, HdWW Bd. IV, 1988, S.
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
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Die Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Kapitalbewegungen bezieht sich darauf, ob die Kapitalbewegung eine kompensierende Leistungsverpflichtung nach sich zieht oder nicht; Beispiele für unentgeltliche Kapitalbewegungen sind Beiträge an internationale Organisationen, grenzüberschreitende Schenkungen, nicht zurückzuzahlende Zuschüsse zur Entwicklungshilfe und auch Reparations- und Entschädigungszahlungen. Nach seiner Erfassung in der Zahlungsbilanz werden der Kapitalverkehr der Deutschen Bundesbank und der Kapitalverkehr in Form von Vermögensübertragungen (Schenkungen, Erbschaften sowie Vermögensmitnahmen von Ausbzw. Einwanderern) gesondert zum übrigen Kapitalverkehr (Kapitalbilanz) in der Devisenbilanz bzw. der Einzelbilanz der Vermögensübertragungen erfaßt. Im übrigen wird die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland seit 1995 neu gegliedert, wodurch die bis dahin gültige Aufteilung der Kapitalbilanz in kurz- und langfristige Transaktionen durch eine funktionale Untergliederung nach Direktinvestitionen, Wertpapieranlagen, Kreditverkehr (kurz- und langfristig) und sonstige Transaktionen, jeweils unterteilt nach öffentlichen und privaten Trägern, abgelöst wurde 59 • Die jeweiligen Merkmale für die Klassifikation von internationalen Kapitalbewegungen gehen auf verschiedene Ansätze bei den Untersuchungen der internationalen Kapitalbewegungen zurück60 • Die unterschiedlichen Klassifikationen und Untersuchungsansätze schließen sich jedoch nicht aus, sondern ergänzen und überschneiden sich. So können Direktinvestitionen auch als private, langfristige, entgeltliche und autonome Kapitalbewegungen qualifIziert werden. Die einzelnen Einteilungen legen ihren Schwerpunkt auf jeweils unterschiedliche Untersuchungsobjekte und haben ihre spezifIschen Stärken und
392 - 393; H. AdebahrfW. Maennig, Außenhandel und Weltwirtschaft, 1987, S. 283; H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 232 - 234. 59
Vgl. etwa: W. Lachmann, Volkswirtschaftslehre 1, 1997, S. 285 - 289.
Zur Neugliederung der Zahlungsbilanz vgl.: Deutsche Bundesbank, Änderungen in der Systematik der Zahlungsbilanz, Monatsbericht 03/1995, S. 33 - 43. 60 Nach Grube/lassen sich verschiedene historische Ansätze bei der Untersuchung der Theorien internationaler Kapitalbewegungen differenzieren, denen entsprechend unterschiedliche Klassifikationen vorgenommen werden. Vgl. H. G. GrubeI, The Theory of International Capital Movements, in: J. Black/J. H. Dunning (eds.), International Capital Movements, 1982, p. 2 - 5; Vgl. auch: F. Heidhues, Zur Theorie der internationalen Kapitalbewegungen, 1969, S. 4 - 6, 17,34 35,60 - 62.
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2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
Schwächen61 • Dabei ist die Differenzierung nach der Fristigkeit nach wie vor sehr nützlich soweit es um die Analyse der Ursachen und Wirkungen internationaler Kapitalbewegungen geht; die Unterscheidung nach der Art des Kapitals und die Theorie der Direktinvestitionen folgt den realen Phänomen der internationalen (unternehmerischen) Betätigung und dient deren Analyse62 • Für die weitere Untersuchung der Ursachen und Wirkungen von Kapitalbewegungen sollen vor allem die Unterscheidungen nach der Fristigkeit (kurz- oder langfristig), nach dem Träger (staatlich oder privat) und nach der Anlageforrn (Direkt- oder Portfolioinvestition) gewählt werden. 3. Ursachen internationaler Kapitalbewegungen
Kapitalbedarf und Kapitalbildung differieren international stark63 • Dieser Unterschied zwischen Kapitalbedarf einerseits und freier Kapitalverfügbarkeit andererseits führen gemeinsam mit den verschiedenen individuellen Motiven für einen tatsächlichen Kapitalimport oder -export zu internationalem Kapitalverkehr. Die Ursachen für internationalen Kapitalverkehr können sowohl aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive als auch aus der Sicht der Motive der Anleger erörtert werden. a) Gesamtwirtschaftliche Betrachtung der Gründe internationalen Kapitalverkehrs Bei einer Abstraktion von politischen und ökonomischen Risiken und von Unvollkommenheiten auf den Geld-, Kapital- und Güterrnärkten, kommt bei freiem Kapitalverkehr das Kapital international jeweils dort zum Einsatz, wo es die höchste Produktivität erzielt64 •
61 Vgl. dazu insbesondere:J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale II: Theorie und Politik, HdWW Bd. IV, 1988, S. 389 - 391; H. Adebahr/W. Maennig, Außenhandel und Weltwirtschaft, 1987, S. 282 - 284; H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 215, 221 - 238.
62
Vgl.: H. G. Grube/, The Theory of International Capital Movements, 1982, p. 3.
Zu den Hintergründen der Unterschiede in Kapitalbedarf und Kapitalbildung in den einzelnen Volkswirtschaften vgl.: H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 211 215. 63
64 Vgl.: J. Schröder, Kapitalbewegungen, international, 11: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 391; H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 214; siehe auch: R. H. Hasse, Costs and benefits of financial integration in Europe, in: D. E. Fair/C. de Boissieu, International monetary and financial integration - the European dimension, 1988, S. 299, 300; C. P. Kindleber-
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
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Nach der neoklassischen Theorie ist die relative Ausstattung mit Produktionsfaktoren der einzelnen Volkswirtschaften entscheidend für die Richtung internationaler Kapitalbewegungen 65 • Der internationale Kapitalverkehr führt zum Ausgleich der internationalen Unterschiede in der Kapitalverfügbarkeit und im Kapitalbedarf. Das Kapital fließt von relativ kapital reichen Staaten in relativ kapitalarme, da es (entsprechend der neoklassischen Grenzproduktivitätstheorie) dort eine höhere Produktivität, also einen höheren Ertrag erzielt66 • Dies führt zu einer optimalen Kapitalallokation, deren Ergebnis eine Wohlfahrtssteigerung und letztlich ein Gesamtwohlfahrtsoptimum ist. Die relative Kapitalversorgung eines Landes findet Ausdruck in der Höhe der Kapitalverzinsung, die in der jeweiligen Volkswirtschaft gezahlt wird. In einer kapitalarmen Volkswirtschaft wird für Kapital als knappes Gut ein relativ höherer Preis, d. h. Zins, gezahlt als in einer kapitalreichen Volkswirtschaft. Aufgrund der attraktiveren Verzinsung wird Kapital vom kapitalreichen Staat exportiert und in den kapitalarmen Staat importiert67 • b) Motive der Anleger als Ursachen internationalen Kapitalverkehrs Um die grundlegende Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit für die Europäische Union selbst sowie für das internationale wirtschaftliche Tätigwerden von Unternehmen und Privatpersonen in der Europäischen Union zu erklären und seine Wirkungen zu untersuchen, greift der Hinweis auf die optimale Kapitalallokation und internationale Zinsdifferenzen als Ursache für Kapitalbewegungen zu kurz. Die eigentlichen Gründe für internationalen Kapitalverkehr sind in den Motiven der Anleger, ihren Überschuß an Kapital 68 zeitweise oder dauer-
ger, The pros and cons of an international capital market, ZGesStW 123 (1967), S. 602, 603; H.-P. Fröhlich, Freier Kapitalverkehr in Europa, 1990, S. 7, 8; V. Brühl/H. Luckenbach, Effizienzwirkungen von Kapitalverkehrskontrollen, WiSt 1993, S. 546. 6S Vgl.: J. Schröder, Kapitalbewegungen, international, II: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 391. 66 Vgl.: J. Schröder, Kapitalbewegungen, international, II: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 391. 67 Grundlegend zum Zusammenhang zwischen Faktorausstattung und KapItalbewegung vgl.: B. Ohlin, Interregional and International Trade, (1933) 1967, p. 208 - 232; vgI. auch R. Nurkse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935, S. 23 - 32; K. Brüderlin, Die modeme Theorie derr zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S. 76 - 80. Umfassend zur Zinssatztheorie vgl.: F. Heidhues, Zur Theorie der internationalen Kapitalbewegungen, 1969, S. 34 - 60.
68 Für die verschiedenen Quellen der Kapitalherkunft sei verwiesen auf: R. Nurkse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935, S. 16 - 19; F. Gutmann, Kapitalverkehr, internationaler, in:
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2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
haft anderen zu überlassen, zu suchen69 • Es sind nicht die Volkswirtschaften selbst, die Kapital übertragen, sondern stets die einzelnen Wirtschaftssubjekte, die den Kapitaltransfer aufgrund ihrer individuellen Motive durchführen 70. Dadurch wird zugleich eine Berücksichtigung der in der neoklassischen Theorie nicht einbezogenen Marktunvollkommenheiten und der politischen und ökonomischen Risiken ermöglicht71 • Bei einer Betrachtung der individuellen Beweggründe als Ursache für internationalen Kapitalverkehr gilt, daß die Vorteile einer Kapitalanlage deren Nachteile überwiegen müssen. Vorteile wie Nachteile können sowohl wirtschaftlicher als auch außerwirtschaftlicher (etwa politischer) Natur sein. aa) Ursachen privater Kapitalbewegungen Als die beiden Hauptmotive für private Kapitalbewegungen 72 . - seien sie kurzfristiger oder langfristiger Natur - können die Gewinnerzielung und die Risikostreuung bzw. -reduzierung angesehen werden 73 • Daneben treten weitere HdSW 5. Bd., 1956, S. 527, 528; H. AdebahrlW. Maennig, Außenhandel und Weltwirtschaft, 1987,S. 282. 69 Ganz in diesem Sinne: H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 215; F. Gutmann, Kapitalverkehr, internationaler, HdSW, 1956, S. 526; K. Brüderlin, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S. 79. Ähnlich: J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationaler, II: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., S. 391. 70 Vgl.: K. Brüderlin, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S. 28 und dort zitiert W. Röpke, Geld und Außenhandel, 1925, S. 13,63. 71 Zu den restriktiven Annahmen der neoklassischen Theorie vgl.: J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale, 11: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 391.
72 Von privaten Kapitalbewegungen sei gesprochen, wenn der oder die Kapitalgeber aus dem privaten Sektor stammen, unabhängig von der Herkunft der Kapitalnehmer. Vgl.: H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 215. 73 Vgl.: H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 215 - 219; K. Brüderlin, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S. 80 - 93; F. Gutmann, Kapitalverkehr, internationaler, HdSW 5. Bd., 1956, S. 526, 527; J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale, II: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 391 - 394; H. Siebert, Außenwirtschaft, 1991, S. 349, 350; umfassend: K. Brüderlin, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S. 78 - 93; C. [versen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, 1935, p. 127 - 144. So im Ergebnis auch (speziell für den kurzfristigen Kapitalverkehr): H.-J. Dudler, Kurzfristige internationale Kapitalbewegungen, 1969, S. 129 - 144; C. P. Kindleberger, International Short-Term Capital Movements, (1937) 1965, p. 7 - 10; allerdings unterscheiden sowohl Dudler als auch Kindleberger noch einmal zwischen einkommensbestimmten und spekulativen Kapitalbewegungen, eine Differenzierung der hier nicht gefolgt werden soll, da auch die spekulativen Kapitalströme letztlich gewinnorientiert sind.
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
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Motive, die für das Gesamtvolumen der Kapitalbewegungen von geringerer Bedeutung sind, wie beispielsweise altruistische Motive oder Wanderbewegungen von Kapitaleigentümem, die ihr Kapital mit sich nehmen 74 • Zu den ertragsorientierten Kapitalbewegungen (Motiv der Gewinnerzielung) zählen jene, die aufgrund bestehender oder erwarteter Unterschiede in Zinssätzen (Zinsarbitrage), Wechselkursen (Devisenspekulation), Wachstumsraten, Preisentwicklungen, vorhandenem Fachwissen, Steuerbelastungen, aber auch zur Sicherung der Absatz- und Beschaffungsmärkte sowie zur Umgehung von Zollschranken vorgenommen werden. Zinsarbitragegeschäfte nutzen das Zinsgefälle zwischen In- und Ausland aus, entweder um Kapital zu günstigeren Konditionen aufzunehmen als sie im Inland herrschen, oder um Kapital zu besseren Zinskonditionen anzulegen; Kapital fließt in das Land mit dem höheren Zinsniveau, wobei der Kapitaltransfer nur stattfindet, wenn ein eventuelles zusätzliches Risiko (etwa politisch oder durch Wechselkursänderungen) und entstehende Transaktionskosten geringer als der zusätzliche Zinsertrag veranschlagt werden 75. Zu den ertragsorientierten Kapitalbewegungen sind auch Devisenspekulationsgeschäfte zu zählen, d. h. Devisentransaktionen, die in der Absicht erfolgen, aus einer erwarteten Wechselkursänderung einen Gewinn zu erzielen 76. Darüber hinaus werden internationale Kapitalbewegungen verursacht durch Unterschiede in den Standortbedingungen einzelner Länder, durch unterschiedliche Kostenniveaus (v. a. Lohnniveau und steuerliche Belastung), zur Sicherung von Beschaffungsmärkten (Ausrichtung der Investitionen an Rohstoffvorkommen), zur Erweiterung bestehender und Erschließung neuer
74 Vgl.: H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 215, 219; K. Brüderlin, Die modeme Theorie der zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen, 1942, S. 93; C. [versen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, 1935, p. 144 - 151. 75 Vgl. H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 215, 216; F. Gutmann, Kapitalverkehr, internationaler, HdSW 5. Bd., 1956, S. 526; H. Siebert, Außenwirtschaft, 1991, S. 345,346 (zu den Anpassungsvorgängen vgl. S. 346 - 348); H.-J. Jarchow/P. Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft I, 1994, S. 237, 238, 259 - 265; K. Brüderlin, Die modeme Theorie zwischenstaatlicher Kapitalbewegungen, 1942, S. 79 - 82; C. [versen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, 1935, p. 127 - 144. Zu den Ursachen der Zinsspanne selbst vgl. die grundlegenden Ausführungen bei R. Nurkse, Ursache und Wirkungen der Kapitalbewegungen, ZSfNatÖk 1934, S. 79 - 90. 76 Vgl. hierzu und zu weiteren Unterscheidungen bei Spekulationsgeschäften: H.-J. Jarchow/P. Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft I, 1994, S. 265 - 269; H.-J. Dudler, Kurzfristige internationale Kapitalbewegungen, 1966, S. 130 - 135.
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2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
Absatzmärkte und zur Vermeidung von Importbeschränkungen 77. Einen wesentlichen Anteil an diesen Kapitalbewegungen haben multinationale und globale Unternehmen. Neben dem Gewinnerzielungsmotiv ist das Motiv der Risikostreuung maßgeblich für private internationale Kapitalbewegungen. Es tritt dann in den Vordergrund, wenn wirtschaftliche oder politische Gründe - Währungsabwertungen, politische Unruhen bis hin zum Krieg, drohende Enteignung, erwartete Autnebung der Inländerkonvertibilität, drohende Devisenbewirtschaftung - das Risiko der Kapitalanlage in einem Land gegenüber den erwarteten Erträgen zu groß werden lassen 78. Im Extremfall kommt es zu Kapitalflucht inländischer und ausländischer Anleger aus dem betreffenden Land. Weitere Ursachen privaten Kapitalexports sind karitative und altruistische Motive, wie die Unterstützung im Ausland lebender Angehöriger oder private Hilfszahlungen in Entwicklungsgebiete und von Naturkatastrophen betroffene Regionen. Auch touristische Motive, wie der Kauf von Ferienhäusern in attraktiven Urlaubsgebieten, sind eine Ursache internationalen Kapitalexports. In der Praxis ist es kaum möglich, die Zuordnung von bestimmten Kapitalbewegungen zu einem einzigen Motiv vorzunehmen 79. Vielmehr ist stets von einer gleichzeitigen Wirksamkeit mehrerer Motive auszugehen, wobei aber häufig ein dominierendes Grundmotiv angenommen werden kann. Zum Beispiel werden Direktinvestitionen vorwiegend aus Gründen der Ertragserzielung vorgenommen 80 • Dabei können sowohl Kostenüberlegungen - günstigere Löh77 Vgl. H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 216, 217; F. Gutmann, Kapitalverkehr, internationaler, HdSW 5. Bd., 1956, S. 526; J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale, 11: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 391, 392. 78 Vgl.: H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 217 - 219; F. Gutmann, Kapitalverkehr, internationaler, HdSW 5. Bd., 1956, S. 526; J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale, 11: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 394; K. Brüderlin, Die modeme Theorie zwischenstaatlicher Kapitalbewegungen, S. 82 - 84, 86 - 88; C. [versen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, 1935, p. 144 - 151; allgemein zum Zusammenhang zwischen Risiko und Kapitalbewegungen vgl. auch: R. Nurkse, Internationale Kapitalbewegungen, 1934, S. 23 - 32. 79 So bereits für den kurzfristigen Kapitalverkehr: C. P. Kindleberger, International Short-Term Capital Movements, (1937) 1965, p. 7-9; H.-J. Dudler, Kurzfristige internationale Kapitalbewegungen,1969,S.129.
80 Zu Direktinvestitionen als Form internationaler Kapitalbewegung und deren Gründen vgl. im einzelnen: J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale, 11: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 391, 392; H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 234 - 238;
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
31
ne, liberalere Gesetzgebung, günstigerer Rohstoffbezug, Steuervorteile - als auch die Absicht der Absatzausweitung - Marktpräsenz, Umgehung bzw. Vermeidung von direkten und indirekten Importbeschränkungen - eine Rolle spielen. Portfolioinvestitionen dagegen werden sowohl aus Gründen der Ertragserzielung als auch aus Gründen der Risikostreuung vorgenommen 81 • Typischer sind mit Export- und Importgeschäften im Waren- und Dienstleistungsverkehr verbundene Kapitalim- und -exporte: sie ergeben sich durch die Einräumung von Zahlungszielen oder die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung der Transaktion82 • bb) Ursachen öffentlicher Kapitalbewegungen Kapitalbewegungen des Staates und öffentlicher Institutionen können ebenfalls durch das Streben nach Gewinnerzielung oder Risikostreuung ausgelöst sein. Die typischen Motive sind jedoch außenpolitischer und gesamtwirtschaftlicher Natu~3. Außenpolitisch motIvIert sind vor allem Kapitalexporte aus Gründen der Entwicklungshilfe, der Wiederaufbauhilfe nach Kriegen und Naturkatastrophen, der Militärhilfe, aber auch Reparationszahlungen nach verlorenen Kriegen. Meist sind hier eine Reihe moralischer, sicherheitspolitischer, kulturhistorischer, rohstoffpolitischer, ökonomischer und weiterer Beweggründe miteinander verbunden H4 • So ist mit der Entwicklungshilfe oft die Unterstützung der H. AdebahrlW. Maennig, Außenhandel und Weltwirtschaft, 1987, S. 297 - 298, 302 - 307; M. Borchert, Außenwirtschaftslehre - Theorie und Politik, 1992, S. 294-295; H. G. Grube/, The Theory of International Capital Movements, 1982, p. 13 - 17. 8' Vgl.: H.-J. JarchowlP. Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft I, 1994, S. 132, 133; J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale, 11: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 392, 393; H. AdebahrlW. Maennig, Außenhandel und Weltwirtschaft, 1987, S. 285 - 290; H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 232 - 234. 82 Mit Außenhandelsgeschäften zusammenhängende Kapitalbewegungen sind damit eher als induzierte, d. h. durch Änderungen anderer Posten der Zahlungsbilanz ausgelöste, Kapitalbewegungen anzusehen; vgl. hierzu auch: H.-J. JarchowlP. Rühmann, Monetäre Außenwirtschaft I, 1994, S. 269 - 272; J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale, 11: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 393, 394.
8J Vgl.: J. Schröder, Kapitalbewegungen, internationale, 11: Theorie und Politik, HdWW 4. Bd., 1988, S. 394, 395; H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 219 - 221; für den kurzfristigen internationalen Kapitalverkehr: H.-J. Dudler, Kurzfristige internationale Kapitalbewegungen, 1969, S. 155 - 161. 84
Vgl.: H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 219, 220.
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2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
heimischen Exportindustrie verknüpft: durch Vergabe von sogenannten gebundenen Krediten wird den Entwicklungsländern die Errichtung von Infrastruktur (etwa Bau von Straßen und Kraftwerken, Wasserversorgung) ermöglicht, mit der Verpflichtung, diese Vorhaben von Unternehmen des kapitalexportierenden Landes vornehmen zu lassen. Im letzten Beispiel ist zugleich eine gesamtwirtschaftliche Motivation - die Sicherung von Arbeitsplätzen im Inland - zu sehen. Zu den gesamtwirtschaftlichen Zielen sind auch Währungskredite zu zählen, die überschuldete Länder vor schweren Währungskrisen schützen sollen. Diese Kredite werden zum Teil durch die Staaten selbst vergeben, zum teil auch durch internationale, überstaatliche Organisationen, wie den Internationalen Währungsfonds85 • Es handelt sich hier typisch erweise um induzierte Kapitalbewegungen, d. h. solche, die in .Reaktion auf die Entwicklung der Zahlungsbilanz vorgenommen oder veranlaßt werden 86 • Autonome Kapitalbewegungen sind in Abgrenzung dazu jene, die allein aufgrund der Marktgegebenheiten durchgeführt werden, also überwiegend die privaten Kapitalbewegungen und Kapitalbewegungen aus außenpolitischen Gründen87 • 4. Tatsächlicher Umfang von Kapitalbewegungen und internationaler Kapitalverflechtung
In den letzten Jahrzehnten haben mit der zunehmenden Verflechtung der Wirtschaft und der steigenden Multinationalität der Unternehmen neben dem internationalen Güteraustauch auch der internationale Kapitalaustausch und die Kapitalverflechtungen zugenommen88 • Die Internationalisierung ist eine der 85
Zum Internationalen Währungsfonds vgl. 5. Teil, 2. Kap., I. 1.
116 Vgl.: H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 221; F. Gutmann, Kapitalverkehr, internationaler, HdSW 5. Bd., 1956, S. 527; C. P. Kindleberger, International ShortTerm Capital Movements, (1937) 1965, p. 7,8. S7 Vgl.: H. Adebahr, Währungstheorie und Währungspolitik, 1978, S. 221; F. Gutmann, Kapitalverkehr, internationaler, HdSW 5. Bd., 1956, S. 527.
M Zur Entwicklung der Kapitalverflechtung der Unternehmen mit dem Ausland: Deutsche Bundesbank, Kapitalverflechtung mit dem Ausland, 1997; dies., Monatsbericht März 1987, S. 21 34 (Entwicklung 1976 - 1985); dies., Monatsbericht April 1989, S. 23 - 33 (Stand Ende 1987 und aktuelle Entwicklung). So stieg z.B. der Gesamtbestand unmittelbarer deutscher Direktinvestitionen im Ausland von 43,5 Mrd. DM Ende 1976 auf 142,0 Mrd. DM Ende 1987 und auf 375,8 Mrd. DM Ende 1995; der Gesamtbestand unmittelbarer ausländischer Direktinvestitionen in der Bundesrepublik Deutschland stieg von 63,5 Mrd. DM Ende 1976 auf 101,7 Mrd. DM Ende 1987 und auf 232,3 Mrd. DM Ende 1995.
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer Kapitalverkehrsliberalisierung
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wichtigsten Strategien für Großunternehmen, aber auch mittelständische Betriebe streben immer stärker ins Ausland89 • Die internationalen Kapitalbewegungen sind in den letzten zehn Jahren enorm gewachsen und stellen inzwischen die Leistungsbilanztransaktionen weit in den Schatten90 • 11. Wirkungen eines freien internationalen Kapitalverkehrs
1. Primäre ökonomische Effekte der Liberalisierung des Kapitalverkehrs: Betrachtung der Wirkungsebenen
Eine Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs bewirkt per definitionem den - im Idealfall weltweiten - ungehinderten Kapitalfluß zwischen Privatpersonen, Unternehmen und Volkswirtschaften. Eine Analyse der grundlegenden Effekte des freien Kapitalverkehrs mag seine Relevanz für die Ökonomie der Europäischen Union verdeutlichen91 • Die Außenwirtschaftslehre der Nationalökonomie versteht unter internationalen Kapitalbewegungen das An- und Verkaufen von inländischen Forderungen und Vermögensgegenständen durch Ausländer bzw. den An- und Verkauf
89 So hat sich etwa der Bestand unmittelbarer Beteiligungen deutscher Unternehmen im Ausland seit 1984 mehr als verdreifacht und erreichte Ende 1995 gut 360 Mrd. DM. Vgl. Deutsche Bundesbank, Entwicklung und Bestimmungsgründe grenzüberschreitender Direktinvestitionen, Monatsbericht August 1997, S. 64; dies., Kapitalverflechtung mit dem Ausland, 1997, S. 6. Für die internationale Entwicklung des Kapitalverkehrs vgl.: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, 67. Jahresbericht, 1997, S. 85 -108, 109 - 132.
Zu Ziel- und Herkunftsländern sowie Branchen ausländischer Direktinvestitionen und zur Struktur der Kapitalverflechtung der Unternehmen mit dem Ausland: Deutsche Bundesbank, Kapitalverflechtung mit dem Ausland, 1997; Deutsche Bundesbank, Struktur der Kapitalverfiechtung der Unternehmen mit dem Ausland, Monatsbericht Mai 1983, S. 32 - 45; eine genaue Aufgliederung nach der Unternehmensgröße läßt sich nicht vornehmen; allerdings können nach der Rechtsforrn Größenvorstellungen abgeleitet werden: Ende 1981 waren 60 % der Direktinvestitionen durch Aktiengesellschaften getätigt (darunter sind vor allem die Großunternehmen zu finden), 21 % durch Gesellschaften mit beschränkter Haftung, ca. 14 % durch Personengesellschaften und 5 % durch Privatpersonen, Monatsbericht Mai 1983, S. 33. 90 Der Anteil der Kapitalerträge innerhalb der weltweiten außenwirtschaftlichen Leistungstransaktionen erreichten 1995 bereits ein Gewicht von 16 % gegenüber 1976: Deutsche Bundesbank, Änderungen in der Systematik der Zahlungsbilanz, Monatsbericht März 1995, S. 34. Zum Wachstum der internationalen Kapitalbewegungen vgl. auch: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, 64. Jahresbericht, 1994, S.157, 158 -185. 91 Zur Bedeutung der Wirkungen des freien Kapitalverkehrs für die Verwirklichung der einzelnen Ziele der Europäischen Union vgl.: 2. Teil, 2. Kap., 11.
2. Teil: Bedeutung der Kapitalverkehrsfreiheit
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von ausländischen Forderungen und Vermögensgegenständen durch Inländer92 • Dieser zahlungsbilanzielle Begriff der internationalen Kapitalbewegung entspricht weitgehend dem oben entwickelten Begriff des internationalen Kapitalverkehrs, wonach dieser die grenzüberschreitende Übertragung von Geldkapital oder Kapitaldisposition ist93 • Durch internationale Kapitalbewegungen ändern sich Höhe und Zusammensetzung der Forderungen und Verbindlichkeiten eines Landes gegenüber dem Ausland. Sie wirken sich auf die gesamte Zahlungsbilanz des kapitalausführenden wie des kapitaleinführenden Landes aus und können ebenso eine Reaktion auf Änderungen in allen anderen Posten der Zahlungsbilanz sein. Durch die Kapitalbewegung werden die insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel des Kapitaleinfuhrlandes vermehrt und jene des Kapitalausfuhrlandes vermindert. Um die wirtschaftlichen Einzeleffekte einer Kapitalverkehrsliberalisierung betrachten und beurteilen zu können, ist es daher notwendig, zunächst die Effekte von Kapitalbewegungen auf die beteiligten Volkswirtschaften zu betrachten.94 Die Wirkungen von Kapitalbewegungen in Form von Zahlungsbilanz-, Preis-, Wachstums-, Einkommens-, Beschäftigungs-, Wettbewerbs- und sonstigen Effekten ist je nach Art der Kapitalbewegungen und der ihnen zugrundeliegenden Motive, nach Verwendung und Aufbringung der monetären Mittel, nach Ausgangssituation und Reaktion sehr unterschiedlich. Für die vorliegende Untersuchung sind die wesentlichen Ergebnisse dieser Wirkungen von Interesse, für eine ausführliche Untersuchung, insbesondere in mathematischen Modellen, sei auf die einschlägige Literatur verwiesen95 •
92
Vgl. H. Adebahr/W. Maennig, Außenhandel und Weltwirtschaft, 1987, S. 282.
Vgl.: 2. Teil, 1. Kap., I. 1. b). Für eine umfassende Definition des Begriffes "Kapitalverkehr" im Sinne und für die Zwecke des Gemeinschaftsrechts vgl.: 3. Teil, 5. Kap. 93
94 Vgl.: J. H. Adler, Internationale Kapitalbewegungen, in: B. Benning u. a. (Hrsg.), Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, 3. Auf!. 1968, S. 809.
95 Zu den Wirkungen und Mechanismen, die bei internationalen Kapitalbewegungen ausgelöst werden vgl. neben den im folgenden zitierten Werken die grundlegenden Ausführungen bei: B. Ohlin, Die Beziehung zwischen internationalem Handel und internationalen Bewegungen von Kapital und Arbeit, ZSfNatÖk 2 (1931), S. 161 - 199; B. Ohlin, Interregional and International Trade, (1933) 1967, p. 214 - 234 (Wirkungen), 252 - 272 (Mechanismus); R. Nurkse, Ursachen und Wirkungen der Kapitalbewegungen, ZSfNatÖk 5 (1934), S. 78 - 96; C. [versen, Aspects of the Theory of International Capital Movements, 1935, p. 152 - 192 (Wirkungen), 197 - 324 (Mechanismen); R. Nurkse, Internationale Kapitalbewegungen, 1935, S. 32 - 46 (Wirkungen), 47 - 90 (Mechanismen), 91 - 218 (Transferproblem und Wirkungen); K. Brüderlin, Die modeme Theorie
1. Kapitel: Ökonomische Motive einer KapitalverkehrsliberaJisierung
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Eine Bewertung der Wirkungen des Kapitalverkehrs hängt entscheidend von dem zugrundeliegenden Zielsystem - wirtschaftspolitisch und allgemeinpolitisch - und dem jeweiligen Standpunkt - national oder global oder gruppenspezifisch - ab 96 • Von einem globalen Standpunkt aus kann gesagt werden, daß freier internationaler Kapitalverkehr positive Wirkungen aufgrund der optimalen Kapitalallokation und der dadurch bedingten allgemeinen Wohlfahrtssteigerung97 zeigt 98 • Die Kapitalallokation und die Zahlungsbilanzwirkungen bieten den Ausgangspunkt für die Betrachtung der übrigen Effekte. 2. Zahlungsbilanzwirkungen
Internationale Kapitalbewegungen können sowohl Ursache von Zahlungsbilanzänderungen (autonome Kapitalbewegungen~ als auch Reaktion auf diese (induzierte Kapitalbewegungen 10