Johannes von Sterngassen und sein Sentenzenkommentar: Teil 1: Studie [Reprint 2018 ed.] 9783050070117, 3050025794, 9783050025797


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German Pages 472 Year 1995

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungen und Sigla
1. PERSON UND WERK
2. DER SENTENZENKOMMENTAR
3. DIE ANDEREN WERKE DES JOHANNES VON STERNGASSEN
4. ZUR LEHRE DES JOHANNES VON STERNGASSEN
VERZEICHNISSE
PERSONENREGISTER
HANDSCHRIFTENREGISTER
LITERATURVERZEICHNIS
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Johannes von Sterngassen und sein Sentenzenkommentar: Teil 1: Studie [Reprint 2018 ed.]
 9783050070117, 3050025794, 9783050025797

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Walter Senner

JOHANNES VON STERNGASSEN OP Teil I: Studie

Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens.

Neue Folge Band 4

Im Auftrag der Dominikanerprovinz Teutonia herausgegeben von Isnard W. Frank OP (Federführender Herausgeber) Kaspar Elm Ulrich Horst OP Walter Senner OP

Walter Senner

JOHANNES VON STERNGASSEN OP UND SEIN SENTENZENKOMMENTAR Teil I: Studie

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung der Dominikanerprovinz Teutonia

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Senner, Walter: Johannes von Sterngassen und sein Sentenzenkommentar / Walter Senner. - Berlin : Akad. Verl. Zugl.: Louvain, Univ. Catholique, Diss., 1989

Teil 1. Studie. - 1995 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens ; N.F., Bd. 4) ISBN 3-05-002579-4

NE: GT

ISSN 0942-4059 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 1995 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der VCH-Verlagsgruppe. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. Das eingesetzte Papier entspricht der amerikanischen Norm ANSI Z.39.48 - 1984 bzw. der europäischen Norm ISO TC 46. The paper used corresponds to both the U.S. standard ANSI Z.39.48 - 1984 and the European standard ISO TC 46. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Druck: GAM Media GmbH, Berlin Bindung: Dieter Mikolai, Berlin Printed in the Federal Republic of Germany

Inhaltsverzeichnis

Teil I

Studie

Vorwort Abkürzungen und Sigla Allgemeine Abkürzungen Textkritische Abkürzungen Sigla der Handschriften und Transkriptionen Titelabkürzungen und Sigla für häufig zitierte Werke und Zeitschriften 1. PERSON UND WERK 1.1 Zur Geschichte der Forschung 1.1.1 Der Rahmen der Sterngassenforschung: das Problem des Verhältnisses zwischen Scholastik und Mystik 1.1.2 Die Entdeckung des mystischen Predigers 1.1.3 Abrundimg des Bildes der deutschen Schriften 1.1.4 Die Erforschung des scholastischen Kommentators 1.1.5 Weitere Einzelergebnisse 1.1.6 Darstellung in Nachschlagewerken 1.2 Das Studium im Dominikanerorden an der Wende vom dreizehnten zum vierzehnten Jahrhundert 1.2.1 Zur Bedeutung des Studiums 1.2.2 Quellen zum Studium 1.2.2.1 Die Konstitutionen 1.2.2.2 Die Akten der Generalkapitel 1.2.2.3 Die Akten der Provinzkapitel 1.2.2.4 Andere offizielle Dokumente 1.2.2.5 Erzählende Quellen und Überreste 1.2.3 Die Studienorganisation 1.2.3.1 Die Ausbildung der scholastischen Studienorganisation 1.2.3.2 Der Studiengang und der Platz der Philosophie darin

S. 10 S. 15 S. 16 S. 17 S. 18 S. 23- 74 S. 23 S. 33 S. 41 S. 54 S. 65 S. 69 S. 75 - 144 S. S. S. S. S. S. S. S.

75 81 82 84 86 88 90 93

S. 95 S. 105

1.2.4 Die Lage in Deutschland S. 124 1.2.4.1 Das Generalstudium in Köln S. 126 1.2.4.2 Das Straßburger Studium S. 141 1.3 Zur Biographie des Johannes von Sterngassen S. 1 4 5 - 1 7 6 1.3.1 Johannes von Sterngassen in den historischen Quellen 1.3.1.1 Mittelalterliche Quellen S. 146 1.3.1.2 Die Ordenshistoriographen des 16.-18. Jahrhunderts S. 150 1.3.2 Zur Herkunft des Johannes von Sterngassen S. 157 1.3.3 Wirksamkeit nach den erhaltenen Urkunden S. 161 1.3.4 Versuch einer Synthese der biographischen Daten S. 168 2.

DER SENTENZENKOMMENTAR

2.1 Die handschriftliche Tradition 2.1.1 Erhaltene Handschriften 2.1.2 Verlorene Handschriften 2.1.3 Authentizität, Entstehungsort und-zeit 2.1.4 Art und Umfang der handschriftlichen Tradition 2.2 Der Aufbau des Sentenzenkommentars 2.2.1 Die Einteilung 2.2.2 Der Aufbau der Quaestionen und Artikel 2.2.3 Die Auswahl für die Edition 2.3 Textkritik 2.3.1 Qualitative Kriterien 2.3.2 Manuelle Analyse der quantitativen Kriterien und ihre Interpretation 2.3.3 Rechnergestützte Untersuchung der quantitaven Kriterien 2.3.3.1 Methodisches 2.3.3.2 Ergebnisse für 1.1. 2.3.3.3 Ergebnisse für 1. II - IV. 2.3.4 Rekonstruktion der Texttradition 2.3.4.1 L I . 2.3.4.2 L. II - IV. 2.4 Zur Edition 2.4.1 Grundlegendes 2.4.2 Textherstellung und Gestaltung 2.4.3 Der textkritische Apparat 2.4.4 Die beiden Apparate der Zitate und Glossen 2.4.5 Besonderheiten für die Edition der Tabula Quaestionum 6

S. 1 7 9 - 2 1 5 S. 179 S. 203 S. 205 S. 209 S. 2 1 7 - 2 2 4 S. 217 S. 219 S. 222 S. 225 - 298 S. 226 S. 232 S. 247 S. 259 S. 271 S. 279 S. 293 S. 299 - 308 S. 299 S. 300 S. 305 S. 306 S. 308

3. DIE ANDEREN WERKE DES JOHANNES VON STERNGASSEN 3.1 Die deutschen Werke 3.1.1 Die Predigten 3.1.2 Die Sprüche 3.1.3 Stücke ungesicherter Authentizität 3.1.4 Zur Edition der deutschen Werke 3.2 Die lateinischen Werke 3.2.1 Die Wiener Quaestionen 3.2.2 Verlorene Werke 3.3 Fälschlich zugeschriebene Werke 4.

S. 311 - 333 S. 313 S. 326 S. 329 S. 332 S. 335 - 340 S. 336 S. 339 S. 341 - 343

ZUR LEHRE DES JOHANNES VON STERNGASSEN

4.1 Die Quellen der Werke 4.1.1 Die Auctoritates 4.1.2 Glosssenverweise 4.1.3 Implizite Zitate und Allusionen 4.1.4 Umfang der Zitierung 4.2 Die Verwendimg Thomas von Aquins 4.3 Zur philosophischen Relevanz des Sentenzenkommentars

S. 371 - 382

VERZEICHNISSE

S. 385 -472

Personenregister Handschriftenregister Literaturverzeichnis

S. 347 - 358 S. 347 S. 351 S. 353 S. 355 S. 359 - 370

S. 385 S. 403 S. 409

7

Teil II

Texte

Liste von Abkürzungen und Sigla

p. V - X

AUS DEM SENTENZENKOMMENTAR Tabula questionimi Liber I. Uber II. Uber III. Uber IV. Aus Uber I. Prologus,

16 31 48 80

81 - 94 95 - 101 102 - 114 115 - 148 149 - 184 185 - 190 191 - 192 193 - 198 199 - 206 207- 218

3. 5.

PPPPPPPP-

219-234 235 235 236- 247 248 - 263 264 - 272 273 274

Aus Uber III. d. 1, q. 1. q.2. d. 4 - 5 , q.2 d. 6, q. 1 d. 23, q. 1, a. 4.

PPPPP-

275 - 285 286- 291 292 - 297 298 - 304 305

d. 17 B, d. 20-21, d. 37 A, Aus Uber II. d. 1, d. 3, d. 11, d. 12, d. 16 - 17, d. 18 - 19, d. 20-21, d. 31 - 32,

8

1. 2. 2. 2. 1. 2. 1, a. 1. 2. 1. 1.

11732 49-

PPPPPPPPPP-

d. 2, d. 3, d. 8,

q. q. q. q. q. q. q. q. q. q.

PPPP-

q.2. q. 1, a. q. 1, a. q. 1. q. 1. q. 1. q. 2, a. q, 2, a.

3. 5.

Aus d. d. d.

Liber IV. 1, q. 1. 1 1 - 1 2 , q. 2. 14, q. 2, a. 7.

p. 3 0 6 - 317 p. 318 - 332 p. 333

QUAESTIONES



"Utrum etiam angeli vel plures sint eiusdem speciei?" "Utrum mundus per creationem potuerit esse ab eterno?"

p. 335 - 340 p. 341 - 344

DEUTSCHE WERKE Predigten Predigtfragment: "Diu unwandelbarkeit..." Predigtfragment: "Wc unser frouwe teti..." Predigt "Surge illuminare Ierusalem". Predigtfragment: "Der wissage sprichet... " Predigtfragment: "Maria Magdalena sas zuo ..."

347 348 350 358 361

-

349 357 360 363

Sprüche Berliner Spruchsammlung Baseler Spruch Nürnberger Spruch

p. 365 - 375 p. 376 p. 377

Authentizität zweifelhaft Spruch aus Koblenz, Gymnasialbibliothek

p. 378

TEXTE ANDERER AUTOREN Quaestionen aus Basel, UB, Ms. A XI, 6 8 Q. 26.

Q. 33.

p. 380 - 382 p. 382 - 383

VERZEICHNISSE Index der von Johannes von Sterngassen zitierten Autoren 1. Explizite Zitate p. 387 - 397 2. Glossenverweise p. 398 - 400 3. Implizite Zitate p. 401 - 407 4. Allusionen p. 4 0 8 - 4 1 1 Index verborum z u m Sentenzenkommentar und den Quaestionen auf beiliegendem Mikrofiche 9

Vorwort

Die Fertigstellung dieser Arbeit, einer Dissertation am Institut Supérieur de Philosophie der Université Catholique de Louvain, hat sich elf Jahre lang hingezogen. Grund dafür ist in erster Linie, daß sie neben anderen Studien und pastoralen Aufgaben zuerst in Köln, dann in Berlin entstanden ist. Weitere fünf Jahre sind vergangen, bis sie nun schließlich gedruckt vorliegt. Drängende Aufgaben - unter anderen die Reorganisierung der Walberberger Bibliothek und die Wiederaufnahme der Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens ließen mich nicht eher dazu kommen. Die lange Bearbeitungszeit hat es mit sich gebracht, daß einige Teile in Konzeption und Datensammlung schon geraume Zeit zurückreichen. Die immer wieder nötige Fortschreibung aufgrund neuerschienener Literatur und dadurch angestoßener Überlegungen hat dann wiederum zur Verzögerung beigetragen. Auch wenn es für mich noch nicht voll befriedigend ist, lege ich jetzt ein Ergebnis vor, um diesen Prozeß nicht weiter zu verlängern. Während das historische Umfeld des Johannes von Sterngassen weiterer Klärung bedarf - und hier neuerschienene Literatur ein immer weiter differenziertes Bild ermöglicht, man oder frau denke nur an die Entwicklung unserer Kenntnis der Vorgänge um den Prozeß Meister Eckharts -, habe ich zu Person und Werk den Publikationen der letzten Jahrzehnte keine neuen Forschungsergebnisse (wohl aber die Tradierung alter Irrtümer) entnehmen können. Für eine vertiefte philosophische Studie wären umfangreiche Forschungen in nur handschriftlich überlieferten Texten, auch anderer Autoren jener Zeit, erforderlich gewesen. Die häufig praktizierte Beschränkung auf einen Problemkreis dagegen, bei der sich, thematisch strikt eingegrenzt, noch weitere Schriften heranziehen ließen, würde aber genau das nicht leisten können, was m. E. der erste Schritt sein muß und auch Ziel dieser Arbeit ist: die Kenntnis einer Persönlichkeit und ihres Werkes auf eine sicherere Grundlage zu stellen. Für die Drucklegung ist der Text - besonders die Abschnitte 1.2 und 1.3 - aufgrund der Forschungsentwicklung und weiterer eigener Erkenntnisse überarbeitet. Die Studie zur Textkritik (Abschnitt 2) ist in ihrer methodischen Konzeption 1978 - 79 entstanden, die Durchführung lag in den Jahren 1980 - 1985. Heute würde ich natürlich die er10

heblichen Fortschritte in der Computertechnik einbeziehen - insbesondere die Möglichkeit, wesentlich flexibler mit einem PersonalComputer zu arbeiten, statt stark abhängig von einem Großrechenzentrum. Der gewählte und auch linguistisch begründete methodische Ansatz erscheint mir dabei jedoch nicht überholt, auch wenn die Umsetzung in EDV-Programme in manchem - beginnend bei der Wahl der Programmiersprache - anders aussähe. Die dem Dissertationsdruck beigelegten umfangreichen Programmlistings und Beispielseiten der verschiedenen Verarbeitungsstufen sind deshalb hier weggelassen. Die edierten Texte aus dem Sentenzenkommentar sind bewußt mit einem umfangreichen Variantenapparat ausgestattet, da sie als 'Probegrabung' für das Gesamtwerk und als Dokumentation der Texttradition dienen sollen. Um die Fertigstellung dieser Arbeit nicht auf unbestimmte Zeit zu verzögern, kann die philosophische Interpretation und Einordnung des Johannes von Sterngassen lediglich angerissen werden (Abschnitt 4). Zu wenig ist bislang aus seiner Zeit und seiner direkten Umgebung bekannt - und zu sehr macht sein eigenes Werk deutlich, wie wenig zutreffend ein einfaches Bild von ihr ist. Gesicherte Aussagen werden sich erst auf der Grundlage weiterer Texteditionen machen lassen besonders der der Quästionen und Fragmente des Johannes von Lichtenberg. Die vorliegende Studie und Textedition soll deshalb mit keinem größeren Anspruch verbunden sein als dem, einen kleinen Ausschnitt dieser philosophisch, theologisch, kirchlich und weltlich so spannungsreichen Periode möglichst klar zu erhellen. Doch selbst diese beschränkte Aufgabe wäre ohne die Vorarbeiten anderer nicht leistbar gewesen: immer wieder werden in den historischen Kapiteln die Namen P. Heinrich Suso Denifle OP, Martin Grabmann, P. Gabriel Lohr OP und P. Thomas Kaeppeli OP begegnen - u m nur die vier wichtigsten zu nennen. An ihnen ist mir besonders deutlich geworden, daß ich ein Zwerg auf den Schultern von Riesen bin. Ohne die Einführung in Palaeographie und Textkritik durch Frau Prof. Simone Van Riet und ohne die Schule, die - leider vorwiegend nur als eine Art 'Fernkurs' - die Einleitungen zu den Bänden der editio Leonina der Werke des hl. Thomas von Aquin sowie das Gespräch mit den Editoren, besonders P. Louis J. Bataillon OP, für mich darstellten, hätte ich den in der Textkritik eingeschlagenen Weg nicht gefunden. Eine besondere Dankesschuld habe ich gegenüber meinem verehrten Lehrer, Prof. Fernand Van Steenberghen, der auch als Emeritus mich nicht nur in den langen Jahren, in denen diese Arbeit nur kleine Fortschritte gemacht hat, immer wieder ermutigte, sondern mir in einem ganz außergewöhnlichen Umfang seinen Rat und sein abgewogenes, kritisches und stets konstruktives Urteil geliehen hat. In Thematik, Konzeption, methodischem Vorgehen hat er mir dabei volle Freiheit 11

gelassen. Seine Leitung hat mir deutlich gemacht, was der sensus allegoricus jenes schönen bildhaften Ausdrucks ist: "Sicut aquila provocans ad volandum pullos suos et super eos volitans" (Deut. 32, 11). Welchen Vorzug ich mit dieser intensiven Betreuung meines Vorhabens genießen durfte, habe ich bei der seelsorglichen Begleitung einer ganzen Reihe von Doktorand(inn)en ermessen gelernt. Der Herr vergelte ihm, der während der langen Zeit bis zur Druckausgabe verstorben ist, seine Liebe und Mühe. Für vielfältige Anregungen und Hilfestellung - gerade auch in Fragen der Paleographie und der Textkritik - möchte ich Herrn Dr. Roland Hissette, Köln, herzlich danken, für energische Förderung in der Abschlußphase H. H. Prof. James Mc Evoy, Louvain la Neuve. Frau Dr. Jacqueline Hamesse hat mir in traditionsgeschichtlichen Fragen und bei der Quellensuche wertvolle Hinweise gegeben. Nicht minder anregend und hilfreich war das Gespräch mit Prof. Paul Tombeur, der mir mit großer Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft die reichen personellen und informatischen Möglichkeiten des Centre de Traitement Electronique des Documents zur Verfügung gestellt hat. Ein herzliches Dankeschön ihnen, dem stets geduldigen Dr. Jean Schumacher und den anderen Mitarbeiter(innen) des CETEDOC. Ein besonderes Gedenken gebührt hierbei dem durch einen tragischen Unfall schwer verletzten Herrn Jean Christian Boulanger, der die algorithmische Lösung des wichtigsten Teilschritts bei der hier angewandten textkritischen Methode gefunden und in ein Programm umgesetzt hat. Daß ich die weiteren Schritte mit eigenen Programmen unternehmen konnte, verdanke ich der Lehre von Prof. Winfried Lenders vom Institut für Kommunikationsforschung und Phonetik der Universität Bonn, der mir auch die Nutzung des dortigen Regionalen Hochschulrechenzentrums ermöglichte. Stets hilfsbereit hat mich dabei Dr. Gerd Willee unterstützt. Dank gebührt zahl- und hilfreichen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren, in besonderer Weise - neben denen der im Handschriftenverzeichnis genannten Bibliotheken - Herrn Czerny von der Bibliothek St. Albert in Walberberg, der mir die speziellen Bestände dieser Bibliothek immer schnell und zuverlässig vermittelte. Dank nicht zuletzt den Mitbrüdern in Köln und Berlin, die mich zu Zeiten, als ich für diese Arbeit 'in Klausur ging', geduldig ertragen und einige meiner anderen Aufgaben übernommen haben. Besonders möchte ich die stetige Ermutigung weiterzumachen durch meinen damaligen Ordensprovinzial, P. Dr. Karl Meyer OP, erwähnen. Joachim Kardinal Meisner gewährte als Bischof von Berlin mir in einer entscheidenden Phase Sonderurlaub, sodaß ich mich einmal vier Monate voll dieser Arbeit widmen konnte. Auch die Studierenden und Mitarbeiter(innen) der Berliner Katholischen Studentinnen- und Studenten12

gemeinde St. Thomas Morus haben mich durch ihr Verständnis gestützt; insbesondere haben mir Frau Irene Schulz, Herr Anthony Avalin Pothynar, B. Sc., und Herr cand. sc. oec. Francis Kolie beim Zusammenstellen von Bibliographie und Registern geholfen. Die Voraussetzungen für die schnelle Druckaufbereitung von Teil I hat Herr Friedrich J. Hartmann, Bonn, geschaffen, Frau Johanna Weidner, Brühl, hat mir in der letzten Arbeitsphase wirkungsvoll geholfen. Für Unterstützung bei der Drucklegung danke ich meiner Ordensprovinz mit P. Provinzial Manuel Merten OP, den Mitherausgebern der Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens sowie dem Akademie Verlag, besonders Herrn Karras, der, als ich endlich an die Druckfertigstellung gehen konnte, einen zügigen Ablauf ermöglicht hat. Allen ein herzliches Vergelt' s Gott! Nachdem mich unvollständige, kryptische - und nicht selten schlichtweg falsche - Angaben in Bibliographien und Fußnoten viel Zeit und Nerven gekostet haben, möchte ich meinen Leser(innen) Gleiches ersparen. Das erste Mal, wenn eine Publikation zitiert wird, ist sie deshalb mit ihrem vollen Hauptsachtitel angegeben. Im Literaturverzeichnis finden sich auch Verweisungen, z. B. von Herausgeber(inne)n oder Editor(inn)en. Dort und in den Fußnoten ist für Namen die natürliche, im Text selbstverständliche Reihenfolge von Vor-, Familien-, Bei- und anderen Namen beibehalten. Um - gerade angesichts von in der Antike, dem Judentum, dem islamischen Orient, dem westlichen Mittelalter und der Neuzeit recht verschiedenen Gebräuchen - eine schnelle und eindeutige Identifizierung zu ermöglichen, ist der für die alphabetische Einordnimg maßgebende Namensteil in Großbuchstaben gesetzt. Besonders hierin weicht das Literaturverzeichnis von den Regeln für die alphabetische Katalogisierung (RAK-WB) und dem Entwurf der DINNorm 1505 ab. Bei Differenzen zwischen diesen beiden Regelwerken im wesentlichen die Einordnung von Herausgeber(inne)n - ist RAK-WB der Vorzug gegeben. Hier wird allerdings noch weiter differenzierend zwischen Editor(inn)en - d.h. solchen, die einen von einer oder einem anderen verfaßten Text, eventuell kritisch, bearbeitet im Druck veröffentlichen - und Herausgeber(inne)n - d.h. solchen, die mehrere von anderen verfaßte Texte zusammengestellt haben - unterschieden. Der Aufbau der anderen Register und Verzeichnisse ist jeweils an deren Anfang erläutert. Für die in Teil II edierten Texte habe ich nicht ein einziges Verzeichnis der Quellenbelege angelegt, sondern vier getrennte: nach der jeweiligen Qualität, explizite Zitate, Glossenverweise, vom Editor festgestellte implizite Zitate und textlich nicht genau übereinstimmende Allusionen. Auch wenn ich damit der Leserin, dem Leser mehr Nachschlagen zumute, erscheint mir das aufgrund der in Teil I, Abschnitt 2.4.4 dargelegten Überlegungen verantworteter als ein Ge13

menge von aus dem Text unmittelbar hervorgehenden auctoritates und - sicher unvollständig - vom Editor gefundener Bezüge. Zur rascheren Orientierung sind die Einträge der jeweiligen Autoren in diesen Verzeichnissen im Autorenregister von Teil I enthalten. Da einerseits der Index verborum der edierten lateinischen Texte den Umfang des zweiten Bandes unvertretbar stark aufgebläht hätte, andererseits aber auf ein so wertvolles Instrument zur Suche nach bestimmten Wörtern und zu philologischen Studien nicht verzichtet werden sollte, ist er als Mikrofiche beigelegt. Wenig erhellende seitenweise Auflistungen der Belegstellen synsemantischer Worte sind aber auch dort weggelassen: für a, ab, ad, u.s.w. wird lediglich die jeweilige Wortform und die Häufigkeit angegeben. Soweit es mir bewußt geworden ist, habe ich mich bemüht, eine sexistische Sprache zu vermeiden. Wenn über weite Teile dann doch nur männliche Bezeichnungen auftauchen, dann liegt das nicht daran, daß ich meine guten Vorsätze sofort wieder vergessen hätte, sondern daß Frauen in den jeweils dargestellten Bezügen nicht auftauchten. Im Unterschied zur Scholastik des Mittelalters sieht es hiermit bei ihrer (philosophie- und theologie-) historischen Erforschung anders aus. In der Hoffnung, ein wenig Licht in einen komplexen Zusammenhang dominikanischer Geschichte gebracht und damit tief ergehenden Forschungen ein Stück Weg gebahnt zu haben, wünsche ich dem Buch Leserinnen und Leser, die etwas damit anfangen: die nicht erwarten, hier werde um zwölf Groschen Courant die Wahrheit verkauft, sondern die die Regenwürmer, die sie darin beim Schatzgraben - hoffentlich finden, einsetzen, um den Boden zu bereiten zu dem, was sich auch ihnen als pratum animarum erschließen möge.

Köln, am Fest des hl. Johannes von Gorcum, 9. 7. 1994, fr. Walter Senner OP

14

Abkürzungen und Sigla Allgemeine Abkürzungen A.a.O. Am angegebenen Ort. a.a.O. (in der vorhergehenden Anmerkung zitiertes Werk). Abt. Abteilung ad (1 etc.) Responsio ad (primum etc.) argumentum. Anm. Anmerkung (Fußnote), arg. Argumentum (Einwand in scholastischen Quästionen). art. Articulus, Artikel (zumeist kleinste selbständige Einheit). Aufl. Auflage. Bd. Band. bearb. bearbeitet, Bearbeiter/in. bzw. beziehungsweise c. capitulum (Kapitel). c.a. corpus articuli. ca. circa. cf. confer (für ein nicht wörtliches Zitat). Cod. Codex (besonders für lat. Handschrift), dass. dasselbe (andere Ausgabe des selben Werks). DERS. Derselbe (Autor). d.h. das heißt. d.i. das ist. Diss. Dissertation. e.a. et alia / alns / alius. Ebd. Ebenda (im Werk, das in der vorhergehenden Anmerkung zitiert wurde, auf derselben Seite oder Spalte). Ed. Editor/in (die/der einen Text im Druck, evt. kritisch, herausgibt).

ed. ehem. etc. f.

edidit (vgl. Ed.). ehemalig(e/er). et cetera, und die folgende (Seite, Spalte, Zeile), fol. folio ggf. gegebenenfalls Hrsg. Herausgeber/in (die/ der Texte verschiedener Autor/rnn/en zusammenstellt). Hs. Handschrift (besonders für deutsche). Hss. Handschriften. Jgg. Jahrgang. I.e. loco citato m.E. meines Erachtens. mhd. mittelhochdeutsch, mnd. mittelniederdeutsch. Ms. Manuscriptum (Handschrift, besonders lat). nhd. neuhochdeutsch, niederl. niederländisch. Nr. Nummer. O Cist Ordo Cisterciensium (Zisterzienser orden). od. oder. OESA Ordo Eremitarum S. Augustini (Augustiner). OFM Ordo Fratrum Minorum (Franziskaner), o.J. ohne Jahr (bei einer Publikation, in der das Erscheinungsjahr nicht zu ermitteln ist). OP Ordo Fratrum Praedicatorum (Dominikaner, Dominikanerinnen). OSB Ordo Sancti Benedicti (Benediktiner/innen), praeamb. praeambulum. 15

Prof. Prol. R. D. Rez. S. Sp.

sei. SJ sol.

Professor/in. prologus, Prolog. Reverendus Dominus. Rezension. Seite (Gegebenenfalls Spalte nach der S/Sp., durch Komma abgetrennt, Zeilenzahl z.B.: S. 30, 12 ). scilicet (kennzeichnet einen verstehensnotwendigen Zusatz). Societas Jesu (Jesuiten). solutio.

Sp. t. u. u.a. u.ö. u.s.w. v. v.a. Verf. vgl. vgl. a. vgl. 0. vgl. u. z.B.

Spalte (siehe S.) tomus (Band). und. unter anderem/n. und öfter. und so weiter. von. vor allem/n. Verfasser/in. vergleiche. vergleiche auch. vergleiche oben. vergleiche unten. zum Beispiel.

Textkritische Abkürzungen Zufügung in dem durch das folgende Sigel bezeichneten Textzustand (Vorlage). Korrektur in der Vorlage. Correxit CORR Durchstreichung in der Vorlage. Delevit DEL Zweifelhafte Lesart. Dubium DUB Hinweis auf Fehler in der Vorlage. Error ERR In der Vorlage durch Punkte unter dem Expunxit EXP Wort als ungültig gekennzeichnet. Randglosse in der Vorlage (es folgt Sigel Glossa GL des Textzustandes und Glossentext). Unleserliche(s) Wort(e). Illisibile ILL Umstellung in einem Satz (* im Lemma Invertii INV des Eintrags im Apparat bezeichnet die Achse, um die die Worte umgestellt sind). Wortwiederholung in der Vorlage. Iteravit IT Offengelassene Wortstelle(n) der Vorlage. Lacuna LAC Fehllesart in einer früheren Transkription. Legit LEG MARG In margine. Zufügung am Rand der Vorlage (ohne Bemerkung: seitlich, INF: unten, SUP: oben). weggelassene(s) Wort(e). Omittit OM homoioteleuton. Das letzte in der VorlaOM HOM Omittit per ge weggelassene Wort gleicht dem letzten vor der Weglassung. In der Vorlage weggeschabt oder radiert. Rasura RAS Hinweis auf semantisch unpassende LesScripsit SCR art in der Vorlage. ADD

16

Addit

Sigla der Handschriften und Transkriptionen Sigla aus einem Buchstaben verweisen auf lateinische Handschriften, solche aus einem Groß- und einem Kleinbuchstaben auf mittelhochdeutsche, solche aus zwei Großbuchstaben auf Transkriptionen. Verschiedene Textzustände derselben Handschrift werden durch hinter das Sigel gesetzte Ziffern gekennzeichnet (z.B. L2 = Lilienfeld, Stiftsbibliothek, Cod. 102, 2. Hand). B Ba Bb Bc Be C E Ei F G GR I K L Lx L2 LG M N Nx N2 S Sg T V Vx V2 W Wn

Bologna Basel " " Berlin

Biblioteca del Archiginnasio, Universitätsbibliothek

A 912. A XI, 68. BIX, 15. B XI, 10. Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Ms. germ. oct. 191. Capestrano Convento di S. Francesco Ms. XLIX. Trento Biblioteca commmunale Ms. 1655. Einsiedeln Stiftsbibliothek Cod. 278. Firenze Biblioteca nazionale c.s. E VT. 2675. Nürnberg Germanisches Nationalmuseum Hs. 7044. M. Grabmann: für In I Sent., d. 8: Die Lehre des Johannes Theutonikus... (1903); sonst: Mittelalterliches Geistesleben, Bd. I (1926). Innsbruck Universitätsbibliothek Hs. 622. Maribor Skofijska Knjiznica Ms. 29 ( 135 ). Lilienfeld Stiftsbibliothek Cod. 102. " ohne Beachtung späterer Korrekturen. " mit späteren Korrekturen. A. Landgraf: Johannes von Sterngasse (1926). Madrid Academia Real de la historia Cod. S. Millan 73. Napoli Biblioteca nazionale Ms. VII D 26. " ohne spätere Korrekturen. " mit späteren Korrekturen. Sevilla Biblioteca capitular Colombina Ms 5-2-45. St.Gallen Stiftsbibliothek Ms. 1033. Tarragona Biblioteca provincial Cod. 100. Città del Vaticano Bibliotheca Apostolica Vaticana " ohne spätere Korrekturen. Vat. lat. 1092. " mit späteren Korrekturen. Wien, Österreichische Cod. 2165. Nationalbibliothek Cod. 2728. 17

Titelabkürzungen und Sigla für häufig zitierte Werke und Zeitschriften Die Titelabkürzungen und Sigla entsprechen weitgehend denen in dem umfassendsten Verzeichnis: S. Schwertner: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (1974). Einige aus dem Bereich der Germanistik und der dominikanischen Ordensgeschichte, die dort fehlen, sind nach dem überwiegenden Gebrauch in der Literatur übernommen oder neu gebildet. Acta Cap. Gen. Acta Capitulorum Generalium Ordinis Fratrum Praedicatorum. Romae 1898 - 1899. ADB

Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 1 - 56. Leipzig 1875-1912.

AdD

Archiv der deutschen Dominikaner. Bd. 1 - 4. Köln-Brück 1937 - 1951. AfdA Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Berlin 1 (1875) u.s.w. AHD

Archives d' histoire doctrinale et littéraire du moyen âge. Paris 1 (1926) u.s.w.

ALKGMA Archiv für Litteratur- und Kirchengeschichte des Mittelalters. Hrsg. von H. S. Denifle u. F. Ehrle. Bd. 1 - 4. Berlin; Freiburg i. Br. 1885 - 1888. Ang

Angelicum. Romae 1 (1924) u.s.w.

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20

1.

PERSON UND WERK

1.1 Zur Geschichte der Forschung

1.1.1 Der Rahmen: das Problem des Verhältnisses zwischen Scholastik und Mystik Was man aus der Feder von H. Marron in der Biographie universelle über den Kölner Dominikaner, Inquisitor und Gegner Reuchlins, Jakob von Hoogstraeten lesen kann: "Ses ouvrages sont très profondément oubliés aujourd' hui, et ne méritent pas d'être exhumés"1, galt zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts für die meisten Autorinnen und Autoren aus dem Mittelalter. Wie der Name 'Mittelalter' schon sagt, wurde dieser geschichtliche Zeitraum als eine Zwischenzeit betrachtet, die für das Wachstum der menschlichen Erkenntnis und Kultur nichts beigetragen habe. So stand Hegel nicht allein, der in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie zu dieser Periode zu sagen wußte: "... über welche wir wegzukommen Siebenmeilenstiefel anlegen wollen"2. Eine solche Einstellung3, auch wenn sie nicht von Informiertheit zeugt, ist immer noch weit verbreitet - ja durchaus auch in der ka1 Biographie universelle, ançienne et moderne / réd. par une société de gens de lettres et de savants. Bd. XX (1817), S.: 558b. 2 G. W. F. Hegel: Werke. Bd. 15 (1836), S. 99. Gut hundert Jahre später kann demgegenüber E. Bloch: Avicenna und die aristotelische Linke (1963), S. 45, feststellen: "Die Zeiten der Geringschätzung der Scholastik sind längst vorüber, und leben sie trotzdem hier und dort fort, so sind sie völlig dumm geworden". Noch in den Leipziger Vorlesungen hatte er jene Zeit eine "Zwischenwelt der Philosophiegeschichte" genannt und als "Grundzug der Scholastik" gesehen: sie "beugt das Wissen unter den Glauben". Werke, Bd. 12 (1977), S. 56.

Z.B. K. Laisiepen u.a.: Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation (1972), S. 26: "In der Geschichtsbetrachtung ... kann nun ein großer, etwa elf Jahrhunderte umfassender Schritt gemacht werden ... Die geistigen Schichten des damaligen Europa waren thematisch großenteils durch die unschöpferischen Spitzfindigkeiten der rein spekulativen Scholastik neutralisiert". 3

tholischen Theologie anzutreffen4. Um eine derartige Haltung zu kennzeichnen, hat man von einem 'Sprung über das Mittelalter' gesprochen5. Doch bereits in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts begann eine intensive Beschäftigung mit dem historischen und kulturellen Erbe der Vergangenheit. Der stärkste Anstoß dazu ging von der Romantik aus, der das Mittelalter als Ideal hoher Ritterlichkeit, reinen geistigen Strebens und klarer Form galt6. Es gab jedoch auch noch andere, nicht zu unterschätzende Bewegkräfte7. Speziell in Deutschland waren viele sich der, auch in den Freiheitskämpfen gegen die napoleonische Unterdrückung nicht verwirklichten, nationalen Einheit bewußt geworden und suchten nun, sie in der Geschichte zu begründen8. Hans von Aufsess, der Anreger des Deutschen Nationalmuseums, schrieb im Vorwort zur ersten Nummer des von ihm herausgegebenen Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters: "Wer das Vaterland liebt, sey er Fürst oder Untertan, Bürger oder Bauer, arm oder reich, der muß auch eine Liebe zur Geschichte des Vaterlandes hegen; der muß gerne dazu beitragen, die Ehre und den Ruhm des eigenen Herdes durch alles Schöne und Große, was uns Kunst und Geschichte darbieten, zu verherrlichen'^.

4 So geht W. Maas: Unveränderlichkeit Gottes (1974) von den griechischen Philosophen und den Kirchenvätern nach kurzer Erwähnung von Petrus Lombardus und des vierten Laterankonzils gleich zum I. Vaticanum über - bemerkenswert bei dem durch den Untertitel signalisierten Anspruch, Klärung "zum Verhältnis von griechisch-philosophischer und christlicher Gotteslehre" zu schaffen. 5 F. Van Steenberghen: S. 41 f.

Introduction à 1' étude de la philosophie médiévale (1974),

F. Van Steenberghen. a.a.O., S. 42. R. Stadelmann: Grundformen der Mittelalterauffassung (1931). S. 50 - 52. H. Schanze: Es waren schöne glänzende Zeiten (1979).

6

7

R. Stadelmann: a . a . O ., S . 76 - 86 .

Einen Überblick über solche nationalen Motive der Mittelalterbegeisterung und die Bedeutung der Kirche hierbei gibt Th. Nipperdey. Der Kölner Dom als Nationaldenkmal (1982).

8

9 Jgg. 1 (1852), Sp. 3.

24

Aus dieser Motivation entstand die Quellensammlung der Monumenta Germaniae Histórica10, und so begann auch eine Neubesinnung auf das geistige Erbe der Vergangenheit. Daher suchte man zunächst nach dem, was als Überwindung traditioneller Denkformen und innere Vorbereitung der Moderne gelten konnte. Hegel schrieb dazu: "Es müssen herausgehoben werden viele große Scholastiker, die man Mystiker genannt hat - zu unterscheiden von den eigentlichen kirchlichen Scholastikern, obgleich verflochten damit. Diese haben weniger Antheil an dem Disputieren und Beweisen genommen, und sich in Ansehung der Kirchenlehre und der philosophischen Betrachtung rein erhalten. Es sind Theils fromme, geistreiche Männer gewesen, die das Philosophiren [!] in der Weise der neuplatonischen Philosophie fortgesetzt haben: früher Scotus Erigena [!]. Bei solchen findet man achtes Philosophiren, was man auch Mysticismus nennt; es geht bis zur Innigkeit fort, hat mit dem Spinozismus die größte Ähnlichkeit"11. Der mittelhochdeutschen Mystik im Besonderen wurde als historische Leistung zugerechnet, die deutsche Sprache zu philosophischer Ausdrucksfähigkeit herangebildet und darüber hinaus der neuzeitlichen Subjektivität gegen dogmatische Bindungen zum Durchbruch verholfen zu haben. Meister Eckhart, der Hauptvertreter dieses neuen Geistes, sei dabei in Pantheismus geraten und so notwendigerweise mit der etablierten Kirche in Konflikt gekommen12. Franz Brentano schließlich sah die Mystik als kennzeichnend für das letzte Stadium des Verfalls der mittelalterlichen Philosophie nach zügelloser Spekulation und Skeptizismus13. Bald kamen einige Literaturhistoriker zu der Überzeugimg, daß es einen notwendigen inneren Gegensatz gebe zwischen Mystik, dem unvermittelten Ausdruck tiefer Innerlichkeit, und Scholastik, der trokkenen, toten - bei aller Spitzfindigkeit letztlich oberflächlichen - Schul-

10 Wattenbach; W. Levison: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Bd. 1 (1951), S. 1 7 - 2 8 . 11 G.W.F. Hegel: Vorlesungen ..., S. 195. In denselben Zusammenhang stellt Heinrich Heine: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland ( 1 8 3 3 / 3 4 ; hier: Ausg. Leipzig 1970, S. 113 f.) Johannes Tauler, dessen Werk er "zu den merkwürdigsten Denkmälern der deutschen Sprache" zählt. 12

W. Wackernagel: Geschichte der deutschen Literatur ( 1 1848), S. 331 f.

13

F. Brentano: Geschichte der mittelalterlichen Philosophie (Neuausg. 1980), S. 87.

25

gelehrsamkeit14. Wilhelm Preger, der die umfassendste Darstellung aus dieser Sicht verfaßt hat, erscheint die Mystik dabei als eine besondere nationale Errungenschaft der Deutschen, denen sie den Weg zur Reformation, der Befreiung aus den welschen Fesseln des Geistes, geebnet habe15. Gegen diese Scheidung wandte sich Heinrich Suso Denifle16. Er hatte einen Teil der lateinischen Schriften Meister Eckharts wiedergefunden, die ihm von den Ordenshistoriographen zugeschrieben worden sind, aber in der Forschung bis dahin ganz in Vergessenheit geraten waren17. Zwar waren das nicht die Hauptwerke des Pariser Magisters, doch auch aus ihnen ging bereits deutlich hervor: "... daß Eckehart durchweg die scholastische Methode befolgt hat und auf scholastischem Boden steht"18. "Wenn er in seinen Predigten vor Klosterfrauen und Laien, in seinen zur Erbauung geschriebenen Traktaten, eine andere Form wählte, so lag dies in der Natur der Sache und überhaupt im Geiste der damaligen Predigt und Erbauungsliteratur"19. Diesem Urteil schlössen sich auch Adolf Spamer20, Philipp Strauch21 und in der Folge alle wissenschaftlich ernst zu nehmenden Eckhart Darsteller an22. Martin Grabmann untermauerte es noch durch seinen Fund Pariser Quaestionen des Magisters, einer Frucht seiner dortigen Lehrtätigkeit23. Das hinderte jedoch nicht, daß diese große Persönlich14 Ch. Schmitt. Johannes Tauler von Straßburg (1841), S. 20. W. Preger. Meister Eckhart und die Inquisition (1869), S. 4.

!5 Geschichte der deutschen Mystik, Bd. I (1874), S. III. 16 Meister Eckeharts lateinische Schriften und die Grundanschauung seiner Lehre. ALKGMA II (1886), S. 417 - 615; hier: S. 417 u. 426 f. 17

A.a.O., S. 419 f.

18

A.a.O., S. 421. A.a.O., S. 426 f.

20

Zur Überlieferung der Pfeiffer'sehen Eckehartpredigten. BGdSL 34 (1909), S.310f.

21

Meister Eckhart-Probleme (1912), S. 9 f.

22 Zur Geschichte der Eckhartforschung.: J. Ancelet-Hustache: Maître Eckhart et la mystique rhénane (1956), S. 172 - 178. T. Schaller. Die Meister Eckhart-Forschung von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart. FZPhTh 15 (1968), S. 262 - 316 u. 403 - 426; 16 (1969), S. 22 - 39. H. Fischer. Meister Eckhart (1974), S. 142.

Neuaufgefundene Pariser Quaestionen Meister Eckharts und ihre Stellung in seinem geistigen Entwicklungsgange (1927), S. 6 f. 23

26

keit des vierzehnten Jahrhunderts in einer Weise vor den Karren ideologischer und politischer Interessen gespannt wurde, die man wie frau nur als völlig abwegig bezeichnen kann. Die Spitze dürfte dabei wohl Alfred Rosenberg in seinem Der Mythus des 20. Jahrhunderts erreicht haben: "Sechshundert Jahre sind es her, seit der größte Apostel des nordischen Abendlandes uns unsere Religion schenkte, ein reiches Leben daran setzte, unser Sein und Werden zu entgiften, das Leib und Seele knechtende syrische Dogma zu überwinden und den Gott im eigenen Busen zu erwecken, das 'Himmelreich inwendig in uns'" 24 . Ein positiver Aspekt dieses abwegigen Interesses an Meister Eckhart war wenigstens die kräftige Förderung der Edition seiner Werke". In entgegengesetzter politischer Richtung wurde Eckhart zum "Theoretiker bäuerlich-plebejischer Gruppierungen" ausgerufen, der in der entstehenden frühbürgerlichen städtischen Gesellschaft eine progressive klassenkämpferische Rolle gespielt habe26. Wie unzutreffend die radikale Trennung zwischen deutscher, innerlicher Mystik und lateinischer, formalistischer Scholastik ist, hat nicht zuletzt die Entdeckung einer mittelhochdeutschen Teilübersetzung der theologischen Summe des hl. Thomas von Aquin27 und schließlich einer ganzen deutschsprachigen scholastischen Literatur gezeigt28 selbst abgesehen davon, daß die scholastische Theologie in ihrer Vermittlung durch Predigt und Pastoral auf die Glaubenshaltung weiter Kreise wirkte29.

2 4 Zitiert nach der 8. Aufl. 1933, S. 218 f. Zurückhaltender, wenngleich in dieselbe Interpretationsrichtung: H. Heimsoeth: Die sechs großen Themen der abendländischen Metaphysik ( 2 1934), S. 6. 25 J. Quint. Neue Handschriftenfunde zur Überlieferung Meister Eckharts und seiner Schule (1940), S. vii. 26 H. Ley. Studien zur Geschichte des Materialismus im Mittelalter (1957), S.357; vgl. u., S . < 4 5 1 / 4 5 4 > . Der Rahmen dieser Interpretation stammt von Friedrich Engels: Der deutsche Bauernkrieg, 2: K. Marx; F. Engels: Werke, Bd. 7 ( 8 1982), S. 344.

M. Grabmann : Eine mittelhochdeutsche Übersetzung der 'Summa theologica' des hl. Thomas von Aquin. MAGL I (1926), S. 432, Anm. 39. Ed.: Middle High German Translation of the Summa theologica by Thomas Aquinas /ed. B. Q. Morgan; F.J. Strothmann (1950). 27

W. Stammler. Deutsche Scholastik; in: ders.: Kleine Schriften zur Literaturgeschichte des Mittelalters (1953), S. 127 - 1 5 1 . 28

27

Georg Steer hat eine Übersicht über das bekannte Material gegeben und eine Klassifizierung vorgeschlagen30. Mystik und Scholastik erscheinen hierbei nicht mehr als Gegensätze, sondern als Oberbegriffe für Textsorten, zwischen denen es zahlreiche Übergänge gibt31. Während das Latein mehr die Sprache des wissenschaftlichen Studiums war, dienten Mittelhochdeutsch und die anderen Volkssprachen mehr der Predigt, der katechetischen Unterweisung und vor allem der aufkommenden Laienbildung. Scholastik oder Mystik erscheint so als eine falsche Alternative32 - gerade Meister Eckhart ist deshalb als ein "scholastischer Mystiker" bezeichnet worden33, ein Denker, der eine profunde Metaphysik entwickelte, rational argumentierte, das Ziel seines Strebens aber nicht in einem philosophischen oder theologischen Lehrgebäude sah, sondern in der 'Unio mystica', der Geburt des Wortes im Menschen34, die nichts mit besonderen ekstatischen Phänomenen zu ttm hat, wohl aber eine innere Erfahrung bezeichnet, die weder durch Gelehrsamkeit noch durch Psychotechnik herstellbar ist. Zwischen den lateinischen und den deutschen Schriften, dem Philosophen bzw. Theologen und dem Prediger Eckhart - mit den Worten seiner Zeitgenossen ausgedrückt: dem 'Lesemeister' und dem 'Lebemeister' - läßt sich keine Scheidelinie ziehen: "es ist nicht nur derselbe Mensch, sondern dasselbe Denken und dieselbe geistige Suche, die sich hier und dort durch den Umständen angepaßte Mittel ausdrükken"35. Die Bezeichnung dieser Einheit in Denken und Schriften des Meisters als 'Mystik' ist in jüngerer Zeit von Kurt Flasch und seiner Schule in Zweifel gezogen worden: es ginge ihm nicht um "private Erfahrungen, private Ermahnungen"; er erhob vielmehr "einen streng philosophi29 G. Gieraths-, Die Bedeutung des hl. Thomas für die Frömmigkeit. PZPhTh 8 (1961), S. 121 -143.

Germanistische Scholastikforschung. ThPh 45 (1970), S. 204 - 226; 4 6 (1971), S. 195 - 222; 48 (1973), 65 - 106; hier: 46, S. 198.

30

A.a.O., 46, S. 195. 32

A de Libéra: Introduction a la mystique rhénane (1984), S. 235.

J. Quint in: B. Geyer. Friedrich Überwegs Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. II ( n 1 9 2 8 ) , S. 563. 33

Ebd.; ders.: Meister Eckehart. Deutsche Predigten und Traktate ( 6 1985), S. 22. F. Van Steenberghen: Histoire de la philosophie ( 2 1973), S. 143.

34

35

A de Libéra: Introduction ..., S. 236.

28

sehen Anspruches. Zutreffender sei sein 'Programm' deshalb als "Philosophie des Christentums"37 oder "Philosophie der Gottessohnschaft"38 charakterisiert. Drei Gründe werden für die Ablehnung angeführt: das Wort 'Mystik' "deckt die verschiedensten Inhalte". Es ist - auf Eckhart angewandt - "ein Gemeinplatz geworden", "beförderte die Stilisierung ins Erhabene", "regte" aber "nicht an, zu untersuchen, wie der Professor Eckhart wissenschaftlich gearbeitet hat". Es "suggeriert, es habe zwei Hauptströmungen des mittelalterlichen Denkens gegeben. Dabei stellte man sich die 'Scholastik' zu einheitlich vor und trennte sie vom Universitätsleben der Zeit"39. Dazu wird noch angeführt, Eckhart selbst habe sein Denken nicht als Mystik verstanden40. Diese Thesen - wie überhaupt Flaschs Darstellung der Philosophie des Mittelalters insgesamt - lösten eine heftige Diskussion aus41. Fast überwiegt die Neigung zuzustimmen, wenn frau und man sich die heute überwundene - oben geschilderte Entgegensetzung von Mystik und Scholastik vor Augen hält, den, gerade mit Meister Eckhart getriebenen, ideologischen Mißbrauch oder die psychologisierende Beschreibung 'philosophischer Mystik' als "fruchtbarer Widerstreit des Geistigen und Seelischen, des Rationalen und Affektiven, des Logischen und Alogischen... "42. K. Flasch: Die Intention Meister Eckharts;, in: Sprache und Begriff (1974), S. 292 318; hier: S.301. Eine erste Kritik: ders.: Kennt die mittelalterliche Philosophie die grundlegende Funktion des menschlichen Denkens ? In: Kant-Studien 63 (1972), S. 182 - 206; hier: S. 206. H. Fischer. Grundgedanken der deutschen Predigten;, in: Meister Eckhart der Prediger (1960), S. 25 - 72; hier: S. 56-59, möchte Eckhart aus theologischer Sicht nicht als Mystiker bezeichnen. 36

37

K. Flasch: Das philosophische Denken im Mittelalter (1987), S. 417.

38 K. Flasch:: Einführung in die Philosophie des Mittelalters (1987), S. 171 f. Eine Klärimg des Verhältnisses dieser beiden Bestimmungen zueinander gibt Flasch nicht.

39

A.a.O., S. 166 f.

H. Fischer. Grundgedanken..., S.57. B. Mojsisch: 'Dynamik der Vernunft' bei Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart; in: Abendländische Mystik... ( vgl. Anm. 41 ), S. 138. K. Flasch: Das philosophische Denken ..., S. 418. 40

oi Abendländische Mystik im Mittelalter (1986), S. 1 f., 95 - 99, 101 - 103, 106 f., 209, 223 f., 329 - 332, 342 - 346. Zu den in Anm. 37 - 39 genannten Werken vgl.: B. Wald, Rez. in ThRv 84 (1988), Sp. 149 - 154;. D. Perler: Philosophiegeschichte als Provokation, FZPhTh 35 (1988), S. 237 - 253. 42

J. Bemhart.

Die philosophische Mystik des Mittelalters (1922), S. 123.

29

Was Flasch hingegen selbst unter 'Mystik' versteht wird ebensowenig deutlich. Ist der Begriff für Eckhart, für Albert den Großen oder Dietrich von Freiberg nicht zutreffend, für andere aber wohl - ist z.B. Heinrich Seuse ein Mystiker, sind die Schwestern von Töss Mystikerinnen? Ist man/frau das dann, wenn er/sie es selbst von sich selbst sagt? Oder gibt es echte 'Mystik' vielleicht gar nicht, und ist das damit Beschriebene lediglich Hysterie? Gibt es womöglich keinerlei Kriterien, um einen sinnvollen Sprachgebrauch zu verdeutlichen, sodaß das Wort sinnlos ist? So berechtigt und notwendig Flaschs Anfrage ist, so wenig wird ihr eigenes Vorverständnis dessen deutlich, was sie in Frage stellt43. Auch wenn 'mystisch' nicht selten zum pejorativen Prädikat für alles Unklare, Unverständliche, Schwärmerische, rational nicht Begründete geworden ist44, auch wenn in - von der derzeitigen spirituellen Konjunktur nicht gerade profitierenden - Teilen der Intelligentija 'Mystik' als Gegenbegriff der 'Aufklärung' steht45, auch wenn sie bestimmten philosophischen Schulen geradezu das Paradigma dafür ist, wie man/frau - und erst recht Philosoph(inn)en - nicht denken sollten46, ist die Forderung berechtigt, nicht aus negativen Voreinstellungen die Beweislast auf die Angeklagte zu schieben, sondern mit Klarheit und Nüchternheit zu untersuchen, was in "Texten und Zeugnissen mystischer Wahrnehmung und Einsicht" gesagt wird47.

Neben den "privaten Erfahrungen und Ermahnungen" (vgl. S. 28, Anm. 37) findet sich: "Über das Unendliche nachdenken...bedeutete nicht, daß man sich zu einer 'mystischen' Richtung zählte, man sprach nur den Mystizismus aus, der im gesamten philosophischen Traditionsbestand von Parmenides her vorhanden war" (Das philosophische Denken..., S.76). 'Mystik' [für 'mystische Theologie' nach Ps. Dionysius Areopagita] hatte nichts mit Gefühl, Ekstasen und Visionen...zu tun" (ebd.). Darin ist 'Erleuchtung' nicht als 'mystischer' Vorgang in der umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes" zu verstehen (a.a.O., S. 79). Al-Farabis "Konzeption konnte leicht zu einer philosophischen Mystik fortentwickelt werden"(a.a.O., S. 273). "Die [neuzeitliche] Subjektivität" ist nicht [durch Meister Eckhart] "zuerst in mystischer Vorwegnahme gedacht" worden (a.a.O., S. 411, vgl. Kennt die mittelalterliche Philosophie ..., S. 206 (s.o., S. 28, Anm. 36)). Daß in den beiden letzten Zitaten keine Anführungsstriche stehen, ist wohl ein Druckfehler; sie sind sonst vorhanden wo dasselbe gemeint ist (a.a.O., S. 412, S. 418, S. 543). 43

44

Duden: das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 4 (1979), S. 1838b.

45

H.U. Lessing: Mystik II; in: HWP, Bd. VI (1984), Sp. 273 - 279. 46 ).

46

B. Russell: Mysticism and logic (1953), S. 15 - 17.

47

G. Wehr. Die deutsche Mystik (1988), S. 8.

30

Auch wenn ein so guter und selbstkritischer Kenner der Diskussion wie Alois Haas schier "an einer tauglichen und operationalisierbaren Fassung des Begriffs Mystik verzweifeln möchte"48 und in neueren Nachschlagewerken eine umfassende Definition gar nicht mehr erst versucht wird49, braucht dies noch nicht zu bedeuten, der Begriff sei sinnlos, da sich ihm keine Bedeutung zuordnen ließe, die mehr als eine willkürliche definitorische Setzung ohne beschreibende Kraft sei. Allerdings - und nur hierum geht es ja in dem vorliegenden Rahmen ohne Geltungsanspruch für Formen außerhalb des christlichen Glaubens läßt sich 'Mystik', jeweils bezogen auf eine Person oder Gruppe, umschreiben als "cognitio dei experimentalis"50. Das mit jeweils verschiedener Akzentsetzung in der franziskanischen und der dominikanischen Tradition Implizierte beschreibt Alois Haas so: "Mystische Erfahrung ist ein am Mysterium orientiertes, nicht leicht mitteilbares, letztlich unsagbares Erkenntnis- und /oder Liebesgeschehen zwischen Mensch und Gott, das vom Menschen als gnadenhafte, ohne Anstrengung empfangene Einigung mit Gott erfahren wird"51. Ob frau/man sich freilich unter solcher Erfahrung mehr als einen eventuell für krankhaft gehaltenen - mentalen Prozeß vorstellen kann wird wohl eine Glaubensfrage bleiben - beziehungsweise eine philosophischer Grundannahmen 52 . Bereits R. Garrigou-Lagrange hat darauf hingewiesen, daß das Prinzip mystischer Erfahrung dasselbe ist wie das von Glaubenserfahrung überhaupt 53 . Ekstatische Phänomene können zwar mit ihr verbunden sein, machen sie aber nicht wesentlich aus. Ob Meister Eckhart ekstatische Verzückungen erlebt hat oder das Verfolgen der via excessionis bei ihm als Ekstase aufzufassen ist, mag

48

Was ist Mystik? in: Abendländische Mystik... (1986), S. 319 - 341; hier: S. 319.

« Z.B. P. Heidrich: Mystik I; in: HWP Bd. VI (1984), Sp. 267 - 273. D. Mieth: Mystik; in: NHthG, Bd. III (1985), S. 151 -163; vgl. bes. S. 156. 50

Thomas von Aquin: S.th. IIa Ilae, q. 89, a. 2, ad 2. Bonaventura: In III Sent. d. 23, dub. 4 ( Opera. III, 504a ); d. 35, a. 4, q. 1, soi. ( III, 774a ). Beiden geht es hier nicht um eine Definition von Mystik. 51

A. Haas: Was ist Mystik ? S. 333.

52 Verneinen müßte man sie etwa - ohne negativen Beigeschmack - aus der Sicht G. Berkeleys. A treatise concerning the principles of human knowledge (1710), S. 22. 53

Perfection chrétienne et contemplation; t. II (41923), S. 434 f. 31

dahingestellt bleiben54; es kann nicht Kriterium dafür sein, ob er ein 'Mystiker' genannt werden kann. Unstrittig ist, daß er von einer Einung zwischen Gott und Mensch immer wieder gesprochen hat, die tiefer geht als bloßes Wissen, die in jedem Menschen angelegt ist55, deren aber nur gewahr werden kann, wer "sich abscheidet", "frei wird von sich selber und allen Dingen"56. Gegenüber ekstatischen Phänomenen ist Eckhart eher skeptisch57; daß er selbst seine geistliche Erfahrung nicht 'mystisch' nennt58, ist nicht verwunderlich - würde doch das Gegenteil - nicht nur bei ihm - eher peinlich als klärend wirken. 'Mystik' im umrissenen Sinn ist aber eine nicht nur zulässige, sondern auch beschreibend wertvolle Kategorie, um die deutschen Predigten in Aussageziel, Aussageweise59 und in Abgrenzimg von moralischer Ermahnung, Anhalten zu normaler Erfüllung kirchlicher Gebote und auch wissenschaftlicher Theologie oder Philosophie zu kennzeichnen. Mystische Erfahrung ist nicht Philosophie, wenn unter 'Philosophie', wie es hier geschieht, ein kritisches, methodisches und rationales Vorgehen in einem wissenschaftlichen Kontext verstanden wird60. Mystische Erfahrung muß aber keineswegs antirational sein und ein aus ihr erwachsendes Sprechen nicht ohne - eventuell nicht bewußt angewandte - argumentative Strukturen. Es kann und soll deshalb auch Gegenstand philosophischer Analyse sein. Doch auch von Mystik auf Philosophie können wichtige Anregungen ausgehen - nicht im Sinne einer Verdrängung von Argumentation durch Affekt, sondern einer Bereicherung der Fragestellung61. Die Einheit des Denkens wird durch den Anstoß neuer Ideen und ihr kriti54

J. Maréchal: Études sur la psychologie des mystiques; 1.1 ( 2 1938), S. 229, scheint das anzunehmen. 55

So auch B. Mojsisch: "Dynamik ..., S.143, Anm. 39.

56

A. Haas: Meister Eckharts geistliches Predigtprogramm. FZPhTH 29 (1982), S. 189 - 209, hier zitiert: S. 193, mit reichlichen Textbelegen.

57

Ders.: Sermo mysticus (1979), S. 154. K. Ruh: Meister Eckhart (1985), S. 189.

Vgl. o., Anm. 40. Dazu A. Haas: Sermo mysticus, S. 154. K. Ruh: I.e.; S. Ueda: Meister Eckharts Predigten; in: Abendländische Mystik ..., S. 33 - 48, bes. S. 41 - 43. 59 S. Ueda: I.e.; M. Egerding: Got bekennen (1984) S.ll f. 58

60

Vgl. F. Van Steenberghen:

61

F. Copleston: Geschichte der Philosophie im Mittelalter (1976), S. 263.

32

Introduction ..., S. 255.

sches Hinterfragen ja nicht zerstört. Diese Einheit des seinen Glauben neu durchdenkenden, die von dort her gewonnenen Anregungen zu einem philosophischen Entwurf durchbildenden und konsequent weiterdenkenden Menschen - die Einheit des Mystikers und Metaphysikers - ist es, was an Meister Eckhart so fasziniert62. Damit soll keineswegs behauptet werden, Eckhart sei unter Ausblendung seiner Anreger(innen), Schüler(innen) und Gegner (ob unter diesen auch Frauen waren ?) nur aus sich und in sich selbst zu verstehen. Die vorliegende Arbeit soll eine Facette dieser historischen Umgebung etwas erhellen. Was es verstreut an Forschung über Johannes von Sterngassen gibt ist bislang sozusagen ein Nebenschauplatz der eben kurz umrissenen Kontroverse gewesen. Ist er ein Mystiker? Oder ein Scholastiker? Beides zugleich? Gegner oder Anhänger Eckharts? Daß es nicht möglich wäre, seine Stellung und Bedeutung etwas klarer zu sehen, wenn es gewissermassen nur um ein "Bühnenbild" für den großen Meister ginge, liegt auf der Hand.

1.1.2

Die Entdeckung des mystischen Predigers

Der Basler Bibliothekar und Germanist Wilhelm Wackernagel (1806 1869) veröffentlichte 1835 einen Katalog der deutschen Handschriften in der Universitätsbibliothek dieser - im kulturhistorischen Sinn - oberdeutschen Stadt. Hier finden sich, in Hs. B XI, 10, Predigten und mystische Traktate deutscher Dominikaner aus dem vierzehnten Jahrhundert: "Bruoder Eghard, der von Egwin, der von Sternengassen, Bruoder Franke von Kölne, der Kraft von Boyberg und Anonyme"63. Derselbe Gelehrte stellte auch ein Altdeutsches Lesebuch zusammen, das einen Abschnitt "Sprüche deutscher Mystiker enthält64. Hier teilte er aus dem Florileg Summa der Tugenden in der Basler Handschrift B IX, 15 unter anderen auch einen Spruch mit: "Dis seit bruoder iohans von sterngassen von einem heidenne ... "65. Weitere Stücke, Sprüche und Predigt62 M. D. Chenu in: E. zum Brunn; A. de Libera: Maître Eckhart: métaphysique du verbe et théologie négative (1984), S. 7. Die Autorin u. Autor: S. 16 u. Ö.

Die altdeutschen Handschriften der Baseler Universitätsbibliothek (1835), S. 58 f. Zu Wackernagels Biographie: £ Schräder in ADB 4 0 (1878), S. 4 6 0 - 465. Vgl. u., S. 316 - 321. 63

64

!1835; 2 1 8 3 9 als Bd. 1 von: Deutsches Lesebuch.

« A.a.O., Sp. 891, 33 - 892, 9. Vgl. u„ S. 326 - 328.

33

auszüge wurden von Droncke in Koblenz66 und Franz Joseph Mone in der Württembergischen Hofbibliothek zu Stuttgart67 gefunden. Die Durchforstung der Handschriftenbestände brachte auch mittelalterliche Bibliothekskataloge ans Licht, zu denen J.A. Schmeller 1841 einige Studien aus dem bayrischen Raum veröffentlichte. In einem Sammelkatalog Regensburger Klosterbibliotheken fand er: "Sermones Sterngnatii, Sterngnatius super quartum Sententiarum"68. Damit ist der von Sterngassen auch als Scholastiker nachgewiesen wenn auch diese Notiz in einer bibliothekarischen Fachzeitschrift kaum je beachtet worden ist. Die genannten Handschriften müssen heute leider als verloren gelten. Charles Schmidt, ein evangelischer Kirchenhistoriker aus Straßburg, erwähnt in seinem 1841 erschienen Tauler-Buch einen "Gerhard oder Johannes von Sterngasse", der um 1340 im Kölner St. Antoniuskloster gepredigt habe:"... er scheint einer der bekannteren dieser Mystiker gewesen zu seyn; in einigen Predigten, die uns von ihm erhalten sind, zeigt er sich als tiefsinniger Denker, dessen hohe, kühne Speculationen mit den Eckhart'schen vieles gemein haben, der aber weit weniger praktisch ist als Tauler"69. Bald nach den ersten Einblicken in die vorher kaum gewürdigten Schätze der Bibliotheken wollte man70 die Werke der Mystikerinnen im

66

Predigten von Eckehart, Dietrich, dem von Sterngasse und anderen. Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit 6 (1837), Sp. 71-76; hier: 74. Gymnasialbibliothek, Ms. 43; jetzt: Staatsarchiv Koblenz, Bestand 701, Nr. 149. Vgl. u„ S. 330 f. 67

Altdeutsche Predigten. Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit 7 (1838), Sp. 510-517. Vgl. u., S. 325.

68

Über Bücherkataloge des 15. und früherer Jahrhunderte. Serapeum 2 (1841), S. 241 - 254, 257 - 271, 283 - 287; hier: S. 262 - 267, ohne nähere Angaben über die Hs. Nach M. Grabmann: Neuaufgefundene lateinische Werke deutscher Mystiker 1922, S. 10, ist der Katalog Clm 14 397. Vgl. C. Halm: Catalogus codicum bibliothecae regiae Monacensis II/2 (1876), S. 166, Nr. 1379. Schmeller setzte die Abfassung auf 1347 an, M. Grabmann: Die Werke des hl. Thomas von Aquin, 31949, S. 44, auf 1345. Die "Sermones" hielt letzterer für lateinische Predigten (ebd.), was sich allerdings aufgrund des Katalogeintrags allein nicht mit Bestimmtheit sagen läßt. Vgl. u„ S. 204. 69

Johannes Tauler von Straßburg (1841), S. 24. Neben den bereits genannten erwähnt Ch. Schmidt eine weitere, den von Wackernagel edierten Spruch (s.o., Anm. 65) enthaltende Handschrift, die sich damals in seinem Privatbesitz befand. Wahrscheinlich ist sie 1871 bei der Beschießung Straßburgs zugrunde gegangen. 70

Frauen waren im vorigen Jahrhundert unter den Verfassern von Werken über Mystik nach der Zerstörung der meisten Klöster in der Säkularisation nicht mehr vertreten, dürfen aber als Leserinnen nicht außer acht gelassen werden.

34

Druck zugänglich machen. Schon Charles Schmidt hatte darauf hingewiesen, daß zwei Predigten "des von Sterngassen" im Basler Druck von 1521 der Predigten Taulers zu finden sind71. Franz Pfeiffer - von Josef Quint, dem späteren Herausgeber der deutschen Werke Meister Eckharts, "einer der tüchtigsten Germanisten des vorigen Jahrhunderts" genannt72- gab 1845 einen ersten Band Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts heraus, in dem er Texte von Nikolaus von Straßburg, David von Augsburg und das für Hermann von Fritzlar zusammengestellte Heiligenleben veröffentlichte73. Der Letztgenannte, ein frommer Laie, hatte sich eine Sammlung von Predigten und Andachtstexten zu den einzelnen Heiligenfesten nach der Ordnung des Kirchenjahres zusammenstellen lassen74. Darin findet sich ein Sermon, der ausdrücklich einem "Gerhart von Sterrengazzen" zugeschrieben wird: "Man beget hüte des grozen heiligen tac sente Antonius, der der erste einsiedel was nach sancto Paulo ... ... Diz predigete bruder Gerhart von Sterrengazzen zu Kolne in dem klostere zu sente Anthonius. Waz dise lerer vor geschrieben ist in disem buche, daz sint antweder meisterpfaffen oder sint lezemeistere ... Bitent got, daz wir disen heiligen sente Anthonium also eren muzen, daz her uns beschirme vor dem helleschen fure und daz wir zu ime komen in das ewige leben. Amen"75. In seinem Kommentar zu diesem Text vermutet Pfeiffer, daß der hier genannte "Gerhart" mit dem andernorts erscheinenden "Johannes von Sterngassen" identisch ist, läßt die Frage jedoch noch offen76. Auch Wackernagel war sich nicht sicher, ob "der von Sterngassen" korrekt Johannes oder Gerhard zu nennen sei77. Er reihte ihn - wie er nun auch genau heiße - unter die Zeitgenossen und Schüler Meister Eckharts ein, 71

Vgl. o., Anm. 69. Iohannes Tauleri... Predig, 1521 u. (fast identisch) 1522: fol. 277ra 5 - 278rb 37, u. fol. 292va 19 - 293rb 23. Vgl. u., S. 318 - 323.

72

Die Überlieferung der deutschen Predigten Meister Eckharts (1932), S. xii.

73

Ein 2. Bd., Meister Eckhart, erschien 1857.

74

Deutsche Mystiker ..., Bd. I, S. xvi. Vgl. H. Fischer. Hermann von Fritzlar, LThK2, Bd. V (1960), Sp. 249; dort 1343 - 1349 als Zeit der Zusammenstellung.

75

A.a.O., S. 60, 17 - 63, 24. Die "Conversio S. Antonii", mit der die Predigt beginnt, erzählt nach: Iohannes Cassianusr. Collationes Patrum, III, 4: SC 42, S. 142. 76

A.a.O., S. 423. Zum Problem vgl. u., S. 160.

77

Geschichte der deutschen Literatur '1848, S. 333.

35

die er als ebenso wie jenen von der kirchlichen Autorität verfolgt und beargwöhnt vorstellt: "Noch strenger hat das Schicksal der Unterdrückving um der Kirche willen oder durch die Kirche die Schriften seiner Schüler und zugleich deren Schriften getroffen, die, wenn auch in Einzelheiten seine Gegner, doch im Ganzen und Wesentlichen die Religionsphilosophie so trieben wie er: da sind wohl der Namen genug, die Predigten selbst aber und die Abhandlungen öfter nur in ausgezogenen Bruchstücken erhalten"78. Von Wackernagel bereits angekündigt, gab Franz Pfeiffer 1851 "Predigten und Sprüche deutscher Mystiker" heraus79, unter ihnen auch fünf Sterngassen-Predigten, deren Autor er jetzt ohne weitere Erörterung Johannes von Sterngassen nennt80. Die Edition, die einen Mischtext aus verschiedenen Handschriften bietet, wird lediglich von einem knappen Variantenapparat begleitet. Auf zwei weitere Predigten wies Pfeiffer nur hin, da ihr Druck durch Wilhelm Wackernagel geplant war81. 1858 ließ Pfeiffer den Predigten eine Sammlung "Sprüche deutscher Mystiker" folgen82. Die meisten waren in der Handschrift Cod. germ. oct. 191 der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin enthalten; unter ihnen befinden sich auch vierundzwanzig Sprüche unter dem Namen "der von Sterngazze"83. Der St. Galler Domdekan Carl Johann Greith veröffentUchte 1861 ein Werk Die deutsche Mystik im Prediger-Orden, das für weitere Kreise bestimmt eine Auswahl ins Neuhochdeutsche übersetzter Texte bietet. Viele von ihnen sind darin erstmals gedruckt84, doch leider hat Greith weder angegeben, aus welchen Handschriften er sie geschöpft, noch, wie er die verschiedenen Stücke zu durchlaufenden Kapiteln zusammengefaßt hat. Er erwähnt Gerhard von Sterngassen, den er aus Pfeif78

A.a.O., S. 332 f. In 2 1879, Bd. I, S. 425 revidiert von Ernst Martin, dem Bearbeiter.

79 ZfdA8 (1851), S. 209 - 258. 80

A.a.O., S.251 - 258. Wo der Autor genannt wird, in den Überschriften der 2. (S. 253, 25), 3. (S. 255, 34) und 5. (S. 257, 18) Predigt, heißt es im Editionstext jeweils nur: "Der von Sterngassen sprach ..." Zur Handschriftengrundlage vgl. u., S. 395 f. 81

A.a.O., S. 251. W. Wackemagel: Altdeutsche Predigten, posthum 1876, Nr. LXII u. LXIII, S. 163 - 168. Wackenagel hatte 1848 (vgl. o., Anm. 77) nicht nur die Seitenzahlen von Pfeiffers Artikel angegeben, sondern bereits auch die seines eigenen dann 1876 erschienen Sammelbandes. 8

2 Germania 3 (1858), S. 225 - 243.

8

3 A.a.O., S. 235 b 10 - 238 b 46.

84

36

C.J. Greith: Die deutsche Mystik ..., S. iv.

fers Werk von 1845 kennt. Irrtümlich hält er allerdings Hermann von Fritzlar für den Verfasser seiner Antoniuspredigt". Ohne weitere Erläuterung teilt er mit, Gerhard "war Dominicaner und Lesemeister zu Köln und Straßburg"86. Ein Text unter dem Namen "der von Sterngassen" findet sich ebenfalls: "Ein Heilig spricht: das sei Heiligkeit, daß wir erkennen was wir waren vor der Zeit, und was wir sind in der Zeit, und was wir werden nach der Zeit. Von diesen drei Worten hat der von Sternengassen gesprochen und spricht im Ferneren: Er hat uns geformt ...."87. Dieser Text läuft ohne erkennbaren Einschnitt über mehrere Seiten, ist aber aus verschiedenen Stücken zusammengestellt88. Joseph Bach erwähnt Johannes von Sterngassen in seinem 1864 erschienenen Eckhart-Buch als Mitglied der von jenem begründeten Kölner Mystikerschule. Gestützt auf Fabricius und Quetif - Echard setzte er ihn für die Zeit um 1390 an und teilte ihm auch die von diesen Nomenklatoren aufgeführten Werke "In Sententias, Sermones, Quaestiones in totam philosophiam" zu89. Gerhard von Sterngassen wird - ohne Erörterung seines Verhältnisses zu Johannes - als Verfasser einer Predigt genannt90. Zur Lehre des Johannes von Sterngassen bringt Bach einige Zitate aus den von Pfeiffer edierten Predigten und weist auf die Übereinstimmung der manchmal mißverstandenen Aussage: "Gottes Wirken ist sein Wesen" mit der Lehre des hl. Thomas von Aquin, des Duns Scotus und eines anonymen mystischen Traktats aus dem ausgehenden dreizehnten Jahrhundert hin91. In der Tat verliert diese Position jeden pantheistischen Geruch, wenn man sich klarmacht, daß sie nichts anderes besagt als die scholastische 'sententia communis': In Gottes

A.a.O., S. 171. Vgl. o., S. 35. 86 Ebd., Anm. 1. 8 7 A.a.O., S. 171, 8 - 177, 19. Vgl u„ S. 315 - 319. 88 Weiterhin werden "Bischof Albrecht" (S. 175, 3; 176,7), "Sanct Augustin" (S. 173, 29; 177, 10), "Sanct Bernhard" (S. 173, 18; 177, 10), "Sanct Dionysius" - Pseudo Dionysius Areopagita (S. 176, 32; 177, 14), "Sanct Gregorius" (S. 173, 17 f.) und "ein heidnischer Meister" (S. 176, 17) genannt. Hs. 1033 der St. Galler Stiftsbibliothek enthält den Text in dieser Form nicht. 89 Meister Eckhart, der Vater der deutschen Speculation (1864), S.180. Zu J. A. Fabricius vgl. u., S. 155; zu Quetif-Echard vgl. u., S. 155 f.

90 A.a.O., S. 180, Anm. 7. 91 A.a.O., S. 180 f.

37

Existenz ist alles verwirklicht, was Gott der Möglichkeit nach sein kann, sein Sein und sein Wesen sind deshalb identisch92. Wenn auch Pfeiffers Verdienst, vieles aus der mittelhochdeutschen Mystik erstmals bekanntgemacht zu haben, unbestreitbar ist, so erhob sich doch nach einiger Zeit Kritik an der Textgrundlage und damit an der Gültigkeit seiner Editionen. Wilhelm Preger, evangelischer Theologe in München, veröffentlichte 1866 einen Aufsatz Kritische Studien zu Meister Eckharf>\ in dem er Pfeiffers Vertrauen auf einige der von ihm benutzten Handschriften - besonders Hs. B XI, 10 der Basler Universitätsbibliothek - scharf angriff94. Dort finden sich mehrere Stücke unter der gemeinsamen Überschrift "Der von Sternengassen", die jedoch, so Preger, nicht alle diesem Autor zuzuordnen seien95. Pfeiffer selbst sogar habe den Schlußteil einer dieser Predigten "nachher als einen Spruch Meister Eckharts erkannt und ... in seine Sammlung eckhartscher Schriften aufgenommen"96. Der Basler Handschrift B XI, 10 zieht Preger B IX, 15 der selben Bibliothek vor, die er - mit Wackernagel übereinstimmend - auf die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts datiert97. In ihr findet sich auch eine Reihe von Predigten des Meister Eckhart - darunter die wenigsten ihm ausdrücklich zugeschrieben, einige unter dem Titel "der Meister", andere anonym. "Der Meister" ist hierbei für Preger nicht irgendein Lehrer, sondern Meister Eckhart: "von dessen Größe der Schreiber, einer seiner Schüler... durchdrungen ist"98. Diese - so nicht nur ältere, sondern auch überlieferungsgeschichtlich wertvollere - Handschrift "schreibt die Stücke nicht dem von Sterngassen, den sie gleichfalls kennt, sondern 'dem Meister' zu. Der Meister aber ist dem Urheber unserer Handschrift kein anderer als Meister 92

Vgl. dazu in den im Teil II, p. 377 edierten Text.

93 ZfhTh 36 (1866), S. 453 - 517. 94 A.a.O., S. 454 f. 95 A.a.O., S. 455. 96 Ebd. Preger bezieht sich - ohne Stellenangabe - auf F. Pfeiffer. Predigten..., Bd. II, S. 643, 39-644,7.

97 A.a.O., S.460. Wackernagel wird erwähnt, aber nicht ausdrücklich zitiert. Vgl. ders.: Die altdeutschen Handschriften..., S.55. Später meinte Preger allerdings, der Schreiber von B XI, 10 habe Sterngassen noch selbst gehört: Geschichte der deutschen Mystik, Bd. II, S. 123. 98 Ebd.

38

Eckhart, wie wir nachgewiesen haben"99. Als zusätzliche Stütze seiner Argumentation führt Preger an, daß die von Pfeiffer gleichfalls mitbenutzte Einsiedelner Handschrift 278, in der das fragliche Stück hinter zwei Sterngassentexten steht, keine Autorität für dessen Zuordnimg haben könne, da eine dort zu findende Rubrik "des von Sterngassen das sint hie II Sermon" sich nur auf die vorausgehenden beiden Texte beziehen100. Schließlich gibt es von Meister Eckhart auch einen Traktat "von Abgescheidenheit"101, der inhaltlich völlig parallel zu dem in Frage stehenden Stück ist102. Aus all dem schließt Preger, daß es sich bei der gesamten Predigt "von der luterkeit" und nicht nur bei ihrem Schlußteil um ein Werk Meister Eckharts handeln müsse. Anschließend gibt er den Text nach der Basler Handschrift B IX, 15, unter Vergleich mit B XI, 10, wieder103. Diese Schlußfolgerung blieb nicht unwidersprochen. In seiner ausführlichen Rezension von Pregers Geschichte der deutschen Mystik, Bd. II - wo dieser seine Ergebnisse nochmals dargestellt hatte104 - ging Philipp Strauch auf die dargestellte Beweisführung ein: "Allein aus ähnlichen Gedanken ist noch nicht auf Identität zu schließen, wenigstens nicht mit der Sicherheit, wie das Preger meist tut"105. Pregers Argument nach der Zuschreibung in der Basler Handschrift B IX, 15 hält er entgegen, daß in zwei Handschriften der damaligen Stuttgarter Hofbibliothek diese Predigt zusammen mit anderen, in ihrer Urheberschaft nicht angezweifelt, "dem von Sterngassen" zugeschrieben wird106. Es bleibt also nur das Argument der internen Kritik, das Strauch jedoch nicht hinreichend erscheint: "gerade in diesem Falle lassen sich die Übereinstimmungen sehr gut aus dem Verhältnis des Meisters zum Schüler erklären"107. Er sieht also keinen Grund, die 99 Ebd. 100 Ebd. 101

F. Pfeiffer: Deutsche Mystiker ..., Bd. II, Nr. ix, S. 4 8 3 - 493. Kritisch ediert von J. Quint. Meister Eckhart: DW, Bd. V (1963), S. 4 0 0 - 437.

102

preger

Kritische Studien ..., S. 4 7 8 f.

103 A.a.O., S. 4 7 9 f. 104 Dort S. 116. 105 AfdA 9 (1883), S. 113 - 1 5 9 ; hier: S. 131. 106 A.a.O., S. 131. Zu den Hss. vgl. o„ S. 16. i ° 7 Ebd. Später widerrief Ph. Strauch die Hypothese von d e m Schülerverhältnis zu Eckhart: Meister Eckhart - Probleme (1912), S. 17.

39

Predigt - mit Ausnahme des letzten Abschnitts - dem von Sterngassen abzusprechen. Diesem Standpunkt schlössen sich Heinrich Suso Denifle108, Adolf Spamer109, Wolfgang Stammler'10 und in neuerer Zeit der Herausgeber der deutschen Werke Meister Eckharts, Josef Quint111, an. Bei einem genauen Textvergleich weist letzterer hin auf: " ... die Kühnheit und schärfere Formulierung des ursprünglichen Eckhartschen Gedankens gegenüber der harmloseren Sterngassens"112. Preger hatte zwar richtig erkannt, daß die Predigt "Von der Lauterkeit" in B IX, 15 zwischen Eckhart - Stücken steht113, doch bei weitem nicht alle Texte, die dort mit "der Meister sprach" eingeleitet werden, haben sich auch tatsächlich als auf den Pariser Magister zurückgehend erwiesen114. Mit der Annahme des 'Schülers', der der Schreiber dieser Handschrift gewesen sein soll, hat Preger sich auf doch sehr unsicheren Boden begeben und auf dieser Hypothese weitgehende Folgerungen aufgebaut, obwohl sie zu schwach - nämlich nur in seiner Interpretation - begründet ist, um Beweiskraft haben zu können. Das Argument aus der Zusammenstellung der Einsiedelner Handschrift 278 ist zwar von keinem der Kritiker Pregers explizit behandelt worden; doch wie er selbst zugibt, handelt es sich dort um Beobachtungen, die durchaus nicht sicher sind"5. Als Ergebnis dieses Vorausblicks auf die Kontroverse um die Autorenschaft der Predigt "Von der Lauterkeit" ist also festzuhalten, daß die gegen die Zuschreibung an "den von Sterngassen" - mit Ausnahme des letzten Abschnitts - vorgebrachten Argumente nicht zu überzeugen vermocht haben. 108 Meister Eckeharts lateinische Schriften. ALKGMA II (1886), S. 524 f. 109 zur Überlieferung der Pfeifferschen Eckharttexte. BGdSL 34 (1909), S. 307 420; hier: S. 323. Ders.: Über die Zersetzung und Vererbung in den deutschen Mystikertexten (1910), S. 33 f., Anm. 3. 11° Studien zur Geschichte der Mystik in Norddeutschland. Archiv für Religionswissenschaft 21 (1922), S. 122 - 162; hier S. 156. i n Meister Eckhart. DW, Bd. V, S. 398. H2 A.a.O., S. 398 f. u. 441, Anm. 8. 113 G. Meyer; M. Burckhardt: Die mittelalterlichen Handschriften der ÜB Basel..., Bd. 11(1972), S. 257 f. 114 Ebd. 115 W. Preger: Kritische Studien ..., S. 476 f.

40

1876 erschien schließlich die von Wilhelm Wackernagel schon so lange angekündigte Sammlung: Altdeutsche Predigten und Gebete, posthum herausgegeben von Martin Rieger. In ihr finden sich als Nummer LXII und LXIII die beiden bereits von Pfeiffer angekündigten Predigten des von Sterngassen116. Zugrunde gelegt war die Basler Handschrift B XI, 10 - für die zweite verglichen mit Cod. 278 des Stifts Einsiedeln, in der diese sich gleich zweimal findet117. Rieger macht in seinem Kommentar darauf aufmerksam, daß weder diese noch die von Pfeiffer veröffentlichten Stücke vollständige Predigten darstellen: "Überall tritt an der Ungleichheit der Ausführung und an den Mängeln des Zusammenhanges der Charakter des Auszuges deutlich zu Tage"118. Trotz dieses fragmentarischen Charakters der Überlieferung wird der Verfasser der Predigten als der bedeutendste Jünger Meister Eckharts hingestellt119. Der Herausgeber führt weiter aus: "Man darf es als wahrscheinlich betrachten, daß, wenn wir mehr von ihm besäßen, er zwar als Denker dem Meister nachstehen, aber als Redner eine fortgeschrittene Kunst, ein freieres Schalten der Subjectivität und eine reichere, blühendere Ausführung des Gedankens, also eine eigenthümliche Weiterentwicklung der mystischen Predigt neben Tauler kund geben würde"120. Gerhard ist nicht mit diesem, in der Einsiedelner Handschrift "Bruder Johannes von Sterngassen" Genannten, zu verwechseln, er kommt aber aus derselben Kölner Familie121.

1.1.3 Abrundung des Bildes der deutschen Schriften Nachdem seit dem dritten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts nach und nach ein umfangreiches Quellenmaterial erschlossen worden war, trat nun das Bedürfnis nach zusammenfassenden Darstellungen der religiösen und mystischen Literatur des Mittelalters hervor. Es gab 116 Altdeutsche Predigten

S. 163 - 166 u. 166 - 168.

A.a.O., S. 272 - 277. Der Hrsg. weist nicht auf die von Preger aufgeworfenen Fragen hin. 117

üs A.a.O., S. 435. na A.a.O., S. 434. 120 A.a.O., S. 435. 121

A.a.O., S. 434.

41

zwar bereits Wackernagels Geschichte der deutschen Litteratur^2, aber dort war dieses Feld ja nur ein Randthema. So erschien 1879 eine "Geschichte der deutschen Predigt im Mittelalter" von Rudolf Cruel. In ihr wird unter den Mystikern des 14. Jahrhunderts auch Johannes von Sterngassen erwähnt, der unter den Schülern Meister Eckharts unstrittig den ersten Platz einnehme. Die beiden von Wackernagel edierten Predigten werden, wenn auch mit denen von Pfeiffer herausgegebenen verwechselt, auszugsweise in Neuhochdeutsch paraphrasiert wiedergegeben1^. Den zweite Band seiner "Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter" legte Wilhelm Preger 1881 vor124. Johannes von Sterngassen wird dort ebenfalls unter die Schüler Meister Eckharts eingereiht, dem er unter ihnen an spekulativer Begabung am nächsten stehe125. Die von Wackernagel edierten Predigten und die vier von Pfeiffer, die Preger dem Johannes zuerkennt, werden zusammenfassend wiedergegeben. Auch die lediglich "dem von Sterngassen" zugeschriebenen Sprüche als Dicta aus Predigten bezeichnet - werden ihm wegen ihres Stils und Inhalts zuerkannt126. Die dort zu findende Erwähnung von "sancte Nyclawese zuo den hunden"127, die offensichtlich eine Ortsangabe sein soll, so aber unsinnig erscheint, konjiziert Preger zu "Sancte Nyclawese zuo den unden," erhält so den Namen eines bekannten Straßburger Dommikanerinnenklosters128 und schließt daraus auf eine Wirksamkeit Johannes von Sterngassens in dieser Stadt. Das wird durch die Bezeugung als Lesemeister der Straßburger Dominikaner in einer Stuttgarter Handschrift erhärtet129.

122

vgl. 0., s. 35.

12

3 R. Cruel: Geschichte ..., S. 404 f.

124

3 Bände (1874-1893). Von der Kritik teilweise als "verfrüht begonnenes Unternehmen" bezeichnet: Ph. Strauch: Rez. in: AfdA 9 (1883), S. 113f. Zur Biographie Pregers: V. Michels in: ADB Bd. 53 (1907), S. 107 - 113, bes. S. 111 f. 125

Preger: Geschichte der deutschen Mystik, II, S.119.

126

Ebd.

127

F. Pfeiffer: Sprüche ..., S. 236 a 24 f.

128 Preger: Geschichte ... II, S.122. Zum Kloster S. Nicolaus in undis vgl.: A. Kühl: Die Dominikaner im deutschen Rheingebiet..., S. 192. 129 w; Preger: Geschichte ... II, S. 122. Die Hs. Stuttgart I, 36 wurde von Ph. Strauch gegen Pregers Hypothese, Eckhart sei Verfasser der Predigt "Von der Lauterkeit", angeführt. Vgl. o., S. 39. 42

Preger greift bei seiner Behandlung des Johannes von Sterngassen als erster ausführlicher auf die reichhaltige biographische und bibliographische Literatur der Dominikaner vor dem neunzehnten Jahrhundert zurück. Nach Steill - zu dem keine näheren Angaben gemacht werden soll Johannes aus einer adligen Kölner Familie stammen130. Neben Johannes und Gerhard nennt Preger noch einen dritten Dominikaner "von Sterngassen": Hermann, Mitunterzeichner des Protests, den Nikolaus von Straßburg, päpstlicher Visitator für die Ordenprovinz Teutonia der Dominicaner, ob des vom Kölner Erzbischof Johannes von Virneburg unter Mißachtung der Exemtion gegen Meister Eckhart angestrengten Inquisitionsprozeß einlegte131. Johannes von Sterngassen muß eine hervorragende Persönlichkeit gewesen sein, da Antonius Senensis ihn "einen Mann" nennt, "... der wegen seiner Erkenntnis und seiner ausgezeichneten Schriften berühmt gewesen sei"132. An Werken werden diejenigen angegeben, die dieser Ordenshistoriograph verzeichnet: ein Sentenzenkommentar, ein Kommentar zum alttestamentlichen 'Buch der Weisheit', ein Psalmenkommentar, Quaestiones in totam philosophiam naturalem, In librum de bona fortuna, sowie Predigten durch das Jahr und zu den Heiligenfesten133. In seiner Würdigung der Persönlichkeit Johannes von Sterngassens schildert Preger ihn als einen wissenschaftlich nicht so interessierten und originellen wie vielmehr auf höchste rhetorische Wirkung bedachten Prediger, der sich lehrmäßig ganz an Meister Eckhart anschließe: "Bei Sterngassen ist überhaupt auf die Form der Rede, auf Ordnung und Gliederung, mehr Bedacht genommen. Er steht eben nicht mehr im Drange des Schaffens, sondern verwendet Resultate, welche zumeist schon durch den Meister errungen sind"134. Gerade in dem Punkt, in dem Preger einen wichtigen Fortschritt gebracht hatte, der Zuhilfenahme der dominikanischen Historiographen, zog er heftige Kritik des vatikanischen Unterarchivars Heinrich Suso Denifle OP auf sich. Dieser verurteilte die eklektische Art der BenutA.a.O., S. 121 f. Zu F. Steill: Ephemerides Dominicano-Sacrae (1691) vgl. u., S. 153 - 155.

130

131

A.a.O., S. 121 f. Ders. Meister Eckhart und die Inquisition. S. 31.

132 A.a.O., S. 123. Preger bezieht sich - ohne es anzugeben - auf dessen Bibliotheca Ordinis Fratrum Praedicatorum (1585), S. 146; er scheint aber den panegyrischen Charakter dieses Werkes nicht erkannt zu haben, in dem so gut wie jeder Autor in dieser Art gelobt wird. 133

Ebd.

134

A.a.O., S. 121. Vgl. dort auch S. 119.

43

zung jener Quellen135 und legte bald darauf eine Untersuchung der verschiedenen mittelalterlichen Ordensgeschichtsschreiber vor, die Aufzeichnungen und listen über dominikanische Schriftsteller und Magistri hinterlassen habende. Hier setzte er es sich zum Ziel, die Lücke soweit wie möglich auszufüllen, die Quetif und Echard gelassen hatten, indem sie ihre Quellen nicht angeben - was ebenso scharf gebrandmarkt wird wie Pregers Fehler137. Ausgangspunkt ist dabei ein von L. Delisle entdeckter Traktat: De quattuor in quibus Deus Praedicatorum Ordinem insignivit des Stephanus de Salanhaco (+ 1291)138. An diesem hatte der ursprüngliche Verfasser bis 1278 gearbeitet und ihn dann unfertig - wahrscheinlich erst in einem Rohstadium - hinterlassen. Der südfranzösische Dominikanerhistoriograph Bernardus Guidonis (1261/62 - 1331) hat das Werk dann gesammelt, geordnet und fortgesetzt; die Suche nach Textzeugen des ursprünglichen Torsos ist nach Denifle deshalb zweckloses. Bernardus Guidonis selbst hat das Werk bis etwa 1311 - 1312 fortgeführt140, wenngleich es auch bereits Abschriften aus dem Jahr 1308 gibt, die eine erste Rezension darstellen"1. Später sind dann wohl unabhängig voneinander verschiedene Fortsetzungen erstellt worden, die teilweise über das Jahr 1358 hinausreichen142. Im dritten Teil des Traktats findet sich ein Verzeichnis der "Magistri in sacra theologia", das Denifle als Anhang zu seiner Studie ediert hat143. Unter den 151 hier Genannten findet sich Johannes von Sterngassen nicht. 135

H. S. Denifle: Zur Quellenkunde der Dominicaner-Geschichte. ALKGMA I (1885), S. 148 f. 136

H. S. Denifle: Quellen zur Gelehrtengeschichte des Predigerordens im 13. und 14. Jahrhundert. ALKGMA II (1886), S. 165 - 248.

137

A.a.O., S. 165 f.

138

A.a.O., S.167. L. Delisle: Notice sur les manuscrits de Bernard Guy. Ders.: Notices et éxtraits des manuscrits de la Bibliothèque Nationale 27,2 (1879), S. 169 - 455. 139 Ebd. Zu dem in U. Eco's Name der Rose (dt. 1982) übel dargestellten Bernardus Guidonis vgl. Th. Kaeppeli: Ordinis Praedicatorum Medii Aevi; t. I (1970) S. 205226. A. Vernet: LMAI (1980), Sp. 1976 f. 14

° A.a.O., S. 183 u. 187.

141 A.a.O., S. 185 f. 142 A.a.O., S. 225. 1 43 A.a.O., S. 203 - 225. Das Verzeichnis heißt zwar "Magistri in theologia Parisius", die jüngeren Rezensionen nennen teilweise aber auch vom Papst an der Kurie promovierte Magistri, als ersten Dominicus Grima (Nr. 74, S. 219. Vgl.: MOPH XXII,

44

Ein Verzeichnis, das nicht auf die Magistri beschränkt ist, fand Denifle in einer Pergamenthandschrift aus der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts im Zisterzienserstift Stams in Tirol. Daß Thomas von Aquin darin noch nicht als 'Sanctus' aufgeführt wird, läßt auf eine Abfassungszeit vor dessen Heiligsprechung im Jahr 1323 schließen144. Bei dem erhaltenen Codex handelt es sich aber gleichwohl nicht um das Original, sondern um eine Kopie145. In diesem Stamser Katalog - wie er gewöhnlich genannt wird - findet sich: "Johannes de Sterngasse, natione theutonicus, scripsit lecturam super sententias"146. Die Liste der "Fratres qui claruerunt doctrina" im Catalogus fratrum spectabilium ordinis fratrum Praedicatorum des Laurentius Pignon OP (+ 1449) ist nach Denifle von einem Dokument nach Art des Stamser Katalogs abhängig, denn sie bringt die gleichen Angaben, wenn auch manchmal in anderer Reihenfolge147. Sie ist die Hauptquelle von Quetif - Echard gewesen148. Analog zum Stamser Katalog wird in ihr an entsprechender Stelle allerdings "Johannes de Spernegassen" erwähnt149. Denifle identifiziert diesen mit dem "Johannes de Sternegasse", der für 1310 in Straßburg belegt ist, hält es aber für fraglich, ob der dort 1316 bezeugte "dictus de Sterregassen" mit ihm identisch ist150. Gegenüber diesen Quellen tritt das Verzeichnis der "Sacrae paginae doctorum" im Uber de viris illustribus Ordinis Praedicatorum des Johannes Meyer zurück. In dieser recht ungenauen Liste steht "Johannes de Sterregassen"151 an zehnter Stelle zwischen dem ohne Zweifel älteren "Johannes de Erdenberg"152, und "Johannes Alemannus"153, noch s. 137 f.) sowie solche aus Toulouse, als ersten Guillielmus de Leus (Nr. 62, S. 214; vgl.: MOPH XXII, S. 134).

noch 143

1 4 4 A.a.O., S. 194. Stams Cod P 1. Ed. a.a.O., S. 226 - 240. Neue Ed. G. Meersseman: MOPH XVIII (1936), S. 56 - 67. Darin Reihenfolge wegen einem Abschreibefehler in der Vorlage verändert (vgl. a.a.O., S. 65 ). 145

Ebd.

146

A.a.O., S. 228, Nr. 10. Ed. G. Meersseman. S. 63, Nr. 48.

147

A.a.O., S. 195 f. Ed. G. Meersseman: MOPH XVIII, S. 1 - 55.

148

A.a.O., S. 196.

149

A.a.O., S. 228, Anm. 13. Ed. G. Meersseman. S. 28, Nr. 49.

1 5 0 Ebd. Zitiert Urkundenbuch Vgl.u., S. 161 f.

der Stadt Straßburg,

Bd. III (1884), S. 206 u. 253.

151

A.a.O., S. 190 f.

152

Johannes de Ardenburgo (+ 1296). Vgl. Th. Kaeppeli: Scriptores ..., II, S. 3 7 6 f.

45

vor "Hugo Argentinus"154. Die Reihenfolge bei Johannes Meyer kann also keine chronologische sein stellt Denifle gegen Preger festes. Auch daß Johannes von Sterngassen Magister der Theologie gewesen sei, kann nicht ohne weiteres gesagt werden156. In den weiteren Beiträgen Denifles im "Archiv für Litteratur- und Kirchengeschichte des Mittelalters" wird Johannes von Sterngassen noch in der Studie Über die Anfänge der Predigtweise der deutschen Mystiker erwähnt157. Dort wird darauf hingewiesen, daß die mittelhochdeutsche Mystik, deren vorwiegende literarische Gattung ja die Predigten bilden, nicht einfach in einer Art luftleerem Raum entstanden ist, sondern aus ganz bestimmten pastoralen Anforderungen. Die ältesten Konstitutionen des Dominikanerordens hatten die Schwesternseelsorge noch unter Strafe verboten, da sie von der Auseinandersetzimg mit den Häretikern und dem dazu nötigen Studium abhielt. Doch gerade auf diesem Gebiet bestand ein großes Bedürfnis nach theologisch gut gebildeten Kräften158. Papst Klemens IV hob deshalb 1267 die Beschränkungen, die sich der Orden selbst auferlegt hatte, auf und übertrug ihm die Cura monialium159. Das hatte besonders für die Ordensprovinz Teutonia weitreichende Folgen, denn hier gab es zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts nicht weniger als fünfundsechzig der geistlichen Begleitung des Ordens anvertraute Frauenklöster - gegenüber etwa neunzig in allen anderen Provinzen des Ordens zusammen160. Alle diese mußten mit Spiritualen, Predigern und Beichtvätern versorgt werden. Dabei konnte nicht einfach jeder Ordensbruder herangezogen werden, und so erließ Hermann von Minden, Provinzial der Teutonia 1286 - 1290, im Jahr

153 Vielleicht Johannes de Argentina (ca. 1227). Vgl. A. Kühl: Die Dominikaner ..., S. 55. 154

Hugo Ripelin (+ 1268). Vgl. Th. Kaeppeli: Scriptores ..., II, S. 260 - 269.

155

Quellen ..., S. 192.

156

Ebd.

157

ALKGMA, Bd. II (1886), S. 641 - 652. Denifles Kritik an Preger: Meister Eckeharts lateinische Werke: ALKGMA, Bd. II, S. 525 u. 528 f. 15

» A.a.O., S. 641 f.

15

s A.a.O., S. 643.

160

Ebd. A. Walz: Compendium historiae Ordinis Praedicatorum ( 2 1949), S.177, gibt diese Zahl (Denifle: ca. 70) für 1303 - gegenüber 13 in der an Schwesternklöstern nächstreichen Ordensprovinz Lombardia inferior.

46

1286/87 besondere Instruktionen für diese Aufgabe161. Darin ist ausdrücklich festgelegt, daß die Predigten für die Schwestern ein hohes Niveau haben sollten und deshalb bestimmt: "Providete, ne refectione careant verbi dei, sed sicut erudicioni ipsarum convenit, per fratres doctos saepius predicetur"162. Die fratres docti sind für Denifle nun keine anderen als die Lektoren und Magistri, die 'hauptberuflich' an den in jedem größeren Konvent bestehenden Ordensstudien tätig waren. "Die Magistri und Lektoren schöpften natürlich aus demjenigen, was sie selbst in der Schule gelernt und was sie in der Schule vortrugen. Sie legten daher ihren Charakter als Scholastiker nicht ab ... Andererseits aber mußten sie danach trachten, die Schwestern anzueifern, sich von sich und Allem völlig los zu schälen, und nach der mystischen Vereinigung mit Gott zu trachten. Im Bezug auf diesen 2. Punkt, der umso wichtiger wurde, je mehr die Prediger bei den Schwestern einen bereiten Boden fanden, sind die Predigten mystisch, und man kann von deutschen Mystikern sprechen; hinsichtlich des ersten Punktes sind sie scholastisch"163. Wie schon in der Abhandlving Meister Eckeharts lateinische Schriften, gibt es also für Denifle den behaupteten tiefgreifenden Gegensatz zwischen Scholastik und Mystik gar nicht164. Wäre der Sentenzenkommentar des Johannes von Sterngassen noch erhalten, so würde er das in ähnlicher Weise unterstreichen wie die zurückgefundenen lateinischen Werke Meister Eckharts165. In der Allgemeinen Deutschen Biographie erschien 1893 ein Artikel über Sterngassen, Johannes aus der Feder von Philipp Strauch. Im wesentlichen ist er eine Zusammenfassung der Darstellung Pregers, korrigiert durch die bereits erwähnte Kritik166. Johannes, Gerhard und Hermann sind wahrscheinlich Glieder derselben Familie, doch daß sie aus Köln kommen, wird bezweifelt. Sie könnten ebensogut aus Oberdeutschland stammen, zumal Gerhard 1316 urkundlich in Straßburg

A.a.O., S. 644. Edition als Anhang: S. 649 - 652. Zu Hermannus de Minda vgl.: Th. Kaeppeli: Scriptores ..., II, S. 227 f.

161

162

A.a.O., S. 645 u. 650, 3 - 5.

163

A.a.O., S. 6 4 6 f.

164

A.a.O., S. 6 4 7 f. Ders.: Meister Eckeharts ...

S.426 f.

A.a.O., S. 647. 166

ADB 36, S. 120 - 122. Zur Kritik vgl. o., S. 39.

47

belegt sei und Johannes dort 1310 und vielleicht ebenfalls 1316167. Eckhart und Johannes sind geistesverwandte Naturen, doch ein Meister-Schüler-Verhältnis liegt zwischen ihnen nicht vor: "... beide sind vielmehr gleichzeitig und wurzeln in der Scholastik, woraus sich die Ähnlichkeit der Gedanken erklärt"168. Johannes von Sterngassen wird als ein hinreißender Prediger geschildert, der schwierige - manchmal an Pantheismus grenzende - Gedanken in eine packende rhetorische Form zu kleiden vermag: "den fragmentarischen Charakter der Überlieferung dürfen wir gerade bei dieser Persönlichkeit besonders bedauern"169, beendet Strauch seine Ausführungen. Der Zweifel an der Kölner Herkunft führte bei dem elsässischen protestantischen Kirchenhistoriker Charles Schmidt zur Bestätigung seiner Straßburger Beheimatung170. In einer Quittung der Stadt Metz über an in ihrem Dienst stehende Ritter ausgezahlten Sold vom 24. September 1327 wird unter 72 anderen Empfängern ein "Stenegasse de Straborch" genannt171. "Stenegasse" ( Steingasse ) ist, wie auch schon der Herausgeber des Urkundenbuchs angemerkt hat, so Schmidt, ein Irrtum für "Sterngasse", denn es gab im Straßburg des Mittelalters weder eine Steingasse, noch eine adlige Familie dieses Namens172. Gerhard und Hermann können gut zur selben Familie und zum Studium oder aus anderen ordensbedingten Gründen in Köln gewesen sein173. Johannes von Sterngassen jedenfalls wird am 20. September 1310 als Straßburger Konventual und Beichtvater des verstorbenen Ritters Peter Panfelin in einer Seelgerätstiftung erwähnt174. Am 4. Juli 1316 erscheint ein Dominikaner "dictus de Sterregasse" als Testamentsvoll-

167 A.a.O., S. 121. Die 'urkundliche Belegung' des Gerhard von Sterngassen in Straßburg ist allerdings nicht zu verifizieren. 168

Ebd. Vgl. o„ S. 39, Anm. 107.

169

A.a.O., S. 122.

170

Ch. Schmidt: Le dominicain Jean de Sterngasse, Revue d' Alsace 47 (1896), S. 324 - 328. 171

A.a.O., S. 324. Urkundenbuch der Stadt Straßburg, Bd. III, Nr. 1179: S. 354, 33.

172

Ebd., Anm. 5.

173

A.a.O., S. 324 f.

174

A..a.O., S. 325, Anm. 2. Urkundenbuch ..., III, Nr. 675: S. 206, 14 - 19.

48

Strecker des Scholasters Reimboldus de Kagenecke175. Er wird von Schmidt jetzt mit Johannes von Sterngassen identifiziert, während er sich früher unsicher gezeigt und ihn eher für Gerhard gehalten hatte176. Dies hatte seine Spuren nicht nur bei Preger und Strauch hinterlassen, sondern auch in der Beschreibung der am 24. August 1870 bei der Beschießung der Stadt verbrannten Handschriften der Straßburger Stadtbibliothek, wo in Codex A 98 aus dem ehemaligen dortigen Johanniterkloster Stücke von Eckhart, Tauler, Seuse und Gerhard von Sterngassen enthalten gewesen sein sollen177. Johannes von Sterngassen ist nach Schmidt im Jahr 1316 Lektor des Straßburger Dominikanerkonvents, predigt den Schwestern in St. Nicolaus ab undis und wird noch im selben Jahr zum Prior gewählt178. Nach dem Zeugnis des Johannes Meyer lebte er 1323 noch und war Doktor der Theologie - nach Schmidts Vermuten hat er seine Studien wahrscheinlich in Paris vollendet179. Seine Werke sind zum größten Teil verloren, und auch der Rest ist nur fragmentarisch überliefert. In einer Predigthandschrift wird er pantheistischer Tendenzen verdächtigt, in einer anderen gegen ein solches Mißverständnis in Schutz genommen180. Schmidts Argumentation wurde 1923 von Nikolaus Paulus in seiner Rezension von Martin Grabmanns "Neuaufgefundene lateinische Werke deutscher Mystiker" aufgenommen181. Nicht lange danach revidierte Paulus jedoch diese Ansicht unter dem Eindruck von Grabmann und Lohr, die sich auf die handschriftliche Zuschreibung und Kölner Quellen bezogen, Schmidts Argumente jedoch nicht berührten 182 . Lugien Pfleger, gestützt auf Schmidt, behauptete hingegen, daß es zwei verschiedene Johannes von Sterngassen gegeben habe und der 17

5 A..a.O., S. 325. Urkundenbuch ..., III, Nr. 829, S. 353, 13 - 33. Bezug auf Johannes bezweifelt von H. S. Denifle: Quellen zur Gelehrtengeschichte ..., S. 228. Vgl. o., S. 45. Zum Problem vgl. u., S. 162. 176

Vgl. o., S. 34.

177 J. Rathgeber: Die handschriftlichen Schätze der früheren Straßburger Stadtbibliothek (1876), S.48 (unter Berufung auf Schmidt). Vgl. W. Preger: Geschichte der deutschen Mystik ..., Bd. II, S. 86. 178

Ch. Schmidt: Le dominicain ..., S. 325. Ohne Beleg.

179

Ebd. Zum Quellenwert Johannes Meyers vgl.o., S. 45 f.

180

A.a.O., S. 328. Leider ohne Angabe, um welche Hss. es sich dabei handelt.

181

Hist JB 43 (1923), S. 146 f.

182 N. Paulus: Der Dominikaner Johannes von Sterngassen kein Straßburger. Arch eis KG 3 (1928), S. 405 - 407. Vgl. u., S. 157 - 159.

geborener

49

Straßburger Mystiker eine andere Person sei als der in Köln beheimatete namensgleiche Scholastiker1«. An der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert rückten die zugunsten der mittelhochdeutschen lange vernachlässigten mittelniederdeutschen Handschriften stärker in das Blickfeld der Forschimg - ein Verdienst nicht zuletzt auch Karl Borchlings, der planmäßig die Bibliotheken Norddeutschlands, Belgiens, der Niederlande und Skandinaviens durchging. In der Königlichen Bibliothek zu Brüssel fand er eine Sammelhandschrift mit Gebeten und Betrachtimgstexten aus dem späten vierzehnten Jahrhundert 184 , die ein Stück enthält: "Der van sternengassen wart gevraget wat unse lieve vrouwe dede do der engel zu ir quam ... got mynnende end got schowende was idel sele zo allen zyden. Amen"185. Borchling erkannte es richtig als der fünften der von Pfeiffer edierten Predigten entsprechend186. Was die sprachliche Charakterisierung als "niederdeutsch" anging, blieb er jedoch nicht unwidersprochen. Rudolf Priebsch unterzog die Handschrift einige Jahre später einer gründlichen Untersuchung und fand dabei eindeutige Hinweise auf ihre Herkunft aus Köln187. Der dort gesprochene ripuarische Dialekt, in dem sie abgefaßt ist, enthält zwar niederdeutsche Elemente, gehört aber noch zum hochdeutschen Bereich. Dementsprechend stellte Priebsch auch nur geringfügige Abweichungen des Sterngassentextes gegenüber der Edition fest - von einem auch inhaltlich veränderten Schlußsatz einmal abgesehen188. Im Jahr 1907 erschien der erste Band eines Katalogs der Universitätsbibliothek Basel. Der Bearbeiter, Gustav Binz, brachte darin die Hypothese, in Hs. A XI, 68 anonym erhaltene Quaestiones utiles et informativae seien eventuell die Johannes von Sterngassen zugeschriebenen Quaestiones in totam philosophiam naturalem, da er eine Stelle aus 18

3 Rez. von MAGL, I in: Arch eis KG 3 (1928), S. 403 f.

184

Mittelniederdeutsche Handschriften in Norddeutschland und den Niederlanden, Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 1898, S. 79 - 316, hier S.267 f. Zu BR Cod. 14 688 vgl.: J. Van der Gheyn: Catalogue des manuscrits de la bibliothèque royale de Belgique. Bd. I (1901), S. 574 f. 18

5 A.a.O., S. 268 f. In der Hs.: fol. 62v 1 - 66r 10

186

A.a.O., S. 269. Vgl. u., S. 378, Hs. 2.

187

Aus deutschen Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Brüssel. ZfdPh 36 (1904), S. 58 - 86. 188

50

A.a.O., S. 70.

einer deutschen Predigt dort zitiert findet189. Binz selbst war sich dessen keineswegs sicher, und Philipp Strauch, der in seiner Rezension des Katalogs ein weiteres Sterngassen-Zitat nachwies, setzte ebenfalls ein Fragezeichen190. Mit den durch die Mystikertexte aufgeworfenen traditionshistorischen Problemen beschäftigte sich eingehender Adolf Spamer in seiner 1910 im Druck erschienenen Dissertation: Über die Zersetzung und Vererbung in den deutschen Mystikertexten. Er streicht dabei heraus, daß man auf das Mittelalter nicht ohne weiteres den heutigen Begriff des geistigen Eigentums anwenden darf: "Im ganzen und großen ist eben jene Literatur herrenloses Gemeingut, ... und darum hat jeder Einzelne das Recht, den überkommenen Stoff nach seinem Belieben umzuformen, wie es ihm sein persönliches Gefühl, sein Spiel trieb und seine Vernunft vorschreiben"191. So werden nicht nur Stücke verschiedener Autoren durcheinandergemischt, sondern auch die literarischen Gattungen fließen ineinander über; aus Predigten werden einzelne Passagen als Sprüche extrahiert und zu neuen Spruchfolgen und Traktaten zusammengestellt192. Daß man von solchen, möglicherweise stark umgestalteten Hörer(innen)mitschriften nicht einfach auf die tatsächlichen Aussagen des Johannes von Sterngassen - ja noch nicht einmal auf die Authentizität der unter seinem Namen bekannten Stücke schließen kann, betonte später P. Heribert Fischer193. In dem aus dem ehemaligen Benediktinerkloster St. Peter im Schwarzwald stammenden Cod. St. Peter preg. 85 der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe stieß Spamer auf eine ganze Reihe von Fragmenten aus verschiedenen Sterngassenpredigten, die hier in Form eines Spruchmosaiks mit Stücken anderer Verfasser zusammengestellt worden sind194. Beiläufig wies er auch auf eine Handschrift der Wiener Nationalbibliothek hin, in der sich anonym die erste der von Wackenagel edierten Predigten findet: "die weitaus ausführlichste Fassung ... gegen die der Wackernagelsche Druck stellen189 G. Binz: Die Handschriften der öffentlichen Bibliothek der Universität Basel, Bd. 1(1907), S. 335 - 339. In der Hs. fol. 64v. Das Stück entspricht: W. Wackernagel: Altdeutsche Predigten ..., S. 164, 38 - S. 165, 1. Vgl. u„ Teil II, p. 380, 7 - 11. 19

° AfdA 33 (1909), S. 125 - 129; hier S. 127.

191

A. Spamer: Über die Zersetzung ..., S. 14.

192

A.a.O., S. 15.

193

Grundgedanken der deutschen Predigten. Meister Eckhart der Prediger (1960), S. 28. 194

A. Spamer: Über die Zersetzung ..., S. 294 - 296. 51

weise nur den Eindruck eines Dispositionsauszuges macht"195. Einen Auszug aus diesem Text fand er in der Stiftsbibliothek Melk196. Borchlings Forschungen zur niederdeutschen geistlichen Literatur wurden von Wolfgang Stammler fortgesetzt und vertieft. Dieser entdeckte in der noch erhaltenen Bibliothek des ehemaligen Benediktinerrnnenklosters Ebstorf bei Uelzen eine Handschrift mit einem "Confirmacio. De meyster van Sterngassen" überschriebenen Text, der sich als ein Mosaik aus der ersten von Wackernagel edierten Predigt erwies197. Ein gleichartiges, allerdings anonymes Stück fand er in einer Handschrift der Königlichen Bibliothek zu Kopenhagen198, noch ein Fragment aus derselben Predigt im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg199. Eine Passage des Nürnberger Fragments ähnelt so stark dem Stück, das sich in der Ebstorfer Handschrift an das Sterngassen zugeschriebene anschließt, daß Stammler dieses als ebenfalls möglicherweise von diesem Autor stammend abdruckt200. Was von dieser Überlieferung allerdings auf Gerhard und was auf Johannes von Sterngassen zurückgeht, möchte er nicht entscheiden201. J. A. H. Beuken fand und untersuchte im Collegium Augustinum, Gaesdonck (Niederrhein), eine - nachher im Zweiten Weltkrieg verlorengegangene - Handschrift mit Eckhart-und Sterngassen-Texten in mittelniederländischer Übersetzimg202, die A. Ubbink aufgrund von Aufzeichnungen in seine Darstellung der Rezeption Meister Eckharts in den Niederlanden einbezogen hat203.

195

A.a.O., S. 33 f., Anm. 3. Zu Wien, Cod. 2728, vgl. u. S. 317 u. 319. Edition: Teil II, p. 3 5 0 - 357. 196

Ebd. Zu Melk, Benediktinerstift, Cod. 371, vgl. u. S. 316, 319, 325.

197

W. Stammler: Studien zur Geschichte ..., S. 154. Hs. Ebstorf IV, 12, fol. 337r 339r. Vgl. u., S. 317 u. 325. 19

» Ebd. Hs.: NKS 8' 19, fol. 23r-v. Vgl.: K. Borchling: Mittelniederdeutsche Handschriften in Skandinavien ..., S. 31 f. 199

A.a.O., S. 155. Hs. 22 936, fol.l31v-132r. Vgl. L. Kurras: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften. 1. Teil ( 1974 ), S. 91. 200

A.a.O., S. 155 f., vgl. u„ S. 93.

201

A.a.O., S. 153.

202

Rondom een middelnederlandsche Eckeharttekst. Ons geestelijk erf 8 (1934), S. 3 1 0 - 337; hier S. 326 - 328.

203 D e receptie van Meister Eckhart in de Nederlanden gedurende de middeleeuwen (1978), S. 163 f.

52

Weitere mittelhochdeutsche Handschriften der bereits bekannten Sterngassen-Predigten und Sprüche fand Josef Quint bei seinen Arbeiten zur Vorbereitung der kritischen Ausgabe der deutschen Werke Meister Eckharts204. In einem Kodex der Zürcher Zentralbibliothek entdeckte er dabei ein kurzes Stück: "Bruder Johannes von Sterngassen sprichet, swer welle de im etwenn si als unserm herrn got alweg ist ... der sol sin selbes vergessen"2^. Als bislang unveröffentlicht druckte Quint es ab206, wobei ihm entging, daß dieser Text bis auf Einzelheiten der Schreibweise mit dem bereits 1839 von Wilhelm Wackernagel im Altdeutschen Lesebuch mitgeteilten übereinstimmt 207 . Dieser hat lediglich eine etwas längere Einleitung ("von einem heidenne"), die hier fehlt. Da sich dadurch auch das Incipit ändert, ist das Versehen durchaus erklärbar. Nachdem die Mystikforschung bereits Anfang des Jahrhunderts keine wesentlich neuen Erkenntnisse über Johannes von Sterngassen mehr gewonnen hatte, faßte Adolf Spamer 1934 in einem Überblick über die mittelhochdeutsche Mystik das bereits Bekannte zusammen: Johannes ist ein bedeutender Scholastiker und mystischer Prediger, dessen Lebenslauf allerdings weitgehend im dunkeln liegt. Sein Sentenzenkommentar mache ein Studium in Paris wahrscheinlich. Die Ergebnisse, die in der Scholastikforschung zu Johannes von Sterngassens Werk erzielt worden sind, werden kurz dargestellt - eine erfreuliche Erweiterung des Blickwinkels, der bei früheren Germanisten oft zu sehr auf Mystik als nationale literarische Erscheinving beschränkt war208. Eine Reihe neuhochdeutscher Übersetzungen von Auszügen aus den bekannten Predigten wurde seit den dreißiger Jahren in einer von Angela Rozumek übersetzten und mit einer Einleitung von Alois Dempf

204 Neue Handschriftenfunde zur Überlieferung Meister Eckharts und seiner Schule (1969). Ders.: Fundbericht zur handschriftlichen Überlieferung der deutschen Werke Meister Eckharts und anderer Mystikertexte (1969). 205

J. Quint: Neue Handschriftenfunde ..., S.234. Vgl. C. Mohlberg: Die Handschriften der Zentralbibliothek Zürich. Fase. 1 (1932), S. 7.

2

°s Ebd.

207

Sp. 891, 32 - 892, 9. Übereinstimmung: 891, 39 - 892, 9. Vgl. o„ S. 33; vgl. a. Teil II, p. 376. 208

Die Mystik. Germanische Philologie (1934), S. 331 - 379; hier S. 369 f.

53

versehenen Anthologie veröffentlicht 209 . Eine neue mittelhochdeutsche Leseausgabe veranstaltete Wolfgang Stammler 1948210. Sie enthält die meisten der bereits bei Pfeiffer gedruckten Texte sowie das von Quint mitgeteilte Stück - dessen Identität mit dem bereits von Wackernagel edierten auch Stammler offenbar nicht bemerkte. Diese Edition ist zwar leider keine kritische, bietet aber doch einen bereits revidierten Text. 1974 haben schließlich Karin Morvay und Dagmar Grube die bereits veröffentlichten Predigten in einer Übersicht zusammengestellt211.

1.1.4 Die Erforschung des scholastischen Kommentators Mit der Erforschung der Philosophie- und Theologiegeschichte des Mittelalters ist der Name Martin Grabmanns eng verbunden 212 . Vor allem durch seine intensiven Handschriftenforschungen hat dieser unermüdlich nach verborgenen Schätzen grabende Mann viele Autoren und ihre Werke des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts überhaupt erst wiederentdeckt. Auch im Fall des Johannes von Sterngassen ist das so. Als eine Frucht seines ersten Romaufenthalts publizierte Grabmann 1903 eine Quaestion über den Unterschied von Wesen und Dasein, die er in einem Sentenzenkommentar aus einem Codex der Vatikanischen Bibliothek gefunden hatte 213 . Im Explicit wird dieses Werk einem "frater Johannes theotonicus, magister in sacra theologia" zugeschrieben 214 . In 209

Vom inwendigen Reichtum: Texte unbekannter Mystiker aus dem Kreise Meist Gierath?r Eckharts / ed. A. Rozumek (1937), S. 21 - 32. Auszüge hieraus bei: G.s: Reichtum des Lebens (1954), S. 94 f. 2

10 Gottsuchende Seelen (1948), S. 134 - 139, S. 219.

211

Bibliographie der deutschen Predigt des Mittelalters: veröffentlichte Predigten (1974), S. 115 - 119. 212 Zur Biographie Grabmanns: F. Van Steenberghen: Introduction..., S.313- 316. Ders. in RlPh 29(1975), S. 211 - 219 (Einleitung zu Grabmann-Gedenkheft). 213

Die Lehre des Johannes Theutonikus O. Pr. über den Unterschied von Wesenheit und Dasein (Cod. Vat. lat. 1092), Jahrbuch für Philosophie und spekulative Theologie 17 ( 1903 ), S. 43 - 51. 214 A.a.O., S. 43. In Cod. V fol. 103rb. In seiner im selben Jahr erschienenen Monographie: "Die Lehre des hl. Thomas von Aquin von der Kirche als Gotteswerk" erwähnt Grabmann ebenfalls den Sentenzenkommentar des "Johannes Theutonikus" (Op. cit. S. 124).

54

der Zeit, auf die die kodikologische Charakteristik der Handschrift verweist, der Wende vom dreizehnten zum vierzehnten Jahrhundert, gab es im Dominikanerorden - unter dessen Mitgliedern, so Grabmann, der Verfasser zu suchen ist - mehrere Deutsche, Magistri, die Johannes hießen: Johannes Radebent215, Johannes de Eueringen216, Johannes de Sterngassen217 und Johannes de Lichtenberg218. Die beiden letztgenannten haben je einen Sentenzenkommentar verfaßt; doch werden gewöhnlich nicht sie, sondern Johannes de Wildeshausen (+ 1252), der vierte Generalmeister des Dominikanerordens, und Johannes de Friburgo (+ vor dem 22. 4. 1304), Verfasser einer weitverbreiteten Summa confessorum219, 'Johannes Theutonicus' genannt. Doch der erste ist als scholastischer Schriftsteller überhaupt nicht in Erscheinung getreten, und der letztere führt in seiner Summa so oft wie möglich Thomas von Aquin namentlich an, was in dem in Frage stehenden Sentenzenkommentar nicht so ist. Er wird deshalb ebenfalls als möglicher Verfasser ausgeschieden22«». Es bleiben also Johannes von Sterngassen und Johannes von Lichtenberg, zwischen denen Grabmann sich nicht entscheiden kann221. Im Anschluß folgt die Edition der Quästion222. Da in Glossen nur Thomas von Aquin, 'Egidius' ( Aegidius Romanus, + 1316 ), Bonaventura und die "opinio minorum" genannt werden, folgert Grabmann daraus, daß die Glossen - und damit a fortiori das ganze Werk - bereits bald nach dem Tod des hl. Thomas entstanden sein müßten223. Ebd. Grabmann bezieht sich auf die Liste des Bernardus Guidonis ( vgl. o., S. 31 f. ), ed. Denifle, S. 228, Nr. 135 = ed. Th. Kaeppeli, S. 146, Nr. 135: "Fr Iohannes, dictus Radebent, natione Theotonicus in Colonia ". Vgl. u., S. 139 f. 215

2 1 6 Ebd. Liste ed. Denifle S.224, Nr.136; ed. Kaeppeli ., S.146, Nr.136: "fr. Iohannes de Eueringen, natione Theutonicus, in Montepessulano . Vgl. u., S. 140.

Ebd. Grabmann beruft sich auf H. S. Denifle: Quellen zur Gelehrtengeschichte, S.228. Der dort gedruckte Stamser Katalog ist jedoch keine Liste von Magistri, sodaß er nicht ohne besondere Erwähnung des Titels dafür in Anspruch zu nehmen ist. 217

218

Ebd. Grabmann stützt sich auf den Stamser Katalog.

219

Th. Kaeppeli: Scriptores... II, S. 4 2 8 - 436.

220

Die Lehre des Johannes Theutonikus ..., S. 43.

221

Ebd.

222

A.a.O., S. 44 - 51: L. I, d. 8, q. 1, a. 1. Vgl. u. Teil II, S. 149 - 173.

223

A.a.O., S. 47, Anm. 1.

55

1905 konkretisierte Grabmarm seine Vermutung hinsichtlich der Autorenschaft dieses Sentenzenkommentars, von dem er inzwischen in Cod. 102 des Zisterzienserstifts Lilienfeld (Niederösterreich) eine zweite Handschrift gefunden hatte, auf Johannes von Lichtenberg224. Dagegen wandte sich jedoch 1912 Engelbert Krebs. In seiner Untersuchung der verschiedenen Auffassungen über den Wissenschaftscharakter der Theologie gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts hatte er die dieses Thema betreffenden Stellen in Vat. lat. 1092 verglichen mit den von ihm selbst gefundenen Quaestionen in Vat. lat. 859, die dort ausdrücklich Johannes von Lichtenberg zugeschrieben werden225. Aufgrund der unterschiedlichen Bestimmung des Objekts der Theologie in den beiden Werken schließt Krebs, daß Johannes von Lichtenberg nicht der 'Johannes Theutonicus', Verfasser des Sentenzenkommentars sein kann226. Bereits 1919 angekündigt227 erschien 1922 Martin Grabmanns Forschungsbericht Neu aufgefundene lateinische Werke deutscher Mystiker228. Der Autor ging, den Ergebnissen Denifles folgend, davon aus, daß der als mittelhochdeutscher Mystiker bekannte Johannes von Sterngassen nach dem Zeugnis der Ordenshistoriographen auch lateinische scholastische Schriften verfaßt haben muß229. Die Hypothese von Binz, daß in der Basler Quästionensammlung seine Quaestiones in totam philosophiam naturalem vorliegen könnten, wird energisch zurückgewiesen230. Der Sentenzenkommentar des Johannes von Sterngassen ist noch von dem Dominikanerkardinal Johannes de Turrecremata in seinem 224

Studien über Ulrich von Straßburg, ZkTh 29 (1905), S. 82 - 107; hier S. 98.

225

E. Krebs: Theologie und Wissenschaft nach der Lehre der Hochscholastik, BGPhThMA 11, 3-4 (1912); hier S. 11, 58 f., 58 f. Vgl. Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 527, Nr. 2601. 226 A.a.O., S. III. Von dem Sentenzenkommentar des Johannes von Lichtenberg fand Z. K. Siemiatowska später 1. IV, d. 1 - 18 in Krakow, Bibl. Jagielonska, Ms 1583: Deux découvertes au sujet de Jacques de Metz et de Jean Picardi. Mediaevalia philosophica Polonorum 8 (1961), S. 29 - 32. 227

M. Grabmann: Drei ungedruckte Teile der Summa de creaturis Alberts des großen, QF 13 (1919), hier: S. 87. 228

In: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Jgg. 1921, 3. Abhandlung; München 1922. Neudruck: M. Grabmann: Gesammelte Akademieabhandlungen, Bd. I (1979), S. 1 - 68. 229

A.a.O., S. 7 f.

230

A.a.O., S. 9. Vgl. o., S. 50; vgl. u„ S. 341 f.

56

Tractatus de veritate conceptionis Beatissimae Virginis zitiert worden231. Eine Handschrift des vierten Buches befand sich früher im Regensburger Dominikanerkloster232, zwei weitere muß es in Löwener Klosterbibliotheken gegeben haben, wie aus der Rekonstruktion des von Johannes Bunderus OP verfaßten Katalogs durch P. Lehmann hervorgeht233. Martin Grabmann ist es - wie er selbst schreibt: "durch einen glücklichen Fund" - gelungen, zwei Handschriften des verlorengeglaubten Sentenzenkommentars wiederzufinden. Wie das geschah ist für die Methode der literaturgeschichtlichen Forschung so interessant, daß es ausführlich beschrieben wird und auch hier zusammengefaßt dargestellt werden soll. Im Cod. 2165 der Wiener Hof-, jetzt National-Bibliothek hatte Grabmann "Quaestiones bone super libros Sententiarum" gefunden und anhand von Explicit und Incipit sowie durch Vergleich mit einer bekannten Handschrift als den Sentenzenkommentar des Johannes Quidort OP (+1306) identifiziert234. Diese Handschrift enthält zahlreiche Randglossen, in denen die Namen derjenigen Scholastiker genannt werden, von denen die im Text verwandten Argumente stammen; manchmal sind auch ergänzende Texte beigefügt. So erscheinen dort Thomas von Aquin ("frater Thomas" und "doctor Thomas")2^, Jacobus de Lausanna OP (+ 1321)23e, Hannibaldus de Hannibaldis OP (+ 1272)237, Hervaeus Natalis OP (+ 13 2 3)238, Jakob von Metz OP (Lector sententiarum 1300 - 1303)239, Bernardus de Trilia OP (+ 1292)24o, Thomasinus

231

A.a.O., S. 10. loharmes de Turrecremata:

232

A.a.O., S. 8. Vgl. u„ S. 204.

233

Ebd. Vgl. P. Lehmann: Quellen ... S. 87. Vgl. u. S. 203.

234

A.a.O., S. 11 f. Zu Cod. Vind. lat. 2165 vgl. u„ S. 242 f.

Tractatus ... ed. E. Pusey (1869), S. 338.

23

s A.a.O., S. 12 f.

23

e A.a.O., S. 14. Th. Kaeppeli: Scriptores..., Bd. II, S. 323 - 329.

237

Ebd. Th. Kaeppeli: Op. cit. II, S. 174 f.

238

Ebd. Th. Kaeppeli: Op. cit. II, S. 231 - 244.

23 24

9 Ebd. Th. Kaeppeli: Op. cit. II, S. 330 f.

Ebd. Th. Kaeppeli:

Op. cit. I, S. 234 - 237.

57

(Guillelmus Petri de Godino OP, + 1336) 241 . Die meisten Exzerpte in den Glossen werden jedoch "Pycardus" - zweifellos Johannes Picardi de Lichtenberg242 - und einem "Sterngacius" zugeschrieben. Der 'glückliche Fund', den wir dem großen Scholastikforscher verdanken, liegt nun darin, daß Grabmann den Namen "Sterngacius" mit "Johannes Theutonicus" in Verbindung brachte. Den letzteren kannte er aus durch den vatikanischen Codex mit dem Sentenzenkommentar und eine Handschrift des gleichen Werkes im Zisterzienserstift Lilienfeld (Niederösterreich)243. Beim Vergleich der Glossen in Wien, Cod. lat. 2165, mit ihr zeigte sich wörtliche Übereinstimmung: "Es war der unwiderlegliche Beweis erbracht, daß der Sentenzenkommentar des Johannes Theutonicus in Cod. 102 von Lilienfeld der Sentenzenkommentar des Johannes von Sterngassen ist"244. Alle Zitate ließen sich so zurückfinden - bis auf das letzte, in dem ausführlich die Frage behandelt wird, ob jeder Engel eine Spezies für sich bilde. Nach Darstellung verschiedener Meinungen schließt sich Johannes von Sterngassen schließlich Thomas von Aquin an. Im Sentenzenkommentar findet sich zwar auch ein diesem Problem gewidmeter Artikel, in dem sich die Frage jedoch - wiederum Thomas folgend - ohne große Erörterung beantwortet findet245. Grabmann kommt zu dem Schluß: "Diese Quästio Johannes von Sterngassen gehört in die Literaturgattung der Quaestiones quodlibetales, die ja auch durch andere zeitgenössische Dominikaner, wie Johannes Picardi von Lichtenberg und Heinrich von Lübeck gepflegt worden ist. Vielleicht läßt sich einmal diese Quästio als Bestandteil von anonymen Quodlibeta feststellen und damit auch Sterngassens Quästionenwerk finden"246. In seiner Beurteilung würdigt Grabmann zunächst die formalen Qualitäten des Sentenzenkommentars: "Nach der formalen und methodischen Seite ist der Sentenzenkommentar Johanns von Sterngassen kein bloßes Commentum, ... sondern 2 4 1 Ebd. Th. Kaeppeli: Op. cit. II, S. 152 - 155. Vgl.: M. Grabmann: Kardinal Guillelmus Petri de Godino OP und seine Lectura Thomasiana, DT(F) 4 (1926), S. 398 - 402. 242

A.a.O., S.15. Th. Kaeppeli: Op. cit. II, S. 527f.

2 4 3 A.a.O., S. 17. K. Schimek: Verzeichnis der Handschriften des Stiftes Lilienfeld. Xenia Bernardiana Bd. II/l, S. 481 - 561; hier S. 548. 244

A.a.O., S. 19.

« A.a.O., S. 20 f. Vgl. Teil II, S. 235 (In II Sent., d. 3, q. 1, a. 3); S. 334 - 3 3 9 (Quaestio). 2

246 A.a.O., S. 21.

58

hat den Charakter von Quaestiones die sich im großen Rahmen der Anordnung des Textbuches freier bewegen und auf eine ausgesprochen philosophisch-spekulative Art die theologischen Probleme behandeln"247. "Die Darstellungsform ... ist rein verstandesmäßig, klar, konzis, und bekundet allenthalben den scharfsinnigen, in Logik und Metaphysik gleich heimischen, in der damaligen Schuldisputation wohlerprobten Theologen"248. Inhaltlich ist eine weitgehende - bis zum wörtlichen Anschluß reichende - Abhängigkeit von Thomas von Aquin festzustellen. Probleme, die seinerzeit kontrovers waren, behandelt Johannes von Sterngassen jedoch auf durchaus selbständige Weise. Manchmal vertritt er dabei Auffassungen, die von den gewöhnlichen der Thomistenschule abweichen. So spricht er sich gegen die von den meisten Thomisten zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts vertretene distinctio realis im Verhältnis von Existenz und Wesen zueinander aus249. Der Vergleich von Sterngassens Sentenzenkommentar mit dem Opus tripartitum des Meister Eckhart und der Summa theologica des Ulrich von Straßburg zeigt keine Spuren direkter Beeinflussung; vor allem fehlt "der neuplatonische Grundzug"2S°. Grabmann knüpft daran die Hypothese, daß Johannes von Sterngassen in seinem Studium nicht unter dem Einfluss dieses, sondern eines thomistischen Milieus gestanden habe. Er geht sogar noch weiter: "Ich möchte die Vermutung aussprechen, daß Sterngassen in Paris studiert hat und vielleicht gar ein unmittelbarer Schüler des Aquinaten gewesen ist"251. Zwar wird Johannes unter den dominikanischen Quellen aus dem Mittelalter nur von dem wenig autoritativen Johannes Meyer der Magistertitel beigelegt, dagegen steht jedoch das nicht zu unterschätzende Zeugnis der Vatikanischen Handschrift, wo er ausdrücklich "Magister" genannt wird252. Zu den äußeren Lebensdaten stützt Grabmann sich auf Denifles Nachweis des Straßburger Aufenthalts im Jahr 13 1 0253. Der auch von Denif247

A.a.O., S. 21.

248

A.a.O., S. 22.

249

A.a.O., S. 23 f.

"o A.a.O., S. 27. 2

si A.a.O., S. 28. Ebd.

2

53 A.a.O., S. 29. Vgl. o., S. 45.

59

le als nicht sicher bezeichneten dortigen Bezeugung aus dem Jahr 1316 widerspricht jedoch die Angabe des Todesjahres 1314 in der Lilienfelder Handschrift254. Die von G. Lohr festgestellte Identität des Johannes von Sterngassen mit dem Kölner Johannes Korngin ist nicht unwahrscheinlich, als Kölner Lektor im Jahr 1333, wie Lohr vermutet, läßt er sich aber nicht nachweisen: "...der Name Johannes war doch auch unter den deutschen Dominikanern so verbreitet, daß sich damit nicht gut Feststellungen von Persönlichkeiten machen l a s s e n " 2 5 5 . Zu der großen Festschrift "Xenia Thomistica", die 1925 aus Anlaß des 600. Jahres der Heiligsprechung des Thomas von Aquin erschien, lieferte Grabmann einen Betrag: Forschungen zur ältesten deutschen Thomistenschule des Dominikanerordens256. Dieser wurde in dem 1926 erschienenen ersten Band seiner Aufsatzsammlung Mittelalterliches Geistesleben ebenfalls abgedruckt257. Dort wird nochmals die Geschichte der Entdeckung des Sentenzenkommentars von Johannes von Sterngassen berichtet258. Die darin nicht enthaltene Quästion aus der Wiener Handschrift Cod. lat. 2165 ist anschließend ediert259. Wiederholt findet sich die Charakterisierung als Thomist, der keinesfalls von Meister Eckhart oder einer anderen neuplatonischen Schulrichtung abhängig ist260. Hinsichtlich der Abfassungszeit des Sentenzenkommentars konkretisiert Grabmann, daß er "seiner ganzen Richtung nach zu den ältesten Sentenzenkommentaren der Thomistenschule zählt und noch im dreizehnten Jahrhundert, vielleicht bald nach dem Tode des hl. Thomas entstanden ist"261. Doch auch einen wichtigen neuen Fund, der die Herkunft und historische Bedeutung des Johannes von Sterngassen weiter erhellt, teilte der unermüdliche Quellenforscher mit: in der Biblioteca municipiale dell' Archiginnasio von Bologna sind im Cod. A 913 einige frühtho-

254

Ebd. Zum Problem vgl. u„ S. 173 f.

255

A.a.O., S. 31. G. Lohr: Beiträge zur Geschichte des Kölner Dominikanerklosters im Mittelalter. I. Darstellung; II. Quellen. QF 15-17 (1920-1922); hier I, S.46 f. u S.48. 256

Bd. III, S. 189 - 231; in diesem Abschnitt im folgenden nur als A bezeichnet.

257

MAGLI, S.392 - 431, in diesem Abschnitt im folgenden nur als B bezeichnet.

25

8 A, S. 191 - 193; B, S. 393 f.

259

A, S. 193 - 195; B, S. 395 f. Vgl. Teil II, p. 334 - 339.

2

eo A, S. 196; B, S. 397.

261

60

Ebd.

mistische Texte enthalten262. Das erste von ihnen ist ein Katenenkommentar zu den Distinktionen 1 - 1 5 des ersten Buches der Sentenzen des Petrus Lombardus, der sich aus Quästionen zusammensetzt, die Petrus de Alvernia263 und den Dominikanern Durandus264, Johannes Parisiensis265, Guillelmus Anglicus266 und Johannes Coloniensis zugeschrieben sind. Bei näherer Untersuchung und Textvergleich mit parallelen Stellen in Cod. Vat. lat. 1092 stellte es sich heraus, daß der hier genannte 'Johannes Coloniensis' Johannes von Sterngassen ist. Damit ist der Nachweis erbracht, daß dieser tatsächlich aus Köln stammt, betont Grabmann abschließend267. Durch diese Forschungen angeregt widmete Artur Landgraf Johannes von Sterngassens Sentenzenkommentar eine eingehende Studie268. Landgraf erkennt ihm den Magistertitel nicht zu, angesichts der widersprüchlichen Zuschreibungen durch die Historiographen gibt für ihn den Ausschlag, daß der Sentenzenkommentar - ein Jugendwerk wahrscheinlich erst nach 1311 entstanden, Johannes aber schon 1314 gestorben sei269. Die Handschriften sind auch die Ursache für eine weitere Verwirrung gewesen: "Gerade der einer romanischen Zunge schwierige Name Sterngassen ward auch die Ursache für eine Vervielfältigung des Be262

A, S. 196 f.; B, S. 398. Detaillierte Analyse des Inhalts: V. Doucet: Commentaires sur les sentences (1954), S. 57 - 60. Vgl. u., S. 179 f. 263

Petrus de Alvernia, Magister in Paris 1296 - 1302, + 1304. Vgl. P. Glorieux: Répertoire ... théol.... Bd. I ( 1933 ), Nr. 210, S. 412 - 417. 264

Durandus de S. Porciano OP, Magister in Paris 1312, wegen seines Antithomismus im Orden umstritten, jedoch von Papst Johannes XXII. zum Bischof erhoben, + 1334. Th. Kaeppeli: Scriptores...,Bd. I, S. 339- 350.. 265 v o n Grabmann als Johannes Quidort OP identifiziert. Der Rest von 1.1, seines Sentenzenkommentars folgt in dieser Hs. ab fol. 23ra: ed. J. P. Müller (Studia Anselmiana; 47(1961)); hier S. xviii - xx. 266

Laut Grabmann Guillelmus de Hothum OP, Magister in Paris 1280 - 1282, + 1298. Doucet identifizierte ihn als Guillelmus de Macclesfield OP, Baccalaureus Sent, in Paris 1293-1294, Magister in Oxford 1299 - 1301: Commentaires... S. 28. Vgl. u„ S. 180. 267

A, S. 198 f.; B, S. 399 f. Vgl. o., S. 37 - 39.

268 Johannes Sterngasse OP und sein Sentenzenkommentar, DT (F) 4 (1926), S. 40 - 54, 207 - 214, 327 - 350, 467 - 480. 269 A.a.O., S. 42; S. 50 - 52 wird dieser Terminus ante quem jedoch wieder relativer. Vgl. u„ S. 173 f.

61

sitzers desselben, die bis in die neueste Zeit von einem literaturhistorischen Werke in das andere herübergenommen wurde"270. Johannes de Turrecremata nennt in seinem "Tractatus de veritate conceptionis Beatissimae Virginis" einen Dominikaner "Johannes Sernigacii" und einen Augustiner "Joannes Steringacii"271. Der spanische Franziskaner Pedro de Alva y Astorga (1602 - 1667) bemerkte, daß die von Johannes de Turrecremata angeführten Zitate weitgehend miteinander übereinstimmten und schloß daraus, daß es sich in beiden Fällen um bloß fiktive Autoren handle272. Ein Augustiner Johannes Stringarius wird in Ossingers Bibliotheca Augstiniana als Autor eines Sentenzenkommentars erwähnt und auf die Zeit um das Jahr 1434 gelegt273. Ossingers Autorität hierfür ist Nicolaus Crusenius, der allerdings als wenig zuverlässig gelte274. Der von Johannes de Turrecremata dem Dominikaner 'Johannes Sernigacii' zugeschriebene Text findet sich bei Johannes von Sterngassen, stellt jedoch explizites Zitat aus dem Sentenzenkommentar des Hannibaldus de Hannibaldis OP dar, den man oft irrtümlich für ein zweites Scriptum super Sententias des hl. Thomas gehalten hatte275. Das, was in dem von Turrecremata dem Augustiner 'Johannes Steringaci' zugeschriebenen Zitat über den bereits bei dem Dominikaner 'Seringacius' enthaltenen Text hinausgeht, findet sich jedoch nicht mehr bei Hannibaldus, sondern nur noch im Sentenzenkommentar des Johannes von Sterngassen. Damit ist Alva y Astorgas These hinfällig276. Neben dem Sentenzenkommentar und den deutschen Predigten, mit denen er sich nicht weiter beschäftigt, teilt Landgraf Johannes von Sterngassen Quaestiones quodlibetales, von denen Grabmann eine zurückgefunden hat, und Quaestiones in totam philosophiam naturalem et in librum de bona fortuna, die noch nicht wiedergefunden sind, als sichere Werke zu277. ™ A.a.O., S. 42 f.

2

27

1 Ebd.

A.a.O., S. 43. Zu P. de Alva y Astorga OFM vgl. L. Amoros in LThK2, Bd. I (1957), Sp. 4 0 9 f. Zu der von ihm aufgeworfenen Frage vgl. u., S. 152 f.

272

273

A.a.O., S. 44. J. F. Ossinger: Bibliotheca Augustiniana (1768), S. 879.

274

A.a.O., S. 4 4 f.

2 7 5 A.a.O., S. 46. Bei Johannes von Sterngassen: 1. III, d. 3, q. 1, a. 1, sol. Bei Hannibaldus: In III Sent., d. 3, q. 1, a. 2, sol.: ed. Basiliae 1492, fol. 83 va.

® A.a.O., S. 47.

27

277

62

A.a.O., S. 51. Vgl. u., S. 338.

An seiner Verfasserschaft zweifelt er für die Scripta in psalmos et in Sapientiam, da sie eine längere Lehrtätigkeit des so kurz nach Abfassung seines Sentenzenkommentars Verstorbenen vorausgesetzt hätten278. Zusätzlich zu diesem, Johannes von Sterngassen von den Ordenshistoriographen zugeschriebenen, Corpus vermutet Landgraf ihn als Verfasser einer "Expositio preclara in librum Boethii de Consolatione", die in einer Cambridger Handschrift erhalten ist, in der es heißt: "... quem Iohannes Theutonicus prescripsit et finivit A.D. 1306, 8 Idus Iunii" 279. In dieser Studie des Bamberger Professors und nachmaligen Weihbischofs wird erstmals eine eingehende Übersicht über den Lehrinhalt des Kommentars und seine Quellen geboten. Dabei erweist sich das Werk weitgehend als Kompilation: "es läßt sich sogar sagen, daß man es in der Hauptsache nur mit Auszügen, teilweise auch mit wörtlicher Herübernahme aus den Werken des hl. Thomas zu tun hat"280. In einigen Fragen weicht Johannes allerdings von der Lehre des hl. Thomas ab, ist jedoch auch hierin nicht originell: "So oft Johannes Partei gegen den hl. Thomas ergreift, bringt er kaum einmal eine selbständige Meinung vor. Fast immer läßt sich eine Quelle nachweisen, aus der er schöpft, und die er ziemlich wortgetreu wiedergibt"28!. Am häufigsten folgte er dabei Ägidius Romanus OESA (+ 1316), was eine Erklärung dafür bieten könnte, daß 'Stringarius' gelegentlich für einen Augustiner gehalten wurde, denn Ägidius besaß im Augustinerorden eine große Autorität, und seine Lehre galt als Ordensdoktrin282. Gelegentlich wird Heinrich von Gent - wie Ägidius stets ohne Namensnennung - verwandt283, ungewöhnlich oft aber Averroes erwähnt und zustimmend zitiert: "Es ist auffallend für einen Dominikaner der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts, wie sehr er für diesen Partei ergreift. Einmal fühlt man es denn auch deutlich durch, wie er sich nur widerwillig der 278

A.a.O., S. 50. Vgl. u., S. 339

279 Ebd. Zur Hs. Cod. Ii. III. 21 vgl.: A catalogue of the manuscripts preserved in the Library of the university of Cambridge, Bd. Ill (1858), S.425 f., Nr. 1785. Landgraf zitiert diesen Katalog ohne nähere Angaben und gibt eine falsche Signatur an. 280

A.a.O., S. 207.

28

1 A.a.O., S. 327.

282

A.a.O., S. 48 f. u. 3 2 9 - 334.

283

A.a.O., S. 339 f.

63

kirchlichen Lehrautorität unterwirft, in der Frage nämlich, ob die Seele Wesensform des Leibes sei"2»4. Als endgültige Antwort gibt Johannes, nachdem er zahlreiche Gründe für und wider die Individualität der intellektiven Seele angeführt und entkräftet hat, schließlich nur einen Verweis auf die Glaubenswahrheit. Landgraf deutet das so: "In Johannes Sterngasse haben wir nun einen Dominikaner der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der sich diesem averroistischen Begriff einer Doppelwahrheit bedenklich nähert"285. Das abschließende Gesamturteil über den Sentenzenkommentar, der als "Frühwerk eines allerdings sehr begabten Gelehrten"28«* eingeschätzt wird, ist recht negativ: "Es zeigt sich eine Freude, an den vom hl. Thomas gelehrten Wahrheiten zu rütteln, ohne aber dabei selbständige Gedanken zu bringen, sondern in bloßer, teilweise fast wörtlicher Anlehnung an die Lehre irgend eines Thomasgegners"287. "Eine Veröffentlichung des Kommentars erscheint wegen seiner Unselbständigkeit nicht angezeigt"288. Diese Einschätzung ist in der Folge für die Darstellung des Johannes von Sterngassen maßgeblich geworden und hat von weiterer, speziell ihm gewidmeter Forschung abgeschreckt. In vielen Untersuchungen zu anderen Autoren oder zu theologischen Problemen des ausgehenden dreizehnten Jahrhunderts wurde er jedoch zum Vergleich in Einzelfragen mit herangezogen. Dabei konnte es nicht ausbleiben, daß - wie auch bei Kurzdarstellungen in Nachschlagewerken - manche Ungenauigkeiten, bloße Vermutungen und Irrtümer weitertradiert wurden sogar solche, die durch bloße Sichtung der wichtigsten bereits vorhandenen Arbeiten hätten vermieden werden können.

284

A.a.O., S. 344. Edition von 1. II, d. 16-17, q. 1, a.3: S. 473 - 476. Vgl. u., Teil II, p. 252 - 263.

285

A.a.O., S. 346. Zur Problematik dieser Interpretation vgl. u., S. 377 f.

2

»6 A.a.O., S. 469.

287

Ebd.

288

A.a.O., S. 471.

64

1.1.5 Weitere Einzelergebnisse Bereits kurz nachdem durch Landgrafs Artikelserie die Hoffnungen, in Johannes von Sterngassen einen Autor zu finden, der an Thomas von Aquin anschließend eigenständig weitergedacht hätte, als unberechtigt erwiesen waren2«?!, fand Vincente Beitran de Heredia eine dritte Handschrift des Sentenzenkommentars in Tarragona290 und vierte in Madrid 2 ". P. Thomas Kaeppli, der damals bereits am historischen Institut des Dominikanerordens tätig war, spürte in Neapel noch ein weiteres Manuskript auf292. Diese drei fehlen in der Handschriftenliste Friedrich Stegmüllers in seinem - leider durch die Nachkriegsverhältnisse in viel zu kleiner Auflage erschienenen - Repertorium Commentariorum in Sententias Petri Lombardi 293. Neben dem Lilienfelder und dem Vatikanischen Kodex werden dort für Teile des Werkes angegeben: eine Handschrift der Innsbrucker Universitätsbibliothek294, eine des Nürnberger "Germanischen Nationalmuseums"2»s und eine der "Bibliothèque municipale" zu Troyes296. Sieben Jahre später publizierte P. Victorin Doucet OFM einen Band mit Ergänzungen zu diesem Werk. Zu Johannes von Sterngassen trug er die Codices in Madrid, Neapel und Tarragona nach und verwies darüber hinaus auf bislang noch imbekannte in Capestrano297, Florenz298, Sevilla299 289

F. Pelster stimmt als Rezensent, Scholastik 2 (1927), S. 130, Landgrafs Urteil zu, hält es aber hinsichtlich der 'averroistischen' Tendenz, die jener dort zu spüren glaubt, für übertrieben. 290

Cronica del movimento tomista. CTom 34 (1926, II), S. 357 - 374; hier S. 372f. Zu Tarragona, Bibl. Provincial, Cod. 100, der in 1. II, d. 33-34, q.2, a.2 abbricht, vgl. u., S. 241. 291

Cronica del movimento tomista. CTom 37 (1928, ), S. 58 - 76; hier S. 75 f. Zu Madrid, Academia Real de la Historia, Cod. S. Millan 73, vgl. u., S. 239. 292 Handschriftliche Mitteilungen über Werke von Dominikanerschriftstellern in der Biblioteca Nazionale in Neapel. DT(F) 11 (1933), S. 445 - 456; hier S. 448. Zu Cod. VII. D. 26 vgl. u., S. 239 f. 293

Bd. I. II. (1947). Johannes de Sterngassen: Nr. 499, Bd. I, S. 244 f.

294 Ebd. Cod. 622. Irrtümlich für 1.1, II, IV des Sentenzenkommentars angegeben. Vgl. u„ S. 184 - 190. 295

Ebd. Hs. 7044,1. IV unvollständig. Vgl.u., S. 183 f.

296

Ebd. Ms. 1229. Angeblich 1. II, enthält aber nichts von Johannes von Sterngassen. Vgl. u., S. 203. 297 Commentaires sur les sentences (1954); hier S. 57, Nr. 499. Zur Hs.: Convento dei Francescani, Cod. 49 (1. IV), vgl. u., S. 180 f.

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und Trient300. Später identifizierten die Mitarbeiter der Commissio Leonina zur kritischen Edition der Werke des hl. Thomas von Aquin einen weiteren Textzeugen für das vierte Buch des Kommentars in einer Sammelhandschrift der Skofijska Kniznica (Bischöfliche Bibliothek) in Maribor3°i. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte Gabriel Lohr OP eine weitere Studie über die Kölner Dominikaner, diesmal speziell zum Generalstudium und seinen Lektoren302. Zu Johannes von Sterngassen hat er kein zusätzliches Quellenmaterial finden können, ist sich jetzt jedoch sicher, daß dieser ein Sohn des Kölner Bürgers Albert Korngin aus der Sternengasse ist. Seine frühere Ansicht, Johannes sei 1320 Lektor in Straßburg gewesen, nimmt Lohr jetzt zurück: "... da er nur bis 1316 in Straßburg bezeugt ist, und annehmen, daß er 1320 Lektor in Köln war. Dazu würde passen, daß er nicht von Eckehart abhängig ist, sondern der thomistischen Schule, wenn auch nicht restlos, angehört. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er 1333 wieder Lektor in Köln ist"303. Bereits drei Jahre später änderte Lohr wieder seine Meinung zu der Frage, ob Johannes von Sterngassen 1320 Lektor in Köln gewesen ist: "Er wird in einer Kölner Schreinseintragung 1320 erwähnt und zwar als 'Lektor', aber ohne Angabe des Ortes, wo er tätig ist, anscheinend nicht in Köln"30*». Kurz vor seinem Tod veröffentlichte Martin Grabmann 1948 noch ein Werk über das wissenschaftstheoretische Statut der Theologie bei Thomas von Aquin und in den ersten Jahrzehnten nach seinem Tod, in dem auch Johannes von Sterngassen behandelt wird305. Eine weitere, 298 Ebd. Bibl. Nazionale, Cod. c.s. E VI.2675 (1.1 - IV), vgl. u„ S. 182 f. 299 Bibl. Colombina, Cod. 5-2-45 (l.II), vgl.u., S. 199. 300

Biblioteca Communale, Cod. 1655 (l.IV), vgl. u., S. 181 f.

301 H. F. Dondaine; H. V. Shooner: Codices manuscripti operum Thomae de Aquino. Vol. II (1973), S. 311, Nr. 1642 A. Vgl. u„ S. 195. 302 Zur Geschichte der Kölner Dominikanerschule im vierzehnten Jahrhundert. DT(F) 23 (1945), S. 57 - 84. G. Lohr: Die Kölner Dominikanerschule vom 14. bis zum 16. Jahrhundert (1946) enthält den Artikel unverändert als Kapitel II (S. 29 56). Ich zitiere nach der leichter zugänglichen Zeitschrift. 303

A.a.O., S. 67. Zu Lohrs früheren Forschungen vgl. o., S. 59 f.

304 G. Lohr: Über die Heimat einiger deutscher Prediger und Mystiker aus dem Dominikanerorden. ZfdA 82 (1948) S. 173 - 178; hier S. 175, Nr. 13. 305 Die theologische Erkenntnis- und Einleitungslehre des heiligen Thomas von Aquin; hier S. 348 - 354.

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abgekürzte Redaktion von dessen Sentenzenkommentar wollte er in Cod. Vat. lat. 1114 gefunden haben. Darin steht anonym ein Kommentar über die ersten beiden Bücher der Sentenzen, der mit einer kurzen Exposition des Lombardus-Prologs "Cupientes aliquid de peunuria etc." beginnt und dann zu der, den Kommentar Sterngassens in den anderen Manuskripten einleitenden Quästion "Utrum theologia sit scientia" übergeht306. Weitere Gründe für diese Zuschreibung werden nicht angeführt. Diese Handschrift ist bereits 1937 von P. Albert Fries CSsR untersucht worden307, was Grabmann anscheinend nicht bekannt geworden war. Fries kommt zu dem Ergebnis, daß das ungewöhnlich kurze Werk mit großer Wahrscheinlichkeit von Johannes Picardi de Lichtenberg OP stamme, da es in Methode, Stil und Lehrinhalt den bekannten Quästionen und Fragmenten dieses dominikanischen Magisters entspreche308. Die Schwierigkeit, die sich daraus ergibt, daß in den Glossen des Wiener Cod. 2165 ja bereits Fragmente aus einem Sentenzenkommentar des Johannes Picardi de Lichtenberg vorliegen, die sich in Vat. lat. 1114 nicht wiederfinden lassen309, versucht er durch die Annahme zu lösen, ein und derselbe Verfasser habe zwei verschiedene Werke geschrieben: einen Sentenzenkommentar und eine Summa bzw. Kurzfassung310. Auch die Frage, ob nicht etwa Johannes von Sterngassen der Autor dieses Kommentars sein könnte, hatte Fries erwogen: "Das Werk in Cod. Vat. lat. 1114 ist in einem ähnlichen Latein geschrieben wie der Sentenzenkommentar des Johannes von Sterngassen im Cod. Vat. lat. 1092. Auch die immer wiederkehrenden Einleitungsformeln der Fragen und Antworten in beiden Kommentaren haben Manches miteinander gemein. In der ersten Frage über den Wissenschaftscharakter der Theologie weist der Cod. 1114 - bei Mitberücksichtigung gemeinsamer Abhängigkeit von Thomas - besonders starke Anklänge an das Werk des Johannes von Sterngassen auf. Andererseits 306

A.a.O., S. 350. Vgl. Codices Vaticani ... Bd. IIA, S. 736 f. ( = anonymer Kommentar ). 307

Cod. Vat. lat. 1114 und der Sentenzenkommentar des Johannes von Lichtenberg OP. AFP 7 (1937), S. 305 - 319. 308

A.a.O., S. 315 - 318. Zu den Quästionen (Th. Kaeppeli: Scriptores... II, S.527, Nr. 2601) vgl. A. Landgraf: Johannes Picardi de Lichtenberg OP und seine Quaestiones disputatae. ZkTh 46 (1922), S. 510 - 545. 309

A.a.O., S. 311 f. Vgl.: M. Grabmann: Neu aufgefundene lateinische Werke... (1922), S. 15. 310

A.a.O., S. 318 f.

67

berechtigen diese und andere Ähnlichkeiten nicht dazu, Johannes von Sterngassen als den Verfasser der beiden Bücher im Cod. 1114 anzusehen. Hier wird nämlich mit Eifer der reale Unterschied zwischen Sosein und Dasein im Geschöpf vertreten und verteidigt, während Johannes von Sterngassen ... diese Lehre ablehnt"311. Der Zuteilung des Sentenzenkommentars in Cod. Vat. lat. 1114 an Johannes Picardi de Lichtenberg schloß sich auch Stegmüller in seinem Repertorium an312, während Kaeppeli sich in dieser Frage nicht entschied313. Bruno Decker sprach sich mit derselben Begründung wie Fries gegen eine Zuschreibung an Johannes von Sterngassen aus314. In verschiedenen Untersuchungen zu Fragen der scholastischen Philosophie- und Theologiegeschichte, die unter einem andren Hauptaspekt standen, wurde Johannes von Sterngassen partiell mit herangezogen: 1930 von Michael Schmaus in seinem Werk über die frühthomistische Trinitätslehre315; 1935 in Richard Egenters "Die Idee der Gottesfreundschaft im vierzehnten Jahrhundert"316; 1948 in Grabmanns bereits genanntem Werk zur Wissenschaftstheorie der Theologie317; 1955 Bruno Deckers - erst posthum im Druck veröffentlichte Habilitationsschrift Die Gotteslehre des Jakob von Metz318; 1957 die Studie zur Geschichte des Materialismus im Mittelalter von Hermann Ley aus marxistisch-leninistischer Sicht319; 1966 die Dissertation des Decker-Schülers Lothar Ullrich: Fragen der Schöpfungslehre nach Jakob von Metz320] 1971 P. Jan Emsts Doktorabeit zu den Auffassungen 311

A.a.O., S. 310 f.

312

Repertorium Commentariorum in Sententias ... Bd. I, S. 232 f., Nr. 478.

313

Scriptores... Bd. II, S. S27, Nr. 2600, wird dieser Cod. nicht genannt, wohl aber der Artikel von Fries. 314

Die Gotteslehre .... (Vgl. u., Anm. 316), S. 47 - 49.

315

Der 'Liber propugnatorius' des Thomas Anglicus und die Lehrunterschiede zwischen Thomas von Aquin und Duns Scotus. Bd. II, 1 (1930) (BGPhThMA; 29,1); hier S. xvü, 54, 227 f., 321, 411. 316

Aus der Geisteswelt des Mittelalters. Bd. I (1935), S. 1021 - 1036; hier S.1023 1025. Vorangegangen war R. Egenter. Gottesfreundschaft ( 1928 ), wo sich aber nichts über Johannes findet. 317

Vgl. o., S. 66 f.

31

« BGPhThMA; Bd. 42,1 (1967), hrsg. v. R. Haubst.

319 32

Über Johannes von Sterngassen: S. 463 - 468.

0 Erfurter theologische Studien; Bd. 20; hier S. 64, 97 f., 295, 325, 332.

68

über die Erkenntnis Christi321; und im selben Jahr die Dissertation "Der Begriff der Einheit und ihr ontologisches Prinzip nach dem Sentenzenkommentar des Jakob von Metz OP von P. Theodor Wolfram Köhler322. Alle bis auf Ley kamen - wenn auch mit Nuancierungen, von denen noch die Rede sein wird - zu dem Ergebnis, daß Johannes von Sterngassen sich weitgehend an die Lehre des Aquinaten anschließt. Ein prononciertes Urteil über Wert oder Unwert seines Sentenzenkommentars trafen dabei nur Ley, der bei ihm eine frühe Spur von Materialismus als Ideologie zeitgenössischen Klassenkampfs finden wollte323, und Decker, der in ihm weder Eigenständiges noch für die damalige Diskussion Charakteristisches entdecken konnte324.

1.1.6 Darstellung in Nachschlagewerken Obwohl Johannes von Sterngassen nicht zu den berühmtesten Persönlichkeiten aus dem Geistesleben des Mittelalters zählt, ist er doch in zahlreichen Nachschlagewerken verzeichnet worden - manchmal leider durchaus auch im negativen Sinn des Wortes. Gerade Enzyklopädien und Handbücher vermitteln einen Eindruck von dem jeweils zu einer bestimmten Zeit erreichten Wissensstand. Sie sollten auch in ihrer Bedeutimg für die Orientierung weiterer Forschimg nicht unterschätzt werden, denn an sie wendet sich ja insbesondere, für wen etwa "Johannes von Sterngassen" nur ein Randthema ist. Die mir bekanntgewordenen Artikel werden deshalb im folgenden chronologisch aufgelistet. Auf das wiederholte Referieren des jeweiligen Forschungsund Wissenstandes wird dabei verzichtet - er ist ja in seinem Wachsen und seinen Irr- und Umwegen bewußt relativ ausführlich in den vorhergehenden Abschnitten dargestellt worden. Lediglich neue Beiträge zur Forschung und besonders grobe Fehler werden kurz markiert; ihre Diskussion findet sich, wo nötig, in den folgenden Kapiteln. Die neuere Referenzliteratur über Johannes von Sterngassen beginnt 1893 mit dem bereits erwähnten Artikel von Philipp Strauch in der 321

Die Lehre der hochmittelalterlichen Theologen von der vollkommenen Erkenntnis Christi. Freiburger theologische Studien; H. 89; hier S. 252 - 254. Vgl. u., S. 377. 322

Studia Anselmiana; Bd. 53; hier S. 176 - 179, 212, 340, 451 - 453, 476, 520. Vgl. u , S . 377. 323

Studie S. 464. Zu dieser Interpretation vgl. u. S. 378 - 380.

324

Die Gotteslehre , S. 47.

69

Allgemeinen Deutschen Biographie325. Der Verfasser bezog in der damaligen Diskussion Stellung, nach dem zeitgenössischen Wissensstand gut begründet und dokumentiert. In der 1899 erschienen zweiten Auflage von Hugo Hurters Nomenciator litterarius theologiae catholicae findet sich unter den Dominikanern des vierzehnten Jahrhunderts: "Johannes de Sterngassen (al. Spenegasse), Germanus, fl ca. 1390"326. Die beiden großen deutschsprachigen theologischen Lexika aus der Zeit der Jahrhundertwende enthalten keinen eigenen Artikel über Johannes von Sterngassen. In Wetzer und Weltes Kirchenlexikon wird er in dem von Paulus von Loë verfaßten Artikel über Johannes Tauler lediglich als Mystiker erwähnt, den Tauler in Köln getroffen habe327. Auch Ferdinand Cohrs nimmt in seinem Tauler-Artikel in der Realencyclopedie für protestantische Theologie und Kirche an, Sterngassen habe Einfluß auf Tauler gehabt, situiert ihn aber in Straßburg328. Reginald Walsh läßt in der Catholic Encyclopedia Johannes einen geistlichen Führer der 'Gottesfreunde vom Oberland' sein329. 1907 findet sich in dem Répertoire des sources historiques du moyenâge von Ulysse Chevalier sowohl ein "Jean de Spernegasse ou Sterngassen, dominicain 1390"330, auf den bei dem Eintrag "Jean Sernogacii" verwiesen wird331, als auch "Jean de Sternengassen, dominicain a Strasbourg 1310-1316, mystique"332. Die erste umfassende Darstellung der Philosophie des Mittelalters nach dem Ersten Weltkrieg, in der Johannes von Sterngassen erwähnt wird, stammt von Maurice De Wulf. Zutreffend wird dort der damalige ADB 36, S. 120-122. Vgl. o., S. 36 f. Als Übersicht über die Lexika vgl. G. Schwinge: Bibliographische Nachschlagewerke zur Theologie und ihren Grenzgebieten (1975). 325

3 2 6 Bd. IV, Sp.558. Unverändert: 3.Aufl., Bd. II (1906), Sp. 678. Quelle wahrscheinlich QE, vgl. u„ S. 155 f.

327 2. Aufl., Bd. XI (1899), Sp. 1277. Ebenso stellt H. Wilms: Geschichte der deutschen Dominikanerinen (1920), S. 80, Johannes von Sterngassen in den Umkreis Taulers. 328 3. Aufl., Bd. XIX (1907), S. 452, 37 f. 29 Friends of God. Bd. II (190), S. 306b. Zur Unhaltbarkeit dieser Auffassung vgl. u„ S. 173. 3

33

° 2. Aufl., Bd. II, Sp. 2496.

331 A.a.O., Sp. 2493. 33

2 A.a.O., Sp. 2497.

70

Forschungsstand wiedergegeben333. Im Zusammenhang mit den Thomas-Feiern des Jahres 1927 gab P. A. Bacic OP einen Überblick über den Frühthomismus. Johannes von Sterngassen ist dort eingeordnet unter der Rubrik: "Primi S. Thomae discipuli eius operibus assidue Student et eius doctrinae ubique fideliter adhaerent"334. Die Arbeit trägt stark doxographischen Charakter und verzichtet demgemäß auf eine Würdigung der Kritik Landgrafs. Im Grundriß der Geschichte der Philosophie - bekannt unter dem Namen des Begründers Friedrich Überweg - wurde sie von Bernhard Geyer referiert335. Knapp und präzise - wenn auch nur über den scholastischen Aspekt - unterrichtet M. Grabmann 1933 in seiner Geschichte der katholischen Theologie seit dem Ausgang der VäterzeiP36. Gustav Ehrismann beschränkt sich dafür 1935 in seiner Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters auf die Mystik337. Ein ausführlicher Artikel über Johannes von Sterngassen von Engelbert Krebs findet sich 1936 in Wolfgang Stammlers Autorenlexikon zur mittelalterlichen deutschen Literatur Johannes soll 1316 Prior in Straßburg gewesen sein. Bei der Literatur fehlt Landgrafs Artikelserie. Albert Auer bringt im Lexikon für Theologie und Kirche zwar vollständige Literaturangaben, nennt Thomasschülerschaft und Magisterwürde als Hypothesen, läßt Johannes von Sterngassen aber 1310 in Köln nachgewiesen sein. Falls er mit Johannes Korngin, dem späteren Kölner Lektor, identisch sei, könne sein Tod nach 1327 angesetzt werden, sonst 13 1 4339. Auch Angelus Walz in der Enciclopedia Cattolica hält 1951 Johannes von Sterngassen für den Straßburger Prior von 1316340. Dasselbe findet sich auch 1953 in Wilhelm Koschs Deutsches Literatur3 3 3 Histoire de la philosophie médiévale. 5. éd., t .II (1925), S. 199, 237. In der 6. Aufl., Bd. II (1936), S. 214, ist Landgrafs Aufsatzreihe ergänzt. 3 3 4 Ex primordiis scholae thomisticae. ANG 4 (1927), S. 19 - 50, 224 - 251, 4 0 6 429; 5 (1928), S. 71 - 86, 232 - 258; hier 4, S. 37, 78. 335 33

1 1 , neubearb. Aufl. (1927), Bd. 2, S. 560 f.

e S. 101, 309.

337

Bd. II/2, S. 636.

338

Bd. II, Sp. 635 f.

9 LThKl, Bd. IX, Sp. 816. Hier sind wohl alle biographischen durcheinandergebracht worden. 33

Hypothesen

Bd. VI, Sp. 609 f. In A. Walz: Compendium historiae ordinis Praedicatorum 0 1 9 3 0 , S. 163; 2 1948, S. 261) findet sich Johannes von Sterngassen, zusammen mit Gerhard, nur kurz als "ignei sermonis praedicator". 340

71

Lexikon341, das sich auf Johannes als Mystiker beschränkt. Die philosophische Lehre erwähnt Etienne Gilson 1955 in der englischen Ausgabe seiner Philosophiegeschichte342. Unter der Leitung von Auguste Pelz er erschien 1953 bis 1958 das Dizionario Ecclesiastico, das auch einen Artikel "Giovanni di Sterngassen" von Emilia Guaita Borghese enthält. Auers Konfusion der Biographie findet sich auch dort; dazu ist der Verfasserin Gewißheit geworden, daß Johannes Thomasschüler und Magister theologiae war - ein Titel, den sie nicht von der Lektorentätigkeit in Straßburg unterscheidet 343 . C. Testore setzte 1957 in der Enciclopedia filosofica Sterngassens Tod "um 1314 in Köln" an und meinte, Grabmann habe nicht nur den Sentenzenkommentar, sondern auch die Quaestiones in totam philosophiam naturalem wiedergefunden344. Für die Neuausgabe des Lexikon für Theologie und Kirche schließt sich P. Gundolf Gieraths OP 1960 neben sonst korrekter Darstellung, bei der allerdings Landgraf fehlt der Vermutung an, Johannes von Sterngassen sei möglicherweise Schüler des hl. Thomas von Aquin gewesen345, in dem entsprechenden Artikel des biographischen Lexikons Neue deutsche Biographie behauptet er das 1974 uneingeschränkt346. Erstmals seit Landgraf unternahm es P. Ephrem Filthaut OP 1966, einen Überbück über das Werk des Johannes von Sterngassen und besonders den Inhalt seines Sentenzenkommentars zu geben347. Er zeigt den theologischen Hintergrund der Mystik auf und läßt dabei durch reichliche Zitate die Texte sprechen leider oft durch Knappheit der Auszüge eher schlagwortartig. Zu den biographischen Fragen schließt er sich Lohrs Auffassung von 1945 3

« 2. Aufl., S. 1165 a - b.

342

History of Christian philosophy in the middle âges, S. 746. Weder die französische Ausgabe ('1922, zuletzt 1976) noch die deutsche ( 2 1952) enthalten etwas hierzu. Zur unterschiedlichen Charakteristik dieser Ausgaben vgl. F. Van Steenberghen: La bibliothèque du philosophe médiéviste (1974), S. 375 - 380. 343

Bd. III (1955), S. 174a, Nr. 202. "... probabilmente anche Magister theologiae a Strasburgo". 344 Bd. II, Sp. 769 f. In der Neuausgabe, Bd. III (1968), Sp. 208, unverändert beibehalten. 3

« LThK2, Bd. VII, Sp. 1084.

3

« NDB, Bd. X, S. 559.

347

Johannes Tauler und die deutsche Dominikanerscholastik des XIII. / XIV. Jahrhunderts. In: Johannes Tauler, ein deutscher Mystiker (1966), S. 94 - 121; hier S. 111 -116. 72

an348. Die angebliche Thomasschülerschaft Sterngassens kombiniert Andre Duval 1966 in Catholicisme mit einem Sterbedatum nach der aus der Luft gegriffenen Jahreszahl 1327349, während J. J. Przezdiecki in der New Catholic Encyclopedia 1967 ihn zwar nicht unbedingt Thomas von Aquin selbst gehört haben, dafür aber ab 1310 in Köln leben läßt350. Wie der renommierte Kirchenhistoriker Erwin Iserloh noch 1968 Johannes von Sterngassen zu " den Dominikanern, die das Geistesgut der Scholastik mit stark neuplatonischen Elementen für die mystische Frömmigkeit fruchtbar machten"351, zählen kann, ist kaum zu verstehen. Bis auf die Zuschreibung des Straßburger Priorats 1316 und die ungenaue Bezeichnung "maître lecteur" - wohl aus dem volkssprachlichen "Lesemeister" - ist dagegen die Darstellung von Volker Honemann in "Dictionnaire de spiritualité" 1974 korrekt und auch gut dokumentiert352. Kurz wird Johannes 1976 in einem ungezeichneten Artikel in dem Dizionario dei filosofi des philosophischen Studienzentrums von Gallarate (Norditalien) vorgestellt353. 1985 wiederholt François Rapp in der Encyclopédie de V Alsace die Behauptung des Straßburger Priorats und läßt Sterngassen "ohne Zweifel" in Paris studiert haben354. Gestreift wird Johannes von Sterngassen 1985 von Alain de libéra in seiner Introduction a la mystique rhénane355. Der mit Abstand detaillierteste - und bis auf das angebliche Straßburger Priorat korrekte - Lexikonartikel, wiederum von Volker Honemann, findet sich in der Neuausgabe von Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon356.

3 4 8 A.a.O., S. 111. Vgl. o., S. 66. Lohrs Selbstkorrektur von 1948 blieb ihm offenbar unbekannt. 34

9 Bd. VI, Sp. 573.

35

° Bd. VII, S. 1075 b.

351

Handbuch der Kirchengeschichte. Bd. III/2, S. 465. Bd. VIII, Sp. 775 f.

353 s. 475 a. 354 Bd. XI, S. 7 0 0 9 b - c. 355

35

S. 14 f.

6 Neubearbeitung, Bd. IV (1984), Sp. 760 - 762.

73

In dem kurzen Artikel von Burkhard Mojsisch im Lexikon des Mittelalters357 werden nicht nur die verbreiteten Irrtümer tradiert, sondern Johannes von Sterngassen auch noch bescheinigt: "besonders in seinen Predigten begegnen Denkmotive Meister Eckharts, aber nicht dessen progressiven Theoreme"358. Die wichtigsten Beiträge in der bisherigen Literatur fehlen, wobei wenigstens auf die Artikel in Kaeppelis Scriptores und im Verfasserlexikon verwiesen wird. Auch im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikori*59 wiederholt Falk Eisermann die gängigen falschen Annahmen zur Biographie des Johannes von Sterngassen, bringt jedoch vollständige und korrekte bibliographische Angaben. In den jüngst erschienenen Abschluß- und Ergänzungsband von Thomas Kaeppelis Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi hat Emilio Panella meine Ergänzungen und Korrekturen zu dem ursprünglichen Eintrag aufgenommen360. Insgesamt vermittelt die Durchsicht - gerade der jüngeren Nachschlagewerke - den bedenklichen Eindruck, daß durchaus auch in renommierter Referenzliteratur der erreichte Forschungsstand nicht überall zuverlässig berichtet und eine - soweit auf dieser Basis mögliche - Korrektur unhaltbarer Hypothesen seltener zu finden ist als deren unkritische Wiedergabe. In dieser Forschvingslage - unübersichtlich, gelegentlich verworren und durchsetzt von manifest falschen Annahmen, die of als Gewißheiten ausgegeben werden - in den Nachschlagewerken noch stärker als in der Forschungsliteratur - findet ein Klärungsversuch, der zu den Quellen zurückgeht, seine Rechtfertigung.

557 Bd. V (1991), Sp. 606. Ebd. Eine solche Taxonomie entspricht eher der in der staatsoffiziellen Philosophie im real existiert habenden Sozialismus üblich gewesenen ideologischen Klassifizierung als einer philosophiehistorischem Erkenntnisgewinn hilfreichen Orientierung; vgl. Philosophisches Wörterbuch / hrsg. von M. Buhr; G. Klaus ..., Bd. II (H1975), S. 985. 358

Bd. III ( 1 9 9 2 ) , Sp. 5 74 f. 360 Bd. IV (1993), S. 171; vgl. W. Senner. (Rez. Th. Kaeppeli: Scriptores ... I - III) BThAM 13 (1981), S. 289, Nr. 648.

74

1.2

Das Studium im Dominikanerorden

1.2.1

Zur Bedeutung des Studiums

Wenn die Darstellung der historischen Umwelt, in der Johannes von Sterngassen gelebt und gewirkt hat, hier auf einen kurzen Abriß der Studien- und Schulorganisation im Dominikanerorden beschränkt wird, ist das nicht unproblematisch. Nicht minder wichtig für ein vertieftes Verständnis von Leben und Werk sind etwa die - alles andere als ruhigen und friedlichen - Zeitverhältnisse und die sozialen und ökonomischen Bedingungen. Wie kann man es wagen, nicht auf die religiösen Strömungen einzugehen, ohne die insbesondere die Predigttätigkeit nicht eingeschätzt werden kanni. Dennoch erlegt der beschränkte Rahmen dieser Arbeit eine Auswahl auf, die so getroffen jedoch keineswegs willkürlich ist. Gerade dieses Feld verspricht den größten heuristischen Ertrag zur Gewinnung eines Rahmens für die Biographie unseres Dominikaners. Die Ausbildung, die er durchlaufen hat, war ja in einer bestimmten Weise angelegt, die heute unvergleichlich vollständiger rekonstruierbar ist als etwa die Organisation der Schwesternseelsorge2. Johannes von Sterngassen hat nicht nur als Student ein scholastisches Studienprogramm absolviert, er war nach vielfältigem Zeugnis der Quellen auch lector, 'Lesemeister', hat also selbst in der 'Schule' gelehrt - und auch dabei gab es Stufen, die zu kennen eine Voraussetzimg für die fun-

1 Eine Übersicht über die Konfliktfelder zu Anfang des 14. Jahrhunderts: Walter Senner: Heinrich Seuse und der Dominikanerorden. Heinrich Seuses Philosophia Spiritualis (im Druck, voraussichtl. 1994), S. 3 - 31; hier S. 9 - 17. 2 Über die weniger unter sich zusammenhängenden Schwesternklöster sind wir noch schlechter unterrichtet als über die Teutonia. Als Gesamtdarstellung immer noch H. Wilms: Geschichte der deutschen Dominikanerinnen (1920). Eine in unserem Zusammenhang relevante Konventsgeschichte J. Prieur: Das Kölner Dominikanerinnenkloster St. Gertrud am Neumarkt (1983); dort wird auch das wahrscheinliche seelsorgliche Wirken Gerhards und das mögliche Johannes von Sterngassens bei diesen Schwestern erwähnt ( S. 38, 4 1 8 f.) - allerdings eine Lehrtätigkeit des letzteren am Kölner Generalstudium ohne weiteres angenommen (S. 419).

dierte Erforschung seiner Biographie und seiner Stellung im Orden ist3. Doch es ist nicht nur der äußere Rahmen seiner Biographie, der auf diese Weise erhellt werden kann. Scholastische Schriften aus dem Mittelalter sind ja meist - wie häufig ihr Name schon anzeigt - Produkte des 'Schulbetriebs' und gehören damit zu literarischen Gattungen, deren jede eine ganz bestimmte Funktion im Unterricht und akademischen Leben hatte4. Bestimmte Arten von Schriften, die einem Autor zugeschrieben werden, lassen daher Rückschlüsse auf bestimmte Funktionen zu, die er ausgeübt hat, wie auch umgekehrt eine gegebene akademische Stellung es wahrscheinlich macht, daß sie sich in bestimmten Werken niedergeschlagen hat. Mönche haben im Westen das kulturelle Erbe der Antike dem Mittelalter überliefert. Langsam entstand aus diesem und den Lehren der Kirchenväter eine neue, christliche Weisheit. Auch eine neue Art, Wissenschaft zu treiben, kam mit dem Reifen einer neuen Kultur auf. Wenn auch die meisten Anstöße dazu von Benediktinermönchen ausgegangen waren, so kam es doch bereits im elften Jahrhundert zu einer Konfrontation zwischen den Bewahrern und Neubeiebern der monastischen Ideale und den neuen 'Dialektikern', die sich mehr und mehr nicht in den Klöstern, sondern unter den Weltgeistlichen fanden5. Der Unterschied zwischen monastischer und scholastischer Theologie entstand und vertiefte sich6. Die letztere wird nicht mehr in der collatio des Abts im Kloster vorgetragen, sondern in der lectio des Magisters in der Schule7. Solche Schulen entstanden besonders in den Bischofsstädten und vor allem in und um Paris, das mehr und mehr zum Mittelpunkt der Wissenschaft im Abendland wurde. In der Mitte des 3 D. Berg: Armut und Wissenschaft (1977) gibt bereits einen guten vergleichenden Überblick über die äußeren Gründe, Entwicklungstendenzen, gesellschaftlichen Bedingungen und Auswirkungen der franziskanischen und dominikanischen Studienorganisation im 13. Jh., kann dabei aber nur wenig auf die Studieninhalte eingehen. Der Blickwinkel dieser Arbeit ist dagegen stärker auf die 'Mikrostruktur' gerichtet. 4

P. Glorieux L' enseignement au moyen âge. AHD 43 (1968), S. 65 - 186; hier S. 66.

M. Grabmann: Die Geschichte der scholastischen Methode. Bd. I (1909), S. 215 224; Bd. II (1911), S. 111 - 127. £ Gößmann: "Antiqui" und "Moderni" im 12. Jahrhundert. Antiqui und Moderni (1974), S. 4 0 - 57; hier bes. S. 47 f. u. 55 - 57. 5

M. D. Chenu: La théologie au douzième siècle ( 2 1966), S. 343 - 350. Chenu weist (S. 348 f.) darauf hin, daß es sich hier mehr um einen methodischen als inhaltlichen Gegensatz handelt. Ebenso: B. Geyer: Der Begriff der scholastischen Theologie. Synthesen (1925) S. 112 - 125; hier S. 121. 6

7 J. Ehlers: Monastische Theologie, historischer Sinn und Dialektik. Antiqui und Moderni (1974), S. 58 - 79; hier S. 64 f.

76

dreizehnten Jahrhunderts war diese Trennung bereits so ausgeprägt, daß das Auftreten von Ordensleuten, den Franziskanern und Dominikanern, in der 'Schule' als Skandal empfunden wurde und den bekannten Pariser Mendikantenstreit auslöste8. Der Dominikanerorden ist allerdings nicht als ein coetus magistrorum et studentium mit dem Ziel der Förderung der Wissenschaften entstanden, sondern als eine lokale Predigerkommunität in Toulouse, deren Wirksamkeit sich zunächst auf die Languedoc beschränkte. Doch bereits in diesen frühesten Anfängen wurde dem Studium ein hoher Wert beigemessen: 1215 begann Dominikus mit einigen seiner ersten Mitbrüder die Vorlesungen des Scholasters Alexander Stavensby, theologischer Lehrer des Kapitels von St. Stephan in Toulouse, zu besuchen9. Die Verkündigung des Glaubens, besonders an Zweifelnde und Ungläubige, die sich die junge Gemeinschaft als Aufgabe gestellt hatte, erforderte nicht nur gründliche Kenntnis der Glaubenslehre, sondern auch ihre rationale Begründimg und Durchdringung. In diesem Sinn bildeten - und bilden auch heute noch - Seelsorge und theologische Wissenschaft keinen Gegensatz, sondern eine notwendige Ergänzung. Bereits in den 1216 aufgestellten ersten consuetudines, in denen die Einzelheiten der dominikanischen Ordensobservanz anfänglich geregelt wurden, findet sich das Studium häufig erwähnt10. Zwar hat auch in den klassischen monastischen Orden das Studium und die "lectio divina" einen festen Platz, doch in dem neuen Predigerorden erhalten sie einen besonderen Rang: "Qualiter intenti debeant esse [fratres] ut de die, de nocte, in domo, in itinere legant aliquid vel meditentur, et quidquid potuerunt retinere cordetenus nitantur; quam ferventes esse debeant in predicatione tempore opportuno"11. Auch falls dieser Text nicht zu den 1216 angenommenen consuetudines gehören sollte12, geht er doch sicher auf den hl. Dominikus selbst » M. D. Chenu: Das Werk des heiligen Thomas von Aquin , S. 385 - 387. Neuerdings: U. Horst: Evangelische Armut und Kirche (1992). 9

H. M. Vicaire: Geschichte des hl. Dominikus. Bd. I , S. 229 f.

10 A. Duval: L'étude dans la législation religieuse de S. Dominique. Mélanges M. D. Chenu (1967), S. 221 - 247; hier S. 229 f. 11

Constitutiones antiquae, d. I, c. 13: ed. A. H. Thomas: De oudste constituties van de Dominicanen (1965), S. 324, 32 - 26. 12

A. Duval: L'étude ..., S. 232, bezweifelt das. H. M. Vicaire, auf den er sich ohne Stellenangabe beruft, insinuiert allerdings diese Datierung: Geschichte ..., Bd. II, S. 35. A. H. Thomas: De oudste constituties..., S.260, spricht sich für 1216 aus. Zur Quellenfrage vgl. u., S. 82 f.

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zurück. Bereits das erste für die junge Gemeinschaft erbaute Kloster bei der Kirche St. Romanus in Toulouse hatte - anstelle des sonst üblichen gemeinsamen Dormitoriums - "Zellen, ausreichend um dort zu studieren und zu schlafen"13. Im Sommer 1217 zerstreute Dominikus seine Gefährten - zusammen kaum zwanzig - in kleine Gruppen, die in verschiedene Gegenden ausgesandt wurden14. Das größte Kontingent, sieben Brüder, wurde nach Paris geschickt: "... ut studerent, et predicarent, et conventum ibi facerent"15. Die Tragweite dieses Schritts - der einzigen Entscheidung, die nicht von der Gemeinschaft beschlossen, sondern von Dominikus unter Berufung auf göttliche Eingebung allein getroffen wurde16 - wird erst dann deutlich, wenn man sich die Situation vergegenwärtigt, in die hinein die paar Brüder kamen. Seit Beginn des Jahrhunderts ist die erst vor wenigen Jahrzehnten aus getrennten Schulen konsolidierte Universitas magistrorum et studentium17 Schauplatz eines heftigen Konflikts. Schriften griechischer und arabischer Philosophen - vor allem die meisten Werke des Aristoteles - waren in lateinischer Übersetzung bekanntgeworden und in den Lehrbetrieb der Artistenfakultät gedrungen18. Diese Philosophie ließ sich nicht auf eine bloße Propädeutik der anderen Wissenschaften reduzieren, sondern konfrontierte die christlichen Denker mit einer Konzeption der Welt, die sich grundlegend von der

13

Jordanus de Saxonia: Libellus de principiis Ordinis Praedicatorum, Nr. 44: ed. H. Ch. Scheeben, MOPH XVI (1935), S. 46 f.

14 H. M. Vicaire: Geschichte ..., Bd. II, S. 65 - 74. D. Berg: Armut..., S. 33 f., vermerkt zwar diese Wandlung von einer lokalen - Toulouser, nicht Narbonneser - Gemeinschaft in eine überregionale Personenkörperschaft, nicht aber die damit einhergehende Ergänzung des apostolischen Zeugnisses der in einem ländlichen Raum umherwandernden Prediger(gruppe) durch das der Präsenz als Lebens- und Gebets- und Studiengemeinschaft in der Stadt, besonders im Umkreis der Universität. 15

Jordanus de Saxonia: Libellus..., Nr. 47:1. c., S. 48.

16

Ebd.

17

H. Rashdall: The universities of Europe in the Middle ages. New ed. F. M. Powicke; A. B. Emden, Bd. I ( 2 1936), S. 292, legt das Entstehen als eigene Körperschaft in die Jahre 1150- 1170. 18

F. Van Steenberghen: La philosophie au XlIIe siècle ( 2 1991), S. 75 - 81; ders.: Die Philosophie im dreizehnten Jahrhundert , S. 83 - 88.

78

bisherigen christlichen Weltsicht unterschied und dieser an wissenschaftlicher Erklärungskraft überlegen war19. Die Pariser Schultheologen - wenn sie sich auch in Studienorganisation und Unterrichtsmethoden von den beschaulich-monastischen unterschieden - waren der 'Dialektik' der philosophischen oder doch bewußt mit philosophischen Mitteln argumentativ betriebenen Spekulation keineswegs zugetan20. Ihre in den heute noch erhaltenen Quellen dokumentierte Reaktion war der Einschluß der libri naturales des Aristoteles in die Verurteilung der pantheistischen Irrlehren des Amalrich von Bene und des David von Dinant21. Auch in den 1215 von dem päpstlichen Legaten Kardinal Robert de Courgon in Kraft gesetzten Universtätsstatuten wurden zwar die logischen Schriften des Aristoteles ausdrücklich als vorgeschriebene Lehrbücher bestätigt, doch das 'Lesen' von - als der akademische Unterricht mit und über - seinen metaphysischen Werken und den libri de naturali philosophia jedoch noch einmal untersagt - im gleichen Atemzug mit der Verdammung der pantheistischen Ketzereien22. Diese Maßregeln haben die Rezeption der aristotelischen Philosophie zwar verzögert, aufhalten konnten sie sie nicht. Auch die Ausdehnung des Aristoteles-Verbots auf die 1229 neu entstandene Universität in Toulouse durch Papst Innozenz IV. im Jahr 1245 konnte daran nichts ändern23. Als um 1245 Roger Bacon als einer der frühesten, wenn nicht als erster, begann, die Metaphysik und die Physik des Aristoteles zu kommentieren, muß er keinen erheblichen Widerstand mehr angetroffen haben24. Zu dieser Zeit waren die Mendikanten, Franziskaner und Dominikaner, in Paris aber bereits fest installiert und konnten durch ihre länderübergreifende Studienorganisation, die im Gegensatz zu den Universitäten auch die Masse der zu den Orden gehörenden Kleriker umfaßte, den neuen Erkenntnissen und Synthesen, die ihre größten Gelehrten bald erarbeiten sollten, zu einer Verbreitung im ganzen

1 9 A.a.O., S. 80 f. / S. 89. M. Grabmann: gie (1933), S. 4 9 - 5 1 .

Geschichte der katholischen Theolo-

A.a.O., S. 82. / . S. 90. M. D. Chenu: La théologie comme science au XlIIe siècle (31969), S. 27 f.

20

1 A.a.O., S. 83 f. / S. 91 f.

2

22

Ebd.

23

A.a.O., S. 101 / S. 109.

24

A.a.O., S. 130 f. / S. 141 f.

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abendländischen Kulturraum verhelfen, die in dieser Intensität sonst kaum denkbar gewesen wäre. Für den hl. Thomas von Aquin sind Studium und Predigt die für den Dominikanerorden charakteristischen Weisen, auf die seine Mitglieder das allgemeine Gebot der Nächstenliebe zu erfüllen streben, zu dem sie sich durch ihre Selbsthingabe für Gott in besonderer Weise verpflichtet haben25. In ihrer Profeß haben die Ordensbrüder auf das verzichtet, was die anderen Menschen am meisten beschäftigt und vom Studium ablenkt. Der Ordensstand verkörpert also nicht nur das Vorhaben, durch wissenschaftliche Arbeit den Menschen und in ihnen Gott zu dienen, sondern befähigt auch bestens zu seiner Ausführung26. Daß zu dieser wissenschaftlichen Arbeit auch das Studium der litterarum saecularium, besonders der Philosophie, legitimerweise gehört, macht Thomas mit einem Schrift, -zwei Väter- und einem Glossenzitat deutlich27. Es ist für ihn offenbar keine Frage, sondern eine Selbstverständlichkeit, die keiner Beweisgründe bedarf, sondern lediglich durch Anführen von Autoritäten auch Böswilligen klargemacht wird.

25

Contra impugnantes Dei cultum et religionem: Opera ed. Leonina, t. XLI (1970); c. 1, S. 53b 48 - 54a 68; c. 2: S. 58 a 222 - 227; c.3: S. 78 b 880 - 79a 906; c.5: S. 90 a 394 - 426; dies nur als Auswahl der markantesten Stellen. M. D. Chenu: Das Werk ..., S. 385 - 387, urteilt, das zum Mendikantensteit (vgl. o., S. 76) gehörende Werk sei "nicht ohne gewisse langweilige Weitschweifigkeit" (S. 386). Dazu ist zu bedenken, daß diese Antwort auf eine ernste Bedrohung der Legitimität der Mendikantenorden eben nicht nur eine polemische Schrift ist, sondern hier zur Zurückweisung der die weitere Existenz der Predigerbrüder bedrohenden Angriffe überhaupt erst eine Theologie des dominikanischen Ordenslebens erarbeitet werden mußte. Der Umfang dieser Aufgabe ließ sich nur schwer in den engen zeithchen und literarischen Rahmen zwängen, der durch die Situation vorgegeben war. Zu Recht betont P. Glorieux (Le "Contra impugnantes" de S. Thomas. Mélanges Mandonnet, Bd. I (1930), S. 51 - 81; hier S. 74 f. u. 81), daß das Werk unter diesen Umständen eine große Leistung war, auch wenn seine Konzeption nicht so klar ist, wie die der späteren ordenstheologischen Schriften des Aquinaten. Auch M. Bartolomei (S. Tommaso espressione del rinovimento evangelico ed ecclesiastico degli ordini mendicanti. Tommaso d' Aquino nel suo settimo centenario, Bd. II (1976), S. 9 - 14; hier S. 12 f.) weist darauf hin. Einige hilfreiche Bemerkungen zur literarischen Charakteristik gibt H. F. Dondaine in seinem Vorwort zur kritischen Edition ( Op. cit., S. 13 ). Einen guter Kommentar zu den vom Ordensleben handelnden ThomasTexten gibt S. Tugwell in Albert and Thomas (1988). Eingehende Erörterung im Kontext der damaligen Konfliktsituation bei U. Horst: Evangelische Armut..., S. 3546. J.P. Torrell: Initiation ä saint Thomas d'Aquin (1993), S. 115 -122. 26

A.a.O., c. 2: S. 57b 200 - 58a 211.

27 A.a.O., c. 11: S. 133a 19 - 133b 150.

80

1.2.2 Quellen zum Studium Die zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts entstandenen Bettelorden waren eine Erscheinung, die nicht mehr in den bis dahin gegebenen Rahmen des Ordenslebens paßte. Während sowohl bei den monastischen Orden als auch bei den Regularkanonikern das Ablegen der Gelübde den Professen zum Mitglied eines bestimmten Klosterkonvents machte und ihn an einen festgelegten Ort band, erscheint der Dominikanerorden - und ebenso die Gemeinschaft des hl. Franziskus - als Personenverband, in dem der Professe sich dem Oberen und der Regel verpflichtet, aber keiner lokalen Kirche28. Zwar waren seit der Reformkongregation von Cluny - und später dann vor allem den zisterziensischen und prämonstratensischen Gründungen - rechtliche Strukturen entstanden, die mehr als jeweils eine örtliche Gemeinschaft umgriffen, stellten sie föderative Zusammenschlüsse dar, Vereinigungen ortsansässiger Klöster, deren jedes seine festen Mitglieder hatte29. Bei den Dominikanern, wie in den anderen Mendikantenorden, war der einzelne Bruder nicht mehr von vornherein einem bestimmten Kloster zugehörig, sondern konnte von den Oberen nach verschiedenen Orten gesandt werden. Damit dabei die Einheit des Ordens gewahrt blieb, war nicht nur eine zentrale Leitung nötig, sondern auch eine weitgehende Festlegung der Ordensobservanz durch eine gemeinsame Verfassung und Gesetzgebung, für die in dieser Detailliertheit zuvor in den monastischen Orden kein Anlaß bestanden hatte. Auf dem vierten Laterankonzil war 1215 beschlossen worden, daß keine neuen Orden mehr zugelassen werden sollten. Neu entstehenden Gemeinschaften wurde empfohlen, die Regel und die Gebräuche bereits approbierter anzunehmen30. Die junge Predigerkommunität in Toulouse entschied sich, als sie sich im Jahr nach diesem Konzilsbeschluß eine Rechtsform gab, für die Augustinusregel- was ja bei der Herkunft des hl. Dominikus aus dem nach dieser Regel in Gemein-

28

Const. ant., d. 1, c.16: S. 326, 30 - 327, 11. Vgl. I. W. Frank: Die Spannung zwischen Ordensleben und wissenschaftlicher Arbeit im frühen Dominikanerorden. AKuG 49 (1967), S. 164 - 207; hier S. 180. Vgl.: K. S. Frank Grundzüge der Geschichte des christlichen Mönchtums (1975), S. 89 29

K. S. Frank: Grundzüge ..., S. 62 f. J. Wollasch: Neue Methoden der Erforschung des Mönchtums im Mittelalter. HZ 225 (1977); hier S. 553 f., weist auf monastische Reformbewegungen des 7. u. 11. Jh. hin, die ebenfalls eine klosterübergreifende Profeß hatten. Doch auch dabei blieb die Ausrichtung auf einen bestimmten Konvent oder eine bestimmte Kirche, also einen lokalen Personenverband bzw. Ort. 30

Constitutio 13: Conciliorum Oecumenicorum Decreta ( 3 1973), S. 2 4 2 , 1 - 9.

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schaft lebenden Domkapitel von Osma das naheliegendste war31. Ergänzt wurde diese sehr summarische Regel, die auch auf Fragen des Studiums nicht eingeht, durch consuetudines, die zum größten Teil denen der Prämonstratenser entlehnt sind32. Gerade der Abschnitt über das Studium ist jedoch erst von den Predigerbrüdern zugefügt worden33. Doch schon bald genügten diese auf eine lokale Gemeinschaft zugeschnittenen Bestimmungen nicht mehr den Regelungsbedürfnissen eines sich über ganz Europa ausbreitenden Verbandes, und so entstand eine dominikanische Ordensgesetzgebung, die G. A. Galbraith als "wirkungsvoll, eingehend und erstaunlich modern" gelobt hat34. Im Folgenden soll nun ein Überblick über diese und einige andere Quellentexte gegeben werden, die die heutige Kenntnis der Studienordnung im Dominikanerorden des dreizehnten und beginnenden vierzehnten Jahrhunderts ermöglicht haben. Die Quellenlage ist weit von einer idealen entfernt, sind doch die meisten Dokumente durch Kriege, Brände, Klosteraufhebungen und leider auch mangelndes Interesse des Ordens an seiner eigenen Tradition selbst verlorengegangen, sie ist aber immer noch weit besser als das für die Franziskaner der Fall ist".

1.2.2.1 Die Konstitutionen Noch zu Lebzeiten des heiligen Dominikus trat Pfingsten 1220 in Bologna das erste Generalkapitel des Dominikanerordens zusammen. Diese Versammlung von Delegierten aus allen Teilen des Ordens fand von da an jährlich statt und stellt sowohl die gesetzgebende Körperschaft als auch die höchste Entscheidungsinstanz des Ordens dar. Aufbauend auf den 1216 angenommenen consuetudines wurden auf diesem ersten Kapitel von einem Gremium von Beauftragten neue constitutiones festgelegt, die mit erheblich größerer Präzision als die bisherigen Texte Leben und Arbeit der Predigerbrüder sowie die Verfassung von der lokalen Ebene des Konvents über die regionale bzw. 51 H. M. Vicaire: Geschichte..., Bd. II, S. 29. 32

A. H. Thomas: De oudste constituties ..., S. 129 - 134, S. 153 - 157, S. 185 f.

33

A.a.O., S. 142; vgl. o., S. 77.

34 The Constitution of the Dominican order 1216 - 1360 (1925), S. 1. 35

D. Berg: Armut S. 11. J. Poulenc: (Rez.) L. Beaumont-Maillet: Le grand couvent des Cordeliers de Paris. AFH 69 (1976), S. 474 - 485; hier S. 476. Dieser Unterschied wird von D. Berg: Armut ..., S. 11 u. 33, nicht beachtet, was ihn dazu führt, von "den 1216 entstandenen Konstitutionen" zu sprechen.

82

nationale der Provinzen bis zur zentralen Leitung des Gesamtordens beschreiben36. Zufügungen, Streichungen und Änderungen an diesen Konstitutionen bedürfen, um rechtskräftig zu werden, der inchoatio, d. h. Vorlage durch Beschluß eines ersten, der approbatio eines zweiten und schließlich der confirmatio durch ein drittes Generalkapitel37. Eine ausgezeichnet recherchierte Edition, die Quellen in anderen (Ordens-) Traditionen und Eigengut erkennen läßt, verdanken wir P. Antonin H. Thomas38. Eine entscheidende Neuerung gegenüber der Verfassung anderer Orden war die Einführung der Dispens von der Teilnahme an einzelnen Akten der Observanz, durch die Obere in Fällen von Kollisionen zwischen Verpflichtungen aus Seelsorge, Studium und klösterlichem Leben Prioritäten setzen konnte: "... in conventu suo prelatus dispensandi cum fratribus habet potestatem, cum sibi aliquando videbitur expedire, in hiis precipue, que Studium vel predicationem vel animarum fructum videbuntur impedire"39. Auf die grundlegende Bedeutung dieser Verfügung hat besonders William A. Hinnebusch hingewiesen40, während Isnard Frank betont, daß sich dennoch Konflikte zwischen Studium und Observanz ergaben41. Die einzelnen Bestimmungen der Constitutiones antiquae hinsichtlich des Studiums hat Andre Duval zusammengestellt und kommentiert42. 36 H. M. Vicaire: Geschichte ... , Bd. II, S. 151 - 153. H. S. Denifle: Die ersten Constitutionen des Prediger-Ordens vom Jahre 1228. ALKGMA I (1885), S. 165 - 227; hier S. 165 f., fand den Text und hielt ihn für ein Werk des Generalkapitels von 1228. H. M. Vicaire (P. Mandonnetu. a.: S. Dominique, Bd. II (21938), S. 203 - 230) erwies jedoch, daß sie bereits 1220 entstanden. 37

Const. ant., preambulum: S. 310, 23 - 28.

De oudste constituties ... (1965). D. Berg: Armut...., S. 11, weist darauf hin, daß "aus sämtlichen überlieferten oder erschlossenen Konstitutitionen, die je in den Jahren 1215 ( hierzu s. o., Anm. 34 ) bis 1237 in Kraft waren, später aber Veränderungen erfuhren, ein Konstitutionentext konstruiert wurde, der in dieser Gestalt zu keinem Zeitpunkt in diesem Zeitraum existierte". Bei sorgfältiger Beachtung des Quellenapparats und Berücksichtigung der Einleitung - im Umgang mit kritisch edierten Texten anscheinend nicht immer üblich - ist die Ausgabe von A. H. Thomas jedoch durchaus gut brauchbar. 38

39

Const. ant., prol.: S. 311,12 - 15.

The history of the Dominican order, Bd. I: Origins and growth to 1500 (1966), S. 83 f.

40

41

Die Spannung ..., bes. S. 168 - 175.

42 L' étude ... , S. 227 - 231 u. 235 - 247.

83

1238 - 1239 wurden die Konstitutionen von dem damaligem Generalmeister des Dominikanerordens, dem hl. Raymund von Penafort (ca. 1175 - 1275), einem der besten Rechtsgelehrten seiner Zeit, in eine neue, systematischere Ordnung gebracht und in dieser Form vom Generalkapitel des Jahres 1241 definitiv angenommen43. Bis in das zwanzigste Jahrhundert bildeten sie dann den Kern der Ordensgesetzgebung44. Kleinere Änderungen und Zufügungen hat es jedoch schon bald gegeben45; man kann deshalb auch für die Zeit nach 1241 nicht einfach vom Text der "Constitutiones" in dieser Fassimg ausgehen, wenn man die zu einem bestimmten Zeitpunkt gültigen Konstitutionen kennenlernen will. Ediert sind neben der Fassung von 1241 lediglich die von 125646 und die von 135847. Da aber die Akten der Generalkapitel - die auch die Gesetzesbeschlüsse enthalten - weitgehend bewahrt geblieben sind, stellt eine solche Verifizierung kein unmögliches Unterfangen dar.

1.2.2.2 Die Akten der Generalkapitel Die Generalkapitel waren also nicht nur gesetzgebendes, sondern auch in letzter Instanz wichtige aktuelle Fragen entscheidendes Organ. Jedes dritte Generalkapitel bestand aus den Provinziälen und ihren Begleitern, die beiden dazwischen aus gewählten Delegierten der Provinzen, den Diffinitoren48. Alle Mitbrüder, einschließlich des Generalmeisters, konnten zur Rechenschaft gezogen und, falls man das für nötig hielt, ihres Amtes enthoben, versetzt oder mit Strafen belegt werden. Die ersten Arbeitssitzungen waren einem solchen capitulum culparum gewidmet und nicht selten wurde dabei hart durchgegriffen: auf dem 1265 in Montpellier abgehaltenen Kapitel wurde so etwa der Provinzial der deutschen Ordensprovinz (Teutonia) abgesetzt und mit zwölf Tagen bei Wasser und Brot bestraft, weil er einige ausländische Studenten - wohl wegen Mangels an Mitteln für ihren Unterhalt - vom Köl-

43

R. Creytens: Les constitutions des frères prêcheurs dans la rédaction de S. Raymond de Penafort (1241). AFP 18 (1948), S. 5 - 68 ( mit Edition ); hier S. 6 - 8. 44

A. Walz: Compendium .... (21948), S. 34.

45

G. R. Galbraith: The constitution ..., S. 184.

« Analecta OP 3 (1897), S. 26 - 60, 98 - 122, 162 - 181. 47

G. R. Galbraith: The constitution ..., Appendix 2, S. 203 - 253 (unvollständig) vgl. W. A. Hinnebusch: The history..., Bd. I, S. 188, Anm. 18.

48

A.a.O., Appendix 4, S.255 - 258, Liste der Abfolge.

84

ner Generalstudium fortgeschickt hatte. Den Diffinitoren des Provinzkapitels, die dem zugestimmt hatten, wurden sieben Tage Fasten auferlegt49. Eine besondere Kommission des Kapitels befaßte sich mit Beschwerden und Petitionen50. Auch die Einsetzung von Lektoren an den Generalstudien gehörte zu den Aufgaben des Generalkapitels, wurde aber zumeist dem Generalmeister übertragen51. Über Mißstände - nicht zuletzt in Studiendingen - wurden häufig Klagen geäußert, was uns heute helfen kann, ein realistischeres Bild der Lage zu erhalten, die ja durchaus nicht immer den Idealen entsprach52. Alle Entscheidungen wurden in einem offiziellen Protokoll, den Acta capituli generalis, festgehalten, von dem sich jeder Kapitelsteilnehmer ein Exemplar in seine Provinz mitnahm53. Diese "Acta capitulorum generalium" sind für die Zeit bis 1240 leider nur recht lückenhaft überliefert, von diesem Zeitpunkt ab aber ziemlich vollständig54. Sie sind in den Monumento Ordinis Fratrum Praedicatorum histórica ediert55 und bilden die wichtigste Quelle für die äußere Geschichte des Studiums im Dominikanerorden.

49

Acta Cap. Gen. I, S. 130, 30 - S. 131, 1.

50

W. A. Hirmebusch: The history ..., Bd. I, S. 182, G. R. Galbraith: The constitution ..., S. 104 f. 5

1 Ebd.

52

I. W. Frank: Die Spannung ..., S. 166 f.

53

W. A. Hinnebusch: The history ..., Bd. I, S. 179.

54

Acta Cap. Gen. I, S. 1, 1 -3: Bernardus Guidonis der die älteste noch erhaltene Sammlung aufgestellt hat, macht auf diesen, schon zu seiner Zeit bestehenden Mangel aufmerksam. Vgl. die Einleitung von B. M. Reichert: a.a.O., S. vii. 55 W. A. Hinnebusch: The history ..., Bd. I, S. 173 f. Die Sammlung des Bernardus Guidonis bildete aber nicht die einzige Quelle für Reichert, der auch die von J. Échard angefertigte Abschrift (Paris, Archives nationales, Fonds dominicains, Nr. 1528) einer Sammlung von Kapitelsakten im ehemaligen Dominikanerkonvent von Langres benutzte, deren Original heute verloren ist. Vgl. A. de Guiamaräes: Hervé Noël. AFP 8 (1938), S. 5 - 81; hier S. 16, Anm. 15. Auf eine Handschrift der Sammlung des Bernardus mit Fortführung bis zur Mitte des 14. Jh. in Frankfurt, Stadtund Universitätsbibliothek, Ms. Praed. 82 (G. Powitz: Die Handschriften des Dominikanerklosters und des Leonhardstifts in Frankfurt a. M. (1968), S. 194 f.) hoffe ich in andrem Zusammenhang näher eingehen zu können.

85

1.2.2.3 Die Akten der Provinzkapitel Auf dem zweiten Generalkapitel (1221) wurde der Dominikanerorden in Provinzen als Zwischenglieder zwischen der zentralen Ordensleitung und den einzelnen Konventen eingeteilt^. Ursprünglich waren es vier, bald acht, 1228 zwölf, eine Zahl, die bis 1296 gleich blieb, als nach langem Tauziehen um die Teilung der acht größeren Provinzen schließlich auf Andringen des Königs Karl II. von Sizilien durch päpstliche Intervention von der römischen Provinz eine sizilianische abgetrennt worden war57. 1298 (wirksam 1301) wurden dann Aragonien von der spanischen und Böhmen von der polnischen Provinz abgeteilt58, ohne äußerliche politische Gründe, aufgrund ihrer nicht mehr überschaubaren Größe, wurden dann 1301 - 1303 die Provinzen Provinciae (Südfrankreich), Teutonia und Lombardia geteilt59. Die deutsche Ordensprovinz Teutonia ist in der Reihenfolge der Gründung die achte; die von ihr abgeteilte Saxonia die achtzehnte 60 . Die Provinzen sind analog zur Leitung des Gesamtordens verfaßt: an ihrer Spitze steht ein Provinzial (Prior provincialis), jährlich - nachdem das Generalkapitel abgeschlossen ist - tritt ein Provinzkapitel zusammen«, zu dem sich die Prioren der Konvente und eigens dazu Gewählte (Socii) versammeln. Bald bekamen auch die vom Generalkapitel ernannten "Generalprediger" (Praedicatores generales, mit dem ius ubi56

Const. ant., d. 2 II, c. 1: S. 340, 2 - 3; vgl. A. H. Thomas: De oudste constituties ..., S. 203 f. 57 W. A. Hinnebusch: The history ..., Bd. I, S. 173 f.. Die 1294 erfolgte Intervention wurde erst voll wirksam, als das Generalkapitel 1296 die Anerkennung der neuen Provinz beschloß: Acta Cap. Gen. I, S. 279, 21 - 30. 1295 war das Generalkapitel ausgefallen: vgl. G. R. Galbraith: The Constitution ..., S. 257, Anm. 48. 38 Inchoatio 1298: Acta Cap. Gen. I, S. 287, 23 - 34; approbatio 1300: Acta Cap. Gen. I, S. 295, 10 - 22 (1299 Generalkapitel ausgefallen); confirmatio 1301: Acta Cap. Gen. I, S. 301, 4 - 1 5 . 59

Inchoatio 1301: Acta Cap. Gen. I, S. 302, 34 - 303, 8; 304, 1 - 9; 26 - 33 (Teutonia); approbatio 1302: Acta Cap. Gen. I, S. 312, 1 - 12; 313, 6 - 15; 313, 33 - 314, 5; confirmatio 1303: Acta Cap. Gen. I, S. 317, 21 - 33 (Provinciae); 318, 30 - 319, 2 (Lombardia); 20 - 28 (Teutonia). 60

Auf jeder Ebene, Provinzen im Orden, Konvente in der Provinz, Mitbrüder im Konvent, wurde die Präzedenz nach dem (Ordens-) Alter, monastischer Tradition entsprechend, eingehalten. Ein zweites Kriterium war bei Personen ein besonderes Amt. Die Kenntnis der Präzedenzregeln ist bei der Interpretation von Listen eine wichtige Hilfe zur Chronologie. 61

W. A. Hinnebusch: The history ..., Bd. I, S. 183.

86

que praedicandi) Stimmrecht62. Die Magistri in sacra theologia hatten im Mittelalter noch nicht ex officio Sitz und Stimme im Provinzkapitel63, doch mit dem Wachsen ihrer Zahl bestimmten sie im Lauf des vierzehnten (und besonders des fünfzehnten) Jahrhunderts auch so mehr und mehr das Bild sowohl der General- als auch der Provinzversammlungen64. Da mit der Zahl der Konvente in den einzelnen Provinzen auch die der Kapitelsmitglieder sehr groß werden kann, wird ein 'Kernkommittee' (diffinitorium) gewählt, das die Beschlüsse der Generalversammlung näher auszuarbeiten hat und dem neben dem Provinzial vier Diffinitoren angehören65. Im übrigen gleicht die Arbeitsweise eines Provinzkapitels der des Generalkapitels66. Auch hier wird ein offizielles Protokoll (Acta capituli provinciae ) erstellt, das im Mittelalter den einzelnen Konventen durch ihre Teilnehmer überbracht wurde67. Da die Provinzkapitel auch die regionalen Studienhäuser einrichteten und ihnen - falls sie das nicht dem Provinzial überließen - Lektoren und Studenten zuteilten68, sind diese Acta capitulorum provincialium von größtem Interesse für die Geschichte der Studien. Doch nur wenige dieser Protokolle sind erhalten. Gut sieht es damit - auch dies wieder dank der Arbeiten des fr. Bernardus Guidonis - für die Provincia Provinciae aus. Ihre Kapitelsakten sind zusammen mit einigen der römischen und spanischen Provinz von Celestin Douais im Druck herausgegeben worden69, der auch, vornehmlich hierauf gestützt, eine

G. R. Galbraith: The Constitution ..., S. 61. Zu den Generalpredigern vgl. H. Chr. Scheeben: Prediger und Generalprediger im Dominikanerorden des 13. Jahrhunderts. AFP 31 (1961), S. 112 -141; zur Mitgliedschaft im Provinzkapitel bes. S.126 f. 62

63

A.a.O., S: 63.

64

W. A. Hinnebusch:

The history..., Bd. II, S. 6 9 f.

G. R. Galbraith: The Constitution ..., S. 6 9 - 72. Diese Diffinitoren sind zu unterscheiden von den ebenfalls so genannten und vom Provinzkapitel gewählten beiden Vertretern für das nächste Generalkapitel - wenn dieses ein Diffinitorenkapitel war (vgl. o., S. 8 4 f.). 65

66

w. A. Hinnebusch:

The history ..., Bd. I, S. 186.

67

G. R. Galbraith: The Constitution ..., S. 73.

68

A.a.O., S. 78.

6 9 Acta capitulorum provincialium Ordinis Fratrum Praedicatorum (1894). Zu Bernardus Guidonis s. o., S. 44.

87

Monographie über das mittelalterliche Studienwesen des Dominikanerordens, besonders in Südfrankreich, veröffentlicht hat70. Wegen ihrer schmalen Quellenbasis ist diese allerdings stark kritisiert worden71. Die Kapitelsakten der römischen Provinz aus der Zeit von 1243 bis 1344 haben Thomas Kaeppeli und Antoine Dondaine ediert72. Von denen der (beiden) deutsche(n) Provinz(en) sind bislang nur einzelne gefunden worden73.

1.2.2.4 Andere offizielle Dokumente Der Orden der Predigerbrüder war von den Päpsten in besonderer Weise mit der Verkündigung des Wortes Gottes beauftragt74 und stand deshalb in enger Verbindung mit dem Heiligen Stuhl. Die von dort im Lauf der Zeit erhaltenen Weisungen und Privilegien wurden gesammelt und im achtzehnten Jahrhundert schließlich als Bullarium Ordinis Fratrum Praedicatorum gedruckt75. Freilich ist diese Ausgabe nicht auf dem heutigen Stand diplomatischer Kritik. Die Leitung durch die Generalmeister hat sich besonders in zwei Formen historischer Quellen niedergeschlagen: Bei besonderen Anlässen verfaßte der Ordensgeneral Rundschreiben, die oft auch Studienfragen berührten. Soweit erhalten, sind sie für die Zeit von 1233 bis 1376 ediert76. Besonders die Haltung des Ordens im Pariser Mendikantenstreit wird durch solche litterae encyclicae beleuchtet77, aber auch die immer wieder vorkommenden Mahnungen, den fervor studii nicht zu 70

C. Douais: Essai sur l'organisation des études dans 1' ordre des frères prêcheurs aux 13e et 14e siècle (1884). 71 H. S. Denifle: Die Constitutionen ..., S.184, Anm. 1. I. W. Frank: Zur Studienorganisation..., S. 40. 72

MOPH XX (1941).

73

I. W. Frank: Zur Studienorganisation ..., S. 44. Vgl. u., S. 125 f.

74

Zwar noch nicht in der Gründungsurkunde von Papst Honorius III, 22. 12. 1216 (Monumenta diplomatica S. Dominici / ed. V. J. Koudelka, MOPH XXV (1966), Nr. 77, S. 71 - 76 ), aber bereits in einem wenig späteren päpstlichen Dokument (A.a.O., Nr. 79, S. 78 f.). 75

Hrsg. Th. Ripoll; A. Bremond, 8 Bde. (1719-1740). Kritisch dazu: A. Kühl: Die Dominikaner ..., S. 182 f. 76

Litterae encyclicae Magistrorum Generalium OP / ed. B. M. Reichert, MOPH V (1900). 77

A.a.O., Nr. 8 - 1 0 : S. 3 1 - 4 8 .

88

verlieren78, werden kaum bloße Floskeln gewesen sein; sie bezeugen den dem Studium zugemessenen hohen Stellenwert, indem es in einem Atemzug mit den Ordensobservanzen und der Predigt genannt wird; gleichzeitig weisen sie darauf hin, daß es wohl nicht überall so eifrig betrieben wie gepriesen wurde. Die Briefe der Generalmeister an einzelne Konvente und Brüder, die unter anderem auch die Versetzung von Lektoren und Studenten für die Generalstudien zum Inhalt haben, sind leider erst seit dem Ausgang des vierzehnten Jahrhunderts in erhaltenen Briefregistern erfaßt - allerdings auch dann noch nicht ohne Lücken79. Auch die Provinziäle gaben ihre Anweisungen oft in Briefform. Hier sind wir noch mehr auf glücklich erhaltene Einzelstücke angewiesen80. Als besonders wertvoll ist dabei die Berliner Handschrift Ms. lat. Oct. 109 anzusehen, die ein Brief- und Notizbuch von Provinziälen der Teutonia aus der Zeit von ca. 1264 bis ca. 1295 enthält und überwiegend aus Brief(formular)en, aber auch Eintragungen über Kontributionen der Konvente und anderen, noch nicht näher untersuchten besteht81. In einzelnen Klöstern wurden Besonderheiten des gemeinsamen Lebens, die meist aus Interpretationen der Konstitutionen entstanden waren, festgelegt und aufgezeichnet. Solche consuetudines sind von einem deutschen Konvent aus der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts erhalten82. Nekrologe mit den Namen der verstorbenen Mitbrüder und Wohltäter(innen) spielen in der klösterlichen Tradition eine wichtige Rolle83. Jeder Dominikanerkonvent hatte ein solches Totenbuch - nur wenige sind erhalten84. 78

In zahlreichen Rundschreiben, z.B. von Aimericus Placentius 1304: a.a.O., Nr. 56: S. 182 f. 79 Registrum litterarum Raymundi de Capua. / ed. B. M. Reichert, QF VI (1911); hier im Vorwort, S. 6 f. 80

S. o., S. 46: Anweisungen des Provinzials der Teutonia, Hermann von Minden, zur Schwesternseelsorge. 81 Summarische Beschreibung: L. Sturlese: Dokumente und Forschungen zu Leben und Werk Dietrichs von Freiberg (1984), S. 76 f. Teiledition der Briefe: H. Finke: Ungedruckte Dominikanerbriefe (1891). 82

G. Lohr: Die Gewohnheiten eines mitteldeutschen Dominikanerklosters aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. AFP 1 (1930), S. 87 - 105. 83

Zu Funktion und Methoden der Auswertung J. Wollasch: (1977), S. 545 - 552.

Neue Methoden...

84

l W. Frank: Das Retzer Martyrologium. Xenia medii aevi ... (1978), S. 269 - 297; hier bes. S. 95 f. Ders.: Das Totenbuch des Mainzer Dominikanerklosters (1993).

89

Die Werke des fünften Generalmeisters, fr. Humbertus de Romans, über das Ordensleben haben zwar keinen direkt offiziellen Charakter, vielen Generationen von Dominikanern sind sie jedoch grundlegende geistliche Lektüre und Handbücher zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Orden gewesen. So haben sie eine - gewissermaßen "offiziöse" - Bedeutung erlangt, die mit der amtlicher Dokumente verglichen werden kann 8 '. In der Expositio Regulae B. Augustinus und der Expositio super constitutiones Fratrum Praedicatorum87 finden sich einige fundamentale Überlegungen zum Studium. In den Iristructiones de officiis ordinis dagegen werden unter anderen die Ämter des Novizenmeisters, Lektors, Studentenmeisters, Bibliothekars und Skriptors beschrieben 88 . Nicht vergessen werden dürfen auch die zahlreichen Dokumente, die, von Stellen außerhalb des Ordens verfaßt, zwar meist Fragen der Wirtschaftsführung, aber gelegentlich auch solche des Studiums betreffen. Unter ihnen sind die Urkunden der Universitäten besonders wichtig89.

1.2.2.5 Erzählende Quellen und Überreste Erzählende Quellen zur Geschichte des Ordens der Predigerbrüder im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert sind zahlreich, jedoch besonders für die Zeit nach dem Tod des zweiten Ordensgenerals, fr. Jordan von Sachsen ( + 1237 ) - für die Kenntnis von Studienorganisation und -betrieb meist nur indirekt ergiebig. Zu stark ist dafür das Interesse ausgeprägt, erbauliche Geschichten und Anekdoten, und zu wenig das, historische Tatsachen mitzuteilen 90 . 85

A. Walz: Compendium ..., S. 40 f. D. Berg: Armut..., S. 64 - 66.

86

Nr. 142 - 153. Humbertus de Romans: Opera de vita regulari / ed. J. J. Berthier, Bd. 1(1888), S. 426 -472. 87

Nr. 8 u. 13: a.a.O., Bd. II (1889), S. 28 - 31 u. 42 - 44.

88

C. 5 u. c. 11 -14: a.a.O., Bd. II, S. 213 - 232 u. 254 - 267.

89

Zu den einzelnen Quellen und ihren Editionen vgl. J. Verger: Les universités au moyen-âge (1973). 90

A. Kühl: Die Dominikaner ..., S.161 - 165. Kühl gibt auch eine Übersicht über die dominikanische Ordenshistoriographie, besonders die deutsche, von den Anfängen bis ca. 1920 (S. 155 -187). Sein völlig negatives Urteil über Legenden, Mirakel und die mittelalterliche Historiographie entsprach den damals herrschenden Vorstellungen (E. Bernheim: Lehrbuch der historischen Methode ( 4 1903), S. 185 f. - dort allerdings auch positiv zum Quellenwert von Sagen: S. 466 - wenn es um den profanen Bereich geht).

90

Die von fr. Galvanus de Flamma nach 1333 verfaßte Chronica parva Ordinis Praedicatorum beschränkt sich auf die wichtigsten Ereignisse und liefert kaum detaillierte Informationen91. Von den Werken des fr. Bernardus Guidonis sind seine Liste berühmter Persönlichkeiten aus dem Orden92 und seine Sammlung der Kapitelsakten93 bereits erwähnt worden. Neben zahlreichen Arbeiten, die speziell für die Geschichte Frankreichs und seiner Dominikaner von Bedeutving sind, hat er auch noch einen Katalog der Generalmeister des Ordens und eine Liste der Konvente zusammengestellt 94 . Verschiedene spätere Dominikus-Viten95 treten in Inhalt und Verbreitung ganz in den Schatten des Libellus de principiis Ordinis Praedicatorum, den Jordan von Sachsen, der zweite Generalmeister, verfaßte96. Auch die Überreste von nicht für die Nachwelt geschaffenen Schriften enthalten gelegentlich Interessantes zum Studium. So gibt etwa die Privatkorrespondenz der Mystikerin Christina von Stommeln mit fr. Petrus de Dacia OP wertvolle Aufschlüsse über die Studenten des Kölner Generalstudiums in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts97. Eine wegen dem hohen Stellenwert des Studiums besondere Bedeutung hatten für die Dominikanerkonvente - vor allem die Studienhäuser die Bibliotheken9«. Im ganzen deutschsprachigen Raum sind unter ihnen nur die in Wien und in Retz an ihrem ursprünglichen Ort erhalten geblieben. Ähnlich steht es mit mittelalterlichen Bibliothekskatalo-

9

1 ed. B. M. Reichert, MOPH II (1897). Vgl. A Kühl: a.a.O., S. 186 f. Th. Kaeppeli: Scriptores...; Bd. II, S. 9, Nr. 1185.

92

Vgl. o., S. 44.

93

Vgl. o , S. 85, Anm. 54.

94

Liste: Th. Kaeppeli: Scriptores.., Bd. I, S. 205 - 226.

95

D. Berg: Armut..., S. 12.

se ed. H. Ch. Scheeben, MOPH XVI (1935). 97

Deutsche Mystikerbriefe des Mittelalters 1150-1550 / hrsg. v. W. Oehl (1931), S. 248 - 252.

98 W. A. Hinnebusch: The history ..., Bd. II, S. 200 f. A. Walz: Vom Buchwesen im Predigerorden bis zum Jahre 1280. Aus der Geisteswelt des Mittelalters, Bd. I (1935), S. 111 - 127. Th. Kaeppeli: Antiche biblioteche Domenicane in Italia. AFP 36 (1966), S. 5 - 80. A. H. Thomas: Boekenbezit en boekengebruik bij de Dominikanen in de Nederlanden vóór ca. 1550. Studies over het boeken bezit en boekengebruik in de Nederlanden vóór 1600 (1974), S. 417 - 476.

91

gen: erhalten und ediert ist - neben dem Wiener von 1513" - nur der Regensburger von 1347100. Ein Fragment eines rheinischen Gesamtkatalogs aus dem 15. Jahrhundert zeigt ein wenig von einer hervorragenden Bibliothek in Köln101; umfangreichere Bestände sind unter anderen aus den Bibliotheken der Konvente in Basel1"2, Frankfurt am Main103, Leipzig104, Magdeburg105 und Soest106 erhalten. Ein eher bescheidener Bestand ist aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert für den Wimpfener Konvent rekonstruiert worden107, ein Bücherbord von ganzen 19 Titeln läßt sich für Bern erschließen10». Ähnli99 MBK Österreich I (1915), S. 289 - 414. 100

MBK IV, 1 (1977), S. 455 - 459.

101

H. Knaus: Ein rheinischer Gesamtkatalog des 15. Jahrhunderts. GutenbergJahrbuch 1976, S. 509 - 518. 102

Ph. Schmidt: Die Bibliothek des ehemaligen Dominikanerklosters in Basel. Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 18 (1919), S. 160 - 254. 103

G. Powitz: Die Handschriften des Dominikanerklosters ..., S. XII - XXVII.

104

H. G. Hasse: Geschichte der sächsischen Klöster in der Mark Meißen und Oberlausitz (1888), S. 147 - 164, gibt einen Überblick über die Schicksale der Dominikanerklöster jener Region, wobei er auch den jeweiligen Verbleib der Bibliotheken erwähnt: Leipzig zur Universität S. 154, Freiberg Stadtbibliothek S. 155, Pirna zur Universität Leipzig S. 164. Vgl.: J. Feller: Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Paulinae in Academia Lipsiensi (1686); für Cod. 1 - 500 R. Helssig: Die lateinischen und deutschen Handschriften (1926 - 1935). Katalog d. Handschriften d. Universitäts - Bibliothek zu Leipzig, Bd. IV, 1. Fortsetzung bearb. von Peter Burkhart in Vorbereitung. 105

Die Magdeburger Dominikanerbibliothek wurde - neben einem Teil, der dem dortigen Domgymnasium verblieb (u. a. eine frühe Hs. der unpurgierten 1. Redaktion von Durandus: In II Sent. Th. Kaeppeli: Scriptores..., II, S. 342) - nach Halle (Universität) und Berlin (Staatsbibliothek) verstreut. Vgl. U. Altmann: Die Inkunabelsammlung. In: Deutsche Staatbibliothek 1661 - 1961, Bd. 1 Geschichte und Gegenwart (1961), S. 381 - 403; hier S. 393 f. 106 B. Michael: Die mittelalterlichen Handschriften der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Soest (1990), S. 16 - 43, berichtet über das Schicksal der Bücher, von denen nur der kleinere Teil in Soest geblieben ist, die weiteren über Arnsberg nach Münster und Berlin verstreut wurden und größtenteils verlorengegangen sind. 107 K. H. Staub: Geschichte der Dominikanerbibliothek in Wimpfen am Neckar (1980): "eine typische Gebrauchsbibliothek eines Bettelordens" (S. 8). Die Bibliothek enthielt nur vereinzelt Werke scholastischer Philosophie. 108

L. Sutter: Die Dominikanerklöster auf dem Gebiete der heutigen deutschen Schweiz im 13. Jahrhundert / Kath. Schweizer-Blätter, N.F. 9 (1893), S. 383 - 532; hier S. 510.

92

ches gilt für Wesel, dessen durch spätere Zeitläufte allerdings dezimierte mittelalterliche Bibliothek sich heute in Walberberg befindet109. Doch nicht nur literarische Quellen können unsere Kenntnis des mittelalterlichen dominikanischen Studienwesens bereichern: in ein paar Klöstern sind mittelalterliche Hörsäle (scholae) erhalten geblieben - in Deutschland nur in Regensburg110. Bildliche Darstellungen vermitteln einen Eindruck vom damaligen Schulbetrieb111 und dem Ansehen der bedeutendsten Gelehrten; hierzu sei lediglich auf die umfangreiche Ikonographie des heiligen Albertus Magnus112 und des heiligen Thomas von Aquin113 verwiesen. Eine für die Gelehrtengeschichte besonders interessante Darstellungsform sind die "Dominikanerstammbäume", Abbildungen des Ordensgründers mit den berühmtesten seiner geistlichen Kinder114. Auf einem solchen Wandgemälde im Refektorium des ehemaligen Berner Klosters ist auch Johannes von Sterngassen abgebildet115.

1.2.3 Die Studienorganisation Bereits in den ältesten Konstitutionen des Dominikanerordens war festgelegt worden, daß ein Kloster überhaupt nicht erst gegründet werden durfte, ohne daß ein doctor dazugehörte116. Jeder Konvent wurde somit zu einer Schule, und die Brüder sollten dort so lange studieren, bis sie zum Predigen geeignet befunden wurden117 - ein gewaltiger Fortschritt zu einer Zeit, da es keine näher geregelte, gar verbindliche Priesterausbildung gab und gerade der Seelsorgeklerus oft nur P. von Loe: Verzeichnis der alten Handschriften und Drucke in der Bibliothek des Dominikanerklosters zu Düsseldorf (o. J., ca. 1904), S. 4 f. 109

110

H. M. Barth: Dominikanerkirche Regensburg ( 2 1973), S. 16 - 1 8 .

P. R. Monks: Pictorial Programms of the French version of Suso's Horologium sapientiae. AFP 57 (1987), S. 31 - 43. 111

112

Albertus Magnus: Ausstellung zum 700. Todestag (1980), S. 212 - 218.

113 G. M. Lechner: Iconographia Thomasiana. Thomas von Aquin: Interpretation u. Rezeption (1974), S. 933 - 973. 114

A. Walz: Von Dominikanerstammbäumen. AFP 34 (1964), S. 231 - 275.

115

A.a.O., S. 251. Vgl. u„ S. 181.

116

Const, ant., d. 2, c. 23: S. 358, 1 f.

117

Const, ant., d. 2, c. 20: S. 356, 12 - 15.

93

über ein gänzlich unzureichendes theologisches Wissen verfügte118. Diese Bildung sollte aber nicht nur den Ordensangehörigen vorbehalten sein: bereits 1221 lud Bischof Konrad von Scharfeneck die Dominikaner zu einer Gründung in seiner Bischofsstadt Metz ein und bat sie, dort nicht nur dem Volk zu predigen, sondern auch Vorlesungen für den Klerus zu halten, so wie es nach seinen Worten bereits in Rom und andernorts der Fall war11». Für diejenigen Mitbrüder, die solche öffentlichen Vorlesungen halten sollten, wurde eine besondere Qualifikation verlangt: "Nullus fiat publicus doctor, nisi per quatuor annos ad minimum theologiam audierit"120. Bereits früh hat der Dominikanerorden auf diese Weise einen Beitrag zur Erfüllung der Forderung des vierten Laterankonzils nach besserer theologischer Bildung geleistet121. Im Lauf der Zeit wurde jedoch immer deutlicher, daß diese traditionelle Lehrweise - eine Schule hat nur einen einzigen doctor, der alles behandelt - den Anforderungen nicht mehr genügen konnte, die sich aus der Konfrontation der Weisheit der Väter mit der griechisch-arabischen Philosophie ergaben. Die Predigerbrüder nahmen die darin hegende Herausforderung an und organisierten - als notwendige Voraussetzung dazu - ihr Studienwesen seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts nach dem Vorbild der Universitäten, besonders der Pariser. Erst gegen Ende des Saeculums war dies jedoch ganz durchgebildet und überall ausgeführt 122 , doch schon in der Zeit des Übergangs leisteten diese neuen Ordensstudien - die in ähnlicher Weise auch bei den Minderbrüdern entstanden - einen erheblichen Beitrag zur Verbreitung der neuen, scholastischen Philosophie und Theologie123.

118

L. E. Boyle: Notes on the education of the 'fratres communes' in the Dominican order in the 13th century. Xenia medii aevi... Bd. I (1978), S. 249-267, betont die entscheidende Bedeutung von Predigt und Beichte für die Studienanforderungen. "9 Monumenta diplomatica ..., Nr. 157, S. 157 f.; hier S. 158, 20 - 28. W. A. Hinnebusch: The history..., Bd. II, S. 11 - 14. Zum Metzer Konvent: D. Saget: Notice historique sur le couvent des Frères Prêcheurs de Metz ( 2 1905); bes. S. 10 f. 120 Const, ant., d. 2, c. 30: S. 363, 2 f. Eine genaue Datierung dieser Bestimmung ist nicht möglich (a.a.O., S. 290). 121 Concilium Lateranense décréta, S. 240, 6 - 27.

IV, constitutio

11: Conciliorum

122

I. W. Frank: Zur Studienorganisation ..., S. 43.

123

K. S. Frank: Grundzüge..., S. 117.

94

Oecumenicorum

1.2.3.1 Die Ausbildung der scholastischen Studienorganisation Wie schon angeführt, kamen die ersten Dominikaner bereits 1217 nach Paris, um dort zu studieren. Nach schwierigen Anfängen wurde ihnen 1218 von dem Dekan des Kapitels an St. Quentin und Magister der theologischen Fakultät Johannes de S. Albano und der Universität ein Hospiz mit einer dem hl. Jakobus geweihten Kapelle zur Verfügung gestellt124. 1221 erhielten sie - wiederum durch Johannes de S. Albano größere Gebäude bei der Kirche St. Stephan125, der Name "St. Jacques" für den Ort und "Jakobiner" für die dort Lebenden sollte die Pariser Predigerbrüder aber bis heute begleiten. Johannes de S. Albano hielt bereits im ersten Kloster Vorlesungen, wie aus einer von Papst Honorius HI. erlassenen Urkunde hervorgeht126. Als erster Dominikaner Promovierte Roland von Cremona unter nicht ganz geklärten Umständen 1229 zum Magister in sacra theologia127 und eröffnete damit die Reihe der dominikanischen Magistri Parisienses. Ein zweiter Lehrstuhl fiel dem Orden zu, als 1230 Magister Johannes von St. Giles den Habit nahm12«. In der Folge wurde jeweils eine cathedra mit einem vom Generalkapitel oder Generalmeister präsentierten Mitbruder und der andere Lehrstuhl mit einem französischen Dominikaner besetzt. Schon zu Beginn dieses der Universität inkorporierten Studiums hat es dort einen Bakkalaureus gegeben: fr. Jordan von Sachsen, der spätere zweite Generalmeister, las 1220 - 1221 über das Lukasevangelium bis er Provinzial der Lombardei wurde129. Die begabtesten Studenten des

124 Jordanus de Saxonia: Libellus .. , Nr. 53: S. 50. D. Berg: Armut..., S. 38 - 41. Zur Identität des Johannes de S. Albano mit dem in der Sekundärliteratur so genannten "Iohannes de Barastro" (P. Glorieux Répertoire ... théologie ..., Bd. I, Nr. 114, S. 274 ) vgl. W. A. Hinnebusch: The history..., Bd. I, S. 73, Anm. 112. 125

Monumenta diplomatica ..., Nr. 160, S. 160 - 162. Chartularium Universitatis Parisiensis ed. H. S. Denifle < im folgenden: CUP > Bd. I (1889), Nr. 43, S. lOOf. 126

A.a.O., Nr. 161, S. 162 f.; hier S. 162, 15 - 17. CUP I, Nr. 44, S. 101 f.

127

P. Glorieux Répertoire... théologie..., Bd. I, Nr. 1, S. 42. Vgl. D. Berg: Armut..., S.

87. 128 A.a.O., Bd. I, Nr. 3, S. 52 f. 129 Gerardus de Fracheto: Vitae fratrum ... III, 4: S. 102. Für die historische Echtheit: W. A. Hinnebusch: The history ..., Bd. II, S. 83, Anm. 8.

95

Ordens wurden nach Paris geschickt; jede Provinz konnte drei dorthin entsenden130. Nach Bologna kamen die Dominikaner 1218131 und fanden dort - wie in Paris - bald viele Berufungen unter den Studenten132. Da die dortige Universität aber keine theologische Fakultät besaß, konnte der Hauptort der Lombardei für den Orden doch nicht die Bedeutung als geistiges Zentrum erlangen wie Paris. In Oxford hielten die ersten Dominikaner 1221 ihren Einzug133. Sie traten bald in enge Verbindung mit der Universität, und ihr Studium wurde der theologischen Fakultät inkorporiert - wann genau läßt sich allerdings schwer sagen13-». Eine überregionale Ausstrahlung hat dieses Studienhaus jedoch zunächst nicht gehabt, denn ausländische Studenten wurden dort nicht aufgenommen135. 1261 erzwang schließlich das Generalkapitel die Zulassung von Studenten aus allen Provinzen des Ordens136. Auch in Paris gab es Probleme: der Konvent konnte auch nach der besonders schweren Anfangszeit die Mittel für den Lebensunterhalt der vielen Studenten kaum aufbringen, so daß das Generalkapitel von 1246 den ganzen Orden um Unterstützung bat137. Solche Bitten mußten bis zum Ende des Jahrhunderts noch öfter wiederholt werden138. 1290 wurde schließlich die Anzahl der Studenten in Paris für einige Provinzen auf zwei begrenzt139. 1305 wollte man diese Begrenzung für alle Provinzen einführen; dieser Vorschlag wurde aber von den folgenden Generalkapiteln nicht ange130

Zufügung zu: Const, ant., d. 2, c. 28: S. 362, 25 f. W. A. Hinnebusch: The history..., Bd. II, S. 84, Anm. 20, glaubte irrtümlich der Text fehle in der Ausgabe von A. H. Thomas - wohl weil er sich in Denifles Edition an anderer Stelle findet (Die Constitutionen ..., S. 226 = Const, ant. d. 2, c. 36 ). 131

Jordanus de Saxonia: Libellus ..., Nr. 55: S. 51.

132

A.a.O., Nr. 57: S. 52. D. Berg: Armut..., S. 40 - 43.

133 YV. A. Hinnebusch: The early English friars Preachers (1951), S. 1. 134

A.a.O., S. 342; ders.: The history.. , Bd. II, S. 41.

135

A.a.O., S. 341; nimmt ökonomische Gründe an.

136 Acta Cap. Gen. I, S. 110, 25 - 30. 137

Acta Cap. Gen. I, S. 36,6 - 9; D. Berg; Armut..., S. 60.

138

I. W. Frank: Die Spannung ..., S. 171; dort Quellen.

139 Acta Cap. Gen. I, S. 244, 21 - 23 (inchoatio); S. 250, 29 - 251, 6 (approbatio, eingehendster Text); S. 254, 25 - 29 (confirmation.

96

nommen140. Die Anzahl der Mitbrüder, die in Paris die akademischen Grade erwerben konnten, wurde aber nicht nur durch die ökonomische Lage des Klosters beschränkt, sondern fand auch an der von der Universität eingeführten Graduierungsregelung eine Grenze141. Auf die Dauer stand also die Kapazität des Pariser Studienzentrums in keinem Verhältnis zum Bedarf an qualifizierten Lehrkräften im Orden; im Prinzip sollte ja jeder Konvent seinen doctor haben. Der Mangel war zur Jahrhundertmitte bereits so stark geworden, daß das Generalkapitel von 1245 anordnete, diejenigen Prioren von Konventen, die zum Dozieren geeignet seien, sollten auf den jeweiligen nächsten Provinzkapiteln von ihrem Amt abgelöst werden und dürften keine Leitungsaufgaben mehr erhalten, damit sie dem Unterricht zur Verfügung stünden142. Auch diese dramatische Maßnahme konnte jedoch keine dauernde Abhilfe schaffen, und so wurde auf dem Generalkapitel von 1246 die Einrichtung ordenseigener studia generalia in den großen Ordensprovinzen vorgeschlagen: "In constitutione ubi dicitur, tres fratres mittantur Parisius ad Studium143, addatur: IHIor autem provincie, scilicet Provincia, Lombardia, Theotonia, Anglia, provideant ut Semper in aliquo conventu magis ydoneo sit generale Studium et sollempne. Et ad illum locum quilibet prior provincialis potestatem habeat mittendi duos fratres ad Studium"144. Diese Konstitutionenänderung wurde im darauffolgenden Jahr bestätigt145 und 1248 endgültig angenommen146. Damit waren die Generalstudien von Montpellier (Provincia Provinciae), Bologna (Lombardia) und Köln (Teutonia) entstanden, denn dem Beschluß folgte bald die Durchführimg147. Lediglich in Oxford wurden zunächst keine fremden Studenten aufgenommen. 14

° Acta Cap. Gen. II, S. 10, 1 - 8.

141

S. P. Glorieux L' enseignement..., S. 95 - 99.

142

Acta Cap. Gen. I, S. 32, 19 f.

i « Const. ant. d. 2, c. 28: S. 362, 25 f. Vgl. o., S. 95. 144

Acta Cap. Gen. I, S. 34 - 35, 3. D. Berg: Armut ..., S. 61. Dort wird allerdings nicht deutlich, daß das Pariser Studium in Unterschied zu diesen nicht als vom Orden eingerichtet betrachtet werden kann, sondern aus personeller, und daraus hervorgehend auch räumlicher Verflechtung mit der Universität erwachsen ist. i « Acta Cap. Gen. I, S. 38, 22 - 27. 146

Acta Cap. Gen. I, S. 41, 13 -18.

147

Für Köln vgl. u., S. 126.

97

Der Begriff Studium generale ist im Mittelalter seit der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts auch die gängige Bezeichnung für die Universitäten gewesen148. Wie bereits Heinrich Suso Denifle nachgewiesen hat, ist damit nicht unbedingt Lehrinstitution gemeint, die alle Fakultäten besitzt (Artes, Theologie, Kanonistik, römisches Recht, Medizin )149, sondern er bezeichnet eine Schule, die allen, ohne Unterschied ihrer Nationalität, offentsteht 150 und die - nach dem Vorbild von Paris und Bologna - mit bestimmten Privilegien ausgestattet ist151. Das wichtigste von ihnen ist, daß mit dem an einem Studium generale erworbenen akademischen Grad, der licentia docendi, auch die Lehrbefähigung für alle anderen Schulen an jedem Ort der Christenheit verbunden war152. Eine licentia docendi in diesem Sinn haben die dominikanischen Generalstudien nicht verliehen - außer wenn sie, wie in Paris und Oxford und später in Montpellier153 und in Köln, einer Universität inkorporiert waren. Da sie aber Studienhäuser 'für Alle', das heißt hier für Studenten aus allen Provinzen des Ordens waren, kann man sie in abgeleitetem Sinn durchaus als studia generalia bezeichnen. Als Rechtsgrund für die Gültigkeit der an ihnen gemachten Studien gewährte Papst Alexander IV. am 12. März 1257 den Predigerbrüdern das Privileg, in ihren Klöstern zu lehren und dort auch eine ordensinterne Lehrbefähigung zu erwerben, sofern an dem betreffenden Ort nicht bereits eine Universität bestand: "Exultante spiritu frequenter advertimus ... nos devotioni vestre presentium auctoritate concedimus, ut singuli Fratres de Ordine vestro, quos secundum Constitutiones ipsius Ordinis, Conventibus vestris deputandos duxeritis in Lectores, sine cuiusquam alterius licentia, libere in domibus predicti Ordinis legere ac docere valeant in Theologica Facultate, illis locis exceptis, in quibus viget Studium Generale, ac etiam quilibet in Facultate ipsa docturus solempniter incipere consue148

H. S. Denifle: Die Entstehung der Universitäten des Mittelalters (1885), S. 2 - 4.

14

9 A.a.O., S. 18 f.

iso A.a.O., S. 14 u. S. 21. 151

A.a.O., S. 19 f.

152 A.a.O., S. 21 f. 153 A.a.O., S. 348 f. Zu H. Rashdall: The universities... Bd. II, S. 133, der aus dem Fehlen urkundlicher Evidenz schließt, es habe dort bis 1421 keine theologische Fakultät bestanden, ist zu bemerken, daß in den späteren Redaktionen und Fortsetzungen der von fr. Bernardus Guidonis aufgestellten Liste von Magistri aus dem Dominikanerorden Promotionen in Montpellier seit 1314 vorkommen - es heißt dabei aber immer:"... de mandato domini < Name > pape"; vgl. o., S. 44. Dazu auch H. S. Denifle: Die Entstehung ..., S. 354.

98

vit. Nulli ergo etc. Datum Laterani V Kai. Aprilis, Pontificatus nostri Anno Tertio"154. Auf diese Weise wurde eine solide scholastische Ausbildung der Lektoren sichergestellt und damit der Übergang zur scholastischen Studienweise auch für die theologische Grundbildung aller Ordenspriester ermöglicht - ein ungeheuerer Vorsprung der Mendikanten gegenüber dem Zustand bei der Masse der Weltkleriker. Auf dem 1259 in Valenciennes abgehaltenen Generalkapitel wurde eine Kommission zur Erarbeitving einer Studienordnung eingesetztes. Sie bestand aus Albertus Magnus, Bonushomo Brito (ca. 1253 - 1255 Magister Parisius, + nach 1269)156, Florentius de Hisdino (1255 - 1257 Magister Parisius)157, Petrus de Tarentasia (Magister Parisius 1258 1260, später Papst Innozens V.)158 und Thomas von Aquin159, den angesehensten Gelehrten des Ordens zu jener Zeit. Den von diesem Gremium erarbeiteten Text billigte das Kapitel und setzte ihn als Anordnung in Kraft160. Er enthält vornehmlich Anweisungen und Ermahnungen an die Adresse der Oberen, die das Studium nach Kräften fördern161, der Lektoren, die gewissenhaft ihre Vorlesungen halten und sich auch an denjenigen Disputationen, die sie nicht selbst abhalten, beteiligen162, und der Studenten, die sich ganz ihrem Studium widmen sollten163. Doch nicht nur die Studenten im eigentlichen Sinn sollten an den Vorlesungen und Disputationen teilnehmen, sondern alle Mitbrüder164 - der Prior nicht ausgenommen165. Die Zeit, in der diese stattfan154 Bullarium ... Bd. I (1729), Nr. 150, S. 333. Für die Echtheit: I. W. Frank: Hausstudium und Universitätsstudium der Wiener Dominikaner bis 1500 (1968), S. 65. 155 A. Walz: Compendium ..., S. 211. D. Berg: Armut..., S. 62 - 64. J. P. Torreil: Initiation ..., S. 141 - 1 4 4 . 156

Th. Kaeppeli: Scriptores ..., Bd. I, S. 255.

157

A.a.O., Bd. I, S. 382 f.

158

M. H. Laurent: Le bienheureux Innocent V et son temps (1947), S. 46 - 52.

159

J.-P. Torreil: Initiation ..., S. 141 - 1 4 4 .

160

Acta Cap. Gen. I, S. 99 f. Vgl. CUP I, Nr. 335, S. 385 f.

161

Acta Cap. Gen. I, S. 99, 8 - 32; 100, 3 - 5; 8 - 35.

162

Acta Cap. Gen. I, S. 99, 34 f.; 100, 6 f.

163

Acta Cap. Gen. I, S. 99, 29 - 31; 100, 22 f.

164

Acta Cap. Gen. I, S. 99, 29.

165

Acta Cap. Gen. I, S. 99, 32 f.

99

den, war deshalb möglichst von anderen Beschäftigungen freizuhalten166. Da nun aber nicht für alle Konvente jederzeit ein Lektor mit besonderem Studium bereitgestellt werden konnte, machte man 'aus der Not eine Tugend'167 und schrieb vor, wenigstens die jungen Mitbrüder (die eigentlichen Studenten) in Konvente zu schicken, in denen ein Lektor wirkte168. Damit war ein erster Schritt zur Konzentration auch des Grundstudiums getan. Dort, wo die Studenten aus mehreren Klöstern zusammenkamen, konnte leichter eine Infrastruktur aufgebaut werden. Ein Bakkalaureus soll in den Studienzentren nicht fehlen: "Provideatur quod quilibet lector tenens aliquod sollempne Studium habeat baccalaureum qui legat sub eo"16s. Auch ein Repetitor wird vorgesehen170; nach Möglichkeit sollen wöchentlich Repetitionen stattfinden. Wo kein Lektor, der für öffentliche Vorlesungen (ad publice legendum) qualifiziert ist, gestellt werden kann, da soll wenigstens aus Büchern - genannt werden die Historia scholastica des Petrus Comestor und eine Summa de casibus - vorgelesen werden171. Erstmals wird in dieser Studienordnung auch die Philosophie berücksichtigt: "... ordinetur in provinciis que indiguerint, aliquod Studium arcium, vel aliqua ubi invenes < lege: iuvenes > instruantur"172. Aufgrund dieser Anordnungen wurde in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts ein differenziertes System einzelner Studia geschaffen, die jeweils für ein bestimmtes Gebiet einen Abschnitt des Studiengangs übernahmen173. Diese Schulen waren nicht fest in einem 166

Acta Cap. Gen. I, S. 99, 30 f.

167

I. W. Frank: Hausstudium ..., S. 46.

16»

Acta Cap. Gen. I, S. 99, 17 - 20.

169 Acta Cap. Gen. I, S. 100, 20 f. Sollempne ist als Bezeichnung für die scholastische Arbeitsweise, besonders die Disputation, zu verstehen. I. W. Frank: Die Spannung ..., S. 193. L. E. Boyle: Notes ..., S. 256. 17°

Acta Cap. Gen. I, S. 100, 24 f.

171 Acta Cap. Gen. I, S. 99, 21 - 24. Vgl. I. W. Frank: Zur Studienorganisation ..., S. 63 f. Zur Historia scholastica vgl. M. Grabmann: Geschichte der scholastischen Methode. Bd. II, S. 476 f. H. de Lubac: Exégèse médiévale. Bd. II/l (1961), S. 379 - 385. Zu den Summae de casibus vgl. P. Michaud-Quantin: Sommes de casuistique et manuels de confession au moyen âge (1962), S. 34 - 36. L. E. Boyle: Notes ..., S. 252 f., weist darauf hin, daß praktisch-theologische Handbücher dieser Art die ersten literarischen Produkte des Ordens waren. 172 Acta Cap. Gen. I, S. 99, 27 f. Zum Philosophiestudium im Dominikanerorden vgl. u„ S. 104, 108- 116. 173

W. A. Hinnebusch:

100

The history ..., Bd. II, S. 19 f.

Kloster lokalisiert, sondern wechselten gegebenenfalls nach Verfügung der Provinzkapitel von einem zum anderen - hauptsächlich um die mit dem Unterhalt der Lehrkräfte und Studenten verbundenen Lasten auf mehrere Konvente zu verteilen174. Mit dem Wachsen des Ordens175 und dem fortschreitenden Ausbau dieser Studienorganisation fanden manche Brüder die bereits bestehenden Generalstudien schließlich nicht mehr ausreichend, um den Nachwuchs an qualifizierten Lektoren sicherzustellen. Mit dem Vorschlag der Diffinitoren des Generalkapitels von 1270, die Konstitutionen dahingehend zu ändern, daß ein Generalstudium auch in der spanischen und eines in der römischen Provinz eröffnet werden sollte176, begann ein jahrzehntelanges Tauziehen um die Ausweitung dieses höchsten Niveaus im Studiensystem des Ordens. Der Vorschlag wurde von den 1271 zum Generalkapitel versammelten Provinziälen nicht unterstützt. Bereits auf ihrem 1269 in Neapel gehaltenen Provinzkapitel hatten die Diffinitoren der römischen Ordensprovinz beschlossen: "Ordinamus duo studia generalia theologie: unum in conventu Neapolitano ubi deputemus studentes etc. was zu Kolne und zu Ertfote [!]"373. Die erhaltenen Predigten weisen doktrinell deutliche thomistische Züge auf, eine, über den verklärten Leib, ist zum größten Teil eine wörtliche Übersetzung aus dem Supplement der Summa theologiae des hl. Thomas von Aquin374. Auch wenn der "Paradisus animae intelligentis" wahrscheinlich in Erfurt entstanden ist37-*, weist doch die außerhalb dieses Corpus überlieferte Predigt "Des 368

G. Lohr: Zur Geschichte ..., S. 64.

Laurentius Pignon: Catalogi... / ed. G. Meersseman, MOPH 18 (1936), S. 74, Nr. 33. Vgl. - ohne diese Angabe - Laurentius Pignon: Op. cit., S. 27, Nr. 41, u. Stamser Katalog: Op. cit., S. 63, Nr. 41. 369

370

Th. Kaeppeli: Scriptores ..., Bd. II, S. 152.

3 7 1 Ebd. Zu Quellen und Eigenart des "Catalogus Upsaliensis" vgl. Pignon: Catalogi..., S. 68f.

Laurentius

372 Th. Kaeppeli: Scriptores..., Bd. II, S . 4 4 . L Seppänen: Giselher von Slatheim. Verfasserlexikon 2 Bd. III (1981), Sp. 46 f. E. Meuthen: Die alte Universität, S. 46. 373

Paradisus animae intelligentis ed. Ph. Strauch (1919), S. 5, 2.

Q. 83, a. 1, c.a. Vgl. L. Seppänen: Studien zur Terminologie des "Paradisus animae intelligentis"( 1964), S. 2 2 0 - 225. 374

So K. Ruh: Paradisus animae intelligentis. Verfasserlexikon 2 Bd. VII (1987), Sp. 298 -303. R. van den Brandt: Godsontvankelijkheid en 'fornuftikeit' (1993), S. 25 f.,

375

130

heiligen kruzes tac alse iz funden wart"176 auf das seltene Patrozinium "Kreuzauffindung" der Kölner Dominikanerkirche hin. Fr. Franco de Colonia, der 1318 Prior in Köln war377, ist neuen Forschungen zufolge nicht identisch mit "Francko, lector quondam, de Collonia", der - Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts anzusetzen - im Totenbuch des Mainzer Dominikanerklosters memoriert Wirdes. Der als "Johannes Franco" bekannte Autor mystischer Predigten379, im Paradisus animae intelligentis "der lesemeister der predigir"380 oder auch "lector"381 genannt, wurde von Lohr mit dem Kölner Prior "Franco", der wiederum möglicherweise der gebürtige Kölner Dominikaner "fr. Franco Vlagge" sein könnte, in eins gesetzt3«2. In der Zuschreibung des Traktats von den zwei Wegen in der Basler Handschrift B XI, 10 wird der Autor "Franke von Kölne" genannt383. Ob wir es hier mit einer Person, zweien oder noch mehreren zu tun haben, ist mit den bisherigen Informationen nicht sicher feststellbar. Hinreichende Evidenz für eine Tätigkeit am Studium generale Coloniensis gibt es dabei für keinen von ihnen384. Meister Eckhart kam frühestens Ende 1322 von Straßburg nach Köln383. Für seine allgemein angenommene Tätigkeit als Leiter des Generalstudiums gibt es allerdings keinen Nachweis. Das von Josef Koch als das einzige angesehene Zeugnis ist eine Anspielung auf eine Schuldisputazieht die Möglichkeit in Betracht, daß zwar Erfurt der Entstehungsort vieler Predigten, Köln aber der ihrer Redaktion zur vorliegenden Sammlung gewesen sein kann. 376

Th. Kaeppeli: Scriptores ..., Bd. II, S. 45, Nr. 1311.

377

G. Lohr: Zur Geschichte ..., S. 69; ders.: Beiträge ... II, S. 98, Nr. 223 a.

378

I. W. Frank: Das Totenbuch ..., S. 254, zum 15. Sept.; S. 107.

379

Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S.424. V. Honemann: Franke, Johannes. Verfasserlexikon 2 Bd. II (1979), Sp. 800 - 802. £ Meuthen: Die alte Universität..., S. 45. 380

Paradisus ... ed. Ph. Strauch, S. 1, 16; 3, 25; 4, 19.

38

1 A.a.O. S. 2, 25.

382

G. Lohr: Zur Geschichte ..., S. 69 f. Ders..: Beiträge...I, S. 49 f.

383

G. Meyer; M. Burckhardt: Die mittelalterlichen Handschriften ... Bd. 2, S. 938. Von W. Preger: Ein neuer Tractat Meister Eckharts und die Grundzüge der Eckhartischen Theosophie. ZfhTh 34 (1868), S. 163 - 204, irrtümlich als Werk Meister Eckharts ediert. Dazu V. Honemann: Franke ..., Sp. 801. 384

Vgl. u„ S. 166 f.

385

A.a.O., S. 64 f. K. Ruh: Meister Eckhart (1985), S. 168, nimmt, ohne dafür Gründe anzugeben, 1324 als wahrscheinlicher an.

131

tion in einer an einem Quatembermittwoch zwischen 1323 und 1326 gehaltenen Predigt386. Daß Meister Eckhart an einer Disputation teilgenommen hat ist jedoch noch kein Nachweis für eine Lektorentätigkeit waren doch alle Mitbrüder hierzu angehalten387. Es erscheint dennoch nicht unmöglich, daß Eckhart in den zwanziger Jahren des vierzehnten Jahrhunderts als Lektor des Generalstudiums in Köln gewirkt hat. Schlecht wäre aber denkbar, daß er als Mitglied einer anderen Ordensprovinz, der Saxonia, ohne einen besonderen Auftrag dort gewirkt hätte. Ein solcher kann allerdings auch, und das liegt noch näher und kann nicht aus vagen Hinweisen, sondern aus dem Text seiner Kölner Predigten und ihrer Zielrichtung vermutet werden - als Fortsetzung der zuvor in Straßburg so erfolgreichen Wirksamkeit - in einer besonderen Aufgabe im Grenzbereich zwischen cura monialium und Beginenseelsorge bestanden haben, einem Feld, auf dem sich nun in Köln die Lage dramatisch zuspitzte388. Schließlich ist es auch möglich wenn auch die am wenigsten wahrscheinliche der Hypothesen, daß der Orden dem hochangesehenen alten - bereits über sechzigjährigen Meister noch die Gelegenheit zu einer von vielen ersehnten Sammlung und systematischen Darstellung seines Werkes389 an dem dafür im deutschen Sprachgebiet bestgeeigneten Ort geben wollte.

J. Koch: Kritische Studien zum Leben Meister Eckharts II, AFP 30 (1960), S. 5 52; hier S. 11; vgl. Echardusr. DW I, S.381, 2. Ein Hinweis Eckharts auf seine Lehrtätigkeit (Koch, ebd.; DW I, S. 389,1) kann sich auch auf frühere Zeiten beziehen. 386

387

Vgl. o., S. 99 u. S. 119.

388 Durch ein Statut der Kölner Diözesansynode von 1319 "Aggravatio contra illos, qui statimi begginasii [!] fouent contra statuorum prohibicionem" - als solche werden offen "religiosi viri predicatorum, minorum ... aliorum mendicancium ordinum fratres" genannt - hatte sich die Situation zugespitzt (Text: H. Lepper: Unbekannte Synodalstatuten der Kölner Erzbischöfe Heinrich von Virneburg und Wilhelm von Gennep. AHC 11 (1979), S. 339 - 355; hier S. 354). Zwischen 1322 und 1325 ist es im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Beginen und Begarden zu mindestens einer Ketzerverbrennung gekommen: Die Chroniken der niederrheinischen Städte: Köln, Bd. II (1876), S. 21, 11; 33, 20 f.; Bd. III (1877), S. 665, lf., auf deren Hintergründe ich in einem anderen Zusammenhang eingehen zu können hoffe. 389 Der Prologus generalis des Opus tripartitum weist auf eine solche Absicht Eckharts hin: "Auctoris intentio in hoc opere tripartito est satisfacere pro posse studiosorum fratrum quorundam desiderüs, qui iam dudum precibus importunis ipsum impellunt crebro et compellunt, ut ea quae ab ipso audire consueverunt, tum in lectionibus et aliis actibus scholasticis, tum in praedicationibus, tum in cottidianis collationibus, scripto commendet..." LWI (1965), S. 148, 5 - 9.

132

In den aus dem gegen Meister Eckhart geführten Prozeß erhaltenen Dokumenten39« tritt jedenfalls nicht er, sondern Nikolaus von Straßburg als "lector fratrum ordinis Predicatorum domus Coloniensis" auf391. Koch meinte, Nikolaus sei damals (1327) Sentenziar gewesen und Eckhart als Magister Leiter des Studiums392. Dagegen betont Isnard Frank, daß es sehr ungewöhnlich wäre, wenn ein ehemaliger Hauptlektor wieder auf den Stuhl des Bakkalaureus zurückkehrte393. Trusen vermutet in Nikolaus von Straßburg den "Lektor des Konvents" und in Eckhart den "Lektor des Generalstudiums"394. Diese Hypothese berücksichtigt jedoch nicht die seit den letzten Jahrzehnten des dreizehnten Jahrhunderts bestehende überörtliche Organisation der Studien und steht im Widerspruch zu der Bestimmung, daß neben einem Generalstudium keine zweite Schule in einem Konvent sein durfte395. Wie die Untersuchungen von Gabriel Lohr gezeigt haben, ist der Titel lector domus ... bereits eine eindeutige Funktionsbezeichnung396, sodaß zu schließen ist: Meister Eckhart war nicht - eventuell nicht mehr - Leiter des Kölner Generalstudiums als sein Prozeß lief.

Die Ausgabe der Dokumente zum Prozeß Meister Eckharts: M. H. Laurent: Autour du procès de Maître Eckhart. DT(P) 39 (1936), S. 331 - 348 u. 430 - 447, wird durch die - noch nicht vollständig vorliegenden - Acta Echardiana / ed. I. Sturlese, LW III, 153-, ersetzt. Zu der erforderlichen Neubewertung dieser Materialien - und damit des Prozesses, seiner Vorgeschichte und seiner Nachwirkungen: I. Sturlese: Die Kölner Eckhartisten. Die Kölner Universität im Mittelalter / hrsg. von A. Zimmermann (1989), S. 192 - 2 1 1 . Eine überfällige, zahlreiche bisher verbreitete unbegründete Vermutungen überholende rechtshistorische Untersuchimg: W. Trusen: Der Prozeß gegen Meister Eckhart (1988). 390

391

Acta Echardiana, Nr. 44, S. 191, 22 u. ö. M. H. Laurent: Autour ..., S. 334 u. ö.

392

J. Koch: Kritische Studien ... II, S. 13 f.

393

I. W. Frank: Zur Studienorganisation ..., S. 67.

W. Trusen: Der Prozeß ..., S. 63 f. E. Meuthen: Die alte Universität..., S. 44 f., legt sich für Eckhart nicht fest: "...lehrte wohl als Magister im Generalstudium". "Zur gleichen Zeit... wirkte Nikolaus von S. als Lektor in Köln" (S.46). Magister und lector bezeichnen allerdings nicht verschiedene Aufgaben. 394

Acta Cap. Gen. II, S. 78, 12 - 14. Vgl. o„ S. 121. Die kursorische Bibel- und die Sentenzenvorlesung ergeben sich aus dem Aufbau des Generalstudiums als Teil seines Programms zur Ausbildung der Kursoren. Ein eigenständiges regionales theologisches Studium hat neben ihm keine ratio essendi - abgesehen von den ökonomischen und Unterbringungsproblemen, die durch die Präsenz so vieler Studenten aufgeworfen werden. 395

396

Vgl. o., S. 128.

133

Nikolaus von Straßburg kam im Sommer 1323 von einem Studienaufenthalt in Paris, höchstwahrscheinlich auf Weisung des Generalmeisters als Lektor nach Köln397. 1324 war er als "lesemeister von Köln" auf dem Provinzkapitel in Löwen398, erscheint aber bereits 1325, bei seiner Beauftragung durch Papst Johannes XXII., gemeinsam mit fr. Benedictus de Cumis399 die Ordensprovinz Teutonia zu visitieren, als "olim lector in conventu Coloniensi ordinis fratrum predicatorum"400. Anfang 1327, wegen seinem Vorgehen gegen den Denunzianten fr. Wilhelm von Nidecke im Zusammenhang mit dem Prozeß um Meister Eckhart selbst der Begünstigimg der Häresie angeklagt, appelliert er an den Papst und nennt sich dabei selbst "lector fratrum Predicatorum domus Coloniensis, vicarius a Summo Pontifice in inquisicionis negocio per provinciam Theutonie in fratres ordinis Predicatorum eiusdem provincie... "401. Unbestimmte Zeit bevor er 1325 Provinzial der "Saxonia" wurde war auch Heinrich von Lübeck Lektor des Kölner Generalstudiums gewe-

397 R. Imbach; U. Lindblad: Compilatio ..., S. 166 f. Das Generalkapitel beauftragte, wie gewöhnlich, den Generalmeister mit der Einsetzung von Lektoren in den Generalstudien (Acta Cap. Gen. II, S. 150, 23 - 25), bis auf den Pariser Sententiar: Ebd., 10 f. 398

Dort hielt er die "preek op den gülden Berg", die in einigen Hss. freilich auch dem "Lesemeister von Straßburg" zugeschrieben wird - m. E. eine Verwechslung von Herkunfts- und Aufenthaltsort. Zu dem Problem vgl.: St. Axters: Bibliotheca ..., S. 64 - 69. R. Imbach; U. Lindblad: Compilatio ..., S. 160 f. Zu Nicolaus allg., neben Letzterem: Th. Kaeppeli: Scriptores... III, S.143 - 145. E. Hillenbrand: Nikolaus von Straßburg (1968). Ders. u. K. Ruh: Nikolaus von Straßburg. Verfasserlexikon2 Bd. VI (1987), Sp. 1153 - 1162. 399 Benedictus de Asignago de Cumis aus der Ordensprovinz Lombardia superior, 1322 Magister Parisiensis, im selben Jahr Visitator Der Lombardia ( ob obere, untere oder beide, wird nicht gesagt) und der Romana, 1326/27 päpstlicher Gesandter für Unionsverhandlungen mit der Ostkirche, 1328 Bischof von Como, +1339; s. Th. Kaeppeli: Scriptores....I, S. 184 f. 400

Acta Echardiana Nr. 44, S. 191, 22. Zuerst hat auf dieses Dokument aufmerksm gemacht: H. S. Denifle: Der Plagiator Nicolaus von Straßburg. ALKGMA IV (1888), S. 312 - 329; hier S. 315. 401

M. H. Laurent: Autour ..., S. 336. Dazu: R. Imbach; U. Lindblad: Compilatio ..., S. 167 - 169, wo auf Anregung von R. Creyten die m.E. zutreffende Erklärung gegeben wird, Nicolaus habe, durch den päpstlichen Auftrag verhindert, das Lektorenamt zeitweilig nicht ausgeübt. W. Trusen: Der Prozeß ..., S. 109 - 112, klärt den Ablauf der Appellation. 134

sen402. Möglicherweise war er der direkte Vorgänger des Nikolaus von Straßburg403. Nachdem bereits Mitte der zwanziger Jahre des vierzehnten Jahrhunderts Heinrich Seuse als Student in Köln war4»4, erscheinen 1327 in den Zeugenlisten des Prozesses um Meister Eckhart und Nikolaus von Straßburg einige weitere Brüder, die höchstwahrscheinlich mit dem Generalstudium verbunden waren - in welcher Funktion jeweils, ob als Studentenmeister, Sententiar, Kursor oder Student - die studentes generales waren keine Halbwüchsigen, wie die der artes, sondern hatten sich zumeist nicht nur in einem langen Studiengang, sondern auch bereits in der Predigt, in seelsorglichen und Leitungsaufgaben bewährt - muß hier offenbleiben. Fr. Konrad von Halberstadt las am 24. Januar 1327 die in der notwendigen Schriftform gehaltene Appellation Eckharts an den Heiligen Stuhl vor405, am 13. Februar die öffentliche protestatio, die Erklärung der Rechtgläubigkeit mit antizipiertem Widerruf aller möglicherweise irrgläubigen Aussagen, eine Erklärung,ohne die Eckhart - nach damaligem Recht- als Häretiker zu betrachten gewesen wäre406. Bei dem Akt, durch den der Angeklagte am 22. Februar die Ausstellung der apostoli, einer Erklärung der Richter über die Fundierung der Appellation, verlangt, tritt er mit dem Prior, fr. Johannes de Gryffensteyn, und dem Koblenzer Lektor, fr. Otto de Sconenburg, als Vertreter der Dominikaner auf407. Da Konrad Angehöriger der Saxonia war, also nicht zum "Stamm" des Kölner Konventes gehören konnte, läßt diese wichtige Rolle vermuten, daß er auch im Studium eine besondere Funktion innehatte - am ehesten die des Studentenmeisters, möglicherweise

402

Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 210 f. G. Lohr: Zur Geschichte ..., S.68. L. Sturlese: Gottebenbildlichkeit und Beseelung des Himmels in den Quodlibeta Heinrichs von Lübeck OP, FZPhTh 24(1977), S. 191- 233. 403

Th. Kaeppeli ( ebd. ) datiert Grabmann folgend die Quästionen auf circa 1323 1325. An den dafür vorgebrachten Gründen erhebt jedoch L. Sturlese ( Op. cit., S. 192 f . ) berechtigte Zweifel.

404

Henricus Suso: Vita, c.42: Deutsche Schriften ed. K. Bihlmeyer (1907),S. 43, 10 u. ö. Vgl. a.a.O., S.88*.

405

M. H. Laurent: Autour ..., S. 341 f. Zur Bedeutung dieses Rechtsakts s. W. Trusen: Der Prozeß ..., S. 98 - 101. Dieser und die folgenden Vorgänge sind in der bisherigen Forschung durch Unkenntnis der prozeßrechtlichen Regeln falsch verstanden worden. 4

°6 A.a.O., S. 344. Vgl. W. Trusen: Der Prozeß ..., S. 104 - 108.

4

07 A.a.O., S. 347. Vgl. W. Trusen: Der Prozeß ..., S. 102 - 104. 135

auch die des Sentenziars408. Ob wir hier unter zwei Gleichnamigen den älteren oder den jüngeren Konrad von Halberstadt409 vor uns haben,ist nicht geklärt410. Ebenfalls unsicher ist, welcher von zwei verschiedenen fr. Johannes de Düren 1327 in Köln auftritt«!. Fr. Johannes von Dambach, der spätere Magister412, erscheint zweimal als Zeuge413. Für den Prior Johannes von Gryfensteyn414 und Hermann von Sterngassen415, Bruno Scherfgin416 sowie Bruno Overstolz417 ist allerdings keine Verbindung mit dem Studium zu erkennen. 408

Die Bezeichnung sublector, von der Trusen (S. 114) schreibt, gab es erst später. Der magister studentium unterstand nicht dem Lektor; er hatte nicht nur gegenüber den Studenten disziplinarische Befugnis, sondern auch eine Berichtspflicht über den Lektor an den Provinzial bzw. Generalmeister. Vgl. o., S. 123. 1319 und 1320 wurde untersagt, daß jemand gleich nach dem Amt des Sentenziars das des Studentenmeisters übernahm: Acta Cap. Gen. II, 119, 6 - 9; 125, 19 - 22. M. E. ist die Vermutung von E. Rauner: Konrads von Halberstadt O.P. "tripartitus moralium". Bd. I (1989), S. 21 f., sehr wahrscheinlich, daß Conradus de Halberstadt, der für den Meister die protestatio verlas - also offenbar sein besonderes Vertrauen genoß -, identisch ist mit einem 1313, während Eckharts zweiten Magisteriums, in den Pariser Universtätsakten genannten "Conradus de Alberstadt de Alemania". 409

Th. Kaeppeli: Scriptores ... I, S. 276 - 283. Zu den fragmentarischen biographischen Daten und der Schwierigkeit, einzelne urkundliche Bezeugungen und ihre Schriften jeweils einem der beiden Träger dieses Namens zuzuweisen, eingehender E. Rauner: Konrads ... Bd. I, S. 17 - 24. 410

G. Lohr: Zur Geschichte ..., S. 65 f., und W. Trusen: Der Prozeß, S.113, nehmen den jüngeren an. Mit E. Rauner: Konrads ... Bd. I, S. 18 f., halte ich den älteren für wahrscheinlicher, der 1321 Diffinitor der Saxonia auf dem Generalkapitel war: Acta Cap. Gen. II, S. 137, 11. 411

M. H. Laurent: Autour ..., S. 346. Vgl. o„ S. 129; vgl. u„ S. 143.

412

G. Lohr: Zur Geschichte ..., S. 66. Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 400 - 405.

413

M. H. Laurent: Autour ..., S. 339 u. 344.

414

A.a.O., S. 339, 340, 341, 346, 347. G. Lohr: Beiträge... I, S. 38: zuvor Prior in Straßburg.

41

s A.a.O., S. 339. Über ihn vgl. u., S. 162 f.

41

® A.a.O., S. 339, 346. G. Lohr: Beiträge ... I, S. 39 f.: aus Kölner Patriziergeschlecht, war um 1324 Prior. 417

Im Zusammenhang mit dem Prozeß sonst nicht, ab 1316 jedoch anderweitig häufig bezeugt, aus erstem Patriziergeschlecht, 1347 - mindestens 1351 (auch 1337 -vor 1343 ?) Prior: G. Lohr: Beiträge ... I, S. 39. 1315 war er durch das Provinzkapitel vom Studium in Paris zurückgerufen worden: Th. Kaeppeli: Ein Fragment..., S. 72.

136

Daß die schließlich durch die päpstliche Bulle In agro dominico vom 27. März 1329 posthum erfolgte Zensurierung von siebzehn articuli aus Meister Eckharts Werken418 nicht ohne Auswirkungen auf Lehre lind Personalpolitik des Studiums in Köln - wie in ganz Deutschland bleiben konnte, liegt auf der Hand. Die auf dem dominikanischen Generalkapitel 1323 beschlossene erneute Verpflichtung der Lektoren und Kursoren auf die "doctrina sancti Thome"419 ist - nicht nur, aber doch auch - in diesem Licht zu sehen. In den außerordentlichen Vorgängen in und um die Ordensprovinz "Teutonia" zwischen 1330 und 1334 jedoch - und das ausschließlich - eine 'Säuberungsaktion' gegen die Anhänger Eckharts zu sehen42«, erscheint angesichts der vielfältigen Probleme, die zu jener Zeit anstanden, etwas stark vereinfacht. Das kurzfristig von Köln nach Maastricht verlegte Generalkapitel des Jahres 1330421 griff in die Verhältnisse in der Teutonia nicht ein. Die Akten jenes Kapitels, wie auch die der unmittelbar vorangehenden und folgenden Jahre, übermitteln uns deshalb keine Personalentscheidungen zum Studium. Die sonstigen Quellen fließen für den auf die Zensurierung Meister Eckharts folgenden Zeitraum leider eher noch spärlicher. Ein "fr. Johannes, lector domus Coloniensis", dessen Identität uns im nächsten Kapitel noch näher beschäftigen wird, ist 1333 belegt. Fr. Berthold von Moosburg, der 1315 an das Oxforder Generalstudium geschickt worden war422, ist 1335, 1343, 1353 und 1361 in Köln bezeugt - entgegen landläufiger Meinving jedoch nicht als Lektor423. Alle

M. H. Laurent: Autour..., S.435 - 444. DH / DS 950 - 980. Vgl. W. Trusen: Der Prozeß ..., S. 121 -128. 419 Acta Cap. Gen. II, S. 191, 5 -13. Vgl. W. Trusen: Der Prozeß 420

W. Trusen: Der Prozeß

S. 155 - 156.

S. 156 f. L. Sturlese: s. o., S. 133, Aran. 390.

421

Acta Cap. Gen. II, S. 194-205. Die Verkündigung der päpstlichen Verurteilung (S. 201 - 205 ) und die Androhung kirchlicher Sanktionen gegen Brüder, die bei der Weiterverbreitung der Bulle gegen "Ludovico quondam duci Bavarie, Michael de Cesena, quondam generali Ministro ordinis Fratrum minorum, et Petro de Corbaria, et complicibus eorum, hereticis dampnatis ac scismaticis per sanctam Romanam ecclesiam" (S.197, 13 - 27, hier: 14 - 16) säumig gefunden würden, hätte wohl schwerlich im kaisertreuen Köln erfolgen können. Zum Konflikt zwischen Papst Johannes XXII. und Kaiser Ludwig dem Bayern vgl. H. Thomas: Ludwig der Bayer (1993), wo allerdings nichts Näheres über die Rolle der (papsttreuen) Dominikaner zu finden ist. 422

Th. Kaeppeli: ebd. Zu Berthold im allgemeinen: ders.: Scriptores . . . I, S. 240. A. de Libera: Introduction ..., S. 318 - 320.

423

Vermutlich geht die vorschnelle Zuschreibung auf eine mißverständliche Formulierung G. Lohrs (Zur Geschichte ..., S.70) zurück: "1327... Lesemeister der Dominikaner in Regensburg, von 1335 an in Köln". 137

Dokumente, die aus seiner Kölner Seelsorgstätigkeit erhalten sind, stammen aus der Verwaltung des Testaments der Begine Bela Hardevust: Am 7. April 1335 übernimmt "fr. Bertolfus de Mosburg" statt des ursprünglich damit beauftragten fr. Henricus die Aufgabe des Testamentsvollstreckers424. Am 4. Juni 1343 wird der letzte Wille zum erstenmal geändert 4 ", am 20. Juli 1353 ein weiteres Mal426. Am 11. März 1361 ist der Erbfall eingetreten, doch "fr. Bertholdus de Moystborch" überträgt der Mitvollstreckerin Bliza, Witwe des Henricus Quattermart, Vollmacht, allein zu handeln427. Der Lektorentitel wird ihm dabei in keiner Urkunde zugelegt. Es ist hier allerdings zu beachten, daß 1343 und 1353 keine völlig neuen Dokumente angelegt wurden, sondern lediglich die bereits bestehende Eintragung modifiziert wurde. Dabei können die nicht veränderten Teile, also auch die Namenseintragung der Testamentsvollstrecker(innen) in der bereits vorliegenden Form übernommen worden sein. Schließlich wäre es zwar ungewöhnlich, aber nicht unmöglich, wenn er bei den Rechtsakten seinen Lektorentitel schlicht weggelassen hätte. Daß Berthold von Moosburg das Kölner Studium geleitet hat, ist andererseits durch das Explizit einer Handschrift seiner Expositio super Elementationem theologicam Prodi bezeugt428. Als Fazit läßt sich also ziehen: Berthold von Moosburg hat um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts das Kölner Studium geleitet wahrscheinlich noch nicht 1335 und nicht mehr 136 1 429. Fr. Henricus de Hunnis wird 1318 als Angehöriger der Kölner Begine Cristina de Hirnen erstmals faßbar430; 1327 und 1331 ist er ebenfalls in Köln nachgewiesen431. 1347 wird er als "lector Coloniensis" bezeichnet432, als solcher während des Exils der Kölner Dominikaner vom Ge-

424

G. Lohr: Beiträge... II, S. 153, Nr. 389. Zu fr. Henricus vgl. dort S. 141, Nr. 342.

425 A.a.O., S. 184, Nr. 483. «e A.a.O., S. 205 f., Nr. 553. 427

A.a.O., S. 224, Nr. 606.

428

ed. M. R. Pagnoni-Sturlese; L. Sturlese: CPTMA Bd. VI, 1 (1984), S. xxix.

429

Inzwischen war er um 1358 Vikar der natio Bavaria gewesen: Th. Kaeppeli: Scriptores ... I, S. 240.

«o G. Lohr: Beiträge ... II, S. 99, Nr. 227. Zu ihm vgl. ders: Zur Geschichte ..., S. 70 f., Nr. 16; Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 199. 431 A. a. O., S. 123 f., Nr. 292; S. 136, Nr. 331. 432

G. Lohr: Zur Geschichte ..., S. 70.

138

neralkapitel 1350 nochmals eingesetzt433. Bereits vorher war er in Avignon durch päpstliches Mandat zum Magister promoviert434. 1356, als Beauftragter des Dominikanerklosters in einem Rechtsstreit mit der Stadt, heißt es von ihm: "Henricum de Hunys sacre theologie professorem"435 - das erste Auftreten dieses Titels bei den Kölner Predigerbrüdern. 1357 wird Henricus de Hunnis letztmalig genannt436, anscheinend ist er jetzt nicht mehr Lektor. Nach Friedrich Steill, der sich dafür auf die Totentafel des Trierer Konventes beruft, ist er 1361 in Trier gestorben437. Ob der aus Köln stammende, 1312 geborene Johannes Schadelant, der 1329 als Philosophiestudent in Frankfurt war438, am Kölner Studium gewirkt hat, ist zweifelhaftes. 1348 wurde er, zu der Zeit Lektor in Straßburg, zum Inquisitor für Deutschland bestellt und 1359 zum Bischof von Kulm erhoben; 1373 starb er im Koblenzer Dominikanerkloster440. Ein in anderen Quellen nicht faßbarer "Fr. Johannes dictus Radebent, natione Theutonicus" findet sich um 1350 - 1353 als "in Colonia" promoviert in der späteren Fortsetzimg von Stephan de Salanhacos und

433

Acta Cap. Gen. II, S. 337, 14 f. Vgl. o„ S. 127.

434

Stephanus de Salanhaco: De quattuor ... III, 6: ed. Th. Kaeppeli. MOPH XXII (1949), S. 145, Nr. 124.

« s G. Lohr: Beiträge ... II, S. 371, Nr. 876. 436

A.a.O., S. 213, Nr. 573.

437

Ephemerides .... I, 2, S. 420 (zum 28. 6., dem tradierten Todestag ). Parallel dazu findet sich Op. cit. II, 2, S. 180 a, 1355 als in Köln tradiertes ungefähres Todesjahr, zusammen mit der Charakterisierung: "ein eyffriger Verfechter der Thomistischen Lehr". Die Totentafel kann als chronologisch recht zuverlässige Quelle gelten. 438

G. Lohr: Zur Geschichte ..., S. 71, Nr. 17. Th. Kaeppeli: Scriptores ... III, S. 9 f.

439

Ebd. Lohr meint aufgrund einer Urkunde vom 9. 7. 1331 (Beiträge ... II, S. 135, Nr. 330), Johannes Schadelant sei zu diesem Zeitpunkt in Köln gewesen. Da Ferien waren -das Studienjahr endete zum Fest St. Peter und Paul (29. Juni) - braucht das nicht gegen ein gleichzeitiges auswärtiges Studium zu sprechen. 440

Ebd. Lange hielt es den anscheinend mehr an Wissenschaft als an Geldgeschäften und 'Kriegshandwerk' interessierten Dominikaner auf keinem Bischofsstuhl: nach Kulm war er in Hildesheim (1363 - von wo F. Steill: Ephemerides ..., I, 1, S. 600, eine köstliche Anekdote berichtet, wie dem neuen Bischof, der die Dombibliothek sucht, mit dem Bemerken, dort seien die Bücher, deren ein deutscher Bischof bedürfe, statt ihrer das Zeughaus gezeigt wird), Worms (1365), Augsburg (1371) und Konstanz.

139

Bernardus Guys Liste der Magistri aus dem Dominikanerorden441. Hier haben wir das einzige Beispiel einer Magisterpromotion an einem nicht mit einer Universität verbundenen Generalstudium - allerdings wohl kaum ex auctoritate proprio442. Johannes de Hürwin war 1358 - 1361 nach Studien in Paris und Köln und Lektorentätigkeit in verschiedenen Konventen Leiter des Generalstudiums in der rheinischen Metropole443. 1363 wurde fr. Henricus de Cervo, der wahrscheinlich 1338 in Köln in den Orden eintrat, durch das Generalkapitel zum Lektor eingesetzt444. Zugleich mit ihm wurden fr. Johannes Snewelin als Sententiar und fr. Nicolaus Snewelin als Studentenmeister bestellt445. Um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts ist ein Hartmannus oder Hermannus de Augusta anzusetzen446, von dem eine Krakauer HandVgl. o., S. 43 f. u. 55. Stephanus de Salanhaco: De quatuor... ed. Th. Kaeppeli, S. 146, Nr. 135. Da es sich bei diesem Teil der Liste des Bernardus Guidonis nicht mehr um den ursprünglichen Katalog handelt, sondern um dessen Fortsetzung, kann von einer ungefähr chronologischen Reihenfolge ausgegangen werden. Johannes Radebent fällt so in den Zeitraum von ca. 1350 - 1353, da von den mit Promotionsdatum angegebenen Magistri als letzter davor fr. Rostagnus de Anseduna (Nr. 128, S. 145), auf den 11. 12. 1350 und der nächste, fr. Egidius de Maria (Nr. 143, S. 149), auf "1355, feria Via ante Letare" genannt werden; der nächste anderweitig datierbare aber direkt folgt (S. 146, Nr. 136): "fr. Iohannes de Eueringen, natione Theutonicus, in Montepessulano [promotus] (Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 414: Magister vor dem 12. 6. 1353). Radebent habe ich nur als in Frankfurt 1375 bezeugtes Wort für 'Radreifen' finden können: M. Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Bd. II (1876), Sp. 333. 441

Es fällt auf, daß bei nicht in Paris durchgeführten Promotionen nur für die drei Deutschen fr. Gerardus [Hientins] de Antverpia, fr. Johannes dictus Radebent und fr. Johannes de Eureuningen [= Effringen] der Zusatz "per papam" fehlt. 442

4« G. Lohr: Zur Geschichte ..., S. 72 f. Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 460 f. A.a.O., S. 74. Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 189 f. E. Meuthen: Die alte Universität, S. 47.

444

4

« Ebd.

Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 177 u. 223, führt ihn unter "Hartmannus" und unter "Hermannus (Hartmannus) de Augusta" als zwei verschiedene Personen an. Während die handschriftliche Tradition die erste Namensform überliefert, haben die gedruckten Nachschlagewerke die zweite - darin offenbar abhängig von Albertus de Castello: Brevis et summaria cronica ordinis Praedicatorum (1516), S. 173. Weder die späteren Ordenshistoriographen (Zusammenstellung: J. Quetif; J. Échard: Scriptores ... I, S. 641) noch C. Hendreich: Pandectae Brandenburgicae 1.1 (1699), S. 333 b, u. F. A. Veith: Bibliotheca Augustana, t. II (1785), S. 71 f., scheinen auf Primärquellen zurückgegriffen zu haben. Vgl. P. Siemer: Geschichte des Dominikanerklosters St. Magdalena in Augsburg (1936), S. 40. 446

140

schrift zwei Quodlibeta überliefert447. Im Kolophon des ersten von ihnen findet sich: "Explicit quartum quodlibet reverendi patris fratris Hartmanni lectoris Coloniensis ordinis fratrum predicatorum"448. Mit diesen Dominikanern, die am Kölner Generalstudium wirkten, sind wir bereits einige Jahrzehnte über den Zeitraum hinausgekommen, in dem das Leben und Wirken des Johannes von Sterngassen zu situieren ist. Doch gerade im Blick auf die chronologischen Probleme um Berthold von Moosburg, dessen wissenschaftlich aktive Zeit zu der des Johannes begonnen hat, kann dies vielleicht eine Hilfe zur Klärung darstellen.

1.2.4.2 Das Straßburger Studium Noch weniger als über das Kölner wissen wir über das Straßburger Studium des Dominikanerordens. Diese elsässische Stadt beherbergte einen großen Konvent der Predigerbrüder, den Arnold Kühl den "zweiten Hauptkonvent" der deutschen Ordensprovinz genannt hat449. Im Lauf des dreizehnten Jahrhunderts waren dort so bedeutende Brüder wie Albertus Magnus und sein Schüler Ulrich Engelberti Lektoren gewesen. Ähnlich wie ein paar Jahrzehnte später in Köln gab es hier von 1283 bis 1290 eine harte Auseinandersetzung zwischen dem Rat der Stadt und den Predigerbrüdern, die vorübergehend zur Vertreibung der Kommunität führte450. Hier ging der Konvent jedoch siegreich und ungeschwächt aus dem Konflikt hervor. Das 1296 mit grossem Gepränge in Straßburg gehaltene Generalkapitel des Ordens sollte sicher nicht nur das Ansehen des Ordens allgemein, sondern auch des Konventes in der Stadt und die wiederhergestellten guten Beziehungen mit ihrem Rat demonstrieren451. So viel wir jedoch über seine Seelsor447

Krakow, Bibl. Jagiellonska, Ms. 748, fol. 24 ra - 47 ra. Ed. eines Artikels: Z. Wlodek: Hermann d'Augsbourg et ses 'Quaestiones de quodlibet' dans le ms. BJ 748 / Mediaevalia philosophica Polonorum 6 (1960), S. 3 - 51; hier S. 28 - 50. 448

Krakow, Bibl. Jagiellonska, Ms. 748, fol. 35 vb. Marg. inf.

449

Die Dominikaner im deutschen Rheingebiet..., S. 52.

450

A.a.O., S.70 - 75. H. Ch. Scheeben: Der Konvent der Predigerbrüder in Straßburg - die religiöse Heimat Taulers, in: Johannes Tauler ein deutscher Mystiker (1961), S. 37 - 74; hierS. 56 - 59.

451

Johannes Meyer: Papstchronik, zu Bonifaz VIII, Berlin, SBPK, Ms. germ. quart. 195, fol. 209r f., beschreibt das ausführlich. Ohne die Kritik Meyers an diesem Vorgang nach Hs. 203 des Stadtarchivs Freiburg /Br. bei L. Sturlese: Dokumente und Forschungen zu Leben u. Werk Dietrichs von Freiberg (1984), S. 28 f. Die von Johannes Meyer selbst korrigierte Berliner Hs. ist allerdings der Freiburger vorzuzie-

141

getätigkeit und Besitzungen erfahren können, so wenig geben die Quellen über die diesem Konvent zugeteilten Studien Auskunft. Immer wieder fand sich die Behauptung, Meister Eckhart sei etwa in der Zeit von 1313 bis 1323 Lektor des Straßburger Studiums gewesen452. Joseph Koch hat deren völlige Grundlosigkeit erwiesen: Eckhart ist von 1313/1314 bis 1322 Vikar des Ordensgenerals für die Dominikanerinnenklöster Oberdeutschlands gewesen453. Eugen Hillenbrand vermutete, daß Nikolaus von Straßburg etwa in der Zeit zwischen 1315 und 1320 hier Philosophie gelehrt habe454. Ruedi Imbach und Ulrika Lindblad haben nachgewiesen, daß das nicht der Fall gewesen sein kann455. Die von Scheeben noch offengelassene Identität des Nikolaus von Straßburg mit dem 1318 - 1321 in der elsässischen Stadt urkundlich bezeugten Dominikaner Nicolaus de Mollesheim456 ist ebenfalls auszuschließen, da ersterer 1320 - 1322 zum Studium in Paris war457. Der einzige Lektor aus dem beginnenden vierzehnten Jahrhundert, von dem eine Straßburger Tätigkeit verbürgt ist, ist dagegen Johannes von Sterngassen458. In den zwanziger Jahren dieses Saeculums kommt das Straßburger Studium durch zwei Vorfälle, die bis in das Generalkapitel Wellen geschlagen haben, zu wenig rühmlicher Bekanntheit. 1321 wurden von diesem höchsten Gremium des Ordens zwei Straßburger Studenten zu lebenslanger Klosterhaft mit eingeschränkten Begnadigungsmöglichkeiten verurteilt, weil sie den Provinzial und seine zwei Begleiter tätlich angegriffen und in den Klosterkarzer ge-

hen; vgl. H. Ch. Scheeben: Handschriften. AdD 1 (1937), S. 149 - 202; hier S. 180 185. Vgl. u„ S. 148. 452

Zusammenstellung bei J. Koch: Kritische Studien ... II, S. 38 f.

«3 A.a.O., S.44. K. Ruh: Meister Eckhart, S.108 - 114. 454

Nikolaus von Straßburg (1968), S. 48 f.

455

R. Imbach; U. Lindblad: Compilatio ..., S. 160. Zur Zuschreibung der "preek op den gülden Berge" in einigen Hss. an den "Lesemeister von Straßburg" vgl. o., S. 134, Anm. 398. 456

Der Konvent..., S. 54. Vgl. Urkundenbuch der Stadt Straßburg Bd. IV, 1, S.446 b (Register zu Bd. II - IV, 1).

457

R. Imbach; U. Lindblad: Compilatio ..., S. 166 f.

458

Vgl. u., S. 169.

142

steckt - den Provinzial sogar umzubringen gesucht - hatten459. Anlaß zu diesen Ausschreitungen ist wahrscheinlich ein Streit um die Ordensobservanz gewesen460. Isnard Frank vermutet, daß nach diesem Vorfall für einige Zeit keine auswärtigen Studenten mehr nach Straßburg geschickt wurden461; im Jahr 1325 war jedenfalls eine solche Regelung, falls sie getroffen worden ist, nicht mehr in Kraft, denn das Generalkapitel jenes Jahres versetzte die Studenten und den Studentenmeister strafweise in ihre Konvente zurück, weil sie sich gegen Anweisungen des Priors zusammengetan hatten462 - nach dem, was seinem Vorgänger fr. Jacobus de Welsberg (Provinzial 1316 - 1321) widerfahren war, hatte sich fr. Henricus de Gruningen ( zweite Amtszeit 1323 - 1326 ) wohl gehütet, direkt einzugreifen. Der Text dieser Entscheidung belegt, daß in der elsässischen Stadt ein 463 Studium theologiae bestand , an dem zwanzig fratres studierten. Neben Studenten aus dem Elsaß und aus anderen zur Provinz "Teutonia" gehörenden Regionen waren wahrscheinlich auch Studenten aus der sächsischen und der böhmischen Ordensprovinz darunter464. Das Straßburger Studium hat zu jener Zeit also eine überregionale Bedeutung gehabt, die die anderer theologischer Studia der Ordensprovinz, die im wesentlichen auf die Studenten aus der eigenen natio beschränkt waren, übertraf. In Straßburg hat sicher auch der filius dieses Konvents, Johannes der Futerer, studiert, den Heinrich Seuse für einen heiligmäßigen Mann hielt465. Es ist allerdings auzuschließen, daß er derjenige war, von dem 459

Acta Cap. Gen. II, S. 135, 24 - 31. "Idealforderungen" an einen Karzer und die Haft darin stellte 1279 das Provinzkapitel der "Lombardia" aus gegebenem Anlaß (Mord an einem Mitbruder) zusammen: Acta Cap. Lomb.: AFP 11 (1941), S. 156 f. 460 H. Ch. Scheeben: Der Konvent..., S. 68 f. 461

Zur Studienorganisation ..., S. 60 f.

462

Acta Cap. Gen. II, S. 160, 7 - 21 (ein Kapitel der Provinziäle).

463

Acta Cap. Gen. II, S. 160, 7. Daraus läßt sich jedoch nicht ableiten, das müsse immer so gewesen sein, vgl. o., S. 100 f. 464

Ebd., 16 - 1 9 . Dort werden u. a. genannt: fr. Johannes Bohemus, fr. Gerlacus de Isenaco (Eisenach), Fr. Jacobus de Miswaen (Meissen). H. Ch. Scheeben (Der Konvent ..., S. 52) meinte, es sei kein Straßburger unter den Studenten gewesen; es ist aber wahrscheinlich, daß wir in fr. Chuno de Kagenecke (21) - aus dem der Hrsg. der Acta, B. M. Reichert, "Chuno de Taneke" macht - den 1330 bis 1332 als Straßburger Prior bezeugten "Cuno de Kagenecke" vor uns haben. Vgl. Urkundenbuch ..., Bd. IV, 1, S. 445 a. Johannes de Düren ist nicht mit dem Kölner Cursor von 1301 identisch, kann aber auch aus dem Einzugsbereich jenes Konventes kommen. Vgl. o., S. 129. 465

Vita: Deutsche Schriften, Hrsg. K. Bihlmeyer (1907), S. 23,1.

143

der Konstanzer Mystiker schreibt: "In sinen jungen tagen, do er ze schuol fuor, do beriet in got einst eins lieben göetlichen gesellen"466, da er von jenem Gefährten - mit dem er eine längere (Studien-?) Zeit teilte - erzählt, er sei vor ihm gestorben und ihm als im Fegefeuer büßend erschienen467. Damit haben wir auch keinen Anhaltspunkt für ein Straßburger Studium Seuses - das gleichwohl durchaus nicht unmöglich erscheint. Weitere Namen von mit dem Straßburger Studium verbundenen Brüdern sind erst wieder für einen späteren Zeitraum überliefert: Für 1343 nennt Steill einen sonst nicht bekannten "Hugo von Grast" als "Doctor zu Straßburg"468. 1348 wird Johannes Schadelant, bislang Lektor, Inquisitor469. 1350 ist fr. Bartholomäus de Bolsenheim Straßburger Lektor470.

466

Op. cit., S. 143,19 f.

467

Op. cit., ), S. 144, 3.

468

Ephemerides ..., Bd. 1,2, S. 290b. Als Quelle angegeben: "Ex Chron[icon] Zittard. et Ord[inis]."

469

Vgl. o„ S. 139.

470

Th. Kaeppeli: Scriptores ... I, S. 145.

144

1.3

Zur Biographie des Johannes von Sterngassen

1.3.1 Johannes von Sterngassen in den historischen Quellen Ein Hauptmangel der im Abschnitt 1.1 geschilderten bisherigen Sterngassen-Forschung liegt darin, daß die mittelalterlichen Quellen und die ordenshistoriographischen Werke aus der Zeit bis zur Französischen Revolution und der auf sie folgenden Klosteraufhebungen (1792 bis 1803) meist gar nicht - und wenn überhaupt, dann nur eklektisch benutzt und ausgewertet wurden1. Zugunsten der betroffenen älteren Autoren muß dabei gesagt werden, daß ja bis zu den Forschungen Denifles ein einigermaßen klares Bild von Umfang und Wert der dominikanischen Ordenshistoriographie noch gar nicht bestand und die Quellen in dem Umfang, wie wir sie heute kennen, überhaupt erst im Lauf des zwanzigsten Jahrhunderts zugänglich gemacht worden sind2. Auch muß gesehen werden, daß die neueren Arbeiten Johannes von Sterngassen ja nur streifen, der Arbeitsaufwand für eine gründlichere Behandlung des Kölner Dominikaners im Blick auf das jeweilige Hauptziel also unangemessen hoch erschienen sein mochte. Für uns ist es jedoch unerläßlich, diese Forschungslücke zu füllen, denn bei dem weitgehenden Fehlen urkundlicher Quellen gewinnt das an Bedeutung, was seine Mitbrüder in späterer Zeit noch über Johannes wußten und mitteilten. Grob läßt sich diese Literatur nach zwei Epochen aufteilen: in die - bis auf einen Frühdruck - handschriftlichen Werke des Mittelalters und die durch den Druck verbreiteten Arbeiten der Ordenshistoriographen der Neuzeit.

1 2

Hierauf hatte bereits 1885 H.S. Denifle aufmerksam gemacht. Vgl. o., S. 44.

Ein gewisser Abschluß wurde erst mit der kritischen Edition von Stephanus de Salanhaco u. Bernardus Guidonis: De quatuor in quibus Deus Praedicatorum ordinem insignivit, durch Th. Kaeppeli (1949), MOPH XXII, erreicht.

Bei beiden muß berücksichtigt werden, daß das Hauptziel der Verfasser die "gloria dominicana", die Verherrlichung des Ordens und seiner hervorragenden Mitglieder war, und erst seit dem siebzehnten Jahrhundert allmählich vom Beginn einer historisch kritischen Betrachtungsweise im heutigen Sinn gesprochen werden kann. Das legt berechtigte Skepsis gegenüber den Werturteilen dieser Autoren nahe, ermächtigt aber noch nicht per se zum Verneinen der Existenz der angeführten Personen und der ihnen zugeschriebenen Werke - so sehr auch bei letzteren Vorsicht geboten ist, wie die Probleme der Authentizität der dem hl. Thomas von Aquin zugeschriebenen Werke deutlich vor Augen führen3. Vor der Kritik ist jedoch zunächst eine Bestandsaufnahme nötig, die hier, in die genannten beiden Epochen aufgeteilt, gegeben werden soll.

1.3.1.1 Mittelalterliche Quellen Im ältesten Gelehrtenkatalog des Dominikanerordens, der Liste der Pariser Magistri in dem von Stephanus de Salanhaco begonnenen und von Bernardus Guidonis 1308 - 1312 vollendeten "De quatuor in quibus Deus Praedicatorum ordinem insignivit" findet sich der Name "Johannes des Sterngassen" (oder ein ähnlicher mit auf diese Person zutreffenden Angaben) ebensowenig wie in den bis in die Zeit kurz nach 1350 gehenden Fortsetzungen4. Diese Liste kann zwar für ihren Hauptteil keine chronologisch richtige Ordnung beanspruchen, wohl aber Vollständigkeit - zumindest für den Ausgang des dreizehnten Jahrhunderts und die Folgezeit5. In dem von Heinrich Suso Denifle erstmals herausgegebenen Stamser Katalog erkannte Pierre Mandonnet die Abschrift einer früher im Chor der Dominikanerkirche St. Jacques zu Paris angebrachten tabula scriptorum6. Heribert Christian Scheeben bezweifelte das 7 , doch Gilles Meersseman sprach sich für diese Hypothese aus8. Nach seinen For3

Die wichtigsten Untersuchungen dazu sind: P. Mandonnet: Des écrits authentiques de S. Thomas (1910). M. Grabmann: Die echten Werke des hl. Thomas von Aquin ( 3 1949) und die 'Prolegomena' in den einzelnen Bänden der editio Leonina. 4

Vgl. o„ S. 44.

5

Stephanus de Salanhaco... De quatuor: ed. Th. Kaeppeli, Introductio, S. xxxvii.

6

P. Mandonnet. Des écrits ..., S. 77 - 81. Zu Denifles Entdeckung vgl. o., S. 44 f.

7

Die Tabula Ludwigs von Valladolid im Chor der Predigerbrüder von St. Jakob in Paris. AFP 1(1931), S. 223 - 263. 8

Laurentius Pignon: Catalogi et chronica, ed. G. Meersseman, MOPH XVIII (1936), Introductio, S. ix.

146

schungen umfaßte die Tafel einen älteren - ungefähr 1305 entstandenen - und einen jüngeren - um 1330 hinzugefügten Teil 9 . In letzterem wird auch aufgeführt: "fr. Johannes de Sternegasse, natione Theutonicus, scripsit lecturam super sententias"10. Eine andere, ebenfalls auf die Pariser tabula scriptorum zurückgehende Liste fand sich in einer Handschrift der Universitätsbibliothek von Uppsala in Schweden, diese aus dem fünfzehnten Jahrhundert datiert11. Auch sie enthält: "Fr. Johannes Sternegaz scripsit lecturam super omnes quattuor libros Sententiarum"12. Der Catalogus fratrum spectabilium Ordinis fratrum Praedicatorum des Laurentius Pignon vom Ende des vierzehnten Jahrhunderts hat für sein Kapitel "Catalogus fratrum qui claruerunt doctrina" ebenfalls die Pariser Tafel als Quelle13. In ihm findet sich ebenfalls eine Eintragung: "Fr. Johannes de Spernegasse natione Theutonicus, scripsit bonam lecturam super sententias"14. Im - jetzt nach Aufhebung durch die kommunistischen Gewalthaber wiederbesiedelten, aber seiner Archivmaterialien und historischen Buchbestände beraubten - Dominikanerkloster von Prag fand P. Albert Auer OSB eine weitere Autorenliste von Predigerbrüdern15. Sie datiert von der Wende vom vierzehnten zum fünfzehnten Jahrhundert16 und stellt, bis auf einen eigenen Anhang, im wesentlichen einen Auszug aus dem Werk des Laurentius Pignon dar17. Johannes von Sterngassen wird in ihr nicht erwähnt. Im Chor von St. Jacques in Paris wurden 1413/1414 andere Wandtafeln angebracht, darunter auch eine neue tabula scriptorum, die aber den Namen 'Johannes de Sternegasse'

s Ebd. 10

A.a.O., S. 63: Catalogus Stamensis, Nr. 48.

11

A.a.O., S. xü u. S. 68 (Uppsala Cod. C 282).

12

Laurentius Pignon: Catalogi..., S. 74: Catalogus Upsalensis, Nr. 37.

13

A.a.O., S. xü. Vgl. o., S. 45.

14

A.a.O., S. 28: Laurentius Pignon, Nr. 49. Meersseman schlägt als Konjektur vor, "Spernegasse" in "Sternegasse" zu verändern und "bonam" zu unterdrücken. 15

A. Auer: Ein neuaufgefundener Katalog der Dominikanerschriftsteller (1933).

16

A.a.O., S. 11.

17

A.a.O., S. 43 - 48. Laurentius Pignon: Catalogi

S. xii.

147

nicht mehr enthielt und auch sonst von der alten recht verschieden war18. Am Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts war also Johannes von Sterngassen, wie die meisten seiner Zeitgenossen, in Paris vergessen. Der oberdeutsche fr. Johannes Meyer (1422 - ca. 1485) ist als Verfasser zahlreicher ordensgeschichtlicher und populärer Schriften - teils auf deutsch, teils auf latein - bekannt19. Unter anderem trug er auch eine Papstchronik seit der Vorgeschichte der Gründving des Dominikanerordens zusammen, die viel anderweitig verlorenes Material enthält20. Bei der Beschreibung des Generalats von fr. Hervaeus Natalis über die Predigerbrüder wird auch Johannes von Sterngassen genannt: "Und wie wol dozumal vil gelerter bruder lepten in dem orden, do warent in sunderheit etliche bruder in teutscher provintze, die do andechtiglichen lebten, under den was bruder Jahannas von Sterngassen, ein andechtiger prediger des gotlichen wortz"21. Johannes ist hier nur als Prediger genannt; auf eine wissenschaftliche Tätigkeit deutet allenfalls die Subsumierung unter "vil gelerter bruder" hin. Seine berichtete Wirksamkeit fällt in den Zeitraum von 1318 bis 1323, den Zeitraum des Generalats von fr. Hervaeus Natalis. Im Jahr 1466 verfaßte Johannes Meyer den Uber de viris illustribus Ordinis Praedicatorum22. Dieses Werk enthält - ähnlich wie die des Stephanus de Salanhaco und Bernardus Guidonis sowie des Laurentius Pignon - verschiedene Teile, in denen die Heiligen, Päpste und Bischöfe, Gelehrten und berühmten Prediger des Dominikanerordens gefeiert werden. Der in diesem Zusammenhang interessierende vierte Teil: "Sacre pagine doctorum ordinis fratrum predicatorum" fehlt allerdings in der einzigen bekannten Handschrift, Basel, Universitätsbibliothek, Ms. E III, 12, fol. 1 r - 48v, die von ihm nur das Register enthält23. Paulus von Loe, der Editor des Werkes, nahm an, daß schon der Autor 18

H. Ch. Scheeben: Die Tabula Th. Kaeppeli: Scriptores

S. 233 f. Laurentius Pignon: Catalogi..., S. xii. Bd. II, S. 476 - 480.

20 A.a.O., S. 478, Nr. 2426. Vgl. H. Ch. Scheeben: Handschriften. AdD 1 (1937), S. 149 - 202; hier S. 181-189. Vgl. o„ S. 141, Anm. 451. 21

Berlin, SBPK, Ms. germ. quart. 195, fol. 217 v. Vgl. H. Ch. Scheeben: Der Konvent ..., S. 73. 22 Ed. P. von Loe, QF XII (1918). Vgl. Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 478, Nr. 2459. Vgl. o., S. 45. 23

Johannes Meyer: Liber de viris illustribus ... , S. 20 (Ms. fol. 7 v ). Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S.478, teilt die alte Signatur (D IV, 9) mit, die auch von Loe noch zitierte, und gibt dann die neue ( E III, 12 ) so an, als handle es sich dabei um einen 2. Codex.

148

diesen Teil nicht ausgeführt habe, denn in der Handschrift fehle an der entsprechenden Stelle kein Blatt24. Ihm ist dabei allerdings entgangen, daß die Blätter vor und hinter dem fehlenden Stück, fol. 35 und 36 nach später angebrachter Zählung, das letzte beziehungsweise erste je einer Lage bilden. Der ganze Band besteht aus Lagen von acht und von sechzehn Blättern in unregelmäßiger Verteilung. Zwischen den in Frage stehenden Blättern findet sich ein der Fadenheftung entsprechendes Bändel, das eine Lage zusammenhalten soll - dort ist aber nur ein kleiner Falz aus Pergament, der das innerste Doppelblatt vor dem Auseinandergescheuertwerden schützen sollte, bei den übrigen Lagen findet sich ein solcher Streifen jeweils an der entsprechenden Stelle. Jemand halt also aus dem fertig gebundenen Codex eine Lage entfernt. Wir müssen uns deshalb jetzt mit dem Register begnügen, in dem an zehnter Stelle steht: "Johannes de Sterngassen"25. Das 1506 im Druck erschienene relativ kurze Werk De illustribus viris ac sanctmonialibus sacri ordinis Praedicatorum des Wimpfener Dominikaners Georg Epp beruht weitgehend auf dem von Johannes Meyer zusammengetragenen Material26, hat darüber hinaus aber auch noch ein Dokument nach Art des Prager Katalogs als Quelle27. In dem kleinen Abschnitt über doctores28 werden Johannes und Gerhard von Sterngassen ebensowenig erwähnt, wie an anderer Stelle des Buches. Auch die mittelalterlichen Bibliothekskataloge aus Buxheim, Forli, Prag und Regensburg besitzen Quellenwert als Zeugnisse für Johannes von Sterngassen29, besonders der von Forli, in dem es ausdrücklich heißt: "Ioannis de Colonia ordinis predicatorum, dicti de Sterrangasse, scriptum super Illlor libros sententiarum"30.

24

A.a.O., S. 5 f.

2 5 A.a.O., S.20; Basel UB, Ms. E III, 12, fol. 7 v 13. Darauf, daß die hier anzutreffende Reihenfolge nicht chronologisch ist, hatte bereits H. S. Denifle hingewiesen; vgl. o„ S. 45. 26

A.a.O., S. 12 f. ( Vorwort des Editors ).

A. Auer: Ein neuaufgefundener Katalog , S. 65 f. Da eine über die Ähnlichkeiten zwischen "Prager Katalog" und Johannes Meyers Liber de viris illustribus hinausgehende Inhaltsgleichheit nur einen geringen Teil der von Epp aufgeführten Personen betrifft, ist weiterhin Johannes Meyer als Hauptquelle zu betrachten. 27

28 2

G: Epp: De illustribus viris ..., fol. 9 va - 10 ra.

9 Vgl. u., S. 203 f.

30 Ebd.

149

Als historische Quelle nicht zu vergessen ist schließlich der 1498 gemalte Dominikanerstammbaum im Sommerrefektorium des ehemaligen Berner Klosters31. Infolge von Beschädigungen bei der Aufhebung und jahrhundertelanger Vernachlässigung sind nicht mehr alle Bildunterschriften vollständig lesbar. Eine von ihnen lautet - soweit noch zu entziffern: "Frater Johannes ... rum sapientie et psalterium ... ones super... librum ..."32. Angelus Walz sieht in diesem "fr. Johannes" Johannes von Sterngassen33.

1.3.1.2 Die Ordenshistoriographen vom sechzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert Stellt das genannte Werk des Georg Epp, chronologisch bereits dem sechzehnten Jahrhundert angehörig, im wesentlichen nur eine gekürzte Neuausgabe der Schrift des Johannes Meyer dar, setzt Albert de Castello mit seiner "Brevissima chronica ordinis Praedicatorum" den Beginn der neuzeitlichen dominikanischen Historiographie34. In die dritte Auflage dieses, erst in jüngerer Zeit angemessen gewürdigten Werkes nahm er einen erweiterten Katalog von "viri disciplinis excellentes et illustres" auf35, in dem als Nummer 196 auftaucht: "Fr. Sterngatius scripsit solemniter super sententias. Item sermones subtilissimos ad clerum"36. Dieser Name erscheint, zusammen mit dreizehn anderen deutschen Dominikanern, darunter Henricus de Herfordia, Henricus de Cervo, Henricus de Hunnis, Berthold von Moosburg, unter dem Jahr 1355. Gerhard von Sterngassen wird dagegen als Nummer 157 unter dem Jahr 1314 genannt: "Fr. Gerardus Scergam, Coloniensis, compilavit librum qui dicitur Medella anime. Item de recreatione anime"37. 31

A. Walz: Von Dominikanerstammbäumen, S. 49.

3

2 A.a.O., S. 251.

33

Ebd. Anders als der Berner enthält Hans Holbeins berühmter Dominikanerstammbaum aus dem Frankfurter Kloster - jetzt im Städelschen Museum - keinen, auch nur potentiellen, Johannes von Sterngassen. 34

Venetiis U504, 2 1506, 3 1516.

35

A.a.O. (31516), fol. 144 v - 183 v. Vgl. R. Creytens: Les écrivains dominicains dans la Chronique d'Albert de Castello AFP 30 (1960), S. 227 - 313; hier S. 228. 36

A.a.O., fol. 173 r. R. Creytens: Les écrivains ..., S.283.

150

Die zeitliche Ansetzung auf 1355 ist von der Eintragung über Henricus de Herfordia abhängig, wo es heißt: "Henricus de Erfordia ... scripsit cronicam gloriosam ab origine mundi usque ad annum MCCCLV ...."38. Auf zahlreichen Quellen beruht De viris illustribus ordinis Praedicatorum libri sex des Leander Albertus aus Bologna, das 1517 im Druck erschien. Nach Arnold Kühls Urteil sind, was die deutschen Predigerbrüder in diesem Werk angeht, jedoch Vorbehalte angebracht: "... sind jedoch die Angaben von L. Alberti über die deutschen Ordensmitglieder oft sehr ungenau, wirr und dürftig, indem sie sich vielfach auf eine bloße Erwähnung der betroffenen Persönlichkeit beschränken"^. Diese Kritik trifft allerdings kaum auf die Behandlung des Johannes von Sterngassen in dem Werk zu. Im zweiten Kapitel des vierten Buches, "virorum illustrium sacram scripturam dilucidantium"40, steht dort: "IOANNES de Sterngassen, similiter germanus, vir venerabilis cum scriptis suis super librum sapientiae, psalterium, necnon lecturis super sententias, et quaestionibus in totam philosophiam naturalem, in librum de bona fortuna et Sermonibus, de Tempore et de sanctis"41. Da Leander Albertus dem Johannes hier wesentlich mehr Werke zuschreibt als die erhaltenen mittelalterlichen Gelehrtenlisten, muß er noch über andere - heute verlorene - Quellen als diese verfügt haben. Ein weiteres ordensbiographisches Werk erschien gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts: die "Bibliotheca Ordinis Fratrum Praedicatorum" des Antonius Senensis OP von 1585, die bereits Preger benutzt hatte42. Obwohl das Buch wesentlich weniger umfangreich ist als die Arbeit des Leander Albertus, ist Johannes von Sterngassen darin recht ausführlich gewürdigt: "Frater Iohannes de Sternagestem , natione Germanus, vir suo tempore clari nominis ob cognitionem multarum rerum, et eximia quae posteris reliquit sui ingenii monumenta, scripsit autem: Super librum Sapientiae, Super Psalterium, Super 4 libros sententiarum, Quaestiones

37

A.a.O., fol. 169 r. R. Creytens: Les écrivains ..., S.279.

38

A.a.O., fol. 172 v. R. Creytens: Les écrivains ..., S.283.

39

Die Dominikaner ..., S. 174 f.

40

L. Albertus: De viris ..., fol. 132 v.

41

A.a.O., fol. 136 v - 1 3 7 r (Orthographie und Zeichensetzung der Vorlage).

42

Vgl. o„ S. 43.

151

in totam Philosophiam naturalem, Sermones de tempore et de Sanctis, Quaestiones in librum de bona fortuna, et multa alia. Claurit anno *"43. Leider konnte Antonius Senensis keine Datierung geben, wofür der Stern am Schluß der Notiz steht. Dies tat bereits Leander Albertus nicht, bei dem sich Johannes von Sterngassen hinter dem - ebenfalls zeitlich nicht festgelegten - "Ioannes de Erdemberg" (Johannes de Ardenburgo) findet44. 1608 erschien der umfangreiche Apparatus sacer des Jesuiten Antonius Possevinus, der eine Bibliographie der christlichen und alttestamentlichen Autoren darstellt. In ihm findet sich ein Artikel "Ioannes de Sternagestem, Germanus, OP", der nicht nur in der Graphie des Namens, sondern auch in der Aufzählung und Reihenfolge der Werke genau Antonius Senensis wiedergibt45. Als Quelle nennt Possevinus allerdings "Leander < Albertus >, IIb. 4"46. Noch auf derselben Seite folgt dann ein Eintrag: "Ioannes Stringarius Ordinis S. Augustini scripsit in quattuor libros Magistri Sententiarum. Vivebat anno 1430"47. Der spanische Franziskaner Pedro de Alva y Astorga stellte in den sechziger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts mit großer Akribie Listen der Befürworter und der Gegner der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter Maria auf48. Das Gewicht der Gegner suchte er soweit wie möglich zu vermindern, indem er auf historische Unstimmigkeiten hinwies und so möglichst viele von ihnen als fiktive Personen zu entlarven trachtete. Die Namensähnlichkeit zwischen dem Dominikaner und dem Augustiner entging ihm dabei nicht; durch Johannes de Turrecremata OP bekannte Zitate der angeblich verschiedenen Autoren stellte er einander gegenüber, erkannte ihre Übereinstimmimg untereinander und mit einem Zitat aus dem Sentenzenkommentar des Hannibaldus de Hannibaldis OP und schloß daraus, daß es weder einen Augustiner noch einen Dominikaner 'Johannes Sterigatius / Serniga-

43

Antonius Senensis: Bibliotheca ..., S. 146.

44

L. Albertus: De viris ..., fol. 136 v.

45

A. Possevinus: Apparatus sacer, S. 941.

is Ebd. 47

Ebd.

Für die Befürworter: Militia immaculatae conceptionis virginis Mariae (1663). Für die Gegner: Radii solis zelis seraphici coeli veritatis pro immaculatae conceptionis mysterio Virginis Mariae discurrentes (1666). 48

152

tius' je gegeben habe49. Wie Arthur Landgraf aufgeklärt hat, liegt der Nennung eines Augustiners 'Johannes Sternigatius' ein Versehen Johannes de Turrecrematas zugrunde50. Wenn auch ein solcher Augustiner in verschiedenen Repertorien aus älterer Zeit auftaucht, so läßt sich für ihn kein Nachweis oder auch nur Hinweis in der neueren Literatur finden51. In der 1677 erschienenen Bibliotheca Dominicana von Ambrosius de Altamura OP ist ein "Ioannes Sternagestem" aufgeführt 52 und auf das Jahr 1465 gelegt: "Anno 1465: Johannes Sternagestem Germanus doctissimus et variarum linguarum peritus. Scripsit: In Sapientia. In Psalterium. Super quattuor libros sententiarum. Quaestiones super universam Philosophiam moralem et speculativam. Quaestiones in librum de Bona Fortuna. Sermones de Tempore et de Sanctis"53. "Gerardus Coloniensis" - kein anderer als Gerhard von Sterngassen, der Bruder des Johannes - wird dagegen unter dem Jahr 1314 eingeordnet54. Merkwürdig ist Altamuras Erwähnung besonderer Sprachkenntnisse, die Johannes von Sterngassen zugeschrieben wurden, denn die anderen Historiographien wissen davon nichts. Johannes Felix Ossinger OSA schreibt dagegen dem Augustiner Andreas de Biliis außergewöhnliche Kenntnisse des Griechischen und Hebräischen zu, weswegen er zu den Verhandlungen des Konzils von Florenz ( 1438 - 1445 ) mit den Orthodoxen und den Armeniern hinzugezogen worden sei. In seiner Begleitung soll sich auch 'Ioannes Stringarius OESA' befunden haben55. Der Dominikaner Friedrich Steill - auch als barocker Prediger hervorgetreten 56 - publizierte 1691 eine Legende - ein nach den Tagen des Jah49

Radii..., Radius 199, Sp. 1492 - 1495. Die Vatikanische Handschrift, Cod. Vat. lat. 1092, war Alva y Astorga zwar bekannt, den Sentenzenkommentar darin hielt er jedoch für ein Werk des Johannes von Freiburg: Radii...l54, Sp. 1322. 50 Vgl. o., S. 62. 51

Ein "Johannes von Straßburg OESA" wird zwar von H. Vomschott: Geistiges Leben im Augustinerorden am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit (1915), S. 122, genannt, doch er ist erst nach 1450 als Student in Paris aufgetaucht. 52

Zur Erklärung der orthographischen Varianten vgl. o., S. 61.

53

A. de Altamura: Bibliotheca Dominicana, S. 187 a -188 a.

54

A.a.O., S. 97 a + b.

55

Bibliotheca Augustiniana (1768), S. 879.

56

Geistlicher Lust- und Heil-Brunn: das ist Auserlesene neue Predigen auff alle Sonntage ... (1696). Zu Person und Predigtweise Steills vgl. E. Renz: Leonard Leo, Friedrich Steil [!] und Albert Grünewaldt: drei Barockprediger aus dem Dominikanerorden (1956). 153

res geordnetes (Vor-) Lesebuch - der Doimnikaner(innen)heiligen, -seligen und der sonst berühmten Brüder und Schwestern57. Obwohl das Werk stark doxographischen Charakter trägt, ist es doch Frucht einer ausgedehnten - wenn auch oft unkritischen - QueUensammlung58, bei der er noch viele, heute verlorene Dokumente heranziehen konnte. In den Eulogien wird Johannes von Sterngassen nicht erwähnt, auch in den Registern ist er nicht verzeichnet. Lediglich über seinen Bruder Gerhard gibt es zum 8. August eine kurze Notiz: "Disem < sei. Gerardus de Minda > wird von denen Chronisten zugesellt der Hochgelährte Pater Gerardus von Collen, welcher seinen tieffsinnigen Verstand gezeigt hat in dem Tractat, welchen er titulirt: Medelam anime, wie auch in einem andern Buch von der Recreation der Seelen. Haben beyde geleuchtet umb das Jahr 1314 von ihnen schreibt die Chronick P. Antonii Senensis ..."59. Offenbar in vom Autor unbemerkter Verdoppelung findet sich dann zum 21. November: "Item zu Collen Wolwürd Gedächt P. Gerardi von Collen eines berühmten D selbiger Universität; hat unter anderen zwey Bücher von der Seelen Heyl und ihrer Erlustigung beschrieben, ums Jahr 1314. Ex Chron Sen M S Colon"60. In der jedem Tag beigefügten "History vom Heiligen Orden", die in kleinen Abschnitten von der Vorgeschichte der Gründung bis 1691 fortgeführt wird, ist für das Jahr 1318, nach der Erwähnung der Wahl von Hervaeus Brito ( Natalis ) zum Generalmeister vermerkt: "Unter ihm haben in Teutschland mit grosser Gelehrtheit und gottseligem Wandel geleuchtet folgende Hochedele Teutsche: P. Joannes von Sterngassen, von welchem die Chronick P. Antonii Senensis also schreibt: ... 61 , P. Hartmannus von Cronenberg, P. Joannes von Greiffenstein, Vicarius im Elsaß und Prior zu Basel; alle 3 Edel von Geschlecht, aber edler an Tugenden, welche nach Verlassung ihrer Herrschaften in 5 7 Ephemerides Dominicano Sacrae: Das ist Heiligkeit und Tugendvoller Geruch, Der auss allen Enden der Welt zusammen getragenen Ehren - Blumen dess Himmlisch - fruchtbaren Lust - Gartens Prediger Ordens. 2 Teile (in 4 Bdn., 1691/92). Ein kleinerer "Geistlicher Lustgarten Prediger Ordens" Steills war bereits 1676 erschienen; er enthält nichts über Gerhard und Johannes von Sterngassen. 58

A.a.O., Bd. I, 1, S. vii (Vorrede ). Vgl. G. Lohr: Zur Geschichte ..., S. 71.

« A.a.O., Bd. II, 1, S. 3 4 b - 35a. 60 A.a.O., Bd. II, 2, S. 189b. A.a.O., Bd. I, 2, S. 93b. Antonius Senensis vgl. o., S. 152. Steill verändert lediglich 'Sternagestem' in 'Sterngassen' und tauscht in der Reihenfolge die Predigten und die 'Quaestiones de bona fortune'. 61

154

Armuth und Demuth die himmlische Gnad- und Glory-Schätz erworben haben"62. Auch bei sehr zurückhaltender Wertung wird aus diesen Ruhmreden deutlich: Steill verfügte über eine - auch sonst häufig von ihm genannte - handschriftliche Kölner Quelle, die Gerhard von Sterngassen dort lokalisierte und ihm zusätzlich zu dem Pratum animarum ein weiteres Werk zuteilte63. Über Johannes von Sterngassen hat er dieser Quelle nichts entnommen, hier greift er auf eine elsässische oder Basler Quelle zurück, die ihn mit den beiden anderen oberrheinischen Dominikanern64 zusammen in die Zeit des Generalats von Hervaeus Natalis (1318 - 1323) situiert. Der Hamburger evangelische Theologe, Historiker und Bibliothekar Johannes Albertus Fabricius nennt in seiner 1734 - 1736 erschienenen Bibliotheca latina mediae et infimae aetatis nur den angeblichen Augustiner 'Ioannes Stringarius'65. In der, aufgrund von Ergänzungen, die Giovanni Domenico Mansi an dem Werk angebracht hatte, erweiterten Neuausgabe durch Christian Schöttgen findet sich ein Dominikaner erwähnt, in dem Johannes von Sterngassen zu sehen ist: "Sterlingrius Ordinis Praedicatorum, scripsit in quattuor libros sententiarum et Sermones ad Clerum. Vivebat anno 1355. Possevinus t. II. Apparatus p. 436. Sterlengatium vocat Ambrosisus ab Altamura, pag. 129"66. Den Höhepunkt der klassischen dominikanischen Historiographie stellt das monumentale Werk Scriptores Ordinis Praedicatorum der französischen Predigerbrüder Jacobus Quetif und Jacobus Echard dar. Neben umfassender Kenntnis von - heute zum großen Teil verlorenen Quellen zeichnet es sich durch deren kritische Würdigung nach dem Vorbild der Bollandisten und der Mauriner aus67. Auch Johannes von 62

Ebd.

63

M.S. Colon. Hingegen können "Pratum animarum" und das Datum 1314 auch aus Antonius Senensis: Bibliotheca..., hier 'Chronic' genannt, entnommen sein. 64

Johannes von Greiffenstein, während des Prozesses um Meister Eckhart Prior in Köln (vgl. o., S. 136), ist 1312 u. 1321 in Straßburg nachgewiesen: Urkundenbuch ... Bd. III, 1,S. 219, 4 u . S. 292,27. es Bd. IV (1735), S. 433. 66

J. A. Fabricius: Bibliotheca... cum suppl. C. Schoettgenii... Bd. VI (1859), S. 509a. Der 'Augustiner Joannes Stringarius': Bd. IV (1859), S. 430b. 67

A. Kühl: Die Dominikaner ..., S. 108 -182. M. Grabmann:: Die Werke ... ( 3 1949), S. 26, lobt es als: "die wertvollste aller Ordensbibliographien". 155

Sterngassen wird darin behandelt, allerdings unter der Namensform "Ioannes de Spernegasse"68. Auf die anderen Formen 'Sterngassen' und 'Sterlingatius' wird aufmerksam gemacht, ebenso wie auf die fiktive Unterscheidung zwischen dem einen als Dominikaner und dem anderen als Augustiner. Die radikale Forderung Alva y Astorgas, die historische Existenz eines so oder ähnlich heißenden Autors gänzlich zu verneinen, wird unter Berufung auf den (heute verlorenen) Bibliothekskatalog des Johannes Bunderus OP, in dem zwei Löwener Handschriften des Sentenzenkommentars verzeichnet sind, zurückgewiesen69. Der Vatikanische Codex wird allerdings - darin Alva y Astorga folgend - als ein Werk des Johannes von Freiburg ausgegeben70. An weiteren Werken des Johannes von Sterngassen werden die genannt, die Leander Albertus ihm zuschreibt71. Zur Datierung des 'Spernegasse' wird nur mitgeteilt, er müsse vor 1400 gelebt haben, da er in der Liste des Laurentius Pignon verzeichnet ist; andere spätere Aufzeichnungen beruhten auf Verwechslungen72. Joseph Hartzheim SJ, "Bibliotheca Coloniensis" von 1747, nennt nur Gerhard von Sterngassen73. Die Ordenshistoriographen verfügten also über ein recht disparates Material, dessen Herkunft heute zum großen Teil nicht mehr feststellbar ist und von dem ein großer Teil durch die historische Kritik von Quetif - Echard seine beste Ordnimg findet. Obwohl die von ihnen gegebenen Informationen über das hinausgehen, was die mittelalterlichen bibliographischen Quellen, soweit wir sie heute noch kennen, hergeben, bleiben doch wesentliche Fragen ungelöst - vor allem eine auch nur ungefähre - zeitliche Einordnung des Johannes von Sterngassen.

68 QEI, S. 700a. 69

QE I, S. 700. Nach der Benutzung durch Quetif und Echard beklagt bereits J. F. Foppens: Bibliotheca Belgica, Bd. I (1739), S. 596 a: "sed dolendum thesaurum illum, nescio quo fato, periisse". 70

QE I, S . 525b. Vgl. o

7

S . 153, Anm. 49.

> QE I, S. 700a. Vgl. o., S. 151 f.

72

Ebd.

73

Op. cit., S. 95a.

156

1.3.2 Zur Herkunft des Johannes von Sterngassen Bereits Martin Grabmanii hatte durch Vergleich der mit dem Namen "Sterngacius" gekennzeichneten Randglossen in der Wiener Handschrift, ÖNB Cod. 2165, mit dem Sentenzenkommentar in den Codices Vat. lat. 1092 und Stift Lilienfeld, Cod. 102, sowie dieser mit den einem "Johannes Coloniensis" zugeschriebenen Quaestionen in der Handschrift A 913 der Biblioteca dell' Archiginnasio zu Bologna die Kölner Herkunft des Johannes von Sterngassen erwiesen74. Ein weiterer, direkter - und nicht, wie jener sich erst aus Kombinationen ergebender Beweis dafür findet sich im Katalog der ehemaligen Bibliothek des Dominikanerklosters Forli in der Lombardei: "Ioannis de Colonia ord praedic, dicti de Sterrangasse scriptum super HU lib sententiarum"75. Wenn die gemeinte Handschrift auch als verloren betrachtet werden muß, so ist diese Katalogeintragung doch von großem Wert, weil hier "Johannes de Colonia" und "Johannes de Sterrangasse" ausdrücklich als ein und dieselbe Person bezeichnet werden. Hiermit ist jeder Zweifel ausgeschlossen, daß es sich unter Umständen bei dem Verfasser des Sentenzenkommentars doch um einen anderen "Johannes Coloniensis" oder "Johannes de Colonia" handeln könnte76. Die ursprüngliche These von Charles Schmidt, Johannes von Sterngassen sei Angehöriger eines Straßburger Adelsgeschlechts77, ist aufgrund dieser Zeugnisse zwar nicht mehr haltbar, aber es bleibt immer noch denkbar, daß es - wie Lugien Pfleger meinte - zwei Dominikaner dieses Namens gegeben haben könnte: einen Mystiker aus Straßburg und einen Scholastiker aus Köln7». Dies ist sogar das naheliegendste, wenn 74 Forschungen zur Geschichte der ältesten deutschen Thomistenschule des Dominikanerordens, MAGLI (1926), S. 392 - 431; hier S. 393 - 400. Vgl. o., S. 56 - 58. 7 s Th. Kaeppeli: Antiche Biblioteche Domenicane in Italia, AFP 36 (1966), S.5 - 80; hier S. 18 (Cod. Vat. Barb. lat. 3185, fol. 173 r). 76 Damit scheiden aus: Iohannes de Colonia OSB, nach 1233 Kopist in: Ms. Wiesbaden, Hessische Landesbibliothek, Cod. 2 (G. Zedier: Die Handschriften der Nassauischen Landesbibliothek in Wiesbaden (1931, S. 4); Iohannes de Colonia, Kanonist, ca. 1245 (ADB Bd. XIV, S. 475); Iohannes de Colonia OP, Prior, Maastricht 1316 (G. D. Franquinet: Beredeneerte inventaris der oorkonden en bescheiden van het kloster der Predikheren te Maastricht(1880), S. 41), Iohannes de Colonia OFM, Ende 14. Jh. (LThK2 Bd. V, Sp. 1051) und Johannes Franco de Colonia OP: vgl. o., S. 131. 77

Vgl. o., S. 48 f.

7

» Vgl. o„ S. 49.

157

frau oder man den - bislang unwiderlegten - Ergebnissen Schmidts Rechnving tragen will. Diese stehen jedoch keineswegs auf so sicheren Füßen, wie Pfleger annahm. Es ist zwar zuzugeben, daß es im mittelalterlichen Straßburg keine 'Steingasse' gab - und so ein von dem Straßennamen abgeleiteter Familienname 'Steingasser' nicht wahrscheinlich ist, doch Schmidts eigenen Forschungen zufolge gab es dort ebensowenig eine 'Stern-', 'Sterren-', 'Sperne-', 'Sperre-' oder ähnlich genannte Gasse beziehungsweise Straße79. Es ist ebenfalls zuzugeben, daß in der - auf altfranzösisch ausgestellten - Quittung der Stadt Metz dem, des Deutschen womöglich unkundigen, Schreiber leicht ein Fehler hatte unterlaufen können und so 'Sternegasse' statt 'Steingasse' zu lesen ist. Aber dann müßte es doch von der - angeblich auch noch adligen - Familie 'von Sternegasse' zumindest irgendeine weitere Spur geben. Außer dem genannten, durch konjektureile Konstruktion 'Sternegasse' als Familiennamen tragenden Ritter und dem Dominikaner (oder den beiden Dominikanern) 'Sternegasse / Sterregasse' ist in den Registern zu den die Zeit bis zum Ende des vierzehnten Jahrhunderts umfassenden Bänden I - IV/2 des Urkundenbuch(s) der Stadt Straßburg jedoch nichts in dieser Richtung zu finden. Dagegen steht nur wenige Seiten hinter der Urkunde Nr. 1179 vom 24. September 1327, die Schmidt herangezogen hatte, eine weitere Quittung der Stadt Metz über Entgelt für geleistete Kriegs- und - auch das gab es damals schon - 'Beratungs'-Dienste, datiert vom 29. Dezember 1327, diesmal auf latein80. Hier werden zwei Empfänger genannt: "Nos, Johannes Rothe de Roshem et Steingasser de Argentina notum facimus ..."81. Der erste ist - auch nach dem Register des Urkundenbuches - identisch mit dem in dem vorgenannten Dokument an dritter Stelle aufgeführten "signor Gehan de Roshem"82. Warum soll dann der zweite nicht wahrscheinlicher der dort genannte "Stenegasse de Straborch"«3 sein, als ein durch Konjektur erst konstruierter und sonst nicht zu belegender "Sternegasse"? Doch auch loco non suspecto ist etwas über einen "Steingasser" zu erfahren, während sich der Name 'Sterngassen' ja sonst nicht finden

79

Ch. Schmidt: Straßburger Gassen- und Häuser- Namen im Mittelalter ( 2 1888).

so Urkundenbuch .... Bd. III (1884), S. 359, 5 - 30, Nr. 1187. si Ebd.; hier Zeile 7. 82

A.a.O., S. 354, 17, Nr. 1179.

8

3 Ebd.; hier Zeile 33.

158

läßt: In einem kurz nach 1329 verfaßten Verzeichnis der Lehnsleute der Straßburger Kirche84 ist festgehalten: "Henselinus Steingesser hat zu lehen 22 viertel gelte rokken und weissen, halb ein, halb ander, und ist das gut gelegen est wischent dem galgen und die dingloben zu Kunigshoven und sint der ackere, do man di gulte von gibt, 26 bi einander, also stat < in > bischof Johansens seligen registrum"85. "Bischof Johan selig" ist hier der 1316 bis 1328 regierende Straßburger Fürstbischof Johannes von Dürbheim86, zu dessen Lebzeiten Henselinus Steingesser das erwähnte Lehen in der - nicht gerade schönen Ausblick bietenden - Nachbarschaft des Galgens bei Königshofen bereits innegehabt haben muß. Er oder ein Mitglied seiner Familie ist also der Ritter "Stenegasse / Steingesser", der 1327 Kriegsdienste für die Stadt Metz geleistet hat. Schmidts Konjektur ist damit weder wahrscheinlich noch nötig, und eine Straßburger Familie, die auf einen zweiten Johannes von Sterngassen OP hindeuten würde, kann nicht angenommen werden. Bereits 1920 hat Gabriel Lohr OP Johannes von Sterngassen als identisch mit dem in verschiedenen Kölner Urkunden auftauchenden "Johannes Korngin", Sohn des Albertus und der Bela Korngin aus der Sternengasse gesehen87, was wir inzwischen als gesichert betrachten können. Zum weiteren Verfolgen der damit erschlossenen Spur besitzen wir ein wertvolles Arbeitsinstrument in Hermann Keussens Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, einer nach Pfarreien, Straßen und Häusern geordneten Aufstellung der erhaltenen Urkunden über Liegenschaften im mittelalterlichen Köln88. Die Sternengasse89 in der Pfarrei St. Peter, einem der ältesten Teile Kölns, ist darin ebenfalls verzeichnet, und auf ihrer Nordseite taucht für ein Haus zwischen der Hohen Straße und der Hasengasse der Name des Besitzers "Korngin" auf90. 84

Urkundenbuch ... Bd. IV, 2, S. 268 - 282.

85

A.a.O., S. 279, 32 - 35 ( Zufügung vom Ed. des Urkundenbuches, Aloys Schulte ).

se A.a.O., S. 2 6 8 , 1 7 - 19. 87

Beiträge ... I, S. 46 f.

88

Bd. 1 u. 2., Bonn 1910..

89

Der Name 'Sternengasse' kommt wahrscheinlich von dem Patrizierhaus "ad stellam", das darin liegt: I. Ermen: Geschichte der Stadt Köln, Bd. I (1863), S. 669. Vielleicht bedeutet er aber auch 'gepflasterte Gasse' von "viam sternere", so H. Signon: Alle Straßen führen durch Köln (1975), S. 187. 90

H. Keussen: Topographie ..., Bd. I, S. 270 a, Nr. 11.

159

Aus dem alten Schreinsbuch teilt Keussen diese Eintragungen mit: "1280. Dom pist in platea Stellarum prope puteum ex oppcositc» dom et aree ad antiquam Pyxidem"91. "1290. Dom et ar in platea Stellarum iuxta aream ex opp dom Cornegini"92. Eine weitere Eintragung von 1446 ist in unserem Zusammenhang ohne Interesse. Ein Nebenhaus wird in der Zeit nach 1330 in einer Urkunde des Zisterzienserinnenklosters St. Mariengraden erwähnt: "Dom in pl Stellarum iuxta domum Cornegini versus St. Petrum, voc Schafperze"93. Wenn das seit 1290 nachweislich der Familie Korngin gehörende Haus bereits 1280 in ihrem Besitz war, wie als wahrscheinlich anzunehmen ist, da keine Notiz über einen Besitzerwechsel vorliegt, dann wissen wir damit auch, daß sie sich vom Bäckerhandwerk ernährte (domus pistoris), worauf ja auch ihr Name hindeutet94. Da aber 1280 kein Besitzer- oder Bewohnername genannt wird, ist darüber keine vollständige Sicherheit zu erlangen. Die Familie ist jedenfalls zu einem gewissen, verglichen mit dem Reichtum der großen Patriziergeschlechter bescheidenem, Wohlstand gelangt, was die Schenkung an die beiden Söhne im Dominikanerorden, fr. Hermann und fr. Johannes im Jahr 132095 und der Besitz eines weiteren Hauses im Jahr 136796 belegen. Das Dokument von 1320 läßt auch darauf schließen, daß Albert und Bela Korngin zehn Kinder hatten - neben den drei Dominikanern gehörten zu ihnen die Töchter Richmodis und Petrissa97. Zum Patriziat, in Köln auch "die Geschlechter" genannt, und dessen Vereinigung, der sogenannten "Richerzeche", gehörte die Familie Korn-

9

1 Ebd.

92

Ebd. Der Text bezieht sich auf das Haus schräg gegenüber.

" A.a.O., S. 265 b 7. 94

'Korngin' heißt auf neuhochdeutsch 'Körnchen'. Gerhard war Testamentsvollstrecker des reichen Bäckers Hermannus Kneyart: G. Lohr: Beiträge ... II, S. 94, Nr. 205; vgl. I, S. 45 u. 47 f.

as G. Lohr: Beiträge .... II, S. 102, Nr. 235. Vgl. u., S. 163 f. 96

H. Keussen: Topographie I, S. 266 a 8.

97

G. Lohr: Beiträge .... II, S. 218, Nr. 586: die beiden Töchter des verstorbenen Albertus Cornegin sagen am 15. März 1358 den Dominikanern und den Franziskanern je ein Haus als Legat nach ihrem Tod zu. Am 10. Mai 1359 veräußern die Klöster diese weiter, die beiden Damen sind also bereits verstorben.

160

gin jedenfalls nicht98 - das für Bäcker, die sie ja höchstwahrscheinlich waren, anzunehmen, wäre auch wohl etwas abwegig. Die von Friedrich Steill dem Johannes zugelegte adlige Abkunft" ist offensichtlich von Johannes von Greiffenstein, der gleichzeitig mit ihm genannt wird, auf ihn übertragen worden und ohne Quellenwert. Irgendwelche Angaben über das Geburtsjahr der Dominikanerbrüder lassen sich in keinem der Quellentexte finden. Fr. Gerardus Korngin (oder: "de Sterringassen") kommt zum ersten Mal 1310100 und zum letzten Mal 1325101 in einer Kölner Urkunde vor; fr. Hermannus erstmals 1314102 und letztmals 1327 - als Zeuge in der Appellation, die Nikolaus von Straßburg im Zusammenhang des Prozesses gegen Meister Eckhart einlegte103. Die Frage, wie Johannes mit Beinamen nach der Straße, aus der er stammte, eigentlich korrekt genannt werden müßte: 'Sterringazzen', 'Sterrengassen', 'Sterngassen' oder 'Sternegasse', läßt sich bei der noch fließenden Orthographie des Mittelhochdeutschen nicht puristisch beantworten. Ich möchte daher dafür plädieren, auch künftig bei der am weitesten verbreiteten Namensform "Johannes von Sterngassen / de Sterngassen" zu bleiben.

1.3.3 Wirksamkeit nach den erhaltenen Urkunden Die Tätigkeit des Johannes von Sterngassen ist zwar recht dürftig dokumentiert, aber immerhin haben wir hier - anders als bei manchen seiner Zeit- und Ordensgenossen - einige konkrete Anhaltspunkte. Am 20. September 1310 stiftete der Straßburger Ritter Hugo Zorn ein Jahresgedächtnis für seinen verstorbenen Neffen Peter Panfelin. Der Akt ist in einer Urkunde festgehalten, die als Regest im Urkundenbuch der Stadt Straßburg wiedergegeben isU»4. Wir erfahren daraus, daß ss L. Ermen: Geschichte der Stadt Köln, Bd. II (1865), S. 465. Die Familie Korngin stellte auch keine Ratsmitglieder: a.a.O., S. 485 - 489 ( ex silentio ). ss Vgl. o„ S. 154 f. io" G. Lohr: Beiträge ... II, S. 81, Nr. 166. 101 A.a.O., S. 117, Nr. 279. 102 A.a.O., S. 90, Nr. 192. 103

M. H. Laurent: Autour du procès de Maitre Eckhart (1936), S. 335 f.

104

Straßburger Urkundenbuch ..., Bd. III, S. 2 0 6 , 1 4 - 1 9 , Nr. 206. Vgl. o., S. 48.

161

"Johannes von Sternegasse, conventual des Predigerklosters zu Straßburg ... Peters beichtvater war"105. Er wird hier nicht lector genannt, hatte also das Amt des Hauptlektors nicht inne, mußte aber schon einige Zeit vor der Ausfertigung der Stiftung in Straßburg gewesen sein, um die seelsorgliche Vertrauensstellung des Beichtvaters ( eines bereits Verstorbenen) eingenommen haben zu können. Eine weiteres Straßburger Dokument - diesmal in vollem Wortlaut im Urkundenbuch wiedergegeben - nennt nur den cognomen: Reimboldus de Kagenecke, Scholaster der Stiftskirche St. Thomas in Straßburg, stellt am 4. Juli 1316 sein Testament auf^e. Darin bestellt er neben drei Weltgeistlichen auch einen "dictum de Sterregasse, fratrem ordinis predicatorum" zum Testamentsvollstrecker107. Denifle war sich nicht sicher, ob es sich hier um Johannes von Sterngassen handelt108, während Charles Schmidt den Genannten zuerst für Gerhard109 und später für Johannes von Sterngassen110 hielt. Gerhard von Sterngassen kann in der fraglichen Urkunde allerdings wohl kaum gemeint sein, denn am 30. Juli 1316 erscheint er ebenfalls als Testamentsvollstrecker, aber in Köln111. Es bleibt zwar noch die Möglichkeit, daß es sich um Hermann, den dritten der Brüder handeln könnte112, doch bei ihm ist kein Motiv sichtbar, aus dem er für einige Jahre aus seinem Heimatkloster weg in eine andere "natio" der Ordensprovinz versetzt worden sein könnte113. Hermann ist auch anderweitig nie im Zusammenhang mit dem Studium erwähnt, während es schon eher denkbar ist, daß der Vertrauensmann des Stiftsscholasters mit ihm gerade auch wissenschaftliche Interessen teilte. 105 lo

Ebd., Zeile 16 (Schreibweise des Urkundenbuchs).

e A.a.O., S. 253, 13 - 33, Nr. 829. Ebd., Zeile 25. Vgl. o., S. 48.

107 108

ALKGMA II (1886), S. 228. Vgl. o., S. 45.

109 vgl. o., S. 34. Übernommen von W. Preger: Geschichte der deutschen Mystik ..., Bd. II, S. 120. 110 Ch. Schmidt: Le dominicain Jean de Sternegasse. Revue d' Alsace 4 (1896), hier S. 325; vgl. o., S. 48 f. 111

G. Lohr: Beiträge .... II, S. 94, Nr. 205.

Dieser ist 1314 (a.a.O., S. 90, Nr. 192), 1320 (a.a.O., S. 102, Nr. 235 ) und 1327 (vgl. o., S. 136) in Köln bezeugt. 1 1 3 Das geschah gewöhnlich nur, wenn der Betreffende ein vom Provinzkapitel, Provinzial, Generalkapitel oder Generalmeister vergebenes Ordensamt, wie etwa das des Lektors an einem Studium, übernahm oder zum Prior gewählt wurde.

162

Die weiteren Urkunden, in denen Johannes von Sterngassen erwähnt wird, stammen aus Köln. Dort hatten 1320 die Eltern der drei Dominikaner, Albert und Bela Korngin, dem fr. Hermann und dem fr. Johannes jeweils ein Zehntel aus den Erträgnissen eines Hauses in der Grossen Spitzengasse zu Köln vermacht114. Die Beurkundung darüber ist in einem Kölner Schreinsbuch erhellten - aber leider in einem nur noch teilweise lesbaren Zustand, da gerade die betreffenden Blätter stark beschädigt sind und die Tinte stellenweise verblaßt ist115. Nach dem Ausweis dieser Dokumente gab Johannes seinen Anteil an seinen Bruder Hermann ab: "Notum sit quod predictus fr. Johannes lector ordinis fratrum predicatorum dedit... fratri Hermanno suo ... cum consensu et uoluntate prioris sui ..."116. Der dritte der Dominikaner-Brüder, fr. Gerhard, wird in den noch lesbaren Teilen nicht erwähnt; möglicherweise stand eine Eintragung über ihn in den zerstörten Partien117 - vielleicht hat er, der anscheinend der älteste der drei war, seinen Anteil auch schon früher erhalten. In Köln ist er jedenfalls noch 1323 - 1326 bezeugt118. Gabriel Lohr interpretierte diesen Text 1920 so, daß Johannes von Sterngassen zum Zeitpunkt der Abtretung seines Erbteils nicht Lektor in Köln gewesen sei, sondern in Straßburg119. 1945 änderte er seine Meinimg, ohne jedoch Gründe dafür anzugeben120 und kehrte schließlich 1948 wieder zu seiner ursprünglichen zurück121. Für diese sprechen in der Tat drei Umstände, die aus dem Text hervorgehen: Zunächst wird fr. Johannes "lector ordinis fratrum predicatorum" genannt, aber ohne den bei den Leitern des Kölner Studiums in solchen G. Lohr: Beiträge.... II, S. 102, Nr. 235. Zum rechtlichen Hintergrund vgl. K. Fischer: Die Erbleihe im Köln des 12. - 1 4 . Jahrhunderts (1939), bes. S.22 - 27 u. S.59f. 114

" 5 Historisches Archiv der Stadt Köln: Schreinsbuch 311, fol. 107 rb 26 - va 10; fol. 108 rb 32 - vb 2; Nr. 1874; 1884 - 1886. Vgl. Mitt. St.Arch. Köln 32 (1904), S. 100 f. Regest bei G. Lohr: Beiträge ... II, S. 102, Nr. 235. Die Zerstörungen, vermutlich durch Wasserschäden, sind so schwer, daß hier auch UV-Licht nicht mehr helfen würde. " 6 A.a.O., fol. 108 va 11 - 15: Auszug aus Nr. 1885. n7 G. Lohr: I.e., Anmerkung von Lohr, dort allerdings irrtümlich "Johannes" statt "Gerhard". Ii« A.a.O., S. 111, Nr. 264; S. 116 f., Nr. 276 u. 279. na G. Lohr: Beiträge ... I, S. 47. 1 20 G. Lohr: Zur Geschichte ..., S. 76; vgl. o., S. 66. 121

G. Lohr: Über die Heimat..., S. 175, Nr. 13; vgl. o„ S. 66.

163

Dokumenten üblichen Zusatz: "domus Coloniensis". Das legt nahe, daß er zwar Lektor eines Studiums gewesen ist, als das Dokument ausgestellt wurde, aber eben nicht des Kölner Generalstudiums122. Weiterhin ist in der Erwähnung des Einverständnisses des Oberen1": "cum consensu et uoluntate prioris sui" die Hervorhebung auffallend, daß es sich um den Prior von Johannes handelt und nicht um den gemeinsamen Prior von Hermann und Johannes, dem sie beide unterstanden hätten, wenn sie zu diesem Zeitpunkt gleicherweise Mitglieder des Kölner Konvents gewesen wären. Schließlich findet die Tatsache, daß Johannes seinen Anteil überhaupt abgetreten hat, ihre beste Erklärung darin, daß er an seiner Nutznießung durch seinen auswärtigen Aufenthalt sowieso verhindert gewesen wäre. Aus diesen drei Argumenten läßt sich mit derjenigen Wahrscheinlichkeit, die in historischen Forschungen erreichbar ist, schließen, daß Johannes von Sterngassen im Jahr 1320 Lektor in einem anderen Dominikanerkonvent als dem Kölner war - doch in welchem, ist nicht mehr sicher festzustellen, wenn es auch nicht unwahrscheinlich sein mag, daß es sich dabei um den Straßburger gehandelt hat, in dem er ja bereits 1310 und 1316 zu finden war. Mit dieser urkundlichen Erwähnung verlassen wir leider auch den Bereich, in dem etwas mit Sicherheit über Johannes von Sterngassen dokumentiert ist, denn dieser Name taucht in jüngeren datierten Urkunden nicht mehr auf. Gabriel Lohr deutete schon 1920 die Möglichkeit an, daß wir in einem 1333 in Köln bezeugten "fr. Johannes, lector domus predicatorum Coloniensis" Johannes von Sterngassen vor uns haben könnten124. Während Martin Grabmann das als nicht hinreichend begründet ansah, da der Name "Johannes" zu häufig gewesen sei125, und Landgraf auf diese Hypothese nicht einging, wiederholte sie Lohr 1945 unter Hinweis darauf, daß der für die Leitung des Kölner Generalstudiums in Frage kommende Personenkreis doch recht klein gewesen sei126. Das Dokument, das hierzu Anlaß gegeben hatte, ist ein im Original erhaltenes Testament der Frau Konegundis de Nova Ianua vom 7. März

122

Zu lector als Amtsbezeichnung vgl. a.a.O., S.174. Vgl. o., S. 128.

123

Eine Erwähnung des Einverständisses der Oberen wird gerade in Köln immer seltener. Zu dem Problem der persönlichen Renten, das später noch größere Ausmaße annahm, vgl. G. Lohr: Beiträge ... I, S. 19 - 26. 124

G. Lohr: Beiträge ... I, S. 48.

125

Neu aufgefundene lateinische Werke ..., S. 31.

12

e Zur Geschichte ..., S. 67; vgl. o„ S. 66.

164

13 3 3127, dessen Eintragung in das Schreinsbuch "Liber paracionum" ebenfalls erhalten ist128. Die Dame möchte sich bei den Predigerbrüdern begraben lassen, vermacht deren Kölner Konvent einen relativ bescheidenen Teil ihres beträchtlichen Vermögens und setzt unter anderen "uirum religiosum fr. Johannem lectorum domus predicte"129 als Testamentsvollstrecker ein. Er erhält, zusammen mit seinem - jüngeren (?) - Bruder, der ebenfalls Dominikaner ist, ein ansehnliches Geldgeschenk: "Item do lego fr. Johanni lectori et Goswino eius germano ordinis predicatorum domus Coloniensis viginti m."130. Das Schreinsbuch, in das die Eintragung am 13. März erfolgte, enthält die Formulierung: "manufideles fratrem Johannem lectorem domus predicatorum Coloniensis ... "131. In derselben Erbschaftsangelegenheit gibt es noch weitere Dokumente, die in den Schreinsbüchern enthalten sind. Unter dem Datum vom 7. März 1334, mit Nachtrag vom 8. Mai 1335, ist beurkundet, daß der Erbfall nunmehr eingetreten ist132; die Testamentsvollstrecker(innen) werden tätig, unter ihnen befindet sich "fr. Johanni de ordine predicatorum domus Coloniensis"133. Zuletzt werden die Nichten der Verstorbenen bedacht. Das ist in einer Schreinseintragimg vom 9. September des Jahres 1336 festgehalten134. Unter den Testamentsvollstrecker(inne)n wird wieder "fr. Johannes de ordine predicatorum domus Coloniensis" aufgeführt135. Der genannte fr. Johannes ist, wie sich aus diesen Urkunden ergibt, also Konventual des Kölner Dominikanerkonvents gewesen, in dem

Historisches Archiv der Stadt Köln: Testament D 323. Vgl. Mitt. St.Arch. Köln 44 (1953), S. 52. Regest bei G. Lohr: Beiträge ... II, S. 145, Nr. 359. 127

1 2 8 Historisches Archiv der Stadt Köln: Schreinsbuch 486, fol. 53v 15 - 20; vgl. Mitt. St. Arch. Köln 32 (1904), S. 143. 1 2 9 Testament D 323. Zu Konegundis de Nova ianua und ihrer Beziehung zum Kölner Dominikanerkonvent vgl. G. Lohr: Op. cit. I, S. 22, 24, 27; II, S. 110, Nr. 261.

" o Ebd. 131

Schreinsbuch 486, fol. 53 v 17.

1 3 2 Schreinsbuch 163, fol. 23r 1-6; vgl. Mitt. St.Arch. Köln 32 (1904), S. 67. Regest bei G. Lohr: Beiträge ... II, S. 148 f., Nr. 372. 133

Ebd., Zeile 4.

1 3 4 Schreinsbuch 187, fol. 2v 1-11; vgl. Mitt. St.Arch. Köln 32 (1904), S. 73. Regest bei G. Lohr: Beiträge ... II, S. 160 f., Nr. 404. 135

Ebd., Zeile 1 f.

165

auch ein Bruder von ihm, fr. Goswin, lebte; er war 1333 Lektor, aber am 7. März 1334 bereits nicht mehr im Amt. Wer kann das gewesen sein ? Die Erwähnung des leiblichen und Ordens- Bruders fr. Goswin führt bei der Beantwortung der Frage nicht weiter, denn ein "fr. Goiswine van Brabant" ist zwar 1331 neben einigen anderen Dominikanern im Testament des Patriziers Godevart Hardevust mitbedacht worden136, aber damit ist noch keineswegs gesichert, daß es sich um dieselbe Person handelt. Ansonsten schweigen die zugänglichen Quellen jener Zeit über "fr. Goswin". Ebensowenig führt die Spur über Konegundis de Nova ianua zu bestimmten Namen von Predigerbrüdern - außer den oben genannten. Die aus den Dokumenten indirekt zu entnehmenden Umstände lassen auch lediglich Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu: Fr. Johannes Lector ist entweder wegen dieser gewichtigen Funktion zum Verwalter des Testaments bestellt worden (der Prior scheint solche Aufgaben nicht übernommen zu haben, soweit aus den erhaltenen Urkunden hervorgeht) in diesem Fall könnte er sich auch erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit in Köln aufhalten - oder es geschah infolge einer seelsorglichen Vertrauensstellung, die eine längere Bekanntschaft voraussetzt. Daß er einen leiblichen Bruder im Konvent hat und auch nach seiner Amtszeit als lector dort verbleibt, deutet auf eine Kölner Abkunft und Zugehörigkeit zu diesem Konvent hin. Die Erwähnung als lector im März 1333 und das Fehlen dieses Titels genau ein Jahr später - vor den Terminen von General- und Provinzkapitel, die gewöhnlich die Ablösung von Lektoren beschlossen oder dem Generalmeister beziehungsweise Provinzial anvertrauten, lassen vermuten, daß seine Amtszeit mit dem Studienjahr 1332/33, also zum 29. Juni 1333 endete. Sicherheit ist darüber aufgrund dieser Quellen jedoch nicht zu gewinnen. Auch nicht über Wahrscheinlichkeiten hinaus führt es, die Andeutung Lohrs über die kleine Zahl der in Frage kommenden Dominikaner137 aufnehmend, diese durchzugehen. Von den in Köln bezeugten "fr. Johannes" kommt zunächst "Johan Franco, lesemeister der predigir von Kölne"138 in Betracht. Er ist nicht identisch mit "frater Francko, lector quondam, de Collonia"139 aus dem Mainzer Totenbuch, welcher ein Jahrhundert später anzusetzen ist, als Lohr annahm.

136

G. Lohr: Op.cit., II, S. 135 - 137, Nr. 333; hier S. 136.

137

Vgl. o., S. 164.

138

Vgl. o., S. 131.

13

9 I. W. Frank: Das Totenbuch ..., S. 254 u. 107. Vgl. o„ S. 131.

166

In den Kölner Urkunden ist nur von "fr . Franco" die Rede140 - und im Kölner Dominikanerkonvent hat es in den ersten Jahrzehnten des vierzehnten Jahrhunderts wahrscheinlich mehrere Träger dieses Namens gegeben141. Ob der aus Köln gebürtige fr. Franco Vlagge der am 18. November 1334 als Supprior des Konvents bezeugte "fr. Franco" ist, können wir so nicht mehr sicher ausmachen142. Sollte er der lector fr. Johannes sein, dann wäre allerdings nicht erklärlich, wieso dieser seinen Namen wechselte, anstelle in diesem Testament und den dazugehörigen Schreinseintragungen - wie es sonst geschah - als "fr. Franco" aufzutreten. "Johannes Franco der Lesemeister" mußte aber nicht, wie Franco Vlagge, aus der Stadt stammen, in den Kölner Konvent eingetreten oder dort so intensiv seelsorglich tätig gewesen sein, daß sich das in Urkunden niedergeschlagen hätte, sodaß es nicht unmöglich erscheint, daß jener, eine weitere Person, der gesuchte lector war. Auszuschließen ist es, daß Johannes Schadelant (ca. 1310 - 1373) der Gesuchte sein könnte, denn er war 1329 noch Student der Philosophie143, hatte also noch mehr als sieben Jahre Studium vor sich, bevor er - selbst als 'Senkrechtstarter' - zu einem solchen Amt hätte gelangen können. "Johannes dictus Radebent"144 schließlich taucht auch erst zwanzig Jahre später für einen kurzen Moment aus dem Dunkel auf. Andere in Frage kommende Kölner Dominikaner mit dem Namen "Johannes" sind nicht bezeugt. Wenn es auch aufgrund der untersuchten Umstände weniger wahrscheinlich erscheint, kann es jedoch dennoch nicht ausgeschlossen werden, daß ein Auswärtiger dieser "fr. Johannes lector Coloniensis" war, der nicht über enge und vielfältige Verbindungen zur Kölner Bürgerschaft verfügte und deshalb auch nicht weiter in den Urkunden erscheint. Aber auch hier läßt sich kein weiterer deutscher Dominikaner erblikken, der dafür in Betracht gezogen werden könnte. Die Möglichkeit ist 140 "Johan Francken" taucht nur 1452 - 1492 im Rentenregister Nr. 34 der Stadt Köln auf. G. Lohr: Beiträge ... II, S. 326, Nr. 861. Wie aus einer Urkunde von 1319 hervorgeht, wo "fr. Franconi, dicto Flachge et fr. Brunoni dicto Overstoltz de ord. Pred ..." ein Vermächtnis zugewandt wird ( Op. cit. II, S. 100, Nr. 228), ist "Franco" bei dem/den dort Gemeinten eher als Tauf- oder Ordensname zu verstehen. 141

G. Lohr: Beiträge ... I, S. 49 f.

142

G. Lohr: Beiträge ... I, S. 50; II, S. 152, Nr. 386.

143

G: Lohr: Op.cit., II, S.135, Nr. 330. Ders.: Zur Geschichte ..., S. 71. Vgl. o., S. 139.

144

Vgl. o„ S. 139 f.

167

also durchaus gegeben, daß der 1333 als Kölner Lektor bezeugte "fr. Johannes", der 1334 bereits emeritiert, aber 1336 noch in der Stadt war, unser Johannes von Sterngassen ist. Sie ist unter den verschiedenen Hypothesen sogar die wahrscheinlichste - allein, auf die unzureichende Information, die wir besitzen, läßt sich eine sichere Entscheidimg darüber nicht gründen.

1.3.4 Versuch einer Synthese der biographischen Daten Der früheste Fixpunkt, den wir für die Lebensdaten des Johannes von Sterngassen haben, ist seine Erwähnung in einer Straßburger Urkunde von 1310145. Schon einige Zeit davor muß er als Seelsorger in der elsässischen Stadt gewirkt haben. Von einer wissenschaftlichen Tätigkeit in jener Zeit sind keine Spuren zu finden; doch sie kann auch nicht ausgeschlossen werden. Lediglich daß er Leiter des Studiums war, ist bei dem Fehlen des Titels lector äußerst unwahrscheinlich. Da er eine solche Stellung nachweislich innegehabt hat und dieses Amt ein Mindestalter von etwa dreißig Jahren impliziert146, kann Johannes zu dem Zeitpunkt jünger und noch im Ausbildungsgang gewesen sein (muß es aber nicht !). Falls, was nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, die ordensrechtlichen Vorschriften über das Mindestalter der Novizen beziehungsweise, was schon eher anzunehmen ist, der Weihekandidaten eingehalten worden sind, ist er 1310 mindestens fünfundzwanzig Jahre alt gewesen, denn die Tätigkeit als Beichtvater setzt die Priesterweihe und einige pastorale Erfahrung voraus147. Sein Geburtsjahr liegt also mit recht hoher Wahrscheinlichkeit vor 1285, es auf den Zeitraum zwischen 1280 und 1285 eingrenzen zu wollen hieße, eine schnelle, 'bruchlose' Karriere im Studiengang vorauszusetzen. Auch 1316 wird Johannes von Stemgassen nicht als Lektor erwähnt; der Umstand, daß er jedoch gerade vom Scholaster, dem theologischen Lehrer, eines Stifts zum Testamentsvollstrecker gewählt wurde148, erlaubt aber die Vermutung, gemeinsame wissenschaftliche Interessen könnten die beiden Geistlichen verbunden haben. Das Fehlen des Ti-

14

5 Vgl. o., S. 161 f..

146 Etwa 15 Jahre bei Ordenseintritt ( vgl. o., S. 106 ) und eine Mindestausbildungszeit von 15 Jahren (vgl. o., S. 122 ). 147

Vgl. o„ S. 120.

148

Vgl. o., S. 162.

168

tels deutet dabei darauf hin, daß Johannes zu diesem Zeitpunkt nicht als Hauptlektor Leiter des Straßburger Studiums gewesen ist. Mehr als die Geltungskraft einer vagen Hypothese kann das jedoch nicht beanspruchen. Mit Sicherheit auszuschließen ist allerdings, daß er 1316 Prior des Straßburger Konvents gewesen war. Charles Schmidt hatte das behauptet, ohne dafür irgendeine Evidenz vorzulegen1«. 1314 ist ein "fr. Matheus" als Prior in Straßburg bezeugt, 1316 Ulrich de Schaftholtzheim, 1317 -1318 Guntherus Monachi de Basilea150. Seine seelsorgliche Wirksamkeit ist durch den Beicht- und den Predigtdienst überliefert - gerade auch den bei Ordensschwestern in Straßburg151. Als "der brediger lesmeister von Strazburg" ist Johannes von Sterngassen in der Überschrift einer Predigt in einer Handschrift der Stuttgarter Landesbibliothek bezeugt152. Für welchen Zeitpunkt dies näherhin gilt, bleibt offen - möglicherweise für das Jahr 1320, in dem er als Lektor bezeichnet wird, dieses Amt aber nicht in Köln ausübt153. Es erscheint gut möglich, daß Johannes von Sterngassen erst um diese Zeit seine Qualifikation voll abgeschlossen hatte und vorher - während seinem Studiengang, möglicherweise über die Mindestzeiten hinaus in untergeordneten Positionen wirkte. Wenn auch das Straßburger Studium mit großer Wahrscheinlichkeit ein- oder mehrmals die Stätte einer solchen Wirksamkeit gewesen ist, so ist doch Genaueres über die Stationen dieser Ausbildung bei der jetzigen Quellenlage nicht zu erfahren. Lediglich die Hinweise, die wir der Ordenshistoriographie entnehmen können, wo ihm verschiedene Werke zugeschrieben worden sind, die sich jeweils aus bestimmten Stufen der scholastischen Lehrtätigkeit ergeben. Der Sentenzenkommentar, Sterngassens Hauptwerk, wird von allen Autoren erwähnt - es läßt sich aber nicht entscheiden, ob er Frucht der Sentenzenvorlesung als Bakkalaureus - womöglich an einem Studium generale - gewesen ist oder Niederschlag der 'Hauptvorlesung' als Lektor eines theologischen Partikularstudiums154. Eindeutiger verhält es 149

Vgl. o., S. 49. Bis in die jüngste Zeit unkritisch weitergegeben; vgl. o., S. 69 - 74.

150 Urkundenbuch der Stadt Straßburg, Bd. III, 2: Register, S. 445 b 22 - 24 (dort Verweise auf die einzelnen Urkunden). Zur Amtszeit des Priors, die nicht prinzipiell beschränkt war, vgl.: Const, ant. d. 2, c. 24: ed. A. H. Thomas, S. 359, u. G. R. Galbraith: The dominican constitution ..., S. 122 -124. 151

Berlin, SBPK, Ms. germ, quart. 191, fol. 131r 7. Vgl. Teil II, p. 366.

152

Hs. HB Cod. ascet. I, 6, fol. 26r; vgl. u., S. 320.

153

Vgl. o., S. 164 f.

154

Vgl. o., S. 118.

169

sich mit den Quaestiones in totam philosophiam naturalem155, die von der - nicht unbedingt von jedem Studenten zu absolvierenden - Tätigkeit als lector naturalium herstammende. Dasselbe gilt für die Quaestiones in librum de bona fortuna157. Die philosophische Lehrtätigkeit des Johannes von Sterngassen ist damit auf mindestens zwei Jahre anzusetzen, denn der Kurs der philsophia naturalis dauerte diese Zeit158. Wahrscheinlich hat er aber länger Philosophie doziert, denn der Sentenzenkommentar läßt eine überdurchschnittliche Vertrautheit mit dem Philosophus und dem Commentator erkennen 159 - und in der Mindestzeit, die ein angehender Lektor mit dieser Materie verbringen muß, hätten wohl kaum die - leider nicht wiedergefundenen - Quaestionen entstehen können. Bei den - ebenfalls verlorenen - Bibelkommentaren 160 wissen wir wieder nicht sicher, ob wir sie der Lehrtätigkeit des Bakkalaureus oder der des Lektors zuordnen sollen. Ebenfalls offen muß bleiben, ob sie Frucht einer Tätigkeit an einem Studium particulare oder einer eventuellen späteren an einem Studium generale gewesen sind. Das Vorhandensein von Quaestionen nach Art von Quodlibeta161 läßt dagegen auf das Wirken als Hauptlektor an einem Generalstudium schließen. Daß Johannes von Sterngassen in seinem eigenen Studium durch ein thomistisches Milieu geprägt worden ist, kann durch Aufbau und Inhalt seines Sentenzenkommentars als gesichert gelten162. Die Frage lag deshalb nahe, ob nicht der hl. Thomas selbst sein persönlicher Lehrer gewesen sei. Grabmann hielt das für nicht unwahrscheinlich163 und ihm schlössen sich die Verfasser verschiedener Lexikonartikel an, die allerdings manchmal diese Hypothese so darstellten, als sei sie ein gesichertes Forschungsergebnis164. i " Vgl. u„ S. 337. 156

Vgl. o„ S. 114.

i " Vgl. u., S. 338.

vgl. o., S.114 f.; dort auch zum Problem der Einordnung der philosophia moralis. 158

159 Vgl. u., S. 3 5 6 - 358. 160 Vgl. u., S. 338 f. 161

Vgl. u., S. 335 - 337; vgl. o„ S. 119.

162 Vgl.u., S. 3 5 9 - 365. 163 Neu aufgefundene lateinische Werke deutscher Mystiker (1922), S. 28. 164 Vgl. o., S. 71 - 74. 170

Das Argument Grabmanns, Johannes nenne Thomas von Aquin gelegentlich "doctor noster"165, kann jedoch als Evidenz nicht überzeugen, denn mit dem Titel ist eher Thomas als anerkannter und verbindlicher Ordenslehrer gemeint166. Inhaltliche Nähe zu und wörtliche Übernahme von Thomastexten ist allein kein Beweis für ein persönliches Schülerverhältnis. Ein wichtiges Indiz gegen eine Thomasschülerschaft sind die expliziten Nennungen des Heinrich von Gent und Johannes Quidort in den Quaestionen167 und eine Reihe impliziter Zitate aus Werken von ihnen, Hervaeus Natalis und den Articuli Parisienses168. Ferner wäre es sehr merkwürdig, wenn Johannes als Schüler des hl. Thomas aus der letzten Pariser Zeit - eine andere Periode käme wohl kaum in Frage169 - die Argumentation des Aquinaten in De unitate intellectus nicht kennen und verwenden würde170. Auch dieser Umstand läßt sich am besten so erklären, daß Sterngassen Thomas von Aquin eben nicht als seinen persönlichen Lehrer kannte, sondern nur durch eine beschränkte Auswahl seiner Werke. Wie sollte er auch, falls er wie im obenstehenden aufgezeigt - wahrscheinlich erst zwischen 1316 und 1320 Lektor geworden ist, sein Studium dann womöglich zwischen 1295 und 1305 begonnen hat, den doctor angelicus noch selbst gehört haben ? Auch dafür, daß Johannes von Sterngassen ein Schüler Meister Eckharts gewesen sei, wie besonders von Mystikforschern behauptet worden ist171, gibt es keine Evidenz. Von 1303 bis 1311 war Eckhart Provinzial der Saxonia - also nicht in der 'Schule' tätig172. 1311 - 1313 ist die Zeit seines zweiten Pariser Magisteriums173; 1313/14 - 1322/23 165

M. Grabmann: Neu aufgefundene ..., S. 28 f.

166

Vgl. u., S. 353 u. 359.

167

Vgl. Teil II, p. 327.

168 vgl. Teil II, p. 410. 169

Daß zur Zeit des hl. Thomas in Neapel kein Generalstudium bestand, zu dem andere Ordensprovinzen Studenten hätten schicken können, vgl. o., S .101-103. 17

° Vgl. u., S. 366 f.

171

Vgl. o„ S. 35 f. (Wackernagel), 40 f. (Rieger), 42 (Preger); kritisch S. 47. (Strauch).

172

J. Koch: Kritische Studien ... I, S. 18 f. K. Ruh: Meister Eckhart, S. 25 - 30.

173

A.a.O., S. 37 f. K. Ruh: Op. cit., S. 72. Das Opus tripartitum muß allerdings nicht unbedingt in jener Zeit entstanden sein; einiges spricht für seinen Beginn in der Zeit von Eckharts Provinzialat und ein Aufgeben spätestens in seiner Straßburger Zeit; vgl. L. Sturlese: Meister Eckhart (1993), S. 16 f..

171

hatte er zwar sein Quartier in Straßburg aufgeschlagen, wo er Johannes von Sterngassen begegnet sein muß - doch auch in dieser Zeit lehrte der Meister nicht174. Als Eckhart - falls er das tat, was nicht das wahrscheinlichste ist, wie wir gesehen haben175 - frühestens Ende 1322 die Leitung des Kölner Generalstudiums übernahm176, hatte Johannes bereits die höchste Ausbildungsstufe erreicht, die ihm dieses vermitteln konnte. Schließlich lassen sich auch keine hinreichenden Nachweise dafür anführen, daß Johannes von Sterngassen Magister der Theologie der Pariser Universität gewesen sei. Zwar nennt Glorieux in seinem bis 1320 reichenden Repertorium der Pariser Magistri als letzten Dominikaner Johannes de Parma, der 1313 - 1314 den Lehrstuhl für Ausländer innehatte177, und läßt dann eine Lücke, doch das argumentum ex silentio kann hier nicht für ein Magisterium in Anspruch genommen werden, da Johannes in den Fortsetzungen der von Stephanus de Salanhaco und Bernardus Guidonis begonnenen Magisterliste nicht auftaucht und diese ist für die in Betracht kommende Zeit vollständig178. So ist entweder ein Irrtum anzunehmen, der dem Rubrikator der Vatikanischen Handschrift, Cod. Vat. lat. 1092, unterlief, als er Johannes den Magistertitel beilegte179 - oder von einem Überschwappen des ausgedehnteren Sprachgebrauchs in der deutschsprachigen Volksliteratur, wo 'Meister' jeden bezeichnen konnte, der in irgendeiner Funktion in der Schule lehrte1»0.

174

A.a.O., S. 38 u. 44; K. Ruh: Op. cit., S. 108 f. Vgl. o., S. 142.

175

Vgl. o„ S. 131 f.

176

Vgl. o., S. 132.

177

P. Glorieux: Répertoire des Maîtres en théologie de Paris au XlIIe siècle, Bd. I (1933), S. 221 f. 178

Vgl. o., S. 146 f.

179

Darauf, daß das hier der Fall sein könnte, hat bereits Landgraf aufmerksam gemacht; vgl. o., S. 61. 180

Echardus (DW I, S. 174, 3 f.): "Kleine meister lesent in der schule, daz alliu Wesen sin geteilet in zehn wise, und die selben sprechent si gote zemale abe". J. Quint, I.e., bemerkt zu recht, daß hier Eckhart nicht etwa die aristotelische Lehre von den Prädikamenten als Angelegenheit kleiner Geister darstellt, allerdings ist die Behandlung dieses Stoffs doch eher Aufgabe der lectores naturalium (oder artium) als der baccalaurei theologiae, die Quint hier erblickt. Bei Johannes von Sterngassen findet sich ebenfalls "Meister" für einen nicht näher bestimmten Lehrer (vgl. Teil II, p. 354, 21; 355, 29; 377, 2), aber auch für einen Meister des geistlichen Lebens (p. 354, 32; 356, 31).

172

Auch wenn seine seelsorgliche Tätigkeit und mystische Predigt in Straßburg belegt sind, erscheint es doch etwas weit hergeholt, ihn mit den erst etwa fünfzig Jahre später auftretenden "Gottesfreunden vom Oberrhem" in Verbindung zu bringen181. Das Sterbedatum des Johannes von Sterngassen ist genauso unbekannt wie das seiner Geburt. Die Jahresangabe 1314 in der Lilienfeider Handschrift, Cod. 102, läßt sich nicht mit den urkundlichen Bezeugungen von 1316 und 1320 in Übereinklang bringen. Während Grabmann sich noch auf sie verlassen hatte182, mißtraute ihr Landgraf183 allerdings aus nicht stichhaltigen Gründen. Sterngassen könnte dann wohl kaum die "Scripta in Psalmos et Sapientiam" verfaßt haben, die ihm von Quetif - Echard zugeschrieben werden, da er in diesem Fall bereits kurz nach seiner, laut Landgraf nach 1311 gehaltenen, Sentenzenvorlesung gestorben wäre und die ja doch die Zulassungsvoraussetzung für die biblische Hauptvorlesung bildete184. Abgesehen von dem Problem der Datierung des Sentenzenkommentars183 wissen wir ja doch gerade nicht, welcher Studien- beziehungsweise Lehrstufe die Schriftkommentare zuzuordnen sind186 und können deshalb nicht voraussetzen, daß sie nach dem Sentenzenkommentar entstanden sein mußten. Das Problem der Angabe des Todesdatums 1314 löst sich aber bei näherem Hinsehen auf. Die Angabe im Lilienfelder Codex: "Autor vixit Saeculo 13 et mortuus est anno 1314"187 kann nicht dieselbe Autorität für sich beanspruchen wie der Kommentartext des beginnenden vierzehnten Jahrhunderts. Sie stammt nämlich von der Hand des Stiftsbibliothekars P. Johann Joseph Gottwald O Cist. (Biblio-

181

Vgl. o., S. 70.

182

Vgl. o., S. 59.

183 Bei ihm nicht konsistent: Johannes Sterngasse ... (1926), S. 42, geht er von 1314 aus, S. 50 - 52 bezweifelt er dieses Todesdatum. 184

A.a.O., S. 50.

18

= Vgl. u„ S. 206 - 208.

18

6 Vgl. o„ S. 170.

187

Lilienfeld, Cod. 102, Vorsatzblatt. 173

thekar 1841 - nach 1868)188, wie mir der jetzige Bibliothekar, P. Eugen Müller 0 Cist., freundlicherweise mitteilte und durch Schriftvergleich untermauerte. Gottwald hatte offenbar aus dem handschriftlichen Bibliothekskatalog seines berühmten Vorgängers Chrysostomus Hanthaler O Cist. (Bibliothekar 1718 - 1733, 1737 - 1754 ) die Meinung übernommen, der "Johannes Teutonicus OP", Verfasser einer Glosse zur Summa confessorum des Raymund von Penafort OP, und der "Johannes Theutonicus OP", Autor des Sentenzenkommentars, seien ein und dieselbe Person189. Beide Werke finden sich in Handschriften der Lilienfelder Stiftsbibliothekiso. Gottwald erfuhr, daß 1314 das Todesjahr des Johannes von Freiburg sei191, der für ihn auch der Autor des Sentenzenkommentars war. So erklärt sich, wie das Jahr 1314 als Sterbedatum für "Johannes Teutonicus" vermerkt und weitergegeben werden konnte. Einen anderen, wertvolleren Hinweis können wir dem Stamser Katalog und den mit ihm verwandten Verzeichnissen entnehmen. Sie gehen ja gemeinsam auf eine Liste zurück, deren zweiter Teil - wo Johannes von Sterngassen verzeichnet ist - nach dem Kenntnisstand vor Veröffentlichimg von Kaeppelis Scriptores Ordinis Praedicatorum aus der Zeit um 1330 stammt192. Da diesem Gelehrten die Identifizierung zahlreicher bislang nicht oder falsch zugeordneter Namen gelungen ist, erscheint es sinnvoll, unter Einbeziehung seiner Ergebnisse die 'Umgebung' des Johannes von Sterngassen in den verschiedenen Katalogen zu vergleichen:

C. Hanthaler: Catalogus manuscriptorum Campiliensium: Wien, UB, Ms. II, 499, S. 73, Nr. 349. Hanthaler unterscheidet ausdrücklich einen "Johannes Theutonicus OP ... IV ordinis praedicatorum Magistrum Generalem" und einen "iuniorem alterimi, alias dictum de Friburgo et Runsick" (ebd.). Zur Person Hanthalers vgl. C. Schimek, Xenia Bernardiana, Bd. III, S. 286 - 288, u. LThK2 Bd. V (1960), Sp. 3 f. 188

1 8 9 Zu Johann Joseph Gottwald O Cist. vgl. C. Schimek, Xenia Bernardiana, Bd. III (1891), S. 293.

190 Glossa = Cod. 57, In IV Sent. = Cod. 102. 191 Vgl. LThK2 Bd. V (1960), Sp. 1033 f. Nach Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 428, Todesjahr 1304. 192 Vgl. o., S. 146 f.

174

Kaeppeli Tod Sir. in193 Name Scriptores Jahr (nach Kaeppeli) S L U in S II, 152 1336 41 41 33 Godinus ( Guillelmus Petri de G. ) II, 96 1342 42 42 60 Guillelmus Lombardus III, 187 nach 1334 Nicolaus Triveth - 43 nach 1273 Egidius Aurelianensis 43 44 I, 5 ? Christopherus Lombardus (Hermannus de Minda ?) 44 45 II, 231 1323 45 46 34 (H)erveus (Natalis) Brito II, 527 nach 1313 46 47 35 Iohannes Picardi de Lichtenberg II, 133 nach 1249 47 48 36 Guillelmus (Peraldus) ? III, 15 48 49 37 Johannes de Sterngassen III, 201 nach 1288 49 50 40 Paganus (de Bergamo) II, 323 1321 50 51 41 Jacobus de Lausanna II, 260 1268 51 52 38 Hugo Ripelin de Argentina nach 1269 52 53 39 Burchardus Teutonicus (Anerbe) I, 256 nach 1303 Jacobus Metensis II, 330 53 54 I, 339 1334 54 55 72 Durandus (de S. Porciano) ? Albertus Erfordiensis (de Clavaro ?, de Treffurt ?) 55 56 Raymundus Martini III, 281 nach 1284 56 57 49 III, 291 1285-1295 57 58 42 Reginaldus Romanus (de Piperno) -

-

-

-

Die Reihenfolge der Einträge folgt allerdings keiner chronologischen Ordnung, und die relative Selbständigkeit des Catalogus Upsalensis in Auswahl und Anordnung wird deutlich. Mit eindrucksvoller Übereinstimmung aber sind gerade die jüngsten Eintragungen (S 41, 42, 54), bei denen sich ein gesichertes Todesdatum ergibt (1336, 1342, 1334), in allen drei Verzeichnissen enthalten. Der Abschluß des gemeinsamen Grundbestandes für diesen zweiten Teil der Kataloge muß also um ein Dutzend Jahre später gelegt werden - und damit auch der terminus ante quem für den Tod des Johannes von Sterngassen. Als solcher erscheint nach diesem Stand 1342, das Todesjahr des hier, wie häufig in der Tradition, "Guillelmus Lombardus" genannten Guillelmus de Cortemilia, Bischofs von Scala194. Sicherheit über den Zeitpunkt seines Todes ist damit noch nicht gewonnen; die bisherige frühe Datierung der Verzeichnisse ist aber nicht mehr haltbar und steht einer Identifizierung des Johannes von Sterngassen mit dem 1333 amtierenden und 1336 noch lebenden Kölner Lektor nicht mehr entgegen.

«3 Es bedeuten: S Catalogus Stamensis ( ed. G. Meersseman, MOPH XVIII (1936), S. 63 f. (Nr. 41 - 57)); L Laurentius Pignon (Op. cit., S. 27 - 29); U Catalogus Upsalensis (Op. cit., S. 74 - 76). 194

Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 96, bekräftigt ausdrücklich die Identität. 175

Auch daß Johannes Meyer195 und Friedrich Steill^e Johannes in die Zeit des Generalats von Hervaeus Natalis (1318 - 1323) legen, braucht dem nicht zu widersprechen, denn, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, ist damit nicht der Tod, sondern die 'Blüte' gemeint. Schwerer wiegt da schon der Umstand, daß diese Erwähnungen, wie auch die urkundlichen Belege für seine Wirksamkeit in das Elsaß und nicht nach Köln weisen. Aus der Tradition des Sentenzenkommentars sind Hinweise auf den Entstehungsort nicht zu gewinnen197, die der deutschen Predigten - oder überwiegend - Fragmente enthält zwar zwei Hinweise auf das Elsaß, ist aber als Ganzes für eine konkrete Lokalisierung zu weit gespannt.

195

Vgl. o., S. 148 f.

196 Vgl. o., S. 154 f. 197 Vgl. u., S. 205 f.

176

2.

DER SENTENZENKOMMENTAR

2.1 Die handschriftliche Tradition

2.1.1 Erhaltene Handschriften B

Bologna Biblioteca communale dell Archiginnasio. Ms. A 913. 14. Jh.1

360 x 260 mm, Alter Ledereinband. Pergament, 130 Blätter mit alter, lückenhafter Seitenzählung (15. Jh.?), oben mittig und neuer Blattzählung unten. Provenienz: Bologna, Dominikanerkonvent. Die Handschrift ist offenbar nachträglich - aber noch im 15. Jh. - aus zwei Teilen (fol. 1 - 22, fol. 23 - 130) zusammengesetzt worden2. Lagen: 1. fol. 1 - 12 / 13 - 22. 2. fol. 23 - 130: unregelmäßig je 2 - 12 Blätter, bezeichnet II V, IX - XV. Schrift: Zwei Hände (fol. 1 - 22, fol. 23 - 130), Gothica textualis des 14. Jh.; Buchstabenhöhe 1 - 2 mm.; 2 Spalten; im 1. Teil je 90 - 104 Zeilen. Randglossen mit Autorenidentifikationen des Schreibers. Inhalt: Der erste Teil dieser Handschrift ist bereits von P. Doucet beschrieben worden3. Er enthält einen Katenenkommentar mit Auszügen dominikanischer Autoren (bis auf Gottfried von Fontaines, Quodl. VII, 4, fol. 17 rb-vb). Am Rand finden sich eingerahmt die Namen der jeweils herangezogenen Scholastiker, darunter auch siebenmal "Iohannes Coloniensis". Im einzelnen sind es folgende Stellen: fol. 2 va 76 - vb 29: Utrum theologia sit scientia4. 1 Vgl. C. Lucchesi: Inventario dei manoscritti della biblioteca communale dell archigmiasio di Bologna, Serie A, voi. 11 (1925), S. 84 f. Th. Kaeppeli: Scriptores... Voi. II, S. 16, Nr. 2670. 2

Johannes Parisiensis (Introduction).

Quidort: In I Sent., ed. J. P. Muller (1961), p. xviii

3 Commentaires sur les sentences (1954) S. 57-60. M. Grabmann: Forschungen ..., S. 196 f.; MAGLI (1926), S.398, hat zuerst darauf hingewiesen. 4

V. Doucet: Commentaires ..., S. 91, Nr. 6. Johannes de Sterngassen: In I Sent., Prol., q. 1, a. 1, sol.: vgl. u. II, S. 82, 19 - 89, 142.

fol. 3 rb 90 - 94: . In dieser Quaestio des Wilhelm von Macclesfield OPs findet sich - von Doucet übersehen - eine unleserliche Randglosse ( ol. 3 rb 83) und eine "Iohannes Coloniensis" (rb 92). Der bereits einige Zeilen vorher beginnende und bei Wilhelm nicht mehr zu findende Text einer Responsio (88 - 94) geht dann in ein 48 Worte langes Zitat aus Johannes von Sterngassen über6. fol. 4 va 63 - 79: Utrum theologia sit speculatiua7. fol. 5 ra 85 - rb 46: Utrum uti sit actus rationis8. fol. 9 va 18 - vb 96: Utrum potentie anime realiter differant ab eius essentia9. fol. 14 va 18 - 21 u. 56 - vb 74: 1665 Worte Sterngassen-Text; von Doucet zwischen Quaestionen des Durandus de S. Porciano nicht bemerkt10.

C

Capestrano, Convento di S. Francesco, Ms. XLIX. 14. Jh.

285 x 220 mm, roter Ledereinband. Pergament, 33 Blätter ohne Zählung11. Schrift: Gothica textualis einer Hand des 14. Jh. Buchstabenhöhe 1,5 3 mm. 2 Spalten, 50 - 52 Zeilen. Randglossen (Gliederung der Quaestionen) von einer anderen Hand. Initialen, teilweise mit einfacher Verzierung in rot und grün am Beginn der einzelnen Quaestionen. Inhalt: fol. 1 r - 2 v: Alphabet in Majuskeln und Minuskeln, fol. 3 ra - 31 vb: Johannes Theutonicus < de Sterngassen >: In IV Sententiarum.

s Cf. Th. Kaeppeli: Scriptores ..., II (1975), S. 118, n. 1576. 6

L. I, Prol., q. 2, a. 1, sol.: vgl. u. Teil II, p. 98, 48 - 99, 66. Der In Brügge, Stadsbibliotheek, Ms. 491, fol. 261 va diesem entspechende Text stellt offensichtlich eine andere Redaktion dar. 7 V. Doucet: Commentaires ..., S. 91, Nr. 12: L. I, Prol., q. 1, a. 3, sol.: vgl. u. Teil II, p. 90, 156 - 92, 188.

» A.a.O., S. 91, Nr. 17: 1.1, d. 1, q. 2, arg. 1, contra, sol., resp. f A.a.O., S. 92, Nr. 36: 1.1 d. 3, q. 2 a. 1, sol.: vgl. u. Teil II, p. 116, 16 - 146, 437. 10

L. I, d. 8., q. 1, a. 1, contra 2 3, 1 sol., resp. 1 - 9: vgl. u. p. 155, 93 - 157, 124 + 159, 144 - 173, 376. 11

Beschrieben: A. Chiappini: Reliquie letterarie Capestranensi (1927), S. 104. Vgl. V. Doucet: Commentaires ..., S. 57, Nr. 499. Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 16, Nr. 2670.

180

EXPL: "... Explicit quartus sententiarum editus a fratre Iohanne Teotonico ordinis fratrum predicatorum. Qui scripsit scribat semper cum domino uiuat. Viuat in celis Dominicus nomine felix. Dexteram scriptoris saluet Deus omnibus horis. Et sinistram eius preseueret ab omnibus languoribus. Ut sic etiam melioribus possit dare operam operibus". Der Codex ist durch den hl. Johannes von Capestrano OFM, dessen Eintrag "Ad usum fratris Iohannis de Capistrano" sich auf fol. 33 v findet, in die Bibliothek gekommen12.

E

Trento, Biblioteca communale, Ms. 1655, 14. Jh."

275 x 210 mm, Ledereinband des 17./18. Jh., beschädigt. Späterer Rücken und Schutzecken. Vorsatzblatt aus Papier an den Deckel geklebt. Pergament, 52 Blätter mit neuerer Seitenzählung. Lagen von 4 x 8 / 12 / 8 Blättern ohne Reklamen. Schrift: Gothica textualis zweier Hände des 14. Jh. 1. fol. 1, einspaltig; 2. der Rest, zweispaltig, 48 - 52 Zeilen. Spärliche Randglossen der Schreiber. Inhalt: < Teile von Sentenzenkommentaren. > S. 1 - 2, 70: L. III, d. 17 eines anonymen Kommentars. INC: "Circa distinetionem XVTIam, ubi magister agit de uoluntate diuina, quero utrum uelle dei ad extra causatum sit ab aliquo ..." EXPL: ... Ad tertium dico quod constat deum uelle ... quia posito quod dicta sic uelit defecto < ILL > ut sortes meritorum. S. 3 a 1 - 32 b 2: L. IV eines anonymen Kommentars14. INC: "Samaritanus enim uulnerato appropinquans. Sicut tangit Magister in littera sacramenta sunt medicina contra peccatum, et dicuntur medicina quia sanitatem tribuunt et ad sanitatem disponunt n

EXPL.: " ... a deo ineipiens suam doctrinam in ipso etiam terminaret, qui est prineipium a quo sunt omnia producta et finis ad quem omnia finaliter ordinantur. Cui est honor et gloria in secula seculorum. Amen".

12

Ebd. Zu Iohannes de Capestrano vgl.: LThK2, Bd. V (1960), Sp. 1014 f.

13 Kurz beschrieben: T. Panizza: Inventario dei manoscritti della Biblioteca communale di Trento, voi. Ili (1942), S. 56. Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 16, Nr. 2670. 14 F. Stegmüller: Repertorium commentariorum in Sententias Petri Lombardi, II (1947), S. 4 6 2 , Nr. 1086. Vgl. V. Doucet: Commentaires ..., S. 96. Es handelt sich um das auch in der Lilienfelder Sterngassen-Handschrift erhaltene Werk: vgl. u., S. 197.

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S. 34 a 1 - 34 b: < Thomas de Aquino OP >: Prologus super 1. IV Sententiarum. INC: "Misit uerbum suum et sanauit eos ... Ex peccato primi hominis humanuni genus duo incurrerat..." EXPL: " ... quarum prima pars cum precedentibus est de presenti iectione ad euidentiam huius partis queruntur ibi. Amen Amen". S. 35 a 1 - 104 b 19: < Johannes de Sterngassen OP, In 1. IV Sententiarum >. INC: "Samaritanus etc. Hic primo queritur de diffinitione sacramenti et primo de hac qua dicitur sacramentum est sacre rei Signum ... " EXPL: "... quoniam per diuinam iustitiam erunt in miseria confirmati non erit ex caritate compatiendum eorum miserie sed congaudendum diuine iustitie. Cui est honor et gloria in secula seculorum. Amen." Die Handschrift stammt aus der Bibliotheca Episcopalis in Trient; sie trug dort die Signatur "n. 87"15. F

Firenze, Biblioteca Nazionale c s E VI 2 6 7 5 . Datiert 1449 16 .

288 x 210 mm, moderner Halbledereinband (ca. 1860 - 1880). Pergament, 140 Blätter mit Zählung aus dem 18./19. Jh. Alte Blattnummerierung unten mittig und rechts auf der Vorderseite der Blätter, meist durch Beschneiden beim Neueinband verloren. 3 alte, ungezählte Vorsatzblätter vorne, hinten 2. Lagen von meist 10 Blättern ( fol. 1 - 10 usw. / 51 - 66 / 67 - 76 usw. / 107 - 112 / 113 - 122 / 123 - 132 / 133 - 140 + 2), Reklamen. Schrift: Sorgfältige Gothicoantiqua einer Hand des 15. Jh. Buchstabenhöhe 2 - 3 mm. 2 Spalten, 48 Zeilen mit noch deutlich sichtbarer Linierung. Randglossen und Korrekturen des Schreibers. Rubriken nur bis fol. 55 v und in der Tabula quaestionum (fol. 128 137) ausgeführt. Initialen mit einfacher Verzierung zu Beginn der einzelnen Quaestionen (mit Ausnahmen). Inhalt: fol. 1 ra - 137 va: < Johannes de Sterngassen: In I - IV Sententiarum >. fol. I r a - 27 vb: Liberi, fol. 28 ra - 5 5 va: Liber II. fol. 56 ra - 77 ra: Liber III. fol. 77 ra - 127 vb: Liber IV. 15 J. B. Gentilotti: Catalogus manu scriptorum codicum in Bibliotheca Episcopali (1765), S. 382.. 16 F. Stegmüller: Repertorium commentariorum ... I, S. 245, Nr. 499. Th. Kaeppeli: Scriptores ... II, S. 16, Nr. 2670.

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EXPL: " ... non erit ex caritate compatiendum eorum miserie, sed congaudendum divine iustitie. Cui est honor et gloria in secula seculorum. amen. Explicit opus super sententias. amen. MCCCCXLVini ultima die aprilis". fol. 128 ra - 137 va: Tabula quaestionum. fol. 137 va: Konkordanz von Lehrunterschieden zwischen Sentenzenkommentar und Summa theologiae des hl. Thomas von Aquin. INC: "Isti sunt articuli in quibus aliter dicit Thomas in scripto et in summa..." EXPL: " ... Spiritus Sanctus mouens mentem hominis uel magis uel minus secundum suam uoluntatem". Zuschreibung: Auf dem letzten Vorsatzblatt vorne steht recto: "Finito a. 116 x° 1449" und etwas tiefer: "Iste liber est Congregationis Scto. Iustino ordinis Scti. Benedicti, deputatus monasterio Scte. Marie / sub Abbate ... Floren x 1449." Auf dem selben Blatt verso von gleicher Hand: "Summa theologie super IHIor libros magistri Sententiarum 7. x. 1449 ad usum iste abbatie florentine", und von anderer Hand: "Summa super 4or Libros Magistri Sententiarum". Von dieser Hand am oberen Rand von fol. 1 r: "Lectura seu Expositio super quattuor libros magistri sententiarum". Von einer dritten Hand geschrieben steht am unteren Rand von fol. 1 r: "Summa super quatuor Libros Sententiarum. Inter Codices designatur num. 60". Darunter steht von der zweiten Hand: "Iste liber est Marie Florentine a. 1449". Auf fol. 1 r befindet sich am unteren rechten Rand ein Stempel mit dem napoleonischen Adler, links der Stempel der Biblioteca Nazionale von Florenz.

G Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Ms. 7044. 2. Hälfte 15. Jh.

295 x 205 mm, Pappeinband des 19. Jh. Je 1 Vorsatzblatt aus dem 19. Jh. vorne und hinten. Papier mit Wasserzeichen aus d. 2. Hälfte des 15. Jh. 17 , 26 Blätter, fol. 1 - 23 Zählung von Hand des 17. / 18. Jh.; fol. 24 26 leer, bereits liniert. Lagen von 1 0 / 1 0 / 6 Blättern; Reklamen am Schluß der ersten beiden. Die zwei ersten Lagen haben Falze aus Pergament, die dritte einen aus modernem Papier. Schrift: Gothica textualis einer Hand des 15. Jh., jedoch mit wechselnder Tinte. Zweispaltig, 54 Zeilen. Rubriziert bis fol. 5 r; 17 Ch. M. Briquet: Les filigranes, a facsimile to the 1907 ed. with suppl. material, Bd. I (1968), S. 373 b, Nr. 6596. Der Typ kommt aus der Lombardei, erscheint aber 1468 auch in Straßburg, 1476 in Nürnberg und 1477 in Sargans.

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Ausmalung der Initialen nicht durchgeführt. Randkorrekturen von der Hand des Schreibers. Inhalt: Am oberen Rand von fol. 1 r von Hand des 18./19. Jh. vermerkt: "De Sacramentis in genere et in specie". Von F. Stegmüller identifiziert 18 . . INC: "amaritanus enim vulnerato ... Hic primo de his que dicuntur sacramentum est sacre rei Signum ..." EXPL: " ... Ad quintam questionem dicendum quod cum scandalum activum sit dictum vel factum numquam rectum"