John M. Krois. Bildkörper und Körperschema: Schriften zur Verkörperungstheorie ikonischer Formen 3050052082, 9783050052083

Im Zentrum der Aufsätze des international renommierten Cassirerforschers John Michael Krois zu Cassirer, Peirce, Wind un

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German Pages 339 [340] Year 2011

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John M. Krois. Bildkörper und Körperschema: Schriften zur Verkörperungstheorie ikonischer Formen
 3050052082, 9783050052083

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John M. Krois Bildkörper und Körperschema

B A N D I1

AC T U S et I MAGO Berliner Schriften für Bildaktforschung und Verkörperungsphilosophie Herausgegeben von Horst Bredekamp Schriftleitung: Marion Lauschke

John M. Krois Bildkörper und Körperschema Schriften zur Verkörperungstheorie ikonischer Formen Herausgegeben von Horst Bredekamp und Marion Lauschke

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Einbandgestaltung unter Verwendung von Lucio Fontana, Concetto spaziale, Attese 1963, Farbe auf Leinwand, 50 × 60 cm, Lecco, Sammlung Romano Trojani

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2011 Ein Wissenschaftsverlag der Oldenbourg Gruppe www.akademie-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Mitarbeiter/innen dieses Bandes: Franz Engel, Yasmin Meinicke, Johanna Schiffler, Maja Stark, Anja Pawel, Moritz Queisner Reihengestaltung und Satz: Petra Florath, Berlin Druck und Bindung: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH, Altenburg Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706.

ISBN 978-3-05-005208-3 eISBN 978-3-05-006247-1

I n h a l t s v e r z e i ch n i s

VII

Vorwort von Horst Bredekamp, Jörg Fingerhut, Marion Lauschke und Tullio Viola

2

Kunst und Wissenschaft in Edgar Winds Philosophie der Verkörperung

24

Einleitung in: Edgar Wind. Heilige Furcht

44

Cassirer’s “Prototype and Model” of Symbolism. Its Sources and Significance

64

Kultur als Symbolprozess. Philosophische Konsequenzen eines Paradigmenwechsels

76

Die Universalität der Pathosformeln. Der Leib als Symbolmedium

92

More than a Linguistic Turn in Philosophy. The Semiotic Programs of Peirce and Cassirer

114

Ernst Cassirer’s Philosophy of Biology

132

Für Bilder braucht man keine Augen. Zur Verkörperungstheorie des Ikonischen

162

Synesthesia and the Theory of Signs

176

Philosophical Anthropology and the Embodied Cognition Paradigm. On the Convergence of Two Research Programs

194

Image Science and Embodiment. Or: Peirce as Image Scientist

VI

INHALTSVER ZEICHNIS

210

Tastbilder. Zur Verkörperungstheorie ikonischer Formen

232

Experiencing Emotion in Depictions. Being Moved without Motion?

252

Bildkörper und Körperschema

272

Enactivism and Embodiment in Picture Acts. The Chirality of Images

290

Was sind und was sollen die Bilder?

307

Quellenverzeichnis

309

Bibliografie John Michael Krois

319

Personenregister

325

Bildnachweise

Vo r w o r t

Die Verkörperungsphilosophie von John Michael Krois ist das Produkt einer ungewöhnlich offenen Aufnahme divergenter Denkbewegungen: der Logik, der Semiotik, der Kulturphilosophie im Umkreis der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Aby Warburgs sowie der Kognitionswissenschaft. Dieser umfassende Ansatz entsprang jedoch nicht etwa einer irenischen Gelassenheit, sondern dem bohrenden Suchen nach einer Philosophie, welche die Formen des Lebens und der Artefakte als Bedingung der begrifflichen Arbeit anerkennt. Die Unverwechselbarkeit von Krois‘ Arbeiten lag in der Einbeziehung der oftmals verkannten kontinentaleuropäischen Wurzeln jener kognitionswissenschaftlichen Verkörperungstheorien, die als embodied cognition vor allem im englisch- und deutschsprachigen Raum Furore machen. Am Ende stand das Ziel, die bedingende Präsenz des Körpers mit der Wahrnehmung und der Kraft des Bildes zu verbinden und damit die Philosophie für das Warburg‘sche Konzept der Kunstgeschichte als Bildwissenschaft zu öffnen. In ihrer Vielfältigkeit und ihrer historischen Tiefe reichen Krois‘ Anregungen von Gottfried Wilhelm Leibniz‘ „kleinen Perzeptionen“ bis zur gegenwärtigen Empathieforschung, wie sie sich in der Theorie der Spiegelneuronen zeigt. Mit der Symbolphilosophie Ernst Cassirers, der Zeichentheorie von Charles Sanders Peirce, der Verkörperungstheorie Edgar Winds sowie den gegenwärtigen Forschungen zum Enaktivismus sollen vier Felder angesprochen werden, ohne die Krois‘ Überlegungen schwerlich zu verstehen sind.

D ie Sy mb olph i losoph ie Er nst C a ssi rer s Als Krois im Jahr 1975 an der Pennsylvania State University mit einer Arbeit über Cassirer promovierte, war dieser im deutschen Sprachraum weitgehend unbekannt. Ein mögliches Motiv für das Vergessen bzw. die Ablehnung des 1933 über England und Schweden in die USA emigrierten Philosophen kam

VIII

VORWORT

bereits in den ersten Nachkriegsjahren zum Ausdruck: Cassirers Philosophie, schrieb Fritz Kaufmann, „suffers from too much light“.1 Krois hat sich Zeit seines Lebens mit Cassirer beschäftigt, zahlreiche Aufsätze über ihn verfasst, Forschungsliteratur herausgegeben, die Ausgabe der Nachgelassenen Texte und Schriften initiiert und eine Reihe von Bänden mitsamt des ausgewählten Briefwechsels publiziert, und ohne ihn hätte sich die Cassirer-Renaissance in der Form und Intensität, wie sie sich in den letzten fünfzehn Jahren in Deutschland entwickelt hat, nicht ereignet. Doch Krois war kein ‚Cassirer-Philologe‘. Die in diesem Band versammelten Schriften verdeutlichen, wie weit er in den Forschungen zu Cassirer schon früh durch entschiedene Akzentsetzung dasjenige Thema voranzutreiben vermochte, dem er sich in den letzten Jahren seines Lebens vorrangig gewidmet hat: die Verkörperungstheorie. In zahlreichen Aufsätzen und Vorträgen zu Cassirer hat Krois darauf hingewiesen, dass Denken als inkorporiert verstanden werden muss. Häufig hat er betont, dass jene Fokussierung auf die Sprache, die mit dem linguistic turn einhergegangen ist, eine Kontrollwut hervorgebracht habe, der sowohl die Freiheit des Sprachlichen wie auch alles Körperlichen suspekt gewesen sei. Die erste Möglichkeit eines Korrektivs sah Krois im Ursprung jenes Symbolismus, den Cassirer im natürlichen Ausdrucksverhalten erkannte. Jede symbolische Relation habe darin ihren Ausgangspunkt, dass bereits der menschliche Körper und nicht erst die mediale Extension kulturelle Bedeutungen erzeuge. Auf dieser Grundlage beginne der semiotische Prozess in der symbolischen Prägnanz der Wahrnehmung. Diesem Theorem der Cassirer‘schen Symbolphilosophie hat Krois bereits Teile seiner Dissertation gewidmet, und sie sind ihm eine dauerhafte Basis geblieben. Die Erkenntnis der primären Gestalt- oder Bildförmigkeit sinnlicher Wahrnehmung sowie die Überzeugung, dass das Bild der blinde Fleck der Philosophie sei, führten ihn schließlich zur Forderung einer philosophischen Ikonologie.

D ie Z eichent he or ie von Cha rles Sa nder s Pei rc e Weitere Bausteine zu einer solchen Ikonologie lieferte ihm das philosophische Werk Charles S. Peirce, den Krois, ebenso wie die beiden großen Peirce-Interpreten des 20. Jahrhunderts, Max H. Fisch und Karl-Otto Apel, dessen zu Recht berühmtes Peirce-Buch Krois ins Englische übertrug, in Verbindung zu Cassirer und Vico setzte. Die Peirce‘sche Offensive gegen den Intuitionismus wie auch den epistemischen Internalismus und für die Gleichsetzung von Zeichen 1

Fritz Kaufmann: Cassirer, Neo-Kantianism, and Phenomenology, in: Paul Arthur Schilpp (Hg.): The Philosophy of Ernst Cassirer, S. 799–854, Evanston 1949, S. 841.

IX

VORWORT

und Denken bestärkte ihn darin, sich mit denjenigen Alternativen zur analytischen Philosophie zu beschäftigen, die er in der Tradition, die den Bereich der Kultur und der Geschichte in die Bestimmung des menschlichen Geistes einzubeziehen vermochte, gefunden hatte. Insbesondere in der Peirce‘schen Zeichentheorie sowie der ‚spekulativen Rhetorik‘ sah Krois ein Werkzeug, um auch ein scheinbar fernes Feld wie die Sozialphilosophie betreten zu können.2 Der Vergleich der Philosophie Cassirers mit der von Peirce stellte einen Leitfaden der Peirce-Deutung von Krois dar. Die Nähe der beiden Philosophen, die jeweils als Naturwissenschaftler und Ideengeschichtler über gemeinsame methodologische Voraussetzungen verfügten, hat er in bedeutenden Aufsätzen gezeigt. Die Gemeinsamkeiten liegen im Primat des Funktionsgegenüber dem Substanzbegriff sowie in dem ehrgeizigen philosophischen Programm, dem cartesianischen Dualismus eine semiotische Verkörperungstheorie entgegenzustellen (Text 6). Auf der Basis einer Auslegung, welche die Berührungspunkte mit der prozesshaften Metaphysik von Aristoteles und Leibniz sowie die Einflüsse der antiken medizinischen Tradition hervorhebt, hat Krois im Denken von Peirce die Möglichkeit gesehen, den Begriff des embodiment nach seinen möglichen Varianten hin zu befragen. Die Verkörperungstheorie von Peirce ist immer wieder als eine nur metaphorische Größe behandelt worden, derzufolge jeder Sinngehalt einen konkreten, materiell gebundenen Ausdruck finden muss. Im Denken von Peirce hebt Krois dagegen die maßgebliche Rolle des menschlichen Körpers für die Wahrnehmungs- und Denkvorgänge selbst hervor. Ungeachtet des Schwankens seiner eigenen Aussagen zu diesem Thema wird hierdurch die Nähe von Peirce zur heutigen Forschung der embodied cognition deutlich. Um jeder Form der naturalistischen Verkürzung zu begegnen, hat Krois beide Seiten der Peirce‘schen Verkörperungstheorie als eine Art Waage gesehen, die von einem allgemeineren metaphysischen Ansatz gehalten wird. Die Verkörperung des Geistigen in der physischen Welt wird damit zum fundamentalen Prinzip der Naturphilosophie wie der Philosophie des Geistes. In jüngster Zeit hat Krois eine Interpretation vorgeschlagen, die ein solches Primat der Verkörperung mit Peirces Betrachtungen der philosophischen Relevanz der Ikonizität in Verbindung setzt (Text 11).3 Die Grundlegung der Metaphysik von Peirce lasse sich, so Krois, als eine Reflektion über die philosophische Valenz von Bildern auswerten. Durch diesen Fokus erhält 2 3

John Michael Krois: Peirce‘s Speculative Rhetoric and the Problem of Natural Law, in: Philosophy and Rhetoric 14/1 (1981), S. 16–30. Vgl. auch den bislang unveröffentlichten Text von Krois Eine Tatsache und zehn Thesen zu Peirces Bildern, der in dem Sammelband Charles S. Peirces bildne­ risches Denken (Actus et Imago 5), hg. v. Franz Engel/Moritz Queisner/Tullio Viola, Berlin 2012, erscheinen wird.

X

VORWORT

das heute zwar weit verbreitete, aber oftmals nur oberflächlich gesteuerte Interesse an Peirce als einem Theoretiker des nicht-sprachlichen Denkens oder auch konkret als ‚image scientist‘ eine Begründung, die geradezu als ein Nenner von Peirces Denkwegen zu begreifen ist. Das uferlose zeichnerische Œuvre von Peirce, um das sich Krois in den letzten Jahren seines Lebens mit wachsendem Stupor bemüht hat, erweist sich in diesem Rahmen nicht als eine entbehrliche biographische Kuriosität, sondern als die Bedingung der Peirce‘schen Arbeits- und Denkweisen. Umso herausfordernder ist dieses Feld für künftige Forschungen.

D ie Verkör p er u ngsph i losoph ie von Ed ga r Wi nd Krois war von der Bildenden Kunst zutiefst affiziert, und er hat die Kunstgeschichte als eine Disziplin geschätzt, die mit ihrem Insistieren auf der begrifflichen Kraft des Einzelwerks eine Herausforderung für den systematisierenden und oftmals deduktiven Zugriff der Philosophie bedeute. Es hatte eine innere Logik, dass Edgar Wind, der zugleich einer der bedeutendsten Kunsthistoriker des zwanzigsten Jahrhunderts und ein nicht weniger eminenter Philosoph war, für ihn mehr als nur ein Vorbild wurde. Dass Wind die deutschsprachige Philosophie als Erster auf die Bedeutung von Charles Sanders Peirce sowie von Alfred North Whitehead nicht nur aufmerksam gemacht, sondern deren begriffliche Überlegungen zu einer Erkenntnistheorie des extended mind weiterentwickelt hat,4 bewegte Krois zusätzlich, in Wind ein alter ego zu suchen. Ausgestattet mit einer sprühenden Intelligenz, hat sich Wind in der Hamburger Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg zwischen Erwin Panofsky, bei dem er in Kunstgeschichte promovierte, Ernst Cassirer, der seine philosophische Habilitation betreute, und Aby Warburg bewegt, dessen Werk er in profunden Beiträgen analysiert hat. All diese Personen waren bei allem Austausch Kunsthistoriker oder Philosophen, Wind aber „war beides zugleich“.5 Als Krois im Jahr 2009 eine Sammlung von Winds Schriften herausgab, begründete er die Auswahl nochmals mit dem Ziel, Philosophie und Kunstgeschichte in ihrem Bedingungszusammenhang sichtbar werden zu las-

4 5

John Michael Krois: Einleitung, in: Edgar Wind: Heilige Furcht, in diesem Band S. 34f., 36f.; vgl. ders.: Kunst und Wissenschaft in Edgar Winds Philosophie der Verkörperung, in diesem Band, S. 6–11. Vorwort der Herausgeber, in: Edgar Wind. Kunsthistoriker und Philosoph, hg. v. Horst Bredekamp/Bernhard Buschendorf/Freia Hartung/John M. Krois, Berlin 1998, S. IX.

XI

VORWORT

sen: „Winds Anliegen, Kunstgeschichte und Philosophie zu verbinden, wirkt im Rückblick wegweisend.“6 In seinem Beitrag zu Wind aus dem Jahr 1998 bekundete Krois, dass die im Desinteresse an der Sichtbarkeit und der historischen Konkretion liegenden Defizite der Philosophie, mit denen er selbst gehadert habe, in Winds „Verkörperung“ aufgehoben seien. Diese Kategorie sei für Wind das Resultat einer Handlung, die sich in der Geste, der Herstellung eines Bildes oder auch der Durchführung eines Experimentes zeige. Krois sah hierin das Versprechen einer neuen Philosophie, in der Handlungen und deren Effekte nicht als Gegensätze zu den Begriffen, sondern als deren klärende Filter zu betrachten seien. Es sei der Moment gekommen, Winds in den Wirren der Zeit nach 1933 untergegangene Vorstöße insbesondere für einen Brückenschlag zwischen Geistes- und Naturwissenschaften fruchtbar zu machen.7

E na k t iv ismus u nd emb o d ied c og n it ion Dass Bilder verstanden werden und dass sich die im Bild verkörperten Gehalte erschließen lassen, beruht auf dem Umstand, dass der erfassende Organismus mit ihnen als Objekten und nicht nur als Zeichen umgeht. Diese Kernthese des Krois‘schen Denkens verlangt nach einer Theorie der enaktiven Wahrnehmung. Zeugnisse von Krois‘ Aufbau einer solchen Theorie sowie einer körperschematisch begründeten Philosophie der Bilder sind in diesem Band in ihrem teils ausformulierten, teils blitzhaft vorstoßenden Charakter versammelt. Im Zentrum stehen die vernachlässigten affektiven Bedeutungen der Bilder, die sich in jeder Erfassung von Gestalt manifestieren. Sie stellen umso mehr ein unhintergehbares Faktum jedes Bildverständnisses dar, als die beeindruckendste Eigenschaft der Bilder für Krois in deren emotionalem Ausdruckscharakter liegt (Texte 8, 13, 14, 15). Dieser bildet zugleich das Rätsel, das eine allein an der Sprache orientierte Philosophie niemals zu lösen vermag. Krois hat sich diesen Phänomenen mit einem Instrumentarium gewidmet, das von einer in der Philosophie wohl beispiellosen Offenheit für die 6 7

John Michael Krois: Einleitung, in: Edgar Wind: Heilige Furcht, in diesem Band, S. 42; vgl. ebenfalls die Vorbemerkung in: Edgar Wind: Heilige Furcht und andere Schriften zum Verhältnis von Kunst und Philosophie, Hamburg 2009, S. 7. Edgar Wind: Das Experiment und die Metaphysik. Zur Auflösung der kosmologischen Antinomien, Tübingen 1934 (Neuaufl., hg. von Bernd Buschendorf, Frankfurt/M. 2001). Vgl. John Michael Krois: Kunst und Wissenschaft in Edgar Winds Philosophie der Verkörperung, in diesem Band, S. 3–23, 3f. und 14f. und ders.: Einleitung, in: Edgar Wind: Heilige Furcht, in diesem Band, S. 31–33.

XII

VORWORT

Fragen und Methoden benachbarter Disziplinen zeugt. Die Robotik, die Spiegelneuronen in der Emotionsforschung, die Unterscheidung von Körperbild und Körperschema in der Psychologie und die Bildschemata der Linguistik sowie die ökologische Psychologie hat er als elementare philosophische Herausforderungen ernst genommen. Die aktuell in diesen Disziplinen geführten Debatten las er als Beitrag zu einer philosophischen Anthropologie, wie sie in Cassirers postum erschienenem Werk Zur Metaphysik der symbolischen Formen8 sowie in dessen Auseinandersetzung mit der Biologie Jakob von Uexkülls vorbereitet war (Text 10). Sowohl die problematische Art, in der aktuelle kognitionswissenschaftliche Einsichten in den Theorien der Neuroästhetik rezipiert werden, als auch die zerebralzentristische Verkürzung des ,Erlebens‘ in manchen Ansätzen der Philosophie des Geistes haben ihn hierbei in Forschung und Lehre umgetrieben. In eines der Exemplare von Edgar Winds Schriften schrieb John Michael Krois im Dezember 2009 die Widmung: „Es möge Wind uns weiter bona fortuna bringen“. Das Wortspiel bezog sich auf die emblematische Figur der Fortuna, die, von einem durch den Sturm aufgeblähten Segel getrieben, auf einer Kugel balancierend in die Zukunft jagt. In seinem opus magnum, den Heidnischen Mysterien der Renaissance, hat Wind diesem Bildsymbol des so dynamischen wie instabilen Schicksals eine profunde Untersuchung gewidmet.9 Krois wurde in einem Moment des Glücks, das er auch durch die Entwicklung der Berliner Kolleg-Forschergruppe „Bildakt und Verkörperung“ empfunden hat, von der Kugel des Lebens verstoßen. Seine Schriften aber bleiben ein Segel, das gleichermaßen für die Philosophie wie für die Kunstgeschichte eine „bona fortuna“ verspricht. Horst Bredekamp, Jörg Fingerhut, Marion Lauschke, Tullio Viola

8 9

Ernst Cassirer: Zur Metaphysik der symbolischen Formen, Nachgelassene Manuskripte und Texte, Bd. 1, hg. v. John M. Krois, Hamburg 1995. Edgar Wind: Heidnische Mysterien in der Renaissance, Frankfurt/M. 1984, S. 122f.

Re d a k t ionel le H i nwe i s e Die hier versammelten Schriften sind für den Zweck der vorliegenden Sammlung redaktionell bearbeitet worden. Deutschsprachige Texte, die noch in alter Rechtschreibung publiziert worden sind, wurden nach den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung korrigiert, bibliografische Angaben vereinheitlicht, Verweise auf Texte, die in diesem Band nicht enthalten sind, korrigiert und Hinweise auf Schriften, die zur Zeit ihrer Abfassung noch nicht erschienen waren, aktualisiert. Wiederholungen von Argumentationsfiguren oder Bildmaterial innerhalb der Texte sind bewusst nicht vermieden worden. Sie dokumentieren die kontinuierliche Entwicklung eines Denkens, das aus dem Kontakt mit seinen Quellen Schubkraft entwickelte. Abgeschlossen wird der Band durch eine Bibliografie der Schriften von John Michael Krois.

Dank Für vielfältige redaktionelle Arbeiten und Recherchen danken die Herausgeber Johanna Schiffler, Yasmin Meinicke und Maja Stark. Sascha Freyberg und Thomas Helbig gebührt Dank für die Erstellung der Bibliografie und des Personenregisters. Franz Engel, Anja Pawel und Moritz Queisner ist für weitere Hilfe zu danken. Zu danken ist auch dem Akademie Verlag für die gewissenhafte Begleitung sowie Petra Florath für die sensible Gestaltung des Bandes. Der von John Michael Krois konzipierte Abdruck der Schriften geschieht im Rahmen einer generellen Vereinbarung mit Hannelore Krois, für die herzlich zu danken ist. Horst Bredekamp und Marion Lauschke

E d g a r Wi nd . Ku n st h i stor i ker u nd Ph i lo s oph Herausgegeben von Horst Bredekamp, Bernhard Buschendorf, Freia Hartung und John Michael Krois Berlin 1998, S. 181–205

K U nST U n D W ISSEnScH A F T In EDGAR WInDS PHIloSoPHIE D E R V E R K ö R P E RU n G

„As for humanism, it appears to me to be an allied doctrine, in perfect harmony with pragmatism“ C. S. Peirce

1. Zu r E i n f ü h r u ng Edgar Winds philosophisches Hauptwerk, Das Experiment und die Metaphysik,1 scheint von einem „Fachphilosophen“ zu stammen, von jemandem, des­ sen Interessen der Physik und der Kosmologie gelten und weit entfernt sind von Kunst oder Kulturtheorie, wie wir es von Edgar Wind erwarten würden. Doch dieses Werk verdankt seine allgemeine Ausrichtung gerade Winds Inte­ resse an der Kunst. Die bildende Kunst macht etwas sichtbar, sie ist konkret, im Gegensatz zum Begriff. Sichtbarkeit ist für die Philosophie unwichtig. Die konkrete historische Wirklichkeit kommt in der Philosophie nicht vor; sie wird in ein vorgefertigtes begriffliches Schema eingepasst oder der empiri­ schen Forschung überlassen. Wind verwarf nicht das philosophische Interesse am Allgemeinen, er unterzog die von Kant geprägte Philosophie seiner Zeit aber einer tiefen Revision. Bei Wind steht nicht mehr der Begriff, das Be­ wusstsein, die Erkenntnis, das Verstehen und auch nicht die Welt oder das Sein im Mittelpunkt seiner philosophischen Untersuchungen, sondern, wie er es nannte: die „Verkörperung“.

1

Edgar Wind: Das Experiment und die Metaphysik. Zur Auflösung der kosmolo­ gischen Antinomien, Tübingen 1934 (Beiträge zur Philosophie und ihrer Ge­ schichte 3). Im Folgenden zitiert als EM.



Edgar Winds PhilosoPhiE dEr VErkörPErung

Wir sehen Winds Begriff der „Verkörperung“ und das Thema seines Buches beide von Blakes berühmtem Frontizpiz The Ancient of Days (Bild 1) zu seiner Europe, a Prophecy illustriert. Das goldene Instrument in Blakes Bild wird bei der Erschaffung der Welt eingesetzt, aber es entsteht dabei ein Paradox: Das Instrument setzt schon die Existenz der Welt voraus, weil es ein Teil (eine Verkörperung) von dieser ist. Die Wirksamkeit eines Instruments entsteht erst dadurch, dass es selbst ein Teil (eine Verkörperung) der Wirk­ lichkeit ist. nur so kann es zur Wirksamkeit gelangen. „Verkörperung“ ist der Hauptbegriff in Edgar Winds Philosophie. Er bezeichnet zunächst das Resul­ tat einer menschlichen Handlung, etwa die Herstellung eines Bildes, aber auch den Vorgang der Verkörperung im Allgemeinen. Diese zwei Auffas­ sungen sind auch beide im Titel von Winds philosophischem Hauptwerk he­ rauszuhören: „Das Experiment“ (eine menschliche Handlung) und „die Me­ taphysik“ (Theorie der Verkörperung im Allgemeinen). Bei Experimenten treffen Ideen und Dinge auf eine kontrollierbare Weise zusammen. Ein ide­ elles Maßsystem (z. B. das metrische) wird in einem Messinstrument aus ge­ wählten physikalischen Substanzen verkörpert. Dieses Instrument wird wie­ derum mit Teilen der Welt in einem Akt der Messung zusammengebracht. Die Regelmäßigkeiten, die wir mit Messungen feststellen wollen, setzen wir mithin schon beim Messinstrument selbst voraus, denn dieses – so meinen wir – muss auch den naturgesetzen gehorchen, die es entdecken helfen soll. Mit anderen Worten: Auch in der naturwissenschaft gibt es den hermeneu­ tischen Zirkel, aber als sich selbst korrigierenden methodischen Zirkel. Das Maßsystem haben zwar die Menschen erfunden (es gibt viele Maßsysteme), und auch die Geometrie ist historisch entstanden, aber Wissenschaft setzt eine Wirklichkeit voraus, der wir mit Hilfe eines Instruments immer näher­ kommen sollen und die eine Kontrollinstanz darstellt. Im Messakt gibt es eine Art doppelte Verkörperung: (1.) von unserem Maßsystem und (2.) von den zu entdeckenden Gesetzmäßigkeiten.2 Unsere Handlung erzwingt eine Antwort von der Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist dem Gedanken heteronom: Sie entzieht sich unserer Macht, auch während sie sich im Instrument zeigt. Des­ halb bezeichnet Wind sie als „metaphysisch“. Die Verkörperung im Instru­ ment ist aber auch ein Symbolprozess: Die Anzeiger in Messgeräten haben keine unmittelbare Bedeutung, aber ihre Bedeutung muss sich irgendwann in etwas Beobachtbarem verkörpern, wenn sie reale Bedeutung haben soll.3 Winds Heidnische Mysterien in der Renaissance und andere ikonolo­ gische Untersuchungen gehen auf die Inhalte von Kunstwerken ein. Für die 2 3

Wind versteht den Forschungsprozess als eine ständige Verkörperung und Erfas­ sung von Gesetzmäßigkeiten, d. h. von Universalien. Siehe EM, S. 35. Vgl. ebd. S. 31.



Edgar Winds PhilosoPhiE dEr VErkörPErung

Bild 1 William Blake: The Ancient of Days, Fontispiz zu Europe a Prophecy, 1794, Tate Gallery, london.

ikonologische Analyse reichen die Mittel der formalistischen Kunstgeschichte und Kunstkennerschaft nicht aus. Warburg hat gezeigt, wie die Untersuchung literarischer Traditionen, wissenschaftlicher Vorstellungen und anderer Aspek­ te des sozialen Gedächtnisses in die Kunstgeschichte einbezogen werden müsste, um uns für die Inhalte von Kunstwerken empfänglich zu machen.



Edgar Winds PhilosoPhiE dEr VErkörPErung

Warburg aber stand der Philosophie fern – bis er in cassirers Symboltheorie eine systematische Grundlage für die Kulturwissenschaft als „lehre vom be­ wegten Menschen“ fand.4 Im Gegensatz zu Warburg war Wind auch Philo­ soph. Die Ikonologie zeigt, dass Kunst Gedanken und nicht nur Gefühle und Formen transportieren kann. Gedanken müssen nicht in Kunstwerken ver­ körpert werden; die Philosophie kommt ohne Bilder aus. Aber kommt sie auch ohne Verkörperung aus? Rede, Schrift, alle Symbole verkörpern Sinn. Edgar Wind wollte dieser Verkörperung Rechnung tragen, aber um dies zu errei­ chen, musste er mit (fast) der gesamten Philosophie seiner Zeit brechen. Bei der Entwicklung seiner Ideen wurde Edgar Wind vor allem durch seine lektüre von charles Peirce angeregt. Wind sagte später, es waren zwei Menschen, die ihn besonders beeinflusst hätten: Aby Warburg und charles Peirce.5 niemand wird über die Erwähnung Warburgs überrascht sein, eher aber über die von Peirce (1839–1914). Überraschung ist auch angebracht, denn als Wind 1929 Das Experiment und die Metaphysik der Hamburger Fakultät vorlegte, war Peirces Philosophie kaum jemandem in Deutschland bekannt und der von Peirce begründete Pragmatismus im allgemeinen als Theorie des nützens falsch verstanden. Wind war der erste Philosoph in Europa, der Peirces Bedeutung erkannte.7 Wind sagte zwar, dass er lediglich Peirces Me­ thode in How to make our ideas clear folge,8 aber es gibt bei Peirce keine Hinweise, wie man mit dieser Methode die Kantischen Antinomien auflösen kann – was die Hälfte von Winds Buch ausmacht. Wichtig für Wind war, dass es Peirce um Klarheit ging – im Gegensatz zu den „grüblerischen Deklama­ tionen“, die Wind in der Philosophie aufkommen sah, die „zu nebelhaft [sind,] um auch falsch zu sein“. (EM, S. VI) Wichtig war für ihn aber auch, wie Peirce zur Klarheit gelangt. Statt nur von rein logischen oder psychologischen Denk­

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Brief von Aby Warburg an Ernst cassirer, Kreuzlingen, 15. 4. 1924. Der Brief be­ findet sich in den cassirer Papers, Beinecke Rare Book and Manuscript library, Yale University. Persönliche Mitteilung von Margaret Wind. Über die Beziehung Winds zu War­ burg siehe Bernhard Buschendorf: ‚War ein sehr tüchtiges gegenseitiges Fördern.‘ Edgar Wind und Aby Warburg, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 4 (1985), S. 15–209. Zu der Einstellung in Deutschland gegenüber dem Pragmatismus siehe Hans Joas: Pragmatismus und Gesellschaftstheorie, Frankfurt/M. 1992, S. 114–145: Ameri­ kanischer Pragmatismus und deutsches Denken – Zur Geschichte eines Mißver­ ständnisses. Die Peirce­Renaissance in Deutschland setzte im Wesentlichen erst in den 190er Jahren ein. Siehe Edgar Wind: can the Antinomies Be Restated?, in: Psyche 25 (1934), S. 177– 178, S. 178.



Edgar Winds PhilosoPhiE dEr VErkörPErung

maßstäben auszugehen, macht Peirce die „denkbaren Wirkungen“ von kör­ perlichen Handlungen und Gegenständen zum Maßstab für die Klärung von Begriffen.9 Der Pragmatismus war nicht nur für die Entwicklung von Edgar Winds Philosophie wichtig, sondern Wind griff auch selbst in diese Entwicklung des Pragmatismus ein. Das oben angesprochene Bild von Blake, The Ancient of Days, stand als Frontispiz zu Sidney Hooks Buch The Metaphysics of Pragmatism (1927). Hook, einer der wichtigsten Denker um John Dewey, legte in seiner Schrift dar, was er „The Metaphysics of the Instrument“ nannte. Diese erläuterte er anhand von Blakes Illustration: „Whatever else of frenzied fancy this picture may symbolize, it illustrates a profound metaphysical meaning. […] The golden compasses in Blake’s picture already presupposes the existence of the world, otherwise their efficacy in intelligent construction would be a sheer impossibility“.10 Hook sagt nicht, wie er auf dieses Bild von Blake gesto­ ßen ist und auch nicht, wie die Idee seiner Metaphysik des Instruments ent­ stand. Wind untersucht meines Wissens nirgends dieses Bild, aber es gibt gute Gründe, hier Winds Einfluss auf Hook zu sehen. Wind lernte Hook bald nach seiner Ankunft in Amerika im Jahr 1924 kennen.11 Wind trug seine Theorie der Verkörperung schon September 192, also vor der Publikation von Hooks Buch, vor.12 Auch wenn Hooks und Winds Arbeiten als sich ergänzende Texte einzustufen sind, bietet Hook vor allem eine Klärung von John Deweys „in­ strumentalistischer“ Philosophie,13 während Winds Schrift die zugrundelie­ genden sachlichen Probleme thematisiert.

9

10 11 12 13

Siehe die sog. „pragmatische Maxime“, in charles S. Peirce: How to Make our Ideas clear, in: Writings of charles S. Peirce. A chronological Edition vol. 3 (1872– 1878), Bloomington 198, S. 257–27, S. 2: „consider what effects, which might conceivably have practical bearings, we conceive the object of our conception to have. Then, our conception of these effects is the whole of our conception of the object“. (Überlege, welche Wirkungen die denkbaren praktischen Bewandtnisse haben können, die wir dem Gegenstand unseres Begriffes zuschreiben. Dann be­ steht unser ganzer Begriff des Gegenstandes aus unserem Begriff dieser Wirkun­ gen.) Sidney Hook: The Metaphysics of Pragmatism. With and Introductory Word by John Dewey, chicago/london 1927, S. 17. Auskunft von Margaret Wind. Siehe Edgar Wind: Experiment and Metaphysics, in: Edgar S. Brightman (Hg.): Proceedings of the Sixth International congress of Philosophy, new York 1927, S. 217–224. Für Dewey ist selbst „Theorie“ instrumental, weil sie eine organisationsleistung darstellt oder was man heute eine „Komplexitätsreduktion“ nennt. Vgl. John De­ wey: Erfahrung und natur, Frankfurt/M. 1995, S. 125: „Die Auffassung, daß kon­ templatives Denken das Ziel an sich sei, war zugleich eine Kompensation für die Unfähigkeit, die Vernunft in der Praxis wirksam werden zu lassen, wie auch ein



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Kant hat gezeigt, dass die Vernunft mit sich selbst in Widerspruch ge­ rät, wenn sie versucht, etwas über die Wirklichkeit als Ganzes auszusagen. Sie kann z. B. gültige Argumente sowohl für die These geben, dass die Welt einen Anfang in der Zeit hat, als auch für die These, dass sie keinen hat. Solche An­ tinomien sind für die reine Vernunft deshalb unauflösbar, weil diese nur ar­ gumentieren kann. Aber die verkörperte Vernunft, die experimentell vorgeht, kann auf lange Sicht eine Beantwortung dieser Fragen erstreben, nicht bloß dadurch, dass wir uns der experimentellen Vernunft anvertrauen: Ergebnisse der konkreten Forschung zwingen uns praktisch, die Welt in der einen oder anderen Weise zu begreifen. Im experimentellen Gebrauch von Instrumenten werden auch Alternativen wie „euklidisch – nicht­euklidisch, einfach – zusam­ mengesetzt, determiniert – undeterminiert“ entschieden. Instrumente ver­ körpern im experimentalen Gebrauch Fragen und sie teilen dank ihrer Ver­ körperung eine Antwort dem Experimentator mit.

2. D ie E nt w ic k lu ng von Ed ga r Wi nd s Gr u nd ged a n ken Peirce war der erste Denker, der die mechanistische (deterministische) Welt­ ansicht durch eine neue ersetzte, in der absoluter Zufall zum gleichberechtig­ ten Aspekt der Realität wurde, neben den Tatsachen und Gesetzen der natur.14 Selbst die naturgesetze entstanden in Peirces Philosophie aus Zufallsentwick­ lungen (infinitesimale Verletzungen von Gesetzen).15 Der andere große Ent­ wurf einer Philosophie des Prozesses, der mit dem von Peirce oft verglichen wird, stammt von Alfred north Whitehead.1 Edgar Wind war ebenfalls der erste Philosoph in Deutschland, der Whiteheads extrem schwierige Philo­ sophie rezipierte. Wind vereinte Ideen von Peirce und Whitehead in seiner

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Mittel, die Trennung sozialer Klassen aufrechtzuerhalten. Eine örtlich und zeitlich beschränkte politische Gemeinschaft historischer natur wurde zu einer Metaphy­ sik ewigdauernden Seins.“ Siehe dazu Ilya Prigogines Vorwort zu charles S. Peirce: naturordnung und Zei­ chenprozeß. Schriften über Semiotik und naturphilosophie, hg. und eingeleitet v. Helmut Pape, Frankfurt/M. 1991, S. 7–10. Siehe charles S. Peirce: Entwurf und Zufall, in: Peirce: naturordnung (wie Anm. 14), S. 113–125, S. 119. Alfred north Whitehead und charles S. Peirce werden oft in einem Atemzug als Schöpfer von „process philosophy“ genannt. Whiteheads Schüler charles Hart­ shorne, der mit Paul Weiss Herausgeber der ersten großen Ausgabe von Peirces Schriften war, hat diese Sichtweise verbreitet. Historisch richtiger wäre es, White­ head mit William James zu nennen, der für Whitehead der Erfinder dieser Denk­ weise war.



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Verkörperungstheorie und machte sie für Probleme der Kulturwissenschaft fruchtbar.17 Als Wind im Sommer 192018 sein Studium in Hamburg aufnahm, hat­ te er schon in seiner Heimatstadt Berlin 1918–1919 Philosophie bei cassirer gehört19 sowie im darauffolgenden Jahr in Freiburg bei Husserl und Heideg­ ger. In seiner bei cassirer und Panofsky entstandenen Dissertation Ästhetischer und kunstwissenschaftlicher Gegenstand (sie brachte ihm am 29. Juli 1922 die Promotion) versuchte er „Kategorien“ der Kunstwissenschaft nach erkenntnistheoretischem Modell systematisch auszuarbeiten und in einer „Tafel“ zu organisieren.20 Doch 1929, in seiner Habilitationsschrift, vertrat er eine andere, nicht mehr so formalistische oder kantische Denkart. Winds Bruch mit dem mainstream der akademischen Philosophie fiel indessen an­ ders aus als bei den meisten Denkern seiner Generation, für die die Phänome­ nologie oder die aus ihr hervorgegangene Existenzphilosophie richtungswei­ send wurde. Keinen philosophischen Denkweg hat Wind so gänzlich abgelehnt, wie den von Heidegger, Jaspers und Sartre eingeschlagenen.21 Diese Denker bewegten sich außerhalb der übrigen Welt der Wissenschaft, ja sie wollten mit dieser auch nicht in Berührung kommen. Wind nennt ihre Methode die De­ klamation.22 Auch wenn Husserls Arbeiten ihn nicht abstießen, so ist dennoch klar, dass er ihm nur geringe Tragweite zuerkannte. Husserls Methode, schrieb er, verwechsele einen ganz normalen Denkvorgang – Abstraktion – mit einer

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Siehe Edgar Wind: Mantegna’s Parnassus. A Reply to some Recent Reflections, in: The Art Bulletin 31 (1949), S. 224 –231, S. 231, wo er wieder Peirce zitiert. Vgl. auch die zentrale Rolle von Peirce in Winds Bild und Text in: Horst Bredekamp/ Bernhard Buschendorf/Freia Hartung/John Krois (Hg.): Edgar Wind. Kunsthisto­ riker und Philosoph, Berlin 1998, S. 259–22. Brief Edgar Winds an William Heckscher, 3. nov. 198, Edgar Wind Papers, Bod­ leian library, oxford University. copyright Margaret Wind. Hugh lloyd­Jones: A Biographical Memoir, in: Edgar Wind: The Eloquence of Symbols. Studies in Humanist Art, hg. v. Jaynie Anderson, oxford 1983, S. xiii– xxxvi, hier S. xiv. Siehe die aus Winds Dissertation hervorgegangene Publikation: Zur Systematik der künstlerischen Probleme, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunst­ wissenschaft 18 (1925), S. 438 – 48. Siehe Edgar Wind: Jean­Paul Sartre. A French Heidegger, in: ScAn. Smith college Associated news 40/31 (194), S. 1–4. In seinem später publizierten leserbrief an diese Zeitung, mit dem Wind auf die Einwände seines Kollegen Vincent Guilloton reagiert, ist Winds Stellungnahme noch deutlicher. Siehe den nachdruck der Texte in: Bredekamp (Hg.): Edgar Wind (wie Anm. 17), S. 219–22. Siehe EM, S. Vf. Zum Ganzen siehe Horst Bredekamps Beitrag Falsche Skischwünge. Winds Kritik an Heidegger und Sartre, in: Bredekamp (Hg): Edgar Wind (wie Anm. 17), S. 207–218.

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angeblichen Intuition von Wesen.23 Davon abgesehen, ziele Husserls Phäno­ menologie auf den Aufbau einer reinen Wissenschaft von Wesenheiten – für die eine Beschäftigung mit der konkreten, historischen Welt nebensächlich war – und stand daher in scharfem Gegensatz zu Winds Denken.24 In seinem Vortrag Experiment and Metaphysics auf dem . Weltkon­ gress der Philosophie im September 192 an der Harvard University stellte Wind zum ersten Mal seine Verkörperungstheorie dar.25 Wind kam schon im März 1924 nach new York, wo er zunächst an Schulen unterrichtete. Er lehr­ te dann 1925 bis 1927 Philosophie an der University of north carolina in chapel Hill. In den fast vier Jahren seines Amerikaaufenthaltes nahm er aktiv an den dortigen philosophischen Diskussionen teil und publizierte in Fach­ zeitschriften.2 Gleich in seinem ersten Jahr, am 30. Dezember 1924, hielt er einen Vortrag Theory of Art versus Aesthetics beim jährlichen Treffen der American Philosophical Association.27 Bei diesem Vortrag wurde Wind dem Publikum durch den new Yorker Philosophen Morris Raphael cohen vorge­ stellt. cohen hatte gerade im Jahr zuvor 28 die erste Edition von Schriften charles Peirces herausgegeben. Peirces Arbeiten waren bis dahin (und lange

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Siehe Edgar Wind: contemporary German Philosophy, in: The Journal of Philoso­ phy 22 (1925), S. 477–493; 51 –530, hier: S. 524 –52. Der Einfluss der Phänomenologie auf Wind war aber noch in seiner Dissertation, bzw. in der aus ihr hervorgehenden Schrift „Zur Systematik der künstlerischen Probleme“ evident. Wind sprach um 9.30 Uhr am 14. September, dem ersten Tag des Kongresses, wie auch Whitehead und c. I. lewis. Siehe die Akten des Kongresses, in: Brightman (Hg.): Proceedings (wie Anm. 12), S. 4. neben den in der Wind­Bibliografie (The Published Writings of Edgar Wind, in: Wind: Eloquence [wie Anm. 19], S. 115–130) erfassten Publikationen aus seinen Jahren in Amerika, hat er außerdem folgende vier Rezensionen im Journal of Philosophy, der wichtigsten amerikanischen Fachzeitschrift für Philosophie, publi­ ziert: (1) Max Ettlinger: Geschichte der Philosophie von der Romantik bis zur Gegen­ wart, in: 21 (1924), S.  –9. (2) Willy nef: Die Philosophie Wilhelm Wundts, in: 21 (1924), S. 498–502. (3) Raymond Schmidt (Hg.): Die Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstel­ lungen, Bd. 5, in: 23 (192), S. 13 f. (4) Henry Horace Williams: The Evolution of logic, in: 23 (192), S. 524 f. Siehe die Ankündigung von Winds Vortrag, in: The Journal of Philosophy 22/1 (1925), S. 28. Winds Text erschien in: The Philosophical Review 34 (1925), S. 350 – 359. Vgl. die Bemerkungen zu Winds Vortrag in Herbert Schneiders „The twenty­ fourth annual meeting of the Eastern Division of the American Philosophy Asso­ ciation“, in: The Journal of Philosophy 22/2 (1925), S. 4. Siehe charles S. Peirce: chance, love, and logic, hg. v. Morris R. cohen, new York/ london 1923.

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danach) nur wenig bekannt, Wind wird wohl von cohen den namen Peirce zum ersten Mal gehört haben.29 Auf den jährlich im Dezember stattfindenden Konferenzen der Philo­ sophiegesellschaft wird es auch zu einer anderen wichtigen Begegnung ge­ kommen sein. Beim Treffen im folgenden Jahr wurde ein Symposium zum Thema „Zeit“ unter der leitung Alfred north Whiteheads abgehalten.30 White­ heads bedeutender Vortrag zu diesem Thema, „Time“, den er 192 beim Welt­ kongress in Harvard hielt, wurde von Wind in seiner großen Whitehead­ Abhandlung in der Zeitschrift Logos 1932 kritisch untersucht. neben Whitehead beeinflusste ein anderer Harvard­Professor, clarence Irving lewis, die Entwicklung von Winds Philosophie. Auch lewis war Teil­ nehmer am . Weltkongress für Philosophie. lewis’ Hauptwerk Mind and the World Order erschien 1929, aber seine Grundideen waren schon 1923 publi­ ziert, und Wind zitiert sie in seinem Buch.31 lewis’ Grundgedanke betraf Kants lehre vom Apriori. lewis behauptete, dass man diese lehre vertreten könne und müsse, aber nicht als lehre von festgelegten Formen. Es gäbe we­ der eine universale noch eine historische Übereinstimmung über eine bestimmte Form des Apriori.32 Kant hatte Recht, dass unsere begrifflichen Sche­ mata der Wirklichkeit ihre Form vorschreiben, nur: diese Begriffe ändern sich

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Die Tatsache, dass Peirces Werk bis heute immer noch nicht richtig erschlossen ist, bzw. seine Texte in den 20er Jahren nur in raren Zeitschriften zugänglich waren, wird einem Forscher wie Wind kein Hindernis gewesen sein, sich damit zu be­ schäftigen. Ein Beispiel von Winds Werk als Sammler rarer Bücher ist durch den Ausstellungskatalog dokumentiert: Ausst. Kat.: The Vitruvien Path. An Exhibition of Early Printed Books from the library of the Department of the History of Art in the University of oxford, hg. v. Richard John/Monique Kornell, The Ashmolean Museum, oxford 1994. Siehe Notes and News, in: The Journal of Philosophy 22/25 (1925), S. 72. Wind hat Whitehead vermutlich mehrfach persönlich gehört. Außer bei dem von White­ head veranstalteten Symposium über „Time“ anläßlich des Treffens der American Philosophical Association am 28.– 30. 12. 1925 im Smith college in northhamp­ ton, MA und bei dem Weltkongress für Philosophie, im September 192 an der Harvard University, hatte Wind möglicherweise auch Whiteheads Vorträge über „Symbolism“ gehört, die dieser 192 an der University of Virginia hielt. Zu dieser Zeit lehrte Wind Philosophie an der University of north carolina. Ralf lachmann verdanke ich den Hinweis, dass Whiteheads Vorträge über „Symbolism“ den Ein­ fluss Susanne langers zeigen, die damals bei Whitehead promovierte und sich in ihrer Dissertation immer wieder auf cassirers Theorie der symbolischen Formen bezog. Hier hätte Wind eine eigenartige Situation erlebt: die Wirkung seines Ham­ burger lehrers auf Whitehead in Virginia. Wind zit. n. lewis: The Pragmatic Element in Knowledge, in: EM, S. 25, Anm. 1. Siehe lewis: The Pragmatic Element in Knowledge, publiziert unter dem Titel: A Pragmatic conception of the A Priori, in: collected Papers of c. I. lewis, hg. v. John D. Goheen/John l. Mothershead, Jr., Stanford 1970, S. 231–239, S. 239.

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historisch, wie lewis sagt, „on pragmatic grounds when the expanding boun­ daries of experience reveal their infelicity as intellectual instruments“.33 Dieser Gedanke von lewis führte Wind zu seiner eigenen Revision der kantischen Philosophie: Die experimentelle Vernunft könne uns dazu zwin­ gen, eine alte begriffliche Auffassung zu verwerfen, aber wir kommen den­ noch nicht umhin, die Wirklichkeit überhaupt in irgendeinem begrifflichen Schema aufzufassen. lewis entwickelte keine Theorie für die Änderungen im Apriori Begriffsschema. Er nannte seine Philosophie eine pragmatische The­ orie des Begriffs.34 Wind sah, dass die „expanding boundaries of experience“ das Phänomen der Verkörperung bedeuten. Winds Philosophie entstand in einem ganz anderen geistigen Klima,35 als er es bei seiner Rückkehr nach Deutschland vorfand. Dies war auch nicht ohne Bedeutung für die Bewertung von Das Experiment und die Metaphysik als Habilitationsschrift. Wind und sein lehrer, Ernst cassirer, waren in einem wichtigen Punkt divergenter Meinung, aber die anti­kantische Tendenz der Arbeit im Allgemeinen nahm ihm der Dozent Albert Görland übel. Das Schlussgutachten der Wind’schen Habilitation zeigt, dass Görland mit Winds Ergebnissen nicht einverstanden war, aber dass cassirer die Bedeutung dieser Bedenken durch eigenhändige Änderungen am ersten Entwurf des Protokolls abgeschwächt hat. (leider werden Görlands Einwände nicht mitgeteilt.)

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Ebd. S. 239. lewis’ Terminus ist „conceptual pragmatism“. Es ist hier nicht möglich auf die Bedeutung aller für Wind wichtigen Philosophen einzugehen, deren Werke ihm damals begegneten. Hierzu gehört aber sicherlich John Deweys Hauptwerk Experience and Nature (1925). In Winds Aufsatz Über einige Berührungspunkte zwischen Naturwissenschaft und Geschichte (in: Wis­ senschaft – Zum Verständnis eines Begriffs, hg. v. Hubert Markl u. a., Köln 1988, S. 34–39. Winds Text erschien schon im Jahre 193 in englischer Übersetzung in der Ernst cassirer Festschrift: Philosophy and History, hg. v. Raymond Klibansky/ Herbert James Paton, oxford (193), S. 255–24) stellt er z. B. S. 37 fest, dass es in der Messung/Urkundendeutung immer eine ereignishafte „Intelligenzleistung“ als „Weise des Verhaltens“ gibt. Dies ist Winds Übersetzung und Anwendung von Deweys Begriff „creative intelligence“. Die berühmte Auseinandersetzung zwi­ schen John Dewey und George Santayana über naturalismus und Metaphysik muss Wind mitbekommen haben, da Winds Aufsatz Alfred C. Elsbach’s Kant und Einstein, in: The Journal of Philosophy 2 (1927), S. 4–71, in der gleichen num­ mer des Journal of Philosophy im Anschluss an Deweys Antwort auf Santayana erschien. Vgl. John Dewey: Half­Hearted naturalism, a.a.o., S. 57–4. Auch die nähe zwischen Dewey und Heidegger wird Winds Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt haben. Siehe hierzu: Hubertus Breuer: Sein und Zeit in Amerika. Eine klassische Schrift von John Dewey erstmals auf deutsch, in: Frankfurter Allgemei­ ne Zeitung, 7. Dezember 1995, nr. 285, S. 15.

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In späteren Jahren wurden Winds und cassirers Symbolbegriffe gleich­ gesetzt.3 Da beide hier unter dem Einfluss Warburgs standen, war der Ver­ such einer Gleichsetzung nicht ganz abwegig: beide sahen kulturelle Symbo­ lik im Phänomen des körperlichen Ausdrucks begründet,37 in den seelischen Erscheinungen im leib, in Gestik und Ausdruckswert von hergestellten ob­ jekten. Es gab aber einen Streitpunkt. Er betraf nicht die Breite ihrer Auffas­ sungen, sondern den Inhalt von Symbolismen. Wind zufolge sollten Symbole in der theoretischen Physik dann als „real“ bezeichnet werden, wenn sie sich in einem experimentum crucis verkörpern ließen, dessen Ausgang beobacht­ bar ist.38 cassirer verlangte diese Beobachtbarkeit nicht.39 Was war hierbei so wichtig? Es ging um mehr als eine Feinheit in der Theorie des Symbols. cassirer war bei Winds Habilitation vor allem gegenü­ ber der Frage zurückhaltend, ob wir imstande sind, etwas über das Verhältnis auszusagen zwischen einem „experimentum crucis“, das eine physikalische Theorie umstoßen kann, und dem, was cassirer das „freie Denken“ nannte.40 cassirers persönliche Äußerung darüber zu Wind war: „In einem sehr geläu­ terten Sinne sind Sie doch eigentlich ein Empirist“.41 Doch „Empirismus“ ist eine psychologisierende Erkenntnistheorie. Wind hat eine Schwäche in Kants Philosophie nachgewiesen: Das System stand im „offenen Konflikt mit der

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Winds Reaktion darauf ist dokumentiert in seinem leserbrief, Microcosm & Memory, in: The Times literary Supplement (1958), S. 297. Siehe Edgar Wind: Warburgs Begriff der Kulturwissenschaft und seine Bedeutung für die Ästhetik, in: Vierter Kongreß für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissen­ schaft, Beilagenheft zur Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissen­ schaft 25 (1931), S. 13 –179. Vgl. zum körperlichen Ausdruck Ernst cassirer: Phi­ losophie der symbolischen Formen, Teil 3: Phänomenologie der Erkenntnis, Berlin 1929, Teil 1, Kap. 1: Die Ausdrucksfunktion und das leib­Seelen­Problem. Siehe Wind: Microcosm & Memory (wie Anm. 3), S. 297. Für Wind galt dies für die natur­ und Geisteswissenschaften gleichermaßen. Siehe Humanitätsidee und heroisiertes Porträt in der englischen Kultur des 18. Jahrhunderts, in: England und die Antike. Vorträge der Bibliothek Warburg 1930 – 1931, leipzig/Berlin 1932, S. 15–229, S. 203: „Das eigentliche ‚Experimentum crucis‘ für die These, daß der Gegensatz zwischen Reynolds und Gainsborough sich auf eine grundsätzlich verschiedene Einstellung zum Problem des gleichnis­ haft gesteigerten und dramatisch pointierten Ausdrucks zurückführen lasse, liegt im Schauspielerporträt“. leider ist der für Wind so wichtige Begriff „experimen­ tum crucis“ in der englischen Übersetzung verlorengegangen. cassirers Gutachten (datiert vom 3. nov. 1930) befindet sich in der Personalakte Winds, nr. 375, im Staatsarchiv Hamburg. Siehe Bernhard Buschendorf: Auf dem Weg nach England – Edgar Wind und die Emigration der Bibliothek Warburg, in: Michael Diers (Hg.): Porträt aus Büchern, Bibliothek Warburg & Warburg Institute, Hamburg – 1933 – london, Hamburg 1993, S. 85–128, S. 89.

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experimentellen Methode“.42 Dies anzuerkennen war nicht Empirismus; es war Pragmatismus im Sinne Peirces.43 Dennoch schrieb cassirer in einem Sondergutachten für die philosophische Fakultät, dass es Wind „gelingt, den Antinomien den charakter der prinzipiellen Unentscheidbarkeit zu nehmen und [die] theoretische Möglichkeit ihrer experimentellen Entscheidbarkeit zu zeigen“.44 Wind stand aber mit seiner Verkörperungstheorie in der damaligen deutschen Philosophie alleine da.45 Man kann sich kaum einen größeren Kon­ trast vorstellen als den zwischen Winds Vortrag beim Weltkongress für Phi­ losophie in Harvard und dem Vortrag des anderen deutschen Teilnehmers in seiner Sektion. Wind mag Bruno Bauchs Vortrag „Stellung und Beziehung von Sinnlichkeit und wissenschaftlichem Gegenstand“ im Sinne gehabt ha­ ben, als er in Das Experiment und die Metaphysik feststellte: In Kants Aufbau der Erfahrung hat das Experiment überhaupt keinen Ort. „Genau an derjenigen Stelle, an der für den Forscher die Erprobung eines Gedankens durch Experimente einsetzt, steht bei Kant die ‚Realität der Empfindung‘, die die kategoriale Formung niemals erproben, sondern immer nur erdulden kann“.4 Wind erblickte im Einfluss Kants auch den Grund für die verhängnis­ volle radikale Trennung von naturwissenschaft und Geschichte. Kants radi­ kale Trennung der streng­kausalen physischen und der freien moralischen Sphäre ließ keine methodische Verbindung von naturwissenschaft und Ge­ schichte zu. Ein Hauptanliegen von Winds Verkörperungstheorie war es, die­ se einander näher zu bringen.47 42 43

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EM, S. 41. Wind kritisiert die kantsche Philosophie, aber sein Einwand betrifft jede nicht­pragmatische Philosophie. Wind verlangte eine methodologische „Umgestaltung des Begriffs des Empirischen nach den Vorschriften der transzendentalen Methode“ (EM, S. 42), so dass diese Methode einer transzendenten Kontrolle unterworfen wird. Der Forscher, sagt Wind, hegt einen Glauben an die „consistency“ der Signale, die er von seinen In­ strumenten erhält. Siehe Wind: Experiment and Metaphysics (wie Anm. 12), S. 221; vgl. EM, S. 15. cassirers Sondergutachten (datiert vom 21. Dezember 1932) befindet sich in der Personalakte Winds (wie Anm. 40). Heideggers Daseinsanalyse sollte eine fundamentale ontologie ermöglichen und gerade nicht eine Kulturtheorie sein. Wind kannte Heidegger persönlich und war mit seiner Arbeit vertraut. Siehe dazu vor allem Winds leserbrief an die Smith college Associated news, nachgedruckt in: Bredekamp (Hg.): Edgar Wind (wie Anm. 17), S. 219 ff. EM, Vorwort, S. VIII. Die Verkörperung von Urteilsformen findet im experimen­ tellen Gebrauch und Verhalten von Instrumenten statt. Vgl. dazu Wind: EM, S. 39– 44. Diese Seiten waren wohl der Stein des Anstoßes für cassirer. Dies ist das Thema von Winds Aufsatz Über einige Berührungspunkte zwischen Naturwissenschaft und Geschichte (wie Anm. 35).

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Als Das Experiment und die Metaphysik 1934 erschien, konnte Wind sich nicht mehr um dessen Rezeption kümmern; er war schon in England Deputy Director des Warburg Institutes. Das Werk, sagte er, David Hume zitierend „fell deadborn from the press“.

3. Zu r Bedeut u ng von Wi nd s Ph i losoph ie Wind hat seine Zielsetzung in Das Experiment und die Metaphysik einmal in einem Brief formuliert: „[E]s ist die eigentliche Absicht meiner Arbeit, durch eine Analyse der gegenwärtigen Methode der naturwissenschaften auf Fol­ gerungen (mit Bezug auf den Welt­ und Freiheitsbegriff) hinzuweisen, die gerade für die Methode der Geisteswissenschaften von Wichtigkeit sind. Die scharfe Trennung von natur­ und Geisteswissenschaften war mitbedingt durch eine Auffassung von der natur, wie sie die heutigen naturforscher gar nicht mehr teilen, und wie sie die heutigen Geisteswissenschaftler nicht mehr als selbstverständlich hinnehmen dürfen“.48 Wind entwickelte seine Ideen über Verkörperung anhand von Betrach­ tungen über die Rolle des Instruments im Experiment, aber sie ist keineswegs darauf beschränkt. Die Weltvorstellung des Historikers findet eine Verkörpe­ rung im historischen Dokument; eine ästhetische Vision wird in Marmor, Bronze oder Malfarbe verkörpert. Die Menschen selbst sind Verkörperungen der physischen und historischen Prozesse, die sie erforschen.49 Die Verkörpe­ rungstheorie der Erkenntnis stellt keine lehre über die Beschaffenheit der Wirklichkeit auf, außer der, dass sie sich verkörpert. Es gibt demnach keine ideellen Beobachter: „Der Forscher ist in den Prozeß, den er erforscht, selbst eingeschaltet“.50 Anthropomorphismus war für Wind, wie für Peirce, eine Tatsache, mit der die Menschen leben müssen: „Die Angst vor dem ‚Anthro­ pomorphismus‘“ – schrieb Wind – „hat noch niemanden vor ihm bewahrt“.51 Auch Symbole sind immer schon in Medien verkörpert. Aber dies verstellt die Perspektive nicht; diese Verkörperung ermöglicht Perspektive. nur die ver­ 48 49 50 51

Brief Edgar Winds an otto Siebeck, . März 1933, S. 1. Kopie im Besitz von Mar­ garet Wind. Vgl. EM, S. 33. Wind: Berührungspunkte (wie Anm. 35), S. 3. EM, S. 119. Vgl. Peirces: lectures on Pragmatism, in: idem.: collected Papers, hg. v. charles Hartshorne/Paul Weiss, cambridge, MA 1934, Band 5, § 47: „‚Anthro­ pomorphic‘ is what pretty much all conceptions are at bottom“; vgl. auch Peirces Verteidigung von „Anthropomorphism“ in seinem Brief an William James vom 23. 07. 1905, in: collected Papers, Band 8, § 22: „As for humanism, it appears to me to be an allied doctrine, in perfect harmony with pragmatism, but not relating exactly to the same question. […] I prefer the word ‚anthropomorphism‘ as expres­ sive of the scientific opinion“.

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körperte Vernunft kann erkennen. Die traditionelle lehre, wonach Wahrheit die „Übereinstimmung“ des Gedankens mit dem Gegenstand ist, ließ den Grund dieser „Übereinstimmung“ völlig im Dunkeln. Wind sah, dass wahre Sätze dadurch wahr gemacht werden, dass etwas sich verkörpert. Die „Über­ einstimmung“, falls sie stattfindet, ist dann von sekundärer Bedeutung und nur durch die Verkörperung begründet. Die Bestimmung des Gebrauchs von Instrumenten und das Antizipie­ ren ihres Verhaltens führt zu Bestätigungen oder Widerlegungen; jede Aus­ sage eines Historikers lässt sich als Voraussage interpretieren über den Zu­ sammenhang eines Dokuments mit anderen, vielleicht noch nicht bekannten Dokumenten. All dies hat nichts mit einer einfachen sprachlichen Überein­ stimmung zu tun. Es betrifft die komplexe, sich ändernde Konfiguration von physischen und historischen Prozessen, an denen der Forscher auch selbst be­ teiligt ist.

4. E x k u r s z u Wh itehead u nd Pei rc e Die alte ontologische Metaphysik stellte sich die Welt als anwesend vor. Mit­ tels der lehre von der Ursächlichkeit erklärte sie diese Welt; erste Ursachen, die als Anfang und Grund der Welt gedacht wurden, sollten die Basis liefern. Für Winds Prozessmetaphysik ist die Welt nicht anwesend, sie ist ein Prozess der fortwährenden Verkörperung. Das Phänomen der Verkörperung bezeich­ net Wind darum noch allgemeiner mit Whiteheads Terminus „Emergenz“.52 Gewöhnlich denken wir uns die Zeit als endlose Reihe von Punkten und die Kausalität als ähnliche lineare ordnung. Wind entwickelt in Das Experiment und die Metaphysik eine andere Zeitanschauung, die er als konfigu­ ral im Unterschied zur linearen Zeit bezeichnete.53 In ihr wird das „Jetzt“ nicht mehr als Punkt in einer Kette begriffen,54 sondern als „Spielraum“, in dem Ereignisse entstehen.55 Anstatt von der Zeitreihe zu sprechen, muss man Zeit als einen Aspekt der Emergenz denken, als „Auftauchen von Gestalten einer neuen ordnung aus der ‚zufälligen‘ Konfiguration der Elemente der alten“ (EM, S. 103). Zeit ist nicht von Raum zu trennen und beide nicht von

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EM, § 29: Konstanz und Emergenz. EM, § 27: linearer und konfiguraler Zeitablauf; vgl. § 30, S. 10. Vgl. EM, S. 94: Dem Begriff des „Jetzt“ haftet prinzipiell eine Mehrdeutigkeit an. Vgl. EM, § 2: Der „Spielraum“ der Gegenwart.

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dem Ereignis, das darin stattfindet.5 Wind spricht deshalb von einer „konfi­ guralen Periode“ anstatt von einer linearen Zeitreihe. Diese Periode ist in­ haltlich gedacht, als die Dauer eines Ereignisses und nicht als etwas, das auf die Welt als Ganzes bezogen ist.57 Die Unterscheidung zwischen linear und konfigural übernahm Wind von Peirce, seine Ideen über Zeit sind dagegen von Whitehead beeinflusst.58 Winds Auffassung bricht jedoch mit Whiteheads in einem wesentlichen Punkt. Wind konnte Whiteheads Ansicht nicht akzeptieren, dass die Zeit „von Periode zu Periode atomisch fortschreitet“, darum spricht er von einer „kon­ figuralen Periode“.59 Wind versucht in Das Experiment und die Metaphysik, Whiteheads Begriff der Zeit eine lokale Kontinuität abzugewinnen. Winds Ausführungen zu diesem Punkt sind schwer verständlich, aber sie lassen sich deuten durch den Unterschied zwischen Peirces und Whiteheads Prozessphi­ losophie. Peirce wollte seine ganze Philosophie „Synechismus“ nennen: Phi­ losophie der Kontinuität. Kontinuität ist für ihn neben Zufall und notwen­ digkeit ein Aspekt eines jeden Phänomens. Für Whitehead dagegen betrifft Kontinuität nur Potentielles, während Tatsächlichkeit „unheilbar atomisch ist“.0 Eines der Argumente, die Peirce für die Tatsächlichkeit der Kontinuität bringt, stützt sich auf das Phänomen der Erinnerung.1 Das kulturelle Phäno­ men der Erinnerung hatte für Wind eine so zentrale Bedeutung, dass er – un­ abhängig von den theoretischen Problemen – nicht bereit war, die Wirklich­ 5

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EM, § 30. In Winds Hamburger Vorlesung „Grundbegriffe der Geschichte und Kulturphilosophie“ (Ts., S. 3) vom WS 1932/33 verwendet er auch diese „linear/ konfigurale“ Unterscheidung, um eine Zeitauffassung zu charakterisieren, die Zu­ fälle zulässt im Vergleich zu einer, die sie nicht kennt. Er fügt hinzu: „Was der Physiker Zufall nennt, nennt der Historiker psychologisch: Freiheit“. Vgl. EM, S. 10. Peirce spricht von „the configuration of systems“ als komplexe Zustände vs. Ver­ änderung durch kettenartige Abläufe. Siehe z. B. sein Reply to the Necessitarians, in: The Monist 3 (1893), S. 52–570. Dort verteidigt Peirce seinen Angriff (The Monist, Januar 1891 und April 1892) auf den Determinismus gegen Kritiker. Peirce kritisiert explizit Kants mechanische Auffassung in der Kritik der reinen Vernunft, A199/B244. Siehe Edgar Wind: Mathematik und Sinnesempfindung. Materialien zu einer Whitehead­Kritik, in: logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur 21/3 (1932), S. 239–280, S. 278. Whitehead: Process and Reality. An Essay on cosmology, Gifford lectures Deli­ vered in the University of Edinburgh During the Session 1927–1928, überarbeitete Version hg. v. David Ray Griffin/Donald W. Sherburne, new York 1978, chap. 2, Section 1, S. 1: „continuity concerns what is potential; wheras actuality is incu­ rably atomic“. Vgl. S. 35: „the ultimate metaphysical truth is atomism“. Wind konnte Whitehead in diesem Punkt nicht zustimmen. Siehe Peirce: collected Papers (wie Anm. 51) Bd. 4, § 41; vgl. collected Papers, Bd. 1, § 17, sowie collected Papers, Bd. 7, § 4.

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keit von Kontinuität derart radikal einzuschränken. Hier fand er in Peirce wieder einen Gleichgesinnten.2 Verkörperung im metaphysischen Sinn bezeichnet die Realität, wie sie in jedem Moment entsteht. Anstatt die Reihe der Ereignisse auf einen Anfang in der Vergangenheit zurückzuführen, wird er zum Aspekt der Gegenwart. In dieser Philosophie ist das individuelle Ereignis, auch metaphysisch betrachtet, nicht bloß negation oder Differenz, sondern das „Auftauchen von Gestalten einer neuen ordnung aus der ‚zufälligen‘ Konfiguration der Elemente der al­ ten“, also ein Beispiel von Kreativität (EM, S. 103).3 Das Universum ist ein ständiger Prozess der Schöpfung. „In der Emergenztheorie“, sagt Wind, „macht das fortwährende Wunder innerhalb des Verlaufs das einmalige Wun­ der am Anfang und Ende überflüssig“ (EM, S. 108). Für diese Art Philosophie besteht Kants Problem der Versöhnung zwischen der streng determinierten, vorhandenen Welt und Freiheit nicht mehr.

5. Zu m Bi ld des Mensc hen Der „heroische Mensch“ war ein beliebtes Denkmotiv in der Philosophie der Renaissance.4 Der Mensch als einziges Wesen, das frei ist, sich zu verwandeln und alle „Stufen des Seins“ zu durchqueren, kann über sich selbst hinaus­ wachsen oder auch das Schlechteste werden.5 Wind geht auf dieses Thema im laufe seiner Untersuchungen gelegentlich ein. Er verweist am Schluss von Art and Anarchy auf verwandte Beobachtungen von William James, der den Hauptunterschied zwischen Mensch und Tier im Willen sah: „Verringere sein

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Peirce hat die Diskontinuität der Zeit theoretisch in Erwägung gezogen und für möglich gehalten; siehe z. B. collected Papers, Bd. 1, § 274. Whitehead und Peirce waren beide Mathematiker, aber Peirces Arbeiten als Wissenschaftshistoriker und experimenteller Psychologe überzeugten ihn von der Realität der zeitlichen Konti­ nuität. Whitehead: Time, in: Brightman (Hg.): Proceedings (wie Anm. 12), S. 59–4, S. 4: „there is not continuity of becoming, but there is a becoming of continuity“. Siehe hierzu cassirers nachruf auf Warburg, in: Hamburgische Universität. Re­ den gehalten bei der Feier des Rektorwechsels am 7. november 1929, Hamburg 1929, S. 48–5. Diese lehre findet sich schon in carolus Bovillus’ Schrift De sapiente von 1509; siehe Ernst cassirer: Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance, leipzig/Berlin 1927 (Studien der Bibliothek Warburg 10). Das Buch enthält eine Edition von diesem Werk, hg. v. Raymond Klibansky. Eine auf die Zeitumstände gerichtete Darstellung von dem Verhältnis zwischen dem Bewunderungswürdigen und Schlechten findet sich in Edgar Wind: The criminal God, in: Journal of the Warburg Institute I (1938), S. 243–245.

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Übermaß, ernüchtere ihn, und du wirst ihn verderben“. James dachte dabei an die Religion, an den Willen zum Glauben. Wind verband sich diese Gedan­ ken mit der Kunst. In beiden Sphären findet die rationale Führung kaum einen Anhaltspunkt, die leitung übernimmt das Gemüt und die Phantasie. Platons Erkenntnis, dass die Phantasie gefährlich sein kann, nahm sich Wind früh zu Herzen. Die Gefahr besteht darin, dass Phantasie imstande ist, Rationalität außer Kraft zu setzen. Aber inwiefern ist das der Fall, können Phantasie und Rationalität nicht miteinander versöhnt werden? Das ist eine Frage der phi­ losophischen Anthropologie. Wind benutzt den Terminus „philosophische Anthropologie“ nicht, doch die Frage durchzieht alle seine Werke. Seine An­ sichten darüber sind nicht in einem Traktat nachzulesen – sowenig wie bei Platon. Statt Dialoge verfasste Wind ikonologische Studien. Winds Men­ schenbild wird nicht in Argumenten entwickelt; es findet sich in konkreten Studien zur Kunst­ und Kulturgeschichte, z. B. in seiner großen Abhandlung zum Menschenbildnis: Humanitätsidee und heroisiertes Porträt in der englischen Kultur des 18. Jahrhunderts, oder, wie es im Englischen heißt, Hume and the heroic portrait. Wind zeigt darin, wie in der britischen Philosophie und Malerei des 18. Jahrhunderts ein Streit um die natur des Menschen aus­ getragen wurde. Hume steht auf der Seite Gainsboroughs, d. h. für den unge­ künstelten Menschen und gegen das heroisierte Porträt des Grand Manner. Der Mensch erscheint bei Gainsborough immer als Mensch, nie als Abgott oder heroische Figur. Dies geht bei Gainsborough so weit, dass selbst Schau­ spieler bei ihm nicht in Maske erscheinen. Für Wind ist dies das experimentum crucis seiner Interpretation Gainsboroughs: Gainsborough ist so gänz­ lich abgeneigt, den Menschen zu heroisieren, dass selbst Garrick und Mrs. Siddons als Privatpersonen erscheinen und nie als die von ihnen dargestellten Helden, während bei Reynolds selbst die Kleinkinder als junge Heroen mit Schwert auftreten. Der Mensch, der seine Grenzen versteht und diese nicht leugnet, ist für Hume der natürliche Mensch. Er ist kein Einzelgänger wie bei Rousseau, sondern eine gesellige natur, wie es Hume selbst war. Winds Ar­ beit über das heroisierte Porträt griff der Humeforschung um ein halbes Jahr­ hundert vor. Statt in Hume den „Erkenntnistheoretiker“ zu sehen, erblickte Wind den Grund für Humes „Skepticismus“ in dessen Theorie der Grenzen des menschlichen Handelns und seiner Tugendlehre.7 Wind ignorierte nicht,  7

Edgar Wind: Kunst und Anarchie (Die Reith lectures 190. Durchgesehene Aus­ gabe mit den Zusätzen von 198 und späteren Ergänzungen), Frankfurt/M. 1994, S. 100. Als Privatdozent der Philosophie in Hamburg umkreisten Winds Vorlesungen im­ mer wieder Hume. Er lehrte dort u. a.: „Englische Philosophie des 18. Jahrhun­ derts“, „David Hume“, „Geschichte des Skepticismus“. Siehe hierzu Buschendorf: Auf dem Weg nach England (wie Anm. 41), S. 93. Auch nach seiner späteren Über­

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wie die meisten Philosophen, dass Hume hauptsächlich Werke über Geschich­ te schrieb. Er sah, dass in Humes Moralphilosophie die Beherrschung der Emotionen und Gefühle (und Humes von cicero stammende Tugendlehre) zu einer bestimmten politischen Philosophie führt. Das von Gainsboroughs Schüler Ramsey stammende Porträt Humes, so meint Wind, illustriert Humes charakterisierung der moralischen Tugenden: einen Menschen „ohne Bedürf­ nis nach übernatürlichen Sanktionen, ohne Übersteigerung seiner Geistes­ kräfte, in vollem Bewußtsein seiner natürlichen Grenzen“, einen Menschen, der „ein bürgerlich nützliches und ästhetisch angenehmes leben führte“8 – die Besonnenheit in Person. Hume war Philosoph der Aufklärung, seine Skepsis machte ihn zum Gegner politischer Utopien.9 Winds Hamburger Antrittsvorlesung He˜ioY U oboY. ' Untersuchungen über die Platonische Kunstphilosophie ergänzt die Abhandlung über Hume. In einem Brief vom oktober 1933 schrieb Wind, dass der Titel des Vortrags „hauptsächlich für Philologen bestimmt“ sei und dass er den Text erneut publizieren wolle – mit dem Titel „Die Stellung des Künstlers im Staate. Betrachtungen über Platons lehre der ‚göttlichen Furcht‘“. Er beendet den Brief mit der Bemerkung: „Heute erscheint er [der Vortrag] mir so aktuell, dass ich ihn gern einem grösseren leserkreis vorlegen wür­ de“.70 Wie im Hume­Aufsatz geht es im Platon­Vortrag um die Spannung zwi­ schen der Phantasie und den durch sie verursachten Emotionen – Emotionen, die fähig sind, „Scham und sittliche Scheu“ zu beseitigen. Winds Essay Platonic Tyranny and the Renaissance Fortuna von 191 befasst sich mit einem weiteren Aspekt des Problems, der an den Hume­Text erinnert. nominal han­ delt es sich um das philologische Problem von Ficinos Deutung einer Stelle in Platons Nomoi. Es geht aber um das, was Wind „the desperate hopes of Utopi­ ans“ nennt: die verzweifelten Hoffnungen von utopischen Denkern.71 Platons Fahrten nach Sirakus zum Tyrannen Dionysius sind ein Beispiel für die intel­ lektuelle Versuchung, die Hoffnung in die Tyrannei zu setzen. Denn obwohl die Tyrannei für Platon die schlechteste Staatsform war, ist sie dennoch die

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siedlung nach Amerika lehrte Wind am Smith college immer wieder ein „Seminar in English Art of the Eighteenth century“. Siehe Bredekamp (Hg.): Edgar Wind (wie Anm. 17), Edgar Winds Kurse am Smith college, S. 202–205 Wind: Humanitätsidee (wie Anm. 39), S. 229. Siehe hierzu auch die in Hume and the Heroic Portrait. Studies in EighteenthCentury Imagery, hg. v. Jaynie Anderson, oxford 198, wiederabgedruckten Texte: The Revolution of History Painting, S. 88–99, S. 95, Anm. 31 und In Defence of Composite Portraits, S. 120 –124, S. 124. Brief Edgar Winds an otto Siebeck, 12. oktober 1933. Kopie im Besitz von Marga­ ret Wind. Edgar Wind: Platonic Tyranny and the Renaissance Fortuna, in: Wind: Eloquence (wie Anm. 19), S. 8–93, S. 92.

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einzige, die den radikalen Schritt machen kann, den besten – ja idealen – Staat durch einen Gewaltakt hervorzubringen. Demokratie ist zwar besser als Ty­ rannei, aber sie kann diesen Gewaltakt nicht vollziehen. Winds indirekte Ver­ bindung von Platon und Machiavelli mittels Ficino, ließ Panofsky, für dessen Festschrift Wind den Essay schrieb, antworten, „although you were careful to reserve the epithet ‚wicked‘ for the Florentine Platonists rather than to Plato himself it seems to me that, to use another colloquial phrase, ‚a little bit rubs off‘ on the grand old man himself“.72 Wind sah in Platons Versuch, einen Ty­ rannen zu beeinflussen, die Konsequenz eines falschen Heroismus des Den­ kens, wie Platon es auch selbst einmal in Nomoi ausspricht (709–712): Man brauche nur den richtigen Tyrannen und den richtigen Philosophen, um das Beste zu erreichen. Dieser Heroismus glaubt, sich des Sturmes in der Ge­ schichte für die Verwirklichung einer großen Idee bedienen zu können. En­ thusiasmus droht „das Moralische und logische in uns [zu] ertöten“.73 Ratio­ nalität aber ist der Beginn der Zerstörung der Phantasie: „rationality about the hero“, sagt Wind, „is the beginning of his destruction“.74 Zur Rettung von beiden werden Rationalität und Phantasie in der Kultur getrennt. Wind war mit dieser Trennung nicht zufrieden.75 Dass Kunst Gedan­ ken zum Ausdruck bringen und dabei Kunst bleiben kann, ist die Haupt­ prämisse von Winds ikonologischen Analysen. Diese Analysen zeigen die „Argumente“ in Kunstwerken. Dass Wind sich so ausführlich mit den neu­ platonischen Elementen in der Renaissancemalerei befasste, rührte nicht da­ her, dass er deren Inhalte für „wahr“ hielt, sondern dass die Gedankenwelt, die er darin fand, reich an „Argumenten“ war.7 Solche Kunstwerke werden zu „Symbolen“, die an Tiefe gewinnen, wenn ihr Argument verstanden wird, im Gegensatz zu bloßen Rätseln,77 die nur deshalb interessant sind, weil wir nicht wissen, was gemeint ist. leonardos „letztes Abendmahl“ stellt in Winds lesart nicht bloß eine dramatische Szene dar: Die vier Personengruppen ver­ 72 73

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Brief Erwin Panofskys an Edgar Wind, 14. Februar 191, S. 2. Edgar Wind Papers, Bodleian library, oxford University. copyright Margaret Wind. ' . Untersuchungen über die Platonische Kunstphiloso­ Edgar Wind: He˜ioY U oboY phie, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 2 (1932), S. 359. Es heißt dort: „je mehr die Kunst das Ästhetische in uns seiner selbst willen entwickelt, desto mehr muß sie das Moralische und logische in uns ertöten“. In Defence of Composite Portraits, in: Edgar Wind: Hume (wie Anm. 9), S. 124. Whiteheads „Symbolism“ lectures enden mit der gleichen Behauptung, dass jede Gesellschaft sowohl phantasieartige Symbole als auch Rationalität benötigt. Wind betonte: er vertrat nicht selbst die lehren, die er in Bildern fand; siehe Edgar Wind: Heidnische Mysterien in der Renaissance, mit einem nachwort von Bern­ hard Buschendorf, übers. v. christa Münstermann unter Mitarbeit v. Bernhard Buschendorf/Gisela Hinrichs, Frankfurt/M. 1987, S. 27. Siehe Edgar Wind: Die Beredsamkeit der Symbole, in: Akzente 29 (1982), S. 18– 172, S. 19.

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sinnbildlichen die vier Arten der theologischen Interpretation: buchstäbliche, moralische, mystische und anagogische, und verbinden diese mit einer Dar­ stellung der menschlichen Temperamente.78 Wie kann Wind seine Deutungen beweisen? Er kann es nicht, denn die Einmaligkeit einer historischen Konfi­ guration lässt sich nach allen Seiten auslegen, aber nicht ableiten.79 Die Ver­ körperung der Kunstwerke in einer geschichtlichen Umgebung ermöglicht ihre Deutung: die nicht­künstlerischen Aspekte der Umgebung – die Wissen­ schaft, theologische und literarische Traditionen und die politischen Kräfte der Zeit geben Aufschluss über die Bedeutung von Bildern. In Kunst und Anarchie führt Wind vor, wie die „reine Kunst“ durch ihre Isolation von der Welt an Kraft verliert – trotz aller Schrillheit der For­ men. Am Schluss von Platons Symposium stellt Sokrates die Forderung an den Dichter, er müsse sowohl Komödie als auch Tragödie dichten können; Wind stellt die noch schwierigere Forderung an den Künstler, dass er Argu­ mente in sein Werk setzen solle. Aber wo soll er sie her bekommen? Das ge­ lehrte Gespräch wird heutzutage um die Philosophie von heute gehen. Ich glaube nicht, dass Wind meinte, die Kunst transportiere heutzutage weniger Gedanken, sondern dass sie ganz andere verkörpere: private, tiefenpsycholo­ gische und rein ästhetische – im dem Sinne, dass Kunst sich selbst zum The­ ma macht. Gerade der von Wind so vehement verworfene Existentialimus findet in vielen modernen Kunstwerken seine Verkörperung. Stimmungen verdrängen die klassischen und biblischen Themen, und was übrig bleibt – mag es düster oder heiter sein –, ist nicht mehr geschichtlich;80 seine Bedeu­ tung findet sich im augenblicklichen emotionalen und sinnlichen Reiz. So wird alles isoliert betrachtet, das Unmittelbare wird für das Kon­ krete genommen, auf Kosten der Erinnerung und der Antizipation. Winds Philosophie erlaubt nicht, sich der Illusion einer linearen Geschichte hinzuge­ ben. Dennoch meinte er von der Antike, auch wenn sie uns kein allgemein verbindliches Vorbild mehr ist, dass wir ihr geschichtlich verhaftet bleiben.81 Das Wichtigste dabei ist die Tatsache der historischen Haftung selbst, so kom­ plex diese Konfiguration sein mag. Der Geschichtsforscher greift auch in sein

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Siehe Three Talks on Leonardo da Vinci for the British Broadcasting Corporation, in: The listener 47 (1952), II: The last Supper, May 8, S. 747 f. Zur Peirceschen Unterscheidung von konfigural und linear, siehe Edgar Wind: Bild und Text, in: Bredekamp (Hg.): Edgar Wind (wie Anm. 17), S. 259–22. Vgl. Hans Egon Holthusen: Heimweh nach Geschichte. Postmoderne und Posthis­ toire in der literatur der Gegenwart, in: Merkur 8/38, nr. 430 (1984), S. 902–917. Siehe Edgar Wind: Einleitung zu Kulturwissenschaftliche Bibliographie zum nachleben der Antike, Erster Band: Die Erscheinungen des Jahres 1931, in Ge­ meinschaft mit Fachgenossen bearb. v. Hans Meier/Richard newald/Edgar Wind, hg. v. der Bibliothek Warburg, leipzig/Berlin 1934, S. v–xvii, S. xi.

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Material ein und „stört“ es genauso, wie jeder Restaurator das Bild ändert, das er restauriert. Winds Kritik an Elsbachs „Einstein und Kant“ hob einen anderen, hier relevanten Unterschied hervor: Die Modernisierung von Kants Philosophie verlangt nicht, dass der Wissenschaftler die methodologische Antizipation aufgibt, sondern nur die rigide Vorstellung, dass die Wissenschaft der Wirk­ lichkeit Gesetze vorschreiben kann.82 Auch der Historiker antizipiert, um die Quellen zu suchen, die seine Deutungen belegen können. In der Kunst gehen Erinnerung und Antizipation in der Phantasie zu­ sammen. Winds Frage in Art and Anarchy war, ob es möglich ist, künstle­ rische Phantasie mit gedanklichem Inhalt zu füllen. Dies war für ihn kein bloß künstlerisches Problem, sondern ein kulturelles im breitesten Sinn. Der neuplatonismus verlieh dem künstlerischen Schaffen die Berechtigung, die der Platonismus ihm verweigerte.83 Der Schöpfer der Welt folgte nach Platon den ewigen Vorbildern der Ideen, während für Plotin die Ideen selbst aus dem göttlichen Nous hervorgingen. Der Künstler wiederholte demnach mit dem Hervorbringen eines Werkes den göttlichen Schöpfungsprozess. Es ist natür­ lich, dass die Renaissance­neuplatoniker mit dieser Philosophie Einfluss auf die Kunst ausüben konnten. Die moderne Philosophie von Descartes und Hobbes bis Hegel fand ihre Denkvorbilder in der Mechanik und logik. Die Kunstphilosophie dieser Epoche gipfelte in Hegels lehre vom „Ende der Kunst“; der Begriff löst das Bild ab. Es gibt gegenwärtig viele Zeugen für die­ se Ansicht. Vor wenigen Wochen sagte der Künstler Frank Stella: „Die ita­ lienische Malerei des 15. und 1., aber auch des 17. Jahrhunderts ist bisher unerreicht. […] Das 19., 20. und 21. Jahrhundert werden die Größe dieser drei­ hundert Jahre italienischer Malerei nie mehr erreichen. […] All die […] Errun­ genschaften der Moderne kommen nicht an das heran, was Botticelli mit einem Bild geschaffen hat“.84 Wind lässt uns in Art and Anarchy wissen, dass er kein Fatalist ist. Hegels Diktum vom Ende der Kunst entsprang der Selbst­ sicherheit eines geschlossenen philosophischen Systems. Winds eigene Philo­ sophie eröffnete ihm die Perspektive eines unfertigen Kosmos, in dem Wille und Phantasie niemals vom Begriff abgelöst werden können und in dem auch Rationalität emergent ist.

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Edgar Wind: Alfred c. Elsbach’s Kant und Einstein, in: The Journal of Philoso­ phy 24 (1927), S. 70. Dies ist auch die These cassirers in seinem am Warburg Institut gehaltenen Vor­ trag Eidos und Eidolon. Das Problem des Schönen und der Kunst in Platons Dialogen, in: Vorträge der Bibliothek Warburg 1922–1923, 2 (1924), S. 1–27. Interview mit Frank Stella, in: Süddeutsche Zeitung Magazin (9. Februar 199), S. 32–41, S. 38.

E d g a r Wi nd . He i l ig e Fu r c ht u nd a nder e S c h r i f te n z u m Verh ä lt n i s von Ku n st u nd Ph i lo s oph ie Herausgegeben von John Michael Krois und Roberto Ohrt Hamburg 2009, S. 9–40

EINLEIT U NG

1. Das wohl bekannteste Werk von Edgar Wind (1900–1971) beschäftigt sich mit Heidnischen Mysterien in der Renaissance (1968).1 Hinter dem esoterisch anmutenden Titel verbirgt sich eine Arbeit von großer Klarheit. Das Buch erläutert den Sinn nicht mehr allgemein verständlicher bildlicher Symbole und Allegorien in Kunstwerken der Renaissance.2 Wind hat diese Schrift um eine „Bemerkung zur Methode“ ergänzt, in der er sein Anliegen und seine Arbeitsweise erläutert (und die zugleich zum Verständnis seines Lebenswerks beiträgt). Er vergleicht seine Untersuchungen unvertrauter symbolischer Be­ deutungen mit der Beziehung zwischen euklidischer und nichteuklidischer Geometrie. In der Geometrie gelangt man zu euklidischen Parallellinien, in­ dem man die Krümmung eines nichteuklidischen Raumes auf null reduziert, sodass eine gerade Linie entsteht. Doch es ist unmöglich, zu einem nichteukli­ dischen Raum zu gelangen, wenn man mit euklidischen Parallellinien begin­ nt. So wird auch in der Kultur das Ungewöhnliche leicht zu einem Gemein­ platz, doch wir können niemals das Ungewöhnliche verstehen, wenn wir mit

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Edgar Wind: Heidnische Mysterien in der Renaissance, aus dem Englischen v. Christa Münstermann unter Mitarbeit v. Bernhard Buschendorf/Gisela Hinrichs, Frankfurt/M. 1981. Originalausgabe: Pagan Mysteries in the Renaissance, New York 1968. Dass in Raphaels Frescodarstellung des Konflikts zwischen dem Gott und dem Sa­ tyr die Bekränzung Apolls in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Folter des Mar­ syas geschieht, deutet Wind als Anspielung auf einen Gedanken am Ende von Pla­ tons Symposion, dass tragische und komische Katharsis gleichbedeutend seien. Dies entsprach den Erfahrungen im Kult des Dionysos, der zugleich Spender über­ schwänglicher Freude und Gott tragischer Raserei ist. Vgl. ebd. S. 204. Edgar Wind: Bemerkung zur Methode, in: ebd. S. 270–27.

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Gemeinplätzen beginnen.4 Das Studium der heidnischen Mysterien bietet eine Möglichkeit, die Renaissancekunst zu begreifen, die durch heutige Ge­ meinplätze niemals zu gewinnen wäre. Ausgehend von diesen Erkenntnissen über die Kunst der Renaissance ist es wiederum möglich, zu einem besseren Verständnis der Kunst der Gegenwart zu kommen. Wind zieht daraus den paradox klingenden Schluss, dass das Außerordentliche eine umfassendere Kategorie darstellt als der Gemeinplatz. Das Studium außergewöhnlicher Kunst­ werke hilft, gewöhnliche zu deuten, aber nicht umgekehrt. Diese Einsicht dient, wie Wind schreibt, „als Entschuldigung für ein manifester Exzentrizität ge­ widmetes Buch“. Winds Schriften eröffnen oft solche unerwarteten Perspektiven, die er mit einer Kombination aus großer Detailkenntnis historischer Quellen, schriftstellerischer Brillanz und Witz darlegt. Diese Verbindung von gründ­ licher Forschung und kreativer Einsicht machte auch Winds öffentliche Auf­ tritte zu einem Publikumsmagneten. Die Vorlesungen des Professors für Kunstgeschichte in Oxford zogen in den fünfziger und sechziger Jahren im­ mer größere Menschenmengen an, bis sie zuletzt im Oxford Playhouse Thea­ ter gehalten werden mussten, dem größten Raum der Stadt, in dem die Pro­ jektion von Dias möglich war. Ein Augenzeuge berichtet: „Selbst dort mussten die Vorlesungen häufig wiederholt werden, und die Schlangen von Studenten, die die ganze Beaumont Street hinab anstanden, um bei der Öffnung des Thea­ ters einen Platz zu ergattern, wären heute nur bei einem Rockstar denkbar.“6 Noch erstaunlicher ist, dass Wind diese Vorlesungen grundsätzlich ohne No­ tizen hielt. Winds Schriften können diese freien Vorträge nicht ersetzen. Dennoch spürt der Leser auch in den gedruckten Texten etwas von der Faszi­ nation, die seine Vorlesungen auf das Publikum ausgeübt haben. Immer wieder überrascht Wind mit unerwarteten Einsichten. Die gän­ gigen Trennungen zwischen Kunst und Wissenschaft, Ästhetik und Intellekt ignorierte er Zeit seines Lebens. Er befasste sich als Kunsthistoriker mit me­ thodologischen und erkenntnistheoretischen Fragestellungen, als Philosoph mit konkreten Fällen der Wissenschafts­ und Kunstgeschichte.

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Ebd. S. 272 f. Ebd. S. 27. Siehe James McConica: Edgar Winds Oxforder Jahre, in: Horst Bredekamp/Bern­ hard Buschendorf/Freia Hartung/John Michael Krois (Hg.): Edgar Wind. Kunsthi­ storiker und Philosoph, Berlin 1998, S. –1, hier: S. 7. Wind beeinflusste auch Künstler, wie beispielsweise den Maler R.B. Kitaj, der in den späten fünfziger Jah­ ren an der Ruskin School of Drawing and Fine Art an der University of Oxford studierte, wo er Wind als Tutor hatte. Siehe dazu James Aulich: Kitaj, History and Tradition, in: ders./John Lynch (Hg.): Critical Kitaj. Essays on the Work of R. B. Kitaj, Manchester 2000, S. 1–168, hier: S. 14 f.

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2. Edgar Wind wurde am 14. Mai 1900 in Berlin geboren, wo er später auch das Gymnasium besuchte.7 Nach einem Studium der Kunstgeschichte und Philo­ sophie, das ihn an verschiedene Universitäten führte, promovierte er 1922 in Hamburg mit einer Arbeit zur Ästhetik, die er als erster Doktorand des Pri­ vatdozenten für Kunstgeschichte Erwin Panofsky und des Professors der Phi­ losophie Ernst Cassirer schrieb. Panofsky und Cassirer standen einander zu dieser Zeit – bis 19 – persönlich und intellektuell nahe.8 Beide erkannten in Wind einen vielversprechenden jungen Wissenschaftler.9 Nach der Promotion lebte Wind ab März 1924 in den USA, wo er zunächst an New Yorker Schulen und dann von 1926 bis 1927 an der University of North Carolina in Chapel Hill Philosophie lehrte. Er kehrte 1927 nach Deutschland zurück und war in der Folge an der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg (K. B. W.) in Hamburg tätig, mit deren Gründer Aby Warburg (1866–1929) er in persön­ lichen Kontakt trat.10 Wind habilitierte sich 1929 in Hamburg im Fach Philo­ sophie. Es folgte eine Zeit als Privatdozent, die aber 19 zu Ende ging, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen und Wind nach England auswan­ derte. Wind trug wesentlich zur Übersiedlung der K. B. W. von Hamburg nach London bei.11 Nach Jahren am Warburg Institute in London, das aus der K. B. W. hervorging, lehrte er in den USA, zunächst am Institute of Fine Arts an der New York University (1940–1942), als „Professor of Art“ an der Uni­ versity of Chicago (1942–1944) und ab 1944 als „Research Professor“ am Smith College in Northampton, Massachusetts. Von 194 bis zu seiner Eme­

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Zur Biografie Winds siehe Hugh Lloyd­Jones: A Biographical Memoir, in: Edgar Wind, The Eloquence of Symbols. Studies in Humanist Art, hg. v. Jaynie Anderson, Oxford 199, S. xiii–xxxvi. Siehe Ernst Cassirer: Eidos und Eidolon. Das Problem des Schönen und der Kunst in Platons Dialogen & Erwin Panofsky: Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie, hg. v. John Michael Krois, Hamburg 2008 (Fundus­Bücher 172). Siehe Erwin Panofskys Brief über Wind an Ernst Cassirer, 1. Juli 191, in: Ernst Cassirer: Nachgelassene Manuskripte und Texte (ECN), Bd. 18: Ausgewählter wis­ senschaftlicher Briefwechsel, hg. v. John Michael Krois unter Mitarbeit von Ma­ rion Lauschke, Claus Rosenkranz und Marcel Simon­Gadhof, Hamburg 2009, S. 124–126. Vgl. dazu Ernst Cassirers Brief über Wind an Albert Einstein, 27. Ja­ nuar 1924, ebd. S. 62. Winds Beziehung zu Warburg wird dargestellt in Bernhard Buschendorf: ‚War ein sehr tüchtiges gegenseitiges Fördern‘. Edgar Wind und Aby Warburg, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 4 (198), S. 16–209. Siehe hierzu Bernhard Buschendorf: Auf dem Weg nach England – Edgar Wind und die Emigration der Bibliothek Warburg, in: Michael Diers (Hg.): Porträt aus Büchern. Bibliothek Warburg und Warburg Institute, Hamburg 199, S. 8–128.

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ritierung lehrte er wieder in England an der University of Oxford, wo er von 19 bis 1967 der erste Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte war.

. Das Charakteristische von Winds Denkstil – die Verbindung großer histori­ scher Gelehrsamkeit mit intellektuellem Wagemut – ist in seinen „BBC Reith Lectures“ von 1960 offenkundig. Diese Radio­Vorträge, die unter dem Titel Kunst und Anarchie erschienen, umfassen in der deutschen Ausgabe 101 Sei­ ten Text und 104 Seiten Anmerkungen, die oft wie kleine Essays wirken. Wind beginnt mit dem Hinweis: „Das Wort ‚Anarchie‘ im Titel dieser Vorträ­ ge wird hoffentlich niemanden auf den Gedanken bringen, ich wolle die Ord­ nung verteidigen. Ganz im Gegenteil: ein gewisses Maß an Unruhe und Ver­ wirrung vermag schöpferische Kräfte freizusetzen.“12 Er macht klar, dass „Kunst“ für ihn nichts mit Beruhigung, Kompensation oder Unterhaltung zu tun habe und dass er deshalb glaube, die Kunst „ebenso ernst nehmen zu müs­ sen wie Platon“,1 ohne allerdings dessen Rat zu folgen, sie einer Zensur zu unterwerfen. Stattdessen sah Wind eine Aufgabe von Kunstgeschichte und Philosophie darin, die Menschen dazu zu erziehen, die Kräfte, die in Bildern lauern, zu verstehen. In dieser späten Vortragsreihe kam Wind auf die grundlegenden Ge­ danken zurück, die er fast dreißig Jahre zuvor in seinem Habilitationsvortrag über die „Heilige Furcht“ formuliert hatte.14 In ihm werden viele der Themen, denen sich Wind in Kunst und Anarchie zuwendet, zum ersten Mal angespro­ chen: die unersetzbare Bedeutung von Kunst für die Menschen, ihre Wir­ kungsmacht und auch die politische Gefahr, die von Bildern ausgehen kann. Diese liegt gerade darin, dass Bilder Menschen zu ändern vermögen. Diese Tatsache sei heute in Vergessenheit geraten, so Wind, weil die Untrennbarkeit von Kunst und Moral, die Platon noch bewusst war, nicht mehr erkannt wird. Die moderne Idee der „reinen“ oder „autonomen“ Kunst wurde im Laufe sei­ nes Lebens immer wieder zur Zielscheibe von Winds Kritik. Auch das Verhältnis der modernen Welt zur Antike beschäftigte ihn sein Leben lang. In der „Einleitung“ zur Kulturwissenschaftlichen Bibliographie zum Nachleben der Antike, die Wind im Londoner Exil herausgab, 12 1 14

Edgar Wind: Kunst und Anarchie, durchges. Ausg. mit den Zusätzen von 1968 und späteren Ergänzungen, Frankfurt/M. 1994, S. 9. Originalausgabe: Art and Anar­ chy, London 196. Wind: Kunst und Anarchie (wie Anm. 12), S. 12. ' . Untersuchungen über die Platonische Kunstphiloso­ Edgar Wind: He˜ioY U oboY phie, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 26 (192), S. 49–7.

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machte er deutlich, welche Bedeutung er der Beschäftigung mit der antiken Welt beimaß.1 Es lag ihm fern, die Vergangenheit zum Vorbild für die Ge­ genwart zu erklären, denn die menschliche Kultur war für ihn etwas Dyna­ misches. Die historische Erinnerung anhand von Symbolen konnte nicht einer Rückkehr oder Wiederbelebung des Vergangenen dienen, wohl aber bildete diese Erinnerung ein „Reservoir der Kräfte“, die sich immer wieder auf neue Weise entladen könnten. Diese Bemerkung weist auf Winds intellektuelle Herkunft und Orientierung hin: den Arbeitskreis der Hamburger K. B. W., wo Warburg und Cassirer Symbole als „Kräfte“ mit intellektuellen und affekti­ ven Wirkungen verstanden und nicht bloß als Erkenntnismittel betrachteten. Winds theoretische Ausrichtung wurde allerdings erst nach ihrer per­ sönlichen Begegnung deutlich von Warburgs Auffassung der Kulturwissen­ schaft geprägt. Seine Dissertation Aesthetischer und kunstwissenschaftlicher Gegenstand – Ein Beitrag zur Methodologie der Kunstgeschichte 16 wurde während der Wirtschaftskrise fertiggestellt, in deren Zuge die Veröffentli­ chungspflicht für Dissertationen aufgehoben wurde. So erschien sie nur in Auszügen.17 Winds Dissertation machte einen tiefen Eindruck auf Erwin Pa­ nofsky, der sie ausdrücklich für seine eigene Arbeit heranzog.18 Wind kriti­ sierte in seiner Dissertation formale Ansätze in der Kunstwissenschaft, wie sie Heinrich Wölfflin in seinen Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen (191) entwickelt hatte.19 Formalistische Methoden sollten dazu dienen, die Form eines Werks unabhängig von seinem Inhalt zu untersuchen. Dagegen machte Wind in seiner Dissertation auf die „Probleme“ aufmerksam, die ein Künstler mit seinem Werk löse. Hierfür war es nach Wind vielmehr der Stilbegriff, auch der des individuellen Stils, der für die Kunstwissenschaft grundlegend sein müsse, nicht universale, ahistorische „Grundbegriffe“. Winds Darstel­ lung zielte auf die Deutung eines Kunstwerks in der Situation seiner Entste­ hung, mit besonderer Rücksicht auf die individuellen Bewertungen und Ge­ 1

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Edgar Wind: Einleitung, in: Kulturwissenschaftliche Bibliographie zum Nachle­ ben der Antike, Erster Band: Erscheinungen des Jahres 191, in Gemeinschaft mit Fachgenossen bearb. v. Hans Meier/Richard Newald/Edgar Wind, hg. v. der Biblio­ thek Warburg, London 194, S. V–XII. Erstmals vollständig publiziert als Edgar Wind: Aesthetischer und kunstwissen­ schaftlicher Gegenstand. Ein Beitrag zur Methodologie der Kunstgeschichte, hg. v. Pablo Schneider, Hamburg 2011. Edgar Wind: Zur Systematik der künstlerischen Probleme, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 18 (1924), S. 48–486. Siehe Erwin Panofsky: Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheo­ rie. Ein Beitrag zu der Erörterung über die Möglichkeit kunstwissenschaftlicher Grundbegriffe, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 17 (192), S. 129–161. Heinrich Wölfflin: Kunstgeschichtliche Grundbegriffe. Das Problem der Stilent­ wicklung in der neueren Kunst, München 191.

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wichtungen. Gerade diese sollte die Kunstwissenschaft herausarbeiten, um den Sinn eines konkreten Werkes zu finden. Winds These lautet, dass eine Beschreibung mithilfe entgegengesetzter formaler Grundbegriffe wie „Flä­ che“ und „Tiefe“, „linear“ und „malerisch“ usw. allein dem Verständnis eines Werkes nicht dient. Vielmehr liefert die bestimmte Form ihres Ausgleichs, in der die Stellungnahme des Künstlers liegt, den Schlüssel zum Verständnis der künstlerischen Individualität und des Stils. Winds Dissertation war der Me­ thodik der „Problemgeschichte“20 verpflichtet, wie sie von Max Weber und anderen von Kant inspirierten Denkern, einschließlich Winds Lehrer Ernst Cassirer, praktiziert wurde.21 Im Gegensatz zu formalistischen Lehren geht diese Methodik von der historischen Veränderlichkeit aus und sucht Konstan­ ten (wie etwa „Stil“) in der Bewältigung von Problemen auszumachen. Winds Arbeit schließt mit einer Kritik des Geniebegriffs, den er als deus ex machina zur Ausräumung aller Deutungsfragen ansah. Eine solche Lehre verlege die Sinngebung bei Kunstwerken in das schöpferische Subjekt. Dennoch blieb Winds problemgeschichtliche Methodik der Stilbetrachtung am problemlö­ senden Subjekt orientiert. In seiner Habilitationsschrift sollte er dann gerade dem Kantianismus seinen Subjektivismus vorwerfen, weil er den Erkenntnis­ prozess „nach innen“, ins reine Denken verlege. Wind lernte Aby Warburg erst 1927 persönlich kennen, als er von sei­ nem längeren Aufenthalt in den USA nach Hamburg zurückgekehrt war. Als Wind in Hamburg studierte, war Warburg nicht in der Stadt. Er befand sich nach dem Ersten Weltkrieg von 1918 bis 1924 in der Schweiz, wo er aufgrund eines Nervenzusammenbruchs in Behandlung war. Die Gespräche, die Wind nun mit Warburg führte,22 ermöglichten es ihm, in seiner Abhandlung Warburgs Begriff der Kulturwissenschaft und seine Bedeutung für die Ästhetik, dessen Denken einfühlsam zusammenzufassen.2 Wind verband fortan War­ 20

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Problemgeschichte wurde unterschiedlich praktiziert. Bei Windelband führte sie zu einer anonymen und autonomen Entwicklung von „Problemen“ innerhalb der Philosophie, bei Cassirer entwickelten sich Probleme gerade zwischen Disziplinen: in der Kunst sowohl wie in der Wissenschaft und Philosophie. Siehe hierzu die Aufsatzsammlung Otto Gerhard Oexle (Hg.): Das Problem der Problemgeschichte. 1880–192, Göttingen 2001 (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft 12). Zu nennen ist vor allem Cassirers vierbändiges Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, in: Ernst Cassirer: Gesammelte Wer­ ke, Bde. 2–, hg. v. Birgit Recki, Hamburg 1999–2000. Warburgs Krankheit ist inzwischen dokumentiert in: David Stimuli/Chantal Mara­ zia (Hg.): Ludwig Binswanger und Aby Warburg. Die unendliche Heilung. War­ burgs Krankengeschichte, Zürich 2007. Edgar Wind: Warburgs Begriff der Kulturwissenschaft und seine Bedeutung für die Ästhetik, in: Vierter Kongress für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissen­ schaft, Beilagenheft zur Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissen­ schaft 2 (191), S. 16–179.

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burgs historische Methodik mit der wissenschaftstheoretischen Perspektive, die er sich während seiner Zeit in den Vereinigten Staaten angeeignet hatte. Wind blieb seinen Lehrern Panofsky und Cassirer Zeit seines Lebens freundschaftlich und wissenschaftlich verbunden, doch er fühlte sich – wie er später selbst wiederholt sagte – zu zwei anderen Denkern besonders hingezo­ gen, die er ebenfalls als seine „Lehrer“ bezeichnete:24 zu Aby Warburg und dem Naturwissenschaftler und Philosophen Charles Sanders Peirce (189–1914). Wind entdeckte die Philosophie von Peirce während seines USA­Aufenthalts. Die erste Edition von Peirces philosophischen Schriften erschien im Jahre 192 unter dem Titel Chance, Love, and Logic, herausgegeben von Morris Raphael Cohen.2 Vermutlich hat Cohen Wind, mit dem er persönlich bekannt war, auf Peirce aufmerksam gemacht.26 In Peirce und der sich damals verbreitenden Philosophie des Pragmatismus fand Wind die Anregungen für seine Habilita­ tionsschrift Das Experiment und die Me taphysik.27 Die Arbeit wurde am 8. Januar 190 bei der philosophischen Fakultät in Hamburg eingereicht, er­ schien aber erst 194, als Wind das Land bereits verlassen hatte, im Mohr/Sie­ beck­Verlag in Tübingen. So fand sie unter den neuen politischen Umständen des Dritten Reichs keine Aufnahme, was Wind zur Bemerkung verleitete, dass sie „totgeboren aus der Druckerpresse fiel“28 – die Formulierung ist eine An­ lehnung an David Humes Beschreibung der Rezeption seines Hauptwerks Treatise of Human Nature.29 Das erste Zeichen von Winds eingehender Beschäftigung mit dem Pragmatismus findet sich in seiner 192 erschienenen Abhandlung Contem-

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Persönliche Mitteilung von Margaret Wind. Charles Sanders Peirce: Chance, Love, and Logic, hg. v. Morris R. Cohen, New York/ London 192.. Morris R. Cohen stellte Wind dem Publikum vor, als dieser am 0. Dezember 1924 einen Vortrag über Theory of Art versus Aesthetics bei einer Tagung der Ameri­ can Philosophical Association hielt, abgedruckt in: The Philosophical Review 4/4 (192), S. 0–9. Siehe Journal of Philosophy 22/1 (192), S. 28. Vgl. die Bemer­ kungen zu Winds Vortrag in: Herbert Schneider: The Twenty­fourth Annual Mee­ ting of the Eastern Division of the American Philosophy Association, in: Journal of Philosophy 22/2 (192), S. 46. Winds Habilitationsschrift erschien als Das Experiment und die Metaphysik. Zur Auflösung der kosmologischen Antinomien, Tübingen 194. Neuauflage hg. v. Bern­ hard Buschendorf, Frankfurt/M. 2001. Im Folgenden zitiert als EM. Edgar Wind: Microcosm & Memory, in: The Times Literary Supplement (May 0. 198), S. 297. David Hume: My Own Life (1777), in: Essays, Moral, Political, and Literary, 2 Bde., The Philosophical Works of David Hume, hg. v. Thomas Hill Green/Hodge Grose, London 1882, Bd. 1, S. 2: „Never literary attempt was more unfortunate than my Treatise of Human Nature. It fell dead-born from the press, without reaching such distinction, as even to excite a murmur among the zealots.“

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porary German Philosophy.0 Dort demonstriert Wind seine eigene Denk­ weise gleich zu Beginn, indem er eine Denkströmung als nicht darstellungs­ würdig bezeichnet – Hans Vaihingers Philosophie des „Als Ob“.1 Wind schreibt: „Vaihinger, pointing out the instrumental value of untrue concepts, merely repeats an idea which has been more ingenuously expounded by Nietzsche, and more radically by the pragmatists.“2 Vaihingers Auffassung, dass unwahre Behauptungen für manche Zwecke nützlich sein können, habe Nietzsche schon entwickelt, aber, so Wind: „Nietzsche clearly saw what Vaihinger did not see – that he dealt with a problem of evaluation, not simply with episte­ mology.“ Ferner dachte Vaihinger immer noch im Sinne eines absolutis­ tischen Idealismus über Wahrheit nach: „By speaking of ‚untrue‘ concepts, by characterizing them as being fictions, he implicitly assumes an absolute cri­ terion of truth.“4 Wind kontrastiert eine solche absolutistische Wahrheits­ auffassung mit derjenigen der Pragmatisten, die die Existenz einer vom Men­ schen unabhängigen Welt annahmen, für die Wahrheit aber in der aktiven Auseinandersetzung mit dieser Welt lag. Gerade in dieser aktiven Beziehung zur Wirklichkeit erkannte Wind den Gedanken, den er in seiner Habilitations­ schrift mit dem Terminus „Verkörperung“ verfolgte – die Idee, dass Wirkli­ ches sich in einem Akt oder in einer Wirkung zeigt. Die erste Formulierung seiner philosophischen Gedanken trug Wind im Jahre 1926 vor, als er am sechsten Weltkongress für Philosophie teilnahm, der an der Harvard University stattfand. Dort fasste er in seinem Vortrag

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Edgar Wind: Contemporary German Philosophy, Part I, in: Journal of Philosophy 22/18 (192), S. 477–49; Part II, in: Journal of Philosophy 22/19 (192), S. 16– 0. Wind hob in seiner Darstellung fünf herrschende Strömungen hervor, die ihm als zukunftsträchtig erschienen: die späte Marburger Schule, die Schule von Windelband und Rickert, die Lebensphilosophie – vor allem die Arbeiten Simmels, die Phänomenologische Schule Husserls und die Neo­Metaphysik von Nicolai Hartmann. Es war im Jahre 192 noch zu früh, um den gerade im Entstehen be­ griffenen Wiener Kreis des logischen Empirismus zu würdigen, mit dem sich Wind dann in seiner Habilitation befasste. Hans Vaihinger: Die Philosophie des Als Ob. System der theoretischen, prakti­ schen und religiösen Fiktionen der Menschheit auf Grund eines idealistischen Po­ sitivismus. Mit einem Anhang über Kant und Nietzsche, Berlin 1911. Indem er den instrumentellen Wert unwahrer Begriffe betont, wiederholt Vaihin­ ger lediglich eine Idee, die schon von Nietzsche in geistreicher und in radikalerer Weise von den Pragmatisten dargelegt wurde. Vgl. Wind: Contemporary German Philosophy (wie Anm. 0), S. 477. Nietzsche sah deutlich, was Vaihinger nicht sehen konnte: Dass es um ein Problem der Bewertung ging, nicht um eins der Erkenntnistheorie. Vgl. ebd. S. 478. Mit der Rede von „unwahren“ Konzepten, mit ihrer Charakterisierung als Fiktio­ nen, setzte er implizit ein absolutes Kriterium der Wahrheit voraus. Vgl. ebd.

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Experiment and Metaphysics die Überlegungen zusammen, die er später in seiner Habilitationsschrift eingehend entwickelt hat. Wind charakterisierte Experimente als Einrichtungen, in denen etwas Unbekanntes (Naturprozesse) sich verkörpert, etwa im „Akt“ der Messung. Diese Verkörperung hat drei Aspekte: erstens die ideellen Axiome und Lehrsätze (einer Geometrie), die die Maßbegriffe definieren, die dann zweitens in dem Instrument verkörpert werden und schließlich drittens bei der konkreten Anwendung des Messin­ struments in Anspruch genommen werden.6 Das in Anspruch genommene geometrische System ist nicht empirisch, sondern ein in sich geschlossenes theoretisches Gebilde, während die Messung mit einem Instrument ein phy­ sikalischer Prozess ist. Zwischen diesen beiden liegt der entscheidende Vor­ gang, bei dem die metrische Bedeutung der gebrauchten Instrumente in ihrer physikalischen Konstruktion „verkörpert“ wird. Die Wahl (und Konstruk­ tion) des Instruments ist weder eine Sache des reinen Denkens noch eine Fra­ ge der bloßen Beobachtung oder Anwendung, sondern ein radikaler Verkör­ perungsvorgang. Diesen Akt der Verkörperung von einem Messsystem in ein bestimmtes Objekt (Instrument) nennt Wind einen „metaphysischen“ Vor­ gang, weil er, wie auch die Anwendung des Instruments, eine Instanz in An­ spruch nimmt (die „Natur“), die jenseits unserer Macht liegt, uns unbekannt und gleichzeitlich unvermeidlich ist.7 Im Experiment geht es darum, heraus­ zufinden, ob sich etwas Ideelles („scholastisch gesprochen: Universalien“8), tatsächlich verkörpern lässt oder nicht. Allgemeiner betrachtet, fragt Wind: Wie verkörpert sich überhaupt Wissen in der Anwendung physikalischer In­ strumente – und wie historische Erkenntnis in Dokumenten? Das denkende Subjekt wird hier angesprochen, aber es kann diese Verkörperung nicht allein verantworten. Denn um zu wissen, ob ein Stoff – ein Körper – „geeignet“ ist für den Bau eines Messinstruments, müssen wir schon über ein Wissen von der Natur verfügen: „Der Aufschluss, den wir über die Welt durch den Ge­ brauch eines Instruments suchen, ist stets zugleich ein Aufschluss über die Stellung des Instruments in der Welt.“9 Damit war eine Konfrontation zwi­ schen Winds Argumentation und der damals vorherrschenden philoso­ phischen Strömung in Deutschland, dem Kantianismus, vorgezeichnet.

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Dt. Übersetzung, Das Experiment und die Metaphysik (1926), Anhang II in: EM, 2001, S. 21–222. Ebd. S. 214. Wind macht auf die Tatsache aufmerksam, dass bei aller Selbständigkeit das Den­ ken „keinerlei Macht“ (EM, 2001, S. 106) über die Reaktion der Instrumente habe. Ebd. S. 111. Dieses Problem bespricht Wind in �� 7: Die „Eignungsurteile“, ebd. S. 9–97, hier: S. 96.

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Der Kantianismus suchte die Bedingungen der Möglichkeit der Erfah­ rung in der Beschaffenheit des Geistes, nicht im experimentellen Gebrauch von Instrumenten, bei dem sich die Naturgesetze verkörpern und somit er­ kennbar werden. Auf der Basis seiner Überlegungen zur Verkörperung schlug Wind eine grundlegende Revision des Kantianismus vor.40 Eine spezifische Änderung betraf Kants Lehre von den „kosmologischen Antinomien“, der ge­ mäß die Frage, ob das Universum endlich oder unendlich sei, prinzipiell un­ entscheidbar ist. Kant zeigt in der Kritik der reinen Vernunft, dass es möglich ist, schlüssige Argumente für beide Optionen zu entwickeln.41 Wind stellte daher dieser „reinen“ – sprachlich argumentierenden – Vernunft die „verkör­ perte“ Vernunft gegenüber, die mit Instrumenten Experimente durchführt. Damit zeigte er, wie das Problem der kosmologischen Antinomien eine Lö­ sung finden könne: Experimentell lässt sich feststellen, dass das Universum endlich aber unbegrenzt ist.42 Die verkörperte Vernunft ist in der Lage, die kosmologischen Antinomien aufzulösen. Winds Kritik an Kant spitzte sich in der Behauptung zu, dessen Philosophie stehe im „offenen Konflikt mit der experimentellen Methode“.4 Diese Kritik an Kant hätte Wind beinahe die venia legendi gekostet, denn der orthodoxe Kantianer Albert Görland stand Winds Arbeit ablehnend gegenüber und hätte als Mitglied der Kommission die Habilitation verhindern können, wenn die anderen Mitglieder, Cassirer und Panofsky, nicht einge­ schritten wären, um Görlands Kritik abzumildern. Das Ergebnis ist im Gut­ achten nachzulesen, in dem bestätigt wird, dass es Wind gelungen sei, „den Antinomien den Charakter der prinzipiellen Unentscheidbarkeit zu nehmen und [die] theoretische Möglichkeit ihrer experimentellen Entscheidbarkeit zu zeigen“.44 Wind behauptete später, dass er in seiner Argumentation lediglich Peirces Methode der Klärung von Ideen gefolgt sei,4 aber er hat den Akzent

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Wind erläutert die damals aktuellen Denkströmungen in Deutschland in seinem Aufsatz Contemporary German Philosophy (wie Anm. 0). Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft (1781, 2. Aufl. 1787), Antinomie der reinen Vernunft, Erster Abschnitt, System der kosmologischen Ideen, A 408/B 4ff. EM, 2001, S. 117. Ebd. Winds Einwand betrifft jede nicht­pragmatische Philosophie. Cassirers Sondergutachten (datiert vom 21. Dezember 192) befindet sich in der Personalakte Winds im Hamburger Staatsarchiv, ebenso das gemeinsame Gutach­ ten zu Winds Habilitationsschrift vom . November 190. Dieses ist abgedruckt im Anhang III in EM, 2001, S. 22–229. Cassirers Sondergutachten wird teilweise in der Anmerkung (S. 22 f.) wiedergegeben. Siehe Edgar Wind: Can the Antinomies Be Restated?, in: Psyche 14 (194), S. 177 f., hier: S. 178. Dt. Übersetzung: Anhang V, Lassen sich die Antinomien reformulie­ ren?, in: EM, 2001, S. 22–24.

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von Peirces Philosophie verschoben – von einer Theorie der Bedeutung von Begriffen zu einer Theorie der Bedeutung in Instrumenten und Dokumenten.46 Peirce kritisiert die Tendenzen in der Philosophie, Begriffe entweder psycho­ logischen Gesichtspunkten zu unterwerfen oder sie aus einer reinen Begriffs­ analyse herleiten zu wollen. Stattdessen schlägt er vor, die Bedeutung eines Begriffs durch die möglichen (zukünftigen) praktischen Wirkungen, die der Gegenstand des Begriffs haben kann, zu bestimmen.47 Diese Wirkungen be­ treffen mehr als unsere Handlungen oder Erfahrungen – sie sind allgemeine Verhaltensweisen der Dinge, die die möglichen Erfahrungen definieren, die eintreten würden, wenn eine gewisse Handlung stattfände. Peirce nannte diese dynamische Konzeption der Bedeutung eines Be­ griffs „Pragmatismus“. Peirces Beispiele, etwa die Definition der Härte eines Objekts als Widerstand gegen Kratzen, zeigten noch eine Tendenz, vom (han­ delnden) Subjekt auszugehen.48 Bei seinen späteren Verbesserungen elimi­ nierte Peirce diesen Rest des Subjektivismus und hat sogar den Namen seiner Lehre in „Pragmatizismus“ geändert, um sie von den subjektivistischen As­ soziationen des Wortes „Pragmatismus“ zu befreien.49 Die Pointe lag darin, dass es Verhaltensweisen gibt, die – im Konjunktiv gesprochen – möglicher­ weise einträten, wenn der Anlass dafür gegeben wäre; nicht, dass dies tatsäch­ lich stattfindet. Wind griff diese Auffassung auf, indem er die „Verkörperung“ von Gesetzmäßigkeiten in einem Objekt (Instrument oder Dokument) her­ vorhob.0 46

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Peirce war von Beruf experimenteller Naturwissenschaftler. Er war durch jahre­ lange Erfahrung in einem Chemielabor mit Messtechniken vertraut und hat sich schon früh eingehend mit der Verbesserung von Lichtmesstechniken in der Astro­ nomie befasst. Später entdeckte er, dass die Messinstrumente, die in der Geodäsie zur Verwendung kamen, durch Eigenbewegungen ihre Resultate beeinflussten, auch bei den von Peirce selbst entworfenen, verbesserten Geräten. In Peirces Au­ gen litten philosophische Erkenntnislehren alternierend an einer zu psychologischen oder zu rationalistischen Konzeption von der Beschaffenheit wahrer Erkenntnis. Dieser Vorschlag ist in die Philosophiegeschichte als „pragmatische Maxime“ ein­ gegangen: „Überlege, welche Wirkungen, die denkbarerweise praktische Relevanz haben könnten, wir dem Gegenstand unseres Begriffs in unserer Vorstellung zu­ schreiben. Dann ist unser Begriff dieser Wirkungen das Ganze unseres Begriffs des Gegenstandes.“ Charles Sanders Peirce: Wie unsere Ideen zu klären sind (1878), in: ders.: Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus, hg. v. Karl­Otto Apel, Frankfurt/M. 1991, S. 182–214, hier: S. 19. Ebd. S. 19 f. Charles S. Peirce: Was heißt Pragmatismus (190), in: ders.: Schriften zum Prag­ matismus und Pragmatizismus (wie Anm. 47), S. 427–4. Der Terminus „embodiment“ kommt auch bei Peirce vor, etwa in der Analyse sei­ ner Grundkategorien: „Embodying blackness is the equivalent of black.“ Siehe ders.: On a New List of Categories (1867), in: Writings of Charles S. Peirce. A Chronolo­ gical Edition, Bd. 2 (1867–1871), Indianapolis 1984, S. 49–9, hier: S. 2.

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Mit dem Begriff der Verkörperung stellte sich das Objektivitätspro­ blem in der Wissenschaft als Frage der Forschungsmittel. Diese wurden jetzt als Teil des Gegenstands erkannt, zu dessen Erforschung sie dienen sollten: „Die bloße Idee eines Messinstruments scheint einen Widerspruch in sich selbst zu bedeuten, da sie besagt, dass die Mittel der Forschung mit den Ob­ jekten der Forschung identisch sein können.“1 Das gleiche Verhältnis, das bei den naturwissenschaftlichen Instrumenten Anwendung findet, wiederholt sich in historischen Dokumenten. Die Stellung des Dokuments in der Geschich­ te, wie die des Instruments in der Natur, ist eine doppelte. Instrumente und Dokumente sind Teile der natürlichen oder historischen Welt – und sie geben darüber Aufschluss. „Der Historiker ‚stört‘ den Winterschlaf des Dokuments, das er aus einem verstaubten Archiv hervorholt“,2 genauso wie das Instru­ ment in die Welt eingreift, die es misst. Naturwissenschaft und Geschichts­ forschung geschehen beide auf der Basis eines „Eingreifens“ in die Welt. Diese philosophische Konzeption wird erläutert in der Abhandlung Winds Über einige Berührungspunkte zwischen Naturwissenschaft und Geschichte. Im zweiten Teil, Eingriff und Affekt des Forschers, beschreibt Wind, wie der Betrachter auf den Forschungsprozess einwirke: „die Worte ‚Apparat‘ und ‚Dokument‘ sind gar nicht definierbar ohne Beziehung auf ei­ nen, der sie gebraucht zu einem Zweck“.4 Denn: „Der Forscher ist in den Prozess, den er erforscht, selbst eingeschaltet“. Wind kritisierte sowohl die positivistische Position, die behauptet, einen rein objektiven „Standpunkt“ einnehmen zu können, als auch subjektivistische Lehren, die die Erkenntnis in den „Leistungen“ des Denkens ansiedeln wollen. Naturforscher und Historiker sind gleichermaßen genötigt, die Wirk­ lichkeit zu stören und ihre Einwirkungen zu interpretieren, und das heißt für Wind: sie als „Symbole“ zu verstehen. Winds Auffassung vom „Symbol“6 wird besonders in zwei Texten umrissen: in der „Einleitung“ in die Kultur-

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Das Experiment und die Metaphysik (1926), in: EM, 2001, S. 21–222, hier S. 216. Ebd. S. 264. Edgar Wind: Über einige Berührungspunkte zwischen Naturwissenschaft und Geschichte, in: Wissenschaft. Zum Verständnis eines Begriffs, Köln 1988 (Arcus. Architektur und Wissenschaft 2). Zuerst erschienen in englischer Übersetzung als: Some Points of Contact between History and the Natural Sciences, in: Philosophy and History. Essays presented to Ernst Cassirer, hg. v. Herbert James Paton/Ray­ mond Klibansky, Oxford 196, S. 2–264. Wind: Über einige Berührungspunkte, ebenfalls abgedruckt im Anhang VII in EM, 2001, S. 24–269, hier S. 262. Ebd. S. 261. Vgl. den Abschnitt „Das Symbol als Gegenstand kulturwissenschaftlicher For­ schung“, ebd. S. 241–244.

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wissenschaftliche Bibliographie zum Nachleben der Antike und in seinem Text über Warburgs Begriff der Kulturwissenschaft und seine Bedeutung für die Ästhetik.7 Symbolische Interpretation war für Wind wichtig, weil sie eine Möglichkeit bot, die Natur­ und Kulturwissenschaften zueinander in Bezie­ hung zu setzen. Wind kritisierte die Trennung von Natur­ und Geisteswis­ senschaften, die im 19. Jahrhundert immer stärker wurde, besonders Diltheys Versuch, den Geisteswissenschaften eine Eigenständigkeit dadurch zu sichern, dass er ihnen eine besondere Denkmethode zusprach – das „Verstehen“. Diese Isolation der Kulturwissenschaft führte dazu, dass sie die Möglichkeit, etwas kausal zu erklären, an die Naturwissenschaften abtrat, denen wiederum die Fähigkeit abgesprochen wurde, Formerkenntnisse zu erarbeiten.8 Nach Wind sind sowohl die Natur­ als auch die Kulturwissenschaften auf die Interpre­ tation von symbolischen Bedeutungen angewiesen: Die Messergebnisse von Instrumenten und die Inhalte von Dokumenten müssen vom Forscher in einen Bedeutungszusammenhang gestellt werden.

4. Nach Winds Habilitation über wissenschaftstheoretische Probleme scheint der Gegenstand seiner Hamburger Antrittsvorlesung denkbar weit entfernt: „Theios phobos“ – Heilige Furcht. Kaum eine Erfahrung ist so „unmittelbar“ wie die der Furcht, aber wie Wind schon in seinem Aufsatz über Warburg betont, ist selbst affektive Erfahrung auf eine Weise symbolisch verkörpert. Die Muskeln haben sowohl eine physische Funktion als auch eine symbo­ lische Ausdrucksfunktion: „Aller Ausdruck durch Muskelbewegung ist metaphorisch […]. Je stärker, je konzentrierter die seelische Erregung ist, die sich im Ausdruck entlädt, desto näher kommt die symbolische Bewegung der phy­ sischen.“9 Die körperliche Wirkung von Kunst verleiht ihr jene politische Wirksamkeit, die sie für Platon so bedenklich machte. Wind wollte seinen Habilitationsvortrag ursprünglich unter dem Titel „Die Stellung des Künst­ lers im Staate. Betrachtungen über Platons Lehre der ‚göttlichen Furcht‘“ publizieren.60 Platon sah im Gegensatz zwischen dem intellektuellen Teil der

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Vgl. Anm. 1 und 2. Vgl. Winds Kritik an Dilthey in seiner Einleitung (wie Anm. 1, hier: S. 24 ff.) und in Über einige Berührungspunkte (wie Anm. , hier: S. 241 ff.). Wind: Warburgs Begriff der Kulturwissenschaft (wie Anm. 2), S. 17. Brief Edgar Winds an Otto Siebeck vom 12. Oktober 19. Edgar Wind Archive, Oxford.

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Seele und den körperlichen, emotionalen Kräften einen unlösbaren Kampf,61 weshalb er die Kontrolle von Kunstschaffenden für geboten hielt – auch unab­ hängig von seiner Kritik am Erkenntniswert der Kunst. Wind machte darauf aufmerksam, dass noch in Platons letztem Werk, den Nomoi, in denen nicht mehr von der Ideenlehre gesprochen wird, Platons Anliegen, die Kunst zu kontrollieren, im Vordergrund steht.62 Im Gegensatz zu Platon sah Wind in der Kunst ein Mittel zur Erkennt­ nis und Distanzgewinnung. Dabei bestritt er die moderne Auffassung, dass Kunst etwas Autonomes im Sinne einer art pour l‘art ohne moralische und politische Bedeutung sei. Winds Ablehnung der Idee einer solchen „reinen“ Kunst speist sich nicht aus einer konservativen Ästhetik, die nur „realistische“ Kunst gelten lassen wollte, noch aus der Überzeugung, Kunst auf ihre poli­ tische Wirksamkeit reduzieren zu können, wie in der art engagé. Entschei­ dend für Wind war, dass Kunst Gedanken formuliert. Philosophie und Wis­ senschaft standen somit der Kunst näher, als es die Ästhetik der art pour l‘art oder jene der art engagé begreifen konnten. Dem Kunstwissenschaftler Wind geht es nicht um Schönheit oder Re­ alitätstreue, sondern um den historischen Gehalt der Kunst. Kunst formuliert Gedanken und Welterfahrungen der Menschen und ist insofern vergleichbar mit Hegels Charakterisierung der Philosophie: ihre Zeit, in Bildern erfasst.6 Aber Wind ging von gänzlich anderen philosophischen Voraussetzungen aus als Hegel oder spätere Denker wie Adorno oder Lukács, die von Hegel und Marx beeinflusst waren. Kunstwerke ließen sich für Wind nicht mithilfe ei­ ner alles erklärenden Theorie begreifen. Winds Entdeckung64 der Philosophien von Peirce und Alfred North Whitehead6 (über Letzteren schrieb er die erste große deutschsprachige Ab­ 61 62 6

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Siehe Edgar Wind: He˜ioY U oboY ' . Untersuchungen über die Platonische Kunst­ philosophie, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 26 (192), S. 49–7, bes. 1–6. Vgl. Edgar Wind: Platonic Tyranny and the Renaissance Fortuna, in: ders.: The Eloquence of Symbols (wie Anm. 7), S. 86–9, hier: S. 92. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. Oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, hg. v. Eduard Gans, in: ders.: Werke. Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten, 18 Bde., Bd. 8, Berlin 18, Vorrede, S. 19: „Das, was ist, zu begreifen, ist die Auf­ gabe der Philosophie, denn das, was ist, ist die Vernunft. Was das Individuum be­ trifft, so ist ohnehin jedes ein Sohn seiner Zeit; so ist auch die Philosophie, ihre Zeit, in Gedanken erfaßt.“ Siehe hierzu John Michael Krois: Kunst und Wissenschaft in Edgar Winds Philo­ sophie der Verkörperung, in diesem Band, bes. „Exkurs zu Peirce und Whitehead“, S. 16 f. Neben Winds Habilitationsschrift, in der er Peirces Gedanken aufgreift, publizier­ te er auch eine eingehende Analyse von Whiteheads Philosophie: Edgar Wind:

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handlung), ließ ihn die Kunst wie auch die Natur und die Geschichte als Pro­ zesse verstehen. Anstatt von einer einmaligen Schöpfung oder einem einheit­ lichen Geschichtsverlauf auszugehen, begriffen Peirce und Whitehead die Wirklichkeit als Emergenz von Neuem. „In der Emergenztheorie“, so Wind, „macht das fortwährende Wunder innerhalb des Verlaufs das einmalige Wun­ der am Anfang und Ende überflüssig.“66 Winds Auffassung der Kunst verdankte der Kunstphilosophie Hegels wichtige Anregungen, aber nicht dessen philosophischem System.67 In Hegels Vorlesungen über die Ästhetik68 wird die Kunst als eine Form der Erkenntnis des „Ideals“ begriffen – der erste Schritt auf dem Wege zur wahren, philoso­ phischen Erkenntnis. Kunst stellt somit für Hegel eine Gedankenstufe dar, die zwar überwunden wird, aber dennoch den Beginn der Selbsterfassung des Geistes bildet. Im Gegensatz dazu hatte die empirische Erkenntnis der Natur keine so hohe Stellung in Hegels Philosophie. Schon hier war Winds philoso­ phische Orientierung eine ganz andere, wie er in Das Experiment und die Metaphysik zeigte. Aber im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Ernst Gom­ brich konnte Wind der Überschwänglichkeit von Hegels Philosophie noch et­ was Positives abgewinnen. Gombrich sah in Hegel zwar den Begründer der Kunstgeschichte, aber dessen holistische Geschichtsauffassung und die damit verbundene Konzeption eines Zeitgeists ließ ihn für Gombrich vor allem als Vorreiter totalitärer Bewegungen erscheinen.69 Gombrich stand darin dem Philosophen Karl Popper nah, aber das Festhalten an dessen „kritischem Ratio­ nalismus“ machte ihn in Winds Einschätzung auch für manches blind. So konnte sich Gombrich nach Winds Verständnis niemals in Aby Warburgs Ge­ dankenwelt zurechtfinden, was Wind in seiner scharfen Kritik an Gombrichs Aby Warburg­Biografie zum Ausdruck brachte.70 Wind vertrat nicht Hegels

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Mathematik und Sinnesempfindung. Materialien zu einer Whitehead­Kritik, in: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur 21/ (192), S. 29– 280. EM, 2001, S. 197. Wind hielt noch in den fünfziger Jahren Lehrveranstaltungen zu Hegels Philoso­ phie. Winds Lehre an der University of North Carolina und am Smith College ist dokumentiert in: Bredekamp (Hg.): Edgar Wind. Kunsthistoriker und Philosoph (wie Anm. 6), S. 200–20. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Aesthetik, hg. v. Heinrich Gustav Hotho, in: Werke, Bd. 10, Abt. 1–, Berlin 18–188. Ernst H. Gombrich: Hegel und die Kunstgeschichte, in: Neue Rundschau 2 (1977), S. 202–219. Die Rezension erschien unter der Überschrift: Unfinished Business. Aby Warburg and His Work in der Times Literary Supplement (2. Juni 1971), S. 7 f. Wie da­ mals üblich in der TLS erschien sie anonym. Sie wurde nachgedruckt als: On a Recent Biography of Warburg, in: Wind: The Eloquence of Symbols (wie Anm. 7), S. 106–11.

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holistische Geschichtsphilosophie, aber die Tendenz zur Heroisierung und die menschliche Neigung, in kontingenten Ereignissen einen tiefen symbolischen Sinn zu erblicken, soll nach Wind nicht durch eine zu nüchterne Philosophie aus der Betrachtung der Geschichte ausgeblendet werden, da diese Tendenzen nicht zufällig seien. Eine aufgeklärte wissenschaftliche Ansicht darf nach Wind nicht dazu führen, dass Fantasie und emotionale Kräfte von der Philo­ sophie ignoriert werden. Diese leben gerade in der Kunst weiter. Die Neigung zur Heroisierung kann die Politik verderben – dennoch ist sie für menschliche Gemeinschaften notwendig. Diese Problematik war das Thema von Winds großer Arbeit über das Porträt in der englischen Kunst.71 Die im Jahre 192 publizierte Studie über Humanitätsidee und heroisiertes Porträt in der englischen Kultur des 18. Jahrhunderts enthält eine Demonstration von Winds Philosophie der verkörperten Erkenntnis. Hier wendet Wind die Lehre vom „experimentum crucis“ auf ein geschichtliches Phänomen an: die englische Porträtmalerei im 18. Jahrhundert. Panofsky hörte am 12. Juli 191 eine Vortragsfassung des Textes, die Wind in der K. B. W. verlas. Der Vortrag wurde, wie Panofsky registrierte, mit „geradezu brausen­ dem Beifall“ aufgenommen.72 Der Text zeigt, wie Reynolds den von ihm ver­ ehrten dogmatischen Philosophen Beattie im heroischen Stil porträtierte und wie dieser mit dem natürlichen Stil Gainsboroughs kontrastiert, den Ramsey bei seinem Porträt von David Hume anwendete. Darin kommt nach Wind die „natürliche Natur“ des Menschen zum Ausdruck, wie Hume sie verstand. Hume vertrat die Ansicht, dass das „natürliche“ Leben gemeinschaftlich sei, im Gegensatz zum „künstlichen“ (artifiziellen) Leben von Einzelgängern wie Diogenes oder – in der modernen Welt – Pascal. Wind zog aus seiner facetten­ reichen geistesgeschichtlichen Darstellung weitreichende Schlüsse: „Wo diese Künstlichkeit herrscht, entwickeln sich spezielle unübertragbare Lebensfor­ men, und wäre diese Künstlichkeit allgemein, so müßte man an einer Verstän­ digung zwischen den Völkern der Welt verzweifeln.“7 Hinter der historischen Anknüpfung an Humes Begriff der „Natürlichkeit“ zur Deutung der briti­ schen Porträtmalerei im 18. Jahrhundert und dem gelehrten und dennoch leb­ haften Text steht Winds eigene politische Philosophie. Humes Kritik der „Künstlichkeit“ bekommt hier eine allgemeine „humanistische“ und politi­ sche Bedeutung.

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Edgar Wind: Humanitätsidee und heroisiertes Porträt in der englischen Kultur des 18. Jahrhunderts, in: England und die Antike, Vorträge der Bibliothek Warburg 190–191, Leipzig/Berlin 192, S. 16–229. Panofsky an Cassirer, 1. Juli 191, ECN, Bd. 18, S. 124–126. Wind: Humanitätsidee (wie Anm. 71), S. 16.

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Die politische Bedeutung der „theoretischen“ Philosophie ist der Ge­ genstand von Winds Leserbriefen über Heidegger und Sartre, die er anlässlich von Sartres Besuch am Smith College im Jahre 1946 schrieb, wo Wind damals lehrte.74 Wind ging nie einer Konfrontation aus dem Wege. Schon seine „Ein­ leitung“ zur Kulturwissenschaftlichen Bibliographie zum Nachleben der Antike von 194 sprach die politische Deutung der Antikenforschung deutlich aus, was ihm eine scharfe Reaktion des Völkischen Beobachters einbrachte.7 Die Briefe zu Sartre zeigen eine ähnliche Bestimmtheit. Wenig später, im Jah­ re 19, als in Amerika Senator McCarthy seine Hexenjagd gegen „antiame­ rikanische Umtriebe“ organisierte, veranstaltete Wind am Smith College eine Tagung zum Wert von Dissens und Kritik.76 Bei der Kritik an Sartre ging es allerdings nicht um eine solche offensichtlich politische Konstellation, son­ dern um eine unbemerkte Gefahr und scheinbare Harmlosigkeit, denn die Existenzphilosophie galt als geradezu unpolitisch. Sartres Denken barg für Wind die gleiche antidemokratische Gefahr wie jenes Heideggers, das diesen – wie Wind schreibt – dafür prädestinierte, Mitglied der Nationalsozialis­ tischen Partei zu werden. Wie Winds Platon­Interpretation in „Theios phobos“ und die Briefe zu Sartre und Heidegger enthält auch der kurze Text über das historische Phäno­ men des „Verbrecher­Gottes“ von 198 einen deutlichen Bezug zur politischen Zeitgeschichte.77 Der im Text namentlich nicht erwähnte Hitler steht hier für Wind am Ende einer Entwicklung der Verbrecheranbetung, die in antiken Riten ihren Ursprung hatte.

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Siehe zu dieser Kontroverse Horst Bredekamp: Falsche Skischwünge. Winds Kritik an Heidegger und Sartre, in: ders. (Hg.): Edgar Wind (wie Anm. 6), S. 207–218. Die englischen Originaltexte werden dort im Anhang, S. 219–226, wiedergegeben. Die Rezension der Kulturwissenschaftliche Bibliographie zum Nachleben der Antike durch Martin Rasch in der NS­Zeitung Völkischer Beobachter vom . Januar 19 erschien unter der Überschrift Juden und Emigranten machen deutsche Wissenschaft, wiederabgedruckt in: Dieter Wuttke (Hg.): Kosmopolis der Wissen­ schaft. E. R. Curtius und das Warburg Institute, Briefe und andere Dokumente, Baden­Baden 1989, S. 296–298. Für eine detaillierte Rekonstruktion dieser Veranstaltung siehe Christa Buschen­ dorf: Kunst als Kritik. Edgar Wind und das Symposium Art and Morals, in: Brede­ kamp (Hg.): Edgar Wind (wie Anm. 6), S. 117–14. Edgar Wind: The Criminal­God, in: Journal of the Warburg Institute 1/ (198), S. 24–24.

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EinlEitung in: Edgar Wind. HEiligE FurcHt

. Winds Anliegen, Kunstgeschichte und Philosophie zu verbinden, wirkt im Rückblick wegweisend. Während sich Forschungsansätze dieser Art heute immer mehr durchsetzen, waren sie in den dreißiger bis fünfziger Jahren rar. Es spricht für Wind, dass es ihm gelungen ist, unter ungünstigen politischen Verhältnissen an exzellenten Forschungsstätten zu wirken und seine Arbeit unabhängig vom intellektuellen Klima voranzutreiben. Wind war hartnäckig in der Durchsetzung seiner unzeitgemäßen Ideen, auch in Detailfragen. So war er skeptisch, was den Wert von Farbdias betrifft, die er gern als „belles infidèles“ bezeichnete. Er setzte daher in seinen Vorträgen ausschließlich schwarz­weiße Bilder ein.78 Der Verzicht auf Farben hat der Popularität seiner Vorlesungen jedenfalls keinen Abbruch getan. Wichtige Texte Winds blieben, auch nach jahrzehntelanger Arbeit, bis zu seinem Tod unpubliziert. So erschienen seine Michelangelo­Studien erst im Jahre 2000 in einer Ausgabe aus dem Nachlass.79 Andere Projekte, wie seine Raphael­Manuskripte über die „Schule von Athen“ oder seine Kritik an der „reinen Kunst“, sind noch immer unveröffentlicht.80 Die im Band Edgar Wind. Heilige Furcht und andere Schriften zum Verhältnis von Kunst und Philosophie versammelten Schriften, zu welchen dieser Text die Einleitung bildet, geben einen Eindruck von der Breite von Winds Denken und zeigen seine besondere Fähigkeit, verblüffende Verbin­ dungen zwischen Allgemeinem und Details aufzuzeigen. Seine Werke sind trotz ihres Perspektivenreichtums einheitlich. Sie bilden, sagte Wind, keine „Kette“, denn Ketten sind bekanntlich niemals stärker als ihr schwächstes Glied. Er verglich sie stattdessen mit einem Tau, dessen Fasern schwach sein mögen, aber so zahlreich sind, dass sie zusammengenommen besonders zu­ verlässig sind.81

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Mündliche Mitteilungen von James McConica und Margaret Wind. Edgar Wind: The Religious Symbolism of Michelangelo. The Sistine Ceiling, hg. v. Elizabeth Sears, Oxford 2000. Diese Texte sowie der übrige Nachlass Winds befinden sich im Wind Archive, De­ partment of Western Manuscripts, Bodleian Library, University of Oxford. Siehe Edgar Wind: Bild und Text, in: Bredekamp (Hg.): Edgar Wind (wie Anm. 6), S. 262. Wind übernimmt diese Charakterisierung von Charles Sanders Peirce: Ei­ nige Konsequenzen aus vier Unvermögen (1868), in: ders.: Schriften zum Pragma­ tismus und Pragmatizismus (wie Anm. 47), S. 40–87, hier: S. 42.

S c ie nc e i n Conte x t 1 2 /4 (19 9 9) pp. 531–547

C A SSI r E r’S “ P r o T o T y P E A N d M o d E l” of Sy MBolISM Its Sources and Significance*

The A rg u ment Ernst Cassirer’s fundamental conception of symbolism (symbolic pregnance) derives from what may be called a bio-medical model of semiotics, not a linguistic one. He employs both models in his philosophy of symbolic forms, but his notion of the “prototype and model of symbolism” was not derived from linguistics. The sources for his conception of symbolism include the ethnographic and anthropological literature he discovered in Aby Warburg’s (1866– 1929) Hamburg research library, findings of medical research on aphasia and related conditions, particularly the work of Kurt Goldstein (1878–1965) and the theoretical biology of Jakob von Uexküll (1864–1944). The linguistic model of semiotics regards the bond between the signifier and the signified as purely arbitrary and conventional, but Cassirer traced meaning back to a “natural symbolism” of image like configurations in bodily feeling and perception. In this way, his doctrine of symbolism assumed a form that undercuts the distinction between philosophical Naturalism and Idealism. This helps to explain why in later years Cassirer developed his theory of Basic Phenomena. Cassirer’s notion of the “prototype and model of symbolism” illustrates his method of thought, which eschews pure argument in favor of interaction with empirical research.

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To the memory of Anne Appelbaum, psychologist, and daughter of Ernst Cassirer, who passed away in New york in May 1998.

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1. Mo del s of Sy mb ol i sm In recent years Cassirer’s philosophy of symbolic forms1 has become the subject of a growing number of studies, however, one of his most particular notions has remained unexamined: what he called the “prototype and model” of symbolism. Cassirer wrote: “The relation of body and soul (Leib und Seele) represents the prototype and model for a purely symbolic relation, which cannot be converted either into a relation between things or into a causal relation.”2 The Leib-Seele or body-feeling relationship is the prototype of symbolism. Cassirer made this claim in the third volume of the Philosophy of Symbolic Forms, in his explication of the expressive function (Ausdrucksfunktion) of symbolism. Expressive symbolism can be a means of communication, e.g., facial expressions (smiling or frowning) or gestures, but Cassirer claims that it is a characteristic of all sense perception, even of bodily feeling. This notion received little attention before Cassirer left Germany in 1933, and the notice it received showed a lack of comprehension. The Austrian philosopher Walther Schmied-Kowarzik rejected the idea that the body-feeling relationship could be understood as “symbolic” on the grounds that it is “not a cultural phenomenon”.3 This objection assumes that language or some other form of conventional, cultural sign system provides the prototype and model for a symbolic relation. But this contention was precisely what Cassirer contested. Unlike most cultural theorists, Cassirer did not develop his theory of symbolism by generalizing upon a linguistic model. Umberto Eco, e.g., treats symbolic processes fundamentally in terms of communication. His claim that “semiotics is in principle the discipline studying everything which can be used in order to lie”4 leaves no doubt that language, rather than “natural sym-

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I use the lower case spelling of philosophy of symbolic forms to refer to the philosophy itself and not only the book of the same title. I translate “Seele” as “feeling” in the following: “das Verhältnis von leib und Seele stellt das erste Vorbild und Musterbild für eine rein symbolische relation dar” (Ernst Cassirer: The Philosophy of Symbolic forms [PSf], vol. 3: The Phenomenology of Knowledge, trans. by ralph Manheim, New Haven 1957, p. 100; cf. German ed.: Philosophie der symbolischen formen, vol. 3, darmstadt 1964, p. 117). See Schmied-Kowarzik’s comment in Ernst Cassirer: das Symbolproblem und seine Stellung im System der Philosophie, in: idem: Symbol, Technik, Sprache. Aufsätze aus den Jahren 1927–1933, ed. by Ernst Wolfgang orth/John Michael Krois/ Josef M. Werle, Hamburg 1985, p. 30: “der Ausdruck des Seelischen im leiblichen, den Cassirer auch als Symbol bezeichnet, ist überhaupt nicht Träger eines geistigen Sinnes, kein Kulturphänomen, sondern eine Naturtatsache des animalischen lebens, die instinktiven Verbundenheit einer leiblichen Bewegung mit einem seelischen Gefühls und Strebungszustand.” Umberto Eco: A Theory of Semiotics, Bloomington 1976, p. 7.

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bolism”, is the focus of his thought. At first glance Cassirer also appears to be primarily oriented towards language; volume one of his Philosophy of Symbolic Forms bears the subtitle Language. But in the general introduction (“Introduction and Presentation of the Problem”) he begins by contrasting the “artificial” or “arbitrary” signs found in cultural symbolisms – pictures, languages, or mathematical formulas – with a more fundamental or “natural” symbolism,5 for which he later coined the term “symbolic pregnance” (symbolische Prägnanz). Cassirer explicated “symbolic pregnance” in the brief chapter of the same name in the third volume of the Philosophy of Symbolic Forms: The Phenomenology of Knowledge. This chapter is closely related to the one that follows it, entitled “The Pathology of Symbolic Consciousness” – the longest in the entire three-volume work. The former chapter describes the basic form of symbolism, which is applied in different ways in the various cultural symbolic forms, while the latter chapter offers a kind of negative proof 6 of the significance of symbolism by showing the effects upon human behavior which result when brain damage limits patients’ ability to use or understand symbols in aphasia, apraxia, and other neurological disorders. Historically, the theory of signs and symbols (semiotics) has two principle sources – linguistics and medicine. on the linguistic model of symbolism, all forms of meaning can be understood by comparison with the notion of a system of conventional signs. ferdinand de Saussure’s notion of “semiology” in his Course in General Linguistics proceeds upon the assumption that such a linguistic model can be applied to all types of meaning: “Signs that are wholly arbitrary realize better than the others the ideal of the semiological process; that is why language, the most complex and universal of all systems of expression is also the most characteristic; in this sense linguistics can become the master-pattern for all branches of semiology although language is only one particular semiological system.”7 for Saussure, the first principle of language is that the relationship between the signifier and the signified is arbitrary and purely conventional.8 Cassirer admitted in his discussions with Moritz Schlick that cultural signs have an arbitrary and conventional nature, but this only emphasized for him the importance of the question how it was 5 6 7 8

Ernst Cassirer: PSf, vol. 1: language, trans. by ralph Manheim, New Haven 1953, p. 105. Cassirer explains: “the process of the world’s ‘symbolization’ discloses its value and meaning where it no longer operates free and unhindered, but must struggle and make its way against obstacles” (PSf, vol. 3, p. 277). ferdinand de Saussure: Course in General linguistics, ed. by Charles Bally/Albert Sechehaye in collaboration with Albert riedlinger, trans. by Wade Baskin, New york 1966, pp. 68. Ibid. p. 67–70.

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possible that something sensory ever becomes a carrier of meaning. This, he concluded, is “one of the most difficult problems of the critique of knowledge, if not the problem of the critique of knowledge itself”.9 Cassirer sometimes criticized other philosophers for unreflectively reifying linguistic distinctions, e.g., Georg Simmel,10 or for ignoring language altogether, e. g., Nicolai Hartmann,11 Heinrich rickert and Wilhelm dilthey.12 But unlike most analytic philosophers Cassirer went on to criticize the belief that language could stand on its own as the final point of reference for discussions of meaning. That is, he did not regard language as the prototype and model of symbolism.13 The medical model of meaning is much older than the linguistic one, going back to Hippocratic medicine. It derives from the notion that the symptoms (semeion) of sicknesses are signs of particular diseases. In semiotic terminology, a symptom is an “index”, a kind of pointer or “clue”.14 This kind of “natural symbolism” does not constitute a language, and even animal behavior reveals an ability to respond to similar kinds of signs. In An Essay on Man Cassirer utilizes the notion of the sign to link and distinguish between animals and humans. Animals use fixed “signals” rather than flexible “symbols”. Cassirer closely followed the work of the theoretical biologist Jakob von Uexküll, his Hamburg colleague, whose theory of “Umwelten” (worlds or environments) provided the basis for Cassirer’s conception of the difference between animal and human behavior.15 Human beings produce symbolic worlds which

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14 15

Ernst Cassirer: Erkenntnistheorie nebst den Grenzfragen der logik und denkpsychologie, in: Jahrbücher der Philosophie 33 (1927), pp. 1–92, pp. 78 f. Ernst Cassirer: PSf, vol. 4: The Metaphysics of Symbolic forms, ed. by John Michael Krois/donald P. Verene, trans. by John Michael Krois, New Haven 1996, pp. 14 f. Cassirer: Erkenntnistheorie (as fn. 9), pp. 78 f. Ernst Cassirer: Structuralism in Modern linguistics, in: Word. Journal of the linguistic Circle of New york 1/2 (August 1945), pp. 99–120, pp. 111 f. Nelson Goodman, whose work is close to Cassirer’s in many ways, was unwilling to follow what he called Cassirer’s “emphasis on myth” (Nelson Goodman: Ways of Worldmaking, Indianapolis 1978, p. 1). Myth is a social “form of life”, a symbolism of quite a different kind from language, which served as Goodman’s model. Ginzburg gives an overview of the forms assumed by this “medical model” of semiotics in: Carlo Ginzburg: Clues. roots of an Evidential Paradigm. Myths, Emblems, Clues, london 1990. Ernst Cassirer: An Essay on Man, New Haven 1944, pp. 23–26; PSf, vol. 4, pp. 42– 45, p. 52, pp. 62–65, pp. 213–215; idem: Nachgelassene Manuskripte und Texte (ECN), vol. 2: Ziele und Wege der Wirklichkeitserkenntnis, ed. by Klaus Christian Köhnke/John Michael Krois, Hamburg 1999, pp. 84 f., pp. 143 f.; Cf. Gregory B. Moynahan: Ernst Cassirer. Theoretical Biology and the Clever Hans Phenomenon, in: Science in Context 12/4 (1999), pp. 549–574.

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extend the practical “effector” and “receptor” worlds of the animal kingdom.16 I cannot enter the details of this theory here, except to point out its bio-medical character. Cassirer adopted this kind of approach for two reasons: (1) by taking bodily feelings to be “symbolically pregnant” he avoided the problem of conceiving sense data as devoid of meaning, and (2) by means of arguments based upon neurological pathology, he could show that although the spheres of sensory experience and of symbolism are always interrelated, they are not the same. Hence, neither can be reduced to the other. In this way Cassirer avoided a psychologistic interpretation of meaning and gained a phenomenological perspective that did not require him to assume the existence of uninterpreted sensations. The following explicates these points further. Cassirer distinguished among three different symbolic dimensions: expression (Ausdruck), representation (Darstellung), and pure significance (reine Bedeutung). These are functions and not categories. Anything can be a sign and so serve to express feelings, to assert or refer to something, or be taken to have significance in an abstract system, without any direct referential correlates. Cassirer illustrated this point repeatedly using his “linienzug” (drawn line) thought experiment – a drawn line assumes different forms of expressive, representative, or purely significative meaning depending upon the context in which it stands.17 The most original aspect of Cassirer’s theory of symbolism is its first dimension – expressive symbolism. Generally speaking, his theory of expressive symbolism could be called a general theory of the image, not just of cultural images (pictures in any medium) but of the image in its most fundamental sense: the perceptual Gestalt.18 Sensory experience is always image like (not a fixed image or picture): a continuous process of taking shape or closure. The “law of pregnance” in Gestalt psychology claims that “psychological organization will always be as ‘good’ as the prevailing conditions allow”.19 “Good” here means stable, closed, or connected: “Prägnanz affects shape, size, and surface attributes so that the most significant aspects of an object are preserved if the field conditions are not altered too severely; i.e., a ‘thing’ is invariant or transposable like a melody.”20 16 17 18 19 20

Cassirer: An Essay on Man (as fn. 15), p. 24. Cassirer: das Symbolproblem (as fn. 3), pp. 5–8; PSf, vol. 3, pp. 200–203; idem: Zur logik des Symbolbegriffs, in: idem: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, darmstadt 1969, pp. 201–230, pp. 211 f. on the term Gestalt, see Cassirer: Structuralism (as fn. 12), pp. 118–120. Kurt Koffka: The Principles of Gestalt Psychology, london 1935, p. 110. George W. Hartmann: Gestalt Psychology. A Survey of facts and Principles, New york 1935, p. 48; Cassirer too uses this kind of language in his descriptions of perception: language he took from group theory in mathematics. See Ernst Cassirer: reflections on the Concept of Group and the Theory of Perception, in: idem: Symbol, Myth, and Culture. Essays and lectures of Ernst Cassirer 1935–1945, ed. by

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Cassirer affixes the adjective “symbolic” to “pregnance” to create his term “symbolic pregance”, for he takes the Gestalt “law of pregnance” actually to describe the process of the origin of meaning. The notion of “Prägnanz” and the “pregnant moment” has a long history in German literary theory, in lessing, Herder, and Goethe, but Cassirer was clearly following modern Gestalt psychology when he formulated his conception of “symbolische Prägnanz”. Cassirer wrote in an as yet unpublished text: from the standpoint of Gestalt psychology to every particular kind of Gestalt and Gestalt formation there corresponds also a particular kind of ‘Praegnanz’ […] there is spatial and temporal Praegnanz, theoretical and aesthetic Praegnanz – but here we must go further here and say from our point of view: the specific particularization of ‘Praegnanz’ is what first founds and makes possible the specific differences among ‘Gestalten’; all representation [Vergegenwärtigung] is always representation in a specific ‘sense’.21 Cassirer defined “symbolic pregnance” in the chapter of the same name: “By symbolic pregnance we mean the way (die Art) in which a perception as a sensory experience contains a meaning which it immediately and concretely represents.”22 The model of meaning behind this doctrine does not stem from linguistics or any other cultural science. In the “Pathology of Symbolic Consciousness” Cassirer relegates language and other cultural symbolism to the

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donald Phillip Verene, New Haven/london 1979, pp. 271–291, and idem: The Concept of Group and the Theory of Perception, trans. by Aron Gurwitsch, in: Philosophy and Phenomenological research 5/1 (September 1944), pp. 1–35; cf. KarlNorbert Ihmig: Cassirers Invariantentheorie der Erfahrung und seine rezeption des “Erlanger Programms”, Hamburg 1997 (Cassirer-forschungen 2), esp. chap. iv, and idem: Ernst Cassirer and the Structural Conception of objects in Modern Science. The Importance of the “Erlanger Programm”, in: Science in Context 12/4 (1999), pp. 513–529. for Cassirer, perception and conceptual thought form a continuity describable in terms of invariance and transformation. See ECN, vol. 2, pp. 83–133: “die Invarianten der Wahrnehmung und des Begriffs” (written 1937). “Vom Standpunkt der Gestaltpsychologie [entspricht] jeder besonderen Art von Gestalt und Gestaltung auch je eine besondere Weise der ‘Praegnanz’ […] es gibt räumliche und zeitliche Praegnanz, theoretische und aesthetische Praegnanz – Ja wir müssen von unserem Standpunkt aus hier noch weiter gehen und sagen: die spezifische Besonderung der ‘Praegnanz’ begründet und ermöglicht erst die spezifische Verschiedenheit der ‘Gestalten’ alle Vergegenwärtigung ist immer Vergegenwärtigung in einem bestimmten ‘Sinne’.” (Ernst Cassirer: Praegnanz, symbolische Ideation, undated Manuscript, Beinecke rare Book and Manuscript library, yale University, Gen Mss. 98, Box 23, folder 424 [convolute 104]. The quote is from the last two pages of the manuscript. Cited by permission from the yale University Press.) PSf, vol. 3, p. 202; German ed., p. 235.

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status of derivative phenomena: “If perception did not embrace an originally symbolic element, it would offer no support and no starting point for the symbolism of language.”23 The philosophers who initiated the so-called “linguistic turn” from the examination of “ideas” to the analysis of language believed that meaning was a more fundamental concept than truth. As Schlick put it: “I believe that Science should be defined as the ‘pursuit of truth’ and Philosophy as the ‘pursuit of meaning’.”24 In an essay in the Kant-Studien in 1928 Cassirer upheld this view too, and he distinguished this outlook from his earlier position in Substance and Function (1910), saying that he now took his starting point from a theory of meaning (Bedeutungslehre), rather than a theory of knowledge (Erkenntnistheorie).25 But this in itself does not explain why Cassirer, a wellknown philosopher of science, abruptly became immersed in the study of myth immediately upon completion of his highly regarded interpretation of the theory of relativity.26 for Cassirer, mythic thought is fundamentally nonverbal, involving ritual action, dance, and magical beliefs while the narratives we call “myths” are secondary phenomena, which explain these nonverbal activities. Mythic thinking is a “form of life”. The second volume of the Philosophy of Symbolic Forms: Mythic Thought systematically developed this view. The study of mythic thought in the early 1920s directed Cassirer’s attention to anthropological theories in which the body was a means of symbolic expression.

2. The Bo dy ’s Sy mb ol i sm Cassirer was introduced to anthropological theory and to the problem of the expressive character of the human body at Aby Warburg’s Hamburg library for the study of the cultural sciences. In a letter that fritz Saxl, the deputy director, wrote to Warburg on November 28, 1920, the day after Cassirer’s first visit to the library, he said that Cassirer was unaware of the Warburg library’s approach to symbolism: “He only knew a small part of the literature on the concept of the Symbol in our holdings, and the visual attitude (the

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PSf, vol. 3, p. 232. Moritz Schlick: The future of Philosophy, in: The linguistic Turn. recent Essays in Philosophical Method, ed. by richard rorty, Chicago 1967, pp. 43–53, p. 48. Ernst Cassirer: Zur Theorie des Begriffs. Bemerkungen zu dem Aufsatz von G. Heymans, in: Kant-Studien 33 (1928), pp. 129–136, p. 130. See Ernst Cassirer: Zur Einstein’schen relativitätstheorie. Erkenntnistheoretische Betrachtungen, Berlin 1921; idem: die Begriffsform im mythischen denken, in: idem: Wesen und Wirkung (as fn. 17), pp. 1–70.

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making-visible of the Symbols in mimicry and art) not at all.”27 Saxl later recalled Cassirer’s words as he left the library after his first visit: “This library is dangerous. I shall either have to avoid it altogether or imprison myself here for years”, to which Saxl added: “When the time was ripe for him, Cassirer became our most assiduous reader.”28 That time must have come soon thereafter, for a little more than half a year later the first results of Cassirer’s contacts with the Warburg library emerged. on July 14, 1921, he gave a lecture at the Hamburg Religionswissenschaftliche Gesellschaft on “Begriffs- und Klassenbildung im mythischen und religiösen denken”.29 Here, for the first time, Cassirer dealt with the cultic origins of culture. The anthropologist Mary douglas says: “The body furnishes a system of natural symbols.”30 In her conception of symbolism, as in Cassirer’s, it is not necessary to create a medium for symbols. The body itself and even the mere retardation of its functions is sufficient to produce cultural meaning. We find culture expressed even in omissions, e.g., in not eating on certain occasions. The body is individual, but it only occurs in communities. from this perspective, the “medium” for symbols is “life” itself. This is the perspective that Cassirer developed in his drafts for the conclusion of the third volume of The Philosophy of Symbolic Forms: “‘Geist’ and ‘life’” and “The Problem of the Symbol as the fundamental Problem of Philosophical Anthropology”.31 But Cassirer’s discussion of the basis of symbolism (symbolic pregnance) in volume three of his magnum opus is not cast in terms of the study of myth or any other cultural symbolic form. Instead, he examined the pathology of symbolic consciousness as seen in neurological case studies.

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fritz Saxl: letter to Aby Warburg. November 28, 1920, Archive of the Warburg Institute, london 1920. The original reads: “die literatur, über den Begriff Symbol, die wir besitzen, hat er nur zum kleinen Teil gekannt und ihre visuelle Einstellung (die Sichtbarmachung des Symbols in Mimik und Kunst) überhaupt nicht.” This letter was discovered by dr. dorothea McEvan, archivist at the Warburg Institute in london. I thank Claudia Naber for bringing this letter to my attention. fritz Saxl: Ernst Cassirer, in: The Philosophy of Ernst Cassirer, 47–51, New york 1949, pp. 48 f. See ECN, vol. 7: Mythos, Sprache und Kunst, ed. by Jörn Bohr/Gerald Hartung, Hamburg 2011, pp. 3–91. Mary douglas: Natural Symbols. Explorations in Cosmology, New york 1973, p. 12. PSf, vol. 4, pp. 3–33, pp. 34–111.

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2 .1. Ne u r olog ic a l Pat holog y a nd Sy mb ol i sm Cassirer’s work on myth led him to anthropology and to the body as the seat of meaning. But the problem of how it is possible for something sensory to become a carrier of meaning applies to ritual activities as well as to language. To claim that such meanings arise from an “agreement” assumes that some other kind of symbolic communication already exists. To avoid this circularity Cassirer distinguished between natural and artificial symbolism. This distinction serves to differentiate between the sensory and symbolic dimensions of experience. These are readily confused because the sensory sphere is always “symbolically pregnant”. Nonetheless, the sensory and the symbolic spheres are not the same. Cassirer clarified his views of this difference through his contacts with Kurt Goldstein.32 Goldstein’s aphasia research showed Cassirer that “symbolic consciousness” could undergo limitations while “sensory consciousness” remained relatively intact. Cassirer concluded in his letter to Goldstein on January 5, 1925, that to find out how these two spheres relate to one another was one of the primary tasks for a future phenomenology. Cassirer spent the next two years working on what was to become the two key sections of his entire Philosophy of Symbolic Forms: the chapters on “Symbolic Pregnance” and “The Pathology of Symbolic Consciousness” in volume three. Cassirer insisted from the first that representation does not “copy” the world, but rather serves in a “process by which reality is constituted for us”.33 The symbolic relation is primary; it cannot be reduced to the presence of things, or to a causal relation. In the general introduction to his Philosophy of Symbolic Forms Cassirer speaks primarily in terms of “world understanding” (Weltverstehen) as a conception derivative from his Humboldtian conception of language(s) as a unique way of “having a world”. In the course of Cassirer’s examination of myth in volume two, this “world understanding” receives a more pragmatic interpretation in which action comes to the forefront. “It is not mere observation (Betrachten) but action which constitutes the center from which man undertakes the intelligent organization of reality.”34 Myth is treated as a “form of life” (Lebensform) in which bodily activity becomes the 32

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for a concise overview of Goldstein’s work, see Anne Harrington: reenchanted Science. Holism in German Culture from Wilhelm II to Hitler, Princeton 1996, chap. 5. Cassirer had Goldstein send him copies of all of his publications. His private library contained 18 different essays and books of Goldstein’s. PSf, vol. 1, p. 107; cf. pp. 75–78, pp. 107 f. Ernst Cassirer: PSf, vol. 2: Mythic Thought, New Haven 1955, p. 157, translation revised; cf. idem: form und Technik, in: idem: Symbol, Technik, Sprache (as fn. 3), pp. 39–91.

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medium for cultural meaning. But Cassirer does not take the final step to a phenomenological analysis of the Leib-Seele relationship as the “prototype and model of symbolism” until after his reception of Goldstein’s work. Goldstein strove to reinterpret Gestalt theory in less psychological terms. In particular, Goldstein’s “injunction to proceed from a phenomenological overview of the whole organism in a particular setting”35 influenced phenomenologists such as Merleau-Ponty, Gurwitsch, and also influenced Cassirer. Cassirer first came into contact with medical research on neurology in Berlin, where he lived from 1903 to 1919, through his cousin and friend, the neurologist richard Cassirer.36 only one of Ernst Cassirer’s many publications dealt explicitly with the history of medicine – his 1943 contribution to the yale Vesalius celebration.37 yet neither medicine nor neurology per se caught Cassirer’s attention, but research on aphasia and kindred disorders which effected the understanding of symbolism. In the “Presentation of the Problem” in the first volume of the Philosophy of Symbolic Forms: Language, Cassirer distinguished between the “artificial” cultural symbols using arbitrary signs (the primary example is language) and the “natural” symbolism, “which is necessarily contained in or at least projected in every single moment and fragment of consciousness”.38 Cassirer always upheld the view that artificial symbolisms are related to this “natural” symbolism, but in the course of his work his theoretical orientation changed, as he shifted the seat of this meaning from “consciousness” to the body or body-feeling (Leib-Seele) relationship. on January 5, 1925 he wrote to Goldstein that even though they had only met for a few hours the year before (1924), he felt that the “problems with which we are currently dealing are very close to one another”.39 Cassirer and Goldstein had known one another as cousins since early childhood,40 however, starting in 1925 they began 35 36

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Mitchell G. Ash: Gestalt Psychology in German Culture, 1890–1967. Holism and the Quest for objectivity, Cambridge 1995, p. 281. richard Cassirer (1868–1925) was a physician since 1895 at the Berlin Poliklinik für Nervenkrankenheiten (Polyclinic for Nervous disorders) and became its director in 1919. He was a titular professor at the Berlin University since 1912. Ernst Cassirer’s private library contained a copy of richard Cassirer: die multiple Sklerose. die wichtigsten Nervenkrankheiten in Einzeldarstellungen für den praktischen Arzt, ed. by G. flatou, Heft 3, leipzig 1905. Ernst Cassirer: The Place of Vesalius in the Culture of the renaissance, in: yale Journal of Biology and Medicine 16 (december 1943), pp. 109–119. PSf, vol. 1, p. 105. See Ernst Cassirer: Cassirer to Goldstein. January 5, 1925. Goldstein Papers, Columbia University rare Book and Manuscript library, Box 1, published in: Science in Context 12/4 (1999), pp. 661–664. on Cassirer’s early friendship with Goldstein, see Marianne l. Simmel (Ed.): The reach of the Mind. Essays in Memory of Kurt Goldstein, New york 1968, p. 3.

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a period of intense communication about the problem of symbolism and anthropology.41 on November 3– 4, 1927 Cassirer gave a set of lectures entitled “Über Sprache und denken” (on language and Thought) at King’s College in the University of london. These lectures focus upon Goldstein’s and Gelb’s research on aphasia and their significance for the theory of symbolism. He mentions in these lectures that Goldstein permitted him to visit patients at his frankfurt Neurological Clinic repeatedly (“zu wiederholten Malen”),42 and in a letter he wrote to Goldstein from london on November 4, he says that he had tried to visit Henry Head, the famous aphasia researcher, but that the latter’s health did not permit it.43 Cassirer also visited Heinrich Embden, a physician at the Barmbek Hospital near Hamburg,44 in order to study aphasia patients there. The result of all this activity was the longest chapter in The Philosophy of Symbolic Forms: “The Pathology of Symbolic Consciousness” in volume 3, which immediately follows the chapter on “Symbolic Pregnance”. These two chapters form a systematic unity. “Symbolic Pregnance” describes the positive functions of symbolism for the Aufbau (structure and construction) of the human world; the “Pathology of Symbolic Consciousness” describes the limitations to this symbolic pregnance resulting from brain damage. These afflictions could effect not only thing perception, but self perception and the perception of other persons as well. A patient might be able to use a clock and even say the time (one o’clock) but no longer be able to use the same word (“clock”) in a merely representative sense (“This is a clock”). A patient might no longer recognize the actions of, e.g., his left hand as his own and refer to them in the third person.45 A patient might no longer recognize other 41

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Cassirer’s daughter, Anne Appelbaum, emphasized that Goldstein was Cassirer’s favorite discussion partner, the only person with whom he was able to discuss his work in detail and at length. Although Cassirer conducted a wide correspondence, he rarely corresponded on matters of philosophical content, and in no case known to me does he engage in the kind of intense theoretical exchange found in his correspondence with Goldstein. See Cassirer’s letters to Goldstein in: Science in Context 12/4 (1999), pp. 661–667. Their correspondence is published in ECN, vol. 18: Briefe, ed. by John Michael Krois, Hamburg 2009. Ernst Cassirer: Über Sprache und denken (on language and Thought), undated, untitled manuscript, lectures given at King’s College in the University of london. Beinecke rare Book and Manuscript library, yale University. Gen Mss. 98, Box 48, folder 956, p. 36; on Cassirer’s visits to Goldstein’s frankfurt clinic, see PSf, vol. 3, p. 210, n. 7 and p. 217, n. 19. Ernst Cassirer: Cassirer to Goldstein. November 4, 1927. Goldstein Papers, Columbia University rare Book and Manuscript library, Box 1, published in: Science in Context 12/4 (1999), pp. 665–667. PSf, vol. 3, p. 227. Ibid. p. 264.

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persons as people but only as narrow and tall, yet still distinguish them from automobiles, which are “much thicker”.46 Cassirer interprets all these cases as limitations to the expressive or representative “symbolic pregnance” of perception.47 The “medical” model of semiotics derives from the notion of the “symptom” (semeion) as a sign of a sickness, but Cassirer turns this perspective around; the study of the symptoms of aphasia shows the workings of the symbolic process. In perception, the sensory attains different degrees and varieties of symbolic pregnance, it appears as a sign so that the sensory “presents”48 itself as something more than it is. Cassirer asks rhetorically whether this representative achievement “is due to language, or whether it does not first make language possible”.49 In Cassirer’s view, language is a particular cultural symbolic form of great consequence for the organization of perception, but it is neither the prototype nor the model of symbolism generally. Today, it is generally agreed that “symbolic pregnance” is Cassirer’s central systematic conception.50 The reason why he did not formally introduce this central doctrine until the middle of the third volume of his Philosophy of Symbolic Forms is apparent from the forgoing: he did not find a proper formulation until the mid 1920s, when he discovered Goldstein’s research and was able to work out the opposing tendencies of symbolic pregnance and its pathology.

3. Sy mbol ic P reg na nc e a nd t he d i re c t iona l it y of Mea n i ng Cassirer’s definitions of “symbolic form” and “symbolic pregnance” show a striking similarity, but also a radical difference. They are related insofar as the former relies upon and extends the latter. Symbolic forms are cultural phenomena – “artificial symbolism” (künstliche Symbolik). Symbolic pregnance refers to “natural symbolism” (natürliche Symbolik). The difference between them, prima facie, is that artificial symbolism involves the “giving 46 47 48 49 50

Ibid. p. 241, n. 55. Ibid. pp. 235 f. See ibid. (German ed., p. 274). This point is blurred blurred in the translation of Cassirer’s Cassirer term sich darstellt as “made visible”. This symbolic pregnance of the sensory applies to all the senses and not just to the sense of sight. Ibid., p. 227; emphasis in original. John Michael Krois: Cassirer. Symbolic forms and History, New Haven 1987; Ernst Wolfgang orth: Von der Erkenntnistheorie zur Kulturphilosophie. Studien zu Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen formen, Würzburg 1996; Heinz Paetzold: Ernst Cassirer. Von Marburg nach New york. Eine philosophische Biographie, darmstadt 1995; oswald Schwemmer: Ernst Cassirer. Ein Philosoph der europäischen Moderne, Berlin 1997.

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of signs” (Zeichengebung), the production and not just the seeing of signs, i. e., making noises or marks, which then serve as signs. But that is not all. If we read the definitions of symbolic form and symbolic pregnance carefully we see another fundamental difference: in the definition of symbolic pregnance, the directionality of meaning is reversed. Cassirer defined “symbolic form” as every “energy of mind [Energie des Geistes] by which an intelligible content of meaning [geistiger Bedeutungsgehalt] is attached to a concrete, sensory sign”51 while, as we saw, he defined symbolic pregnance as “the way in which a perception as a sensory experience contains a meaning which it immediately and concretely represents”. In the case of symbolic form we can speak of the intentionality of meaning, but in the case of symbolic pregnance the directionality of meaning has been reversed; the sensory contains a meaning which it presents. Unlike the linguistic conception of symbolism which conceives the relationship of signifier to signified as essentially arbitrary – as cultural creations (e.g., certain marks or sounds) – the natural sign relationship does not begin with an artificial basis (manufactured signs), but with the sensory itself in its most concrete form. This can be illustrated by the sense of touch.

3.1. Touc h , Sy mbol i sm , a nd Ti me Cassirer’s claim that the body is the “prototype and model” of symbolism is a difficult topic for interpreters, not just because he offers little elaboration of his claim, but because philosophy is on unsure ground here. The body has rarely been the topic of extended philosophical analysis (with a few prominent exceptions such as Merleau-Ponty); it is usually taken as a given. The most important things that Cassirer has to say on this topic relate to the sense of touch: “Qualities of the tactile sense – qualities such as hard and soft, rough and smooth – arise only through motion, so that if we limit tactile sensations to a single moment, they can no longer be discerned as data.” His conclusion: “motion, and hence time, are among the formative factors of the tactile phenomena themselves”.52 The sense of touch is impossible as a phenomenon without time because it is impossible without the linearity of experience in time. But this is a problem. Traditionally, it has been assumed that the linearity of texts is something radically different from the perception of images, and perception is usually considered to consist of sensory images. All sense 51 52

Ernst Cassirer: der Begriff der symbolischen form im Aufbau der Geisteswissenschaften, in: idem: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs (as fn. 17), pp. 169– 200, p. 175. PSf, vol. 3, p. 178.

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perception is image-like: vision, hearing and even touch involve kinds of Gestalten.53 But for Cassirer the traditional conception of the distinction between (static) images and (linear or temporal) texts is wrong. Time is ubiquitous in symbolic pregnance of any kind, even in the perception of images, which must all be “felt” in some way.54 our bodily feelings appear continuous to us because they are conjoined in time. This conjunction derives from the basic symbolic function of Wiederfinden, “finding again”.55 for Cassirer, the idea of sensory manifestation is the idea of a sign – to appear is to stand in symbolic relationships in time. Cassirer’s characterization of the sense of touch as an example of expressive symbolism holds for expressive symbolism of any kind. Cassirer gives his analysis of the phenomenon of touch in a chapter on the sense of time, uniting touch with time by his conception of symbolism. This “embodiment” of the sign in a real process holds even for cultural symbolism. letters are written in ink, statues are stone.56 Cassirer’s theory of symbolism converges with his theory of time. Time lived through is never merely the time of events or Geschehens-Zeit.57 lived time depends upon the co-relation of activity and imagination: the ability to form an image of the future and direct our actions to this future. This is true both with regard to productive activity and its recollection. Expectation, Cassirer claims, is more fundamental than recollection.58 In order to remember we must first imagine – and then look for confirmation. We not only remember where we left something and then find it again, we remember the past by expecting something to be forthcoming. The emergence of reality in time as a real process and its representation in symbolism are two sides of the same creative process. The temporal nature of meaning is such that it can only emerge in the future (it is praegans futuri as Cassirer liked to say), but the meaning it acquires (or will acquire) always has some relationship to its embodiment. Cassirer would later claim that this relationship was rooted in the three “Basis Phenomena” of life, action, and the work: “They are prior to all thought and inference and are the

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PSf, vol. 2, p. 108; cf. pp. 222–224. This fits with the view, which oswald Schwemmer recently developed in his book on Cassirer, that symbolic pregnance must be understood not just as a relation but as a real process. See Schwemmer: Ernst Cassirer (as fn. 50), esp. chap. 2. PSf, vol. 3, p. 114; German ed., p. 133. Ernst Cassirer: Zur logik der Kulturwissenschaften. fünf Studien, in: Göteborgs Högskolas Årsskrift 48/1 (1942), pp. 1–139. A translation of this work appeared under the title: The logic of the Cultural Sciences. five Studies, trans. by Steve G. lofts, yale 2000. PSf, vol. 3, p. 182; German ed., p. 211. PSf, vol. 3, p. 180; cf. German ed., p. 210.

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basis of both.”59 This real process, which is as physical as it is symbolic, is what we call “history”. The meanings which accrue to the actions and works which make up history are not reducible to this real process, just as the symbolic sphere is not identical to the sensory sphere in perception. But they both inhabit the same temporal process.

4. C a ssi rer ’s A nt h rop olog y of Sy mbol i sm As we now know, Cassirer wrote a lengthy concluding section for the third volume of The Philosophy of Symbolic Forms but did not publish it, largely because it was so long.60 In this recently published manuscript the longest part, “The Problem of the Symbol as the fundamental Problem of Philosophical Anthropology”,61 also clearly stemmed from his interaction with Goldstein. By starting with the body, Cassirer was able to interpret knowledge anthropologically: “[T]he animal lives in his environment; he does not place himself over against it and so represent it. This acquisition of the world as idea is, rather, the aim and product of the symbolic forms.”62 Space is first a practical sphere before it is represented as something independent of action. Cassirer regarded An Essay on Man as a “Philosophical Anthropology”, but his orientation did not derive from the classic writers in that field such as Scheler or Plessner. His conception stood closer to Goldstein’s notion of the organism. Goldstein regarded the organism as a process which finds significance in its tasks,63 which may or may not be practical. Goldstein’s distinction between “concrete” and “categorical” behavior, which Cassirer termed practical and symbolic behavior,64 provided the key distinction in An

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PSf, vol. 4, p. 137. Cf. ECN, vol. 1: Zur Metaphysik der symbolischen formen, ed. by John Michael Krois/Anne Appelbaum et al., Hamburg 1995, p. 132: “sie sind ‘vor’ allem denken und Schließen, liegen diesem selbst zu Grunde.” With this, Cassirer assumed a position opposite that of his teachers, i. e., the Marburg school’s primacy of Erzeugung (generation). PSf, pp. xvi–xvii. PSf, vol. 4, pp. 36–111. PSf, vol. 3, p. 276. “The end to which each process normally tends is determined by its significance for the essential tasks of the whole organism. Although it is always modified by the changes of the situation, it remains essentially constant” (Kurt Goldstein: The organism, with a foreword by oliver Sacks, New york 1995, p. 107.) See, e.g., Ernst Cassirer: die Sprache und der Aufbau der Gegenstandswelt, in: idem.: Symbol, Technik, Sprache (as fn. 3), pp. 121–160, p. 133. Cf. Einleitung, pp. XXIV–XXV. The drafts for the Essay on Man appeared in ECN, vol. 6: Vorlesungen und Studien zur philosophischen Anthropologie, ed. by Gerald Hartung/Herbert Kopp-oberstebrink, Hamburg 2005.

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Essay on Man between “animal reactions” and “human responses”.65 The differences between the animal and the human worlds of space and time paralleled the limitations found in the “pathological” reduction of symbolic capacities in neurological disorders. These could erode “categorical” thinking (loss of the ability to represent things in abstraction from their use) and even “concrete” thinking (loss of the ability to see “persons”). The sphere of symbolism had rules and a structure of its own, but in the organism symbolic processes could be impaired by neurological disorders. This bio-medical model of symbolism cannot be adequately described as either naturalistic or idealistic. Symbolism requires a kind of philosophy, which overcomes this dualism. Cassirer’s theory of symbolism led him to develop his doctrine of Basisphänomene.

5. C a ssi rer ’s Ba sic Phenomena In late writings (from the mid-1930s on) Cassirer developed his doctrine of Basisphänomene or “Basic Phenomena”.66 Unlike Husserlian phenomenology, Cassirer’s doctrine of basic phenomena does not offer a theory of “essences”, which in Cassirer’s philosophy of symbolic forms can only be understood as the meanings of signs. The “basic phenomena” provided a vocabulary for Cassirer’s process conception of reality, first developed in Substance and Function (1910).67 for example, Cassirer claimed that the philosophical problem posed by quantum theory was not the issue of indeterminism, which he thought could be dealt with by weakening the claims of the mechanistic conception of cause. rather, the real problem was that quantum theory required giving up the notion that classical logic applies to reality. for quantum theory, “reality” and “complete determination” were no longer interchangeable concepts as they had been for Kant.68 Instead, one and the same phenomenon must be conceived of as a wave and as a particle at the same time. This “problem” gives further confirmation to Cassirer’s idea that we should not conceive reality in substantial terms, that the notion of the “identity” of bodies needs to be replaced by a conception of reality as the embodiment of relationships (relativism in a positive sense). Here the question naturally arises: the

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Cassirer: An Essay on Man (as fn. 15), chap. 3. ECN, vol. 1, pp. 111–195; PSf, vol. 4, pp. 155–190; ECN, vol. 2, pp. 89–95, p. 138, p. 168; cf. Barbara Naumann: The Genesis of Symbolic forms: Basis Phenomena in Ernst Cassirer’s Works, in: Science in Context 12/4 (1999), pp. 575–584. Ernst Cassirer: Substance and function/Einstein’s Theory of relativity, trans. by William Curtis Swabey/Marie Collins Swabey, New york 1953 (1910). Ernst Cassirer: determinism and Indeterminism in Modern Physics, trans. by otto T. Benfey, New Haven/london 1956, pp. 188 f.

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“embodiment of relationships” in what? Cassirer’s answer was the three Basisphenomena: life, action, and the work. Cassirer did not publish his views on this topic, and only now are his texts on the subject starting to appear. In a 1942 lecture he said: The fundamental reality, the Urphänomen, in the sense of Goethe, the ultimate phenomenon may, indeed, be designated by the term ‘life.’ This phenomenon is accessible to everyone; but it is incomprehensible in the sense that it admits of no definition, no abstract theoretical explanation. We cannot explain it, if explanation means the reduction of an unknown fact to a better-known fact, for there is no better-known fact […]. life, reality, being, existence are nothing but different terms referring to one and the same fundamental fact. These terms do not describe a fixed, rigid, substantial thing. They are to be understood as names of a process.69 Cassirer here leaves behind the ambivalence of his earlier writings, which Gideon freudenthal has characterized as the philosophy of “Homo faber in midAir”.70 The philosophy of symbolic forms conceives of reality as a real process embodying relations, not as a fixed order of things. In this way the philosophy of symbolic forms becomes a philosophy of process and not just a theory of consciousness. This has nothing to do with relativism in the sense of a doctrine of unlimited interpretation. It means: the answers to historical questions are found in real processes. A question such as “Who was the author of this text?” may be given different readings, but as a request for information about where and when and how it was first put on paper, it is a question about a concrete event. Symbolic phenomena are not less symbolic when they are also recognized as embedded in concrete historical processes. Cassirer’s chapter on the pathology of symbolic consciousness is an extended study of such an interrelationship, i.e., neurological and symbolic processes.

6. Conc lud i ng obser vat ions By tracing the “prototype and model” of symbolism to the Leib-Seele relationship, Cassirer undercut the traditional distinction between nature and culture. He recognized that philosophy had to examine language, that “philosophical awareness arises only in and through language”,71 but he did not think 69 70 71

Ernst Cassirer: language and Art II, in: Cassirer. Symbol, Myth, and Culture (as fn. 20), pp. 166–195, pp. 193 f. In an unpublished text of the same name. PSf, vol. 1, p. 117.

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that philosophy should or could limit itself to the discussion of this or any other particular kind of symbolism. Cassirer’s attempt to distinguish different symbolic forms led him to conceive of culture as the result of a transformation of a natural symbolism into the “artificial” signs and symbols of culture. The notion of natural symbolism led him in turn to formulate his conception of the prototype and model of symbolism, not as the final answer to the question of the “origin” of meaning, but as a way to approach the study of cultural phenomena. This notion gave expression to his conviction that the philosophy of language and the linguistic model of symbolism begin “too high up” and needed to be supplemented with a theory of the symbolism from which they take their departure. Cassirer has often been read as a philosopher working in some school of thought (leibnizian, Kantian, Hegelian), but his conception of symbolism did not derive from philosophical arguments alone. It also depended upon research into the findings of anthropology, medicine, and biology. The conclusion of his January 5, 1925, letter to Goldstein indicates how he believed philosophy should approach the problem of symbolism: “[E]ither the physicians decide to turn into philosophers or the philosophers become physicians”. His theory of the prototype and model of symbolism illustrates how he sought to implement this suggestion himself.

D e ut s c he Z e it s c h r i f t f ü r Ph i lo s oph ie 49/3 (20 01) S. 367–375

K U LT U R A L S S y M B O L P R O Z E S S Philosophische Konsequenzen eines Paradigmenwechsels*

1. Da s sem iot i sc he Pa rad ig ma Schon länger wird in verschiedenen Kulturwissenschaften fast unbestritten die Ansicht vertreten, dass Kultur ein „Symbolprozess“ ist. Seit den siebziger Jahren haben in der Ethnologie, Literaturwissenschaft und Soziologie Clif­ ford Geertz, Umberto Eco oder Pierre Bourdieu die Ansicht vertreten, dass die Thematik dieser Wissenschaften zur „symbolischen Ordnung“ gehört. In tra­ ditionellen Zeichentheorien, etwa bei Hobbes, Locke oder Lambert, galten die Zeichen als „Hilfsmittel“, also Behälter für vorhandene Ideen, die die Men­ schen durch intuitive Erkenntnis ohne Zeichen von konkreten Individuen er­ langten. In der heutigen Zeichentheorie dagegen ist das Zeichen ein Primär­ phänomen. Charles Sanders Peirce fasste diese Ansicht einmal in dem Satz zusammen: „[D]ie Idee der Manifestation ist die Idee eines Zeichens“.1 „Erschei­ nen“ heißt: Zeichen sein. Jacques Derrida gab 1967 folgende Glosse zu dieser Behauptung Peirces: „Nach der Phenomenology von Peirce enthüllt die Mani­ festation keine Präsenz, sondern ein Zeichen.“2 Zeichenlose Unmittelbarkeit ist eine Fiktion. Die These vom Primat des Zeichens führte seit den siebziger Jahren zu neuen Richtungen in der theoretischen Philosophie und Literatur­ wissenschaft, und sie wirkte auch auf viele Kulturwissenschaften wie die Kul­

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Der vorliegende Text ist die überarbeitete Fassung eines Vortrages, den ich am 7. 10. 1999 auf dem 18. Deutschen Kongress für Philosophie in Konstanz gehalten habe. Charles Sanders Peirce: Lowell Lectures (1903), in: ders.: Collected Papers (CP), hg. v. Charles Hartshorne/Paul Weiss, Bd. 1, Cambridge, MA 1931, § 346: “the idea of manifestation is the idea of a sign”. Jacques Derrida: Grammatologie, Frankfurt/M. 1974, S. 84–87, S. 86.

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turanthropologie, Kunstgeschichte, Filmwissenschaft und Geschichtstheorie.3 Dieses „semiotische Paradigma“ (Klaus P. Hansen) der Kulturwissenschaft, wie es bezeichnet wird, führt zu einer Reihe von Problemen, die besonders in den englischsprachigen Ländern unter dem Namen „Cultural Studies“ heftig diskutiert worden sind. Dazu gehören: – – –





Objektivität. Welche Objektivitätskriterien gibt es für Interpretatio­ nen, wenn wir nie außerhalb von Zeichenprozessen stehen? Identität. Wie soll man die „Identität“ eines Werkes oder einer Person verstehen, wenn sie in der Zeicheninterpretation erst entsteht? Signifikanz. Wie lassen sich Werturteile über „Bedeutendes“ rechtferti­ gen, wenn Werke unbegrenzt interpretierbar sind? (Problem der Kanon­ bildung) Gegenstandsbereiche. Wie sind die Gegenstände in der Kulturwissen­ schaft von denen in der Naturwissenschaft zu unterscheiden, wenn wir immer nur Zeichen interpretieren? Ethik. Ist es überhaupt noch sinnvoll, von universalen „Menschen­ rechten“ zu sprechen, wenn dieses semiotische Paradigma die Identität einer „allgemeinen Menschennatur“ verneint?

Alle diese Probleme haben eine gemeinsame Tendenz. Das semiotische Para­ digma verleitet oft zu einer Ästhetisierung von Inhalten und einem Absehen von der konkreten sozialen Wirklichkeit. Ich werde diese Fragen nicht auf­ greifen, sondern nach den Konsequenzen dieses semiotischen Paradigmas für die Philosophie fragen. Es gibt auch eine Reihe von Philosophen (Peirce, Cassirer, Goodman, Derrida), die Zeichen und Symbolprozesse theoretisch betrachten, aber die Konsequenzen des semiotischen Paradigmas der Kultur werden in der Philo­ sophie im Allgemeinen nur zögerlich beachtet. Die Philosophie des 20. Jahr­ hunderts war in der Hauptsache Sprachphilosophie. Dilthey sah die Aufgabe der Hermeneutik nicht nur in der Auslegung von Texten, sondern auch in der Beschäftigung mit kulturellen Dokumenten wie Gemälden oder Skulpturen,4 doch das Ziel dieser Beschäftigung bleibt das gleiche wie bei der Textausle­ 3

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Siehe zum Beispiel Mieke Bal/Norman Bryson: Semiotics and Art History, in: The Art Bulletin 73/2 (Juni 1991), S. 174–208; Jean Mitry: La sémiologie en question. Langage et cinéma, Paris 1987; Ulrich Raulff: Von der Kulturgeschichte zur Ge­ schichtskultur, in: Klaus P. Hansen (Hg.): Kulturbegriff und Methode. Der stille Paradigmenwechsel in den Geisteswissenschaften, Tübingen 1993, S. 133–148; Oswald Schwemmer: Die kulturelle Existenz des Menschen, Berlin 1997. Wilhelm Dilthey: Die Entstehung der Hermeneutik, in: Gesammelte Schriften, Bd. 5, Leipzig/Berlin 1924, S. 319.

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gung: eine allgemeingültige Interpretation eines Werkes zu entwickeln. Her­ meneutik geht von der Idee einer geistigen Überlieferung aus, nach dem Mo­ dell von Autor und Leser. Der Autor oder Künstler in seiner Welt und wir in unserer Welt sind durch Zeit und Raum getrennt, doch im Verstehen soll diese Differenz aufgelöst werden. Die idealistische Vorstellung einer solchen Horizontverschmelzung geht von der Präsenz eines Sinnes aus, die Semiotik aber von der Aufstapelung von Sinn. Einerseits stehen Hermeneutik und Se­ miotik sich in der Tendenz nahe: Beide gehen davon aus, dass Kultur nicht für alle Menschen überall und jederzeit gleichermaßen gegeben ist wie ein Na­ turphänomen. Um Kulturphänomene zu verstehen, müssen sie interpretiert werden. Aber das Modell von Autor und Leser lässt sich nicht auf jede Art von Zeicheninterpretation gleichermaßen übertragen. Hermeneutiker befassen sich mit Texten, aber kaum mit dem Problem der Deutung von Knochenresten oder Scherben, obwohl Archäologen oft keine anderen „Vorlagen“ zu deuten haben. Hermeneutik befasst sich mit dem „geistigen“ Gehalt von Symbolen. Zeichen sind für sie ein transparentes Medium, in dem die geistige Überliefe­ rung aufgehoben wird. Vorfragen, wie zum Beispiel, ob etwas ein Symbol ist, oder ob etwas Schrift ist, sind für die Hermeneutik von untergeordnetem In­ teresse. Aber Fachleute weltweit sind oft nicht in der Lage, Schriften zu ent­ ziffern oder als solche zu identifizieren. Man hatte „Linear B“ zunächst für Dekoration gehalten, dann für eine unlesbare Schrift, und erst nach langer Zeit kam man darauf, dass sie eine bekannte Sprache (Griechisch) verschrift­ lichte, bevor das griechische Alphabet entstand. Auch die für die Hermeneutik so grundsätzliche Unterscheidung von „Verstehen“ und kausaler Erklärung wird in der Semiotik relativiert. Wenn ein Archäologe nicht­schriftliche Zeugnisse wie Knochenteile deutet, benö­ tigt er neben der Untersuchung der Lage des Fundes vor allem die Resultate von verschiedenen chemischen Untersuchungen. Sie dienen nicht bloß der Datierung der Fundstücke. Der gegenwärtige Streit in der Archäologie, ob die Anazani­Zivilisation Kannibalismus praktizierte oder nicht, hängt wesent­ lich von den Resultaten chemischer Laboruntersuchungen ab. Wenn diese Praxis tatsächlich im 12. Jahrhundert aufkam, hätte man in diesen Terrorak­ ten eine Erklärung dafür, weshalb die Bevölkerung floh.5 Für die Semiotik sind osteologische Zustände oder Messungen mit einem Gerät genauso sehr Zeichenphänomene wie der geistige Sinn einer Handschrift. Die einen sind indices im Peirce’schen Sinne, die anderen Symbole. Indices sind in Symbol­ prozesse eingebettet, etwa in die Symbolsysteme, die wir theoretische und experimentelle Chemie nennen. 5

Siehe Christy G. Turner/Jacqueline A. Turner: Man Corn. Cannibalism and Vio­ lence in the Prehistoric American Southwest, Utah 1999.

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Dies alles soll nur den Hauptunterschied zwischen Semiotik und Her­ meneutik illustrieren: Semiotik ist nicht sprachzentriert. Semiotik unter­ scheidet und untersucht alle Arten der Zeichen und ihre Besonderheit. So gelten vor allem zwei weitere Sinn­Bereiche als ebenbürtige Themen der Se­ miotik neben den sprachlichen Symbolen: Anzeichen (in Peirces Terminolo­ gie: indices) und Bilder (in Peirces Terminologie: icons). Die semantische Funk­ tion von Anzeichen bzw. indices wird oft im Zusammenhang von sprachlicher Semantik untersucht, aber das icon, das Bild, fand und findet bei Philosophen vergleichbar wenig Beachtung. Bilder werden zumeist als ästhetisches Phäno­ men eingestuft und somit, wie Danto sagt, entmündigt. Das Bild ist der blinde Fleck der Philosophie. Das semiotische Paradigma der Kulturwissenschaft führt hier zu einem Umdenken und hat verschiedene Vertreter dazu veranlasst, eine Fort­ setzung des „linguistic turn“ in der Philosophie zu fordern, und zwar einen „pictorial turn“, „iconic turn“ oder „imagic turn“.6 Da es hierbei um eine se­ miotische Auffassung geht, ziehe ich die Bezeichnung „iconic turn“ vor.

2. „Ic on ic Tu r n“ i n der Ph i losoph ie Die linguistische Wende in der Philosophie war keine semiotische. Man blieb bei der Sprache stehen, auch wenn angeblich mit der idealistischen Tradition der „Begriffe“ gebrochen werden sollte.7 Philosophie ist in der Tat auf Sprache angewiesen, aber diese Sprachabhängigkeit muss nicht zu einer Beschrän­ kung des Interesses auf Sprache führen. Vor allem ist diese Sprachzentriert­ heit unvereinbar mit einer Theorie der Kultur als Symbolprozess. Zeichenpro­ duktion beginnt nicht mit dem Sprechen. Schon eine Unterlassung, wie etwa das Nicht­Essen bei gewissen Gelegenheiten, kann eine Symbolfunktion ha­ ben. Die Ritualisierung von Handlungen ist die Grundlage sozialen und kul­

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7

Siehe William J. T. Mitchell: Picture Theory. Essays on Verbal and Visual Represen­ tation, Chicago 1994, darin: The Pictorial Turn, S. 11–34; zum „iconic turn” vgl. Gottfried Boehm: Die Wiederkehr der Bilder, in: ders. (Hg.): Was ist ein Bild?, Mün­ chen 1995, S. 11–38; zum „imagic turn“ vgl. Ferdinand Fellmann: Wovon sprechen die Bilder? Aspekte der Bild­Semantik, in: Birgit Recki/Lambert Wiesing (Hg.): Bild und Reflexion, München 1997, S. 147–159. Noch die vierte Auflage von Friedrich Kirchner: Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe, hg. v. Carl Michaelis, Leipzig 1911 (Philosophische Bibliothek 67), enthielt keine Erläuterung zu den Termini „Bild“ oder „Sehen“, und das in einem 1124 Seiten starken Band. Dagegen enthält die Enzyklopädie Philosophie, 2 Bd., hg. v. Hans Jörg Sandkühler, Hamburg 1999, unter „Bild/Bildtheorie“ einen fünf­ seitigen Eintrag, S. 183–188.

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turellen Lebens.8 Es klingt vielleicht befremdlich, rituelle Handlungen als bildhaft zu bezeichnen, da Bilder im alltäglichen Sinne Dinge sind, die an der Wand hängen. Im semiotischen Sinne aber ist etwas bildhaft, wenn es seinen Sinn in seiner konkreten sinnlichen Gestalt präsentiert. Dies trifft nicht nur für Sichtbares zu. So ist auch Musik im semiotischen Sinne „iconic“. Hier entsteht eine Schwierigkeit: Peirce charakterisierte das „iconic sign“ als eine Art von „likeness“9 oder Ähnlichkeit. Dies ist bei wiederholten Ritualen oder aufgeführten Kunstwerken einleuchtend, weil es dort um eine Bild­Vorbild­Beziehung geht, aber dies trifft nicht für jede bildhafte Erschei­ nung zu. Das nie zuvor Gesehene sichtbar zu machen, ist zum Wahlspruch der modernen Kunst geworden. Auch Peirce gestand,10 dass es fraglich ist, ob alle Ikonen „likenesses“ darstellen; er meinte aber, dass dieses Problem trivial sei. Es ist aber nicht trivial. Denn es handelt sich nicht um ein Ausnahmephäno­ men. Ausdruckssymbolik, z.B. der Ausdruck eines Mundes, den wir ein „Lä­ cheln“ nennen, oder ein „finsterer Blick“, sind keine „likenesses“. Das Kunst­ bild ist nicht wesentlich ein „likeness“, sondern macht etwas sichtbar, auch wenn das Bild wohlbekannte Gegenstände oder Personen darstellt. Wenn die Wahrnehmung tatsächlich ein Symbolprozess ist, dann gibt es auch eine symbolische Ordnung der Wahrnehmung. Diese haben die Phi­ losophen gerne der Sprache angelastet: Aber es geht um mehr als darum, wie wir die Welt mit der Sprache „zuschneiden“. Ein „iconic turn“ in der Philoso­ phie müsste eine Lehre von der symbolischen Ordnung bildhafter Erschei­ nungen entwickeln: eine „Ikonologie“, eine Logik des Bildes selbst. Dass die Wahrnehmung eine Logik hat, sieht man daran, dass sie fehlbar ist, wie auch das Denken, da beide sich auf Formen von Zeicheninterpretation stützen. Dem Namen nach gibt es schon länger eine „Ikonologie“, aber als Teil der Kunstge­ schichte. Panofsky erläuterte 1939 seine dreistufige Auffassung der Ikonolo­ gie mit der Beschreibung einer Szene: Man trifft einen Bekannten auf der Straße, der einen grüßt, indem er den Hut kurz abnimmt. Darin unterschied er zwischen drei Arten von Sinn: (1) die formale Erscheinung einer natür­ lichen Gegenständlichkeit, (2) die darin vorkommende konventionelle Bedeu­ tung und (3) die „symbolische“ Bedeutung, die in dieser bestimmten Konven­ tion exemplifiziert wird: sichtbare Begrüßungsformen überhaupt. Panofsky setzte voraus, dass wir die formale Erscheinung natürlicher Gegenständlichkeit in der „vitalen Daseinserfahrung“ vorfinden. Die Beschrei­ 8

9 10

Siehe die Arbeit der Anthropologin Mary Douglas: Natural Symbols. Explorations in Cosmology, New york 1973, S. 12: „The body furnishes a system of natural symbols.” Vgl. die neue Arbeit von Israel Schemer: Symbolic Worlds. Art, science, language, ritual, Cambridge 1997, bes. Kap. V: Symbol and Ritual. Charles Sanders Peirce: CP, Bd. 2, Cambridge, MA 1932, § 279. Ebd. § 282.

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bung derselben nennt er vorikonographisch. Mittels historischer Forschung können wir den darin vorkommenden konventionellen Sinn deuten. Diese Deutung wird ikonographisch genannt, aber die letzte „symbolische“ Bedeu­ tung verlangt allgemeine Gelehrsamkeit, die uns ermöglicht, diese bestimmte Konvention der Hutabnahme in eine Geschichte von Begrüßungskonventio­ nen überhaupt aufzunehmen. Diese vergleichende Lehre von allgemeinen bildlichen Formen nennt Panofsky Ikonologie. Ikonologie in diesem Sinne ermittelt uns eine Geschichte von Bildformeln, aber nicht die Logik des Bild­ haften per se. Eine philosophische Ikonologie müsste dieses Interesse um­ drehen, und die erste bildhafte Erscheinung thematisieren. Die bildhaften Er­ scheinungen der vitalen Daseinserfahrung, die Panofsky voraussetzte, müssten in einer philosophischen Ikonologie Thema sein: z. B. die Erkenntnis eines Menschen, der uns grüßt. Die kunsthistorische Ikonologie befasst sich mit Motiven in Tafelbildern, eine philosophische Ikonologie mit der bildhaften Erscheinung überhaupt. Der von William Molyneux im 17. Jahrhundert ausgelöste Streit, ob jemand, der seit Geburt blind war und erst im erwachsenen Leben den Ge­ sichtssinn gewinnt, danach richtig sehen könne, wurde schon von Berkeley und wird heute durch die Medizin mit „Nein“ beantwortet. Erst nach langer Übung mit dem Abzählen von Ecken können geheilte Blinde die Dreiecke und Vierecke, die sie sehen, unterscheiden. Aphasieforscher stellen fest, dass bei Patienten mit Gehirnverletzungen die Wahrnehmungsorgane physiologisch funktionieren können, während ihre Kapazitäten wahrzunehmen einge­ schränkt sind. Kurt Goldstein notierte einmal, wie ein Patient ihm erzählte, auf welche Weise er Menschen von Autos unterschied: „Menschen sind alle gleich: schmal und lang, Wagen sind breit: das fällt sofort auf, viel dicker.“11 Diese Beispiele illustrieren unter anderem den Prozesscharakter der ikonischen Erkenntnis. Roland Barthes fragte in seiner frühen Schrift Le Degré zéro de l’écriture 12 nach dem „Nullgrad“ des Schreibens. Darunter ver­ stand er die „naive“ Form des Schreibens. Dieses konnte weder engagiertes Schreiben (littérature engagée) sein – also kein Schreiben in der Form des „Imperativs“ – noch abstraktes intellektuelles Schreiben – also kein Schrei­ ben in der Form des „Konjunktivs“. Der Nullgrad des Schreibens war für ihn daher die „indiktive“ Form. Wenn wir diese Art von Analyse auf das Bild zu übertragen versuchen, scheint dies zunächst unzulässig, denn auch wenn man

11 12

Protokoll von Kurt Goldstein und A. Gelb, zit. n. Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, Bd. 3: Phänomenologie der Erkenntnis (1929), Darmstadt 1964, S. 281 Anm. Roland Barthes: Le Degré zéro de l’écriture, Paris 1953; dt.: Am Nullpunkt der Lite­ ratur, übers. v. Helmut Scheffel, Frankfurt/M. 1982.

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Schreiben und Sehen als Prozesse betrachtet, bleibt dennoch der Unterschied, dass Schreiben eine Schrift verlangt und somit ein kulturelles Produkt, wo­ gegen das Sehen scheinbar von Natur da ist. Bevor es geschaffene Tafelbilder gab, gab es die Wahrnehmung der sichtbaren Welt von grüßenden Menschen usw. Die sogenannten Wahrnehmungsbilder sind keine kulturellen Produkte, wie z.B. ein Alphabet. Bei näherem Hinsehen aber zeigt sich, dass die Frage nach der naiven Art des Sehens von Bildern die Hinfälligkeit der Natur/Kul­ tur­Unterscheidung zeigt. Wenn wir fragen, was die Grundform des Bildes von der des Schrei­ bens unterscheidet, dann enthält diese Frage eine Reihe von Voraussetzungen. Zunächst setzt sie voraus, dass Bild und Schrift grundsätzlich verschiedenar­ tig sind. Sprachwissenschaftler, die die Entstehung von Schrift historisch er­ forschen, bestreiten dies. Alphabete gehen aus Piktogrammen hervor.13 Der Philosoph Giambattista Vico behauptete, eine Schrift gehe dem gesprochenen Wort voraus, wobei er unter „Schrift“ figurative Zeichen wie z. B. Gestik ver­ stand. Die γξαμματα, die Buchstaben, so schrieb Vico, waren das Erste, weil „alle Völker zuerst schreibend sprachen, da sie anfangs stumm waren“.14 Sie haben mit Gebärden kommuniziert, mit ritualisierten Ausdrucksformen, und vor allem, sie verfügten über eine bildnerische Wahrnehmung: Die erste Sprache war die Fabel, „und die Fabel hieß bei den Griechen μυθος ‚Mythos‘, woher für den Lateinern ‚mulus‘ – ‚stumm‘ – kommt.“15 Das Fabelhafte kam nämlich zuerst auf „stumme“ Weise zum Ausdruck, durch Gebärde und körper­ liche Zeichen, aber auch durch die Ausdruckskraft der Wahrnehmung. Alles im Himmel, auf Erden und im Meer erschien den Menschen, meinte Vico, als Embleme. Ohne auf Vicos Ideen einzugehen, kann man seinen Ausgangs­ punkt festhalten: Die Wahrnehmung des Menschen beginnt mit der drama­ tischen Situation, in der die Dinge bzw. Menschen als bedrohlich oder gutar­ tig erscheinen. Auch das Kunstbild hat diesen dynamischen Charakter. Paul Klee beobachtete einmal, dass die Unterscheidung von Raum­ und Zeitkunst falsch ist: Man brauche einen Stuhl, um ein Bild zu sehen. Aber die Kunstbe­ trachtung ist keine naive Form des Sehens. Philosophische Bildtheorien gehen oft von einer Parallelisierung des Bildes und einer verschriftlichten sprach­ lichen Aussage aus, weil sie bei der Kunstbetrachtung ansetzen. Ein neues Buch definiert das Bild als Mittel zur Veranschaulichung von Sachverhalten.16 13 14 15 16

Siehe zum Beispiel Martin Kuckenburg: Die Entstehung von Sprache und Schrift. Ein kulturgeschichtlicher Überblick, Köln 1989, bes. S. 100–103. Giambattista Vico: Prinzipien einer neuen Wissenschaft über die gemeinsame Na­ tur der Völker, Bd. 2, Hamburg 1990, § 429, S. 206. Ebd. § 401, S. 188. Siehe Reinhardt Brandt: Die Wirklichkeit des Bildes. Sehen und Erkennen – Vom Spiegel zum Kunstbild, München 1999, S. 10.

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Dies ist zutreffend für bestimmte Bereiche der bildlichen Darstellung, aber diese atemporale Konzeption sieht von der Dynamik des Bildes als kultu­ rellem Zeichenprozess ab und von seiner manchmal überwältigenden Aus­ druckskraft. Hier unterscheiden sich der Bildprozess und der Prozess des Schreibens als semiotische Formen. Die naive Grundform des Bildes ist wegen ihrer sinn­ lichen Fülle ein Imperativ. „Schau her!“, heißt es. Die oft erwähnte „Macht des Bildes“ besteht darin, dass Bilder nicht nur wie jedes andere Zeichen eine Interpretation verlangen, sondern auch ein sinnliches Überangebot bereithal­ ten, das sich aufdrängt. Der imperative Charakter des Bildhaften veranlasste Platon zu seiner Kritik an der Mimesis. Die konkrete Darstellung, zumal des Unsittlichen, kri­ tisierte Platon an den Dichtern. Der bloß mündlichen Kultur der homerischen Zeit mit ihren rohen Sitten stellte Platon ein ganz anderes, durch die Schrift­ lichkeit zur ruhigen Distanz geschultes Denken gegenüber, das die Frage des Gerechten aus der Sphäre der bloßen Nachahmung hob und in den Bereich der Dialektik und Rechenschaft verlegte. Diese platonische Wende war seither der Anlass zu einer grundsätzlichen ikonoklastischen Haltung in der Philosophie. Doch dieser Ikonoklasmus ist unvereinbar mit der Lehre, dass Kultur ein Symbolprozess ist.

3. Konsequen zen der Bi ld l ic h keit von Ku lt u r Nehmen wir unsere aktuelle Situation. Ihre Aufmerksamkeit ist verteilt: auf meine Worte und auf das, was Sie sehen, auch auf meine Kleidung sowie auf das Zimmer, in dem wir uns befinden. Alle diese Dinge gehören zur Kultur wie die Sprache, die ich spreche und die sie verstehen. Aber die Sprache, d.h. meine Rede, hat in meiner persönlichen Aussprache einen besonderen Cha­ rakter, der nicht mit den Worten als solchen gleichzusetzen ist. Wenn ein anderer diesen Text vorlesen würde, erhielte er eine andere Sprachphysiogno­ mik. Alle diese bildhaften sinnlichen Komponenten unserer Situation spielen in der philosophischen Betrachtung gewöhnlich keine Rolle. In der jüngeren deutschen Philosophie hat man die kantische Moral­ philosophie auf eine sprachphilosophische Basis übertragen. Die sogenannte Kommunikations­ oder Diskursethik bekennt sich zum Ideal einer offenen, aufgeklärten Gesellschaft. Eine kritische Öffentlichkeit führt zur post­kon­ ventionellen Ethik der Prinzipien, die ihre Gültigkeit nicht von der Autorität einer bestehenden Gemeinschaft – also der Tradition – herleitet, sondern in der Kommunikationsgemeinschaft selbst begründet ist. Sprache ist der Ort sozialer Auseinandersetzungen und Entscheidungen, der Ort der Verständi­ gung. Jeder, der eine Meinung vertritt, ist schon dadurch Mitglied der Kommu­

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nikationsgemeinschaft. Wer dies bestreitet, verwickelt sich in einen sprach­ pragmatischen Widerspruch. Wir sind als Sprechende alle Mitglieder der universalen Kommunikationsgemeinschaft und antizipieren in der Argu­ mentation einen Konsens. Dieser vorweggenommene Konsens ist konstitutiv für den Begriff der universellen Kommunikationsgemeinschaft und ist die Letztbegründung aller Argumentation. Die Menschheit erkennen wir im An­ deren an, indem wir ihn zum Gesprächspartner nehmen und nicht als Mittel gebrauchen. Die Achillesferse dieser Konzeption ist, dass sie voraussetzt, dass wir im Anderen einen Gesprächspartner sehen. Fehlende Gesprächsbereitschaft ist oft gerade das Problem bei moralischen Konflikten, ganz gleich, ob es um Gewissensfragen wie Abtreibung oder die Spannung zwischen sozialen Grup­ pen geht. Anstatt hier (wie R. M. Hare) bloß von „Fanatikern“ zu sprechen, kann es helfen, dieses Verhalten näher zu untersuchen. Die Gesprächsverwei­ gerung ist Ausdruck von Ablehnung. Kants praktischer Imperativ „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchtest“17 stützt sich auf die Unterscheidung zwischen Tier und Mensch auf Grund der Vernunft. Die Anerkennung der Menschheit im Anderen heißt, die Vernunft im Anderen anzuerkennen; in der sprachphilosophischen Variante: ihn als Gesprächspartner zu sehen. Wie anfangs erwähnt, wird das semiotische Para­ digma der Kulturwissenschaft manchmal so verstanden, dass es die Grenzen­ losigkeit der Interpretation beinhaltet. Beinhaltet dies auch die Freiheit, je­ manden nicht als Menschen zu sehen? Die Lehre von der Grenzenlosigkeit der Zeicheninterpretation ist eine abstrakte These, gestützt auf eine Theorie des Zeichenprozesses. Tatsächlich ist der Mensch immer ein Teilnehmer an der „Kultur als Symbolprozess“ und somit in seiner Spontaneität nur bedingt frei. Als verkörpertes Individuum lebt er in einer vorstrukturierten Welt, die sich einer Neuinterpretation widersetzt. Der Versuch, von der kulturellen Verkörperung einer menschlichen Biographie zu abstrahieren, verlangt Dis­ tanz. Aber eine distanzierte Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ setzt ein Unbeteiligtsein voraus, das nicht gegeben ist. Das Individuum findet seine eigene Identität in seiner erinnerten Biographie, die das Panorama eines Le­ bens wiedergibt. Unsere ethischen Überzeugungen reflektieren immer unsere Ansichten über uns selbst. Auch wenn wir versuchen, unser Selbstbild zu re­ vidieren, tun wir uns damit schwer. Wir rechtfertigen unsere Überzeugungen durch unsere Lebenserfahrungen, und neue Überzeugungen könnten mitun­ ter nach einer neuen Interpretation unseres Lebens verlangen. Es gibt Dinge, 17

Immanuel Kant: Grundlegung der Metaphysik der Sitten, in: Werke in zehn Bän­ den, hg. v. Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1968, Bd. 6, 61 (AB 66).

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die jeder „persönlich“ nimmt, und bei solchen Dingen lassen wir nur schwer oder gar nicht mit uns reden. Kulturelle und persönliche Identität lassen sich hier nicht trennen. Sie sind nicht rational disponierbare Realitäten, weil sie in imaginativen (iconic) symbolischen Formen aufgehoben sind. Die Angst vor dem Identitätsverlust ist bestimmt durch die Frage: Wie soll die Zukunft aus­ sehen? Der bildhafte Charakter von Kultur als Symbolprozess hat unter ande­ rem mit dem Aussehen einer typischen Architektur, dem Klang eines gespro­ chenen Dialekts, Musik, Tracht, Essen und diversen Lebensformen zu tun. Die sichtbaren Landschaften und Städte gewinnen einen nicht unbedeutenden Teil ihrer Realität durch die Literatur und die Lieder, in die sie eingegangen sind. Die politische Ikonographie untersucht die Rolle, die Bilder in der poli­ tischen Herrschaft spielen. Aber ihre größte Macht haben Bilder in der Unter­ werfung, die sie inspirieren.18 Auch weit entfernt vom Machtfeld der Politik bilden sie die Basis jeder Art von Loyalität und Treue. Sprache ist nicht bloß ein Kommunikationsmittel, sondern auch ein Individuationsprinzip. Auch das Verstehen einer Sprache erschließt oft nicht den Sinn des Gesagten, wenn das narrative Hintergrundwissen fehlt. Für die Kommunitaristen ist die Teilnahme an solchen Narrativen die Voraussetzung für jede Gemeinschaft, die mehr sein soll als eine beziehungslose Sammlung von Einzelnen. Zu dieser sogenannten narrativen Identität kommen auch sichtbare Zeichen hinzu: Kleidung, Haltung, Gebärden, aber auch manchmal Körperbau und Hautfarbe. Rassismus ist in der Diskursethik nicht vorgesehen. Doch er ist ein weltweit verbreitetes semiotisches Phänomen. Physiognomische Aspekte sind oft ausschlaggebend in der Wahrnehmung des Anderen. Die metaphorische Rede in solchen Fällen von „moralischer Blindheit“ verdeckt die Tatsache, dass wir es mit einem semiotischen Phänomen zu tun haben. Das bildhafte Erscheinen eines Menschen ist zunächst immer symbolisch formelhaft. Wir sehen Menschen zunächst als Repräsentanten eines Musters. Unsere Blicke, sprachlich formuliert, könnten lauten: „Er, bzw. sie, sieht aus wie ein Bankier“; „sie, bzw. er, sieht, aus wie eine Italienerin“. Diese Muster sind Teil eines Inter­ pretationsprozesses, der zu einem vollständigen Bild eines Individuums füh­ ren kann: das Panorama seines Lebens. Versprachlicht können solche Muster verletzend für die betroffenen Menschen klingen, weil sie die Individualität aussparen. Manchmal wird nicht nur die Individualität ausgespart, denn die – nicht ausgesprochene – Sicht 18

Siehe Paul Rabinow: Repräsentationen sind soziale Tatsachen. Moderne und Post­ moderne in der Anthropologie, in: Eberhard Berg/Martin Fuchs (Hg.): Kultur, so­ ziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation, Frankfurt/M. 1993, S. 158­197.

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kann auch heißen: „Das sind keine Menschen“. Auch diese Sicht muss als Resultat einer ikonischen Musterbildung, als ein Aspekt der „Kultur als Sym­ bolprozess“ begriffen werden. Peirce empfand Skepsis gegenüber seiner Ansicht, dass ein icon immer Ähnlichkeit ausdrücken müsse, er dachte dabei an das Bild eines Betrunkenen, das die Tugend der Nüchternheit versinnbildlichen soll. Dies ist gerade kein likeness. Eine der Techniken der ars memoriae der Renaissance war der Kon­ trast: Etwas kann leicht durch sein Gegenteil erinnert werden, weil der Kon­ trast markant ist. Individuelle und kulturelle Identität bestehen nicht weniger aus einem Panorama markanter Bilder als narrative Strukturen. Die mar­ kanten Bilder der menschlichen Erinnerung bestimmen auch unsere Vorstel­ lungen davon, wie die Welt aussehen soll. Die Analyse dieser ikonischen For­ men gehört zu den Aufgaben einer Philosophie, die „Kultur als Symbolprozess“ versteht. Eine der Aufgaben einer philosophischen Ikonologie wäre es, die Pro­ toethik des Sehens zu rekonstruieren, die zu einer Kritik des naiven Sehens führt. Die Kommunikationsethik blieb bei der Sprache stehen, aber ikonische Zeichen ermöglichen und verhindern das Gespräch. Ohne den Anderen als möglichen Gesprächspartner zu sehen, findet kein Gespräch statt. Aber auch wo kein Gespräch ist, hat Semiosis stattgefunden. Philosophie kann die iko­ nische Semiosis genau so gut wie die sprachliche Semiosis untersuchen. Es gibt auch allen Anlass dazu.

Q uel Cor p s? E i ne Fr a g e der Re pr ä s e nt at ion Herausgegeben von Hans Belting, Dietmar Kamper und Martin Schulz München 2002, S. 295–307

D I E U N I V E R S A L I TÄT D E R PAT H O S F O R M E L N Der Leib als Symbolmedium

1. Aby Warburg brachte 1905 in einem kunsthistorischen Aufsatz den Terminus „Pathosformel“ in Umlauf. Eine Pathosformel ist eine bildliche Darstellungsform von einem gesteigerten Gefühlsausdruck. Mit der Verbindung der Worte „Pathos“ und „Formel“ wollte Warburg das Resultat einer Transformation bezeichnen, bei der etwas individuell Ereignishaftes – Pathos – zu etwas Objektivem und Dauerhaftem gemacht wird. Es ging Warburg zunächst um kunsthistorische Überlegungen, wie „fast völlig übereinstimmend, [sich] […] dieselbe […] Pathosformel, auf eine Orpheus- oder Pentheusdarstellung zurückgehend, in Künstlerkreisen eingebürgert hatte“.1 Schon in dem Wort „oder“ ist die Formelhaftigkeit angesprochen, um die es hier geht, denn nicht der semantische Bezug auf Orpheus oder Pentheus ist entscheidend, sondern die bildhafte Darstellungsart ihres Todes (wie sie sich mit gehobener Hand schützen), die zu einer kopierbaren Formel wird. Die Eigennamen „Orpheus“ und „Pentheus“ machen als sprachliche Bezeichnungen auf Beziehungen zu bestimmten Geschichten aufmerksam. Die Pathosformel ist das bildhafte Element, das diese Geschichten verbindet. Warburg charakterisierte die Pathosformeln als die „Superlative der Gebärdensprache“ oder manchmal auch als die „Urworte der Gebärdenspra-

1

Aby Warburg: Dürer und die italienische Antike, in: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance, Berlin 1998 (Gesammelte Schriften, hg. v. Horst Bredekamp/Michael Diers/Kurt W. Forster/Nicolas Mann/Salvatore Settis/Martin Warnke, Erste Abt., Bd. 1.2, Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, S. 446 zu Tafel LV. Hiernach: GS).

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che“.2 Vom lebendigen Leib ausgedrückt verflüchtigen sich Gebärden, aber in einem Bild dargestellt, sind sie über lange Zeit kopierbar und somit eine Formel. Durch diese Kopien können Gebärden über Jahrhunderte und große räumliche Entfernungen hinweg wirken. Pathosformeln kennen keine kulturellen Grenzen, obwohl sie nicht in allen Kulturen ausgeprägt sind. Dies liegt daran, dass Pathos zwar etwas Allgemeines ist, zu dessen Empfindung der menschliche Körper in der Lage ist, aber die öffentliche Exibition von Pathos durchaus nicht in allen Kulturen gleich akzeptiert wird. Der Konfuzianismus z. B. untersagt das Zur-Schau-Stellen von starken Emotionen. Der semantische Sinn von Bildern (Orpheus’ Tod oder Pentheus’ Tod oder wessen auch immer) kann leicht verloren gehen, denn die zu den Bildern gehörenden sprachlichen Erzählungen werden im Bild selbst nur durch Anzeichen übermittelt. Das Bild bleibt stumm. Es ist daher nicht überraschend, dass der semantische Bezug bei Bildern große Umwandlungen erfährt und die gleiche Pathosformel somit auch zu ganz anderen Ausdruckszwecken benützt werden kann. Gerade die Umwandlungen dieser Bildformen und die Veränderungen ihres Sinns haben Warburg interessiert. Warburg versuchte die Verwandlungen, Abschwächungen und Intensivierungen zu zeigen, die diese Formeln erfahren: in Gemälden, Plastiken, auf Münzen, Briefmarken, Sarkophagen, Wandteppichen, Architektur, Werbung und in anderen Medien. Die Frage nach der Entstehung von Pathosformeln führte Warburg zu anthropologischen Überlegungen, die ihn mit Ernst Cassirer verbanden. Einmal beschrieb Warburg den Zweck seiner Zusammenarbeit mit Cassirer in einem Brief an ihn, indem er sagte, dass „wir beide eine ‚allgemeine Kulturwissenschaft als Lehre vom bewegten Menschen‘ schaffen“ werden.3 Die Rede vom „bewegten Menschen“ soll zunächst buchstäblich verstanden werden. Denn Warburg und Cassirer gingen aus vom mechanisch bewegten menschlichen Körper in der Zeit. In der Kulturwissenschaft Warburgs und Cassirers ist der menschliche Körper nicht bloß aus biologischen oder existentiellen Gründen zentral, sondern für beide ist Gestik die erste kulturelle symbolische Form. Cassirer formulierte diesen Gedanken so: „[D]as Verhältnis von Leib und Seele stellt das erste Vorbild und Musterbild für eine rein symbolische Relation dar“.4 D. h., die Muskeln und Glieder, die sich rein physisch bewegen, drücken auch seelische Bewegung aus. Edgar Wind, der 2 3 4

Aby Warburg: Italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara, in: GS, Erste Abt., Bd. 1.2, S. 461. Warburg an Cassirer, Kreuzlingen, 15. 04. 1924, in: Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University, MSS 355, Box 3; folder 74. Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, Teil 3: Phänomenologie der Erkenntnis (1929), Darmstadt 1964, S. 117.

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mit Cassirer und Warburg arbeitete, meinte: Wir finden im Gebrauch des eigenen Körpers das Phänomen der Metapher wieder. „Aller Ausdruck durch Muskelbewegung ist metaphorisch […] Je stärker, je konzentrierter die seelische Erregung ist, die sich im Ausdruck entlädt, desto näher kommt die symbolische Bewegung der physischen.“5 Die Pathosformeln entstehen aus solchen Bewegungen des Gemüts, die sich in Körpergebärden ausdrücken.

2. Antike Künstler schufen die Pathosformeln, die die Künstler der Renaissance wieder aufgriffen. Der Rückgriff auf antike mythologische Erzählungen ist in der heutigen Kunst rar (z. B. Robert Delauneys Bild mit den drei Grazien in Paris), dennoch können die antiken Formeln, wie Warburg zeigte, überleben. Manets rätselhaft wirkendes Déjeuner sur l’herbe, zeigte Warburg,6 hat Vorbilder im Urteil des Paris aus der Antike und der Renaissance. Warburgs Kommentar hierzu: „Die energetische Umkehrung des ‚passiven Fatalismus‘ der Lagernden im ‚Urteil des Paris‘ zum ‚Aus-sich-Herausgehen‘ in Manets ‚Dejeuner sur l‘herbe‘“.7 Dieses Beispiel zeigt, dass die Tradierung von Pathosformeln und die Tradierung von Mythen nicht dasselbe sind, da sie verschiedenen Symbolismen angehören: Mythen sind sprachliche Erzählungen, die von einer Reihe von Handlungen und Tatsachen berichten; Pathosformeln sind bildlich und transportieren den Anblick emotionaler Zustände und Stimmungen in den sichtbaren Formen von angehaltenen Körperbewegungen und Ausdruck. Diese sind in ihrer Entstehungszeit und ihrem Entstehungsort miteinander verwoben, aber mit zeitlicher und räumlicher Entfernung geht diese Verbindung leicht verloren. Ein Mythos verlangt nach einer bestimmten Illustration, ein Bild aber ist mehrdeutig und kann viele semantische Zusammenhänge illustrieren. Warburg entdeckte oft die unerwartete Wiederkehr einer Pathosformel in einem seinem Ursprung ganz fremden, sogar auch entgegengesetzten Zusammenhang, so wie etwa die flehende „Maenade unterm Kreuz“ (Tafel 42). Der eigentliche Inhalt der Pathosformel ist eine Form und

5

6 7

Edgar Wind: Warburgs Begriff der Kulturwissenschaft und seine Bedeutung für die Ästhetik, in: Vierter Kongress für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, Hamburg, 7.–9. Oktober 1930, Beilagenheft zur Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, Bd. 25, 1931, S. 163–179, S. 175. Aby Warburg: Der Bilderatlas. Mnemosyne, hg. v. Martin Warnke unter Mitarbeit v. Claudia Brink, Berlin 2000 (GS, Zweite Abt., Bd. 2.1), S. 100–101, Tafel 55, Bilder 6a–c u. 10a. Zitiert nach Peter van Huisstede: Der Mnemosyne-Atlas. Ein Laboratorium der Bildgeschichte, in: ‚Ekstatische Nymphe … trauernder Flußgott‘. Portrait eines Gelehrten, hg. v. Robert Galitz/Brita Reimers, Hamburg 1995, S. 145.

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eine Intensität des Fühlens, während die sprachliche Erzählung einen möglichen Anlass dafür angibt, der dennoch auswechselbar ist. Pathosformeln tragen ihren Ausdruckssinn zur Schau: er ist nicht esoterisch; ihr eigentlicher Gehalt ist Pathos und die Dramatik einer Situation oder Handlung. Pathosformeln können darüber hinaus der „Veranschaulichung von Ideen“8 dienen, die ikonologisch interpretiert werden müssen, aber das ist nicht ihr primärer Sinn. Warburg wurde zum Vergleich zwischen Pathosformeln und Sprache angeregt durch Hermann Osthoffs Schrift über das Suppletivwesen in den indogermanischen Sprachen. Osthoff zeigte, dass in der Komparation ein Wortstammwechsel eintreten kann (bonus-melior-optimus), wie Warburg schreibt, „ohne daß die Vorstellung der energetischen Identität der gemeinten Eigenschaft oder Aktion darunter leidet, obwohl die formale Identität des wortgeformten Grundausdrucks wegfällt, sondern daß der Eintritt eines fremdstämmigen Ausdrucks eine Intensifikation der ursprünglichen Bedeutung bewirkt“.9 Warburg schloss daraus: „Mutatis mutandis läßt sich ein ähnlicher Prozeß auf dem Gebiet der kunstgestaltenden Gebärdensprache feststellen.“ Dies heißt, es ist möglich, dass Pathosformeln in ihrer energetischen Identität gleich bleiben, auch wenn diese nach außen ganz anders dargestellt wird, wobei sie auch verstärkt oder abgeschwächt werden kann. So sieht Warburg eine Pathosformel darin, „wenn eine fruchtkorbtragende Dienerin Ghirlandajos im Stil einer ganz bewußt nachgeahmten Victorie eines römischen Triumphbogens herbeieilt“.10 Doch sein Vergleich der Pathosformeln mit der Sprache ist problematisch, weil Pathosformeln Ausdrucksformen sind, deren Elemente gerade nicht den Charakter eines Vokabulars haben. Gebärden – Superlative und sonstige – lassen sich nicht aufteilen oder zusammensetzen nach einer Syntax wie die Bestandteile einer Sprache. Pathos wird erlitten oder durch Anstrengung erzeugt und scheint ein Naturphänomen zu sein. Nach Darwin sind menschliche Ausdrucksformen Überbleibsel der Evolution: ein Residuum von animalischen Reaktionen. Stirnrunzeln sollte die Augen während des Kampfes schützen, gefletschte Zähne sollten zubeißen, die geballte Faust sollte losschlagen. Reaktionen auf Erlittenes kennt die Tierwelt generell, aber bildhafte Pathosformeln kennen nur Menschen, weil sie weder biologische noch physiologische Funktionen, sondern: symbolische Formen sind. Es wäre daher angebrachter, Pathosformeln als eine „symbolische Form“ zu bezeichnen, nicht

8 9 10

Die brillanten ikonologischen Analysen von Panofsky und Wind erläuterten die bildhaften Darstellungen von Tugenden, theologischen Gedanken, neuplatonischen oder anderen philosophischen Ideen in Bildern. Warburg: Mnemosyne (wie Anm. 6), S. 3. Ebd.

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aber als eine „Sprache“. Warburgs Beschreibung von Pathosformeln als eine Art von „Sprache“, deren Urformen analog zu Worten zu verstehen ist, führt von der Sichtbarkeit dieser Formeln weg. Der Vergleich mit Sprache evoziert die Vorstellung, dass Pathosformeln einer Systematisierbarkeit fähig sind, wie sie für Sprache möglich ist. Im Laufe seines Lebens versuchte Warburg, eine Systematik der Pathosformeln aufzuweisen. Dies führte ihn zu seinem Projekt eines Bildatlasses.

3. Der menschliche Körper, nicht die Sprache, nimmt im Atlas die zentrale Stellung ein. Eine Tafel (Bild 1: „B: Menschenbildgleichnisse als Kosmosvorstellungen“) zeigt Darstellungen des Kosmos am menschlichen Leib, die Bedeutung des Körpers als Durchgangspunkt der Welt. In der Einleitung beginnt Warburg mit der Feststellung: „Distanzschaffen zwischen sich und der Aussenwelt darf man wohl als Grundakt menschlicher Zivilisation bezeichnen.“11 Auch Pathosformeln sind Mittel der Distanzierung. „Katharsis“ ist aber ein zu starkes Wort dafür. Die Objektivierung von Pathos in einem Bild schafft nicht Mitleid und Furcht, wie beim Theater. Diese Lehre mag für die Erfahrung der Tragödie zutreffen, lässt sich aber nur bedingt auf die Pathosformeln übertragen, trotz ihrer Dramatik und Theatralität. Denn das Theater ist, obwohl es auch gesehen wird, eher ein Sprachmedium, eine ausgedehnte Erzählung.12 Das Theater kann mit seinen lebenden Figuren Gebärden-Superlative nur sehr begrenzt einsetzen, ohne übertrieben zu wirken. Bilder dagegen sind buchstäblich ein stilleres und sanfteres Mittel als Theater,13 indem ihre Aktivierung von Gefühlen neutralisiert ist durch ihre Form der Darstellung.14 Warburg nannte Bilder „Temperamentsventile“ und sprach ihnen eine „Entgiftungsfunktion“ zu.15 Sie zeigen Pathetisches, halten es aber dennoch auf Abstand. Wie hängen Pathosformeln zusammen? Die Darstellung menschlichbewegten Lebens ist nach Warburg keine Naturgegebenheit, sondern entstand historisch in der Auseinandersetzung „zwischen pagan-kämpfender und christ11 12 13 14 15

Ebd. Die Vermittlung zwischen Theater und dem festen Bild – der Film – war für Warburg kein Thema. Diese Behauptung soll als eine relative verstanden werden. Die Wirkung von unbewegten Bildern zeigt James Elkins: Pictures and Tears, London 2001. Siehe Martin Warnke: Der Leidschatz der Menschheit wird humaner Besitz, in: Werner Hofmann/Georg Syamken/Martin Warnke (Hg.): Die Menschenrechte des Auges, Frankfurt/M. 1980, S. 113–186, S 139–142. Ebd. S. 141.

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lich-ergebener Persönlichkeits-Empfindung“.16 Betrachten wir vergleichsweise die chinesische Malerei, so lassen sich keine Pathosformeln im Sinne von „Superlativen des Ausdrucks“ finden. Die theoretischen Schriften zur chinesischen Malerei erheben andere Maßstäbe für Bilder als die der Ausdruckssteigerung: nämlich die Selbstlosigkeit des Malers und die Einswerdung mit der Welt.17 Warburgs Atlas enthält daher keine chinesischen Bilder dieser Art. Gesteigerter Ausdruck muss also nicht in sichtbaren Symbolen dargestellt werden. Warburg meint: „die Darstellung menschlich-bewegten Lebens als Aufgabe“ muss erst vorliegen.18 Die Menschen stehen in ihren Kulturen immer wieder vor der Entscheidung, ob die bildhafte Darstellung von gesteigerten Gefühlen etwas Verwerfliches ist oder nicht. Es ging Warburg im Atlas also nicht darum, universelle Pathosformeln zu finden, die in allen Kulturen ausgeprägt vorkommen. Die Bildgeschichte sollte nach Warburg den Prozess erforschen, in dem Einzelgebärden „als kanonische Pathosformel […] in Umlauf gesetzt werden“.19 Fritz Saxl stellte fest, dass wir im Atlas historische Umwandlungsprozesse illustriert sehen: „die Ent-Olympisierung der Olympieer als Sterndämonen“ oder umgekehrt „die Rezeption der antiken Pathosformel als eine Restitution der Olympieer aus ihrer orientalisch-astrologischen Verhüllung“. Diese Prozesse illustrierten eine sich wiederholende Pendelbewegung zwischen polaren Gegensätzen, z. B. Ehrfurcht und Furcht.20 Die Transformationen der Pathosformeln, wie sie sich in vielen Tafeln niederschlagen, nötigen zu keiner geschichtsphilosophischen Auslegung, denn der Atlas zeigt nicht kausale Beziehungen, sondern Sinnzusammenhänge. Der Künstler, der ein Bild im Atlas schuf, konnte auf ein mit abgebildetes Vorbild zurückgegriffen haben oder schuf ein unbekanntes Zwischenglied in einer Reihe. Diese Beziehungen sind aber nicht das eigentliche Thema, sondern die Einheit des Ausdrucks. Die Tafeln zeigen immer wieder, dass eine Pathosformel verschiedene semantische Sinninhalte zulässt, die dann als Sinnumkehrungen im Atlas dokumentiert werden, weil der Bildhistoriker 21 ihre entgegengesetzten Bedeu16 17 18 19 20 21

Warburg: Mnemosyne (wie Anm. 6), S. 6. Siehe Osvald Sirén: The Chinese on the Art of Painting. Translations and Comments, New York/Hong Kong 1965. Warburg: Mnemosyne (wie Anm. 6), S. 6. Ebd. Siehe Warburgs Schlusswort zu Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten, in: GS, Zweite Abt., Bd. 1.2, S. 534. Warburg meinte von sich, er sei nicht „Kunsthistoriker, sondern „Bildhistoriker“ (Tagebucheintrag vom 12. Feb. 1917). Siehe Michael Diers: Warburg aus Briefen. Kommentare zu den Kopierbüchern der Jahre 1905–1918, Weinheim 1991, S. 230, Anm. 142.

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Bild 1 Aby Warburg: Übertragung von kosmischen Systemen auf den Körper, Mnemosyne-Atlas, Tafel B, 1928, Collage, London, Warburg Institute.

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tungen kennt.22 Es ist bekannt, dass emotionale Extreme einander ähneln. Bei emotionalen Extremen stellen sich unkontrollierbare Umschlagsphänomene ein: Ein sich mit stark aufgerissenem Mund gebärdender Mensch erscheint dem Einen als Lachender, dem Anderen als Terrorisierter. Solche Umkehrphänomene gibt es daher auch in der bildlichen Darstellung von Pathos. Entgegengesetzte Emotionen können leicht am gleichen Gegenstand entstehen. Während der bestirnte Himmel Kants Gemüt mit Bewunderung und Ehrfurcht erfüllte,23 unterstrich Warburg, dass den Astrologen ihre mathematischen Berechnungen der Sternenlaufbahnen nicht Ehrfurcht, sondern Dämonenfurcht einflößte, da die Sterne über das Schicksal, ja über Leben und Tod entschieden.24 Das Problem einer wissenschaftlichen Zusammenstellung von Pathosformeln kommt daher, dass keine Regeln für die Bestimmung von Gefühlszuständen in Bildern angegeben werden können und somit auch nicht für deren Erhalt oder Veränderung von einem Bild zum nächsten. Warburgs eigene Bezeichnung der Pathosformeln als die „Superlative einer Gebärdensprache“ lässt sofort an das Verhältnis zum Komparativ und Indikativ denken, aber Pathos bleibt Pathos; er kann intensiver oder schwächer werden und einen umgewandelten Sinn erhalten, aber die Pathosformel bleibt immer Gebärde. Auf die Macht des Bildes kommt es in den Pathosformeln an und nicht auf das sachlich Dargestellte. Daher ist es verständlich, dass auch Warburgkenner die Zusammenstellung der Bilder in den Tafeln des Atlasses für zufällig halten.

4. Eine Hilfe zur Deutung der Pathosformeln findet sich in einem Spätwerk von Claude Lévi-Strauss. In seinem Der Weg der Masken hat Lévi-Strauss zum ersten Mal seine der Linguistik entnommene strukturalistische Betrachtungsweise der Mythen auf sichtbare Gegenstände angewandt und zwar auf die Masken der Indianer des Kanadischen Nordwestens, vor allem der Kwakiutl 22

23 24

Sinnumkehrung gibt es im Atlas allenthalben, z. B. in Tafel 47, die eine Nympha (italienisch: Ninfa) als Schutzengel und als Kopfjägerin zeigt, oder die Verwandlung im Sinne von Stufen der Intensität, Tafel 46 („Eilbringette“, die von der Domestizierung einer Divinität handelt), oder Tafel 40 (Durchbruch des antiken Temperaments. […] Excess der Pathosformel), die die Zunahme der Gefühlsintensität zeigt. Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft, A 289. Warburg (wie Anm. 20), S. 505. Cassirer bezieht sich auf diese Stelle in: Die Begriffsform im mythischen Denken (1922), in: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, Darmstadt 1969, S. 52. Es gibt in Warburgs Atlas neben der eigentlichen Pathosformel des leiblichen Ausdrucks auch andere, die die gefährliche Stellung des Menschen im Kosmos vor Augen führen.

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Bild 2

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Dzonokwa-Maske, Kwakiutl.

Bild 3 Swaihwé-Maske, Salish, Musqueam.

und Swaihwé. Diese rituellen Masken sind zwar recht verschieden im Aussehen, bilden aber zwei gegensätzliche Typen farblicher (bunt vs. weiß/schwarz) und plastischer (hervortretende/tiefliegende Augen) Art (Bild 2 und 3).25 Die Masken sind mit semantischen Funktionen ausgestattet, weil sie einen ritualen Gebrauch haben und so zu einem illustrativen Zweck hergestellt wurden. Wo bei dem einen Maskentyp Großzügigkeit verkörpert wird, ist es bei dem anderen Geiz. Lévi-Strauss kommt in seiner Analyse zum Schluss, dass den Verschiedenheiten der Masken ein Prinzip zugrundeliegt und dass diese Transformationen einer Regel folgen. Sie lautet: „Wird von einer Gruppe zur anderen die plastische Form beibehalten, so kehrt sich die semantische Funktion um. Wird dagegen die semantische Funktion beibehalten, so kehrt sich die plastische Form um.“26

25

26

Claude Lévi-Strauss: Der Weg der Masken, übers. v. Eva Moldenhauer, Frankfurt/ M. 1997, Fig. II: Dzonokwa-Maske (Kwakiutl) und IV: Swaihwé-Maske (Salish). Wichtig dabei ist, wie Lévi-Strauss feststellte (S. 132), dass „eine Maske nicht für sich allein existiert; sie setzt andere, reale oder mögliche Masken neben sich voraus, die man ebensogut an ihrer statt hätte wählen können“. Dies ließe sich auch von den Pathosformeln sagen. Ebd. S. 83.

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Lévi-Strauss’ Buch dient in erster Linie dem Nachweis, dass dieses Prinzip für die untersuchten Masken zutrifft. Er unterstrich, dass die von ihm untersuchten Masken alle in einer bestimmten geografischen Region entstanden sind, in der die betroffenen Völker entweder durch gemeinsame Sprache, Handelsgeschäfte, Kriege, Heirat oder sonst enge Kontakte untereinander hatten und haben.27 So sind ihnen die Mythen und Bedeutungen der Masken der anderen bekannt. Wenn wir Lévi-Strauss’ Forschungen mit Warburgs Projekt vergleichen, sehen wir neben Ähnlichkeiten große Unterschiede. 1

Begrenztheit. Pathosformeln sind nicht logisch universell, doch in einem anthropologischen Sinne allgemein, denn der menschliche Körper bzw. die extremsten Formen der Gebärde bilden ihre Grundlage und gerade nicht eine sprachlich formulierte Mythologie. Die Indianermasken verkörperten Aspekte von bestimmten Mythen, machten Akteure sichtbar. Die Pathosformeln zeigen menschlichen Pathos zwar in Anlehnung an einen semantischen Inhalt (Tod des Orpheus), aber dieser Inhalt ist auswechselbar, denn er illustriert die sichtbare Pathosformel, nicht umgekehrt. Die Darstellung von Pathos dient nicht bloß der Illustration einer Erzählung, sondern der Distanzierung von den Emotionen. Pathosformeln sollen einen Gefühlsausgleich bewirken, indem sie Gefühle sowohl anregen, als auch beruhigen.

2

Semantische Gebundenheit. Die Charakterisierungen der Bilder im Atlas belegen, dass sie einen semantischen Sinn haben. Die Energie in den Pathosformeln entlädt sich polar in narrativen Kategorien wie Mord/Rettung, Furcht/Triumph oder in Typen wie heidnische Mänaden/christliche Magdalena. Warburg verwendet auch andere Gegensatzpaare, wie Griechische/Orientalische Antike oder Nordisch/Südländisch. Nach Warburg lässt sich Pathos im polaren Gegensatz vom „passiven Erdulden und aktiver Sieghaftigkeit“ begreifen.28 Das sind archetypische Prozesse, aber ihre Darstellung erfolgt immer eingebettet in konkreten narrativen Zusammenhängen. Sonst wären Pathosformeln eher mit tierischen Verhaltensformen vergleichbar. Die Formelhaftigkeit der Gebärde bindet die Pathosformeln an keinen bestimmten Mythos oder eine narrative Struktur, aber die Pathosformel muss in irgendeiner Geschichte vorkommen oder eine schaffen (ein Grenzfall

27 28

Ebd. S. 119. Warburg: Mnemosyne (wie Anm. 6), S. 5.

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wäre eine abstrakte Ausdrucksform wie moderner Tanz). In einer früheren Serie von Bilderreihen, die Warburg 1926/27 zusammenstellte, haben die Gebärden viel allgemeinere Charakterisierungen. So erhielten sie Titel wie „Besinnliches Zuhören“, „Griff nach dem Kopf“, „Klage“, „Trauer und Meditation“, „Abwehrgeste des Niedergeschlagenen“ usw. Damit ist die narrative Form auf ein Minimum reduziert. Der Ursprung für die in Bildern dargestellten Pathosformeln ist keine bestimmte Erzählung oder ein Mythos, sondern die Geste oder Gebärde, die einen Teil einer Erzählung darstellt. Es gibt keine Pathosformeln ohne narrative Einbettung, aber die dramatische Handlung der Mythen kann nach der Mythostheorie Warburgs und Cassirers nur aus der Gebärde, d. h. einem Ritus hervorgegangen sein, nicht umgekehrt. Am Anfang war die Tat, nicht das Wort. Dies bringt mich zum größten Unterschied zwischen Warburgs Pathosformeln und LéviStrauss’ Deutung der Indianermasken. 3

Pathos. Lévi-Strauss reagierte am Schluss des letzten Bandes seiner großen Mythologica29 auf die wiederholte Kritik, seine Nichtbeachtung von Affekten habe einen wichtigen Teil der Mythologie übersehen. Er betrachtete diese Kritik als Zeichen einer falschen Einschätzung der Bedeutung von Ritus, bzw. nicht-verbalen Handlung und letztlich auch der Bilder. Lévi-Strauss’ strukturalistische Theorie der Mythen ist von einem ausgesprochenen Anti-Ritualismus geprägt. Ritus ist für ihn eine „eigenwillige Entartung des Denkens“.30 Die Funktion des Ritus bestehe darin, durch monotone Wiederholung rationalen Unterscheidungen entgegen zu wirken und sie zu verwischen. Die affektiven Momente, die ein Ritual der Beschwörung oder Beschwichtigung begleiten, fallen für ihn aus dem Bereich der Kulturwissenschaft. Jede Äußerung des affektiven Lebens, die nicht der Arbeit des Verstandes, der binären Organisation, entspringt, kann seiner Meinung nach „nicht mehr den Wissenschaften vom Menschen unterstehen; sie fiele in den Bereich der Biologie, und es wäre die Aufgabe anderer, sie zu behandeln“.31 Aber in der Biologie hat sie nach dem Verständnis von Lévi-

29

Claude Lévi-Strauss: Der nackte Mensch, (Mythologica, Bd. 4), Frankfurt/M. 1976, S. 784 ff. Ebd. S. 793. Ebd. S. 784: „Jede Äußerung des affektiven Lebens, die auf der Ebene des Bewußtseins nicht irgendeinen nennenswerten Vorgang widerspiegelte, der die Arbeit des Verstandes blockiert oder beschleunigt, würde nicht mehr den Wissenschaften vom Menschen unterstehen; sie fiele in den Bereich der Biologie, und es wäre die Aufgabe anderer, sie zu behandeln.“

30 31

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Strauss eigentlich auch keinen Platz, denn selbst die Biologie ist für ihn letzten Endes der strukturellen Linguistik verwandt. Wie er nur halb im Scherz sagt, habe die Natur die Idee des genetic code von der strukturellen Linguistik von Trubetzkoy und Jakobson übernommen.32 Binäre Codierung ist Prototyp und Modell von jedem Symbolismus. Das Bild wird als Zugang zur Wirklichkeit in der Überzeugung herabgesetzt, dass Zeichen letztlich nur als binäre Code Geltung haben können. Hier stehen die kulturwissenschaftlichen Theorien Warburgs und Lévi-Strauss’ im schärfsten Gegensatz. Für Warburg und Cassirer setzt Mythos voraus, dass es Taten und Leiden gibt, d. h. vor-sprachliche Phänomene, die später in Mythen dargestellt werden. Lebensformen und Riten sind die Vorlagen für Mythen. Denken beginnt mit der Bildung von Riten, die auf Handlungen und Gesten basieren. Lévi-Strauss’ Beobachtung, dass Riten drei Aspekte haben: Bewegungen, Manipulationen von Gegenständen und ein repetitiver, nur formelhafter Sprachgebrauch, ist für ihn Grund, Ritus als ein Nichtdenken abzuwerten. Er sagt: „Während der Mythos also dem Kontinuierlichen entschieden den Rücken kehrt, um die Welt mittels Unterscheidungen, Kontrasten und Gegensätzen zu zergliedern und auseinanderzunehmen, folgt der Ritus einer Bewegung in die umgekehrte Richtung.“33 Nämlich: „Ritus läuft dem Kontinuierlichen hinterher […] wiewohl der ursprüngliche Bruch, den das mythische Denken vollzogen hat, die Aufgabe für immer unmöglich macht.“34 Dabei übersieht er, dass die starke emotionale Aufgeladenheit in einem Ritus dazu dient, das Denken zu fokussieren. Riten teilen die Welt dramatisch in Bezirke auf, ohne sich an binäre Formen zu halten, wie Cassirer gezeigt hat. So werden die Himmelsrichtungen bei australischen Ureinwohnern mit Totemklassen wie „Menschen der Sonne“, des „weißen Kakadus“, des „heißen Winds“, usw., verbunden (Bild 4).35 Ein Anthropologe legte die Richtungen im Diagramm mit Hilfe eines Kompasses fest, während der Eingeborene ihm seine Hinweise mit Hilfe der Stellung der Sonne machte. Diese Einteilungen waren für die Eingeborenen eher kontinuierlich als exakt unterschieden, so 32

33 34 35

Ebd. S. 804 f., S. 805: „Auf ein und dieselbe Weise kombinieren sich die Wörter der Sprache und die Tripletts des genetischen Codes zu ‚Sätzen‘, die das Leben in der Molekularform der DNS schreibt, […] Wie man sieht, kennt die Natur, seit mehreren Milliarden Jahren auf der Suche nach einem Modell, das antizipatorisch den Wissenschaften vom Menschen entlehnt ist, kein Zögern: sie wählt dasjenige, mit dem für uns die Namen von Trubetzkoy und Jakobson verbunden sind.“ Ebd. S. 798. Ebd. Siehe Cassirer: Begriffsform (wie Anm. 24), S. 61 f.

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Bild 4

Himmelsrichtungen der Wotjabaluk in Australien.

war z. B. eine Richtung „Wartwut but also partly Moiwiluk“ (Nr. 6 und 7 in Bild 4).36 Die Himmelsrichtungen waren für die Stämme nicht abstrakt, sondern wiesen Räume aus, in denen Leichen (je nach Totemzugehörigkeit) bestattet werden sollten. Eine messbare Dimension wie Raum wird qualitativ in Handlungen begriffen, denn, so Cassirer: „Der menschliche Körper und seine einzelnen Gliedmaßen erscheinen gleichsam als ein ‚bevorzugtes Bezugssystem‘, auf das die Gliederung des Gesamtraumes und all dessen, was in ihm enthalten ist, zurückgeführt wird.“37 Diese Bezugnahme auf den Körper gilt nicht nur für Himmelsrichtungen. Cassirer weist nach, wie in heutigen Stämmen und dem europäischen Mittelalter Mikrokosmos und Makrokosmos im menschlichen Leib aufeinander bezogen werden. Nach mittelalterlichen Überlieferungen setzt sich Adams Leib aus Erde (das Fleisch), Gestein (Knochen), Meer (Blut), Pflanzen (Haar) und Wolken (Gedanken) zusammen.38 Diese bildliche Identifikation der Körperteile leitet sich von ihrem Ausdruckswert her. Eine in Bildern erkannte Welt wird in einer überschaubaren Vielfalt qualitativer Symbole festgehalten. Lévi-Strauss wertet dies als „fehlendes In-

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Ebd. S. 62. Ebd. S. 44. Ebd. S. 45.

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teresse am Allgemeinen“39 und nennt diese Tendenz, die er in Riten sieht, „Zerstückelung“.40 Es ist diese Tendenz zur Konkretheit, die Ritus, Gesten und überhaupt bildlichen Formen als symbolischen Formen eigen ist. Diese Art der „Festschreibung“ bedarf keiner sprachlichen Einteilung und lässt sich keinem linguistischen Modell zu- oder unterordnen. Sie ist eine Symbolart sui generis. Pathos ist kein Thema für Lévi-Strauss’ Mythentheorie, weil der bewegte Körper und ritualisierte kultische Handlungen aus seinem linguistischen Modell des Zeichenbegriffs fallen. Doch das Schreiben, das Zeichnen und die Bilderherstellung kommen wie dramatische Festlegungen aus der Bewegung und haben somit ihre Wurzel in der Handlung des verkörperten Subjekts, nicht in der Sprache. Nach dem strukturalistischen Modell sind Bilder anarchistisch, wie Gesten oder das Bewegen von Körperteilen überhaupt. Jeder kann mit dem Zeigefinger auf alles zeigen, und bei Bildern scheint diese Art von Willkür zu herrschen. Doch Gesten und Gebärden sind von Aufmerksamkeit geleitet. Anfänge bildnerischer Gestaltung sind geradezu ungestaltet. Was bildhafte Formen wie Pathosformeln an inhaltlicher Bestimmtheit entbehren, ersetzen sie durch die Macht ihrer emotionalen Wirkung. Bilder können intensiv wirken, selbst wenn sie optisch diffus sind. Gerade die Stimmung des Unheimlichen und Bedrohlichen erhält durch ihre Unbestimmtheit ihre Kraft. Während es schwer ist, die Mythen fremder Völker zu verstehen, weil sie in unbekannten Sprachen tradiert werden, können Bilder in ihrem expressiven Gehalt nachempfunden und erinnert werden. Es gibt für die Pathosformeln keine verbindende Mythologie und daher keine einheitliche semantische Form für die jeweiligen Bilder auf Warburgs Tafeln. Dafür können diese Formeln immer wieder neue Gefühle erregen. Kann es eine Wissenschaft von Pathosformeln geben? Ja, denn der Körper ist ihre einheitliche Grundlage, aber es gibt keine spezifischen „universellen Pathosformeln“, weil solche Formeln immer an bestimmte Geschichten gebunden sind. Pathosformeln stellen selbst keine Sprache dar, sondern sind eine visuelle symbolische Form, die Pathos sichtbar machen kann, für diejenigen, die den narrativen Zusammenhang des Dargestellten kennen oder durch die gezeigten Gesten zur Erfindung einer Geschichte angeregt werden. Cassirers Formulierung: „das Verhältnis von Leib und Seele stellt das erste Vorbild und Musterbild für eine rein symbolische Relation dar“ bedeutet letztlich: Wir nehmen unseren Leib wie die Welt zunächst nur in Bildern (bzw. ikoni-

39 40

Lévi-Strauss: Der nackte Mensch (wie Anm. 29), S. 789: „Es interessiert sich für nichts allgemeines.“ Ebd. S. 788.

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sche Formen) wahr, deren Identität eine Gefühlsdichtung darstellt.41 Der Bildbegriff lässt sich somit letztlich nicht auf das Gesehene beschränken, sondern stellt eine allgemeine logische Form da. Um diese Formen zu verstehen, brauchen wir eine neue Art Ikonologie.

41

Siehe hierzu die Ausführungen über den Körper als „Ort der Bilder“ bei Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001, bes. S. 57 ff. Meine hier vorliegende Arbeit wurde geschrieben, bevor die neue Analyse der Pathosformel durch Georges Didi-Huberman vorlag: L’image survivante. Histoire de l’art et temps des fantômes selon Aby Warburg, Paris 2002.

Sat s – Nor d ic Jou r n a l of Ph i lo s ophy 5/2 (20 0 4) pp. 14–33

MORE T H A N A LI NGU IST IC T U R N IN PHILOSOPHY The Semiotic Programs of Peirce and Cassirer

Written texts are the most obvious examples of articulated thoughts. Since thought is a stream, the use of language to give it structure also pares down and fixes the scope of our awareness. This problem has concerned philosophers since Plato. Plato himself evidently believed in the possibility of intuition, somehow just “seeing” what is the case. Yet even Plato believed that this in­ sight had to be prepared for by means of dialogue or dialectic. Although lan­ guage has long preoccupied philosophers, it became their primary in the twen­ tieth­century. Few slogans have been as aptly chosen as Richard Rorty’s designation “the Linguistic Turn” for the changes in twentieth­century phi­ losophy. The same year that Rorty’s reader of that name appeared in Chicago, Derrida published in Paris his Grammatologie, the science of writing.1 The former offered a clarion call to watch what you say in order to be clear while the other seemed to inaugurate a new level of inscrutability in philosophy, appearing to toy with the phenomenon of meaning itself. Yet they both called attention to the same fact that the phenomenon of linguistic expression was not a secondary aspect of thought and actually it was philosophy’s foremost concern. Philosophers usually thought that they were getting to the bottom of things by engaging in reflection or argument, thereby overlooking the even more fundamental fact of their own words. Phenomenologists, e.g., claimed to be getting back to the “Sachen selbst”, but this was carried out by writing texts and giving lectures. A casual remark once made by Fichte sums up the basic assumption of all earlier philosophy: “If I produce a new conception, then the sign whereby I designate it for you (since for me myself there is no need for any kind of sign) is something new for you; the word contains a new 1

Richard Rorty: The Linguistic Turn in Philosophy. Recent Essays in Philosophical Method, Chicago 1967; Jacques Derrida: De la grammatologie, Paris 1967.

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meaning, since previously you were not in possession of what it designates.”2 With this, Fichte stated the basic assumption of the idealistic program of phi­ losophy: that philosophy deals with ideas and not with their particular articu­ lations. Sixty­eight years after Fichte wrote this, Charles Peirce published what remains the most radical attack ever upon this idealistic program of phi­ losophy: his two essays concerning “faculties claimed for man”, in particular the capacity to know by intuition.3 Using the consciously anachronistic form of a scholastic “disputed question”, Peirce showed that the idealistic program was based upon a mistake: the belief that signs give expression to thoughts. In reality, thought and signs are the same. Even phenomenology was based upon the same mistake, for as Peirce put it: “the idea of manifestation is the idea of a sign”.4 Peirce’s arguments all served to make the point that “there is no in­ tuition”, thinking is the process of semiosis – the interpretation of signs. To have a “semiotic program” for philosophy entails dispensing with idealism, at least insofar as it is a non­semiotic program. Peirce was the founder of Pragmatism, which elevated action to a new place in philosophy. Previously, philosophy had been assumed to be a matter of contemplation, speculation, and “theory”, but Peirce considered these to be inseparable from questions concerning possible effects and action. Peirce was disappointed by the way Pragmatism was interpreted by his contemporaries, so he changed his name for it to the grotesque “Pragmaticism” in order, as he put it, to keep his ugly child safe from kidnappers. The point of Pragmatism was not that it took its departure from utilitarian considerations of “useful­ ness”; practicality was a secondary matter, for practicality depended upon the way things behaved. The point was rather that philosophy needed to begin with embodiment – the embodiment of thought in signs, of beliefs in habits of action, and the “mind” in the body. Usefulness was a topic that entered the scene only after these fundamental processes had been taken into conside­

2

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See, e.g., Johann Gottlieb Fichte: Aus einem Privatschreiben (1800), in: Fichtes sämmtliche Werke, vol. V, Berlin 1845, pp. 375–396, p. 383: “Erzeuge ich in mir einen neuen Begriff, so bedeutet freilich das Zeichen, wodurch ich ihn für euch bezeichne (denn für mich selbst bedürfte es überall keines Zeichens), für euch et­ was neues, das Wort erhält eine neue Bedeutung, da Ihr bisher das Bezeichnete gar nicht besessen habet.” The same attitude can be found in Hobbes and Locke and as late as Heidegger’s Sein und Zeit, Tübingen 1972 (1927), § 17, e. g., p. 78, where Zeug” (equipment) to express thoughts. signs are taken to be mere “Zeug” Peirce’s Questions Concerning Certain Faculties Claimed for Man and Some Consequences of Four Incapacities first appeared in: The Journal of Speculative Philosophy 2 (1868), pp. 103–114 and pp. 140–157. See Charles Sanders Peirce: Collected Papers (CP), ed. by Charles Hartshorne/Paul Weiss, vol. 1, Cambridge 1931, § 346 (from Lowell Lectures of 1903). Hereafter cited as CP with volume and paragraph number.

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ration. They had nothing to do with utility; they are what makes utility pos­ sible. To have a semiotic “program” for philosophy means prescribing a course of study based upon the theory of signs and symbols rather than upon a theory of “ideas”. Unlike different philosophical “methods” (such as “pheno­ menology”, “hermeneutics”, “conceptual analysis”, “linguistic analysis”), which provide the way a topic is to be studied, a program in philosophy proposes the object for study (ideas, meanings, signs). The concept of “meaning” (German: Sinn) can be interpreted to fall either within the idealistic or the semiotic program for philosophy. Most phi­ losophers limit their considerations of meaning, however, to language. With the prominent exception (in the English­speaking world) of Nelson Goodman, signs and symbols other than language and the semiotic character of percep­ tion itself have been largely ignored by philosophers. In particular, most phi­ losophers limit the investigation of meaning to language. Charles Peirce and Ernst Cassirer did not. Independently of each other, Peirce and Cassirer created a semiotic pro­ gram for philosophy, and they did so by beginning in the same way: by criti­ cally reappraising Kantianism. Peirce’s philosophy was based upon what he called “semeiotic”5 while Cassirer entitled his main work The Philosophy of Symbolic Forms. Cassirer’s and Peirce’s triadic theories of signs and symbols are remarkably similar, yet from what seems to be largely the same theoreti­ cal orientation they derived very different programs for philosophy. The point of this paper is to demonstrate what this divergence implies for philosophy. Philosophers – and not only philosophers – have traditionally consi­ dered signs and symbols merely as the means for communicating ideas. The ideas themselves – the “concepts” – were taken to be independent of signs. Phi­ losophers were interested in the ideas, not their particular expression; hence philosophy’s program of study was “idealistic” and not “semiotic ”. Independently of one another, Peirce and Cassirer both turned from this ancient conception to a theory of meaning as embodied in signs and sym­ bols, but the similarity of their transformation of philosophy has received scant attention from philosophers. It’s easy to understand why.6 Both men 5 6

Peirce preferred to spell the name of the theory of signs and symbols as “semeio­ tic”, which offers a way to distinguish his theory; Saussure named his theory “se­ miologie”. The only essays on the topic topic of Cassirer’s and Peirce’s philosophies or their semi­ otic programs known to me are (in chronological order): John Michael Krois: Peirce and Cassirer. The Philosophical Importance of a Theory of Signs, in: Proceedings of the C. S. Peirce Bicentennial International Congress, ed. by Kenneth L. Ketner, et al., Lubbock 1981, pp. 99–104; John Michael Krois: Semiotische Transformation

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were steeped in the history of philosophy and science as well as in the study of languages, and each worked in a host of empirical fields of study ranging from science to literature and ethnology. They wrote for readers who could follow them into all these areas. To study Cassirer or Peirce is a considerable challenge demanding the reader to engage in historical and empirical que­ stions as well as argument. Given that both published extensively and each left behind massive unpublished writings, it would take a whole research team to undertake a comparative study of their work. But even regarded superficial­ ly, it is obvious that these two philosophers had astonishingly similar concep­ tions of philosophy, based upon the centrality of signs and symbols instead of logic. Both explicitly called attention to this break with the tradition of philo­ sophy.7 If their philosophies are as closely related as I am suggesting, the in­ teresting question then becomes: how do they differ? – and, most interesting of all: why? My conclusion will be that they diverge in one systematic point dramatically, and that in this regard, Cassirer’s conception corrects a problem in Peirce’s approach to semiotics and so suggests another program for philoso­ phy based upon this difference in their semiotic programs. These offer roads, to borrow a metaphor of Kant’s, that remain open to philosophy.

1. Si m i la r it ies Peirce probably never knew of Cassirer, and Cassirer never indicates any par­ ticular awareness of Peirce. This said, the first similarity between Peirce and Cassirer is that both were better informed about the history of philosophy and science than any other creative philosophers of their times. Both took Kant and Hegel seriously, especially Kant. Both were mathematicians – Peirce’s New Elements of Mathematics is proof enough of his expertise in this area.8 Cassirer was known at Yale to quickly fill a lecture hall blackboard with cal­

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der Philosophie. Verkörperung und Pluralismus bei Cassirer und Peirce, in: Dia­ lektik 1 (1995), pp. 61–72; Frederik Stjernfeldt: Die Vermittlung von Anschauung und Denken. Semiotik bei Kant, Cassirer und Peirce, in: Zeitschrift für Semio­ tik 22 (2000), pp. 341–368; Frederik Stjernfeldt: Symbol and Schema in Neo­Kan­ tian Semiotics. The Philosophies of Cassirer and Peirce. Contributions to a Semio­ tics Implying an Epistemology, in: Forms of Knowledge and Sensibility. Ernst Cassirer and the Human Sciences, ed. by Gunnar Foss/Eivind Kasa, Kristiansand 2002, pp. 119–148; Enno Rudolph: Symbolismus statt Realismus. Peirce und Cassi­ rer, in: Ernst Cassirer im Kontext, Tübingen 2003, pp. 40–55. calls Peirce spoke of logic logic “as” semeiotic; Cassirer too substitutes what he c alls “symbo­ lic form” and “semiotics” for pan­logicism. See his general introduction to his Phi­ losophy of Symbolic Forms, vol. 1: Language, trans. by Ralph Manheim, New Ha­ ven 1953, esp. pp. 82–86. Peirce: The New Elements of Mathematics, 4 vols., ed. by Carolyn Eisele, The Hague/Paris 1976.

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culations in order to explicate quantum theory,9 and his correspondence with scientists often involves mathematical topics. Peirce is credited with founding pragmatism. What is pragmatism? It can be expressed this way in reference to the world: “An object consists solely of that, as which it gives itself to us: a sum of actual and possible effects.”10 It can be put this way in reference to the actor: “Not mere observation, but rather actions are the middle point from which, for human beings, the intellectual organization of reality takes its begin­ nings.”11 These statements are pure pragmatism, and they both stem from Cassirer. Historians of philosophy don’t treat Cassirer in reference to pragma­ tic thought; however they should.12 Consider Cassirer’s treatment of the con­ cept of causality. Hume argued that we cannot see causality in nature; it is only a matter of our habit of associating one thing with something else after observing their constant conjunction. Kant declared the concept of causation to be an apriori or pure concept of the understanding, determining the nature of experience and not derived from it. Cassirer concurred with Hume that we cannot acquire the conception of causality from observing the conjunction of events in the world, but he did not think that it was a pure concept of the un­ derstanding. Instead, Cassirer argued that this concept stems from the ability to use tools – he gives the examples of wielding an ax or hammer.13 The con­ cept of causality does not derive simply from the feeling or observation of our actions, but from regarding the tools we use as impersonal “institutions” (Verrichtungen). Not from looking at things happen in nature, but from ma­ king them happen through tools and then regarding the action of the tools objectively: that is the source of the concept of cause and effect for Cassirer. Cassirer published this interventionist theory of causality in 1930.14 This is a kind of pragmatic theory, and it is definitely not orthodox Kantianism – un­ 9 10

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Personal communication from Ruth Barcan Marcus. Ernst Cassirer: Gesammelte Werke (ECW), vol. 6: Substanzbegriff und Funktions­ begriff (1910), ed. by Birgit Recki, Hamburg 2000, p. 205: “Der Gegenstand ist das, als was er sich uns allein gibt: eine Summe tatsächlicher und möglicher Wirkungs­ weisen.” This edition is hereafter cited as ECW with the volume number. Cassirer: The Philosophy of Symbolic Symbolic Forms, vol. 2: Mythic Thought, trans. by Ralph Manheim, New Haven 1955, p. 157. Cassirer spoke favorably of Pragmatism even in his first book, Substanzbegriff und Funktionsbegriff, and in later years he reiterates his fundamental agreement with Dewey. See Seminar on Symbolism and Philosophy of Language (1941/1942), in: Ernst Cassirer: Nachgelassene Manuskripte und Texte (ECN), vol. 6: Vorlesun­ gen und Studien zur philosophischen Anthropologie, ed. by Gerald Hartung/Her­ bert Kopp­Oberstebrink, Hamburg 2005. This edition is hereafter cited as ECN with the volume number. See Cassirer: Form und Technik, in: ECW, vol. 17: Aufsätze und kleine Schriften (1927–1931), ed. by Birgit Recki, Hamburg 2004, pp. 139–183. See ibid. pp. 159–161.

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less we follow Peirce here, who declared: “Kant (whom I more than admire) is nothing but a somewhat confused pragmatist”.15 In Cassirer’s early book Substance and Function (Substanzbegriff und Funktionsbegriff, 1910) the concept of substance, Aristotle’s most important logical category, gets replaced by the least important of Aristotle’s categories: relation. Peirce reformed logic the in same way. Peirce called the category of substance the “Nantucket of thought”, something provincial, and of interest only because of its everyday practicality in language but hopelessly inadequa­ te as the basis of logic, and out of place in Modern science. That also fairly well outlines the argument of Cassirer’s book Substance and Function. The most Kantian aspect of Peirce’s philosophizing was his attempt to establish a new list of categories. One of Peirce’s two most important papers (this was his own evaluation16) had the title On a New List of Categories; the other was Some Consequences of Four Incapacities, to which I’ll return. The New list of Categories paper sought to justify a list of categories that reduced Kant’s deduction of 12 categories to three. But Peirce soon let this Kantian project drop, and in later years he turned instead to what he called “phenome­ nology” in order to justify his three categories. The New list paper took its starting point from an investigation of the subject­predicate relation in a pro­ position, rather than examining transcendental consciousness as Kant did. But phenomenology can start anywhere and with anything, as its name im­ plies. No consideration of Charles Peirce’s philosophy can avoid his three ca­ tegories: firstness, secondness, and thirdness. Peirce employed them to expli­ cate every possible question, and they have such prominence in all of his wri­ ting that even he sometimes wondered about their ubiquity. He called this ubiquity “triadomany”17 – the exaggerated tendency to see triads everywhere. Peirce sought to criticize his three categories, claiming that there are three reasons to harbor skepticism about the prevalence of the three categories. These are the suspicion that (1) this is simply a personal idiosyncracy, (2) a matter of compulsion, and (3) unrealistic and incapable of explanation. These three pos­ sibilities for scepticism are of course themselves examples of the categories. In other words, even to be sceptical about these categories demands that you presuppose them. These three grounds for scepticism are instances of (1st) something strictly qualitative (a monad) viz. personal idiosyncracy, (2nd) a matter of brute opposition (a dyad) viz. compulsion, and (3rd) the reference to

15 16 17

CP 5.525. CP 8.12. Peirce: Triadomany, in: CP 1.568–572.

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regularity and understandability refers to the linking of events, and so having a triad and continuity. Peirce’s three “categories” are not simply elementary aspects of cogni­ tion, but as he puts it the “features that are common to whatever is experienced or might conceivably be experienced or become an object of study in any way direct or indirect”. The task of Phenomenology, for Peirce is to esta­ blish what these common features are. He described phenomenology as: “a science that […] just contemplates phenomena as they are, simply opens its eyes and describes what it sees; not what it sees in the real as distinguished from any figment – not regarding any such dichotomy – but simply descri­ bing the object, as a phenomenon, and stating what it finds in all phenomena alike”.18 Cassirer too developed a phenomenology whose sole task was to esta­ blish the most fundamental aspects of reality in general. These he called, ap­ propriately, Basisphänomene, basis phenomena. This doctrine is unknown because Cassirer’s writings on the subject, written in the late 1930s and early 1940s have only recently become available. So far, three (ECN 1, 2, 3) of the six volumes containing Cassirer’s writings on this doctrine have appeared. All of it was written in Sweden between 1936 and 1941. The basis phenomenon doctrine had the same importance for Cassirer as Peirce’s categories had for him, and it is no exaggeration to say that when all of these texts are available, it will show that the most important years in Cassirer’s life as a philosopher were neither those he spent in Germany nor his final 4 years in America, but his 6 years in Gothenburg. Cassirer often used the German pronouns for the first, second, and third person (Ich – Du – Es) to explicate the Basisphänome. That is equivalent to Peirce’s earliest explications of his three categories, for which he used the English pronouns “I – You – It”. Cassirer sometimes refers to the basis pheno­ mena as “feeling, action, and the world” and by other designations. As with Peirce, they reappear in different guises in different contexts. Whereas Cas­ sirer’s Philosophy of symbolic forms transformed Kantianism into a philoso­ phy of inter­subjective media, his phenomenology of basis phenomena was no longer Kantian at all. It did not permit raising Kant’s transcendental question of the “conditions of the possibility” of the phenomena at hand – for if such a question could be raised about them, then we would, by definition, not be talking about basis phenomena after all. The Basisphänomene doctrine was a “realism”, for it was concerned with phenomena as real processes, not our words or thoughts about them. Cassirer is explicit about the reality of the

18

These citations are from CP 5.37.

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Basisphänomene: for he stated: “They are ‘prior’ to all thought and inference and are the basis of both.”19 Like Peirce, Cassirer did not become a phenomenologist in the usual sense of the word. He distanced himself explicitly from Husserl,20 who as a follower of Descartes granted subjectivity the main role in philosophy. With his phenomenology, Cassirer wanted neither to create a new kind of philoso­ phical science nor a first philosophy outfitted with special methods as Husserl did, nor did he conceive phenomenology as Heidegger did, with the aim of establishing a philosophy of existence in opposition to empirical natural or cultural sciences. Cassirer treated phenomenology the same way as Peirce did, as the doctrine of the most general, irreducibly different kinds of phenomena. In this respect, Peirce’s phenomenology of the three categories and Cassirer’s doctrine of the Basisphänomene are the same. Cassirer’s Basisphänomene doctrine formulated what everybody was familiar with, but which was incapable of explanation because explanations always presuppose them. Cassirer did not return to traditional realism (going back to Aristotle) and take these phenomena to be kinds of things or – to use the metaphysical term – substances. When Cassirer refers to Ich – Du – Es as Basisphänomene he has not forgotten that he spent a large part of the Philosophy of Symbolic Forms (part 3 in volume 2) showing that terms such as Seele, Persönlichkeit, Selbst, and Ich do not refer to anything given. The three basis phenomena are not thinglike presences, for if we attend to phenomena – and not to our words for them – then we cannot take substance as fundamental. As Cassirer once put it: “Life, reality, being, existence are nothing but different terms referring to one and the same fundamental fact. These terms do not describe a fixed, rigid, substantial thing. They are to be understood as names of a process.”21 It would be interesting here to show how Peirce’s conception of evolu­ tion from chance events, or tychism as he calls it, finds a parallel in Cassirer’s concept of form. For Cassirer, form is a temporal concept; it did not mean a timeless entity – morphe – the way it did for Aristotle and Husserl, rather it

19

20 21

See Cassirer: Über Basisphänomene, in: ECN, vol. 1: Zur Metaphysik der symbol­ ol­ ischen Formen, ed. by John Michael Krois, Hamburg 1995, p. 132: “Sie sind ‘vor’ allem Denken und Schließen, liegen diesem selbst zu Grunde.” An English transla­ tion of this text appeared as On Basis Phenomena, in: Cassirer: The Philosophy of Symbolic Forms, vol. 4: The Metaphysics of Symbolic Forms, ed. by John Michael Krois/Donald P. Verene, New Haven 1996, p. 137. ECN, vol. 1, p. 171 f. Ernst Cassirer: Language and Art II (1942), in: Ernst Cassirer. Symbol, Myth, and Culture. Essays and Lectures of Ernst Cassirer 1935–1945, ed. by Donald Phillip Verene, New Haven/London 1979, pp. 193 f.

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meant morphology. Cassirer argued that the ancient doctrine of natura non saltus was invalid, for both in the sphere of nature and culture: there are jumps.22 But the most important overlap between Cassirer and Peirce is that they both broke with the most fundamental conception in philosophy, the belief that philosophy is based upon logic; for them “logic” was to be consi­ dered as semiotic. “Logic” came from the Greek word for both language and reason, but for semiotic language is only one kind of symbolism among many. Here Cassirer and Peirce were in fundamental agreement. Peirce used the word “semeiotic” in his writings but never in his publications, despite the fact that – as he wrote to Lady Welby – everything he ever studied was for him an example of semeiotic.23 Cassirer used the term Semiotik even in early publica­ tions, but he did not adopt it for his own thought until he went to America late in life. Instead, he used terms of his own coinage such as symbolic form and symbolische Prägnanz. Terminology is important, but what counts is what Peirce and Cassirer were setting out to do. Even in the 1960s philosophers in America still regarded Peirce prima­ rily as the first pragmatist while his theory of signs was considered to be one of many incidentals that concerned him, rather than as the focus of every­ thing else. This situation has now changed, although some Peirce scholars still debate what is most fundamental: the doctrine of categories or semeiotic. This is of course a false reification of both. They cannot be separated except by abstraction from real phenomena. Cassirer’s philosophy was, and still is, misinterpreted, even more than Peirce’s was. Cassirer has been taken to be a representative of Subjekt-Philosophie like German Idealism. Compare the following statement about Cas­ sirer with Cassirer’s own statements on this topic. In an essay about Cassirer, Gerd Wolandt says: “For Cassirer a theory of the basic constitution of the Object can only be attained from a theory of the basis constitution of the Sub­ ject.”24 Cassirer himself writes: “Without the second and third person we do not have the f i r st either – and we cannot i s ol at e the first person even ‘in

22 23 24

Cassirer elaborates this claim claim in his study on The Problem of Form and the Problem of Cause, in: The Logic of the Cultural Sciences, trans. by Steve Lofts, New Haven 2000, pp. 87–102. Peirce: Letter to Lady Welby, December 23., 1908, in: Semiotic Semiotic and Significs. The Correspondence between Charles S. Peirce and Victoria Lady Welby, ed. by Charles S. Harwick, Bloomington 1977, p. 85 f. Gerd Wolandt: Cassirers Symbolbegriff und die Grundlegungsproblematik der Geisteswissenschaften, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 18 (1964), p. 616: “Allein aus der Lehre von der Grundkonstitution des Subjekts ist für Cassi­ rer eine Theorie von der Grundkonstitution des Objekts zu gewinnen.”

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thought’, for thoughts must always be thoughts about s ome t h i ng.”25 He also says: “Knowledge about ‘me’ is not prior and independent of knowing about ‘You’ and ‘It’, rather all this is only constituted together.”26 Or in another place: “There is no c on s ciou sne ss of a me without consciousness of a you and even less is there a self, an ‘ipse’ (himself) except in the general Me d iu m of cultural forms, which provide the ways in which we are able to become a self.”27 For Cassirer’s semiotic philosophy intersubjective symbolic forms such as language, social rituals, and the like are essential to the constitution of subjectivity, and these are physically embodied in objective processes. Wo­ landt, like most philosophers of his generation, believed that Cassirer upheld the credo of the Marburg Neo­Kantian school: Nothing is given to thought except thought itself.28 What is more, he believed it himself. With such a pre­ supposition it is no wonder that Cassirer’s philosophy was so long misunder­ stood in post­war Germany. The most important point of agreement between Cassirer and Peirce was that for them signs and symbols are not appendages to thinking; thinking is semiosis. Whenever philosophers discussed signs in the past, e.g., Hobbes, Locke, or Lambert, they treated thoughts – feelings, volitions, ideas – as pri­ mary and signs as secondary, as the implements for their expression. Even Heidegger, who called signs “Zeug” or equipment, regarded signs as seconda­ ry phenomena. For Peirce and Cassirer signs were first: the process that Peirce called semiosis and which Cassirer called “das Symbolische”, “symbolische Formung”, or “symbolische Prägnanz”. Peirce’s masterpieces of philosophy, the 1868 essay pair, Questions Concerning Certain Faculties Claimed for Man and its counterpart Some Consequences of Four Incapacities were in his own eyes the most heterodox 25

26 27

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“Ohne die zweite und dritte Person haben wir auch die e r s t e nicht – / und selbst ‘in Gedanken’ können wir die erste Person nicht i s ol ie r e n[,] / denn Gedanken müssen eben immer schon Gedanken von Et w a s sein”. This quotation is from ECN, vol. 4: Über symbolische Prägnanz, Ausdrucksphänomen und ‘Wiener Kreis’, ed. by Christian Möckel, Hamburg 2010, S. 192. “[D]as Wissen von ‘mir’ ist nicht vor und unabhängig vom Wissen des ‘Du’ und ‘Es’[,] sondern dies alles konstituiert sich nur miteinander –” ibid. “Denn Ich­S e l b s t (Solus­ipse) ‘bin’ gar nicht, ohne die Beziehung auf ‘andere Subjekte’[.] / Es giebt kein Ich­B e w u s s t s e i n ohne Du­Bewusstsein / noch weni­ ger gibt [es] ein Selbst, ein ‘ipse’ ausser in dem allgemeinen Me d iu m der Kultur­ formen, die gerade die Wege z u m Selbst sind[.]” This quotation is from Cassirer: Objektivität der Ausdrucksfunktion, in: ECN, vol. 5: Kulturphilosophie. Vorlesun­ gen und Vorträge 1929–1941, ed. by Rüdiger Kramme/Jörg Fingerhut, Hamburg 2004, S. 196. This conception was central in Hermann Cohen: Logik der reinen Erkenntnis, Ber­ lin 21914, p. 29: “das Denken selbst ist das Ziel und der Gegenstand seiner Tätig­ keit”.

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things he ever wrote, which is perhaps why he wrote them in the guise of scholastic disputed questions. But as Derrida noted in Grammatology, Peirce’s doctrine that “the idea of manifestation is the idea of a sign”29 went a long way towards eliminating the transcendental signified. But Peirce did not go to such lengths, instead, he relocated the real in a process – knowable only in the fu­ ture. It took a long time for philosophers to understand the implications of the doctrine that sign processes are primary, and so too Cassirer’s most impor­ tant doctrine, which he called “symbolische Prägnanz”, was not understood for decades. “Symbolic value” would be the best English translation of this term (“pregnant” in the sense of conciseness is not meant, but the opposite). Cassirer’s central point is that there is no such thing as intuition, no sensory contents that are not always already instances of a symbolic process. What seems immediately present to us is always more: it always possesses expres­ sive, representational or significant symbolic value. That was also Peirce’s cen­ tral claim in his 1868 essays; instead of intuitions there is only semiosis. Although he did not know it, Cassirer developed his central argument for a semiotic philosophy the same way that Peirce did in 1868: by criticizing Car­ tesianism. Both attacked the conceptions of intuitive knowledge, the self­cer­ tainty of the thinking subject, and Descartes’ dualism of thinking and exten­ ded substances. Descartes claimed that we have immediate intuition of ourselves as a thinking substance. Peirce argued against the logical possibility of having an intuition (which he defined as a premise that is not itself a conclusion). Cassirer’s criticism of Descartes’ dualism focused upon what Cassirer calls the body­soul (Leib-Seele) relation. He summed up what he called “the center of our investigation” with this sentence: “The relation between body and soul represents the prototype and model for a purely symbolic relation, which can­ not be converted into a relation between things or into a causal relation.”30 In other words, the most immediate experience possible, our own bodily aware­ ness, is really a process of semiosis and not a matter of given substances in interaction. When Descartes spoke of the ego he mistook the basic phenome­ non of feeling for a monadic unity, whereas it is really a process that extends

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See Jacques Derrida: Of Grammatology, trans. by Gayatri Chakravorty Spivak, Baltimore/London 1976, pp. 48 f., esp. 49: “According to the ‘phaneoscopy’ or ‘phe­ nomenology’ of Peirce, manifestation itself does not reveal a presence, it makes a sign.” Peirce actually writes that “the idea of manifestation is the idea of a sign”. (CP 1.346) Cassirer: The Philosophy of Symbolic Symbolic Forms, vol. 3: The Phenomenology of Know­ ledge, New Haven 1957, p. 100.

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over time. Cassirer says that the basic phenomenon of subjectivity “is not even describable in terms of a present. […] I do not experience myself as ‘being’”. Cassirer argues the same point phenomenologically that Peirce does logically: there is no instantaneous presence, but only a process of coming to be – and this process is both felt and not felt. Insofar as it is felt, it is semiotic (symbolically pregnant), and insofar as it is not felt, it is a dynamic biophysical process. In recent years Cassirer’s philosophy at last has come to be regarded in its own terms, and some have even called it “deconstruction avant la lettre”,31 because it utilized the notion of Sign processes to eliminate dualisms and rei­ fications. By contrast, Husserl’s Phenomenology was supposed to lead to intui­ tions – absolute beginnings for thought. For Peirce and Cassirer there are no absolute beginnings, but semiosis or symbolische Prägnanz. Like Peirce, Cas­ sirer did not take this to entail eliminating reality, but its traditional, substan­ tial conception. Peirce concluded his criticisms of Descartes in his 1868 essays with his famous enigmatic sounding statement that “man is a sign”. That sounds simi­ lar to Cassirer’s claim that human bodily awareness is the prototype and mo­ del of a symbolic relation. It sounds as though Peirce and Cassirer are closely allied. That is true, but not here, for where their philosophies touch upon an­ thropological matters, their thought diverges.

2. How C a ssi rer a nd Pei rc e d i f fer: Peirce divided semeiotic into 3 divisions: “speculative”, meaning “theoretical”, grammar, critic and rhetoric. Peirce is rightly well­known for his work in the first area, which includes his taxonomies of signs. Speculative critic deals with the matter of logical validity and the three types of inference, which included abduction along with induction and deduction. Peirce dealt with the third doc­ trine least of all, but he claimed that speculative rhetoric was destined to grow into the greatest branch of semiotic of all. Speculative rhetoric examines “how one kind of sign brings forth another”.32 Peirce defined speculative rhetoric as

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Barend van Heusden/Jakob von Uexküll/Ernst Cassirer: Semiotica 134 (2001), pp. 275–292, p. 281. He is referring, e.g., to Cassirer: The Philosophy of Symbolic Forms, vol. 4 (as fn. 19), p. 17. For a study of Cassirer’s philosophy in relationship to contemporary French thought, see Steve G. Lofts: Ernst Cassirer. A ‘Repetition’ of Modernity, Buffalo 2000. Charles S. Peirce: Ideas, Stray or Stolen, about Scientific Scientific Writing (1904), in: The Essential Peirce. Selected Philosophical Writings, ed. by The Peirce Edition Project, vol. 2 (1893–1913), Bloomington 1998, pp. 326 f.

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“the science of the essential conditions under which a sign may determine an interpretant sign of itself and of whatever it signifies, or may, as a sign, bring about a physical result”.33 Peirce was thinking here of speech acts and social processes of all kinds. Cassirer’s treatment of these three topics is the mirror image of Peirce’s. He deals mostly with the latter point, speculative rhetoric, and relatively little attention is given to the other two. His morphological approach to symbolic processes makes use of a minimal taxonomy of sign types like those that Peirce developed in his speculative grammar. The best way to contrast Cassirer and Peirce is to consider Peirce’s no­ tion of iconicity. Peirce frequently stated that iconicity is based upon similari­ ty or “likeness” (CP 2.279). Peirce claimed that icons do not assert, but present possibilities. Of course, icons are often, rhetorically speaking, imperatives: they exclaim: “Look here!” They have what Peirce later called emotional inter­ pretants. Cassirer’s various triadic distinctions for describing different kinds of sign processes seem to parallel Peirce’s. The most important of these is the division between Ausdruck, Darstellung and reine Bedeutung, usually trans­ lated: expression, representation, and pure significance. These relate to Peirce’s categories of 1stness, 2ndness and 3rdness, but they are not equivalent to any of his semiotic distinctions. Cassirer’s second type of symbolic function gene­ ralizes Bühler’s notion of the Darstellungsfunktion of language (from whom he borrowed the term), and the 3rd was taken from discussions in metamathe­ matics, the idea being that the meaning of signs in formal systems may be purely relational and not possess any further semantic meaning. Cassirer’s innovation lay in his doctrine of the expressive function of symbolism. This is a kind of natural symbolism, but it is not comparable with what Grice called a natural meaning or a natural sign – indices such as a dog’s shiny coat stan­ ding for health or smoke for fire. It is more like Peirce’s iconicity. Cassirer claims that what philosophers once called secondary qualities and now call “qualia” (the sense of touch such as the feeling of roughness, the sensations of heat or colors) and what are sometimes called tertiary qualities (emotional feelings such as perceiving a sombre mood in the evening landscape) are all instances of the expressive function of symbolism. In other words, what phi­ losophers previously called “the aesthetic sphere” is now taken to be the most fundamental symbolic sphere. Peirce came to aesthetics very late in his career and his writings on the topic make up only a small part of his work. The aesthetic sphere is the sphere

33

Ibid.

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of qualitative individuality. Peirce once said: “[I]t is the belief men betray and not that which they parade which has to be studied”.34 Peirce betrayed his assessment of qualitative individuality when, as we heard before, he called it the sphere of “personal idiosyncracy”. Generality – not individuality – was Peirce’s deepest concern, and when he developed his aesthetics at the end of his life, his concern was to establish the aesthetic ideal of “the admirable”, name­ ly: “concrete reasonableness”, a logician’s notion of beauty – the habit of ta­ king on habits and so acquiring generality. With Cassirer the opposite is true; he began as a student of literature, and even after he took up philosophy the aesthetic sphere dominated his interests from the beginning. Cassirer focused upon individuality – this is what drew him early to work on Leibniz, the phi­ losopher for whom there was such a thing as “individual substances”. This is why Cassirer read Goethe more than any other writer, every day for 40 years, he said in his Gothenburg Goethe­Lectures. Cassirer’s focus upon individuality and emotional content did not cen­ ter upon aesthetics in the sense of a theory of art. Instead, he concentrated upon a topic for which we find no overlap with Peirce, namely what Cassirer termed “mythic thought”. For Cassirer, mythic thought is a way of percei­ ving, of thinking (classifiying), and a form of life – a type of social existence involving specific kinds of practices, especially rituals, the use of images, and types of classification based upon social beliefs rather than scientific research. Mythic thought depends everywhere upon the expressive function of symbo­ lism. Cassirer’s work on myth was not an appendage to the philosophy of symbolic forms, but its initial focus, for all the other symbolic forms develo­ ped from this center in different directions, with art and science as polar op­ posites, the one focusing upon individuality and the other upon generality. Since I cannot enter into a comparison of the architectonic of Cassirer’s and Peirce’s philosophies, I will just focus on the point of greatest difference: the symbolic process that pervades mythic thought, the Ausdrucksfunktion or expressive function of symbolism. Take this quote from Cassirer: “The mythical feeling of spatiality pro­ ceeds everywhere upon the basis of the opposition of day and night, of radian­ ce and darkness.”35 Lévi­Strauss would focus here upon the binary opposition between radiance and darkness, but Cassirer focused upon their expressivity.

34 35

Peirce: Issues of Pragmatism (1905), in: CP 5.444 n. Cassirer: The Philosophy of Symbolic Symbolic Forms, vol. 2 (as fn. 11), p. 96.

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Unlike Lévi­Strauss, Peirce did not model semiotics upon linguistics;36 he went back to the tradition of Greek medicine and the interpretation of symptoms for his model of semiosis. Yet Peirce’s semiotic program for philosophy never­ theless gives little attention to the kind of expressive phenomena that pervade mythic thought, such as ritual, despite the centrality of habit in Peirce’s phi­ losophy. The strong emotionality characteristic of ritual serves to focus attention. Rituals divide the world up dramatically into areas without relying upon bina­ ry distinctions. Here is an example that Cassirer employs from an Australian tribe. Instead of utilizing the four cardinal directions of our compass, land­ marks identified with different tribes aid in marking out directions. These directions are associated with different groups – “people of the Sun”, of the “Hot Winds”, of the “white cockatoo”, and the like.37 Directions indicate the ways in which the dead were to be buried according to their totem member­ ship. Instead of measuring space by means of an objective scale, it was grasped in terms of the action of burial rituals. Examples such as this led Cassirer to the conclusion that in mythic thought, the human body offered the preferred system of relationships, around which everything was organized.38 For exam­ ple, he cites a medieval source according to which the body of Adam was com­ posed of earth (his flesh), stones (his bones), the sea (his blood), plants (his hair) and clouds (his thoughts).39 A world understood this way through images seems arbitrary. Lévi­Strauss famously criticized ritual as a mode of symbo­ lizing because of this. It led to “fragmentation” – due to a “lack of interest in

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39

See Peirce’s criticism criticism of language in his letter to Lady Welby of November 20, 1904, in: Semiotic and Significs (as fn. 23), p. 40: “[L]anguage fails here. It insists on keeping us in the toils of Secondness – either this or that: your money or your life! Now the either­or is an admirable servant but it is an impossible master. So is language.” Australian aborigines distinguish among totem classes such as “people of the sun”, “people of the white cockatoo”, “people of the hot winds”, etc. An anthropologist fixed these directions in a diagram with the help of a compass, while the natives explained their space to him. But for these natives these spaces were continuous rather than exactly differentiated, hence directions such as “Wartwut but also partly Moiwiluk” (Nos. 6 and 7). See Cassirer: Die Begriffsform im mythischen Denken (1922), in: ECW, vol. 16: Aufsätze und kleine Schriften (1922–1926), ed. by Birgit Recki, Hamburg 2003, pp. 3–73; quote from p. 63. Ibid.: p. 45: “Der menschliche Körper und seine einzelnen Gliedmaßen erscheinen gleichsam als ein ‘bevorzugtes Bezugssystem’, auf das die Gliederung des Gesamt­ raumes und all dessen, was in ihm enthalten ist, zurückgeführt wird.” (The human body and its particular parts offers a kind of ‘preferred system of relationships’, upon the basis of which the differentiation of space as a whole, and everything within it, can be referred to.) Ibid. p. 46.

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generality”.40 According to the structuralist thinking, images are anarchistic, as are gestures and movements of the body. Anybody can point at anything with their finger, and in images the same sort of anarchy also seems to exist (unless, of course, a set of images can be shown to also follow binary logic, as Lévi­Strauss showed in his book on Kwakuitl masks41). But pictures, like ges­ tures, attract attention. Early drawings may not be exact or well­formed but they are concentrated in their expressive content. Even an optically diffuse image can be very expressive. The general mood of a scene can seem threate­ ning or festive, eerie or uplifting. This too is a kind of meaning. However, Lévi­Strauss and even Peirce were not interested in the generality of expres­ sive phenomena but in binary oppositions or in processes of habit­taking. Cassirer began his investigations of symbolism with the examination of feeling. The sense of touch seems to be the most direct kind of sensation we possess and to involve no kind of symbolism. The feeling we sense when tou­ ching a windowpane is a concrete experience: hard, smooth, and cold. But Cassirer pointed out that if we consider the most basic qualities of touch – qualities such as “hard” and “soft”, “rough” and “smooth” – we must grant that these arise only through motion, that is by touching, so if the sensation of touch were limited to a single momentary instant, within that instant these qualities could no longer be found as data.42 The coldness we feel contrasts with what we felt before, and this too depends upon the action of touching. These examples of the expressive symbolic values in perception were the focus of Cassirer’s work – and for Susanne Langer who took her point of departure from Cassirer. By contrast, Peirce’s conception of an icon did not focus upon expressi­ on or feeling. Although iconicity was not defined in terms of visuality, we find that even when Peirce gave non­visual examples of iconicity, such as hearing music, he saw iconicity in terms of likenesses, namely “the sentiment excited by a piece of music c onsidered as representing what the composer intended”.43 Peirce had difficulties with his category of firstness, for it was inconceiv­ able without the other two categories, and this problem carried over into his discussion of iconicity. Peirce’s concern with logic did not permit him to ack­ nowledge the importance of the firstness of thirdness, only the thirdness of 40 41 42 43

Claude Lévi­Strauss: The Naked Man. Introduction to a Science of Mythology, vol. 4, New York 1981, p. 672: “It has no concern for the general.” The criticism of ritual runs from pp. 668–684. Claude Lévi­Strauss: The Way of the Masks, trans. by Sylvia Modelski, Seattle 1982. See Cassirer: The Philosophy of Symbolic Symbolic Forms, vol. 3 (as fn. 30), p. 178. Peirce: Letter to Lady Welby, October 12, 1904, in: Semiotic and Significs (as fn. 23), p. 33.

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firstness. The firstness of thirdness is qualitative individuality. Let me illus­ trate this with an example from Peirce’s Cambridge Conference Lectures44 – a line on the blackboard. Here is a line:

This line involves all three categories: the line has borders which separate it from the blackboard – that is its secondness – and there is something more general than the line itself, the blackboard upon which it is written, which provides its continuity or 3rdness. The line itself is qualitatively what it is: white chalk color or (here) black ink. But while this specific line looks quiet, another looks agitated:

Materially, it is the same as the other line (chalk or ink), so its contrast with the background is the same as the other line’s. Yet its firstness is different. It is a continuous line too, there is no break in it. But the firstness of this third­ ness is different. Its qualitative individuality is different. Peirce once wrote that “when we study the great principle of continui­ ty […] it will appear that individualism and falsity are one and the same. Meantime, we know that man is not whole as long as he is single, that he is essentially a possible member of society. Especially, one man’s experience is nothing, if it stands alone. If he sees what others cannot, we call it hallucina­ tion. It is not ‘my’ experience, but ‘our’ experience that has to be thought of: and this ‘us’ has indefinite possibilities”.45

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See Peirce: Reasoning and the Logic Logic of Things. The Cambridge Conference Lec­ tures of 1898, ed. by Kenneth Laine Ketner, with an Introduction by Kenneth Laine Ketner/Hilary Putnam, Cambridge 1992, esp. pp. 261–263. Peirce: How to make our Ideas Clear, in: CP 5.402 fn. 2, added in 1893: “When we come to study the great principle of continuity and see how all is fluid and every point directly partakes the being of every other, it will appear that individualism and falsity are one and the same. Meantime, we know that man is not whole as long as he is single, that he is essentially a possible member of society. Especially, one

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Cassirer could never have written that. Perhaps instead of “hallucina­ tion”, he would have said: “If he sees what others cannot, we call it art.” Of course, even the artist masters something general and utilizes it in a personal way: namely the imaginative processes exemplified socially in mythical thought and privately in dreams. Cassirer termed “mythic thought” a symbo­ lic form, a way of having a world, but it is really the oldest part of a family of different kinds of semiosis that depend upon the expressive function of sym­ bolism. Cassirer explicated his conception of expressive symbolism in refe­ rence to a variety of other topics including: aphasia (negatively as prosopagno­ sia), child psychology, psychology of emotion, the perception of qualia, metaphor, music, physiognomic perception, synesthesia, and more. The most systematic published discussion is found in the third volume of the Philosophy of Symbolic Forms. These topics are rarely mentioned by Peirce, but for Cassirer the expressive function of symbolism is ultimately the basis of all semiotic processes, which is why he sought different approaches to its exami­ nation. When Cassirer speaks of the primacy of the perception of the image over the thing, he really means the primacy of expression – the “fundamental and primary stratum of perception”.46 When we describe fleeting and vaguely defined expressive qualities as “light or dark, warm or cold, rough or smooth” we abstract from their emotional tone – that they feel “familiar, sheltering, and protective” or the opposite – “inaccessible, terrifying, and gruesome”.47 The study of expression shows that this “moodiness” typical of mythic thought and of psychosis, is what artists are able to utilize in order to create works that exhibit their awareness of the volatility of emotionality. All this is very far from Peirce’s concerns, but it was the focal point of Cassirer’s interest. Expres­ sive meaning was for him the way to understand qualitative individuality – what Peirce regarded as idiosyncracy. That is how Cassirer and Peirce differ.

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man’s experience is nothing, if it stands alone. If he sees what others cannot, we call it hallucination. It is not ‘my’ experience, but ‘our’ experience that has to be thought of; and this ‘us’ has indefinite possibilities.” Cassirer: The Philosophy of Symbolic Symbolic Forms, vol. 3 (as fn. 30), p. 73. Ibid. pp. 73 and 90.

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3. Why i s t he d i f ferenc e b e t we en Pei rce’s a nd C a ssi rer ’s prog r a ms i mp or t a nt? Why is it important to understand qualitative individuality? Cassirer and Peirce had many reasons for studying semiotic, but they were fundamentally thinkers in the tradition of systematic philosophy for whom Kant and Hegel and the great systematic philosophers of the past were a constant part of their work. Their semiotic programs were intended to reform systematic philoso­ phy. The great philosophical advancement of semiotics was that unlike logic in the traditional sense, it was essentially a theory of media: it brought idealistic philosophy back down to earth while avoiding psychologism – the confusion of structural or logical processes such as inference with psychological pro­ cesses. Peirce once wrote to Lady Welby: “I define a Sign as anything which is so determined by something else, called its Object, and so determines an effect upon a person, which effect I call its Interpretant, that the latter is thereby mediately determined by the former. My insertion of ‘upon a person’ is a sop to Cerberus, because I despair of making my own broader conception under­ stood.”48 What he meant was, Semiosis is not a matter of psychology, even though human thought is semiosis. Cultural forms, Cassirer knew, are always embodied and so symbolic processes have effects “upon a person”. In all of this we are dealing with something singular, yet without forfeiting generality. Peirce’s late work was devoted to the normative sciences as he called them, with aesthetics as the capstone. But Peirce’s conception of the aesthetic as the concrete reasonableness of habit­taking betrayed a deeply Hegelian stri­ pe in his conception of philosophy. Peirce and Cassirer both took feeling to be the basis of mind (see Peirce’s The Law of Mind), but the generality of feeling was Peirce’s interest, and not its aesthetic manifestation as qualitative indivi­ duality. Cassirer’s focus upon individuality led him to investigate expressive symbolism and its manifestation in what he called mythical thought. For Cas­ sirer it is impossible to divorce the emotional qualities of perception because of the body. His approach to semiotics, beginning with the body­soul relation­ ship, was actually a kind of biosemiotics. Cassirer’s interest in philosophical anthropology and expressive symbolism showed that at this juncture he had managed to leave German Idealism behind him, even more than Peirce did. This is why the difference between Cassirer’s program and Peirce’s is important: Cassirer’s permits applying semiotic to individual phenomena that escaped Peirce’s purview. Cassirer’s theory of expressive symbolism was ne­ 48

Peirce: Letter to Lady Welby, December 23, 1908, in: Semiotic Semiotic and Signific Signific (as fn. 23), p. 80 f.

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ver completely worked out, but the program is there. It adds to the program that Peirce completed, and philosophy needs them both if it is to get beyond symbolisms and come to understand the indexical and iconic forms of mea­ ning that have eluded it ever since logic was declared to be its sole concern.

Sig n Syste m s St ud ie s 32 (20 0 4) pp. 277–295

E r nST C A SSI r E r’S P H I loS oP H y of BIology

Abst r ac t The first part of this essay outlines Cassirer’s philosophy of biology in the context of philosophy of science in the 20th century, giving an overview of Cassirer’s different writings on the philosophy of biology. The second part outlines his treatment of what he took to be the chief philosophical problem in the philosophy of biology: the conflict between mechanism and vitalism. Cassi­ rer interpreted this conflict as a methodological debate, not a metaphysical problem. In Cassirer’s eyes, each point of view is justified within specific li­ mits. The third part explicates Cassirer’s critique of Darwinism. Although Cassirer was critical of particular conceptions of Darwinian evolution, he did not reject evolution and, in fact, asserted that the concept of emergence was also of far­reaching importance in other fields besides biology. Part four offers concluding remarks about the importance of the philosophy of biology for Cassirer’s general philosophical orientation and for his conception of the tasks of philosophical theory.

1. Bac k g rou nd Ernst Cassirer’s Philosophy of Symbolic Forms is one of the largest twen­ tieth­century works of philosophy – three volumes and over a thousand pages – but despite its size it was unfinished. Cassirer intended to publish a further, concluding volume. He actually completed part of the book: a first chapter dealing with the problem of life and a second, more sizeable, one entitled ”The Problem of the Symbol as the Basic Problem of Philosophical Anthropology”. In these texts, which he dated ”April 1928”, Cassirer gives great prominence to Jakob von Uexküll’s theoretical biology. Two years before – in 1926 – Uex­ küll became the director of the Institute for Umweltforschung in Hamburg,

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and Cassirer became a frequent visitor to the institute and Uexküll’s friend. Cassirer’s 1928 text was published in 1995, in the first volume of the german nachlass edition,1 and soon thereafter in an English translation.2 Previously, Cassirer’s debt to Uexküll was primarily known through his 1944 book An Essay on Man. The other source was Cassirer’s treatment of biology in the fourth volume of his The Problem of Knowledge. That work was written in Sweden in 1940 but first appeared in an English translation in 1957. The text from 1928 was Cassirer’s earliest treatment of Uexküll, but it is by no means the only example of a previously unpublished application of Uexküll’s thought. The second volume of the nachlass edition, a book Cassirer finished in 1937 called Ziele und Wege der Wirklichkeitserkenntnis,3 includes frequent refe­ rences to Uexküll. The following texts deal importantly with Uexküll: a lec­ ture course (Probleme der Kulturphilosophie) from the Winter semester of 1939 in gothenburg, a manuscript entitled Zur ‘Objektivität der Ausdrucksfunktion’, a year long lecture course in gothenburg 1939–40 on Philosophische Anthropologie, and 1941 book manuscript in English entitled Philosophical Anthropology (not to be confused with the more popular An Essay on Man). Uexküll plays an important role in all these texts, which are pu­ blished in volumes 5 and 6 of the Cassirer nachlass edition.4 A briefer text that will also appear in the nachlass edition is historical­ ly significant. In March 1929 Cassirer gave a lecture at Davos entitled The Basic Problems of Philosophical Anthropology.5 In this lecture Cassirer lin­ ked concepts from Uexküll’s thought and similar notions in Heidegger’s Being and Time. Heidegger attended this lecture of Cassirer’s in Davos. That octo­ ber, Heidegger explicitly took up Uexküll’s conceptions in his lecture course

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Ernst Cassirer: nachgelassene Manuskripte und Texte (ECn), vol. 1: Zur Meta­ physik der symbolischen formen, ed. by John Michael Krois, Hamburg 1995, pp. 1–109. Ernst Cassirer: The Philosophy of Symbolic Symbolic forms (PSf), vol. 4: The Metaphysics of Symbolic forms, ed. by John Michael Krois et al., trans. by John Michael Krois, new Haven 1996, pp. 3–111. ECn, vol. 2: Ziele und Wege der Wirklichkeitserkenntnis, ed. by John Michael Krois et al., Hamburg 1999. ECn, vol. 5: Kulturphilosophie, ed. by rüdiger Kramme et al., Hamburg 2004�� ECn, vol. 6: Vorlesungen und Studien zur philosophischen Anthropologie, ed. by gerald Hartung et al., Hamburg 2005. After the title, Cassirer wrote in round brackets ”(from the standpoint of Martin Heidegger’s existential analysis)”. This manuscript manuscript, Grundprobleme der philosophischen Anthropologie (unter dem Gesichtspunkt der Existenzanalyse Martin Heideggers), will be included in ECn, vol. 17: Davoser Vorträge. Vorträge über Hermann Cohen, Hamburg (in preparation).

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at freiburg,6 focusing upon the distinction between the ”worldlessness” of things, the ”world poverty” of animals, and the fact that humans are able to fashion worlds.7 As far as I have been able to determine, it was Cassirer who introduced Heidegger to Uexküll. By the time all of these texts relating to Uexküll are available it will be clear that Cassirer’s late work was deeply indebted to Jakob von Uexküll and it will be obvious that Cassirer was himself a pioneer in biosemiotics.8 In his text on the ”objectivity of the expressive function” of symbolism and his philoso­ phical anthropology Cassirer treats semiotic processes in biological and not just in cultural terms. Here, I am not going to enter into these writings, rather my focus will be more general: Cassirer’s placement of biology in philosophy. Cassirer is best­known as an interpreter of modern physics, but he also developed a theoretical interpretation of biology. Biology was of great signifi­ cance for his philosophy of symbolic forms9 and especially for its explication as a philosophical anthropology. Cassirer’s teachers at Marburg – Hermann Cohen and Paul natorp – interpreted Kantianism as a philosophy of natural science and especially of mathematical physics.10 Cohen and natorp were not alone in attributing to physics favored status as a science, indeed, this was typical among philosophers throughout most of the twentieth century. In the 1920s and 30s, the philosophers in the ”Vienna Circle of logical Positivism” (centered around Moritz Schlick, otto neurath, and rudolf Carnap) and the ”Berlin group” (led by Hans reichenbach), all treated physics as the proto­ type of genuine scientific knowledge. This elevation of physics went together with their conception of the ”unity of science” expressed in the doctrine of ”physicalism”. Physicalism is the doctrine that all descriptions are ”subjec­ tive” unless they are expressed in physicalistic language. Hence, in order to be scientific, psychological, sociological, and biological terminology all needed ultimately to be rephrased in the language of physics. The ”unity of science” 6 7 8

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Martin Heidegger: Die grundbegriffe der Metaphysik. Welt – Endlichkeit – Ein­ samkeit, gesamtausgabe, vol. 29/30, frankfurt/M. 1983. See ibid. p. 263: ”1. der Stein (das Materielle) ist weltlos�� 2. Das Tier ist weltarm�� 3. der Mensch ist weltbildend.” Biosemiotics has been defined as ”the study of signs, of c communication, ommunication, and of information in living organisms” (oxford Dictionary of Biochemistry and Mo­ lecular Biology, oxford 1997, p. 72�� cf. Jesper Hoffmeyer: Biosemiotics, in: Paul Bouissac [Ed.]: Encyclopedia of Semiotics, new york 1998, pp. 82–85.) references to the philosophy – and not just the book of that name – are given in lower case spelling. Hermann Cohen: Kants Theorie der Erfahrung, Berlin 1918, p. 94, contended that Kant’s transcendental method arose from his reflection on newton’s Philosophiae naturalis principia mathematica.

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in the philosophy of science meant: unity based upon the supremacy of phy­ sics. Cassirer knew the Vienna circle philosophers and reichenbach perso­ nally, and he followed their work, often with approval – except for their phy­ sicalism. for Cassirer, the unity of science could neither be interpreted to mean the supremacy of one science above all the others nor the natural sci­ ences over the cultural sciences (by which he meant both the social sciences and the humanities) or vice versa. The unity of the sciences is functional, not substantial as phyicalism proposed.11 As Cassirer explained in the preface and introduction to the first volume of his Philosophy of Symbolic Forms,12 diffe­ rent ways of having a world can be understood as distinct symbolic forms, which have a functional, rather than a substantial unity. Cassirer’s criticisms of physicalistic philosophy of science enabled him to give biology far greater importance than it was granted in the Vienna or Berlin schools. Cassirer’s well­known books on the theory of relativity13 and on the problem of causali­ ty in quantum physics14 are his most extended writings on the philosophy of science. This is not surprising considering the philosophical problems raised in these fields in the early part of the twentieth century for traditional concep­ tions of space, time, and causality, or for such particular notions as that of a material point. nonetheless, it would be a mistake to assume that Cassirer’s lesser­known writings on the philosophy of biology only were of marginal importance for him. Cassirer began his academic career in 1892 as a student of german lite­ rature, but he switched to philosophy after four years of study due to disap­ pointment with the anti­theoretical and biographical approaches prevalent then in german studies. Cassirer’s earliest theoretical orientation stemmed from this first stage of his academic career. As a student of german literature, long before he read Kant or took up philosophy, Cassirer was already an avid

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Many of Cassirer’s writings on these subjects were never published. Cf. ECn, vol. 8: Vorlesungen und Vorträge zu philosophischen Problemen der Wissenschaften, ed. by Jörg fingerhut et al., Hamburg 2010. for a discussion of his unpublished wri­ tings about the Vienna Circle and the prevalent forms of philosophy of science, see John Michael Krois: Ernst Cassirer und der Wiener Kreis. Elemente moderner Wis­ senschaftstheorie, ed. by friedrich Stadler, Wien 2000, pp. 105–121. Ernst Cassirer: The Philosophy of Symbolic Symbolic forms (PSf), vol. 1: language, trans. by ralph Manheim, new Haven 1953. Ernst Cassirer: Substance and function and Einstein’s Theory of relativity, autho­ rized trans. by William Curtis Swabey/Marie Collins Swabey, new york 1953. Ernst Cassirer: Determinism and Indeterminism in Modern Physics. Historical and Systematic Studies of the Problem of Causality, trans. by o. Theodor Benfey, with a preface by Henry Margenau, new Haven 1956.

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admirer of goethe. His admiration, which bordered on fascination, continued his life long�� indeed, he once remarked that he had read in goethe’s works al­ most daily for 50 years – from age 16 on.15 goethe, of course, was not only a dramatist and poet, but a scientific thinker whose chief concern was the study of life. When Cassirer switched his field of study from german to philosophy in the Winter semester of 1896/97 his outlook was already deeply influenced by his reception of goethe’s work. Cassirer’s interpretation of biology needs to be understood against the background of his work on goethe, and this is also true of the growing importance he attributed to biological theory in his later years when he developed his philosophical anthropology. While philosophers have always raised questions about the nature of humanity, ”philosophical anthropology” was a distinct development in ger­ man philosophy in the 1920s, arising from dissatisfaction with purely empiri­ cal, quantitative approaches to the human sciences. Philosophical anthropolo­ gy sought to avoid treating human beings in physicalistic terms, yet some writers, such as Helmut Plessner, preserved an almost positivistic, purely de­ scriptive approach, while Max Scheler, assumed a kind of religious perspec­ tive. Cassirer’s best­known work on the subject, An Essay on Man,16 focused upon human creativity, which he traced to the use of symbolism, hence his definition of human beings as ”animal symbolicum”. Kant had introduced the study of anthropology into philosophy, but for Kant the concept of reason (Vernunft) defined mankind, and reason was universal. Symbolism was not reason. Mythologies and many other forms of communal symbolism have only local validity. yet, Cassirer contended, it was symbolism which also made reason possible. That much of Kant remained in Cassirer’s philosophical an­ thropology. Kant, of course, also wrote about the problem of teleological judgement in biology in his Critique of Judgement, but this side of Kant’s work was not what interested Cassirer’s philosophical mentors. Paul natorp’s well­known book on Plato (1903) showed that modern mathematical physics could be in­ terpreted as a new form of Platonism. Cassirer too saw mathematics as the

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The depth of goethe’s influence on Cassirer has been greatly underestimated. His fascination with goethe is most evident in his Swedish lectures on goethe, cf. ECn, vol. 11: goethe­Vorlesungen, ed. by John Michael Krois, Hamburg 2003. A check of the membership roster of the goethe gesellschaft (published annually in the Jahresberichte der Goethe-Gesellschaft in the Goethe-Jahrbuch) lists Cassirer from 1895 (vol. 16:22) until he left germany in 1933. Ernst Cassirer: An Essay on Man. An Introduction to a Philosophy of Human Cul­ ture (ECEM), new Haven 1944.

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bond between galileo and Plato, but he did not relegate the theory of life to a minor position in his interpretation of science. Unlike Cohen – who is said to have referred to Aristotle as ”the apothecary” – Cassirer seems to have shown increasing interest in Aristotelianism as time went by, because of the latter’s work on biology. An indication of Cassirer’s perspective can be found in a se­ ries of lectures on greek philosophy which he gave at yale in 1941 and 1942. There for the first time he gave a systematic interpretation of Aristotle’s phi­ losophy (120 pages).17 rather than focusing upon Aristotles’ metaphysics or logic, Cassirer saw the ”c entre of gravity” in Aristotle’s philosophy in his theory of organic growth. Cassirer wrote at the beginning of the lectures: ”Within the limits of these lectures I cannot give you a description of the Aristotelian system and of all its ramifications. I only wish to find, as it were, the centre of gravity of this system. To my mind this centre of gravity is to be sought in the biology of Aristotle, in his theory of organic life”. In the next paragraph Cassirer stated: ”Mathematics is the clue that serves us as guide in our study of Platonic philosophy�� organic life and the laws of organic develop­ ment are the clue that we have to follow in our study of Aristotle”.18 Cassirer’s most extensive publication on biology was the 100­page sec­ tion on the history of biological theory in volume 4 of his The Problem of Knowledge.19 goethe is clearly the central figure in this history. Cassirer’s primary concern was to trace the conflict between supporters of Mechanism and Vita­ lism and to show the importance of this debate in transforming the conception of scientific knowledge. He covered much the same ground in a large unpu­ blished study written about the same time (between 1936 and 1940) on the Objektivität der Ausdrucksfunktion (objectivity of the expressive function) and in the first statement of his philosophical anthropology (from 1928).20

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This text will appear in ECn, vol 13: Zur Philosophie der renaissance, ed. by Enno rudolph et al., Hamburg (in preparation). Ernst Cassirer: Aristotle, second paragraph, yale Beinecke Mss 98, box 36, folder 690. To appear in ECn, vol. 13. Cassirer wrote the manuscript of this book between July 9 and november 26, 1940. See Charles W. Hendel: Preface, in: Ernst Cassirer: The Problem of Knowledge. Philosophy, Science, and History since Hegel (ECPK), trans. by William H. Wog­ lom/Charles W. Hendel, new Haven 1950, p. ix. The original german text was not published until 1957. The new edition of this volume in Cassirer’s works includes a complete bibliography of the large literature on biology cited in the book. See Ernst Cassirer: Das Erkennnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, vol. 4: Von Hegels Tod bis zur gegenwart (1832–1932), in: Ernst Cassirer: gesammelte Werke, vol. 5, ed. by Birgit recki, Hamburg 2000. ECn, vol. 1 (as fn. 1), pp. 3–109�� PSf, vol. 4 (as fn. 2), pp. 3–111.

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Cassirer also discussed biology in various published essays as well.21 To under­ stand Cassirer’s position it is best to begin with the theoretical problems to which he reacted.

2. The v it a l ist cont rover sy Cassirer conceived the conflict between mechanists and vitalists as a metho­ dological debate, not a metaphysical problem. In Cassirer’s eyes, each point of view is justified within specific limits. Cassirer was ready to side with a strict mechanist like Jacques loeb when he explained the growth of plants towards the light by means of a system of ”tropisms” or involuntary changes due to physical processes, just as he was critical of fechner’s view that this turning of plants towards the light was a sign of a ”höhere Sehnsucht” (”higher lon­ ging”22). In the same way, Cassirer also rejected Driesch’s return to the Ari­ stotelian notion of ”entelechy” and, indeed, all speculative notions of life, which, as Cassirer said, went ”beyond anything that science could establish or prove” (ECPK, p. 196). yet Cassirer agreed with the vitalists’ contention that life is a phenomenon sui generis that could not be subsumed under mecha­ nism. Cassirer developed his own version of organicism, i.e., he believed that biology deals with wholes. A particularly telling comment of Cassirer’s about biology can be found in an essay where one would hardly expect it: his posthumously published lecture Structuralism in Modern Linguistics. Cassirer argued there that bio­ logy and modern linguistics both employ comparable methodological concep­ tions, for neither can be modeled upon mechanistic conceptions. rather, the principles of knowledge in biology are akin to those of linguistics in that both are ”structural”. That is, each deals with systems in which the relationships between the elements produce a complex whole, and both study structural changes morphologically, rather than causally. Cassirer found his view best illustrated in l. v. Bertalanffy’s Theoretische Biologie, about which he said: ”It puts in place of the idea of purpose the concept of organization and cha­ racterizes life by ascribing to it the property of a system” (ECPK, p. 216). In addition to Bertalanffy, Cassirer cites Haldane’s conception of holism and Uexküll’s theoretical biology as illustrations of this conception of biology, which he traces back to goethe.

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Cassirer also dealt with these issues in unpublished manuscripts such as the text of his yale seminar on Symbolism and the Philosophy of Language from 1941–1942, the fourth chapter is devoted to ”The biological aspect”. This material is closely related to ECEM. ECn, vol. 2 (as fn. 3), p. 144.

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While goethe is the chief figure in Cassirer’s historical treatment and conception of biology, he does not regard his work without considerable reser­ vations. Cassirer did not agree with goethe’s rejection of mathematics nor his denigration of interventional experiments, or his preference of imaginative vision over historical, phylogenetic study. goethe relied upon observation alone, yet his observations led him to discoveries of fundamental importance, in particular they convinced him of the untenability of the supposed immuta­ bility of botanical classifications. To goethe, linné’s strict divisions according to the number of stamen and pistils in a plant and the assumption of fixity in the botanical world misrepresented nature. Cassirer notes that in the 19th cen­ tury, goethe was given the highest praise possible: he was called a ”Darwinian before Darwin” (ECPK, p. 137). However, Cassirer is anxious to point out that goethe was a morphologist, not an evolutionist. goethe’s notion of ”morphology” – a word he invented – derived from his empirical observation of the fact that the same plants grew differently in different environments. goethe no longer regarded botanical form as fixed�� he discovered the variability and changing nature of species. But he did not, like Darwin, concern himself with their genealogy. As Cassirer put it, ”goethe’s concept of ‘genesis’ is dynamic, not historical” (ECPK, p. 149). Instead of fa­ cing the empirical question of the descent of species, goethe gave an ideal outline of the process of transformation. To Cassirer’s mind this was a virtue, not a fault, because goethe did not confound the concept of structure with that of mechanical causation. goethe’s Morphology offered a way to conceive of changing biological forms without reference to mechanistic views or retur­ ning to teleological conceptions of nature. Cassirer cites approvingly Bertallanfy’s criticism that Darwin made improper use of the notions of ”survival” and ”adaptatio” by treating them as purposive conceptions. goethe’s conception of the organism regarded species as changing, temporal identities without resorting to any kind of teleology. As Cassirer put it, goethe no longer thought in terms of ”spatial forms” (Raumgestalten) but rather in ”temporal forms” (Zeitgestalten) (ECPK, p. 147). on Cassirer’s view, the notion of a biological species was a whole with tempo­ ral limits. The unity of a species was the history of its development. Cassirer argued that while the idea of purpose had no place in modern science, this could not be said of the notion of a ”whole”. (He argued that the concept of an organized whole is needed in other sciences as well, including field physics and gestalt psychology.23 Cassirer wrote in the Problem of Knowledge: ”In con­ trast to the idea of purpose, the concept of organization characterizes life by 23

See Ernst Cassirer: Structuralism in Modern linguistics, in: Word. Journal of the linguistic Circle of new york 1/2 (August 1945), pp. 99–120�� cf. ECPK, p. 212.

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ascribing to it the property of a system” (ECPK, p. 216). This view undercuts the battle between mechanists and vitalists, for it offers no barrier to physico­ chemical explanations yet maintains that not all biological phenomena can be so explained, namely, the structures of living things as wholes. Anatomy, or rather comparative anatomy, therefore assumed fundamental importance for zoology on Cassirer’s view, just as it was the empirical basis for Darwinianism as well. According to Cassirer, biology became an autonomous field of study with the publication in 1543 of Vesalius’ De Humani Corporis Fabrica (on the fabric of the Human Body).24 In that work Vesalius created empirical de­ scriptive anatomy, breaking with the ancient authority of galen and explana­ tory theories taken from ancient physics (such as the four elements) or astro­ logical ”c orrespondences”. This emphasis on the importance of anatonomy for biology also explains why Cassirer took such an intense interest in the theo­ retical biology of Jakob von Uexküll, for, as Cassirer once wrote: ”Uexküll was above all an anatomist.”25 Jakob von Uexküll (1864–1944) was Cassirer’s colleague and friend in Hamburg in the 1920s. Cassirer was drawn to Uexküll because the latter’s view of anatomy resurrected goethe’s program of morphology (ECPK, p. 200). goethe’s approach to biology, Cassirer thought, was the source of Uexküll’s definition of the study of life. Cassirer was so taken with Uexküll’s definition of biology he quoted it twice in full in his study of the history of biology in The Problem of Knowledge (ECPK, pp. 129, 199). Uexküll said: ”The science of living beings is a purely natural science and has but one goal: investigation of the structure of organisms, their origin, and their functioning”.26 In an unpublished text Cassirer stated explicitly that Uexküll was the biologist who avoided both extremes in the controversy between Mechanists and Vitalists: ”The real middle way in biology is taken here by Uexküll, who is a methodical Vitalist, without being a metaphysical Vitalist”.27 Uexküll’s own contribution to biology derived, however, from his ex­ pansion of the viewpoint of descriptive anatomy to include a conception of an organism’s environment (Umwelt). These aspects come together in his con­

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See Ernst Cassirer: The Place of Vesalius in the Culture of the renaissance, in: yale Journal of Biology and Medicine 16 (December 1943), pp. 109–119. ECPK, p. 199�� cf. ECn, vol. 1 (as fn. 1), pp. 40–43 and PSf, vol. 4 (as fn. 2), pp. 43–45. ECPK, p. 199�� cf. cf. Jakob von Uexküll: Die lebenslehre, Potsdam 1930, p. 9. ”Die richtige Mitte in der Biologie hält hier Uexküll, der methodischer Vitalist ist, ohne metaph[ysischer] Vitalist zu sein.” (Cassirer: objektivität der Ausdrucks­ funktion, in: ECn, vol. 5: Zur Kulturphilosophie. Vorlesungen und Vorträge 1929– 1941, ed. by rüdiger Kramme et al., Hamburg 2004, p. 162.)

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cept of the structure of an organism, which he called its ”Bauplan” or structu­ ral form.28 Cassirer emphasized repeatedly the importance of Uexküll’s view of the ”Bauplan”.29 The following passage is from his 1928 text on Das Symbolproblem als Grundproblem der philosophischen Anthropologie, but a similar assessment is found sixteen years later in An Essay on Man (ECEM, p. 23 ff.). Cassirer wrote in 1928:30 This organization [Bauplan] creates the environment of living orga­ nisms so that this is in no case a constant but rather different for every creature since it varies with their organizations [Bauplan]. Just as envi­ ronmental factors are objective, so too we must take as objective the effects called forth by it [the Bauplan] in the nervous system. These effects too can only be determined by reference to the body’s structure, and from the outset they must be seen as regulated through it. now the totality of these effects is what we designate as the ‘inner world’ of a living creature, so that – as Uexküll emphasizes – even establishing the existence of this inner world is ‘the unspoiled fruit of objective re­ search’, which ‘should not be clouded by psychological speculation.31 The Bauplan embraces not only the brain and nervous system, as well as the skeleton but the total anatomy of the organism. The primacy of the Bauplan

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See Uexküll: Die lebenslehre (as fn. 26), pp. 73–75: ”Die Baupläne”. Cf. Jakob von Uexküll: Umwelt und Innenwelt der Tiere, Berlin 1921, p. 5: ”Über der Innenwelt und der Umwelt steht der Bauplan, alles beherrschend. Die Erforschung des Bau­ planes kann [...] allein die gesunde und gesicherte grundlage der Biologie abge­ ben.” (over and above the inner ner world and the surrounding world stands the Bau­ plan, governing everything. An examination of the Bauplan provides the only healthy and secure basis for biology.) See e.g. Ernst Cassirer: The logic of the Cultural Sciences, trans. by Steve g. lofts, new Haven 2000, pp. 23–27, where ”Bauplan” is translated as ”blueprint”. ”Der Bauplan schafft selbsttätig die Umwelt eines lebewesens, soda�� diese keineswegs als konstant, sondern als für jedes Wesen esen verschieden, als mit dem Bauplan variabel anzusetzen ist. Und ebenso objektiv[,] wie es die faktoren der Umwelt sind, müssen die von ihnen hervorgerufenen Wirkungen im nervensy­ stem aufgefasst werden. Auch sie sind nirgends anders als von der körperlichen Struktur her bestimmbar, und sie sind von vornherein durch diese gesichtet und geregelt. Die gesamtheit dieser Wirkungen nun ist dasjenige, was wir als die ‘In­ nenwelt’ eines lebewesens bezeichnen, soda�� – wie Uexküll betont – auch die fest­ stellung dieser Innenwelt ‘die unverfälschte frucht objektiver forschung’ bildet, die ‘nicht durch psychologische Spekulationen getrübt werden’ soll” (ECn, vol. 1 [as fn. 1], p. 41). PSf, vol. 4 (as fn. 2), pp. 42 f.

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brought with it Uexküll’s characteristic approach to the distinct ”worlds” of animals. According to the anatomical structure (Bauplan) of the animal, with its particular receptor and effecter systems (Merknetze and Wirknetze), the animal lives and moves in specific functional circles (Funktionskreise): circles of nutrition, defense, and reproduction. As Uexküll colorfully puts it: ”In the world of a fly, we find only fly things, in the world of a sea urchin only sea urchin things” (ECEM, p. 23). Cassirer concludes: ”The experiences – and the­ refore the realities – of two different organisms are incommensurable with one another” (ECEM, p. 23). This kind of pluralism was for Cassirer a modern version of goethe’s conception of the uniqueness of each biological form (ECPK, p. 204). Each has its own center within itself, which cannot be measured by any kind of exter­ nal purposiveness.

3. C a ssi rer ’s cr it ique of Da r w i n i sm Cassirer did not reject evolution, but he criticized Darwin’s interpretation of it. In his text on Darwinism as a Dogma and as a Principle of Knowledge (ECPK, pp. 160–175) he offered a balanced critique of both dogmatic adherence and dogmatic opposition to Darwin’s ideas. Cassirer’s own criticism was quite specific. Darwinism has been variously extrapolated to social theory. Darwin cannot be blamed for the interpretations which have been placed upon his notion of ”the fittest”, but much of Cassirer’s general disinclination towards the theory of evolution relates to the socio­political interpretation of Darwi­ nism, although it does not derive from this alone. When Cassirer wrote his study of biology in Swedish exile in 1940, the notion of a master race was having its political heyday, and it is noteworthy that Cassirer took pains to show a further point of agreement between Uexküll’s biology and another basic aspect of goethean morphology: namely, the elimination from biology of the ranking of species. for goethe, the biosphere is not ordered such that the various kinds of animals exist for each other, or form a series which finds its end – in either the sense of a terminus or a purpose – in any species, including mankind (ECPK, p. 203). Cassirer emphasized that for goethe ”it would be impossible to select any single race, human or otherwise, from the totality of life and set it up as the goal, the measure, the canon” (ECPK, p. 204). Cassirer cites the following passage from goethe’s comparative anatomy to illustrate this: ”An individual cannot serve as a standard for the whole, and so we must not seek the model for all in any one. Classes, orders, species, and individuals are related as cases are to a law�� they are included under it, but do not constitute it” (ECPK, p. 144). The ”law” in question is the principle of morphology.

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goethean morphology abandons both ”the invariability of the species” and the view that any species of life is superior to any another. This concepti­ on is fundamentally pluralistic, and on this point in particular, Cassirer says: ”Uexküll’s biology conformed in every particular with this view of goethe” (ECPK, p. 205). The social and political undercurrent in this line of argument is unmistakable, but it would be wrong to conclude that Cassirer was attracted to such a theoretical position for political reasons. rather, Cassirer’s entire approach to science and culture was conceived from the outset in reference to his criticisms of traditional logic, with its hierarchy of classes based upon the concept of substantial forms or essences. Beginning with his first systematic work, Substance and Function in 1910, Cassirer denied any scientific value to traditional logic. The subsumption of things under higher classes is typical of language, but the resulting classifications are just that: linguistic classifica­ tions. This capacity to make binary divisions led early biology into the realm of mere names which Cassirer says even became ”a veritable mania for classi­ fication” in linnaeus (ECPK, p. 127). In Substance and Function he showed how in numerous sciences the logic of relations and functional thinking had replaced traditional logic. later, in The Philosophy of Symbolic Forms, he argued for contextualisation against panlogism and developed a pluralistic conception in which different symbolic forms were regarded as autonomous ways of having a world. It is no wonder that he found Uexküll’s notion of ir­ reducibly different surrounding worlds (Umwelten) congenial. Cassirer approved of goethe’s abandonment of the invariability of spe­ cies, but he still had to address the problem of how to explain their origin. Cassirer’s most explicit statements on this question are found in his study The Problem of Form and the Problem of Causality in his late (1942) book Zur Logik der Kulturwissenschaften (The Logic of the Cultural Sciences). This study explicates a fundamental conception in Cassirer’s general philosophy of science: the indispensability of discontinuity for development. Cassirer di­ stinguishes the concepts of form and causality radically, and suggests that the emergence of new structures demands abandoning the ancient notion of natura non facit saltus, for, he contends, nature does make jumps. He quotes approvingly from Hugo de Vries’ characterization of mutations,32 where he claims that the origin of a species ”c onstitutes a break which sharply and com­ pletely distinguishes the new form as a species from which it came. The new species comes into being immediately�� it arises from the earlier one without detectable preparation and without transition”. Cassirer says that such a meta-

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Cassirer: The logic logic of the Cultural Sciences (as fn. 29), p. 102.

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basis eis allo genos is found again and again in both natural and cultural developments. This notion of going over into a new genus or category is recur­ rent throughout all of Cassirer’s writings, not only in his philosophy of bio­ logy. Cassirer claims that empirical research and philosophy are here on the same footing: they can exhibit the emergence of new forms but they cannot give any causal explanation of them.33 Here he sees himself as following goe­ the, whose notion of the Urphänomen, Cassirer explains, entails admitting that such developments are ”irreducible facts”.34 yet these are processes, and processes emerge from other processes. Cassirer affirmed a concept of emer­ gence which demanded more theoretical explication than he ever provided.35

4. Conc lud i ng rema rk s Cassirer’s interpretation of biology was not an isolated part of his philosophy, rather it can be found incorporated into and further developed within his phi­ losophical anthropology. An illustration of this can be seen in his reception of the work of the neurologist Kurt goldstein. goldstein was most noted for his work on aphasia, which concentrated upon the effects of brain damage on the use of language. goldstein did not think that neurology should focus upon the activity of the brain or neural paths independently of the rest of the organism. for example, he did not think that language abilities were localized in a fixed place in the brain but could be transferred. rather than viewing the symp­ toms of aphasia as negative signs of a loss, goldstein regarded them positively as the attempts of the organism to find a new way to preserve a function. In goldstein’s book, The Organism,36 he regarded the organism and its environ­ ment in terms comparable with Uexküll. Cassirer visited goldstein’s clinic in frankfurt to observe the behavior and speech of patients suffering from apha­

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Cassirer c claims laims that the shift from language as a vent for expressing feelings to language as a tool for attaining practical ends and to language as a means for as­ serting propositions is always a jump, never a gradual change. Cf. yale Beinecke, Mss 98, box 52, folder 1041: ”Aber weder der Empfindungslaut, noch der Wirk­ und Werklaut (noiré) kann die dritte Stufe der Sprache, die rein symbolische Darstel­ lung erfassen und erklären. Hier bedarf es immer eines ‘Sprunges’, einer ‘Mutati­ on’, nicht Evolution.” Cassirer: The logic logic of the Cultural Sciences (as fn. 29), p. 99. for a recent study of goethe dealing with the c close lose affiliation of his conception of science and process philosophy, see roger Stephenson: goethe’s Conception of Knowledge and Science, Edinburgh 1995. Kurt goldstein: The organism. A Holisti Holisticc Approach to Biology Derived from Pathological Data in Man. With a foreword by oliver Sacks. new york 1995 (first published in german in 1934).

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sia.37 These observations provided the background for the chapter on the pa­ thology of the symbolic function in the third volume of The Philosophy of Symbolic Forms, one of the most important texts for Cassirer’s philosophical anthropology. Cassirer conceived of this chapter as a kind of negative proof of his theory of symbolism: ”the process of the world’s ‘symbolization’ discloses its value and meaning where it no longer operates free and unhindered, but must struggle and make its way against obstacles”.38 These words, echoing goldstein’s model of the organism, show that Cassirer’s philosophical anthro­ pology is closely linked to his theoretical interest in biology. Cassirer’s An Essay on Man did not appear until 1944 but the ideas in that book derived ultimately from his contacts with goldstein and Uexküll in the 1920’s. Cassirer upheld what might best be called a medical model of biology, for he regarded life in terms of concrete, particular, even individual forms. The organism in its environment could only be understood in terms of this particular unique whole taken as an individual case. While chemistry may supply the answers to questions linking botanical and zoological processes with the physical world, this in no way eliminates the validity of a medical ”c ase” model for the study of life processes. Anatomy, on Cassirer’s view, be­ comes the focal point for zoology because the interaction of the organism with its environment is an ultimate phenomenon for biology. The individual has a similar central place in Cassirer’s philosophical anthropology. Cassirer defined humanity by reference to the use of symbols, reinterpreting the traditional notion of animal rationale as animal symbolicum. He conceived his view as a supplement to Uexküll’s theory of the ani­ mal’s Bauplan. Human beings have a symbolic world that cannot be compared with animals’ reactions to signs (Uexküll’s Merknetz). Humans develop ”symbolic worlds” which acquire an objective status of their own. While lan­ guage can be used to give oral signals, there is a difference of kind between such behavior and the use of written, propositional language, just as there is between the use of stick as a tool and the creation of a technology, i.e., a sys­ tem of instruments. With the development of such systems, individual actions and documents can have long­lasting and wide­ranging effects over genera­ tions. Cassirer contended that there can be no transition between an animal’s

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on Cassirer’s contacts contacts with goldstein in frankfurt, see PSf, vol. 3: Phenomenolo­ gy of Knowledge, trans. by ralph Manheim, new Haven 1957, p. 210, fn. 7 and p. 217, fn. 19. Cf. esp. Ernst Cassirer: Two letters to Kurt goldstein, in: Science in Context 12/4 (Winter 1999), pp. 661–667. PSf, vol. 3 (as fn. 37), p. 277.

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Merknetz of signals and such ”symbolic systems”,39 but only a metabasis eis allo genus – a jump to a new species. But even Cassirer’s philosophical follower, Susanne langer, did not want to leave the jump from the animal to the human unbridged. In her late work40 she sought to understand this shift by investigating the nature of feel­ ings. Empirical researchers have not been satisfied with this purely descriptive outlook either. The ”symbolic species”41 has a history, which can be recon­ structed, and research on the coevolution of symbolism and the brain may show that Cassirer’s biosemiotic perspective is better as a program for re­ search than as a ”final interpretation” of the question of the ”nature of man” than Cassirer seemed to think. on the other hand, Cassirer’s attempt to show the limits of causal ex­ planation is clearly valid in the area of symbolic systems. Popper rejected the possibility that so­called ”laws of history” could predict historical develop­ ments, for they would also have to predict the course of future scientific knowledge. Cassirer proposed a comparable view in his essay on the Naturalistic and Humanistic Philosophies of Culture,42 which he first gave as a lec­ ture in Vienna in 1937 at the Kulturbund. History, Cassirer argued, is depen­ dent upon symbolic meanings, but we cannot predict the way the different symbolic forms of culture will develop. Unlike Popper, however, Cassirer did not adopt evolution, even in a reinterpreted form, as a model for the theory of knowledge, even though Cassirer recognized that symbolisms were the means to problem solving. Cassirer’s view of evolution, if he would have accepted that name for it, would have been more like Peirce’s, who distinguished be­ tween evolution due to some causal principle and cases requiring the assump­ tion of absolute chance (tychism), i.e., of developments ”without detectable preparation and without transition”. Cassirer granted teleological conceptions a place in social and psycho­ logical theory, but not in biology. for all his interest in anthropology, Cassirer was critical of anthropomorphism. on this point he liked to quote goethe, who said, ”nature and Art are too great to be directed to ends”.43 39 40 41 42 43

ECEM, p. 24. Cassirer also refers there to symbolism as a medium (ECEM, p. 25) and to different symbolic forms as media. Susanne K. langer: Mind. An Essay on Human feeling, 3 vols., Baltimore 1967/ 1972/1982. Terrence W. Deacon: The Symbolic Species. The Co­Evolution of language and the Brain, new york 1997. Ernst Cassirer: naturalistic and Humanistic Philosophies of Culture, in: The logic of the Humanities, trans. by Clarence Howe, new Haven 1961, pp. 3–38. See ECn, vol. 11 (as fn. 15), ”goethes geistige leistung, Erste Vorlesung”. The passage reads: ”natur und Kunst sind zu gro��, um auf Zwecke auszugehen.” Cas­ sirer’s source is Johann Wolfgang von goethe: letter to C. f. Zelter, 29. January

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Cassirer erected a high wall between causal explanation and the con­ cept of structure in his theoretical interpretation of biology so as to avoid te­ leological assumptions about natural processes. This wall was permeable in the last analysis because the notion of morphology permitted Cassirer to con­ ceive the rise of new forms by non mechanical explanations, relying ulti­ mately upon the notion of chance. The recent dissemination of self­organiza­ tion theories seems to indicate that Cassirer was perhaps on the right track. In any case, his theoretical interpretation of biology was not just of incidental importance to him, but an integral part of his own philosophy.

1830, in: goethes Werke, Abt. IV: goethes Briefe, vol. 46, (Weimarer Ausgabe), p. 223: ”[E]s ist ein gränzenloses Verdienst unsres alten Kant um die Welt, und ich darf auch sagen um mich, da�� er, in seiner Kritik der Urtheilskraft, Kunst und natur kräftig nebeneinander stellt und beiden das recht zugesteht: aus gro��en Principien zwecklos zu handeln. So hatte mich Spinoza früher schon in dem Ha�� gegen die absurden Endursachen gegläubiget. natur und Kunst sind zu gro��, um auf Zwecke auszugehen, und haben’s auch nicht nöthig, denn Bezüge gibt es über­ all und Bezüge sind das leben.”

Ku lt u r el le E x i ste n z u nd s y mb ol i s c he For m. Ph i lo s oph i s c he E ss ays z u Ku lt u r u nd Me d ie n Herausgegeben von John Michael Krois und Norbert Meuter Berlin 2006, S. 167–189

F Ü R BILDER B R AU C H T M A N K E I N E AU G E N Zur Verkörperungstheorie des Ikonischen

Bi lder a ls ph i losoph isc hes Problem Bilder gehören neben Schriften und Zahlen zu den wichtigsten Kulturmedien, aber sie waren in der langen Geschichte der Philosophie selten ein zentrales Thema. Schon früh stand das Ideal der philosophischen Erkenntnis fest: Phi­ losophie sollte das Allgemeinbegriffliche und nicht das Einzelne und An­ schauliche zum Gegenstand haben. Daraus zog man den Schluss, dass Bilder kein wirklich philosophisches Thema sein konnten. Diese Ansicht fand eine theoretische Rechtfertigung in der antiken Philosophie. „εìκασία“, das Den­ ken in Bildern, galt für Platon als die niedrigste Form von Erkenntnis, und seine Ansichten darüber haben das philosophische Denken Jahrtausende be­ einflusst. Bilder sind, nach Platon, mimisch.1 Mimesis kann als „Nachahmung“ übersetzt werden, als eine Reproduktion von etwas, das schon da ist. Bilder sind daher im Grunde Abbilder. Das wahrhaft Wirkliche waren für Platon nicht die Naturgegenstände, die uns umgeben und die die Künstler nachahm­ ten – die Naturdinge waren selber nur ein Abglanz der ewigen Ideen. Bilder waren demnach Kopien von Kopien. Philosophen sollten sich dem Studium der eigentlichen Wirklichkeit widmen. Diese theoretische Auffassung war für Platons negatives Urteil über bildliche Darstellungen nicht ausschlaggebend. Sein größtes Bedenken betraf die Wirkung der Mimesis. Da Bilder von der wahren Wirklichkeit ablenken, schadet diese Täu­ schung der Seele indirekt. Gleichzeitig lösen die sinnlichen Erscheinungen der Mimesis Affekte aus, die die Vernunft – nous – nur schwer beherrschen kann. Künstler können somit durch die mimische Darstellung Affekte herbei­ 1

Siehe zu Mimesis Platon: Politeia X, zum Wagenlenker Phaidros, 246a–247c; vgl. Politeia IV, 438d ff. über das Begehrliche, Muthafte und Vernünftige.

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Bild 1 Jan Pietersz Saenredam: Antrum Platonicum, 1604, Kupferstich, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett.

führen, die die Seele in Aufruhr setzen und ihr direkt schaden. Diese Unord­ nung schadet letztlich der ganzen Gemeinschaft. Platons Aufforderung, die Künstler streng zu überwachen und, wenn nötig, zu verbannen, zeigt wie ernst er diese Wirkung nahm. Platon hat diese philosophischen Argumente interessanterweise in un­ vergesslichen Bildern zum Ausdruck gebracht. In der Allegorie der Höhle in seiner Politeia (Bild l) werden Menschen mit Gefangenen verglichen, die gefesselt in einer Höhle nur die Schatten von Objekten hinter ihrem Rücken wahrnehmen können. Wir, mitten in der Natur, sind gefesselt wie diese Ge­ fangenen. Wir sind an die körperliche Welt gebunden und erkennen die wah­ re Wirklichkeit nicht. Die Dinge, mit denen wir leben, sind nur Schatten. Und Bilder sind nur Schatten von diesen Schatten. Auch seine Konzeption der Seele hat Platon in einem berühmten Bild fixiert. Im Dialog Phaidros wird die Seele mit dem Bild eines Pferdewagens veranschaulicht (Bild 2). Die Seele ist ein Kräfteverhältnis: Die Vernunft – nous – lenkt alles, wie ein Wagenlenker, der den Kurs vorgibt. Aber die Emo­ tio – thumos – ist wie ein wildes Pferd, voll von Lust und Furcht; sie gehorcht nicht und droht den Wagen von seiner Bahn abzulenken oder ganz zu Bruch zu führen. Nur der Mut – epi-thumos –, symbolisiert durch das zweite stolze Pferd, gehorcht der Vernunft – dem Wagenlenker – und kommt ihm zu Hilfe.

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Bild 2 Giulio della Torre: Auriga Platonis, Medaille von Francesco di Giulio della Torre, Turin, Museo Civico d‘Arte Antica.

Die Macht von mimischen Darstellungen, Affekte anzuregen, begünstigt das Unkontrollierbare im Menschen, das somit Gewalt über die Vernunft gewin­ nen kann. Selbst im Alter, als Platon in seinem letzten Werk, die Nomoi, nicht mehr seine Ideenlehre erwähnte, hielt er dennoch fest an seiner Kritik der Künstler.2 Die Wirkmächtigkeit der Mimesis war für Platon so bedenklich, dass er sie im Staat unbedingt eingeschränkt sehen wollte – ganz gleich, ob wir sie an der Lehre von den Ideen messen oder nicht. Die Fähigkeit von Bildern, Affekte zu erregen, ist nicht zu leugnen. Dies gehört zu ihren prominentesten Eigenschaften. Platon erkannte, dass Bilder in einer besonders innigen Beziehung zum Körper stehen. In der Ge­ schichte der Philosophie nach der Antike war die Theorie von Bildern besten­ falls nur noch ein Randthema. In der neuzeitlichen Philosophie stand die Sprache immer mehr im Mittelpunkt des Interesses. Es gab Ausnahmefälle, wie etwa im 18. Jahrhundert den italienischen Philosophen Giambattista Vico, für den Bilder der Beginn aller Kultur sind und deren Wirkung für ihn zentral bleibt. Aber solche Querdenker zählten für die Philosophiehistoriker nicht zum Kanon der „großen Denker“, und wenn einer der großen Denker – wie etwa Leibniz (wie wir jetzt wissen)3 – doch Bildern zentrale Bedeutung zuge­ messen hat, übersahen es die Philosophiehistoriker. Als im 18. Jahrhundert die neue philosophische Disziplin der „Ästhetik“ entstand, befasste sie sich mit Schönheit und vorzugsweise mit Naturschönheit, nicht mit Bildlichkeit. Im 19. Jahrhundert, als die „Philosophie der Kunst“ aus der Ästhetik hervor­ ging, ging es ihr um eine bestimmte Kulturform, nicht um Bildlichkeit per se. In Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Kunst sprach er sogar der Kunst im 19. Jahrhundert gerade jene starke Wirkung ab, die Platon so beun­ 2 3

Siehe Platon: Nomoi, VII, 817b. Horst Bredekamp: Die Fenster der Monade. Gottfried Wilhelm Leibniz’ Theater der Natur und Kunst, Berlin 2004.

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Bild 3 Wassily Kandinsky: Improvisation 7, 1910, Öl auf Leinwand, 131 × 97 cm, Moskau, Tretyakov Gallery.

ruhigt hatte. Für Hegel ging es in der Kunst letztlich um alles, worin der Mensch heimisch zu sein fähig ist. Er zeigte, dass die philosophisch begriffene Geschichte der Kunst wesentlich eine Art von Biedermeier ist. Hegels Philo­ sophie der Kunst war der Auslöser für die Rede vom „Ende der Kunst“, und in der Philosophie schien bewiesen, dass sie die Bilder nun endgültig hinter sich gebracht hat. Auf diese Weise bereitete sie die große Revolution der Philoso­ phie im 20. Jahrhundert vor, die man gerne als den „linguistic turn“ bezeich­ net. In den Hauptrichtungen der Philosophie der letzten hundert Jahre wur­ den alle Probleme, ob theoretisch oder praktisch, in Fragen der Sprache und des Sprachgebrauchs umgewandelt. Es ist noch zu früh, um von einem „iconic turn“ in der Philosophie zu sprechen, aber das Interesse an Bildtheorie in der Philosophie ist nicht mehr zu übersehen. Manche deuten dies als Ausdruck der Tatsache, dass wir heute mit einer „Bilderflut“ konfrontiert sind, die frühere Zeiten nicht kannten. Aber eine quantitative Erklärung ist nicht ausreichend. Aufschlussreicher ist

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Bild 4 Rosalind Franklin: Photograph 51, X­Ray Diffraction DNA­B Form, Cold Spring Harbor, James D. Watson Collection.

es, die neuen Bildarten in den Blick zu nehmen, die offensichtlich machen, dass der althergebrachte Begriff von Bildern als Reproduktionen nicht ausrei­ chend ist oder war. Schon mit der Entstehung der modernen Kunst vor hundert Jahren lag dies nah (Bild 3). Das Neue an diesen Bildern war, dass sie ganz eindeutig nicht Abbilder waren. Kunst, um mit Paul Klee zu reden, macht sichtbar. Diese Ent­ wicklung war nicht auf den Bereich der Kunst beschränkt. Von den neuen wissenschaftlichen Bildern, die nach der Entstehung der Fotografie möglich wurden, konnte keiner mehr in einem platonischen Sinne behaupten, dass sie von einer wahren Erkenntnis ablenkten. Eine Fotografie (Bild 4) gab James Watson und Francis Crick einen entscheidenden Hinweis bei der Konstruk­ tion ihres Modells von der Struktur des DNA­Moleküls. Watson erzählte spä­ ter: „Sobald ich das Bild sah, fiel mein Mund offen und mein Puls fing zu ra­ sen an […] das Kreuz der Reflektionen, das das Bild dominierte, konnte nur durch eine Helixstruktur entstehen.“4 Dieses Bild reproduziert nichts, das mit bloßen Augen je gesehen werden kann. Die zu untersuchende Substanz wurde zunächst kristallisiert und unsichtbare Röntgenstahlen wurden darauf proji­ ziert, die Spuren von ihren Reflexionen in einem fotografischen Film zurück­ ließen, die nach chemischer Bearbeitung sichtbar wurden. Das Zusammen­ wirken von unsichtbaren Strahlungen und chemischen Prozessen mit einem 4

James D. Watson: The Double Helix. A Personal Account of the Discovery of the Structure of DNA, London 1999, S. 132 f.

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Bild 5 Computer Mapping (Elektromagnetische Felder eines Menschenherzens).

Instrument ermöglichte es Rosalind Franklin, diese extrem vergrößerte Sicht der Mikrowelt herzustellen. Dieses Bild wird nur wenigen Menschen etwas sagen können. Watson hat etwas darin gesehen, dass nur zum Teil sichtbar gemacht wurde. Solche Bilder haben nichts mit der uns bekannten Welt zu tun, weshalb man heute in den Wissenschaften von „Bildgebung“ spricht. Typi­ sche bildgebende Verfahren verwenden weder Licht oder Röntgenstrahlen, Fotografie oder Abdrücke. Stattdessen werden elektrische Signale am Compu­ ter bearbeitet, um sichtbare Formen herzustellen (Bild 5). So können z. B. die unsichtbaren beweglichen elektrischen Felder um ein lebendes Herz als sich verändernde gefärbte Formen durch Computermapping dargestellt werden. Digitale Technik ermöglicht auch die Herstellung von Spielfilmen ohne Schauspieler (Bild 6).5 Je nach Interesse können digitale Verfahren eingesetzt werden, um besonders zuverlässige medizinische Bilddiagnosen zu ermögli­ chen oder fotografischen Realismus vorzutäuschen. 5

Der erste Spielfilm, der CGI (computer generated images) einsetzte, um fotorealis­ tische Digitalbilder zu produzieren, war Final Fantasy. The Spirits Within (USA/ Japan 2001, Hironobu Sakaguchi). Alle Figuren, wie hier die Hauptperson, Dr. Aki Ross, waren virtuell.

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Bild 6 Bilder von Dr. Aki Ross aus FINAL FANTASY. THE SPIRITS WITHIN (USA 2001, Hironobu Sakaguchi).

Bild 7 Thomas Demand: Ghost, 2003, C­Print / Diasec, 122 × 160 cm.

Das Bewusstsein, dass Bilder Neues hervorbringen, hat manche Künst­ ler, wie hier (Bild 7) Thomas Demand, dazu angeregt, dies in ihren Werken zu behandeln. Demand setzt ausgerechnet Fotografie ein, um zu zeigen, dass sei­ ne Bilder nicht realistisch sind. Er baut Modelle aus Karton, die wirkliche, oft durch die Medienwelt bekannte Szenen nachstellen. Die Modelle werden dann fotografiert, ohne den Modellcharakter der Szene zu vertuschen. Das Bild Ghost erinnert an die weitverbreitete „Geister­Fotografie“ im 19. Jahrhundert. Für Philosophen stellt sich die Frage, wenn Bilder nicht durch eine Theorie der Mimesis zu begreifen sind, was soll dann an ihre Stelle treten?

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Eine Möglichkeit, die verschiedene Vertreter gefunden hat, wäre, den Zei­ chencharakter von Bildern als neue Grundlage für die Bildtheorie stark zu machen. Es gibt diverse zeichentheoretische Ansätze, die sich meistens an das Vorbild der Sprache anlehnen. Dies hat u. a. zur Folge, dass der Sinn von ab­ strakten Bildern dann darin besteht, dass diese „sich selbst bezeichnen“. Die­ ser logische Kraftakt erklärt aber kaum, warum abstrakte Kunst Menschen in Ausstellungen lockt. Andere Theoretiker versuchen, Bilder in erster Linie als Objekte zu betrachten. Sie heben dabei ihre formale oder mediale Beschaffen­ heiten hervor. So sehen moderne Anhänger des Formalismus Bilder – wie einst Wölfflin – durch ihre formale Beschaffenheit bestimmt: werden die Far­ ben malerisch oder linear verwendet, tendiert der Stil mehr zum Haptischen oder zum Optischen? Andere Theoretiker fragen, welche Möglichkeiten die Medien besitzen, die zur Anwendung kommen – Was unterscheidet die mate­ riellen Bildmedien von einander und diese von Schrift oder von digitaler Codierung? Um es gleich zu sagen, diese Perspektiven sind alle hilfreich und nötig, aber auch zusammen sind sie nicht genug, um eine überzeugende Theorie der Bildlichkeit zu ermöglichen. Sie setzen den Prozess voraus, in dem Bilder als Zeichen und als Objekte entstehen. Der Prozess der Verkörperung von bild­ lichem Sinn in Objekten und das Verstehen von Bildern wird in diesen Theo­ rien nur teilweise oder indirekt angesprochen. Ich will diese These erläutern und auch an Hand von Bildern zu testen versuchen. Eine Bildtheorie können wir dadurch testen, dass wir nachschau­ en, ob sie die sonderbarsten Eigenschaften von Bildern verständlich machen kann. Das Besondere an Bildern, das schon Platon denkwürdig fand, ist ihre Fähigkeit, uns emotional zu bewegen. Eine formale oder eine medientheore­ tische Theorie von Bildern hilft hier wenig. Affekte sind nicht ihr Thema. Über die Wirkung von Bildern wird viel gesprochen; etwa in Susan Sontags letztem Buch,6 das die Auswirkung von Fotodokumentationen über mensch­ liches Leid behandelt. Aber warum können uns Bilder emotional berühren, selbst wenn es um fiktive Darstellungen geht?

Bi lder a ls Objek te u nd Bi lder a ls Z eic hen Bilder sind konkrete Objekte, die uns verschiedene Gedanken und Empfin­ dungen übermitteln. Diese zwei Aspekte von Bildern sind in der Tat vergleich­ bar mit den beiden Teilen eines sprachlichen Satzes. Ein Bild (als Objekt) ist vergleichbar mit dem Subjekt eines Satzes und seinen verschiedenartigen Be­ deutungen; ein Bild (als Zeichen) mit verschiedenen Prädikaten. Diese zwei 6

Susan Sontag: Regarding the Pain of Others, New York 2004.

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Betrachtungsweisen sind so eng aufeinander angewiesen wie das Subjekt und Prädikat in einem vollständigen Satz. Aber dem Bild als Objekt kommt selbst dann ein Sinn zu, wenn es für uns unverständlich ist. Denn ein unverständ­ liches Bild hat mindestens einen expressiven Sinn: Es wirkt auf uns beunru­ higend, störend oder „mysteriös“. Selbst bei dem einfachsten Bild, einem mo­ nochromen Bild (Bild 8), wirkt die Farbe expressiv – froh oder trist oder – wie im Fall von diesem Yves Klein – vielleicht einfach „kalt“. In der Alltagssprache und in manchen wissenschaftlichen Theorien ist Zeichenhaftigkeit gleichbedeutend mit Referenz: Etwas fungiert demnach als Zeichen, wenn es sich auf etwas anderes bezieht, wie das Wort „Baum“ auf das Gewächs vor meinem Fenster. In der Kulturtheorie heute ist die entgegen­ gesetzte Ansicht eher verbreitet, dass die Differenz von Zeichen und Bezeich­ netem entscheidend ist. Diese radikale Zeichentheorie wird oft schlagwortar­ tig als die These formuliert: „Es gibt nichts vor oder außerhalb des Textes.“ D. h., es gibt nichts vor dem Zeichen, und was wir als eine unmittelbare Intui­ tion nehmen, ist keine wirkliche Präsenz. Wir kommen nie bei der Unmittel­ barkeit an, sondern werden nur endlos weiterverwiesen. Eine Sinnsicht über­ lagert immer nur andere. Diese Konzeption ist mit dem Problem belastet, dass sie Affekte oder emotionale Phänomene nur schwer erfassen kann. Dies liegt

Bild 8 Ives Klein: IKB 79 (International Klein Blue), 1959, Farbe auf Leinwand, 139,7 × 119,7 × 3,2 cm, London, Tate Modern.

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nicht daran, dass diese unmittelbar sind. Im Gegenteil, es steht für Neurolo­ gen und Psychologen längst fest, dass Ausdruckswahrnehmung und Affekte komplexe Abläufe sind und alles andere als direkte Gegebenheiten. Das Pro­ blem ist, dass Emotionen nur bei „Subjekten“ anzutreffen sind; in der radi­ kalen Zeichentheorie ist „das Ende des Subjekts“ jedoch geradezu eine Kern­ these. Persönliche Emotionen sind für diese Theorierichtung kein Thema.7 Eine Bildtheorie darf sie aber nicht ausblenden.

I kon isc he Z eic hent he or ie Eine dritte Richtung in der allgemeinen Theorie der Zeichen beginnt nicht mit der Sprache, sondern mit der bildlichen Erfassung von Sinn. Sie wurde von Denkern wie Charles Peirce, Ernst Cassirer und Susanne Langer entwi­ ckelt. Im Gegensatz zu den sprachlich orientierten Zeichentheorien spielt Aus­ druckswahrnehmung bei diesem Ansatz eine grundlegende Rolle. Ernst Gom­ brich behauptete einmal: „Bilder können als Zeichen funktionieren, sobald sie erkannt werden.“8 Aber was heißt es denn zu sagen, dass ein Bild „erkannt“ ist? Wie ist es, wenn ein Bild nur eine Farbe zeigt, und der einzige „Inhalt“, den es manifestiert, eine Stimmung ist? Selbst hier gilt für Peirce die These: „die Idee einer Manifestation ist die Idee eines Zeichens.“9 Selbst die qualita­ tive – expressive – Erscheinung des Objekts – ihre Kälte – ist demnach ein Zeichenwert. Denn Zeichenwerte entstehen nicht erst mit der Differenz von Zeichen und Bezeichnetem, sondern in der Verkörperung einer Qualität im Objekt. Wenn ich vor einem sattgefärbten monochromen Bild stehe, etwa die­ sem Yves Klein, das keine Gegenstände bezeichnet, ist es dennoch mehr als ein Objekt. Der Inhalt dieses Bildes ist ein bestimmtes kaltes Blau. „Kälte“ hat aber mit dem Sehen nichts zu tun. Die Aufteilung unserer Wahrnehmung in die „fünf Sinne“, von denen der Volksmund seit Aristoteles spricht (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten), war nicht vollständig; Temperatur ist ein weiterer Sinn. In der Medizin werden Sinne voneinander unterschieden, wenn sie einzeln beeinträchtigt werden können, wie etwa auch Temperatur, 7 8 9

Siehe zu diesem Dilemma: Rei Terada: Feeling in Theory. Emotion after the „Death of the Subject“, Cambridge, MA 2001. Ernst Gombrich: Art and Illusion. A Study in the Psychology of Pictorial Represen­ tation, London 2002, S. xix: „Images can function as signs as soon as they are recog­ nized.“ Charles Sanders Peirce: Lowell Lectures (1903), in: ders.: Collected Papers (CP), Bd. 1, hg. v. Charles Hartshorne/Paul Weiss, Cambridge, MA 1931, § 346: „the idea of manifestation is the idea of a sign.“ Hiernach werden die Collected Papers mit dem Kürzel (CP) mit Band und Paragraphennummer zitiert.

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Balance oder Schmerz.10 Die begriffliche Einteilung der Sinne ist kulturell variabel, aber das Vorkommen dieser Sinne nicht. Alle Menschen können Temperatur empfinden. Dass verschiedene Menschen beim Anblick eines monochromatischen Bildes eine bestimmte Stimmung oder Gefühl erleben, ist nicht rein konven­ tionell. Dieses Erlebnis hängt von dem Bild als Objekt ab, das eine nicht­refe­ rentielle Zeichenfunktion hat. Ein Farbenblinder kann das Bild von Klein se­ hen und im Katalog nachlesen, dass seine Farbe „blau“ ist, aber er kann die Kälte nicht wahrnehmen. Eigentlich denken wir: Niemand kann Kälte sehen, dennoch verstehen wir es, wenn jemand von einem „kalten Blau“ spricht – oder von einem „freundlichen Gelb“, einem „heißen Rot“, oder auch von einem „tiefen Ton“ oder einem „scharfen Geruch“. Das sind nicht „bloße Me­ taphern“. Diese Formulierungen machen darauf aufmerksam, dass die Wahr­ nehmung im ganzen Organismus stattfindet und nicht in einem bestimmten Sinnesorgan. Damit will ich nicht bloß an die bekannte Behauptung erinnern: „Wir sehen mit dem Gehirn und nicht mit dem Auge“. Vielmehr ist die Evo­ lution des Menschen an dem Sehen des Einzelnen beteiligt, und das Sehen des Einzelnen ist durch seine Biografie bedingt. Die Tatsache, dass etwas, das wie Wasser aussieht, auf uns kalt wirkt, hat mit einer langzeitlichen Erfahrung der Menschheit zu tun – was Historiker longue durée nennen. Denn der eige­ ne Körper ist Teil einer langen Entwicklung und seine Fähigkeiten sind nicht vom Einzelnen erarbeitet. Yves Kleins Blau erscheint uns als kalt, weil wir mit dem ganzen Körper und seiner Geschichte wahrnehmen. Dies bedeutet für eine Bildtheorie, dass wir die Eigenart von Bildern nicht in der Sichtbarkeit alleine zu suchen haben, sondern in der Verkörpe­ rung von sinnlichen Phänomenen in uns und in den Objekten, die wir Bilder nennen. Platon war umgeben von den Werken, die richtungsweisend für die spätere Kunstgeschichte waren. Es war Winckelmanns Programm für die Kunst aller Zeiten und Orte, diese griechischen Werke nachzuahmen (Bild 9). Wenn der englische Spruch „imitation is the sincerest form of flattery“ wahr ist, dann ist die Bewunderung, die dieser antiken Kunst durch die Jahrhunderte entgegengebracht wurde, beispiellos. Aber seit Gottfried Sempers Entdeckung11 der Polychromie in der Antike wissen wir, dass die Werke, die Platon vor Au­ gen hatte, nicht diejenigen waren, die Winckelmann als Vorbild für die Kunst 10

11

Die Tatsache, dass es Menschen gibt, die Temperatur und Tastgefühle wahrnehmen, aber extreme Temperaturen oder Verletzungen nicht merken, wird als ein neurolo­ gisches Syndrom (CIPA, „Congenital insensitivity to pain with anhidrosis“) aufge­ fasst, das den „Schmerzsinn“ beeinträchtigt. Gottfried Semper: Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architectur und Plastik bei den Alten, Altona 1834.

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deklarierte. Die Vorstellung von den weißen Tempeln und Säulen, die der In­ begriff der „klassischen“ Antike war, war plötzlich hinfällig, als Gottfried Semper von den Farbresten auf dem Parthenon und auf der Trajanssäule in Rom berichtete. Die Erkenntnis, dass griechische Tempel ganz in rot, gelb und schwarz angestrichen waren, wurde von Sempers Zeitgenossen mit Ableh­ nung rezipiert, und selbst heute zeigen Kunstliebhaber einen Widerwillen zu glauben, dass ein edler Kopf wie dieser, der auf uns so „klassisch“ wirkt, in Wirklichkeit (Bild 10) alles andere als „stille Einfalt“ war. (Dies ist einer der unter der Leitung von Vinzenz Brinkmann restaurierten Werke in der Münch­ ner Glyphothek).12 Farbe, sagt Kant, ist nicht, was etwas anschauungswürdig oder schön macht, sondern alleine die Form (Kritik der Urteilskraft, §§ 13–14, B39–43). Das scheint mit der Neoklassik vereinbar zu sein, aber es stimmt nicht für den Impressionismus. Wenn Kants Behauptung wahr wäre, dann sollte die Entdeckung der bunten Beschaffenheit der klassischen Kunst auf unsere Beurteilung von den Werken keinerlei Auswirkung haben. Wie sollen wir unsere Reaktion auf diesen Kopf verstehen? Ein heu­ tiger Vertreter der Abbild­Theorie13 definiert ein Bild als die Darstellung von einem Sachverhalt, der es selbst nicht ist. Aber in dieser Konzeption kommt die affektive Wirkung von Bildern in ihrer Definition nicht vor. Eine heute weit verbreitete, von der Sprachtheorie inspirierte zeichentheoretische Kon­ zeption führt den Ausdruckscharakter von Bildern auf die Tatsache zurück, dass das Bild Eigenschaften „metaphorisch“ exemplifiziert, auf Grund der Tat­ sache, dass das Bild als Objekt bestimmte andere Eigenschaften besitzt. Wenn ein Kunstwerk Düsterkeit ausdrückt, liegt es daran, dass es aus bestimmten grauen und braunen Farben besteht, oder wie in unserem Beispiel, die Eigen­ schaft blau besitzt, und die Eigenschaft „kalt“ „metaphorisch“ exemplifiziert. Wir finden nicht leicht Worte für die Eigenschaften, die dieser goldene Kopf metaphorisch exemplifiziert, obwohl uns klar ist, welche Eigenschaften er als Objekt besitzt. Die These von der metaphorischen Exemplifizierung erklärt nämlich nicht das Phänomen der affektiven Wirkung, sondern sie beschreibt ihre logische Struktur mit dem Modell der sprachlichen Metapher.14 Aber der Anblick von goldenen Köpfen beunruhigt uns schon rein körperlich. Der Er­ 12

13 14

Siehe Raimund Wünsche: Zur Farbigkeit des Münchner Bronzekopfes mit Sieger­ binde, in: Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur, München 2004, S. 132–147. Vgl. Vinzenz Brinkmann: Die Polychromie der archaischen und frühklassischen Skulptur, München 2003. Reinhard Brandt: Die Wirklichkeit des Bildes. Sehen und Erkennen – Vom Spiegel zum Kunstbild, München 1999, S. 20 f. Nelson Goodman: Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie, Frankfurt/M. 1997, S. 59: „Nicht jede Exemplifikation ist Ausdruck, aber jeder Ausdruck ist Exem­ plifikation“. Goodman sagt nichts über den besonderen Inhalt von Ausdrucksphäno­ menen, sondern spricht von ihrer Form: Exemplifikation (ebd., S. 96).

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Bild 9 Knabenkopf mit Siegerbinde mit nachantiker Patina, München, Glypto­ thek.

Bild 10 Knabenkopf mit Siegerbinde in farbiger Rekonstruktion, München, Glyptothek.

finder dieser Theorie, Nelson Goodman, deutet den „Besitz“ einer Eigenschaft wie „grau“, „blau“ oder „gold“ letztlich im Sinne einer sprachähnlichen Hand­ lung – die Etikettierung. Das Bild wird durch das Prädikat „grau“ etikettiert, und diese sprachliche Etikettierung ermöglicht es dem Bild, „Düsterkeit“ me­ taphorisch zu exemplifizieren. Wir können aber schwerlich all die Eigen­ schaften, die ein Bild besitzt, in Worten erschöpfend erfassen. Vor allem ist der Sinn des Wortes „Metapher“ in Bezug auf Bilder selbst metaphorisch. Denn was hier übertragen wird, bleibt unklar. Das Medium dafür ist jeden­ falls nicht Sprache, denn der Prozess der Übertragung involviert das Bild als Objekt und den Körper des Betrachters, der, wie hier, vom Anblick eines gol­ denen Kopfes beunruhigt wird.

Kör p erl ic he Z eic hen i nter pre t at ion – I ndex i k a l isc he Bi lder Einen anderen Ansatz finden wir in der Zeichentheorie von Charles Peirce, die Bilder als Objekte begreifen will. Peirce wurde im Jahre 1839 geboren, im gleichen Jahr, in dem die neue Technik der Fotografie in den britischen und französischen Akademien vorgestellt wurde. Peirce war auch wohl der erste Philosoph, der sich mit Fotografie theoretisch befasste. Peirce nannte Fotogra­ fien „indexikalische Zeichen“. Indices sind für ihn Zeichen, deren Sinn da­

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durch entsteht, dass sie mit einem Objekt irgendwie physisch in Kontakt kom­ men. Dieser Kontakt muss nicht unmittelbar sein. In der Fotografie von Sternen spielt Licht eine Vermittlerrolle zwischen dem Stern und dem Film. Peirce arbeitete beruflich jahrelang an der Messung des Lichts der Sterne und war selbst an der Konstruktion des Spektroskops beteiligt, das er benutzte. Fotoaufnahmen von Sternen waren für Peirce Zeichen und keine Abbilder, weil sie durch einen physikalischen „Interpretationsprozess“ entstehen. Diese Fotografie ist das Resultat einer ausgedehnten Geschichte von der Lichtein­ wirkung der Sterne und ihrer fotochemischen Aufzeichnung. Peirce hat Foto­ grafie nicht für ein genaues Abbild gehalten – nicht nur weil man für solche Bilder Langzeitaufnahmen benötigte, sondern weil selbst sogenannte „instan­ taneous photographs“, gleich wie schnell der Fotoapparat funktioniert, eine Vielzahl von Photonen nacheinander registrieren, und zwar, wie er sagte, eine Zahl weit größer als alle Sandkörner am Meer.15 So gesehen sei jede Fotografie eine „composite Photograph“ – eine Aufnahme, bestehend aus mehreren über­ einander liegenden Aufnahmen. Peirce stufte die Einführung der Fotografie in der Astronomie dennoch hoch ein: „Die großen Meilensteine in der Wis­ senschaftsgeschichte“, so sagte er, „findet man dort, wo neue Instrumente oder andere Beobachtungstechniken eingeführt werden: Astronomie vor dem Fern­ rohr und Astronomie nach dem Fernrohr; Astronomie vor der Fotografie und Fotografische Astronomie“.16 Die Einführung des Fotoapparats schaltete manche Fehler aus, wie sie etwa bei dem berühmten Fall von Percival Lowell (1815–1916), einem Zeitge­ nossen Peirces, entstanden.17 Lowells Bilder (Bild 11) von den Mars­Kanälen verstand er als Beweis für Leben auf dem Mars. Seine gewissenhaft gezeich­ neten Bilder entstanden durch den Einsatz eines Fernrohrs, dessen verfeinertes Augenstück einen Spiegeleffekt erzeugte. Auf diese Weise sah er nicht nur den Mars im Fernrohr, sondern auch seine eigene Retina. Die Adern in seiner Retina erschienen ihm wie Kanäle auf der Oberfläche des Planeten.18 Percival Lowells Fehler lag in seiner Interpretation von dem, was er sah, aber was er sah, war tatsächlich ein Phänomen.

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„Even what is called an ,instantaneous photograph‘, taken with a camera, is a com­ posite of the effects of intervals of exposure more numerous by far than the sands of the sea“ (CP 2.441). Peirce schreibt: „[T]he great landmarks in the history of science are to be placed at the points where new instruments, or other means of observation, are introduced. Astronomy before the telescope and astronomy after the telescope. Prephotographic astronomy and photographic astronomy.“ (CP 1.102). Für einen Überblick siehe William Graves Hoyt: Lowell and Mars, Tuscon 1976. Percival Lowell: Mars and Its Canals, New York 1906.

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Bild 11

Zeichnung vom Mars aus: Percival Lowell: Mars and Its Canals.

Wir unterscheiden zwischen Bildern als Objekten, die eine Dauer be­ sitzen, und Wahrnehmungsbildern, die ständig wechseln. Der Übergang von Wahrnehmungsbildern zu objektiven Bildern ist aber fließend (Bild 12). Wir können (wie hier) das, was wir sehen, herausgreifen und es „als Bild“ betrach­ ten, indem wir es „einrahmen“. In solchen Momenten des piktoralen Sehens haben wir aber noch kein Bild als Objekt unabhängig von unserem Körper hergestellt, sondern mit dem Körper ein Bild kreiert, das ein anderer Betrach­ ter festhalten kann, wie es hier der Fotograf mit Hitchcocks Blick auf Julie Andrews getan hat. Bei einer Fotografie geht die Bildherstellung größtenteils auf die Natur über, weshalb Henry Fox Talbot die Fotografie als den „pencil of nature“ be­ zeichnete. Auch Percival Lowell hat festgehalten, was tatsächlich für sein sehen­ des Auge sichtbar war. Sein Bild machte sein Seherlebnis für andere auf einem Blatt Papier sichtbar. Die Vermittlung durch Lowells Arm, Nervensystem, ja ganzen Körper und – wenn man will – seine Biographie, bewegte ihn bei dem Einsatz seines Zeichenstifts. Die Biographie war wichtig, denn er wollte Leben auf dem Mars entdecken. Lowells Bildherstellung war komplizierter als die Technik der Fotografie. Aber der Unterschied ist wiederum fließend. Es geht in beiden Fällen um die Verkörperung von einer Form in ein für uns sicht­

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Bild 12 Alfred Hitchcock bei den Dreharbeiten mit Julie Andrews zu TORN CURTAIN (USA 1966).

bares Objekt. Lowell hat etwas festgehalten, das kein Fotoapparat alleine fest­ halten konnte, denn Fotoapparate besitzen keine mit Adern durchwachsene Retina. Für Peirce gab es Bilder, die wirklich das Werk der Natur waren, etwa Fossilien. Auch sie sind für ihn indexikalische Zeichen. Der Prozess der Wei­ tergabe und Umwandlung von Information in der Entstehung von Fossilien ist ein Naturprozess. Hier dient die Umwandlung von organischen in anorga­ nische Substanzen der Weitergabe der äußeren Form eines Tieres. Peirce nann­ te diesen Prozess der Informationsvermittlung allgemein „semiosis“. Semio­ sis ist der Prozess der Umwandlung und Weitergabe von Bedeutungsinhalten jeder Art. Die Wissenschaft davon nannte er „semeiotic“. Semiosis kommt nach Peirce überall in der Natur vor. Menschen führen diesen Prozess in ihren kulturellen symbolischen Formen weiter; sie erfinden ihn nicht. Die Wissen­ schaft der Semeiotic soll uns zunächst ermöglichen, unsere Gedanken über diesen Prozess klar zu formulieren. So unterschied Peirce zwischen den kon­ ventionellen Zeichen, die in der menschlichen Kultur vorkommen und die er Symbole nannte, von Indices, die in der Natur auch vorkommen, und beide schließlich von den nicht indexikalischen und nicht symbolischen Bildern, die er „icons“ nannte. (Indices sind Zeichen, deren Sinn dadurch entsteht, dass sie mit dem Objekt, auf das sie sich beziehen, physisch irgendwie in Verbindung

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kamen.) Ein reines „icon“ – eine bildliche Form ohne indexikalische oder sym­ bolische Aspekte – ist eher ein Grenzbegriff als ein Phänomen, denn unsere Wahrnehmung ist immer durchzogen von symbolischen und indexikalischen Sinnschichten. Dennoch ist selbst eine einfache qualitative Erscheinung – wie ein monochromes Gemälde – für Peirce als Ikon ein Zeichen. Zum Begriff des Ikons gehört für Peirce, dass eine Erscheinung qualitative und logische Eigen­ schaften hat, dass sie Kontinuitäten und Diskontinuitäten aufweist. Aber die­ se Eigenschaften gelten nicht nur für visuelle Phänomene. Alles, was wir wahrnehmen, ist qualitativ und durch bestimmte Kontinuitäten und Diskon­ tinuitäten charakterisiert.

D ie Unabhäng ig keit des I kon isc hen vom Sehen Peirce fasst also den Begriff des Ikons weiter als den Begriff des Bildes. Alles Sinnliche ist ikonisch. Dies hat für die Bildtheorie wichtige Konsequenzen. Eine Eigenschaft von diesem Begriff des Ikons ist, dass Ikonizität mul­ tisensorisch ist. Ein Bild kann Unsichtbares zum Ausdruck bringen, wie Kälte oder Schmerz, weil unsere Wahrnehmung von Qualitäten multisensorisch ist. Die wichtigste Eigenschaft von Peirces Begriff der Ikonizität ist, dass Bil­ der nicht durch Sichtbarkeit definiert werden. Bilder müssen nicht einmal sichtbar sein! Das klingt absurd, denn in der Geschichte der Philosophie sowie im Alltag gehen wir immer davon aus, dass ein Bild durch seine Sichtbarkeit ge­ radezu definiert ist. Vielleicht ist es deshalb so schwer, eine Theorie des Bildes zu entwickeln, nachdem man auf den alten Begriff des Abbildes verzichtet hat. Wir denken: Ein Gemälde im Magazin eines Museums mag zwar keiner sehen, aber es bleibt dennoch als Objekt ein Bild, weil es jederzeit angesehen werden kann. Unsichtbarkeit und Bildlichkeit scheinen uns begrifflich unver­ einbar zu sein. Doch dieses Bild (Bild 13) wurde nie von dem Menschen gesehen, der es gemacht hat, denn er wurde blind geboren. Das Bild wurde mit einem Stift in eine Tafel eingeritzt, so dass der Zeichner seine Linien verfolgen konnte. Das Bild wurde ohne Anleitung gemacht. Der Kanadische Wissenschaftler

Bild 13 Vogel und Katze, gezeichnet von der blinden Tracy.

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Bild 14 Szene, die von den Songe (Papua New Guinea) korrekt identifiziert wurde.

Bild 15

Vier Hände.

John M. Kennedy bat die blinde Zeichnerin lediglich darum, ein Bild zu ma­ chen. Er hat diese Bitte seit Jahrzehnten an blinde Menschen gerichtet, um ihre bildnerischen Kapazitäten zu erforschen. Kennedy hat eine Professur für Psychologie inne, aber seine Arbeiten lassen sich nicht so leicht unter eine Rubrik fassen. Er hat ethnologische Forschungen unternommen, um isolierte Völker zu studieren, deren Kulturen keine Bilder kennen, um herauszufinden, ob und wie sie in der Lage sind, ohne Anleitung Bilder zu erkennen. Die Songe in Neu­Guinea, die nie zuvor ein Bild gesehen hatten, konn­ ten alles in diesem Bild (Bild 14) Gezeigte sofort erkennen, obwohl es nur aus Linien besteht. Sie konnten auch sagen, welche Dinge nah und welche fern waren. Blind geborene Menschen konnten ebenfalls dasselbe Bild korrekt in­ terpretieren, wenn es mit erhobenen Linien wiedergegeben wurde. Hier ist ein Beispiel von Kennedys Forschungen (Bild 15). Vielleicht haben Sie ähnliche Bilder schon gesehen, die solche graphischen Techniken verwenden. Wenn nicht, um so besser, denn die Frage ist: Was sehen Sie da?

Bild: 16 Rückenliegender, gezeichnet von Tracy.

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Vier Hände. Warum sind sie verschieden? Wenn ich sage, dass eins dieser Bilder einen Daumen mit Schmerzen zeigt, und frage: welches?, werden Sie wahrscheinlich das Bild unten links wählen. Wenn ich sage, dass eins der Bil­ der einen Daumen zeigt, der taub ist, werden Sie wahrscheinlich das Bild un­ ten rechts wählen. Die anderen zwei Bilder zeigen Daumen in Bewegung – im Kreis oder hin und her. Es ist alles leicht erkennbar. Warum? Nichts bewegt sich hier wirklich und vor allem sind Schmerz und Taubheit gewiss nicht hier zu sehen. Sind diese Bildtechniken symbolische Zeichen – konventionelle Dar­ stellungstechniken, die man wie die Worte einer Sprache lernen muss? Ken­ nedy hat diese Frage dadurch gelöst, dass er diese Bilder Menschen gab, die niemals ein Bild gesehen haben, weil sie blind geboren wurden. Er hat diese Linienzeichnungen mit kleinen Erhebungen gemacht, so dass diese Bilder ge­ tastet werden konnten. Die Versuchspersonen wurden gefragt, welches Bild einen Daumen mit Schmerzen, welches einen tauben, und welches einen in Bewegung, im Kreis oder hin­ und her zeigte. Die 17 Versuchspersonen wa­ ren sonst in jeder Hinsicht auf das Experiment unvorbereitet, und man hätte eine genau gleiche Verteilung der Antworten erwarten müssen. Aber bei drei von vier Bildern haben die meisten der Gefragten doch die „korrekte“ Ant­ wort gegeben, bei dem vierten Bild haben beinahe die Hälfte korrekt geant­ wortet.19 Bei dem Bild der Hin­und­her­Bewegung waren die Versuchspersonen am unsichersten, und ausgerechnet bei der Taubheit am sichersten. Hier kann man meinen, dass auch Blinde wissen, wie es sich anfühlt ein taubes Gefühl zu haben – und dieses Bild zeigt eine Unterbrechung, wie Taubheit eine Un­ terbrechung im Gefühl ist. Somit ist dieses Bild eine Metapher für Taubheit. Die Grundlage für diese Metaphorik findet sich in der Beschaffenheit unserer Verkörperung, nicht in sprachlicher Etikettierung. Die Grundlage für unsere Kapazitäten, Bilder zu erkennen oder herzu­ stellen, ist aber nicht, dass wir die Welt abtasten, sondern dass wir „ambulant“ leben.20 So ändert sich beim Liegen (Bild 16) nicht bloß unsere geometrische Ausrichtung, wir erleben die Erdanziehungskraft anders. Das Schweregefühl orientiert uns über Oben und Unten, ob wir sehen können oder nicht. Unsere Sinne sind auf vielfache Weise verbunden, so etwa wenn wir auf Höhen stei­ gen und dann Wind in den Ohren haben.21 Unsere multisensorische Umwelt

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Zur Verteilung der Antworten, siehe John M. Kennedy: Drawing and the Blind. Pic­ tures to Touch, New Haven 1993, S. 281. Ebd. S. 15. Kennedy verwendet das Wort „ambulatory“. Vgl. die Diskussion von dem Wegfall der nichtoptischen Sinneswelt im Kinofilm in der klassischen Schrift von Rudolf Arnheim: Film als Kunst (1932), München 1974, S. 23–47.

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unterliegt verschiedenen gemeinsamen Gesichtspunkten. So ist etwa jede Art von Sinnesempfindung immer mehr oder weniger intensiv.22 Wir gehen normalerweise davon aus, dass Bilder ausschließlich eine Sache des Sehens sind, und dass das Sehen ausschließlich eine Sache des Auges ist. Aber nach dem heutigen Stand der medizinischen Forschung sind die Au­ gen nicht nur Teil des Sehsystems, sondern sie haben verschiedene Funktio­ nen, wie die Steuerung von Hormonen und verschiedene Prozesse des vegeta­ tiven Nervensystems.23 Für die Verkörperungstheorie hängt der Sinn von Bildern als Objekt auf verschiedene Weise von der Verkörperung des Menschen ab. Das Beson­ dere an der bildlichen Darstellung ist ihre starke körperliche Präsenz. Bilder sind mit Imperativen zu vergleichen: Ihre erste Botschaft ist vergleichbar mit dem Befehl „Schau her“. Die starke Körperlichkeit von Bildern ist offensicht­ lich bei indexikalischen Bildern. Nach christlicher Tradition ist der Abdruck des Gesichts Christi (Bild 17) im Schweißtuch der Veronica buchstäblich das „wahre Ikon“, das wahre Bild. Georges Didi­Huberman und Rosalind Krauss haben auch ausdrücklich in Anlehnung an Peirce auf die nachhaltige Bedeu­ tung von Indexikalität in der modernen Kunst hingewiesen (Bild 18).24 Das Gemeinsame an indexikalischen Bildern ist, dass ihr Sinn nicht auf konven­ tionellen Symbolen oder Kodierungen beruht. Mit dem Wort „Kodierung“ kommen wir zu einem Schlüsselproblem heute in der Philosophie des Geistes: künstliche Intelligenz. Die Idee der künstlichen Intelligenz bietet eine Möglichkeit, die Verkörperungstheorie von Bildern zu testen. Cro­magnon Menschen produzierten Bilder. Blinde Men­ schen sind in der Lage, Bilder zu verstehen und herzustellen. Tiere stellen 22 23

24

Siehe Peirce: The Similarity of Feelings of Different Sensory Modes (CP 1.312) and Presentments as Signs (CP 1.313). Siehe den Bericht von Jim Dryden (5. November 2003): „There‘s more to vision than meets the eye. Researchers identify key protein in the eye‘s nonvisual System. ,Brightness Information is used in brain systems below the level of consciousness‘, says Russell N. Van Gelder, M.D., Ph.D., assistant professor of ophthalmology and visual sciences and of molecular biology and pharmacology at Washington Univer­ sity School of Medicine in St. Louis. ,These Systems help synchronize your sleep/ wake cycle, reset your internal body clock to jet lag if you travel across time zones, control the pupil of your eye and how it responds to light, and regulate the release of hormones such as melatonin.‘“ Neuroscience Program, Washington University, un­ ter: http://neuroscience.wustl.edu/home/whatsNew3arch.html (13. 01. 2006). Krauss und Didi­Huberman besprechen das Beispiel von Duchamps With My Tongue in My Cheek. Rosalind Krauss: Anmerkungen zum Index, Teil 1 (1976), in: Pa­ radigma Fotografie. Fotografie am Ende des fotografischen Zeitalters, hg. v. Hertha Wolf, Frankfurt/M. 2002, S. 140–157, dort S. 154; Georges Didi Huberman: Ähn­ lichkeit und Berührung. Archäologie, Anachronismus und Modernität des Abdrucks. Köln 1999, S. 183.

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Bild 17 Meister von St. Veronica: Heilige Veronica, ca. 1420, Tempera auf Eichenholz, 78 × 48 cm, München, Alte Pinakothek.

Bilder nicht her, aber es gibt inzwischen breite Forschungen zum Thema der bilderkennenden Fähigkeiten vieler Tierarten.25 Warum ist es dann für Com­ puter so schwer, Bilder zu erkennen? Computer können Muster erkennen, aber bildliche Darstellungen kaum. Warum ist dies so? Als Alan Turing seine Gedanken darüber formulierte, welches Kri­ terium nötig ist, um die erfolgreiche Herstellung von künstlicher Intelligenz festzustellen, meinte er, eine künstliche Intelligenz herzustellen, wäre dann 25

Siehe den Forschungsüberblick von Dalila Bovet und Jacques Vauclair: Picture Recog­ nition in Animals and Humans, in: Behavioural Brain Research 109/2 (May 2000), S. 143–165.

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Bild 18 Marcel Duchamp: With My Tongue in My Cheek, 1959, Gips, Bleistift und Papier, auf Holz montiert, 25 × 15 × 5,1 cm, Paris, Musée National d’Art Moderne Centre Georges Pompidou.

gelungen, wenn sie nicht von den kognitiven Fähigkeiten eines Menschen zu unterscheiden wäre, wenn also die Kommunikation zwischen Mensch und Computer abliefe wie die zwischen Menschen. Turing formulierte die Idee eines Tests, um dies zu prüfen. Dieser Test wird heute normalerweise mit ei­ ner Versuchsperson durchgeführt, die an einem Computerterminal sitzt, ver­ bunden mit einem ungesehenen zweiten Subjekt, mit dem sie per Tastatur kommuniziert – entweder einem andern Menschen oder mit einem Compu­ ter, auf dem bestimmte Programme laufen. Dabei soll herausgefunden wer­ den, wer am anderen Ende der Leitung ist. Der Test läuft so ab, dass Fragen an das unbekannte Subjekt gestellt werden, die beantwortet werden müssen und umgekehrt. Turing schrieb: „Die Methode von Frage und Antwort scheint geeignet, um fast jedes Gebiet menschlichen Unternehmens in den Test

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Bild 19 CAPTCHA-Test.

einzuführen“.26 Natürlich hätte man den Test anders konzipieren können. So hätte man mathematische Kalkulation zum Gegenstand machen können. Die Subjekte hätten einander mathematische Aufgaben stellen können. Wenn die Versuchspersonen und ein Computer mathematische Kalkulationen zu lösen hätten, würde der Computer sich sofort offenbaren. Seine rechnerischen Ka­ pazitäten wären so viel besser und vor allem schneller, so dass er program­ miert werden müsste, langsamer zu laufen und gelegentlich auch Fehler zu machen, damit er nicht sofort erkannt wird. Stattdessen versuchen Program­ mierer bei Turingtests Computer so zu programmieren, dass sie wie redselige Witzbolde erscheinen. Bei einem solchen Test erreichte neulich das beste Pro­ gramm 10 % Glaubwürdigkeit; perfekt wäre 50 %, was bedeutet, daß der Rech­ ner von einem Menschen nicht zu unterscheiden wäre. An der Carnegie­Mellon Universität haben Programmierer eine ande­ re Art Turingtest entwickelt, den sie „CAPTCHA“ nennen. „CAPTCHA“ ist die Abkürzung von: „Completely Automatic Public Turing test to tell Compu­ ters and Humans Apart“. Jedes Kind kann diesen Test bestehen. Aber Compu­ ter nicht. Dies ist ein Turingtest, der sofort den Computer an dessen Schwach­ stelle erkennen lassen soll, genau wie ein Turingtest mit mathematischen Kalkulationen sofort den Computer nachweisen könnte, dessen Kapazitäten 26

A. M. Turing: Computing Machinery and Intelligence, in: Mind 59/236 (October 1950), S. 433–60, dort S. 435: „The question and answer method seems to be suitable for introducing almost any one of the fields of human endeavour that we wish to include.“

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Bild 20

Fussballspielende Roboter.

jenseits menschlicher Fähigkeiten liegen. Bei einem CAPTCHA­Test ist es umgekehrt. Computerprogramme können diesen Test nicht bestehen. Die Aufgabe ist, etwas in einem Bild zu erkennen. Hier ist ein Beispiel (Bild 19). Was kommt in diesen vier Bildern vor? Um den Test zu bestehen, muss man nur Bilder verstehen können. Hier liegt der Unterschied zwischen mensch­ licher Intelligenz und Computerintelligenz: Menschen können Bilder verste­ hen, Computer nicht. Turing fragte: „If a computer could think, how could we tell?“ Die Antwort ist: er müsste in der Lage sein, Bilder zu verstehen. Warum aber können Computer keine Bilder verstehen? Sie können formale Muster erkennen. Die Fehlerrate bei CAPTCHA­Tests ist so hoch, dass sie immer mehr im Internet zum Einsatz kommen, wo es um Geld geht und Robotprogramme blockiert werden sollen, etwa bei der Bestellung von kostenlosen E­Mail­Accounts. Denn Computerprogramme sind nicht in der Lage, einen CAPTCHA­Test mit Bildern27 zu bewältigen. Computerprogramme laufen auf Hardware, aber sie haben keinen Kör­ per. Deshalb haben sie auch keine Umwelt. Computerintelligenz hat keine körperliche Basis. Daher können Computer keine Bilder verstehen. Dies ist ein negativer Beweis für die Verkörperungstheorie vom Sinn von Bildern. Men­ schen können Bilder verstehen und herstellen, weil sie verkörperte Intelligenz haben und nicht nur abstrakte Intelligenz.

27

Es verhält sich anders bei CAPTCHA­Tests mit verbogenen Buchstaben. Diese ver­ langen Mustererkennung, aber keine körperliche Welterfahrung.

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FÜR BILDER BRAUCHT MAN KEINE AUGEN

Bild 21 Thunfisch Roboter, Ocean Enginee­ ring Testing Tank, Cambridge, MA, MIT.

In den letzten Jahren hat sich das Modell der Intelligenz in der kogni­ tiven Wissenschaft geändert. Statt Berechnung als das Modell von Intelligenz zu nehmen, orientieren sich immer mehr Wissenschaftler am Model der so­ genannten „embodied Intelligence“ (Bild 20). Dies bedeutet, dass in der Erfor­ schung von künstlicher Intelligenz der Computer als eine Plattform für den Betrieb von Programmen weniger Interesse erregt, Robotics dagegen immer mehr. Statt Handlungsentscheidungen durch Programmierung zentral zu steuern, sollen Entscheidungskompetenzen verteilt werden und Entschei­ dungen aus vielfältigen Interaktionen mit der Umwelt hervorgehen. Ein ehr­ geiziges Projekt auf diesem Gebiet ist „Robocup“ – die Herausforderung, bis zum Jahr 2050 eine Fußballmannschaft fertigzustellen, die die menschlichen Fußballweltmeister besiegen kann. Dies ist nicht bloß Deep Blue für die Beine, es bedeutet ein Umdenken über die Natur des Denkens. Denn hier ist das Vorprogrammieren nicht das Ziel, sondern das Erschaffen von Fähigkeiten, die in Situationen, wo sofort gehandelt werden muss, neue und einmalige Kompetenzen entwickeln und zum Einsatz bringen. In der neuen Robotics­ Forschung wird die Umwelt in die Modellierung von Intelligenz einbezogen. Tiere müssen sich in einer bestimmten Umwelt verhalten. Diese Umwelt muss als Teil der Intelligenz betrachtet werden, nicht nur als fremde Substanz (Bild 21). Ein Thunfisch benutzt das Wasser um Wirbel zu machen, damit er sich schnell fortbewegen kann, es ist nicht bloß ein Objekt des Widerstands. Robotics­Forscher im MIT haben daher diesen Thunfisch gebaut, um sein Ver­ hältnis zu seiner Umwelt zu erforschen.

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FÜR BILDER BRAUCHT MAN KEINE AUGEN

Bild 22 Tisch, gezeichnet von einem blinden Erwachsenen.

Es könnte der Eindruck entstehen, als wäre ich nun von meinem The­ ma weit abgekommen, aber das ist nicht der Fall. John M. Kennedy fand heraus, dass ein blinder Mensch ein Bild von einem Gegenstand auch perspektivisch darstellen kann (Bild 22) – wie diesen Tisch, den ein blind geborener Mann gezeichnet hat. Im Jahr 2004 entdeckte Kennedy die Fähigkeiten von Esref Armagan, einem anderen blind geborenen Mann, der seit seiner Kindheit Bilder herstellt und in der Lage ist, ganze Bil­ der in Perspektive zu zeichnen (Bild 23). Experimente, die Kennedy mit ihm durchführte, zeigten, dass er in der Lage ist, drei nebeneinander stehende Würfel in einem Bild korrekt in drei verschiedenen 3­D Perspektiven darzu­ stellen.28 Eine Bemerkung dieses blinden Malers ist kennzeichnend für seine Vorgehensweise. Um ein Bild zu produzieren braucht er Stille. Er muss füh­ len, dass er „in“ seinem Bild ist. Wenn er Bilder vom Meer macht, muss er sich fühlen wie ein Schwimmer. Der ganze Organismus kommt bei der Bildher­ stellung zum Einsatz; das Sehen ist weder eine notwendige noch ausreichende Bedingung dafür. Unentbehrlich für die Fähigkeit, Bilder zu verstehen und herzustellen, ist die Fähigkeit, den eigenen Körper im Raum wahrzunehmen. Mediziner nennen diese Fähigkeit Propriozeption. Dies ist die Grundlage für die Erkenntnis von Perspektive, wie man am eigenen Leib in einem Gedankenexperiment erfahren kann. Stellen Sie sich vor, dass Sie in Berlin mitten auf der Straße „Unter den Linden“ stehen und mit der linken Hand auf das Hauptgebäude der Universität zeigen und mit der rechten auf die Staatsoper. Treten Sie rückwärts auf das Brandenburger Tor zu. Zeigen Sie aber weiterhin auf die zwei Häuser mit beiden Händen. Mit 28

Siehe über Esref Armagan den Bericht von John M. Kennedy und Igor Juricevic: Fo­ reshortening, Convergence and Drawings from a Blind Adult, unter: http://www. utsc.utoronto.ca/~kennedy/ (15. 01. 2006).

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Bild 23 Esref Armagan: (ohne Titel) Landschaft mit Brücke.

jedem Schritt rückwärts müssen Sie die Arme zusammenbringen, bis sie sich fast berühren, wenn Sie am Brandenburger Tor ankommen. So wird die räum­ liche Perspektive in unseren Körper mit jeder Bewegung im Raum eingeprägt. Kennedys Experimente zeigten auch, dass es rein visuelle Elemente in Bildern gibt, die von Licht abhängen, etwa das Spiel der Schatten, das Blinde nicht erkennen. Aber die bildlichen Elemente per se, die nicht­sprachliche Dar­ stellung von Objekten oder Gefühlsausdruck, haben eine andere Quelle als das Sehen. Dies bringt uns zu Platon zurück. Das für Platon Bedenklichste an Bil­ dern ist ihre Fähigkeit, uns emotional zu beeinflussen. Rein formale Theorien von Bildern bleiben bei ihrem Aussehen, ob sie linear oder malerisch sind; reine symbolische Theorien bleiben bei der Referenz­Beziehung zu Objekten. Der Ausdruckswert von Bildern ist aber etwas Elementares und hängt nicht von dieser Art symbolischer Bedeutung ab. Den besten mir bekannten Beweis dafür lieferte James Elkins in seinem Buch Pictures and Tears.29 Elkins unter­ suchte in diesem Buch die wenig beachtete Tatsache, dass Bilder Menschen zu Tränen rühren können. Elkins hat nicht das bekannte Phänomen von Tränen im Kino untersucht, etwa die Filmgattung der „tearjerkers“, sondern Tafelbil­ der in Museen. Er sammelte die Selbstberichte von über 400 erwachsenen, gebildeten Menschen, die nicht geistesgestört waren, die vor einem Tafelbild

29

James Elkins: Pictures & Tears. A History of People Who Have Cried in Front of Paintings, New York/London 2001, S. 2–19. Ebd. S. 2.

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in einem Museum oder in einer Ausstellung zu Tränen gerührt wurden. Er­ staunlich dabei war, dass es auch viele Fälle gab, bei denen es um abstrakte, gänzlich ungegenständliche Bilder ging. Um einen solchen Fall ging es bei einer Person, die von einem Besuch in einem Atelier in New York berichtete, als der Künstler 14 große Bilder auf­ gehängt hatte, die für einen großen Auftrag fertig gestellt wurden. Elkins schreibt: „Die Bilder waren viereinhalb Meter hoch, dunkel und leer, wie die offenen Eingänge zu einem großen Tempel. Die Flächen waren dumpf und fast schwarz. Sie waren in einer Teerfarbe, überzogen mit Schich­ ten von dünnem rötlichen Braun. Die Malfarbe war kein flacher Aufstrich wie bei einer Wand; man konnte hineinschauen, und sie hatten eine Art wässrige Bewegung. […] Die Betrachterin, die Kunsthistorikerin war, notierte in einem Journal am nächsten Morgen: ,Es war, als ob meine Augen Fingerspitzen hat­ ten, die sich über die Texturen der angestrichenen Flächen bewegten.‘“30 Die Aufstellung dieser Bilder im Kreis, jedes doppelt so hoch wie ein Mensch, in einem halb dunklen Raum, trug zu dieser Erfahrung bei. Ihre Wirkung war aber nicht einmalig. Elkins berichtet von einer Reihe von Wie­ derholungen. Er zitiert Einträge aus dem Gästebuch der Rothko­Kapelle in Houston, wo die Bilder bis heute zu sehen sind, die von ähnlichen Erfahrun­ gen berichten. Diese Bilder lassen sich nicht mit einem Projektor reproduzie­ ren. Um sie zu sehen, muss man sich mitten im Raum zwischen ihnen befin­ den und ihre gekratzte Fläche wahrnehmen. Die emotionale Wirkung von diesen großen, fast schwarzen Bildern wird oft auf ihre symbolische Bedeutung zurückgeführt – als wären sie Dar­ stellungen vom Tor zum Reich des Todes. Aber das Kulturphänomen des Todes bezieht sich auf eine Zukunft, während das beim Betrachten Erlebte den Betrachter direkt in Anspruch nimmt. Der Ausdruckswert von Bildern be­ trifft unsere Gefühlsmöglichkeiten und diese gehen auf unsere Körperlichkeit zurück. Das rein visuelle Element der Rothko­Bilder – ihre Farbe und die vorgetäuschte Tiefe – ist für Menschen ohne Sehvermögen nicht zugänglich. Aber die Erfahrung von der Tiefe eines dunklen Gewässers wäre auch für einen blinden Betrachter zugänglich. Eine so physisch­fassbare Reaktion wie Tränen bei der Betrachtung von Bildern zeigt, dass Platon Grund hatte, die körperliche Wirkung von Bil­ dern ernst zu nehmen. Aber wir brauchen eine andere theoretische Philoso­ phie, um diese Wirkung zu begreifen.

30

Ebd.

Au s d r uc k – Au sst r a h lu ng – Au r a. Sy n ä st he sie n der Be s e elu ng i m Me d ie n z e it a lter Herausgegeben von Karl Clausberg, Elize Bisanz und Cornelius Weiller Berlin 2007, S. 151–160

SY NEST HESI A A N D T H E T H E O RY O F S I G N S

Synesthesia has not generally been considered to be o�� interest ��or philosophy, except perhaps as a derivative, artistic phenomenon.. Genuine synesthesia as investigated by neurologists and psychologists has rarely been looked into at all even though philosophers o�� every school seek to understand perception. The reason ��or this neglect is obvious. Philosophers want to understand perception in general terms, but genuine synesthesia is quite rare, with estimates o�� its occurrence ranging ��rom 1 person in 25 hundred to 1 in 25 thousand. Genuine synesthesia does not result ��rom deliberate or will��ul acts, and among those who are synesthets, it usually plays only an intermittent role in their perceptions. Yet it is a real phenomenon, and what it reveals about perception has particular significance, because even though it is not usually observed in ordinary experience it is not exotic. To quote Richard Cytowic: “I believe that synesthesia is actually a normal brain ��unction in every one o�� us, but that its workings reach conscious awareness in only a hand��ul.”1 This view has been expressed by Hinderk Emrich and Baron-Cohen as well.2 How are we to understand the overlap between the experience o�� those rare, genuine synesthetes and those who report no such mixing o�� the senses? I believe a bridge can be ��ound in the theory o�� signs or semeiotic as its ��ounder, Charles Peirce, called it. For Peirce, semiotic o����ered a way to talk about 1 2

Richard E. Cytowic: The Man Who Tasted Shapes, Cambridge 2002, p. 166. Personal communication ��rom Hinderk Emrich. See Baron-Cohen: Is There a Normal Phase o�� Synaesthesia in Development?, at: http://psyche.cs.monash.edu.au/ v2/psyche-2-27-baron_cohen.html. Baron-Cohen has suggested that since synesthesia can result in a disorientation and a ��eeling o�� in��ormation overload in situations that are too noisy or too colour��ul, natural selection might have ��avored more modular perception. This recalls the cases o�� persons who in later li��e have had their vision or hearing operationally restored and ��ound the results con��using, distracting, and even alarming.

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experience that avoided the subjectivism o�� psychological language. In Peirce’s conception, semiotic was primarily a phenomenological discipline. In this paper I make use o�� di����erent related conceptions o�� the theory o�� signs, which, ��or brevity, I will collectively designate as the semiosis thesis. The semiosis thesis states that “Whatever an organism senses also means something to it.” Semiosis is Peirce’s term ��or the process o�� sign interpretation. Peirce’s semiotic should not be con��used with semiologie, as ��ounded by the linguist Ferdinand de Saussure, ��or whom language was the prototype and model o�� signs. In Peirce’s theory, cultural phenomena such as language already presuppose the ��unction o�� semiosis, which is much more general and does not depend upon the creation o�� conventional sign systems.5 The semiosis thesis, as Peirce understood it, states that the process o�� bodily sensations does not consist o�� isolated physiological events but that, inso��ar as they are ��elt at all, sensations make sort o�� sense, i.e., perception is a kind o�� semiosis. I am not going to enter deeply into Peirce’s theories here, ��or the semiosis thesis has also been developed by other, later thinkers – biologists, psychologists and philosophers – o��ten independently o�� Peirce’s work. A number o�� the figures who developed and applied the semiosis thesis to the physiology o�� perception and to synesthesia, lived and worked in Hamburg in the 1920s: Jakob von Uexküll, Heinz Werner, and Ernst Cassirer. The biologist Jakob von Uexküll put ��orth his version o�� the semiosis thesis in the 1920s but his work was later largely ignored, until it was taken up again in recent years by contemporary biologists, who – unlike Uexküll – actually use the term semiotic ��or this approach (Uexküll spoke rather o�� Bedeutungslehre). My characterization (“Whatever an organism senses also means something to it”) in ��act stems ��rom the contemporary Danish biologist Jesper Ho����meyer.6  

5

6

See Claus Emmeche/Kalevi Kull/Frederick Stjern��elt (Eds.): Reading Ho����meyer, Rethinking Biology, Tartu 2002 (Tartu Semiotics Library ), p. 20. See Peirce’s definition: “It is important to understand what I mean by semiosis. All dynamical action, or action o�� brute ��orce, physical or psychical, either takes place between two subjects (whether they react equally upon each other, or one is agent and the other patient, entirely or partially) or at any rate is a resultant o�� such actions between pairs. But by ‘semiosis’ I mean, on the contrary, an action, or influence, which is, or involves, a cooperation o�� three subjects, such as a sign, its object, and its interpretant, this tri-relative influence not being in any way resolvable into actions between pairs.” (Charles Sanders Peirce: Pragmatism [1907]. The Essential Peirce. Selected Philosophical Writings, vol. 2 [189–191], ed. by the Peirce Edition Project, Bloomington/Indianapolis 1998, p. 11). For Peirce it is already ��ound in perception and ��eeling among animals, and indeed in nature itsel��. See the papers ��rom the international colloquium: “The Semiotic Threshold ��rom Nature to Culture” held at Kassel February 16–17, 2001, at: http:// www.uni-kassel.de/~noeth/ See Emmeche et al. (Eds.): Reading Ho����meyer (as ��n. ).

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Today, the term most generally applied to this area o�� research is called zoosemiotic or, more generally, biosemiotics. In the 1920s Uexküll’s ��riend and colleague Ernst Cassirer developed his own version o�� the semiosis thesis in his theory o�� perception and, ��ollowing Heinz Werner, also applied it to synesthesia. At that time Cassirer had not yet adopted the term semiotics ��or his work (he did that later when he moved to Yale) but spoke rather o�� symbolic forms or, most generally, o�� symbolische Prägnanz, but the principle was the same. Cassirer o����ered this definition: “Unter ‘symbolischer Prägnanz’ soll […] die Art verstanden werden, in der ein Wahrnehmungserlebnis, als ‘sinnliches’ Erlebnis, zugleich einen bestimmten anschaulichen ‘Sinn’ in sich ��aßt und ihn zur unmittelbaren konkreten Darstellung bringt.”7 Cassirer had di��ficulty getting this phenomenological claim into words, ��or he had to call the way in which a Sinnliches embodied a Sinn an “unmittelbare konkrete Darstellung.” Darstellung is a semiotic term, but unmittelbar and konkret re��er to non-semiotic ��act. The point is that concrete phenomena are processes in which the here and now always has a kind (eine Art) o�� meaning and perhaps more than one. For this is not a description o�� consciousness but a phenomenological characterization o�� embodiedness. From a phenomenological perspective, bodily sensations are not located in a single spot in the head. We ��eel our entire ambience with all o�� the senses at once, and these constantly take on di����erent varieties o�� expressive and representational symbolic pregnance. Cassirer denied that this symbolic pregnance presumed subjective acts o�� interpretation or that it could be explained by re��erence to a subject at all. Rather, it is an aspect o�� bodily ��eeling, a biological or neurological phenomenon. Cassirer thought that the spheres o�� li��e and semiosis were co-extensive. He described his view this way: “The relation o�� body and soul [Leib und Seele] represents the prototype and model ��or a purely symbolic relation, which cannot be converted into either a relationship between things or into a causal relation.”8 In other words, Cassirer wanted to 7 8

Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen (PsF), vol. : Phänomenologie der Erkenntnis, Ernst Cassirer: Gesammelte Werke, vol. 1, ed. by Birgit Recki, Hamburg 2002, p. 21. Ernst Cassirer: The Philosophy o�� Symbolic Forms (PSF), vol. : The Phenomenology o�� Knowledge, trans. by Ralph Manheim, New Haven 1957, p. 100. C��. PsF, vol.  (as ��n. 7), p. 11: “Das Verhältnis von Seele und Leib stellt das erste Vorbild und Musterbild ��ür eine rein symbolische Relation dar, die sich weder in eine Dingbeziehung noch in eine Kausalbeziehung umdenken läßt.” Causality is the principle upon which we understand the objectivity o�� the physical world and the objectivity o�� the psychological world depends upon the social sphere o�� symbolic meanings. Cassirer made this as clear as possible: “Denn Ich-Selbst (Solus-ipse) ‘bin’ gar nicht, ohne die Beziehung au�� ‘andere Subjekte’[.] / Es giebt [sic] kein IchBewusstsein ohne Du-Bewusstsein / noch weniger gibt [es] ein Selbst, ein ‘ipse’

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exchange talk about bodily sensation ��or the semiosis thesis: even bodily ��eelings or sensation take on a particular character ��or us by virtue o�� their symbolische Prägnanz. This conception escapes Richard Cytowic’s criticism o�� the attempt to explicate syanesthesia by re��erence to the concept o�� meaning. Cytowic emphasizes that synesthesia is a concrete physical sensation, and so, because sensations are direct, he says, they “have no meanings.”9 Synesthesia is a process o�� involuntary sensations, and Cytowic wants to distinguish such genuine synesthesia ��rom metaphoric and other psychological, interpretative processes. Genuine synesthesia is involuntary. Recognizing this, it is still possible to apply Cassirer’s version o�� the semiosis thesis to synesthesia because o�� another key aspect in synesthesia which Cytowic has also singled out, namely, that it is emotional – laden with a����ect.10 The semiosis thesis does not state that whatever an organism senses is actively or deliberately interpreted but only that it means something to it. Many i�� not most researchers in semiotics today still ��ollow Saussure in taking language as the model and prototype ��or symbolic relations, with the result that signs are usually considered to have a strongly or completely conventional character. For this reason Saussure questioned whether such natural indexical instances o�� semiosis as smoke indicating fire ought to come into the purview o�� a theory o�� signs at all.11 Peirce, by contrast saw such natural indexical processes as ��eatures o�� a more general process, which he sought to integrate into a biological theory o�� the mind, a theory based upon the concept o�� ��eeling rather reflective consciousness.12 Peirce believed that it was Descartes’ Error to take cognition rather than ��eeling as the ��ocal point ��or a theory o�� mind and that such a cognitive conception led Descartes and phi-

9 10 11 12

ausser in dem allgemeinen Medium der Kultur��ormen, die gerade die Wege zum Selbst sind[.]” This quotation is ��rom Ernst Cassirer: Objektivität der Ausdrucks��unktion, in: Nachgelassene Manuskripte und Texte, vol. 5: Zur Kulturphilosophie. Vorlesungen und Vorträge 1929–191, ed. by Rüdiger Kramme, Hamburg 200. Cytowic: The Man Who Tasted Shapes (as ��n. 1), pp. 8, 9, 95. See Richard Cytowic’s introductory contribution Wahrnehmungs-Synästhesie, in: Hans Adler (Ed.): Synästhesie. Inter��erenz, Trans��er, Synthese der Sinne, Würzburg 2002. Ferdinand de Saussure: Course in General Linguistics, ed. by Charles Bally/Albert Sechehaye, trans. by Wade Baskin, New York 1966, p. 68. See Peirce’s essay The Law o�� Mind (1892), in: Charles Sanders Peirce: The Essential Peirce. Selected Philosophical Writings, vol. 1 (1867–189), ed. by the Peirce Edition Project, Bloomington/Indianapolis 1992, pp. 12 ����.

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losophy into speculation and away ��rom the phenomena.1 Without knowing Peirce’s work, Cassirer ��ollowed the same line o�� thought. The Cartesian legacy persists in philosophy even today because the most widespread philosophical approach to lived experience stemmed ��rom a pro��essed Cartesian, Edmund Husserl. In Husserl’s phenomenology, it is di��ficult to grasp involuntary phenomena like synesthesia. Husserl’s ego-centered philosophy led him to speak o�� the receptivity o�� sense as the lowest level o�� the ego’s activity.1 For Husserl, the chie�� ��eature o�� consciousness was intentionality, the ��act that consciousness always has an object.15 Consciousness is always consciousness of something. This fits with our experience, ��or to think is to think o�� something, and even to ��eel a pain is to ��eel something, even i�� we do not know what it is. O�� course, we do not always make the distinction between a sensation and its object, but phenomenologists point out that we could, i�� we reflect. How is this di����erent ��rom the semiosis thesis? Husserl’s and Peirce’s conceptions are similar because semiosis includes the conception o�� relationships to an object, but intentionality is a subject-centered notion which gives predominance to conscious relationships and to the cogito in a Cartesian sense. Intentionality has a mental or ��ormal aspect and an objective or material aspect. The problem is their relationship, which always is a matter o�� consciousness o�� the material aspect. Peirce, by contrast, described semiosis as a process in which something (he called it a representamen or sign) re��ers to something else (an object) – ��or something else, which he calls the sign’s interpretant. This can be a ��eeling, an action, or a habit change or a combination o�� these. This conception is compatible with Cassirer’s symbolische Prägnanz which states that something sensory relates to a meaning by virtue o�� its being symbolically pregnant in some way. The interpretant or symbolically pregnant phenomenon is a result and a new starting point, so that the process o�� sign interpretation is endless and multi-��orm. Neither Peirce nor Cassirer re��er to a transcendental ego or other type o�� subjectivity to explain habits o�� interpretation, ��or, like motor habits, they o��ten involve no deliberation. As Peirce once remarked, “it is [the belie��] men betray and not that which they parade 1 1 15

The best introduction to Peirce is his criticism o�� Descartes, Questions Concerning Certain Faculties Claimed for Man and its companion piece, Some Consequences of Four Incapacities. Both in Peirce: The Essential Peirce, vol. 1 (as ��n. 12). Edmund Husserl: Er��ahrung und Urteil. Untersuchungen zur Geneologie der Logik, Hamburg 1985, § 17, p. 79. A��ter writing this paper I discovered the ��ollowing paper which o����ers a parallel argument: Jesper Ho����meyer: Evolutionary Intentionality, in: Proceedings ��rom the Third European Con��erence on Systems Science, Rome 1.– . Oct. 1996, ed. by Eliano Pessa/Anna Montesanto/Maria P. Penna, Rome 1996, pp. 699–70.

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which has to be studied.”16 For example, signatures are automatic and can be ��orged only i�� they are not written at normal speeds, which exceed a human’s capacity ��or exacting deliberate motor activity. A signature written at regular speed cannot be ��orged.17 The semiotic thesis assumes that ego-consciousness is an emergent phenomenon and not the proper basis ��or a philosophy o�� perception. In the 1920s the biologist Jakob von Uexküll developed the view that processes o�� meaning should be integral to the study o�� living organisms.18 This meant studying the relationship between the anatonomical construction o�� the organism (its Bauplan) in relationship to its environment (Umwelt). This Umwelt was relative to the organism’s Bauplan, so that di����erent organisms in the same physical environment had di����erent ambients or Umwelten which were a ��unction o�� their Bauplan. Every organism has its own characteristic Umwelt. Ho����meyer explicated Uexküll’s idea by re��erence to coli bacteria which move within a nutrient in the direction which o����ers more nutrient molecules rather than less. This action is determined by the in��ormation processing o�� its chemoreceptor cells.19 This in��ormation processing qualifies in biosemiotics as an example o�� meaning. This biosemiotic approach is ��ar removed ��rom Cassirer’s phenomenological notion o�� symbolische Prägnanz, yet it is based upon the same basic assumption that the semiosis thesis does not apply simply to deliberate or conscious activity, but even to passive experience including genuine synesthesia. Cassirer incorporated synesthesia into his general phenomenology of knowledge. Cassirer’s view o�� synesthesia was developed in close contact with his Hamburg colleague, the experimental psychologist Heinz Werner20 and with the work o�� the Frank��urt neurologist Kurt Goldstein. Werner, Goldstein, and Cassirer all adopted the same holistic approach, which Goldstein labeled organismic, in the study o�� synesthesia.21 According to this conception, Goldstein claimed, it was actually a mistake to speak o�� synesthesia be16 17 18 19 20 21

Collected Papers o�� Charles Sanders Peirce, 8 vols., vols. 1–6, ed. by Charles Hartshorne/Paul Weiss, vols. 7–8, ed. by Arthur W. Burks, Cambridge, MA 191–1958, vol. 5, § , n. Ian Austen: Recognizing the Dance on the Dotted Line, in: New York Times (March 1, 200), Late Edition – Final, Section G, p. 5, column 1. See Jacob von Uexküll: The Theory o�� Meaning, in: Semiotica 2/1 (1982), pp. 25– 82. Emmeche et al. (Eds.): Reading Ho����meyer (as ��n. ), p. 20, ��n. . C��. PsF, vol.  (as ��n. 7), p. 9. See the discussion in Kurt Goldstein: The Organism. A Holistic Theory Approach to Biology Derived From Pathological Data in Man, New York 1995, chap. 6: On the Conception o�� the Organism as a Whole, pp. 17 ����.

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cause this assumed a derivative point o�� view that began with a clear division o�� the senses and with objectified experience.22 By contrast, Goldstein stressed the importance o�� first considering whole organisms in action rather than beginning with particular neural or other processes. Heinz Werner ��ollowed this approach in his work on developmental psychology, taking development to re��er to creative adaptations by whole organisms. Werner and his student Karl Zietz2 sought to show that synesthesia is not “a bizarre and merely abberrent way o�� perceiving”,2 but rather that there always is reciprocal influence between the di����erent fields o�� sense. In experiments that Werner and Zietz conducted on normal patients and which Goldstein and his assistant repeated with abnormal ones, they showed that the simultaneous presentation o�� colors and sounds, when properly manipulated by the experimentors, induced intermodal influences.25 The key to the e����ectiveness o�� these tests consisted in the tones being heard so briefly that they were not cognitively localized, but sensed in a vital way. Werner described what he meant by a vital sensation this way: “the vital sensation o�� color or tone pervades the body so searchingly that there is no longer any optical or tonal ‘matter’ and the subject is at a loss to tell the modality o�� the sensation.”26 Werner called these vital sensations because their reception by the body was more physical than psychological or reflective, so that they led in 70 to 80 % o�� cases to a loss o�� localization and an increased ��usion o�� sensation, with di����erent sounds actually altering the shades o�� the perceived colors. The presentation o�� a low pitch sound made a perceived color darker, while the presentation o�� a higher pitched sound made the perceived color lighter.27 Without re��erence to language, these tests showed the meaning o�� the phrase “ein heller Klang” or a bright sound. Goldstein investigated the relationship between the laboratory presentation o�� colors and tones and the posture o�� the body. The general tendency ��or his subjects to involuntarily spread their arms wider upon the presentation o�� a red or yellow than when shown blue or green led him to conclude that the common description o�� something visible as a warm color or cold color is not based upon language but on physical reactions to what is perceived.28 These

22 2 2 25 26 27 28

Ibid. pp. 21 ��. Karl Zietz: Gegenseitige Beeinflussung von Farb- und Tonerlebnissen, in: Zeitschri��t ��ür Psychologie 121, pp. 257–56. Cited by Heinz Werner: Comparative Psychology o�� Mental Development, New York 197, p. 92. Ibid. pp. 9–10. Ibid. p. 97. Ibid. p. 9. Ibid. p. 98.

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experiments with intermodular sensation did not have genuine synestheses as subjects. Cassirer had adjoining o��fices with Heinz Werner at the University o�� Hamburg.29 Like Werner’s psychology, Cassirer’s phenomenology0 was developmental (he claimed to ��ollow Hegel on this point), which led him to make a radical phenomenological distinction between the perception o�� expression (Ausdruckswahrnehmung) and the perception o�� things (Dingwahrnehmung). This phenomenological distinction can be illustrated by re��erence to color experience. We can regard colors objectively – as a ��eature o�� objects or surface colors or as belonging to a particular sequence o�� shades in a color system like the Munsell classification, but colors also can be expressive – sombre or happy, warm or cold, etc. Philosophers usually begun their investigations o�� perception by first passing over such expressive or emotional qualities (which we describe as “trustworthy, ��right��ul, ��riendly or terri��ying”) and replace them with the conception o�� pure sense qualities o�� colors, tones, and so on. Phenomenologically speaking, the primary expressive phenomena are then misnamed secondary qualities while the derived ��orms typical o�� thing perception are then named primary qualities.1 Cassirer concluded that philosophers had been on the wrong track in their search ��or the simple building blocks o�� experience. He concluded that the worlds o�� animals, children, and primitive people can di����er in distinct ways ��rom that o�� reflective thought – the standpoint o�� the philosopher or scientist. Cassirer stated: “In all these worlds, the spheres o�� visual and auditory sensations, o�� smell and taste, show a ��ar closer involvement than in our perception with its tendency to isolate the ‘qualities’ o�� things. However, this interrelation is by no means limited to the primitive consciousness, but is retained ��ar beyond it. Even in highly developed consciousness, phenomena o�� so-called ‘synesthesia’ – ��or example, o�� colored tones, numbers, and smells, or words – are by no means mere anomalies but reveal a ��undamental behavior and character o�� the perceptive con29 0

1

At this time in Hamburg the psychologist Georg Anschütz was also investigating the connection between synesthesia and aesthetics. Cassirer explicated the distinction between Ausdruckswahrnehmung and Dingwahrnehmung systematically in his most important work, PSF, vol. , which he entitled the Phenomenology of Knowledge. It is interesting to read this work next to Werner’s Einführung in die Entwicklungspsychologie (Comparative Psychology o�� Mental Development), ��or both works reconstruct the development o�� cognitive processes in strikingly similar ways, especially concerning the most elementary types o�� perception. Werner and Cassirer both re��erred to many areas o�� empirical research, ranging ��rom experimental and animal psychology to neurology and ethnological findings. Ernst Cassirer: The Logic o�� the Cultural Sciences, trans. by Steve G. Lo��ts, New Haven 2000, p. 0.

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sciousness.” (PSF , p. 5) Cassirer concluded his examination o�� the matter o�� experience, claiming that the separation o�� the senses is a derived, not a primitive phenomenon. We only arrive at the data o�� distinct discrete sensation – such as light or dark, warm or cold, rough or smooth – by setting aside a ��undamental and primary stratum o�� perception and eliminating it, ��or theoretical purposes (PSF , p. 7). This stratum, the perception o�� expression (Ausdruckswahrnehmung), he stressed, is “at first mere passivity, a being-actedupon rather than an acting.” (PSF , p. 75) The sel�� is not a ��actor here, the phenomena themselves are agitating or soothing, gloomy or joy��ul, paci��ying or terri��ying. Cassirer did not think – as so many philosophers in search o�� simple, intuitive beginnings o�� knowledge believe – that sensation is uni��ormly given, but rather that to an extent, everybody is a synesthete and that synesthesia sur��aces in the perception o�� expression.2 The perception o�� expression can be di����use, such as the perception o�� a mood or emotional atmosphere, or it can be ��ocused, such as in the recognition o�� a physiognomic character – a smiling or ��rowning ��ace. Such physiognomic perception does not require seeing real ��aces, ��or non-animate objects can assume a physiognomic character as well, such as ��aces in clouds or voices in the moaning o�� the wind. In Cassirer’s philosophical anthropology, the perception o�� expression is the most ��undamental semiotic process. On di����erent occasions Cassirer visited some o�� Goldstein’s neurological patients in order to study how damage to certain parts o�� the brain led to di����erent ��orms o�� aphasia. Cassirer noted that one o�� Goldstein’s patients was ��orced to use logic in order to distinguish people ��rom things by comparing their typical dimensions. As the patient explained: “People are all alike: narrow and tall, automobiles are wide: you see that right away, much thicker.” Goldstein’s ��amous cases o�� concrete behavior usually involved the loss o�� the ability to think in terms o�� abstract objects so that an object was “something to eat with” rather than a fork, but in this case the patient was able to discuss automobiles and people abstractly and objectively comparing their typical dimensions, but he did not perceive the expressive, physiognomic qualities that ordinarily distinguish the animate and inanimate ��or us. This kind o�� inability to perceive expressive phenomena, made ��amous by Oliver Sacks’ man who mistook his wi��e ��or his hat, illustrated ��or Cassirer the point that the perception o�� expression is actually a semiotic

2 

Richard Cytowic upholds this point o�� view too, see Cytowic: The Man Who Tasted Shapes (as ��n. 1), pp. 166 ��. Protokoll by Kurt Goldstein and Adhemar Gelb, quoted a��ter PsF, vol.  (as ��n. 7), p. 277, note: “Menschen sind alle gleich: schmal und lang, Wagen sind breit: das ��ällt so��ort au��, viel dicker.”

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��unction, di����erent ��rom the representative or abstract significative ��unctions o�� symbolism, a capacity that could be lost due to brain damage just as well as the abstract attitude could be. Sacks’ description o�� his patient’s symptoms all reflect precisely Cassirer’s characterization o�� the perception o�� expression – the inability to see a thou (rather than an it), the inability to see a whole scene in terms o�� an expressive physiognomy (rather than as individual ��eatures), the inability to di����erentiate ��aces ��rom objects. Sacks’ description o�� his patient’s condition as a blindness to expression reconfirms Cassirer’s phenomenology. Like Cassirer, the phenomenologist Max Scheler also ��ocused upon the perception o�� expression, but he regarded it as an immediate, intuitive grasp o�� existence. Again and again Scheler stressed that ��or him expressive phenomena were a-symbolic in an absolute sense.5 Cassirer denied that expressive phenomena, even pain, were a matter o�� pure sensation. In the perception o�� expression there is no cleavage between the merely sensuous existence o�� a phenomenon and the meaning it divulges (PSF , p. 9). Expressive phenomena seem to be completely immediate and purely subjective. Cassirer spent much o�� his later career combating this belie�� and de��ending what he called the “objectivity o�� the expressive ��unction”. Hence, ��or him cases such as Goldstein’s unnamed patient or Sacks’ ��amous Dr. P. o����er a negative proo�� o�� his view that expressive phenomena are the most elementary ��orm o�� symbolische Prägnanz. They show how individuals with unimpaired senses can lose the ability to perceive expressive meanings. Cassirer would agree with Cytowic that synesthesia is “a direct experience that people ��eel, and taste, and touch”,6 however, this very concreteness involves an emotional ��eeling, which Cytowic himsel�� has also emphasized, a ��eeling o�� certainty – a this is it quality.7 Emotionally charged impressions which are felt to be real have been discussed by philosophers since ancient times, particularly by the Stoics, who characterized them by the term catalep 5

6 7

Oliver Sacks: The Man Who Mistook His Wi��e ��or a Hat, pp. 5, 7, 9, 12. C��. the criticism o�� Goldstein pp. 5, 16–165. This belie�� in absolute presence was typical o�� many phenomenologists, and Husserl even declared it to be the “principle o�� principles”. Husserl’s “Das Prinzip aller Prinzipien” states that “jede originär gebende Anschauung eine Rechtsquelle der Erkenntnis sei, daß alles, was sich uns in der ‘Intuition’ originär, (sozusagen in seiner leibha��ten Wirklichkeit) darbietet, ein��ach hinzunehmen sei, als was es sich gibt, aber auch nur in den Schranken, in denen es sich da gibt, kann uns keine erdenkliche Theorie irre machen”. (Edmund Husserl: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, Erstes Buch, ed. by Walter Biemel, The Hague 1950 (Husserliana ), § 2, 52.) Cytowic: The Man Who Tasted Shapes (as ��n. 1), p. 9. Cytowic: Wahrnehmungs-Synästhesie (as ��n. 10), p. 16.

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sis, an almost physical ��eeling o�� being seized by reality. David Hume, whose philosophy derives largely ��rom ancient Roman thought, took up the stoic conception o�� catalepsis in his distinction between impressions and ideas, whereby the ��ormer were characterized by their ��orce and vivacity. The reason why Scheler and other philosophers have not wanted to regard such ��elt, emotional experience in semiotic terms was because o�� this bodily certainty. We ��eel emotions and the synesthete experiences complex sensation with such cataleptic certainty and directness that it seems pointless to regard them as semiosis. But semiosis is not a thought process. Biting into something sweet or bitter results in a gusto��acial reflex, producing a smile or look o�� disgust. This depends upon an automatic discrimination, not a conscious deliberation, and it results in automatic ��acial expressions. Cassirer agreed with Darwin’s view that studying the expression o�� emotion in the animal world was way to understand the emergence o�� intelligence,8 and his statements on the subject lead me to think that he would agree with Paul Ekman’s contention that certain ��orms o�� expression based upon evolutionary adaptation are universal.9 Cassirer even claimed that the perception o�� expression may serve as “a bridge to the phenomena o�� animal consciousness.” (PSF , p. 65) Cassirer once pointed out that elementary tactile qualities such as hardness or softness, roughness or smoothness, cannot be discerned without movement (PSF , p. 178), and without this bodily motion, tactile qualities are not even data. The continuous impression we call the feeling of roughness or smoothness is in Cassirer’s theory o�� perception an elementary example o�� the expressive ��unction o�� symbolische Prägnanz, ��or this ��eeling is not ��ound in any particular datum, but in their continous form, that is, what we call a feeling. This holds ��or all the other expressive qualities o�� perception that philosophers call secondary qualities. Physiological sensations take on a continuous iconic ��orm. According to the semiosis thesis, as I understand it, this is the most ��undamental instance o�� symbolische Prägnanz. These ��orms do not exhibit Prägnanz in the sense o�� the Gestalt psychologists, that is, a sharp figure against a background, the so-called good Gestalt. On the contrary, they can be vague and di����use, which is what most ��eelings and emotional expressive qualities are. Clearly, too, these ��orms can be intermodal because continuity is not numerical identity.

8 9

Ernst Cassirer: The Problem o�� the Symbol as the Fundamental Problem o�� Philosophical Anthropology, in: PSF, vol. : The Metaphysics o�� Symbolic Forms, ed. by John Michael Krois et al., trans. by John Michael Krois, New Haven 1996, p. 9. See Paul Ekman’s Afterword: Universality of Emotional Expression? A Personal History of the Dispute on the development o�� his theories in his edition o�� Charles Darwin: The Expression o�� the Emotions and Animals, London 1999, pp. 6–9.

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Iconicity is the most disputed area in semiotics, largely because many semioticians have striven to interpret it in terms o�� cultural symbolic ��orms. The discussion o�� iconicity has been largely carried out in re��erence to pictures, i. e., cultural objects or at least by re��erence to the sense o�� vision. Perhaps the research program that Werner, Cassirer, and Goldstein pursued in the 1920s which took synesthesia as its basis and interpreted the division o�� the senses as something derived, should be reconsidered in light o�� the rediscovery o�� synesthesia as a topic o�� empirical research. The semiosis thesis is not new, but it may o����er a better way to understand synesthesia than other phenomenologies or computational approaches. The fleeting phenomenon o�� expression, such as synesthesia, can perhaps tell us more about the sensory field and the brain than we can learn ��rom the study o�� ordinary thing perception.

Postscript One morning not long ago, while reading the newspaper in the train on my way to my o��fice I saw a text by the art historian Gott��ried Boehm, which I immediately started to read. A��ter the first two paragraphs I stopped. I realized that I was hearing the text spoken, but not in my usual inner voice. I was looking at the words on the page, but I was hearing Gott��ried Boehm’s voice. Is the silent reading o�� a text a unimodal phenomenon? When we read a text silently, with the inner voice, this voice is supposed to always be the same. O�� course, knowing a text’s author personally or, in the case o�� media personalities whose voices we hear ��requently, having someone’s voice in our ear might help us to think o�� how they would say something. The experience I recount here, however, was completely involuntary and involved no ��orethought. I was not remembering the way the text was spoken on some other occasion, ��or this was a new text. I just looked and listened. Strictly speaking, this may not be genuine synesthesia, however it illustrates the kind o�� phenomena that Cassirer and Werner believed to be typical o�� the general synesthetic character o�� the sensory field as a whole.

E mb o d i me nt i n Cog n it ion a nd Cu lt u r e Edited by John Michael Krois, Mats Rosengren, Angela Steidele and Dirk Westerkamp Amsterdam/Philadelphia, PA 2007, pp. 273–290

P H I l O S OP H IC A l A N T H ROP Ol O G y AND THE E M B O D I E D C O G N I T I O N PA R A D I G M On the Convergence of Two Research Programs

1. I nt ro duct ion The term “Philosophical Anthropology” is usually reserved for a movement in German philosophy, which arose in the late 1920s among thinkers influen­ ced by the descriptive method of Edmund Husserl’s phenomenology. Philoso­ phical anthropology combined the Ancient philosophical pursuit of self­know­ ledge – better: of the “human condition” – with Modern scientific findings from biology, psychology, sociology and cultural anthropology. The phrase “embo­ died cognition paradigm” refers to a research program in cognitive science, which has emerged since the 1980s. Cognitive science arose after World War II from a combination of different fields, especially linguistics and computer science, as well as the philosophy of mind. In cognitive science, intelligence was construed in terms of processes taking place in the human brain in analogy to computer programs running on “hardware”. In contrast to this, the embodied cognition conception of cognitive science conceived intelligence in terms of bodily activity and interaction with the surrounding social and physical world. The conception of intelligence initially guiding cognitive science was compu­ tational; intelligence meant symbol manipulation, something that computers excel in. In the “embodied cognition” model, “artificial intelligence” is consi­ dered in reference to action in the world, hence, robots as well as computation are the focus of study. In the new robotics, the aim is to construct autonomous agents that function in specific environments without a central planner or reliance upon an internal map of this environment.1 This new conception meant that the study of animal, neonate or even insect intelligence were of value in cognitive science. 1

On the background of the new robotics see Rodney A. Brooks: Cambrian Intelli­ gence. The Early History of the New AI, Cambridge, MA 1999.

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One aspect of the embodied cognition paradigm was the rediscovery of Jakob von Uexküll’s theoretical biology among cognitive scientists. The im­ portance of Uexküll’s work for cognitive science has been examined before,2 but it is worth mentioning here because Uexküll’s idea were also influential in the rise of philosophical anthropology, especially for Ernst Cassirer.3 Accor­ ding to Uexküll, the makeup or “Bauplan” of an animal needs to be treated in terms of its particular surrounding world or “Umwelt”. Every kind of orga­ nism has a particular Bauplan, and therefore no two species have the same Umwelt. Each lives in its own niche and does not share this biological Umwelt with other species, even though they live in the same physical world. Today, this conception plays an important role in the “embodied cognition” approach to artificial intelligence. The ramifications of this idea is one of several fun­ damental concepts that embodied cognitive science and philosophical anthro­ pology share. In the following, I want to indicate some of these convergences but also wherein these two research programs differ. I will concentrate espe­ cially on Cassirer, not just because of his debt to Uexküll but also due to a particular interest that he shared with today’s embodied cognition research: the theory of concepts and the claim – as in lakoff and Johnson – that concept formation depends upon metaphorical thought.

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3

 

Tom Ziemke/Nowell E. Sharkey: A Stroll Through the Worlds of Robots and Ani­ mals. Applying Jakob von Uexküll’s Theory of Meaning to Adaptive Robots and Artificial life, in: Semiotica 13/1– (2001), pp. 63–69; Andy Clark: Being There. Putting Brain, Body, and World Together Again, Cambridge, MA 1997, pp. 11–33. Cassirer’s frequent references to Uexküll are scattered throughout his published writings and Nachlass; cf. Ernst Cassirer: An Essay on Man. Introduction to a Phi­ losophy of Human Culture, New Haven 2006 (19), pp. 28 f.; Ernst Cassirer: The Problem of Knowledge. Philosophy, Science, and History since Hegel. With a Pre­ face by Charles W. Hendel, trans. by William H. Woglom/Charles W. Hendel, New Haven 190, pp. 199–207; Ernst Cassirer: The Philosophy of Symbolic Forms (PSF), vol. : The Metaphysics of Symbolic Forms, ed. by John M. Krois/Donald P. Verene, trans. by John M. Krois, New Haven 1996, pp. 2–6, pp. 213–218; Ernst Cassirer: The logic of the Cultural Sciences, trans. by Steve G. lofts, New Haven 2000, pp. 23–27; Ernst Cassirer: Nachgelassene Manuskripte und Texte (ECN), vol. : Kulturphilosophie, ed. by Rüdiger Kramme et al., Hamburg 200, pp. 8–3; ECN, vol. 6: Vorlesungen und Studien zur philosophischen Anthropologie, ed. by Gerald Hartung et al., Hamburg 200, pp. 2–260. Rodney A. Brooks: Intelligence Without Representation, in: Artificial Intelligence 7 (1991), pp. 139–19, 3–. George lakoff/Mark Johnson: Metaphors We live By, Chicago 1980.

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2. The problem of dua l ism Philosophical anthropology raises the question: What is it like to be a Human Being? Unlike physical objects that simply are part of the world, human be­ ings have a world. This is evidently also the case for other living organisms as well. In 197, when Thomas Nagel published his paper What is it like to be a Bat?,6 his main concern was the difference between being conscious and the physical correlates of this phenomenon. He asked what it is like to be a kind of organism in order to direct attention to the irreducibility of consciousness in general. Asked to imagine what it is like to be a bat, we are confronted with the irreducible fact of qualitative experience, even though we fail in the at­ tempt to imagine how it is for bats to perceive the world. Nagel’s essay was directed against attempts to reduce the phenomena of “consciousness” to such things as brain states or other physical correlates. The point of philosophical anthropology was not to defend the phenomenon of “consciousness” against reductionism, but to reframe the “mind­body” distinction in a non­dualistic way, taking the whole living organism as a starting point. Regarded historically, German philosophical anthropology was cut short by the political developments of the 1930s. In 1928, Helmuth Plessner and Max Scheler both published their pioneering work on philosophical an­ thropology – Plessner his Die Stufen des Organischen und der Mensch: Ein­ leitung in die philosophische Anthropologie 7 and Scheler, Die Stellung des completed ompleted his first Menschen im Kosmos.8 And in April 1928 Ernst Cassirer c systematic text on philosophical anthropology: Das Symbolproblem als Haupt­ problem der philosophischen Anthropologie, which, together with an intro­ ductory chapter on the concepts of life and mind, ran to 238 pages. At first, he wanted to include it in the third volume of his magnum opus, The Philosophy of Symbolic Forms,9 but its size and content led him instead to plan its sepa­ rate publication. In 1928 Philosophical Anthropology promised to become a major new direction in philosophy, but Scheler died suddenly that same year, and only five years later both Plessner and Cassirer fled the National Socialists in Germany, where the topic of anthropology was taken over by national so­ cialist ideology. 6 7 8 9

Thomas Nagel: What Is It like to Be a Bat?, in: The Philosophical Review 83/ (Oc­ tober 197), pp. 3–0. Helmuth Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch. Einleitung in die philosophische Anthropologie, Berlin/leipzig 1928. Max Scheler: Die Sonderstellung des Menschen, in: Hermann Keyserling (Ed.): Mensch und Erde (Der leuchter 8), Darmstadt 1927, pp. 161–2. PSF, vol. 3: The Phenomenology of Knowledge, trans. by Ralph Manheim, New Haven 197.

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Cassirer did not live to return to Germany after the war, and much of his work on philosophical anthropology remained unpublished until very re­ cently. Cassirer’s 1928 text was not published until 199.10 An English transla­ tion appeared in 1996 as: The Problem of the Symbol as the Fundamental Problem of Philosophical Anthropology. In 1939 and 190 Cassirer gave a year long lecture course in Gothenburg on Philosophical Anthropology. These lectures appeared in print for the first time in 200,11 together with two other unknown texts on the topic, including the original version of An Essay on Man, which Cassirer subtitled A Philosophical Anthropology. Unlike the pu­ blished version, the first version gave greater emphasis to theoretical biology as the basis for the theory of culture.12 The originators of philosophical anthropology, as I said, were all influ­ enced by Husserl’s method of phenomenological description. Cassirer wrote in his book Mythical Thought of 192, that he had adopted Husserl’s method of description because phenomenology offered a way to characterize the kinds of meanings found in mythical mentality without concern for the existence of the objects of mythic beliefs,13 since mythic beliefs were real, regardless of whether their objects were or not. Mythic thought, Cassirer argued, was a “form of life” (Lebensform), a way of living together, to which certain forms of perception and categorization accrued. Even though Cassirer did not pub­ lish his 1928 text on philosophical anthropology, his writings on mythic thought from the early and mid­1920s established him in the field of anthro­ pological theory. Husserl himself took note of the rise of philosophical anthropology but his reaction to it in an essay on “Phenomenology and Anthropology” from 1931 was highly critical. He rejected it sharply, stating that for him, phenomeno­ logy “denies to any science of human beings, whatever its form, a share in lay­ ing the foundations for philosophy.”1 For Husserl, there was no alternative to the tradition of idealism; for him, philosophical anthropology entailed up­ holding some sort of naturalistic reductionism or psychologism, while he con­ sidered himself to be continuing philosophy in the tradition of Descartes.

10 11 12 13 1

ECN, vol. 1: Zur Metaphysik der symbolischen Formen, ed. by John M. Krois, Hamburg 199. ECN, vol. 6 (as fn. 3). John M. Krois: Ernst Cassirer’s Theory of Biology, in: Sign Systems Studies 32, 1/2 (200), pp. 277–29. In this volume pp. 11–130. PSF, vol. 2: Mythical Thought, trans. by Ralph Manheim, New Haven 19, fn. 12. Edmund Husserl: Psychological and Transcendental Phenomenology and the Con­ frontation with Heidegger (1927–1931). Phenomenology and Anthropology (1931), in: Collected Works, vol. 6, ed. by Thomas Sheehan, trans. by Thomas Sheehan/ Richard E. Palmer, Dordrecht 1997, pp. 8–00, p. 16.

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Philosophical anthropology, by contrast, can be characterised as the consistent, systematic attempt to overcome Cartesianism. Instead of begin­ ning with the individual thinking subject, philosophical anthropology began with the irreducible fact of human embodiment, taking this to include the first, second and third person perspectives. During his years in Sweden, Ernst Cassirer developed a phenomeno­ logical conception of this basis for philosophical anthropology. He called it the doctrine of Basisphänomene or Basic Phenomena.1 According to this doc­ trine, the first, second, and third person perspectives are so fundamental that they can only be regarded as dynamic givens.16 Every explanation of them must presuppose them. Cassirer usually referred to these basic phenomena by the personal pronouns of “I – you – It”. But he stressed that these designations refer to processes, not to static entities. They become consciously distinguished in the interaction between different subjects and the world. Cassirer denied explicitly that the first person perspective could be re­ garded as fundamental, writing that: “Knowing about ‘me’ is not prior and independent of knowing about ‘you’ and ‘It’, rather all this is only constituted together.”17 This “constitution” does not take place in the head, but through living in the world. Philosophical anthropology was not, as Husserl feared, yet another empirical discipline in competition with other empirical sciences such as neurology, biology or ethnology; philosophical anthropology sought to in­ tegrate these empirical approaches to anthropology in a theoretical frame­ work that was no longer Cartesian. Cassirer’s doctrine of basic phenomena is phenomenological, but it is not Cartesian. It begins with the phenomenon of

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17

ECN, vol. 1 (as fn. 10); PSF, vol.  (as fn. 3); ECN, vol. 2: Ziele und Wege der Wirk­ lichkeitserkenntnis, ed. by John M. Krois, Hamburg 1999; cf. John M. Krois: Ernst Cassirer’s late Philosophy. An Unknown Chapter in Swedish Intellectual History, in: Kungl. Vitterhets Historie och Antivitets Akademien (Årsbok MMV), Stock­ holm 200, pp. 73–9. Cassirer asserted: “They (the Basic phenomena) are ‘prior’ to all thought and in­ ference and are the basis of both” (ECN, vol. 6 [as fn. 3], p. 137); cf. ECN, vol. 1 (as fn. 10), p. 132: “Sie sind ‘vor’ allem Denken und Schließen, liegen diesem selbst zu Grunde.” ECN, vol. : Symbolische Prägnanz. Ausdrucksphänomen und “Wiener Kreis“, ed. by Christian Möckel, Hamburg 2010, p. 192. The manuscript, housed in the yale Beinecke Rare Book and Manuscript library (Bacon 119, section ,2), reads: “Das Wissen von ‘mir’ ist nicht vor und unabhängig vom Wissen des ‘Du’ und ‘Es’, son­ dern dies alles konstituiert sich nur miteinander.” In the same place it also says: “Ohne die zweite und dritte Person haben wir auch die erste nicht – / und selbst ‘in Gedanken’ können wir die erste Person nicht isolieren / denn Gedanken müssen eben immer schon Gedanken von Etwas sein.” (Without the second and third per­ son we do not have the first either – and we cannot isolate the first person even ‘in thought’, for thoughts must always be thoughts about something.)

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embodied and social subjectivity and the world (I – you – It). By contrast, the French Phenomenologist Maurice Merleau­Ponty claimed to have discovered what he called a “new cogito”.18 Merleau­Ponty focused upon what he termed the “body­subject”, focusing on the phenomenon of significance per se, which included both the first person and second person perspectives, for we meet with “the Other” directly through our embodied existence. But this phenom­ enological approach remained within the sphere of the perception of expres­ sive meanings. The third person perspective of science remained foreign to it. Merleau­Ponty took little account of material culture – the physical objects in which meanings are embodied. But phenomenology does not have to pass over the inherent logic of different cultural media such as writing or depiction, as Cassirer sought to show, just as it can be directed to unconscious – nonper­ ceived – biological processes.19 The phenomenologist’s preference for the study of conscious phenomena militates against the study of what cognitive scien­ tists now call the “cognitive unconscious”, such as the neurological process known as “blind sight”.20 Blind sight refers to the combination of blindness and vision in persons with partial brain damage who cannot consciously rec­ ognize anything visually (and seem to be completely blind), yet are able to correctly complete tasks needing vision, such as effortlessly posting a letter in a mailbox slot no matter which way the slit is turned.21 Unlike behaviourism, cognitive science takes the conscious and unconscious processes that lead to behaviour – and not just observable action – to be a proper topic for scientific study. The attempt among cognitive scientists to give the first, second, and third person perspectives their due has in effect led them to embrace the framework of philosophical anthropology. Before turning to the convergence of these two research programs, I want to say a little more about Cassirer’s approach to philosophical anthropol­ ogy. This will permit some specific comparisons with the embodied cognition paradigm.

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Maurice Merleau­Ponty: Phenomenology of Perception, trans. by Collin Smith, london 1962, p. 296. E.g. Shaun Gallagher: How the Body Shapes the Mind, Oxford 200. Melvin Goodale/David Milner: Sight Unseen. A Study of Conscious and Uncon­ scious Vision, Oxford 200. Ibid. pp. 17–21.

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3. Ph i losoph ic a l me t ho d s Cassirer recognized that phenomenological description depended upon lan­ guage. In his 1923 book Language he stressed that we do not first have thoughts and then look for a way to express them symbolically. The reason why philosophical anthropology recommended itself to Cassirer as a starting point rather than the philosophy of language was that language is not the most fundamental form of symbolism. The “linguistic turn” in philosophy was on the right track, but it did not go far enough. A thoroughgoing sym­ bolic or semiotic transformation of philosophy demands that we explicate per­ ception and our practical understanding of things in terms of symbolic pro­ cesses that operate prior to the learning of language if we are not going to fall back on a belief in uninterpreted, instantaneous “intuition” (taking this term to mean the equivalent of a premise that is not a conclusion). Philosophical anthropology relies upon language for its formulation, but language relies upon having speakers. This chicken and egg problem shows the weakness of the Cartesian approach to philosophy. We need to stop search­ ing for a single ultimate first foundation for philosophy and instead consider the interrelations between that various dimensions of embodied existence: I – you – It. Symbolic systems are found in other forms of social life besides language, non­verbal forms such as gesture, ritual, and depiction. language emerges where such meaningful social activities already exist. Elementary symbolic systems such as ritual behaviour are at once cognitive, emotional, and social; they do not exist “in the head”. Cassirer’s philosophy is still often called “neo­Kantian”, which is mis­ leading at best. The philosophy of symbolic forms is no more or less indebted to Kant than analytic or hermeneutic philosophies.22 Whereas the neo­Kan­ tians sought to purify Kant’s philosophy so as to distill the correct from the dated in Kant’s system, especially regarding his transcendental logic, Cassirer upheld no transcendental logic. Instead, he appealed to the real process of symbolism. Cassirer called the phenomenon of symbolic meaning “apriori” and a kind of “first”,23 terming the phenomenon of meaning “symbolische Prägnanz“. “.. This was apriori in the sense that it did not derive from conven­ tion, yet it was not “in the subject”. Cassirer’s symbolische Prägnanz was close to Peirce’s pragmatic conception of semeiotic. It was the phenomenon that (1)

22

23

As Michael Friedman has shown, Cassirer was concerned, like Carnap and Heideg­ ger, with how to continue in philosophy after Kant, not with how to defend any particular neo­Kantian position (Michael Friedman: A Parting of the Ways. Car­ nap, Cassirer, and Heidegger, Chicago 2000). PSF, vol. 3 (as fn. 9), p. 203.

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anything sensory always already bears (2) a meaning of (3) some kind.2 Just as Peirce saw the fact of indexical meanings in nature – such as smoke being a sign of fire – so too Cassirer saw symbolic pregnance in unintentional phe­ nomena. To touch something “rough”, Cassirer points out, requires moving your finger over its texture.2 The feeling of roughness depends upon this mo­ tion; the resultant feeling is symbolically pregnant with the feeling of rough­ ness, which emerges in this motion, whether we intend it or not. Today, this outlook goes by the name of the “enaction” theory of perception among theo­ rists of embodied cognition.26 Cassirer regarded even this kind of expressive meaning as symbolically pregnant. As he put it: “The relation of body and soul (Leib und Seele) represents the prototype and model for a purely sym­ bolic relation, which cannot be converted either into a relation between things or into a causal relation.”27 But this symbolic pregnance cannot be described without assuming the reality of the three basic phenomena: the body (gram­ matically: “I”), which depends upon other bodies (“you”), which in turn in­ volve the world (“It”). These three “basic phenomena” are firsts and enter into symbolic pregnance itself. Cassirer asserted: “They (the basic phenomena) are prior to all thought and inference and are the basis of both.”28 Cassirer’s philosophy owed at least as much to his interpretation of Goethe as it did to Kant.29 Cassirer credited Goethe with a philosophical inno­ vation of fundamental importance – the creation of a new conception of “form”. For Goethe, form was not static, but rather always undergoes develop­ ment. To express this idea, Goethe coined the word Morphologie. Today, this concept is found in countless sciences besides biology. From the outset of his career, Cassirer adopted Goethe’s morphological conception of form. When he spoke about the “philosophy of symbolic forms”, the notion of “form” in that phrase came from Goethe, not Kant or Plato. Basically, the morphological con­ ception of form entailed treating static organisation as a matter of continuous transformation. The most atemporal concept in philosophy – form – was trea­ ted as a process. From the morphological point of view, even invariant forms are not static, for invariance takes place over time.

2 2 26 27 28 29

Ibid. p. 202. Ibid. p. 178. Alva Noë: Action in Perception, Cambridge, MA 200, p. 2. PSF, vol. 3 (as fn. 9), p. 100. See PSF, vol.  (as fn. 3), p. 137. Cf. ECN, vol. 1 (as fn. 10), p. 132: “Sie sind vor allem Denken und Schließen, liegen diesem selbst zu Grunde.” John M. Krois: Urworte. Cassirer als Goethe­Interpret, in: Enno Rudolph/Bernd­ Olaf Küppers (Eds.): Kulturkritik nach Ernst Cassirer, Hamburg 199, pp. 297–32; Christian Möckel: Das Urphänomen des lebens. Ernst Cassirers lebensbegriff, Hamburg 200.

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The theory of evolution went further than Goethe’s morphological conception of biology. In evolutionary theory, it was not enough to recognise that a species could undergo variations; evolutionary theory demanded an ex­ planation for the origin of new species or forms and recognition of the fact that forms could become extinct. One of Cassirer’s most important later works is his interpretation of the history of biology in the fourth volume of The Problem of Knowledge.30 There and in other later works he traced the rise and transformation of the theory of evolution. In these later writings he explicitly adopted the notion of “emergence” as the key to evolution, following such writ­ ers as C. lloyd Morgan and ludwig von Bertalanffy.31 Cassirer recognised that the emergence of new structures demands abandoning the ancient notion of “Natura non facit saltus”,32 and according to Cassirer (who wrote a book about the philosophy of quantum theory); Nature does make jumps. Cassirer approved giving up the static conception of nature, and he explicitly gener­ alised Hugo de Vries’ view that the origin of a species constitutes a break, sharply and completely distinguishing a new species.33 Cassirer claimed that this kind of process – the emergence of a new species from an earlier one with­ out detectable preparation and without transition – occurs again and again, in both natural and cultural developments. This kind of thinking is common­ place in science today, but it was rare for a philosopher to defend it in the 190s as Cassirer did. Cassirer’s morphological philosophy was a kind of structuralism,3 but without the rigidity or emphasis upon dyadic oppositions typical of linguistic structuralism. I cannot enter further into this topic here, but it is important to mention it, since Cassirer’s approach to philosophical anthropology ultimately derives from this and his lifelong interest in Goethe’s morphology.

. C a ssi rer ’s ph i losoph ica l a nt h rop olog y Cassirer began his work on philosophical anthropology at Hamburg Univer­ sity, where he took up three strands of research that guided his work in philo­ sophical anthropology: (1) cultural anthropology, (2) neuropathology of lan­ guage and symbolism, and (3) comparative biology. Each was linked with

30 31 32 33 3

Cassirer: The Problem of Knowledge (as fn. 3), pp. 118–216. See e.g. ECN, vol. 6 (as fn. 3), pp. 26–29; cf. Krois: Ernst Cassirer’s Theory of Biology (as fn. 12). Cassirer: The logic of the Cultural Sciences (as fn. 3), p. 101. Ibid. p. 102. Ernst Cassirer: Structuralism in Modern linguistics, in: Word. Journal of the lin­ guistic Circle of New york 1/2 (August 19), pp. 99–120.

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researchers with whom Cassirer collaborated during his Hamburg years: Aby Warburg, Kurt Goldstein, and Jakob von Uexküll.

 .1 Wa rb u rg a nd cu lt u r a l a nt h r op olog y Soon after coming to Hamburg Cassirer came into contact with Aby Warburg’s library of Kulturwissenschaft, which gave special attention to cultural memo­ ry and expressive symbolism. Warburg regarded ritual action as the basis of culture.3 Warburg gave special attention to the study of the representation of emotional expression in gesture, rituals, and depiction.36 Cassirer aligned him­ self with Warburg’s outlook, emphasizing the primacy of ritual action in the emergence of culture. As he put it in his 192 book, Mythic Thought: “Not mere observation, but rather actions are the middle point from which, for human beings, the intellectual organisation of reality takes its beginnings.”37 Cassirer agreed with Warburg that ritualized action is more elementary than language. The narratives we call “myths” offer explications of what people do; humans first engage in ritual actions and then interpret them verbally. This fits well with Cassirer’s early conviction that Wilhelm von Humboldt was cor­ rect in taking language as primarily a matter of doing, an “energy” as Hum­ boldt called it, and secondarily a “system” or product (ergon). Cassirer relied in his 1923 book Language only upon the work of linguistics and philosophers; but shortly thereafter he discovered a new perspective for the study of langu­ age.

 . 2 G old ste i n a nd t he ne u r op at holog y of l a ng u a g e Cassirer’s perspective on language was enlarged “after the completion of the first and second volumes”, he wrote, when “the study of the work of Gelb and Goldstein drew my attention to the connection between the modern patholo­ gy of speech and the basic view on which Humboldt builds his theory of lan­ guage.”38 The study of aphasia, Cassirer believed, showed two things. First, it demonstrated that language was integrated into human action and, second, that the loss of language due to neurological disorders was not the same as the loss of symbolic capacities, but only their limitation. Cassirer visited the neu­ 3 36 37 38

Aby Warburg: Images from the Region of the Pueblo Indians of North America, trans. by Michael P. Steinberg, Ithica 1997. Aby Warburg: The Renewal of Pagan Antiquity. Contributions to the Cultural History of the European Renaissance. Introduction by Kurt W. Forster, trans. by David Britt, los Angeles 1999. PSF, vol. 2 (as fn. 13), p. 17. PSF, vol. 3 (as fn. 9), p. 210, fn. 7.

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rological ward in Barmbek under the guidance of the neurologist Heinrich Emden (1871–191), and he made numerous visits in Frankfurt to Kurt Gold­ stein’s clinic, which treated soldiers who suffered brain damage in the First World War. He observed patients, sometimes interviewing them himself, in­ cluding Goldstein’s famous patient Schneider. From these observations Cas­ sirer determined that alterations in a person’s symbolic capacities did not merely influence their thought; it changed everything: the patient’s percep­ tions, capacities for action, and even the patient’s personality – their attitudes to others and their own self­relationship. He described all this in his text The Pathology of Symbolic Consciousness, the longest section in his Philosophy of Symbolic Forms. This text was a milestone for Cassirer, not just because neurology and the brain usually were ignored in philosophy, but because such topics were regarded as “naturalistic” and so considered a no­go zone for phi­ losophers in the Kantian tradition. The Pathology of Symbolic Consciousness – which Cassirer also published as an independent text39 – broke with that mode of thinking. It constituted his first move towards a philosophical an­ thropology with a biological orientation.0 In a letter to Goldstein in 192,1 Cassirer wrote that he was particular­ ly struck by the similarity between the spatial orientation that Schneider dis­ played and Hans Volkelt’s account of a spider’s relationship to its own net.2 The slightest change in a detail could disorient the spider, so that it could no longer recognize prey when it was placed directly into its net. A ritual proce­ dure of action by the spider was necessary for it to perceive that something was prey; without the proper proceeding ritualized activities the spider could not recognise the prey for what it was. So too Schneider could only under­ stand details by including them in complete actions of his own. He was able to knock on a door to see if somebody was in, but it was impossible for him to perform the knocking motion when the doctor told him to do so. So too Schneider could use language only in a ritualized way, to obtain certain im­ mediate ends. He had lost the ability to represent the merely possible.

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Ernst Cassirer: Etude sur la pathologie de la conscience symbolique, trans. by Alex­ andre Koyré, in: Journal de psychologie normale et pathologique 26/–8 (1929), pp. 289–336, pp. 23–66. Alexandre Métraux: Philosophy, Neurology, and the Pathology of Symbolic Con­ sciousness. On two Unpublished letters from Ernst Cassirer to Kurt Goldstein, in: Science in Context 12/ (1999), pp. 6–660; Krois: Ernst Cassirer’s Theory of Bi­ ology (as fn. 12). Ernst Cassirer: Unpublished letter to Kurt Goldstein, dated 2.03.192, in: Kurt Goldstein papers, Columbia University Rare Book and Manuscript library, 192. On the further interpretation of Volkelt’s research see PSF, vol.  (as fn. 3), pp. 6 f.

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 . 3 Ue x k ü l l a nd comp a r at ive biolog y In 1926 the biologist Jakob von Uexküll began his work in Hamburg as the director of his Institute for Umweltforschung. Uexküll’s theoretical biology provided the context for Cassirer’s later understanding of action, ritual, and speech. The importance of Uexküll’s comparative biology to Cassirer was evi­ dent in his 19 book, An Essay on Man. But Uexküll’s work already figured prominently in Cassirer’s 1928 text The Problem of the Symbol as the funda­ mental problem of philosophical anthropology, and in March 1929, when Cassirer gave a lecture at Davos entitled The problem of philosophical anthro­ pology, he focused upon an explication of Uexküll’s work. Martin Heidegger attended this lecture and that autumn he dealt with Uexküll’s ideas at length in his semester lecture course.3 Whereas comparative anatomy was an old biological method, serving Goethe as well as Darwin, Uexküll extended the procedure to include the orga­ nism’s functions in its particular Umwelt. According to Uexküll, the anatomy of the organism had to be conceived in terms of an organisation or Bauplan, which determined its particular surrounding world, or Umwelt. That is, each organism lives in its own particular world or niche because of the nature of its anatomy – its perceptive organs, means of feeding and movement, etc. Because of its unique Bauplan, the phenomena familiar to one species are unknown to another. In the world of the fly we find only “fly things”; in the world of a sea urchin we find only “sea urchin things”. Uexküll’s most cited case study deals with the Umwelt of a tick, which reproduces by planting its eggs in the coat of a furry mammal. The blind tick has a nervous system that registers an olfactory sign of what we call butyric acid, tactile indications of the structure of fur, and the thermal sign of body warmth from mammals. These are all it needs to fall upon the animal and obtain the blood it needs to complete its life cycle. The Umwelt of the tick and every animal is limited to what its receptor and effector systems make acces­ sible to it, whereas humans have access to other worlds through symbolic forms of thought and feeling. 3



Martin Heidegger: Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt – Endlichkeit – Ein­ samkeit (Freiburg lectures Winter semester 1929/30), Gesamtausgabe, vol. 29/30, Frankfurt/M. 1938, pp. 261–38. Heidegger evidently learned about Uexküll from Cassirer in Davos. Cassirer’s Davos lecture will appear in Ernst Cassirer: Das Pro­ blem der philosophischen Anthropologie, in: ECN, vol. 17: Davoser Vorträge. Vor­ träge über Hermann Cohen, Hamburg (in preparation). Jakob von Uexküll: A Stroll Through the Worlds of Animals and Men – a Picture Book of Invisible Worlds, in: Claire H. Schiller (Ed.): Instinctive Behavior – The Development of a Modern Concept, New york 197, pp. –80. Appeared also in: Semiotica 89/ (1992), pp. 319–391.

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In his philosophical anthropology Cassirer generalised Uexküll’s strictly biological theory, emphasizing the decisive factor of symbolism as that which sets humans off from animals. While humans too can be regarded in the same way that animals are in Uexküll’s theoretical biology, they also must be regarded in terms of their symbolic systems and worlds. These make culture possible and serve to separate humans and animals. Cassirer incorpo­ rated Uexküll’s biological perspective into his symbolic theory, and converse­ ly Uexküll explicated his biological theory with an increasingly emphasis upon semiotics, especially in his late publication, Bedeutungslehre. Toge­ ther, Uexküll and Cassirer developed a comparative theory of living systems. Animals live in a world of signal routines, but in addition to receptor and ef­ fector systems, humans possess symbolic systems that gave them access to symbolized worlds. On Cassirer’s view, at some point in evolution signal rou­ tines became rituals, i.e., natural signals became cultural symbols. But he of­ fered no explanation of how this occurred. For Cassirer the line of demarca­ tion between humans and animals was not defined by reason, as philosophers had always claimed, but by mythic thought. Reason was an ideal to be achie­ ved; it is not constituitive of human nature. Humans are the symbolic species: “animal symbolicum”.6 Symbolism makes rationality possible, but much more as well. While the biological organisation of animals was amenable to evoluti­ onary change, symbolic systems enabled humans to introduce changes into their form of life at will. The ability to symbolize permitted the representati­ on of the possible, not yet actual, and to anticipate the necessary, but not yet perceivable. By means of symbolic thought, humans were able to gain access to new perspectives, and to alter their surroundings, a fact which could lead to the co­evolutionary interaction between culture and nature.7 Uexküll’s work was largely forgotten among biologists after his death, and some scholars even suggested that by tying his philosophical anthropolo­ gy so closely to Uexküll’s work, Cassirer had affixed his otherwise feasible notion that anthropology required a theory of symbolism to a relic or curio­ sity from the history of science. In the age of molecular biology, genetics see­ med to be the only scientific way to approach the study of life. All this has changed with the rise of the Embodied Cognition Paradigm. Today, Uexküll’s

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Jakob von Uexküll: Bedeutungslehre, leipzig 190. Cassirer: An Essay on Man (as fn. 3), p. 31. Terrence W. Deacon: The Symbolic Species. The Co­evolution of language and the Brain, New york/london 1997; Peter J. Richerson/Robert Boyd: Not by Genes Alone. How Culture Transformed Human Evolution, Chicago 200.

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notions of the Bauplan and Umwelt are widely appealed to by researchers in the field of cognitive science, especially in the area of robotics.8

. Ph i losoph ic a l a nt h rop olog y a nd emb o d ied cog n it ion The embodied cognition model is at bottom Uexküllian in conception. Intelli­ gence on this view is the activity by which an agent is able to pursue goals in its particular Umwelt. Possession of an internal map of this world is not a necessary condition of intelligence.9 The thing is to negotiate the Umwelt quickly, not to represent it abstractly. One of the most intractable problems confronting the computational model of mind from the outset was how to deal with the emotions. For if intel­ ligence is computation, this seemed to leave emotion unaccounted for. In this regard, the computer model of mind was in the same predicament as postmod­ ernist theories that proclaimed the death of the subject.0 The status of emo­ tion without a subject is as perplexing a problem as how to attribute feelings to a computer. By contrast, the most striking feature of mythic thought is its great emotionality, which fends mythic conceptions an almost irresistible force. Cassirer showed that even an abstract order such as spatiality can possess in­ herent emotional content when it is framed in terms of mythical conceptions. For humans, space can be more than the geometrical order that Kant called being “next to one another” ” (nebeneinander). In Cassirer’s essay Mythic, Aes­ thetic, and Theoretical Space1 he regarded space morphologically,2 showing that it could assume not only different geometrical configurations, but also take on a personal, emotionally charged order, with the body as its focus. This occurs when rituals divide the world up dramatically, taking place in a par­

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Ziemke/Sharkey: A Stroll Through the Worlds of Robots and Animals (as fn. 2). This is a key idea in Brooks: Cambrian Intelligence (as fn 1). Terada Rei: Feeling in Theory. Emotion After the “Death of the Subject”, Cam­ bridge, MA 2001. Ernst Cassirer: Mythic, Aesthetic and Theoretical Space, trans. by Donald P. Vere­ ne/lerke H. Forster, in: Man and World 2/1 (1969), pp. 3–17. Cassirer’s proximity to the embodied cognition paradigm has been noticed before. Manjali points out how Cassirer’s theory of metaphor coheres with the work of George lakoff and Mark Johnson (Franson D. Manjali: On the Spatial Basis of Conceptual Metaphors, in: International Journal of Communication 7/1–2 [1997], pp. 17–167).

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Figure 1

Australian space divisions in burial rituals.

ticular location. Here is one of Cassirer’s examples of such a ritualized concep­ tion of space (from Australia) (figure 1).3 Instead of utilizing the four cardinal directions of our compass, direc­ tions are identified with different tribes, whose names appear here, and which can be translated as “people of the Sun”, people of the “Hot Winds”, people of the “white cockatoo”, and so on. These directions indicate the ways in which the dead were to be buried, according to their totem group membership. In­ stead of measuring space by means of an objective scale, it is grasped here in terms of the schema of burial rituals. Examples such as this led Cassirer to the conclusion that in mythic­thought, the human body offered, as he put it: the “preferred system of relationships”, around which everything else was organ­ ised. Although our organisation of space appears no longer to have any as­

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This example is taken from Ernst Cassirer: Die Begriffsform im mythischen Den­ ken, in: Gesammelte Werke, vol. 16, ed. by Birgit Recki, Hamburg 2003 (1922), pp. 3–73, pp. 61–63. Cassirer reproduces in an appendix an excerpt from an article by Howitt including this diagram (Alfred W. Howitt: Further Notes on the Aus­ tralian Class Systems, in: The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland 18 [1889], pp. 31–68). An anthropologist fixed these directions in a diagram while the natives explained their space to him. For them, these spaces were continuous rather than exactly differentiated, for they spoke of directions such as “Wartwut but also partly Moi­ wiluk” (Nos. 6 and 7). See Cassirer: Die Begriffsform im mythischen Denken (as fn. 13), p. 63. Ibid. p. 2: “Der menschliche Körper und seine einzelnen Gliedmaßen erscheinen gleichsam als ein ‘bevorzugtes Bezugssystem’ auf das die Gliederung des Gesamt­ raumes und all dessen, was in ihm enthalten ist, zurückgeführt wird” (The human

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sociation with such conceptions, they have survived in the names of the car­ dinal points of our compass. The dwarfs from Nordic mythology who held up the sky were named Nordri, Sudri, Astri, Westri.6 Cassirer’s studies of mythic thought were neither psychological nor ethnological, although he drew upon the findings of researchers in both disci­ plines. He was interested in the logic of categorization, organised upon the basis of ritual actions. Philosophers have usually avoided non­propositional cultural symbol­ ism such as rituals, ignoring them or relegating them to aesthetics, rather than granting them a place on the agenda in the philosophy of mind. The philosophy of mind relied for decades upon a computational model of intelli­ gence, which seemed to include neuroscience and artificial intelligence in a seamless web of investigation. It was a Cartesian project from start to finish. It had little room for emotions, social life, action, and none for the imagina­ tion because it ignored embodiment. Suddenly, all this has changed with the rise of the embodied cognition model. The study of enactive cognition and philosophical anthropology con­ verge in a non­Cartesian model of intelligence. This model promises to lead to a new understanding of what it is like to be a human being and all that this involves. So far, second generation cognitive science has dealt with action in autonomous subjects, irrespective of whether they are alive or not – indeed this distinction is relativized in the concept of “artificial life”. The Uexküll­ inspired attempt to bridge robotics and animal intelligence is an important step forward in the study of cognition. But philosophical anthropology exam­ ines more than cognition; it seeks to understand what it is like to be a human being and to live in a human world. For philosophical anthropology, taking the body as the source of the “preferred system of relationships” involves the examination of emotional as well as cognitive aspects of understanding. Phil­ osophical anthropology must study expressive – nonverbal – meaning as well as propositional language and so needs to examine symbolism in a wide sense. From this point of view, one of the most important recent developments in neurology is the new interest in the study of emotion, a topic previously con­

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body and ist particular parts offers a kind of ‘preferred system of relationships’, upon the basis of which the differentiation of space as a whole and everything wi­ thin it, can be referred to). See Helene A. Guerber: The Norsemen, london 199, p. 6: “To support the heaven­ ly vault, the gods stationed the strong dwarfs, Nordri, Sudri, Astri, Westri at its four corners, bidding them sustain it upon their shoulders, and from them the four points of the compass received their present names of North, South, East, and West.”

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sidered to be too subjective for scientific study.7 In the past, thinkers who sought to conjoin science and philosophy, such as Cassirer or his follower Su­ sanne langer, ran the risk of being ignored by scientists and philosophers alike. With the rise of the embodied mind paradigm in cognitive science the combination of first, second, and third person research perspectives is gradu­ ally becoming accepted in both science and philosophy. With the rise of the embodied mind paradigm, the cooperation between philosophers, scientists, and cultural theorists foreseen in philosophical anthropology is at last being recognized as a necessary step forward in the development of all these fields.

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Recent changes in neurology give reason for optimism in this regard, e.g., Antonio R. Damasio: Descartes’ Error. Emotion, Reason, and the Human Brain, New york 199; Jaak Panksepp: Affective Neuroscience. The Foundations of Human and Ani­ mal Emotions, New york/Oxford 1998. So too does the introduction of the ethno­ logical study of ritual into philosophy as a way to study emotion. This approach, initiated in the 1920s by Cassirer, has found new application in cognitive science. Robert N. McCauley/E. Thomas lawson: Bringing Ritual to Mind. Psychological Foundations of Cultural Form, New york 2002.