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German Pages 164 [163] Year 2015
Kampf der Zivilisten
2004-08-13 17-50-12 --- Projekt: T245.x-texte.heins-warburg.kampf / Dokument: FAX ID 01ca60438128606|(S.
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) T00_01 schmutztitel.p 60438128614
Volker Heins ist Politikwissenschaftler am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main und lehrt zurzeit an der Universität Gießen. Veröffentlichungen u.a.: Der Neue Transnationalismus, Frankfurt am Main/New York 2001; Weltbürger und Lokalpatrioten, Opladen 2002; Das Andere der Zivilgesellschaft. Zur Archäologie eines Begriffs, Bielefeld 2002. Er lebt in Frankfurt am Main und Montréal. Jens Warburg promoviert zum Thema soldatische Subjektivität im Fach Soziologie an der Universität Gießen. Veröffentlichungen u.a.: Der gemeine Unfrieden der Kultur, Würzburg 2001 (zus. mit Gerhard Armanski). Er lebt in Offenbach am Main.
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) T00_02 autor.p 60438128638
Volker Heins, Jens Warburg
Kampf der Zivilisten. Militär und Gesellschaft im Wandel
X T E X T E
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) T00_03 titel.p 60438128734
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© 2004 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung und Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Satz: digitron GmbH, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 3-89942-245-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
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) T00_04 impressum.p 60438128790
Inhalt Vorwort | 7 Einleitung. Zur Wiederentdeckung eines vernachlässigten Themas | 9 I Traditionen und Felder der sozialwissenschaftlichen Militärforschung | 19 Phänomenologie bewaffneter Konfliktaustragung | 19 Krieg als Beruf: Der Soldat und die militärische Organisation | 35 Wechselbeziehungen zwischen ziviler Führung und Militär | 50
II Das Militär der Gesellschaft. Einige neuere Trends | 61 Militärische Arbeit und Professionsethiken | 61 Virtualisierung und Zuschauerkriege | 74 Entstaatlichung und Verpolizeilichung | 90 Militär und Geschlechterverhältnisse | 106 Im Schatten des amerikanischen Imperiums | 115
Schluss. Auf dem Weg in eine nach-militärische Gesellschaft? |121 Anmerkungen | 129 Literatur | 143 Internetadressen | 160
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) T00_05 inhalt.p 60438128862
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) vakat 006.p 60438128974
Vorwort | 7
Vorwort
Die Idee, eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Militärforschung zu schreiben, entstand vor nicht langer Zeit am Frankfurter Institut für Sozialforschung und wurde bald in Zusammenarbeit zwischen weit auseinander liegenden geografischen Standorten (in den Vereinigten Staaten und Deutschland) und nicht ganz so weit voneinander entfernten Disziplinen (Politikwissenschaft und Soziologie) verwirklicht. Fertig gestellt an der Harvard University und der Universität Gießen, vereinigt der Text unterschiedliche Perspektiven auf einen schwierigen Gegenstand, von dem wir hoffen, das er in Zukunft über den engen Kreis von Rüstungsexperten und Militärhistorikern hinaus auf ein verstärktes Interesse trifft. Das Buch nimmt kaum Stellung zu aktuellen Fragen von Krieg und Militär, möchte jedoch allen, die Stellung beziehen, einen Leitfaden zur Einarbeitung in dieses komplexe, in Deutschland weithin vernachlässigte Untersuchungsfeld bieten. In den USA bedanken wir uns bei Michael Ignatieff, Kelley Friel und Sarah Sewell von der Harvard University für viele Anregungen, Hintergrundinformationen und Diskussionsbeiträge. In Deutschland danken wir Ludwig von Friedeburg sowie Angela Dunker, Andreas Hüllinghorst und Mechtild Manus, die das Manuskript als Erste gelesen haben. Dank gebührt nicht zuletzt der VolkswagenStiftung, die einen großen Teil der Arbeit an dem vorliegenden Buch (von Volker Heins) unterstützt hat. Im Mai 2004 Volker Heins, Cambridge/USA Jens Warburg, Gießen
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) T00_06 vorwort.p 60438129006
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Einleitung: Zur Wiederentdeckung eines vernachlässigten Themas | 9
Einleitung. Zur Wiederentdeckung eines vernachlässigten Themas
Ungeachtet der Kriege auf der Welt, die immer wieder unsere Aufmerksamkeit beanspruchen, kümmern sich die Sozialwissenschaften, aber auch Journalisten und Kulturvermittler aller Art auffallend wenig um die Struktur, die Rolle und den Wandel militärischer Institutionen in den Gesellschaften der Gegenwart. Das Feld wird stattdessen populären Thesen überlassen, die überall – in Computerspielen, der Alltagssprache, auf Schulhöfen und in Hitparaden – Militärisches sehen und vom »Krieg als Massenkultur« reden, ohne dem Militär selbst eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen.1 Dabei fällt auf, dass die Debatte in Deutschland ärmer ist als in anderen westlichen Demokratien, und zwar betrifft dies die Soziologie mehr als die Politik- und Geschichtswissenschaften. In den vergangenen Jahren ist die Zahl soziologischer Arbeiten zum Thema Krieg und Militär zwar etwas gestiegen, doch sind solche Arbeiten nach wie vor selten.2 Stärker als die organisierte Gewalt ist es die unorganisierte und anomische Gewalt, etwa von Jugendlichen in verwahrlosten Vorstädten, die Neugierde weckt. Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Militärforschung lassen sich dagegen vor allem an den Rändern der Disziplin finden, von wo aus sie auf Nachbardisziplinen übergreifen. Insgesamt ist der Satz des Soziologen Trutz von Trotha zutreffend, dass Krieg und Militär ein von den Sozialwissenschaften »schändlich vernachlässigtes Gebiet« (Trotha 1997: 36) sind.
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Eine Literaturrecherche in der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main im Jahr 2003 ergab, dass 24.762 Treffer der Sachgruppe Militär angehören. Davon werden 5.363 Erwähnungen der Politik und lediglich 1.097 der Soziologie zugeschlagen.3 Für die gegenwärtig international vorherrschenden soziologischen Theorien ist immer noch die Annahme konstitutiv, dass sich die moderne westliche Gesellschaft durch ihr friedliches Wesen gegenüber anderen Gesellschaftsformen in Raum und Zeit auszeichnet. Diese Annahme ist auch in Ulrich Becks Theorie einer »Zweiten Moderne« wirksam, die in ihrem optimistischen Grundzug an die Modernisierungssoziologie der Nachkriegszeit erinnert, in der Kriege und ihre Akteure als nahezu überwunden galten (vgl. Joas 2000: 250f.). Vor dem Hintergrund dieser disziplintypischen Überzeugungen ist es nicht erstaunlich, dass der gesamte Phänomenbereich wenig beachtet und als Relikt eingestuft wird, wenn auch als ein überaus zähes Relikt. Die systematische Vernachlässigung überrascht jedoch, wenn man bedenkt, welche große Rolle die Beschäftigung mit organisierter Gewalt in der Gründungsphase der Soziologie, etwa im Werk Max Webers, spielte. Auch heute sind viele Schlüsselbegriffe der Gegenwartssoziologie unverkennbar militärisch geprägt, ohne dass über diese Prägung nachgedacht wird. So hat Michel Foucault seine Zeitdiagnose bekanntlich am Begriff ›Disziplin‹ ausgerichtet (vgl. Bröckling 1997). Der Allerweltsbegriff ›Strategie‹, der durch die Schriften von Bourdieu bis Habermas geistert, ist ebenfalls offenkundig militärischen Ursprungs. Noch in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kannte man überhaupt keine andere als die militärische Bedeutung dieses Begriffs, wie Lexikoneintragungen zeigen (vgl. Shaw 1990: 468). Andere neuere Konzepte wie der »Kampf um Zugehörigkeit« (Neckel 2003) legen zumindest eine Beschäftigung mit militärischen Institutionen nahe, die bis heute exemplarisch sind für die Produktion von »sozialer Ehre« (Weber 1976: 531) sowie – seit dem Aufstieg der Friedensbewegungen und der teilweisen Rehabilitierung von Deserteuren – von sozialer Unehre. Schließlich sei erwähnt, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA die militärsoziologischen Studien von Samuel Stouffer (1949) und seinem Team waren, in denen erstmals empirische Methoden der Massenbefragung und Datenanalyse aus-
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probiert wurden. Auch Schlüsselfragen wie die nach dem Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft oder nach der Rolle von Kleingruppen für die Motivation von Einzelnen wurden frühzeitig und in exemplarischer Weise von militärnahen soziologischen Forschungen behandelt (vgl. Homans 1946; Marshall 1947; Shils/Janowitz 1948; Stouffer et al. 1949; Merton/Lazarsfeld 1950). In jüngerer Zeit hat Hans Joas mit Nachdruck und gegen den Mainstream der Modernisierungstheorie festgestellt, dass Militär und Krieg zur Moderne gehören und nicht das Relikt eines längst vergangenen dunklen Zeitalters sind. Er plädiert dafür, die Selbstidentifikation mit der Moderne mit friedlicher Entwicklung aufzulösen und »die Suche nach den Bedingungen des Friedens mit einer illusionslosen Analyse auch spezifisch moderner Tendenzen zum Krieg zu verbinden« (Joas 2000: 84). Auch Wolfgang Knöbl und Gunnar Schmidt stellen mit Blick auf die Vernachlässigung militärsoziologischer Fragestellungen fest, dass sich die »Janusköpfigkeit« der Moderne im systematischen Nachdenken über die moderne Gesellschaft nicht recht niedergeschlagen hat (Knöbl/Schmidt 2000: 7). Ludwig von Friedeburg hat schon vor Jahrzehnten daran erinnert, dass kurioserweise die Militärsoziologie – anders als die frühe allgemeine Soziologie – zwar militärische Institutionen und Praktiken, nicht jedoch deren Beziehung zur übrigen Gesellschaft in den Blick nimmt (Friedeburg 1977: 205). Was bis heute in Deutschland unter dem Titel der Militärsoziologie betrieben wird, ist selbst in den Augen ihrer Vertreter »jämmerlich« (Lippert 1995). Wie René König bereits 1968 bemerkte, wird die Militärsoziologie »als eine Art angewandte Betriebssoziologie« verstanden (König 1968: 9). Über ihr hängt bis heute das Verdikt, dass sie eine Soziologie für den Dienstgebrauch sei. Die frühe Warnung, dass damit eine »Perpetuierung des esoterischen Charakters von Militärpolitik« und »ein Stück Arkanpraxis« (Friedeburg/Brandt 1966: 11) der vorbürgerlichen Epoche fortgesetzt würde, verhallten weitgehend ungehört. Entscheidend für den Stand der Militärsoziologie, wie sie beispielsweise vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr betrieben wird, ist das Erkenntnisinteresse des »Bedarfsträgers«, also des Bundesministeriums für Verteidigung. Die Neugierde dieser Behörde beschränkt sich verständlicherweise auf Problemstellungen, die innerhalb des Militärs selbst, etwa durch ver-
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änderte Einsatzziele oder Akzeptanzprobleme in der nichtmilitärischen Gesellschaft entstehen (vgl. Geppert 1998). Für die Verarmung der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit Militär und Krieg ist freilich nicht allein das Interesse des ›Bedarfsträgers‹ verantwortlich zu machen. Unberücksichtigt bleiben bei einer solchen Sicht die spezifisch deutschen Gründe, die dafür gesorgt haben, dass die Untersuchung militärischer Institutionen und Praktiken so gründlich vernachlässigt worden ist. Man kann wohl behaupten, dass nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik eine intensive Auseinandersetzung mit den Themen Krieg und Militär auf die wenigsten Sozialwissenschaftler attraktiv wirkte. Dies galt zwar teilweise auch in den USA, besonders in den sechziger Jahren, als viele Soziologen unter dem Eindruck des Vietnamkrieges jede Nähe zum Militär und zu entsprechenden Fragestellungen zu vermeiden suchten. Gleichwohl konnte sich dort frühzeitig eine weitgehend unabhängige Soziologie militärischer Institutionen durchsetzen, die vor allem mit dem Namen Morris Janowitz verbunden ist (vgl. Janowitz 1960, 1964, 1974; Burk 1993). Bereits unmittelbar nach dem Krieg legten führende Soziologen wie Edward Shils empirische Studien vor, die im Laufe des Krieges von den US-Streitkräften in Auftrag gegeben worden waren. Anders in der Bundesrepublik: Nicht der Krieg und das Militär selbst, sondern seine sozialpolitischen Folgen für Familie und Jugend gehörten, neben der Frage nach der Integration von Flüchtlingen und Kriegsheimkehrern, zu den bevorzugten Studienobjekten der deutschen Soziologie. Die breite Abwendung vom Thema Krieg und Militär hielt auch an, nachdem in den fünfziger Jahren die Wiederaufrüstung beschlossen wurde. Militärsoziologische Arbeiten befassten sich allenfalls mit der Sozialpsychologie von Soldaten sowie mit der Frage, wie die Akzeptanz des Militärs in einer kriegsmüden »Industriegesellschaft« erhöht werden könnte. Für die weiter reichende Erkundung der gesellschaftlichen Entstehungs- und Wirkungszusammenhänge von Streitkräften waren diese Arbeiten ungeeignet. Die Vermutung liegt nahe, dass die anhaltende Abstinenz gegenüber der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Militär als Reaktion auf jene spezifische Verarbeitungsform der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges gesehen werden kann, die Wolfgang Schivelbusch (2001) als »Kultur der Niederlage« bezeichnet hat. Auch die
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jüngsten Versuche im Zeichen der Kriege im Kosovo oder in Afghanistan, den Krieg nicht länger als Barbarei, sondern als Kampf gegen die Barbarei umzuwerten, haben nicht zu einer erkennbaren Belebung der professionellen Beschäftigung mit dem Militär in Demokratien geführt. Die Diskrepanz zwischen der Aufgeregtheit des Publikums angesichts jedes neuen Krieges und der mangelnden sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit Krieg und Militär ist in Deutschland nach wie vor eklatant. Wir möchten vor dem Hintergrund dieser Malaise zur Wiederentdeckung eines vernachlässigten Themas beitragen und die systematische Beschäftigung mit militärischen Institutionen und Praktiken in ihrem Wechselspiel mit der Gesellschaft der Zivilisten und ihren Kämpfen fördern. Diese Beschäftigung erscheint uns gerade angesichts der bewaffneten Konflikte, die seit dem Ende des Kalten Krieges – von New York oder Paris aus gesehen – buchstäblich immer näher gerückt sind, von großer Bedeutung. Phänomene wie die Entstaatlichung des Krieges durch global agierende Gewaltunternehmer sind dabei keineswegs nur eine Quelle des Wandels in der Weltpolitik. Ihr möglicher Einfluss auf das Leben in den Großstädten könnte schon bald unsere gesamte Zivilisation verändern. Solche Aussichten legen die Frage nahe, ob wir in einem soziologisch genauen Sinne in einer nach-militärischen Gesellschaft leben oder ob sich lediglich das Gesicht dessen, was lange Zeit als ›Militarismus‹ kritisiert worden ist, verändert. Wie nie zuvor erscheint das Militär in den liberalen Demokratien als ein Instrument der nichtmilitärischen Gesellschaft und ihrer politischen Führung – als ein gefügiges Instrument, das sich sogar zur Hilfe für die Opfer von Flutkatastrophen und Wirbelstürmen in weit entfernten Weltgegenden einsetzen lässt. Zugleich sprechen andere Indizien dafür, dass die Gesellschaft der Zivilisten auf neue Art und Weise zur Ressource eines seinerseits verwandelten Militärs werden könnte, indem sie diesem neue (etwa ›humanitäre‹) Kriegsgründe, neue Technologien, aber auch neue Fantasiepotenziale bereitstellt. Die Rückbesinnung auf dieses unterbelichtete Gegenstandsfeld erscheint uns besonders lohnend für Ansätze zu sein, die sich jenseits eindimensionaler Fortschritts- und Modernisierungstheorien auf die Ungereimtheiten und Paradoxien moderner kapitalistischer Gesell-
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schaften spezialisieren (vgl. Honneth 2002). Militärische Institutionen sind ein Teil der Gesellschaft, in der sie allerdings eine eigentümlich insulare Stellung einnehmen. Das Militär bewahrt bis heute Merkmale einer entrückten, durch Sonderethiken geregelten Institution, die manchmal ungenau als quasi-feudal bezeichnet wird.4 Zugleich sind militärische Institutionen häufig aber auch Vorbilder oder Träger umfassender gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse gewesen. Was Max Weber über das »Herausfluten der Askese« (Weber 1986: 119f.) aus den Klöstern im Zuge der Reformation sagte, gilt in ähnlicher Weise auch für die Kasernen des 19. und 20. Jahrhunderts. ›Modernisierung‹ wurde in vielen Gesellschaften wie ›Militarisierung‹ buchstabiert. Schließlich haben wir es mit dem Widersinn zu tun, dass ausgerechnet diejenige Institution, die in höchster Not den Bestand des politischen Gemeinwesen schützen soll, ihren Mitgliedern im Ernstfall Erfahrungen zumutet, die deren Fähigkeit beschädigt, in Friedenszeiten als normale Bürger handeln zu können. Jonathan Shay hat dies in seiner Studie über Vietnam-Veteranen auf den Punkt gebracht: »The painful paradox is that fighting for one’s country can render one unfit to be its citizen« (Shay 1994: xx). All diese für militärische Institutionen kennzeichnenden Spannungsverhältnisse – von modernistischer Schrittmacherfunktion und ostentativer Feudalität, von sozialer Insularität und breitenwirksamer Diffusion, von wertschützender Funktion und Psychopathologie – machen sie in unseren Augen zu einem ganz zu Unrecht vernachlässigten, überaus interessanten Gegenstand der Sozialforschung. Im Einzelnen liegt den Fragestellungen der vorliegenden Einführung ein Muster zugrunde, das sich aus der Dreiecksbeziehung zwischen dem Militär, der nichtmilitärischen Gesellschaft und dem Krieg ergibt. Die Pole dieses Dreiecks behandeln wir analytisch als eigenständige Größen, deren Wechselbeziehungen unterschiedliche Problemfelder darstellen, wie die folgende Liste zeigt: Militär/zivile Gesellschaft. Die Frage nach dem Verhältnis von Militär und nichtmilitärischer Gesellschaft muss so gestellt werden, dass das Militär als »dauerhafte gesellschaftliche Veranstaltung« (Frevert 1997: 10), abgelöst vom Ernstfall des Krieges, in den Blick gerät. Allgemein ausgedrückt ist dieses Verhältnis in erster Linie von der Spannung zwischen der Angst vor einer drohenden ›Militarisierung‹
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der Gesellschaft und der Hoffnung auf eine ›Zivilisierung‹ des Militärs geprägt. Hierher gehören Fragen nach der Besonderheit militärischer Professionsethiken und ihrer Durchlässigkeit für humanitäre, menschenrechtliche oder schlicht demokratische Prinzipien, Fragen nach der Rolle von Geschlechterverhältnissen innerhalb und außerhalb des Militärs, nach den Konvergenzen zwischen militärischer Tätigkeit und anderen Berufsfeldern, schließlich nach den Möglichkeiten einer Umwidmung von Streitkräften für quasi-polizeiliche Aufgaben, etwa im Rahmen internationaler Friedenssicherungsmaßnahmen in Krisenregionen. Krieg/Militär. Wenngleich der Sinn jedes Militärs der Krieg ist, sind Militär und Krieg doch, analytisch gesehen, eigenständige Größen. Die Aufrechterhaltung muss von der Verwendung des Militärs unterschieden werden (vgl. Howard 1983: 102). Der Kalte Krieg hat zudem gezeigt, dass Feindverhältnisse regional so weit eingefroren werden können, dass nur noch ein nichtkämpfendes Militär übrig bleibt (vgl. Senghaas 2003). Konsequenterweise hat sich die westdeutsche Militärsoziologie nicht mit dem Krieg befasst, der mit gewissem Recht als zu vermeidender Atomkrieg und damit als das drohende Ende auch jedes Militärs gedacht wurde. Nach dem Ende des Kalten Krieges hat Charles Moskos (1992) die These vorgetragen, dass wir uns auf eine kriegslose Gesellschaft (warless society) zu bewegen könnten, ohne zu behaupten, dass damit auch das Militär automatisch verschwinde. Militärische Institutionen können auch ohne Krieg eine unbestimmte Zeit fortexistieren und die übrige Gesellschaft durchdringen. Auf der anderen Seite beobachten wir neue Formen des Krieges, die in dem Sinne entmilitarisiert sind, da in ihnen keine regulären Armeen mehr kämpfen, sondern Söldner, Berufskriminelle oder Kindersoldaten. Die Entmilitarisierung des Krieges äußert sich als Privatisierung kriegerischen Handelns. Zivile Gesellschaft/Krieg. Jede Öffnung des Blickwinkels über die engere Militärsoziologie hinaus muss zudem berücksichtigen, dass es eigenständige Beziehungen zwischen Krieg und nichtmilitärischer Gesellschaft gibt. Hierzu gehört offensichtlich die Tatsache, dass Kriege die Zivilbevölkerung und zivile Institutionen in Mitleidenschaft ziehen. Die terroristischen Akte der letzten Jahre treiben diese Tendenz auf die Spitze, indem sie ausschließlich und gezielt wehrlose
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Zivilisten unter Umgehung jeglicher Berührung mit dem Militär zu Opfern machen. Umgekehrt lässt sich ausgehend vom Vietnamkrieg bis hin zum Golfkrieg die Entwicklung eines historisch neuen Verhältnisses zwischen der Bevölkerung kriegführender Staaten und dem meist fernen Kriegsgeschehen beobachten, das durch die Massenmedien vermittelt und von einer gewissen Konsumhaltung geprägt wird. Michael Mann hat dafür die Formel vom »Militarismus als Zuschauersport« gefunden (Mann 2000: 42). Dieses Verhältnis ist freilich keineswegs immer unkritisch und lässt sich nicht beliebig mit den Instrumenten der klassischen Propaganda steuern. Zudem wirkt es auch in die Vergangenheit hinein. Fotografie und andere Medien dienen der Vergegenwärtigung vergangener Kriege und ihrer Schrecken in einer Weise, die für die gesellschaftliche Wahrnehmung militärischer Institutionen und ihrer spezifischen sozialen Ehre folgenreich ist.5 In allen diesen Beziehungen interessiert uns nicht nur der Krieg der Militärs, sondern eben auch der Kampf der Zivilisten, der wechselnde, teilweise paradoxe Gestalten annimmt. Wir befassen uns sowohl mit der historischen Opposition von Zivilisten gegen Militarismus und Krieg, als auch mit jenem Militarismus, der gerade unter Zivilisten seine größte Anhängerschaft fand. Ferner sind in humanitären Einsätzen kriegerische Maßnahmen nicht nur im Namen, sondern auch unmittelbar zum Schutz von Zivilisten verwirklicht worden. Auffällig ist außerdem die zunehmende Einbettung der tatsächlich kämpfenden Truppen in eine immer komplexer werdende Umwelt aus öffentlichen und privaten Versorgungseinheiten und Reparaturdiensten mit Ingenieuren, Psychologen und Kommunikationsexperten, deren berufliches Selbstverständnis sich dem ihrer zivilen Kolleginnen und Kollegen annähert. Auch sprechen Anzeichen dafür, dass Werte von Zivilisten innerhalb des Militärs wichtiger werden. Schließlich sind es Zivilisten, die in zahlreichen Konflikten an die Stelle von militärisch ausgebildeten und disziplinierten Soldaten getreten sind und selbst kämpfen. Auch in der schwer zu beschreibenden Gruppe al-Qaida, die allen Christen und Juden den Krieg erklärt hat, spielen bekanntlich ehemalige saudische Bauunternehmer, ägyptische Ärzte und andere Zivilisten eine tragende Rolle. Es ist wichtig zu sehen, dass für die Fragen, die in der skizzierten
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Dreiecksbeziehung angesprochen werden, sehr unterschiedliche Antworten gefunden werden, je nachdem, mit welcher Zeit, und vor allem, mit welcher Nation wir uns beschäftigen. Dies mag ein weiterer Grund dafür sein, dass sich die Soziologie der ›Globalisierung‹, die mit der fortschreitenden Einebnung nationaler Differenzen rechnet, kaum der Erforschung militärischer Institutionen widmet. Im Unterschied hierzu werden wir uns immer wieder auch auf einzelne Länderbeispiele beziehen. Wir konzentrieren uns dabei auf das Militär in modernen Demokratien, und zwar in erster Linie auf die Streitkräfte der USA sowie auf die deutsche Bundeswehr. Gelegentlich findet auch die israelische Armee Beachtung. Den denkbaren Vorwurf eines einseitigen Augenmerks auf ›westliche‹ Streitkräfte nehmen wir in Kauf, da wir tatsächlich militärische Institutionen und Kriege in nichtwestlichen Regionen nur in dem Maße berücksichtigen, wie sich westliche Streitkräfte an ihnen in der Form von Interventionen oder Friedensmissionen beteiligen.6 Für die Konzentration auf die USA spricht zunächst, dass wir in militärischer Hinsicht tatsächlich in einer monopolaren Welt leben, in der andere Spieler nichtmilitärische Machtressourcen ins Spiel bringen müssen, um Einfluss zu gewinnen. Darüber hinaus repräsentieren die drei genannten Länder innerhalb der westlich geprägten Modernisierungszone unterschiedliche Typen und Aggregatzustände des Verhältnisses von Militär und Gesellschaft. So verfügen die USA über eine beispiellos hochgerüstete Berufsarmee mit globaler Ausrichtung, die im Innern ein schwankendes, seit einiger Zeit jedoch erkennbar hohes Ansehen genießt. Deutschland kennzeichnet eine auch im Vergleich zu anderen europäischen Staaten unterfinanzierte Armee mit umstrittenen Traditionsbezügen und einem relativ geringen Ansehen in der zivilen Gesellschaft. Zudem wird in der Bundeswehr neuerdings offen der Helotenstatus7 der Bundeswehr im Verhältnis zur imperialen Republik der USA beklagt. Israel schließlich steht für den von zahlreichen Soziologen und Politikwissenschaftlern immer wieder herangezogenen Ausnahmefall einer von außen massiv bedrohten »zivilen Festung« (Eisenstadt 1985: 182) mit einer Bürgerarmee im Dauereinsatz, die über starke Traditionsbezüge und ein außerordentlich hohes Ansehen in der zivilen Gesellschaft verfügt.
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1 Traditionen und Felder der sozialwissenschaftlichen Militärforschung
Phänomenologie bewaffneter Konfliktaustragung Zahlreiche Gegenstände können in der Hand von Menschen zur Waffe werden. Äste, Möbel, Geschirr oder auch Krankheitserreger werden zur Waffe durch ihren absichtsvollen Einsatz gegenüber anderen. Nur von Menschen ist bekannt, dass sie Objekte, wie einen Stock oder einen Stein, nicht nur aufnehmen und mit ihm schlagen, werfen oder stochern – das können auch Schimpansen; Menschen können diese Objekte auch so bearbeiten, dass ihre Gefährlichkeit für die Attackierten wächst. Die Modifizierbarkeit von Gegenständen zu Waffen schafft einen enormen Vorteil gegenüber allen körpergebundenen Fähigkeiten, andere zu attackieren oder abzuwehren. Wie gefährlich ein Artefakt für den Angegriffenen ist, hängt zudem von den Fähigkeiten des Anwenders ab, das Potenzial der Waffe zu nutzen. Die Anwendung von Waffen setzt Wissen, Übung und Erfahrung voraus. Ob Speer, Gewehr, Katapult, Geschütz oder Raketenwerfer, nur wenn man mit diesen Artefakten umzugehen weiß, entwickeln sie die in ihnen steckende Gefährlichkeit. Waffen müssen dabei nicht unbedingt stofflich sein und kinetisch wirken. Auch Computerviren können beispielsweise als Waffen eingesetzt werden, um die Kommunikation und Handlungsfähigkeit eines Gegners zu lähmen oder seine wirtschaftlichen Grundlagen zu schädigen. In diesem Fall haben wir
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es mit ›logischen Bomben‹ zu tun, die mit den Fähigkeiten ihrer Anwender identisch sind. Schließlich hängt die Gefährlichkeit der Waffen von den Motiven der Anwender ab. Diese Motive können von kulturellen und legalen Regeln und Normen mitgeprägt werden, speisen sich aber immer auch aus der Vorstellungskraft und den Bildern, die man sich von Gefahren, Feinden und bevorstehenden Bewährungsproben macht. Für die Kräfte, die auf die Motivlagen von Bewaffneten wirken, gilt, dass sie ebenso modifizierbar sind wie die Waffen selbst. Diskurs, Manipulation und Propaganda spielen hier eine entscheidende Rolle. Der Extremfall der ›Selbstmordattentäter‹ zeigt, dass sich Motive bis zu einer Schwelle radikalisieren können, an der die Anwender von Waffen bereit sind, ihre eigenen Körper als Trägersysteme zu nutzen, um die Gewalt einer Sprengladung an ein bestimmtes Ziel zu tragen. Zugleich können wir feststellen, das die Nähe von Körper und Waffe auf stabilen sozialanthropologischen Grundlagen ruht. Waffen gehören neben einfachen Werkzeugen zu den ersten Verstärkungstechniken der menschlichen Hand, die nicht einen Organmangel ausgleichen, sondern, wie Heinrich Popitz schreibt, »eine Organeignung« der Hand – diesem »technisch immens brauchbaren Organ« – nutzen und ausbauen (Popitz 1995: 56f.).8 Bereits Aristoteles betonte, die Hand selber müsse als ein Werkzeug aufgefasst werden, das wiederum künstliche Werkzeuge führen könne. Dies schaffe für den Menschen den Vorteil, sich mit vielfältigen und nach Bedarf wechselnden Mitteln ausstatten zu können. Er veranschaulicht dies mit dem Hinweis auf die Verteidigungsmittel von Tieren. Wie sie »gewissermaßen in den Schuhen schlafen müssen, so können sie auch die ihren Körper schützende Hülle niemals ablegen und die Waffen, die sie haben, mit anderen vertauschen« (zit. ebd.: 58). Durch die Bewaffnung des Menschen werden zwar die Zähne, Pranken, Hufe und Hörner der Tiere nicht stumpfer oder schwächer, doch erlaubt die Bewaffnung, das Tier aus der Distanz heraus, sei es mit Stangenwaffen oder durch den Bogen, zu attackieren und auf diese Weise den Kontakt mit deren Körper zu vermeiden. Die Entwicklung von Distanzwaffen war somit die asymmetrische Antwort auf Gefahren, die von den körpergebundenen Fähigkeiten der Tiere ausging. Durch die Asymmetrie wurde eine Überlegenheit erreicht, die aus gefährlichen
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Lebewesen wandelnde Beutetiere machte. Sie bildet bis heute das Ziel jeder Entwicklung neuer Waffen. Bei Auseinandersetzungen zwischen Menschen – Konflikte genannt – spielen Waffen gelegentlich eine wichtige Rolle. In vielen sozialen und politischen Konflikten lässt man die Waffen ›sprechen‹, um eine Entscheidung mit Gewalt herbeizuführen. Ausgehend von einigen grundsätzlichen Überlegungen sollen im Folgenden unterschiedliche Ausprägungen der bewaffneten Konfliktaustragung unterschieden werden. Bewaffnete Konflikte Im Unterschied zum intrapsychischen Konflikt sind am sozialen Konflikt immer mindestens zwei Akteure beteiligt, die sich wiederum in mindestens einer für beide zentralen Frage nicht einig sind, ohne einander aus dem Weg gehen zu können. Häufig kommt noch ein dritter Akteur hinzu, nämlich ein Publikum, das dem Konflikt beiwohnt, eine Konfliktpartei unterstützt, zum Ziel der Propaganda von Konfliktparteien wird oder in Gestalt von Repräsentanten zu vermitteln versucht. In vielen Fällen können Konflikte eine Vorstufe bilden für bewaffnete Auseinandersetzungen. Der größte Teil des politischen Denkens und der Bildung von staatlichen Institutionen in den letzten zweihundert Jahren diente dem Zweck, Konflikte unterhalb der Schwelle zu halten, jenseits derer Waffengewalt eingesetzt werden muss. Seit Georg Simmel wissen wir, dass soziale Konflikte nicht das Auseinanderfallen oder die Zerstörung von Gesellschaft signalisieren, sondern im Gegenteil Gesellschaftlichkeit und soziale Ordnung konstituieren. Dies geschieht dadurch, dass sich im Verlauf eines Konflikts die Teilnehmer an diesem Konflikt verändern, indem sie ihre Energien, Motive, Hoffnungen und Ängste bündeln und die gemachten Erfahrungen ihr gegenwärtiges und zukünftiges Handeln beeinflussen. Simmel hat dies für die Selbstkonstitution des einzelnen Individuums mit einem eigentümlichen militärischen Bild erläutert: »Jeder Konflikt, der nicht absolut unpersönlicher Art ist, macht sich die verfügbaren Kräfte des Individuums dienstbar, er wirkt wie ein Kristallisationspunkt, um den herum sich diese in größerer oder geringerer
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Entfernung anordnen – die Form der Kern- und der Hilfstruppen innerlich wiederholend –, und gibt damit dem ganzen Komplex der Persönlichkeit, sobald sie kämpft, eine eigenartige Struktur« (Simmel 1908: 248). Während man denken könnte, dass es erst soziale Gruppen (Klassen, Kulturen usw.) gibt und dann Konflikte zwischen ihnen, ist es in Wirklichkeit so, dass die Konflikte den Gruppen, die sich in ihnen bekämpfen, vorhergehen. Erst im Laufe von Konflikten festigen die Konfliktgegner Selbst- und Fremdbilder sowie Gründe, um die Fortsetzung des Konflikts zu rechtfertigen. Lang anhaltende bewaffnete Konflikte können jedoch auch zur nervlichen Zerrüttung ihrer Teilnehmer und zu schweren Störungen des gesellschaftlichen Gleichgewichts führen – Phänomene, die in der Vergangenheit oft durch die retrospektive Beschwörung des ›Kriegserlebnisses‹ ideologisch verstellt worden sind. Die Bewaffnung von Konfliktakteuren zielt darauf ab, ihre Aktionsmacht zu erhöhen. Aktionsmacht ist die »direkteste Form von Macht«: die Macht, »anderen in einer gegen sie gerichteten Aktion Schaden zuzufügen, – anderen ›etwas anzutun‹« (Popitz 1992: 43). Jemandem ›etwas anzutun‹ ist das unmittelbare Ziel bewaffneter Handlungen. Sie zielen meist auf den verletzbaren Körper als die Voraussetzung der Handlungsfähigkeit des Anderen. In dem Maße, wie in modernen Gesellschaften die Handlungsfähigkeit von Infrastrukturen aller Art abhängt, werden Waffen auch zur Zerstörung von Verkehrswegen, Elektrizitätswerken oder Computernetzen eingesetzt, um Leid, Stress und Resignation zu erzeugen, die wiederum die Handlungsfähigkeit der Kämpfenden untergraben. Letztlich zielen bewaffnete Aktionen immer auf den Körper als die Quelle von schmerzvollen Zuständen, doch ist zu beachten, dass »Schmerzen, die uns ein anderer zufügt, […] niemals etwas ›bloß Körperliches‹« sind (ebd.: 45). Da wir uns nicht aus unserem Körper zurückziehen können, wirken sich die Schmerzen auf die gesamte Person aus. Schmerzen können Wut auslösen, erlebte Unterlegenheit kann als ganzheitliche Unterworfenheit erfahren werden und den Wunsch stärken, durch eigene Gewalttätigkeit einen Triumph über den Anderen zu erleben. Dies bedeutet, dass bewaffnete Aktionen eine
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Eigendynamik aufweisen und sich ihre Wirkungen nicht wieder zurückholen oder einfangen lassen. Am Anfang einer bewaffneten Aktion mag noch eine begrenzte Intention stehen, aber durch das Erlebnis des Angriffs für den Angreifer kann diese Begrenztheit ebenso verloren gehen wie durch das, was mit dem Angegriffenen geschieht. Diese Eigendynamik bewirkt, dass es schwierig ist, Gewalt als ein bloßes Instrument einzusetzen, das man nach Gebrauch ohne Folgen für das eigene Selbst zur Seite legt. Bewaffnete Gewalt verändert den gesamten Zustand der Individuen, Gruppen und Gesellschaften, die sich ihr für eine längere Zeitspanne verschrieben haben. Menschen bewaffnen sich, um anderen leichter etwas wegzunehmen, sie verletzen oder töten zu können oder um all dies zumindest glaubhaft androhen zu können. Von der Reaktion auf eine bewaffnete Aktion hängt ab, ob sie das Ende eines Konflikts markiert oder Teil einer länger währenden Auseinandersetzung ist. Entfällt jede Reaktion des Angegriffenen, weil dieser bereits mit der ersten Attacke überwältigt wird, findet zwischen den Konfliktparteien kein Kampf statt. Erst wenn auf eine Aktion eine Reaktion folgt, sprechen wir von einem Kampf. Erst aus der Verteidigung entwickelt sich der Kampf, weil, wie schon Clausewitz wusste, »Abwehren und Kämpfen offenbar eins ist« (Clausewitz 1991: 644). Ob der Angegriffene auf den Angriff symmetrisch reagiert und das Kräfteverhältnis zwischen Angreifer und Angegriffenen ausgewogen ist, spielt zunächst keine Rolle für die Feststellung, dass sich ein bewaffneter Kampf entwickelt, sobald der einmal Angegriffene über die Mittel und den Willen verfügt, sich bewusst zur Wehr zur setzen. Allerdings gehört es zur Vorstellung des Kampfes, dass die Reaktionen des Verteidigers zumindest potenziell in der Lage sein müssen, die Handlungen des Angreifers zu konterkarieren. Die Reaktionen des Verteidigers müssen für den Angreifer eine Gefahr darstellen, die ihn seinerseits zur Abwehr motiviert. Andernfalls haben wir es nicht mit einem Kampf, sondern mit einer bloßen Misshandlung oder einer Vernichtungsaktion zu tun. Diese Formulierung lässt bewusst die Möglichkeit offen, dass die Reaktion möglicherweise nicht auf die Verletzungsoffenheit des Gegners abzielt. Der Widerstand kann auch eine Form annehmen, die dem Angreifer politischen Schaden zufügt, indem er ihn in den Augen
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eines Publikums diskreditiert oder unglaubwürdig macht. Auf diese Art und Weise haben starke Demokratien gelegentlich Kriege gegen technisch deutlich unterlegene Gegner verloren (Merom 2003). Seit Davids Sieg über Goliath wissen wir, dass unter bestimmten Umständen asymmetrische Kräfteverhältnisse durch neue Waffen, Fähigkeiten und Motive ausgeglichen werden können, in modernen Gesellschaft beispielsweise auch durch die publikumswirksame Vermittlung eines bestimmten Bildes vom Kampf und die Mobilisierung der Emotionen von unbeteiligten, weit entfernten Zivilisten. Natürlich kann die numerische oder technische Asymmetrie auch so groß werden, dass es mitunter schwer fällt, überhaupt von einem Kampf zu sprechen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die unterlegene Partei kaum eine Chance hat, den Gegner effektiv anzugreifen. Dies gilt zum Beispiel für zahlreiche Konfrontationen zwischen europäischen Kolonialtruppen und Einheimischen in Kolonialkriegen, die Historiker immer noch als Gefechte bezeichnen, obwohl sie genauer Massaker zu nennen wären. Kriegsdefinitionen Nicht jeder bewaffnete Konflikt ist ein Krieg. Thomas Hobbes sah bereits, dass der Krieg, »nicht nur in Schlachten oder Kampfhandlungen [besteht], sondern in einem Zeitraum, in dem der Wille zum Kampf genügend bekannt ist«. Der Engländer Hobbes verglich den Krieg mit schlechtem Wetter. Das Wesen des Krieges besteht in der sozial und institutionell verankerten Bereitschaft zu Kampfhandlungen gegen einen Feind, ähnlich »wie das Wesen des schlechten Wetters nicht in ein oder zwei Regenschauern liegt, sondern in einer Neigung hierzu während mehrerer Tage« (Hobbes 1984: 96; unsere Herv.). Wenn in modernen Gesellschaften eine solche Neigung zur Dauererscheinung wird, die sich in den Einstellungen und Überzeugungen des Publikums der Zivilisten spiegelt, sprechen wir von Militarisierung. Bereits für den Staatenkrieg gilt, dass nicht jede Kampfhandlung zwischen zwei Staaten als ein Krieg charakterisiert werden kann. Es kann sich auch um einen lokalen Grenzkonflikt handeln, in dessen Verlauf es zwar zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den
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jeweiligen Grenztruppen kommt, zu Schießereien, die aber nicht in umfassende militärische Operationen zwischen den Staaten münden müssen. Es ist mithin bereits für den Staatenkrieg nicht leicht den Zeitpunkt zu bestimmen, wann ein bewaffneter Konflikt zum Krieg wird. Dieses Problem wird nicht geringer, wenn versucht wird, eine Kriegsdefinition zu finden, die die bewaffneten Auseinandersetzungen innerhalb eines Staates mit berücksichtigt. Wenngleich man den Krieg als höchste Steigerungsform bewaffneter Konfliktaustragung bezeichnen kann, so ist doch die bloße Anzahl von Verletzten und Getöteten kein verlässliches Kriterium für die Existenz eines Kriegszustands. Dennoch haben sich große Forschungsprojekte in diesem Feld auf das Maß 1.000 Tote pro Jahr geeinigt, das als grober Indikator dafür genommen wird, dass es Konfliktparteien Ernst meinen und Krieg herrscht.9 Solche Zahlenangaben haben freilich nur in Relation zur Größe der jeweils kriegsführenden Parteien eine Aussagekraft und werden deshalb gelegentlich nach unten angepasst. Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die Ausdrucksmöglichkeiten der Bereitschaft zum Kampf von den organisatorischen Voraussetzungen der Kontrahenten abhängen. Viele Kriegsdefinitionen setzen daher ein Mindestmaß an organisatorischen Ressourcen voraus, das die Akteure zur Verfügung haben, um bewaffnete Operationen gegen den Gegner zu planen und durchzuführen. Die Kontrahenten müssen in der Lage sein, den Kampf mit einer gewissen Kontinuität zu betreiben und die eigenen Streitkräfte zu lenken. Dieses Kriterium muss von mindestens zwei der Konfliktparteien erfüllt sein, damit der Kampf aus mehr als zufälligen Zusammenstößen besteht. Viele Forscher sprechen ferner nur dann von Krieg, wenn mindestens einer der Kontrahenten ein Staat ist, der sich mit regulären Streitkräften an der Auseinandersetzung beteiligt.10 Kriege können manchmal am besten ausgehend von den Gegenständen verstanden werden, um die gekämpft wird, etwa wenn es um Territorien oder knappe Rohstoffe geht. Zugleich kann man die Frage stellen, ob sich die Konflikte nicht unmittelbar aus Eigenschaften der Akteure speisen, beispielsweise aus ihren Überzeugungen und Weltbildern. Von der Realpolitik führt ebenso ein Weg in militärische Auseinandersetzungen wie von der Idealpolitik.11 Der Frage nach den Ursachen des Krieges, die in der Psyche der
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Menschen, wirtschaftlicher Knappheit oder politischen Regimeformen gesucht werden, ist mehr Aufmerksamkeit gewidmet worden als der genaueren Untersuchung der Beendigung von Kriegen. Diese zweite Frage ist jedoch nicht minder interessant. Offenkundig ist die Massakrierung aller Feinde eine historisch extrem seltene Art, einen bewaffneten Konflikt zu beenden. In der Regel gibt die unterlegene Partei nach schweren Verlusten an einem bestimmten Punkt auf und kapituliert oder bietet Verhandlungen an. Die Formulierung, dass Kriege durch den ›Sieg‹ der einen über die andere Kriegspartei entschieden werden, ist tautologisch und verbirgt die Frage nach den Gründen für das Nachgeben des Verlierers. Schon Simmel sah hier ein Problem: »Dieses Kleinbeigeben, sich für besiegt Erklären oder den Sieg des andern über sich Ergehen-Lassen, ohne daß schon alle Widerstandskräfte und Möglichkeiten erschöpft wären, ist ein nicht immer einfaches Phänomen« (Simmel 1908: 249). Was also ist ein Sieg? Da die Tötung sämtlicher Gegner unwahrscheinlich ist, kommt es zum Sieg nur dadurch, dass die unterlegene Konfliktpartei erkennt, dass sie verliert und außerdem bereit ist, aus dieser Erkenntnis den Schluss zu ziehen aufzugeben. Beides sind alles andere als selbstverständliche Prozesse, die sich mit einem gehörigen Maß physischer Zerstörung erzwingen ließen. Dass man dabei ist, einen Krieg zu verlieren, ist eine außerordentlich schlechte Nachricht, und die menschliche Psyche verfügt über solide Mechanismen, schlechte Nachrichten auszufiltern. Aber selbst wenn die schlechte Nachricht durchdringt, kann man sich dem Sieg der anderen verweigern, indem man nicht kapituliert und keine Verhandlungen zulässt. Die japanische Führung hat im Zweiten Weltkrieg auch nach der kompletten Einäscherung zahlreicher Städte durch Brandbomben noch nicht kapitulieren wollen und selbst nach den Atombombenabwürfen gegen den Willen der USA am Kaisertum festgehalten. Das Paradox ist somit, dass der Sieg vom Verhalten des Verlierers abhängig ist. Die bloße Zahl oder der Prozentanteil der Toten in der Armee oder der Gesamtbevölkerung bewegt eine offenkundig unterlegene Kriegspartei nicht unbedingt zur Aufgabe des Kampfes. Ein entscheidender Faktor ist vielmehr die Überwältigung der Streitkräfte durch die Anhäufung von Stressfaktoren, die irgendwann zur psychischen und physischen Erschöpfung der Soldaten führen. Überwälti-
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gender Stress untergräbt letztlich die Motivation zum Weiterkämpfen. Die Folge kann sein, dass sich die Streitkräfte buchstäblich auflösen und aus der Sicht der politischen Führung zu einer Gefahr für den Bestand des Gemeinwesens werden. Die Aufstände und Meutereien von Soldaten gegen Ende des Ersten Weltkrieges in Deutschland, Österreich und Russland sind das bekannteste Beispiel (vgl. Chorley 1973: Kap. 6). Die Bereitschaft zum ›Kleinbeigeben‹, zur Fahnenflucht oder Kapitulation angesichts eines überwältigenden Drucks variiert mit der Position der Verlierer innerhalb der militärisch-politischen Hierarchie. Einfache Soldaten neigen weniger zur Realitätsverweigerung als Armeeführungen, zumal dann, wenn diese von jeder öffentlichen Kritik abgeschirmt sind. Gerade Diktaturen verhalten sich oft wie der Pharao im Alten Testament, der sich auch nach mehreren Plagen, die über sein Volk geschickt werden, nicht erweichen lässt, die Israeliten ziehen zu lassen. Dieser Umstand, dass sich politische Führungen oftmals kaum oder erst sehr spät vom Leid der eigenen Truppen oder Zivilisten beeindrucken lassen, hat in jüngerer Zeit westliche Strategen veranlasst, über Möglichkeiten nachzudenken, durch ›Enthauptungskriege‹ eine Abkürzung zum Sieg zu suchen. Nicht mehr ›Staaten‹ und nicht einmal mehr die Streitkräfte eines Gegners als Ganze sollen im Ernstfall angegriffen werden, sondern ›Regimes‹ ohne Umweg über verlustreiche Feldschlachten mit den entsprechenden Nebenfolgen für die Zivilbevölkerung (vgl. McInnes 2002: 63f.). Fraglich ist jedoch, ob solche Strategien den für den Krieg konstitutiven ›Willen zum Kampf‹ bei breiteren Unterstützerschichten des jeweiligen Regimes brechen können. Konventionelle Staaten-Kriege Die Ausübung von Gewalt neigt zur Entgrenzung aufgrund der geringen Instinktsteuerung des Menschen und der »Uferlosigkeit unserer Vorstellungskraft« (Popitz 1992: 51). Trotzdem ist der Kampf zwischen Menschen grundsätzlich kein regelloses Aufeinanderschlagen, kein alles verschlingendes gewalttätiges Chaos. Zum Kampf gehört vielmehr, dass er nach bestimmten Regeln ausgetragen wird. Regeln für den Kampf sind bereits zur Kooperation innerhalb einer Konflikt-
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partei unabdingbar. Und aus dem Aufeinanderprallen der Konfliktparteien haben sich historisch weitere Regeln ergeben. Vor allem aber für den Kampf innerhalb der vorgestellten Grenzen einer Kultur, in der sich Gegner als ebenbürtige anerkennen, sind Regeln üblich, die auf die Zähmung der Gewalttätigkeit zielen. In der Weltgesellschaft der Staaten sind es internationale Abkommen – vor allem die Genfer Konventionen von 1949 sowie deren Zusatzprotokolle von 1977 –, die den Verkehr der Staaten untereinander noch im Kriegsfall an bestimmte minimale Standards binden sollen.12 In diesem Sinne bezeichnen wir den Krieg zwischen Staaten als den konventionellen Krieg par excellence. Das humanitäre Völkerrecht, das den Status von Kombattanten und den Umgang mit Kriegsgefangenen und Zivilisten im Krieg regelt, hat zum einen das Ziel, Feindseligkeiten auf das jeweilige Gefechtsfeld zu begrenzen und die übrige Gesellschaft zu schonen. Zum anderen sollen auf dem Gefechtsfeld selbst bestimmte Normen gelten.13 Die Pioniere des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, die am einflussreichsten die moderne Idee der Zähmung der Kriegsgewalt durch Abkommen zwischen den Kriegsparteien vertraten, hatten im Grunde genommen einen einfachen Deal im Sinn. Ihr Argument lautete, dass die Hilfe für die Verwundeten, Kranken und Gefangenen sowie für Gruppen, die sich gar nicht an den Kämpfen beteiligen, weder Einfluss auf den Ausgang dieser Kämpfe habe noch den rationalen Machtinteressen von Staaten schaden könne. Folglich schlugen die Schweizer Menschenfreunde den Staaten vor, auf etwas zu verzichten, was ohnehin nicht kriegsentscheidend ist – die Misshandlung von Gefangenen, Verwundeten und Zivilisten –, um im selben Zug etwas zu gewinnen, nämlich das Ansehen eines Publikums und den guten Ruf, selbst im Krieg an elementaren Zivilisationsstandards festzuhalten (vgl. Heins 2004). Das humanitäre Völkerrecht hat damit zur normativen Verankerung von zwei zentralen Differenzen beigetragen: die Differenz zwischen dem kämpfenden Militär und der nichtmilitärischen Gesellschaft (Soldaten/Zivilisten) sowie die Differenz zwischen regulärer und irregulärer Kriegführung (Soldaten/Barbaren).
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Kleine Kriege Konventionelle Streitkräfte sind auf Gefechte mit Gegnern ausgerichtet, die ebenso wie sie die Herrschaft in einem Raum zu erringen suchen. Diese Symmetrie fördert einen Wettlauf zwischen den Kontrahenten, in dem sich beide mit allen Mitteln zu übertrumpfen suchen und dem deshalb eine Tendenz zum Äußersten eingeschrieben ist (vgl. Warburg 2001: 187). Sinnbild dieser mächtigen Tendenz ist die Bombardierung gegnerischer Ziele aus immer größerer Höhe, eine Technik, die erstmals italienische Piloten im Oktober 1911 in der Nähe der nordafrikanischen Stadt Tripolis praktizierten (vgl. Lindqvist 2001: 32f.). Konventionelle Truppen sind auf anhaltende, intensive Kämpfe unter Ausnutzung aller technischen Innovationen ausgerichtet. Hier, im ›großen Krieg‹, entfalten sie ihre ganze Stärke. Im Schatten dieser Fokussierung auf große Gefechte bildete sich jedoch bereits im Europa des 18. Jahrhunderts die Form des ›kleinen Krieges‹ aus. Der kleine Krieg (oder Kleinkrieg) zeichnete sich durch Überfälle, Hinterhalte, Unterbrechungen der gegnerischen Kommunikation, gewaltsame Aufklärungsstreifzüge und andere Angriffe aus, die gleichsam im Rücken des eigentlichen Kriegsgeschehens geplant wurden. Er war eine taktische Variante, für die im Laufe des Jahrhunderts auf spezielle Truppen zurückgegriffen wurde, weil diese flexibler und mobiler waren als die regulären Truppen. Der Kleinkrieg blieb damit stets auf den großen Krieg bezogen. Er war lediglich ein taktisches Mittel, auf das die europäischen Staaten zur Unterstützung des großen Krieges zurückgriffen. Zu einer umfassenden strategischen Antwort auf die Überlegenheit gegnerischer Truppen entwickelte sich die Kampfweise des Kleinkrieges erstmals während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1776-1783). In diesem Krieg, in dem die junge Nation sozusagen ›laufen lernte‹ und langsam an Selbstbewusstsein gewann, bildeten Milizen und ihre irreguläre Kampfweise den Kern des militärischen Widerstands gegen das britische Empire. Milizen verwickelten die taktisch unflexiblen, vom Mutterland abgeschnittenen Truppen, die zudem noch Teile der öffentlichen Meinung zu Hause gegen sich hatten, in einen zermürbenden Abnutzungskrieg.14 Seitdem hat sich die Kleinkriegführung des Partisanen als asymmetrische Antwort auf
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die Stärke konventioneller Streitkräfte etabliert. Von ›kleinen Kriegen‹ sprechen wir heute immer dann, wenn konventionelle Armeen – und zwar insbesondere die Armeen von Weltmächten – in langanhaltende Konflikte mit irregulären Aufstandsbewegungen verstrickt werden.15 Der Bruch mit den Konventionen des Kriegsrechts liegt in der Weigerung der Partisanen begründet, sich eindeutig und jederzeit als Kombattant durch ein Abzeichen oder eine Uniform von Zivilisten zu unterscheiden. Während für sie der feindliche Soldat in Uniform leicht zu erkennen ist und »das eigentliche Schussziel« (Schmitt 1963: 21) des Partisanen bildet, können die regulären Soldaten umgekehrt die Partisanen nur schwer von Zivilisten unterscheiden, zumal sie ihre Waffen nach Möglichkeit verdeckt mit sich führen. Dabei ist nicht das Problem, dass sie versuchen, sich vor den Augen des Gegners zu verbergen – das tun auch Soldaten –, sondern das sie versuchen zu verbergen, dass sie überhaupt Kombattanten sind. Bei bewaffneten schiitischen Gruppen im Nahen Osten wird diese Praxis bis heute durch das Verbergen des eigenen Glaubens – taqiyya – verstärkt, sodass man oft nicht einmal etwas über die Stärke einzelner Milizen weiß. Durch das temporäre Verbergen ihrer Feindschaft versuchen Partisanen zwei Vorteile zu gewinnen: Der Feind soll an für ihn schwer vorhersehbaren Positionen angegriffen werden, und der Kampf mit ihm soll immer da vermieden werden, wo reguläre Truppen ihre Stärke entwickeln könnten. Um diese Vorteile tatsächlich nutzen zu können, müssen Partisanen mobil und in ihrer Taktik flexibel sein. Sie bevorzugen Überfälle, Hinterhalte und Anschläge. Die Guerilla kämpft überwiegend in kleinen Gruppen, die möglichst im Raum verteilt werden. Allenfalls in Ruhe- und Rückzugsräumen, die als sicher gelten vor dem Zugriff des Gegners, formieren sich Partisanen zu größeren Verbänden. Durch Schießereien und Scharmützel lässt sich zwar keine reguläre Armee besiegen. Aber durch diese Art andauernder Nadelstiche kann sehr wohl der gegnerische Wille, den Kampf fortzusetzen, gebrochen werden, insbesondere dann, wenn es im Rücken des feindlichen Militärs eine demokratisch gewählte Regierung gibt, die von der Stimmung und der Medienberichterstattung über den Krieg abhängig ist. Um den Feind zu schwächen, setzt die Kleinkriegführung auf Zeit, versucht, unberechenbar zu bleiben, und zwingt ihn, alle denkbaren
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Angriffspunkte zu verteidigen. Der Kleinkrieg ignoriert Frontlinien und die Grenzen von Gefechtsfeldern. Unter dem Vorwand, dass man Partisanen nach Partisanenart bekämpfen müsse, bestand die Antwort der attackierten regulären Armeen immer wieder darin, auf die irreguläre Kampfweise von Guerillabewegungen selbst mit einer Entgrenzung und Entnormierung des Kampfverhaltens zu reagieren. Die jüngere Geschichte ist reich an Beispielen, die zeigen, dass auch demokratische Staaten angesichts massiver Guerillaangriffe auf die eigenen Truppen häufig dazu übergehen, die Zivilbevölkerung in den entsprechenden Ländern zu schädigen. Als die gewalttätige Unabhängigkeitsbewegung in Algerien immer stärker wurde, ging die französische Regierung zur routinemäßigen Folter von Inhaftierten, summarischen Exekutionen und ›Einschüchterungsoperationen‹ (sprich: Massakern) über. Hinzu kamen die Umsiedelung und Internierung großer Teile der Landbevölkerung. Im Vietnamkrieg gehörten die Entwaldung ganzer Landstriche durch Chemikalien, die Zerstörung von Ernten sowie Säuberungen und vereinzelte Massaker zum Repertoire der US-Streitkräfte und ihrer vietnamesischen Juniorpartner. Clausewitz hat den Krieg als ein unbefahrenes Meer voller Klippen bezeichnet, in dem plötzlich »das scheinbar Leichte schwer« wird (Clausewitz 1991: 263f.). Diese Unvorhersehbarkeit erfährt durch die bewusst praktizierte Regellosigkeit einer unkonventionellen Kampfweise eine weitere Steigerung und verstärkt die Tendenz zur Verselbstständigung des Kriegsgeschehens, in dem sich die Nebenfolgen der jeweils eigenen Handlungen nur schwer berechnen und höchst unvollständig kontrollieren lassen. In diesem Sinne ist der kleine Krieg kein abgelegenes Beispiel moderner Kriegführung, sondern ein vernachlässigtes Modell, an dem sich die Grenzen des instrumentellen Einsatzes des Krieges, die Tendenz zur Entnormierung und die schwankende Rolle des Publikums in den Heimatländern der Armeen, die irreguläre Milizen, Banden oder Bewegungen bekämpfen. Der Partisan kann als Ausgangspunkt für die Charakterisierung weiterer Sozialfiguren des modernen Waffenträgers genommen werden. Partisanenbewegungen selbst sind historisch häufig in konventionelle Armeen überführt worden, sobald sie ihre Widersacher bezwungen hatten. Aus Partisanen können Soldaten werden. Diese Aus-
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sicht besteht kaum für die jüngere Figur des schlecht trainierten und gesinnungslosen Kämpfers, der die Szene in den weitgehend entstaatlichen Regionen besonders in Afrika beherrscht. Viele der heutigen Kriege ›niedriger Intensität‹ etwa in Kongo/Zaire oder in Westafrika, werden zwar noch formell zwischen Widerstands- und Regierungstruppen ausgefochten, faktisch jedoch unterscheiden sich die verfeindeten Akteure kaum hinsichtlich ihrer Struktur, Bewaffnung oder Ideologie.16 Von einer asymmetrischen Konstellation, in der eine übermächtige reguläre Armee in einen Kleinkrieg verwickelt wird, kann keine Rede sein, solange nicht fremde Mächte, z.B. UN-mandatierte Interventionstruppen, von außen eingreifen. In Ländern wie Somalia, Liberia oder Sierra Leone wurden in den vergangenen Jahren bewaffnete Konflikte ausgetragen, in denen sich alle Akteure hauptsächlich mit leichten Waffen gegenübertraten (automatische Gewehre, Panzerfäuste, Hieb- und Stichwaffen sowie Minen). Im Unterschied zu Waffensystemen wie Flugzeuge und Panzer werden für den Einsatz solcher Waffen keine komplexen bürokratischen Strukturen, kein anspruchsvolles technisches Wissen und kein umfangreiches ausgebildetes Personal benötigt. Der Einsatz von leichten Waffen begünstigt im Gegenteil eine Entdisziplinierung und Entprofessionalisierung der Waffenträger, die sich gegen geringe Transferleistungen anwerben lassen. Für die verwahrlosten Krieger in den zerfallenen Staaten ist ebenfalls typisch, dass ihnen, anders als den Partisanen, die Sympathie der Zivilisten und erst recht diejenige eines weit entfernten Medienpublikums egal ist. Vielmehr bildet Gewalt gegen Zivilisten und ausländische Hilfsorganisationen sowie die gewaltsame Aneignung aller verfügbaren Ressourcen die vorherrschende Form, in der die Krieger das Verhältnis zu ihrer sozialen Umwelt regeln. Bodenschätze werden ebenso wie die im Einflussgebiet lebende Bevölkerung als Beute der Bewaffneten aufgefasst. Zivilisten werden zur Arbeit für die Bewaffneten gezwungen und als beliebig ausbeutbares Rekrutierungsreservoir angesehen. Kein Wunder, dass die Kämpfer in diesen Konflikten häufig von Personen geführt werden, die eher Berufskriminellen als Revolutionären gleichen. Ein Beispiel ist Charles Taylor, der frühere Präsident Liberias, dem zahlreiche Kriegsverbrechen sowie die rücksichtslose Privatisierung des Staatshaushalts von Liberia zur Last gelegt
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werden. Die dem ehemaligen Warlord gewidmete Website von Interpol enthält den Hinweis: »Person may be dangerous.« Im Unterschied zu Partisanen fällt weiterhin auf, dass die Kombattanten ihren Status nicht verbergen, sondern ihre Waffen gerne als Statussymbole offen zeigen. Wie Partisanen bevorzugen sie die Gefechtsformen des Überfalls und des Scharmützels. Der Hintergrund für diese Präferenz besteht allerdings darin, dass die Krieger in den entstaatlichten Zonen aufgrund einer nur gering ausgebildeten Formierung der kämpfenden Einheiten zu anspruchsvolleren taktischen Operationen gar nicht in der Lage sind. Deshalb sind sie auch der Konfrontation mit professionellen militärischen Verbänden nicht gewachsen, auch wenn diese ihnen zahlenmäßig weit unterlegen sind. Ein Gegenbild zu dieser Sorte von Kämpfern bieten Terroristen. Mit dem Partisan hat der Terrorist sowohl bestimmte Handlungsweisen (Bombenattentate usw.) gemeinsam als auch die gelegentlich berechtigte Vermutung, sich auf die Sympathie eines Milieus von Zivilisten oder eines Ausschnitts der Weltöffentlichkeit stützen zu können. Allerdings unterscheidet sich der Terrorist vom Partisan dadurch, dass er es im Normalfall nicht auf Uniformierte, sondern auf Zivilisten abgesehen hat, die gezielt oder wahllos getötet werden. Terroristen suchen zwar den Konflikt und verwenden Waffen, jedoch kämpfen sie nicht. Für Terroristen ist außerdem die Existenz eines Publikums entscheidend, das die Tötung von Zivilisten als eine Botschaft lesen soll, die gerne durch Bekennerschreiben und politische Forderungen untermauert wird. Die neueste Variante eines religiös inspirierten, globalen Terrorismus geht einen entscheidenden Schritt über den so definierten Terrorismus hinaus. Der alte Terrorismus tötete wenige, um vielen eine Botschaft zu übermitteln. Der neue Terrorismus tötet möglichst viele, ohne überhaupt eine eindeutig entzifferbare Botschaft zu senden. Die Errichtung eines autonomen palästinensischen Staates ist beispielsweise ein politisches Ziel, über das man streiten kann, da es im Prinzip vereinbar ist mit dem Eigenrecht anderer Völker und Staaten. Die in den Videos und Verlautbarungen islamistischer Gruppen gelegentlich auftauchende Vision eines atomar bewaffneten Kalifats von Mekka bis Karachi (oder von Jerusalem bis Taschkent) kann dagegen überhaupt nicht zum Gegenstand eines öffentlichen Streits oder
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gar von Verhandlungen werden, die bislang immer ein Etappenziel jeder aufständischen Gruppe waren. Kommunizierbare politische Ziele gewährleisten ein Minimum an Berechenbarkeit und Rationalität, das der Eskalation des Terrorismus gewisse Grenzen setzt. Der Wegfall politischer Ziele und ihre Ersetzung durch unbestimmte, religiös unterfütterte Visionen bedeuten umgekehrt eine Entgrenzung der Zerstörungswut der entsprechenden Gruppen. Der Kleinkrieg des neuen Terrorismus, den einige auch als Hyperoder Megaterrorismus bezeichnen, löst sich nicht nur von jedem Bezug auf einen großen Krieg, sondern überhaupt von allen militärischen Bezügen. Getötet wird ohne Rücksicht auf die Differenz Soldaten/Zivilisten, eine Unterscheidung, die einzelne islamische Gelehrte selbst für unislamisch und für einen Ausdruck von Feindseligkeit halten.17 Aber nicht nur sind Täter und Opfer stets Zivilisten. Der 11. September 2001 hat gezeigt, das sogar die Waffen dem zivilen Leben entnommen werden können, indem man beispielsweise ein Passagierflugzeug zweckentfremdet und in ein Hochhaus steuert. Zukünftige Massenmorde werden andere zivile Infrastrukturen nutzen, vielleicht U-Bahn-Schächte oder Wasserversorgungssysteme, die man als Leitungen für ein Gift benutzen könnte. All dies kann als Indiz für eine makabre ›Demokratisierung‹ von Gewaltoptionen interpretiert werden. Der bereits erwähnte Heinrich Popitz hat überaus hellsichtige Formulierungen für dieses Phänomen gefunden: »Das Äußerste, was Menschen sich antun können, ist zugleich etwas, was jedermann jedem zufügen kann« (Popitz 1992: 58). Die irritierende Verbindung von Massenmord und Suizid durch so genannte Selbstmordattentäter zeigt darüber hinaus noch etwas anderes. Der zur Bombe gewordene Mensch versinnbildlicht die irreparable Brüchigkeit jeder politischen und militärischen Macht, die zwar Gewaltmittel monopolisieren kann, nicht jedoch den Willen, anderen zu schaden: »Macht ist unvollkommen, weil sich die Entscheidung zum Äußersten nicht monopolisieren lässt – jeder kann jeden töten – und weil die Entscheidung, sich töten zu lassen, anderen nicht genommen werden kann« (ebd.: 60). Die Epoche der kleinen Kriege mündet somit in eine Phase der tödlichen Bedrohung durch einen Terrorismus, gegen den reguläre Armeen wenig ausrichten können. Indem er jeden Charakter einer militärischen Bedrohung ab-
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streift, wirft der gegenwärtige Terrorismus die Frage auf, woran man einen ›Sieg‹ über ihn erkennen könnte. Nicht nur sind die uns heute beunruhigenden terroristischen Akteure keine Staaten oder militärischen Verbände, es ist nicht einmal sicher, ob es sich überhaupt um ›Organisationen‹ mit beschreibbaren Grenzen gegenüber ihrer ›Umwelt‹ oder um andere Organisationen handelt. Da sich die Frage nach dem Sieg nicht schlüssig beantworten lässt, kann man eigentlich auch nicht von einem ›Krieg‹ gegen den Terrorismus sprechen, sofern man mit Hobbes den Krieg als einen durch eindeutige Willensbekundungen definierten ›Zeitraum‹ definiert, der ein Anfang und ein Ende hat. Genauso wenig jedoch sind Terroristen Verbrecher im gewöhnlichen strafrechtlichen Sinne, da sie, anders als selbst die ruchloseste Mafia, die Legitimität der Regierung angreifen und an dem sozialen Band zerren, das die Bürger zu einem Gemeinwesen vereinigt. Auf diese Weise kommt am Ende doch wieder die Frage nach dem Militär ins Spiel, auch wenn der Terrorismus von Zivilisten gegenüber anderen Zivilisten, der sich seine Waffen selber bastelt und zivile Infrastrukturen nutzt, zunächst wenig deutliche Anhaltspunkte für militärische Operationen gibt.
2. Krieg als Beruf: Der Soldat und die militärische Organisation Nicht jeder Bewaffnete und auch nicht jeder Angehörige einer Organisation, die über Waffen verfügt, ist ein Soldat. Überhaupt hängt der Status des Soldatseins nicht davon ab, ob der so Bezeichnete über Waffen verfügt. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass er oder sie einer bestimmten Organisation angehört. Ob Mann oder Frau, ob bewaffnet oder unbewaffnet, Soldaten sind Angehörige des Militärs. Wie eng dieser Zusammenhang ist, lässt sich daran ablesen, dass die Adjektive soldatisch und militärisch häufig als Synonyme verwendet werden. Das Militär und mithin der Soldat sind eine europäische Erfindung. Die Ausdifferenzierung des Militärs als Exekutivorgan des staatlichen Gewaltmonopols ist auf das Engste mit den europäischen Staatenbildungsprozessen verbunden. Dass das Militär eine staatliche Institution ist, in der die Fähigkeit zur Ausübung von Gewalt eingeübt, entwickelt und unter Befehle gestellt wird, unterscheidet es von
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anderen bewaffneten Organisationen. Zudem ist die Struktur der Verbände und die Bewaffnung des Militärs überwiegend auf den Kampf gegen andere militärische Verbände, also auf den Staatenkrieg, ausgerichtet. Diese Ausrichtung unterscheidet das Militär grundlegend von einem anderen Träger staatlichen Zwangs, nämlich der Polizei. Wenn man die Moderne als einen Prozess der Ausdifferenzierung und Neuverknüpfung sozialer Funktionen begreift, dann ist der Beruf des Soldaten ein ausgesprochen moderner Beruf. Soldaten unterscheiden sich von anderen Trägern organisierter Gewaltausübung, etwa Rittern, durch ihre Beschränkung auf die Rolle, die ihnen innerhalb einer militärischen Organisation zugewiesen wird. Ein adeliger Ritter vereinigte dagegen noch weitere soziale Rollen auf sich, etwa die des Grundbesitzers. Das Merkmal über keine weitere Rolle zu verfügen, teilt der Soldat allerdings bereits mit einem anderen Waffenträger, dem Söldner. Soldaten und Söldner Aus einer historischen Perspektive wurde der Söldner zum Soldaten im Zuge der Herausbildung stehender Heere als dauerhaften Institutionen organisierter Gewaltausübung. Soldaten unterscheiden sich von Söldnern zunächst durch einen Verlust an Rechten gegenüber ihren Kriegsherren, da sie ihrer eigenen Waffen entledigt und einem straffen Disziplinarsystem unterworfen werden. Sozialwissenschaftlich betrachtet wird dieser Prozess unter dem Gesichtspunkt der Herausbildung eines Gewaltmonopols durch den Staat als obersten Kriegsherrn abgehandelt. Allerdings verliert diese Eindeutigkeit wesentlich an Schärfe, wenn man beachtet, dass der Söldner als Sozialfigur »eine universalhistorische Erscheinung« (Sikora 2003: 210) ist. Universal ist er nicht zuletzt, weil er auch in der Gegenwart als Akteur zu finden ist. Die Abgrenzung zwischen Soldat und Söldner gelingt hier nicht mit der gewünschten Schärfe, weil es zwischen beiden Sozialfiguren Übergänge gibt. Aus Soldaten können Söldner werden und umgekehrt.18 Das Söldnertum gehört gewiss zu den ältesten Lohnberufen. Die Entlohnung für geleistete Kriegsdienste ist ein signifikantes Unter-
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scheidungskriterium gegenüber anderen Kämpfenden und wird deshalb nicht zufällig im Berufsnamen selbst betont.19 Die monetäre Vergütung nimmt die Modernität des Berufes vorweg. Ihr haftet etwas Ehrenrühriges und Irrationales an, sobald der Sold die Motivlage des Kämpfers bestimmt. Des Geldes wegen Menschen zu töten oder den eigenen Tod zu riskieren, gilt als ein Makel, weil es den Kämpfenden in die Nähe des Auftragskillers zu rücken scheint. Zudem ist es irrational, weil man bezweifeln kann, ob das Risiko, getötet zu werden, durch einen Sold aufgewogen werden kann.20 Interessanterweise taucht dieses Problem in der Psychologie des modernen Soldaten gar nicht auf, weil es allein dem Söldner als dem dunklen Gegenbild des Soldaten zugeschrieben wird. Kein Soldat möchte mit einem Söldner verwechselt werden, zumal Söldner nach dem 1977 unterzeichneten Ersten Zusatzprotokoll zur Genfer Konvention »keinen Anspruch auf den Status eines Kombattanten oder eines Kriegsgefangenen« (Art. 47) haben. Um Soldaten eindeutig von anderen kriegerischen Akteuren abgrenzen zu können, wird in der Literatur großes Gewicht auf den Umstand gelegt, dass Soldaten nicht nur für einen Staat kämpfen, sondern für ihren Staat. Für Soldaten sei das Engagement für ihren Staat nicht nur ein gewichtiges Motiv bei der Rekrutierung. Vielmehr gehöre es zu ihrem beruflichen Selbstverständnis, ihrem Dienstethos, nur für diesen einen Staat zu kämpfen. Der Soldat kann deshalb nicht, wie dies für die Söldner des 18. Jahrhundert üblich war, beliebig oft die Fronten wechseln. Morris Janowitz hat dies später wie folgt ausgedrückt: »The military profession is more than an occupation; it is a complete style of life« (Janowitz 1960: 175). Die einzelnen Zutaten zu diesem persönlichkeitsprägenden Lebensstil des modernen Soldaten, insbesondere ihre Loyalität und die Effektivität ihres Handelns im Ernstfall, sind freilich erst in relativ junger Zeit überhaupt näher betrachtet worden. Bis zum frühen 20. Jahrhundert galt die Motivation des Soldaten, für seinen Staat und seine Vorgesetzten zu kämpfen, als völlig problematisch. In Deutschland war es Kurt Hesse, ein Oberst der Reichswehr, der – vielleicht unter dem Eindruck der Novemberrevolution 1918 – erstmals den Soldaten eine eigensinnige ›Seele‹ zusprach und in der Subjektivität der Soldaten eine Grenze des Willens von militärischen und zivilen Führungen sah (vgl. Hesse 1922). Die Meinungsführerschaft lag da-
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mals jedoch noch bei Rassentheoretikern und Massenpsychologen, die in den modernen Armeen nicht mehr als »uniformierte Emotionen auf Beinen« (Bigler 1963: 92) sahen, deren Kampfinstinkte angeboren seien oder sich beliebig konditionieren ließen. Erst gegen Ende des Zweiten Weltkrieges begann eine Soziologie militärischer Institutionen und Praktiken Gestalt anzunehmen, die sich für das wirkliche Handeln von Soldaten als sozialen Subjekten interessierte. In den USA wurde die Debatte entfacht durch ein Buch von S.L.A. Marshall (1947) mit dem Titel Men Against Fire, in dem der ehemalige Sportjournalist und Soldat die These aufstellte, dass während vieler Gefechte im Zweiten Weltkrieg nur etwa 25 Prozent der amerikanischen Heeressoldaten tatsächlich ihre Waffen einsetzten und auf feindliche Soldaten schossen. Marshall stützte seine Thesen auf informelle, zeitlich offene Gruppeninterviews, die er noch während des Krieges jeweils möglichst bald im Anschluss an reale Konfrontationen führte. Ähnliche Untersuchungen, die trotz ihrer umstrittenen Seriosität einen starken Eindruck bei Soziologen und militärischen Ausbildern hinterließen, unternahm Marshall zu Beginn der fünfziger Jahre im Koreakrieg, diesmal im Auftrag des Operations Research Office der US Army.21 Der Koreakrieg bot außerdem Anlass, neben dem Mythos der Effektivität des soldatischen Handelns auch den Mythos selbstverständlicher und unbeirrbarer Loyalität in Zweifel zu ziehen. Der Schlüsseltext hierzu ist Eugene Kinkeads In Every War But One (Kinkead 1959). Das Buch beruht auf der Auswertung von 4.000 Fallgeschichten über amerikanische Kriegsgefangene in Nordkorea, die in außergewöhnlich vielen Fällen nach kurzer Zeit mit ihrem erklärten Kriegsgegner kollaborierten und interne Informationen weitergaben. Kinkead wies in seiner Studie pauschale Erklärungen wie die der ›Gehirnwäsche‹ zurück. Stattdessen diagnostizierte er einen Zusammenhang zwischen der Auflösung der Kleingruppendisziplin unter den Bedingungen der Gefangenschaft und der Erosion individueller Loyalität. Ein wichtiger Vorschlag lautete, bei Einsätzen in Übersee nicht einzelne Soldaten, sondern ganze Kampfverbände rotieren zu lassen. Während diese Aufsehen erregenden frühen Untersuchungen das soldatische Individuum in der Kleingruppe und die Fragilität von
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Motivlagen entdeckten, wurde einige Zeit später der allzu enge Zusammenhang von Kleingruppenkohäsion und Kampfkraft bestritten. Am Beispiel anderer Kriege und einzelner Gefechte – etwa der Verteidigung der Golanhöhen durch Israels Siebte Panzerbrigade im Jahr 1973 – konnte gezeigt werden, dass neben der Kleingruppe auch organisatorische Faktoren wie Training, Führungsqualitäten und Esprit das Verhalten von Soldaten formen (Kellett 1987). Insgesamt zeigt die hier nur angerissene Diskussion, dass sich der Lebensstil des Soldaten aus unterschiedlichen Elementen zusammensetzt, von denen keines als unerschütterlich gegeben vorausgesetzt werden kann. Die Motive der Loyalität und Effektivität, die den Soldaten vom Söldner abgrenzen sollen, sind teils prekäre Handlungsgrundlagen, teils aber auch Organisationsmythen des Militärs. Im wirklichen Leben bleibt daher ungeachtet der besonderen, auf die Erhaltung des eigenen Staates gerichteten Professionsethik des loyalen und effektiven Handelns eine gewisse Unschärfe der Abgrenzung des Soldaten zu anderen Kämpfern. So mehren sich in jüngerer Zeit die Beispiele für das Outsourcing klassischer militärischer Aufgaben an military professionals, d.h. an gut ausgebildete militärische Fachleute – häufig ehemalige Unteroffiziere oder Offiziere –, die als Angestellte von privaten militärischen Dienstleistern zur Ausbildung, Versorgung oder Bewaffnung von Sicherheitskräften beitragen (vgl. Meyer 2003). Diese Angestellten sind oft soziale Zwischenwesen, die Züge des Soldaten und des Söldners in sich vereinigen (siehe das Kapitel Entstaatlichung und Verpolizeilichung). Beruf und ›Einberufung‹ Zu den Schwierigkeiten, den Soldatenberuf innerhalb des modernen Militärs trennscharf zu erfassen, gehört auch, dass trotz ihrer ausdifferenzierten sozialen Rolle nicht bei allen Soldaten von einem militärischen Beruf gesprochen werden kann. So fällt es schwer, von einer Berufsausübung zu sprechen, wenn Soldaten aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung oder einer unmittelbaren Drohung (zeitweilig) zum Militär eingezogen werden. Für die Wehrpflichtigen und Reservisten, die man in den USA auch citizen soldiers nennt, ist das Soldat-
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sein nicht ein Beruf im Sinne Max Webers, also die »Grundlage einer kontinuierlichen Versorgungs- oder Erwerbschance« (Weber 1976: 80), sondern markiert eher eine Unterbrechung ihres Erwerbslebens. In diesem Sinne hat auch Hans Paul Bahrdt festgestellt: »›Soldat‹ ist im Allgemeinen kein Lebensberuf« (Bahrdt 1987: 49). Dies gilt besonders dann, wenn die Masse der Soldaten aus Wehrpflichtigen oder über die Grundwehrdienstzeit hinaus Verpflichteten besteht. Die Zeit, die ein Wehrpflichtiger beim Militär ist, wird öffentlich weniger als Berufstätigkeit wahrgenommen, sondern wie über Jahrzehnte hinweg in der Bundesrepublik als gesellschaftlich akzeptierte Unterbrechung der Ausbildung bzw. des Berufslebens. Wie wenig man im Falle von Wehrpflichtigen oder allgemeiner gesprochen bei zwangsverpflichteten Soldaten von einer Berufsausübung sprechen kann, wird auch an dem Wort ›Einberufung‹ deutlich. Einberufene Soldaten haben keinen Beruf ergriffen, vielmehr gliedert sie das Militär seiner Organisation ein. Allerdings ist in einer Wehrpflicht-Armee der Soldatenberuf keineswegs ein unbekanntes Phänomen. Es ist kaum zu übersehen, dass Wehrpflicht-Armeen auch über Militärangehörige verfügen müssen, die für mehrere Jahre, wenn nicht gar ihr ganzes Berufsleben hinweg Soldaten sind. Welchen Anteil Soldaten auf Zeit bzw. Berufsoldaten22 am Personal einer Truppe haben, hängt von der (angestrebten) Position in der Hierarchie der Organisation, von der Komplexität der zu bedienenden Ausrüstung, und damit von der notwendigen Ausbildungszeit und den entsprechenden Kosten ab, sowie nicht zuletzt vom voraussichtlichen Einsatzgebiet. Deshalb setzt sich das Personal in den einzelnen Teilstreitkräften – Heer, Marine und Luftwaffe – in unterschiedlichen Anteilen aus Wehrpflichtigen und Soldaten auf Zeit bzw. Berufssoldaten zusammen. Die meisten Wehrpflichtigen in Deutschland wurden bislang zum Heer einberufen, da die Bundeswehr vor ihrer zaghaften Umstrukturierung seit den neunziger Jahren allein auf einen territorialen und panzergestützten Bodenkrieg an den Staatsgrenzen vorbereitet war. Wie lang die Erwerbsbiographie eines Soldaten ist, hängt entscheidend von seinem Einsatzprofil ab. Sie ist umso kürzer, je unmittelbarer von ihm erwartet wird, dass er den körperlichen und psychischen Belastungen des Kriegsgeschehens ausgesetzt ist. Je mehr ein
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Soldat technische oder bürokratische Tätigkeiten im Bereich der Administration oder Logistik auszuführen hat, desto mehr kann sein Berufsleben einer zivilen Erwerbsbiographie ähneln. So beläuft sich die aktive Dienstzeit eines Kampfschwimmers der Bundesmarine auf wenige Jahre, weil er mit zunehmendem Alter den körperlichen Anforderungen des zu erwartenden Einsatzes nicht gewachsen ist. Dies schließt zwar nicht aus, dass er als Ausbilder weiterhin bei der Truppe bleiben kann, doch sofern seine Versetzung in den einsatzfernen Teil der Truppe nicht gelingt und er nicht anderweitig innerhalb des Militärs verwendet werden kann, wird er das Militär verlassen müssen. Ein Mechaniker dagegen, der z.B. Panzermotoren wartet und repariert, unterliegt prinzipiell nicht diesen Einschränkungen. Ein weiterer Faktor, der das Profil der Erwerbsbiographie berührt, ist der Rang des Soldaten. Ein hoher Offizier, der fast ausschließlich administrative Aufgaben hat, wird in der Regel erst mit dem Erreichen des Rentenalters pensioniert. Anders verhält es sich bei Unteroffizieren, die unmittelbar bei der Truppe Dienst tun. Sie scheiden häufig nach einigen Jahren aus dem Militär aus.23 Soldaten sind in ihrer überwiegenden Mehrheit junge Menschen. Sie treten zum größten Teil um das 20. Lebensjahr in das Militär ein und verlassen es überwiegend um das 40. Lebensjahr. Zu den Konsequenzen aus der Vorstellung, Soldaten üben einen Beruf aus, gehört, dass der Berufseinstieg nicht vor dem Beginn der Volljährigkeit beginnt. Dies hat inzwischen auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) festgestellt. Sie verbietet grundsätzlich die Rekrutierung von Minderjährigen durch das Militär. Auch nach einem seit Februar 2002 geltenden Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention ist die Zwangsrekrutierung und der Kampfeinsatz von Menschen unter 18 Jahren verboten. Allerdings machten einige der unterzeichnenden Staaten ihre Zustimmung zur Konvention davon abhängig, dass das Mindestalter für die Aufnahme von Freiwilligen in die Armee 16 Jahre beträgt. Auch die Bundesrepublik behält sich das Recht vor, Minderjährige zum Kriegsdienst zu rekrutieren. Aufgrund der erwähnten Bestimmungen zählt der Einsatz von Kindersoldaten, wenn sie unter 15 Jahre alt sind, an vorderster Front und zu besonders gefährlichen Einsätzen herangezogen werden, zu den Kriegsverbrechen, die der Internationale Strafgerichtshof verfolgen soll. Trotzdem werden insbe-
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sondere in zahlreichen afrikanischen Kriegen Kinder rekrutiert. Möglich ist dies, weil es heute automatische Waffen gibt, die leicht und relativ klein sind und ihre Verletzungswirkung mit einem geringen Rückstoß pro Schuss entfalten, sodass sie auch von Kindern getragen und eingesetzt werden können. Der soldatische Akteur ist traditionellerweise ein Mann. Der Männlichkeit des Kriegers entsprechen tiefsitzende kulturelle Vorstellungen, die den Krieg, insbesondere den Kampf im Krieg, mit Attributen wie Härte, Ausdauer, Leidensfähigkeit, Stärke und Disziplin versehen. Hinzu kommt die Affektkontrolle, die schon Hobbes (1984: 45) den Frauen nicht recht zutrauen wollte. Diese Assoziationskette ist erstaunlich stabil und selbst durch das Wissen um die Existenz weiblicher Soldaten kaum zu erschüttern. Dies zeigt sich beispielsweise in Interviews, die Anfang der achtziger Jahre mit Jugendlichen in Westdeutschland geführt wurden. Obwohl die Jugendlichen wussten, dass es in der US-Armee Frauen gibt, wurde »militärische Arbeit […] eindeutig als männliche Arbeit definiert« (Birckenbach 1985: 225). Weibliche Soldaten mögen die symbolische Geschlechterordnung irritieren, tragen aber nicht notwendigerweise zu ihrer Überwindung bei (siehe das Kapitel Militär und Geschlechterverhältnisse). Historikerinnen weisen darauf hin, dass Armeen selten einen tatsächlich ›frauenfreien‹ Raum bildeten (vgl. Hagemann 1998), wenngleich die modernen europäischen Heere in der Zeit von den Napoleonischen Kriegen bis zum Ersten Weltkrieg den Ausschluss von Frauen sehr weit getrieben haben. Vor dieser Zeit gehörten Frauen als Teil des Trosses und in vielfältigen Rollen, von der Gefährtin bis hin zur Marketenderin, zum normalen Bestandteil der Armeen. Erst mit der Verbesserung der Logistik – maßgeblich war hier der Einsatz der Eisenbahn – konnte der Tross aufgelöst und in einen von der Armeeführung kontrollierten Teil der Militärorganisation überführt werden, aus dem Frauen ausgeschlossen wurden. Im Bereich der Kranken- und Verwundetenpflege konnte jedoch auf die Unterstützung von Frauen nicht verzichtet werden, und deshalb wurden sie hier zumindest geduldet, wenn auch nicht als Teil der Militärorganisation. Diese Duldung wandelte sich in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in ein planerisches Kalkül, das den Einsatz von Frauen im Sanitätsbereich professionalisierte. Frauen erhielten eine institutionalisierte
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Rolle bei der Versorgung verwundeter Soldaten und bevölkerten nicht zuletzt die ›Männerphantasien‹ einer ganzen Generation europäischer Krieger (vgl. Theweleit 1977/78). Im Zweiten Weltkrieg schließlich wurden Frauen z.B. von der Wehrmacht in der Militärverwaltung, auch in den besetzten Gebieten, sowie an Flakbatterien eingesetzt. Insbesondere beim sowjetischen Militär gehörten zahlreiche Frauen zudem zur kämpfenden Truppe.24 Haltungs- und Funktionsdisziplin Die aufgezählten Merkmale machen den Soldatenberuf zu einem Sonderfall im Professionsgefüge moderner Gesellschaften, da es schwer fällt, diesem Beruf eine spezielle Leistung oder eine Kombination von Leistungen zuzuordnen. Dies wird jedoch zumindest vom Begriff des Berufes, wie ihn Weber (1976: 80) verwendet, erwartet. Wie bereits ausgeführt, ist der Soldat wesentlich über seine Angehörigkeit zum Militär definiert. Unmittelbare Gewaltausübung gehört dabei nicht unbedingt zur Tätigkeit eines jeden Soldaten. Auf einen Soldaten, der sich mit einer Handfeuerwaffe in einer Kampfzone bewegt, der einen Kampfhubschrauber fliegt oder der ein Artilleriegeschütz bedient, kommen mehrere Soldaten, die dafür verantwortlich sind, dass er mit Gütern versorgt wird, die er für seinen Einsatz benötigt, angefangen von Lebensmitteln bis hin zur Munition. Komplexe Waffensysteme wie Panzer, Flugzeuge und Schiffe erfordern obendrein eine große Anzahl von Soldaten, die diese Waffen warten und reparieren. Deshalb hängt das Verhältnis zwischen den unmittelbar kämpfenden bzw. Waffen bedienenden Soldaten und den unterstützenden Einheiten stark von der Technisierung der jeweiligen Waffengattung ab. Hinzu kommt eine Vielzahl Soldaten, die dafür zuständig sind, dass die militärische Lage aufgeklärt wird, operative Pläne und die Einsatzbefehle anfertigt werden, die die Kommunikation zwischen den Truppenteilen sicherstellen, die den Verlauf der Operation, das Kriegsgeschehen überwachen und den weiteren Einsatz koordinieren sowie ihn anschließend auswerten. Bereits bei dem antiken griechischen Historiker Xenophon kann man nachlesen, dass ein Heerzug vor über 2.400 Jahren einen Tross umfasste, der vermutlich etwa so groß war wie die kämpfende Truppe
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selbst (vgl. Xenophon 2003: 242). Im Laufe der Zeit stiegen die organisatorischen Erfordernisse immer weiter. Mit der Heeresgröße wuchsen die Koordinationsaufgaben der Heeresleitung. Der vermehrte Einsatz von technischen Kampfmitteln ließ abermals den Umfang der Verwaltungsaufgaben im Militär ansteigen. Zusammen mit der erwähnten Technisierung der Kampfmittel, aber auch der Transportmittel, wurde deshalb das Verhältnis der kämpfenden und sie unterstützenden Truppe derart verschoben, dass heute die wirklich kämpfenden Soldaten nur noch eine kleine Minderheit im Militär bilden. Der Beruf des Soldaten hat sich seit dem 19. Jahrhundert also enorm differenziert und Spezialisierungen in den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern hervorgebracht. Ziel all dieser Ausdifferenzierungen ist die Optimierung der eingesetzten Ressourcen. Soldaten, die in den Unterstützungseinheiten, zum Teil räumlich weit entfernt vom Kriegsgeschehen, eingesetzt werden, kennzeichnen Ausbildungs- und Anforderungsprofile, die in der zivilen Arbeitswelt ebenfalls anzutreffen sind. Aus diesem Blickwinkel fasst die Bezeichnung ›Soldat‹ verschiedene Berufe zusammen. Diese Beobachtung hat innerhalb des Militärs und in der Militärsoziologie ihren Niederschlag in Debatten zum professionellen Selbstverständnis des Soldaten und zum soldatischen Berufsbild gefunden. Wenn ein Großteil der Soldaten die gleichen Tätigkeiten wie in der zivilen Arbeitswelt verrichten muss, dann, so eine Überlegung, gerate das am Bild des (männlichen) Kriegers orientierte professionelle Selbstverständnis ins Wanken. Die Technisierung, aber auch die Bürokratisierung des Militärs erzwingt andere Ausbildungsformen, einen anderen alltäglichen Umgang zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, und berührt auch die Motivation des einzelnen Soldaten. Das Militär, so formulierte bereits Morris Janowitz Ende der fünfziger Jahre, müsse sich zivilisieren, wenn es die technischen Möglichkeiten des modernen Krieges nutzen wolle, ohne gefährliche Reibungen mit der übrigen Gesellschaft zu riskieren (vgl. Janowitz 1960). Eine gewisse Tendenz zur Zivilisierung des Militärs drückte sich bereits im Auseinandertreten von Haltungs- und Funktionsdisziplin aus, wie man in den sechziger Jahren am Beispiel der Bundeswehr zeigen konnte (vgl. Heiseler 1966). Die Anfänge dieser allseits als Vorbote einer ›Demokratisierung‹ begrüßten Entwicklung gehen auf
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den Eindruck des amerikanischen Sieges über Nazi-Deutschland zurück. So führte das Vorbild der USA in Europa zu einer Abschaffung bestimmter Offiziersprivilegien, zu Änderungen im Kasernenregime, zur Einführung des Beschwerderechts sowie dem Verzicht auf die Forderung, beim Grüßen von Vorgesetzten die Augen aufzureißen (vgl. Bigler 1963: 69ff.). Veränderungen konnten besonders beim Drill beobachtet werden. Neben der Aufgabe, »Haltung« zu erzeugen, hatte dieser über Jahrhunderte auch eine unmittelbar auf den Kampf bezogene Funktion. Auf dem Übungsgelände, wie auf dem Schlachtfeld hatten die Soldaten auf ein Zeichen, einen Befehl hin eingedrillte Bewegungen zu vollziehen. Selbst Insidern der Reichswehr war der Drill nicht immer ganz geheuer, und man verglich seine Wirkungen auf die Persönlichkeit bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit dem Vorgang der industriellen Automatisierung. »Dieser automatische Mensch«, so hieß es über den modernen Soldaten, »bedeutet wahrhaft ein Herabsteigen um mehrere Stufen auf der Leiter der Zivilisation« (Hesse 1922: 187). Nun ist in dem Maße, wie die Waffensysteme der Armeen technisiert wurden, der Automatencharakter des einzelnen Soldaten fast vollständig verschwunden. An die Stelle von Drill und Haltung trat statt dessen eine Funktionsdisziplin, die sich bei der Handhabung von Maschinen bewähren muss. So kann das Fahren eines Kraftfahrzeuges nicht als starres Zeichen-Reaktions-Schema eingedrillt werden, sondern es setzt voraus, dass der Fahrende sachgerecht die Maschine bedient und dabei auch die jeweiligen Bedingungen, wie z.B. der Verkehrslage, berücksichtigt. Die Vorgesetzen reglementieren nicht mehr den Ablauf in allen Details, sondern beschränken sich auf die Ergebniskontrolle. Durch die Technisierung gerät ferner die Amtsautorität unter Druck, weil die formellen Vorgesetzten selten über die Sachkenntnis verfügen, um die Tätigkeit ihrer Untergebenen zu kontrollieren. Zwar wurde festgestellt, dass das Prinzip von Befehl und Gehorsam durch die Schwächung der Amtsautorität und der stärkeren Gewichtung der Funktionsdisziplin prinzipiell nicht außer Kraft gesetzt sei, jedoch täten die Vorgesetzten gut daran, gegenüber den Untergebenen weniger die Kluft im hierarchischen Rangunterschied zu betonen und eher kooperativ auf ihre Untergebenen einzugehen.
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Militärischen Arbeitsbedingungen gleichen sich mithin denen der zivilen Arbeitswelt an. Wie weit dieser Angleichungsprozess geht, ist umstritten.25 Gerungen wird besonders um die Frage, ob der Beruf des Soldaten als ein Dienstleistungsberuf unter anderen aufgefasst werden kann. Dabei wurde bislang insbesondere in der bundesrepublikanischen Debatte zumeist ausgeblendet, dass bereits Janowitz Grenzen für die Zivilisierung des Militärs angab. Eine der Grenzen, so Janowitz, bestehe im militärischen Gefecht, das weiterhin einen besonderen »›Kämpfer‹-Geist« erfordere (Janowitz/Little 1965: 31). Zwar hätten vor allem die höherrangigen Offiziere in ihr Berufsbild die Vorstellung zu integrieren, das sie militärische Manager seien, die das Maß und die jeweils erforderliche Gewaltausübung organisierten, während rangniedrige Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften ohne ein technisches Ethos nicht auskämen. Doch ein Teil des soldatischen Selbstverständnisses bleibe weiterhin die Vorstellung eines spezifisch kriegerischen Persönlichkeitstyps (siehe hierzu das Kapitel Militärische Arbeit und Professionsethiken). In der Bundesrepublik stand eine solche Bestimmung des Soldaten lange Zeit unter dem Verdacht, für eine politische Trennung von Militär und Gesellschaft und eine entsprechende politische und juristische Sonderstellung des Soldaten zu plädieren. Begründen lässt sich dieser Verdacht mit Vorbehalten aus dem Offizierskorps gegen das Konzept des ›Staatbürgers in Uniform‹, die in den sechziger Jahren publik wurden. Das Konzept des Staatsbürgers in Uniform interpretierten sie als eine unangemessene Zivilisierung des Militärs und setzten dagegen den sui-generis-Anspruch des Soldatenberufs.26 Begründet wurde dieser Anspruch mit der als soldatische Tugend bezeichneten Bereitschaft, auf Befehl zu töten und sich extremer Todesgefahr auszusetzen. Die damals wortführenden Offiziere konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Zum einen galt ihr Soldatenbild in der Bundesrepublik, aber auch in anderen Staaten, durch die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges als diskreditiert. Ausserdem galt es aufgrund des vorherrschenden Kriegsszenarios einer militärischen Konfrontation mit dem Ostblock als unzeitgemäß. Dieses Szenario sah vor, dass ein Krieg unmittelbar an den Grenzen der Bundesrepublik beginnt. Es galt als sicher, dass er sich binnen kürzester Zeit räumlich auf das gesamte Staatsgebiet ausweiten würde. Vor dem Hintergrund der
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Wirkungen des Bomben- und des Bodenkrieges im Zweiten Weltkrieg, der noch in lebhafter Erinnerung war, galt das Todesrisiko im Falle eines neuen Krieges als gleich hoch für Kombattanten und Zivilisten. Mehr noch: Es wurde kalkuliert, dass Zivilisten, die sich schlechter vor den Waffenwirkungen schützen konnten, in noch höherer Zahl ihr Leben ›opfern‹ müssten. Vollends obsolet wirkte in der bundesdeutschen Debatte der Anspruch auf eine sui-generis-Stellung des Soldatenberufs, weil zudem davon ausgegangen wurde, dass jeder Angriff mit atomaren Waffen vergolten oder dass der mit konventionellen Waffen begonnene Krieg rasch in einen Schlagabtausch mit strategischen Atomwaffen münden würde. Nun gab es nicht nur keinen Heldentod mehr, sondern auch der Kampfauftrag konventionell bewaffneter Soldaten wurde zu einer fragwürdigen Größe für ihr Selbstverständnis. Deutlich machte dies die in den späten sechziger Jahren entwickelte und bis zum Fall der Berliner Mauer gültige Nato-Einsatzstrategie ›Flexible Response‹. Nach dieser Konzeption sollte die auf konventioneller Bewaffnung beruhende Schlagkraft der Bundeswehr die Streitkräfte des Ostblocks von einem Angriff abschrecken. Die Erfüllung des Abschreckungsauftrages galt bereits als der ›Ernstfall‹. Ein tatsächlicher Kampfeinsatz wurde dagegen als eine Niederlage interpretiert. »Der Soldatenberuf«, so formulierte ein Autor unter dem Eindruck der drohenden nuklearen Katastrophe schon in den fünfziger Jahren, »ist angesichts einer solchen Entwicklung ein sterbender Beruf« (Below 1957: 27). Wem das zu weit ging, der hielt den Soldatenberuf zumindest für außerordentlich ›kühl‹ und verglich ihn mit dem Beruf eines Chirurgen, dem es freilich niemals passieren dürfe, dass es tatsächlich jemals zu ›Operationen‹ komme (vgl. Lippert 1988). Als proklamierter Anspruch konnte sich in der Bundesrepublik also die Sonderstellung des Soldaten nicht durchsetzen. Dies ändert nichts daran, dass umgekehrt die Angleichungstendenzen zwischen dem Militärdienst und der zivilen Arbeitswelt an Grenzen stießen. Auch wurde für den Krieg ungeachtet seiner Unwahrscheinlichlichkeit und Vergeblichkeit über Jahrzehnte hinweg aktiv geübt. Und so technisiert die alltäglichen Anforderungen an die Soldaten geworden waren, auf die Haltungsdisziplin wurde nicht vollständig verzichtet. Bei aller Lockerung des martialischen Habitus blieben auch im
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›Atomzeitalter‹ Elemente einer im Vergleich zur zivilen Gesellschaft ausgeprägt rigiden Normenwelt erhalten. Dies fällt vorzugsweise mit Blick auf die Grundausbildung der Rekruten auf, in der bis heute die Differenz zwischen der zivilen Gesellschaft und dem Eintritt in eine andere Normenwelt betont wird. Aus Elementen der Haltungsdisziplin sind historisch immer wieder Demütigungspraktiken hervorgegangen, die die Rekruten für die Übernahme militärischer Normen und Werte empfänglich machen sollen (vgl. Treiber 1973). Nicht zuletzt Filme wie etwa Stanley Kubricks Full Metal Jacket haben hier aufklärend gewirkt. Eine ›gierige‹ Institution Von Soziologen wird die Ausbildung und Zurichtung des Soldaten gerne mit den Mitteln von Goffmans Theorie der totalen Institution untersucht (vgl. Goffman 1972). Dieser Ansatz hat freilich Grenzen. So streifen Rekruten im Laufe ihre Ausbildung immer mehr ihren subalternen Status ab und können im Gegensatz zu Insassen psychiatrischer Anstalten ihre Rolle verlassen oder modifizieren. Schon vorher lernen sie nicht nur die Lücken des Kontrollsystems kennen, sie wissen auch um das Sanktionsverhalten ihrer Vorgesetzten, und können dementsprechend ihren Handlungsspielraum erhöhen. Gravierender ist, dass nach der Grundausbildung die Vorgesetzten über ihre Rolle als Ausbilder hinaus zu Führern einer Teileinheit werden. »Der Vorgesetzte ist hierbei auf die Kooperation seiner Untergebenen angewiesen, will er mit der schlechten Leistung seiner Gruppe nicht selbst als Führer schlecht dastehen« (Hoffmann 2003: 41). Kooperation jedoch lässt sich nicht beliebig durch Zwang und Manipulation substituieren. »Forcing people is inefficient«, so ein amerikanischer Autor (Radine 1977: 55). Zudem ist zu beachten, dass der Erfolg der militärischen Sozialisation im Zuge der Ausbildung nicht überschätzt werden darf. Ein Truppenausbilder stellt fest, dass es zwar gelinge, das äußere Verhalten der Rekruten weitgehend zu formen, nicht jedoch ihre innere Einstellung. Diese hänge von einer »affirmativen Grundhaltung zur Bundeswehr« ab, die bereits vor der Einberufung wirksam sein müsse (Hoffmann 2003: 68). Freilich ist auch die Erzeugung äußerer Verhal-
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tenssicherheit ein bedeutender Erfolg. Sie hilft den Akteuren wie der Organisation Routinen auszubilden, also Gewissheiten zu erzeugen, die gerade im Kampfeinsatz, wenn unerwartete Geschehnisse und dramatische Ungewissheit den Alltag prägen, dringend benötigt werden. Bei der Beibehaltung rigider Normenkonformität beim Militär handelt es sich also nicht um einen Atavismus. Sie weist auf die Extremität der Aufgabe hin, bei Soldaten Todes- und Tötungsbereitschaft zu erzeugen, ohne sie der Kontrolle der Organisation entschlüpfen zu lassen. Für das Militär in liberalen Demokratien kann zusammenfassend gesagt werden, dass es kaum den Irrenanstalten und Gefängnissen gleicht, die moderne Soziologen beschrieben haben. Für die preußische Armee galt, wie es einer ihrer Bewunderer ausdrückte, dass »keiner auch nur eine Minute ohne Beobachtung und Kontrolle war« (Salomon 1957: 47). Diese Zeit ist vorbei. Heute ist die Institution Militär vielmehr geprägt durch flexible Formen eines »professionellen Paternalismus« (Radine 1977), der neben Zwang, Drill und Überwachung auch Elemente von Kommunikation, Eigenverantwortung und Vertrauensbildung kultiviert. Treffender als der Begriff der totalen Institution ist daher vermutlich Lewis Cosers (1974) Begriff der greedy institution. ›Gierige‹ Institutionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nahezu grenzenlose Anforderungen an die Einzelnen stellen. Aus der Sicht von Frauen und Müttern ist zum Beispiel die traditionelle Familie eine ›gierige‹ Institution, die völlige Aufopferung verlangt. Etwas Ähnliches gilt traditionellerweise aus der Sicht der Männer mit Blick auf das Militär. Coser hat freilich auch gesehen, dass moderne soziale Institutionen im Regelfall nur noch begrenzte Anforderungen an die Individuen stellen können, deren Überforderung durch moralische und häufig auch legale Schranken verhindert wird. Hier liegt der Kern der Problematik des modernen Militärs und des Soldatenberufs. Es handelt sich um eine moderne Institution, die jedoch nicht umhin kann, im Verhältnis zu den Einzelnen, die ihr angehören, auf ganz traditionelle Weise ›gierig‹ zu sein, indem sie ihnen nicht nur die Trennung von Freunden und der Familie oder eine hohe räumliche Mobilität zumutet, sondern letztlich auch das Risiko, Leib und Leben aufs Spiel zu setzen.
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Wechselbeziehungen zwischen ziviler Führung und Militär In Demokratien und den meisten anderen Gemeinwesen sind Zivilisten an der Macht. An der Macht sein heißt, innerhalb einer Rechtsordnung über ein legitimes Gewaltmonopol zu verfügen, das es erlaubt, politische Entscheidungen notfalls auch gegen Widerstand durchsetzen zu können. Die Standardsituation besteht also nicht einfach in einem Machtverhältnis von Bewaffneten gegenüber Zivilisten. Vielmehr erhalten die Bewaffneten ihrerseits Anweisungen von Zivilisten. Verteidigungsminister können unbotmäßige Offiziere kurzerhand entlassen, ohne damit rechnen zu müssen, dass diese zu den Waffen greifen. Wir haben es folglich mit einem dreistelligen Machtverhältnis zu tun, in dem Zivilisten Macht über Bewaffnete ausüben, die ihrerseits Macht gegenüber anderen Zivilisten ausüben können. In der politischen Theorie seit Thomas Hobbes ist es ein entscheidendes Merkmal des souveränen Staates, dass er über die Aufstellung, Ausrüstung und den Unterhalt der Streitkräfte entscheidet und die Möglichkeit hat, einen militärischen Oberbefehlshaber einzusetzen. Mit dieser Personalentscheidung ist für den Souverän freilich immer ein gewisses Risiko verbunden, denn der Befehlshaber gewinnt auch dann Macht, wenn er seinen Status einer Einsetzung verdankt. Deshalb muss der Souverän darauf achten, niemals die Kontrolle über die Handlungen des von ihm eingesetzten Befehlshabers zu verlieren. Die Gefahr des Missbrauchs der den Bewaffneten anvertrauten Macht ergibt sich aber nicht nur aus der Stellung des obersten militärischen Befehlshabers, sondern besteht auf allen hierarchischen Ebenen des Militärs. Von Militärangehörigen, die ermächtigt sind, gegenüber anderen Soldaten Befehlsgewalt auszuüben, wird deshalb im besonderen Maße Gehorsam gegenüber den Befehlen ihrer zivilen Vorgesetzten verlangt. Sie sollen nie mehr sein als Beamte und Diener des Souveräns, d.h. Offiziere.27 Die politische Theorie des modernen Staates kennt folglich nur ein legitimes Verhältnis zwischen dem Souverän und seinen Offizieren: Die Offiziere und damit das gesamte Militär haben dem Souverän zu dienen. Ihre Handlungen sollen dem Primat der Politik unterliegen. Zugleich wird durch den Einsatz des Militärs selber Souveränität hergestellt. Es gilt als das äußerste Mittel, um die Macht des Souveräns zu erhalten und auszubauen.
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In der gesellschaftlichen Wirklichkeit ist die dauerhafte Anerkennung eines Dienstverhältnisses gegenüber der zivilen Führung durch die Soldaten ausgesprochen voraussetzungsreich. Warum gehorchen Menschen, die über Feuerwaffen verfügen, anderen Menschen, die nur Kugelschreiber in den Händen halten? Zumal dann, wenn Zivilisten von Bewaffneten verlangen, dass diese das Leben ihrer Untergebenen und womöglich ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen sollen? Samuel Finer hat in einer bedeutenden Studie darauf hingewiesen, dass wir es hier mit einem eigentlich ganz unwahrscheinlichen Phänomen – einem sozialen Wunder – zu tun haben (vgl. Finer 1988: 5). Die Festlegung des Militärs auf eine dienende Beziehung zur zivilen Führung beschreibt zweifelsohne eine Idealvorstellung. Die tatsächlichen Beziehungen zwischen politisch legitimierten Zivilisten und Soldaten können ganz anders aussehen und bewegen sich in einem Spektrum, das von Militärdiktaturen bis zur Marginalisierung, bewussten Schwächung oder teilweisen Entwaffnung von Armeen durch Zivilisten reicht. Dabei ist zu beachten, dass diesem Spektrum keineswegs eine eindeutige normative Skala des Wünschenswerten entspricht. Bekanntlich haben herrschende Zivilisten von Stalin bis Saddam Hussein wiederholt führende Offiziere hinrichten lassen, von denen sie befürchten mussten, dass sie ihr Ansehen für Putschversuche ausnutzen könnten. Nur die naivsten Anhänger der ›Zivilgesellschaft‹ dürften heute noch bereit sein, Soldaten und Zivilisten zwei unterschiedlichen moralischen Klassen zuzuordnen und allein den Zivilisten alle Tugenden der Demokratie zu gönnen. Die Aufgabe wird folglich nicht mehr nur darin gesehen, die politische Macht des militärischen Establishments zu zügeln. Ebenso wichtig ist es zu verhindern, dass sich zivile Politiker allzu sehr in militärische Angelegenheiten einmischen. Schließlich haben neue Spieler an Statur gewonnen, etwa Sicherheitsexperten, die für Bedrohungsanalysen zuständig sind, sowie die Medien, die auf dem Umweg über die Politik einen erheblichen Einfluss auf den Einsatz des Militärs ausüben können. Wegen der Unbestimmtheit der Beziehung des Militärs zur politischen Führung eines Staates ist es sinnvoll, statt von einem einzigen, als normal unterstellten Beziehungsmuster von vielfältigen Wechselbeziehungen auszugehen. Wechselbeziehungen zwischen der zivilen
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Führung und dem Militär sind an die Trennung von politischer und militärischer Macht gebunden. In einem ersten Schritt soll im Folgenden kurz auf die historischen Voraussetzungen eingegangen werden, die eine Trennung politischer und militärischer Macht ermöglicht haben. Anschließend sollen die institutionellen Maßnahmen genannt werden, die in der Regel ergriffen werden, um das ›Wunder des Gehorsams‹ zu vollbringen, von dem Samuel Finer spricht. Doch all diese Sicherungen sind, wie Militärputsche bis in die Gegenwart zeigen, keine absolute Gewähr, um gewaltsame Auflehnungen des Militärs gegen zivile Regierungen auszuschließen. Deshalb sollen Faktoren genannt werden, die eine gewaltsame Intervention des Militärs in die Politik der Zivilisten begünstigen oder erschweren. Politische und militärische Macht Von Wechselbeziehungen zwischen dem Militär und der zivilen Führung lässt sich erst dann im vollen Umfang sprechen, wenn es eine dauerhafte Organisation für bewaffnete Konfliktaustragungen gibt, die nicht nur ad hoc in Kriegszeiten aktiv wird. Sich unabhängig von einer akuten Konfliktsituation zu einen Kampfverband zusammenzuschließen, setzt wiederum voraus, dass es dieser Organisation möglich ist, auf ein gemeinschaftlich produziertes Mehrprodukt der Gesellschaft zur Versorgung des Kampfverbandes zurückzugreifen. Eine weitere Bedingung ist, dass die aus dem Zusammenschluss resultierende militärische Macht unterscheidbar ist von anderen sozialen Machtbeziehungen. Diese Unterscheidbarkeit fällt besonders in feudalen Gesellschaften schwer, in denen die politische Macht der Feudalherren kaum von ihrer Fähigkeit zu trennen ist, organisierte Gewalt auszuüben. Von einer Wechselbeziehung zwischen ziviler Führung und Militär kann man also erst dann sprechen, wenn die politische und die militärische Macht über jeweils eigenständige Organisationsressourcen verfügen. Politische Macht beginnt sich dann zu konsolidieren, wenn Menschen in soziale Interaktionsnetze eingebunden werden, denen sie sich nicht leicht entziehen können und die auf Dauer ausgerichtet sind. Die Institutionalisierung solcher Interaktionsnetze beinhaltet die Einschließung von Menschen in sozialen Räumen mit eindeutigen
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sozialen und territorialen Grenzen. Ein Merkmal politischer Macht ist, dass sie die Grenzen zwischen sozialen Gruppierungen verstärkt, während andere Formen von Macht – etwa ideologische oder wirtschaftliche Macht – solche Grenzen mühelos überwinden (vgl. Mann 1994: 53). Seit den ersten Städtegründungen der Sumerer sind Jahrtausende vergangen, in denen politische und militärische Macht nicht unterschieden waren. Der Satz »Alle politischen Gebilde sind Gewaltgebilde« (Weber 1976: 520) bedeutet, dass bewaffnete Verbände bei der Gründung früher Stadtstaaten und mehr noch bei den verschiedenen Reichsgründungen in der Geschichte immer wieder eine wesentliche Rolle spielten. Armeen bildeten sowohl das Rekrutierungsreservoir politischer Eliten als auch das Modell für die Organisation politischer Gemeinwesen. Erst wenn sich eine staatliche Elite formiert hat, die sich nicht mehr ausschließlich aus dem Militär rekrutiert und über andere Machtressourcen verfügt, können Wechselbeziehungen zwischen politischer und militärischer Macht entstehen. Nichtmilitärische politische Macht hat den großen Vorteil, dass sie die Beherrschungskosten senkt, weil sie nicht dauernd auf Gewaltmittel und die teure Unterhaltung einer bewaffneten, aber unproduktiven Macht zurückgreifen muss, sondern Legitimität genießt. Dadurch wird das Schwere – nämlich das Regieren großer Bevölkerungen – relativ leicht gemacht. Wechselbeziehungen zwischen Militär und nichtmilitärischer politischer Führung sind nicht ausschließlich ein modernes Phänomen. Sie sind vielmehr seit der Zeit der römischen Republik ein Thema (vgl. Chorley 1973: Kap. 1). Im römischen Staat teilten sich mehrere Patrizierfamilien die politische Herrschaft, die untereinander um Machtpositionen im Staat konkurrierten. Diese Konkurrenz ging einher mit Forderungen der Plebejer nach Machtbeteiligung. In gewisser Hinsicht kann man bereits von einem quasi-pluralistischen System der Machtbegrenzungen sprechen. Dieses System wirkte sich auch auf die Macht der Kommandeure der Armee aus. Sie gehörten ebenso wenig wie die einfachen Legionäre einem exklusiven bewaffneten Stand an, sondern waren gewählte Beamte und entstammten entweder einem Patrizier- oder einem führenden Plebejergeschlecht. Für zivile wie für militärische Ämter galt, dass sie bestimmten Beschränkungen unterlagen. Man wurde meist nur für die Dauer
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eines Jahres in ein Amt gewählt und es wurden mindestens zwei Amtsträger für eine Funktion bestimmt. Während diese Regelungen zunächst darauf abzielten, es weder einer Person noch einer Familie zu ermöglichen, eine überlegene Machtposition zu monopolisieren, so führten sie nebenbei auch dazu, dass die militärische Macht lange Zeit in zivile politische Entscheidungsprozesse eingebettet blieb. Dies wird deutlich an der Position der Feldherrn, die den obersten Beamten, den Konsuln, zufiel. Es handelte sich um ein kollegial besetztes Amt, dem sowohl militärische wie zivile Aufgaben oblagen. Auf den beiden Amtsinhabern lastete der Zwang, sich zu einigen, weil zwischen ihnen täglich das Kommando über die Armee wechselte. Dieses Führungsmodell ließ sich allerdings nicht mehr aufrechterhalten, als Rom unablässig in verschiedenen Ländern gleichzeitig Krieg führte. Das was wir heute als Militär bezeichnen, hat seine Wurzeln im Söldnerwesen, eine Institution, die sich seit dem 14. Jahrhundert in Europa allmählich und regional mit unterschiedlichem Tempo gegenüber dem feudalen Kriegswesen durchsetzte. Angeworben wurden die Söldner innerhalb der Bürgerschaften der Städte und unter den Familienmitgliedern der Feudalherren und deren Gefolge. Söldner waren dabei stets Fremde, die außerhalb des Sozialzusammenhangs der kriegführenden Partei standen. Nicht umsonst ist die Kritik am Söldnerwesen von Machiavelli bis heute immer hochpatriotrisch und manchmal auch fremdenfeindlich untermalt. Von je her war es gerade die Fremdheit und die befristete Präsenz der Angeworbenen, die sie für Kriegsparteien außerordentlich attraktiv machte. Mit der Anwerbung verfügten die Kriegsherren über zusätzliche militärische Schlagkraft, die sie nicht dauerhaft unterhalten mussten. Ferner bot die Anwerbung fremder Bewaffneter für die ansonsten kriegsverpflichteten Einheimischen eine erhebliche Entlastung insbesondere bei lang anhaltenden Konflikten. Auf diese Weise konnten politische und soziale Spannungen im Einzugsbereich der Kriegspartei gemildert werden. Die Idee war, Kämpfer gleichsam als Gastarbeiter zu engagieren, die man nach Belieben wieder loswerden konnte. In der Realität sah es allerdings so aus, dass man die Söldner oft keineswegs einfach abschieben konnte. Gerade wenn Söldner ihren Auftrag erfolgreich durchgeführt hatten, war die Gefahr groß, dass sie
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ungefragt blieben. Ob man die Antike oder das Mittelalter betrachtet oder man sich mit der Geschichte außereuropäischer Zivilisationen beschäftigt, immer wieder stößt man auf Berichte über Fremde, die die einheimische politische Elite zu entmachten drohten, nachdem man sie für Kriegszüge engagiert hatte. Die Gefahr der Machtübernahme durch Söldnerführer nahm erst ab, als die Territorialherren Truppen weit über das Maß hinaus, das einzelnen Privatpersonen möglich war, anwerben konnten. Kriegführen wurde im Laufe der Zeit immer kostspieliger, verlangte die Verfügung über beständige Einnahmen und Bonität gegenüber potenziellen Kreditgebern. All dies fehlte jetzt ›privaten‹ Kriegsunternehmern, die es noch allenfalls im Italien des 14. und 15. Jahrhunderts vermochten, gewaltsam ihre Auftraggeber von der Macht zu entfernen. Zwar hätte sich in den meisten der entstehenden Territorialstaaten des 16. Jahrhunderts ein kommandierender Truppenbefehlshaber an die Stelle eines fürstlichen Souveräns putschen können, doch waren seine Aussichten, sich dauerhaft in dieser Position zu halten, äußerst gering. Im europäischen Staatenbildungsprozess hatte nur diejenige Herrschaft Bestand, die es verstand, ohne beständigen Rekurs auf zusammengewürfelte bewaffnete Verbände Macht innerhalb eines Territoriums auszuüben. Neben schierer Gewalt wurden Legitimität und eine funktionierende Finanzverwaltung zu Schlüsseln der politischen Macht. Obendrein war die Aufstellung immer größerer Heeresverbände mit steigenden technischen und administrativen Ansprüchen an die Soldaten verbunden. Es bildete sich allmählich ein Offizierskorps heraus, der sich überwiegend aus dem Adel rekrutierte. Die im Dienst eines Territorialfürsten stehenden Offiziere einte jedoch jenseits ihrer sozialen Herkunft wenig, denn sie stammten meist aus verschiedenen Ländern. Dies minderte die Gefahr, dass das Offizierskorps gefährliche politische Ambitionen gegenüber dem Souverän entwickelte. Erst mit der Nationalisierung der Armeen im 19. Jahrhundert stieg die Gefahr, die vom vergleichsweise kosmopolitischen Offizierskorps für die politische Elite ausging, wieder an. Selbst nach dem Dreißigjährigen Krieg kann für lange Zeit noch nicht von einer echten Verstaatlichung des Militärs gesprochen werden. Genauer ist die Rede von einer gewissen Verherrschaftlichung im Sinne der zunehmenden Nähe der Soldaten zu den Herrschern (vgl.
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Burkhardt 1992: 223). Gleichwohl werden der Dreißigjährige Krieg und der Westfälische Friede zurecht als Wendepunkte genannt, da sich mit diesen Ereignissen die Interessenlage der Soldaten und Offiziere langsam zu verschieben begann. Mit der entstehenden Staatenordnung entstand nämlich ein Interesse am Frieden. Bis dahin hatten Bewaffnete stets ein genuines Interesse am Krieg, der als Broterwerb und Karrierepfad angesehen wurde. Im 20. Jahrhundert schließlich wird es nicht mehr unbedingt als Widerspruch empfunden, dem Berufsoffizier eine Abneigung gegen den Krieg und sogar eine gewisse »pacifist attitude« zuzuschreiben (Huntington 1957: 69). Dies muss die Offiziere freilich nicht daran hindern, sich gegenüber der politischen Führung und in der Öffentlichkeit für umfangreiche Aufrüstungen stark zu machen, die der eigenen Karriere und ihrem Prestige in der Gesellschaft förderlich sind.28 Das Wunder des Gehorsams In liberalen Demokratien ist das Militär ein Instrument der Politik. Soldaten mögen wie jede andere gesellschaftliche Gruppe die Politik der Regierung zu beeinflussen versuchen. Dieser Einfluss unterliegt jedoch Grenzen, da die höchsten Offiziere im Unterschied zu Gewerkschaftsführern oder anderen Verbandssprechern durch politische Mandatsträger berufen werden. In der Bundesrepublik können alle Berufsoffiziere vom Rang des Brigadegenerals an aufwärts jederzeit und ohne Begründung in den Ruhestand versetzt werden. Der amerikanische Präsident Truman hat den Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte, Douglas MacArthur, mitten im Koreakrieg gefeuert. Nicht minder wichtig ist die zivile Beschneidung der Kompetenz bei der Gestaltung der Militärorganisation, der Wahl des Wehrdienstmodells sowie der Entscheidung, wer befördert wird. Nicht nur die Ziele müssen von der Regierungspolitik durch Zivilisten formuliert, auch wesentliche Entscheidungen etwa über die Entwicklung und Beschaffung von Waffen müssen vom Parlament oder parlamentarischen Ausschüssen getroffen werden. Das all dies funktioniert, ist erklärungsbedürftig. Die wohl einflussreichste Begründung für eine erfolgreiche Trennung von Politik und Militär in der Demokratie gab Huntington in seinem Buch The
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Soldier and the State aus dem Jahr 1957, das bis heute zwanzig Auflagen erlebt hat. Darin unterscheidet der Politikwissenschaftler subjektive und objektive Kontrollmechanismen, die dafür sorgen, dass die Unterordnung bewaffneter Kräfte unter unbewaffnete Zivilisten dauerhaft Bestand hat. Subjektive Kontrolle beinhaltet die ideologische Indoktrinierung der Streitkräfte oder auch die Förderung von Rivalitäten zwischen den einzelnen Waffengattungen. Die frühere Sowjetunion ist hierfür ein Beispiel. Diese Strategie kann dazu führen, dass das Militär in den Kampf der Zivilisten um politische Macht hineingezogen und politisiert wird. Um dieser Gefahr vorzubeugen, setzt Huntington für reife liberale Demokratien auf die objektive Kontrolle des Militärs durch die Entwicklung eines eigenständigen Professionalismus der Soldaten. Die Professionalität des modernen Soldaten soll zweierlei leisten. Erstens soll sie die Unabhängigkeit des Militärs gegenüber den Zumutungen und dem Wertewandel der nichtmilitärischen Gesellschaft sowie der Politik sichern. Huntington plädiert für eine strikte Abgrenzung der Normen und Werte, die jeweils für die Lebenswelten von Zivilisten und Soldaten gelten. Die Zivilisten sollen die professionellen Eigenheiten der Streitkräfte respektieren. Das Offizierskorps wiederum hat sich gänzlich auf seine militärische Aufgabe der Verteidigung des nationalen Interesses gegenüber äußeren Feinden zu konzentrieren. Um diese Aufgabe zu erfüllen, muss es in einer eigenen Normenwelt leben dürfen, die Huntington (1957: 79) als pessimistisch, machtorientiert, nationalistisch, realistisch und konservativ charakterisiert. Solche Werthaltungen mögen für eine liberale Öffentlichkeit anstößig sein, jedoch nur Männer mit solchen Anschauungen könnten für die Sicherheit des Landes sorgen. Die Kehrseite dieser professionellen Unabhängigkeit ist zweitens die Dienstbarkeit des Militärs gegenüber der Politik. Im Lichte der militärischen Berufsethik sind das politische Engagement und die öffentliche Kommentierung von staatlichen Entscheidungen durch Soldaten unprofessionell. Die Verknüpfung von Unabhängigkeit und Gehorsam schien lange Zeit sowohl den Anforderungen der liberalen Demokratie als auch dem Selbstbild vieler Soldaten zu genügen, die in den Worten des Historikers John Keegan in einer eigenen Welt leben, die »parallel zur normalen Welt existiert, ohne ein Teil von ihr zu sein« (Keegan
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1993: xvi). Ungeachtet ihrer Eleganz wirkte Huntingtons Konzeption bereits in den sechziger Jahren etwas wirklichkeitsfremd; insbesondere schien es wenig geeignet, die vielen Konflikte zwischen Militär, ziviler Führung und nichtmilitärischer Gesellschaft zu erklären, die den Alltag liberaler Demokratien prägen. Ein liberales Gegenmodell stellte Morris Janowitz 1960 in The Professional Soldier vor. Janowitz sah die heterogener werdende soziale Zusammensetzung des Offizierskorps, die gestiegenen technischen Anforderungen an die Soldaten und die grundlegenden Vorbehalte einer demokratischen Gesellschaft gegenüber militärischen Ehrbegriffen als Quellen einer tief greifenden Verunsicherung im Selbstverständnis des Militärs. Diese Verunsicherung sei symptomatisch für den bloß fiktiven Charakter der Trennung ziviler und militärischer Lebenswelten. Janowitz plädierte ausdrücklich für eine Integration politischer Motive in das Professionsverständnis des Militärs. Soldaten sind in diesem Modell nicht nur ausführende Organe der Politik, sondern mitdenkende Bürger, die ihre Aufträge verstehen müssen, um sie angemessen ausführen zu können. Zudem dürfen die Werte des Offizierskorps nicht völlig losgelöst von der umgebenden liberaldemokratischen Gesellschaft bleiben. Die Offiziere mögen ein eigenes Verständnis von soldatischer Ehre pflegen, sie sind jedoch – anders als bei Huntington oder Keegan – zugleich Teil der zivilen Gesellschaft und ihres Werthorizonts (Janowitz 1960: 440). Die Namen Huntington und Janowitz stehen auch für die beiden zentralen Debattenbeiträge, die das Selbstverständnis der Bundeswehr geprägt haben. Generell stießen Huntingtons Überlegungen auf wenig Zustimmung. Die Ablehnung seines Professionalisierungsideals beruhte auf der historischen Erfahrung, dass die Weimarer Demokratie von den Berufsoffizieren der Reichswehr gerade nicht verteidigt wurde (vgl. Friedeburg 1966: 55). Auch der mangelnde Widerstand der Wehrmacht gegen die nationalsozialistische Diktatur fand in diesem Zusammenhang immer wieder Erwähnung. Die Anknüpfung an ein Modell des Militärs, das sich als politikfern verstand, schien ungeeignet für die Bundeswehr zu sein, in deren Offizierskorps noch zahlreiche ehemalige Wehrmachtoffiziere Dienst taten. Favorisiert wurde stattdessen das Konzept von Janowitz, das in der Formel vom ›Staatsbürger in Uniform‹ eine bundesdeutsche Übersetzung fand. Das
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Ergebnis dieser Diskussion waren zahlreiche gesetzlich verankerte Rechte von Soldaten, vom aktiven wie passiven Wahlrecht für Soldaten über die Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit bis hin zur Beschränkung der Machtbefugnisse der Vorgesetzten gegenüber den Untergegebenen. Akademische Studiengänge für Offiziere und die obligatorische Teilnahme am staatsbürgerlichen Unterricht sollten sicherstellen, dass weder Offiziere noch Mannschaften den Anschluss an die Entwicklung der nichtmilitärischen Gesellschaft verpassten. Allerdings sind die weitgehenden pädagogischen Ambitionen der frühen siebziger Jahre heute einer pragmatischeren Orientierung an militärischer Effizienz gewichen. Für den Militärdienst lassen sich vor allem Jugendliche motivieren, die im Vergleich zu Bevölkerung eher konservativ sind. In Deutschland vertreten darüber hinaus Offiziersstudenten, also zukünftige Truppenführer, manchmal Auffassungen, die, wie es in einer Studie der Bundeswehrhochschule Hamburg höflich ausgedrückt wird, »nicht in jeder Hinsicht mit den demokratischen Prinzipien und Spielregeln zu vereinbaren sind« (Bonnemann/Posner 2001: 32). Die Gefahr des Militärputsches Armeen stehen häufig in Traditionen, die älter sind als die Nationalstaaten, mit denen sie aufs Engste verbunden sind. Der institutionelle Glaube an solche über den empirischen Staat hinaus weisenden Traditionslinien hat immer wieder dazu geführt, dass zivile Regierungen entweder von Militärs in Putschen beseitigt oder aber ihren inneren Feinde ausgeliefert wurden. Die jüngere Geschichte Lateinamerikas bietet reichlich Anschauungsmaterial für die erste Tendenz, für die nicht zuletzt bestimmte Begriffe sozialer Ehre in der Tradition der spanischen Armee verantwortlich sind (vgl. Best 1982: 58), während das Verhalten der deutschen Reichswehr in der Weimarer Republik ein Beispiel für die zweite Tendenz ist. Üblicher als Putsche sind Interventionen, die nicht auf dem Einsatz von Gewalt beruhen. So handelt das Militär häufig im Rahmen einer »legalisierten Insubordination« (Finer 1988: 130) als Lobbyist gegenüber der Politik. Geschwächt oder beseitigt wird die zivile Führung, wenn Offiziere umfangreiche Möglichkeiten haben, die Höhe
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des eigenen Budgets festzulegen, über militärische Karrieren und die Rekrutierung neuer Soldaten zu entscheiden oder sogar die Besetzung von Schlüsselpositionen in der Regierung zu beeinflussen. In der Türkei oder Chile sind solche Machtbefugnisse Folge vorangegangener Militärputsche, in denen sich das Militär auch für die Zeit nach der Rückgabe der Macht an die Zivilisten einen steten Einfluss gesichert hat. Im nachkommunistischen Russland sitzen zahlreiche Offiziere in den Parlamenten, die ihre ehemalige Herrschaftsnähe auch unter den neuen Bedingungen in politische Vorteile ummünzen konnten. Parlamentssitze und andere institutionalisierte Einflusschancen sichern dem Militär einen Anteil an der politischen Macht, ohne dass mit dem Einsatz von Truppen gedroht werden muss. Die Neigung des Militärs, darüber hinaus gewaltsam in die von Zivilisten bestimmte Politik einzugreifen, wird durch verschiedene Faktoren bestimmt, die teils struktureller Natur sind, teils auf Schwächen der Regierungsorganisation beruhen. Die Liste der Ursachen von Putschgefahren ist lang. Die Klassenzusammensetzung des Offizierskorps spielt ebenso eine Rolle wie die Größe der Armee und die Frage, ob es eine Tradition von Putschen gibt, die sich in den Ehrbegriffen und Erzählungen der Soldaten spiegelt. Ausschlaggebend können auch Niederlagen in Kriegen oder nationale Bedrohungslagen sein, deren Bewältigung und Verarbeitung den Zivilisten nicht zugetraut wird. Das wichtigste Bollwerk gegen die politische Machtübernahme durch die Streitkräfte bilden jedoch die moralischen Haltungen und freiwilligen Institutionen der nichtmilitärischen Gesellschaft. Der Kapp-Putsch im Jahr 1920 in Deutschland scheiterte nicht nur an der Weigerung der Mannschaften, auf Zivilisten zu schießen, sondern auch an der Weigerung vieler Behörden und der Gewerkschaften, mit den Offizieren zu kooperieren. In einer »reifen politischen Kultur«, wie Samuel Finer sagt, ist es somit letztlich der zu erwartende Ungehorsam der Masse der Zivilisten im Falle eines Putsches, der das Wunder des Gehorsams der Soldaten gegenüber der zivilen Führung befördert.
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II Das Militär der Gesellschaft. Einige neuere Trends
Militärische Arbeit und Professionsethiken In Europa haben patriotische Gefühle lange Zeit den sozialwissenschaftlichen Blick auf soldatische Tätigkeiten und militärische Einrichtungen verstellt und diese mit einem Überschuss an Sinn versehen. Auf der anderen Seite waren stets auch solche Deutungen am Werk, die sämtliche militärische Praktiken auf sinnlose Gemetzel reduzierten, bei denen es nichts zu analysieren gäbe. Beide Tendenzen haben eine nüchterne Betrachtung unmöglich gemacht. Um neben dem Krieg selbst, über den seit Menschengedenken räsonniert wird, das Militär und die Soldaten für die Sozialwissenschaften sichtbar zu machen, waren daher große Schübe sowohl der Entzauberung wie auch der Entdämonisierung nötig. Entzauberung und Entdämonisierung erreichten ihren Höhepunkt in den sechziger und siebziger Jahren mit der Anwendung des Arbeitsbegriffs auf militärische Tätigkeiten. So nutzte Wido Mosen (1967), damals Mitarbeiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, den Arbeitsbegriff für eine Neuerschließung des militärischen Handlungsfeldes jenseits des aus seiner Sicht ideologischen ›Dienst‹-Begriffs. Mosen konnte sich dabei auf einzelne Äußerungen Max Webers berufen, der bereits die »grobe Kriegsarbeit des gemeinen Soldaten« erwähnt hatte (Weber 1976: 566) sowie auf die Militär-
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geschichtsschreibung, etwa von Hans Delbrück, in der die Vorstellung, dass der Soldat mit seiner Waffe arbeitet, ohnehin geläufig war. Die Ausdehnung des Arbeitsbegriffs auf militärische Institutionen und Praktiken erfüllte drei Aufgaben. Erstens normalisierte diese Begriffsstrategie das Militär zu einer gesellschaftlichen Institution neben anderen, die – um im Jargon der damaligen Zeit zu sprechen – ebenso wie andere Institutionen von allerhand ›Widersprüchen‹ durchzogen war. Nebenbei wurde außerdem der ›Bürger in Uniform‹ als Arbeiter in Uniform enttarnt, der für fremde Zwecke litt oder andere leiden ließ. Zweitens öffnete der Arbeitsbegriff die Sicht auf mutmaßlich ungerechte Hierarchien und Autoritätsstrukturen im Militär sowie auf mögliche Ansätze einer Demokratisierung militärischer Strukturen. Drittens schließlich versprach der Arbeitsbegriff, den vagen Sammelbegriff ›Moral‹ des Soldaten, der schon Morris Janowitz nicht geheuer war, in seine Bestandteile zu zerlegen. Statt von Moral war nunmehr von Ideologie, Disziplinierung oder Entfremdung im Militär die Rede. Einen wichtigen Beitrag zu diesem Diskussionsstrang hat Hans Pongratz in einer leider nicht publizierten Studie unter dem Titel Kampf im Krieg als Arbeit (1983) vorgelegt. Der Industriesoziologe reizt darin das Anregungspotenzial der Analogie von Arbeit und Kampf, Betrieb und Militär bis zu einem Punkt aus, an dem zugleich die Grenzen dieser Analogie deutlich werden. Ähnlich wie Mosen und andere zeigt er, dass technische Innovationen im Militär ebenso wie in Unternehmen die funktionale Struktur der Organisation verändern. Stetig sinkt der Anteil der unmittelbaren ›Produzenten‹ im Verhältnis zu einer wachsenden ›Mittelschicht‹ der Intelligenz. Dadurch geraten überkommene Autoritätsgefüge ins Wanken. Parallel zu dem, was in Unternehmen geschieht, gewinnen im Militär eigenverantwortliche kleinere Gruppen an Bedeutung, die mit Mörsern, leichten Maschinengewehren und Granaten (und neuerdings Laptops, Videokamaras usw.) bewaffnet sind. Insbesondere die infanteristische Kampftätigkeit mag in diesem Sinne als ein ›Kampfarbeitsprozess‹ in Analogie zur Arbeit von zivilen Betriebsangehörigen aufgefasst werden. In der Kriegsarbeit fallen zudem Arbeit und Interaktion zusammen. Auf der anderen Seite gilt freilich, dass sich im Gegensatz zur modernen Arbeit die militärische Tätigkeit in dem Maße, wie sie sich
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dem Kampf nähert, durch die Unmöglichkeit der vollständigen Berechnung ihrer Wirkungen und die Unwägbarkeit einer Vielzahl von Zufällen auszeichnet (vgl. Pongratz 1983: 17). Aus diesem Grund ist die Teilnahme an kriegerischen Handlungen oder auch nur ihre physische Nähe außerordentlich gefährlich. Zwar haben westliche Soldaten beispielsweise gegen die gesundheitsschädlichen Nebenfolgen von urangehärteter Munition oder bleihaltigen Textilfasern in Zelten protestiert und damit zivile Standards des Arbeitnehmerschutzes einzuklagen versucht. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Gefahr für die Effektivität militärischen Handelns konstitutiv ist, während sie in industriellen Arbeitsprozessen mehr und mehr zu einer versicherungstechnischen Restgröße schrumpft. Auch der Einsatz modernster Technik ändert nichts daran, dass die Ergebnisse kriegerischer Interaktion nicht vorhersehbar sind. Wäre dies der Fall, gäbe es keine Kriege mehr, da die unterlegene Seite um ihre Chancenlosigkeit wüsste und keinen Grund hätte zu kämpfen. Wo es jedoch keinen Widerstand gibt, gibt es auch keinen Kampf und folglich keinen Krieg. Der Gegensatz von ziviler und militärischer Arbeit ist schließlich auch daran zu erkennen, dass die militärische Tätigkeit, auch wenn sie an materielle Produktionsprozesse angebunden ist, nicht in derselben Weise wie die industrielle Arbeit auf bestimmte Orte beschränkt bleibt.29 Im Gegenteil: Das Militär der modernen Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass es seinen Wirkungsraum auf alle natürlichen Elemente einschließlich des Weltraums und der Tiefsee ausdehnt. Der ›Militarismus‹ mag eine historisch obsolete Form des Übergriffs militärischer Institutionen auf die Restgesellschaft sein; die ›Militarisierung‹ des Naturverhältnisses moderner Gesellschaften geht jedoch weiter und dringt in immer neue Dimensionen vor. Wenngleich der Arbeitsbegriff nützlich ist, weil er die moralistischen Verkürzungen außer Kraft setzt, die das militärische Handeln lange Zeit auf die punktuellen Akte des Tötens und Sterbens im Krieg reduziert haben, zeigen sich somit deutliche Grenzen einer einfachen Übertragung betriebssoziologischer Konzepte auf militärische Institutionen und Praktiken. Vor dem Hintergrund der Schwächen des Arbeitsbegriffs sind daher Überlegungen einflussreich geworden, die – im Anschluss an Alfred Vagts, Samuel Huntington, Morris Janowitz und Bengt Abrahamsson – den professionellen Charakter der modernen
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soldatischen Tätigkeit hervorheben.30 Unter Professionen versteht die Soziologie institutionalisierte Praxisformen, die ein abstraktes, feldspezifisches Expertenwissen ausbilden und tradieren, das auf jeweils wechselnde Umstände angewendet und auch obsolet werden kann. Professionen kontrollieren formale Ausbildungs-, Leistungsund Rekrutierungsstandards und gewährleisten die persönliche Identifikation ihrer Praktiker mit einer beruflichen Sonderkultur. Sie entwickeln ein jeweils besonderes Wissen für eine besondere Klasse von Problemen. Dies impliziert eine gewisse Autonomie gegenüber externen Regelungsansprüchen sowie eine spezifisch ethische Komponente. Wenn das Militär eine Profession wie jede andere ist, dann erscheint die ›Gesellschaft‹ als Klient des Militärs. Das Militär wiederum wird in diesem Licht zu einem monopolistischen Dienstleister, der für den Schutz der politisch organisierten Gesellschaft sorgt und sich das Vertrauen dieser Gesellschaft verdienen muss. Der große Vorteil des Professionsbegriffs liegt zunächst darin, dass er die Besonderheiten des Soldatenberufs ebenso berücksichtigen kann wie die Gemeinsamkeiten dieser sozialen Gruppe mit anderen Gruppen. Soldaten sind Profis wie Ärzte, Anwälte oder Hochschullehrer, und doch ist ihre Tätigkeit, wie Richard Gabriel schreibt, »anthropologically different from other tasks and occupations« (Gabriel 1982: 82; unsere Herv.). Ein Gefecht ist etwas anderes als ein turbulentes Meeting, ein riskantes Aktiengeschäft oder ein angeblich alles entscheidendes Personalgespräch unter zivilen Betriebsangehörigen. Ein professionstheoretischer Ansatz erlaubt es jedoch, auch die ›anthropologische Differenz‹ der soldatischen Praxis in das Gefüge der normalen Gesellschaft zu integrieren, ohne die überzogenen Geltungsansprüche des traditionellen Soldatentums zu bestätigen. Besonders in den USA ist immer wieder auf die Unvereinbarkeit militärischer Effektivität mit den vorprofessionellen Werten des traditionellen Militarismus hingewiesen worden. Der Militarismus wird nach dieser Lesart vom Professionalismus abgelöst, der nun seinerseits durch bestimmte Entwicklungstrends einer nach-militärischen Gesellschaft bedroht wird. So listet Gabriel in einer viel beachteten Studie folgende Bedrohungen für die Profession des modernen Soldaten auf: die unkritische Übertragung von betriebswirtschaftlichen Managementmethoden auf die Streitkräfte seit der Amtszeit des ehemaligen US-Verteidigungs-
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ministers Robert McNamara, die Bürokratisierung und technologisch bedingte Überspezialisierung militärischer Tätigkeiten, eine ›unprofessionelle‹ Jobmentalität sowie ethische Haltungen wie den Existenzialismus (vgl. Gabriel 1982: 94-97). Jobmentalität und Existenzialismus bilden die entgegengesetzten Pole einer ›unprofessionellen‹ Haltung. Die Jobmentalität ist unprofessionell, da sie ein rein instrumentelles Verhältnis zur jeweiligen Tätigkeit pflegt, während der Existenzialismus auf das Erlebnis der physischen Überwältigung des anderen aus ist. Die Jobmentalität ist unangemessen, weil sie mit den dramatischen Nebenfolgen des kriegerischen Handelns ebenso wenig fertig wird wie mit Kontrahenten, die keineswegs nach dem Jobprinzip handeln. Bei Fragen auf Leben und Tod würde die Mentalität von Jobbern und Zeitarbeitern die ohnehin bestehenden Gefahren in einer Kampfzone dramatisch vermehren. Zugleich muss festgestellt werden, dass unter Soldaten die gängige Rede vom ›Job‹, der zu ›erledigen‹ sei, eine wichtige Entlastungsfunktion hat. Existenzialistische Haltungen signalisieren demgegenüber einen Versuch der Anpassung an das Kriegsgeschehen im Sinne einer Flucht nach vorn. Kriegsteilnehmer, die sich über lange Zeit in Extremsituationen befinden, laufen Gefahr, sich kein ziviles Leben jenseits des Krieges mehr vorstellen zu können. Während der Jobber spätestens unter realen Gefechtsbedingungen ein Problem bekommt und selbst zum Problem wird, ist der Existenzialist außerhalb des Gefechtsfelds und nach dem Krieg eine Last und manchmal eine Gefahr für die Heimatgesellschaft. Generell lassen sich die Bedrohungen des Soldatenberufs in zwei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe von Gefahren geht von der nichtmilitärischen Gesellschaft aus, die das Militär mit sachfremden Organisationsmodellen überzieht. Dazu gehören Bürokratisierung und Überspezialisierung. Eine zweite Gruppe von Faktoren führt zur Erosion militärischer Institutionen, indem die Angehörigen der Streitkrafte unangemessene Motivationsmuster und ethische Einstellungen entwickeln. Beide Felder hängen insofern eng miteinander zusammen, als die Durchsetzung von Managementmethoden – Anreize, Bonussysteme, Outsourcing usw. – die Motivation der einzelnen Soldaten formt. Umgekehrt müssen militärische Institutionen auf
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veränderte Auffassungen von Ehre und Erfolg, Gewalt und Moral in der weiteren Gesellschaft reagieren, wollen sie nicht Gefahr laufen, zu versteinern und ihren Professionsanspruch gegenüber der Gesellschaft der Zivilisten zu verlieren. In Anlehnung an diese Unterscheidung zwischen zwei Sorten von Reibungen – solche zwischen militärischen Institutionen und zivilen Organisationsmodellen, und solche zwischen militärischen Institutionen und soldatischer Subjektivität – möchten wir im Folgenden zwei zentrale Fragen der akademischen wie auch der professionsinternen Diskussion kurz beleuchten. Erstens: Welche Rolle spielen die spezifischen motivationalen Ressourcen des Soldatenberufs für die Stabilität militärischer Institutionen und die Effektivität militärischer Machtausübung im Verhältnis zu wirtschaftlichen oder technologischen Faktoren? Und zweitens: Wie werden die subjektiven Handlungsvoraussetzungen militärischer Akteure in umfassendere Professionsethiken eingebunden, die mäßigend auf das Gewaltpotenzial moderner Streitkräfte wirken, ohne im Ernstfall die Effektivität dieser Institution zu gefährden? Technisierung und ›Zivilisierung‹ Bevor die Folgen der Übernahme ziviler Organisationsmodelle im Militär diskutiert wurden, kam es zu einer radikalen Infragestellung des Militärs überhaupt, dessen Anspruch auf die Produktion des Kollektivguts ›nationale Sicherheit‹ bestritten wurde. So hat in den siebziger Jahren Norman Dixon (1976) unter dem Eindruck des Vietnamkriegsdebakels und in Anlehnung an das Konzept der »autoritären Persönlichkeit« die Frage aufgeworfen, ob nicht das Militär selbst eine sachfremde Organisation sei, die der nationalen Sicherheit eher schade als diene. Nach Dixon reproduziert sich das Militär durch Prozesse negativer Selektion, in denen überangepasste, ich-schwache Individuen mit eingeschränktem Urteilsvermögen in zentrale Entscheidungspositionen gebracht werden. Die Streitkräfte produzieren systematisch ›Inkompetenz‹ und untergraben damit die Effektivität der eigenen Operationen und letztlich ihre Stellung in der Gesamtgesellschaft. Von diesem provokanten Urteil wird lediglich die bürgernahe israelische Armee ausgenommen, die Dixon »civilianized« nennt, weil sie die
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Verfestigung autoritärer Strukturen verhindere und gerade dadurch ungewöhnlich effektiv handeln könne (ebd.: 349). Dieser Kritik an der Selbstgefährdung militärischer Institutionen durch die systematische Rekrutierung unfähiger Individuen ist später mit einem ›risikosoziologischen‹ Argument begegnet worden. Während Dixon die individuelle Inkompetenz von Offizieren hervorhebt, haben Eliot Cohen und John Gooch (1990) erstens gezeigt, dass kompetente Professionals in modernen Armeen durchaus verbreitet sind, und zweitens, dass auch diese Gruppen ungeachtet ihrer Kompetenz immer wieder folgenschwere Fehlentscheidungen treffen. Einige Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl entdecken Cohen und Gooch eine Parallele zwischen militärischen Niederlagen und industriellen Unfällen, die beide weniger auf subjektive Inkompetenz als auf überkomplexe Situationen zurück zu führen seien.31 Kriege teilen mit den riskanten Hochtechnologien die Eigenschaft, nicht besonders fehlerfreundlich zu sein. Weder sind Armeen dazu verdammt, Inkompetenz systematisch zu züchten, noch führen verbesserte technische Ausstattung und Logistik zu einer Verringerung der Ansprüche an das Urteilsvermögen von militärischen Entscheidungsträgern. In der Nachfolge von Dixon lautete die paradoxe Devise gewissermaßen: »Von den Zivilisten (und den Israelis) lernen, heißt siegen lernen.« Die Übernahme von zivilen Organisationsmustern und Berufsbildern durch das Militär galt als unproblematisch und sogar als nützlich für das Militär selbst. Cohen und Gooch dagegen sahen verwandte Selbstgefährdungstendenzen sowohl im zivilen wie im militärischen Bereich und plädierten für schonungslose Fehleranalysen und eine Steigerung des Lernpotenzials in beiden Bereichen. Diese Diskussionen sind inzwischen in umfangreiche Kontroversen um die Rolle der Technik für die militärische Effektivität und die Bedeutung des Vordringens ziviler Tätigkeiten im Militär gemündet. Komplizierte Technologien waren im Militär immer schon kontrovers, besonders in Europa, wo sich bis zum Zweiten Weltkrieg »Pferdeliebhaber« und »Flugzeug-Freaks« unversöhnlich gegenüber standen (vgl. Kier 1997). Noch heute und selbst im technophilen Amerika gibt es in der Frage der Technikbewertung Streit, der in jüngster Zeit auch unmittelbar politische Züge angenommen hat. So glaubten noch vor
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kurzem einzelne Beamte des unter Donald Rumsfeld außerordentlich technologiefixierten US-Verteidigungsministeriums ernsthaft, dass Amerika eines Tages Kriege vom Festland und von schwimmenden Festungen aus führen könnte, ohne überhaupt Soldaten ins Ausland schicken zu müssen. Solchen politisch folgenreichen Fantasien treten Militärforscher mit dem Hinweis entgegen, dass die Beziehung zwischen neuen Technologien und militärischer Effektivität bisher nicht systematisch untersucht worden ist. Die Beschränkung auf technische Lösungen unterschätzt die bleibende Bedeutung taktischer Fertigkeiten. Zudem birgt sie die Gefahr, dass neue Waffenplattformen sowie Ideen über ihre Nutzung selbst zu einem ›kulturellen‹ Faktor werden, der das Bild künftiger Konflikte in einseitiger und realitätsfremder Weise formen könnte.32 Das Übergewicht technologischer Systeme hat weiterhin zur Folge, dass sich der Trend zur Konvergenz von militärischen und zivilen Handlungsfeldern verstärkt, und zwar nicht im Sinne einer ›militaristischen‹ Anpassung des Zivillebens an die Gepflogenheiten des Militärs, sondern umgekehrt einer Einverleibung ziviler Berufe und Orientierungen in die militärische Organisation. Vor allem drei Bereiche der Konvergenz werden immer wieder genannt. Erstens mehren sich strukturelle Ähnlichkeiten zwischen Rekrutierungs- und Karrieremustern in beiden Bereichen, die auch einen Wechsel zwischen ihnen erleichtern. Zweitens tauchen dynamische Ähnlichkeiten auf, insofern beide Bereiche denselben Kräften z.B. einer zunehmenden Vermarktlichung ausgesetzt sind. Drittens schließlich kommt es möglicherweise zu einer Annäherung von Ideologien und normativen Erwartungen zwischen Militär und nichtmilitärischer Gesellschaft. Während all dies zu den Schwierigkeiten des Militärs beiträgt, ein distinktes Selbstbild gegenüber der übrigen Gesellschaft aufrecht zu erhalten, wird umgekehrt die Stabilisierung eines Sonderbewusstseins unter den Soldaten durch lang anhaltende Auslandseinsätze gefördert. Gleichgültig ob etwa in Deutschland die Wehrpflicht beibehalten wird oder nicht, geht von diesen Einsätzen eine Stärkung des Berufssoldatentums aus, weil allein die Dauer der Einsätze gegen die Verwendung von Grundwehrdienstleistenden spricht. Die räumliche Entfernung zwischen Entsenderstaat und Einsatzort, verbunden mit einem Leben in anderen, oft extremen kulturellen und sozialen Verhältnissen sowie
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der Gefahr, physisch angegriffen zu werden, begünstigen die Neigung, den Soldatenberuf als etwas ganz Besonderes zu begreifen. Hinzu kommt das Moment der persönlichen Opferbereitschaft, das im Selbstverständnis der Soldaten an Bedeutung gewinnt, sobald der Dienst ihnen schwerwiegende Belastungen auferlegt.33 Ungeachtet dieser nahe liegenden Deutungsleistungen ist die zivilistische Überformung des Militärs an zahlreichen Symptomen zu erkennen, nicht zuletzt daran, dass der Anteil unmittelbar kampfbezogener Verwendungen in modernen Armeen immer mehr zugunsten anderer Anteile sinkt. Während des amerikanischen Bürgerkriegs hatten noch über 92 Prozent der Truppen unmittelbar kampfbezogene Aufgaben (vgl. Kellett 1987: 208f.). Heute sind nach Angaben des US Transportation Command nur noch etwa 60.000 Soldaten für konventionelle Kampfrollen vorgesehen, während 470.000 Soldaten in unterschiedlichen Logistikfeldern arbeiten. In der Luftwaffe ist das Verhältnis 16.000 zu 360.000. Der tägliche Bedarf eines US-Soldaten in einer Kampfzone (Nahrung, Wasser, Munition, Ausrüstung, Treibstoff) wiegt etwa 400 (angelsächsische) Pfund, die von Versorgungsschiffen und Lastwagen bewegt werden müssen. Während der ersten drei Wochen des Aufmarsches vor dem Golfkrieg 1991 hat die Armee mehr Truppen und Gerät bewegt als in den ersten drei Monaten des Koreakriegs. Die ungeheuren Mengen von Personen und Gütern, die bei jedem Krieg transportiert werden müssen, verdeutlichen auch das Maß, in dem konventionelle Funktionsdisziplin an die Stelle archaischer Konzepte von Haltungsdisziplin getreten ist. Grobe Schätzungen für den ersten Golfkrieg belaufen sich auf rund 10 Millionen Tonnen Nachschub. Das entspricht etwa dem Gewicht aller Gebäude in den Innenstädten von Atlanta oder Frankfurt am Main einschließlich ihrer Einwohner, Autos und Kühlschränke. Kein Wunder, dass der Nachvollzug der Güterströme – supply tracking – inzwischen als ein echtes Problem gilt. In der kurzen heißen Phase des Afghanistankrieges wussten viele Kommandeure vor Ort nicht genau, ob sie über die notwendige Ausrüstung verfügten, um bestimmte Gefechtspläne durchzuführen. Die genannten Trends begünstigen möglicherweise eine zivilere Selbstdeutung des Militärs im Sinne des Plädoyers von Norman Dixon, wenngleich sie gewiss nicht eine automatische Verstärkung der
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Abneigung gegen Kriege fördern. Unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten werden in diesem Zusammenhang auch Selbstgefährdungstendenzen des Militärs diskutiert. Erstens bietet die wachsende Abhängigkeit von empfindlichen Technologien und erdumspannender Logistik neue Flanken für ›asymmetrische‹ Angriffe. 95 Prozent der militärischen Kommunikation läuft über öffentliche Netze. Mehr noch als der Luftraum sind Meere und Häfen eine schwer zu überwachende Nachschubbasis für die US-Streitkräfte sowie für die USA überhaupt. Zweitens geht die massive Ausweitung von militärischen Tätigkeiten, die nicht unmittelbar kampfbezogen sind, einher mit der Teilprivatisierung militärischer Dienstleistungen, die neue Probleme aufwirft (siehe das Kapitel Entstaatlichung und Verpolizeilichung). Eine Hauptsorge besteht vor allem darin, dass privatwirtschaftliche Effizienzkriterien und die von ihren Verfechtern genährten Illusionen über die Berechenbarkeit militärischen Handelns die Oberhand gewinnen könnten. Ein prominenter Praktiker hat die Kritik an der Vermarktlichung des Militärs wie folgt zusammengefasst: »Military operations should not be run like businesses, which have predictable requirements and aim to minimize the costs of meeting them. Combat, especially land combat, is one of the most unpredictable of human activities« (Clark 2003: 52). Ethische Normierung des Kampfverhaltens Die jüngere industriesoziologische Diskussion um die ›Subjektivierung von Arbeit‹ (vgl. Voswinkel 2002) findet einen Vorläufer in der Militärsoziologie, in der die Forderung nach einer stärkeren Orientierung am Subjekt seit den frühen achtziger Jahren erhoben worden ist (vgl. Seifert 1996). Die erwähnte Arbeit von Pongratz verknüpfte den Arbeitsbegriff noch einseitig mit Vorstellungen radikaler Entsubjektivierung, indem sie die Soldaten »zu formbarem, verschleißbarem und ersetzbarem Material« erklärte und einen »unbedingten Verfügungsanspruch des Betriebs« unterstellte (Pongratz 1983: 40). Inzwischen haben sich jedoch sowohl die Militärsoziologie als auch der militärische Betrieb selbst von einer solchen Arbeitsauffassung gelöst. Wenngleich sich das Militär zu seinen Angehörigen als ›gierige Institution‹ im Sinne von Lewis Coser verhält, hat sich die Einsicht durchgesetzt,
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dass die Kampfbereitschaft, Aggressivität und Umsicht moderner Soldaten nicht als gegeben vorausgesetzt und erst recht nicht befohlen werden können. Eine gleichsam tayloristische Armee, die ihre Angehörigen als extern angetriebene Zahnrädchen einer großen Maschine behandeln würde, wäre nicht in der Lage, moderne Kriege zu gewinnen, geschweige denn, neuere Aufgaben z.B. im Bereich der bewaffneten Friedenssicherung zu übernehmen. »Die Soldaten der Zukunft«, so der kanadische General Roméo Dallaire, »werden nicht mehr nur aus Erfahrung lernen. Sie sind Intellektuelle, Anthropologen, Soziologen (!)« (Dallaire 2004). Auch das US-Verteidigungsministerium nimmt sich vor, verstärkt ›denkende‹ Truppen auszubilden und die Soldaten aus ihrer nicht selbst verschuldeten Unmündigkeit zu entlassen.34 Die Entdeckung der Subjektivität des Soldaten schafft die Voraussetzung für ein weiteres Untersuchungsgebiet, nämlich die Wirkung neuer, häufig transnationaler professionsethischer Normen auf die Kriegführung. In einem weiten Sinn kann man die Annäherung militärischer an zivile Berufsbilder und das Auseinandertreten von Funktions- und Haltungsdisziplin als einen Vorgang der ›Zivilisierung‹ beschreiben. Davon zu unterscheiden ist eine engere, moralisch gehaltvolle Bedeutung von Zivilisierung, nämlich der Prozess der Normierung von Kampfhandlungen durch quasi-polizeiliche oder humanitäre Regeln. Solche Normierungsprozesse (sowie ihr Scheitern) gehören zweifellos zu den aufregendsten Gegenstandsfeldern einer kritischen Militärforschung. Jüngere Militärforscher bezeichnen die Übersetzung des rechnerischen Kampfpotenzials einer Gesellschaft in reale Kampfkraft als einen kulturellen Vorgang (vgl. Farrell 2004). Erst recht sind offenkundig die konkreten Äußerungsformen dieser Kampfkraft einer kulturellen und moralischen Normierung zugänglich. Die israelische Armee verfügt sogar über eine in den moralischen Grundlagen des Staates verankerte Doktrin der ›Reinheit der Waffen‹ – tohar haneshek –, die mäßigend auf die Soldaten wirken soll und deren gelegentliche Verletzung die verantwortlichen Offiziere in große Legitimationsschwierigkeiten bringen kann. Es ist wichtig zu sehen, dass Normen, die sich restriktiv auf die Kriegführung auswirken, keineswegs immer als extern oktroyierte Hindernisse angesehen werden, sondern bis zu
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einem gewissen Punkt durchaus mit dem professionellen Selbstbild moderner Soldaten korrespondieren. »Soldiers don’t want to see themselves as indiscriminate killers«, formuliert der Direktor des US Army War College (Crane 2003). Gelegentlich werden Soldaten sogar aufgefordert, am Ende des Tages in den Spiegel zu schauen, um sich darin als »Menschenrechts-Professionals« (Ignatieff 2003a: 16) wiedererkennen zu können. Normen leisten mehr als lediglich das Handeln von Soldaten zu regeln oder zu legitimieren; vielmehr tragen sie zur Konstitution der Akteure selbst bei.35 Moralische Standards in bello setzen allerdings voraus, dass die zivile politische Führung eindeutige militärische Ziele vorgibt. Inkonsistente oder ungenau definierte Ziele machen es unmöglich, eine Strategie zu entwickeln, die überhaupt einer moralischen Beurteilung zugänglich ist. Nur von den Zielen her lässt sich beurteilen, ob die vorhersehbaren Opfer unter Kombattanten und Zivilisten in einem wie auch immer umstrittenen Sinne ›angemessen‹ und ›notwendig‹ sind. In der Offiziersausbildung wird die Verletzung solcher Angemessenheitskriterien breit diskutiert, und in den USA werden sogar Kriegsverbrecherprozesse simuliert, um auf die moralischen Überzeugungen der Rekruten einzuwirken oder um diejenigen, deren moralische Gesinnung schwankend ist, wenigstens abzuschrecken (vgl. Swift 2001). Vor dem Hintergrund undeutlicher Kriegsziele wird auch verständlich, dass bestimmte ›humanitäre‹ Interventionen wie der Einsatz im Kosovo für Frustration in den Reihen des Militärs gesorgt haben, weil nämlich die politischen Zielvorgaben ungenau und inkonsistent waren. Damit entfiel die Möglichkeit, die Proportionalität einzelner Kriegshandlungen moralisch zu beurteilen. All dies heißt natürlich nicht, dass es keine Spannung zwischen der Professionsethik moderner Militärs und den Normen der nichtmilitärischen Gesellschaft gibt.36 Allerdings wäre es zu einfach, restriktive Normen des Einsatzes militärischer Gewalt immer nur der Zivilgesellschaft zuzuordnen und dem Militär umgehrt eine Neigung zur Entfesselung aller verfügbaren Gewaltpotenziale zu unterstellen. Schon Max Weber wusste, dass die Kriegsbegeisterung gerade unter Zivilisten mit wachsender Entfernung zu den Schützengräben mächtig anschwellen kann (vgl. Weber 1983: 121f.). Abschließend nennen wir gleichwohl wichtige Institutionen, die den Druck auf das Militär
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erhöhen, operative Regeln und Doktrinen zu ›zivilisieren‹, ohne dabei die Effektivität militärischen Handelns aufs Spiel zu setzen. Zunächst tragen professionelle Netzwerke von Juristen sowie das Internationale Komitee des Roten Kreuzes dazu bei, das humanitäre Recht weiter zu entwickeln. Humanitäre Normen schränken die situative Handlungsfreiheit kämpfender Truppen ein, begünstigen allerdings auch die Integration unterschiedlicher nationaler Militärs sowie die Abstimmung zwischen taktischen Erfordernissen und politischstrategischen Zielen, insbesondere im Kontext »humanitärer Interventionen« (Farrell 2004). Disziplin und Professionalität sind zentrale Voraussetzungen der Übersetzung des humänitären Rechts in militärische Praktiken der Auswahl und des Einsatzes von Kriegsgerät. Weiterhin spielen akademische Einrichtungen eine Rolle im Dialog zwischen militärischen und zivilen Gruppen über moralische Standards moderner Kriegführung. Einzelne Forschungsprojekte bemühen sich in lockerer Zusammenarbeit mit militärischem Personal, das schwankende Verhältnis von militärischer Zielverfolgung, dem Schutz der Truppen und der Minimierung von Kollateralschäden besser zu verstehen und die Felder genauer zu definieren, in denen man zumindest darin übereinstimmt, dass eine Übereinstimmung nicht erreicht werden kann.37 James Rosenau zitiert außerdem neue soziale Bewegungen als Träger »globaler Normen«, insbesondere der Menschenrechte, die sich restriktiv auf Handlungsspielräume und Status des Militärs auswirken (Rosenau 1998: 66).38 Daran ist sicher richtig, dass nichtstaatliche freiwillige Institutionen heute über den politischen Willen und außerordentliche Möglichkeiten verfügen, auf das Leid von Fremden hinzuweisen und globale Normen einzuklagen. So gab es bereits kurz nach dem Irakkrieg die ersten systematischen Versuche von regierungsfernen Gruppen, die Zahl der zivilen Opfer auf irakischer Seite zu bestimmen und natürlich sogleich im Internet zu veröffentlichen (vgl. Conetta 2003). Menschrechtsorganisationen wie Human Rights Watch ist es gelegentlich gelungen, pensionierte Geheimdienstler zu verpflichten, die in Afghanistan buchstäblich der Spur jeder einzelnen verirrten Bombe gefolgt sind, um die Lokalbevölkerung zu interviewen und umfassende Listen über verwendete Munition, Schäden am Boden, Tote und Verletzte und die Lebensumstände nach den Bombar-
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dements zu erstellen (vgl. Arkin 2002). Andere Gruppen haben versucht, auf die Curricula von Militärakademien und die Zusammenarbeit mit ausländischen Militärs Einfluss zu nehmen (vgl. Kifer 2004). Während diese Bewegungen durch den Appell an universelle Menschenrechtsnormen restringierend auf militärische Praktiken wirken können, ist nicht zu verkennen, dass im Namen derselben globalen Normen gelegentlich auch der Einsatz militärischer Gewalt gefordert worden ist.
Virtualisierung und Zuschauerkriege Neben der Kriegsarbeit ist es das Kriegsspiel, das in den sozialwissenschaftlichen Diskussionen um das Verhältnis von Militär und Gesellschaft von wachsender Bedeutung ist. Dabei sind Spielen und Arbeiten ebenso entgegengesetzte Tätigkeiten wie Spielen und Kämpfen. Wo gespielt wird, gibt es Wahlmöglichkeiten, Schein, den Rückzug vom Ernst realer Bewährungsproben und eine Spannung, die sich ohne bleibende Folgen für das Leben der Beteiligten aufbauen und wieder lösen lässt. Nach dem Motto »Erst das Spiel und dann die (militärische) Arbeit« wurden Kriegsspiele zur Vorbereitung von Feldzügen bereits in preußischen Manövern im frühen 19. Jahrhundert gespielt. Von dort hat der Ausdruck Eingang in die englische Sprache gefunden. The American Kriegsspiel ist ein Buchtitel aus dem Jahr 1882, der von kalifornischen Sozialwissenschaftlern wiederentdeckt worden ist, die neuerdings das Verhältnis von Softwareentwicklung, Militär und Unterhaltungsindustrie untersuchen (vgl. Lenoir/Lowood 2002; Livermore 1882). Sowohl im Militär als auch in der übrigen Gesellschaft scheint der Gegensatz von Arbeit und Spiel zunehmend unterlaufen zu werden. In diesem Sinne einer Beimischung von Spiel und Schein in die Kriegsarbeit ist die seit einiger Zeit gängige Rede vom virtuellen Krieg, von Informations- und Netzkriegen und vom Krieg als Zuschauersport zu verstehen. Das Schlagwort ›Virtualisierung‹ ist offenkundig vieldeutig und suggeriert einen Trend, über den weniger geforscht als meistens wild spekuliert worden ist. In einer ersten Annäherung lassen sich zunächst drei Bedeutungen unterscheiden.
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Erstens verweist der Begriff auf den Umstand, dass sich in der militärischen Produktion von kollektiver Sicherheit – ähnlich wie in der wirtschaftlichen Güterproduktion – eine Tendenz zur Deterritorialisierung und Entmaterialisierung durchsetzt. Deterritorialisierung heißt: Bedeutungsverlust des Landes (im Sinne des Festlands wie auch einzelner nationalstaatlicher Territorien) im Verhältnis zum wachsenden Gewicht der Kontrolle von Informationen und transterritorialen Netzwerken, in denen das Konzept der ›Front‹ sinnlos wird (vgl. Berkowitz 2003). So haben etwa Mitarbeiter des britischen International Institute for Strategic Studies (IISS) davon gesprochen, dass al-Qaida mit dem Sieg über die Taliban in Afghanistan »noch virtueller« geworden sei. Virtualisierung heißt zweitens: Entmaterialisierung von kriegsentscheidenden Faktoren. Der moderne Krieg wird nicht mehr allein, oder vielleicht sogar immer weniger, auf realen, raumzeitlich begrenzten Schlachtfeldern entschieden, sondern aufgrund medial vermittelter Fernwirkungen auf die Psyche von Soldaten und Zivilisten. Entmaterialisierung in diesem Sinne ist freilich nichts Neues. So töteten frühe Massenvernichtungswaffen wie das Giftgas entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil relativ wenig Truppen. Die größte Wirkung des Gases war vielmehr psychologischer Natur, indem oft schon die bloße Ahnung des Gases die Kampfmoral der Soldaten schlagartig zusammenbrechen ließ (vgl. Cook 2000). Ein anderes, oft zitiertes Beispiel für das Auseinanderfallen von physischem Kriegsgeschehen und medial vermittelter psychologischer Wirkung bildet die Tet-Offensive des Vietcong gegen die US-Streitkräfte im Februar und März des Jahres 1968. Peter Braestrup hat in einer viel zitierten Studie gezeigt, wie diese Offensive weit hinter den militärischen Zielen zurück blieb, die sich der Vietkong und die nordvietnamesischen Truppen gesetzt hatten, aber doch zu einem Sieg wurde, weil die Offensive auf die US-Truppen demoralisierend wirkte und diese Nachricht wiederum von der amerikanischen Presse und dem Fernsehen in den USA verbreitet wurde und dort eine eigene Wirkungsgeschichte entfalten konnte (vgl. Braestrup 1994). Virtualisierung heißt hier: Verselbstständigung der Fernrepräsentation des Kriegsgeschehens gegenüber den Realitäten vor Ort – nicht im Sinne einer begünstigenden Propaganda, sondern umgekehrt im Sinne einer nicht intendierten Demora-
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lisierung der Bevölkerung einschließlich der wehrpflichtigen Zivilisten.39 Schließlich bezieht sich die Virtualisierungsdiskussion auf die Eigenrealität elektronisch erzeugter Medienbilder vom Krieg sowie auf die angebliche Ununterscheidbarkeit von Abbild und Realität in der so genannten Postmoderne. In den neunziger Jahren haben uns französische Philosophen versichert, dass der Golfkrieg in einem gewissen Sinne gar nicht stattfand. Deutsche Medienwissenschaftler haben dagegen den Unterschied zwischen inszenierten und mediatisierten Ereignissen betont. Zur ersten Gruppe gehören Ereignisse, die zum Zweck der Medienberichterstattung herbeigeführt werden; die zweite Gruppe besteht aus Ereignissen, die auch ohne Medien passiert wären, aber aufgrund der erwarteten Berichterstattung einen besonderen, mediengerechten Charakter annehmen (vgl. Hesse 1994). Der Golfkrieg 1991 oder auch das Massaker vom 11. September 2001 in den USA waren in diesem Sinne nicht inszenierte, wohl aber mediatisierte Ereignisse – ähnlich wie bereits der Atomtest im Februar 1951 in der Wüste von Nevada, dem wir das Sinnbild des ›Atompilzes‹ verdanken. Die systematische Verwischung der Unterschiede zwischen Inszenierung, Mediatisierung oder Virtualisierung hat leider wenig zu einem neuen Denken über Krieg und Militär beigetragen. Stattdessen beobachten wir im Milieu der Postmoderne entweder die systematische Vertauschung von Opfern und Tätern und die Rückkehr schlichter Verschwörungstheorien, besonders in Deutschland und Frankreich nach dem 11. September 2001, oder aber eine distanzlose Wiedergabe der unterkühlt technoiden Selbstbilder der avancierten Teile der USStreitkräfte.40 Wenn heute von Virtualisierung die Rede ist, wird jedoch etwas Spezifischeres als ein einfaches Auseinandertreten von realem Geschehen und medial vermittelter Deutung dieses Geschehens gemeint. Um einen angemessenen Diskussionsrahmen zu finden, schlagen wir vor, ›Virtualisierung‹ im Kontext der Problematik von Sichtbarkeit im Verhältnis von nichtmilitärischer Gesellschaft und Militär zu bestimmen. Virtualisierung bedeutet dann zum einen, dass Militär und Krieg in einem neuen Sinne sichtbar werden, während gleichzeitig die mediale ›Sehfähigkeit‹ militärischer Technologien massiv gesteigert wird; zum anderen beobachten wir die Tendenz zur
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Unsichtbarmachung von Gewaltspuren, die gelegentlich mit ihrer realen Tilgung verwechselt wird und im Kriegsfall zum Dauerstreit zwischen Militär und Gesellschaft um die Offenlegung von menschlichem Leid führt. Im Einzelnen interessieren uns drei Aspekte. Erstens bedeutet der neue Typus der Sichtbarkeit des Militärischen, dass die Bürger in den westlichen Gesellschaften den Krieg normalerweise nicht mehr als Angehörige von Streitkräften, sondern als Angehörige eines Medienpublikums erleben. Vermittelt durch die Medien werden die Zivilisten zu ungefährdeten Beobachtern eines Militärs, das zumeist in weiter Ferne in ihrem Namen aktiv ist. Zweitens wird das Gefechtsfeld selbst, sofern es sich eingrenzen lässt, in wachsendem Maße von Medien und Sensoren aller Art durchdrungen. Drittens schliesslich beobachten wir eine Entkopplung von sichtbarem Kriegsgeschehen und realer Gewalt in interaktiven Computer-Kriegsspielen, durch die eine neuartige, bisher kaum erkundete Verbindung von Militar und nichtmilitärischer Gesellschaft entsteht. Die genannten drei Aspekte werden wir im Folgenden etwas ausführlicher behandeln. Krieg als Zuschauersport Die Metapher des amerikanischen Soziologen Michael Mann (2000) vom Krieg als Zuschauersport eröffnet ein Untersuchungsfeld, in dem eine Reihe neuer Fragen zum Verhaltnis von Technik, Politik, Alltagsmoral und militärischer Professionsethik entstanden ist. Autoren, die dazu beigetragen haben, den Erkenntnisgehalt dieser Metapher zu entwickeln, sind Michael Ignatieff (2001) in seinem Essay über den Kosovokrieg sowie vor allem Colin McInnes (2002) in einer Studie zum Zusammenhang zwischen überlegener Luftwaffe, moralischer Öffentlichkeit und dem vermuteten Ende global entgrenzter Konflikte. Mit Blick auf die Zeit vom Golfkrieg bis zum Kosovokrieg und darüber hinaus behauptet der britische Politikwissenschaftler, dass die Ära des totalen Krieges, die im 19. Jahrhundert mit dem amerikanischen Bürgerkrieg begann, definitiv zu Ende gegangen sei. Diese Phase war durch zwei Merkmale gekennzeichnet: die Tendenz zur unaufhaltsamen Eskalation und Ausweitung des Krieges sowie zur aktiven Einbeziehung der gesamten Bevölkerung in das Kriegsgeschehen. Die bei-
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den Fälle der Kubakrise 1962 und des israelisch-arabischen Yom-Kippur-Krieges 1973, in denen jeweils nach kurzer Zeit der Einsatz von Nuklearwaffen erwogen wurde, verdeutlichen dieses zweifache Schreckbild einer unkontrollierten Eskalation des Mitteleinsatzes bei gleichzeitiger Einbeziehung eines immer größeren Kreises von Menschen in das Kriegsgeschehen, ohne Rücksicht auf Zivilisten oder ›Unschuldige‹. Zumindest in dem Intervall zwischen dem Fall der Berliner Mauer und dem ›Krieg gegen den Terrorismus‹, der in Wirklichkeit ein Kampf gegen extremistische muslimische Theokraten ist, schien sich ein neues Modell des westlichen Krieges durchzusetzen. Kriege, so die Annahme, wurden plötzlich wieder führbar, ohne eine Eskalation oder eine umfassende Mobilisierung der Bevölkerung zu erzwingen. Das Zeitalter der Gesellschaftskriege, in denen ganze Gemeinwesen in den Dienst der aktiven Feindbekämpfung einbezogen worden sind, wäre demnach anscheinend unwiderruflich vorbei. Die damit einhergehenden strukturellen Verschiebungen im Verhältnis von Militär und Gesellschaft nehmen auch dem vor einiger Zeit beschworenen ›Zusammenprall der Kulturen‹ seinen gefährlichen Stachel. An die Stelle der Gesellschaftskriege der Vergangenheit treten Kriege, in denen die Rollen zwischen den Zuschauern und den Aktiven des Kriegsgeschehens innerhalb kriegführender Nationen sauber getrennt sind. Der militärische Ausdruck ›Kriegstheater‹ darf ab jetzt wörtlich genommen werden, da es nunmehr tatsächlich Zuschauer gibt, die in Echtzeit das Geschehen verfolgen können. Während der Krise in Somalia 1993 haben gelegentlich sogar Offiziere CNN eingeschaltet, um zu erfahren, was in dem chaotischen Land, in dem sie operieren sollten, eigentlich los war. Den Zuschauern in der Ferne blieb damals wie heute nichts anderes übrig, als den eigenen Truppen – ähnlich wie bei Sportereignissen – sozusagen ›die Daumen zu drücken‹ (oder auch nicht). Die neue Lage veränderte die gesamte Problematik der ›Moral‹ der Zivilbevölkerung, die während des Zweiten Weltkrieges parallel zur Problematik der soldatischen Kampfmoral entdeckt wurde. Unter ›Moral‹ verstand man zu jener Zeit unterschiedliche Phänomene wie Selbstdisziplin, Enthusiasmus und das klare Bewusstsein erstrebenswerter Ziele, vor allem aber solche Faktoren, die eine »hoffnungsvolle
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und energische Teilnahme« (Child 1941: 394) des Einzelnen an kollektiven Anstrengungen gewährleisten. Diese Notwendigkeit einer durch Appelle und Selbstdisziplin unterfütterten aktiven Teilnahme entfällt heute. An die Stelle der Moral im kriegspsychologischen Sinne tritt die öffentliche Meinungsbildung eines am Kerngeschäft des Krieges gänzlich unbeteiligten Publikums. Falls militärische Interventionen in lokale Konflikte keine unkontrollierbare Eskalation mehr befürchten lassen oder sogar mit dem Argument der Eskalationsvermeidung begründet werden können, wird die öffentliche Meinungsbildung in interventionsfähigen Ländern zu einem Faktor, der über Krieg und Frieden mit entscheidet, während die ›Moral‹ aus der Zeit der Gesellschaftskriege unwichtig wird. Für die angegriffenen Länder gilt freilich der umgekehrte Satz: hier ist die Demoralisierung der politischen Führung und der Zivilbevölkerung häufiger ein noch wichtigeres Kriegsziel als die Zerschlagung der feindlichen militärischen Verbände. McInnes spricht von den neuen Interventionskriegen als »wars of choice« (McInnes 2002: 72). Man könnte auch von Multioptionskriegen sprechen, die von den intervenierenden Ländern mit selbstgewählten Mitteln geführt oder auch vermieden werden können, da ihnen der Krieg – anders als etwa den Briten oder den Russen während der NaziHerrschaft in Europa – nicht aufgezwungen wird. Erst jetzt, da das eigene nationale Kollektiv nicht mehr selbst existenziell bedroht wird, kann öffentlich darüber gestritten werden, ob man in den gewählten Einsatzgebieten beispielsweise plutoniumgehärtete Munition verwenden darf oder ob die Luftwaffe durch den Einsatz von Bodentruppen ergänzt werden sollte. Es entsteht ein Raum für öffentliche Moralisierungsstrategien, die sowohl die Kriterien für den Kriegseintritt (jus ad bellum) als auch für die Art der Kriegführung (jus in bello) berühren. Eines der wichtigsten Merkmale dieser Multioptionskriege besteht darin, dass sie sich durch die geringe Bereitschaft der Zivilbevölkerung auszeichnen, Opfer unter den eigenen Truppen wie auch unter den Kriegsgegnern hinzunehmen (vgl. ebd.: 72). Die Formel vom virtuellen Krieg könnte in letzter Konsequenz bedeuten, dass eine antimilitaristisch gestimmte Gesellschaft von Zivilisten auch noch den Krieg in einer Weise führen möchte, die allenfalls noch entschädigungspflichtige Unfälle, jedoch keine Opfer mehr zulässt. Eine offene
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Frage ist, ob und inwiefern diese Haltung, falls sie tatsächlich vorherrscht, auf das militärische Personal abfärbt. Die erhöhte, durch elektronische Medien gewährleistete Sichtbarkeit des Kriegsgeschehens bei gleichzeitiger Gefahrlosigkeit dieses Geschehens für diejenigen, die aus der Ferne zusehen, hat eine Reihe von Konsequenzen, die bisher nur unzureichend untersucht worden sind. Zunächst gilt: Wenn wir uns ›betroffen‹ fühlen, dann nicht von militärischen Operationen selbst, sondern von den Bildern, die wir zu sehen bekommen. Daraus ergibt sich ein starker Anreiz für Interessenten des Krieges, Bilder und andere Informationen im Interesse eines gezielten Emotionsmanagements zu manipulieren. Diese Versuche stoßen allerdings dadurch an ihre Grenzen, dass es in einer medial dicht vernetzten Welt unmöglich geworden ist, stereotype Opfer- und Feindklischees unwidersprochen zu verbreiten und die Meinungsbildung zentral zu steuern. Wie die Geschichte vieler Manipulationen und ihrer Aufdeckung zeigt, können demokratische Regierungen nicht gut lügen.41 Für die USA gilt neuerdings sogar, dass sie sich – im Gegensatz zu dem, was die meisten Nichtamerikaner glauben – kaum noch an der Verbreitung guter Nachrichten und freundlicher Selbstbilder beteiligen, nachdem Präsident Clinton 1998 die United States Information Agency (USIA) kurzerhand geschlossen hat. An die Stelle der staatlich kontrollierten Manipulation treten weit verzweigte Kämpfe von Zivilisten um die öffentliche Sichtbarmachung fernen Leids. Diese Auseinandersetzungen nehmen meist die Gestalt von hitzigen Deutungskämpfen um den Gehalt und die Glaubwürdigkeit von Aussagen an. Hinzu kommt, dass wir im Zeitalter der unbegrenzten digitalen Manipulierbarkeit von Bildmaterial häufig nicht mehr dem Augenschein trauen. Der Zweifel an der Echtheit von Bildern kann dabei sowohl ein Ausdruck von Kritikfähigkeit als auch ein Indiz für Voreingenommenheit oder schiere Informationsresistenz sein. Interessant sind hier weder die offensichtlichen Fälschungen – man denke an bestimmte Bilder aus dem Golfkrieg 1991 – noch zweifelsfrei echte Abbildungen, sondern die vielen umstrittenen Fälle. Ein gutes Beispiel sind die Bilder britischer Soldaten, die im April 2004 in der britischen Boulevardpresse auftauchten. Die Bilder zeigten, wie Soldaten des Lancashire Regiments irakische Gefangene demütigten und schlugen. Vor dem Hintergrund unbezweifelbarer Misshandlun-
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gen irakischer Kriegsgefangener durch amerikanische und britische Militärangehörige konnte sich sehr wohl eine Debatte um die Authentizität einzelner Fotos entfalten, in der interessanterweise auf beiden Seiten Soldaten mitredeten (BBC 2004). Zunehmend geraten außerdem Journalisten – die lebenden Quellen der Information – unter Druck. Ihre ›Einbettung‹ in militärische Operationen ist eine umstrittene Variante des Versuchs, den Nachrichtenfluss an seinem Ursprung zu beeinflussen. Eine andere Variante kann in der gezielten Einschüchterung oder Tötung von Journalisten bestehen – die letzte Form der Zensur, wie es George Bernard Shaw einmal ausgedrückt hat. Dies ist beispielsweise von Aufständischen im Irak mit dem Ziel versucht worden, die Fernrepräsentation des Konflikts möglichst ausschließlich arabischen Satellitenkanälen oder sympathisierenden Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu überlassen. Bilder von eigenen und fremden, nahen und fernen Kriegen können zu ganz unterschiedlichen, ja entgegengesetzten Reaktionen führen. Zunächst zeigt die Geschichte der Nato- und UN-Interventionen in die Balkankriege nach 1992, dass die Sichtbarkeit fernen Leids öffentliche Forderungen nach militärischer Intervention in die ›barbarischen‹ Kriege der Anderen auslösen kann. Echtzeit-Kommunikationstechnologien wie das Satellitentelefon und tragbare Computer mit Grafikkarten führen dazu, dass Bilder des fernen Leids in die Wohnzimmer strömen, bevor irgendein operatives Wissen gebildet werden kann. Als im April 1994 in Ruanda die Milizen der Hutus mit dem Völkermord an den Tutsis begannen, waren sich zumindest die US-Militärs (nach Auskunft des ehemaligen Nato-Kommandeurs Wesley Clark) noch nicht einmal ganz sicher, ob die beiden Gruppen nicht vielleicht ›Hutsis‹ und ›Tutus‹ heißen. Unmittelbar danach begannen Sender wie CNN bereits über das Morden zu berichten und vergeblichen Druck auf die Regierungen und die Vereinten Nationen auszuüben. Die humanitären Interventionen wie auch die Nicht-Interventionen in ferne Bürgerkriegskonflikte sind demnach nicht zu verstehen ohne die neue Rolle des Medienpublikums. Große Teile dieses Publikums wollen nicht länger ohnmächtig-mitschuldig zuschauen oder wegsehen, wenn irgendwo auf der Welt massive Menschenrechtsver-
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letzungen verübt werden. Nicht nur in Deutschland wirkt bis heute das abstoßende Beispiel, dass die Zuschauer/Weggucker (bystanders) der europäischen Judenvernichtung der Nachwelt hinterlassen haben (Hilberg 1992). Die kausalen Zusammenhänge zwischen Bildern des Schreckens und der Unterstützung der Bevölkerung für Regierungen, die dagegen ›etwas tun‹ wollen, ist inzwischen auch empirisch für viele Länder gut belegt worden (vgl. Sobel/Shiraev 2003). Das Ziel der neuen Kriegszuschauermoral ist es allerdings, Täter zu stoppen, ohne selbst zum Opfer zu werden und ohne schmerzliche Opfer erbringen zu müssen.42 Hier spielt der Unterschied zwischen aktivem und passivem Opfer eine Rolle, der im Englischen und Französischen mit der Differenz von ›sacrifice‹ und ›victim/e‹ markiert wird. Die Bürger der westlichen Gesellschaften sind als unwillig bezeichnet worden, für etwas Überindividuelles aktiv Opfer zu bringen, zumal wenn es dabei um das eigene Leben geht (vgl. Münkler/Fischer 2000). Zugleich sind diese Gesellschaften möglicherweise auch opfermüde in dem moralisch erfreulichen Sinne, dass sie kaum mehr bereit sind, im Kriegsfall eine hohe Zahl von Opfern unter fremden Bevölkerungen hinzunehmen. Eindringliche Fotos von individuellen Opfern in Kriegsgebieten können bewirken, dass schon die Opferzahl ›1‹ als zu hoch empfunden wird. Die erhöhte Sichtbarkeit fernen Leids führt somit zu widersprüchlichen Imperativen, die auf Regierungen und Militärs lasten: Sie können den Druck zugunsten militärischer Interventionen und zugleich den Druck erhöhen, einmal begonnene Kriegshandlungen zu begrenzen oder sogar vorzeitig abzubrechen. Das neue Gefechtsfeld Die Kehrseite des Trends zum Zuschauerkrieg bildet die immer ausgeprägtere Professionalisierung des Soldatenberufs. Während in anderen Teilen der Welt der Krieg zu einer Allerweltsbeschäftigung geworden ist, an der sich auch Heranwachsende beteiligen, sobald sie eine AK-47 halten können, wird der Krieg in den westlichen Demokratien immer mehr zu einer Sache von Spezialisten, deren Gewalt in steigenden Maße von der Beherrschung des Einsatzes innovativer Technologien abhängig ist. Die terroristischen Angriffe auf westliche
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Ziele, besonders das Massaker in Manhattan vom 11. September 2001, haben diesen Trend eher noch verstärkt. Der Afghanistankrieg, der im Oktober 2001 begann, hat nicht nur in der USA denjenigen Kräften Auftrieb gegeben, die eine nachbürokratische Freiwilligenarmee wollen, deren Qualitäten in einer Sprache charakterisiert werden, die wir auch aus anderen gesellschaftlichen Handlungsfeldern kennen: Die neue Armee soll leicht, flexibel und schnell einsatzfähig sein, ihre Waffen gelten als ›intelligent‹, und ihre Leitmetapher ist nicht länger das Schachspiel, sondern das chinesische Brettspiel Go, in dem nicht Felder, sondern Verbindungslinien besetzt werden, und in dem die Kontrolle der Ränder und Ecken wichtiger ist als der Endsieg über die Zentrale. Freilich lassen die empirischen Konflikte der jüngeren Zeit (Jugoslawien, Afghanistan, Irak) nur wenige Rückschlüsse zu auf Eigenschaften künftiger Gefechtsfelder, die man verallgemeinern könnte. Nicht umsonst warnen amerikanische Fachleute ausdrücklich davor, aus den raschen Siegen über militärische ›Narren‹ wie Milosovic oder Saddam Hussein voreilige Schlüsse zu ziehen.43 In der eher empiriefernen, sozialphilosophisch geprägten Literatur sind insbesondere der Golfkrieg und die Kosovo-Intervention zu Konfliktmodellen erhoben worden, in denen der Krieg eine gesellschaftsfreundliche (um nicht zu sagen: sozialverträgliche) Synthese eingeht mit den Instrumenten computerbasierter Steuerungstechnik und den Zielen universalistischer Moral (Der Derian 2001). Die neuen Waffensysteme des Informationszeitalters scheinen aus dieser Sicht den Pessimismus Walter Benjamins zu widerlegen, der die bürgerliche Gesellschaft für unfähig erklärte, »sich die Technik zu ihrem Organ zu machen« und ihre proklamierten Werte auch im Krieg zu behaupten (Benjamin 1963: 43). Theoretische Modelle, in denen zielgenaue Marschflugkörper als ideale Werkzeuge humanitärer Interventionen präsentiert werden – so wie für die Jakobiner die Guillotine ein Werkzeug der französischen Revolution war – sind rasch von der Wirklichkeit eines Kriegsgeschehens überholt worden, in dem der jeweilige Feind typischerweise ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Der tugendhafte Krieg à la Habermas – in dem ›Humanität‹ gegen ›Bestialität‹ antritt (vgl. Habermas 1999) – hatte nur einen kurzen Fernsehauftritt und ist längst verdrängt worden von Feindseligkeiten,
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bei denen auf westliche Technik und humanitäre Standards mit ›menschlichen Schutzschilden‹, Selbstmordattentätern, der Verwandlung von Krankenhäusern und Moscheen in Waffenlager oder der gezielten Tötung von Mitarbeitern des Roten Kreuzes reagiert wird. Die Gefechtsfelder der globalen Gegenwartsgesellschaft entstehen zwischen den beiden extremen Enden eines Spektrums von Möglichkeiten der Virtualisierung: der opferlosen Gewalt und dem gewaltlosen Opfer. Das eine Ende wird idealerweise gebildet durch eine Gewalt ohne ›unschuldige‹ Opfer, ermöglicht durch ferngesteuerte Präzisionswaffen, die im günstigsten Fall mit einer Geschwindigkeit von 400 Seemeilen pro Stunde die Hülle von Gebäuden durchdringen und ausgesuchte Übeltäter buchstäblich in ihren Büros treffen können. Am anderen Ende steht die gewaltlose Verursachung von Opfern durch gezielte Angriffe auf Computersysteme mittels ›logischer Bomben‹ (elektronische Viren und Würmer), die zu massiven Schädigungen der Zivilbevölkerung ohne jeglichen Einsatz von kinetischer Gewalt führen können (vgl. Schmitt 2002). Entgegen mancher populären Darstellung darf man allerdings bezweifeln, dass heute bereits viele Gruppen das Potenzial für eine solche Kriegführung haben und es sich hier um eine Jedermanns-Ressource handelt. Dort, wo sie tatsächlich entstehen, gilt für Konflikte im Cyberspace allerdings, dass sie sich definitionsgemäß nicht mehr lokal begrenzen lassen. Die meisten realen Konflikte werden sich auch weiterhin zwischen diesen Polen eines ›virtuellen Krieges‹ abspielen. Allerdings ist die Annahme realistisch, dass die liberalen Demokratien ihre Kriege weiterhin von einer eher kleiner werdenden Zahl von Aktiven bestreiten lassen. Die strategische Dominanz der Luftwaffe steigert diesen Trend zur Reduzierung und Professionalisierung des militärischen Personals noch. Eine Umkehrung dieses Trends würde voraussetzen, dass terroristische Organisationen eine Vielzahl westlich geprägter Gesellschaften in eine Situation stürzen könnten, die derjenigen Israels gleicht – die einzige liberale Demokratie, deren militärisches Engagement immer noch Züge eines echten Volkskrieges hat.44 Mit einem solchen Szenario rechnet freilich niemand. Ebenso wenig nähern wir uns der Utopie des fast opferlosen Krieges, der von einer Elite moralisch hochdisziplinierter Gewaltspezialisten exekutiert wird. Der Trend zur technologischen Durchdringung des Gefechtsfelds
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geht ungebrochen weiter, ohne notwendigerweise humanisierende Wirkungen auf die Kriegführung zu haben. Das Ziel besteht weiterhin darin, die absolute Beherrschung des Luftraums für den Ausbau der Asymmetrie zwischen der Unsichtbarkeit der eigenen ›Tarnkappen‹Bomber auf den Radarschirmen des Gegners und der detaillierten Sichtbarmachung gegnerischer Ziele zu nutzen. Gelegentlich werden solche Ziele auch für das Medienpublikum in der Heimat sichtbar gemacht. Einen ersten Höhepunkt erreichte diese Entwicklung im Golfkrieg 1991, als man erstmals die anscheinend punktgenaue Zerstörung anvisierter Ziele am Bildschirm verfolgen konnte (vgl. Hesse 1994: 4; Pörksen 1997: 24ff.). Waffensysteme verwandeln sich selbst zu Medien, indem sie mit Kameraaugen ausgestattet werden, die pseudokonkrete Bilder des Geschehens in die Wohnzimmer der Zivilbevölkerung übermitteln. Die Bombe, die ihre eigene Flugbahn filmt und sendet, ist Waffe und Werbung zugleich. Sie versinnbildlicht neue Formen erhöhter Sichtbarkeit des Kriegsgeschehens – Formen, die diesem Geschehen nicht länger äußerlich sind und damit zum Instrument der Fabrikation von Konsens werden.45 Tarnkappenbomber, kamerabestückte Laserwaffen und das präzise ›Ausschalten‹ markierter Ziele – zapping genannt (vgl. Berkowitz 2003: 76ff.) – stoßen da an ihre Grenzen, wo Bodentruppen eingesetzt werden müssen. Auch hier ist allerdings der übergreifende Trend zu erkennen, die eigene Fähigkeit, feindliches Terrain zu entziffern, mit den Mitteln neuer Technologien zu maximieren. Geografische Informationssysteme und Remote-Sensing-Techniken haben eine große Rolle gespielt beim Aufspüren von Kämpfern der al-Qaida in Afghanistan (vgl. Beck 2003). Einheiten der 4. Infanteriedivision der US Army rüsten ihre Jeeps mit aufwendigen Cockpits aus, die unmittelbar an den Datenfluss von Satelliten, unbemannten Aufklärungsflugzeugen oder weit entfernten Artillerieeinheiten angeschlossen sind. Guerilla-Angriffe auf Soldaten im Irak haben Spezialisten der Luftwaffe und der Army zum Project Eyes angeregt, in dem an neuen Kombinationen von Luftschiffen, Digitalkameras und Sensoren mit dem Ziel gearbeitet wird, selbst gebastelte Bomben und Zündmechanismen an Straßenrändern zu entdecken, die bei Hinterhalten verwendet werden. Vorbild sind dabei Techniken der Hubschrauberüberwachung, die von der New Yorker Polizei in kriminalitätsbelasteten Stadtgebieten einge-
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setzt werden. Der Prozess der Virtualisierung mit den entsprechenden Folgen für das Qualifikationsprofil und die Zusammensetzung der Streitkräfte ist somit nicht an einzelne Waffengattungen gebunden. Man darf vermuten, dass dieser Prozess im Verhältnis von Militär und nichtmilitärischer Gesellschaft eine eigentümliche Vermischung von Teilnehmer- und Zuschauerrollen bewirkt. Für Teile des Flugpersonals bedeutet die Digitalisierung des Gefechtsfeldes, verbunden mit der Senkung der Abschussquote auf nahezu 0, dass sie als Teilnehmer des Krieges zugleich Zuschauer sind, deren Sicht auf die Dinge immer weniger vom »Nebel des Krieges« (Clausewitz) getrübt wird. Dies erlaubt z.B. die Einführung von mehrstufigen Zielgenehmigungsverfahren (target approval processes), bei denen Vorgesetzte und juristische Berater eines Flugzeugteams in Aktion die Bilder möglicher Raketenziele interpretieren und die Verantwortung für Angriffe oder deren Unterlassung teilen. Zahlen der britischen Luftwaffe zeigen, dass während des Kosovokrieges nur etwa 40 Prozent aller Bomber-Missionen tatsächlich zum Beschuss von Zielen führten (vgl. McInnes 2002: 66). Der Rest der Munition wurde zumeist im Mittelmeer ›entsorgt‹. Auf der anderen Seite werden die Zuschauer im Medienpublikum der kriegführenden Demokratien in gewissem Sinne selbst zu Teilnehmern, deren Stimmung indirekt einen beträchtlichen Einfluss auf den Verlauf der Kriege hat. Im Irakkrieg galt dies auch für die Zuschauer der anderen, arabischen Seite, die für die Sache der Demokratie im Nahen Osten gewonnen werden sollten. Ein großer Teil dieser Anstrengungen wurde Ende April 2004 durch Pressebilder zunichte gemacht, die zeigten, wie amerikanische und britische Soldaten irakische Kriegsgefangene misshandelten. Ein ranghoher Offizier der USStreitkräfte bezeichnete die Wirkung dieser Bilder als »gleichbedeutend mit einer schweren militärischen Niederlage«. Aus diesem ungeheuren Bedeutungszuwachs des Publikums lässt sich freilich noch lange nicht schließen, dass die Zuschauer zu »zivilen Tele-Soldaten« werden, oder dass wir uns einer neo-militaristischen »Videokratie« nähern, wie es der Medientheoretiker Peter Weibel formuliert hat (zit. in Hesse 1994: 10). Tele-Soldaten sind die zuschauenden Zivilisten schon deshalb nicht, weil nicht sicher ist und niemand allein bestimmen kann, auf welche Seite sie sich schlagen werden.
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Krieg als Gesellschaftsspiel Die mediale Simulation eines Kampfgeschehens, das von jeder realen Gewalt abgekoppelt ist, erreicht ihren Höhepunkt in kommerziellen Computer-Kriegsspielen, die interaktiv und online gespielt werden können. Erst an diesem Punkt ist Virtualisierung synonym mit Unwirklichkeit, wenngleich die möglichen realen Folgen dieser Unwirklichkeit die öffentliche Diskussion beherrschen. So befürchten Pädagogen – unter dem Eindruck von Massakern auf Schulhöfen, die dem Skript gewisser Spiele zu folgen schienen –, dass die auf Bildschirmen gespielte Gewalt die Neigung der meist jugendlichen Spieler zu realer Gewalt gefährlich steigern könnte. Verbindungen zur sozialen Realität des Militärs werden dagegen kaum berücksichtigt. Die Simulation von militärischen Operationen, verstanden als Softwareentwicklung mit dem Ziel einer möglichst komplexen Repräsentation wahrscheinlicher Kampfsituationen, bildet ein immer wichtigeres Trainings- und Planungsinstrument des modernen Militärs.46 Die Motivationslage und der soziale Kontext jugendlicher Computernutzer sind dagegen ganz andere: Man möchte ›nur spielen‹, in einen virtuellen Ersatzkörper (mit technisch variabler Verletzbarkeit) schlüpfen, ohne im Ernst die Teilnahme an echten Kriegshandlungen in Erwägung zu ziehen. Eine oberflächliche Verbindung scheint allenfalls darin zu liegen, dass aufwendige, gemeinhin als ›cool‹ empfundene Simulationsspiele, in denen wahrscheinliche Kampfsituationen nachgestellt werden, gelegentlich als Rekrutierungsinstrument eingesetzt worden sind, etwa im Rahmen der Campus Combat Tour, einer Werbekampagne der US Army im Oktober 2003 an Hochschulen im Nordosten der USA. Die Verbindungen zwischen Militär und nichtmilitärischer Gesellschaft, die sich aus dem Phänomen interaktiver Kriegsspiele ergeben, reichen jedoch tiefer. Im Übergang vom Ende der Gesellschaftskriege zum Krieg als Gesellschaftsspiel beobachten wir die partielle Aufweichung selbstverständlich gewordener Trennlinien zwischen Kriegsarbeit und Spiel, Aktiven und Zuschauern, Soldaten und Ingenieuren, Erwachsenen und Kindern. Dabei ist keineswegs eindeutig, wer in diesem Prozess jeweils die Initiative hat. Jedenfalls würde die These, dass Computerkriegsspiele und andere massenkulturelle Phänomene
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letztlich vom Militär und interessierten Politikern ausgeheckt wurden, um die kriegsmüde Gesellschaft mental zu mobilisieren, deutlich zu kurz greifen. Tim Lenoir und Henry Lowood, zwei Sozialforscher an der Stanford University, haben in einer faszinierenden Studie gezeigt, dass der militärisch-industrielle Komplex aus der Zeit des Kalten Krieges heute abgelöst oder überlagert wird durch eine neue Verbindung von Militär und Unterhaltungsindustrie: den »military-entertainment complex« (Lenoir/Lowood 2002).47 Der militärisch-industrielle Komplex bestand aus dem privilegierten Zugang einiger weniger großer Rüstungsfirmen zu den Regierungsstellen, die für die Beschaffung von militärischen Gütern zuständig waren. In der übrigen Gesellschaft, um deren Schutz es angeblich ging, regte sich der Verdacht, dass damit auch die Deutungsmacht über Sinn und Unsinn nationaler Verteidigungsanstrengungen in einen von wirtschaftlichen Interessen bestimmten Arkanbereich abwandern würde (vgl. Lens 1970). Die neue Situation zeichnet sich stattdessen dadurch aus, dass die weit verstreuten Individuen und Haushalte der nichtmilitärischen Gesellschaft selbst als Triebkräfte in die Allianzbildung von Militär und Unterhaltungsindustrie einbezogen werden. Vor 1980 waren militärische Simulationsanlagen extrem teure Einzelvorrichtungen, die dem Ziel dienten, Individuen auf bestimmte hochkomplexe Aufgaben wie etwa die Landung auf einem Flugzeugträger vorzubereiten. Auf der anderen Seite hatten die ersten Computerspiele nichts mit militärischen Aufgaben zu tun, auch wenn das erste 1962 am Massachusetts Institute of Technology vorgestellte Computerspiel Spacewar! hieß. Die Spiele hatten lediglich den Sinn zu demonstrieren, was Computer alles können. Erst später wurde der Computer nicht mehr nur als Rechner, sondern auch als vielseitig einsetzbare Kommunikationsmaschine gesehen. Lenoir und Lowood zeigen, wie die zunächst separaten Pfade der Entwicklung von computerbasierten Spielen und militärischen Simulationssystemen durch die Initiative von Einzelnen und die Schaffung neuer Institutionen – wie dem Simulation Center am Institute for Defense Analyses in Alexandria, Virginia, oder dem Institute for Creative Technologies in Kalifornien – zusammen geführt worden sind. Der zu Beginn der achtziger Jahre auftauchende Gedanke, groß
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angelegte Simulationen von Kampfabläufen herzustellen, ließ sich schon aus Kostengründen nur in Verbindung mit neuen Partnern außerhalb des militärisch-industriellen Komplexes verwirklichen. Das militäreigene Simulator Networking Project, kurz: SIMNET, brachte 1983 erstmals Offiziere mit Entwicklern aus dem Umfeld der Computer- und Videospielindustrie zusammen. Heute, nach über zwanzig Jahren, gibt es militärische Simulationen von Golfkriegsgefechten, die nicht nur objektive Vorgänge und reale Kriegsschauplätze im Nahen Osten detailgenau erfassen, sondern auch Emotionen und Ängste von Beteiligten nacherleben lassen: subjektive Zustände, die durch nachträgliche Interviews mit überlebenden Soldaten oder unter Verwendung von privaten Tonband- oder Tagebuchaufzeichnungen rekonstruiert wurden, die diese in Gefechtssituationen angefertigt haben (Lenoir/Lowood 2002: 14f.). Zunächst unter dem Druck sinkender Budgets48 ist das US-Verteidigungsministerium zu einer Beschaffungspolitik übergegangen, die in vielen Feldern nicht mehr selbst neue Forschungs- und Entwicklungslinien anstößt, sondern sich weitgehend auf die Kreativität des amerikanischen Hochtechnologiesektors stützt. Zwar unterscheiden sich nach wie vor militärisch genutzte Simulatoren von kommerziellen Spielen für PCs und Videokonsolen, ironischerweise unter anderem dadurch, dass die kommerziellen Anbieter die Militärspiele häufig nicht blutig genug finden. Dennoch ist die Nähe von zivilen und militärischen Varianten des wargaming verblüffend. Viele heute gängige Spiele sind militärischen Ursprungs, und der Lebenslauf vieler Leute, die im Umkreis des amerikanischen Militärs arbeiten, verweist auf reiche Erfahrungen in Musikstudios, in der Theater- und Videoproduktion oder der Erforschung künstlicher Intelligenz. Schließlich hat die Army selbst am 4. Juli 2002 (Independence Day) ihr erstes eigenes Kriegsspiel auf den Markt gebracht: America’s Army: Operations. Bedeutet dies, dass der Krieg die Fortsetzung des Spiels mit anderen Mitteln geworden ist? Wohl kaum. Computersimulationen bemühen sich zwar, den ›Nebel des Krieges‹, also Elemente der Unkenntnis über Pläne und Fähigkeiten des Gegners, in die Spiele einzubauen. Allerdings liegen genau hier Grenzen der Simulierbarkeit realer Feindschaft. Sozialwissenschaftler und Philosophen haben stärker als
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das Militär selbst dazu beigetragen, das entpolitisierte Bild eines Cyberkrieges zu popularisieren, in dem der traditionelle Wettlauf zwischen Feuerkraft und Schutz endgültig überwunden wird.49 Erst der Irakkrieg und die darauf folgende Besetzung des Landes haben die fundamentale Unberechenbarkeit des kriegerischen Handelns, von der schon Clausewitz wusste (Beyerchen 1992/93), wieder in Erinnerung gerufen. In dem Maße, wie sie die zunehmende Vorhersehbarkeit und Durchsichtigkeit des Kriegsgeschehens – und die Reduktion von Soldaten auf Ingenieure und Spieler – suggeriert, ist die Formel vom virtuellen Krieg, so unsere Schlussfolgerung, ein Oxymoron. Dass es im Krieg letztlich immer auch um den Einbruch des Todes in die Gesellschaft geht, wissen nicht zuletzt seine Praktiker. Dies zeigen in beispielhafter Weise die Berichte von amerikanischen Soldaten aus dem Nahen Osten. Im Irakkrieg, so etwa die Auskunft eines Sergeants der US Army, fühlten sich die Soldaten gelegentlich »like sitting at a PlayStation playing war, only for real. But the thing about a PlayStation is, when you die, you can hit the reset button« (zit. in Burns 2003).
Entstaatlichung und Verpolizeilichung Auch im Zeitalter des Cyberspace bilden souveräne Staaten die Basiseinheit der Weltordnung, wenngleich die Literatur zur ›Globalisierung‹ dies nicht immer wahrhaben will. Allerdings verändern sich sowohl das internationale Gefüge wie auch die Handlungskapazitäten der einzelnen Staaten in einer Weise, die nicht zuletzt das Ensemble militärischer Institutionen und Praktiken betrifft. Weder die USA noch viele Gemeinwesen im südlichen Afrika oder Zentralasien ähneln dem Prototyp des europäischen Nationalstaats, der bis heute unsere Erwartungen dessen bestimmt, was als politisch normal gilt. Die jüngere Diskussion zum Phänomen der ›neuen‹, asymmetrischen Kriege reagiert auf diese Veränderungen des Verhältnisses der Staaten untereinander sowie der Staaten gegenüber gesellschaftlichen Kräften (vgl. Schlichte 1996; van Creveld 1998; Freedman 1998; Daase 1999; Kaldor 2000; Arreguin-Toft 2001; Gantzel 2002; Münkler 2002a; Menzel 2003). Neu an den Konflikten der Gegenwart ist frei-
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lich nicht die Asymmetrie zwischen regulären, technisch überlegenen Kampfverbänden und irregulären ›Barbaren‹. Die Eigenschaften der Kriege – die gezielte und massenhafte Ermordung von Zivilisten oder der Rekurs auf unkonventionelle Waffen und Taktiken einschließlich des Terrorismus – haben seit der Antike die Wirklichkeit des Krieges mit bestimmt und wurden in Europa unter den Ausnahmebedingungen des Kalten Krieges und der bipolaren Weltordnung lediglich vergessen (vgl. Herrmann/Palmieri 2003). Schon der Kampf der Germanen gegen die Römer, der Mongolen gegen die Russen oder der Zulus gegen die Briten war asymmetrisch in dem Sinne, dass die technische Überlegenheit der einen Seite durch Mut, List, Grausamkeit und Überzahl der anderen Seite ausgeglichen wurden. Dies gilt teilweise auch für den Kampf einiger Stämme von nordamerikanischen Ureinwohnern gegen die europäischen Siedler auf dem heutigen Staatsgebiet der USA, obwohl hier die reguläre Armee des jungen Landes erst recht spät eine Rolle spielte.50 Neu an der heutigen Situation ist der Umstand, dass asymmetrische Konflikte erstmals die globale Sicherheitslage fast gänzlich bestimmen. Neuartig ist diese Situation, weil zwischen den führenden Industriestaaten keine Konflikte mehr auszumachen sind, die eine kriegerische Form anzunehmen drohen. Dieses Merkmal unterscheidet die Situation deutlich von den Verhältnissen vor und nach dem Ersten Weltkrieg.51 In diesem Licht wird in der Fachliteratur eine Vielzahl historischer Fälle asymmetrischer Konflikte neu entdeckt und analysiert.52 Staatlich organisierte Armeen kämpfen heute gegen subnationale und nichtstaatliche Akteure vom Typ der afghanischen Taliban-Kämpfer und ihrer Nachfolger, der Bewaffneten Revolutionären Kräfte Kolumbiens (FARC) oder rätselhafter Banden wie der Lord’s Resistance Army (LRA) in Uganda. Zur Zeit des Kalten Krieges – der bekanntlich nur in den Kernzonen des Westens ›kalt‹ blieb – galt die Faustregel, dass hinter jeder irregulären Armee ein Großstaat als ›interessierter Dritter‹ stand. Carl Schmitt hat diese Figur des interessierten Dritten wie folgt charakterisiert: »Der mächtige Dritte liefert nicht nur Waffen und Munition, Geld, materielle Hilfsmittel und Medikamente aller Art, er verschafft auch die Art politische Anerkennung, deren der irregulär kämpfende Partisan bedarf, um nicht, wie der Räuber und der Pirat, ins Unpoliti-
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sche, das bedeutet hier: ins Kriminelle abzusinken« (Schmitt 1963: 78). Bewaffnete Konflikte, die von einem interessierten Dritten in diesem Sinne begleitet werden, sind seit 1989 selten geworden.53 Folglich beobachten wir das Absinken der bewaffneten Akteure in die Kriminalität, und zwar in einem Ausmaß, das sich Carl Schmitt wohl nicht vorstellen konnte. Gleichwohl ist auch für das Verständnis der heutigen Konflikte das Konzept des interessierten Dritten nützlich, und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens unterstützen z.B. die Anrainerstaaten von Kongo/Zaire seit geraumer Zeit Separationsbewegungen, weil sie kein Interesse an einem funktionsfähigen Zentralstaat Kongo haben. Rebellenorganisationen in Angola oder Mosambik, die kurdische PKK, die verschiedenen Separatistenbewegungen im Sudan und andere sind ebenso auf die Unterstützung oder Duldung der Nachbarstaaten angewiesen. Selbst für die Taliban-Kämpfer oder al-Qaida gilt, dass ihre Verbände deshalb so schwer zu zerschlagen sind, weil sie über Rückzugsräume und Basen in schwer zugänglichen Gegenden in Pakistan verfügen. Eine Rolle spielen ferner von den Vereinten Nationen verwaltete Flüchtlingslager in Konfliktregionen, in denen seit vielen Jahren der neue Sozialtypus des »refugee-warrior« (Zolberg et al. 1989) beobachtet wird, der die Lager als Rekrutierungs- und Trainingsgelände für Angriffe auf Nachbarstaaten nutzt. Somit geraten auch die Vereinten Nationen und ihre Agenturen zwar nicht in die Position eines interessierten Dritten, wohl aber in die eines möglicherweise fahrlässig desinteressierten Dritten im Kontext regionaler Konflikte mit hohen Flüchtlingspotenzialen.54 Zweitens kann man sagen, dass sich die Figur des irregulären Kämpfers zwar häufig von Staaten losgelöst hat, nicht jedoch von interessierten Dritten in Gestalt mächtiger privater Interessenten. Die preiswerten, leicht handhabbaren Waffen, mit denen heute in vielen Kriegen gekämpft wird, stammen nur selten aus den betroffenen Regionen selbst. Meist werden sie von entfernten Interessenten hergestellt und geliefert. Zugleich sind solche Handelsaktivitäten kaum möglich ohne die Billigung staatlicher Akteure. Die Figur des interessierten – oder eben auch hier: des fahrlässig desinteressierten – Dritten ist folglich nicht einfach verschwunden, sondern hat seine Gestalt geändert.
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Die Entstaatlichung organisierter Gewalt kann sich in lokalen Formen vollziehen und im Extremfall Staaten von innen her vollständig aushöhlen. Sie kann aber auch globale Formen annehmen, wie al-Qaida zeigt, die von einigen Fachleuten als eine echte »moderne Armee« (Berkowitz 2003: 10) bezeichnet worden ist.55 Die Schwächung und der Zerfall von Staaten sind zugleich Ursache und Folge der Diffusion irregulärer Armeen und loser bewaffneter Gruppierungen, deren Selbstversorgungspraktiken und Motivlagen oft den Sozialformen des organisierten Verbrechens ähneln. Ein weitgehender Konsens besteht darin, dass gegen diese neuen Gewaltformationen ein Krieg, der sich allein auf die Hochtechnologiepotenziale der entwickelten Länder stützt, wenig ausrichtet. Stattdessen dominieren unterschiedliche Konzepte einer »Verpolizeilichung« (Haltiner 2003) der Streitkräfte und des militärischen Handelns die Diskussion. Auf die Diffusion feindseliger kollektiver Gewalt in ›Krisengebieten‹, UN-Protektoraten und anderen Randzonen des westlichen Einflusses reagieren die militärischen Institutionen in den intakten Staaten mit drei unterschiedlichen Antworten, die jeweils eigene sozialwissenschaftliche Untersuchungs- und Publikationsfelder darstellen. Die erste Antwort besteht in einer markanten Funktionsausweitung – manche würden sagen: einer Ausfransung der Funktionen – des Militärs, das zunehmend auch nichttraditionelle Aufgaben der sozialen Regulierung und der Polizeiarbeit übernimmt. Die Verpolizeilichung reagiert auf die beschriebene Degeneration des irregulären Partisanen zum Kriminellen und auf die Dominanz privater Gewalt in vielen schwachen oder ›gescheiterten‹ Staaten der Welt. Zweitens wird auf das neue Umfeld einer nicht länger militärisch straff organisierten, terroristischen Kleingruppengewalt mit organisatorischer Mimikry reagiert, indem das Militär seinerseits weitgehend selbstständige Spezialeinheiten ausbildet, die vielfach hinter den feindlichen Linien und außerhalb des Lichtkegels der Öffentlichkeit operieren. Drittens führt das Outsourcing der Ausbildung von militärischen Einheiten, der Planung von Einsätzen und der logistischen Versorgung an kommerzielle Anbieter zu einer partiellen Privatisierung militärischer Macht. Diese drei Stichworte werden wir im Folgenden erläutern.
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Funktionsausweitung Die Professionalisierung der Streitkräfte vergrößert die Distanz zwischen Militär und nichtmilitärischer Gesellschaft und geht zugleich einher mit einer Ausweitung der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen zivilen Einrichtungen. Soldaten werden bei Überschwemmungen und anderen Unglücken eingesetzt, im Kampf gegen die Drogenkriminalität oder zur Absicherung humanitärer Aktivitäten in Notstandsgebieten. Politische Versuche, das Militär auf seine Kernaufgabe des bewaffneten Kampfes gegen Feinde des Staates zu reduzieren, sind gerade auch in den USA spektakulär gescheitert, wie die Erfahrung im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins gezeigt hat. In einer Veröffentlichung der US Army wurden bereits im Februar 2003 insgesamt 135 Aufgaben aufgelistet, um die sich die Streitkräfte nach dem erwarteten Ende des eigentlichen Krieges notfalls ohne die Unterstützung der Vereinten Nationen oder starker NGOs zu kümmern hätten: von der Sicherstellung der Wasserversorgung bis zur Versorgung und Kontrolle von Flüchtlingen, von der Unterstützung zur Bildung lokaler Regierungsinstitutionen bis hin zur Verteilung von Speiseöl und neuen Schulbüchern (vgl. Crane/Terrill 2003). Dies bedeutet natürlich auch, dass bei den Soldaten die Orientierung am Kampf immer wieder in den Hintergrund treten oder von anderen Orientierungen eingerahmt werden muss. Die Devise lautet, dass Soldaten lernen müssen, was man mit einem Ausdruck aus dem Dienstleistungssektor moderner Gesellschaften als people skills bezeichnet. In einer Kampfzone heißt das: Erwarte von jedem, dass er dich töten will, aber behandele ihn nicht entsprechend (so ein Offizier im Irak, zit. in Phillips 2004). Diese aberwitzige, gleichwohl ernst gemeinte Anforderung an das Verhaltensrepertoire erhöht den enormen Stress, dem Soldaten ohnehin unterliegen. Sie birgt zudem Risiken, wenn man bedenkt, dass massiver Stress und Erschöpfung zu den Faktoren gehören, die den Sieg der anderen Seite begünstigen. Aber auch abgesehen von dem heute seltenen Fall eines klassischen militärischen Besatzungsregimes gibt es zahlreiche Beispiele für die Zuweisung von neuen, untypischen Funktionen an Militärverbände. Dies gilt insbesondere für den gesamten Bereich der Friedenssicherung in Regionen, die von Bürgerkriegen und ethnischen Kon-
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flikten gezeichnet sind. Hier gilt der Satz des ehemaligen UN-Generalsekretärs Dag Hammarskjold: »It is not a job for soldiers, but only soldiers can do it« (zit. in Rose 1998: 8).56 Von den Vereinten Nationen mandatierte peacekeeping-Missionen dienen hauptsächlich der Bewältigung von Folgeproblemen im Anschluss an militärisch entschiedene Konflikte in Regionen mit schwachen staatlichen Strukturen. Die im Idealfall ›unparteiischen‹ Teilnehmer an den Missionen sichern internationale Grenzen, versorgen Flüchtlinge, patrouillieren in unruhigen Territorien und pflegen den Kontakt mit Zielgruppen in der Bevölkerung sowie internationalen Hilfsorganisationen. Diese Aufgaben sind extrem personalintensiv. Schätzungen gehen davon aus, dass in instabilen Nachkriegssituationen im Durchschnitt 20 Soldaten pro 1.000 Einwohner notwendig sind, damit Friedenssicherungsmaßnahmen erfolgreich sein können. Im Kosovo ist dieses Zahlenverhältnis tatsächlich verwirklicht worden. In Afghanistan dagegen betrug Anfang 2004 das Verhältnis nur 1 zu 1.000. Im Irak wäre mindestens eine halbe Million Soldaten notwendig. Peacekeeping ist eine Kurzformel für die wohl immer wichtiger werdende Verbindung zwischen nationalen oder multinationalen Militärverbänden und fremden Gesellschaften. Als Mitglied in der Familie militärischer low-intensity-Operationen, die einen enormen Bedeutungszuwachs erlebt haben, bildet die bewaffnete Friedenssicherung das eine Ende eines Spektrums, an dessen anderem Ende die Aufstandsbekämpfung steht (Kitson 1971). In Nachkriegssituationen, etwa in Bosnien oder im Kosovo, spiegelt die Verpolizeilichung des Handelns von Soldaten zudem die Tendenz, Kriege selbst wie Polizeiaktionen zur Durchsetzung des internationalen Rechts zu führen: lawfare statt warfare. Lawfare heißt: Die militärische Aktion wird angekündigt und unter Vermeidung des klassischen Vokabulars von Sieg und Niederlage nach strikten Angemessenheitsregeln vollzogen.57 Eingeführt wurde das Polizeikonzept von Janowitz, um eine Tendenz zur Entmilitarisierung des Militärs zu beschreiben. Die Hauptaufgabe moderner Streitkräfte liegt demnach weniger im Sieg über einen Feind als in der Beteiligung an der Herstellung von »lebensfähigen internationalen Beziehungen« (Janowitz 1960: 418). In Anlehnung an Clausewitz und Hegel haben jüngere Autoren den Polizeibegriff präziser zu fassen versucht als eine Form der Ausübung von Gewalt, die
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sich nicht gegen eine identifizierbare feindliche Bedrohung richtet, sondern auf die Bedingungen von Turbulenzen und Instabilitäten innerhalb ganzer Bevölkerungen (vgl. Caygill 2001). Peacekeeping bedeutet: Das Militär konfrontiert nicht Feinde, sondern Störer, und zwar mit dem Ziel, Einstellungen und Verhaltensweisen durch wohldosierte Gewaltandrohungen zu modifizieren, Abweichungen zu kontrollieren und das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft im Sinne politisch-strategischer Ziele (Demokratisierung, nation-building usw.) neu zu justieren. Eine offene Frage ist, ob es den Akteuren dieser Art transnationaler Polizeigewalt gelingt, den historischen Vorgang der »Nationalisierung der Ehre« (Best 1982: 57) zu überwinden und militärische Ehrbegriffe auf kosmopolitische Kampfverbände zu transferieren.58 Empirische Indizien sprechen vorerst gegen allzu großen Optimismus in dieser Frage, jedenfalls dann, wenn wir uns UN-Friedensmissionen anschauen. Kosmopolitische Ehre gebührt sicher dem kanadischen General Roméo Dallaire, der während des Völkermords in Ruanda wie ein moderner Don Quichotte gegen die Windmühlen der Vereinten Nationen und ihre führenden Mitglieder kämpfte, um mehr Truppen zur Verteidigung der bedrohten Zivilisten zu erhalten, und der zuletzt mit ein paar zusammengewürfelten Soldaten aus Ghana, Togo und Äthiopien dem Irrsinn zusehen musste. Oft verhalten sich UN-Soldaten jedoch nicht einmal wie verzweifelt um Hilfe rufende Zeugen. Als im August 2003 im Distrikt Ituri im Kongo bewaffnete Jugendliche damit begannen, Angehörige des Volkes der Hema mit Macheten in Stücke zu schlagen und Körperteile als Souvenirs zu verkaufen, standen – wie immer wieder in solchen Fällen – ein paar Hundert unmotivierte peacekeeper aus Uruguay hilflos herum. Solche Vorfälle tragen nicht zum globalen Prestige der Friedenssicherung bei und bestätigen die Vorurteile gegen diese Art von Einsätzen unter den Soldaten und Politikern der klassischen westlichen Demokratien. Anders sieht es möglicherweise in den postfaschistischen Ländern Deutschland, Italien und Japan aus. Hier spricht einiges dafür, dass UN-Missionen nach 1990 als Gelegenheit wahrgenommen worden sind, das geringe Ansehen und die geringe Sichtbarkeit der eigenen, schwach professionalisierten Armeen zu verbessern (vgl. Arrington 2002; Tripodi 2003). In Deutschland ist es tatsächlich gelungen, das
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Prestige der Bundeswehr auf dem Umweg über UN-mandatierte Friedensmissionen zu mehren, auch wenn die Truppe gelegentlich, etwa bei Angriffen von albanischen Extremisten auf serbische Familien in Prizren/Kosovo im April 2004, vor allem durch Untätigkeit und Weggucken auffiel. Im Allgemeinen gilt freilich, dass die reichen Länder zunehmend arme Länder damit beauftragen, Soldaten in Friedensmissionen zu schicken. Während bis 1993 auch Frankreich, Britannien, Kanada oder die USA noch Friedenstruppen stellten, hat danach keine bedeutende Macht mehr Soldaten unter UN-Flagge entsandt. Das Feld beherrschen heute Länder wie Pakistan, Bangladesch, Indien, Nigeria, Ghana oder Uruguay, die auf diese Weise die Kosten für ihre Soldaten – bis zu 180 US-Dollar pro Tag – von der Weltorganisation tragen lassen. Die USA allein haben 2002 etwa 28 Prozent der 2,4 Milliarden US-Dollar bezahlt, die von den Vereinten Nationen insgesamt für peacekeeping ausgegeben wurden. »Western countries have essentially created a form of apartheid in peacekeeping«, fasst David Malone, Chef der Internationalen Friedensakademie in New York, diese Entwicklung zusammen.59 Dies gilt allerdings nur für Einsätze unter UN-Flagge, bei denen die führenden Offiziere unmittelbar den Vereinten Nationen unterstellt und ihnen gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Einsätze wie gegenwärtig im Kosovo oder in Afghanistan, in denen bekanntlich die USA und europäische Länder die entscheidende Rolle spielen, fallen ebenfalls unter die Rubrik ›peacekeeping‹, wenngleich hier die Vereinten Nationen eine andere Organisation, nämlich die Nato, beauftragt haben, Truppen zu stellen. Selbst die US-Streitkräfte, deren militärische Kultur zunächst wenig Raum ließ für Friedensicherungs-Maßnahmen, haben hier dazugelernt. Am US Army War College in Carlisle, Pennsylvania, werden jedenfalls die Kurse in den Wahlfächern ›peacekeeping‹ und ›Verhandlungen‹ stark belegt. Dagegen war die Geringschätzung der mootwa – so das amerikanische Kürzel für »military operations other than war« – nach dem Amtsantritt von Präsident George W. Bush vor allem bei hochrangigen Zivilisten spürbar. Die Rückschläge der US-geführten Besetzung des Irak leiten vielleicht eine Wende ein mit dem Ergebnis, dass es ausgehend von den militärischen Erfahrungen im Feld zu einer Neubewertung der mootwa auch
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bei Zivilisten kommt, die bisher beim Stichwort ›Militär‹ immer nur an das Eine dachten: an Krieg. Organisatorische Mimikry Carl Schmitt gibt in seiner »Theorie des Partisanen« ein angebliches Napoleon-Zitat von 1813 wieder, wonach man Partisanen nach Partisanenart bekämpfen müsse: »Il faut opérer en partisan partout où il y a des partisans« (Schmitt 1963: 20). Diese Maxime ist immer wieder zur Rechtfertigung für die Entnormierung des Kampfverhaltens in kleinen Kriegen herangezogen worden. So haben in Vietnam Teile der US-Armee in einer Weise gewütet, die vor dem auswärtigen Ausschuss des amerikanischen Senats mit den Methoden Dschingis Khans verglichen wurde.60 Auch gegenwärtig wird die Übernahme von Kampftechniken technisch unterlegener Truppen breit diskutiert, allerdings mit der wesentlichen Einschränkung, dass Partisanen im klassischen Sinne selten geworden sind und sich die uns heute beunruhigenden Formen des Terrorismus schlecht nach Terroristenart bekämpfen lassen. In dem Maße allerdings, wie der ›Kampf gegen den Terrorismus‹ verknüpft wird mit dem Krieg gegen irreguläre Armeen sowie mit Praktiken der Aufstandsbekämpfung, kann tatsächlich von einer gewissen Mimikry an das Verhalten der Gegner gesprochen werden. Die jüngeren Organisationsformen militärischer Gewalt, die häufig Hand in Hand gehen mit einer Assimilierung humanitärer, polizeilicher und entwicklungspolitischer Kompetenzen, reagieren auf kriegsähnliche Gefahrenlagen und stützen sich zugleich auf gesellschaftliche Tendenzen der Entbürokratisierung, Flexibilisierung und Individualisierung. Sie legen den Schluss nahe, dass sich einzelne Taktiken aus dem Repertoire des Partisanen oder des Polizisten in das Handlungsprogramm von Berufssoldaten einbauen lassen. So bilden heute militärische Spezialeinheiten, insbesondere in der Marine und der Infanterie der Vereinigten Staaten, neben den rasch wachsenden Versorgungs- und Instandhaltungseinheiten und der Minderheit konventioneller Kampftruppen eine eigenständige Größe innerhalb einer dreigliedrigen militärischen Profession (vgl. Sarkesian/ Connor 1999: 27). Hinzu kommen noch paramilitärische Einheiten
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der CIA. Die Eigenständigkeit der Special Forces, die zur Zeit einschließlich Reservisten etwa 47.000 Personen umfassen, wird durch eine Reihe auffälliger Merkmale symbolisiert. Kommandeure der Spezialeinheiten sprechen von der Armee als einer Einrichtung, die sie irgendwann zugunsten ihres neuen Jobs »verlassen« hätten (zit. in Priest 2003: 123). Auf Kasernengeländen sind die Quartiere dieser Einheiten von der regulären Armee typischerweise noch einmal durch hohe Zäune und besondere Sicherheitsvorkehrungen getrennt, die auch für reguläre US-Soldaten gelten. Bemerkenswert ist auch, dass Angehörige der Spezialeinheiten die von Soziologen hervorgehobenen »zeremoniellen Funktionen des Militärs« (Janowitz 1960: 198) ablehnen und häufig keinerlei Abzeichen auf ihren Uniformen tragen. Das Berufsbild der Spezialeinheiten kombiniert Eigenschaften des bekannten Titelhelden aus dem Film Rambo: First Blood mit der kommunikativen Begabung und den Ortskenntnissen eines Entwicklungshelfers. Diese Verbindung wirkt anziehend auf abenteuerlustige Individualisten der ›Erlebnisgesellschaft‹, die das Militär jedoch gerade nicht rekrutieren möchte. Auch die Mitglieder militärischer Spezialeinheiten sind in erster Linie Soldaten, bevor sie »Diplomaten, Ärzte, Spione, Kulturanthropologen und gute Freunde« sind, wie es ein Experte der US Army ausgedrückt hat (zit. in Hersh 2004: 42). In jedem Fall gibt es unverkennbare Parallelen zwischen den lose organisierten, weithin selbstständigen Kampfeinheiten im Militär und analogen Organisationsformen in Politik und Wirtschaft. Wie in diesen Handlungsfeldern sucht auch das Militär nach Antworten, um dem »Saurier-Syndrom« schwerfälliger Großverbände zu entgehen (vgl. Haltiner 2003: 161). Bereits vor der Zuspitzung der gegenwärtigen Terrorismuskrise ist diskutiert worden, vermehrt Kämpfer auszubilden, die Initiative zeigen anstatt nur diszipliniert zu sein. Unerreichte Vorbilder organisatorischer Mimikry sind besonders die Mist’aravim der israelischen Armee. Das Wort bedeutet auf Hebräisch ›arabisiert‹ und steht für ›unsichtbare‹ Kommandoeinheiten, deren Mitglieder ein Doppelleben in den ›besetzten Gebieten‹ und im arabischen Ausland führen, um palästinensische Widerstandsgruppen auszukundschaften und gelegentliche Sabotageanschläge zu verüben. Erst der Afghanistankrieg hat den Status der Special Forces als der dritten Säule der US-Streitkräfte endgültig gefestigt. Letztlich waren es
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300 dieser atypischen Soldaten, die für den raschen – wenngleich prekären – Sieg über die Taliban entscheidend waren, indem sie das Vorgehen lokaler usbekischer und tadschikischer Kämpfer synchronisierten und als forward air controllers (FACs) Bomberpiloten zu gesichteten Zielen lotsten.61 Die Kombination von traditionellen Elementen vortechnischer Kriegführung (Fortbewegung auf Pferden) mit dem neuen Repertoire von hoher Kleingruppenautonomie, Satellitenkommunikation und direkter Unterstützung aus der Luft ist von Beobachtern als eine ›post-industrielle militärische Transformation‹ gefeiert worden, deren offenkundige Überlegenheit viele Militärplaner in Washington bis zuletzt bestritten hatten (vgl. Kaplan 2003). Ironischerweise beruht die Leistungsfähigkeit dieser militärischen Transformation auf der Adaption ziviler Tugenden, insbesondere einer gewissen kulturellen Sensibilität, Selbstinszenierungsfähigkeit und kommunikativen Begabung der Soldaten. Man fühlt sich an einen älteren Satz von Harold Lasswell erinnert: »This leads to the seeming paradox that [...] specialists on violence are more preoccupied with the skills and attitudes judged characteristic of nonviolence« (Lasswell 1941: 458). Das Verfahren, unauffällige Kampfverbände tief in feindlichen oder instabilen Territorien zu platzieren, weist zudem offenkundig Parallelen auf zur Praxis terroristischer Netzwerke, die ebenfalls versuchen, im feindlichen Ausland handlungsfähige Zellen aufzubauen. Während militärische Spezialeinheiten in Afghanistan, auf den Philippinen und in einigen anderen Ländern in jüngster Zeit teilweise außerordentlich erfolgreich waren, frischt die Besetzung des Irak noch einmal Erinnerungen an Lektionen auf, die in den großen europäischen Kolonialmächten ohnehin niemals vergessen worden waren. Hierzu zählt beispielsweise das Gesetz der Umkehrung der Wissensarten, das von dem frühen britischen Counterinsurgency-Spezialisten C.E. Callwell (1906) formuliert wurde: Im besetzten Land wird das professionelle Wissen des Besatzers entwertet, während das lokale Wissen ortskundiger Amateure zu einer Ressource für den Guerillakrieg – sowie für dessen Bekämpfung – wird. Amerikanische MilitärIntellektuelle wie John Nagl, der im Camp Manhattan in der Nähe von Falludscha im Irak ein Bataillon von 800 Soldaten befehligt, bilden die Speerspitze des Versuchs, von britischen Kolonialoffizieren wie Callwell zu lernen, ohne doch ihre koloniale Mentalität zu teilen. Die
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Doktorarbeit von Nagl über historische Counterinsurgency-Erfahrungen von Malaysia bis Vietnam trägt im Untertitel ein abgewandeltes Zitat des legendären britischen Offiziers Thomas Edward Lawrence, genannt Lawrence von Arabien: »Wie man Suppe mit einem Messer isst« (Nagl 2002). Indem dieses Bild auf die Mühsal, Langwierigkeit und Undankbarkeit bestimmter politisch-militärischer Aufgaben anspielt, signalisiert es einen Gegensatz zu den dominanten technologieund luftkriegsfixierten Konzepten des US-Verteidigungsministeriums. Möglicherweise nimmt es auch Lektionen vorweg, die aus der Besetzung und Transformation des Irak zu ziehen sein werden. Partielle Privatisierung Trends zur Funktionsausweitung und zur Ausgliederung spezieller Kampfverbände aus dem konventionellen Militär bilden Anknüpfungspunkte für einen weiteren, unzureichend erforschten Trend: die Vermarktlichung und Privatisierung militärischer Aufgaben. Teilweise wird diese Tendenz aktiv betrieben, um Kosten zu sparen. Im Frühjahr 2004 wurden 40 Prozent des Bedarfs der US-Soldaten im Irak an Trinkwasser, Nahrung und Treibstoff durch die private Firma Kellogg, Brown & Root gedeckt, deren Convoys immer wieder von Aufständischen angegriffen wurden. Aufgaben in anderen Feldern wie Informationsmanagement, Unterbringung, Überseelogistik oder Hilfsprogramme für befreundete ausländische Streitkräfte werden an spezialisierte private Militärfirmen vergeben, die oft schillernde Namen tragen wie Armor, Blackwater, Blue Sky Corporation, Global Risk oder Rubicon (vgl. Singer 2003, Schmitt/Shanker 2004). Während in diesen Fällen die Privatisierung von den zuständigen Ministerien aktiv betrieben wird, ergibt sie sich in anderen Fällen daraus, dass private Sicherheitsfirmen erfahrene Mitglieder z.B. militärischer Spezialeinheiten in den USA mit hohen Summen abwerben. Im Irak wurden Anfang 2004 über 15.000 bewaffnete Privatpersonen in mehr oder weniger kampfnahen Feldern eingesetzt, oft durchaus im Widersprich zur Doktrin der US-Streitkräfte über die Verwendung von leicht bewaffneten ›Zivilisten, die das Militär begleiten‹, deren Aufgaben eigentlich allein im Bereich der defensiven Bewachung und des Schutzes liegen sollen. Diese Einschränkung ist inzwischen viel-
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fach aufgehoben worden, nicht zuletzt durch den Umstand, dass Aufständische private Wachmannschaften angreifen und diese zurückfeuern. Das Militär bemüht sich darum, den schnell wachsenden Rängen der privaten Sicherheitskräfte bestimmte Regeln der Konfrontation beizubringen, etwa die Lautschrift für den Zuruf »Halt oder ich schieße!« auf Arabisch (Kiff-armik) (vgl. Barstow 2004). Bei der Privatisierung wird der historische Prozess der Verstaatlichung militärischer Gewaltmittel teilweise rückgängig gemacht, wenngleich natürlich das Betreiben privater militärischer Dienstleistungsbetriebe genehmigungspflichtig bleibt. Die Vermarktlichung von militärischer Sicherheit darf nicht als ein linearer Vorgang der Erosion oder des Zurückweichens von Staaten verstanden werden. Privatarmeen können je nach Situation zur Auflösung, aber auch zur Stabilisierung von Staaten beitragen. So wird neuerdings über eine Ergänzung von UN-Friedensmissionen durch private Militärfirmen nachgedacht. Solche Firmen könnten in absehbarer Zeit unter Umgehung mühseliger politischer Diskussionen in den Vereinten Nationen sogar an die Stelle traditioneller Blauhelm-Kontingente treten. Tatsächlich haben UN-Missionen und Militärfirmen einiges gemeinsam, vor allem das internationale Profil ihres Personals, die mutmaßlich materiellen Motive ihrer Angehörigen sowie die Neigung, unmittelbare Kampfhandlungen zu vermeiden. Von diesen Prozessen einer kontrollierten Vermarktlichung von Sicherheit sind die Fälle ›privater‹ militärischer Gewalt in Regionen zu unterscheiden, in denen sich ein funktionsfähiger Staat – und damit die Differenz privat/öffentlich – überhaupt nicht stabilisiert hat, oder in denen die Waffenbestände vormals existierender regulärer Armeen auf Schwarzmärkten zu Geld gemacht worden sind. Diese Art der Privatisierung wird bekanntlich weltweit unter Sicherheitsaspekten diskutiert und erhöht den Handlungs- und Interventionsdruck auf die westliche Politik. Die meisten Überlegungen zur Debatte um private militärische Firmen werden gegenwärtig ausgelöst durch beunruhigende Indizien einer Entprofessionalisierung von bisher staatlich eingehegten militärischen Gewaltpotenzialen, die sich gegenüber militärischen und zivilen Verhaltensnormen und Rechenschaftspflichten zu verselbst-
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ständigen drohen. Sowohl empirische Fragen danach, was private Militärunternehmen eigentlich machen, als auch normative Fragen, wie mit diesen Unternehmen politisch und juristisch umgegangen werden soll, sind außerordentlich kontrovers. Haben wir es überhaupt mit Kombattanten im völkerrechtlichen Sinne zu tun oder eher mit Zivilisten, die mit der Waffe in der Hand Geld verdienen wollen? Zur empirischen Klärung lässt sich zunächst feststellen, dass in den vergangenen ein bis zwei Jahrzehnten ein enormes weltweites Überangebot an gut ausgebildeten Soldaten entstanden ist, und zwar durch die Verschlankung (USA, Großbritannien), Diskreditierung (Südafrika, Argentinien) und Demoralisierung (Russland) großer stehender Heere. Private militärische Firmen sind in dieser Zeit vor allem in Russland, den USA, Großbritannien, Südafrika und Israel entstanden. Auf der Seite der Politik haben die Überlastung der Armeen mit untypischen Aufgaben sowie Kostenargumente die Neigung verstärkt, militärische Funktionen in derselben Weise zu privatisieren, wie man die Müllabfuhr oder städtische Schwimmbäder privatisiert. In jüngster Zeit kommt das blutige Chaos in de facto Protektoraten wie Afghanistan oder Irak hinzu, das die Nachfrage nach Sicherheit in die Höhe treibt. So werden der afghanische Präsident Hamid Karzai und andere Regierungseinrichtungen in Kabul von privaten militärischen Firmen geschützt. Von den Wiederaufbaukosten im Irak werden nach Schätzungen im Frühjahr 2004 zwischen 10 und 15 Prozent für elementare Schutzmaßnahmen ausgegeben. Die staatlichen Kunden privater militärischer Firmen reichen von Papua Neu-Guinea, Sudan, Sierra Leone und Kolumbien bis zu Kanada, den USA, Frankreich und Australien. Die Dienstleistungen dieser Firmen umfassen strategische Beratung, militärisches Training, das Betreiben von Kriegsgefangenenlagern, das Auskundschaften von ›Feinden‹ und Territorien sowie die technische, logistische und operative Unterstützung von Kampfhandlungen. Mit der Ausnahme von Executive Outcomes, einer inzwischen aufgelösten südafrikanischen Firma, sollen die Angestellten von Militärfirmen nicht unmittelbar an Kämpfen teilnehmen. Die Kommandeure der US-Streitkräfte im Irak haben es für nötig gehalten, dies ausdrücklich noch einmal festzuschreiben.62 Jenseits konkreter, zur Zeit noch schwach geregelter
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Einsatzfelder gilt außerdem, dass private militärische Firmen in enge öffentlich-private Partnerschaften integriert und meistens von den Aufträgen der jeweils eigenen Regierung abhängig sind. Gleichwohl wird die gerade erst aufkeimende Diskussion vorwiegend unter dem Stichwort einer drohenden Rückbildung moderner Berufssoldaten in ›Söldner‹ geführt. Tatsächlich sind wir Zeugen einer Verwandlung des militärisch-industriellen Komplexes in einen Komplex militärischer Industrien mit teilweise beachtlichen Waffenarsenalen. Diese Industrien bemühen sich nach Kräften, das Höchstmaß an globaler sozialer Unehre, das mit dem Söldner-Etikett einhergeht, von sich zu weisen. Insbesondere sind sie darauf bedacht, ihr Personal nicht unmittelbar an Feindseligkeiten in den jeweiligen Einsatzgebieten teilnehmen zu lassen. Freilich ist der Söldnerbegriff des Ersten Zusatzprotokolls von Art. 47 der Genfer Konvention so eng gefasst, dass keine Firma Sorge haben muss, unter diese Kategorie zu fallen. Söldner genießen im Ernstfall nicht den Schutz, den die Genfer Konventionen ›Kriegführenden‹ gewährt. Man kann den Söldnerstatus aber schon dadurch umgehen, dass man nur Einheimische rekrutiert (oder rekrutierte Ausländer rasch einbürgert). Außerdem wollten die Autoren des Zusatzprotokolls schlechte ›Söldner‹ von guten ›Freiwilligen‹ abgrenzen, indem sie dem Söldnertum das unehrenhafte Motiv des persönlichen Gewinnstrebens zuschrieben. Dieses Motiv hat jedoch wie alle Motive den Nachteil, dass es sich nicht empirisch nachweisen lässt. Obwohl die Mitarbeiter von militärischen Firmen meistens in Konflikten mit Gegnern eingesetzt werden – kolumbianische Drogenmafias, islamistische Milizen im Irak oder afrikanische Warlords –, die sich ohnehin nicht an das Kriegsrecht halten, bemühen sich diese Firmen um einen unanfechtbaren Rechtstatus jenseits des Söldner-Images, das ihnen anhaftet. Die offenkundigen Reflexions- und Regelungslücken in diesem Feld sind auch nicht in der 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedeten, jedoch niemals in Kraft getretenen Internationalen Konvention gegen die Rekrutierung, Verwendung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern geschlossen worden. Die Mitarbeiter der neueren privaten Militärfirmen sind weder klassische Söldner noch typische Zivilisten, da sie bewaffnet sind und an Konflikten teilnehmen. Vorerst bleibt aber
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auch ihr Kombattantenstatus strittig, da dieser, streng genommen, voraussetzen würde, dass sie einem militärischem Disziplinarsystem unterliegen und die jeweilige Gegenseite über ihre Beteiligung an laufenden Konflikten offiziell informiert wird. Vieles spricht aus heutiger Sicht für eine Neubewertung der Prämissen, die in das Erste Zusatzprotokoll eingegangen sind. Bei der Privilegierung der ›Freiwilligen‹, die man nicht wie Söldner außerhalb des Gesetzes stellen wollte, mag man an republikanisch gesonnenen Weltbürger gedacht haben, die im spanischen Bürgerkrieg kämpften, während wir heute eher Islamisten vor Augen haben, die ebenfalls freiwillig in Bosnien, Tschetschenien, Afghanistan oder vielleicht wiederum in Spanien zugange sind. Aus heutiger Sicht hat der ›freiwillige‹ Kombattant viel von seinem romantischen Glanz verloren. Umgekehrt klingt im Zeitalter des universellen Marktes die Denunziation des persönlichen Gewinnstrebens des Söldners biedermeierlich und unehrlich. Niemand kann einem anderen ins Herz schauen. Wichtiger als letzte Motive ist ohnehin die Frage, wie sich sicherstellen lässt, dass private militärische Firmen die Früchte des langen Kampfes von Zivilisten und Soldaten – transnationale Standards von Transparenz, Verantwortlichkeit und Professionsethik im Militär – nicht wieder zunichte machen. Das moralistische Bild von Söldnern als angeheuerten Ausländern, die allein materiellen Anreizen gehorchen, suggeriert obendrein einen kausalen Zusammenhang zwischen der Herkunft und den letzten Motiven der Söldner einerseits und ihrer angeblichen Unzuverlässigkeit, Wankelmütigkeit und Ineffektivität andererseits. Historisch gesehen entspricht die Geringschätzung der Söldners seit den Tagen Machiavellis nicht nur das Bild des vaterländisch motivierten und daher effektiveren Bürgersoldaten, sondern auch die These, dass der gute Bürger im Kern immer Soldat ist – eine These, vor der die meisten von uns heute wohl eher zurückschrecken würden. Viele der üblicherweise unterstellten kausalen Zusammenhänge ließen sich empirisch untersuchen, was allerdings bisher kaum geschehen ist. Stimmt es, so mag man fragen, dass die vereidigten Bürger eines Landes loyaler, engagierter und stärker den Geboten der Humanität im Krieg verpflichtet sind als beispielsweise die nepalesischen Gurkhas, die seit 200 Jahren für die britische Krone kämpfen? Kämpfen Aus-
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länder wirklich schlechter oder rücksichtsloser als ›Staatsbürger in Uniform‹? Oder haben wir es hier vielmehr mit mitteleuropäisch geprägten Vorurteilen zu tun, die wir im Laufe des 21. Jahrhunderts im Lichte anderer Maßstäbe und Erfahrungen über Bord werfen werden?
Militär und Geschlechterverhältnisse In der Einleitung haben wir ›Krieg‹, ›Militär‹ und ›nichtmilitärische Gesellschaft‹ als drei analytisch eigenständige Größen eingeführt, deren Beziehungen zueinander ein komplexes Tableau von Fragestellungen und Forschungsthemen ergeben. In all diesen Beziehungen werden Geschlechterverhältnisse und der Status von Frauen oft vernachlässigt. Am meisten Aufmerksamkeit findet noch die Beziehung des Militärs zur Gesellschaft der Zivilistinnen (Militär/nichtmilitärische Gesellschaft). Hier steht die Frage im Vordergrund, ob sich Frauen für den Soldatenberuf eignen und wer dies entscheidet. In welchem Sinne ist das Militär eine ›männliche‹ Institution, die nicht nur von Männern beherrscht wird, sondern darüber hinaus auch im Zivilleben die Geschlechterverhältnisse formt? Davon zu unterscheiden ist die Problematik der Rolle von Soldatinnen im Rahmen unterschiedlicher militärischer Missionen (Militär/ Krieg). Was bedeutet das Einrücken von Frauen in unterschiedliche militärische Rollen einschließlich solcher, die direkte Kampfhandlungen umfassen? Lässt sich der Ausschluss von Frauen aus dieser Zone sozialer Interaktion ohne Rückgriff auf traditionelle Geschlechterstereotype rechtfertigen? Welche Folgen haben die gegenwärtigen Wandlungstendenzen der Virtualisierung, Funktionsausweitung und Verpolizeilichung für die Rolle der Soldatinnen? Schließlich sind sowohl die Leistungen von Zivilistinnen in Kriegen als auch das spezifische Leid dieser Gruppe zu bedenken (nichtmilitärische Gesellschaft/Krieg). Zivilistinnen haben in vielen Kriegen als produktive Reserve an der ideologisch überhöhten ›Heimatfront‹ gewirkt. Im Zeitalter der Zuschauerkriege findet zudem die Sichtweise von Frauen auf Kriege besondere Beachtung. Auf der anderen Seite werden Zivilistinnen im Kontext von Kriegen bis heute immer wieder
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zu Opfern von systematischen Vergewaltigungen, sexueller Ausbeutung und Sklaverei. Diese Tatsache nährt wiederum den Kampf der Zivilistinnen – teils gegen den Krieg, teils für militärische Interventionen in weit entfernte Kriege. Militär und Männlichkeit Das Militär setzt physische Leistungsstandards für seine Angehörigen und produziert ein Bild sowohl des statistischen Normalkörpers als auch eines angestrebten Sollkörpers. In den Vereinigten Staaten beispielsweise haben Armee und Marine in Zusammenarbeit mit der Bekleidungsindustrie das Projekt ›SizeUSA‹ finanziert, in dem Tausende von Bürgerinnen und Bürgern mit 3-D-Scannern exakt vermessen wurden, um ein statistisches, nach Rassen und Geschlechtern aufgefächertes Bild des amerikanischen Normalkörpers zu erstellen. Die Bestimmung des Sollkörpers ist dagegen weitaus komplizierter. Historisch ist dieser Körper vor allem durch ein Merkmal gekennzeichnet: seine Männlichkeit. Zahllose Aussagen belegen zudem, dass von der Männlichkeit des Soldaten häufig in einem nicht biologischen, sondern normativen Sinne die Rede ist. Wenn ein in anderer Hinsicht relativ fortschrittlicher Kenner der Reichswehr in den zwanziger Jahren über den »erschreckenden Mangel an Männern im heutigen Deutschland – an Männern im wahren Sinne des Wortes« (Hesse 1922: 80) klagte, so verriet diese typische Formulierung die Orientierung an einer Norm von Männlichkeit, der ebenso klare Normen von Weiblichkeit entsprachen. Die Klage über den Mangel an wahren Männern war stets ein sicheres Indiz für den Überfluss an unverrückbaren Männlichkeitsbildern, als deren Hüter militärische Institutionen gesehen wurden. Etwas Ähnliches gilt auch für Frauen. Die Bildung des Women’s Army Corps in den USA während des Zweiten Weltkrieges führte zu Beunruhigungen unter männlichen Zivilisten, die sich Sorgen machten um die Stabilität traditioneller Geschlechterverhältnisse zu Hause. Um diese Sorgen zu zerstreuen, wurde darauf geachtet, den Militärdienst der Frauen auf Versorgungs- und Entlastungsjobs zugunsten der kämpfenden Männer zu beschränken. Allzu ›vermännlichte Frauen‹ (mannish women) wurden außerdem zum Gegenstand besonderer
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Aufmerksamkeit mit dem Ziel, lesbische Umtriebe aufzudecken und zu bestrafen (vgl. Meyer 1996). Auch in der Wehrmacht waren während des Krieges mehr als 450.000 Frauen tätig, vor allem in der Verwaltung, Kommunikation und Krankenversorgung, später sogar in der Luftabwehr. Hier kamen wohl Frauen gegen Ende des Krieges gelegentlich auch direkt an den Geschützen zum Einsatz. Grundsätzlich vermied die NS-Führung jedoch aus ideologischen Gründen die Verwendung von bewaffneten Soldatinnen, von ›Flintenweibern‹, wie vor allem die sowjetischen Soldatinnen verächtlich genannt wurden. Solche Einsichten in die militärische Regulierung von Geschlechterverhältnissen sind inzwischen vor allem von Historikerinnen und Soziologinnen systematisiert worden. Das Militär wird nicht mehr nur als eine Organisation zur Verteidigung nationaler Interessen betrachtet, sondern als ein kulturelles System, das Denkmuster und diffuse Selbstdeutungen vorzeichnet und nicht zuletzt dominante Geschlechterbilder prägt. Über seine Gewaltfunktion hinaus hat das Militär eine symbolische Bedeutung für das Geschlechtersystem, indem es verbindliche Maßstäbe von Männlichkeit und Weiblichkeit herstellt oder zumindest verstärkt. Das Militär ist eingebettet in eine symbolische Ordnung von Gegensatzpaaren wie ›Freund/Feind‹, ›stark/schwach‹, ›militärisch/zivil‹ oder ›Leben/Tod‹, in der auch die Geschlechter und sexuelle Orientierungen verortet werden (vgl. Seifert 1996; Frevert 1997; Eifler/Seifert 1999; Eifler 2001; Klein 2001; Dudnik et al. 2004). Bereits Norman Dixon äußerte in den siebziger Jahren Zweifel daran, ob man das Militär in erster Linie als eine Einrichtung zur nationalen Verteidigung betrachten sollte. Die militärische Organisation, so Dixon, (1976: 174) dient nicht hauptsächlich der effektiven Abwehr äußerer Feinde, sondern der Abwehr innerer Ängste und Aggressionen von Männern mit autoritären Persönlichkeitsstrukturen. Noch früher, in den sechziger Jahren, versuchten Psychologen, einen Zusammenhang nachzuweisen zwischen der physischen und emotionalen Tüchtigkeit von Kampftauchern der US-Marine und ihrer ›Angst vor Frauen‹. Der militärisch vorbildliche Froschmann »bekräftigt seine eigene Männlichkeit, zugleich wird er magisch von der Tiefe des Wassers angezogen, von der Sicherheit des Schoßes, während er die reale Frau draußen lässt« (Heyder/Wambach 1964: 289). Dieses
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Thema ist später in Klaus Theweleits Männerphantasien (1977/78) aufgenommen und fortgeführt worden. Leo Braudy hat in einer umfangreichen Studie noch einmal historische Quellen zusammengetragen, die eine enge Beziehung zwischen Männlichkeitswahn, sozialer Militarisierung und Krieg belegen (vgl. Braudy 2003). Diese Beziehung ist offenkundig nicht naturgegeben. Tatsächlich kann Braudy zeigen, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA chauvinistische Männlichkeitsideale manchmal sogar mit Antikriegspositionen einher gingen. So betrachtete ein Präsident der Stanford University den Eintritt seines Landes in den Ersten Weltkrieg als eine Verschwendung von eugenisch hochwertigem Männermaterial, das man nicht im fernen Ausland verbluten lassen sollte (vgl. ebd.: 420). Dies blieben jedoch Einzelstimmen in einem Chor, der besonders in Europa die Kriegstüchtigkeit der Männer und die Vermännlichung der Gesellschaft durch den Krieg forderte. Für die Gegenwart sieht Braudy eine fundamentale Lockerung der historischen Beziehung von Krieg und Männlichkeit – ›Männlichkeit‹ verstanden als Überblendung männlicher Heterosexualität mit exklusorischen Reinheits- und Ehrbegriffen. In den vergangenen Jahrzehnten hat der politische und moralische Wandel der westlichen Gesellschaften dazu geführt, dass ›Männlichkeit‹ und ›Weiblichkeit‹ nicht mehr als einander ausschließende Pole erscheinen, sondern auf einem Kontinuum von Ausdrucksmöglichkeiten angesiedelt werden. Dies wiederum führt nicht zum Ende des Krieges, wohl aber zum Ende der historischen Allianz zwischen dem Militär und den Fantasmen der Männlichkeit, insbesondere zum Niedergang des Deutungsmonopols militärischer Institutionen über das, was ›wahre‹ Männer sind. In den Kämpfern der al-Qaida und ähnlicher Gruppen sieht Braudy ein letztes Aufbäumen der in Europa seit den Freikorps-Soldaten geläufigen ideologischen Verbindung von Gewaltverherrlichung, Frauenhass und Antisemitismus – eine Verbindung, die sich damals wie heute instinktsicher gegen die Vereinigten Staaten richte.63 Während die These der Symmetrie von Männlichkeit und Militär längst zu einem Klischee geworden ist, richtet sich neuerdings die Aufmerksamkeit auf Widersprüche im Beziehungsgeflecht von militärischen Institutionen, Geschlechtern und Geschlechterbildern. Weder kann heute das Militär als eine monolithische Einrichtung beschrie-
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ben werden noch sind Männlichkeit und Weiblichkeit soziale Konstrukte ohne Risse. Besonders die israelische Gesellschaft bietet hier viel Anschauungsmaterial. Uta Klein hat gezeigt, dass nicht einmal die israelische Armee, in der Frauen seit dem Jahr 2000 sogar in Kampftruppen zugelassen sind, viel an dem vorherrschenden Bild geändert hat, das Frauen immer noch auf den staatstragenden Dienst in der israelisch-jüdischen Familie festlegen möchte (Klein 2001: 252ff.). Geschlechterbilder ändern sich unabhängig davon, wie das Militär geschlechtlich zusammengesetzt ist, während umgekehrt die empirische Auflösung der alteuropäischen Liaison von Männlichkeit und Militär keinen direkten Einfluss auf jene Bilder haben muss. Andere Studien verdeutlichen, wiederum am Beispiel Israels, dass die oft behauptete Harmonie von Staat, Männlichkeit und Militär durch die ambivalenten Selbstbehauptungspraktiken bestimmter Gruppen von Soldaten brüchig geworden ist. So neigen Männer in Einheiten, die nicht unmittelbar kampfbezogene Aufgaben haben, zu einem männlichen Chauvinismus, der die Familie über das Militär und den ›Ernährer‹ über den ›Soldaten‹ stellt (vgl. Sasson-Levy 2003a). Ein turbulentes Spannungsfeld ergibt sich ferner daraus, dass der hohe Anteil an (häufig allein erziehenden) Soldatinnen zu einer engen Verbindung von zwei »gierigen Institutionen« führt, nämlich Militär und Familie (Segal 1988). In der Praxis gehen Armeen mit dieser Situation in der Weise um, dass sie intern nichtmilitärische Funktionen der Familienunterstützung aufbauen. Zum Entsetzen konservativer amerikanischer Publizisten ist auf diese Weise die US-Kriegsmaschine zur »größten Kindertagesstätte der Welt« (O’Beirne 1998: 36) geworden, in der täglich 1,6 Millionen Kinder spielen. Frauen im transformierten Militär Die Armeen der Industriestaaten verzeichnen einen deutlichen Anstieg ihres Anteils an Frauen. So meldet das Frauenbüro der Nato, dass die Zahl der Soldatinnen in Nato-Uniformen von 30.000 (1961) auf 288.000 (2001) gestiegen ist. Diese Dynamik vollzieht sich allerdings nicht gleichmäßig in allen Mitgliedsländern. In den Armeen Italiens, Polens oder der Türkei sind Frauen allenfalls im Sanitätsdienst oder in Militärkapellen anzutreffen. Auch die Bundeswehr gilt
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in dieser Hinsicht mit einem Frauenanteil von 2,8 Prozent als ziemlich rückständig. Die Zahlen aus anderen westlichen Ländern – USA 14 Prozent, Kanada 11,4 Prozent, Frankreich 8,5 Prozent, Niederlande 8 Prozent – legen die Vermutung nahe, dass der Frauenanteil in jenen Demokratien am höchsten ist, in denen Frauen auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen relativ gute Chancen haben, in Männerdomänen vorzudringen.64 Für die Vereinigten Staaten markiert übrigens erst der Golfkrieg 1991 den Übergang zur massiven Präsenz und Sichtbarkeit von Soldatinnen in der Nähe oder innerhalb von Kampfzonen. So waren in Saudi-Arabien bis zu 40.000 Frauen stationiert. Einige von ihnen flogen nachts Kampfjets, während sie tagsüber in dem streng islamischen Land außerhalb der Kasernengelände nicht einmal Auto fahren durften. Aus der Sicht der Rekrutierungsbüros ist die Öffnung des Militärs für Frauen nicht als Beihilfe zur Emanzipation gedacht, sondern als Versuch, eine lange verkannte Personalressource zu erschließen. Gleichwohl handelt es sich bei dem Vorgang, Frauen schrittweise das ›Recht zur Waffe‹ zu erteilen, um eine Gleichstellung mit Männern und damit um einen Indikator für die Stellung von Frauen insgesamt in der Gesellschaft. Die Öffnung des Militärs für unterschiedliche demographische Gruppen ist ähnlich wie die Ausdehnung des Wahlrechts ein Aspekt der Herstellung einer Bürgerschaft von Gleichen und Freien. In diesem Sinne hat man in den USA die Öffnung des Militärs erst für Schwarze, dann für Frauen und langsam für Homosexuelle als Ausdruck einer stufenweisen citizenship revolution bezeichnet (vgl. Segal et al. 1999).65 Sowohl Frauen als auch Männer haben allerdings auch behauptet, dass diese Gleichstellung dem Auftrag des Militärs nicht gut tue. Stephanie Gutmann prognostiziert eine Unterminierung der Kampfkraft der US-Streitkräfte durch die wachsende Zahl von Frauen in allen Waffengattungen (vgl. Gutmann 2000). Martin van Creveld sieht dagegen in der Rekrutierung von Frauen weniger eine Ursache als vielmehr ein Symptom des ohnehin manifesten Niedergangs von Militär und Staat im Westen (vgl. Creveld 2001). Frauen können demnach das Militär aus demselben Grund erobern, aus dem Homosexuelle die Institution der Ehe für sich erobern. Ausgehöhlte und abgewertete Institutionen öffnen sich für atypische Gruppen, weil ihr ur-
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sprünglicher Sinn in Vergessenheit geraten ist oder sie ihre allgemeine Verbindlichkeit und Vorbildlichkeit verloren haben. Ob es einen Niedergang des Militärs gibt und ob die Aufnahme von Frauen in Kampfeinheiten diesen Niedergang abbildet und beschleunigt, muss – vorsichtig ausgedrückt – als umstritten gelten. Es ist nicht bekannt, dass die Standards bei militärischen Eignungstests gelockert werden, in denen die physische Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit von Bewerberinnen und Bewerbern geprüft wird. Tatsächlich scheitern Frauen häufiger als Männer an bestimmten Anforderungen aus schlicht körperlichen Gründen. In den heute vorherrschenden Szenarien des permanenten kleinen Krieges infanteristische Spezialeinheiten und Kampfverbände – beispielsweise gegenüber Panzereinheiten – eine deutliche Aufwertung erfahren. Insofern könnten diese Verbände eine wichtige Rolle bei der fortgesetzten Legitimation kriegerischer Männlichkeit spielen. Die seit dem Afghanistankrieg 2001 berühmten Alpha-Teams der amerikanischen Special Forces sind jedenfalls ausschließlich aus jeweils zehn bis zwölf Männern zusammengesetzt. Auch sonst ist festzuhalten, dass Frauen selbst in Israel oder den USA kleine Minderheiten in den Armeen und nur winzige Minderheiten in bestimmten Einheiten bilden. Diese Situation treibt die Soldatinnen häufig in schwer lösbare Verhaltensdilemmata: einerseits neigen sie zur Überanpassung an ›männliche‹ Rollenerwartungen, andererseits üben sie sich, schon um den stets präsenten Homosexualitätsverdacht zu zerstreuen, in der strategischen Inszenierung von Weiblichkeit, was wiederum als unmilitärisch und ›schwach‹ wahrgenommen werden kann (vgl. Sasson-Levy 2003b). Dieses Ausbalancieren von unvereinbaren Erwartungen und Normen ist in der amerikanischen Freiwilligenarmee noch schwieriger als in der israelischen Wehrpflichtarmee, in der sich die Frauen nicht unter fragenden männlichen Blicken bewegen müssen. Die bloße Öffnung der Armee für Frauen genügt also nicht, um ein geschlechtsneutrales Militär zu schaffen. Wichtiger ist die Frage, wie die Öffnung des Militärs mit den von uns diskutierten Wandlungstendenzen dieser Institution zusammenwirkt. Die zunehmende Bedeutung von nicht unmittelbar kampfbezogenen Aufgaben und die
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Verwischung der ehemals harten Grenze zwischen Soldaten und Zivilisten verändert das Militär mehr als die bloße Existenz von Soldatinnen. Diese Veränderungen wiederum begünstigen teilweise den verstärkten Einsatz von Frauen. Auf die wachsende Rolle von alltagsdiplomatischen Gebarensformen aus dem Dienstleistungssektor (people skills) in Nachkriegssituationen haben wir schon aufmerksam gemacht. Diese Gebarensformen werden Frauen oder gemischt-geschlechtlichen Einheiten eher zugetraut als traditionellen Kampfverbänden. Geschlechterbilder, die bisher einer Öffnung des Militärs für Frauen im Weg standen, werden heute als Argument für die verstärkte Rekrutierung von Frauen angeführt, insbesondere mit Blick auf peacekeeping-Operationen (vgl. DeGroot 2001). Neben dieser Tendenz zu komplexen Missionen, die immer weniger allein auf die Überwältigung eines Feindes zu reduzieren sind, ist es der wachsende Einsatz von Technologien in der modernen Kriegsführung, das den komparativen Vorteil von Körperkraft und Ausdauer – den wichtigsten Attributen primordialer Männlichkeit – aufhebt. Zivilistinnen als Opfer und Zuschauerinnen Zur Männlichkeit des Militärs gehört nicht zuletzt die historische Tatsache, dass Zivilistinnen immer wieder zu Opfern sexueller Ausbeutung und Gewalt von Soldaten gemacht worden sind. Diese Tatsache hat lange Zeit überhaupt kein besonderes öffentliches Aufsehen erregt und ist erst in den letzten Jahrzehnten, vor allem im Kontext des Aufbaus internationaler Kriegsverbrechertribunale, zu einem strafwürdigen Delikt erhoben worden. NGOs und einzelne Menschenrechtsanwälte wie beispielsweise die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin Gay McDougall haben dabei das Eis gebrochen und zur Schaffung neuer globaler Normen beigetragen. So behandelt das Tribunal in Den Haag zu den Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien die vielen Fälle systematischer Vergewaltigung durch Soldaten als Folter. Das Ruanda-Tribunal sieht Vergewaltigung als Aspekt von Völkermord. Das Tribunal für Sierra Leone hat einen eigenen Ermittlungsausschuss zur Untersuchung von sexuellen Verbrechen (gender crimes investigation unit) eingerichtet. Alle diese Bemühungen ändern
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freilich wenig daran, dass sogar im Umfeld von peacekeeping-Missionen immer wieder Fälle von sexueller Ausbeutung, Zwangsprostitution und Frauenhandel aufgedeckt werden.66 Die britische Armee nimmt die Allgegenwart sexueller Gewalt in den ›neuen Kriegen‹ zum Anlass, verstärkt Frauen anzusprechen und für die Armee zu gewinnen. Ein Werbefilm zeigt eine junge Frau, die sich in der Ecke eines zerbombten Gebäudes verkriecht. Der Text lautet: »Sie wurde gerade von Soldaten vergewaltigt. Dieselben Soldaten haben ihren Mann umgebracht. Das Letzte, was sie sehen will, ist noch ein Soldat. Es sei denn, dieser Soldat ist eine Frau.« Der Film setzt bewusst auf die Wirkung des Geschlechterstereotyps, dass nur Frauen einander richtig verstehen, und dies über alle Grenzen hinweg. Einen der wenigen Versuche, diesem und verwandten Stereotypen zum Verhältnis von Frauen und Krieg empirisch auf den Grund zu gehen, hat Richard Eichenberg (2003) vorgelegt. Seine Studie ist aufschlussreich, auch wenn sie sich nur auf Amerikanerinnen bezieht, deren Verhältnis zu kriegerischer Gewalt vermutlich etwas anders ist als zum Beispiel das ihrer deutschsprachigen Geschlechtsgenossinnen, deren Haltungen leider bisher nicht systematisch untersucht worden sind. Das gesamte Feld des Verhältnisses von Frauen zu militärischer Gewalt wird von allerhand Vorurteilen beherrscht, die so robust sind, dass sich kaum jemand für ihre empirische Überprüfung zu interessieren scheint. Nun weist Eichenberg nach, dass Zivilistinnen im Durchschnitt weniger häufig militärische Gewalt befürworten als ihre männlichen Mitbürger. Das ist tatsächlich ganz im Sinne dessen, was wir ohnehin zu glauben geneigt waren. Auch gibt es deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Befürwortung kriegerischer Mittel beim Kampf gegen Terroristen, allerdings vor dem Hintergrund eines insgesamt sehr hohen Niveaus der Zustimmung bei beiden Geschlechtern (Männer 80 Prozent, Frauen 70,5 Prozent). Frauen sind auch empfänglicher für humanitäre Anliegen und für Hinweise auf das in Kriegen verursachte menschliche Leid. Zumindest Amerikanerinnen interessieren sich zudem für die Wahl der Waffen. Krieg ist nicht gleich Krieg, und das Zustimmungsverhalten variiert je nachdem, ob gezielte Luftschläge, Bodentruppen oder noch weitgehendere
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Formen der Gewaltanwendung angedroht und eingesetzt werden. Frauen haben ferner mehr Sinn für peacekeeping, eine in den USA insgesamt eher unpopuläre Art der Verwendung der eigenen Truppen.67 Zwei Befunde möchten wir abschließend besonders hervorheben. Zunächst überrascht, dass die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Zuschauern bei der Bewertung von militärischen Einsätzen nicht erst durch die jüngeren Wellen feministischer Mobilisierung geschaffen oder auch nur vergrößert worden sind. So war der Abstand zwischen den Geschlechtern bei der Beurteilung der amerikanischen Kriege in Korea und Vietnam nicht geringer als der bei den jüngeren Kriegen im Nahen Osten (Eichenberg 2003: 118). Der zweite bemerkenswerte Befund lautet, dass sich im Fall der militärischen Interventionen im ehemaligen Jugoslawien kaum eine Geschlechterdifferenz im Verhältnis von Zustimmung und Ablehnung erkennen lässt. Sobald in fernen Konflikten systematisch Gewalt gegen Frauen als Kriegstaktik eingesetzt und darüber in den internationalen Medien berichtet wird, ziehen Frauen bei der Befürwortung militärischer Intervention mit Männern gleich (ebd.: 130f.). Dass sich beide Geschlechter in der Frage humanitärer Interventionen nahezu einig sind – Frauen und Männer hätten auch gleichermaßen den Einsatz von Truppen zur Verhinderung des Völkermords in Ruanda 1994 befürwortet – kann unterschiedlich gedeutet werden. Manche mögen urteilen, dass Frauen anfälliger für Manipulation sind, sobald das militärische Kalkül von scheinbar ›humanitären‹ Gesichtspunkten mitbestimmt wird. Wir neigen jedoch zu einer freundlicheren Interpretation, die besagt, dass Zivilisten beiderlei Geschlechts an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, systematische Gewalt gegen Frauen in fernen Konflikten zu unterbinden.
Im Schatten des amerikanischen Imperiums Jede Übersicht über die Problematik des Wandels von Militär und Gesellschaft wäre unvollständig ohne die Berücksichtigung von militärischen Allianzen, die ein transnationales Element in die Organisation militärischer Gewalt einführen. Mit Blick auf die Nato ist heute in poli-
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tischen Zeitdiagnosen auf beiden Seiten des Atlantiks die Rede von der Krise formaler Bündnisse zwischen Militärmächten. Als Gründe hierfür werden (in Europa) der ›Unilateralismus‹ der USA genannt oder (in den USA) die klägliche Vorstellung, die die Streitkräfte einiger europäischer Länder in den Konflikten der vergangenen Jahre von der Kosovo-Intervention bis zum Afghanistankrieg geboten hätten. Oft leidet die Diskussion daran, dass nicht unterschieden wird zwischen konjunkturellen Phänomenen wie der nationalistisch geprägten Außenpolitik der US-Regierung unter George W. Bush und strukturellen Machtkonstellationen, die nicht ›abgewählt‹ werden können und sich nur mit der Langsamkeit eines Gletschers verändern. Zu diesen strukturellen Gegebenheiten gehört, dass wir in militärischer Hinsicht in einer monopolaren Weltordnung leben, an der auch eine weniger unilaterale US-Außenpolitik nichts ändern würde. Monopolarität lässt sich nicht allein daran ablesen, dass die USA soviel Geld für ihr Militär ausgeben wie praktisch alle übrigen Militärmächte zusammengenommen. Wichtiger ist die vollständige Kontrolle der USA über die Ozeane, den erdnahen Weltraum und den Luftraum oberhalb einer gewissen Grenze (vgl. Posen 2003). Hierbei handelt es sich um globale Kollektivgüter, die von allen Staaten und ihren Bürgern genutzt werden, ohne einem einzelnen Staat oder gar privaten Interessenten zugewiesen zu sein. Genau genommen gehört nur der Luftraum den territorial eingefassten Staaten am Boden, allerdings sind nur wenige Länder in der Lage, oberhalb einer bestimmten Höhe die US-Luftwaffe am Zugang zum eigenen Luftraum zu hindern. Die Kontrolle der Kollektivgüter und Raumdimensionen wird ausgeübt durch eine Armada von U-Booten, Flugzeugträgern und Langstreckenbombern sowie durch eine Vielzahl von Satelliten, die sämtliche Operationen am Boden, auf hoher See oder in der Luft unterstützen und permanent den Erdball nach brauchbaren Informationen abtasten. Neben diesen technischen Fähigkeiten sind es die weltweit verteilten Kommandostrukturen und etwa drei Dutzend Militärbasen im Ausland, die die Grundlage der militärischen Hegemonie der USA bilden. Gespeist wird diese Hegemonie letztlich durch die gigantische wissenschaftliche und industrielle Basis des Landes, die über Jahrzehnte zielsicher für den globalen Ausbau des Wirkungsraums amerikanischer Soldaten genutzt worden ist.
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Nicht zuletzt diese monopolare Situation hat viele Kommentatoren veranlasst, die Vereinigten Staaten von Amerika mit einem Imperium zu vergleichen, auch wenn dieser Vergleich gerne durch einschränkende Zusätze relativiert wird. So ist vom »Empire lite« (Ignatieff 2003b) die Rede oder von einem »Empire, das keins sein will« (Ferguson 2004). Einem Imperium gleichen die Vereinigten Staaten nicht zuletzt dadurch, dass ihre militärischen Gegner typischerweise nicht mehr ›Länder‹ sind, sondern Regimes, Bewegungen und Netzwerke in ›Krisenregionen‹, die asymmetrisch auf die Übermacht Amerikas reagieren und damit langwierige kleine Kriege begünstigen. In dem Maße, wie diese Gegner beispielsweise Quartiere des Internationalen Roten Kreuzes in die Luft sprengen oder gefangenen Zivilisten vor laufenden Kameras die Köpfe abschlagen, verstärkt sich in Teilen der Öffentlichkeit zudem der Eindruck, dass die eigenen Soldaten wie zur Zeit des römischen Reichs ›Barbaren‹ bekämpfen.68 Andere Teile der Öffentlichkeit wohnen dagegen den Niederlagen und Rückschlägen amerikanischer Soldaten mit einem Gefühl bei, für das der britische Premierminister Tony Blair in einem Augenblick der Verbitterung das deutsche Wort »schadenfreude« verwendet hat (Blair 2004). Anders als während des Kalten Krieges weiß heute das Militär nicht mehr genau, auf welche Art von Gefahr und Gegnerschaft es sich einzustellen hat. Wir treten ein in eine Ära schwer vorhersehbarer Bedrohungen. Entsprechend komplex werden die militärischen Manöver und Kriegsspiele. Amerikanische Soldaten üben inzwischen die richtige Reaktion auf das unwahrscheinliche Zusammentreffen heterogener Ereignisse: ein Luftangriff von Terroristen in Alaska, ein Hurricane, eine rätselhafte Lungenepidemie in Nevada oder die Störung aller Geldautomaten in zwei Bundesstaaten durch elektronische Viren. Solche Bedrohungen unterscheiden sich grundlegend von den Szenarien des Kalten Krieges und folglich gerät auch das in jener Zeit geschaffene westliche Verteidigungsbündnis unter Druck. Allerdings bleiben die USA auch auf dem Gipfel ihrer militärischen Macht auf die Europäer und andere Staaten angewiesen. Monopolarität und Multilateralismus‹ gehören zusammen. Der Grund ist, dass die imperiale Gestalt der USA nicht einfach an die Stelle der pluralistischen Staatenordnung tritt, sondern diese nur überlagert (vgl. Münkler
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2004). In politischer Hinsicht bleibt die Staatenordnung und ihre Symbolisierung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bedeutsam für die völkerrechtliche ›Legitimation‹ von US-geführten Kriegen, genauer gesagt: für die Vorspiegelung eines Bilds der Weltmeinung, auf deren Unterstützung gerade Weltmächte nur ungern verzichten. In militärischer Hinsicht ist die Entstehung neuer Allianzen eine auffällige Tatsache. Dazu gehören auch extrem ungleiche Bündnisse zwischen den USA und solchen Armeen, die von den USA völlig neu strukturiert werden. Ein Beispiel ist die hauptsächlich vom Europäischen Kommando der US-Streitkräfte in Stuttgart getragene »PanSahel Initiative«, der Mali, Mauretanien, Niger, Tschad, Senegal und demnächst vermutlich noch einige andere Länder im Norden Afrikas angehören. Die gesamte Region gilt als ein weitgehend unregiertes Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet für islamistische Kampfverbände, in dem neuerdings amerikanische Spezialeinheiten einheimische Soldaten trainieren und mit modernem Navigationsgerät und Geländewagen ausstatten. Die USA schaffen damit Elemente von Staatlichkeit und stiften zugleich Beziehungen zwischen Nachbarländern wie Mali und Niger, deren Generäle einander bis vor kurzem noch nie begegnet waren (vgl. Smith 2004). Im Anschluss an Martin Shaw können wir bei diesen Bündnissen von einem »Risiko-Transfer« (Shaw 2002) sprechen, bei dem nichtamerikanische Soldaten an den Rändern des Imperiums den Risiken direkter Kampfhandlungen ausgesetzt sind, während das US-Militär als Ausrüster, Financier, Planer und Trainer im Hintergrund bleibt. Bündnisse, die eine ähnliche Neuverteiling des Todesrisikos zur Grundlage und Konsequenz haben, wurden in der Vergangenheit auch mit Albanern im Kosovo, Kurden im Irak oder mit Tadschiken und Usbeken in Afghanistan geschlossen. In dem Maße, wie sich die USA zum Engagement an der Peripherie ihres Einflussbereichs genötigt sehen und darin ihren imperialen Charakter entfalten, wird dieser Typus von Allianzen vermutlich an Bedeutung gewinnen. Das Verhältnis zu den europäischen Nato-Partnern wandelt sich dagegen in eine andere Richtung. Die USA sehen in den europäischen Verbündeten (abgesehen von Großbritannien) vorwiegend Lieferanten von Soldaten, die das »Polizeiproblem« (Posen 2003: 31) lösen helfen könnten, das dann entsteht, wenn bevölkerungsreiche, militärisch
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bereits bezwungene Länder politisch umgestaltet werden sollen. Abgesehen von dem zivilen Widerstand gegen das amerikanische Projekt, eine ›demokratische Revolution‹ in außereuropäischen Regionen voran zu treiben, regt sich hier und da auch in manchen Armeen Unmut über die Statistenrolle, die ihnen das Imperium zugedacht hat. Bitten von amerikanischer Seite, die Bundeswehr möge offizielle Einrichtungen der USA in Deutschland bewachen, führten Anfang 2003 zum Protest hochrangiger Offiziere, die nicht als »Heloten der Amerikaner« behandelt werden wollten.69 Heloten waren ursprünglich leichtbewaffnete Kämpfer in den Hilfstruppen der Römer, etwa Bogenschützen oder Schleuderer, die unter willigen Barbaren an der Peripherie des Reichs rekrutiert wurden. In der Sprache deutscher Offiziere klingt die Heloten-Formel nach jener vertrauten Mischung aus Groll und Neid, für die es das schöne Wort ›Ressentiment‹ gibt, und ist möglicherweise ein Indiz für den Anklang, den rechtes Gedankengut in Teilen der Bundeswehr findet.70 In der Gesellschaft der Zivilisten wird dagegen die Internationalisierung des Auftrags einer militärisch vergleichsweise schwachen Bundeswehr oft positiv und als Chance für ganz neue Aufgaben gesehen, die deutsche Soldaten erfüllen könnten. Das von der Bundesregierung finanzierte Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin hat etwa die berechtigte Forderung formuliert, dass es eine unabhängige Beobachtung von Nato-Einsätzen wie in Afghanistan geben sollte, und in einem zweiten Schritt nahe gelegt, dass es die Aufgabe speziell deutscher Soldaten sein könnte, »mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen gezielt aufzuklären« (Heinz et al. 2003: 34). Deutsche Soldaten sollen künftig darauf achten, dass sich Engländer und Amerikaner an die Menschenrechte und das Völkerrecht halten. Sowohl die konservative Kritik am Helotenstatus als auch diese liberale Idee lassen nicht mehr viel vom Konzept der Nato als einer Wertegemeinschaft erkennen und suggerieren eher eine Art »moralische Blockfreiheit« (Heins 2002) im Verhältnis zu den USA. Bei den Empfehlungen des Instituts für Menschenrechte gewinnt man den Eindruck, als sei das umstrittene Tucholsky-Zitat: »Soldaten sind Mörder« gleichsam fortgesponnen und in Gedanken um den Zusatz ergänzt worden: »nur unsere nicht«. So mündet die Skepsis gegenüber dem amerikanischen Imperium ironischerweise nicht in eine Militärkritik, die die Grenzen
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dessen, was Soldaten für die Gesellschaft tun können, eng zieht, sondern umgekehrt in eine kuriose nach-militaristische Militärgläubigkeit, in deren Licht sich die nationalen Streitkräfte von heute als die kosmopolitischen ›Heilsarmeen‹ von morgen entpuppen.71 Sowohl das Ressentiment der Offiziere, die sich zu Heloten degradiert fühlen, als auch die politischen Träumereien von regierungsnahen Menschenrechtlern bleiben in der Realität völlig folgenlos. Aus dem für die Diskussionslandschaft der Bundesrepublik prägenden Dilemma von grimmigem Ressentiment und verstiegenem Idealismus würde nur die Entscheidung herausführen, Europa selbst zu einer auch militärisch handlungsfähigen Großmacht zu machen, die in der Lage wäre, eigene Interessen und Werte an der Seite oder in Konkurrenz zu den Vereinigten Staaten zu definieren und wirksam zu schützen. Diese Perspektive, die in der geplanten 60.000 Personen starken EU-Interventionstruppe mit eigenem Führungszentrum eine immerhin embryonale Gestalt angenommen hat, mag man begrüßen oder auch nicht. Realistisch ist sie wohl deshalb nicht, weil – abgesehen von nationalen Differenzen – fraglich ist, ob die Bevölkerungen Kontinentaleuropas die materiellen Kosten dieses Unternehmens zu tragen bereit wären. In Deutschland kommt das besondere Mentalitätsproblem hinzu, dass man es sich im Schatten eines Imperiums bequem gemacht hat, das auch deutsche Interessen mit sichert und den Meinungseliten dabei noch den unschätzbaren Dünkel gönnt, sich den USA moralisch überlegen und engen nationalen Interessen enthoben fühlen zu dürfen.
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Schluss. Auf dem Weg in eine nach-militärische Gesellschaft?
Lassen sich die in den voranstehenden Kapiteln skizzierten Entwicklungen im Verhältnis von Militär, Politik und Gesellschaft auf einen einzelnen begrifflichen Nenner bringen? Ein solcher begrifflicher Nenner wäre beispielsweise der des ›Militarismus‹ oder der ›Militarisierung‹ des Sozialen. Der Begriff ›Militarismus‹ wird meistens auf politische Entwicklungen im engeren Sinne bezogen, insbesondere auf die Bedrohung der demokratischen Republik durch den direkten Einfluss des Militärs und militärischer Weltbilder auf die zivile politische Führung. ›Militarisierung‹ dagegen ist ein sozialer Prozess der systematischen Aktivierung und seelischen Zurichtung der Zivilbevölkerung für laufende oder geplante Kriege. Der Historiker Michael Sherry (1995) hat für die USA darauf hingewiesen, dass Militarisierung in diesem Sinne zunächst weder vom Militär ausgeht noch etwas über die Stellung militärischer Institutionen in der Gesellschaft verrät. Von »seelischer Mobilmachung« und vom »Krieg als Massenkultur« sprechen auch die beiden deutschen Alltagssoziologen Holert und Terkessidis (2002). In der Mode, der Musik, der Mediensprache und erwartungsgemäß in vielen Hollywood-Filmen werden militärische Sinnstrukturen entziffert, die angeblich nicht nur reale Kriege rechtfertigen, sondern sogar deren Ziele definieren. Als folgten sie dem Motto »Wer vom Militarismus redet, darf zu Tarnfarben-Bikinis nicht schweigen«, werden beliebig ausgewählte Alltagsphänomene
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wie vierradgetriebene PKWs oder die agonale Sprache von Wirtschaftsjournalisten als Symptome einer kriegerischen Dauermobilisierung gedeutet. Im Sinne einer Militarisierungsthese wird zudem behauptet, dass neben der Bundeswehr auch zivile Organisationen wie Greenpeace oder das Internationale Rote Kreuz einer »Logik des Soldatischen« gehorchten (Holert/Terkessidis 2002: 134). Bei der Lektüre entsteht der Eindruck, dass auch Kissenschlachten im heimischen Schlafzimmer irgendwie Vorboten künftiger Stahlgewitter sein könnten. Die zeitdiagnostische Gegenthese hat ein ganz unverdächtiger Zeuge wie Ekkehart Krippendorff aufgestellt. Wie viele andere hat der Politikprofessor in der Bundesrepublik einen »qualitativen Bruch« (Krippendorff 1993: 73) mit Umgangsformen und Mentalitätsmustern der Vergangenheit diagnostiziert, in der die Kultur des Militärs die Alltagskultur beherrschte und beide der Kriegführung dienten. In eine ähnliche Richtung hat Martin Shaw argumentiert, von dem wir den paradoxen Begriff einer zwar kriegstüchtigen, aber gleichwohl »nachmilitärischen Gesellschaft« (Shaw 1991) übernehmen. Die Gesellschaft ist nach-militärisch, weil etwa die Tatsache, dass Fitnesscenter damit werben, ihre Kunden an militärerprobtem Gerät schwitzen zu lassen, nichts darüber verrät, ob sich diese Kunden irgendwann in realen Kampfzonen wiederfinden möchten. Ungeachtet der Kriege, die von unseren Gesellschaften aus geführt werden, findet eine soziale Militarisierung, die das Denken und Fühlen der Zivilisten an den Erfordernissen des Krieges ausrichtet, nicht statt. Und wohl nur in Deutschland, einer der am deutlichsten entmilitarisierten Gesellschaften der Welt, kann man wie Holert und Terkessidis auf die Idee kommen, Cargo-Hosen an Schülerbeinen als einen Beitrag zur Kriegsvorbereitung zu lesen. Der Begriff der ›sozialen Militarisierung‹ stammt aus einer viel diskutierten, erst zehn Jahre nach ihrer Einreichung publizierten Doktorarbeit von Otto Büsch (1962) aus dem Jahr 1952 über Preußen im 18. Jahrhundert. Büsch versteht unter sozialer Militarisierung die Ausdehnung der Militärgerichtsbarkeit in vormals zivile Bereiche, etwa Eheangelegenheiten, die Diffusion von militärischen Denkweisen und Haltungen unter Zivilisten sowie die Prägung des äußeren Erscheinungsbildes der Bürger durch abgetragene Soldatenmäntel
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und andere Zeichen der Nähe zum Militär. Etwas später hat der in die USA ausgewanderte Schriftsteller und Historiker Alfred Vagts vom »Militarismus der Zivilisten« gesprochen, um etwas Ähnliches zu bezeichnen. Ziviler Militarismus besteht in der »fraglosen Übernahme militärischer Werte, Sitten, Prinzipien und Einstellungen« durch die nichtmilitärische Gesellschaft (Vagts 1967: 453). Militarismus in diesem Sinne ist keine Haltung des Militärs, sondern eine affirmative Haltung gegenüber dem Militär und seinen Selbstbildern. Wenn ›fraglose Übernahme militärischer Werte‹ das Kriterium für soziale Militarisierung ist, dann leben wir in den liberalen Demokratien der Europäischen Union und Nordamerikas seit einigen Jahrzehnten in nach-militärischen Gesellschaften. Die Gründe hierfür liegen teils in veränderten moralischen Selbstdeutungen, teils in strukturellen Transformationen der Arbeitswelt, in der das militäranaloge Dominanz- und Fügsamkeitsgebaren, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch verbreitet war, heute schlicht dysfunktional wäre (vgl. Pongratz 2002: Kap. 7). Nicht zufällig waren jüngere Werbekampagnen der Bundeswehr, die mit militärischen Wertformeln (»Dienen, ja!«) an die Jugendlichen herantraten, ein Flop. Ferner beobachten wir nicht nur eine Marginalisierung von militärischen Werten, sondern auch eine Marginalisierung des Militärs selbst (vgl. Booth et al. 2001: 336ff.). Verteidigungsbudgets sind fast überall gekürzt worden. In Deutschland werden Bundeswehrstandorte geschlossen. Die alliierten Truppen sind aus dem Stadtbild der Großstädte verschwunden. Kasernen werden in zivile Wohnsiedlungen verwandelt. Allenfalls in der ›Flüchtlingsabwehr‹ hat der Einsatz militärischer Mittel in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Wärmebildkameras und ähnliches Armeegerät gehören inzwischen zum Arsenal des europäischen Grenzschutzes. Dies berührt jedoch nicht die einheimische Bevölkerung, die dort, wo die Wehrpflicht bereits abgeschafft wurde, häufig keinerlei biografische oder familiäre Berührungspunkte mehr mit dem Militär hat. Die Armee wird zu einem Phänomen, dass man nur noch aus dem Fernsehen kennt. Dabei schwankt die öffentliche Wertschätzung für die Streitkräfte je nach Land und Situation und kommt wohl einer »Würdigung ohne Bewunderung« am nächsten.72 Die Marginalisierung des Militärs hat noch einen weiteren Aspekt.
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Die ›neuen‹ Kriege des Westens haben neben dem Sieg über feindliche Regimes den Sinn, über die Zuschauer zu Hause hinaus relevante Teile der Bevölkerung in den angegriffenen Zielregionen für die Sache dieser Kriege zu gewinnen. Dies bedeutet, dass Ereignisse am Rande des Kriegsgeschehens durch eine nicht mehr steuerbare internationale Berichterstattung zu Schlüsselereignissen werden können, die bereits erreichte strategische Erfolge wieder zunichte machen können. Das beste Beispiel hierfür sind die Berichte im Mai 2004 über teilweise schwere Misshandlungen und Demütigungen von irakischen Kriegsgefangenen durch US-Soldaten und Angehörige privater Vertragspartner der Armee. Mit Recht hat der Diplomat Richard Holbrooke die mediale Fernwirkung dieser Ereignisse nicht einfach auf ein Imageproblem reduziert, das sich ablösen ließe von den realen militärischen Kräfteverhältnissen vor Ort. Vielmehr sprach er von der »schwersten Niederlage des amerikanischen Militärs seit Vietnam« (zit. in Cohen 2004). Der Militär wird marginalisiert, weil die soziale Ehre und das Prestige der Streitkräfte von schwer kontrollierbaren nichtmilitärischen Kräften abhängig geworden sind, und dies unter politischen Bedingungen, in denen die Streitkräfte nicht nur Feinde besiegen, sondern auch Zivilisten für sich gewinnen wollen.73 Neben der Entmilitarisierung von Habitusformen und der gesellschaftlichen Marginalisierung des Militärs fällt schließlich auf, dass im Militär selbst Deutungen und Praktiken aus dem Leben der Zivilisten um sich greifen. Neben vielen soziologischen Untersuchungen ist hierzu ein Buch von David Lipsky (2003) über Kadetten der amerikanischen Militärakademie in West Point aufschlussreich. Lipsky zeigt zum einen, dass diese Eliteeinrichtung eine bemerkenswert ironiefreie Zone ist. Die Kadetten entgehen dem in der Normalgesellschaft üblichen Druck zur permanenten Selbsterfindung und Individualisierung, indem sie sich in einer vorgefertigten Ordnung bewegen, und sie begreifen genau dies als Chance eines eigenen Lebensstils. Zum anderen wird deutlich, dass sich auch in West Point ein durchaus humaner Umgangston und die sensiblen Interaktionsregeln der political correctness durchgesetzt haben. Außerdem dominiert selbst hier bei vielen Studenten der Gedanke, das hohe Prestige der Militärakademie in symbolisches Kapital für eine ansehnliche Zivilistenkarriere umzumünzen. Mit Blick auf künftige Vorstellungsgespräche im Zivilleben
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ist besonders die Infanterie unbeliebt, weil man in ihr nur lerne – so ein Student – »wie man draußen in der Kälte übernachtet und wie man Leute umbringt. Nicht gerade ein Erfolgsrezept« (zit. in Lipsky 2003: 4). Blutige Computerspiele, private Militärfirmen, verstärkte Heimunterbringung und bootcamps für gestrandete oder schwer erziehbare Jugendliche mögen Symptome sein für eine gewisse »Diffusion des Militärischen« (Meyer 2003) in der Gesellschaft. Die Kehrseite hiervon ist allerdings eine Diffusion des Zivilen und ziviler Erwartungen im Militär, die von Liberalen wie Lipsky begrüßt und von Konservativen (vgl. z.B. Frost 1998) beklagt wird. Hatten somit Auguste Comte oder Herbert Spencer recht, als sie im 19. Jahrhundert das langsame Absterben der »militant society« (Spencer) im Zuge der Modernisierung prognostizierten? Nicht ganz. Anders als es diese frühen Soziologen ahnten, sind nämlich die westlichen Gesellschaften auch noch im 21. Jahrhundert sehr wohl in der Lage, die Voraussetzungen für weltweit geführte Kriege zu organisieren, ohne dabei allerdings auf eine soziale Militarisierung angewiesen zu sein. Diese Gesellschaften sind offenkundig friedlich und kriegerisch zugleich. Die Thesen der Remilitarisierung oder der Entmilitarisierung der Gesellschaft sind zu grobkörnig, um den gegenwärtigen Verhältnissen gerecht zu werden. Vielmehr lassen sich unsere Befunde in der These zusammenfassen, dass in den westlichen Gesellschaften militärische Institutionen und ihr gesellschaftliches Umfeld von einer Reihe gegenläufiger Entwicklungen geprägt werden, die sich keineswegs in ein monochromes Bild fügen. Vor allem den folgenden Gegensatz gilt es festzuhalten: So scheint der Trend zur Abspaltung des Militärs von der übrigen Gesellschaft in der Form einer hochspezialisierten Profession ungebrochen zu sein. Politische Diskussionen um die Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland sind in diesem Sinne zu verstehen. Auf der anderen Seite bedeutet diese Abspaltung keine Refeudalisierung des Militärs, sondern geht einher mit einer Tendenz, die manche Militärsoziologen ungenau als »Postmodernisierung« bezeichnen (Moskos 2000; Burk 1998). Darunter wird die wachsende Durchlässigkeit der Grenzen zwischen militärischen und zivilen Sphären der Gesellschaft verstanden, erkennbar an der zunehmenden Akzeptanz
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von Frauen und Minderheiten in den Streitkräften, der Zusammenarbeit mit (NGOs) und anderen zivilen Einrichtungen oder der Hofierung der Medien, die sich eben nicht länger zum beliebig nutzbaren Sprachrohr militärischer Verlautbarungen machen lassen. Die Absonderung des Militärs von der nichtmilitärischen Gesellschaft scheint mit einer wachsenden Verschränkung von Militär und Gesellschaft durchaus verträglich zu sein. Dieses paradoxe Verhältnis von Absonderung und Verschränkung spiegelt sich auch in der für nach-militärische Gesellschaften typischen Auseinanderentwicklung von gelegentlich hoher Zustimmungsbereitschaft zu kriegerischen Interventionen bei konstant niedriger Opferbereitschaft. Wo diese Opferbereitschaft unter Zivilisten gleichwohl vorhanden ist, wird sie nicht mobilisiert. Nach dem 11. September 2001 forderten der amerikanische Präsident und sein Regierungsteam die Bevölkerung nicht zu Opfern auf, sondern umgekehrt dazu, wieder einkaufen zu gehen und »to get back to normal« (zit. in Skocpol 2003: 249). Erstmals in der Geschichte dieses Landes wurden während eines Krieges die Steuern gesenkt. Die neuen Kriege begünstigen eine Militarisierung der Außenpolitik, die ohne das Pendant einer durchgreifenden sozialen oder »inneren« Militarisierung auskommt. Mehr noch: Es wäre zu prüfen, ob unter Umständen die Entmilitarisierung von Habitusformen nicht geradezu die Kehrseite einer gewissen Militarisierung der Außenpolitik sein kann, dann nämlich, wenn die gesteigerte moralische Sensibilität für das Leid von Fremden den Druck auf die Regierungen erhöht, in entfernte Konflikte zugunsten der Menschenrechte militärisch einzugreifen (oder wenn die moralische Sensibilität die Empfänglichkeit des Publikums für humanitäre Begründungen von Kriegshandlungen erhöht). Generell kann die Militarisierung von Außenpolitik kurz »Militarismus« genannt werden in dem Sinne, wie Gerhard Ritter (1959) diesen Begriff in seiner Studie über die Expansionspolitik des deutschen Kaiserreichs eingeführt hat.74 Tatsächlich finden wir neuerdings bei amerikanischen Autoren wie Chalmers Johnson oder Michael Mann diesen eng auf das politische System beschränkten Begriff des Militarismus, der vor allem auf die Außenpolitik der USA unter George W. Bush angewendet wird.75 Militarismus ist eine polemi-
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sche Formel gegen die Aufwertung der Rolle des Militärs im Verhältnis zu Diplomatie und Politik. Diese Aufwertung führt gleichzeitig zu einer pragmatischen Überschätzung dessen, was man mit militärischen Mitteln ausrichten kann – eine folgenschwere Erkrankung des Urteilsvermögens, an der in der Geschichte vor allem Offiziere litten. Während diese Krankheit keineswegs als endgültig besiegt gelten kann, fällt gleichwohl auf, dass es in letzter Zeit besonders Zivilisten waren, die sich von Militäreinsätzen nicht nur Siege über bedrohliche Feinde, sondern die demokratische Transformation ganzer Gesellschaften versprachen. Zu den Paradoxien und Gegenläufigkeiten im Verhältnis von Militär und Gesellschaft, Soldaten und Zivilisten, gehört nicht zuletzt, dass führende Offiziere dieser Aufwertung und Überschätzung militärischer Mittel durch Zivilisten entgegengewirkt haben. In Europa konnte man das während des Kosovokrieges erleben, als sich einige Militärs gegen den humanitären Kriegstaumel der Regierungen zu Wort meldeten. Noch deutlicher wurde dieser merkwürdige Rollentausch an den Versuchen von General John Abizaid, Chef des Zentralkommandos der US-Streitkräfte im Irak, den militanten Zivilisten im Pentagon die ›weichen‹ Aspekte von nachhaltigen Konfliktlösungen zu erklären – er nannte Stichworte wie »social help« und »battle of ideas« (zit. in Shanker 2004).76 Alle Konstellationen, die sich aus den Spannungsverhältnissen zwischen Verselbständigung und Einbettung des Militärs, innerer und äußerer Militarisierung, Zustimmungs- und Opferbereitschaft in der Bevölkerung ergeben, könnten durch eine Ausweitung der terroristischen Bedrohung in Bewegung geraten. Hier sind Prognosen unmöglich. Mit einiger Sicherheit lässt sich lediglich sagen, dass wir ungeachtet der Rede von der ›Globalisierung‹ bestimmt nicht Zeugen der Entstehung einer grenzenlosen Welt sind. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass wir auf einen militarisierten Garnisonsstaat zusteuern, wie ihn Harold Lasswell und Vertreter der Frankfurter Schule vor einem halben Jahrhundert kommen sahen. Die westlich geprägten Staaten werden sich wohl eher der widersprüchlichen Gestalt einer »offenen zivilen Festung« (Eisenstadt 1985: 182) annähern, in der Soldaten aktiv, aber weitgehend unsichtbar sind, während die biometrisch erfassten und durchgezählten Zivilisten ihre zerbrechliche Freiheit genießen.
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Wir denken hier etwa an Holert/Terkessidis (2002), auf die wir im Schlussteil kurz eingehen werden. Deutsche militärsoziologische Publikationen gibt insbesondere das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (in Strausberg bei Berlin) heraus. Aus dem universitären Bereich sind die Studie von Bahrdt (1987) sowie die Aufsatzsammlungen von König (1969), Wachtler (1983) und Joas (2000) hervorzuheben. Einen immer noch brauchbaren Überblick über militärsoziologische Themen liefert Schössler (1980), eine informative Gesamtschau der internationalen Forschungslage geben Kümmel/Prüfert (2000) sowie die nicht mehr ganz aktuelle Bibliographie von Klein et al. (1997), die leider das Schlüsselthema der ›kleinen Kriege‹ ausspart. Neben der vorwiegend in den sechziger Jahren behandelten Fragestellung, welchen Einfluss technische Entwicklungen auf das Militär haben (Heiseler 1966; Mosen 1967), behandelt die jüngere Soziologie bevorzugt das Thema der Disziplinierung (Bröckling 1997). Eine vergriffene deutsche Übersetzung des Klassikers von Morris Janowitz »Sociology and the Military Establishment« liegt vor in Janowitz/Little (1965). Bei diesen Zahlen bleiben Mehrfachnennungen z.B. durch eine erneute Auflage des Buches unberücksichtigt. Die 1.097 Titel verteilen sich auf den Zeitraum zwischen 1982 bis November 2003 und schwanken in den vergangenen zehn Jahren zwischen 83 (1994) und 31 (2003). Auffallend ist, dass Bücher wie das von
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Bröckling (1997) gar nicht als soziologische erkannt werden und deshalb in der Deutschen Bibliothek auch nicht entsprechend rubriziert werden. 4 Genau genommen gehen Teile der militärischen Symbolik und viele Facetten des Soldatenalltags weniger auf feudale Praktiken als vielmehr auf den europäischen Absolutismus zurück. 5 Man denke an die Diskussion um die Wehrmachtausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung in Deutschland und Österreich. Zu kriegsbezogenen nationalen Erinnerungspraktiken und ihren politischen Folgen vgl. u.a. Piehler (1995), Evans/Lunn (1997), Langenohl (2000), Piper (2001), Heins (2002). 6 Zu den Entwicklungen der Armeen des ehemaligen Ostblocks vgl. insbesondere das »Journal of Slavic Military Studies«. Natürlich gibt es auch zu den großen Armeen der Schwellenländer eine Menge Literatur, siehe hierzu exemplarisch die Studie von Rosen (1996). 7 Heloten waren abhängige Bauern, die den Spartanern als leichtbewaffnete Hilfstruppen dienten. Siehe hierzu das Kapitel »Im Schatten des amerikanischen Imperiums«. 8 Die These, dass die Technik Organmängel ausgleiche, wurde von Arnold Gehlen vertreten. 9 Siehe das »Correlates of War«-Projekt an der University of Michigan. Homepage: www.umich.edu/~cowproj/index.html. 10 Sofern bewaffnete Konflikte diese Kriterien nur ungenügend erfüllen, weil es zwischen den Konfliktparteien nur sporadisch, eher zufällig und nicht aufgrund strategischer Planung zu Zusammenstößen kommt, spricht etwa die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) in Hamburg lediglich von »bewaffneten Konflikten«. Wie folgenreich die jeweils gewählte Typologie ist, zeigt der Vergleich zwischen der AKUF (www. sozialwiss. uni-hamburg.de/publish/Ipw/Akuf/index.htm) und dem Heidelberger Konfliktbarometer (www.konfliktbarometer. de/de/index_ d.htm). Die Hamburger haben im Jahr 2003 26 Kriege gezählt, während die Heidelberger für den gleichen Zeitraum auf nur 14 Kriege kommen, aber zusätzlich 21 ›ernste Krisen‹ sehen. 11 Zu diesen Begriffen vgl. Wallensteen (1985). Wallensteen nennt außerdem ›Geopolitik‹ und ›Kapitalpolitik‹.
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Siehe »Genfer Konventionen – leicht verständlich« auf der Homepage des Deutschen Roten Kreuzes: www.rotkreuz.de/ voelkerrecht/genfer_konventionen/ Bei einzelnen Pflichtverletzungen der Kombattanten gegen die diese Normen spricht man noch nicht von einer unkonventionellen Kriegführung. Dies ändert sich, wenn Waffen eingesetzt werden, die gegen die Genfer Konventionen verstoßen und ihr Einsatz wesentlich die Kriegführung einer Partei bestimmt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn biologische und chemische Waffen eingesetzt werden sollen. Atomare Waffen gelten zwar auch als unkonventionell, doch ihr Einsatz ist nicht grundsätzlich verboten. Deshalb hängt von ihrer Einsatzform ab, ob mit ihnen gegen geltendes Recht verstoßen werden würde. Sollte eine Atombombe gegen eine Stadt eingesetzt werden, handelte es sich im Sinne des Völkerrechts um ein Kriegsverbrechen, weil Zivilisten nicht geschont würden werden. Ein taktisch begrenzter Einsatz ›kleiner‹ atomarer Waffen gegen ein militärisches Ziel muss jedoch nicht unbedingt gegen das Kriegsrecht verstoßen. Aufschlussreich hierzu ist die erstmals 1943 erschienene Arbeit der Engländerin Katherine Chorley – einer Schülerin von Harold Laski –, die den Ausnahmecharakter des Sieges der Amerikaner über die Briten schildert (Chorley 1973: 63-73). Zum amerikanischen Partisanentum siehe ferner Schmidt (2003) und Burk (2000). Zum Zusammenhang zwischen Weltmachtrolle, der Wahrscheinlichkeit kleiner Kriege an den Rändern des Machtbereichs und der daraus resultierenden innenpolitischen Balance zwischen Soldaten und Zivilisten vgl. Cohen (1985). Der unscharfe Begriff ›low-intensity conflict‹ geht auf Strategiedebatten in den USA zurück, die sich um die Frage drehten, wie die US-Streitkräfte angemessen mit unterschiedlichen Kriegsszenarios umgehen sollten. Die Kategorisierung der Kriegs- bzw. Konfliktarten in low, middle und high bezieht sich nicht auf die Zahl der Opfer in den Kriegen, sondern auf das Ausmaß militärischer Gewalt, das die US-Streitkräfte einsetzen müssen, um erfolgreich zu sein. Siehe hierzu Daase (1999: 136) sowie generell van Creveld (1998).
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»We don’t make a distinction between civilians and non-civilians, innocents and non-innocents. Only between Muslims and unbelievers. And the life of an unbeliever has no value«, erklärte etwa der in England lebende syrische Scheich Omar Bakri Muhammad dem in Lissabon erscheinenden Nachrichtenmagazin »Publica« (»Militant Cleric Says Attack on London ›Inevitable‹«, Reuters, www.reuters.com, 18. April 2004). Solche Unschärfen sind kein neues Phänomen. Auch zeigten sich die Staaten, die das Erste Zusatzprotokoll zur Genfer Konvention aus dem Jahr 1977 ratifizierten, nicht interessiert an einer eindeutigen juristischen Definition des Söldners. Staatliche Söldnerverbände genießen als ›Legionäre‹ einen Sonderstatus, der sie wiederum in die Nähe des Soldaten rückt. Zur Schwierigkeit, den Söldner begrifflich zu fassen, siehe auch Sikora (2003). Die Lohnzahlungen von Söldner und Soldaten werden als Sold bezeichnet. Der Begriff geht wiederum auf eine römische Goldmünze der Spätantike zurück, die als besonders stabil, solide, galt und mit denen die römischen Legionäre bezahlt wurden. Dass die Lohnarbeit in der Armee früher als in der übrigen Gesellschaft ausgebildet war, fiel bereits Marx (1983: 43) auf. In jüngerer Zeit hat vor allem Pongratz von »militärischer Lohnarbeit« gesprochen und damit die Differenz von Soldat und Söldner bewusst nivelliert (Pongratz 1983). Das bedeutet freilich nicht, dass für junge Menschen, die sich freiwillig als Soldaten anwerben lassen, ökonomische Motive keine Rolle spielen. Ende der neunziger Jahre stellte eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr sogar fest, dass »ökonomische Motive (Sicherheit der Arbeit, Verdienst)« an Bedeutung in den vorausgegangenen 10 Jahren stark an Gewicht gewonnen hätten. »Begleitet wird dieser Trend von einer Aufwertung zivilberuflicher Motive (Weiterbildung, berufliche Herausforderung, berufsnaher Einsatz, zivile Ausbildung). Die klassischen soldatischen Motive finden sich mit Ausnahme der Kameradschaft dagegen weit abgeschlagen wieder« (Heikenroth 2000: 87) Zur Debatte um Marshalls Thesen aus heutiger Sicht vgl.
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Chambers (2003). Dieser Aufsatz enthält auch Literatur sowohl von Kritikern wie Verteidigern Marshalls. Berufssoldat ist bei der Bundeswehr ein Titel, der erst mit der Vollendung des 25. Lebensjahr erlangt werden kann und den Rang eines Feldwebels voraussetzt. Zum Feldwebel kann man wiederum nur dann befördert werden, wenn sich der Betreffende für mindestens 12 Jahren zum Militärdienst verpflichtet hat. Neben der Altersbeschränkung hängt die Ernennung von der Leistung und vom Bedarf des Militärs nach Berufssoldaten ab. Siehe Soldatenlaufbahnverordnung (SLV) §§ 14 und 16. Dies wird auch an den Altersgrenzen für Berufssoldaten deutlich: Schon mit dem 41. Lebensjahr können Jetpiloten in den Ruhestand versetzt werden. Bereits nach Vollendung des 53. Lebensjahres haben Unteroffiziere ihre Altergrenze erreicht. Je höher ihr Dienstgrad ist, desto eher können Offiziere im Truppendienst davon ausgehen, dass sie erst mit dem vollendeten 60. Lebensjahres aus der Bundeswehr ausscheiden. Siehe das Gesetz über die Rechtstellung der Soldaten (Soldatengesetz ) § 45. Siehe die Erlebnisberichte von Soldatinnen in den sowjetischen Streitkräften während des Zweiten Weltkrieges in Alexijewitsch (1989). Dies zeigt sich in der sozialwissenschaftlichen Literatur in der Kontroverse um die Verwendung des Begriffs ›Arbeit‹ mit Bezug auf das Militär. Bereits die Verwendung des Begriffs ›Dienst‹ für die Tätigkeit von Soldaten ist umstritten. Nach Mosen birgt er zuviel staatspolitisches Pathos und führt zur »ideologischen Verklärung des militärischen Alltags« (Mosen 1967: 32). Mosen zieht deshalb den Begriff der militärischen ›Arbeit‹ vor, dem er eine demokratisierende Funktion innerhalb des Militärs zuschreibt. Bahrdt stellt fest, dass Dienst typologisch nicht dasselbe wie Arbeit sei, »obwohl viel Arbeit mit einem Dienstethos geleistet wird und Dienst häufig in Arbeit ausartet« (Bahrdt 1987: 70). Im Hinblick auf den Dienstethos und der Diskontinuität, die dem Kriegseinsatz geschuldet ist, bevorzugt er den Dienstbegriff. Mit einer ganz anderen Stoßrichtung als Mosen verwendet dagegen Pongratz den Arbeitsbegriff. Ihm geht es um das Ausleuchten der Analogien von kriegerischer Destruktionen und in-
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dustrieller Produktion (vgl. Pongratz 1983). Siehe hierzu Näheres im Kapitel Militärische Arbeit und Professionsethiken. Diese Debatte war eng mit dem Namen zweier Offiziere verbunden. Auf der einen Seite stand Wolf Heinrich Graf von Baudissin, der das Konzept des ›Staatsbürgers in Uniform‹ und der ›Inneren Führung‹ formuliert hatte. Ihm stand vor allem Heinz Karst gegenüber, der ähnlich wie Huntington dafür eintrat, dass Soldaten sich nicht um Politik zu kümmern haben und der befürchtete, eine Zivilisierung des Militärs könnte seine Schlagkraft mindern. ›Offizier‹ leitet sich vom lateinischen officiarius ab, das ist jemand, dem ein Amt verliehen wurde oder der einen Dienst auszuüben hatte. Für diejenigen, die den Gehorsam aufkündigen und damit ›gegen die Pflichten der Vorgesetzten‹ verstoßen sieht das deutsche Wehrstrafgesetz mehrjährige Haftstrafen vor. Das höchste Strafmaß, dass das Wehrstrafrecht kennt, zehn Jahre Haft, wird dem ›Rädelsführer‹ einer Meuterei angedroht (vgl. § 27,3 WstG). Für Huntington gibt es vor dem 19. Jahrhundert kein professionelles Militär (vgl. Huntington 1957: 28). Diese Einschätzung ist seinem äußerst engen Verständnis von Professionalität geschuldet, das zur Tautologie neigt. Professionelle Soldaten sind bei ihm nur Offiziere, die seinem eigenen Professionalitätsideal entsprechen. Zur Industrialisierung des Krieges und seiner Anbindung an materielle Produktionsprozesse vgl. Warburg (2001: 298-305). Die geistesgeschichtlichen Wurzeln der auf das Militär bezogenen Professionalisierungidee lassen sich, wie Louis Menand (2001: 49ff.) glänzend gezeigt hat, auf den amerikanischen Bürgerkrieg und den frühen Pragmatismus zurück verfolgen. An Beispielen wie der Fehlreaktion der USA auf den deutschen U-Boot-Krieg im Atlantik 1942, der schweren Verluste der Amerikaner im November und Dezember 1950 in Korea oder dem Angriff syrischer und ägyptischer Streitkräfte auf Israel im Oktober 1973 zeigen Cohen und Gooch, dass dieselben Gruppen von Verantwortlichen, die zunächst versagt hatten, später ausgesprochen fähig reagierten. Das bedeutet, dass militärische Orga-
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nisationen lernen können. Einen Überblick über die gegenwärtige Diskussionslage zum Thema ›militärische Inkompetenz‹ bieten Johnson et al. (2002). So etwa das Argument von Elizabeth Stanley-Mitchell (Georgetown University, Washington, DC), die hierzu zusammen mit Risa Brooks eine Buchveröffentlichung vorbereitet. Die US Army meldet für das Jahr 2003 insgesamt 23 Selbstmordfälle von Soldaten im Irak und in Kuweit sowie generell einen starken Anstieg von Soldaten mit psychiatrischen Problemen, die in Landstuhl in Deutschland behandelt werden. Berufssoldaten scheinen gefährdeter zu sein als Reservisten. Interessant ist allerdings auch, dass die Selbstmordrate unter Zivilisten derselben Altersgruppen in den USA höher liegt (New York Times, 26. März 2004, S. A8). Siehe hierzu etwa Burger (2003). Solche Forderungen sind freilich nicht ganz neu: »Der moderne Soldat muß denken können, muß mit Leib und Seele am Kampf teilnehmen«, heißt es bereits bei dem Schweizer Rolf Bigler (1963: 107). Um ein systematisches Argument dafür, dass der ›effektive‹ Soldat meistens auch ›gut‹ im moralphilosophischen Sinne ist, bemüht sich Aronovitch (2001). Zum Problemkreis Militär, Krieg und Moral, vgl. ferner Johnson (1999), Joas (2000), Ignatieff (2001), French (2003) sowie generell das Journal of Military Ethics (seit 2001). Die teilweise wachsenden Wertkonflikte zwischen Militär und ziviler Gesellschaft, die sich nicht zuletzt in Rekrutierungsproblemen äußern, untersucht z.B. das Triangle Institute for Security Studies an der Duke University in den USA (siehe das Verzeichnis der Internet-Adressen). Wir denken hier insbesondere an das Project on the Means of Intervention an der Kennedy School of Government der Harvard University (siehe das Verzeichnis der Internet-Adressen). Rosenau übersieht, dass der weltweite ›Niedergang der Disziplin‹ in den Armeen, den er diagnostiziert, die Durchsetzung ›globaler Normen‹ wiederum vereiteln würde, da eine der größten Gefahren für die Menschenrechte von bewaffneten Marodeuren in zerfallenen Staaten ausgeht (vgl. Rosenau 1998: 73ff.).
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»Rarely has contemporary crisis-journalism turned out, in retrospect, to have veered so widely from reality« (Braestrup 1994: 508). Zur ersten Tendenz vgl. kritisch Hesse (1994) und Heins (2002) sowie auch die Berichte zu den meist antisemitisch gefärbten Verschwörungstheorien in Deutschland nach dem 11. September im Spiegel, Nr. 37/2003; zur zweiten Tendenz vgl. stellvertretend für andere die Texte des armenisch-stämmigen US-Soziologen James Der Derian, besonders Der Derian (2001). So bereits Margaret Mead während des Zweiten Weltkrieges: »Democratic governments can’t lie efficiently« (Mead 1942: 173). Ähnlich auch Franz Neumann: »A democracy can never completely divorce propaganda from truth because there are competing propaganda machines and they must ultimately prove their value by actual performance in the social life of a nation« (Neumann 1944: 437). – Ein Beispiel aus jüngerer Zeit sind Berichte über Kriegsverbrechen der Spezialeinheit Tiger Force in den sechziger Jahren in Vietnam, die im Oktober 2003 zuerst in der Provinzzeitung Toledo Blade (aus Toledo, Ohio) auftauchten, von dort aus Eingang in den Mainstream der Medien fanden und dann zu einer Reihe weiterer Selbstbezichtigungen von ehemaligen Soldaten geführt haben. An der zur Zeit der Fertigstellung des Manuskripts kursierenden Geschichte über Folterungen irakischer Kriegsgefangener durch US-Truppen und Angehörige privater Militärfirmen, fällt auf, dass kaum noch versucht wurde, die Sache zu vertuschen. Bereits am 4. Mai 2004 verglich der amerikanische Außenminister Colin Powell die Vorfälle in dem Gefängnis Abu Ghraib westlich von Baghdad mit der Ereignisikone My Lai (Interview CNN, Larry King Live). Umstritten ist freilich, bis zu welchem Grad Regierungen tatsächlich genötigt sind, einem von den Massenmedien aufgestachelten Publikum zu folgen (vgl. Neuman 1996; Mermin 1997; P. Robinson 2002). Ebenfalls umstritten und wohl kaum mit den Mitteln der herkömmlichen Sozialforschung zu beantworten ist die Frage, in welchem Maße Zivilbevölkerungen bereit sind, Opfer unter den eigenen Soldaten in unterschiedlichen Missionen hinzunehmen. Siehe hierzu die Studie von Larson (1996), Ei-
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chenberg (2003) sowie aus den Reihen des US-Militärs Lacquement (2004). Siehe hierzu Veröffentlichungen und Manuskripte des Lexington Instituts in Washington, etwa von Loren Thompson. Zum relativ langsamen Strukturwandel der Israel Defense Force (IDF), die von Anfang an als eine milizähnliche Volksarmee konzipiert worden ist, vgl. Gal/Cohen (2000). Die Formel ›manufacturing of consent‹ wurde unseres Wissens erstmals von Walter Lippmann verwendet. Zum Verhältnis von Militär und Propaganda; vgl. klassisch: Janowitz (1960: Kap. 19). Zu den Spezifika militärischer im Vergleich zu industriellen Simulationspraktiken, vgl. die Übersicht in S. Robinson (2002). Der Begriff scheint erstmals 1994 aufgetaucht zu sein. Neueren Datums ist der verwandte Begriff ›militainment‹, der sich auf den Unterhaltungswert von Kriegsnachrichten bezieht. Siehe die Nachweise in www.wordspy.com. Erst in den letzten Jahren ist der US-Verteidigungshaushalt wieder stark gewachsen und überschreitet im Jahr 2005 die 400Milliarden-Dollar-Grenze. Seit Mitte der achtziger Jahre bis 2000 sind dagegen die Verteidigungsausgaben fast kontinuierlich gefallen, und zwar sowohl in absoluten Zahlen als auch vor allem in Relation zum Bundeshaushalt und erst recht zum Bruttosozialprodukt der USA. Vgl. hierzu etwa die Zahlenwerke des Center for Defense Information in Washington, DC. Zur Kritik der allzu optimistischen Literatur über die angeblich »ganz anderen« Kriege der Zukunft siehe auch den weiterführenden Aufsatz von Stephen Biddle (1998). Interessanterweise empfiehlt Biddle den von technischen Umstürzen begeisterten Amerikanern, von den »strengen empirischen Gradualisten« der deutschen Reichswehr zwischen den beiden Weltkriegen zu lernen. Wohlgemerkt: unter Berücksichtigung der »moral failings« dieser Armee in der Zeit des Nationalsozialismus (Biddle 1998: 68 einschl. Fußnote). In einem Buch, das einer Squaw aus dem Volk der Delaware gewidmet ist, die zu seinen Vorfahren zählte, hat Samuel Marshall vor über dreißig Jahren – unter dem Eindruck des Vietnamkrieges – die Verwicklungen zwischen dem ›symmetri-
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schen‹ amerikanischen Bürgerkrieg und den ›asymmetrischen‹ Scharmützeln zwischen Siedlern und ›Indianern‹ geschildert (vgl. Marshall 1972). Einige der brutalsten Feldzüge gegen die Ureinwohner Amerikas entwickelten sich aus Resten der demobilisierten, von neu eingewanderten Iren und Deutschen aufgefüllten Bürgerkriegsarmee, die Marshall als »rowdy army« bezeichnet (ebd.: 43). Der zwischenstaatliche Krieg ist damit freilich nicht aus der Welt. In jüngster Vergangenheit haben sich verschiedenen Staaten immer wieder gegenseitig Krieg angedroht, die über große konventionelle Streitkräfte und obendrein über Atomwaffen verfügen (Pakistan – Indien; China – Taiwan). Ein geradezu klassisch anmutender konventioneller Krieg tobte zuletzt von 1998 bis 2000 zwischen Äthiopien und Eritrea. Anders die Situation auf der koreanischen Halbinsel: Nordkoreas Armee ist den südkoreanischen Einheiten sowie den US-Streitkräften sicher weit unterlegen, doch verfügt sie mit der vermuteten atomaren Bewaffnung über eine Drohmittel, dass in der Lage ist, diese Asymmetrie zu konterkarieren. Siehe auch die Kritik von McInnes (2002: 58) an van Creveld. Für die US-Fachliteratur sind hier Autoren wie Charles Dunlap, Ralph Peters, Daniel Bolger oder auch Robert Kaplan zu nennen. Als Einstiegslektüre empfiehlt sich Luttwak (1995). Kulturspezifische militärische Ethiken, die neben der Kriegsführung fremder Kulturen inzwischen zum Curriculum amerikanischer Militärhochschulen gehören, diskutiert French (2003). Münkler beobachtet in einem brillanten Essay die Ablösung des interessierten Dritten durch die Gestalt des »zu interessierenden Dritten« (Münkler 2002b) in einer neuen Ära terroristischer Gewalt. Der zu interessierende Dritte fungiert als Legitimationsspender für terroristische Gruppen. Er ist es, für den diese Gruppen zu ›kämpfen‹ beanspruchen. Der Ursprung des Kombattanten-Flüchtlings wird in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Nahen Osten vermutet (vgl. Zolberg et al. 1989: 277). Israelische Kenner haben übrigens einzelnen Agenturen der Vereinten Nationen, die für die Lagerverwaltung zuständig sind, etwa der UN Relief and Works Agency
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(UNRWA), tatsächlich vorgeworfen, sich gleichsam wie interessierte Dritte im arabisch-israelischen Konflikt zu verhalten (vgl. z.B. Peretz 2002). Natürlich gibt es auch Übergänge zwischen lokalen und translokalen (oder globalen) Erscheinungsformen nichtstaatlichen militärischen Handelns. So hat Conrad Crane vom US Army War College (in einer informellen Diskussion) den Kleinkrieg gegen die amerikanische Besatzungsmacht im Irak als »networked intifada« bezeichnet. »Not a job for soldiers« – die Formel wurde bereits von General Lucius Clay verwendet, als er widerwillig seine Truppen zu Reparaturarbeiten, Sozialdiensten und allgemeinen Polizeiaufgaben im befreiten Deutschland verpflichetete (zit. in Priest 2003: 392). Zur Verpolizeilichung aus militärischer Sicht vgl. die Erfahrungsberichte in Seiple (1996), Rose (1998) und Wentz (2002). Aus akademischer Sicht vgl. neben dem wertvollen Aufsatz von Haltiner (2003) auch Edmonds (1988: 113-160) sowie die immer noch lesenswerten Ausführungen von Friedeburg (1966). Das Gegenmodell zur Verpolizeilichung des Militärs ist offenkundig die Militarisierung von Polizeikräften, für die es ebenfalls genug Beispiele gibt; vgl. exemplarisch Meliala (2001). Best spricht von der »transference of military honour from national to international ideals« (Best 1982: 79). Zum Problemfeld ›kosmopolitischer‹ Armeen vgl. auch Elliott/Cheeseman (2002). Vgl. den Artikel von Block/Freedman (2003) sowie Nash/Hillen (2001). Monatlich aktualisierte Zahlen zu UN-Friedensmissionen und ihre nationale Zusammensetzung finden sich unter www.un.org/Depts/dpko/dpko/contributors/index.htm. Siehe die Anfang 2004 publizierten Äußerungen des demokratischen Präsidentschaftskandidaten und Vietnam-Veteranen John Kerry, der im April 1971 dem auswärtigen Ausschuss des amerikanischen Senats eindrucksvolle Selbstbezichtigungen von Mitkämpfern vortrug: »[They] razed villages in a fashion reminiscent of Gengis Khan« (zit. in New York Times, 28. Februar 2004, S. A1). Die Frage, ob man wirklich von einem strategischen ›Sieg‹
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über die Taliban sprechen kann, ist innerhalb des Militärs und unter zivilen Beobachtern umstritten. Siehe hierzu die Hinweise in Hersh (2004). »You may not join Coalition forces in combat operations«, heißt es etwa in einem Dokument der Command Joint Task Force-7 (März 2004) zur Regelung des Einsatzes von Gewalt durch private Vertragspartner (zit. in Barstow 2004: A11). Die terroristischen Angriffe bringen die Attentäter ihren politischen Zielen, falls sich solche überhaupt erkennen lassen, keinen Schritt näher. Ihr Sinn liegt nach Braudy vielmehr darin, ein »tribales männliches Selbstwertgefühl« zu steigern (Braudy 2003: 546). Die Zahlen finden sich in Nielsen (2001). Zu den USA siehe die regelmäßig aktualisierten Statistiken des Defense Equal Opportunity Management Institute (DEOMI) in Florida. Ein Vergleich dieser Statistiken mit den Bevölkerungsprofilen des U.S. Census Bureau lehrt Einiges über den Charakter der US-Streitkräfte als einer egalisierenden Integrationsmaschine. Hoher Frauenanteil und Offenheit für homosexuelle Frauen und Männer korrelieren nur eingeschränkt miteinander. Heute ist es noch so, dass manche Armeen mit relativ hohem Frauenanteil Schwule allenfalls dulden (›Don’t ask, don’t tell‹, so die Devise in den USA). Nur in der Schweiz ist es umgekehrt: ein minimaler Frauenanteil geht einher mit einer Rekrutierungspraxis, die Schwule nicht ausschließt. Amnesty Deutschland hat die Kfor-Truppen im Kosovo unlängst als »internationale Freiertruppe« bezeichnet (vgl. Spiegel 20/2004). Das sexuelle Verhalten von Soldaten gegenüber Zivilistinnen in besetzten Ländern kann freilich sehr unterschiedliche Gestalten annehmen und durch eine Vielzahl von ad-hocMaßnahmen gesteuert werden. Siehe hierzu die bemerkenswerte Studie von John Willoughby über GIs nach 1945 in Deutschland (vgl. Willoughby 1998). Eine andere Untersuchung zeigt, dass die Zustimmungsbereitschaft zum Einsatz militärischer Gewalt möglicherweise weniger vom Geschlecht als vom Grad der Entfremdung vom politischen System bestimmt wird (vgl. Nincic/Nincic 2002).
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Am 27. Oktober 2003 wurde die Zentrale des Internationalen Roten Kreuzes in Baghdad zum Ziel eines Terroranschlags. Das Video über die Hinrichtung des amerikanischen Zivilisten Nicholas Berg wurde am 11. Mai 2004 ins Internet gestellt. Von »Barbaren in der strengen moralischen Bedeutung des Begriffs« hat der kanadische Intellektuelle Michael Ignatieff gesprochen (Ignatieff 2002). Dieses anonyme Zitat entnehmen wir der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 19. Januar 2003, S.1. Einer neueren Studie zufolge hält etwa ein Viertel der länger dienenden Bundeswehrsoldaten unter 25 Jahren die Werte der liberalen Demokratie für verzichtbar (Leonhard 2004: 42f.). Leider gibt die Studie keine Auskunft darüber, wie diese Einstellung korreliert mit der Haltung deutscher Soldaten zu US-geführten Auslandseinsätzen oder generell zur Rolle der USA. Die ganz unironisch gemeinte Formulierung von den europäischen Armeen als »säkularisierten ›Heilsarmeen‹« stammt von Ulrich Beck (2002: 124). Dies ist eine Umkehrung des Titels von Voswinkel (2002). Nach Zahlen aus dem Jahr 1999 rangiert die Bundeswehr bei der deutschen Bevölkerung auf der Liste angesehener Institutionen vor den Kirchen, dem Bundestag und den Universitäten (!) (vgl. Arrington 2002: 542). Selbst in solchen Demokratien, in denen nicht von einer Marginalisierung des Militärs die Rede sein kann, muss eine einfache Militarisierungsthese zurückgewiesen werden. So kommt es in Israel vor dem Hintergrund der Bedrohung durch aufständische Palästinenser und terroristische Organisationen immer wieder zu einer engen faktischen Verbindung von ziviler Gesellschaft und Armee. Diese Verbindung führt jedoch keineswegs zu einer »normativen Identität« beider oder einer Verschmelzung der Lebenswelten von Soldaten und Zivilisten (Zimmermann 1997). Zur älteren Militarismus-Diskussion vgl. Berghahn (1975) und Bredow (1983). Senghaas (1972) hat wie viele andere vor dreißig Jahren den Begriff verabschiedet und nur noch eine ›erweiterte‹ Fassung akzeptieren wollen, die er mit dem ›Rüstungswettlauf‹
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gleichsetzte. Die konzeptionell klarste Begriffsstrategie bietet Shaw (1991), der ähnlich wie wir die mögliche Gegenläufigkeit von politisch-industrieller Kriegsvorbereitung und sozialer Militarisierung betont. Aber gelegentlich auch auf die Innenpolitik: So ist nach dem 11. September die Inhaftierung von zwei US-Bürgern als ›feindlichen Kombattanten‹, denen (jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung des vorliegenden Buches) ein Zivilprozess verweigert wurde, ein Beispiel für Militarismus. Der Fall ist bemerkenswert, da schon die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 den britischen König ausdrücklich dafür kritisierte, »das Militär von der Zivilen Macht unabhängig gemacht und ihr übergeordnet« zu haben. Zu diesen neuen Varianten des zivil-militärischen Verhältnisses vgl. Hagen (2003) und Feaver (2003). Nützlich ist auch Kimmerlings Konzept eines ›kognitiven‹ Militarismus, der das Weltbild und die Agenda ziviler Politiker beherrschen kann, ohne in eine soziale Militarisierung oder eine politische Ermächtigung des Militärs überzugehen (Kimmerling 1993: 206ff.).
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Die Titel dieser Reihe:
Werner Rügemer (Hg.) Die Berater Ihr Wirken in Staat und Gesellschaft November 2004, ca. 200 Seiten, kart., ca. 19,80 €, ISBN: 3-89942-259-7
Peter Fuchs Das System »Terror« Oktober 2004, ca. 150 Seiten, kart., ca. 14,80 €, ISBN: 3-89942-247-3
Volker Heins, Jens Warburg Kampf der Zivilisten Militär und Gesellschaft im Wandel Oktober 2004, 164 Seiten, kart., 16,80 €, ISBN: 3-89942-245-7
Gunter Gebauer, Thomas Alkemeyer, Bernhard Boschert, Uwe Flick, Robert Schmidt Treue zum Stil Die aufgeführte Gesellschaft Mai 2004, 148 Seiten, kart., 12,80 €, ISBN: 3-89942-205-8
Klaus E. Müller Der sechste Sinn Ethnologische Studien zu Phänomenen der außersinnlichen Wahrnehmung Mai 2004, 214 Seiten, kart., 20,80 €, ISBN: 3-89942-203-1
Thomas Lemke Veranlagung und Verantwortung Genetische Diagnostik zwischen Selbstbestimmung und Schicksal Februar 2004, 140 Seiten, kart., mit Glossar, 14,80 €, ISBN: 3-89942-202-3
Karl-Heinrich Bette X-treme Zur Soziologie des Abenteuerund Risikosports Februar 2004, 158 Seiten, kart., 14,80 €, ISBN: 3-89942-204-X
Volkhard Krech Götterdämmerung Auf der Suche nach Religion 2003, 112 Seiten, kart., 12,80 €, ISBN: 3-89942-100-0
Volker Heins Das Andere der Zivilgesellschaft Zur Archäologie eines Begriffs 2002, 102 Seiten, kart., 12,80 €, ISBN: 3-933127-88-2
Stefan Weber Medien – Systeme – Netze Elemente einer Theorie der Cyber-Netzwerke 2001, 128 Seiten, kart., 13,80 €, ISBN: 3-933127-77-7
Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de
2004-08-13 17-50-23 --- Projekt: T245.x-texte.heins-warburg.kampf / Dokument: FAX ID 01ca60438128606|(S. 163
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