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German Pages 314 Year 2003
THOMAS BUCHHEIM HELLMUT FLASHAR RICHARD A. H. KING (HG.) Kann man heute noch etwas anfangen mit Aristoteles?
THOMAS BUCHHEIM HELLMUT FLASHAR RICHARD A. H. KING (HG.)
Kann man heute noch etwas anfangen mit Aristoteles? Mit Beiträgen von Dorothea Frede, Stephen Halliwell, Otfried Höffe, Wolfgang Kullmann, Mario Mignucci, Arbogast Schmitt, Barry Smith, Richard Sorabji, Christopher Taylor und Wolfgang Wieland
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
F ELI X M EI N E R V E R L AG
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INHALTSVERZEICHNIS
ErNLEITUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXIX
l.
THEORETISCHE PHILOSOPHIE: ONTOLOGIE
Aristoteles 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (von Barry Smith) 1. Einführung: Kategoriensysteme und ontologische Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Probleme des Realismus: Prototypen, Grenzfälle und die Vagheit unserer Common-sense-Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aristoteles: Das ontologische Viereck und die problematische lntegrierbarkeit negativer Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aristoteles 2002: relativer Hylemorphismus und irreduzible Vielfalt transparenter Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aristotle's Topics and Contingent Identity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (von Mario Mignucci) 1. Three Aspects of Identity in Aristotle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Specific and Generic Identity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aceidental Sameness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Necessity of Identity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Contingent Statements and Necessary Identity . . . . . . . . . . . . . . 6. A Hierarchy of Sameness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II.
3
3 12 17 31 39 39 44 46 49 52 57
THEORETISCHE PHILOSOPHIE: GRUNDLAGEN DER NATURWISSENSCHAFT
Die Bedeutung des Aristoteles für die Naturwissenschaft . . . . . . . . . . . (von Wolfgang Kullmann) 1. Autonomie und Vielfalt der Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kontingenz der Entwicklung neuzeitliche Wissenschaft . . . . 3. Aristotelische und neuzeitliche Biologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Fortwirken der aristotelischen Wissenschaft in der Neuzeit 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63 64 67 71 78 80
Inhalt
VI
Ill.
THEORETISCHE PHILOSOPHIE: PHILOSOPHIE DES GEISTES
Aristoteles über Leib und Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (von Dorothea Frede) 1. Vorbemerkungen zur Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Gegenstand der aristotelischen Psychologie . . . . . . . . . . . . . . 3. Aristoteles über die Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Nachwirkungen von Wahrnehmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wahrnehmung und Denken........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schlußfolgerungen über die Aktualität der aristotelischen Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
Philosophy ofMind: Aristotle's Contribution in Relation to Other Schools (von Richard Sorabji) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mnemonics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Concepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Appearance and Belief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Perceptual Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unity of Apperception . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Emotion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Physiological Process . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Disembodied Thought . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Is the Non-Physiological Aspect Seen as Intentional? . . . . . . . . . . 10. The Capacities of Soul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Soul as Substance and lmmortality . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Conclusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110 110 111 112 1 12 113 1 14 116 118 118 120 121 122
IV.
85 85 89 90 96 100
PRAKTISCHE PHILOSOPHIE: METHODISCHE PRINZIPIEN UND GRUNDBEGRIFFE
Aristoteles: Ethik und Politik (von Otfried Höffe) 1. Wissenschaftstheoretische Toleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prinzip: Glück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. >>Von Natur aus politisch«............................ . . . Aristoteles über den praktischen Intellekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (von Christopher C.W Taylor) 1. Die Aufgaben des praktischen Intellekts im allgemeinen . . . . . . . 2. Überlegung gegebener und Erfassung der richtigen Ziele . . . . . . .
125 126 129 134 142 142 146
Inhalt
3. Wer oder was erfaßt die ethischen Prinzipien? Drei Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Rolle der phronesis bei der Auswahl der Ziele............ 5. Zwei Aufgaben des praktischen Intellekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V.
VII
149 153 159
POlETISCHE PHILOSOPHIE UND PHILOSOPHIE DER KUNST: ELEMENTE ZU EINER ÄSTHETIK UND BEGRÜNDUNG DER LITERATURWISSENSCHAFT
Aristoteles und die Geschichte der Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (von Stephen Halliwell) 1. Aristoteles in der Formation der modernen Ästhetik . . . . . . . . . . 2. Das aristotelische Konzept der Mimesis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Dualität der künstlerischen Form: als Artefakt und als Darstellung der Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aristotelische Impulse und die Ästhetik der Gegenwart . . . . . . . .
165
Die Literatur und ihr Gegenstand in der Poetik des Aristoteles . . . . . . (von Arbogast Schmitt) 1. Der Mimesis-Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Allgemeinheit des individuellen Charakters . . . . . . . . . . . . . . 3. Charakter und Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Erkenntnisgehalt einer Dichtung und ihre poetische Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
VI.
165 170 176 182
184 187 194 207
POlETISCHE PHILOSOPHIE UND PHILOSOPHIE DER KUNST: SCHRITTE ZU EINER PHILOSOPHIE DER POIESIS
Poiesis: Das Aristotelische Konzept einer Philosophie des Herstellens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (von Wolfgang Wieland) 1. Aristoteles als Entdecker der Möglichkeit empirischer Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theoretische, praktische und poietische Wissenschaften . . . . . . . 3. Praxis und Poiesis, Handeln und Herstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Vorrang der natürlichen Dinge vor den Artefakten in der aristotelischen Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Vorrang der Artefakte in der modernen Lebenswelt . . . . . . . 6. Die Eigendynamik der artifiziellen Systeme in der modernen Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223
223 225 228 232 235 239
VIII
Inhalt
7. >Poietische Philosophie< als Leerstelle im aristotelischen System der Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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AusGEWÄHLTE LITERATUR
249
VERWEISSTELLENREGISTER
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SACHREGISTER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . .
263
PERSONENREGISTER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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BIO-BIBLIOGRAPHISCHE ANGABEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277
EINLEITUNG
Das aristotelische Weltbild ist zwar außerordentlich geschichtsmächtig und kann auch heute noch beeindrucken, vor dem Hintergrund moderner Wissenschaft und Kultur erscheint es jedoch als hoffnungslos veraltet und gestrig- ein wahrer Klotz am Bein für diejenigen, die im Zuge gegenwärtigen Denkens und aktueller Weltauffassung Schritt halten möchten. Wer in Aristoteles nicht nur eine imposante Stufe europäischer Geistesgeschichte erkennen will, sondern ihm irgendeine Maßgeblichkeit und Anregung für das heurige Denken abzugewinnen sucht, hat einige in der philosophischen Tradition der Neuzeit begründete Hindernisse zu überwinden. Da ist erstens der Vorwurf eines tiefsitzenden ontologischen Realismus des Aristoteles, der die natürliche Weltsicht des Menschen für bare Münze nehme und damit als ein gegebenes Fundament aller wissenschaftlichen Erkenntnis des Wirklichen betrachte. Aristoteles neige außerdem dazu, alles, was Gegenstand wissenschaftlich-objektiver Erkenntnis zu sein beansprucht, als eine >Sache an sich selbst< aufzufassen, der wir uns in adäquater Erkenntnis anzumessen hätten. Das erscheint jedoch als naiv im Vergleich zu dem für die Moderne maßgebenden Ansatz Kants, die Objekte der Erkenntnis durch Leistungen unseres Verstandes erst als solche konstituiert sein zu lassen. Reserviertheit erregt zweitens die oft gestellte Diagnose, daß Aristoteles in der praktischen Philosophie zu einem ethischen Naturalismus tendiert. Einer derartigen Einstellung zufolge ist die Grundlage zur rechten Gestaltung unseres Lebens die menschliche Natur, die uns mit gewissen Lebenszielen und Kerngütern ein festes Rahmenwerk für die Moral und tugendgemäßes Handeln vorgibt, auf deren Verwirklichung wir sozusagen eingerichtet und geeicht seien. Außerhalb des Horizonts aristotelischen Denkens liege dagegen der von aller Natur emanzipierte, autonome Akt und die rein vernünftige Selbstbestimmung als Möglichkeit menschlich-individueller Selbstverwirklichung. Drittens wird häufig der Verdacht laut, Aristoteles' Überlegungen zur Kunst seien durch ein mangelhaftes Verständnis for konstruktive Kreativität gekennzeichnet. So habe er alle Kunst nur als Nachahmung des geglückten bzw. gescheiterten Lebens eingeschätzt und die mimesis überhaupt zum Grundmodell der Kunst erklärt. Die in diesem Band vereinigten Beiträge sind Antworten auf die Herausforderung, plausibel zu machen, daß Aristoteles' Denken - trotz oder teilweise sogar auf Grund solcher zunächst wenig attraktiv erscheinenden Unterschiede
X
Th. Buchheim · H. Flashar · R. King
gegenüber philosophischen Grundtendenzen der neuzeitlichen Philosophie und Geistesgeschichte - für heutige Überlegungen fruchtbar gemacht werden kann, und zwar in der Ontologie und Philosophie des Geistes ebenso wie in Ethik und Ästhetik. 1. Ontologie und realistische Fundierung der Wissenschaft
Der ontologische Realismus des Aristoteles vermag, sofern er neu durchdacht wird, auch heute gewichtige Vorzüge für sich zu reklamieren. Erstens ist die Möglichkeit einer Wiedererkennung des Menschen in dem, was objektiv wirklich und wahrhaft ist, als wesentlicher Vorzug zu nennen. Und dies in zwei Hinsichten: Zum einen wird der Mensch, das einmalige Individuum, unmittelbar als Teil einer an sich bestehenden Wirklichkeit begriffen; denn diese ist nach Aristoteles durchwegs und jederzeit im Individuellen, nicht etwa in universalen Ideen fundiert wie bei Platon. Der einzelne Mensch ist nach Aristoteles daher als eine individuelle Substanz wirklich und nicht, wie bei Platon, ein bloß intellektueller Teilhaber an Ideenerkenntnis, und auch nicht, wie bei Kant, ein transzendental allgemeiner Funktionsträger für die Konstitution objektiver Wirklichkeit. Im Gegensatz zu Platon und Kant gelingt es Aristoteles damit, die Auffassung zu vermeiden, daß das Subjekt sich selbst in der für es objektiven Welt entweder gänzlich zu einer Utopie oder lediglich zum nie ganz einholbaren, nur perspektivisch anwesenden Ausgangspunkt seines Weltverhältnisses wird. Zum anderen kann sich der Mensch in dem Objektiven auch insofern wiedererkennen, als die für uns unmittelbar gegebenen Beschaffenheiten der phänomenalen Welt und unserer selbst als bewußte Lebewesen wenigstens die Chance besitzen, sich uns als wohlfundierte Züge der objektiven Realität zu erweisen. Eine zweite Stärke der realistischen Grundposition des Aristoteles ist es, einen robusten und belastbaren Wahrheitsbegriff im Sinne einer Korrespondenztheorie zu ermöglichen. Nach dieser Auffassung ist Wahrheit ein von unseren stets nur vorläufigen und unvollkommenen Erkenntnisbemühungen prinzipiell unabhängiger Maßstab, im Verhältnis zu dem jede aus endlicher Perspektive realisierte Erkenntnis prinzipiell korrigierbar bleibt. Wissenschaft im Sinne des Aristoteles kann damit immer etwas Externes in Anspruch nehmen, das unsere Gedanken und Aussagen gegebenenfalls wahr macht und das in keiner Weise nur der geworfene Schatten unserer eigenen Erkenntnistätigkeit ist. Erst so kann dem Menschen auch nur die Möglichkeit zugebilligt werden, überhaupt etwas wahrhaft und radikal objektiv zu erkennen. Das erste, was ein aristotelischer Realismus allerdings tun muß, um auch unter heutigen Vorzeichen in den legitimen Genuß solcher Vorteile zu gelangen,
Einleitung
XI
ist, die naiven Auffassungen gründlich abzuschütteln, daß die Welt und alles in ihr durch ein und nur ein stabiles Kategoriensystem adäquat beschrieben werden könne; und daß man in nur wenigen Schritten von der Wirklichkeit, wie sie sich uns im normalen Leben und Dasein zeigt, zur Wirklichkeit vordringen könne, wie sie an sich selbst sein mag. In dem ersten Beitrag des Bandes (>>Aristoteles 2002«) nimmt Barry Smith Abschied von gewissen aristotelischen Hoffnungen und Verengungen in bezug auf die Vielfalt des Realen: Kategoriensysteme öffnen nur eine bestimmte, jederzeit partielle Perspektive auf die Wirklichkeit, die besten - d. h. realistischen Falls >>transparent« genannt werden kann, da sie einen Aspekt von dem Wirklichen sehen läßt. Aber keineswegs bahnt irgendein Kategoriensystem den Königsweg zur Erfassung der Sachen selbst, wie wohl Aristoteles dachte. Vielmehr können sich gleichberechtigte Kategoriensysteme durch ihre Ausrichtung unterscheiden und miteinander inkommensurabel sein. Außerdem mögen Kategoriensysteme unterschiedlich grob oder fein gekörnt sein und wie Lupen oder Fernrohre je andere Schichten des Wirklichen in den Blick bringen: Was bei gröberer Körnung und im Großen betrachtet als für sich bestehende Einheit und typischer Fall eines Wirklichkeitsbereichs erscheint, das kann in gleichsam mikroskopischer Perspektive als eine Gegebenheit aus dem Blick verschwinden, so daß anderes an seiner Stelle als wirklich und exemplarisch für die entsprechende Region der Wirklichkeit in den Vordergrund rückt. Smith bezeichnet diesen Effekt treffend als eine Art »ontologisches Zoomen«, das nicht von vornherein darüber entschieden hat, was das eigentlich und allein Wirkliche ist und was nicht. Jedoch ist es freilich eine schwierige und zugleich spannende Frage, wie sich solch unterschiedliche Schichten der Wirklichkeit in der Sache zueinander verhalten: ob einige fundierend für andere sind, und wenn ja, welche; wie sie miteinander integriert sein und so interagieren können, daß auch die womöglich nicht fundamentalen Charaktere der Wirklichkeit eine realistische Deutung vertragen und sie zusammen einen gemeinsamen >>Mesokosmos>Common-sense-Welt>gesunden Menschenverstands>Ontologie der Löcher und GrenzenAristotle's Topics and Contingent IdentityGleichheit mit sich selbst< nicht auf den Terminus zu beziehen ist, durch den man einen Gegenstand erfaßt, sondern auf den von der Erfassungsweise prinziArisroteles' Metaphysik vgl. in verwandter Hinsicht Th. Buchheim, >>The Concept of Physis in Arisrotle's MetaphysicsTheorie der Flächengestaltung< (Theory of Surface Layout), >einer Art angewandter Geometrie, die der Behandlung von Wahrnehmung und Handeln angemessen wäremorphologischen Begriffe>Die vollkommenste Geometrie und ihre vollkommenste praktische Beherrschung kann dem deskriptiven Naturforscher nicht dazu verhelfen, gerade das zum Ausdruck zu bringen (in exakt geometrischen Begriffen), was er in so schlichter, verständlicher, völlig angemessener Weise mit den Worten: gezackt, gekerbt, linsenförmig, doldenförmig u. dgl. ausdrückt lauter Begriffe, die wesentlich und nicht zufällig inexakt und daher auch unmathematisch sind.« 17 Gibsons >Theorie der Flächengestaltung< und Husserls >Morphologie< bilden eine Art qualitativer Ontologie, die mit Begriffen arbeitet, die für unser Überleben in der terrestrischen Umwelt von direkter Bedeutung sind. Sie arbeitet sowohl mit >positiven< Zügen dieser Umwelt, z. B. mit Hindernissen wie Bergen oder Mauern, als auch mit >negativen< Zügen, nämlich Lücken im Raum oder in einem Medium, wie z. B. Höhlungen oder Öffnungen, die zum Schutz oder zur Flucht dienen. Aristoteles kommt einer Theorie solcher Gebilde in der Physik am nächsten, wo er seine Theorie von Örtern skizziert. Örter sind negative Entitäten. Die akzidentielle Kategorie Ort ist eine Kategorie von Öffnungen, in die Substanzen genau passen. Der aristotelische Ort ist wie ein Umschlag um die Substanz herum. Der Ort eines Fisches z. B. ist die innere Grenze des den Fisch umgebenden Wasserkörpers (Phys. IV 4, 211 a 30-33). Der Ort eines Menschen ist die innere Grenze der den Menschen umgebenden Luftmasse. Eine Substanz bezieht sich auf ihren Ort in etwa der gleichen Weise, wie sich eine Flüssigkeit in einem Gefäß auf das Gefäß bezieht, oder die Hand auf den Handschuh (Phys. IV 2, 209b 26f.). Nun sagen wir doch, wir seien in der Welt als an einem Orte, weil wir in der Luft sind, diese aber in der Welt ist. Dabei sind wir aber in der Luft nicht in dem Sinne, als wären wir in der gesamten Luft, sondern nur im Hinblick auf deren unmittelbar an uns angrenzenden und uns enthaltenden Teil sprechen wir davon, daß wir in der Luft seien - wäre nämlich die Gesamtluft der Ort, so wäre ja der Ort des Gegenstandes nicht genau gleich groß dem Gegenstand (der sich an ihm befindet); es soll aber doch nach unseren Feststellungen die Ausdehnungsgröße beider völlig gleich sein, und diese Bedingung erfüllt nur der den Gegenstand ganz unmittelbar enthaltende Ort. (Phys. IV 4, 211 a 23-29)
J. ].
Gibson, The Ecological Approach to Visual Perception, Boston 1979, 33. Husserl, Edmund, Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, I. Buch (Husserliana Band III/1), hrsg. von Kar! Schuhmann, Den Haag 1976, § 74. I6
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Barry Smith · Aristoteles 2002
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Ein Ort umgibt eine Substanz genau, aber nicht wie ein Ganzes seine Teile. Ein Ort umgibt vielmehr dann eine Substanz genau, wenn die Substanz von dem sie umliegenden Ort getrennt ist, aber trotzdem in vollkommenem Kontakt zu ihm steht. Die äußere Grenze der Substanz fällt dann genau mit der inneren Grenze des ihn umgebenden Orts zusammen. Die Grenzen der beiden die äußere Grenze der Substanz und die innere Grenze der sie enthaltenden Masse von Luft oder Wasser - fallen genau zusammen. Ein Ort ist dabei selbst nichts Körperliches. Er hat Größe, aber keine Materie. Er hat Gestalt und Form, aber es fehlt ihm eine teilbare Struktur, denn Örter gibt es nur um Substanzen herum. Unser Problem kann nun so formuliert werden: da für Aristoteles Örter nur in bezug auf Substanzen definiert werden, sind Akzidenzien von Substanzen ebenso wie Beine und Arme und andere echte Teile von Substanzen ortlos. Demgemäß gibt es auch keine leeren Orte. Ferner wäre eine Substanz, die von einem Vakuum umgeben ist, und auch das ganze All nach der aristotelischen Auffassung ortlos. Für Aristoteles haben Punkte keinen Ort, und es gibt keinen Körper-Zwischenraum, >>denn das >inmitten< eines Ortes ist (immer) ein beliebiger Körper, nicht aber das Freisein von einem Körper [... ]. Nicht >alles Seiende< ist an einem Ort, sondern nur der der Bewegung fähige Körper.« (Phys. IV5, 212b 24-29) Ein echter substantieller Teil eines Körpers (wie der Schwanz einer Katze) ist nicht wirklich, sondern nur potentiell an einem Ort. Er wird erst dann tatsächlich an einem Ort sein, wenn er durch Abtrennung in eine selbständige Substanz transformiert wird. Darüber hinaus verbindet Aristoteles seine allgemeine Ontologie des Ortes mit der Lehre der »natürlichen« Orte, wonach z. B. losgelassene Körper auf den Boden fallen, weil ihre »erdige« Natur sie veranlaßt, den Boden als Ruhestätte aufzusuchen. Eine bessere (nämlich eine allgemeinere und flexiblere) Auffassung von Örtern erhalten wir, wenn wir die aristotelische Einsicht ernst nehmen, wonach sich ein Ort durch eine gewisse Art innerer Öffnung oder Lücke auszeichnet. Örter müssen wir dementsprechend so auffassen, daß sie zur selben Kategorie wie Löcher gehören, als negative Teile der Wirklichkeit. Örter wären dann ebenso wie für Aristoteles - nicht-körperliche Entitäten. Sie hätten Größe und Form, aber auch eine teilbare Struktur. Sie wären nicht räumliche Regionen im Sinn der Physik des Raums, sondern Regionen innerhalb unserer terrestrischen Umwelt. Sie wären Regionen, die möglicherweise mit Materiellem besetzt, möglicherweise aber auch leer sind. Teile des norwendigen Instrumentariums einer solchen Theorie liefert Aristoteles mit seiner oben skizzierten Behandlung von Hohlräumen. Eine vollständige Theorie erreicht er allerdings nicht, weil seine Lehre der Individualisierung durch Materialisierung in bezugaufleere Regionen nicht anwendbar ist.
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Theoretische Philosophie: Ontologie
In seiner allgemeinen Ontologie von Örtern wird allerdings der Weg aufgezeigt, wie wir eine Theorie jener terrestrischen Umwelten zu entwickeln haben, in denen Substanzen wie wir gewöhnlich existieren.
3.5 Ontologie der Löcher Die Kategorie der Löcher spielt eine eher untergeordnete Rolle in der Geschichte der Metaphysik. Zwar spricht Kant in Zusammenhang mit seiner Behandlung von der Kausalbeziehung von einer Asymmetrie zwischen >Grübchen< und Körpern: >>Wenn ich eine Kugel, die auf einem ausgestopften Küssen liegt, und ein Grübchen darin drückt, als Ursache betrachte, so ist sie mit der Wirkung zugleich. Allein ich unterscheide doch beide durch das Zeitverhältnis der dynamischen Verknüpfung beider. Denn, wenn ich die Kugel auf das Küssen lege, so folgt auf die vorige glatte Gestalt desselben das Grübchen; hat aber das Küssen (ich weiß nicht woher) ein Grübchen, so folgt darauf nicht eine bleierne Kugel.the picture of a shadow [as] a positive thing< vertreten (Essay Concerning Human Understanding, II 8-5). Auch Locke liefert aber keine Theorie von positiven und negativen Dingen. Das erste Buch zur Metaphysik der Löcher, Holes and Other Superficialities von Casati und Varzi, ist erst 1995 erschienen, aber schon als >Klassiker der Philosophie< bezeichnet worden.18 Die Autoren unterscheiden drei Hauptarten von Löchern, die sie durch ihre verschiedene Morphologie voneinander unterscheiden und Höhlen, Dellen und Tunnel nennen. Höhlen sind z. B. die Löcher, die in kochendem Wasser als Luftblasen zum Vorschein kommen. Eine Höhle ist topalogisch eine Sphäre. Sie existiert immer im Inneren eines sie umgrenzenden Trägers (eines >host< in der Terminologie von Casati und Varzi), und sie hat ihre eigene vollständige äußere physische Grenze, die durch die Materie des Trägers gebildet wird. Dellen (Höhlungen, Wölbungen, Beulen, Vertiefungen) sind z. B. die Zellen einer Honigwabe, in welcher die Bienen ihren Honig deponieren. Dellen ha18 D. M. Armsrrong, »Rezension von Holesand Other Superficialities«, in: The Journal ofl'hilosophy, 93111: 1996, 585-86. Casati und Varzi reden nicht von Löchern als von >negativen Tei-
lennegativen Stoffes< durch materielle Träger (Roben Casati und Achille C. Varzi, Holes and Other Superficialities, Cambridge 1995). Unsere Argumente ließen sich auch in diese Terminologie umformulieren.
Barry Smith · Aristoteles 2002
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ben zwei Arten von Grenzen. Einerseits haben sie eine echte, d. h. eine physische Grenze; sie besteht in diesem Fall aus dem Boden und den Seiten der jeweiligen Zellen. Andererseits haben sie eine abstrakte Grenze, die in diesem Fall von der Oberfläche der Zelle gebildet wird. Bei einem Autounfall wird die physische Grenze der entstehenden Beule durch den aktuellen Verlauf der durch den Unfall entstellten Teile der beteiligten Karosserie bestimmt. Die abstrakte Grenze der Beule befindet sich da, wo die Karosserie eigentlich verlaufen müßte und wo sie vor dem Unfall tatsächlich verlief. >Ihr Auto hat eine BeuleIt does not seem to have occurred to Aristotle to doubt common reality: the doubt is perhaps pathologicaP3. 32 Ich beziehe mich hier (mit etwas Widerwillen) auf die Darstellung der aristotelischen Wissenschaftstheorie, die in Feyerabend (Paul K. Feyerabend, »>n Defence of Aristotle: Comments on the Condition of Content lncrease«, in: Progress and Rationaliry, hrsg. von G. Radnitzky und G. Andersson, Dordrecht 1978, 143-180) entwickelt wird. 33 Stephen Clarke, Aristotle's Man: Speculations upon Aristotelian Anthropology, Oxford 1976, 83.
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Theoretische Philosophie: Ontologie
Das in der Ontologie Aristoteles 2002 eingebaute Modul für ontologisches Zoomen liefert aber eine aus Sicht der heutigen Wissenschaft bessere Antwort auf das Problem von Grenzfällen. Wird man mit einem solchen Fall konfrontiert, der mit den Mitteln der eingangs verwendeten Körnigkeitsebene nicht hinreichend erklärt oder nicht einmal beschrieben werden kann, sucht man eine feinkörnigere Aufteilung, die auch auf das gleiche problematische Stück Wirklichkeit paßt, aber in der Lage ist, Aufschluß über die Abweichung zu geben. Dies geschieht z. B. dadurch, daß ein Phänomen, das durch eine grobkörnigere Aufteilung als Grenzfall erscheint, im Licht der feinkörnigeren Aufteilung als prototypischer Fall zu erkennen ist, weil es jetzt die default-Eigenschaften erfüllt, die mit dem entsprechenden Knoten dieser neuen Aufteilung verknüpft sind. Genetische Erklärungen für Abweichungen von biologischen Normen sind ein Beispiel dieser Zooming-Methode, die mit der Grundidee von Aristoteles 2002 völlig im Einklang steht. Was wir jetzt über DNA und über das menschliche Genom wissen, versetzt uns in die Lage, Erklärungen dafür zu geben, warum gewisse Leute sechs Finger haben oder unter dem Tay-Sachs-Syndrom leiden. Solche Leute sind prototypisch vor dem Hintergrund einer Aufteilung der Welt, worin die Unterklassen durch die inneren Strukturen des entsprechenden genetischen Materials bestimmt werden.
4.5 Das Weltbild von Aristoteles 2002 Mit dem Begriff des ontologischen Zoomens ist natürlich nicht alles gesagt, was die Erklärung von Grenzfällen betrifft. Manche Fälle, die als Grenzfälle erscheinen, haben nichts mit unzureichendem Zoomen zu tun. Oft werden Begriffe von unten nach oben eingeführt, z. B. wenn wir in der Kunst etwa eine Gattung durch eine Reihe von möglichst verschiedenen Paradigmen illustrieren (La Pietphänomenal< existiert, daß sie eine subjektive Konstruktion ist, die vielleicht nur im Rahmen der Psychologie zu behandeln sei. Dagegen habe ich zu zeigen versucht, daß sich eine Ontologie dieser Common-sense-Welt sich auf aristotelischer Grundlage entwickeln läßt, die mit den üblichen etablierten wissenschaftlichen Theorien völlig in Einklang steht. Mit Gibsou habe ich versucht zu zeigen, daß eine Ontologie der Common-sense-Welt dadurch mit der >Physik, Mechanik, Optik, Akkustik und Chemie vereinbar< sein kann, daß sie sich auf >Tatsachen einer höheren Ordnung bezieht, die von diesen Wissenschaften noch nie explizit gemacht wurden und unerkannt geblieben sind.,35 Mit der Bezugnahme auf die Kategorien von Löchern und Grenzen, Medien und Oberflächen, die in Aristoteles 1.5 integriert sind und von Aristoteles 2002 übernommen werden, sind wir auch in einer wesentlich besseren Lage, bedeutende Teile und Aspekte dieser Common-sense-Welt theoretisch zu erfassen als auf der Grundlage der gängigen, auf Objekte und Eigenschaften (und Mengen) bezogenen Ontologien der heutigen analytischen Metaphysik. Wenn dem so ist, dann stellen wir allerdings fest, daß der Fortschritt der Wissenschaften kein Schritt weg von Aristoteles in Richtung von etwas Besserem ist. Richtig interpretiert, ist dieser Fortschritt vielmehr ein Beweis dafür, daß der ontologische Ansatz des Aristoteles in bezug auf viele Teile und Dimensionen und Strukturen der Wirklichkeit noch immer der richtige ist. Zum Schluß können wir aber gleichzeitig feststellen, daß auch Aristoteles 2002 keine vollstän35 Gibson,
Ecological Approach (wie Anm. 16), 17.
38
Theoretische Philosophie: Ontologie
dige Ontologie der gesamten Wirklichkeit darstellen kann. Denn für bestimmte Zwecke fordert die Wissenschaft eine Sichtweise, die überhaupt nicht mit den aristotelischen Kategorien arbeitet, sondern mit Wellen oder Feldern oder mit dem Raumzeitkontinuum (und vielleicht daher mit dem, was Aristoteles unter >prima materia< verstanden hat). Die Existenz dieser und verwandter Sichtweisen ist allerdings selbst immer noch einwandfrei mit dem hier vertretenen perspektivistischen Realismus vereinbar. Denn die Lehre vom ontologischen Zoomen soll keine vollständige Theorie aller Momente sein, die für wissenschaftliche Erklärungen relevant sind, sondern eher ein Beweis dafür, daß wir sowohl Common-sense- als auch wissenschaftlichen Realismus nicht nur gleichzeitig annehmen, sondern auch als sich gegenseitig befruchtende Positionen auffassen können und müssen.
ARISTOTLE'S TOPICS AND CONTINGENT IDENTITY
Mario Mignucci 1. Three Aspects of Identity in Aristotle A chapter in the first book of the Topics is dedicated to exploring the various senses or uses of the word >Same< (ravr6v), and its style is to a certain extent reminiscent of the famous lexicon of the philosophical terms in Metaphysics V. The reason for its insertion at the beginning of the Topics after the definition of predicables probably lies in the fact that a reference to identity is made not only in relation to definition, where it is said that checking a definition in most cases consists in testing identity and difference,l but also in relation to genus, where the question whether rwo things fall under the same genus is relevant in many ways.2 If westick to the received view that the Topics is one of Aristotle's earliest works,3 the analysis of identity we find in I 7 is probably the first attempt made by the philosopher to make a map of the senses of sameness. 4 He Starts by introducing a triparrite division of the use of ravr6v. Let us read the passage: (A) »We may regard the same as being divided, in oudine, in three parts, for we are accustomed to describe what is the same as in number or in species or in genus. Those are the same in number which have several names but the thing is one, for example cloak and coat. Those are the same in species which, though many, are indistinguishable (al5uxlj)opa) with respect to species, for instance a man and another man and a horse and another horse (for those things are said to be the same in species which fall under the same species). Top. I 5, 102a 7-9. Top. I 5, 102a 36 ff. 3 See e. g. H. Maier, Die Syllogistik des Aristoteles, 3 vols., Hildesheim-New York 31969-1970, II b, 78; E. Hambruch, Logische Regeln der Platonischen Schule in der Aristotelischen Topik, Berlin 1904, 3 ff.; F. Solmsen, Die Entwicklung der aristotelischen Logik und Rhetorik, Berlin 1929, 194; D. Ross, »The Discovery ofthe SyllogismProof and the Syllogism11< is a name for 11 (ii) >/;< is a name for I; (iii) >11< 7: >/;< (iv*) >11< and >/;< denote one thing
We can express condition (iv*) more elegantly by stating (iv) >11< and >/;< are co-referential This characterisation of identity deserves some comment. The term >name< (ovo11a) cannot be taken in the strict senseit has, for example, in the De interpretatione, where it is Contrasted with >discourse< (.lt6yoc;), being considered an expression whose parts are not significant.S Evidence for that is Aristode's claim that the relation between a definiens and a deflniendum is a case of (numerical) 5 Top. I 7, 103a 7-14 (translation by Robin Smith slightly modified I and VIII, Translated with notes by R. Smith, Oxford 1997). 6 E. g. Metaph. V 9; X 3, I 054 a 32 ff. 7 Texts in H. Bonitz, Index Aristotelicus, Graz 2!955, 125a 57ff. 8 lnt. 2, 16a 19-21. A.6yo, is defined at 4, 16b 26-28.
=
Aristotle, Topics Books
Mario Mignucci · Aristode's Topics and Contingent Identity
41
identity and a definiens is not a proper övopa.9 Moreover, he allows identity Statements in which one term of the relation is what Iooks as a definite description. Even if in his examples he uses definite descriptions in which only one significant term appears (ro Ka(hjpcvov, ro povatK6v), there is no reason to deny that they can be expanded in more complex expressions.IO But the most important fact to underline in (1) isthat in Aristotle's view identity is a relation between things and not between names, despite the linguistic approach chosen here. It is not that the names >cloak< and >coat< are the same. In fact, they are not the same: >cloak< is a different name from >coatcloak< that is the same as what is denoted by >coatthe one who is con-
versing< (TOV thingobjectentity< to help cope with the limited number of names at our disposal, and some refined versions of these devices are used in formal languages.l5 Needless to say, (1) cannot be counted as a definition of sameness. Condition (iv) (or (iv*)) contains a clear reference to identity and the same holds for condition (iii). Therefore, conditions (i)-(iv) cannot be taken as a proper definiens of sameness, since they include what must be defined. As one should expect, (1) can be considered only as an elucidation of the notion of identity, and this elucidation naturally depends on the context in which sameness is supposed to operate. The context of Aristotle's analysis is dialectic, i.e. the technique
13
tion.
See e. g. Metaph. X 3, 1054a 34-b3 where rhe unity, i.e. identity, of a definition is in ques-
SEi, 165a 10-13. I owe this point ro Paolo Crivelli who has gready helped me to correct my previous view and better understand Aristode's position. 14 15
Mario Mignucci · Aristorle's Topics and Concingenc Idencity
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of discussion between two opponents. lt is from this point of view that definitions are examined and, as we have seen, discussion about definitions and genera is one of the main reasons for appealing to identity. For instance, a definition can be disproved if one is able to show that its alleged definiens is not the same as the definiendum. Similarly, we can reject the claim that J1 is the genus of v and ~ if it can be maintained that lT is the genus of ~' J1 is the genus of v, and J1 is different from JT. If this is the context of Aristotle's use of identity it should not surprise us too much that he has recourse to a linguistic approach in his elucidation of this notion. In some sense definientia and definienda can be taken as names of entities, and genera can be considered in the same way. This view is confirmed by the fact that when Aristotle treats identity in the context of his ontology, his approach changes. Consider for instance the following passage: (B) >>The same has several meanings: we sometimes mean the same numerically; again we call a thing the same if it is one both in definition and in number, e. g. you are one with yourself both in form and in matter; and again if the definition of its primary substance is one, e. g. equal straight lines are the same, and so are equal and equal-angled quadrilaterals - there are many such, but in these equality constitutes unity.«l6 For our purposes, it is sufficient to underline the different perspective according to which identity is characterised here. lt is no langer explained in terms of sameness of names' denotata, but in terms of sameness of the ontological constituents of the bearers of the relation, matter and form. The details of the passage are far from clear. It is not obvious in what sense numerical identity differs from unity of definition and number. Maybe, as pseudo-Alexander thinks,l7 Aristotle is here hinring at the distinction between accidental and essential propositions in which Statements of identity are included.l8 Nor is the example of the equal straight lines as a special case of sameness in definition, i.e. specific identity, perspicuous. However, what really matters for us is the ontological shift in the characterisation of sameness with respect to the approach in the Topics. The same ontological commitment in characterising identity we find in other passages of the Metaphysics in which no mention of the co-referentiality of names is made.l9
16 Metaph. X 3, 1054a 32-b3 (Oxford revised translation modified; Arisrorle, The Campfete Works. The Revised Oxford Translation, Edited by J. Barnes, 2 vols., Princeton 1984). 17 Alex., in Metaph. 615.20ff. 18 The same view in Ross (Aristode, Metaphysics, A Revised Text wich lntroduction and Commentary by WD. Ross, 2 vols., Oxford 3]953, II, 287). 19 See e. g. Metaph. V 9, 1018a 4-9.
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Theoretische Philosophie: Ontologie
There is however an aspect in which the ontological characterisation of identity and the linguistic one coincide, and this is the attempt that Aristotle makes to reduce sameness to oneness. In the Topics it is said that p and ~ are the same if their names denote one thing and in text (B) it is oneness in number that establishes sameness. More explicitly, in another passage of the Metaphysics Aristotle clearly says that identity is a kind of oneness.20 It is difficult to evaluate the meaning of this reduction. One might be tempted to take it seriously and spell it out in terms of indistinguishability: p and ~ are the same if they are one, i. e. if they cannot be distinguished, and, of course, p and ~ cannot be distinguished if they share all properties and attributes.21 We could express this by positing (1 *)
!J=~
if
VF(F(p) B F(0)
But the textual evidence for such a move is not very strong,22 and one might wonder what is to be gained by such a characterisation of identity. Surely (1 *) is not a real definition of identity since the notion of sharing the same attribures involves the notion of identity.
2. Specific and Generic Identity In text (A) (numerical) sameness is contrasted with specific and generic identity. We can say that two individuals a and b are specifically identical, namely Spec(a,b), if the species to which a belongs is the same as the species to which b belongs, i. e. (2)
Spec(a,b)
if
S (a)
=
S (b)
It should be clear that >5 (x)< in (2) stands for >the species of XI. 22 Arisrotle seems to consider unity in terms of indivisibility, e. g., at Metaph. V 6, I 016 a 32ff.; VII 17, 104la 14-20; X I, 1052a 29ff. Bur it is not clear ro me whether we must confer a deep and philosophically relevant sense to this way of speaking. 20
21
Mario Mignucci · Aristode's Topics and Contingent Identity
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species of a is numerically the same as the species of b. Moreover, numerical identity implies specific identity, in the sense that (3)
a=b
~
Spec(a,b)
holds, as is easy to see. The converse of (3) is not valid, because it may be that (2) is satisfied also in the case in which a-Fb, as the example of Coriscus and Socrates shows, being different individuals in the same species. Generic identity does not add very much to specific identity, in the sense that a similar pattern works in this case, with the only difference that here not only individuals but also species can enjoy generic identity. Therefore, we can write
(4)
Gen(f.l,~)
if
G (f.l)
=
G (0
where >G (p)< stands for >the genus of p< and >Gen(p,a)< for >P and a are generically the sameTaVTOV< is always the same and it is simple identity. In the case of the socalled >numerical sameness< it is identity of what is denoted by two names (or descriptions) for objects, while in the case of specific and generic identity it is identity concerning the species or the genus of two objects. I am inclined to think that Aristotle is not classif}ring kinds of sameness but taking into account linguistic uses of >Same< in connection with propositions such as >>Coriscus and Callias are the same in species« or >>man and horse are the same in genus«. Consider for instance the proposition >>Coriscus and Callias are the same in species«. 23 Aristotle is weil aware of the fact that numerical idemity implies the corresponding specific and generic one, while specific idemity implies generic idemity but not vice versa (Metaph. V 6, 10!6b 35ff.). 24 P.T. Geach, Logic Matters, Oxford 1972, 239ff.; D. Wiggins, Sameness and Substance, Oxford 1980, 15ff.
Theoretische Philosophie: Ontologie
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Aristode's analysis is probably intended to warn anyone who is dealing with this proposition that it must be taken as asserting not that Coriscus and Callias are the same thing, but that they share the same species. No new notion of identity is introduced, and Aristode's distinctions are simply meant to make it clear what identity refers to.
3. Aceidental Sameness In the same chapter from which we quoted text (A) there is a puzzling passage concerning (numerical) identity, which is worth considering. Aristode says: (C) >>What isonein nurober (ro EV apu'JJ.UjJ) is most uncontroversially called the same in everyone's judgement. But even this is customarily indicated in several ways. The strictest and primary case is when that which is the same is indicated by means of a word or a definition, e. g. coat for cloak or two footed terrestrial animal for man. The second case is when it is indicated by means of a proprium, e. g. capable of knowledge for man or carried upwards by nature for fire. The third case is when it is indicated with an accident (aJTo roü avpßt:ßTJKOTO~), e. g. the one sitting or the musical one for Socrates. All these cases are intended to signify what is one in number.«25 This text is meant not only to present cases in which (numerical) identity or oneness is expressed but also offer a sort of hierarchy of them. To hopefully have a better understanding of what is behind this strange passage, Iet us reverse the order of cases and start from the last one, i.e. the case of identity concerning individuals. If we put Aristode's examples in a proper sentential form we get propositions asserting a relation of identity in which one and the same particular is picked out by a proper name, >Socratesthe one sitting< or >the musical one>from an accidentI< operator used by 25 26
Top. I 7, 103a 23-31 (Robin Smith's translation modified). We say that a proposition A is contingent if A ~ 0 ·A.
Mario Mignucci · Aristotle's Topics and Conringenr Idenrity
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Russell to represent definite descriptions, so that we can express the form of a definite description by >txF(x)the unique x which F-s>what is it?Caravaggio = Michelangelo Merisi«, where apparently two names for one and the same thing are used? The answer depends in the way we consider the two expression >Caravaggio< and >Michelangelo MerisiCaravaggio< and >Michelangelo Merisi< is to expand them into >>the one called >Caravaggio«< and >>the one called >Michelangelo Merisi«>Caravaggio=Michelangelo Merisi« is a contingent proposition no more and no less than (5), since >>being called >Michelangelo Merisi«< is surely an accidental property of the painter called >CaravaggioMichelangelo Merisi< is a proper name in no way reducible to a definite description, while >Caravaggio< is in fact a disguised definite description. This may be true but it only shows that our example is ill chosen. To make a
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Theoretische Philosophie: Ontologie
general point, one should claim that one individual can get only one proper name, and its alleged synonymous are in fact definite descriptions. Therefore, of the two ways of referring to the painter at least one must be a definite description and, consequently, we are again in the situation of example (5), for which we have proved that it is a contingent Statement. Let us say that the claim that there is only one proper name for an individual Iooks quite difficult to defend and has no evidence, as far as I know, in rhe Aristotelian texts. Therefore, the easiest way to hold that >>Caravaggio=Michelangelo Merisi« is a contingent Statement consists in supposing that both names it contains are in fact definite descriptions according to the general assumption that proper names must be reduced to definite descriptions. However respectable this view may be, I do not think that Aristotle shares it. Evidence for this point is in Aristotle's way of describing another type of numerical identity in our text (C). As we have seen, he maintains that a case of numerical identity is given when it is stated by means of two synonymous words. Take for instance >cloak< and >coatC!oaklxF(x)< for >b< in (13.1) and we get (14)
a = 1xF(x)
~ D
a = 1xF(x)
which yields, together with (12), the implausible conclusion that no proposition such as (5) can be true. To avoid this unpleasant consequence two ways out are left: either one restricts the substitution rule for identicals (for instance to nonmodal contexts) or one considers the use of the I-operator with modalities as misleading. I will not discuss in detail the first possibility and I will concentrate on the second one. The idea that the 1-I< operator. As everybody knows after Russell, a sentence such as (6) can be rephrased in the following way (15)
F(a)
1\ 't/ x(F(x) ~
x=a)
Assurne now that the property on which a description of an individual is based belongs accidentally to the individual in question, i.e. take (7). Starring from the obvious thesis that (16)
(F(a)
1\ 'tfx(F(x) ~
x=a))
~
F(a)
by the same argument we produced before to prove that (5) is contingent we can easily derive (17)
0 .(F(a)
1\ 'tfx(F(x) ~
x=a))
36 A rule of substirution for identicals can be expressed as follows: (SR) a=b ~ (A B B) (B differing from A only in having b in 0 or more occurrences of a in A). (SR) is notoriously at odds with systems of contingent identity. They normally adopt a non-modalversion of it, in the sense that (SR) is supposed to hold if A and B do not contain modal operators (see Hughes-Cresswell, A New lntroduction to Modal Logic, 332-334). 37 Russell was aware of the ambiguity involved by the use of the >I< operator and to avoid it he introduced the notion of scope of a description (Principia Mathematica, I, 173). The ambiguity of >I< increases in a modal context (see Hughes-Cresswell, A New !ntroduction to Modal Logic,
324-325).
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Theoretische Philosophie: Ontologie
Statement (17) is true and it is actually implied by any generalisation of (5) if westick to the view that (5) includes a description am) TOV avpßEßTJKOTOr;. But admitting (17) does not entail that we must reject the view that identity is conceived by Aristotle as necessary. In fact, (17) does not conflict with (13.1). When we claim that (17) holds, we are giving up the idea that propositions such as (5) should be considered as necessary, since (17) rules out (18)
o (F(a) 1\ Vx(F(x)
~
x=a))
But why should one take an identity statement like (5) as implying a necessary proposition in the sense of (18)? When we say that Socrates is the one sitting, we are not thereby committed to the claim that necessarily Socrates is the only sitting object. lt might have been that Socrates is not sitting or that he is not the only one to sit. We can more plausibly take (5) to mean that one and the same person, Socrates, is described as the only one who is sitting and addressed as >SocratesSocratesSocrates< is necessarily the same individual contingently described as the one sitting. If we adopt the view that identity is necessary, ( 19) is an immediate consequence of (15). But (19) is by no way inconsistent with (17). Therefore, (5) can be taken to be a contingent Statement as Aristotle does, but this claim does not commit us to attribute him the view that identity has to be considered as contingent.39 Our interpretation is clear. If we adopt the view that identity according to Aristotle is necessary, namely that (13) holds for him, we are entitled to claim that the kind of necessity involved by propositionssuch as (5) is at most the necessity expressed by (19). This conclusion is confirmed by considering the opSee Hughes-Cresswell, A New /ntroduction to Modal Logic, 318 ff. I am aware of the fact that using formulas with arbitrary names in a modal context can raise difficulties (on them see e. g. Hughes-Cresswell, A New /ntroduction to Modal Logic, 274ff). However, I do not think that I must take care of them at the Ievel of analysis in which I am moving. 38 39
Mario Mignucci · Aristotle's Topics and Contingent Identity
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posite view, according to which the contingency of (5) would imply that Aristotle admitted cases in which identity is contingent. We say that Jl=/; is an instance of contingent identity if it sarisfies
(20) Needless to say, if we accept that (20) holds in some cases, we must put a restriction on (13), since (20) and (13) taken without qualification cannot hold together. Not every identity Statement is necessary, if some of them are contingent. Suppose now that a statement such as (5) is a statement of contingent identity. To make this claim plausible, we cannot take >the one sitting< as a definite description that contingently applies to Socrates. We must imagine that >the one sitting< is the name for an individual, the one who is sitting, who is identified with different particulars in different possible situations. In these circumstances the one who is sitting is Socrates and in other circumstances he could be different. In general, we need to postulate the existence of special individuals such as the one sitting, the winner, the runner and so on, which are, so to say, intensional objects different from >>normal« individuals such as Socrates, Cleon and Callias. >Socrates< denotes always and everywhere the same individual. >The winner< on the other hand can refer to different »normal« particulars in different situations.40 If we take this to be the ontology that allows us to think that (20) can be satisfied in some cases, one should be confident enough to claim that this ontology is not the Aristotelian one. As is weil known, the only primary existent things that Aristotle admits are individual substances, and the one who is sitting, or the winner, is not a substance. However, one might observe that in the domain in which the bearers of Aristotelian identity are included there are not only individual substances but also abstracts and conclude that there is no reason to rule out from it intensional objects such as the one sitting or the winner while including general terms such as man, cloak, mantle or a definiens. But there is a difference. Because of the Aristotelian ontology, we are tempted to claim that in his perspective we can always replace a statement such as J.l=/;, where >Jl< and >/;< are names for general entities, with an equivalent Statement where only >>normal« individuals are the denotata of the arbitrary names and variables that represent the logical subjects of the propositions. The most obvious example is constituted by propria. >>Man is capable of knowledge« is viewed as an identity statement in text (C) but when Aristotle gives the official definition of this notion41 he explains our proposition 40
See Hughes-Cresswell, A New lntroduction to Modal Logic, 331 ff. 102a 18-24.
41 For the definition of proprium see Top. I 5,
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Theoretische Philosophie: Ontologie
as an equivalence: >>everything is a man if and only if it is capable of knowledgeSocrates is pale>Accidemal Unities«, in: Langu11ge and Logic. Studies in Creek Philosophy Presented to G.E.L. Owen, edited by M. Nussbaum and M. Schofield, Cambridge 1982, 223-240. 43 See Lewis, Substance and Predication in Aristotle, 103-105.
Mario Mignucci · Aristode's Topics and Contingent ldentity
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6. A Hierarchy of Sameness Let us come back to text (C). Various cases of identity are mentioned and a hierarchy among them is established. We have already considered two of these cases. One occurs when identity is expressed by attributing a definite description to an individual; the other is the case of two synonyms for the same general entity. As we have seen, it is legitimate to equate to the latter the case of two synonyms for the same individual, i.e. the case of identity expressed by propositions such as >>Caravaggio=Michelangelo Merisithe one sitting< is a definite description of Socrates am.J TOV avpßcßTJKOTO\;. In the same way, we can consider >two-footed terrestrial animal< as adefinite description of what is designated by the name >manthe one sitting< is that >two-footed terrestrial animal< is not am) TOV avpßcßTJKOTO\; with respect to man, being not based on an accidental attribute of man, but it expresses what answers the question »Ti ian äv1'JpW1TO\;weak« identity, i. e. necessary and contingent identity. AI; we have seen, identity in Aristotle's view is always >>Strang>Caravaggio=Caravaggio>Caravaggio=Michelangelo Merisischuld< ist.12 An dieser begrifflichen Ableitung kann nicht gezweifelt werden. Es liegt zunächst eine Metapher vor, bei der statt der persönlichen Verantwortung in übertragenem Sinne die abstrakte Verantwortung gesetzt wird. Der metaphorische Ausdruck ist dann allmählich lexikalisiert worden, so daß das persönliche Moment nicht mehr empfunden wurde. Man kann nunmehr davon sprechen, daß der Regen >schuld< an der guten Ernte ist (und nicht mehr Zeus) oder gutes Material >schuld< daran ist, daß das Haus nicht zusammenstürzt, meint aber die Ursache.13 Nicht zu bezweifeln ist auch, daß Aristoteles als erster auf den Ursachenbegriff in allen seinen Aspekten systematisch eingeht. Lloyd legt dar, daß die Chinesen durchaus an der Erklärung von historischen oder medizinischen Vorgängen Interesse gehabt hätten, jedoch korrelatives Denken dem kausalen Denken vorgezogen hätten. Als Beispiel führt er die chinesische Spekulation über die >>fünf Phasen>Atem>Verkümmert, verstümmeltnoch weiter< als Driesch. Seine unbeachtet gebliebene Vererbungslehre (GA IV 3) lieferte nämlich eine Erklärung dafür, wie bestimmte Erbfaktoren von beiden Eltern in Form von Impulsen mit Zeitverzögerung im Embryo zum Tragen kommen und letztlich das Individuum formen,45 während Driesch einen immateriellen Faktor mit dem Namen >>E«, d. h. Entelechie,46 der den aristotelischen Begriff, vitalistisch verfälscht, für die embryonale Weiterentwicklung verantwortlich machte.47
40 Vgl. A. C. Crombie, Robert Grosseteste and the Origins of Experimental Science 1100- I 700, Oxford 1953, 31971, 305. 41 Vgl. Kullmann, Aristoteles und die moderne Wissenschaft (wie Anm. 1) 284ff. 42 Trotz kumulativer Zunahme des Faktenwissens findet bei solchen Entwicklungen ein alternierender Paradigmenwechsel statt, und ich spreche deshalb von »spiralförmiger Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnis>Descartes' Myth«, bes. 15-24. 4 Vgl. dazu das immer noch repräsentative monumentale Werk Erwin Rohdes, Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, Tübingen 3 1902. Eine gute Übersicht bietet J. Bremmer, The Early Creek Concept of Soul, Princeton 1984.
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Theoretische Philosophie: Philosophie des Geistes
sehe Nachzeichnung ist hier nicht der Ort. Es gehört aber nicht viel Phantasie dazu, sich ein Bild von der Unterschiedlichkeit der Konzeptionen und der daraus resultierenden Schwierigkeiten zu machen. Die Atomisten etwa dachten sich die Seele als ein Gebilde aus besonders feinen Atomkügelchen; Platon dagegen stellte eine immaterielle Seele dem materiellen Körper gegenüber. Ist für die Atomisten folglich die >Mechanik der äußeren Einwirkungen auf die Seelenatome ein Problem, so sieht sich die platonische Psychologie vor die Verlegenheit gestellt, die Verbindung zwischen der unkörperlichen und unsterblichen Seele und dem vergänglichen Körper zu erklären. Die Probleme beschränken sich dabei nicht allein auf das Verhältnis zwischen Leib und Seele als solches, sondern fraglich ist auch die Kooperation von Wahrnehmung und Intellekt. Damit erklärt sich die Tatsache, daß Platon in seinen Schriften zwar recht unterschiedliche Positionen vertritt, genauere Spezifikationen über das Verhältnis zwischen Leib und Seele und über deren Natur jedoch vermeidet (vgl. Phaidon 95e-96a). Geburt und Tod werden zwar als Vereinigung und Trennung von Leib und Seele beschrieben. Über die Art dieser Vorgänge schweigt Meister Platon sich aber- von Andeutungen in verschiedenen Mythen abgesehen- weitgehend aus.S In seiner frühen philosophischen Jugend scheint Aristoteles noch Platons dualistische Vorstellung über das Verhältnis von Körper und Seele geteilt zu haben.6 Er hat sich dann aber gründlich umbesonnen. Sein Begriff von der Seele, wie wir ihn in De Anima und den anderen erhaltenen Werken finden, hat keine Ähnlichkeit mehr mit dem platonischen. Statt einer transzendenten Seele, die sich am liebsten ganz von der vergänglichen Welt fernhält und davonfliegt, sobald sie dem Körper als ihrem Gefängnis entkommen kann, wie Platon seinen Sokrates kurz vor dessen Tod verkünden läßt (Phaidon 115c-116a), findet sich beim >reifen< Aristoteles eine biologistische Seelenkonzeption: >>Seele ist die erste Wirklichkeit (entelecheia) eines lebendigen Körpers.